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German Pages 393 Year 2007
Claudia E. Schrimpf-Dörges Umweltschutzverpflichtungen in der Rechnungslegung nach HGB und IFRS
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Claudia E. Schrimpf-Dörges
Umweltschutzverpflichtungen in der Rechnungslegung nach HGB und IFRS Abbildung unter besonderer Berücksichtigung von Anpassungs-, Altlastensanierungs- und Rekultivierungsverpflichtungen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Klaus-Peter Franz
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Düsseldorf, 2006 D61
. . 1. Au 1. Auflage März 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Nicole Schweitzer Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0715-4
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Geleitwort Im Rahmen der industriellen Produktion werden auch öffentlich verfügbare Güter von Unternehmen als Produktionsfaktoren genutzt, was häufig zu negativen Umweltwirkungen führt. Die Politik versucht, den Verbrauch öffentlicher Güter im Wesentlichen mit ordnungsrechtlichen Instrumenten zu begrenzen. Daher dominieren Gebote und Verbote die Umweltpolitik. Unternehmen werden durch die bestehende oder strenger werdende Umweltgesetzgebung gezwungen, Maßnahmen zu treffen, um den Verbrauch öffentlicher Güter abzuschwächen oder zu vermeiden und für Folgen umweltschädigenden Verhaltens einzustehen. Gleichzeitig führen Unternehmen aber auch freiwillig aus unterschiedlichen Motiven umweltbezogene Maßnahmen durch. Frau Schrimpf-Dörges widmet sich in ihrer Arbeit einem speziellen Aspekt der Umweltschutzproblematik, nämlich den Konsequenzen für die Rechnungslegung von Unternehmen, die nach deutschen handelsrechtlichen Grundsätzen (HGB) oder den International Financial Reporting Standards (IFRS) berichten. Dabei legt sie den Schwerpunkt auf Anpassungs-, Altlastensanierungs- sowie Rekultivierungsverpflichtungen. Die von Frau Schrimpf-Dörges vorgelegte Arbeit ist die erste geschlossene Monographie, in der die Abbildung von allgemeinen und besonderen Umweltschutzverpflichtungen nach den Rechnungslegungsregeln des HGB und der IFRS umfassend thematisiert wird. Aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen für die Bilanzierung allgemeiner Umweltschutzverpflichtungen werden die besonderen Verpflichtungen zur Anpassung (von Anlagen), zur Altlastensanierung und zur Rekultivierung vorgestellt. Mittels der verschiedenen Verpflichtungsarten werden einerseits bilanzielle Abbildungsprobleme aufgezeigt und einer Lösung zugeführt wie auch Unterschiede in den Normenwerken HGB und IFRS herausgearbeitet. Die bisherige handelsrechtliche Literatur zur Bilanzierung von Umweltschutzverpflichtungen war im Wesentlichen steuerrechtlich motiviert. Frau Schrimpf-Dörges entwickelt demgegenüber die Problemlösungen konsequent aus den Zielen und Zwecken des HGB und der IFRS oder aus wichtigen Grundprinzipien dieser Rechnungslegungswerke. Die IAS 16, 36 und 37 werden erstmalig in einer Monographie auf ihre Anwendbarkeit hinsichtlich Umweltschutzmaßnahmen und –verpflichtungen untersucht. Die vielschichtige, in Gedankenführung und Argumentation beeindruckende Untersuchung stellt die Prinzipien der Rechnungslegungswerke HGB und IFRS in ihren grundsätzlichen Auswirkungen auf die Bilanzierung von Umweltschutzverpflichtungen dar. Darüber hinaus gibt sie den Bilanzierenden wichtige Hinweise zur spezifischen bilanziellen Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen nach HGB und nach IFRS. Die vorliegende Monographie kann
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daher sowohl dem Wissenschaftler als auch dem Bilanzierungspraktiker uneingeschränkt empfohlen werden. Düsseldorf, im Dezember 2006
Prof. Dr. Klaus-Peter Franz
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im November 2006 von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Tätigkeit bei der Warth & Klein GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf, im Rahmen einer externen Promotion am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Unternehmensprüfung und Controlling. Ohne die vielfältige Unterstützung zahlreicher Personen wäre mir dieses Forschungsprojekt allerdings nicht möglich gewesen. Daher möchte ich an dieser Stelle all denjenigen danken, die direkt oder indirekt zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Mein Dank gebührt vor allem meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. KlausPeter Franz, für die wissenschaftliche Betreuung meiner Dissertation. Seine wertvolle Unterstützung, kritischen Anmerkungen und Hinweise sowie seine Doktorantenseminare haben wesentlich zum Erfolg dieser Arbeit beigetragen. Herrn Professor Dr. Guido Förster danke ich sehr herzlich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Meinem Arbeitgeber, der Warth & Klein GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf, und meinen Kollegen danke ich für ihre freundliche Unterstützung in vielerlei Hinsicht. Danken möchte ich insbesondere Herrn Dr. Jens Brune für die zahlreichen Gespräche, in denen ich wichtige Anregungen und Ideen für meine Arbeit fand. Ganz herzlich möchte ich mich auch bei meiner Freundin Frau Dipl.-Kff. Petra Nitschke bedanken, die mir mit konstruktiver Kritik gerade in den letzten Wochen meiner Arbeit eine sehr große Hilfe war. Meinen besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle meinem geliebten Ehemann Torsten aussprechen. Er hat mir nicht nur in den Jahren der Entstehung der Arbeit in fachlicher Hinsicht mit Rat und Tat zur Seite gestanden, sondern mir auch persönlich den nötigen Rückhalt gegeben, Verständnis für meine launischen Höhen und Tiefen gezeigt und sehr viel Vertrauen und Liebe entgegengebracht. Zu dieser Arbeit wäre es jedoch nie gekommen, hätten nicht meine lieben Eltern meinen gesamten bisherigen Lebensweg mit der größten Unterstützung gefördert. Ihnen ist daher die Arbeit in Dankbarkeit gewidmet. Mönchengladbach, im Dezember 2006
Claudia E. Schrimpf-Dörges
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Inhaltsverzeichnis Geleitwort .................................................................................................................................. V Vorwort....................................................................................................................................VII Inhaltsverzeichnis .....................................................................................................................IX Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ XXV Abkürzungsverzeichnis .....................................................................................................XXVII 1
Einleitung ............................................................................................................................ 1 1.1 Einführung in die Thematik.......................................................................................... 1 1.2 Problementwicklung..................................................................................................... 2 1.2.1 Umweltbezogene Aspekte................................................................................. 2 1.2.2 Rechnungslegungsbezogene Aspekte ............................................................... 3 1.3 Ableitung der Problemstellung und Abgrenzung der Arbeit ........................................ 5 1.4 Unterschiedlicher Entwicklungsstand der Forschung .................................................. 7 1.5 Zielsetzung ................................................................................................................... 8 1.6 Forschungsmethodisches Vorgehen............................................................................ 11 1.7 Gliederung der Arbeit ................................................................................................. 11
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Umweltschutzverpflichtungen – Begriff und Systematisierung........................................ 14 2.1 Untersuchungsgegenstand Umweltschutzverpflichtung ............................................ 14 2.2 Systematisierung von Umweltschutzverpflichtungen ................................................ 16 2.2.1 Grundsätzliches............................................................................................... 16 2.2.2 Bilanzrechtlich relevante Typen von Umweltschutzverpflichtungen............. 17 2.2.2.1 Typisierung entsprechend der Rechtsgrundlage..................................... 17 2.2.2.1.1 Öffentlich-rechtliche Vorschriften ................................................ 17 2.2.2.1.2 Zivilrechtliche Vorschriften .......................................................... 19
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2.2.2.1.3 Umweltschutzverpflichtungen ohne Rechtsgrundlage...................20 2.2.2.2 Typisierung entsprechend der zeitlichen Verursachung .........................21 2.2.2.2.1 Altlasten .........................................................................................21 2.2.2.2.2 Neulasten........................................................................................22 2.2.2.3 Typisierung entsprechend der Bewältigung von aktuellen und potenziellen Umweltschäden ..................................................................23 2.2.2.3.1 Schadensverhütung ........................................................................23 2.2.2.3.2 Schadensbeseitigung und -begrenzung ..........................................24 2.2.2.4 Typisierung entsprechend dem wirtschaftlichen versus rechtlichen Zeitpunkt des Entstehens einer Verpflichtung ........................................25 2.3 Die Störereigenschaft als Voraussetzung für eine Inanspruchnahme aus Umweltschäden aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung .................................25 3
Relevante Rechnungslegungsgrundlagen für die Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen nach HGB und IFRS.........................................................27 3.1 Relevante handelsrechtliche Rechnungslegungsgrundlagen für die Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen .............................................................................27 3.1.1 Entwicklung und rechtliche Grundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung ............................................................................................27 3.1.2 Elemente der handelsrechtlichen Rechnungslegung .......................................28 3.1.3 Das Ziel- und Zwecksystem der handelsrechtlichen Rechnungslegung (Einzelabschluss).............................................................................................28 3.1.3.1 Zweckermittlung .....................................................................................28 3.1.3.2 Zwecke der handelsrechtlichen Rechnungslegung .................................29 3.1.3.2.1 Ausschüttungsbemessung ..............................................................31 3.1.3.2.2 Information.....................................................................................32 3.1.3.2.2.1 Der Anhang als Informationsinstrument.............................35 3.1.3.2.2.2 Der Lagebericht als Informationsinstrument ......................36 3.1.3.2.3 Die steuerliche Gewinnermittlung .................................................39 3.1.3.3 Das Beziehungsgefüge innerhalb des Zwecksystems.............................40
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3.1.4 Ausgewählte Bilanzierungsgrundsätze ........................................................... 41 3.1.4.1 Vorbemerkungen zum Ansatz von Umweltschutzverpflichtungen nach HGB ............................................................................................... 41 3.1.4.2 Zentrale Bilanzierungsgrundsätze nach HGB ........................................ 41 3.1.4.2.1 Das Vorsichtsprinzip ..................................................................... 43 3.1.4.2.2 Das Realisationsprinzip ................................................................. 43 3.1.4.2.3 Das Imparitätsprinzip .................................................................... 45 3.1.4.2.4 Das Verhältnis zwischen Vorsichts-, Realisations- und Imparitätsprinzip............................................................................ 46 3.1.5 Der Aktivierungs- und Passivierungsgrundsatz.............................................. 47 3.1.5.1 Aktivierungsgrundsatz............................................................................ 47 3.1.5.2 Passivierungsgrundsatz........................................................................... 48 3.1.6 Der BFH als Normgeber ................................................................................. 49 3.2 Relevante Rechnungslegungsgrundlagen für die Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen nach IFRS.................................................................. 51 3.2.1 Entwicklung und Zielsetzung des Standardsetters IASB................................ 51 3.2.2 Elemente des Jahresabschlusses...................................................................... 52 3.2.3 Zielsetzung von nach IFRS aufgestellten Jahresabschlüssen ......................... 52 3.2.4 Aufbau des Normensystems............................................................................ 55 3.2.5 Ausgewählte Bilanzierungsgrundsätze ........................................................... 57 3.2.5.1 Basisannahmen ....................................................................................... 58 3.2.5.2 Qualitative Anforderungen..................................................................... 59 3.2.5.3 Nebenbedingungen ................................................................................. 61 3.2.6 Der Aktivierungs- und Passivierungsgrundsatz.............................................. 61 3.2.6.1 Aktivierungsgrundsatz............................................................................ 61 3.2.6.2 Passivierungsgrundsatz........................................................................... 62 3.3 Bilanzrechtliche Unterschiede als Ursachen einer möglichen Divergenz in der Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen .......................................................... 62
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Grundsätzliche Möglichkeiten der Einbeziehung von Umweltschutzverpflichtungen in den handelsrechtlichen Jahresabschluss und Lagebericht .............................................64 4.1 Die Rückstellung als Instrument zur Berücksichtigung von Umweltschutzverpflichtungen ....................................................................................64 4.1.1 Rückstellungen nach statischer und dynamischer Bilanztheorie.....................64 4.1.2 Einordnung von Umweltschutzrückstellungen in das handelsrechtliche System der Rückstellungen .............................................................................66 4.1.3 Die gesetzliche Grundlage des § 249 HGB .....................................................66 4.1.3.1 Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 HGB...................................................................................68 4.1.3.1.1 Allgemeine Passivierungskriterien ................................................68 4.1.3.1.2 Bestehen oder künftiges Entstehen einer Verbindlichkeit .............69 4.1.3.1.3 Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme .....................................70 4.1.3.1.4 Wirtschaftliche Verursachung bzw. rechtliches Entstehen einer Verpflichtung ........................................................................72 4.1.3.1.4.1 Vorrang der wirtschaftlichen Verursachung .......................74 4.1.3.1.4.2 Vorrang des rechtlichen Entstehens ....................................75 4.1.3.1.5 Kritische Würdigung der allgemeinen Passivierungskriterien.......76 4.1.3.2 Besonderheiten der Passivierungsvoraussetzungen für Verbindlichkeitsrückstellungen im Falle öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen ......................................................................................79 4.1.3.2.1 Das inhaltlich genau bestimmte Handeln.......................................81 4.1.3.2.2 Das Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ...................82 4.1.3.2.3 Die Sanktionsbewehrung ...............................................................83 4.1.3.2.4 Betriebliches Eigeninteresse ..........................................................84 4.1.3.3 Kritische Würdigung der Ansatzkriterien einer Rückstellung für öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten ..................................................85 4.1.3.3.1 Kritik am Inhalt der zusätzlichen Anforderungen..........................85 4.1.3.3.2 Fehlende handelsrechtliche Fundierung.........................................87 4.1.3.3.3 Die Herbeiführung der Rückstellungsbildung ...............................88
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4.1.3.3.4 Bilanzrecht versus Umweltrecht.................................................... 89 4.1.3.4 Die faktische Verpflichtung ................................................................... 90 4.1.3.4.1 Passivierungsvoraussetzungen....................................................... 91 4.1.3.4.2 Die freiwillige Selbstverpflichtung ............................................... 92 4.1.3.5 Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB................................. 94 4.1.3.5.1 Allgemeine Passivierungskriterien ................................................ 95 4.1.3.5.2 Aufwandsumschreibung ................................................................ 96 4.1.3.5.3 Aufwandszuordnung oder -verursachung...................................... 96 4.1.3.5.4 Aufwandserwartung....................................................................... 98 4.1.3.5.5 Aufwandsunbestimmtheit.............................................................. 98 4.1.3.5.6 Systemkonformes Passivierungswahlrecht?.................................. 99 4.1.3.5.7 Das Verhältnis von Aufwands- zu Verbindlichkeitsrückstellungen ................................................... 100 4.1.3.5.8 Umqualifizierung als Verbindlichkeitsrückstellung.................... 100 4.1.4 Rückstellungsbewertung: Grundlagen und ausgewählte Problembereiche............................................................................................ 101 4.1.4.1 Bewertungsgrundsätze.......................................................................... 102 4.1.4.2 Ausgewählte Problemfelder ................................................................. 103 4.1.4.2.1 Ausmaß einzubeziehender Aufwendungen ................................. 103 4.1.4.2.2 Antizipation zukünftiger Preissteigerungen ................................ 104 4.1.4.2.3 Abzinsung von Rückstellungen ................................................... 105 4.1.4.2.4 Saldierungsmöglichkeiten aus Rückgriffsansprüchen................. 106 4.2 Die Aktivierbarkeit von Umweltschutzaufwendungen ............................................ 109 4.2.1 Vermögensgegenstände aus Umweltschutzmaßnahmen .............................. 109 4.2.2 Erhaltungsaufwendungen versus Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten aus Umweltschutzmaßnahmen ...................................... 110 4.2.3 (Scheinbar) wertlose Vermögensgegenstände aus Umweltschutzmaßnahmen ............................................................................ 112
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4.2.4 Rückstellungen für (scheinbar) wertlose Vermögensgegenstände aus Umweltschutzmaßnahmen ............................................................................113 4.3 Die außerplanmäßige Abschreibung als Instrument zur Berücksichtigung von Umweltschäden.........................................................................................................114 4.3.1 Grundsätzliches .............................................................................................114 4.3.2 Die planmäßige Abschreibung ......................................................................114 4.3.3 Die außerplanmäßige Abschreibung .............................................................115 4.3.3.1 Besonderheiten bei Kapitalgesellschaften ............................................115 4.3.3.2 Der beizulegende Wert..........................................................................116 4.3.3.3 Die Dauerhaftigkeit der Wertminderung ..............................................117 4.3.3.4 Wertaufholungsgebot ............................................................................118 4.4 Umweltschutzverpflichtungen im Anhang ...............................................................119 4.4.1 Gesetzliche Angaben nach § 285 HGB .........................................................119 4.4.1.1 Umweltschutzverpflichtungen als sonstige finanzielle Verpflichtungen (§ 285 Nr. 3 HGB) .....................................................119 4.4.1.2 Erläuterungspflicht für Rückstellungen aus Umweltschutzverpflichtungen (§ 285 Nr. 12 HGB).............................122 4.4.2 Kritische Würdigung zum Aussagegehalt des Anhangs hinsichtlich Umweltschutzmaßnahmen ............................................................................123 4.5 Umweltschutzverpflichtungen im Lagebericht.........................................................124 4.5.1 Gesetzliche Angaben nach § 289 HGB .........................................................124 4.5.1.1 Angaben nach § 289 Abs. 1 HGB.........................................................124 4.5.1.2 Angaben nach § 289 Abs. 2 HGB.........................................................126 4.5.1.3 Angaben nach § 289 Abs. 3 HGB.........................................................126 4.5.2 Verlautbarungen von Standardsettern ...........................................................127 4.5.3 Kritische Würdigung zum Aussagegehalt des Lageberichtes .......................129 4.6 Empfehlung der EU-Kommission zur Berücksichtigung von Umweltaspekten im Jahresabschluss und Lagebericht.........................................................................130 4.6.1 Umweltaspekte im Anhang ...........................................................................131
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4.6.2 Umweltaspekte im Lagebericht .................................................................... 132 5
Die spezifische bilanzielle Abbildung wesentlicher Umweltschutzverpflichtungen nach HGB ........................................................................................................................ 135 5.1 Die Erfassung von Anpassungsverpflichtungen....................................................... 135 5.1.1 Begriffsbestimmung...................................................................................... 135 5.1.2 Anspruchsgrundlagen.................................................................................... 135 5.1.3 Bilanzielle Darstellung.................................................................................. 136 5.1.3.1 Aktivierung von Anpassungsmaßnahmen............................................ 137 5.1.3.1.1 Die aktivierungspflichtige Anpassungsmaßnahme ..................... 137 5.1.3.1.2 Die nicht aktivierungsfähige Anpassungsmaßnahme.................. 138 5.1.3.2 Rückstellungen für Anpassungsverpflichtungen .................................. 140 5.1.3.2.1 Die Passivierung einer Verbindlichkeitsrückstellung in Abhängigkeit von wirtschaftlicher Verursachung und rechtlichem Entstehen.................................................................. 141 5.1.3.2.1.1 Die wirtschaftliche Verursachung .................................... 141 5.1.3.2.1.2 Das rechtliche Entstehen................................................... 142 5.1.3.2.2 Besondere Ansatzkriterien für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen ........................................................................... 143 5.2 Die Erfassung von Altlastensanierungsverpflichtungen........................................... 145 5.2.1 Begriffsbestimmung...................................................................................... 145 5.2.1.1 Altlasten................................................................................................ 145 5.2.1.2 Sanierung.............................................................................................. 147 5.2.2 Anspruchsgrundlagen.................................................................................... 149 5.2.3 Bilanzielle Darstellung.................................................................................. 149 5.2.3.1 Verbindlichkeitsrückstellungen für Altlastensanierungsverpflichtungen ..................................................... 150 5.2.3.1.1 Privatrechtliche Sanierungsverpflichtungen................................ 151 5.2.3.1.2 Öffentlich-rechtliche Sanierungsverpflichtungen ....................... 152 5.2.3.1.2.1 Vorliegen einer behördlichen Sanierungsverfügung ........ 152
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5.2.3.1.2.2 Mangelndes Vorliegen einer behördlichen Sanierungsverfügung.........................................................152 5.2.3.1.3 Faktische Sanierungsverpflichtungen ..........................................154 5.2.3.2 Aufwandsrückstellungen aufgrund von Altlasten.................................154 5.2.3.3 Außerplanmäßige Abschreibungen auf Altlasten .................................156 5.2.3.3.1 Grundlagen...................................................................................156 5.2.3.3.2 Dauerhaftigkeit der Wertminderung ............................................156 5.2.3.3.3 Niedrigerer beizulegender Wert...................................................160 5.2.3.3.4 Das Vorhandensein stiller Reserven ............................................162 5.2.3.3.5 Wertaufholung .............................................................................164 5.2.3.4 Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Sanierungsmaßnahmen ...165 5.2.3.5 Kenntnis der Altlast bei Erwerb............................................................166 5.2.3.6 Konkurrenz von Rückstellung und außerplanmäßiger Abschreibung bei Altlasten...................................................................166 5.2.3.6.1 Vorliegen eines Konkurrenzverhältnisses....................................166 5.2.3.6.2 Ablehnung einer Doppelberücksichtigung...................................167 5.2.3.6.3 Mögliche Konkurrenzsituationen.................................................168 5.2.3.6.3.1 Rückstellungsverbot und Abschreibungsverbot................168 5.2.3.6.3.2 Rückstellungsverbot und Abschreibungspflicht ...............169 5.2.3.6.3.3 Rückstellungswahlrecht und Abschreibungsverbot ..........169 5.2.3.6.3.4 Rückstellungswahlrecht und Abschreibungspflicht..........170 5.2.3.6.3.5 Rückstellungspflicht und Abschreibungsverbot ...............171 5.2.3.6.3.6 Rückstellungspflicht und Abschreibungspflicht (Fall I) ...172 5.2.3.6.3.7 Rückstellungspflicht und Abschreibungspflicht (Fall II) ..............................................................................173 5.2.3.6.4 Auflösung des Konkurrenzfalles..................................................174 5.2.3.6.4.1 Vorrang der aktivischen Abwertung .................................175 5.2.3.6.4.2 Vorrang der Rückstellungsbildung ...................................176 5.2.3.6.4.3 Kritische Würdigung.........................................................177
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5.3 Die Erfassung von Rekultivierungsverpflichtungen ................................................ 180 5.3.1 Begriffsbestimmung...................................................................................... 180 5.3.2 Anspruchsgrundlagen.................................................................................... 180 5.3.3 Bilanzielle Darstellung.................................................................................. 181 5.3.3.1 Rückstellungen für Rekultivierungsverpflichtungen............................ 181 5.3.3.1.1 Rückstellungen für Rekultivierungsverpflichtungen dem Grunde nach................................................................................. 181 5.3.3.1.1.1 Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten ............ 181 5.3.3.1.1.2 Aufwandsrückstellungen .................................................. 182 5.3.3.1.1.3 Rückstellungen für Abraumbeseitigung ........................... 183 5.3.3.1.1.4 Periodisierung von Rekultivierungsaufwendungen.......... 183 5.3.3.1.1.4.1 Ansatzrückstellung nach Maßgabe des rechtlichen Verpflichtungsumfanges ............................................. 185 5.3.3.1.1.4.2 Ansammlungsrückstellung nach dem Realisationsprinzip...................................................... 186 5.3.3.1.1.4.3 Kritische Würdigung................................................... 187 5.3.3.1.2 Rückstellungen für Rekultivierungsverpflichtungen der Höhe nach 189 5.3.3.1.2.1 Preissteigerungen und Abzinsung..................................... 189 5.3.3.1.2.2 Folgekosten nach der eigentlichen Rekultivierung........... 189 5.3.3.1.2.3 Verrechnung mit Kippgebühren ....................................... 190 5.3.3.2 Abschreibung des abgebauten Grund und Bodens ............................... 191 6
Grundsätzliche Möglichkeiten der Einbeziehung von Umweltschutzverpflichtungen in den Jahresabschluss nach IFRS ................................................................................... 193 6.1 Die Rückstellung als Instrument zur Berücksichtigung von Umweltschutzverpflichtungen – IAS 37 .................................................................. 193 6.1.1 Grundsätzliches............................................................................................. 193 6.1.2 Rückstellungsbildung aufgrund des matching principle............................... 194 6.1.3 Definitionen und Abgrenzungen................................................................... 195
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6.1.3.1 Grundlagen............................................................................................195 6.1.3.2 Rückstellungen......................................................................................196 6.1.3.3 Sonstige Schulden .................................................................................196 6.1.3.4 Eventualschulden ..................................................................................197 6.1.3.5 Wahrscheinlichkeitsbegriff ...................................................................199 6.1.4 Rückstellungsansatz ......................................................................................202 6.1.4.1 Ereignis der Vergangenheit...................................................................202 6.1.4.2 Gegenwärtige Verpflichtung.................................................................204 6.1.4.2.1 Die rechtliche Verpflichtung........................................................205 6.1.4.2.2 Die faktische Verpflichtung .........................................................206 6.1.4.2.3 Die Innenverpflichtung ................................................................208 6.1.4.2.4 Zukünftige Verpflichtungen und Verluste ...................................209 6.1.4.3 Wahrscheinlicher Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen ...................................................................................................210 6.1.4.4 Zuverlässige Schätzbarkeit der Verpflichtung......................................211 6.1.4.5 Zusammenfassung und kritische Würdigung........................................213 6.1.5 Rückstellungsbewertung................................................................................214 6.1.5.1 Bestmögliche Schätzung .......................................................................214 6.1.5.1.1 Große Anzahl ähnlicher Geschäftsvorfälle ..................................215 6.1.5.1.2 Einzelne Verpflichtung ................................................................216 6.1.5.2 Risiken ..................................................................................................218 6.1.5.3 Künftige Ereignisse...............................................................................219 6.1.5.4 Preisänderungen ....................................................................................221 6.1.5.5 Erstattungsansprüche ............................................................................221 6.1.5.6 Abzinsung .............................................................................................224 6.1.5.7 Einzubeziehende Kosten .......................................................................227 6.1.5.8 Folgebewertung.....................................................................................228 6.1.5.9 Kritische Würdigung.............................................................................229 6.1.6 Ausweis .........................................................................................................230
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6.1.7 Ereignisse und Erkenntnisse nach dem Bilanzstichtag ................................. 231 6.1.8 ED IAS 37..................................................................................................... 231 6.2 Die Aktivierbarkeit von Umweltschutzaufwendungen – IAS 16 ............................. 235 6.2.1 Allgemeines .................................................................................................. 235 6.2.2 Zielsetzung und Anwendungsbereich ........................................................... 235 6.2.3 Ansatz von Sachanlagen für den Umweltschutz........................................... 236 6.2.3.1 Ansatzkriterien ..................................................................................... 236 6.2.3.2 Komponentenansatz ............................................................................. 238 6.2.3.3 Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten ....................... 239 6.2.3.4 Großinspektionen und Generalüberholungen....................................... 240 6.2.4 Bewertung von Sachanlagen für den Umweltschutz .................................... 242 6.2.4.1 Bewertung beim erstmaligen Ansatz.................................................... 242 6.2.4.1.1 Bestandteile der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ........... 242 6.2.4.1.1.1 Anschaffungspreis und -nebenkosten ............................... 242 6.2.4.1.1.2 Fremdkapitalkosten........................................................... 243 6.2.4.1.1.3 Abbruch- und Wiederherstellungskosten ......................... 243 6.2.4.2 Folgebewertung .................................................................................... 245 6.2.4.2.1 Fortführung der Anschaffungs- und Herstellungskosten............. 245 6.2.4.2.2 Neubewertung.............................................................................. 246 6.2.4.2.3 Planmäßige Abschreibung........................................................... 248 6.2.5 Stilllegung und Abgänge............................................................................... 249 6.2.6 Kritische Würdigung..................................................................................... 250 6.3 Die außerplanmäßige Abschreibung als Instrument zur Berücksichtigung von Umweltschäden – IAS 36......................................................................................... 251 6.3.1 Anwendungsbereich...................................................................................... 251 6.3.2 Zielsetzung .................................................................................................... 252 6.3.3 Wertminderungen.......................................................................................... 253 6.3.3.1 Definition und Anzeichen einer Wertminderung ................................. 253
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6.3.3.2 Ermittlung des erzielbaren Betrages .....................................................255 6.3.3.2.1 Nettoveräußerungspreis ...............................................................257 6.3.3.2.2 Nutzungswert ...............................................................................258 6.3.3.3 Zahlungsmittelgenerierende Einheiten .................................................259 6.3.3.3.1 Erzielbarer Betrag ........................................................................261 6.3.3.3.2 Buchwertermittlung .....................................................................261 6.3.3.3.3 Verteilung des Wertminderungsaufwandes .................................262 6.3.4 Wertaufholungen ...........................................................................................262 6.3.4.1 Einzelner Vermögenswert.....................................................................262 6.3.4.2 Zahlungsmittelgenerierende Einheiten .................................................264 6.3.5 Kritische Würdigung .....................................................................................265 6.4 Umweltschutzverpflichtungen im Anhang ...............................................................267 6.4.1 Berichterstattungspflichten............................................................................268 6.4.1.1 Angaben nach IAS 37 ...........................................................................268 6.4.1.1.1 Rückstellungen.............................................................................268 6.4.1.1.2 Eventualschulden .........................................................................271 6.4.1.1.3 Verzicht auf die Offenlegung nachteiliger Angaben ...................272 6.4.1.2 Angaben nach IAS 16 ...........................................................................272 6.4.1.3 Angaben nach IAS 36 ...........................................................................273 6.4.2 Kritische Würdigung zum Aussagegehalt des Anhangs ...............................274 7
Die spezifische bilanzielle Abbildung wesentlicher Umweltschutzverpflichtungen nach IFRS.........................................................................................................................275 7.1 Die Erfassung von Anpassungsverpflichtungen .......................................................275 7.1.1 Bilanzielle Darstellung ..................................................................................275 7.1.2 Rückstellungen aus Anpassungsverpflichtungen ..........................................275 7.1.2.1 Die Unentziehbarkeit als Bedingung eines verpflichtenden Ereignisses ............................................................................................275 7.1.2.2 Rückstellungsbildung bei faktischer Verpflichtung..............................277
XXI
7.1.2.3 Kritische Würdigung ............................................................................ 278 7.1.3 Aktivierung von Anpassungsmaßnahmen .................................................... 279 7.1.4 Die Wertminderung von Anlagen ohne Durchführung der Anpassungsmaßnahme.................................................................................. 280 7.2 Die Erfassung von Altlastensanierungsverpflichtungen........................................... 282 7.2.1 Bilanzielle Darstellung.................................................................................. 282 7.2.2 Rückstellungen für Altlastensanierungsverpflichtungen .............................. 283 7.2.2.1 Gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis ........... 283 7.2.2.1.1 Die rechtliche Verpflichtung ....................................................... 283 7.2.2.1.2 Die faktische Verpflichtung......................................................... 284 7.2.2.2 Wahrscheinlicher Abfluss von Ressourcen .......................................... 285 7.2.2.3 Verlässliche Schätzung der Verpflichtungshöhe.................................. 287 7.2.2.4 Kritische Würdigung ............................................................................ 287 7.2.3 Wertminderungsaufwendungen aus Altlasten .............................................. 289 7.2.3.1 Abgrenzung der wertgeminderten Einheit............................................ 289 7.2.3.2 Vorliegen einer Wertminderung........................................................... 290 7.2.3.3 Das Vorhandensein stiller Reserven..................................................... 291 7.2.3.4 Höhe der Wertminderungsaufwendungen ............................................ 292 7.2.4 Wertaufholung .............................................................................................. 292 7.2.5 Konkurrenz von Rückstellung und außerplanmäßiger Abschreibung bei Altlastenfällen ............................................................................................... 293 7.2.5.1 Vorliegen eines Konkurrenzverhältnisses ............................................ 293 7.2.5.2 Ablehnung einer Doppelberücksichtigung ........................................... 294 7.2.5.3 Mögliche Konkurrenzsituationen ......................................................... 294 7.2.5.3.1 Rückstellungsverbot und Abschreibungsverbot .......................... 294 7.2.5.3.2 Rückstellungsverbot und Abschreibungspflicht.......................... 295 7.2.5.3.3 Rückstellungspflicht und Abschreibungsverbot.......................... 296 7.2.5.3.4 Rückstellungspflicht und Abschreibungspflicht.......................... 297 7.2.5.4 Auflösung der Konkurrenz ................................................................... 298
XXII
7.2.5.4.1 Vorrangstellung Wertminderung oder Rückstellung? .................298 7.2.5.4.2 Kritische Würdigung....................................................................299 7.2.6 Aktivierung von kontaminierten Grundstücken bei Erwerb .........................300 7.2.6.1 Bilanzierung im Fall der Kenntnis bei Erwerb .....................................300 7.2.6.2 Bilanzierung im Fall der Unkenntnis bei Erwerb .................................301 7.3 Die Erfassung von Entsorgungs-, Rekultivierungs- und ähnlichen Verpflichtungen.........................................................................................................301 7.3.1 Begriffsbestimmung ......................................................................................301 7.3.2 Bilanzielle Darstellung ..................................................................................302 7.3.3 Entsorgungsverpflichtungen..........................................................................303 7.3.3.1 Grundsätzliche Überlegungen...............................................................303 7.3.3.2 Die bilanzielle Ersterfassung von Entsorgungsverpflichtungen ...........304 7.3.3.2.1 Rückstellungsbildung...................................................................304 7.3.3.2.2 Erfolgsneutrale Aktivierung.........................................................305 7.3.3.3 Die bilanzielle Folgeerfassung von Entsorgungsverpflichtungen ........306 7.3.3.3.1 Folgebewertung ohne Änderungen ..............................................306 7.3.3.3.2 Behandlung von Schätzungsänderungen .....................................307 7.3.3.3.2.1 Folgebewertung zu fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten ............................................................309 7.3.3.3.2.2 Folgebewertung zum beizulegenden Zeitwert ..................312 7.3.3.4 Kritische Würdigung.............................................................................315 7.3.4 Rekultivierungsverpflichtungen ....................................................................316 7.3.4.1 Rückstellungsansatz ..............................................................................316 7.3.4.2 Rückstellungsbewertung .......................................................................318 7.3.4.3 Erfolgsneutrale Aktivierung..................................................................318 7.3.4.4 Folgebilanzierung .................................................................................319 7.3.4.5 Kritische Würdigung.............................................................................320 7.3.4.6 Abschreibung des abgebauten Grund und Bodens ...............................321 7.3.5 Entsorgungs- und Rekultivierungsfonds .......................................................322
XXIII
8
Zusammenfassung und Ausblick..................................................................................... 323
Quellenverzeichnisse .............................................................................................................. 329 Literaturverzeichnis......................................................................................................... 330 Deutsche Rechtsquellen................................................................................................... 357 Quellen des Europarechts ................................................................................................ 360 Urteile und Beschlüsse .................................................................................................... 362 Verwaltungsanweisungen ................................................................................................ 365 Standards und Stellungnahmen des DSRC und IDW...................................................... 366 Sonstige Quellen.............................................................................................................. 367
XXV
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: IFRS-Rechnungslegungsgrundsätze ................................................................. 58 Abbildung 2: Entscheidungsbaum zur Passivierung einer Rückstellung.............................. 213 Abbildung 3: Erzielbarer Betrag ........................................................................................... 253
XXVII
Abkürzungsverzeichnis € A a. F. AbfAblV AbfG Abl. Abs. Abschn. Abt. AG AktG AO Art. AtomG Aufl. BBergG BBK BBodSchG BBodSchV BC BdF Bek. BFH BfuP BGB BGBl. BGH BilMoG BilReg BImSchG BiRiLiG BMF Bst. BStBl. BT-Drs. BVerfG bzw. ca. D. d.h. DAX DRS DRSC DSR
Euro Anhang alte Fassung Abfallablagerungsverordnung Abfallgesetz Amtsblatt Absatz Abschnitt Abteilung Aktiengesellschaft Aktiengesetz Abgabenordnung Artikel Atomgesetz Auflage Bundesberggesetz Buchführung Bilanzierung Kostenrechnung (Zeitschrift) Bundesbodenschutzgesetz Bundesbodenschutzverordnung Basis for Conclusions Bundesministerium der Finanzen Bekanntmachung Bundesfinanzhof Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bilanzrechtsreformgesetz Bundesimmissionsschutzgesetz Bilanzrichtliniengesetz Bundesminister der Finanzen Buchstabe Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht beziehungsweise circa Draft das heißt Deutscher Aktienindex Deutscher Rechnungslegungs Standard Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee Deutscher Standardisierungsrat
XXVIII
DStR DStRE DStZ DSWR e. V. EBITDA ED E-DRS EG engl. EStG et al. etc. EU EuGH f. FASB ff. FGO Fn. gem. GG ggf. GmbH GmbHG GmbHR GMBl. GoB GuV HdJ HFA HGB Hrsg. HS i. d. R. i. S. d. i. S. e. i. S. v. i. V. m. IAS IASB IASC IDW IFRIC IFRS
Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht Entscheidungen (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Datenverarbeitung Steuer Wirtschaft Recht (Zeitschrift) eingetragener Verein Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization Exposure Draft Entwurf Deutscher Rechnungslegungs Standard Europäische Gemeinschaft(-en) englisch Einkommensteuergesetz et alii et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof folgende Financial Accounting Standards Board fortfolgende Finanzgerichtsordnung Fußnote gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gemeinsames Ministerialblatt Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Gewinn- und Verlustrechnung Handbuch des Jahresabschlusses Hauptfachausschuss Handelsgesetzbuch Herausgeber Halbsatz in der Regel im Sinne des/der im Sinne eines/einer im Sinne von in Verbindung mit International Accounting Standard International Accounting Standards Board International Accounting Standards Committee Institut der Wirtschaftsprüfer International Financial Reporting Interpretations Committee International Financial Reporting Standards
XXIX
Kap. KGaA KoR lat. Lkw m. E. Mio. Mrd. NOX No. Nr. Nrn. NZG p. a. pH-Wert
Kapitel Kommanditgesellschaft auf Aktien Zeitschrift für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung (Zeitschrift) lateinisch Lastkraftwagen meines Erachtens Million(en) Milliarde(n) Stickoxide Number (engl.) Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) per anno Maßeinheit für die Konzentration der Wasserstoffionen in einer Lösung; der Begriff leitet sich von pondus bzw. potentia (lat. Gewicht bzw. Kraft) Hydrogenii (hydrogenium: lat. Wasserstoff) ab. PS Prüfungsstandard R. Rahmenkonzept RGBl. Reichsgesetzblatt Rn. Randnummer ROI Return on Investment RS Rechnungslegungsstandard Rz. Randziffer S. Seite SFAS Statements of Financial Accounting Standards SIC Standards Interpretations Committee Schwefeldioxid SO2 sog. so genannte(-r, -s) StB Der Steuerberater (Zeitschrift) StBp Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) StGB Strafgesetzbuch StuB Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) StuW Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) TA Luft Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft Tz. Textziffer u. Ä. und Ähnliches u. U. unter Umständen UmweltHG Umwelthaftungsgesetz US-GAAP United States Generally Accepted Accounting Principles V. Vorwort v. von vgl. vergleiche WACC Weighted Average Cost of Capital WHG Wasserhaushaltsgesetz WPK Wirtschaftsprüferkammer
XXX
z. B. ZEV ZfbF ZIP
zum Beispiel Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge (Zeitschrift) Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
1
1
Einleitung
1.1
Einführung in die Thematik
Umweltkatastrophen, wie der Reaktorunfall von Tschernobyl1 am 26. April 1986, die Ölpest durch den am 24. März 1989 leckgeschlagenen Tanker Exxon Valdez im Prinz-WilliamSund2 oder die Verseuchung des Meeres aufgrund der Havarie des Frachters Selendang Ayu am 07. Dezember 2004 vor Alaska3, sensibilisierten die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren zunehmend für Fragen des Umweltschutzes. Umfangreiche Medienberichte über Unternehmen, die solch massive Umweltschäden verursachten, riefen in der Folge reges öffentliches Engagement hervor. Aufgrund anhaltender ziviler Proteste und Boykottaufrufe entschloss sich die Shell AG 1995 nach mehreren Wochen, die Ölplattform Brent Spar an Land zu schleppen, um sie dort umweltgerecht zu entsorgen, anstatt sie – wie geplant – lediglich auf hoher See zu versenken.4 Konsequenz dieser Umweltschädigungen war eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen zur Schonung der Umwelt, die Unternehmen vor neue Aufgaben und Herausforderungen stellen. Die zunehmende Integration ökologischen Gedankenguts in ökonomische Entscheidungsprozesse lässt unternehmerisches Handeln vor dem Hintergrund einer steigenden ökologischen Verantwortung erfolgen. In den Jahren 1999 bis 2001 beliefen sich daher die Ausgaben des produzierenden Gewerbes sowie der privatisierten öffentlichen Unternehmen für den Umweltschutz auf ca. 68 Mrd. €.5 Gleichzeitig tätigte das produzierende Gewerbe Umweltschutzinvestitionen in einer Höhe von ca. 5 Mrd. €.6 Allein die Bayer AG plante bereits im Jahre 2000 Umweltschutzausgaben in Höhe von insgesamt ca. 7 Mrd. € für die Jahre 2001 bis 2005.7 Ein Umweltschaden als „Schaden in der ökologischen Umwelt aufgrund einer durch unternehmerisches Handeln entstandenen Emission“8 führt bei Unternehmen regelmäßig zu öko-
1 2 3 4 5 6
7 8
Näher hierzu siehe ohne Verfasser (1986), S. 124ff. Näher hierzu siehe Hoyng (1989), S. 132ff.; ohne Verfasser (1989), S. 166ff. Näher hierzu siehe Die Welt (2004). Näher hierzu siehe Schießl (1995), S. 26f.; ohne Verfasser (1995a), S. 144f.; ohne Verfasser (1995b), S. 22ff. Vgl. Statistisches Bundesamt (2005a). Die Angaben für 2000 und 2001 sind vorläufig. Aktuellere Informationen existieren nicht. Vgl. Statistisches Bundesamt (2005b). Die Angaben für 2000 und 2001 sind vorläufig. Der Zeitraum wurde in Übereinstimmung mit den Ausgaben des produzierenden Gewerbes sowie der privatisierten öffentlichen Unternehmen für den Umweltschutz gewählt. Vgl. Winters (2000); ohne Verfasser (2000), S. 19. Matten (1998), S. 152f.
2
nomischen Konsequenzen9 und je nach Umfang zu einem existenzbedrohenden Risiko10. Die Risikobedrohung lässt sich oftmals nicht abwenden, da Verpflichtungen aus derartigen Schäden i. d. R. nur unzureichend versicherbar sind.11 Die finanzielle Relevanz von Verpflichtungen zur Behebung bestehender Umweltschäden oder von Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Umweltrisiken (im Folgenden kurz: Umweltschäden) wirft daher die Frage nach deren Abbildung in der externen Rechnungslegung auf. Die resultierenden Ausgaben sind häufig periodenfremd bzw. periodenübergreifend und betreffen somit die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und die Bilanz eines Unternehmens sowie Anhang und Lagebericht.
1.2
Problementwicklung
Die Thematik der vorliegenden Arbeit basiert mit dem Umweltrecht und dem Bilanzrecht auf zwei verschiedenen Rechtsgebieten. Aus dem Umweltrecht fließen in erster Linie die in der Bilanzierungspraxis wirtschaftlich relevanten Fragestellungen zu bereits aufgetretenen oder künftigen Umweltschäden ein, die beide zu Umweltschutzverpflichtungen führen können.12 Dagegen basiert die Konzeption und der theoretische Hintergrund zur Lösung dieser Fragen auf dem Bilanzrecht. Auch wenn die Problemstellung eine Synthese der beiden Rechtsgebiete darstellt, liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der bilanziellen Abbildung umweltrechtlicher Verpflichtungen; umweltrechtliche Aspekte und Fragestellungen werden lediglich in dem Umfang behandelt, der zum Verständnis der bilanzrechtlichen Problemstellungen erforderlich ist. Die folgenden Absätze geben einen Überblick über die in dieser Arbeit fokussierten Aspekte aus beiden Rechtsgebieten.
1.2.1
Umweltbezogene Aspekte
In praxi kann ein Unternehmen sowohl aus rechtlichen als auch wirtschaftlichen Beweggründen zur Beseitigung bzw. Verminderung aufgetretener oder zur Vermeidung künftiger Umweltschäden verpflichtet sein. Rechtliche Anspruchsgrundlagen stellen einerseits gesetzliche, wie privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche, andererseits vertragliche Normen dar. Wirt9 10 11 12
Vgl. Matten (1998), S. 152. Vgl. Bartels (1992a), S. 4ff. Zum ökologischen Risikobegriff siehe Matten (1998), S. 152ff. Vgl. Herzig (1990), S. 1341. Näher zum Begriff der Umweltschutzverpflichtung siehe Kap. 2.1.
3
schaftliche Motive zur Schadensbeseitigung, -verminderung oder -vermeidung können sowohl in einer faktischen Verpflichtung13 gegenüber Dritten wie auch einer Verpflichtung sich selbst gegenüber (Innenverpflichtung)14 begründet liegen. Im Folgenden werden sowohl die Verpflichtung zur Beseitigung oder Verminderung aktueller Umweltschäden (z. B. Kontaminationen auf Betriebsgrundstücken) als auch verpflichtende Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Umweltschäden (z. B. Errichtung einer effektiveren Entschwefelungsanlage) auf deren bilanzielle Abbildung im Jahresabschluss (und Lagebericht) genauer untersucht.15 In beiden Fällen wird im Verlauf der Arbeit hierfür der Begriff der Umweltschutzverpflichtung verwendet. Die Arbeit fokussiert insbesondere auf Anpassungs-, Altlastensanierungs- sowie Rekultivierungsverpflichtungen, da sie zum einen in praxi ein weites Spektrum (Häufigkeit, Umfang, Inhalt) umweltrelevanter Sachverhalte abdecken, zum anderen geeignet sind, sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten nach deutschem Handelsrecht und International Financial Reporting Standards (IFRS) zu verdeutlichen. Da nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) Entsorgungsverpflichtungen bilanziell grundsätzlich ähnlich zu behandeln sind wie Rekultivierungsverpflichtungen, wird auf sie nicht näher eingegangen. Dagegen bestehen im Normenwerk der IFRS Unterschiede zwischen Rekultivierungs- und Entsorgungsverpflichtungen. Vor diesem Hintergrund werden Entsorgungsverpflichtungen nach IFRS gesondert betrachtet.
1.2.2
Rechnungslegungsbezogene Aspekte
Die Beantwortung der Frage der bilanziellen Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen im Allgemeinen und Anpassungs-, Altlastensanierungs- sowie Rekultivierungs- (und Entsorgungs-)verpflichtungen im Besonderen muss vor dem Hintergrund der sich wandelnden Rechnungslegung deutscher Unternehmen erfolgen, die ggf. zwei unterschiedliche Normenwerke zu beachten haben.
13 14 15
Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.4 und 6.1.4.2.2. Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.5 und 6.1.4.2.3. Eine Möglichkeit zur weiteren Klassifikation von aktuellen und künftigen Umweltschäden liefert Matten, der diese in wahrgenommene potenzielle sowie faktische und objektivierbare potenzielle sowie faktische gliedert. Vgl. Matten (1998), S. 163. Dabei stellt einen faktischen Umweltschaden ein nicht nur möglicher, sondern bereits eingetretener oder als Folge einer geplanten Maßnahme mit Sicherheit zu erwartender Umweltschaden dar. Vgl. Wagner (1997), S. 76. Dieser Begriff darf im Folgenden nicht verwechselt werden mit dem der faktischen Verpflichtung.
4
Die Globalisierung der Wirtschaft, verursacht durch die Beseitigung von Hemmnissen im internationalen Güter- und Kapitalverkehr sowie neue Informations- und Kommunikationstechnologien, führt zu einer zunehmenden Internationalisierung der Kapitalmärkte.16 Auf die wachsende Kapitalmarktorientierung der Unternehmen hat der deutsche Gesetzgeber mit gravierenden Anpassungen des Handelsgesetzbuches für Konzernunternehmen reagiert17 – in jüngster Vergangenheit insbesondere durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) als Folge der Verordnung der EU (Europäische Union), betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards18. Der Ministerrat des Europäischen Parlaments hat im Juni 2002 diese weitreichende EUVerordnung erlassen. Die wichtigsten Regelungen stellen aus Unternehmenssicht Art. 4 und Art. 2 dieser Verordnung dar. Danach hat eine Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS für börsennotierte Konzerne mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU grundsätzlich spätestens für Geschäftsjahre zu erfolgen, die am oder nach dem 01. Januar 2005 beginnen.19 Da die Verordnung für kapitalmarktorientierte deutsche Unternehmen unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht darstellt, das nicht in nationales Recht umgesetzt werden muss, ist die Aufnahme dieser Regelung in § 315a Abs. 1 HGB rein deklaratorisch. Ausnahmeregelungen hinsichtlich der Umstellungsfrist hat die EU-Verordnung für Konzerne vorgesehen, die mit ihren Wertpapieren den organisierten Kapitalmarkt eines Nicht-EU-Staates nutzen und bereits nach anderen international anerkannten Standards bilanzieren, insbesondere nach United States - Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP), oder den organisierten Kapitalmarkt ausschließlich mit Fremdkapitaltiteln in Anspruch nehmen. Diese Konzerne müssen ihre Abschlüsse erst für Geschäftsjahre umstellen, die am oder nach dem 01. Januar 2007 beginnen. Nicht kapitalmarktorientierte Konzerne und Unternehmen mit Sitz in der EU können gem. Art. 5 der Verordnung ihren Jahresabschluss nach IFRS aufstellen, falls der entsprechende Mitgliedstaat zu einer freiwilligen Bilanzierung nach diesen Rechnungslegungsnormen optiert. Durch den neu gefassten § 315a Abs. 3 HGB ist deutschen nicht kapitalmarktorientierten Konzernen die Anwendung der IFRS gestattet. Ebenso eröffnet Art. 5 der Verordnung den nationalen Gesetzgebern die Möglichkeit, die Anwendung von IFRS auch bei der Erstellung von Einzelabschlüssen zu erlauben.20 Für den 16 17 18 19 20
Vgl. Berens/Dörges/Hoffjan (2000), S. 15. Vgl. Busse v. Colbe (2004), S. 2063ff.; Hüttemann (2004), S. 203ff.; Burger/Ulbrich (2004), S. 235ff.; Steiner/Gross (2004), S. 551ff.; Buchheim/Gröner/Kühne (2004), S. 1783ff.; Meyer (2004), S. 971ff. Vgl. EG-Verordnung Nr. 1606/2002. Siehe auch IDW (2002), S. 350; ohne Verfasser (2002), S. 1231. Von einer verpflichtenden Anwendung der IFRS sind ca. 750 Konzernabschlüsse deutscher Unternehmen betroffen. Vgl. Fischer/Klöpfer/Sterzenbach (2004), S. 695. Zu Argumenten für und gegen die Anwendung der IFRS im Einzelabschluss siehe Haller (2003), S. 414f.
5
Einzelabschluss sieht § 325 Abs. 2a HGB in Ausübung des Wahlrechtes vor, dass große Kapitalgesellschaften freiwillig ausschließlich für Informationszwecke einen Abschluss nach IFRS aufstellen können, der anstelle des HGB-Abschlusses nach den §§ 325ff. HGB offengelegt wird. Für die weiteren Funktionen des Einzelabschlusses sowie für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften hält der deutsche Gesetzgeber allerdings unverändert an den Normen des dritten Buches des HGB fest. Bestimmte Konzerne, die vom Anwendungsbereich des § 315a HGB betroffen sind, müssen folglich ihren jeweiligen Einzel- und Konzernabschluss nach zwei verschiedenen Normensystemen – HGB und IFRS – aufstellen.
1.3
Ableitung der Problemstellung und Abgrenzung der Arbeit
Grundlage für die bilanzielle Abbildung von Sachverhalten bilden i. d. R. die jeweiligen Zielund Zwecksetzungen der Normensysteme. Da die beiden Systeme nach HGB und IFRS differieren, könnte es in Folge zu einer unterschiedlichen Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen im Einzel- oder Konzernabschluss nach HGB und IFRS kommen. Die Relevanz der zugrundeliegenden Thematik der Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen in der Rechnungslegung nach HGB und IFRS ergibt sich aus mehreren Gründen: Bedeutung kommt der Thematik erstens aufgrund der potenziellen Existenzbedrohung von Unternehmen durch Umweltschäden zu. Die Integration ökologischer Fragestellungen in unternehmerische Entscheidungsprozesse erfordert die Auseinandersetzung mit der bilanziellen Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen, da sie eine konkrete und unmittelbare Belastung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage darstellen. Die Berücksichtigung von i. d. R. substanziellen Aufwendungen und die damit verbundene drastische Verschlechterung von Analysekennzahlen bedeuten oft negative Konsequenzen im Hinblick auf Ratingergebnisse und Kreditvergaben im Kontext der veränderten Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute (auch Basel II21 genannt).22
21 22
Näher zu Basel II siehe Winkeljohann (2003), S. 385ff.; Paetzmann (2001), S. 493ff. Umgekehrt beeinflusst die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage wiederum die mögliche Höhe der freiwilligen Investitionen und Aufwendungen, die ein Unternehmen für den Umweltschutz tätigen kann. Freiwillige Umweltschutzmaßnahmen, wie die Errichtung von über gesetzliche Normwerte hinausgehenden Entschwefelungsanlagen, bedeuten grundsätzlich einen möglichen Imagegewinn und Ergebnissteigerungen.
6
Zweitens wurde die Frage der Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen sowohl nach deutschen wie auch nach internationalen Rechnungslegungsnormen (noch) nicht befriedigend gelöst, wobei im Normenvergleich unterschiedliche Entwicklungsstände zu beobachten sind. Während sich die handelsrechtliche Literatur schon über viele Jahre eingehend mit der Thematik der Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen beschäftigt, findet eine Auseinandersetzung in der IFRS-Literatur erst in jüngster Vergangenheit statt. Diese verschiedenen Entwicklungsstände werfen Fragen unterschiedlicher Detaillierungsgrade auf. Die Zielsetzung der Arbeit differenziert daher in dieser Beziehung hinsichtlich des jeweiligen Normenwerkes. Drittens stellen Probleme im Zusammenhang mit Umweltschutzverpflichtungen grundlegende Bilanzierungsprobleme dar. Im deutschen Handelsrecht bestehen diese Probleme aufgrund der differenzierten Auslegung einzelner Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) und GoB-Hierarchien. Die Fortentwicklung der zugrundeliegenden Thematik bedeutet daher auch eine Weiterentwicklung der für sie spezifischen handelsrechtlichen GoB. Nach internationalen Grundsätzen ist zu untersuchen, ob die Regelungen des IFRS-Rahmenkonzeptes (R.) sowie der Standards und Interpretationen ausreichen, um die besonderen Problematiken der Umweltschutzverpflichtungen zielgerecht zu lösen. Im Verlauf der Arbeit wird für Unternehmen die Rechtsform der Kapitalgesellschaft unterstellt.23 Da die Thematik unabhängig von Spezialproblemen des Einzel- oder Konzernabschlusses ist, ist eine Differenzierung zwischen Einzel- und Konzernabschluss grundsätzlich unerheblich. Während diese Differenzierung nach IFRS tatsächlich aufgrund eines einheitlichen Zieles von Einzel- und Konzernabschluss nicht notwendig ist, müssten die Ziel- und Zwecksysteme von Einzel- und Konzernabschluss nach HGB und die darauf basierende Ableitung von Bilanzierungsgrundsätzen jedoch rein normativ eine unterschiedliche bilanzielle Abbildung hervorrufen. In praxi wird eine solche Differenzierung jedoch regelmäßig nicht vorgenommen. Für die vorliegende Arbeit wird in beiden Normenwerken daher der Einzelabschluss herangezogen. Aufgrund der Interdependenz von deutschem Handels- und Steuerrecht durch den Maßgeblichkeitsgrundsatz und den Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit werden vom Bundesfinanzhof (BFH) getroffene Entscheidungen berücksichtigt, soweit Handelsrecht betroffen ist. Eine gesonderte steuerrechtliche Betrachtung erfolgt jedoch nicht.
23
Über § 264a HGB sind die Vorschriften für Kapitalgesellschaften auf bestimmte offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften analog anzuwenden. Auf Besonderheiten dieser Gesellschaftsformen wird im weiteren Verlauf nicht eingegangen.
7
Voraussetzung für die Rechtsverbindlichkeit der IFRS und deren Interpretationen durch das International Financial Reporting Interpretation Committee (IFRIC24) ist in Deutschland ihre Anerkennung (endorsement) durch die EU. Daher werden im Folgenden nur anerkannte IFRS bzw. IFRIC zugrunde gelegt.25
1.4
Unterschiedlicher Entwicklungsstand der Forschung
Um die Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen im jeweiligen Normenwerk differenziert genug vorstellen zu können, ist es erforderlich, den unterschiedlichen Entwicklungsstand der Forschung nach HGB und IFRS kurz darzustellen. Während die Thematik im IFRS-Normenwerk durch seine Normgeber wie auch in der Literatur lange Jahre weitgehend unbeachtet geblieben ist, fanden in der handelsrechtlichen Literatur bereits seit Anfang der 90er-Jahre vielfältige Diskussionen statt. Die Auseinandersetzungen beschäftigten sich zum einen mit den Rückstellungskriterien für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen. Insbesondere der BFH hat über die gesetzlichen Kriterien des § 249 HGB hinaus zusätzliche Anforderungen an diese Art von Rückstellungen gestellt. Sie besitzen für die Handelsbilanz Gültigkeit, da die höchstrichterliche Rechtsprechung hier handelsrechtliche Grundsätze auslegt. Zum anderen war zentrales Element der Diskussion die Konkurrenz von Rückstellungsbildung und außerplanmäßiger Abschreibung, wenn sowohl die Voraussetzungen einer Wertminderung als auch einer Verpflichtung vorlagen. Intensiviert wurde die Diskussion um den Streitpunkt der Aktivierbarkeit von Aufwendungen für den Umweltschutz. Aus den allgemeinen Fragen bildeten sich spezielle Problemstellungen zu Anpassungs-, Altlastensanierungs- sowie Rekultivierungsverpflichtungen heraus.26 Da das Handelsgesetz selbst zu unbestimmt ist, konkrete Bilanzierungsanweisungen zu Umweltschutzverpflichtungen zu geben, hat sich die Literatur auf einzelne GoB bzw. Hierarchien innerhalb der GoB gestützt. Diese sind jedoch ebenfalls sehr unbestimmt, weshalb teilweise eindeutige Lösungen nicht entwickelt bzw. weiterentwickelt werden konnten. So sind Bilanzansatz- und -bewertungsfragen von Umweltschutzverpflichtungen in Teilaspekten immer noch umstritten. Es besteht für die Abbildung von allgemeinen sowie den in dieser Arbeit 24 25
26
Der Begriff IFRIC wird im Folgenden sowohl für die Institution als auch für die Interpretationen verwendet. Die Anerkennung erfolgte für die im Folgenden genauer zu untersuchenden Standards IAS 16, IAS 36 und IAS 37 bzw. die Interpretation IFRIC 1 durch die EG-Verordnung Nr. 2236/2004, die EG-Verordnung Nr. 2237/2004 sowie die EG-Verordnung Nr. 2238/2004. Vgl. Herzig (1993a), S. 161ff.; Herzig (1994b), S. 170ff.; Siegel (1993a), S. 129ff.; Kupsch (1992), S. 2320ff.; Bartels (1992b), S. 1095ff.; Bartels (1992c), S. 1311ff.; Ballwieser (1992), S. 131ff.
8
darzustellenden besonderen Umweltschutzverpflichtungen immer noch keine umfassende, unumstrittene De-lege-lata- Situation. Nach IFRS finden umweltrelevante Themen in bestimmten Interpretationen zunehmend Eingang in das internationale Normenwerk: •
IFRIC 1: Änderung bestehender Rückstellungen für Entsorgungs-, Wiederherstellungs- und ähnliche Verpflichtungen
•
IFRIC 3: Emission Rights27, die aber vom IASB (International Accounting Standards Board) im Juni 2005 wieder zurückgezogen wurde
•
IFRIC 5: Decommissioning Restoration and Environmental Rehabilitation Funds28
•
IFRIC 6: Liabilities arising from Participating in a Specific Market – Waste Electrical and Electronic Equipment29
Obwohl diese Interpretationen einzelne Problembereiche aus dem Umweltsektor zum Inhalt haben und auch in einigen Standards vereinzelt Beispiele mit Umweltcharakter vorgestellt werden, existiert jedoch noch keine umfassende Lösung, wie Umweltschutzverpflichtungen im Abschluss nach IFRS konkret zu behandeln sind. Insbesondere regelt noch kein spezieller Standard diese umfassende bilanzielle Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen. Auch IFRS 6, der die Exploration und Evaluierung von mineralischen Ressourcen zum Inhalt hat und somit als Standard zu einem ökologischen Thema betrachtet werden könnte, thematisiert nicht den Sachverhalt einer Umweltschutzverpflichtung. Zudem ist sein Anwendungsbereich nur auf Ausgaben für die Exploration und Evaluierung von mineralischen Ressourcen vor dem Nachweis der technischen Durchführbarkeit und Rentabilität einer mineralischen Ressource beschränkt. Auf ihn wird daher im Folgenden nicht eingegangen.
1.5
Zielsetzung
Da der Stand der Forschung hinsichtlich der Abbildung umweltschutzrelevanter Sachverhalte in den beiden Normensystemen HGB und IFRS differiert, unterscheidet sich auch die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit hinsichtlich des Niveaus der Schließung von Regelungslücken. 27 28 29
Da noch keine offizielle Übersetzung der Interpretation besteht, wird hier der englische Originaltext verwendet. Auf Emissionsrechte wird im folgenden Verlauf der Arbeit nicht eingegangen. Da noch keine offizielle Übersetzung der Interpretation besteht, wird hier der englische Originaltext verwendet. Da noch keine offizielle Übersetzung der Interpretation besteht, wird hier der englische Originaltext verwendet. Auf die Behandlung von Elektro- und Elektronikschrott wird im Verlauf der Arbeit nicht eingegangen.
9
Ziel der Arbeit für das Normenwerk HGB ist es, zunächst die grundsätzlichen Möglichkeiten der Einbeziehung von Umweltschutzverpflichtungen in den handelsrechtlichen Jahresabschluss herzuleiten und zu analysieren. Es werden sowohl Ansatz- als auch Bewertungsfragen untersucht. Auf den gewonnenen Erkenntnissen aufbauend ist dann die spezifische Abbildung von Anpassungs-, Altlastensanierungs- sowie Rekultivierungsverpflichtungen Gegenstand der Untersuchung, wobei jeweils lediglich die noch nicht eindeutig gelösten Spezialprobleme aufgegriffen werden. Die (umwelt-)rechtlichen Haftungsgrundlagen werden im erforderlichen Umfang behandelt. Für die bilanzielle Berücksichtigung von Umweltschutzverpflichtungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss wird das Bilanzsystem in den Bereichen der Rückstellung (§ 249 HGB), der Aktivierung (§ 253 Abs. 1 HGB) und der außerplanmäßigen Abschreibung (§ 253 Abs. 2 HGB) untersucht, wobei die Rückstellungsbildung im Vordergrund steht. Die Rückstellung ist das klassische bilanzielle Instrument zur Abbildung ungewisser Verpflichtungen und erlangt erhebliche Bedeutung bei der Abbildung von Anpassungs-, Altlastensanierungs- und Rekultivierungsverpflichtungen. Eine zur Zielerreichung notwendige kritische Auseinandersetzung mit in der Literatur bestehenden Lösungsvorschlägen sowie Stellungnahmen und Urteilen des BFH mit Auswirkungen auf die Handelsbilanz wird vorgenommen. Die Arbeit entwickelt darauf aufbauend eigene Lösungsvorschläge zur Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen, wobei diese aus den Zielen und Zwecken bzw. den kodifizierten und nicht kodifizierten Grundprinzipien des Handelsrechts abgeleitet werden. So wird ein in sich konsistenter Lösungsansatz vorgestellt. Zur umfassenden Darstellung wird die Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen in Anhang und Lagebericht vorgestellt, wobei auch auf die Verlautbarungen von Standardsettern eingegangen wird.30 In diesem Zusammenhang wird die von der EU-Kommission am 30. Mai 2001 gegebene Empfehlung31 zur Berücksichtigung von Umweltaspekten im Jahresabschluss und Lagebericht diskutiert. Während die Auswirkungen der Empfehlungen für Anhang und Lagebericht auf das HGB kritisch gewürdigt werden können, ist eine Untersuchung im Rahmen der Ausführungen zur Bilanzierung nicht sinnvoll, da die Vorschläge zur Bilanz mitunter gegen geltendes Handelsrecht verstoßen.32 Aufgrund der Tatsache, dass die Empfehlung sehr stark vom IFRS-Normenwerk geprägt ist, wird sie hinsichtlich bilanzieller Zwecke in den IFRS-Thementeil integriert. 30 31 32
Auf eine weitergehende Umweltpublizität, z. B. in Umweltberichten, wird nicht eingegangen, da kein unmittelbarer Bezug zur Rechnungslegung gegeben ist. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 33ff. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 34f.; Brebeck/Horst (2002), S. 20ff.
10
Ziel der Arbeit im Bereich des Normenwerkes IFRS ist ebenfalls, die grundsätzlichen Möglichkeiten der Einbeziehung von Umweltschutzverpflichtungen in den IFRS-Abschluss über die für die vorliegende Thematik relevanten Standards und Interpretationen zu analysieren und darzustellen. Es werden auch hier sowohl Ansatz- als auch Bewertungsfragen untersucht. Standards, die als Ableitungsbasis für die Problematik der Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen geeignet und somit für die vorliegende Thematik relevant sind, sind IAS 16 (Sachanlagen), IAS 36 (Wertminderung von Vermögenswerten) sowie vornehmlich IAS 37 (Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen), obwohl sich diese Standards nicht konkret mit Umweltschutzverpflichtungen befassen. Auf den Untersuchungsergebnissen aufbauend wird im Folgenden die spezifische Abbildung von Anpassungs-, Altlastensanierungs- sowie Rekultivierungs- und Entsorgungsverpflichtungen vorgestellt, wobei auch hier nur Spezialprobleme näher analysiert werden. Im Bereich der Entsorgungsverpflichtungen wird IFRIC 1 vorgestellt, der die bilanzielle Anpassung bei Änderungen solcher Verpflichtungen thematisiert. Auf Basis der genannten IFRS einschließlich der zugrundeliegenden Basis for Conclusions (BC) sowie des Rahmenkonzeptes und unter Beachtung der Ziel- und Zwecksetzung des Normensystems wird ein Lösungsvorschlag zur Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen im Allgemeinen und Anpassungs-, Altlastensanierungs- sowie Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen im Besonderen vorgestellt. Dabei wird der Lösungsvorschlag – wenn möglich und sinnvoll – mit Hilfe von bereits bestehenden Literaturmeinungen zu objektivieren versucht. Es wird auch auf die Angaben im Anhang eingegangen. Die gewonnenen Erkenntnisse können somit Empfehlungen für einen künftigen Standard darstellen, der die Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen unter besonderer Berücksichtigung von Anpassungsverpflichtungen, Altlastensanierungsverpflichtungen sowie Rekultivierungs- und Entsorgungsverpflichtungen zum Inhalt hat. Im Folgenden werden anstelle der englischsprachigen Begriffe die korrespondierenden deutschen Übersetzungen verwendet. Dabei ist zu beachten, dass die Inhalte der übersetzten Begriffe nicht synonym zu denen der handelsrechtlichen Rechnungslegung sind. Besondere Vorsicht ist hinsichtlich des Rückstellungsbegriffes geboten. Die Sachverhalte, für die Rückstellungen nach deutschem Recht und nach IFRS gebildet werden dürfen, sind nicht deckungsgleich.33 Im handelsrechtlichen Jahresabschluss passivierte Rückstellungen sind in
33
Vgl. Daub (2000), S. 323.
11
einem nach IFRS aufgestellten Abschluss als Verbindlichkeit, Rückstellung, Eventualschuld, Anhangsangabe oder ggf. überhaupt nicht zu berücksichtigen.34
1.6
Forschungsmethodisches Vorgehen
Für die Darstellung der offenen Problembereiche wird im Wesentlichen ein deskriptiver Ansatz gewählt. Dabei notwendige Erläuterungen und Erklärungen werden mit Hilfe eines explikativen Ansatzes in die Darstellung integriert. Auf diese Darstellungen und Erläuterungen aufbauende Untersuchungen und Entwicklungen von Lösungsvorschlägen können grundsätzlich mit Hilfe der empirischen und der normativen Vorgehensweise getroffen werden. Im vorliegenden Fall erscheint es jedoch fraglich, ob die Empirie eine geeignete Deduktionsbasis darstellt. Da diese Thematik für viele Unternehmen sehr sensibel ist, betreiben sie regelmäßig in praxi eher eine Geheimhaltung denn eine Offenlegung negativer umweltrelevanter Sachverhalte. Aus diesem Grund wird für die vorliegende Arbeit die normative Methode gewählt, mit deren Hilfe auf Basis der Ziel- und Zwecksetzungen der Normenwerke HGB und IFRS Lösungsvorschläge abgeleitet werden. Eigene Konzepte werden erarbeitet und mit der ggf. vorhandenen gängigen Literaturmeinung verglichen. Dafür notwendig ist im Bereich der internationalen Rechnungslegung zunächst die Strukturierung und Kommentierung der relevanten IFRSNormen im Unterschied zu der oftmals in der Literatur nur vorhandenen Darstellung derselben.
1.7
Gliederung der Arbeit
Ausgehend von der dargestellten Problemstellung und Zielsetzung gliedert sich die vorliegende Arbeit in acht Kapitel. Dieses erste Kapitel umfasst neben der Eingrenzung der Thematik die Problemstellung, die Zielsetzung sowie die forschungsmethodische Vorgehensweise. Im zweiten Kapitel wird der Begriff der Umweltschutzverpflichtung genauer untersucht. Daneben wird eine Systematisierungsmöglichkeit von Umweltschutzverpflichtungen unter Bilanzierungsaspekten vorgestellt, wobei zusätzlich zur abstrakten Darstellung konkrete 34
Vgl. Pilhofer (1997), S. 61.
12
Beispiele von Umweltschäden und -verpflichtungen aus dem Henkel Konzern gegeben werden.35 Die Systematisierung lässt besondere Eigenarten sowie spezielle Probleme bestimmter Verpflichtungsarten erkennen und beantwortet die Frage, warum gerade Anpassungs-, Altlastensanierungs- sowie Rekultivierungs- (und Entsorgungs-)verpflichtungen für die vorliegende Arbeit ausgewählt wurden. Schwerpunkt des dritten Kapitels ist die Vorstellung von relevanten rechnungslegungsbezogenen Grundlagen des HGB- und IFRS-Normenwerkes, die die Basis für die weitere Untersuchung von Umweltschutzverpflichtungen darstellen. Dabei werden die jeweiligen Ziel- und Zwecksetzungen sowie entscheidende Grundsätze der Normensysteme herausgestellt, da sie die Deduktionsbasis für die jeweilige Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen im Jahresabschluss bilden. Kapitel vier umfasst die grundsätzlichen Möglichkeiten der Einbeziehung von Umweltschutzverpflichtungen in den handelsrechtlichen Jahresabschluss. Aufgrund des Verpflichtungscharakters bzw. der aus Umweltschäden resultierenden wirtschaftlichen Belastung wird das Instrument der Rückstellung zur unternehmensinternen Risikovorsorge genauer untersucht. Dabei werden sowohl Verbindlichkeits- wie auch Aufwandsrückstellungen analysiert, wobei Ansatz- wie Bewertungsprobleme aufgezeigt werden. Im Mittelpunkt steht die BFHRechtsprechung zur Bilanzierung von Rückstellungen für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen. Weiterhin werden Besonderheiten der (Verpflichtung zur) Anschaffung und Aktivierbarkeit von Vermögensgegenständen vorgestellt, die dem Umweltschutz dienen. Ferner werden außerplanmäßige Abschreibungen als Instrument zur bilanziellen Abbildung von Wertminderungen infolge von Umweltschäden (insbesondere infolge von Grundstückskontaminationen) genauer untersucht. Dabei spielt die Dauer der Wertminderung bei Kapitalgesellschaften eine erhebliche Rolle. Darüber hinaus wird auf die Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen im Anhang und im Lagebericht eingegangen. Aufbauend auf den Grundlagen des dritten und vierten Kapitels stellt das fünfte Kapitel problemgeleitet einen Lösungsvorschlag für die spezifische bilanzielle Behandlung von Anpassungs-, Altlastensanierungs- sowie Rekultivierungsverpflichtungen nach HGB vor. Die bestehenden ungeklärten Detailprobleme werden dabei einer kritischen Betrachtung unterzogen.
35
Die Beispiele sind der Autorin freundlicherweise von der Henkel KGaA zur Verfügung gestellt worden. Vgl. Henkel KGaA (2001). Der Chemiebereich der Henkel KGaA wurde im August 1999 in die CognisGruppe ausgegliedert. Im Folgenden wird „Henkel“ synonym für Unternehmen des Henkel Konzerns sowie der Cognis-Gruppe verwendet.
13
Kapitel sechs befasst sich mit den grundsätzlichen Möglichkeiten der Einbeziehung von Umweltschutzverpflichtungen in den Jahresabschluss nach IFRS. Da – wie auch schon in Kapitel vier untersucht – insbesondere mit Hilfe von Rückstellungen bilanziell für Risiken vorgesorgt wird, werden sie als Instrument zur Berücksichtigung von Umweltschutzverpflichtungen vorgestellt. Neben der Behandlung von Ansatz- und Bewertungsfragen zu Rückstellungen wird die Aktivierbarkeit von Vermögenswerten analysiert, die dem Umweltschutz dienen. Ebenso werden außerplanmäßige Abschreibungen (Wertminderungsaufwendungen) als Instrument zur bilanziellen Abbildung von Wertminderungen infolge von Umweltschäden (insbesondere infolge von Grundstückskontaminationen) genauer untersucht, wobei eine Differenzierung von einzelnen wertgeminderten Vermögenswerten und zahlungsmittelgenerierenden Einheiten vorzunehmen ist. Darüber hinaus wird die Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen im Anhang von nach IFRS bilanzierenden Unternehmen vorgestellt. Im siebten Kapitel wird problemgeleitet ein Lösungsansatz für die spezifische bilanzielle Behandlung von Anpassungs-, Altlastensanierungs- sowie Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen nach IFRS entwickelt, der auf den Ergebnissen des dritten und sechsten Kapitels basiert. Das achte Kapitel stellt eine Gesamtwürdigung der Thematik dar, in der die wesentlichen Aussagen der Arbeit zusammengefasst werden. Ein abschließender Ausblick soll zur konstruktiven Weiterentwicklung der Thematik anregen, wozu weitere Forschung unerlässlich ist.
14
2
Umweltschutzverpflichtungen – Begriff und Systematisierung
Thema dieser Arbeit ist die Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen in den Rechnungslegungswerken HGB und IFRS. Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Kapitel der Begriffsinhalt einer Umweltschutzverpflichtung näher untersucht, bevor eine Systematisierung von Umweltschutzverpflichtungen unter bilanziellen Aspekten vorgenommen wird. Schließlich wird auf die Störereigenschaft als Voraussetzung für eine Inanspruchnahme aus Umweltschäden aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung eingegangen.
2.1
Untersuchungsgegenstand Umweltschutzverpflichtung
Unternehmen agieren in einem Umsystem36, welches funktional in eine ökonomische, politisch-rechtliche, soziokulturelle, technologische und ökologische Komponente aufgegliedert werden kann,37 wobei Letztere die ökologische Umwelt eines Unternehmens darstellt.38 Die inhaltliche Konkretisierung des ökologischen Umweltbegriffes unterliegt verschiedenen Abgrenzungen, die sowohl weiter als auch enger gefasst werden.39 Die „natürliche Umwelt“40 in ihrer engen Definition ist als Lebensgrundlage von Menschen, Tieren und Pflanzen das natürlich-physische Umfeld, bestehend aus den Elementen Luft, Wasser, Boden, Pflanzen und Tierwelt sowie nicht erneuerbaren Ressourcen.41 Durch das 1971 verfasste Umweltprogramm der Bundesregierung wurde der Umweltschutz erstmals in Deutschland als öffentliche Angelegenheit anerkannt.42 Seither hat sich auch die Betriebswirtschaftslehre den Fragen des Umweltschutzes gewidmet.43 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften formulierte 2001 in ihrem Grünbuch den Umweltschutz als Teilaufgabe der sozialen Verantwortung für Unternehmen.44 Weder der Begriff des Umweltschutzes noch der Umweltschutzverpflichtung sind eindeutig definiert oder gesetzlich kodifiziert. Umweltschutz umfasst aber in Anlehnung an die Definition zur natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage alle Maßnahmen zur
36
37 38 39 40 41 42 43 44
Häufig wird der Begriff Umsystem synonym zu den Begriffen Umfeld oder Umwelt verwendet. Vgl. Janzen (1996), S. 2. Der Begriff kann auch als verkürzte Wiedergabe eines umspannenden Systems verstanden werden. Vgl. Wagner (1990b), S. 1f.; Pfeffer (1972), S. 218. Vgl. Wagner (1997), S. 2ff.; Meffert/Kirchgeorg (1998), S. 81f.; Sander (1998), S. 42ff. So belegt z. B. Steger den Begriff Umwelt allein mit seiner ökologischen Ausrichtung. Vgl. Steger (1993). Vgl. Kloepfer (1989), S. 11; Schellhorn (1997), S. 3f. Wagner (1997), S. 11. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 36. Vgl. Umweltprogramm der Bundesregierung (1971), S. 6. Vgl. Wagner (1995), S. 84. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001b), S. 44.
15 •
Beseitigung oder Verminderung eingetretener Umweltschäden,
•
Beseitigung oder Verminderung aktueller Umweltgefährdungen und -belastungen sowie
•
Vermeidung künftiger Umweltgefährdungen
und kann folglich nachträglich kurative, repressive oder präventive Wirkung entfalten.45 Maßnahmen, die zwar positive Effekte auf die Umwelt haben, in erster Linie aber im Unternehmen der Rentabilitäts- und Effizienzsteigerung sowie der Kostensenkung dienen, stellen dagegen keine Umweltschutzmaßnahmen dar.46 Keinesfalls kann Umweltschutz als totaler Verzicht auf Umweltbelastungen und -gefahren verstanden werden, da diese in wirtschaftlichen Produktionsprozessen unvermeidbar sind.47 Es kommt auf die Schonung natürlicher Ressourcen an.48 Unternehmen, die Umweltschäden zu verantworten haben, können grundsätzlich aus privatrechtlichen wie auch aus öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen in Anspruch genommen werden. Unabhängig von diesen rechtlichen Verpflichtungen kann sich ein Unternehmen möglicherweise auch aufgrund wirtschaftlicher Tatbestände dazu veranlasst sehen, Umweltschäden zu beseitigen respektive Maßnahmen zum präventiven Umweltschutz durchzuführen. Diese Art der Umweltschutzverpflichtung basiert nicht auf einem rechtlichen, sondern auf einem rein wirtschaftlichen Verpflichtungscharakter.49 Es sind hier grundsätzlich faktische Verpflichtungen sowie Innenverpflichtungen möglich.50 Neben diesen Verpflichtungen können sich Wertminderungen von Vermögensgegenständen aufgrund von Umweltschäden ergeben, die das auszuweisende Ergebnis des Unternehmens erheblich belasten, wie z. B. kontaminierte Grundstücke. Dabei treten ggf. die Verpflichtung aus einem Umweltschaden sowie die Vermögensminderung parallel auf. Im Folgenden impliziert der Begriff der Umweltschutzverpflichtung bei der Altlastensanierung, dass zusätzlich ein Vermögensschaden entstanden sein kann.
45 46 47 48 49 50
Ähnlich Wagner (1997), S. 93; Bartels (1992a), S. 21; Bartels (1991), S. 2045. So auch Rödl & Partner (2001), S. 3. Vgl. Kloock (1993), S. 181; Schellhorn (1997), S. 12. Vgl. Wagner (1990b), S. 2. Grundsätzlich sind hier auch ethisch relevante Fragestellungen von Bedeutung, jedoch soll auf diese im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen werden. Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.4, 4.1.3.5, 6.1.4.2.2 und 6.1.4.2.3.
16
2.2
Systematisierung von Umweltschutzverpflichtungen
2.2.1
Grundsätzliches
Unternehmen, die Umweltschäden beseitigen oder begrenzen bzw. präventive Maßnahmen durchführen müssen, stehen regelmäßig bei der Aufstellung ihres Jahresabschlusses vor dem Problem der bilanziellen Abbildung derartiger Verpflichtungen. Die Verpflichtung eines Unternehmens, die dem Grunde und/oder der Höhe nach unbestimmt ist, wird bilanzsystematisch mit Hilfe einer Rückstellung abgebildet. Für die vorliegende Arbeit ist eine Typisierung von Umweltschutzverpflichtungen unter Bilanzierungs- und Bewertungsaspekten sinnvoll, da die zu bildenden Fallgruppen dann ihre Rechtfertigung im bilanziellen Sinne finden, wenn sie unterschiedliche Probleme oder besondere Eigenarten hervorrufen.51 Herzig hat erstmals im handelsrechtlichen Schrifttum eine Systematisierung von Umweltschutzverpflichtungen vorgenommen.52 In einer grundlegenden Untersuchung hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen wurden Umweltschutzverpflichtungen systematisiert in Rekultivierungs-, Abfallbeseitigungs-, Altlastensanierungs- und Anpassungsverpflichtungen. Dabei argumentiert Herzig vom Ergebnis her, da diese Verpflichtungen zu teilweise unterschiedlichen Problemen bei der bilanziellen Abbildung führen. Bartels knüpft an das Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971 an und erweitert die dort genannten Verpflichtungsziele Schadensverhütung, -beseitigung und -begrenzung um den Zeitpunkt der Schadensverursachung, der in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft liegen kann. Damit trennt Bartels Altlasten und Neulasten.53 Ferner unterscheidet er, ob die Haftung für Umweltschäden aufgrund von öffentlich-rechtlichen, zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften entsteht.54 Eine Systematisierung von bilanzrechtlich relevanten Typen von Umweltschäden und aus ihnen hervorgehenden -verpflichtungen hat ebenfalls Kupsch entwickelt.55 Sein System umfasst nicht nur öffentlich-rechtliche, sondern auch privatrechtlich begründete bzw. faktische
51 52 53 54 55
Vgl. Köster (1994), S. 210f.; Bartels (1992a), S. 85. Vgl. Herzig (1990), S. 1342ff. Vgl. Bartels (1992a), S. 33; Bartels (1991), S. 2046ff. Vgl. Bartels (1992a), S. 26ff. Vgl. Kupsch (1992), S. 2320f.
17
Umweltlasten. Im Folgenden wird grundsätzlich Kupschs Typisierung zugrunde gelegt. Sie wird mit Praxisbeispielen von Henkel unterlegt.56
2.2.2
Bilanzrechtlich relevante Typen von Umweltschutzverpflichtungen
2.2.2.1
Typisierung entsprechend der Rechtsgrundlage
Auf den ersten Blick erscheint eine Typisierung auf juristischer Grundlage in einer rein betriebswirtschaftlichen Arbeit, deren Inhalt die bilanzielle Abbildung von umweltrelevanten Sachverhalten darstellt, problematisch, denn Geschäftsvorfälle werden grundsätzlich unabhängig von ihrem rechtlichen Gehalt bilanziert. Im Vordergrund steht die wirtschaftliche Relevanz des Sachverhaltes, weshalb auch Umweltschäden ohne Rechtsgrundlage bilanziell abgebildet werden. Im Verlauf dieser Arbeit wird sich eine derartige Systematisierung unter Rückstellungsaspekten allerdings durch die einschlägige BFH-Rechtsprechung als zielkonform erweisen, da die höchstrichterliche Rechtsprechung für die bilanzielle Abbildung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen erhöhte Anforderungen stellt. Grundlage einer Typisierung von Umweltschäden unter juristischen Aspekten ist eine gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung. Zu unterscheiden ist einerseits das öffentliche Recht, das durch das Verhältnis der Unterordnung zwischen Staat und Bürger gekennzeichnet ist und öffentlich-rechtliche Rechtsfolgen auslöst, und andererseits das Zivilrecht, welches das Recht gleichgeordneter Rechtssubjekte untereinander regelt und privatrechtliche Rechtsfolgen auslöst. Ist eine Verpflichtung aus den Anspruchsnormen des öffentlichen Rechts respektive des Zivilrechts gegeben, ist eine Berücksichtigung im Jahresabschluss zu untersuchen.
2.2.2.1.1 Öffentlich-rechtliche Vorschriften Öffentlich-rechtliche Umweltschutzregelungen (Gesetze, Verordnungen, Erlasse etc.) überwiegen die umweltrelevanten Vorschriften des Zivilrechts nicht nur quantitativ bei weitem, sie sind auch sehr viel bedeutsamer als die Vorschriften des Zivilrechts.57 Aufgrund der dominierenden Stellung des öffentlichen Rechts wird daher auch vom „Primat des öffentlichen Rechts“58 gesprochen.
56 57 58
Vgl. Henkel KGaA (2001). Die Beispiele der Henkel KGaA wurden der Autorin für die vorliegende Arbeit freundlicherweise überlassen. Vgl. Bartels (1992a), S. 84; Köster (1994), S. 236; Depken (1999), S. 23. Bartels (1991), S. 2045.
18
Beispiel einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung von Henkel (Werk Düsseldorf-Holthausen):59 Mit einer Ordnungsverfügung des Staatlichen Umweltamtes Düsseldorf aus dem Jahr 1996 wurde Henkel die Übermittlung von Messdaten mit Hilfe kontinuierlich aufzeichnender Messgeräte (SO2, Staub, NOX) der Wasserglasfabrik im Rahmen des Emissionsfernüberwachungssystems des Landes NRW auferlegt. 1998 wurde das System installiert und abgenommen, 1999 erfolgte die Erprobung und die Anpassung an die betriebliche Praxis. Neben den spezialgesetzlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts, wie dem Atomgesetz, Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) oder Wasserhaushaltsgesetz (WHG), existiert subsidiär das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht, welches in Landesgesetzen geregelt ist. Das Polizei- und Ordnungsrecht kommt hinsichtlich Umweltschäden immer dann zum Zuge, wenn keine spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage existiert60 bzw. das Spezialgesetz ein Rückwirkungsverbot vorsieht, die Umweltschädigung aber vor Inkrafttreten des Gesetzes eingetreten ist. In seinen landesspezifischen Generalklauseln sieht das Polizei- und Ordnungsrecht vor, dass die Polizei- bzw. Ordnungsbehörden alle notwendigen Maßnahmen treffen können, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren.61 Unter dem Begriff der öffentlichen Sicherheit wird allgemein „die Unversehrtheit von Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit und Vermögen der Bürger einerseits sowie Bestand und Funktionieren des Staates [...] andererseits verstanden“62. Wird die öffentliche Sicherheit verletzt oder droht diese ernsthaft, in absehbarer Zukunft verletzt zu werden, liegt eine konkrete Gefahr vor. Damit diese Generalklausel anwendbar ist, muss von einer Umweltschädigung eine Gefahr ausgehen, deren Abwehr von den Behörden erzwungen werden kann. Maßnahmen, die über die Gefahrenabwehr hinausgehen, finden keine Stütze. Die Behörden sind wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, Maßnahmen auszuwählen, die den Verpflichteten unter Kosten-Nutzen-Aspekten am wenigsten belasten.63
59 60 61 62 63
Vgl. Henkel KGaA (2001). Vgl. Philipps (1995), S. 105. Näher hierzu siehe Köster (1994), S. 236ff. Köster (1994), S. 254; siehe auch Klein (1992), S. 1774. Vgl. Philipps (1995), S. 106.
19
2.2.2.1.2 Zivilrechtliche Vorschriften Neben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften existieren zivilrechtliche Vorschriften, aus denen umweltschädigende Unternehmen in Anspruch genommen werden. Die zivilrechtlichen Vorschriften können in vertragliche Vereinbarungen und gesetzliche Vorschriften des Privatrechts gegliedert werden.64 Bei ihnen steht das Ausgleichsinteresse eines Geschädigten im Vordergrund.65 Zivilrechtliche Normen schützen nicht unmittelbar die Umwelt, sondern in erster Linie private Rechte.66 Beispiel einer vertraglichen (zivilrechtlichen) Verpflichtung von Henkel (Werk Düsseldorf-Holthausen):67 Im Rahmen einer vertraglich fixierten Partnerschaft zwischen der Stadt Düsseldorf und Henkel, die auf freiwilliger Basis geschlossen wurde, werden seit 1996 elektronisch und ohne Zeitverzug über eine Standleitung Analysedaten an das städtische Klärwerk weitergeleitet. Hintergrund dieser vertraglichen Partnerschaft ist, dass Henkel im Stammwerk Düsseldorf-Holthausen keine eigene Kläranlage betreibt. Das gesamte Abwasser gelangt über ein werkseigenes Abwassersystem zunächst in die zentrale Abwassersicherungsanlage und wird nach mechanischer Vorreinigung und pH-Wert-Einstellung über das kommunale Kanalnetz der städtischen Kläranlage Düsseldorf-Süd zugeführt. Neben regelmäßigen manuellen Probeentnahmen werden in der zentralen Abwassersicherungsanlage wichtige Abwasser-Kenndaten rund um die Uhr automatisch gemessen. Regelmäßig werden vertragliche Vereinbarungen bei der Verpachtung von betrieblich genutzten Grundstücken hinsichtlich Kontaminationen und deren Folgen getroffen. Kontaminationen stellen gemeinhin Umweltschäden dar, die durch menschliche Handlungen hervorgerufen werden und eine Erhöhung der Schadstoffkonzentration über den ggf. vorhandenen natürlichen Gehalt oder gesetzlich vorgeschriebenen Normwert hinaus zur Folge haben.68 Wird ein Grundstück während der Pachtzeit vom Pächter kontaminiert, wird dieser regelmäßig kraft der vertraglichen Vereinbarungen zur Sanierung herangezogen. Gesetzliche Anspruchsgrundlagen sind sowohl im BGB als auch in Spezialgesetzen normiert. Allgemeine zivilrechtliche Haftungsvorschriften finden sich sowohl im privaten Nachbarrecht
64 65 66 67 68
Vgl. Köster (1994), S. 229. Vgl. Bartels (1992a), S. 64. Vgl. Kloepfer (1989), S. 226f.; Depken (1999), S. 20. Vgl. Henkel KGaA (2001). Vgl. Philipps (1995), S. 8.
20
(§§ 906ff. BGB) als auch im Deliktsrecht (§§ 823ff. BGB). Eine zentrale Anspruchsnorm im Nachbarrecht stellt § 1004 BGB i. V. m. § 906 BGB dar. Nach § 1004 BGB kann ein Eigentümer von demjenigen, der sein Eigentum beeinträchtigt, die Beseitigung der Beeinträchtigung wie auch die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen verlangen. Diese Anspruchsnorm wird inhaltlich durch § 906 BGB konkretisiert, der die Rechte von Grundstückseigentümern im Hinblick auf die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräuschen, Erschütterungen und ähnlichen, von einem anderen Grundstück ausgehenden Einwirkungen regelt. Dringen von einem kontaminierten Grundstück Schadstoffe, Emissionen etc. auf das Nachbargrundstück, hat der Nachbar einen Anspruch gegenüber dem Schädiger. § 823 Abs. 1 BGB regelt, dass derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, zum Schadensersatz verpflichtet ist. Da dieser Schadensersatzanspruch allerdings voraussetzt, dass der beeinträchtigte Nachbar nicht nur den durch die Kontamination des Grundstücks entstandenen Umweltschaden erkennt, sondern auch den Beweis für die Schadensursächlichkeit sowie die Rechtswidrigkeit und das Verschulden des Schädigers zu führen hat, hat diese Norm zur Begründung von Sanierungsverpflichtungen nur geringe Bedeutung erlangt.69 Auch Spezialgesetze regeln die zivilrechtliche Haftung für einen Umweltschaden, wie das 1991 in Kraft getretene Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG), das sowohl Haftungslücken schließt wie auch künftige Umweltschäden zu verhindern sucht und dadurch zu einer deutlichen Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung geführt hat.70
2.2.2.1.3 Umweltschutzverpflichtungen ohne Rechtsgrundlage Neben den dargestellten rechtlich einklagbaren und durchsetzbaren Verpflichtungen kann ein Unternehmen auch aufgrund von Verpflichtungen ohne Rechtsgrundlage, sog. faktischen Verpflichtungen, aus Umweltschädigungen in Anspruch genommen werden.71 Ein Unternehmen kann sich, obwohl es rein rechtlich nicht zu einer Leistung gezwungen werden kann, aus wirtschaftlichen, sozialen oder sittlichen Gründen einem Leistungszwang nicht entziehen.72 Faktische Verpflichtungen entstehen, wenn ein Unternehmen aufgrund öffentlichen Drucks (negative Presseschlagzeilen, Demonstrationen, Tätigwerden von Umweltschutzorganisa69 70 71 72
Vgl. Depken (1999), S. 21. Vgl. Bartels (1992a), S. 62. Vgl. Köster (1994), S. 112. Da Innenverpflichtungen keine klassischen Verpflichtungen Dritten gegenüber darstellen, werden sie an dieser Stelle nicht thematisiert. Vgl. BGH-Urteil vom 28. Januar 1991 – II ZR 20/90, S. 507; Berger/Ring (2003a), § 249 HGB Rz. 31. Näher zu faktischen Verpflichtungen siehe Kap. 4.1.3.4 und 6.1.4.2.2.
21
tionen oder Bürgerinitiativen) mit erheblichen Nachteilen wie Umsatzrückgang oder Ergebniseinbußen rechnen muss. Beispiel einer faktischen Verpflichtung von Henkel (Werk Düsseldorf-Holthausen):73 Seit 1974 werden zahlreiche Anlagen des Standorts DüsseldorfHolthausen, in denen geruchsbeladene Abluft entsteht, an das werkseigene Kraftwerk über ein zentrales Abluftsammelsystem angeschlossen. Der Grund für diese Maßnahme waren in erster Linie Beschwerden aus der Nachbarschaft, die Geruchsbelästigung nicht länger ertragen zu wollen. Durch den Auf- und Ausbau des zentralen Abluftsammelsystems konnte die Situation erheblich verbessert werden.
2.2.2.2
Typisierung entsprechend der zeitlichen Verursachung
Eine erste Typisierung unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten kann am Merkmal des Zeitbezuges des Umweltschadens festgemacht werden, ob also der Schaden in der Vergangenheit verursacht wurde, eine gegenwärtige Umweltschädigung vorliegt oder eine zukünftige Belastung vermieden werden soll.74 Demzufolge sind Alt- und Neulasten zu unterscheiden. Die Unterscheidung in Alt- und Neulasten für Bilanzierungszwecke ist zweckmäßig, da hinsichtlich der Bilanzierung von Rückstellungen aus öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zur Altlastensanierung regelmäßig erhöhte Anforderungen gestellt werden.75 Bei Neulasten besteht ggf. die Problematik, ob eine wirtschaftliche Verursachung der Verpflichtung gegeben ist.76
2.2.2.2.1 Altlasten Altlasten77 sind regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass die kontaminierten Grundstücke nicht mehr der uneingeschränkten betrieblichen Nutzung unterliegen. Gegebenenfalls handelt es sich um stillgelegte Flächen, von denen schädliche Bodenverunreinigungen oder sonstige
73 74 75 76 77
Vgl. Henkel KGaA (2001). Die Maßnahme wurde zum damaligen Zeitpunkt freiwillig von Henkel durchgeführt. Vgl. Köster (1994), S. 207. Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.2 sowie Kap. 5.2.3.1.2. Näher hierzu siehe Kap. 5.1.3.2.1.1. Näher zum Begriff der Altlast siehe Kap. 5.2.1.1.
22
Gefahren ausgehen. In der Regel ist eine schädliche Bodennutzung, die zu einer Umweltbeeinträchtigung führte, bereits aufgegeben.78 Beispiel einer Altlast von Henkel (Werk Düsseldorf-Holthausen) :79 Zu den früheren Altlasten von Henkel zählten firmeneigene Deponien80 in Monheim-Baumberg. Zudem sind Teile des Werksgeländes Düsseldorf-Holthausen aufgrund jahrzehntelanger industrieller Nutzung als Altlastenverdachtsflächen eingestuft. Die Verpflichtung zur Altlastensanierung kann sowohl privatrechtlich wie auch öffentlichrechtlich oder faktisch begründet sein. Insbesondere ergeben sich Sanierungsverpflichtungen aus spezialgesetzlichen Vorschriften, wie dem Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG). Ein bei einem Altlastenverdacht vorliegender Ermessensspielraum der Umweltbehörde (im Folgenden auch: Behörde) beschränkt sich allenfalls auf die Anordnung von Untersuchungsmaßnahmen. Konkretisiert sich der Verdacht dahingehend, dass tatsächlich eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht, ist seitens der Behörde die Verpflichtung zur Sanierung die einzig rechtmäßige Entscheidung. Da die Behörde keine andere Entscheidung treffen kann, besteht kein Ermessensspielraum.81 Bei Altlasten ist es nicht ungewöhnlich, dass sich Haftungsgrundlagen überlagern. Dies ist z. B. der Fall, wenn ein Pachtvertrag besteht, der Klauseln über die Sanierung im Falle des Vorliegens einer Altlast enthält, und gleichzeitig eine behördliche Sanierungsverpflichtung vorliegt. Zusätzlich kann eine darüber hinausgehende faktische Verpflichtung des Unternehmens existieren, den Schaden zu beseitigen. Gleichzeitig kann die im Zusammenhang mit der Altlast bestehende Wertminderung des Grundstücks eine Verminderung des Vermögens bedeuten.
2.2.2.2.2 Neulasten Im Gegensatz zu Altasten dauert bei Neulasten die Umweltschädigung gegenwärtig noch an bzw. ist erst in Zukunft zu erwarten.82 Die Abgrenzung von Neu- zu Altlasten bestimmt sich 78 79 80
81 82
Vgl. Bartels (1992a), S. 32; Bartels (1991), S. 2047. Vgl. Henkel KGaA (2001). Eine Deponie ist eine Abfallbeseitigungsanlage für die Ablagerung von Abfällen oberhalb der Erdoberfläche (oberirdische Deponie). Vgl. § 2 Nr. 5 der Verordnung über die umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen (Abfallablagerungsverordnung/AbfAblV). Vgl. Klein (1998), S. 19; Bartels (1992a), S. 52. Vgl. Kupsch (1992), S. 2320; Bartels (1992a), S. 32; Bartels, (1991), S. 2047.
23
regelmäßig dadurch, dass die zu der Umweltbeeinträchtigung führende Nutzung noch nicht aufgegeben ist.83 Beispiel einer Neulast von Henkel (Werk Düsseldorf-Holthausen):84 Im April eines Jahres treten etwa 200 Liter Fettsäuremethylester aus einer Rohrleitung aus. Ursache ist eine undicht gewordene Rohrverbindung, aus der das Produkt als Sprühnebel entweicht. Der Methylester ist ungefährlich. Er verschmutzt jedoch einige Autos und einen Grünstreifen an der Werksgrenze, da die Rohrleitung unmittelbar entlang des Werkszauns verläuft. Die Autos werden auf Kosten des Unternehmens gereinigt. Damit ist die Neulast beseitigt.
2.2.2.3
Typisierung entsprechend der Bewältigung von aktuellen und potenziellen Umweltschäden
Maßnahmen zur Bewältigung von aktuellen und potenziellen Umweltschäden stellen diejenigen Aktivitäten dar, die ein Unternehmen durchführen kann, um einen derzeitigen Umweltschaden einzugrenzen oder zu beseitigen bzw. einen künftigen Umweltschaden zu verhindern.
2.2.2.3.1 Schadensverhütung Schadensverhütungsmaßnahmen haben präventiven Charakter und sollen das künftige Entstehen eines Umweltschadens (potenzieller Umweltschaden) verhindern.85 Sie stellen Vorsorgelasten dar.
Maßnahmen zur Vorsorge lassen sich in Vermeidungsverpflichtungen (z. B. bestimmter Emissionen nach dem BImSchG) und sonstige Vorsorgemaßnahmen im Hinblick auf die künftige Nutzung von Vermögensgegenständen (z. B. Bau eines Lärmschutzwalls) unterscheiden.86 Insbesondere Anpassungsmaßnahmen stellen Vorsorgemaßnahmen dar, die dazu dienen, neue gesetzliche Regelungen (z. B. Normwerte) einzuhalten.87 Hat z. B. ein Unternehmen Schadstoffe emittiert, die aber die gesetzlichen Grenzwerte noch nicht überschritten haben, ist bis dato noch kein Umweltschaden über bestehende gesetzliche Grenzen hinaus 83 84 85 86 87
Vgl. Bartels (1992a), S. 32. Vgl. Henkel KGaA (2001). Vgl. Klein (1998), S. 18; Bartels (1991), S. 2046. Vgl. Kupsch (1992), S. 2321. Näher zur Begriffsbestimmung einer Anpassungsverpflichtung siehe Kap. 5.1.1.
24
eingetreten.88 Werden die Grenzwerte gesenkt, muss das Unternehmen als Maßnahme zur Schadensverhütung möglicherweise eine Filteranlage als Anpassungsmaßnahme installieren. Bei objektgebundenen Vorsorgelasten ist kritisch zu entscheiden, ob ein neuer Vermögensgegenstand anzusetzen ist, nachträgliche Herstellungskosten entstehen oder lediglich Erhaltungsmaßnahmen vorliegen.89
Beispiel einer Holthausen):90
Vorsorgelast
von
Henkel
(Werk
Düsseldorf-
Die seit 1996 von Henkel betriebene zentrale Abwassersicherungsanlage umfasst unter anderem ein 4.800 Kubikmeter fassendes Auffangbecken. Dieses Becken ist errichtet worden, um im Ernstfall zum Rückhalten von Löschwasser genutzt zu werden.
2.2.2.3.2 Schadensbeseitigung und -begrenzung Schadensbeseitigungs- und -begrenzungsmaßnahmen haben repressiven oder kurativen Charakter und beziehen sich auf schon eingetretene Umweltschäden (aktuelle Umweltschäden), deren negative Auswirkungen vollkommen oder teilweise beseitigt werden können. Sie stellen Nachsorgelasten dar. Nach erfolgreicher Durchführung der Maßnahme besteht zumindest eine geringere umweltschädigende Wirkung. Zu den Schadensbegrenzungsmaßnahmen zählen insbesondere Maßnahmen, die die negativen Auswirkungen eines Umweltschadens zeitlich oder räumlich verschieben (z. B. Abfälle, die vom Betriebsgelände auf eine Deponie verlagert werden).91 Beispiel einer Nachsorgelast von Henkel (Werk DüsseldorfHolthausen):92 Das Sickerwasser der firmeneigenen Deponie Monheim-Baumberg wird in Sammelschächten aufgefangen, die durch Saugwagen entleert werden. Je nach Schadstoffkonzentration wird das Sickerwasser entweder in die Kläranlage Monheim-Baumberg abgeleitet oder in der Elektroflotationsanlage des Werks Düsseldorf-Holthausen behandelt.
88 89 90 91 92
Vgl. Bartels (1992a), S. 29. Vgl. Kupsch (1992), S. 2320. Vgl. Henkel KGaA (2001). Vgl. Bartels (1991), S. 2046. Vgl. Henkel KGaA (2001).
25
2.2.2.4
Typisierung entsprechend dem wirtschaftlichen versus rechtlichen Zeitpunkt des Entstehens einer Verpflichtung
Für den Zeitpunkt des Entstehens einer Verpflichtung kommen grundsätzlich zwei Zeitpunkte in Betracht, der Zeitpunkt, zu dem die Verpflichtung rechtlich entstanden ist, und derjenige, zu dem die Verpflichtung wirtschaftlich verursacht ist. Häufig fallen diese Zeitpunkte zusammen. Gerade im Zusammenhang mit Umweltschutzverpflichtungen bestehen aber auch Fälle, in denen diese Zeitpunkte weit auseinanderliegen. Die Differenzierung in wirtschaftlich verursachte und rechtlich entstandene Umweltschutzverpflichtungen ist für den Ansatzzeitpunkt einer Rückstellung relevant.93 Ein allgemeines Beispiel für den Fall, dass die wirtschaftliche Verursachung vor der rechtlichen Entstehung liegt, ist die Verpflichtung zur Aufstellung bzw. Prüfung des Jahresabschlusses. Die rechtliche Verpflichtung zur Aufstellung bzw. Prüfung eines Jahresabschlusses entsteht erst mit Ablauf des Wirtschaftsjahres. Wirtschaftlich ist jedoch die Aufstellung des Jahresabschlusses durch die unterjährige Geschäftstätigkeit und damit durch jeden einzelnen Geschäftsvorfall verursacht. Der dynamischen Bilanzauffassung folgend wird nach der herrschenden Meinung der Aufwand (und mithin die Verpflichtung) in der Periode ihrer wirtschaftlichen Verursachung abgebildet.94
2.3
Die Störereigenschaft als Voraussetzung für eine Inanspruchnahme aus Umweltschäden aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung
Notwendige Voraussetzung, von der Umweltbehörde aus einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung für einen Umweltschaden in Anspruch genommen zu werden, ist die Störereigenschaft, die im folgenden Verlauf der Arbeit vorausgesetzt wird.95 Grundsätzlich können Zustands- wie auch Handlungsstörer – auch gemeinsam – zur Verantwortung herangezogen werden.96 Handlungsstörer sind diejenigen natürlichen oder juristischen Personen, die eine Gefahr durch aktives Tun oder Unterlassen verursacht haben. Zustandsstörer sind diejenigen natürlichen oder juristischen Personen, die Eigentümer oder 93 94 95 96
Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.1.4. Vgl. Naumann (1991), S. 532; Köster (1994), S. 132; Klein (1998), S. 86; Depken (1999), S. 113. Zur dynamischen Bilanztheorie siehe Kap. 4.1.1. Auf eine ggf. vorliegende Managementhaftung wird nicht eingegangen. Näher hierzu siehe Menzer (2001), S. 506ff. Zur allgemeinen Verantwortung für Verunreinigungen nach dem BBodSchG siehe Becker/Fett (1999), S. 1189ff.
26
Besitzer des Objektes sind, von welchem die Umweltschädigung ausgeht, die aber den Schaden nicht verursacht haben. Vornehmlich kommen hier Eigentümer von kontaminierten Grundstücken in Betracht.97 Da die Eigenschaft als Zustandsstörer an das Eigentum oder den Besitz geknüpft ist, geht sie auf die Gesamtrechtsnachfolger über.98 Die Umweltbehörde trifft die Entscheidung hinsichtlich der Inanspruchnahme nach pflichtgemäßem Ermessen und orientiert sich an dem Gebot einer schnellen und effektiven Gefahrenbeseitigung.99 Aufgrund des im Umweltrecht geltenden Verursacherprinzips sind die Behörden allerdings angehalten, vornehmlich den Handlungsstörer zur Verantwortung zu ziehen.100 Ein Ausgleichsanspruch steht einem Verpflichteten grundsätzlich nicht zu, da ein Gesamtschuldnerausgleich gem. § 426 BGB im öffentlichen Recht nicht zur Anwendung kommt.
97
Vgl. Köster (1994), S. 255; Eilers (1993), Rn. 30. Nach BBodSchG ist der Kreis der ordnungsrechtlich Verantwortlichen deutlich angestiegen. Vgl. Vierhaus (2000), S. 240ff. Vgl. Philipps (1995), S. 160. Zur möglichen Beschränkung der öffentlich-rechtlichen Altlastenhaftung des Erben siehe Schwartmann/Vogelheim (2001), S. 101ff. 99 Vgl. Eilers (1993), Rn. 31. 100 Vgl. Philipps (1995), S. 146; Köster (1994), S. 257. 98
27
3
Relevante Rechnungslegungsgrundlagen für die Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen nach HGB und IFRS
Die im Zusammenhang mit aktuellen oder potenziellen Umweltschäden und daraus resultierenden Umweltschutzverpflichtungen bestehenden Fragen zur bilanziellen Abbildung sind nur sachgerecht zu lösen, wenn zuvor neben den Zielen bzw. Zielsystemen der handelsrechtlichen Rechnungslegung sowie der Rechnungslegung nach IFRS die relevanten Rechnungslegungsgrundlagen und -normen der beiden Normenwerke als Bezugsrahmen und Deduktionsbasis aufgezeigt werden. Dieses Kapitel dient dazu, diese Grundlagen – getrennt nach HGB und IFRS – vorzustellen.
3.1
Relevante handelsrechtliche Rechnungslegungsgrundlagen für die Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen
3.1.1
Entwicklung und rechtliche Grundlagen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
Im Zuge der angestrebten Harmonisierung des Gesellschaftsrechts auf europäischer Ebene, schriftlich verankert in den Römischen Verträgen von 1957, wurde die deutsche Rechnungslegung durch das 1985 verabschiedete Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) inhaltlich und rechtssystematisch grundlegend reformiert. Basis für die im Bilanzrichtlinien-Gesetz kodifizierten Normen waren die Vierte, Siebente und Achte Richtlinie der EG (Europäische Gemeinschaften), die Form und Inhalt sowie Prüfung und Offenlegung von Jahresabschluss, Konzernabschluss, Lagebericht und Konzernlagebericht von Kapitalgesellschaften betrafen. Ziel dieser Richtlinien war die Rechtsangleichung, nicht Rechtsvereinheitlichung, des europäischen Handelsrechtes.101 Aus dem BiRiLiG entstand das dritte Buch des HGB, welches über die geforderte Rechnungslegung von Kapitalgesellschaften hinaus die Rechnungslegung für alle Kaufleute regelt. Das dritte Buch des HGB – „Handelsbücher“ – steht unter dem Primat der Rechnungslegung. § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB und § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB verpflichten alle Kaufleute zur Buchführung und Aufstellung eines Jahresabschlusses. Der Jahresabschluss ist gem. § 243 Abs. 1 HGB nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen.
101
Vgl. Brönner (1981), S. 501.
28
3.1.2
Elemente der handelsrechtlichen Rechnungslegung
Den Jahresabschluss bilden gem. § 242 Abs. 3 HGB die Bilanz und die GuV. Kapitalgesellschaften sind darüber hinaus verpflichtet, den Jahresabschluss um einen Anhang zu erweitern, der mit Bilanz und GuV eine Einheit bildet (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB).102 Zusätzlich müssen Kapitalgesellschaften, die die Bestimmungen des § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB i. V. m. § 267 Abs. 1 HGB erfüllen, einen Lagebericht aufstellen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB).
3.1.3
Das Ziel- und Zwecksystem der handelsrechtlichen Rechnungslegung (Einzelabschluss)
Zweck und Inhalt der handelsrechtlichen Rechnungslegung sind eng miteinander verbunden. Da der Zweck den Inhalt bestimmt und der Inhalt wiederum am Zweck zu messen ist,103 wird zunächst das Ziel- und Zwecksystem104 der handelsrechtlichen Rechnungslegung genauer untersucht.
3.1.3.1
Zweckermittlung
Wesentliche Grundlage des deutschen Bilanzrechtes bilden über die kodifizierten Vorschriften des HGB und die rechtsformspezifischen Regelungen des GmbH-Gesetzes (GmbHG) und des Aktiengesetzes (AktG) hinaus auch nicht kodifizierte Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB).105 Deren Beachtung verlangen die §§ 238, 243 und 264 Abs. 2 HGB. GoB gelten unabhängig von der Rechtsform für alle Kaufleute, können im Gesetz normiert sein, besitzen aber auch Gültigkeit ohne Kodifizierung.106 Bei den GoB handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, da eine Legaldefinition nicht existiert.107 Der BFH definiert die GoB als „Regeln, nach denen der Kaufmann zu verfahren hat, um zu einer dem gesetzlichen Zweck entsprechenden Bilanz zu gelangen“108. Gesetzliche Vorschriften sind mit Hilfe der GoB auszulegen. Durch den Charakter der Unbestimmtheit sind die GoB einer 102 103 104 105
106 107 108
Auf die Entwicklung des Anlagevermögens (Anlagenspiegel) gem. § 268 Abs. 2 Satz 1 HGB wird im Folgenden nicht eingegangen. Vgl. Haaker (2005), S. 8. Im Folgenden werden die Begriffe Ziele und Zwecke des handelsrechtlichen Jahresabschlusses synonym verwendet. Bei der Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen wird im Folgenden grundsätzlich auf Normen des HGB eingegangen. Rechtsformspezifische Regelungen finden grundsätzlich keine Beachtung, da sie keine Vorschriften enthalten, die für die Thematik der Arbeit relevant sind. Näher zu den GoB siehe Leffson (1980), S. 1ff.; Schildbach (2004), S. 133ff.; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 94ff. Vgl. Coenenberg (2003), S. 36. BFH-Urteil vom 31. Mai 1967 – I 208/63, S. 609.
29
ständigen Fortentwicklung und Flexibilität unterworfen, damit sich die Rechnungslegung an die Weiterentwicklung wirtschaftlicher Tatbestände und Verhältnisse und demzufolge u. U. an geänderte Ziele und Zwecke des Handelsrechts anpassen kann. Eine gesetzliche Kodifizierung eines Ziels oder Zielsystems, dem die Aufstellung des Jahresabschlusses dient, ist an keiner Stelle des dritten Buches des HGB zu finden. Ohne fundierte Zielorientierung aber stellt sich offenkundig das Problem der logischen bzw. methodischen Ableitung von GoB auf Basis eben dieses Ziels bzw. Zielsystems. Baetge und Coenenberg stellen die Beziehungen von Zweckermittlung und Normenauslegung daher treffend als „interdependente Prozesse“109 bzw. „Zirkeldefinition“110 dar.
3.1.3.2
Zwecke der handelsrechtlichen Rechnungslegung
In der Literatur werden die Zwecke, die mit dem handelsrechtlichen Jahresabschluss verbunden sind, grundsätzlich identisch, jedoch mit unterschiedlichen Benennungen und Gewichtungen dargelegt. Oser/Pfitzer stellen die wichtigsten mit dem handelsrechtlichen Jahresabschluss verbundenen Zwecke ohne jeglichen Systematisierungsansatz dar, da sich rechtsformabhängig unterschiedliche Gewichtungen der Zwecksetzungen ergäben. Sie nennen gleichgeordnet die Funktion der Dokumentation, Selbstinformation, Rechenschaft gegenüber Außenstehenden, Ausschüttungsbemessung und steuerrechtlichen Gewinnermittlung.111 Baetge/Kirsch/Thiele reduzieren die Zwecksetzung des Jahresabschlusses auf die Dokumentation, Rechenschaft und Kapitalerhaltung, wobei die handelsrechtlichen Vorschriften keine Dominanz eines der Jahresabschlusszwecke erkennen ließen. Die Dokumentation als primärer Buchführungszweck müsse aber die Voraussetzung für die Erfüllung der Jahresabschlusszwecke Rechenschaft und Kapitalerhaltung sein.112 Bitz/Schneeloch/Wittstock sowie Schildbach fokussieren zwei Zielsetzungen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, den Zweck der Information und den der Zahlungsbemessung.113 Unter den Informationszweck subsumieren Bitz/Schneeloch/Wittstock die Dokumentation, 109 110 111 112 113
Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 53. Coenenberg (2003), S. 12. Vgl. Oser/Pfitzer (2005), Kap. 2 Rn. 180ff. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 92f. Vgl. Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 26ff.; Schildbach (2004), S. 32 ff.
30
Rechenschaft und die Erfüllung eines allgemeinen Informationsinteresses bestimmter Jahresabschlussadressaten. Unter das Ziel der Zahlungsbemessung fassen sie die Ausschüttungsbemessung, die sich durch den Jahresabschluss manifestierende Kompetenzaufteilung zwischen Eigentum und Leitung und die steuerliche Gewinnermittlung. Insbesondere untersucht Schildbach die Kompetenzabgrenzung zwischen Eignern, Gläubigern und Managern, aus der er die Ausschüttungsbemessung begründet.114 Die zentralen Jahresabschlusszwecke stellen für Coenenberg die Zahlungsbemessung und die Information dar.115 Vor allem bei größeren Unternehmen zeige sich ein Trend zu einer unterschiedlichen Gewichtung der beiden zentralen Zielsetzungen. Während der Einzelabschluss vorwiegend die Aufgaben der Überschussbemessung und der Steuerbilanzoptimierung übernehme, stehe die Information über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage beim Konzernabschluss im Vordergrund. Grundsätzlich dominiere aber das Informationsziel. Das Rechnungswesen stellt für ihn daher einen Teil eines Informations-Entscheidungs-Zyklusses dar. Die inhaltliche Ausgestaltung findet das handelsrechtliche Informationsziel in der Dokumentation, der Kontrolle und der Disposition. Fasst man die Literatur hinsichtlich Ziel- und Zwecksetzung der handelsrechtlichen Rechnungslegung zusammen, so kristallisieren sich im Wesentlichen folgende Zwecke heraus: •
Ausschüttungsbemessung bzw. Kapitalerhaltung,
•
Information und
•
steuerliche Gewinnermittlung.
Einigkeit besteht in der handelsrechtlichen Literatur über den Adressatenkreis des Jahresabschlusses. Danach sind „alle mit der Unternehmung in direkter Beziehung stehenden Personen“116, die ein Interesse an dem Unternehmen haben, Jahresabschlussadressaten (Stakeholder-Ansatz117); dies sind vornehmlich die Unternehmensleitung, Anteilseigner, Gläubiger, Arbeitnehmer, Kunden, Lieferanten, weitere Geschäftspartner, die interessierte Öffentlichkeit und der Fiskus.118
114 115 116 117 118
Die Informationsfunktion begründet Schildbach entscheidungstheoretisch. Vgl. Schildbach (2004), S. 50ff. Vgl. Coenenberg (2003), S. 9ff. Coenenberg (2003), S. 1143. Vgl. Freeman (1984); Spremann (1989), S. 742ff. Vgl. Kußmaul (2000), S. 383; Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 26ff.; Hense/Schellhorn (2003), § 264 HGB Rz. 36; Breker/Naumann/Tielmann (1999), S. 142.
31
3.1.3.2.1 Ausschüttungsbemessung Die beiden primären ökonomischen Zielsetzungen eines Unternehmens lauten gemeinhin •
Sicherung des Unternehmensfortbestandes und
•
Gewinnerzielung,
wobei bezüglich der Gewinnverwendung grundsätzlich die Möglichkeiten der Thesaurierung und der Ausschüttung existieren.119 Der Jahresabschluss, der über den Periodenerfolg informiert, bildet die wichtigste Grundlage für die Ausschüttungsbemessung (§ 58 Abs. 4 AktG; § 29 Abs. 1 GmbHG).120 Im Hinblick auf die Gewinnverwendung besteht aufgrund der Divergenz des Ausschüttungsinteresses zwischen Anteilseignern und Gläubigern ein inhärentes Konfliktpotenzial, da Erstere eher ihren Anspruch auf Ausschüttung der Gewinne wahrnehmen, Letztere dagegen die Bonität und Liquidität der Gesellschaft gewährleistet sehen wollen.121 Wegen der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen bei Kapitalgesellschaften ist im Sinne des Gläubigerschutzes122 sicherzustellen, dass die Haftungssubstanz bzw. das Schuldendeckungspotenzial des Unternehmens nicht durch beliebige Gewinnausschüttungen verringert wird, sondern das Kapital zumindest nominell erhalten bleibt.123 Die Ausschüttungsbemessungsfunktion wird aus diesem Grunde durch zwei bilanzielle Konstrukte unterstützt, Ausschüttungssperren einerseits und Mindestausschüttungsmöglichkeiten andererseits.124 Der Gesetzgeber hat im Interesse der Ausschüttungsbegrenzung und der Kapitalerhaltung Ansatz-, Bewertungs- und Ausschüttungsvorschriften zur Sicherung des Haftungsvermögens und zum Schutz des Gläubigers im Handelsgesetz verankert.125 Beispielhaft seien genannt:
119 120 121 122 123
124 125
Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 6f. Zu Ausschüttungsentscheidungen und -zielen siehe auch Franz (1974), S. 1ff. Vgl. Coenenberg (2003), S. 1144f. Näher zu den divergierenden Interessenlagen siehe Baetge (1983), S. 1ff. Näher zum Gläubigerschutzprinzip siehe Leffson (1980), S. 38ff. Vgl. Moxter (2003), S. 19 und S. 97. Der Gesetzgeber hat sich aus Gründen der Objektivität bzw. der intersubjektiven Nachprüfbarkeit im deutschen Handelsrecht nicht für die Realkapitalerhaltung, sondern für das Konzept der Nominalkapitalerhaltung entschieden. Näher zur nominellen und realen Kapitalerhaltung siehe z. B. Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 53ff.; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 91. Zum Begriff der Ausschüttungssperre siehe auch Franz (1974), S. 100ff. Über die Vorschriften des HGB hinaus unterliegt die Ausschüttung weiterer begrenzenden, rechtsformabhängigen Restriktionen. Bei Aktiengesellschaften sind die laufenden Ausschüttungen gem. § 57 Abs. 3 AktG und § 58 Abs. 4 AktG grundsätzlich auf den Bilanzgewinn beschränkt. Zusätzlich sind gewisse Regelungen bezüglich der Rücklagenbildung und -auflösung zu beachten (§ 150 AktG). § 30 GmbHG regelt die Ausschüttungsmöglichkeiten für Gesellschafter einer GmbH.
32 •
Ansatzpflicht einer Rücklage für eigene Anteile (§ 272 Abs. 4 HGB),
•
Ansatzpflicht von Verbindlichkeitsrückstellungen (§ 249 Abs. 1 HGB),
•
Beachtung des Vorsichtsprinzips bei der Bewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB),
•
Beachtung des Imparitätsprinzips bei der Bewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB),
•
Beachtung von Wertobergrenzen (§ 253 Abs. 1 und 3 HGB),
•
Beachtung des Anschaffungskostenprinzips und des Niederstwertprinzips bei der Bewertung des Anlage- und Umlaufvermögens (§ 253 Abs. 2 und 3 HGB) und
•
Abzinsungsverbot von Rückstellungen ohne Zinsanteil (§ 253 Abs. 1 HGB).
Zur Wahrung von Anteilseignerinteressen sieht das HGB auch ausschüttungsfördernde Vorschriften vor.126 Beispielsweise sind zu erwähnen: •
Beachtung von Wertuntergrenzen (§ 279 Abs. 1 HGB) und
•
Wertaufholungsgebot (§ 280 HGB)127.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Regelungen zur Ausschüttungsbegrenzung zum Zweck der Kapitalerhaltung quantitativ und qualitativ wirksamer im Gesetz kodifiziert sind als Regelungen zugunsten der Ausschüttungsförderung. Der Gesetzgeber intendiert als Bilanzzweck die Ermittlung eines ausschüttungsfähigen Betrages, der unter Berücksichtigung von Aktionärsinteressen aber auf keinen Fall der Kapitalerhaltung zuwiderlaufen darf. Der Gewinn ist somit vorsichtig zu ermitteln.128
3.1.3.2.2 Information Der Jahresabschluss hat neben der Ausschüttungsbemessungsfunktion die Aufgabe, Informationen an Jahresabschlussadressaten in standardisierter Form zur Verfügung zu stellen.129 Informationen sind „solche Nachrichten, die die Erwartungen der Entscheidungsträger über die relevanten künftigen Konsequenzen von Handlungsmöglichkeiten ändern“130. Diese In126
127 128 129 130
§ 58 Abs. 2 AktG sieht eine Begrenzung der Einstellung des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen seitens des Vorstandes oder Aufsichtsrates vor. Natürlich kann hier auch ausschüttungsbegrenzend argumentiert werden, dass der Vorstand bzw. Aufsichtsrat überhaupt über Aktionärsvermögen entscheiden kann. Dennoch besteht nach § 58 Abs. 2a AktG die Möglichkeit, den Eigenkapitalanteil der Wertaufholung durch Einstellung in andere Gewinnrücklagen der Disposition der Anteilseigner zu entziehen. Zum Vorsichtsprinzip siehe Kap. 3.1.4.2.1. Vgl. Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 27. Schildbach (2004), S. 54.
33
formationen dienen einerseits der Rechenschaftslegung und Kontrolle über Geschäftsvorfälle der vergangenen Periode, andererseits als Dispositionsgrundlage von Unternehmens- und Anlegerentscheidungen, welche ihrer Natur nach auf die Zukunft gerichtet sind. Welche konkreten Inhalte im Jahresabschluss für die einzelnen Jahresabschlussadressaten im Rahmen ihrer Entscheidungen sinnvoll, relevant und informativ sind, ist allerdings umstritten.131 Die Rechenschaftslegung richtet sich sowohl an unternehmensinterne wie -externe Adressaten.132 Der Jahresabschluss besitzt den Zweck und sogar den Zwang zur Selbstinformation der gesetzlichen Vertreter und eines eventuell vorhandenen Aufsichtsorgans der Gesellschaft (§ 111 Abs. 2 Satz 1 AktG). Dieser Zweck der internen Rechenschaft soll verhindern, dass ein Unternehmen aus mangelnder Kenntnis über das Reinvermögen und den erzielten Erfolg in Insolvenz durch Illiquidität oder Überschuldung gerät.133 An die Aufstellung des Jahresabschlusses werden aus diesem Grunde – zumindest bei kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften – weitaus höhere Anforderungen gestellt als an die Offenlegung, wie die größenabhängigen Erleichterungen der Offenlegungspflicht gem. §§ 326f. HGB zeigen. Neben der internen Rechenschaft besitzt der Jahresabschluss ebenfalls die Funktion der Rechenschaft gegenüber unternehmensexternen Adressaten, die auf diesem Wege Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens erhalten, das abgelaufene Geschäftsjahr beurteilen und die Leistung der gesetzlichen Vertreter somit zumindest quantitativ kontrollieren können.134 In- und externe Rechenschaftslegung greifen ineinander, denn die über den Weg der Selbstinformation angestrebte Prävention von Überschuldung und Illiquidität dient dem Gläubiger- wie auch dem Aktionärsschutz.135 Situationsabhängig hat das Unternehmen bei Rechtsstreitigkeiten und Vermögensauseinandersetzungen Rechenschaft über die sich in der betreffenden Periode ereignenden Geschäftsvorfälle abzugeben und diese zu dokumentieren (Dokumentationsfunktion).136 Durch eine vollständige, sachlich abgegrenzte und zeitlich periodisierte Aufzeichnung aller Geschäftsvor-
131 132 133 134 135
Vgl. Schildbach (2004), S. 63. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 5; Coenenberg (2003), S. 5. Vgl. Oser/Pfitzer (2005), Kap. 2 Rn. 4. Vgl. Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 28f. Näher zur Vereinheitlichung von in- und externem Rechnungswesen siehe Franz/Winkler (2005), S. 35ff.; Baetge/Siefke (1999), S. 675ff.; Coenenberg (1995), S. 2077ff. 136 Zur Dokumentation als Subfunktion der Informationsaufgabe vgl. Coenenberg (2003), S. 9ff. oder Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 27f.
34
fälle und eine damit verbundene Objektivierung i. S. v. intersubjektiver Nachprüfbarkeit kann der Jahresabschluss als Beweismittel herangezogen werden.137 Neben dem Ausweis vergangener Daten zur Rechenschaft und Dokumentation soll der Jahresabschluss den Adressaten als Dispositionsgrundlage für künftige Unternehmens-, Anlegerund Gläubigerentscheidungen dienen.138 Schildbach stellt in diesem Zusammenhang den Gewinn als Zentralgröße unternehmerischer Information heraus.139 Unternehmensentscheidungen der gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft basieren hauptsächlich auf der internen Rechnungslegung. Dennoch kann auch der Jahresabschluss, Instrument der externen Rechnungslegung, mit u. U. geprüften und somit intersubjektiv nachprüfbaren Werten zur Entscheidungsfindung herangezogen werden. Der Anleger hat ausschließlich die Möglichkeit, sich über die veröffentlichte externe Rechnungslegung Informationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu verschaffen, um damit sein Aktienportfolio zu steuern und Entscheidungen über Halten, Kaufen oder Verkaufen der Unternehmensanteile zu treffen. Gläubiger disponieren analog auf der Basis des Jahresabschlusses die Gewährung, Kündigung oder Prolongation von Krediten. Auch weitere Jahresabschlussadressaten, wie Arbeitnehmer oder die allgemein interessierte Öffentlichkeit, können regelmäßig für ihre Zwecke relevante Informationen nur aus dem Jahresabschluss herauslesen. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Intention der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist trotz fehlender Zielformulierung vorzufinden. An die Stelle eines klar definierten, die Informationsfunktion betreffenden Zielkonstruktes tritt die für Kapitalgesellschaften geltende Generalnorm des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB: „Der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln.“ Unter dieser Leitidee des „den tatsächlichen Verhältnissen“ entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage steht die handelsrechtliche Rechnungslegung für Kapitalgesellschaften. Dabei sind Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gleichermaßen in einer den
137 138 139
Vgl. Oser/Pflitzer (2005), Kap. 2 Rn. 2f. Vgl. Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 32. Vgl. Schildbach (2004), S. 68.
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tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Weise zu vermitteln, so dass keinerlei hierarchische Ordnung zwischen diesen Perspektiven besteht.140 Die handelsrechtliche Literatur lässt die Frage der „Tatsache“ weitgehend unbeantwortet. Es wird lediglich auf individuelle Gegebenheiten des Unternehmens hingewiesen.141 Popper definiert Wahrheit als „Übereinstimmung mit den Tatsachen“142. Auch im deutschen Handelsrecht existiert der Grundsatz der Bilanzwahrheit. Für die tatsächlichen Verhältnisse ist ein objektiver Maßstab anzulegen.143 Folglich müsste der handelsrechtliche Jahresabschluss unter Beachtung dieser Generalnorm ein wahres, an die realistischen Gegebenheiten angepasstes Bild der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens widerspiegeln. Dieses Bilanzbild wird allerdings dadurch verzerrt, dass es den GoB unterliegt, explizit in der Norm § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB geregelt. Da die handelsrechtlichen GoB dem Zweck der Kapitalerhaltung dienen und stets das Vorsichtsprinzip144 zu beachten ist, wird der Informationszweck in der Weise eingeschränkt, dass er nur unter der Prämisse der Kapitalerhaltung Entfaltung findet. Da Bilanz und GuV dem Ziel der Kapitalerhaltung unterliegen, wird die Aufgabe der Vermittlung „wahrer“ Informationen insbesondere durch Anhang und Lagebericht erfüllt, wobei in der Praxis diesbezüglich immer noch Defizite bestehen.
3.1.3.2.2.1 Der Anhang als Informationsinstrument Integraler Bestandteil des handelsrechtlichen Jahresabschlusses mit ausschließlicher Informationsvermittlungsfunktion ist der Anhang (§ 264 Abs. 1 HGB).145 Der Zweck des Anhangs liegt in der Erläuterung und Ergänzung bestimmter Jahresabschlussangaben und der Offenlegung von Erkenntnissen und Zusammenhängen derselben.146 In Bezug auf Umweltschutzverpflichtungen sind insbesondere gem. § 285 Nr. 12 HGB sonstige wesentliche Rückstellungen genauer zu erläutern. Zusätzlich übernimmt der Anhang eine Korrekturfunktion, die sich in § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB widerspiegelt, falls Bilanz und GuV der Leitidee des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB zuwiderlaufen und kein den tatsächlichen Verhältnissen des Unternehmens entsprechendes Bild von seiner wirtschaftlichen Lage vermitteln. Im Rahmen der Korrekturfunktion sind auch Änderungen von z. B. Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zum Zwecke der temporären Vergleichbarkeit anzugeben. Schließlich nimmt der Anhang eine Entlastungs140 141 142 143 144 145 146
Vgl. Hense/Schellhorn (2003), § 264 HGB Rz. 37f. Vgl. Hense/Schellhorn (2003), § 264 HGB Rz. 39. Popper (1994), S. 45. Vgl. Hense/Schellhorn (2003), § 264 HGB Rz. 40. Näher zum Vorsichtsprinzip Kap. 3.1.4.2.1. Vgl. Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 267 ff. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 689; Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 267ff.
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funktion wahr, um Bilanz und GuV übersichtlicher zu gestalten (Bilanzklarheit), und enthält vielfach Informationen, die wahlweise in der Bilanz oder im Anhang anzugeben sind.147 Nicht bilanzierungsfähige Sachverhalte mit Relevanz für den Jahresabschlussadressaten sind ebenfalls im Anhang anzugeben. Für die vorliegende Thematik sind die sonstigen finanziellen Verpflichtungen gem. § 285 Nr. 3 HGB bedeutend.
3.1.3.2.2.2 Der Lagebericht als Informationsinstrument Neben dem handelsrechtlichen Jahresabschluss haben die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften gem. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB grundsätzlich einen Lagebericht aufzustellen.148 Die Vorschriften zum Lagebericht sind durch das BilReG ausgedehnt und präzisiert worden.149 Der Inhalt des Lageberichtes hat sich in erster Linie an den Informationsbedürfnissen aller Abschlussadressaten zu orientieren.150 Während der Jahresabschluss eher der Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage dient, ist Aufgabe des Lageberichts grundsätzlich die Analyse und Kommentierung relevanter Kennzahlen und Sachverhalte.151 Er verfolgt somit das Ziel, „im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss die gesamte wirtschaftliche Lage des Unternehmens darzulegen, für die neben betriebswirtschaftlichen Aspekten auch technische, rechtliche, politische und volkswirtschaftliche Gesichtspunkte bedeutsam sein können“152. Der Lagebericht ist als eigenständiges Rechnungslegungsinstrument mit Informationsfunktion konzipiert.153 Da er kein integraler Bestandteil des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist, wird die Berichterstattung nicht durch Beachtung handelsrechtlicher GoB eingeschränkt.154 Dennoch ist er von handelsrechtlichen, kapitalerhaltenden Bilanzierungs- und Bewertungsrestriktionen nicht vollkommen losgelöst, da quantitative jahresabschlussbezogene Angaben auf Basis von Daten des handelsrechtlichen Jahresabschlusses aufgenommen sind.
147 148
149 150 151 152 153 154
So sind beispielsweise außerplanmäßige Abschreibungen nach § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB entweder in der GuV gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben (§ 277 Abs. 3 Satz 1 HGB). Kleine Kapitalgesellschaften im Sinne der Größenklassen des § 267 Abs. 1 HGB sind gem. § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Lageberichtes befreit. Diese Erleichterung gilt jedoch nicht für kleine börsennotierte Kapitalgesellschaften, da diese Unternehmen gem. § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB stets als große Kapitalgesellschaften gelten. Der Gesetzgeber hat auf diesem Wege gewährleistet, dass diese Unternehmen dem breiten Informationsbedürfnis der Anteilseigner gerecht werden. Vgl. Steiner/Gross (2004), S. 551; Hüttemann (2004), S. 207f. Vgl. Baetge/Schulze (1998), S. 938. Vgl. Entwurf des BilReG (2004), S. 63. IDW RS HFA 1, Rz. 2. Der Standard wurde am 07. Juli 2005 aufgehoben. Vgl. Schildbach (2004), S. 429; Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 277f., Coenenberg (2003), S. 876f. Vgl. Müller (2000), S. 362; Ballwieser (1997), S. 155.
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Der Lagebericht hat den Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die wirtschaftliche Lage der Kapitalgesellschaft losgelöst von einzelnen Posten des Jahresabschlusses verbal so darzustellen, dass „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild“ vermittelt wird (§ 289 Abs. 1 HGB). Analog zum handelsrechtlichen Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften wird auch hier die Generalnorm deutlich.155 Die einzelnen Teilaspekte (Vermögens-, Finanz- und Ertraglage) sind umfassend zu analysieren und zu einem Gesamtbild des Unternehmens zu verdichten. In diese Analyse sind bedeutsame finanzielle Leistungsindikatoren einzubeziehen. Die im Jahresabschluss ausgewiesenen Beträge und Angaben sind zu erläutern (§ 289 Abs. 1 Satz 3 HGB). Große Kapitalgesellschaften haben auch nichtfinanzielle Leistungsindikatoren darzulegen, soweit dies für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder die wirtschaftliche Lage von Bedeutung ist. Dabei benennt das Gesetz explizit Umweltbelange (§ 289 Abs. 3 HGB). Insbesondere sind im Lagebericht wesentliche Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zu beurteilen und zu erläutern, wobei die zugrundeliegenden Annahmen anzugeben sind (§ 289 Abs. 1 Satz 4 HGB). Die Inhalte der beiden Begriffe stellen Gegensätze dar und bezeichnen positive bzw. negative Abweichungen von einem erwarteten Wert.156 Unter Risiko ist die Möglichkeit ungünstiger künftiger Entwicklungen zu verstehen, deren Eintritt als wahrscheinlich angesehen werden kann.157 Sind Risiken einzeln betrachtet unwesentlich, in ihrer Addition aber wesentlich, ist eine Aufnahme des Gesamtrisikos im Lagebericht geboten. Vom Risikobegriff zu trennen ist der Begriff der Chance. Eine Chance stellt die Möglichkeit günstiger wahrscheinlicher Entwicklungen der wirtschaftlichen Lage dar (DRS 5.9).158 Die Beurteilung von Chancen und Risiken sollte dabei – wenn möglich – sowohl qualitativ in Form einer verbalen Beschreibung als auch quantitativ in Form von Bewertungen erfolgen. Im Rahmen der Erläuterung sind diese zu erklären und zu kommentieren.159
155 156 157
Vgl. Baetge/Schulze (1998), S. 937. Vgl. Kajüter (2004a), S. 429; Kajüter (2004b), S. 202. Vgl. IDW RS HFA 1, Rz. 29. Der Standard wurde am 07. Juli 2005 aufgehoben. Ähnlich auch Ellrott (2003b), § 289 HGB Rz. 26 oder Wagner/Matten (1992), S. 365. 158 Die Verlautbarungen des DRSC haben den Charakter von Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung für die Konzernrechnungslegung und gelten daher für alle Unternehmen, die einen Konzernlagebericht nach § 315 HGB aufstellen. Eine entsprechende Anwendung auf den Lagebericht gem. § 289 HGB wird vom DRSC empfohlen (DRS 15.5). 159 Vgl. Kajüter (2004a), S. 430.
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Über die Einbeziehung der zukünftigen Entwicklung und deren Chancen und Risiken vereinigt der Lagebericht vergangenheitsorientierte Daten (Rechenschaftslegung) mit zukunftsweisenden Abschätzungen und Prognosen (Informationsfunktion).160 Neben den Mussvorschriften des ersten Abschnittes enthält § 289 Abs. 2 HGB Sollvorschriften zur Informationssteigerung. Sollvorschriften bedeuten eine grundsätzliche Pflicht zur Berichterstattung, von der lediglich in begründeten Einzelfällen abgewichen werden kann.161 Der Lagebericht hat explizit auf Vorgänge von besonderer Bedeutung nach dem Schluss des Geschäftsjahres einzugehen (§ 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Er kann darüber hinaus noch freiwillige Angaben des Unternehmens enthalten, für die keine Berichterstattungspflicht gem. § 289 HGB besteht. Die Angaben im Lagebericht lassen sich im Wesentlichen in die Teilberichte Wirtschaftsbericht, Nachtragsbericht, Prognosebericht, Risiko- und Chancenbericht und freiwilliger Zusatzbericht klassifizieren.162 Durch die enge Verbindung der voraussichtlichen Entwicklung mit den wesentlichen Chancen und Risiken ist allerdings eine deutliche Abgrenzung vom Prognose- zum Risiko- und Chancenbericht kaum möglich.163 Bei der Aufstellung des Lageberichtes stellen die Prinzipien der Vollständigkeit, Richtigkeit und Willkürfreiheit, Klarheit und Verständlichkeit, Übersichtlichkeit und Wesentlichkeit sowie Stetigkeit und Vergleichbarkeit die wesentlichen Grundsätze der Lageberichterstattung dar.164 Da das Vorsichtsprinzip nicht auf den Lagebericht anzuwenden ist, ist keine pessimistische oder imparitätische Betrachtungsweise zugrunde zu legen, sondern vielmehr eine, die den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst ist.165 Zur Identifikation von (Chancen und) Risiken im Jahresabschluss und im Lagebericht ist die Einführung eines funktionsfähigen Risikofrüherkennungssystems grundsätzlich conditio sine qua non, wobei de lege lata nur Aktiengesellschaften nach § 91 Abs. 2 AktG zu dessen Errichtung verpflichtet werden. Durch diese Vorschrift wird dem Vorstand einer Aktiengesell-
160 161 162 163 164
So auch Baetge/Schulze (1998), S. 938. Vgl. Ellrott (2003b), § 289 HGB Rz. 30; Coenenberg (2003), S. 878f. Vgl. Baetge/Schulze (1998), S. 939. Noch detaillierter Kajüter (2004b), S. 197. Vgl. Kajüter (2004a), S. 430. Vgl. IDW RS HFA 1, Rz. 7ff. Der Standard wurde am 07. Juli 2005 aufgehoben; Lange/Daldrup (2002), S. 663. Zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Lageberichterstattung siehe auch Baetge/Fischer/Paskert (1989), S. 16 ff. 165 Vgl. IDW RS HFA 1, Rz. 43. Der Standard wurde am 07. Juli 2005 aufgehoben.
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schaft die Verpflichtung auferlegt, ein angemessenes Risikomanagement einzurichten.166 Risikomanagement ist ein „nachvollziehbares, alle Unternehmensaktivitäten umfassendes System, das auf Basis einer definierten Risikostrategie ein systematisches und permanentes Vorgehen mit folgenden Elementen: Identifikation, Analyse, Bewertung, Steuerung, Dokumentation und Kommunikation von [Chancen und] Risiken sowie die Überwachung dieser Aktivitäten“167 umfasst. Mit dessen Hilfe werden die strukturellen und methodischen Voraussetzungen für die Erkennung und Analyse von (Chancen und) Risiken geschaffen.168 Integraler Bestandteil dieses Risikomanagementsystems sollte die Behandlung von Umweltrisiken aufgrund ihres hohen Gefahrenpotenzials sein. Hilfreich könnte z. B. die Anfertigung unternehmensinterner Altlastenkataster sein. Da der Lagebericht den Jahresabschlussadressaten einen besseren Einblick in das Unternehmensgeschehen verschafft, dient er als zusätzliche Quelle der Entscheidungsfindung. Der Verbalteil des Lageberichtes ergänzt und verdichtet nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Lageberichterstattung sachlich und zeitlich Jahresabschlussinformationen,169 so dass bei zielorientierter Gestaltung des Rechnungslegungsinstrumentes im Hinblick auf seine Informationsfunktion ein zusätzlicher Informationsnutzen entsteht. Aufgrund der Durchbrechung des Stichtagsprinzips nimmt der Lagebericht auch Informationen nach Abschluss des Geschäftsjahres auf, die unter Umständen prognostischen Charakter besitzen. Er stellt somit in stärkerem Maße zukunftsorientierte Sachverhalte und subjektive Einschätzungen dar.170
3.1.3.2.3 Die steuerliche Gewinnermittlung Die steuerliche Gewinnermittlung ist nicht unmittelbarer Zweck der handelsrechtlichen Rechnungslegung, jedoch bestimmt sich die Steuerbilanz aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes gem. § 5 Abs. 1 EStG nach den handelsrechtlichen GoB.171 Da die handelsrechtlichen Ansätze sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach maßgeblich für die steuerrechtlichen
166 167 168 169 170 171
Vgl. IDW PS 340, Rz. 1. DRS 5.9. Die Anwendung der DRS wird für den Einzelabschluss empfohlen. Näher hierzu siehe Kap. 4.5.2. Vgl. Kajüter (2002), S. 245; Böcking/Orth (2000), S. 255. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 721; Baetge/Schulze (1998), S. 938. Vgl. Kajüter (2004b), S. 197. Näher zu Zwecken und Adressaten der Steuerbilanz siehe Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 38f.
40
Werte sind, erfüllt der handelsrechtliche Jahresabschluss über diesen indirekten Weg den Zweck der steuerlichen Gewinnermittlung.172 Adressat der Steuerbilanz ist der Fiskus.
3.1.3.3
Das Beziehungsgefüge innerhalb des Zwecksystems
Innerhalb des Beziehungsgefüges ist für das Verständnis der Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen insbesondere das Verhältnis von Ausschüttungsbemessung bzw. Kapitalerhaltung und Information bedeutend. Im handelsrechtlichen Jahresabschluss wird ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nur unter den restriktiven GoB der Kapitalerhaltung vermittelt.173 Das Ziel der Kapitalerhaltung und der damit verbundene Zweck des Gläubigerschutzes finden somit in der handelsrechtlichen Rechnungslegung eine dominierende Stellung. Insofern erfährt die Informationsfunktion eine Einschränkung, da alle formellen und materiellen Bilanzansätze sowie Bewertungsmaßnahmen zunächst unter der Prämisse der Kapitalerhaltung stehen. Da die Einzelvorschriften den Ansatz und die Bewertung von Geschäftsvorfällen unter Kapitalerhaltungsgesichtspunkten verlangen, entspricht eine Abbildung im Jahresabschluss nicht mehr den „tatsächlichen Verhältnissen“ im Sinne einer realen Darstellung. Die kapitalerhaltenden Grundsätze sind ursächlich für eine verzerrte Wiedergabe der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens. Dazu folgendes Beispiel: Zwei langjährig bestehende Unternehmen haben vor 50 Jahren jeweils ein Grundstück zu Anschaffungskosten von je 50.000 € gekauft. Das eine Grundstück befindet sich inmitten einer Großstadt, das andere in einem Außenbezirk der Stadt. Heute hat das Grundstück in Citylage einen Marktwert von 5 Mio. €, das Grundstück in dem Außenbezirk lässt sich dagegen auf nur 500.000 € taxieren. Trotz dieser unterschiedlichen Wertentwicklung belaufen sich die Bilanzansätze heute bei beiden Unternehmen aufgrund des Anschaffungskostenprinzips (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB) auf 50.000 €. Der externe Jahresabschlussleser kennt i. d. R. nur die Gesamthöhe der Position Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken gem. § 266 Abs. 2 A II 1 HGB, weiß auch um ihren Bilanzansatz zu Anschaffungskosten. Er kann keine Vergleiche zwischen der Vermögenslage der Unternehmen ziehen, da aus dem Jahresabschluss nicht ersichtlich ist, welche konkreten Grundstücke die Unternehmen besitzen. Der Vorstand braucht zudem in der Hauptversammlung die stillen Reserven nicht offen 172
Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 160ff.; Coenenberg (2003), S. 17f.; Bitz/Schneeloch/Wittstock (2000), S. 309; Kölpin (2000), S. 4261ff.; Schildbach (2004), S. 158ff. 173 Vgl. Selchert/Erhardt (1998), S. 27; Hense/Schellhorn (2003), § 264 HGB Rz. 47.
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zu legen.174 Das voranstehende Beispiel zeigt, dass die Vermögenslage unter Informationsaspekten vollkommen verzerrt dargestellt wird. Da der Abschluss jedoch grundsätzlich § 264 Abs. 2 HGB genügt, wird der Wirtschaftsprüfer einen solchen Abschluss testieren (müssen). Die Zwecke der Ausschüttungsbemessung bzw. Kapitalerhaltung und der Information stehen regelmäßig in keinem neutralen oder kompatiblen Verhältnis zueinander, sondern stehen sich oftmals diametral entgegen und wirken somit konkurrierend.175
3.1.4
Ausgewählte Bilanzierungsgrundsätze
3.1.4.1
Vorbemerkungen zum Ansatz von Umweltschutzverpflichtungen nach HGB
Explizit ist die bilanzielle Behandlung von Umweltschäden bzw. daraus entstehender Verpflichtungen oder Vermögensminderungen an keiner Gesetzesstelle geregelt. Aus diesem Grund ist auf Basis der Ziel- und Zwecksetzung des HGB sowie seiner Normen, kodifizierten Bilanzierungsgrundsätze und weiterer nicht kodifizierter GoB eine zweckadäquate bilanzielle Behandlung herzuleiten. Da Verpflichtungen wie auch Vermögensminderungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss zu erfassen sind, werden im Folgenden für die vorliegende Thematik relevante Rechnungslegungsgrundsätze näher untersucht. In diesem Zusammenhang spielen nicht nur die einzelnen GoB eine wichtige Rolle, sondern auch das Verhältnis dieser GoB zueinander ist zu untersuchen.
3.1.4.2
Zentrale Bilanzierungsgrundsätze nach HGB
Baetge/Kirsch/Thiele typisieren die für den Jahresabschluss nach HGB maßgeblichen Bilanzierungsgrundsätze in Rahmen-, System-, Definitions-, Ansatz- und Kapitalerhaltungsgrundsätze,176 wobei diese Grundsätze nicht unbedingt gesetzlich kodifiziert sind. Für die Thematik
174
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.09.1999 – 1 BvR 168/93, S. 1033f. Zum Urteil siehe Kaserer (1999), S. 2085ff. 175 Zielbeziehungen und -ausprägungen sind zudem von der Rechtsform des zu bilanzierenden Unternehmens abhängig. So nimmt die Rechenschaftsfunktion gegenüber Dritten bei einem Einzelkaufmann regelmäßig einen wesentlich geringeren Stellenwert ein als bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft. 176 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 104ff.
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der bilanziellen Behandlung von Umweltschäden sind vor allem folgende Grundsätze maßgebend:177 •
Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit (gesetzlich nicht kodifiziert): Der Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit ist so zu verstehen, dass die bilanzielle Abbildung von Geschäftsvorfällen objektiv i. S. v. intersubjektiv nachprüfbar ist. Nach diesem Grundsatz sind bei Bilanzierungs- und Bewertungsspielräumen, insbesondere bei Schätzwerten (Rückstellungen, Abschreibungen), Annahmen zugrunde zu legen, die in Abhängigkeit vom Sachverhalt zutreffend sind.
•
Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (gesetzlich nicht kodifiziert): Die Rechnungslegung muss dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit entsprechen, der durch den Grundsatz der Relevanz von Informationen konkretisiert wird.
•
Grundsatz der Klarheit (§ 238 Abs. 1 Satz 2 HGB; § 243 Abs. 2 HGB): Der Grundsatz der Klarheit bezieht sich in erster Linie auf die Gliederung der Bilanz und der GuV. Der Jahresabschluss muss verständlich und übersichtlich sein. Bilanzposten bzw. Posten der Gewinn- und Verlustrechnung sind demzufolge eindeutig zu bezeichnen und zu ordnen.
•
Grundsatz der Vollständigkeit (§ 246 Abs. 1 HGB): Vollständigkeit bedeutet sowohl die Erfassung aller buchungspflichtigen Geschäftsvorfälle als auch die Berücksichtigung sämtlicher Informationen über den jeweiligen Sachverhalt. Nach diesem Grundsatz sind alle Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten in der Bilanz sowie alle Aufwendungen und Erträge in der GuV abzubilden. Sowohl das Stichtagsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB, nach dem die Abbildung aller Geschäftsvorfälle zum Bilanzstichtag zu erfolgen hat, als auch das Periodisierungsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB, nach dem Aufwendungen und Erträge unabhängig vom Zahlungszeitpunkt zu erfassen sind, konkretisieren das Vollständigkeitsprinzip.
•
Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB): Nach diesem Grundsatz sind Vermögensgegenstände und Schulden im Jahresabschluss i. d. R. einzeln zu bewerten. Ausnahmen bilden gem. § 240 Abs. 3 und 4 HGB die Gruppen-, Fest- bzw. Sammelbewertung, um dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu genügen.
•
Grundsatz des Saldierungsverbotes (§ 246 Abs. 2 HGB): Nach diesem Grundsatz dürfen Posten der Aktivseite nicht mit Posten der Passivseite sowie Aufwendungen nicht mit Erträgen verrechnet werden. Nur in Ausnahmefällen ist eine Verrechnung möglich.
177
Vgl. im Folgenden Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 91 und 105ff.; Coenenberg (2003), S. 36ff.
43 •
Nominalwertprinzip (§ 255 HGB) Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, nach denen ein Vermögensgegenstand maximal bewertet werden darf, stellen gem. § 255 HGB eine Wertobergrenze dar. Durch diese Wertobergrenze wird gleichzeitig das Prinzip der nominellen Kapitalerhaltung für das Handelsrecht festgeschrieben, da der Ansatz von Wiederbeschaffungswerten verboten ist.
Für die Bilanzierung von Umweltschutzverpflichtungen bzw. aus Umweltschäden resultierenden Vermögensminderungen dienen die genannten Grundsätze neben dem Zielsystem als Deduktionsbasis. Besondere Bedeutung für die vorliegende Thematik erlangen neben diesen Grundsätzen das Vorsichtsprinzip, das Realisationsprinzip sowie das Imparitätsprinzip.
3.1.4.2.1 Das Vorsichtsprinzip Das Vorsichtsprinzip ist in § 252 Abs. 1 Nr. 4 1. HS HGB schriftlich verankert und gilt als dominierendes Prinzip (overriding principle) des deutschen Handelsrechts. Nach diesem Grundsatz hat das bilanzierende Unternehmen seine Vermögensgegenstände und Schulden vorsichtig zu bewerten. Allgemein anerkannt ist, dass sich das Vorsichtsprinzip nicht nur auf die Bewertung, sondern auch auf den Ansatz der einzelnen Positionen im Jahresabschluss erstreckt. Insbesondere erlangt das Vorsichtsprinzip bei Schätzgrößen erhöhte Bedeutung. So schlagen Adler/Düring/Schmaltz vor, bei Schätzalternativen die pessimistischste Alternative zu wählen.178 Das Vorsichtsprinzip darf allerdings nicht zur bewussten Bildung stiller Reserven missbraucht werden.179 Dann würde sich das Unternehmen ärmer rechnen, als es tatsächlich ist und somit dem Kapitalerhaltungszweck gerecht werden, den Rechenschafts- und Informationszweck allerdings vollkommen unterlaufen. Zudem würde das Unternehmen den Gesellschaftern bzw. Aktionären u. U. ausschüttungsfähigen Gewinn vorenthalten. Die handelsrechtliche Bewertung muss trotz aller Vorsichtsmaßnahmen einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung entsprechen.180
3.1.4.2.2 Das Realisationsprinzip Das Realisationsprinzip, kodifiziert in § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. HS HGB, gilt als maßgebliches Kriterium im Rahmen der Gewinnermittlung und stellt den zentralen Abgrenzungsgrundsatz dar. Es bestimmt in seiner klassischen Ausprägung den Zeitpunkt der Ertragsrealisation, der an den Übergang der Preisgefahr geknüpft ist.181 Die Realisation tritt ein, wenn dem Leis178 179 180 181
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Rz. 68. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 126; Coenenberg (2003), S. 44f. Vgl. Coenenberg (2003), S. 44f.; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 126f. Vgl. Woerner (1988), S. 773f.
44
tungsverpflichteten die Forderung auf Gegenleistung dem Grunde nach sicher ist.182 Wie Wörner zutreffend darstellt, ist das Realisationsprinzip ein zeitraumbezogenes Verbot des Ausweises unrealisierter Gewinne und ein zeitpunktbezogenes Gebot des Ausweises realisierter Gewinne.183 Insofern gilt dieses Prinzip als „Eckpfeiler der Periodenabgrenzung“184. Es wird durch das Stichtagsprinzip (Grundsatz der sachlichen Abgrenzung) und das Periodisierungsprinzip (Grundsatz der zeitlichen Abgrenzung) ergänzt.185 Moxter erweitert die Aufgabe des Realisationsprinzips – mit Unterstützung des Stichtagsprinzips und des Periodisierungsprinzips – auf die Aufwandsseite und interpretiert es dahingehend, dass alle Aufwendungen in den Jahresabschluss aufzunehmen sind, die realisierte Umsätze bzw. Erträge alimentiert haben (Realisationsprinzip in seiner Alimentationsausprägung).186 Ein so verstandenes Realisationsprinzip gebietet (nur) die Passivierung von Aufwendungen, die in direktem Zusammenhang mit bereits realisierten Erträgen stehen. Diese Definition des Realisationsprinzips erweitert seinen Anwendungsbereich in der Bilanz auf die Passivseite, da Aufwendungen, die dem Grunde oder der Höhe nach ungewiss sind, über Rückstellungen abgebildet werden. Beispiel: Ein Unternehmen wird verpflichtet, eine Bodenverunreinigung, die aus der Produktionstätigkeit resultiert, zu beseitigen. Aufgrund technischer Schwierigkeiten ist mit einer Beseitigung erst im Folgejahr zu rechnen. Die Aufwendungen sind aufgrund des erweiterten Realisationsprinzips rückstellungsfähig und -pflichtig, da sie eng mit realisierten Erträgen aus der Produktionstätigkeit zusammenhängen. Nach Moxters Auffassung, der sich auch Herzig angeschlossen hat, habe sich die Passivierung von Aufwendungen ausschließlich am Realisationsprinzip zu orientieren.187 Das erweiterte Realisationsprinzip bezieht auch den Grundsatz der sachlichen und der zeitlichen Abgrenzung ein. Würde das Realisationsprinzip lediglich auf die Aktivseite fokussieren, stünde dies einem bloßen Abgrenzungskriterium von Vorratsvermögen und Forderungen (Gefahrenübergang)
182 183 184 185 186 187
Vgl. Weber-Grellet (2002), S. 2181; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Rz. 82. Vgl. Woerner (1988), S. 772. Leffson (1980), S. 229. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 121ff.; Coenenberg (2003), S. 40f. Vgl. Moxter (1999b), S. 108f. Vgl. Moxter (1999b), S. 107ff.; Moxter (1992), S. 433ff.; Moxter (1984), S. 1780; Herzig (1990), S. 1341ff.; Herzig (1993b), S. 209ff.; Herzig (1994c), S. 233f. Clemm befürwortet die Formel, betrachtet sie aber kritisch. Vgl. Clemm (1994), S. 167ff.
45
gleich. Dann aber würde dieses so wichtige Prinzip als reines Anschaffungskostenprinzip degradiert werden.188 Die Erweiterung des Prinzips auf die Aufwandsseite erscheint sachgerecht, da der Gesetzgeber in § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. HS HGB Gewinne und nicht Erträge benennt. Das Realisationsprinzip kann bilanziell aber auch rückstellungsbegrenzend wirken, denn Aufwendungen, die (in der Periode) keinen realisierten Erträgen gegenüberstehen, bleiben unberücksichtigt. So können Aufwendungen für künftige Erträge nie auf Basis der erweiterten Realisationsprinzips antizipiert werden. Daher sind Aufwendungen für Werbung nicht rückstellungsfähig, da Werbemaßnahmen durchgeführt werden, um künftige Erträge zu generieren. Bedeutung erhält das Realisationsprinzip in seiner Alimentationsformel in den Fällen, in denen zwischen der rechtlichen Entstehung einer Verpflichtung und deren wirtschaftlicher Verursachung zeitliche Unterschiede bestehen. Dabei hängen das Vorsichts- und das Imparitätsprinzip eng mit dem rechtlichen Entstehen einer Verpflichtung zusammen. Diese Prinzipien repräsentieren die statische Bilanzauffassung, während das erweiterte Realisationsprinzip mit der dynamischen Bilanzauffassung einhergeht und den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung von Verpflichtungen als maßgeblichen Zeitpunkt für die Rückstellungsbildung ansieht.189 Beispiele dafür, dass die wirtschaftliche Verursachung und das rechtliche Entstehen einer Verpflichtung auseinanderfallen, ist die Verpflichtung zur Aufstellung bzw. Prüfung des Jahresabschlusses oder zur Anpassung von Anlagen (Anpassungsmaßnahmen).190
3.1.4.2.3 Das Imparitätsprinzip Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. HS HGB sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, im Jahresabschluss zu berücksichtigen. Das Imparitätsprinzip als Grundsatz der Verlustantizipation verlangt, dass Verluste schon dann anzusetzen sind, wenn sie zwar noch unrealisiert, aber vorhersehbar im abgelaufenen Geschäftsjahr entstanden sind. Der Grundsatz hat seinen Namen aufgrund der unterschiedlichen, imparitätischen Behandlung von künftigen Gewinnen und Verlusten erhalten.191 Das Imparitätsprinzip wird auf der Aktivseite durch das Niederstwertprinzip gem. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB, auf der Passivseite z. B. durch die Antizipation von drohenden Verlusten aus schwebenden Geschäf188 189 190 191
Vgl. Herzig (1990), S. 1344ff.; Herzig (1993b), S. 212; Moxter (1984), S. 1784; Bartels (1992a), S. 128; Moxter (1983b), S. 304. Ein Beispiel für Näher hierzu siehe Kap. 2.2.2.4, Kap. 4.1.3.1.4. und Kap. 5.1.3.2.1. Vgl. Coenenberg (2003), S. 42.
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ten mit Hilfe einer Rückstellung konkretisiert.192 Im Zusammenhang mit Umweltschäden kommt dem Imparitätsprinzip bei der Wertminderung von Grundstücken durch Kontaminationen besondere Bedeutung zu. Werden die Verluste in dem Zeitraum zwischen Abschlussstichtag und Bilanzaufstellung erst bekannt, sind sie dennoch zu berücksichtigen, wenn sie vor dem Abschlussstichtag begründet sind.
3.1.4.2.4 Das Verhältnis zwischen Vorsichts-, Realisations- und Imparitätsprinzip Vorsichts-, Realisations- und Imparitätsprinzip stellen die zentralen handelsrechtlichen GoB dar. Zu klären ist die Frage, in welchem Verhältnis diese drei Prinzipien stehen. Für die vorliegende Thematik wird gerade dieses Verhältnis der einzelnen Prinzipien zueinander entscheidend sein. Die unterschiedliche Rangfolge bzw. auch Interpretation der einzelnen Prinzipien hat Einfluss auf die davon abhängige bilanzielle Abbildung von Umweltschäden und Umweltschutzverpflichtungen im Jahresabschluss. Coenenberg ist der Auffassung, dass das Vorsichtsprinzip seine inhaltliche Konkretisierung im Realisations- und Imparitätsprinzip findet.193 Demzufolge würden das Realisations- und das Imparitätsprinzip Unterprinzipien des Vorsichtsprinzips darstellen. Dagegen lässt jedoch die überwiegende handelsrechtliche Literaturmeinung keine Rangfolge bzw. Hierarchieabstufung zwischen den einzelnen Prinzipien erkennen.194 Baetge/Kirsch/Thiele vergleichen daher das handelsrechtliche GoB-System mit dem „Eiffelturm-Prinzip“195, bei dem keine Verstrebung fehlen darf, ohne dass das gesamte Bauwerk einstürzen würde. Für sie stehen alle GoB in wechselseitiger Beziehung ohne Ordnungsverhältnis. Lediglich bei der Bilanzierung konkreter Sachverhalte werden unter Heranziehung von GoB Ordnungsverhältnisse aufzuzeigen versucht. So leitet Herzig den Vorrang der Rückstellungsbildung vor der aktivischen Abwertung bei Altlasten aus dem Verhältnis von Realisationsund Imparitätsprinzip ab.196 Meines Erachtens lassen die GoB ein Ordnungsverhältnis nicht zu, sondern müssen für den Einzelfall interpretiert werden.
192 193 194 195 196
Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 125. Vgl. Coenenberg (2003), S. 44. Vgl. Rautenberg (1993), S. 266; Leffson (1980), S. 422. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 128. Vgl. Herzig (1991), S. 618f. Näher hierzu siehe Kap. 5.2.3.6.4.2.
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3.1.5
Der Aktivierungs- und Passivierungsgrundsatz
Gemäß dem Vollständigkeitsgebot (§ 246 HGB) hat der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Eine Definition der Begriffe Vermögensgegenstände und Schulden allerdings liefert das Gesetz nicht. Grundsätze zur Aktivierung und Passivierung werden im Folgenden zum besseren Verständnis von aktivierungsfähigen Umweltmaßnahmen bzw. passivierungspflichtigen -verpflichtungen gegeben.
3.1.5.1
Aktivierungsgrundsatz
In der handelsrechtlichen Rechnungslegung existiert hinsichtlich der Aktivierung eines Vermögensgegenstandes eine zweistufige Konzeption. Ein Gut ist zum einen genau dann abstrakt aktivierungsfähig, wenn es als Vermögensgegenstand charakterisiert werden kann.197 Da der Begriff des Vermögensgegenstandes im deutschen Handelsrecht nicht näher definiert wird, sind zu seiner Interpretation die GoB heranzuziehen. Um der Definition eines Vermögensgegenstandes zu genügen, muss ein Gut als wirtschaftlicher Wert nach herrschender Meinung der bilanziellen Greifbarkeit unterliegen und selbstständig verwertbar sein.198 Diese Kriterien sind erfüllt, wenn ein Gut durch Veräußerung oder Nutzenüberlassung verkehrsfähig ist und verwertet werden kann. Das Gut fällt dann im Rahmen einer Veräußerung des Unternehmens als einzelnes Objekt ins Gewicht, und der Wert dieses Gutes verflüchtigt sich nicht im Geschäfts- oder Firmenwert. Konkret darf ein Vermögensgegenstand gem. § 246 Abs. 1 HGB erst dann aktiviert werden, „wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt“, wenn also keine konkreten Aktivierungsvorschriften entgegenstehen. Aus der abstrakten Aktivierungsfähigkeit folgt ein konkretes Aktivierungsgebot. Bei fehlender Aktivierungsfähigkeit ist der Geschäftsvorfall direkt aufwandswirksam zu verbuchen. Entschwefelungsanlagen oder Klärwerke als Maßnahmen für den Umweltschutz sind bilanziell greifbar sowie verwertbar und somit abstrakt aktivierungsfähig. Konkrete gesetzliche Verbote für den Ansatz dieser Anlagen bestehen nicht.
197 198
Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 138. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 139; Baetge/Roß (1991), S. 473ff.; Coenenberg (2003), S. 78.
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3.1.5.2
Passivierungsgrundsatz
Auch hinsichtlich der Passivierung einer Verpflichtung besteht eine zweistufige Konzeption.199 Eine abstrakt passivierungsfähige Schuld ist erst dann konkret zu passivieren, wenn keine gesetzlichen Vorschriften entgegenstehen. Abstrakte Passivierungsfähigkeit liegt vor, wenn eine Verpflichtung des bilanzierenden Unternehmens besteht, die sowohl zu einer quantifizierbaren wirtschaftlichen Belastung führt als auch bilanziell greifbar ist. Eine Verpflichtung liegt immer dann vor, wenn sich das bilanzierende Unternehmen der zu erbringenden Leistung (ein Unterlassen oder ein Dulden stehen einer Leistung gleich) aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Gleichgültig ist nach der handelsrechtlichen Passivierungskonzeption grundsätzlich, ob eine derartige Verpflichtung gegenüber einem Dritten, insbesondere dem Staat (Außenverpflichtung) oder gegenüber sich selbst (Innenverpflichtung) besteht. Zudem muss der Leistungszwang hinreichend konkretisiert sein. Wie weit die Konkretisierung reichen muss, wird nicht eindeutig definiert. Jedoch reicht die bloße Möglichkeit nicht aus, aus einer Verpflichtung in Anspruch genommen zu werden. Eine wirtschaftliche Belastung bedeutet eine künftige Minderung des Bruttovermögens. Das Bruttovermögen wird bei Außenverpflichtungen gemindert, wenn das Unternehmen eine Geld- oder Sachleistung unabhängig von einer Gegenleistung zu erbringen hat. Auch eine Innenverpflichtung führt regelmäßig zu künftigen Auszahlungen, die das Bruttovermögen mindern. Das Kriterium der bilanziellen Greifbarkeit bedingt, dass eine Schuld bzw. eine Verpflichtung bei einer Veräußerung des gesamten Unternehmens ins Gewicht fallen würde. Zudem muss eine Schuld quantifizierbar sein, um dem Passivierungsgrundsatz zu genügen. Eine quantifizierbare Schuld liegt vor, wenn die Höhe eindeutig feststeht oder in einer gewissen Bandbreite vorhersehbar ist. Besteht über den Grund und die Höhe der Schuld Sicherheit, ist sie als Verbindlichkeit im Jahresabschluss auszuweisen. Ist die Schuld dagegen dem Grunde und/oder der Höhe nach unsicher, erfüllt sie aber die weiteren Passivierungsvoraussetzungen, kommt der Ansatz einer Rückstellung in Betracht. Verpflichtungen aus Umweltschäden, wie eine behördliche Anordnung zur Dekontamination verseuchten Grund und Bodens, stellen regelmäßig bilanziell greifbare und quantifizierbare wirtschaftliche Belastungen dar; sie sind also abstrakt passivierungsfähig. Da ihnen grundsätzlich kein gesetzliches Verbot entgegensteht, sind sie folglich auch konkret passivierungspflichtig. 199
Vgl. im Folgenden Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 150ff.; Coenenberg (2003), S. 78.
49
3.1.6
Der BFH als Normgeber
Das deutsche Handelsrecht ist geprägt durch die inhaltliche Unbestimmtheit von Normen und Grundsätzen. Die Auslegungsfähigkeit von Gesetzestexten resultiert unter anderem aus der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, deren Bedeutung von der Rechtsprechung im Einzelfall konkretisiert wird. Rechtssprachliche Begriffe haben nicht immer eine eindeutige Bedeutung, sondern es sind „mehr oder minder flexible Ausdrücke, deren mögliche Bedeutung innerhalb einer weiten Bandbreite schwankt“200. Die inhaltliche Ausgestaltung der gesetzlichen Vorschriften des HGB findet über die GoB statt, wenn der Gesetzeswortlaut für einen bestimmten Sachverhalt keine konkreten Regelungen enthält. Eine Herausforderung ist hierbei, dass die GoB ihrerseits ebenfalls unbestimmt sind und inhaltlich konkretisiert werden müssen. Die Auslegung von Gesetzesnormen hat anhand des eigentlichen Wortsinns, des Bedeutungszusammenhangs des Gesetzes, den Normvorstellungen des Gesetzgebers und objektivteleologischen Kriterien zu erfolgen.201 Zusätzlich wird die Gesetzesauslegung über die richterliche Rechtsfortbildung vorangetrieben.202 Gesetze erhalten ihre inhaltliche Konkretisierung und Interpretation über die höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH, soweit dieser handelsrechtliche Bedeutung zukommt.203 Obwohl sich die Zuständigkeit der Finanzgerichtsbarkeit gem. § 33 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) grundsätzlich nur auf die Steuerbilanz beschränkt, erlangt die höchstrichterliche Rechtsprechung auch aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes, konkret: der umgekehrten Maßgeblichkeit, Bedeutung für die Handelsbilanz,204 weshalb Herzig sie als „Auslegungsgremium für das Handelsrecht“205 tituliert. Da der Bundesgerichtshof (BGH) trotz seiner zivilrechtlichen Zuständigkeit nur selten mit handelsrechtlichen Rechnungslegungsfragen befasst ist, rücken die Entscheidungen des BFH zu Fragen der steuerlichen Gewinnermittlung für die Handelsbilanz in den Mittelpunkt. Über das Maßgeblichkeitsprinzip entscheidet der BFH damit mittelbar über die Auslegung von handelsrechtlichen GoB. Auch nach Moxter hängen Bilanzrecht und Richterrecht eng zusammen.206
200 201 202 203
Larenz (1991), S. 312. Vgl. Larenz (1991), S. 320ff. Vgl. Larenz (1991), S. 366ff. Vgl. IDW PS 201, Rz. 8; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 96; Moxter (1983a), S. 13f.; Moxter (1999a), S. 519; Moxter (2000), S. 157; Niehus (2001b), S. 748. 204 Vgl. Euler (2002), S. 876. 205 Herzig (2000), S. 117. 206 Moxter (1999b), S. 5ff.
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Besonders im Bereich des Rückstellungsansatzes (bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen) hat der BFH in der Vergangenheit bilanzsteuerrechtliche Fragen geklärt und damit handelsrechtliche GoB ausgelegt bzw. geschaffen.207 Die Auslegung des § 249 HGB hat für die handelsrechtliche Bilanzierung erhebliche Bedeutung erlangt. Bedenken gegen die Prädominanz der Judikative für die Auslegung geltenden Handelsrechts wurden in der Vergangenheit selten geäußert.208 Problematisch an den Entscheidungen des BFH hinsichtlich der zugrundeliegenden Thematik ist, dass die Urteile der Vergangenheit m. E. oftmals fiskalpolitisch motiviert waren und somit gegen die Intention des Handelsrechtes verstoßen. Es besteht keine von der Steuerrechtsprechung losgelöste autorisierte Instanz, die GoB aus der Teleologie und den Zielen und Zwecken des Handelsrechtes entwickelt und durchsetzt.209 Allein das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) nimmt diese Aufgabe für die Konzernrechnungslegung wahr, löst sich jedoch in jüngerer Zeit immer mehr von den bindenden Gesetzestexten.210 Die Stellungnahmen des Hauptfachausschusses (HFA) des Institutes der Wirtschaftsprüfer (IDW) besitzen nur Empfehlungscharakter, eine bindende Wirkung kommt ihnen lediglich für Abschlussprüfer zu. Fraglich erscheint, ob die Schaffung von GoB, die Gesetzesrang haben, durch die höchstrichterliche Rechtsprechung aufgrund der in Deutschland maßgeblichen Gewaltenteilung von Exekutive, Judikative und Legislative erlaubt ist oder ob auf diesem Wege die Gewaltenteilung unterlaufen wird.211 Es ist zu klären, ob der BFH de lege lata rechtlich für die Ausgestaltung geltenden Handelsrechts zuständig sein darf. Das dritte Buch des HGB wurde über die Vierte und Siebente EG-Richtlinie in nationales Recht transformiert, stellt allerdings Teil eines europäischen Bilanzrechts dar. Folglich müsste m. E. zumindest der BGH und im Zuge einer europaweit einheitlichen Auslegung sogar der EuGH zuständiges Organ für die Auslegung geltenden Handelsrechts sein. Den EuGH aber mit dieser Aufgabe zu betrauen, erscheint schwierig, da er kein nationales Recht sprechen darf. Daher sollte zumindest der BGH (in Kooperation mit dem EuGH) zu bilanzrechtlichen Fragen Stellung nehmen. Um im Hinblick auf die vorliegende Thematik zu handelsrechtlich sinnvollen Lösungen zu gelangen, ist m. E. ein neu zu schaffendes Gremium für alle Bilanzrechtsfragen unerlässlich,
207 208 209 210
Näher hierzu Kap. 4.1.3.2. Vgl. Kessler (1996), S. 1229; Daub (2000), S. 56f. Ähnlich auch Nieland (1994), S. 52. Näher zum DRSC siehe Baetge/Krumnow/Noelle (2001), S. 769ff.; Knorr (2001), S. 89f.; Niehus (2001a), S. 53ff. Zur Kritik am DRSC siehe Siegler (2002), S. 1517. 211 Zur Schaffung und Entwicklung von GoB durch den BFH siehe auch Moxter (2000), S. 159.
51
das unabhängig von der Staatsgewalt sein sollte (ähnlich eines Gremiums, eines Beirates oder einer Prüfstelle nach §§ 342ff. HGB). Denn wird der Umweltschutz und die mit ihm zusammenhängenden bilanziellen Vorsorgemaßnahmen fiskalpolitisch durch entsprechende Urteile des „Hüters des Bilanzrechts“212 diskriminiert, kann dies für Umwelt und Unternehmen existenzbedrohende Folgen haben.
3.2
Relevante Rechnungslegungsgrundlagen für die Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen nach IFRS
3.2.1
Entwicklung und Zielsetzung des Standardsetters IASB
Das International Accounting Standards Committee (IASC) wurde 1973 in London von mit der Rechnungslegung betrauten nationalen Berufsverbänden als privatrechtliche Organisation gegründet. Im Zuge der Internationalisierung der Wirtschaft und der Globalisierung der Kapitalmärkte erlangte die Organisation schnell wachsende Aufmerksamkeit. Mit dem Ziel, sich als globaler Standardsetter zu positionieren, wurde die Organisation im Jahre 2001 strategisch neu ausgerichtet.213 Dabei trägt nunmehr das IASB die Verantwortung für die fachlichen Aufgaben. Hierzu gehören die Vorbereitung und die Verabschiedung von IFRS sowie die endgültige Verabschiedung von Interpretationen des IFRIC.214 Das IFRIC wurde 1997 unter dem Namen Standards Interpretations Committee (SIC) eingeführt und 2001 im Rahmen der Umstrukturierung ebenfalls neu ausgerichtet. Es interpretiert die Anwendung der IFRS und leistet unter Berücksichtigung der Vorschriften des Rahmenkonzeptes Hilfestellung in Fragen der Rechnungslegung, die nicht explizit mit Hilfe bestehender IFRS beantwortet werden können. Die Zielsetzung des IASB ist im Vorwort (V.) des Normenwerkes dargestellt (V. 6). Danach hat sich die Organisation die Entwicklung, Formulierung und Veröffentlichung von hochwertigen, verständlichen und durchsetzbaren Standards, die bei der Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen anzuwenden sind, sowie die Förderung deren weltweiter Akzeptanz und Einhaltung zur Aufgabe gemacht. Daneben steht das Bemühen um die Verbesserung und Harmonisierung von Vorschriften, Rechnungslegungsstandards und Verfahren in Verbindung mit der Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen. Letztendliche Zielsetzung des IASB ist
212 213 214
Kessler (1996), S. 1229. Näher zur Restrukturierung siehe Baetge/Thiele/Plock (2000), S. 1033ff. Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 82; Preißler (2002), S. 2390.
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somit die weltweite Etablierung eines einheitlichen Normensystems zur Schaffung eines transparenten und funktionsfähigen Kapitalmarktes.215
3.2.2
Elemente des Jahresabschlusses
Berichterstattende Unternehmen haben mindestens einmal jährlich ihren Abschluss aufzustellen und zu publizieren (R. 6). Ein Abschluss ist gem. IAS 1.7 als eine strukturierte finanzielle Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage definiert. Er enthält Bilanz, Gewinnund Verlustrechnung, Eigenkapitalveränderungsrechnung, Kapitalflussrechnung, Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und erläuternde Anhangsangaben (R. 7; IAS 1.8).216 Die Rechnungslegungselemente stehen gleichbedeutend nebeneinander.217 Unternehmen mit börsennotierten Wertpapieren sowie Unternehmen im Zulassungsprozess haben den Anhang um eine Segmentberichterstattung (IAS 14.2) zu erweitern und das Ergebnis je Aktie (IAS 33.1) anzugeben. Der Anhang kann zudem ergänzende Übersichten und Informationen enthalten, die auf Darstellungen im Abschluss beruhen oder daraus abgeleitet werden und von denen man erwarten kann, dass sie in Verbindung mit diesen gelesen werden, wie z. B. Finanzinformationen zu Geschäftsfeldern und geographischen Segmenten (R. 7). Den Anhangsangaben (R. 21) kommen zwar ähnlich dem handelsrechtlichen Anhang Erläuterungs-, Ergänzungs- und Entlastungsfunktion gegenüber den anderen Bestandteilen des Abschlusses zu, fehlerhafte Darstellungen in einzelnen Elementen können sie allerdings im Gegensatz zum handelsrechtlichen Anhang gem. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB nicht kompensieren.218
3.2.3
Zielsetzung von nach IFRS aufgestellten Jahresabschlüssen
Die Zielsetzung von nach IFRS aufgestellten Abschlüssen ist vornehmlich im Rahmenkonzept und in IAS 1 verankert. Danach verfolgen Abschlüsse das Ziel, Abschlussadressaten mit qualitativ hochwertigen Informationen zu versorgen, die für ökonomische Entscheidungsprozesse nützlich sind (decision usefulness) (V. R.; IAS 1.7). Grundsätzlich sind Abschlüsse unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Abschlussadressaten aufzustellen, deren oftmals einzige Finanzinformationsquelle dieser Abschluss ist (R. 6). Da die Informationsfunktion der 215
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2000), S. 2; Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001c), S. 2ff. 216 Es wird im Folgenden weder auf die Entwicklung des Anlagevermögens (Anlagenspiegel) noch auf die Eigenkapitalveränderungsrechnung sowie die Kapitalflussrechnung eingegangen. 217 Vgl. Wollmert/Achleitner (1997a), S. 212. 218 Vgl. Wollmert/Achleitner (1997a), S. 212.
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einzige Zweck der IFRS-Rechnungslegung ist, kommt ihr ein außerordentlich hoher Stellenwert zu.219 Nützliche Informationen im Sinn dieser Rechnungslegung sind ausschließlich Finanzinformationen mit Entscheidungsrelevanz (R. 13). Auf unwesentliche Sachverhalte sind die IFRS daher nicht anzuwenden (R. 12). Informationen gelten als wesentlich und relevant, wenn sie Abschlussadressaten erlauben, Zukunftsprognosen auf Basis vergangener Daten aufzustellen oder aber Beurteilungen aus der Vergangenheit zu bestätigen bzw. zu korrigieren (R. 26). Unter im Normenwerk explizit genannten typisierten Entscheidungen der Abschlussadressaten fallen neben denen über Kauf respektive Verkauf von Unternehmensanteilen die Beurteilung der Managementleistung sowie der Fähigkeit des Unternehmens, dauerhaft Zahlungsmittel zu generieren und finanziellen Verpflichtungen nachzukommen (R. 14f.). Der Abschlussadressat soll eine Trennung in erfolgreiche und nicht erfolgreiche Unternehmen vornehmen können, wobei die Rechnungslegung dann sogar gesamtwirtschaftlich eine optimale Ressourcenallokation unterstützt.220 Zur Weiterentwicklung des decision-usefulnessGedankens soll der IFRS-Abschluss in Zukunft noch stärker den Informationserfordernissen der Abschlussadressaten gerecht werden, indem die neuen IFRS den Weg vom accounting zum reporting und somit zur stärkeren inhaltlichen Interpretation einschlagen. Die im Abschluss gewährten Informationen sind grundsätzlich an einen weiten Adressatenkreis gerichtet (R. 6; IAS 1.7). Zu diesem Kreis gehören aktuelle und potenzielle Investoren, Arbeitnehmer, Kreditgeber, Lieferanten und weitere Kreditoren, Kunden, Regierungen sowie deren Institutionen und die Öffentlichkeit (R. 9). Nicht nur jede einzelne Kategorie von Abschlussadressaten, sondern auch jedes Individuum hat allerdings verschiedene Informationsbedürfnisse, so dass de facto ein für alle Adressaten aufgestellter Abschluss nicht alle Forderungen berücksichtigen kann und somit nicht für alle Adressaten nützlich ist. Um nicht einer normativen Inkonsistenz zu unterliegen, schränkt das Normenwerk die Informationsanforderungen auf die gemeinsame Schnittmenge der Informationsbedürfnisse dieser Abschlussadressaten ein und typisiert den Investor als denjenigen Adressaten, dessen Informationsbedarf dem der meisten anderen Adressaten entsprechen wird.221 Damit reflektiert der Abschluss die Informationsbedürfnisse der Investoren. Aufgrund der Definition des Investors als typischem Abschlussadressaten wird die Rechnungslegung in der Literatur als investororientiert
219 220 221
Vgl. Breker/Naumann/Tielmann (1999), S. 144. Vgl. Kley (2001), S. 2258; Preißler (2002), S. 2391. Vgl. Demming (1997), S. 44; Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 101f.
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gekennzeichnet (Shareholder-Ansatz), obwohl sie grundsätzlich alle genannten Abschlussadressaten mit nützlichen Informationen unterstützen will.222 Zur zielgerechten Unterstützung des Investors mit wesentlichen Finanzinformationen haben Abschlüsse Informationen über die wirtschaftliche Lage (Vermögens- und Finanzlage) und Leistung (Ertragslage) sowie Aussagen über die Entwicklung des Unternehmens bereitzustellen, wobei die IFRS insbesondere die Darstellung der Leistungsfähigkeit betonen (R. 12; IAS 1.7; IAS 1.13). Der Investor ist vornehmlich an dieser wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit interessiert, die seine Dividendenansprüche begründet. Unter Ableitung des Verdienstzieles des Investors nimmt die Ertragslage somit eine Vorrangstellung innerhalb der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ein. Letztendliches Ergebnis eines nach IFRS aufgestellten Abschlusses ist die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes (true and fair view) (R. 46). Das Normenwerk setzt dabei die Prämisse, dass bei regelkonformer Anwendung aller qualitativen Anforderungen und der einschlägigen Rechnungslegungsnormen der Abschluss immer zu diesem Ergebnis führt (IAS 1.13). Die Anwendung der Regelungsnormen ist somit grundsätzlich fair presentation (IAS 1.13).223 Durch diese Prämissensetzung hat das Normenwerk kein overriding principle in dem Sinne, dass sich aus einer dominierenden Zielsetzung Vorschriften zur Rechnungslegung ableiten lassen.224 Es führt vielmehr umgekehrt ein allgemeines System von Rechnungslegungsgrundsätzen zu dem Ergebnis des true and fair view.225 Eine Begriffsdefinition des true and fair view existiert im Normenwerk nicht. Wird der Investor als typischer Abschlussadressat definiert, kann unter dem Begriff des true and fair view normativ nur ein „wahres“ Bild der wirtschaftlichen Lage und Leistung des Unternehmens verstanden werden, dass den Erfordernissen des Kapitalmarktes Rechnung trägt. Der Kapitalmarktorientierung wird über IAS 33 (Ergebnis pro Aktie) Rechnung getragen, indem das Periodenergebnis des Unternehmens, heruntergebrochen auf eine einzelne Aktie, standardisiert dargestellt wird. Wird auf den Kapitalmarkt fokussiert, so scheint der konsequente Ansatz von Marktwerten (fair values) der geeignetste Bewertungsmaßstab zu sein, da
222
Vgl. Achleitner/Behr (2003), S. 97. Im Folgenden wird der Investor als typisierter Abschlussadressat unterstellt. 223 Vgl. Achleitner/Behr (2003), S. 101; Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 108f. 224 Vgl. Achleitner/Behr (2003), S. 101; Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 99; Coenenberg (2003), S. 59. 225 Nach IAS 1.17 kann in äußerst seltenen Fällen das Erfordernis eines true and fair view gebieten, dass eine Anforderung eines Standards nicht erfüllt wird.
55
sie relevantere226 Informationen liefern als historische Werte.227 Der Marktpreis reflektiert den sich über Angebot und Nachfrage einstellenden objektivierten Wert, zu dem Vermögenswerte oder Schulden den Eigentümer wechseln.228 Existiert kein Marktpreis, müssten zumindest marktnahe Werte, wie der present value als abdiskontierter Wert aller mit dem Vermögenswert bzw. mit der Schuld verbundenen Zahlungsströme, herangezogen werden.229 Das Sollkonzept der Darstellung eines true and fair view unter Beachtung der angestrebten Kapitalmarktorientierung der Rechnungslegung müsste rein normativ demzufolge eine konsequente Anwendung der fair value-Bewertung zur Folge haben. Dies leisten die IFRS aber (noch) nicht.230 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird daher bei der Herleitung von ungeklärten Bilanzierungsproblemen nicht diese zweite rein normative Ebene zugrunde gelegt, sondern das bestehende Normenwerk als true and fair view definiert.
3.2.4
Aufbau des Normensystems
Das Normensystem der IFRS ist in einem mehrstufigen Regelwerk festgelegt, welches sich in Vorwort, Rahmenkonzept, IAS 1 und weitere IFRS gliedert.231 Daneben bestehen Interpretationen der IFRS, sog. IFRIC- bzw. SIC-Interpretations (im Folgenden kurz: IFRIC), die ebenfalls integraler Bestandteil des Rechnungslegungswerkes sind. Seine theoretische und methodische Fundierung erhält das Normenwerk durch Vorwort und Rahmenkonzept, in denen allgemeine Grundsätze der Rechnungslegung verankert sind. Die einzelnen IFRS dagegen enthalten konkrete spezifische Regelungen zu bestimmten Sachverhalten. IAS 1 steht als Bindeglied zwischen dem theoretischen und abstrakten Rahmenwerk und den eher kasuistischen und konkreter gehaltenen einzelnen IFRS. Die Stellung des Vorwortes im Normengerüst ist an keiner Stelle des Regelwerkes näher definiert. Im Wesentlichen beinhaltet das Vorwort die Zielsetzung des Normensystems, Aufgaben des Standardsetters sowie Funktionen der IFRS und deren Verhältnis zu nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen. Jeder einzelne Standard verweist in seinem Vorwort auf das Vorwort des Normenwerkes, welches mit ihm bei den anzuwendenden Vorschriften gemein226 227 228 229 230 231
Zum Grundsatz der Relevanz siehe Kap. 3.2.5.2. Vgl. Starbatty (2001), S. 543. Vgl. Starbatty (2001), S. 544; Kley (2001), S. 2257. Vgl. Barth/Porlein (2000), S. 17f.; Starbatty (2001), S. 544. Vgl. z. B. zur Aktivierung von Sachanlagevermögen zu historischen Werten Kap. 6.2.4. In der Literatur wird die Anzahl der Stufen unterschiedlich dargelegt. Eine zweistufige Differenzierung in Rahmenkonzept und IFRS nehmen Achleitner/Behr vor. Vgl. Achleitner/Behr (2003), S. 87. Selchert/Erhardt dagegen präferieren eine dreistufige Darstellung. Vgl. Selchert/Erhardt (1998), S. 35.
56
sam zu betrachten ist. Zudem gibt das Vorwort Erläuterungen zu grundsätzlichen Fragestellungen der IFRS-Rechnungslegung. Den einzelnen IFRS unmittelbar vorangestellt ist das Rahmenkonzept. In ihm manifestieren sich vornehmlich der theoretische Bezugsrahmen sowie die konzeptionellen Grundlagen des gesamten Regelwerkes.232 Das Rahmenkonzept fungiert als Unterstützung bei der Anwendung und Interpretation bestehender IFRS wie auch als Hilfestellung bei der Ausgestaltung ungeregelter Rechnungslegungsbereiche und der Entwicklung neuer Normen. Es ist aber zur Auslegung offener Fragestellungen nur dann heranzuziehen, wenn kein Standard oder keine Interpretation für den betrachteten Sachverhalt einschlägig ist. Im Konfliktfall gehen die IFRS und die IFRIC als spezielle Regelungen dem Rahmenkonzept vor (R. 3).233 Im Wesentlichen umfasst das Rahmenkonzept die Zielsetzung von nach IFRS aufgestellten Abschlüssen, den Adressatenkreis, Grundsätze zur Rechnungslegung, Ansatz- und Bewertungskriterien von Vermögenswerten, Schulden, Aufwendungen und Erträgen und Aussagen zu Kapital- und Kapitalerhaltungskonzepten (R. 5). Neben formalen Regelungen bezüglich der Darstellung von Abschlüssen befasst sich IAS 1 mit den Elementen des Abschlusses, der Informationsfunktion des Abschlusses sowie bestimmten Grundsätzen zur Rechnungslegung (IAS 1.7ff.). Die Prinzipien sind einerseits konkreter gehalten als die im Rahmenkonzept, andererseits abstrakter als jene der sich anschließenden IFRS. Der Dualismus zwischen allgemeinem Rahmenkonzept und konkreten Standards wird durch die Intermediärstellung dieses Standards IAS 1 zu entschärfen versucht. Jeder der folgenden IFRS, die gleichgestellt nebeneinander stehen, umfasst einen abgegrenzten Teilbereich der Rechnungslegung.234 Eine Systematik ist wegen der kasuistischen Regelungstechnik nicht zu erkennen, allerdings normieren die Standards grundsätzlich auf vier unterschiedlichen Sektionen. Sie regeln Ansatz, Bewertung und Ausweis eines einzelnen Bilanzpostens (z. B. IAS 2), eines Rechnungslegungsinstruments (z. B. IAS 7), eines Einzelproblems (z. B. IAS 10) oder einer Gruppe von Unternehmen bzw. einer Branche (z. B. IAS 30).235 Grundsätzlich gelten die IFRS größen-, rechtsform- und branchenunabhängig für alle Unternehmen (R. 8). Jeder einzelne Standard ist grundsätzlich identisch aufgebaut, indem 232
Vgl. Achleitner/Behr (2003), S. 95ff., Demming (1997), S. 43; Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 100ff.; Coenenberg (2003), S. 56. 233 Vgl. Schöllhorn/Müller (2004a), S. 1624. 234 Vgl. Achleitner/Behr (2003), S. 87. 235 Vgl. Achleitner/Behr (2003), S. 87. Ähnlich Wollmert/Achleitner, die die Aufgabenbereiche der Standards in Bilanzposten, Problembereiche, Gestaltung ganzer Rechnungslegungsinstrumente und Sonderprobleme bestimmter Branchen einteilen. Vgl. Wollmert/Achleitner (1997a), S. 210.
57
zunächst Zielsetzung, Anwendungsbereich und Definitionen geklärt werden, bevor individuelle Aussagen getroffen werden.236 Im Anschluss an einen IFRS wird eine sog. Basis for Conclusions gegeben, die kein integraler Bestandteil des Standards ist, ihn aber konkretisiert. Stehen einzelne IFRS im Widerspruch zueinander, hat grundsätzlich der jeweils später erlassene bzw. speziellere Standard Vorrang.237 IFRS-konforme Abschlüsse haben neben den Normen des Regelwerkes ebenfalls die IFRIC zu beachten (IAS 1.11). Die IFRIC dienen der Interpretation von Auslegungs- und Anwendungsfragen bestehender IFRS.238 Zielsetzung dieser Interpretationen ist die Klärung potenziell strittiger Rechnungslegungsfragen. Die IFRIC verweisen jeweils auf den maßgeblichen Standard oder das Rahmenkonzept. Somit klären sie bestehende Problemfelder, schränken Ermessensspielräume ein und dienen letztlich der Konkretisierung der Normen.
3.2.5
Ausgewählte Bilanzierungsgrundsätze
Die IFRS unterstellen, dass ein true and fair view gegeben ist, wenn die zugrundeliegenden Grundsätze, die vornehmlich im Rahmenkonzept geregelt sind, zur Anwendung kommen.239 Im Rahmen dieses Prinzipiengerüstes unterscheiden die IFRS zum Zwecke der decision usefulness Basisannahmen, qualitative Anforderungen an den Abschluss und Nebenbedingungen (R. 22ff.; IAS 1.13ff.). Eine Zusammenfassung der nach IFRS geltenden Grundprinzipien gibt die folgende Abbildung240 wieder:
236 237 238 239 240
Vgl. Achleitner/Behr (2003), S. 89. Vgl. Achleitner/Behr (2003), S. 90. Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 83. Vgl. Selchert/Erhardt (1998), S. 29. In Anlehnung an Hayn (1994), S. 720.
58
Ziel:
Nützliche Informationsvermittlung für wirtschaftliche Entscheidungen (Decision Usefulness)
inhaltliche Ausgestaltung:
Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie deren Veränderung (Information about the Financial Position, Performance and Changes in Financial Position)
Basisannahmen:
Periodenabgrenzung/Unternehmensfortführung (Accrual Basis/Going Concern)
qualitative Anforderungen:
Verständlichkeit (Understandability)
Relevanz (Relevance)
Verlässlichkeit (Reliability)
Wesentlichkeit (Materiality)
Glaubwürdige Darstellung (Faithful Representation)
Vergleichbarkeit (Comparability)
Wirtschaftliche Betrachtungsweise (Substance over Form) Neutralität (Neutrality) Vorsicht (Prudence) Vollständigkeit (Completeness) Nebenbedingungen:
Zeitnähe (Timeliness) Abwägung von Kosten und Nutzen (Balance between Benefit and Cost) Abwägung der qualitativen Anforderungen an den Abschluss (Balance between Qualitative Characteristics)
Ergebnis:
Abbildung 1:
Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes (True and Fair View/Fair Presentation)
IFRS-Rechnungslegungsgrundsätze
Eine Erläuterung wird im Folgenden für die Prämissen vorgenommen, die für die zugrundeliegende Thematik relevant sind.
3.2.5.1
Basisannahmen
Zu den zugrundeliegenden Annahmen von IFRS-Abschlüssen zählen der Grundsatz der Periodenabgrenzung (R. 22; IAS 1.25f.) sowie der Grundsatz der Unternehmensfortführung (R. 23; IAS 1.23f.), wobei im Folgenden die Unternehmensfortführung unterstellt wird. Nach dem für die vorliegende Thematik relevanten Grundsatz der Periodenabgrenzung werden die Auswirkungen von Geschäftsvorfällen unabhängig von Zahlungsströmen in der Periode ausgewiesen, der sie wirtschaftlich aufgrund des Verursachungsprinzips zuzurechnen sind (R. 22; IAS 1.26). Der Grundsatz der Periodenabgrenzung, gleichermaßen gültig für Aufwendungen und Erträge, ist als allgemeines Abgrenzungskonzept zu verstehen, unter das alle
59
Rechnungslegungsprinzipien mit abgrenzender Wirkung zu subsumieren sind.241 Unterprinzipien dieses Grundsatzes sind das Realisationsprinzip, der Grundsatz der sachlichen Abgrenzung (matching principle) und der Grundsatz der zeitlichen Abgrenzung.242 Nach dem Realisationsprinzip gelten Erträge dann als entstanden, wenn ihre Realisierbarkeit bzw. eine hinreichend sichere Vermutung über ihre Realisierbarkeit gegeben ist.243 Aufwendungen, die in direktem Zusammenhang mit Erträgen stehen, sind nach dem matching principle in der Periode erfolgswirksam zu berücksichtigen, in der die Erträge erfasst werden (R. 95; IAS 1.26). Diese periodengerechte Gewinnermittlung steht nach IFRS (immer noch) im Vordergrund.244 Konkret regelt das matching principle insbesondere die Bildung von Rückstellungen.245 Nach dem Grundsatz der zeitlichen Abgrenzung werden Erträgen indirekt zurechenbare Aufwendungen, wie Abschreibungen, periodisch auf der Basis eines systematischen und vernünftigen Verteilungsverfahrens zugeordnet (R. 96).
3.2.5.2
Qualitative Anforderungen
Das Rahmenkonzept beinhaltet neben den Basisannahmen qualitative Anforderungen, die ein nach IFRS aufgestellter Abschluss erfüllen muss, damit dieser seiner Zielsetzung der Informationsvermittlung gerecht wird.246 Konkret handelt es sich um die Anforderungen der Verständlichkeit, Relevanz, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit. Der Grundsatz der Verständlichkeit fordert, dass ein sachkundiger Jahresabschlussadressat bei der Durchsicht des Abschlusses eine angemessene Kenntnis über die geschäftliche Tätigkeit des Unternehmens und über die Rechnungslegung erlangt. Komplexe Sachverhalte, die schwer verständlich sind, dürfen allerdings nicht allein aus diesem Grunde bei der Abschlusserstellung außer Acht gelassen werden (R. 25). Der Grundsatz der Relevanz verlangt, dass nur Informationen mit Entscheidungsrelevanz im Abschluss ausgewiesen werden, da Investoren nur Interesse an ebendiesen Informationen haben. Prämisse für die Entscheidungsrelevanz ist die Wesentlichkeit der Informationen, die 241 242 243 244
Vgl. Wollmert/Achleitner (1997b), S. 245. Vgl. Coenenberg (2003), S. 58; Wollmert/Achleitner (1997b), S. 245f. Vgl. Demming (1997), S. 50. Vgl. Happe (2002a), S. 366. Das IASB betont in der jüngsten Vergangenheit, dass die IFRS auf dem asset approach aufbauen. Dementsprechend verliert das matching principle an Bedeutung; so drängt das Projekt revenue recognition (IAS 18) das matching principle in den Hintergrund. Da der asset approach aber noch keine explizite Verankerung im Rahmenkonzept gefunden hat, wird er nicht näher untersucht. 245 Vgl. Wollmert/Achleitner (1997b), S. 246. 246 Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 104.
60
sich wiederum im Normenwerk durch die mögliche Beeinflussung des Jahresabschlussadressaten manifestiert (R. 26). Somit ist das Charakteristikum der Wesentlichkeit eine Art cut-off point (R. 30), der sachverhaltsabhängig auszulegen ist. Nach dem Grundsatz der Verlässlichkeit müssen Informationen frei von wesentlichen Fehlern und verzerrenden Einflüssen sein (R. 31), da sonst der Abschluss als Grundlage der ökonomischen Entscheidungsfindung unbrauchbar wäre.247 Der Grundsatz determiniert sich hauptsächlich durch die Charakteristika der glaubwürdigen Darstellung, nach der Bilanzposten ihre Ansatzkriterien zu erfüllen haben, sowie der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (substance over form), nach der Geschäftsvorfälle und sonstige Ereignisse enstprechend ihrem wirtschaftlichen Gehalt und nicht nach ihrer rechtlichen bzw. formellen Gestaltung zu behandeln sind. Als weiteres Charakteristikum des Grundsatzes besagt die Neutralität bzw. Objektivität, dass Informationen frei von jedweder Willkür zu sein haben. Ferner gelten die Charakteristika der Vorsicht sowie der Vollständigkeit von Informationen im Rahmen von Relevanz und Wesentlichkeit (R. 33ff.). Als überaus wichtiges Kriterium wird in der Literatur das der wirtschaftlichen Betrachtungsweise angesehen.248 Geschäftsvorfälle sind daher im Abschluss einerseits unabhängig von ihrer rechtlichen Sachverhaltsgestaltung zu behandeln. Vielmehr sind ihr wirtschaftlicher Gehalt und ökonomische Gegebenheiten abzubilden (R. 35). Der Grundsatz ist in praxi vornehmlich bei der Zuordnung von wirtschaftlichem Eigentum und Schulden anzuwenden.249 Andererseits bezieht sich der Grundsatz auf die formale Darstellung des Abschlusses. Maßgeblich ist hier nicht seine formale Ausgestaltung, sondern die Informationsgewährung ist entscheidendes Kriterium für die Erstellung.250 Der Vorsichtsgrundsatz nach IFRS ist keine Grundannahme der Rechnungslegung mit übergeordnetem Stellenwert, sondern ausschließlich Grundsatz der Bewertung.251 Er stellt eine Art Bewertungsregel für ungewisse Erwartungen dar (R. 37).252 Nach dem Grundsatz ist bei unsicheren Erwartungen „die Einbeziehung eines gewissen Grades der Umsicht geboten“253. Das Prinzip gestattet allerdings nicht, bewusst stille Reserven zu legen und z. B. Rückstellun-
247 248 249 250 251 252 253
Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 105. Vgl. Achleitner/Behr (2003), S. 100. Vgl. Achleitner/Behr (2003), S. 100. Vgl. Wollmert/Achleitner (1997a), S. 214. Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 106. Vgl. Wollmert/Achleitner (1997b), S. 248; Schmidt (1998), S. 809. Achleitner/Behr (2003), S. 100.
61
gen zu hoch zu bewerten (R. 37); lediglich sollen über den Grundsatz willkürliche Über- oder Unterbewertungen vermieden werden. Der Grundsatz der Vergleichbarkeit soll den Abschlussadressaten Zeit- wie auch Unternehmensvergleiche ermöglichen. Folge dieses Grundsatzes ist das Prinzip der stetigen Darstellung von Informationen (R. 39f.). Allerdings ist bei unzweckmäßiger Darstellung eines Geschäftsvorfalls ein Wechsel vorzunehmen, wenn dadurch eine größere Übereinstimmung mit den Grundsätzen der IFRS-Rechnungslegung erreicht werden kann (R. 39).
3.2.5.3
Nebenbedingungen
Bei der Aufstellung von IFRS-Abschlüssen unterliegen die qualitativen Anforderungen gewissen Nebenbedingungen oder Restriktionen, die den Zweck der Rechnungslegung weiter unterstützen. Zum einen ist eine gewisse Zeitnähe zwischen Abschlussstichtag und Berichterstattung zwingend, um die geforderte Relevanz der Informationen nicht zu verlieren (R. 43). Zeitnahe Berichterstattung und der damit verbundene Grundsatz der Relevanz von Informationen sowie der Grundsatz der Verlässlichkeit sind i. d. R. konkurrierende Zielsetzungen, da Unsicherheiten erst im Zeitablauf abgebaut werden können. Es soll eine im Hinblick auf die Bedürfnisse des Investors hinreichende Ausgewogenheit zu erreichen versucht werden. Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit haben Abschlüsse ein ausgewogenes Maß von Informationsnutzen und -kosten zu beachten, wobei eine Abschätzung von Nutzen und Kosten eine Ermessensfrage bleibt (R. 44). Zur Zielerreichung von Abschlüssen wird ferner die Nebenbedingung eines ausgewogenen Maßes zwischen allen qualitativen Anforderungen gesetzt. Die relative Bedeutung der Anforderung ist regelmäßig eine Frage fachkundiger Beurteilung (R. 45).
3.2.6
Der Aktivierungs- und Passivierungsgrundsatz
3.2.6.1
Aktivierungsgrundsatz
Um der Aktivierungsfähigkeit und somit -pflicht in der Rechnungslegung nach IFRS zu genügen, muss ein Vermögenswert – wie er aus Umweltmaßnahmen resultieren kann – eine Ressource darstellen, über die ein Unternehmen aufgrund von vergangenen Ereignissen verfügt und von der ein zukünftiger Zufluss wirtschaftlichen Nutzens in Form von CashflowBeiträgen erwartet wird (R. 49a; R. 53ff.). Der Cashflow muss dabei nicht in Bargeld oder
62
ähnlichen liquiditätswirksamen Beiträgen bestehen, sondern kann auch in Form einer Reduzierung der cash outflows generiert werden.254 Zudem muss der Nutzen wahrscheinlich und es müssen die dem Vermögenswert zuzurechnenden Kosten zuverlässig ermittelbar sein (R. 89). Die Definition des Begriffes Vermögenswert folgt im IFRS Normenwerk einer dynamischen, zukunftsbezogenen Konzeption, da für den Ansatz die zukünftigen wirtschaftlichen Vorteile und nicht wie im HGB die aktuellen Eigenschaften, insbesondere das Schuldendeckungspotenzial, entscheidend sind.255
3.2.6.2
Passivierungsgrundsatz
Der Begriff der Schuld wird vornehmlich im Rahmenkonzept definiert. Danach ist eine Schuld eine gegenwärtige Verpflichtung (z. B. Umweltschutzverpflichtung) des Unternehmens, der ein vergangenes Ereignis zugrunde liegt und deren Erfüllung wahrscheinlich zum Abfluss von Ressourcen führt, die einen wirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen verkörpern (R. 49b; R. 62). Es muss sich folglich um eine Vermögensbelastung handeln.256 Der Abfluss von Ressourcen muss nicht nur wahrscheinlich sein, sondern auch zuverlässig bewertet werden können (R. 50; R. 83). Die Schuldendefinition nach IFRS umfasst dabei auch hinsichtlich des Bestehens und/oder hinsichtlich der Höhe nach ungewisse Verpflichtungen.257 Für die Qualifikation eines Sachverhaltes als Schuld ist es unbeachtlich, ob die Verpflichtung vollkommen sicher ist.258 Daher werden auch Rückstellungen in der IFRSRechnungslegung unter die Schulden subsumiert (IAS 37.10).
3.3
Bilanzrechtliche Unterschiede als Ursachen einer möglichen Divergenz in der Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen
Bezüglich ihrer Ziel- und Zwecksetzung einerseits und der damit eng verbundenen inhaltlichen Ausgestaltung der einzelnen Rechnungslegungsgrundsätze unterscheiden sich die Normenwerke HGB und IFRS deutlich. Zwar haben Abschlüsse in beiden Rechnungslegungssystemen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (true and fair view) zu vermitteln. Während die IFRS versuchen, das Ziel der Informationsvermittlung konsequent zu verfolgen, schränkt das HGB diese Generalnorm
254 255 256 257 258
Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 993. Vgl. Schöllhorn/Müller (2004b), S. 1666. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 41f. Vgl. Daub (2000), S. 299. Vgl. Achleitner/Behr (2003) S. 101.
63
allerdings deutlich ein, indem die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu beachten sind.259 Da dem deutschen Handelsrecht neben dem Informationsziel auch noch die Ziele der Ausschüttungsbemessung bzw. Kapitalerhaltung und der Bereitstellung einer Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung zukommen, weichen die aus diesen Zielen resultierenden Normen von denen der IFRS-Rechnungslegung deutlich ab. Insbesondere kommt dem Vorsichtsprinzip als Folge des Gläubigerschutzgedankens in der IFRS-Rechnungslegung eine sehr viel geringere Bedeutung zu. Dieser Unterschied wird – wie im folgenden Verlauf der Arbeit zu zeigen sein wird – sowohl eine unterschiedliche Einschätzung bei Ansatzfragen als auch bei Fragen der Bewertung im Hinblick auf die Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen (insbesondere von Rückstellungen für Umweltschutzverpflichtungen) zur Folge haben.260
259 260
Ähnlich Selchert/Erhardt (1998), S. 39. So auch Breker/Naumann/Tielmann (1999), S. 144.
64
4
Grundsätzliche Möglichkeiten der Einbeziehung von Umweltschutzverpflichtungen in den handelsrechtlichen Jahresabschluss und Lagebericht
Der Gesetzgeber hat die bilanzielle Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen nicht explizit gesetzlich geregelt. Daher rücken aufgrund des Verpflichtungstatbestandes Instrumente zur bilanziellen Risikovorsorge in den Mittelpunkt. Bilanzielle Risikovorsorge erfolgt grundsätzlich durch die Bildung von Rückstellungen. Sie dienen dazu, bilanzielle Reserven zu bilden, um bei Konkretisierung der zugrundeliegenden Risiken über das zur Begleichung erforderliche Vermögen zu verfügen. Umweltschäden können aber nicht nur eine Verpflichtung hervorrufen, sondern auch bestehende Vermögensgegenstände im Wert mindern oder gänzlich wertlos machen (z. B. kontaminierte Grundstücke261). In diesem Fall kommt die Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung in Betracht. Zusätzlich können Umweltschäden die Anschaffung neuer Vermögensgegenstände (Betonwannen, Drainagen etc.) oder Erhaltungsmaßnahmen (Reparaturen) zur Folge haben. Im Folgenden wird daher auch die Aktivierbarkeit von Ausgaben aufgrund von Umweltschäden untersucht, wobei unterstellt wird, dass eine mögliche Aktivierung zu Vermögensgegenständen im Anlagevermögen führt. Weiterhin wird auf die Erfassung von Umweltschäden in Anhang und Lagebericht eingegangen.
4.1
Die Rückstellung als Instrument zur Berücksichtigung von Umweltschutzverpflichtungen
4.1.1
Rückstellungen nach statischer und dynamischer Bilanztheorie
Ziel- und Zwecksetzung eines Rechnungslegungswerkes sowie der daraus resultierende Ansatz von Rückstellungen sind abhängig von der einer Bilanz zugrundeliegenden Bilanztheorie. Im Wesentlichen lassen sich die statische und die dynamische Bilanztheorie unterscheiden.262 Zielsetzung der statischen Bilanztheorie ist eine korrekte Ableitung und Darstellung des Reinvermögens und somit der Haftungsmasse, die den Gläubigern zur Begleichung ihrer Forderungen als Sicherheit zur Verfügung steht.263 Hauptvertreter der statischen Bilanztheorie ist Simon, der bei seinen Überlegungen von der Annahme der Fortführung der Unternehmens261
Unter dem Begriff Grundstück soll in dieser Arbeit ausschließlich Grund und Boden ohne eventuell aufstehende Gebäude verstanden werden. Im weiteren Verlauf werden mit Ausnahme von Kap. 5.2.3.6.3.7 Grundstücke untersucht, die im Anlagevermögen bilanziert werden und nicht zum Verkauf bestimmt sind. 262 Auf weitere Bilanztheorien wird nicht eingegangen. Näher hierzu siehe Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 12ff. 263 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 12ff.
65
tätigkeit ausgeht (Fortführungsstatik).264 Nach der statischen Bilanzauffassung sind neben der Abbildung des Eigenkapitals passivisch nur Schulden abzubilden, die Rechtsverbindlichkeiten gegenüber Dritten begründen (Außenverpflichtungen) und dadurch das Haftungsvermögen schmälern. Rückstellungen dienen dazu, die unsicheren Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber Dritten aufzunehmen, um den geforderten korrekten Ausweis des Reinvermögens zu gewährleisten.265 Die Entwicklung der dynamischen Bilanztheorie geht auf Schmalenbach zurück.266 Der Bilanzzweck ist im Wesentlichen in einer periodengerechten Ermittlung des betriebswirtschaftlichen Erfolges zu sehen.267 Rückstellungen stellen nach dieser Theorie Abgrenzungsposten dar. Diese Abgrenzungsposten haben den Zweck, diejenigen Aufwendungen, die in einer auf den Bilanzstichtag folgenden Periode zu einer Vermögensminderung führen und hinsichtlich ihrer Höhe bzw. ihrer Fälligkeit derzeit noch unbestimmt sind, der Periode ihrer wirtschaftlichen Verursachung zuzurechnen.268 Der Aufwandsbegriff steht hier im Vordergrund.269 Neben Außenverpflichtungen sind auch Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber sich selbst (Innenverpflichtungen) abzubilden.270 Die Vorschriften des HGB können keiner Bilanztheorie ausschließlich zugeordnet werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber sowohl Vorstellungen der statischen als auch der dynamischen Bilanzauffassung umgesetzt. Demzufolge umfasst die Ansatzgrundlage des § 249 HGB für Rückstellungen Elemente der statischen (Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten) sowie der dynamischen (Aufwandsrückstellungen) Bilanztheorie.271 Die Zielsetzung von Rückstellungen besteht neben der Ermittlung des Reinvermögens in der Antizipation zukünftiger Ausgaben zur Ermittlung eines dem Handelsrecht unterliegenden ausschüttungsfähigen, verlustantizipierenden Gewinnes.272 Die Pflicht zur Rückstellungsbildung beruht im deut-
264 265 266 267 268 269 270 271 272
Vgl. Simon (1910), S. 1ff. Vgl. Coenenberg (2003), S. 348ff.; Herzig/Köster (1999), Rn. 23f.; Klein (1998), S. 57. Vgl. Schmalenbach (1962), S. 1ff. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 17; Coenenberg (2003), S. 348; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 249 HGB Rz. 22. Vgl. Coenenberg (2003), S. 348; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 249 HGB Rz. 22. Vgl. Köster (1994), S. 33. Vgl. Baetge/Roß (1991), S. 475. Vgl. Köster (1994), S. 33; Herzig/Köster (1999), Rn. 25. Vgl. Naumann (1993), S. 62; Weber-Grellet (1999), S. 2660.
66
schen Handelsrecht auf dem Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach273 und ist Ergebnis des Kapitalerhaltungsgrundsatzes, konkretisiert im Vorsichtsprinzip.
4.1.2
Einordnung von Umweltschutzrückstellungen in das handelsrechtliche System der Rückstellungen
Mittelgroße und große Kapitalgesellschaften haben gem. § 266 Abs. 3 HGB Rückstellungen in Abgrenzung zu anderen Positionen gesondert auszuweisen und dabei Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen, Steuerrückstellungen und sonstige Rückstellungen separat darzustellen. Die für die vorliegende Arbeit relevanten Rückstellungen für den Umweltschutz sind sämtlich unter der Position sonstige Rückstellungen zu erfassen.274
4.1.3
Die gesetzliche Grundlage des § 249 HGB
Die Vorschrift des § 249 HGB stellt die gesetzliche Ansatzgrundlage für Rückstellungen dar: „(1) Rückstellungen sind für ungewisse Verbindlichkeiten [...] zu bilden. Ferner sind Rückstellungen zu bilden für 1. im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten, oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden, 2. Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden. Rückstellungen dürfen für unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung auch gebildet werden, wenn die Instandhaltung nach Ablauf der Frist nach Satz 2 Nr. 1 innerhalb des Geschäftsjahrs nachgeholt wird. (2) Rückstellungen dürfen außerdem für ihrer Eigenart nach genau umschriebene, dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnende Aufwendungen gebildet werden, die am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbestimmt sind. [...]“
273 274
Vgl. Baetge/Roß (1991), S. 474. Für kleine Kapitalgesellschaften besteht die Ausnahmeregelung, alle Rückstellungsarten in einer Summe angeben zu können (§ 266 Abs. 1 Satz 3 HGB).
67
Demgemäß werden Rückstellungen nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sowie § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HGB als Verbindlichkeitsrückstellungen bezeichnet. Die übrigen Rückstellungen, die in § 249 HGB normiert werden, sind Aufwandsrückstellungen. Verbindlichkeitsrückstellungen sind für alle Kaufleute verpflichtend zu bilden. Dagegen besteht für die Bildung von Aufwandsrückstellungen gem. § 249 Abs. 1 Satz 3 sowie Abs. 2 HGB ein Ansatzwahlrecht.275 Für andere als die in § 249 Abs. 1 und Abs. 2 HGB bezeichneten Zwecke dürfen Rückstellungen gem. § 249 Abs. 3 HGB nicht gebildet werden. Die Aufzählung der Rückstellungen in § 249 HGB ist somit abschließend.276 Schon die Einordnung einer Rückstellung als Verbindlichkeits- oder Aufwandsrückstellung hat für Unternehmen erhebliche Bedeutung, da sie bei Aufwandsrückstellungen je nach Ertragssituation und gegebener Bilanzrelation das Ansatzwahlrecht ausüben können. Tendenziell werden ertragsschwächere Unternehmen keine Rückstellung ansetzen, wohingegen ertragsstarke Unternehmen an der Bildung von Aufwandsrückstellungen interessiert sind, um ihre Innenfinanzierung durch aufgeschobene Ausschüttungen zu fördern. Zudem hat die Einordnung einer Rückstellung als Verbindlichkeits- oder Aufwandsrückstellung steuerbilanzielle Konsequenzen, da Aufwandsrückstellungen jeglicher Art wegen ihres handelsbilanziellen Ansatzwahlrechtes steuerlich nicht anerkannt werden.277 Ertragsstarke Unternehmen mit hoher Steuerlast werden also tendenziell eher an einer Einordnung als Verbindlichkeits- als an einer Aufwandsrückstellung interessiert sein. Aus der steuerstundenden Wirkung einer Verbindlichkeitsrückstellung folgt handelsbilanziell eine für das Geschäftsjahr geringere Steuerbelastung zum Bilanzstichtag, die wiederum einen geringeren Liquiditätsabfluss im Geschäfts- bzw. Folgejahr zur Konsequenz hat. Im Folgenden wird lediglich die bilanzielle Berücksichtigung der Rückstellung genauer untersucht, wohingegen die erfolgswirksame Gegenbuchung in der GuV nicht näher betrachtet wird. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei Bildung von Rückstellungen das ordentliche Ergebnis zu belasten ist und somit die Position sonstige betriebliche Aufwendungen
275
Eine Passivierungspflicht für Aufwandsrückstellungen existiert gem. § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB. Rückstellungen für unterlassene Instandhaltung, sofern diese innerhalb von drei Monaten nachgeholt wird, und Rückstellungen für unterlassene Abraumbeseitigung, sofern diese innerhalb eines Jahres nachgeholt wird, sind zwingend anzusetzen. 276 Da mit den Rückstellungen für unterlassene Instandhaltung, die in § 249 HGB kodifiziert sind, keine besonderen Probleme hinsichtlich Umweltschutzverpflichtungen verbunden sind, wird auf sie nicht näher eingegangen. Ebensowenig wird auf Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB näher eingegangen. 277 Vgl. BFH-Urteil vom 19. November 1990 – IV R 131/89, S. 715.
68
angesprochen wird, da Umweltschutzverpflichtungen innerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit regelmäßig vorkommen. Fällt eine Rückstellung für eine Umweltschutzverpflichtung dagegen äußerst unregelmäßig außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit an und hat sie demzufolge außerordentlichen Charakter, ist das außerordentliche Ergebnis (Position außerordentliche Aufwendungen) zu belasten. In diesem Fall ist eine Erläuterung für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften gem. § 277 Abs. 4 HGB im Anhang erforderlich. Ebenso wird die Auflösung von Rückstellungen nicht näher untersucht. Grundsätzlich dürfen nach § 249 Abs. 3 HGB Rückstellungen nur aufgelöst werden, soweit der Grund für deren Bildung und Ansatz entfallen ist. In diesem Kapitel wird dargelegt, welche Kriterien an Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und Aufwandsrückstellungen aus Umweltschutzverpflichtungen gestellt werden. Im folgenden Kapitel wird gezeigt, wie diese Kriterien konkret bei Anpassungs-, Altlastensanierungs- und Rekultivierungsverpflichtungen auszulegen und anzuwenden sind.
4.1.3.1
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 HGB
4.1.3.1.1 Allgemeine Passivierungskriterien Rückstellungen für Umweltschutzverpflichtungen sind grundsätzlich – wie alle Rückstellungen – nach den Grundsätzen eines ordentlichen und ehrenwerten Kaufmannes zu bilden. Wegen dieser Unbestimmtheit erfordert der Ansatz von Rückstellungen zur Verhinderung des Missbrauchs bestimmte konkretisierende Kriterien. Die Kriterien beziehen sich in erster Linie darauf, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt ein Unternehmen rechtlich oder faktisch verpflichtet ist, z. B. •
durch Bodenkontaminationen bedingte Umweltschäden mit Hilfe von Sanierungsmaßnahmen zu vermindern oder zu beseitigen,
•
durch Flächenabbau verursachte Umweltschäden mit Hilfe von Rekultivierungsmaßnahmen zu beseitigen oder
•
durch eine striktere Umweltgesetzgebung ausgelöste potenzielle Umweltschäden mit Hilfe von Anpassungsmaßnahmen zu verhindern.
Daneben kann ein Unternehmen solche Maßnahmen aus unternehmensinternen Gründen freiwillig ergreifen. Aus dem Handelsgesetzbuch im Allgemeinen und aus § 249 Abs. 1 HGB im Besonderen ergeben sich keine Kriterien, die einer Rückstellungsbildung für ungewisse Verbindlichkeiten
69
zugrunde zu legen sind. Zur inhaltlichen Ausgestaltung dieser Gesetzeslücke hat der BFH in diversen Urteilen278 Handelsrecht ausgelegt und definiert als zwingende Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten aus privatrechtlichen und faktischen Verpflichtungen folgende drei Kriterien, denen sich die Literaturmeinung größtenteils anschließt:279 •
Bestehen oder künftiges Entstehen einer Verbindlichkeit,
•
Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme und
•
Wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit.
Herzig strukturiert die Anforderungen durch den BFH in zwei Grundgedanken, den der Periodisierung und den der Objektivierung, wobei der Periodisierungsgedanke der wirtschaftlichen Verursachung an ein Objektivierungserfordernis gebunden wird, konkret an das Bestehen oder künftige Entstehen einer Verbindlichkeit, aus der der Verpflichtete wahrscheinlich in Anspruch genommen wird.280 Zudem dürfen Aufwendungen für Umweltschutzmaßnahmen, die als Anschaffungs- oder Herstellungskosten qualifiziert werden, nicht über eine Rückstellung antizipiert werden, da ansonsten keine wirtschaftliche Belastung vorliegt.281
4.1.3.1.2 Bestehen oder künftiges Entstehen einer Verbindlichkeit Erstes Erfordernis für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach § 249 Abs. 1 HGB das Bestehen oder künftige Entstehen einer solchen Verbindlichkeit. Das Bestehen (bzw. künftige Entstehen) muss einerseits nicht vollkommen sicher sein. Andererseits reichen bloße Behauptungen für ein Bestehen einer Verbindlichkeit nicht aus.282
278
279 280 281 282
Vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 – VIII R 34/99, S. 542; BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 – VIII R 14/92, S. 892; BFH-Urteil vom 03. Dezember 1991 – VIII R 88/87, S. 89; BFH-Urteil vom 12. Dezember 1990 – I R 153/86, S. 479; BFH-Urteil vom 22. November 1988 – VIII R 62/85, S. 359; BFH-Urteil vom 05. Februar 1987 – IV R 81/84, S. 845; BFH-Urteil vom 01. August 1984 – I R 88/80, S. 44. Vgl. Herzig (1990), S. 1344ff.; Bäcker (1990), S. 2226; ähnlich Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 249 HGB Rz. 30. Vgl. Herzig (1990), S. 1344; Köster (1994), S. 52. Näher zum Begriff der wirtschaftlichen Belastung siehe Kap. 3.1.5.2. So auch Köster (1994), S. 61.
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Voraussetzung für das Bestehen respektive künftige Entstehen einer Verbindlichkeit ist, dass ein Dritter einen Anspruch gegen das Unternehmen geltend gemacht hat oder geltend machen kann,283 um ein aktuelles oder potenzielles Schuldverhältnis zu begründen. Als Dritte gelten alle natürlichen oder juristischen Personen, die gegenüber dem Unternehmen Ansprüche geltend machen können.284 Dritter ist demzufolge auch ein hoheitlicher Träger öffentlicher Gewalt, wie eine öffentlich-rechtliche Körperschaft sowie eine Behörde und andere Exekutivorgane des Staates,285 wobei der Dritte dem Unternehmen nicht unbedingt bekannt sein muss.286 Ein Anspruch wird gem. § 194 Abs. 1 BGB definiert, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Auf die tatsächliche Geltendmachung des Anspruches durch den Anspruchsberechtigten kommt es nicht an.287 Der Anspruch kann sowohl rechtlich begründet als auch rein faktischer Natur sein.288 Er gilt als entstanden, wenn alle ihn begründenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sind,289 und konkretisiert sich darin, dass das Unternehmen sich dem Leistungszwang, dem es unterliegt, aus rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen oder sittlichen Gründen nicht mehr entziehen kann.290 Die Fälligkeit der Schuld ist für die Entstehung eines Schuldverhältnisses irrelevant.
4.1.3.1.3 Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme Rückstellungen werden gebildet für dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten. Bei dem Grunde nach gewissen und nur der Höhe nach ungewissen Verpflichtungen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Inanspruchnahme tatsächlich erfolgen wird, es sei denn, bestimmte konkrete Anhaltspunkte stehen der Inanspruchnahme entgegen.291
283 284 285 286 287 288 289 290 291
Vgl. Bartels (1992a), S. 121; Ballwieser (1989), S. 957; Bäcker (1990), S. 2226; Naumann (1993), S. 90. Vgl. Bartels (1992a), S. 121. Vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1980 – VI R 89/79, S. 297; BFH-Urteil vom 19. Mai 1983 – IV R 205/79, S. 670; Bartels (1992a), S. 121; Köster (1994), S. 72; Crezelius (1992), S. 1354. Vgl. Berger/Ring (2003a), § 249 HGB Rz. 30; anders BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 – VIII R 34/99, S. 541f. Vgl. Philipps (1996), S. 792; Klein (1998), S. 76 und S. 97; Köster (1994), S. 62. Vgl. Bartels (1992a), S. 122. Vgl. Naumann (1991), S. 529; Köster (1994), S. 62; Philipps (1995), S 46. Ähnlich Moxter (1999b), S. 82f. Vgl. BFH-Urteil vom 11. November 1981 – I R 157/79, S. 748; BFH-Urteil vom 22. November 1988 – VIII R 62/85, S. 359.
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Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme erlangt insbesondere für den Fall der dem Grunde nach ungewissen Verbindlichkeit Bedeutung. Es stellt sich konkret die Frage, ab welchem Wahrscheinlichkeitsgrad eine Rückstellung bilanziell zu erfassen ist. Eindeutig scheint der Fall, dass eine Verbindlichkeitsrückstellung nicht schon dann gebildet werden darf, wenn die bloße, entfernte Vermutung der Inanspruchnahme besteht oder pessimistische Beurteilungen ohne greifbaren Anhalt eine Bildung begründen.292 Es darf keine Rückstellung gebildet werden, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Verpflichtung nicht erfüllt werden muss.293 In diesen Fällen würde unter Gläubigerschutzaspekten ceteris paribus keine zu hohe Ausschüttung entstehen, da es voraussichtlich nie zu einem Mittelabfluss käme. Gleichzeitig würden unter Aspekten des Aktionärsschutzes dem Anleger ansonsten ausschüttungsfähige Gewinne vorenthalten werden. Da das Gesetz selbst keinen Grenzwert nennt, ab wann eine Rückstellung anzusetzen ist, hat der BFH diese Lücke versucht zu schließen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme vor, wenn mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme sprechen, die Wahrscheinlichkeit also mehr als 50% beträgt.294 Der der Inanspruchnahme zugrundeliegende Anspruch (Umweltschaden) muss zunächst entdeckt werden, worauf ggf. die Geltendmachung folgt.295 Hier wird regelmäßig die Situation eintreten, dass der Schädiger von der von ihm verursachten Umweltbelastung sehr viel eher Kenntnis erlangt als der Gläubiger (z. B. Umweltbehörden). In diesem Zeitraum liegt der klassische Fall einer asymmetrischen Informationsverteilung vor.296 Bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen stellt der BFH daher an die Erlaubnis und zugleich auch Erfordernis der Rückstellungsbildung sehr viel höhere Anforderungen als bei privatrechtlich entstandenen Verpflichtungen.297
292 293 294 295 296 297
Vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1983 – IV R 41/81, S. 264; BFH-Urteil vom 27. April 1965 – I 324/62, S. 409; Philipps (1995), S. 60; Köster (1994), S. 64. Vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1966 – IV 51/62, S. 189f. Vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1966 – IV 51/62, S. 189f.; BFH-Urteil vom 01. August 1984 – I R 88/80, S. 46. Vgl. Köster (1994), S. 108f. Vgl. Köster (1994), S. 109. Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.2.
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4.1.3.1.4 Wirtschaftliche Verursachung bzw. rechtliches Entstehen einer Verpflichtung Die dritte Anforderung, die der BFH an die Bildung einer Rückstellung geknüpft hat, besagt, dass die Verpflichtung „im abgelaufenen Geschäftsjahr rechtlich voll entstanden oder wenigstens wirtschaftlich verursacht worden“298 ist. Ist eine Verpflichtung weder rechtlich entstanden noch wirtschaftlich verursacht, verneint der BFH eine Rückstellungsbildung.299 Eine Verpflichtung gilt als rechtlich entstanden, wenn alle Tatbestandsmerkmale, an die aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Normen eine Rechtsfolge anknüpft, verwirklicht sind.300 Dies ist geschehen, „sobald alle Voraussetzungen erfüllt sind, von denen Gesetz, Satzung oder Vertrag die Entstehung abhängig machen“301. Der Zeitpunkt der rechtlichen Entstehung einer Verbindlichkeit kann i. d. R. juristisch exakt bestimmt werden.302 Hat z. B. die Umweltbehörde per Verwaltungsakt angeordnet, dass ein Unternehmen eine Kläranlage errichten muss, ist ab diesem Zeitpunkt das rechtliche Entstehen einer Verpflichtung gegeben. Das rechtliche Entstehen einer Verpflichtung hängt eng mit dem handelsrechtlichen Vorsichts- und Imparitätsprinzip sowie dem Vollständigkeitsgebot zusammen. Es erweist sich dagegen als schwieriger, den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung genau festzulegen. Hier wird zwischen wirtschaftlich wesentlichen und unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen unterschieden. Die wirtschaftliche Verursachung setzt voraus, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind und das Entstehen einer zu bilanzierenden Verpflichtung nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt.303 Eine Abgrenzung von wirtschaftlich wesentlichen und unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen ist für den jeweiligen Einzelfall vorzunehmen. Wirtschaftlich wird eine Rekultivierungsverpflichtung durch jede einzelne Abbauhandlung (z. B. von Braunkohle) verursacht. Für die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten ist es erforderlich, dass die „Erfüllung der entstandenen Verpflichtung ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Bezugs-
298 299 300 301 302 303
BFH-Urteil vom 24. April 1968 – I R 50/67, S. 545. Vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1991 – IV R 28/91, S. 600ff. Vgl. Naumann (1991), S. 529. BFH-Urteil vom 13. November 1991 – I R 78/89, S. 178. Vgl. Bartels (1992a), S. 126. Vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1990 – I R 153/86, S. 482.
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punkt in der Vergangenheit findet“304, wobei die Erfüllung „nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern auch Vergangenes abgelten“305 muss. Der wirtschaftliche Vergangenheitsbezug wird bilanziell über die Zugehörigkeit von Aufwendungen (z. B. Rekultivierungsaufwendungen zur Aufforstung) zu realisierten Erträgen (z. B. aus dem Braunkohleabbau) hergestellt. Hier wird auf das Realisationsprinzip in seiner Alimentationsformel Bezug genommen. Keinesfalls dürfen Rückstellungen gebildet werden, wenn die zugrundeliegende Verbindlichkeit wirtschaftlich eng mit künftigen Gewinnchancen verbunden ist, da es hier an der Zugehörigkeit künftiger Ausgaben zu realisierten Erträgen mangelt.306 Für Aufwendungen, deren korrespondierende Erträge erst in der Zukunft vereinnahmt werden (z. B. aus Werbung), dürfen keine Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden, wenn die zugrundeliegende Verpflichtungen weder rechtlich voll entstanden noch wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht worden sind.307 Solange wirtschaftliche Verursachung und rechtliches Entstehen zeitlich zusammenfallen bzw. die wirtschaftliche Verursachung vor dem rechtlichen Entstehen liegt, ist der Zeitpunkt der Abbildung einer Verbindlichkeitsrückstellung nahezu unstrittig.308 Die Thematik erlangt erst in den Fällen höchste Brisanz, in denen die wirtschaftliche Verursachung dem rechtlichen Entstehen nachgelagert ist,309 da hier keine eindeutige Literaturmeinung vorliegt. Der BFH hat in diversen Urteilen entschieden, dass in den Fällen, in denen rechtliches Entstehen und wirtschaftliche Verursachung zeitlich auseinanderfallen, bilanzrechtlich der frühere der beiden Zeitpunkte maßgeblich ist.310 Die Beurteilung dieser Gesetzeslücke durch den BFH hat in der handelsrechtlichen Literatur Diskussionen ausgelöst. Diese sind auf die Frage zurückzuführen, welchem der beiden Denkansätze wirtschaftliche Verursachung nach dem Realisationsprinzip oder rechtliches Entstehen aufgrund von Vorsichtsprinzip, Imparitätsprinzip sowie Vollständigkeitsgebot, der Vorrang einzuräumen ist.311 Im Bereich der Umweltschutzverpflichtungen ist die Thematik im Wesentlichen für Anpassungsverpflichtungen 304 305 306 307 308 309 310 311
BFH-Urteil vom 25. August 1989 – III R 95/87, S. 893f. BFH-Urteil vom 19. Mai 1987 – VIII R 327/83, S. 850; so auch BFH-Urteil vom 20. Januar 1983 – IV R 168/81, S. 413f.; BFH-Urteil vom 12. Dezember 1991 – IV R 28/91, S. 600; Sarrazin (1993), S. 4. Vgl. BFH-Urteil vom 25. August 1989 – III R 95/87, S. 895f.; BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 – I R 72/76, S. 741f.; BFH-Urteil vom 20. März 1980 – VI R 89/79, S. 299. Vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1987 – VIII R 327/83, S. 849f. So auch Köster (1994), S. 159. Siehe auch Kap. 2.2.2.4. Näher hierzu siehe Kap. 5.1.3.2 und 5.3.3.1.1.4. Vgl. BFH-Urteil vom 23. September 1969 – I R 22/66, S. 106; BFH-Urteil vom 12. Dezember 1990 – I R 153/86, S. 482; BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 – I R 45/97, S. 1698ff. Vgl. Klein (1998), S. 92.
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sowie Rekultivierungsverpflichtungen aufgrund von sog. Oberflächenabbaumaßnahmen (Devastationen) im Vorfeld von Substanzabbauhandlungen relevant.312
4.1.3.1.4.1 Vorrang der wirtschaftlichen Verursachung Moxter verweist darauf, dass es keinen handelsrechtlichen GoB gebe, der fordere, bei Auseinanderfallen von rechtlicher Entstehung und wirtschaftlicher Verursachung den früheren dieser beiden Zeitpunkte als für die Bilanzierung ausschlaggebend anzunehmen, wie es der BFH fordert. Nach der Ausdehnung des Realisationsprinzips dürfen ausschließlich zukünftige Ausgaben für Umweltschutzmaßnahmen passiviert werden, die bis zum Bilanzstichtag unter Einbeziehung des Grundsatzes der Abgrenzung der Sache nach realisierte Umsätze alimentiert haben.313 Die Bildung einer Rückstellung setze „die konkretisierte Zugehörigkeit künftiger Ausgaben zu bereits realisierten Erträgen“314 voraus. Diese Interpretation des Realisationsprinzips kann einerseits zu einer zeitlichen Vorverlagerung der Passivierung einer ungewissen Verbindlichkeit vor den Zeitpunkt ihres rechtlichen Entstehens führen.315 Folge dieser Interpretation des Realisationsprinzips kann andererseits aber auch eine „rückstellungsbegrenzende Wirkung“316 sein, da Rückstellungen für rechtlich voll entstandene Verbindlichkeiten nach den Maßstäben des erweiterten Realisationsprinzips nicht gebildet werden dürfen, wenn die Verpflichtung nicht wirtschaftlich verursacht ist, also wenn die Aufwendungen künftige Erträge alimentieren.317 Wird ein Unternehmen von der Umweltbehörde aufgrund anstehender Produktionsänderungen verpflichtet, Anlagenteile auszutauschen, wäre hierfür keine Rückstellung zu bilden, da die Anlage erst in Zukunft korrespondierende Erträge erwirtschaftet. Die Verfechter des Realisationsprinzips in seiner erweiterten Fassung werten das Prinzip als Bestandteil des Vorsichtsprinzips.318 Eine etwaige Nichtpassivierung einer rechtlich entstandenen, wirtschaftlich aber (noch) nicht verursachten Verpflichtung würde demnach keinen Verstoß gegen den Vorsichtsgrundsatz bedeuten.319 Zudem wird dem Aktionärsschutz Rechnung getragen, da hier die Rückstellungsbildung abhängig von der Leistungsfähigkeit des 312 313 314 315 316 317 318 319
Vgl. Köster (1994), S. 159. Vgl. Herzig (1990), S. 1341; Herzig (1993a), S. 168; Moxter (1999b), S. 107f. BFH-Urteil vom 13. November 1991 – I R 102/88, S. 336; BFH-Urteil vom 12. Dezember 1991 – IV R 28/91, S. 601. Vgl. Herzig (1994c), S. 234. Herzig (1993b), S. 209; Herzig (1990), S. 1347; so auch Schön (1994), S. 7; Woerner (1994), S. 246. Vgl. Naumann (1991), S. 534ff. Vgl. Moxter (1984), S. 1784; Depken (1999), S. 63f. Vgl. Kap. 3.1.4.2.3.
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Unternehmens gemacht wird und nicht schon recht frühzeitig der volle Verpflichtungsumfang abzubilden ist.
4.1.3.1.4.2 Vorrang des rechtlichen Entstehens Die herrschende Literaturmeinung stimmt dagegen der BFH-Rechtsprechung zu.320 Sie ist der Auffassung, dass bei Vorliegen einer rechtlich voll entstandenen Verpflichtung auch bei fehlender wirtschaftlicher Verursachung eine Rückstellung zu bilden sei.321 Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gibt es keinen „Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung, der es gebietet, Einnahmen in eine spätere Zeit zu verlagern, in welcher die Ausgaben (Kosten) anfallen, zu deren Deckung sie dienen, noch einen solchen, der fordert, Ausgaben (Kosten) in das Jahr zu verlagern, in welchem die Einnahmen zufließen, aus denen die Ausgaben gedeckt werden sollen“322. Der BFH reduziert damit die Bedeutung des Prinzips der wirtschaftlichen Verursachung nach Maßgabe des Realisationsprinzips auf einen Ersatztatbestand für den Fall, dass die wirtschaftliche Verursachung vor der rechtlichen Verpflichtungsentstehung liegt.323 Nach dem in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB kodifizierten Imparitätsprinzip sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen. Auch nach dem Vollständigkeitsgebot hat der Jahresabschluss gem. § 246 HGB sämtliche Schulden zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Eine Einschränkung ergibt sich nach herrschender Meinung aus keinem anderen handelsrechtlichen Grundsatz.324 Nach diesen Prinzipien komme es auf eine Zurechnung künftiger Ausgaben auf bereits realisierte Erträge nicht an, es reiche nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) aus, wenn die künftigen Ausgaben auf Ereignissen in der Vergangenheit beruhen.325 Die Passivierungspflicht von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten folgt daher zwingend sowohl aus dem Imparitätsprinzip, dem Vorsichtsprinzip sowie dem Vollständigkeitsgebot.
320 321 322 323 324 325
Vgl. Bartels (1992c), S. 1313; Bordewin (1992b), S. 1097ff.; Crezelius (1992), S. 1358ff.; Klein (1998), S. 96. Vgl. Siegel (1992), S. 585ff. BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 – I R 45/97, S. 1699f. Vgl. Koths (2001), S. 1850. Vgl. Siegel (1993a), S. 151. Vgl. Bartels (1992a), S. 139f.
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4.1.3.1.5 Kritische Würdigung der allgemeinen Passivierungskriterien Die allgemeinen Passivierungskriterien, die der BFH aufgestellt hat, dienen der inhaltlichen Konkretisierung des § 249 Abs. 1 HGB und schaffen somit eine erhöhte Bilanzierungssicherheit. Das Kriterium des Bestehens bzw. künftigen Entstehens einer Außenverpflichtung objektiviert die Gesetzesnorm. Die inhaltliche Konkretisierung des Begriffes ist gesetzeskonform von BFH und Literatur erfolgt. Das Vorhandensein eines Dritten dient der Abgrenzung zur bloßen Innenverpflichtung, die somit niemals nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB begründet werden kann.326 Die inhaltliche Ausgestaltung des Kriteriums der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme durch den BFH erscheint jedoch nicht sachgerecht. Aufgrund des im deutschen Handelsrecht dominierenden Vorsichtsprinzips ist der Wahrscheinlichkeitsgrad > 50% zu hoch angesetzt. Vielmehr muss zumindest bei Gleichwahrscheinlichkeit (genau 50%) eine Rückstellungsbildung erfolgen.327 Herzig/Hötzel schlagen deshalb eine Modifikation der Formel dahingehend vor, dass „nicht weniger Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme sprechen“328 sollten. Der Wahrscheinlichkeitsgrad ist dabei aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu treffen, der am Bilanzstichtag vorliegende, objektive Tatsachen heranzuziehen hat.329 Das Problem der Quantifizierbarkeit einer wahrscheinlichen Inanspruchnahme muss allerdings als theoretischer Natur gewertet werden.330 Charakteristikum von Verpflichtungen, die Rückstellungen begründen, ist deren Ungewissheit. Dabei ist nicht die Anzahl der Gründe, sondern deren Bedeutung entscheidend.331 Aus diesem Grunde sind immer zusätzlich qualitative Überlegungen an die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zu stellen. Wird der Rückstellungsansatz bejaht, ist zudem zu untersuchen, ob eine Verpflichtung mit einer Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme von gerade über 50% ceteris paribus genauso bewertet werden sollte wie eine Verpflichtung mit einer Wahrscheinlichkeit von 99%. De lege lata ist eine Differenzierung unzulässig. Eine Gleichbehandlung erscheint aber unbefrie326 327 328 329 330
Vgl. Berger/Ring (2003a), § 249 HGB Rz. 26; Bartels (1992a), S. 121. So auch Herzig (1990), S. 1347; Eibelshäuser (1987), S. 863; Köster (1994), S. 65. Herzig/Hötzel (1991), S. 102. Vgl. BFH-Urteil vom 01. August 1984 – I R 88/80, S. 61; Philipps (1995), S. 61. So auch Ballwieser (1989), S. 958; Bartels (1992a), S. 125; Köster (1994), S. 67f.; Herzig (1990), S. 1347; Böcking (1994), S. 130; Moxter (1999a), S. 520. 331 Vgl. Eibelshäuser (1987), S. 863; Euler/Engel-Ciric (2004), S. 142.
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digend, da eine beinah sichere Verpflichtung eine größere Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme bedeutet als eine lediglich wahrscheinliche Verpflichtung. Unter Informationsaspekten wie auch unter Kapitalerhaltungsgrundsätzen ist daher eine Gewichtung des Rückstellungsbetrages mit der korrespondierenden Wahrscheinlichkeit (Erwartungswert) zu fordern. Hinsichtlich der Frage, ob die rechtliche Entstehung oder die wirtschaftliche Verursachung einer Verpflichtung den maßgeblichen Passivierungszeitpunkt bilden, gibt das Gesetz keinen konkreten Anhaltspunkt. § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB regelt zwar, dass Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres unabhängig von den Zeitpunkten der jeweiligen Zahlungen im Jahresabschluss zu berücksichtigen sind; eine positive Abgrenzung, zu welchem Zeitpunkt eine ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen ist, existiert allerdings nicht.332 Abstrakte Passivierungsfähigkeit und bei fehlendem gesetzlichen Verbot auch konkrete Passivierungspflicht sind genau dann gegeben, wenn eine Schuld quantifizierbar und bilanziell greifbar ist sowie eine wirtschaftliche Belastung darstellt. Bei der Bestimmung des maßgeblichen Passivierungszeitpunktes ist der frühestmögliche Zeitpunkt, der gleichzeitig aber auch den spätestmöglichen Zeitpunkt darstellt, festzulegen. Die Kongruenz dieser beiden Zeitpunkte ergibt sich daraus, dass aus der Passivierungsfähigkeit zugleich die Passivierungspflicht folgt.333 Der Zeitpunkt, ab wann eine Verpflichtung bilanziell zu erfassen ist, lässt sich aus den Prinzipien des Jahresabschlusses herleiten. Dabei sind sowohl das Vorsichts-, Realisations- und Imparitätsprinzip als auch das Vollständigkeitsgebot heranzuziehen. Der Kaufmann darf sich nach dem Handelsgesetzbuch nicht reicher rechnen, als er tatsächlich ist. Fordert also eines dieser Prinzipien die Passivierung einer Rückstellung, ist sie zwingend vorzunehmen, da ansonsten gegen deutsches Handelsrecht verstoßen würde. Zudem würde der Abschluss den Adressaten über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nur unzulänglich informieren. Der Gesetzgeber hat in § 249 HGB weder der statischen noch der dynamischen Bilanztheorie den Vorrang eingeräumt. Aufgrund der statischen Betrachtungsweise sind regelmäßig rechtlich entstandene Verpflichtungen auszuweisen, aufgrund der dynamischen Betrachtungsweise die wirtschaftlich verursachten. Dem Realisationsprinzip als Abgrenzungsprinzip kann grund-
332 333
Vgl. Weber-Grellet (2002), S. 2181. Vgl. Köster (1994), S. 141.
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sätzlich nur dann Bedeutung zukommen, wenn die wirtschaftliche Verursachung vor dem rechtlichen Entstehen eintritt.334 Nach dem Realisationsprinzip in seiner erweiterten Interpretation sind ausschließlich wirtschaftlich verursachte Verpflichtungen zu passivieren. Ist eine Verpflichtung wirtschaftlich verursacht, ist ungeachtet der rechtlichen Entstehung eine Rückstellung zu passivieren. Dabei besagt das Prinzip m. E. jedoch nichts über eine Passivierung aufgrund des rechtlichen Entstehens. Die Zuordnung von Aufwendungen zu Erträgen nach dem Realisationsprinzip ist nicht immer eindeutig zu treffen. So ist z. B. bei Aufwendungen für die Wartung von Fluggeräten – für die der BFH eine Passivierung verneint hat335 – nicht logisch zu entscheiden, ob sie Erträgen zuzurechnen sind, die aufgrund der starken Beanspruchung von Maschinen realisiert worden sind, oder ob die Aufwendungen für künftige Erträge anfallen, die aufgrund der Wartung und Reparatur erst erwirtschaftet werden können.336 Fallen während der Flugphase nur geringe Erträge an und werden die Fluggeräte dann ausrangiert, würden den spärlichen Erträgen nie die hohen Ausgaben gegenüberstehen. In solchen Fällen mangelnder Erträge ist zu prüfen, ob nicht eines der anderen Bilanzierungsprinzipien greift, das eine Rückstellungsbildung unter Vorsichtsgesichtspunkten rechtfertigt. Es sind auch „Aufwendungen, denen aus der Eigenart des den Aufwendungen zugrundeliegenden Sachverhalts heraus weder zukünftige noch vergangene Erträge gegenüberstehen“337 bilanziell als Rückstellung zu erfassen.338 Die relevanten Prinzipien für die Berücksichtigung rechtlich entstandener Verpflichtungen im Jahresabschluss stellen sowohl das Imparitätsprinzip wie auch das Vollständigkeitsgebot dar, auch sofern diese (noch) nicht wirtschaftlich verursacht sind. Besteht eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten, aus der (potenziell) eine Vermögensminderung resultiert, ist nach diesen Prinzipien eine bilanzielle Abbildung erforderlich. Denn rechtlich entstandene Umweltschutzverpflichtungen, deren übrige Kriterien den Rückstellungsansatz erfüllen, können nicht einfach bilanziell ignoriert werden. Die Außerachtlassung rein rechtlich entstandener Verpflichtungen würde eine deutliche Abschwächung des Vorsichtsprinzips bedeuten.339 Förschle/Scheffels vertreten hingegen die Meinung, dass nicht alle rechtlich entstandenen 334 335 336 337 338
Vgl. Kupsch (1992), S. 2325. BFH-Urteil vom 19. Mai 1987 – VIII R 327/83, S. 849f. Vgl. Streim (1985), S. 1580f. IDW RS HFA 4, Rz. 18. Gänzlich unberührt davon bleibt ein Rückstellungsansatz nach § 249 Abs. 1 Nr. 1 HGB, sofern die Wartung oder Instandhaltung innerhalb von drei Monaten nachgeholt wird. 339 Vgl. Kupsch (1992), S. 2324.
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Verpflichtungen zu passivieren seien, da ansonsten auch rechtliche Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen passiviert werden müssten.340 Da jedoch bei einem Dauerschuldverhältnis (z. B. Mietvertrag) ein schwebendes Geschäft vorliegt, bei dem vom Sonderfall der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung ausgegangen werden kann, kommt die Bildung einer (Drohverlust-)Rückstellung nicht in Betracht. Rechtlich entstandene Verpflichtungen sind allerdings dahingehend zu untersuchen, ob sich das Unternehmen der Verpflichtung, sei es durch (partielle) Aufgabe des Geschäftsbetriebes oder Änderung der Geschäftstätigkeit, noch entziehen kann, denn nur im Fall der Unentziehbarkeit liegt diese unabwendbare Vermögensminderung vor.341 Köster unterscheidet demzufolge rechtliche Verpflichtungen in solche, die bedingt, und solche, die unbedingt fällig sind.342 Kann sich der Kaufmann einer (bedingt fälligen) Verpflichtung entziehen, steht dem Gewinnausweis und einer höheren Ausschüttungsbemessungsgrundlage keine wirtschaftliche Belastung entgegen, die zu antizipieren ist. Eine Antizipation von Aufwendungen wäre auch unter Berücksichtigung des Aktionärsschutzes nicht zu rechtfertigen. Unbedingt fällige Verpflichtungen dagegen sind mit Rücksicht auf das Vorsichtsprinzip zu antizipieren und passivisch auszuweisen, da sich der Kaufmann ihnen nicht entziehen kann. Die Frage des Passivierungszeitpunktes von Rückstellungen hängt m. E. oftmals eng mit dem Informations- und dem Kapitalerhaltungsziel zusammen. Unter Informationsaspekten ist sicherlich der mit der wirtschaftlichen Verursachung einhergehende Zeitpunkt der adäquatere. Da aber Informationen nach § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB unter der Prämisse der Kapitalerhaltung stehen,343 ist m. E. grundsätzlich der frühere der beiden Zeitpunkte aus wirtschaftlicher Verursachung und rechtlichem Entstehen maßgeblich für die Passivierung. Bei Befolgung des Lösungsvorschlages von Köster stellen die bedingt fälligen Verpflichtungen eine Ausnahme dar.
4.1.3.2
Besonderheiten der Passivierungsvoraussetzungen für Verbindlichkeitsrückstellungen im Falle öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen
Umweltschutzverpflichtungen basieren insbesondere auf dem öffentlichen Recht. Für die bilanzielle Abbildung derartiger Verpflichtungen als Rückstellungen gelten zunächst diesel340 341
Vgl. Förschle/Scheffels (1993), S. 1198. So auch Köster (1994), S. 151ff.; Depken (1999), S. 58; Schön (1994), S. 7; BFH-Urteil vom 19. Mai 1987 – VIII R 327/83, S. 848; BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 – I R 45/97, S. 1698; Siegel/Koths (2002), S. 708; Siegel (2002), S. 1192ff. 342 Vgl. im Folgenden Köster (1994), S. 151ff. 343 Näher hierzu siehe Kap. 3.1.3.2.
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ben inhaltlichen Konkretisierungsanforderungen wie für privatrechtliche oder faktische Verpflichtungen.344 Der BFH hat zur Abbildung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen in der Steuerbilanz diverse Urteile getroffen. Da das Handelsrecht nicht speziell auf öffentlich-rechtliche Verpflichtungen eingeht, erhält § 249 HGB seine inhaltliche Konkretisierung über die höchstrichterliche Rechtsprechung, da dieser handelsrechtliche Bedeutung zukommt.345 Nach Auffassung des BFH besteht zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen (vertraglichen) Verbindlichkeiten ein wesentlicher Unterschied.346 In der Regel sei bei privatrechtlichen Verbindlichkeiten die Kenntnis des Anspruchs auf Gläubigerseite vorauszusetzen, bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten sei von einer solchen Kenntnis nicht auszugehen.347 Der BFH hat daher das Kriterium der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten klarer und eindeutiger bestimmt bzw. neu definiert.348 Zum einen greift die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht auf die aufgestellte >50%Formel zurück, sondern ersetzt diese durch die unmittelbar bevorstehende Kenntnis des Gläubigers (Behörde als Exekutivorgan des Staates).349 Der BFH sieht die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme erst dann als gegeben an, „wenn die den Anspruch begründenden Tatsachen entdeckt und dem Geschädigten bekannt sind oder dies doch unmittelbar bevorsteht“350. Mit der Geltendmachung eines Anspruches muss erst ab dessen Kenntnis gerechnet werden, wenn keine besonderen Umstände gegen dessen Einforderung sprechen.351 Liegt die Kenntnis des Gläubigers bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nicht vor, müsse der Schuldner diese z. B. durch schriftliche Anzeige herbeiführen.352
344 345 346 347 348 349 350
Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.1. Näher hierzu siehe Kap. 3.1.6. Vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 – VIII R 14/92, S. 893f. Vgl. BFH-Urteil vom 28. März 2000 – VIII R 13/99, S. 1599f.; Schmidt/Roth (2004), S. 555. Vgl. Bartels (1992a), S. 144; Herzig/Köster (1994), S. 7. Vgl. Herzig (1994b), S. 178. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 – VIII R 14/92, S. 893; siehe auch BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 – VIII R 34/99, S. 542; BFH-Urteil vom 19. November 2003 – I R 77/01, S. 319ff. 351 Vgl. Köster (1994), S. 111. 352 Vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 – VIII R 14/92, S. 894.
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Zum anderen muss zur Rückstellungsbildung entweder eine konkrete Verfügung bzw. Auflage der Umweltbehörde vorliegen (Verwaltungsakt353), die das Unternehmen zu einer bestimmten Handlung auffordert, oder ein Gesetz bestehen, welches die folgenden Voraussetzungen erfüllt:354 •
In sachlicher Hinsicht wird ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln verlangt.
•
In zeitlicher Hinsicht wird ein Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraumes gefordert, das in zeitlicher Nähe zum betreffenden Wirtschaftsjahr liegt.
•
Die Verletzung bzw. Nichtbefolgung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung ist mit einer Sanktionsbewehrung verbunden.
Die Anforderungen an ein Gesetz werden mit dem Begriff der „hinreichenden Konkretisierung“355 bezeichnet. Da Umweltschutzverpflichtungen oftmals aufgrund öffentlich-rechtlicher Gesetzesgrundlagen durchzuführen sind, kommt ihnen in praxi eine hohe Bedeutung zu. Ursprünglich wurden die Anforderungen für die Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses entwickelt.356 Außerdem hat der BFH ein zusätzliches Kriterium geschaffen, das erfüllt sein muss, um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung als Rückstellung bilanziell anzusetzen:357 •
Ein betriebliches Eigeninteresse an der Erfüllung einer Verpflichtung darf ein Gemeininteresse nicht überlagern.
Im Folgenden werden die vorstehenden Kriterien genauer untersucht.
4.1.3.2.1 Das inhaltlich genau bestimmte Handeln Der BFH hat in seinen zur hinreichenden Konkretisierung maßgeblichen Urteilen nicht genau definiert, welcher Passus einem inhaltlich genau bestimmten Handeln genügt. Nach Köster können nur gesetzliche Normen die Forderung eines inhaltlich genau bestimmten Handelns
353
354
355 356 357
Nach § 118 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1977 – I R 148/75, S. 99; BFH-Urteil vom 20. März 1980 – VI R 89/79, S. 297ff.; BFH-Urteil vom 03. Mai 1983 – VIII R 100/81, S. 575; BFH-Urteil vom 25. August 1989 – III R 95/87, S. 894f.; BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 – VIII R 14/92, S. 892; BFH-Urteil vom 08. November 2000 – I R 6/96, S. 570ff.; BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 – I R 45/97, S. 1698. Köster (1994), S. 72. Vgl. BFH-Urteil vom 23. Juli 1980 – I R 28/77, S. 62; BFH-Urteil vom 26. Mai 1976 – I R 80/74, S. 623; BFH-Urteil vom 25. November 1983 – III R 25/82, S. 52. Vgl. BFH-Urteil vom 08. November 2000 – I R 6/96, S. 570ff.
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erfüllen, bloße Absichtserklärungen bzw. Diskussionspapiere des Gesetzgebers reichen dagegen nicht aus.358 Die Urteilsbegründungen des BFH lassen erkennen, dass inhaltlich genau bestimmtes Handeln bei Vorliegen konkreter Handlungsanweisungen gegeben ist.359 In der handelsrechtlichen Literatur entwickelten sich unterschiedliche Auffassungen über das Vorliegen eines solchen bestimmten Handelns. Ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln ist nach Christiansen erst anzunehmen, wenn das Gesetz inhaltlich den Anforderungen an einen Verwaltungsakt gleichkommt. Das Gesetz müsse daher verbindlich und eindeutig das Ziel und die Maßnahmen zur Zielerreichung vorschreiben.360 Bei Bestehen mehrerer möglicher Handlungsalternativen könne nicht von einer hinreichenden Konkretisierung gesprochen werden, da das Handeln nicht genau bestimmt sei. Dagegen erscheint nach überwiegender Literaturmeinung eine konkrete, genau umschriebene Darstellung einer durchzuführenden Maßnahme oder eines einzusetzenden Verfahrens in einem bestehenden Gesetz wegen der dynamischen Fortentwicklung der technischen Möglichkeiten nicht sinnvoll.361 Gesetze sind gerade deshalb abstrakt formuliert, damit sie auf eine große Anzahl von Sachverhalten Anwendung finden. Es wird daher als ausreichend erachtet, ein Handlungsziel zu benennen, das im Sinne eines zu erreichenden Leistungserfolges zu verstehen ist.362 Unterschiedliche Handlungsalternativen, die dasselbe Ziel verfolgen, tangieren lediglich die Höhe der anfallenden Kosten und damit die Rückstellungsbewertung, nicht aber den Rückstellungsansatz.363 Ausreichend ist daher eine gesetzliche Klausel, die ein inhaltlich bestimmtes Handeln nach dem neuesten Stand der Wissenschaft oder Technik fordert, da dem Unternehmen somit ein Handeln auferlegt wird, welchem es sich nicht entziehen kann.364
4.1.3.2.2 Das Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraumes Das Gesetz muss darüber hinaus in zeitlicher Dimension ein Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vorschreiben, das in zeitlicher Nähe zum betreffenden Wirtschaftsjahr 358 359 360 361 362 363 364
Vgl. Köster (1994), S. 94f. Vgl. z. B. BFH-Urteil vom 08. November 2000 – I R 6/96, S. 571, in dem der BFH entschied, dass das AbfG kein inhaltlich genau bestimmtes Handeln verlange. Vgl. Christiansen (1987), S. 194f. Vgl. Bäcker (1990), S. 2229; Depken (1999), S. 142; Köster (1994), S. 93f.; Bäcker (1994), S. 13; ähnlich Klein (1998), S. 79. Vgl. Köster (1994), S. 94; Bäcker (1990), S. 2226. Vgl. Köster (1994), S. 94. Vgl. Herzig (1990), S. 1345; Kupsch (1992), S. 2322; Bordewin (1992b), S. 1097ff.; Herzig/Köster (1994), S. 5; Köster (1994), S. 94f.
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liegt.365 Unter diesem Kriterium ist ein Handeln innerhalb einer bestimmten Frist zu verstehen, die in Abhängigkeit von Verpflichtungsart und Erfüllungsumfang unterschiedlich lang ausfallen kann. In der handelsrechtlichen Literatur wird kein kalendermäßig fixierter Handlungszeitpunkt bzw. -zeitraum gefordert.366 So ist der Zeitraum für die Stilllegung und Beseitigung eines Kernkraftwerkes anders zu bemessen als für die Entsorgung einer Ölplattform.367 Das Handeln in zeitlicher Nähe zum Wirtschaftsjahr setzt aber voraus, dass auch die Verpflichtung in zeitlicher Nähe zum Wirtschaftsjahr entstanden sein muss.368 Dabei ist m. E. auch das wahrscheinliche Entstehen ausreichend. Ist die Verpflichtung erst nach einer längeren Zeit nach dem Bilanzstichtag zu erfüllen, steht dieser lange Zeitraum einer Passivierung nicht entgegen.369 Der bestehende Leistungszwang bedeutet nicht, dass die Leistung zum Bilanzstichtag oder in unmittelbarer Nähe zum Stichtag fällig sein muss.370 Es kommt nicht auf die Erfüllung einer Verpflichtung an, sondern auf das Entstehen und das Vorliegen des Anspruchs eines Gläubigers.
4.1.3.2.3 Die Sanktionsbewehrung Nach dem Erfordernis der Sanktionsbewehrung muss ein Gesetz an die Verletzung bzw. Nichtbefolgung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen Sanktionen knüpfen, damit sich ein Unternehmen der Verpflichtungserfüllung nicht ohne Konsequenzen entziehen kann.371 Dabei kommt es nicht auf die Sanktion an sich, sondern auf die „Durchsetzbarkeit des Norminhaltes“372 eines Gesetzes an. Es gilt als ausreichend, wenn die Durchsetzbarkeit mittels wirtschaftlicher Konsequenzen wie Zwangsmittel, kostenpflichtige Ersatzvornahme oder Zwangsgelder gewährleistet ist.373 Ordnungs- und strafrechtliche Konsequenzen werden als nicht notwendig erachtet, genügen aber der Erfüllung dieses Kriteriums.374 Nach Bartels ist zu überlegen, ob die Gefahr drohender Haftungsansprüche das Tatbestandsmerkmal der Sank-
365 366 367 368 369 370 371 372 373 374
Vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 – VIII R 14/92, S. 892. Vgl. Klein (1998), S. 79; Kupsch (1992), S. 2322; Bartels (1992b), S. 1098; Bordewin (1992b), S. 1097; Herzig (1990), S. 1346. Vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1991 – IV R 28/91, S. 603; Herzig (1990), S. 1346. Vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1977 – I R 148/75, S. 99. Vgl. Bordewin (1992b), S. 1098; Köster (1994), S. 98; anders Christiansen (1987), S. 195. Vgl. Philipps (1995), S. 51. Vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1980 – VI R 89/79, S. 298; BFH-Urteil vom 25. August 1989 – III R 95/87, S. 894. Köster (1994), S. 105. Vgl. Christiansen (1987), S. 195; Christiansen (2002), S. 163; Klein (1998), S. 81. Vgl. Klein (1998), S. 81; Bartels (1992a), S. 149; Christiansen (1987), S. 195; Köster (1994), S. 104.
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tionsbewehrung nicht schon erfüllt.375 Nach Köster ist die Durchsetzbarkeit mittels Androhung von Strafe jedweder Art in Gesetzen des öffentlichen Rechts gewährleistet.376
4.1.3.2.4 Betriebliches Eigeninteresse Über die Anforderungen der inhaltlichen Konkretisierung hinaus hat der BFH entschieden, öffentlich-rechtliche Verpflichtungen hinsichtlich des Grades des allgemeinen und eigenen Interesses zu unterscheiden. Falls ausschließlich das Gemeinwesen Gläubiger eines öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruches ist, steht einer Verbindlichkeitsrückstellung unter der Prämisse des Vorliegens der allgemeinen und der spezifischen Rückstellungskriterien für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen nichts entgegen. Die Verpflichtung ist aufgrund des ausschließlichen bzw. überwiegenden Interesses eines Gemeinwesens anzusetzen.377 Für die Fälle jedoch, „in denen das öffentliche Interesse an der Erfüllung einer Obliegenheit von eigenbetrieblichen Erfordernissen des Unternehmens gleichgerichtet und kongruent überlagert wird“378, nimmt der BFH eigenbetrieblichen Aufwand an, der allenfalls eine Aufwandsrückstellung rechtfertige. Diese Aufwandsrückstellung wird steuerlich nicht anerkannt. Eine Überlagerung des öffentlichen Interesses zur Schadensbeseitigung von eigenbetrieblichen Notwendigkeiten kann m. E. erst ab einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% gegeben sein. Aufwendungen, die trotz der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Normen anfallen, sind dann dem persönlichen Bereich des Unternehmens zuzuordnen, wenn Maßnahmen durchgeführt werden, die vorwiegend der Erhaltung und Verbesserung der Betriebsbereitschaft dienen.379 Eine Innenverpflichtung könne nicht dadurch zur Außenverpflichtung werden, dass bei der Erfüllung öffentlich-rechtliche Vorschriften zu beachten sind.380 Eigenbetriebliches Interesse kann allerdings nach der hier vertretenen Auffassung höchstens insoweit vorliegen, als eine Umweltschädigung noch im Verfügungsbereich bzw. im Bereich des Verursachers liegt (z. B. Abfälle, die noch auf dem Betriebsgelände lagern). Sobald der Verfügungsbereich verlassen wird, bedeutet die Umweltschädigung keine Einschränkung des Betriebes mehr, so dass ein eigenbetriebliches Interesse im genannten Beispiel nicht mehr 375 376 377 378 379 380
Vgl. Bartels (1992a), S. 146. Vgl. Köster (1994), S. 105. Vgl. Christiansen (2002), S. 164. BFH-Urteil vom 08. November 2000 – I R 6/96, S. 571. Vgl. Christiansen (2002), S. 165; Christiansen (1987), S. 195. Vgl. BFH-Urteil vom 08. November 2000 – I R 6/96, S. 571.
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vorliegt, sobald die Abfälle das Betriebsgelände verlassen haben. Maßnahmen außerhalb des Verfügungsbereichs des Verursachers, wie z. B. der Weg zur und die Entsorgungskosten auf einer Sondermülldeponie, rechtfertigen somit m. E. nie eigenbetriebliches Interesse.
4.1.3.3
Kritische Würdigung der Ansatzkriterien einer Rückstellung für öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten
Eine Würdigung der vom BFH aufgestellten Ansatzkriterien verlangt zum einen eine kritische Auseinandersetzung mit deren konkreten Inhalten, zum anderen aber auch eine abstrakte Untersuchung der Folgen der Beachtung dieser Kriterien.
4.1.3.3.1 Kritik am Inhalt der zusätzlichen Anforderungen Der BFH hat das Kriterium der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme für öffentlichrechtliche Verpflichtungen deutlich restriktiver als für privatrechtlich entstandene Verpflichtungen ausgelegt und es inhaltlich durch die Anforderungen der hinreichenden Konkretisierung genauer bestimmt. Er verlangt zunächst hinsichtlich des Kriteriums des inhaltlich genau bestimmten Handelns eine konkrete gesetzliche Handlungsanweisung. Konkrete Handlungsanweisungen werden aber nur selten in Gesetzen vorzufinden sein, weil sich der technische Fortschritt regelmäßig schneller vollzieht als die Überarbeitung von Gesetzen.381 Das geforderte Kriterium wird ein Gesetz somit i. d. R. nicht erfüllen können. Gesetzlich kann höchstens das Ziel einer Umweltschutzverpflichtung, z. B. die vollständige Dekontamination oder Rekultivierung, verlangt werden. Der Weg zum Ziel, die Handlungsalternative, sollte aber abhängig vom Individualfall sein. Die höchstrichterliche Rechtsprechung fordert darüber hinaus ein Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraumes in zeitlicher Nähe zum Wirtschaftsjahr. Es wird regelmäßig schwierig sein, diesen Zeitraum in Abhängigkeit von der Umweltschutzverpflichtung angemessen zu bestimmen. Entscheidend kann m. E. nur das wahrscheinliche Entstehen oder Bestehen einer Verpflichtung sein. Wann die Verpflichtung zu erfüllen ist, wann also die Handlung zu erfolgen hat, ist dagegen unerheblich.
381
Vgl. Klein (1998), S. 79.
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Das Kriterium der Sanktionsbewehrung sei „zur Vermeidung gesetzeswidriger Umgehungen des Verbots der Bildung reiner Aufwandsrückstellungen“382 in der Steuerbilanz notwendig. Die Argumentation des BFH erscheint allerdings handelsrechtlich sinnwidrig. Zum einen dürfen handelsbilanziell gem. § 249 Abs. 2 HGB Aufwandsrückstellungen angesetzt werden. Da öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zum anderen durch einen hoheitlichen Verwaltungsakt oder ein Gesetz begründet werden, ist stets gewährleistet, dass ein Dritter, die Umweltbehörde als Exekutivorgan des Staates, einen Anspruch gegen das Unternehmen besitzt. Bei Vorhandensein eines Dritten handelt es sich stets um eine Drittverpflichtung, so dass es einer zusätzlichen Abgrenzung zur Innenverpflichtung nicht weiter bedarf.383 Beabsichtigt der BFH, durch dieses Kriterium dem Missbrauch der Rückstellungsbildung vorzubeugen, ließen sich andere Maßnahmen finden: Bäcker schlägt vor, z. B. die für eine Dekontamination zu Unrecht zurückgestellte Summe gewinnerhöhend aufzulösen, falls nicht mit einer Sanierung innerhalb einer angemessenen Frist begonnen wird.384 Diese Maßnahme sollte durch eine zusätzliche Verzinsung des zurückgestellten Betrages verschärft werden, die zumindest den Steuerstundungseffekt kompensiert. Ohnehin ist bei bewusster Bildung von Rückstellungen ohne jeglichen Grund der Tatbestand einer Bilanzfälschung gegeben, der strafrechtliche Konsequenzen zur Folge hat.385 Das Kriterium des fehlenden betrieblichen Eigeninteresses widerspricht offenkundig handelsrechtlichen Normen. Bei gleichgelagerten Interessen von Öffentlichkeit und Unternehmen ist die Dominanz des eigenbetrieblichen Interesses nicht mit der Gesetzessystematik zu vereinbaren. Nach dem Urteil müsste in Zukunft eine Umkehrung der Prüfungsreihenfolge im Hinblick darauf erfolgen, welche Rückstellungsart, Verbindlichkeits- oder Aufwandsrückstellung, zu bilden ist. Gemäß § 249 Abs. 2 HGB dürfen Rückstellungen für Innenverpflichtungen allerdings nur „außerdem“ in Bezug auf § 249 Abs. 1 HGB gebildet werden. Das Gesetz sieht also eine eindeutige Reihenfolge der Bildung von Rückstellungen vor; auf jeden Fall geht die Verbindlichkeitsrückstellung einer Aufwandsrückstellung vor.386 Zudem besteht für Verbindlichkeitsrückstellungen eine Passivierungspflicht, während für Aufwandsrückstellungen lediglich ein Passivierungswahlrecht existiert. Würde das Passivierungswahlrecht zunächst geprüft werden und entscheidet sich das verpflichtete Unternehmen gegen einen Ansatz, würde eine
382 383 384 385 386
BFH-Urteil vom 20. März 1980 – VI R 89/79, S. 298. So auch Bartels (1992a), S. 145f.; anders Sarrazin (1993), S. 2f. Vgl. Bäcker (1995b), S. 512. Siehe beispielsweise §§ 331ff. HGB, §§ 263ff. StGB, § 283b StGB. So auch Lederle (1990), S. 72; ähnlich Mayr (2003), S. 742.
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Umweltschutzverpflichtung trotz Vorliegens einer Drittverpflichtung bilanziell nicht abgebildet werden. Das Urteil verstößt dann m. E. gegen das Vollständigkeitsgebot.
4.1.3.3.2 Fehlende handelsrechtliche Fundierung Die Ableitung eines maßgeblichen Objektivierungskriteriums für ungewisse Verbindlichkeiten kann sich nur aus dem Gesetz ergeben.387 § 249 Abs. 1 HGB stellt die Ansatzgrundlage für alle der Höhe oder dem Grunde nach ungewissen Verbindlichkeiten dar, egal, ob sie privatrechtlich, öffentlich-rechtlich oder faktisch begründet sind. Eine Differenzierung von Außenverpflichtungen in Bezug auf eine gesetzliche Anspruchsgrundlage macht das Gesetz nicht.388 Folge der BFH-Rechtsprechung ist eine Ungleichbehandlung zwischen öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Verpflichtungen, die gesetzlich keine Basis findet.389 Es kommt zu einer „Überobjektivierung“390 öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen, verbunden mit einem für diese geltenden Sonderrecht.391 Die Ungewissheit einer Verbindlichkeit kann sich nach dem Gesetzeswortlaut auf deren Grund oder Höhe beziehen. Wenn aber eine Passivierung öffentlich-rechtlicher Verbindlichkeiten nur unter den restriktiven Anforderungen der hinreichenden Konkretisierung bzw. bei Vorliegen einer behördlichen Verfügung erfolgen darf, beschränkt sich die Ungewissheit einer Verbindlichkeit nur noch auf deren Höhe.392 Die im Verhältnis zu privatrechtlichen Verpflichtungen restriktivere Interpretation der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des BFH ist für das Handelsrecht nicht sachgerecht. Setzt die Bilanzierung einer Rückstellung die Kenntnis bzw. anstehende Kenntniserlangung des Gläubigers voraus, wird das Kriterium der wahrscheinlichen Inanspruchnahme bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen durch das Kriterium der sicheren Inanspruchnahme ersetzt.393 Im Privatrecht sind die Ansprüche dem Anspruchsberechtigten aus Patentrechtsverletzungen oder Schadensersatzansprüchen auch nicht immer bekannt.394 Dem Grunde nach ungewisse Verbindlichkeiten werden über die zusätzlichen Konkretisierungen aus dem allgemeinen Rückstellungsbereich herausdefiniert, denn sobald die geforderten Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, ist die Verbindlichkeit dem 387 388 389 390 391
Vgl. Köster (1994), S. 78ff. Vgl. Bartels (1992a), S. 143; Köster (1994), S. 75f.; Herzig (1993a), S. 164. Vgl. Klein (1998), S. 81. Bartels (1992a), S. 144. Vgl. Bartels (1992a), S. 144; Herzig (1993a), S. 164; Herzig (1990), S. 1345; Herzig/Köster (1994), S. 5; Crezelius (1992), S. 1359; Klein (1998), S. 77f.; Köster (1994), S. 76; Ballwieser (1992), S. 138; Eilers/Geisler (1998), S. 2412. 392 So auch Depken (1999), S. 53. 393 Vgl. Klein (1998), S. 83; Elschen (1993), S. 1097; ähnlich Siegel (1995), S. 537. 394 Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 50.
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Grunde nach gewiss.395 Es erscheint zweifelhaft, wieso die Kenntnis und ein anschließendes Tätigwerden der Behörde für die Beurteilung einer Rückstellung mehr aussagen soll als das Vorliegen eines Umweltschadens. Voraussetzung für eine Passivierung einer ungewissen Verbindlichkeit ist, dass sich das Unternehmen der Erfüllung einer Außenverpflichtung wahrscheinlich nicht entziehen kann. Ansatzpunkte einer möglichen Rückstellungsbildung sollten daher nicht auf Gläubigerseite gesucht werden, sondern sind an das Bestehen einer Schuld zu knüpfen. Im Hinblick auf das Vorsichts-, Vollständigkeits- und Imparitätsprinzip darf der Faktor Ungewissheit im Zweifel nicht gegen, sondern muss für eine Rückstellung sprechen, da ansonsten gegen elementare Rechnungslegungsgrundsätze verstoßen wird. Es besteht ansonsten die Gefahr einer zu hohen Ausschüttung, die in weiten Zügen der Kapitalerhaltung zuwiderläuft. Die Verbindlichkeiten des Unternehmens und nicht die den Gläubigern bekannten Ansprüche sind zu bilanzieren.396 Aus Gläubigerschutz- wie aus Informationsgründen ist eine Rückstellungsbildung grundsätzlich geboten.397 Im Insolvenzfall eines Unternehmens ist bei unterlassener handelsrechtlicher Rückstellung sogar zu prüfen, ob die Geschäftsleitung nicht gegen zentrale handelsrechtliche Rechnungslegungsgrundsätze verstoßen hat und daher mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen muss.398 Legt der BFH bei der Frage der Bilanzierung von Rückstellungen für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen über den Maßgeblichkeitsgrundsatz gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG handelsrechtliche GoB aus, hat dies handelsrechtlich in Richtlinienkonformität zur Vierten und Siebenten EG-Richtlinie zu erfolgen. Die restriktiven Konkretisierungserfordernisse lassen sich jedoch weder aus dem Handelsrecht noch aus Art. 20 Abs. 1 der Vierten EG-Richtlinie ableiten, verstoßen demzufolge gegen geltendes Bilanzrecht und sind somit strikt abzulehnen.399
4.1.3.3.3 Die Herbeiführung der Rückstellungsbildung Für den BFH kommt es hinsichtlich des Kriteriums der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen auf die Kenntnis des Gläubigers an. Ist diese gegeben und hat die Umweltbehörde darüber hinaus noch einen Verwaltungsakt erlas-
395 396 397 398 399
Vgl. Herzig (1990), S. 1345; Herzig/Köster (1994), S. 5ff.; Bartels (1992b), S. 1096f.; Köster (1994), S. 75; Herzig (1994b), S. 178. Vgl. Wesner (1994), S. 439. So auch IDW-Facharbeit (1992), S. 328; Kupsch (1992), S. 2323. Vgl. Böcking (1994), S. 135. Vgl. Oser/Pfitzer (1994), S. 847.
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sen, der z. B. die Dekontamination eines mit Altlasten verseuchten Grundstücks vorsieht, ist verpflichtend eine Rückstellung anzusetzen. Ein Unternehmen aber, welches aufgrund der fehlenden Kenntnis der Umweltbehörde eine Rückstellung für Dekontaminierungsmaßnahmen nicht ansetzen darf, kann aber die Kenntnis der Umweltbehörde jederzeit z. B. mittels anonymer Selbstanzeige herbeiführen, die das Tor zur Rückstellungsbilanzierung öffnet. Ein Unternehmen ist gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG sogar verpflichtet, bei Kenntnis einer Altlast diese der zuständigen Behörde mitzuteilen. Die Kenntnis der Umweltbehörde kann aber auch über den Jahresabschluss selbst herbeigeführt werden. Denn bei bilanzieller Abbildung einer Rückstellung in Handels- und auch Steuerbilanz sind die zuständigen Finanzbehörden zumindest bei schwerwiegenden Umweltverstößen verpflichtet, Informationen an die zuständigen Umweltbehörden weiterzugeben.400 Eine vor der Kenntniserlangung ggf. noch zu Unrecht gebildete Rückstellung ist nach Kenntniserlangung nicht nur statthaft, sondern verpflichtend. Für Söffing folgt aus der gegenwärtigen Gesetzeslage zu Recht eine Art Rückstellungswahlrecht hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen, die den Behörden noch unbekannt sind.401 Meldet ein Unternehmen der zuständigen Behörde den Umweltschaden, ist eine Rückstellung zwingend zu bilden. Verschweigt das Unternehmen der zuständigen Behörde dagegen den Umweltschaden und verhindert so auch seine Entdeckung, darf keine Rückstellung angesetzt werden.
4.1.3.3.4 Bilanzrecht versus Umweltrecht Neben der Kritik an der Zuständigkeit des BFH als Standardsetter402 ist hinsichtlich seiner vorgestellten restriktiven Rechtsprechung die Frage der Verfassungskonformität mit Art. 20a GG zu stellen, nach dem der Staat in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung zu schützen hat. De lege lata stehen Umweltrecht und Bilanzrecht in einem starken Widerspruch, da der Staat hinsichtlich Ersterem sehr schnell agiert, hinsichtlich Letzterem jedoch restriktive Anforde400 401 402
Vgl. § 30 Abs. 4 AO; Erlass über die Weitergabe von Erkenntnissen über Verstöße gegen Umweltbestimmungen zwischen Finanz- und Umweltbehörden vom 01. Juli 1993 – IV A 5 – S 0130 – 41/93, S. 526. Vgl. Söffing (1997), S. 261. Näher hierzu siehe Kap. 3.1.6.
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rungen stellt.403 Die restriktive Haltung des BFH konterkariert die Förderung des Umweltschutzes als gesellschaftliches Ziel. Elschen stellt daher die nach BFH-Rechtsprechung erlaubten Umweltschutzrückstellungen als „Maßnahmen gegen den Umweltschutz“404 dar. „Wirklich erschreckende Schäden drohen der Allgemeinheit dann, wenn [...] keine Vorsorge für die Sanierungsaufwendungen getroffen wird.“405 Insgesamt ist im Ergebnis festzuhalten, dass Bilanzrecht und Umweltrecht durch die Rechtsprechung des BFH eher auseinanderdenn zusammenlaufen. De lege ferenda ist aus den verschiedenen Kritikpunkten die bilanzielle Abbildung von Rückstellungen ohne Beachtung der hinreichenden Konkretisierung sowie eines ggf. gleichgelagerten betrieblichen Eigeninteresses zu fordern.
4.1.3.4
Die faktische Verpflichtung
Neben rechtlich begründeten Verpflichtungen kann ein Unternehmen auch aufgrund von faktischen Verpflichtungen406 aus Umweltschäden in Anspruch genommen werden. Dabei kann sich das Unternehmen, obwohl es rechtlich nicht zu einer Leistung gezwungen ist, aus wirtschaftlichen, sozialen oder sittlichen Gründen einem Leistungszwang nicht entziehen.407 Eine faktische Verpflichtung ist nicht erst zu prüfen, wenn eine privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verpflichtung ausscheidet. Sie steht gleichberechtigt neben solchen rechtlich durchsetzbaren und einklagbaren Verpflichtungen. Behörden oder Vertragspartner können einen viel geringeren Grad an Umweltschutzmaßnahmen fordern als beispielsweise Bürgerinitiativen oder Umweltschutzorganisationen. Der Umfang faktischer Verpflichtungen kann daher weit über den Umfang privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen hinausgehen.408 So kann z. B. eine öffentlich-rechtliche Sanierungsverpflichtung lediglich Maßnahmen zur Sicherung anordnen, während die Öffentlichkeit eine vollständige Beseitigung durch Dekontamination fordert.409
403 404 405 406 407
Vgl. Crezelius (1993), S. 37. Vgl. Elschen (1993), S. 1097. Bäcker (1995b), S. 504. Siehe auch Kap. 2.2.2.1.3. Vgl. BGH-Urteil vom 28. Januar 1991 – II ZR 20/90, S. 507; Berger/Ring (2003a), § 249 HGB Rz. 31; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 249 HGB Rz. 52. 408 Vgl. Philipps (1995), S. 184. 409 Vgl. Köster (1994), S. 266.
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Das Unternehmen hat unabhängig von der Rechtsgrundlage bei drohender wirtschaftlicher Belastung bilanziell Vorsorgemaßnahmen mittels Rückstellungsbildung zu ergreifen. Dabei sind die allgemeinen Voraussetzungen der Rückstellungsbildung, die für rechtlich begründete, ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 HGB gelten, zu beachten.
4.1.3.4.1 Passivierungsvoraussetzungen Erste Anforderung an die Bildung einer Rückstellung für eine faktische Verpflichtung ist das Bestehen oder künftige Entstehen einer Verbindlichkeit. Prämisse hierfür ist das Vorhandensein eines Dritten, der einen, wenn auch nicht einklagbaren, so doch berechtigten Anspruch gegen das Unternehmen hat. Fordern Umweltschutzorganisationen, von Anwohnern initiierte Bürgerinitiativen oder sonstige Interessenverbände hartnäckig Maßnahmen des Unternehmens gegen einen von ihm verursachten Umweltschaden, stellen diese Teile der Öffentlichkeit regelmäßig Dritte dar. Voraussetzung für die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ist, dass sich das Unternehmen den Forderungen der Öffentlichkeit zur Behebung des Umweltschadens aufgrund ihrer Vehemenz und Wiederholungshäufigkeit faktisch nicht entziehen kann. Fraglich erscheint die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aus einer faktischen Verpflichtung, wenn lediglich vereinzelt Stimmen Forderungen gegen das Unternehmen richten.410 Meines Erachtens ist in allen Fällen die ernsthafte Absicht des Unternehmens zur Erfüllung der Forderung zu prüfen. Nur wenn die Absicht des Unternehmens besteht, Umweltschutzmaßnahmen durchzuführen, kommt eine Rückstellung in Betracht. Da eine faktische Verpflichtung rechtlich nie entstanden sein kann, kommt als weitere Passivierungsvoraussetzung lediglich die der wirtschaftlichen Verursachung in Betracht. In Übereinstimmung mit Herzig ist in diesem Fall das Realisationsprinzip in seiner erweiterten Fassung als grundlegendes Abgrenzungskriterium heranzuziehen.411 Alimentieren die Aufwendungen bereits realisierte Umsätze, ist eine Rückstellung bei Vorliegen der übrigen Kriterien geboten. Alimentieren die Aufwendungen dagegen nicht bereits realisierte, sondern künftige Umsätze, darf keine Rückstellung gebildet werden. Der Vergangenheitsbezug der wirtschaftlichen Verursachung ist bei faktischen Verpflichtungen in der Literatur umstritten.412 Einerseits wird ein Unternehmen regelmäßig aufgrund des 410 411 412
Vgl. Bartels (1992a), S. 221f. Vgl. Herzig (1993b), S. 219. Vgl. Köster (1994), S. 114f. Zum Vergangenheitsbezug siehe Kap. 4.1.3.1.4.1.
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öffentlichen Drucks faktisch verpflichtet, einen in der Vergangenheit wirtschaftlich verursachten Umweltschaden (z. B. eine Altlast) zu beseitigen. Ein klarer Vergangenheitsbezug liegt also aufgrund des bereits bestehenden Schadens vor. Die Maßnahmen werden andererseits seitens des Unternehmens jedoch nur vorgenommen, um vor Imageverlusten verschont zu bleiben und künftige finanzielle und nichtfinanzielle Nachteile zu vermeiden.413 Das künftige Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit steht im Vordergrund. Neben dem eindeutigen Vergangenheitscharakter hat die faktische Verpflichtung daher regelmäßig auch Zukunftsbezug.414 Da die Ursache der faktischen Verpflichtung aber in der Vergangenheit liegt, ist m. E. grundsätzlich eine Rückstellung zu bilden. Die Wirkung der Verpflichtung in der Zukunft steht dem nicht entgegen.
4.1.3.4.2 Die freiwillige Selbstverpflichtung Zur Umgehung restriktiverer und strengerer Gesetzesbestimmungen im Umweltschutzsektor sind in den letzten Jahren zunehmend freiwillige Selbstverpflichtungen, vornehmlich in der Chemie- oder Automobilindustrie, ausgesprochen worden.415 Freiwillige Selbstverpflichtungen im Umweltschutzbereich stellen öffentliche Grundsatzoder Absichtserklärungen bestimmter Branchen dar, deren Inhalt die Übernahme der Verantwortung für die Vermeidung, Begrenzung und Behebung von Umweltschäden ist.416 Die Verpflichtungen bewegen sich im Spannungsfeld zwischen staatlicher Fremdbestimmung und privat(wirtschaftlich)er Selbstbestimmung.417 Wagner/Haffner subsumieren dieses Ineinandergreifen staatlicher Verordnung und freiwilliger Selbstverpflichtung unter den Begriff der „gesteuerten Selbstregulierung“418. Das Eingehen einer freiwilligen Selbstverpflichtung, beispielsweise zur kostenlosen Rücknahme und Entsorgung bestimmter Produkte (wie z. B. Altfahrzeuge419), wirft für ein betroffenes Unternehmen die Frage der bilanziellen Abbildung der Verpflichtung auf. Dabei ist de lege lata die Rechtsgrundlage dieser Verpflichtung entscheidend für den Rückstellungsansatz.
413 414 415 416 417 418 419
So auch Köster (1994), S. 114f.; Philipps (1995), S. 54f. Vgl. Kupsch (1992), S. 2325. Näher hierzu siehe Wagner/Haffner (1999), S. 87ff. Vgl. Rödl & Partner (2001), S. 3. Vgl. Wagner/Haffner (1999), S. 87. Wagner/Haffner (1999), S. 107. Näher hierzu siehe Zustimmungsbedürftige Verordnung über die Entsorgung von Altautos und die Anpassung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (1997), S. 1ff.
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In der handelsrechtlichen Literatur wird die Meinung vertreten, dass freiwillige Selbstverpflichtungen trotz ihres quasi privatrechtlichen Charakters staatlich und somit öffentlichrechtlich veranlasst und hinsichtlich ihrer bilanziellen Abbildung wie öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten zu behandeln sind.420 Konsequenz wäre, dass die besonderen Passivierungskriterien für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen Bedeutung erlangen würden. Die Einordnung als öffentlich-rechtliche Verpflichtung erscheint m. E. aber nicht sachgerecht. Obwohl freiwillige Selbstverpflichtungen zur Vermeidung oder Umgehung eines öffentlichrechtlichen Gesetzes oder einer öffentlich-rechtlichen Anordnung eingegangen werden, sind sie dem Privatrecht zuzuordnen, da sie nicht von einem öffentlichen Amtsträger abgegeben werden.421 Die sich Verpflichtenden binden sich durch eine schuldrechtlich einseitig verpflichtende Willenserklärung gegenüber der Bundesregierung.422 Hinsichtlich der Rückstellungsbildung sind an freiwillige Selbstverpflichtungen daher die an privatrechtliche Verpflichtungen aufgestellten Anforderungen zu stellen. Da sich die Erklärenden aufgrund ihrer schuldrechtlichen Verpflichtung gegenüber der Bundesregierung zwingen, den Inhalt der Verpflichtung umzusetzen, liegt gegenüber dem Verbraucher m. E. eine faktische Verpflichtung vor. Folge ist, dass die besonderen Passivierungskriterien für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen nicht zur Anwendung kommen. Der Unterschied zwischen der schuldrechtlichen Verpflichtung gegenüber der Bundesregierung und der faktischen Verpflichtung gegenüber dem Verbraucher besteht darin, „dass der Bundesregierung kein schuldrechtlicher Anspruch zur klageweisen Durchsetzung einzelner Rücknahmeansprüche eingeräumt werden soll, sondern ein durchsetzungsfähiger schuldrechtlicher Anspruch auf Schaffung der Rahmenbedingungen [im Original kursiv] für die Rücknahme und Entsorgung, der in einer konkreten faktischen Verpflichtung [im Original kursiv] der Hersteller [...] zur Rücknahme und Entsorgung“423 gegenüber dem Verbraucher mündet. Wird die freiwillige Selbstverpflichtung durch ein bestimmtes Gesetz ersetzt, ändert sich die Rechtsgrundlage der Verpflichtung. Aus einer privatrechtlichen Verpflichtung wird eine öffentlich-rechtliche. Hinsichtlich der Rückstellungsbildung sind nunmehr zusätzlich die für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen geltenden Anforderungen zu stellen. Obwohl ein Gesetz vom Grad der Verpflichtung höher zu werten ist als eine freiwillige Verpflichtung, die jederzeit zurückgenommen werden kann, sind für den Rückstellungsansatz trotz Vorliegen desselben Sachverhaltes (z. B. Rücknahme und Entsorgung) de lege lata deutlich restriktivere Maß420 421 422 423
Vgl. Böcking (1994), S. 136; Frenz (1997), S. 41f. So auch Roß/Seidler (1999), S. 1259. Vgl. im Folgenden Roß/Seidler (1999), S. 1261. Roß/Seidler (1999), S. 1261.
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stäbe zugrunde zu legen. Die unterschiedliche bilanzielle Vorgehensweise ist bilanzrechtlich nicht zu vertreten. De lege ferenda sollte eine Rückstellungsbildung auf jeden Fall ohne Beachtung der besonderen Konkretisierungserfordernisse erfolgen.
4.1.3.5
Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB
Verbindlichkeitsrückstellungen werden gebildet, um der handelsrechtlichen Zielsetzung nachzukommen, Ausschüttungen nur in dem Maße zuzulassen, wie dies unter Gläubigerschutzgesichtspunkten zu vertreten ist. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten dienen allein dazu, die unsicheren Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber Dritten aufzunehmen.424 Auch aus wirtschaftlichen Gründen können Ausgaben ohne Verpflichtungscharakter gegenüber Dritten zu antizipieren sein, die in der Zukunft notwendigerweise anfallen werden und gleichzeitig vergangenen Erträgen zuzurechnen sind.425 Es besteht dann eine wirtschaftliche Verpflichtung des Unternehmens sich selbst gegenüber, also eine Innenverpflichtung. Da die Aufwendungen keine Schuld gegenüber Dritten begründen, liegen weder öffentlichrechtliche, privatrechtliche noch faktische Außenverpflichtungen vor. Das Unternehmen kann sich dieser Innenverpflichtung aber ebenfalls nicht entziehen.426 Eine Innenverpflichtung kann mit Hilfe einer Aufwandsrückstellung bilanziell abgebildet werden, wenn die Voraussetzungen des § 249 Abs. 2 HGB erfüllt sind. Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB unterliegen de lege lata einem Passivierungswahlrecht. So kann ein Unternehmen dem aktuellen oder potenziellen Anteilseigner über die Bilanz Informationen über die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zur Verfügung stellen, ungeachtet dessen, auf welchem Verpflichtungscharakter die Rückstellung beruht. Wird das Wahlrecht nicht ausgeübt, muss die Verpflichtung aufgrund der Informationsfunktion des Jahresabschlusses sowie des Bilanzgrundsatzes der Willkürfreiheit unter den sonstigen finanziellen Verpflichtungen im Anhang dargestellt werden.427 Die Bildung von Aufwandsrückstellungen dient der Sicherung des Unternehmensfortbestands, da sichergestellt wird, dass Aufwendungen im Zeitpunkt ihres tatsächlichen Anfalls verkraftbar sind.428 Freiwillig durchzuführende Umweltschutzmaßnahmen, denen kein wirtschaftlicher Zwang zugrunde liegt, können keine 424 425 426 427 428
Vgl. Coenenberg (2003), S. 348ff. Vgl. Naumann (1993), S. 102f. Vgl. Kämpfer (1994), S. 262f. Näher hierzu siehe Kap. 4.4.1.1. Vgl. Lederle (1990), S. 63.
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Aufwandsrückstellungen begründen, da es sich um vermeidbare Ausgaben handelt, die das Unternehmen aufgrund eines erhofften zukünftigen Nutzens durchführt.429 Dem Aktionär würden ansonsten ausschüttbare Gewinne vorenthalten werden.
4.1.3.5.1 Allgemeine Passivierungskriterien Um missbräuchlichen Gestaltungen vorzubeugen und um ein ausgewogenes Maß zwischen Gläubiger- und Aktionärsschutz zu erreichen, sind strenge Anforderungen an den Ansatz von Aufwandsrückstellungen zu stellen, zumal bei Innenverpflichtungen kein Dritter existiert, der bei Außenverpflichtungen die objektive Instanz darstellt. Die Kriterien sind anders als bei den durch den BFH interpretierten Verbindlichkeitsrückstellungen in § 249 Abs. 2 HGB kodifiziert. Der den Schuldcharakter einer Verpflichtung begründende Dritte wird bei Innenverpflichtungen letztlich durch ein erhöhtes Erfordernis der Greifbarkeit ersetzt, unter dem die einzelnen Anforderungen subsumiert werden.430 Dadurch wird das Greifbarkeitserfordernis zum Objektivierungsmaßstab. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 249 Abs. 2 HGB Aufwandsrückstellungen zu bilden sind, sind eng auszulegen.431 Zur Bildung einer Aufwandsrückstellung müssen Aufwendungen432 •
in ihrer Eigenart genau umschrieben (Aufwandsumschreibung),
•
dem abgelaufenen oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnen (Aufwandszuordnung oder -verursachung) und
•
am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher (Aufwandserwartung), aber
•
hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbestimmt sein (Aufwandsunbestimmtheit).
Diese Anforderungen an Aufwandsrückstellungen müssen kumulativ vorliegen, um das Passivierungswahlrecht ausüben zu können. Zudem dürfen auch hier aktivierungsfähige Aufwendungen für Umweltschutzmaßnahmen nicht über eine Rückstellung antizipiert werden, da ansonsten keine wirtschaftliche Belastung vorliegt.433
429 430 431 432 433
So auch Philipps (1995), S. 251f.; Philipps (1996), S. 806. Vgl. Köster (1994), S. 180; Philipps (1995), S. 66. Vgl. Philipps (1995), S. 66f. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 396; Philipps (1995), S. 69f. Näher zum Begriff der wirtschaftlichen Belastung siehe Kap. 3.1.5.2.
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4.1.3.5.2 Aufwandsumschreibung Erste Voraussetzung für den Ansatz einer Aufwandsrückstellung ist eine genaue Umschreibung des vorliegenden Aufwands. Da diese Anforderung ein Wesensmerkmal aller Rückstellungen darstellt, kommt ihr lediglich klarstellende Bedeutung zu.434 Die genaue Aufwandsumschreibung wird gesetzlich gefordert, um der willkürlichen Bildung von Rückstellungen für das allgemeine Unternehmensrisiko vorzubeugen.435 Um der genauen Aufwandsumschreibung gerecht zu werden, müssen Zweck und Inhalt der Rückstellung genau feststehen.436 Der zugrundeliegende Sachverhalt ist so konkret zu bezeichnen, dass die Aufwendungen nicht nur eindeutig bestimmbar sind, sondern auch eindeutig geplanten Maßnahmen zugeordnet werden können.437 Die künftigen Maßnahmen sind nach Art, Menge und Objekt zu konkretisieren.438 Bei Umweltschutzverpflichtungen sind die einzelnen Maßnahmen zur Schadensbeseitigung, -verhütung oder -begrenzung sowie ggf. weitere Angaben zum Inhalt des Umweltschadens und eine Kalkulation der wahrscheinlich anfallenden Kosten darzulegen.439 Da eine Objektivierung anhand eines Dritten ausscheidet, ist hinsichtlich der Aufwandsumschreibung der erklärte Wille des Unternehmens maßgeblich.440
4.1.3.5.3 Aufwandszuordnung oder -verursachung Die Aufwandszuordnung zum abgelaufenen oder einem früheren Geschäftsjahr entspricht dem Grundsatz der Abgrenzung der Sache und der Zeit.441 Da ein rechtliches Entstehen einer Verpflichtung bei Aufwandsrückstellungen entfällt, ist unter Periodisierungsgesichtspunkten allein die objektive wirtschaftliche Zugehörigkeit der Aufwendungen zu realisierten Erträgen entscheidend. Eine Passivierung kommt unter Heranziehung des Realisationsprinzips in seiner erweiterten Fassung nur in Betracht, wenn eine „konkrete und intersubjektiv nachprüfbare Kausalität zwischen den realisierten Erträgen und den später dafür anfallenden Ausgaben“442 gegeben ist. Meines Erachtens ist grundsätzlich von einer Analogie der Anforderungen des BFH zu Verbindlichkeitsrückstellungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Verursachung aus434 435 436 437 438 439 440 441 442
Vgl. Bartels (1992a), S. 226. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 396; Klein (1998), S. 100; Naumann (1993), S. 133; Bartels (1992a), S. 226; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 249 HGB Rz. 202f. Vgl. Lederle (1990), S. 63. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 396; Coenenberg (2003), S. 370. Vgl. Lederle (1990), S. 63. Vgl. Bartels (1992a), S. 226. Vgl. Wesner (1994), S. 442f. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 396. Köster (1994), S. 169.
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zugehen, da es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten irrelevant ist, welche Art der Rückstellung vorliegt. Bei Innenverpflichtungen aus Umweltschutzmaßnahmen tritt wie bei faktischen Verpflichtungen regelmäßig das Problem auf, ob sich die Aufwendungen auf Erträge vergangener, zukünftiger oder gleichermaßen vergangener und zukünftiger Perioden beziehen.443 Siegel ist der Auffassung, dass ein Unternehmen Reparaturen zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Umweltverträglichkeit von technischen Anlagen oder Maschinen nicht nachholt, weil sie aus der Vergangenheit notwendig geworden sind, sondern allein, weil mit der Durchführung künftige Nutzenpotenziale geschaffen werden.444 Folgt man dieser Betrachtungsweise, ist die Bildung einer Aufwandsrückstellung wegen des fehlenden Vergangenheitsbezugs abzulehnen. Naumann argumentiert dagegen, indem er anführt, dass z. B. Reparaturen ihre Ursache in einem außerordentlichen, zeitbedingten oder nutzungsbedingten Verschleiß von Anlagen haben, mit der Folge, dass die Ausgaben durch in der Vergangenheit liegende Ursachen notwendig werden.445 Werden Instandhaltungsmaßnahmen nach 249 Abs. 1 Nr. 1 HGB innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres nachgeholt, sind sie rückstellungspflichtig. Der Gesetzgeber erkennt den Vergangenheitsbezug hier eindeutig an. Nach dem Ablauf von drei Monaten besteht gem. § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB ein Wahlrecht zur Bildung von Rückstellungen für unterlassene Instandhaltungen. In diesem Fall kann aber nicht plötzlich ein Zukunftsbezug vorliegen. Es ergibt sich somit aus der Gesetzesinterpretation ein eindeutiger Vergangenheitsbezug für Instandsetzungsmaßnahmen und Reparaturen. Aus dieser Analogie ist m. E. auch ein Vergangenheitsbezug für Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB herzuleiten. Gemäß § 249 Abs. 2 HGB besteht folglich in den Fällen, in denen sich die Aufwendungen auf Erträge vergangener Perioden beziehen, ein Passivierungswahlrecht.446
443 444 445 446
Vgl. Klein (1998), S. 101. Vgl. Siegel (1985), S. 15. Vgl. Naumann (1993), S. 137; Lederle (1990), S. 66. So auch Kupsch (1989), S. 58. Da Aufwendungen für Werbung oder für Forschung und Entwicklung auf die Erzielung zukünftiger Erträge gerichtet sind, sind sie, auch wenn die Aktivitäten im Geschäftsjahr unterlassen wurden, nicht rückstellungsfähig. Vgl. Coenenberg (2003), S. 370; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 396f.
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4.1.3.5.4 Aufwandserwartung Wie bei Verbindlichkeitsrückstellungen nach § 249 Abs. 1 HGB muss für die Qualifizierung als Aufwandsrückstellung der zugrundeliegende Sachverhalt am Bilanzstichtag wahrscheinlich oder sogar sicher anfallen. Hinsichtlich der inhaltlichen Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit des Ausgabenanfalls werden in der handelsrechtlichen Literatur zwei Lösungen vertreten. Einerseits sind in Analogie zur Verbindlichkeitsrückstellung an die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Innenverpflichtung dieselben Maßstäbe anzulegen wie an eine Außenverpflichtung.447 Andererseits kann aus dem Gesetzeswortlaut „oder sicher“ interpretiert werden, dass eine erhöhte, an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit bei Rückstellungsbildung vorzuliegen hat.448 Nach dieser Auffassung muss entweder die „objektive Notwendigkeit“449 bestehen, die beabsichtigten Maßnahmen später tatsächlich durchzuführen, oder es müssen zumindest „objektive Anhaltspunkte“450 existieren, die diese Absicht des Unternehmens belegen. Wieso hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitskriteriums bei Aufwandsrückstellungen restriktivere Maßstäbe anzulegen sein sollten, ist nicht ersichtlich. Ob eine Innen- oder Außenverpflichtung vorliegt, sollte für die bilanzielle Abbildung irrelevant sein. Den Gläubiger und Aktionär interessiert gleichermaßen lediglich, ob ein Aufwandsanfall wahrscheinlich ist, nicht aber, aus welcher Art Verpflichtung er stammt. Einigkeit besteht in der Literatur darüber, dass bloße Vermutungen über einen Umweltschaden für den Ansatz einer Aufwandsrückstellung nicht ausreichen, da die zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeit der zu antizipierenden Aufwendungen zu gering ist.451
4.1.3.5.5 Aufwandsunbestimmtheit Bei gesetzestreuer Auslegung des § 249 Abs. 2 HGB dürfen Aufwandsrückstellungen für Sachverhalte nur gebildet werden, deren Höhe oder Eintrittszeitpunkt unbestimmt ist. Unbestimmtheit hinsichtlich der Höhe besteht, wenn diese nur grob geschätzt werden kann, Unbestimmtheit hinsichtlich des Zeitpunktes, wenn noch keine genauen zeitlichen Termine vorlie-
447 448 449 450 451
Vgl. Bartels (1992a), S. 228; Naumann (1993), S. 134; Klein (1998), S. 103. Vgl. Köster (1994), S. 167. Bartels (1992a), S. 228. Bartels (1992a), S. 228. Vgl. Köster (1994), S. 168; Philipps (1995), S. 72.
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gen.452 Bei einer eine Innenverpflichtung begründenden Umweltschutzmaßnahme liegt regelmäßig der Grund der Rückstellung genau fest. Aus dem Gesetzeswortlaut aber wäre zu schließen, dass der Höhe und dem Eintrittszeitpunkt nach exakt bestimmbare Sachverhalte nicht handelsbilanziell als Aufwandsrückstellung abgebildet werden dürfen. Diese Interpretation läuft aber nach allgemeiner Literaturmeinung der vom Gesetzgeber gewollten Intention zuwider.453 Wenn bei Unsicherheit von Höhe und Eintrittszeitpunkt ein Passivierungswahlrecht besteht, dann sollte dieses Wahlrecht erst recht bei hinsichtlich der Höhe und des Eintrittszeitpunktes exakt bestimmbaren Sachverhalten ausgeübt werden können.454 Das Gesetz kann an dieser Stelle nur so interpretiert werden, dass eine absolute Gewissheit hinsichtlich Höhe und Eintrittszeitpunkt nicht gefordert wird. Sind die Höhe und der Eintrittszeitpunkt einer Verpflichtung exakt bestimmbar, ist allerdings zu prüfen, ob eine Verbindlichkeit vorliegt. Eine Verbindlichkeit ist abzubilden, wenn das Unternehmen Umweltschutzmaßnahmen beabsichtigt, für die schon vertragliche, inhaltlich und zeitlich konkrete Vereinbarungen mit Dritten vorliegen. Aus einer zunächst bestehenden Innenverpflichtung wird im vorliegenden Fall eine Außenverpflichtung.
4.1.3.5.6 Systemkonformes Passivierungswahlrecht? De lege lata besteht handelsbilanziell hinsichtlich der Bildung von Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB ein Passivierungswahlrecht. Es erscheint fraglich, ob dieses Ansatzwahlrecht zur Bilanzierungssicherheit sowie zur Erfüllung des handelsrechtlichen Informations- und Kapitalerhaltungsziels beiträgt. Bilanzierungswahlrechte stellen, so Bartels, lediglich einen „gesetzlich legitimierten Manipulationsspielraum“455 dar. Da Aufwandsrückstellungen dem Ziel der Information dienen, besteht nach der hier vertretenen Auffassung kein Raum für ein Wahlrecht bei Aufwandsrückstellungen. Ein Nichtausweis der Aufwendungen, die eine Aufwandsrückstellung begründen, würde zu überhöhten Gewinnen auf Kosten folgender Perioden führen,456 mithin die periodengerechte Bilanzierung verzerren und das Bild der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage verfälschen. De lege ferenda ist zum einen die Aufhebung des Wahlrechtes,457 zum anderen die Rückstellungspflicht für (alle
452 453 454 455 456 457
Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 397. Vgl. Dörner (1991), S. 228; Klein (1998), S. 104. Vgl. Bartels (1992a), S. 230f.; Naumann (1993), S. 134. Bartels (1992a), S. 231. Vgl. Naumann (1993), S. 138. So auch Naumann (1993), S. 368f.
100
Arten von) Aufwandsrückstellungen zu fordern. Eine Passivierungspflicht gebietet ebenfalls der Grundsatz der Abgrenzung der Sache und der Zeit. Der Deutsche Standardisierungs Rat (DSR) hat im Rahmen seiner Beratungsaufgabe nach § 342 Abs. 1 Nr. 2 HGB im Mai 2005 Vorschläge zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) mit der Zielsetzung der Umsetzung grundlegender Reformen des Handelsgesetzbuches unterbreitet.458 Seine Vorschläge beziehen sich dabei insbesondere auf die Streichung gesetzlicher Wahlrechte, wie das des § 249 Abs. 2 HGB. Entgegen der hier vertretenen Auffassung fordert der DSR aber ein striktes Passivierungsverbot für Innenverpflichtungen, um eine Annäherung des HGB an die IFRS zu erreichen.
4.1.3.5.7 Das Verhältnis von Aufwands- zu Verbindlichkeitsrückstellungen Aufwandsrückstellungen unterliegen eigenen Voraussetzungen, die additiv erfüllt sein müssen.459 Auch wenn mit Hilfe von Aufwandsrückstellungen lediglich Maßnahmen aus unternehmensinternen Beweggründen abgebildet werden, sind an die Konkretisierbarkeit der Rückstellungen gleichartige Anforderungen wie an Verbindlichkeitsrückstellungen zu stellen.460 Im Hinblick auf Umweltschutzmaßnahmen kommt zusammenfassend die mögliche Bildung derartiger Rückstellungen m. E. insbesondere dann in Betracht, •
wenn kein Dritter vorhanden ist und die Verpflichtung aus rein wirtschaftlichen Gründen resultiert (alleinige Aufwandsrückstellung),
•
wenn das Unternehmen über die bestehende Verpflichtung gegenüber einem Dritten hinaus noch weitere Umweltschutzmaßnahmen aus rein wirtschaftlichen Gründen vorzunehmen hat (zusätzliche Aufwandsrückstellung),
•
wenn ein betriebliches Eigeninteresse ein Gemeininteresse überlagert und
•
wenn die Voraussetzungen für Rückstellungen aus öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nicht vorliegen, da eine Rückstellungsbildung – schließt man sich der restriktiven Haltung des BFH an – an der mangelnden hinreichenden Konkretisierung scheitert.
4.1.3.5.8 Umqualifizierung als Verbindlichkeitsrückstellung Die handelsrechtlich kodifizierten Voraussetzungen von Aufwandsrückstellungen werden bei Aufwendungen für Umweltschutzmaßnahmen in einer Vielzahl der Fälle weit eher erfüllt als 458 459 460
Vgl. DSR (2005): Vorschläge zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 03.05.2005. So auch Philipps (1995), S. 68 und S. 83. Vgl. Bartels (1992a), S. 226.
101
die restriktiven Hürden von Verbindlichkeitsrückstellungen, insbesondere bei öffentlichrechtlichen Verpflichtungen. Liegt z. B. eine Kontamination eines Grundstücks vor, von der die zuständige Umweltbehörde noch keine Kenntnis besitzt, scheidet eine Verbindlichkeitsrückstellung de lege lata aufgrund der mangelnden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aus. Da der Umweltschaden mitunter die Nutzung des Grundstücks beeinträchtigt und eine Sanierung somit aus wirtschaftlichen Gründen zwingend für das Unternehmen durchzuführen ist, käme grundsätzlich die Bildung einer Aufwandsrückstellung in Betracht. Wenn entweder die Behörde von der Kontamination Kenntnis erlangt und eine Sanierung anordnet oder die Öffentlichkeit die Beseitigung des Umweltschadens durch Dekontaminationsmaßnahmen fordert, ist zu prüfen, ob Aufwandsrückstellungen aufgrund neuer Sachverhaltstatbestände in Verbindlichkeitsrückstellungen umzuqualifizieren sind. Dies ist der Fall, wenn ceteris paribus alle eine Außenverpflichtung begründenden Voraussetzungen erfüllt sind. Wie schon beim betrieblichen Eigeninteresse öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen diskutiert wurde,461 geht die zwingend anzusetzende Verbindlichkeitsrückstellung dem Ansatzwahlrecht der Aufwandsrückstellung vor. In den Fällen, in denen sich nachträglich eine Außenverpflichtung einstellt, steht die Aufwandsrückstellung in einer Art vorstufenähnlicher Beziehung zu einer Verbindlichkeitsrückstellung.462
4.1.4
Rückstellungsbewertung: Grundlagen und ausgewählte Problembereiche
Nachdem die Voraussetzungen und Interpretationen der Ansatznormen für Rückstellungen gem. § 249 Abs. 1 und 2 HGB dargestellt, erörtert und gewürdigt worden sind, befasst sich der folgende Unterabschnitt mit der Rückstellungsbewertung. Dabei wird unterstellt, dass sowohl ein aktuell bestehender oder in Zukunft potenziell entstehender Umweltschaden als conditio sine qua non vorliegt als auch alle Voraussetzungen für einen Rückstellungsansatz gegeben sind. In der handelsrechtlichen Literatur wird vereinzelt die These vertreten, dass aufgrund des Passivierungswahlrechtes für Aufwandsrückstellungen die Möglichkeit besteht, derartige Rückstellungen mit einem beliebigen Betrag zwischen null und dem Höchstbetrag zu bewerten.463 Meines Erachtens ist hier aber ganz klar zwischen dem für Aufwandsrückstellungen geltendem Ansatzwahlrecht und ggf. existierenden Bewertungswahlrechten zu trennen. Ein solches hat der Gesetzgeber für Aufwandsrückstellungen nicht eingeräumt. Entscheidet sich 461 462 463
Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.2.4. Vgl. Philipps (1995), S. 250. Vgl. Naumann (1993), S. 362f.
102
das Unternehmen für einen Rückstellungsansatz, besteht für eine wahlweise Bewertung kein Raum. Es sind die Aufwendungen anzusetzen, die voraussichtlich auf das Unternehmen zukommen werden.464 Da die handelsrechtliche Bewertungsnorm zwischen Verbindlichkeitsund Aufwandsrückstellungen nicht unterscheidet, unterbleibt im Folgenden eine Differenzierung.
4.1.4.1
Bewertungsgrundsätze
Handelsrechtliche Bewertungsgrundlage für Rückstellungen stellt § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB dar. Danach sind Rückstellungen nur in Höhe des Betrages anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Dieser Betrag wird in der handelrechtlichen Literatur als Erfüllungsbetrag465 definiert, der gleichzeitig die Wertober- als auch -untergrenze darstellt. Der Erfüllungsbetrag hat alle Aufwendungen zu berücksichtigen, die im Hinblick auf die Erfüllung der Verpflichtung seitens des Schuldners tatsächlich anfallen werden. Bei Geldleistungsverpflichtungen ist der bei Verbindlichkeiten nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB maßgebliche Rückzahlungsbetrag anzusetzen, bei Sach- bzw. Dienstleistungsverpflichtungen der äquivalente Geldwert aller anfallenden Aufwendungen.466 Gerade bei Umweltschutzmaßnahmen, wie z. B. Sanierungen oder Rekultivierungen, kommt den Sachleistungsverpflichtungen eine große Bedeutung zu. Bei der Ermittlung des Erfüllungsbetrages sind Schätzungen notwendig, wobei der handelsrechtliche Grundsatz der Vorsicht zu beachten ist.467 Hilfreich kann die Einholung von Sachverständigengutachten sein. Es ist jedoch zu beachten, dass „die Beschränkung auf ein [...] externes Gutachten [...] eine unzulässige Einschränkung der möglichen Beweismittel“468 bedeuten kann. Die Einholung solcher Gutachten ist folglich nicht zwingend, aber zur Bestimmung des Erfüllungsbetrages zweckmäßig. Zudem sollten grundsätzlich mehrere Kostenvoranschläge, Sanierungsangebote u. Ä. eingeholt werden, da so eine intersubjektive Nachprüfbarkeit 464 465 466 467 468 469
der
Rückstellungsbewertung
sichergestellt
ist.469
Ein
bei
der
Ähnlich argumentierend Naumann (1993), S. 363. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 168; Coenenberg (2003), S. 105f.; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Rz. 72; Naumann (1993), S. 257. Vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 1972 – I 114/65, S. 392f.; BFH-Urteil vom 11. Februar 1988 – IV R 191/85, S. 661ff.; Köster (1994), S. 183f. Vgl. Bordewin (1992a), S. 1533. Herzig (1993a), S. 172; so auch Köster (1994), S. 225. Vgl. Bäcker (1994), S. 15.
103
Rückstellungsbewertung vorliegender Ermessensspielraum darf weder zur Legung stiller Reserven ausgenutzt werden470 noch zu einer bewussten Unterdotierung von Rückstellungen führen.471 Liegen mehrere mögliche Handlungsalternativen mit unterschiedlich hohen Beträgen vor, ist nicht der ungünstigstenfalls eintretende Betrag, sondern der mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit zurückzustellen.472 Dieser Betrag entspricht auch der Informationsfunktion des Abschlusses, da er die realistischste Alternative widerspiegelt. Er reicht auch aus, um den Gläubiger zu schützen. Mit Blick auf das Vorsichtsprinzip ist bei gleich hohen Wahrscheinlichkeiten hinsichtlich der einzelnen Maßnahmen der höchste in Frage kommende Betrag anzusetzen.
4.1.4.2
Ausgewählte Problemfelder
4.1.4.2.1 Ausmaß einzubeziehender Aufwendungen Bei der Bewertung von Rückstellungen, denen eine Sachleistungsverpflichtung zugrunde liegt, stellt sich die Frage nach dem Ausmaß der einzubeziehenden Aufwendungen insbesondere dann, wenn das Unternehmen die Umweltschutzmaßnahmen selbst durchführt. Neben den obligatorisch anzusetzenden Einzelkosten ist zu untersuchen, ob Gemeinkosten rückstellungsfähig bzw. -pflichtig sind und somit ein Vollkostenansatz geboten ist. Dabei gibt das Gesetz diesbezüglich keinen Anhaltspunkt. Gemäß § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB besteht für Herstellungskosten aktivisch das Wahlrecht, anfallende Gemeinkosten einzubeziehen. Zu untersuchen ist, ob dieses Wahlrecht auch für die Passivseite Gültigkeit besitzt. Während die Bewertung zu Einzelkosten auf der Aktivseite aus Vorsichtsgründen statthaft ist, „würde die mögliche Eliminierung von Gemeinkosten bei der Rückstellungsbewertung das Gegenteil bewirken“473. Ein unter den Vollkosten liegender Betrag führt zu einem zu geringen Schuldenausweis. Das bilanzierende Unternehmen verstieße sowohl gegen den Grundsatz der Vollständigkeit, da nicht alle Schulden ihrer Höhe nach angesetzt würden, als auch gegen das
470 471 472
Vgl. Moxter (1989), S. 947. Vgl. Berger/Ring (2003b), § 253 HGB Rz. 154; Coenenberg (2003), S. 371. Vgl. Berger/Ring (2003b), § 253 HGB Rz. 155; Kupsch (1992), S. 2327; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 373; anders Coenenberg (2003), S. 372. 473 Kupsch (1992), S. 2327.
104
Imparitätsprinzip, da bereits zu antizipierende Gemeinkosten nicht berücksichtigt würden.474 Da sich das Unternehmen reicher rechnen würde, als es tatsächlich ist, würde dies einen eindeutigen Verstoß gegen den Vorsichtsgrundsatz und den Gläubigerschutz bedeuten. Zudem sollten für Verpflichtungen, die das Unternehmen durch eigene Mitarbeiter und Maschinen selbst erfüllt, und für Verpflichtungen, zu deren Erfüllung sich das Unternehmen Dritter bedient, dieselben Bewertungsvoraussetzungen gelten. Aus der Bewertungsgleichheit ergibt sich, dass angemessene Teile der Gemeinkosten in die Herstellungskosten einzubeziehen sind.475 Das Wahlrecht lässt sich daher auf die Passivseite der Bilanz nicht anwenden. Für die Bewertung von Rückstellungen sind die Vollkosten anzusetzen.476 Neben dem Ansatz der unechten Gemeinkosten sind die echten Gemeinkosten quantitativ auf die Nutzkosten und qualitativ auf die im Zusammenhang mit der Umweltschutzmaßnahme entstehenden Kosten zu beschränken.477
4.1.4.2.2 Antizipation zukünftiger Preissteigerungen Hinsichtlich des zugrunde zu legenden Preisniveaus kommen für die Rückstellungsbewertung grundsätzlich zwei verschiedene Zeitpunkte in Betracht, zum einen das Preisniveau am Bilanzstichtag, zum anderen das Preisniveau im Erfüllungszeitpunkt der Verpflichtung.478 In der Regel wird das Preisniveau zum Bilanzstichtag wegen jährlicher Preissteigerungen unter demjenigen im Erfüllungszeitpunkt liegen. Die Frage, ob künftige Preissteigerungen in die Bemessung der Rückstellungshöhe einfließen sollten, wird in der Literatur kontrovers diskutiert.479 Brisant ist diese Problematik besonders dann, wenn zwischen den beiden Zeitpunkten ein langer Zeitraum liegt, wie bei Rekultivierungsverpflichtungen. Für eine Einbeziehung künftiger Preissteigerungen in die Bemessungsgrundlage für Rückstellungen spricht grundsätzlich das Imparitätsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Drohende Verluste sind schon dann auszuweisen, wenn sie zwar noch nicht realisiert, aber dennoch vorhersehbar sind. Da von einem allgemeinen Anstieg des Preisniveaus auszugehen ist, wären 474 475 476
So auch Köster (1994), S. 186f. Vgl. Klein (1998), S. 107. So auch Naumann (1993), S. 261; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 402f.; Christiansen (1987), S. 196f.; Kupsch (1992), S. 2327; Köster (1994), S. 186; Herzig/Köster (1999), Rn. 168. 477 Vgl. Naumann (1993), S. 265ff. Näher zu echten und unechten Gemeinkosten siehe Haberstock (2004), S. 57ff. 478 Vgl. Naumann (1993), S. 272. 479 Vgl. Naumann (1993), S. 272ff.; Berger/Ring (2003b), § 253 HGB Rz. 160; Lüdenbach (2003), S. 837.
105
folglich künftige Preissteigerungen als drohende Verluste mit in die Rückstellungsbemessung einzubeziehen. Zudem kann die Einbeziehung künftiger Preissteigerungen mit der Konzeption des Erfüllungsbetrages begründet werden, der den erforderlichen Aufwand zum Zeitpunkt des Ausgabenanfalls erfassen soll.480 Auch lässt der unbestimmte Begriff der vernünftigen kaufmännischen Beurteilung grundsätzlich die Berücksichtigung künftiger Wertverhältnisse zu.481 Gegen eine derartige Einbeziehung spricht das dem Handelsrecht zugrundeliegende Nominalwertprinzip, nach dem die am Bilanzstichtag geltenden Stichtagspreise maßgeblich sind.482 Die Einbeziehung künftiger Preissteigerungen bedeutet zudem das praktische Problem einer sinnvollen Antizipation. Aufgrund von Unsicherheitsfaktoren (Zeitraum, Inflationshöhe etc.) wären bilanzpolitische Spielräume stark dehnbar. Der Ansatz wäre somit wesentlich anfälliger für Manipulationen. Künftige Preissteigerungen sollten im Handelsrecht daher grundsätzlich keine Beachtung finden,483 zumal sie im abgelaufenen Geschäftsjahr nicht verursacht sind. Preiserhöhungen dagegen, die vor dem Bilanzstichtag verursacht sind, müssen einbezogen werden. So sind in der Vergangenheit passivierte Beträge dem am Bilanzstichtag gültigen Preisniveau anzupassen. Nach herrschender Meinung ist eine Antizipation künftiger Preissteigerungen in den Fällen möglich, in denen die Preissteigerungen am Bilanzstichtag als genügend greifbar anzusehen sind.484 Ist das Risiko einer Preissteigerung am Bilanzstichtag entstanden, ist auch nach dem Imparitätsprinzip eine bilanzielle Berücksichtigung notwendig. Das Imparitätsprinzip greift hier für eine schon am Bilanzstichtag konkret gewordene Preissteigerung, die eine werterhellende Tatsache darstellt. Als Beispiel ist ein kurz vor dem Abschluss stehender Tarifvertrag zu nennen.485 In einer zu dotierenden Rückstellung sind die zur Erfüllung der Umweltschutzverpflichtung anfallenden Lohnkosten mit dem neuen Preisniveau zu berücksichtigen.
4.1.4.2.3 Abzinsung von Rückstellungen Gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB dürfen Rückstellungen nur abgezinst werden, soweit die ihnen zugrundeliegenden Verbindlichkeiten einen Zinsanteil enthalten. Bei den zu erfüllenden 480 481 482
Vgl. Kupsch (1992), S. 2328; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 402. Vgl. Lüdenbach (2003), S. 837. Rückstellungsänderungen, die ihre Ursache nicht im Preis-, sondern im Mengengerüst finden, werden vom Nominalwertprinzip nicht tangiert. Sie sind bei der Rückstellungsbewertung zwingend zu berücksichtigen. Vgl. Köster (1994), S. 189; Naumann (1993), S. 279. 483 So auch Herzig (1990), S. 1353; Naumann (1993), S. 272ff. 484 Vgl. Herzig (1990), S. 1353; Kupsch (1992), S. 2327f.; Naumann (1993), S. 278; Herzig/Köster (1999), Rn. 171. 485 Vgl. Köster (1994), S. 188.
106
Umweltschutzverpflichtungen handelt es sich regelmäßig um Sachleistungsverpflichtungen, bei denen eine offene Abzinsung in Ermangelung eines Kreditgeschäftes oder eines Vertrages, der Zinsabreden enthält, nicht in Betracht kommt. Verdeckte Zinsabreden sind grundsätzlich ebenfalls nicht anzunehmen.486 Das grundsätzliche Verbot, Rückstellungen abzuzinsen, ergibt sich aus der Tatsache, dass Rückstellungen mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen sind.487 Aufwand stellt am Bilanzstichtag der volle und nicht der abgezinste Betrag dar. Die Abzinsung einer Rückstellung würde eine erfolgswirksame Einstellung von Erträgen in die Gewinn- und Verlustrechnung bedeuten, ohne dass diese Erträge tatsächlich realisiert worden wären.488 Demzufolge würde eine Abzinsung gegen das Realisationsprinzip i.e.S. verstoßen und ist daher mit handelsrechtlichen Grundlagen nicht zu vereinbaren. Auch die Tatsache, dass bei Rückstellungen mit Hinblick auf das Nominalwertprinzip Aufwandsschätzungen auf Basis des aktuellen Preisniveaus vorgenommen werden, spricht gegen eine Abzinsung, denn diese Gegenwartspreise stellen bereits Barwerte dar.489
4.1.4.2.4 Saldierungsmöglichkeiten aus Rückgriffsansprüchen Zur Risikoabwälzung werden Unternehmen, die Umweltrisiken im Rahmen ihrer Produktionstätigkeit nicht völlig ausschließen können, regelmäßig Umwelthaftpflichtversicherungen abschließen. Betreiber bestimmter Anlagen, für die § 19 Abs. 1 i. V. m. Anhang 2 UmweltHG gilt, sind sogar zur Deckungsvorsorge verpflichtet (§ 19 Abs. 1 UmweltHG). Tritt ein Umweltschaden durch die Aktivitäten des Unternehmens ein, gerät das Unternehmen einerseits in eine Verpflichtung, andererseits kann es seine Ansprüche gegenüber der Versicherung geltend machen. Im Folgenden wird untersucht, ob bei der Bewertung von Rückstellungen etwaige Versicherungsansprüche zu berücksichtigen sind. Versicherungsansprüche stellen bilanziell abzubildende Forderungen des Unternehmens gegenüber Dritten dar, wenn sie dem Aktivierungsgrundsatz genügen. Da konkrete Aktivierungsverbote hinsichtlich Versicherungsansprüchen nicht existieren, ist eine Aktivierung geboten, wenn die abstrakten Voraussetzungen erfüllt sind.
486 487 488 489
Vgl. Klein (1998), S. 69f.; Köster (1994), S. 189f. Vgl. Köster (1994), S. 189. So auch Beiser (2001), S. 297. Vgl. Beiser (2001), S. 297.
107
Ist der Rückgriffsanspruch gegen das Versicherungsunternehmen z. B. durch schriftliche Bestätigung anerkannt, kann regelmäßig vom Vorliegen der Aktivierungsprämissen ausgegangen werden. Da der Anspruch selbstständig verwertbar und verkehrsfähig ist, ist grundsätzlich eine Forderung aus der Versicherungsleistung in der Handelsbilanz zu aktivieren. Gleichzeitig ist eine Rückstellung aus der Verpflichtung zu bilden. Zu untersuchen ist, ob hier eine Aufrechnung oder Saldierung vorgenommen werden kann. Eine Aufrechnung kommt grundsätzlich in Betracht, wenn neben der Gleichartigkeit von Forderung und Verbindlichkeit die allgemeinen Aufrechnungsgrundsätze gem. § 387 BGB, Identität von Gläubiger und Schuldner (Gegenseitigkeit) und Gleichfristigkeit der gegenseitigen Forderungen, erfüllt sind.490 Zum einen liegt keine Identität von Gläubiger und Schuldner vor, da das Versicherungsunternehmen regelmäßig als Gläubiger ausscheidet. Zum anderen wird die Versicherung oftmals erst nach Behebung des Schadens zahlen, so dass auch die Gleichfristigkeit nicht gewahrt wird. Forderung und Rückstellung sind folglich nicht aufzurechnen. Eine Saldierung kommt aufgrund des Grundsatzes der Einzelbewertung gem. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB bzw. des Saldierungsverbotes gem. § 246 Abs. 2 HGB grundsätzlich nicht in Betracht.491 Beide Sachverhalte sind getrennt auszuweisen (Bruttomethode). Weist der Rückgriffsanspruch aber einen eindeutigen Zusammenhang zum Ereignis der Umweltschädigung auf, ist nach herrschender Meinung regelmäßig aufgrund des inneren Zusammenhangs ein Nettoausweis möglich.492 Da eine enge wechselseitige Kausalität zwischen der entstandenen Verpflichtung und dem Anspruch besteht, scheint diese Ausnahme vom Saldierungsverbot geboten, auch um dem wirtschaftlichen Gehalt des Sachverhaltes Rechnung zu tragen. Denn der Eintritt der Umweltschädigung zieht den Versicherungsanspruch zeitgleich nach sich. Ist die Inanspruchnahme des Versicherers aus dem Umweltschaden noch ungewiss oder droht diese aus mangelnder Schadensanerkennung zu scheitern, erfüllt der Versicherungsanspruch nicht die Aktivierungsvoraussetzungen. Der bilanzielle Ausweis einer Forderung kommt nicht in Betracht. Klein hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Handelsgesetzbuch kein Pendant zu Rückstellungen, also ungewissen (nicht im Sinne von zweifelhaften) Forderungen, vorsieht.493 Darf kein Aktivposten gebildet werden, ist zu prüfen, ob eine Berücksichtigung 490 491 492 493
Vgl. Förschle/Kroner (2003), § 246 HGB Rz. 81ff. Vgl. Bartels (1992a), S. 213f. Vgl. Köster (1994), S. 191f.; ähnlich Bordewin (1992a), S. 1536. Vgl. Klein (1998), S. 72.
108
In diesem Fall ist das Wahrscheinlichkeitskriterium heranzuziehen. Besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Verpflichtung und Rückgriffsanspruch und ist die Entstehung und Durchsetzbarkeit des Anspruchs wahrscheinlich, ist die Rückstellung um den Rückgriffsanspruch zu kürzen. Eine Rückstellungsminderung verstößt weder gegen den Grundsatz der Einzelbewertung noch gegen das Saldierungsverbot, da bei fehlendem Aktivposten eine Verrechnung nicht möglich ist.494 In der handelsrechtlichen Literatur, die die kompensatorische Beziehung zwischen Verpflichtung und kausalem Anspruch würdigt, wird ebenfalls der wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Vorrang eingeräumt.495 Im Extremfall einer vollständigen Risikodeckung kommt eine Rückstellung von null in Betracht.496 In dem Fall, in dem die Versicherung vom Umweltschaden noch nicht in Kenntnis gesetzt worden ist, deren künftige Leistung aber unstrittig ist, scheint daher eine Berücksichtigung des Rückgriffsanspruchs bei der Rückstellungshöhe grundsätzlich geboten. Scheitert der Anspruch des Unternehmens aber, weil z. B. die versicherungsvertraglichen Klauseln bestimmte Umweltschäden ausschließen, ist eine Rückstellung in voller Höhe anzusetzen.497 In diesem Fall ist nicht mehr von einem durchsetzbaren Anspruch gegenüber der Versicherung auszugehen. Zu klären bleibt, ob die vorgestellte Lösung mit dem Vorsichtsgrundsatz zu vereinbaren ist. Ist die Rückstellung zu niedrig bemessen, wird ein zu hoher Gewinn ausgewiesen, der eine zu hohe Ausschüttung zur Folge haben kann. Für Klein ist eine Rückstellung aus der Umweltschädigung daher ohne Berücksichtigung des Anspruchs in voller Höhe auszuweisen.498 Ein Verstoß gegen den Gläubigerschutz kann m. E. allerdings nicht gesehen werden, wenn die Inanspruchnahme der Versicherung wahrscheinlich ist.499 Den Gesellschaftern bzw. Aktionären würden Gewinne entzogen, die nur unter sehr unwahrscheinlichen Bedingungen zur Abdeckung des Umweltschadens benötigt würden. Zudem entspräche der Einblick in die Finanzund Ertragslage nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen und widerspräche somit der Informationsfunktion.
494 495 496 497 498 499
So auch Bartels (1992a), S. 214. Ähnlich Kupsch (1989), S. 59; Herzig/Hötzel (1991), S. 103f. Vgl. Bartels (1992a), S. 214f. So auch Kupsch (1992), S. 2328. Vgl. Klein (1998), S. 72. Vgl. Bartels (1992a), S. 216.
109
und Ertragslage nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen und widerspräche somit der Informationsfunktion..
4.2
Die Aktivierbarkeit von Umweltschutzaufwendungen
Bisher ist bei der Behebung von Umweltschäden zunächst davon ausgegangen worden, dass die damit verbundenen Maßnahmen eine wirtschaftliche Belastung für das Unternehmen darstellen. Bei vorliegender wirtschaftlicher Belastung ist für diesbezügliche Maßnahmen eine Rückstellung zu bilden, wenn die Rückstellungskriterien erfüllt sind. Umweltschutzverpflichtungen werfen aber auch die Frage auf, ob die vorzunehmenden Maßnahmen (nachträgliche) Anschaffungs- oder Herstellungskosten begründen können, die von bloßen Erhaltungsaufwendungen abzugrenzen sind. Erstere werden im Jahresabschluss über die künftigen Abschreibungen, Letztere sofort erfolgswirksam. Die Problemstellung tritt z. B. bei Sanierungs- oder Anpassungsmaßnahmen auf, da hier oftmals unklar ist, ob durch die Maßnahmen lediglich bestehende Vermögensgegenstände erhalten oder neue (nachträglich) angeschafft bzw. hergestellt werden (Filteranlagen, Drainagen, Betonwannen etc.).
4.2.1
Vermögensgegenstände aus Umweltschutzmaßnahmen
Ob Umweltschutzmaßnahmen aktivierungspflichtige Vermögensgegenstände begründen, ist nach den allgemeinen Aktivierungskriterien zu beurteilen. Die handelsrechtliche Literatur fordert, über die Kriterien des Aktivierungsgrundsatzes hinaus zu prüfen, ob nach dem Grundsatz der Sache nach Aufwendungen für die anzuschaffenden Güter bereits realisierten Erträgen zuzuordnen sind.500 Herzig ist der Auffassung, dass nur solche Aufwendungen zu aktivieren sind, „deren wirtschaftliche Verursachung eindeutig in der Zukunft liegt, weil sie unzweifelhaft künftige Umsätze alimentieren“501. Es kommt auf einen zukünftigen Nutzen an. Güter aus Anpassungsverpflichtungen erfüllen regelmäßig diese Bedingung, da sie im Zusammenhang mit der künftigen Produktion und künftigen Erträgen stehen. Fraglich erscheint dieser Zusammenhang bei Gegenständen, die bei der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen angeschafft werden. Gerade diese Gegenstände (wie z. B. Pumpanlagen) dienen dazu,
500 501
Vgl. Herzig (1994c), S. 248; Herzig (1990), S. 1350; Christiansen (1987), S. 198. Herzig (1994c), S. 248.
110
die in der Vergangenheit verursachte Verpflichtung (z. B. zur Eingrenzung von verseuchtem Grundwasser) zu erfüllen: Sie bringen künftig i. d. R. keinen Nutzen.502
4.2.2
Erhaltungsaufwendungen versus Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten aus Umweltschutzmaßnahmen
Eine systemkonforme Abgrenzung von Erhaltungsaufwendungen gegenüber aktivierungspflichtigen (nachträglichen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten muss über den Aktivierungsgrundsatz vorgenommen werden.503 Die abstrakte Aktivierungsfähigkeit eines Gutes liegt bei bilanzieller Greifbarkeit und selbstständiger Verwertbarkeit vor.504 Mitunter ist aufgrund der recht abstrakten Definition dennoch schwierig zu entscheiden, ob ein Gut durch Veräußerung oder Nutzenüberlassung verkehrsfähig ist und verwertet werden kann. § 255 Abs. 1 HGB definiert Anschaffungskosten als Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Herstellungskosten sind gem. § 255 Abs. 2 HGB die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Konkret lassen sich Anschaffungs- oder Herstellungskosten wie folgt systematisieren:505 •
Aufwendungen für die Erweiterung oder wesentliche Verbesserung eines Vermögensgegenstandes über seinen ursprünglichen Zustand hinaus (Erweiterung oder wesentliche Verbesserung),
•
Aufwendungen für die erneute Herstellung eines bereits existenten, voll abgenutzten Vermögensgegenstandes (Generalüberholung) oder
•
Aufwendungen für die Veränderung eines Vermögensgegenstandes dergestalt, dass quasi ein neuer Vermögensgegenstand mit veränderter Zweckbestimmung bzw. betrieblicher Funktion entsteht (Wesensänderung).
In allen übrigen Fällen, in denen keines der oben genannten Kriterien für die Annahme von (nachträglichen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten erfüllt ist, ist von Erhaltungsaufwen-
502 503 504 505
Vgl. Philipps (1995), S. 213. Näher zum Aktivierungsgrundsatz siehe Kap. 3.1.5.1. Vgl. Gail (1994), S. 88. Vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1979 – VIII R 83/77, S. 436; BFH-Urteil vom 09. Mai 1995 – IX R 116/92, S. 632ff.; BFH-Urteil vom 10. Mai 1995 – IX R 62/94, S. 180. Aufzählung in Anlehnung an Philipps (1995), S. 204.
111
dungen auszugehen. Erhaltungsaufwand liegt i. d. R. vor, wenn die Umweltschutzmaßnahmen lediglich der Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes dienen.506 Eine wesentliche Verbesserung eines Vermögensgegenstandes ist gegeben, wenn dieser über seinen ursprünglichen Zustand hinaus so sehr zum Positiven verändert wird, dass nach allgemeiner Verkehrsauffassung ein neuer, bisher nicht vorhandener Vermögensgegenstand geschaffen wird.507 Unter dem ursprünglichen Zustand ist nach allgemeiner Literaturauffassung der Zustand im Zeitpunkt des Zugangs des Vermögensgegenstandes zu verstehen.508 Im Zuge einer Generalüberholung wird ein verbrauchter, zerstörter oder vollständig abgenutzter Vermögensgegenstand wieder einer wirtschaftlichen Nutzung zugänglich gemacht. Zwingende Voraussetzung ist der Vollverschleiß, eine Nutzung ist nicht mehr oder nur sehr stark eingeschränkt möglich.509 Im Hinblick auf Sanierungsmaßnahmen sind nachträgliche Herstellungskosten grundsätzlich anzunehmen, wenn eine vorhandene, aber stark beschädigte Pumpanlage, die bis dato nicht mehr betrieblich genutzt werden konnte, vollkommen überholt wird und danach eine uneingeschränkte Nutzung zu Sanierungszwecken wieder möglich ist. Von einer Wesensänderung eines Vermögensgegenstandes ist auszugehen, wenn ein anderer Vermögensgegenstand als der ursprüngliche entsteht. Dies liegt bei einer neuen Zweckbestimmung des Vermögensgegenstandes vor. Bei dekontaminierten Grundstücken ist von einer Wesensänderung dann auszugehen, wenn sich ihr Zweck nach der Sanierung so ändert, dass sie einer neuen Zweckbestimmung zugeführt werden können,510 z. B. Wohngebiet anstatt Gewerbegebiet. Trotz dieser Prämissen zum Vorliegen von (nachträglichen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten wird eine eindeutige Abgrenzung zu Erhaltungsaufwendungen nicht immer problemlos möglich sein.511 Schwierig wird die Abgrenzung insbesondere in den Fällen, in denen Maßnahmen durchzuführen sind, die zum Ersatz oder Austausch von Anlagenteilen führen.512
506 507 508 509 510 511 512
Vgl. Depken (1999), S. 73. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 255 HGB Rz. 124f.; Philipps (1995), S. 207; ähnlich Schmidt/Roth (2004), S. 554. Vgl. Bordewin (1994), S. 1685; Philipps (1995), S. 207; Flies (1996), S. 584. Vgl. Philipps (1995), S. 209. Vgl. Philipps (1995), S. 210; ähnlich Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 255 HGB Rz. 124f. So auch Naumann (1993), S. 105. Vgl. Naumann (1993), S. 106.
112
4.2.3
(Scheinbar) wertlose Vermögensgegenstände aus Umweltschutzmaßnahmen
Da bestimmte Güter aus Umweltschutzmaßnahmen zur Erfüllung von Sanierungs- und Rekultivierungsverpflichtungen ausschließlichen Vergangenheitsbezug aufweisen (z. B. Drainagen, Betonwannen etc.), werden sie in der handelsrechtlichen Literatur regelmäßig als wertlos erachtet.513 Diese Güter leisten (scheinbar) keinen zukünftigen Erfolgsbeitrag, sondern dienen primär der Verpflichtungserfüllung aus in der Vergangenheit verursachten Schäden.514 Aufgrund der Tatsache, dass ein wertloses Gut weder im Rahmen einer Veräußerung des gesamten Unternehmens ins Gewicht fällt noch selbstständig verwertbar ist, wird die abstrakte Aktivierungsfähigkeit aufgrund dieser fehlenden bilanziellen Greifbarkeit häufig verneint.515 Im Zugangszeitpunkt des Gutes ist – so die Literatur – per Saldo kein Aktivtausch, sondern eine wirtschaftliche Belastung für das Unternehmen gegeben, die vergangenen Perioden zuzuordnen ist.516 Der Begriff Vermögensgegenstand sei bei diesen Gütern daher zu vermeiden. Nach dem Aktivierungsgrundsatz517 liegen aktivierungsfähige und -pflichtige Vermögensgegenstände vor, wenn sie durch Veräußerung oder Nutzenüberlassung verkehrsfähig sind und verwertet werden können. Daher genügen nach der hier vertretenen Auffassung auch die im Schrifttum problematisierten Güter nach deutschem Handelsrecht grundsätzlich diesem abstrakten Aktivierungsgrundsatz, da sie zu einem bestimmten Preis angeschafft wurden und somit verkehrsfähig sind. Das Gut erhält einen Wert durch Nutzenüberlassung, denn wäre es nicht vorhanden, würde das Unternehmen der Erfüllung der Sanierungs- oder Rekultivierungsverpflichtung nicht gerecht werden. Alimentieren die Aufwendungen für dieses Gut auch nicht künftige Erträge aus der Produktion, so werden dennoch über die Anschaffung Sanktionen vermieden. Gegebenenfalls müsste ansonsten die betreffende Anlage geschlossen werden. Zudem kann ein solches Gut wieder veräußert werden, wenn es nicht speziell für das Unternehmen angefertigt wurde oder fest mit anderen Vermögensgegenständen verbunden ist. Es handelt sich bei dem Gut folglich um einen Vermögensgegenstand, der als solcher zu aktivieren ist. Der konkreten Aktivierungsfähigkeit stehen sodann keine Verbote entgegen.
513 514 515 516 517
Vgl. Philipps (1995), S. 212. Vgl. Köster (1994), S. 201; Herzig (1990), S. 1350. Vgl. Philipps (1995), S. 212ff. Vgl. Bordewin (1994), S. 1687f.; Philipps (1995), S. 213f.; Christiansen (1987), S. 198. Näher hierzu siehe Kap. 3.1.5.1.
113
4.2.4
Rückstellungen für (scheinbar) wertlose Vermögensgegenstände aus Umweltschutzmaßnahmen
Die Bilanzierung einer Rückstellung erfordert das Vorhandensein einer wirtschaftlichen Belastung. Diese ist aber bei aktivierungspflichtigen (Umweltschutz-)Aufwendungen grundsätzlich nicht gegeben, weil mit der Vermögensbelastung gleichzeitig ein Vermögenszugang verbunden ist. Aktivierungsfähige Aufwendungen werden bei Zugang daher aufwandsneutral erfasst.518 Die Aufwandswirksamkeit fällt erst später im Rahmen der künftigen Nutzung über Abschreibungen an. Der Vermögensgegenstand ist zu aktivieren und planmäßig über die Jahre abzuschreiben. Die Grundsätze für die Bildung einer Rückstellung und die Aktivierungsgrundsätze gehen von miteinander unvereinbaren Periodisierungsansätzen aus.519 Rückstellungen für künftige Abschreibungen sind undenkbar.520 Bei aktivierungspflichtigen Umweltschutzaufwendungen kann aber – wie bei jeder schwebenden Investition – in dem Zeitraum zwischen Verpflichtung und Erfüllung (Anschaffung) die Angabe einer sonstigen finanziellen Verpflichtung im Anhang erforderlich werden. Trotz der eindeutigen Begründung diskutierte das Schrifttum über eine Rückstellungsbildung für (scheinbar) wertlose Vermögensgegenstände aus Umweltschutzmaßnahmen.521 Köster differenziert, ob der Abschreibungsaufwand durch die künftige Nutzung der Anlagen verursacht wird oder im Zusammenhang mit Umsätzen der abgelaufenen Periode steht.522 Im ersten Fall sei eindeutig eine Aktivierung vorzunehmen, eine Rückstellungsbildung komme nicht in Betracht. Im zweiten Fall sei eine Rückstellungsbildung gerechtfertigt, da eine eindeutige Verknüpfung des zukünftigen Abschreibungsaufwands zum abgelaufenen Geschäftsjahr erkennbar sei und somit eine Alimentierung bereits realisierter Erträge durch die künftigen Aufwendungen (erweitertes Realisationsprinzip) vorliege. Da die Güter jedoch der abstrakten Aktivierungsfähigkeit und konkreten Aktivierungspflicht unterliegen, scheidet m. E. auch in diesem Fall eine Rückstellungsbildung aus. Rückstellungen für Anschaffungs- oder Herstellungskosten kommen somit nie in Betracht.523
518 519 520 521 522 523
Vgl. Bartels (1992a), S. 150. Vgl. Bartels (1992a), S. 150ff. Vgl. Bartels (1992a), S. 152. Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 187ff.; Köster (1994), S. 200f. und S. 278f. Vgl. Köster (1994), S. 278f. So auch Kupsch (1992), S. 2323. Zu untersuchen ist aber, ob aktivierte, (scheinbar) wertlose Vermögensgegenstände aus Umweltschutzmaßnahmen unmittelbar nach der Aktivierung außerplanmäßig abzuschreiben sind.
114
4.3
Die außerplanmäßige Abschreibung als Instrument zur Berücksichtigung von Umweltschäden
Im Folgenden wird untersucht, ob und inwieweit Umweltschäden Wertminderungen der von den Schäden betroffenen Vermögensgegenstände hervorrufen können, die außerplanmäßige Abschreibungen rechtfertigen. Es wird unterstellt, dass die Vermögensgegenstände im Anlagevermögen gehalten werden.524
4.3.1
Grundsätzliches
Umweltschäden, die das Unternehmen an eigenen Vermögensgegenständen zu tragen hat, stellen i. d. R. Wertminderungen dar, die über Abschreibungen bilanziell abzubilden sind. Da die Schäden keinen Verpflichtungscharakter besitzen, kommt eine Rückstellung grundsätzlich nicht in Betracht.525 Abschreibungen dienen nach statischer Bilanzauffassung der Ermittlung eines dem Vermögensgegenstand angepassten Wertes, nach dynamischer Bilanzauffassung der Ermittlung eines periodengerechten Gewinnes.526 Nach der Konzeption des deutschen Handelsrechts, das Elemente beider Bilanztheorien enthält, trägt die Abschreibung allgemein zur Periodisierung von Ausgaben bei.527
4.3.2
Die planmäßige Abschreibung
Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist, sind gem. § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB planmäßig abzuschreiben. Durch die planmäßige Abschreibung kommen i. d. R. Abnutzung oder Verschleiß zum Ausdruck. Handelsbilanziell trägt die planmäßige Abschreibung dem Vorsichtsprinzip Rechnung, denn abgenutzte oder durch technischen Fortschritt veraltete Vermögensgegenstände sind im Verhältnis zu neuen Vermögensgegenständen im Wert gemindert. Planmäßige Abschreibungen kommen für Umweltschäden (z. B. Altlasten) grundsätzlich nicht in Betracht, da sie lediglich gewöhnliche Wertminderungen erfassen.
524 525 526 527
Die Thematik ist insbesondere hinsichtlich Grundstückskontaminationen relevant. Näher hierzu siehe Kap. 5.2.3.3. Vgl. Köster (1994), S. 183. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Rz. 342f. Vgl. Klein (1998), S. 50.
115
4.3.3
Die außerplanmäßige Abschreibung
Neben den planmäßigen Abschreibungen werden außerplanmäßige Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Anlagevermögens immer dann vorgenommen, wenn außergewöhnliche Ereignisse eine zusätzliche Wertminderung begründen. Nach dem Imparitätsprinzip sind im Jahresabschluss alle entstandenen Verluste zu berücksichtigen, damit die Ausschüttungsbemessungsgrundlage nicht zu hoch ausfällt, die Erhaltung des Kapitals gewahrt bleibt und das Unternehmen nicht in seiner Substanz gefährdet wird. Außerplanmäßige Abschreibungen erstrecken sich nicht nur wie planmäßige Abschreibungen auf zeitlich begrenzt nutzungsfähige Vermögensgegenstände. Da z. B. Altlasten in diesem Sinne außergewöhnliche Ereignisse darstellen, kommt eine bilanzielle Abbildung grundsätzlich über eine außerplanmäßige Abschreibung in Betracht.
4.3.3.1
Besonderheiten bei Kapitalgesellschaften
§ 253 Abs. 2 Satz 3 HGB stellt die wohl wesentlichste Norm zur Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen dar. Danach können ohne Rücksicht darauf, ob die Nutzung zeitlich begrenzt ist, außerplanmäßige Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Anlagevermögens vorgenommen werden, um sie mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihnen am Abschlussstichtag beizulegen ist; die außerplanmäßige Abschreibung ist vorzunehmen bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung. Bei nur vorübergehender Wertminderung ist zunächst § 253 Abs. 2 Satz 3 1. HS HGB heranzuziehen. Nach dieser für alle Kaufleute geltenden Vorschrift besteht bei einer voraussichtlich nicht dauernden Wertminderung das Wahlrecht, von der außerplanmäßigen Abschreibung Gebrauch zu machen (gemildertes Niederstwertprinzip). Durch die Vorschrift des § 279 Abs. 1 Satz 2 HGB wird aus dem allgemeinen Wahlrecht ein für Kapitalgesellschaften geltendes Verbot, außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen, wenn der Vermögensgegenstand nicht als Finanzanlage zu qualifizieren ist. Wertminderungen für Umweltschäden, die voraussichtlich nicht von Dauer sind (z. B. Gasaustritt aus einem Tank, der sich schnell verflüchtigt), dürfen nach dieser Vorschrift nicht vorgenommen werden. Zwingend vorzunehmen sind gem. § 253 Abs. 2 Satz 3 2. HS HGB außerplanmäßige Abschreibungen, wenn der beizulegende Wert eines Vermögensgegenstandes voraussichtlich von Dauer unter seinen Buchwert gesunken ist. Wertminderungen für Umweltschäden, die voraussichtlich von Dauer sind, müssen Kapitalgesellschaften bilanziell abbilden.
116
Darüber hinaus besteht für alle Kaufleute gem. § 253 Abs. 4 HGB ein Wahlrecht, auf den niedrigeren beizulegenden Wert außerplanmäßig abzuschreiben. Dieses Wahlrecht ist durch die wiederum nur für Kapitalgesellschaften geltende Vorschrift des § 279 Abs. 1 Satz 1 HGB aufgehoben. Für Kapitalgesellschaften besteht folglich insoweit ein Abschreibungsverbot. Schließlich dürfen unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 254 HGB i. V. m. § 279 Abs. 2 HGB Kapitalgesellschaften steuerrechtlich zulässige (außerplanmäßige) Abschreibungen grundsätzlich handelsbilanziell übernehmen. Da die Teilwertabschreibung seit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Nr. 2 EStG an die Dauerhaftigkeit der Wertminderung knüpft, für die eine handelsrechtliche Abschreibung ohnehin nach § 253 Abs. 2 Satz 3 2. HS HGB vorzunehmen ist, greift diese Vorschrift ebenfalls nicht.528 Eine außerplanmäßige Abschreibung ist bei Kapitalgesellschaften nur im Falle einer voraussichtlich dauernden Wertminderung vorzunehmen. Eine nur vorübergehende Wertminderung dagegen führt zu einem Abschreibungsverbot.
4.3.3.2
Der beizulegende Wert
Bei Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung sind Vermögensgegenstände gem. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB mit dem Wert anzusetzen, der ihnen am Bilanzstichtag beizulegen ist. Die Abschreibungshöhe bestimmt sich grundsätzlich aus der Differenz zwischen dem Buchwert des Vermögensgegenstandes vor Schadenseintritt und dem beizulegenden Wert nach Schadenseintritt. Das Problem der inhaltlichen Bestimmung des beizulegenden Wertes erweist sich als schwierig. Es kommen grundsätzlich der Wiederbeschaffungswert, Reproduktionswert, Einzelveräußerungswert oder Ertragswert des durch den Umweltschaden beeinträchtigten Vermögensgegenstandes in Betracht.529 Da das Pendant des beizulegenden Wertes im Steuerrecht der Teilwert ist, kann dieser ebenfalls zur Inhaltsbestimmung herangezogen werden.530 Eine handelsrechtliche Mindermeinung hält einen negativen beizulegenden Wert für zulässig, wenn ein Vermögensgegenstand nicht nur keinen Wert mehr verkörpert, sondern zusätzlich eine Belastung darstellt, da ansonsten gegen das Vollständigkeits- und Wahrheitsgebot ver528 529
Vgl. Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft e. V. (2000), S. 681f. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 224f.; Sarrazin (1994), S. 70; Bömelburg/Keller (1994), S. 591. Näher hierzu siehe Kap. 5.2.3.3.3. 530 Vgl. Klein (1998), S. 53.
117
stoßen würde.531 Beispielsweise können kontaminierte Grundstücke nicht nur vollkommen wertlos sein, sondern einen über die Wertlosigkeit hinausgehenden Sanierungsbedarf hervorrufen. Die herrschende Meinung lehnt dagegen einen negativen beizulegenden Wert ab und sieht für die über die Wertlosigkeit hinausgehende Belastung eine zusätzliche Rückstellung in Höhe des Differenzbetrages vor, um nicht gegen geltende GoB zu verstoßen.532 Da der beizulegende Wert den Zeitwert eines Vermögensgegenstandes darstelle, könne er nie unter 0 € liegen.533 Meines Erachtens darf eine Rückstellung auch in diesem Fall nur bilanziert werden, wenn die Ansatzvoraussetzungen erfüllt sind. Ein negativer Buchwert rechtfertigt aber regelmäßig nicht die Bildung einer Rückstellung. Da negative Buchwerte aber eine Art Belastung darstellen, sollten sie passivisch abgebildet werden. De lege ferenda sollte daher ein Passivum sui generis geschaffen werden, das den Abwertungsüberhang abbildet. In der GuV sollte korrespondierend eine Position Zuführung zur Unterbewertungsreserve geschaffen werden, die unter § 275 Abs. 2 Nr. 7 neuer Bst. c HGB einzuordnen ist. Bei erfolgreicher Sanierung ist der Passivposten aufzulösen. Zumindest sollte aufgrund der sonst beeinträchtigten Informationsfunktion des Abschlusses auf jeden Fall über den Überhang im Anhang berichtet werden.
4.3.3.3
Die Dauerhaftigkeit der Wertminderung
Trotz des zentralen Begriffes der dauerhaften Wertminderung bestehen bis heute keine allgemeingültigen Abgrenzungskriterien zu einer nur vorübergehenden Wertminderung.534 Eine dauerhafte Wertminderung bedeutet ein nachhaltiges Absinken des beizulegenden Wertes eines Vermögensgegenstandes unter seinen Buchwert.535 Von einer Dauerhaftigkeit ist bei Vermögensgegenständen mit zeitlich begrenzter Nutzungsdauer auszugehen, wenn der beizulegende Wert momentan unter dem Buchwert liegt und während eines erheblichen Teils der Restnutzungsdauer (mindestens für die halbe Restnutzungsdauer) unter den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten liegen wird.536 Maßgebliche Größe ist die restliche Verweildauer des Vermögensgegenstandes im Unternehmen. Dietrich versucht die Wertminderung zeitlich genauer zu fassen. Für ihn ist eine Wertminderung dann von Dauer, wenn am Abschlusserstellungstag für eine spätere Werterhöhung für die folgenden fünf Abschlussstich531 532 533 534 535 536
Vgl. Bäcker (1995a), S. 717; Rautenberg (1993), S. 267f.; Möller (1996), S. 2292; Depken (1999), S. 93f. Vgl. IDW-Facharbeit (1992), S. 326; Siegel (2004), S. 509; Herzig (1991), S. 617. Vgl. Siegel (1993b), S. 331; Sarrazin (1993), S. 7f.; Herzig (1991), S. 617; anders Bäcker (1995a), S. 717. Vgl. Küting (2005), S. 1125. Vgl. Klein (1998), S. 54. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 228; Coenenberg (2003), S. 178; Rautenberg (1993), S. 272; Küting (2005), S. 1125.
118
tage bzw. bei einer Restnutzungsdauer von weniger als fünf Jahren bis zum Ende der Nutzungsdauer kein Anlass gesehen wird.537 Diese Definition geht davon aus, dass zuverlässige Unternehmensplanungen i. d. R. über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren nicht möglich sind.538 Problematisch wird die Heranziehung der Restnutzungsdauer bei Vermögensgegenständen, deren Nutzung zeitlich unbegrenzt ist (Grundstücke).539
4.3.3.4
Wertaufholungsgebot
Nach vorgenommener außerplanmäßiger Abschreibung können die Gründe für eine dauerhafte Wertminderung z. B. aufgrund einer durchgeführten umfangreichen Sanierungsmaßnahme entfallen. Grundsätzlich besteht gem. § 253 Abs. 5 HGB für alle Kaufleute das Wahlrecht, einen niedrigeren Wertansatz auch nach Wegfall der Gründe der Wertminderung beizubehalten. Dieses Wahlrecht wird allerdings gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 HGB für Kapitalgesellschaften aufgrund der Informationsfunktion des Abschlusses und des Aktionärsschutzes aufgehoben. Kapitalgesellschaften sind gem. § 280 Abs. 1 Satz 1 HGB an das Wertaufholungsgebot gebunden. Wertaufholungen kommen dagegen nicht in Betracht, wenn die Gründe für eine dauernde Wertminderung fortbestehen. § 280 Abs. 2 HGB setzt das Wertaufholungsgebot für Kapitalgesellschaften außer Kraft, wenn im Rahmen der steuerrechtlichen Gewinnermittlung der niedrigere Wertansatz beibehalten werden kann. Nach dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 kann die Wertaufholung bei Kapitalgesellschaften allerdings durch § 280 Abs. 2 HGB nicht mehr umgangen werden, da die steuerrechtliche Norm, die über die umgekehrte Maßgeblichkeit Grundlage für die handelsrechtliche Zuschreibung war, weggefallen ist.540 Es existieren materiell keine Fälle mehr, bei denen aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften ein niedrigerer Wertansatz beibehalten werden kann. § 280 Abs. 2 HGB bleibt somit inhaltslos.541 Das Wertaufholungsgebot dient dazu, die Bildung stiller Reserven zu vermeiden. Dadurch erhält der externe Jahresabschlussadressat ein unter Beachtung der GoB weitestgehend den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.
537 538 539 540 541
Vgl. Dietrich (2000), S. 1631. Vgl. Küting (2005), S. 1125. Näher hierzu siehe Kap. 5.2.3.3.2. Vgl. Coenenberg (2003), S. 181; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 237; Fischer/Wenzel (2001), S. 599. So auch Hense/Taetzner (2003), § 280 HGB Rz. 23.
119
4.4
Umweltschutzverpflichtungen im Anhang
Das Handelsgesetzbuch sieht weder in § 266 HGB (Bilanzgliederung) noch in § 275 HGB (Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung) einen gesonderten Ausweis für Positionen mit ausschließlicher Umweltrelevanz vor. Regelmäßig hat aber der Jahresabschlussadressat ein berechtigtes Interesse an umweltrelevanten Informationen, zumal Umweltrisiken hohe Unternehmensrisiken bedeuten können.542 Der Anhang versucht im Rahmen seiner Ergänzungsund Erläuterungsfunktion, diesen Informationsverlust zu heilen, indem erhebliche Positionen, wie sie Umweltsachverhalte regelmäßig darstellen, genauer darlegt. Damit unterstützt der Anhang das Informationsziel des Abschlusses. Die im Zusammenhang mit Umweltschutzverpflichtungen stehenden relevanten Anhangsangaben, die im Folgenden vorgestellt werden, sind vornehmlich in § 285 Nr. 3 HGB sowie in § 285 Nr. 12 HGB vorzufinden. Darüber hinaus werden die im Rahmen der von der EUKommission abgegebenen Empfehlung zur Berücksichtigung von Umweltaspekten im Jahresabschluss und Lagebericht stehenden Änderungsvorschläge des Anhangs vorgestellt und kritisch gewürdigt. Auf weitere rechtsformspezifische Anhangsangaben, die das AktG oder das GmbHG vorsehen, wird im Folgenden nicht eingegangen.
4.4.1
Gesetzliche Angaben nach § 285 HGB
4.4.1.1
Umweltschutzverpflichtungen als sonstige finanzielle Verpflichtungen (§ 285 Nr. 3 HGB)
Gemäß § 285 Nr. 3 HGB ist der Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen, die nicht in der Bilanz erscheinen und auch keine Haftungsverhältnisse darstellen, im Anhang anzugeben, sofern diese Angabe für die Beurteilung der Finanzlage wesentlich ist. Der Begriff der sonstigen finanziellen Verpflichtungen wird im Gesetz nicht näher erläutert. Sonstige finanzielle Verpflichtungen kommen i. d. R. sowohl dann in Betracht, wenn ein Sachverhalt abstrakt (noch) nicht passivierungsfähig ist, als auch, wenn ein Sachverhalt zwar abstrakt passivierungsfähig ist, ein Bilanzansatz aufgrund eines konkreten Passivierungswahlrechtes aber nicht erfolgt ist. Entscheidend für die anzugebenden Umweltschutzverpflichtungen nach dem Periodisierungsprinzip ist, dass sie bereits am Bilanzstichtag bestehen oder wahrscheinlich entstanden sind. Diesen Verpflichtungen darf sich das Unternehmen nicht
542
Vgl. Matten (1998), S. 152ff.
120
entziehen können.543 Freiwillige Umweltschutzmaßnahmen, denen sich das Unternehmen jederzeit entziehen kann, sind daher im Anhang nicht auszuweisen.544 Zu den Sachverhalten, die abstrakt (noch) nicht passivierungsfähig sind, zählen in erster Linie öffentlich-rechtliche Umweltschutzverpflichtungen, die die restriktiven Konkretisierungsvoraussetzungen des BFH (noch) nicht erfüllen und somit bilanziell de lege lata (noch) nicht als Rückstellung erfasst werden dürfen. Unter die abstrakt passivierungsfähigen Sachverhalte, die wegen eines konkreten Passivierungswahlrechts nicht bilanziert werden, zählen Aufwandsrückstellungen gem. § 249 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 HGB, bei denen das Wahlrecht der Nichtbilanzierung in Anspruch genommen wird.545 Die finanzielle Belastung aus passivierbaren, aber nicht passivierten Aufwandsrückstellungen darf im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften grundsätzlich nicht ignoriert werden, sondern ist im Anhang anzugeben. In der Bilanzierungspraxis wird diese Information allerdings nur sehr selten gegeben. Ferner sind Aufwendungen ohne bestehende rechtliche Verpflichtung im Anhang anzugeben, wenn sie keine bereits realisierten Erträge alimentiert haben, z. B. Maßnahmen zur Prävention von Umweltschäden, die aber für die Fortführung des Unternehmens unerlässlich sind und denen sich das Unternehmen nicht entziehen kann. Umweltschutzmaßnahmen sind in einem weiteren Fall nicht passivierungsfähig, wenn die mit der Maßnahme verbundenen Aufwendungen als aktivierungspflichtig zu qualifizieren sind. Diese Aufwendungen stellen zwar keine wirtschaftliche Belastung dar, haben aber Einfluss auf die künftige Finanzlage und freie Liquidität des Unternehmens. Hat ein Unternehmen aktivierungspflichtige Umweltschutzmaßnahmen nach dem Bilanzstichtag aufgrund eines Verpflichtungstatbestandes durchzuführen, sind die damit verbundenen Aufwendungen als sonstige finanzielle Verpflichtungen im Anhang abzubilden. Beispiel hierfür wäre z. B. der Bau einer neuen Kläranlage aufgrund einer Anpassungsverpflichtung. Dem Wortlaut der Vorschrift des § 285 Abs. 3 HGB ist zu entnehmen, dass die sonstigen finanziellen Verpflichtungen nur anzugeben sind, wenn ihr Gesamtbetrag wesentlich ist. Grundsätzlich dürfte die Wesentlichkeit von Umweltschutzverpflichtungen anzunehmen sein,
543 544 545
Vgl. Köster (1994), S. 175; Philipps (1995), S. 83. Vgl. Köster (1994), S. 176. Vgl. Bartels (1992a), S. 235f.; ähnlich auch Philipps (1995), S. 78.
121
da diese i. d. R. nicht unerhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Dennoch ist die Tatsache, dass lediglich der Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen in einer Summe anzugeben ist, mit dem Anspruch des Anhangs, ein zusätzliches Informationsinstrument darzustellen, nur schwer zu vereinbaren. Meines Erachtens ist de lege ferenda auf die Bedeutung und Wesentlichkeit jeder einzelnen Verpflichtung einzugehen.546 Nur so kann der Abschlussadressat die nötigen Informationen über zukünftige Risiken und Belastungen erhalten. Zusätzlich darf auf den Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen aber nicht verzichtet werden. Wenn die einzelne sonstige finanzielle Verpflichtung als unwesentlich qualifiziert wird und somit nicht im Anhang anzugeben ist, wäre die Summe der einzeln anzugebenden sonstigen finanziellen Verpflichtungen kleiner als die Summe des Gesamtbetrages. Dies würde zu Informationsverzerrungen führen. Hinsichtlich der Bewertung von sonstigen finanziellen Verpflichtungen macht das HGB keine Angaben. Da der Anhang integraler Bestandteil des Jahresabschlusses ist, sind folglich die bilanziellen Bewertungsnormen maßgebend. Für die sonstigen finanziellen Verpflichtungen folgt daraus, dass die Bewertung (z. B. Preisverhältnisse am Bilanzstichtag, Abzinsung nur bei Zinsanteil) derjenigen für Rückstellungen bzw. Verbindlichkeiten zu entsprechen hat.547 Da die sonstigen finanziellen Verpflichtungen zur besseren Einsichtnahme in die Finanzlage alle wesentlichen zukünftigen Zahlungen umfassen, denen sich das Unternehmen nicht entziehen kann, sind auch diejenigen Zahlungen anzugeben, die über die nächste Periode hinaus zu leisten sind.548 Die Unterlassung der Anhangsangabe nach § 285 Nr. 3 HGB stellt einen Verstoß gegen das Vollständigkeitsgebot dar, da im Hinblick auf den Anhang als integralen Bestandteil des Jahresabschlusses handelsrechtliche GoB anzuwenden sind.549 Ohne Angabe wäre der Einblick in die Finanzlage des Unternehmens unvollständig, da dem Jahresabschlussadressaten finanzielle Risiken und Belastungen vorenthalten würden.550
546 547 548 549
So auch Köster (1994), S. 174. Vgl. Ellrott (2003a), § 285 HGB Rz. 30; Köster (1994), S. 280. Vgl. Köster (1994), S. 203. Gemäß § 288 HGB sind jedoch kleine Kapitalgesellschaften von den Angaben des § 285 Nr. 3 HGB befreit. 550 Vgl. Philipps (1995), S. 76.
122
4.4.1.2
Erläuterungspflicht für Rückstellungen aus Umweltschutzverpflichtungen (§ 285 Nr. 12 HGB)
Sonstige Rückstellungen, die in der Bilanz nicht gesondert ausgewiesen werden, sind im Anhang aufzugliedern und zu erläutern, wenn sie einen nicht unerheblichen Umfang haben (§ 285 Nr. 12 HGB). Kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften brauchen die Erläuterungen der Rückstellungen gem. § 327 Abs. 2 HGB nicht offen zu legen. Rückstellungen für Umweltschutzverpflichtungen, also sowohl Verbindlichkeits- als auch Aufwandsrückstellungen, stellen sonstige Rückstellungen dar, die in der Bilanz mit anderen sonstigen Rückstellungen in einer Summe angegeben werden. Sie sind im Anhang genauer zu erläutern, da sie i. d. R. wesentlich sind. Konkrete Zahlenangaben verlangt der Gesetzgeber nicht, de lege lata ist eine verbale Darstellung ausreichend.551 Dabei sollte sich die verbale Darstellung für jede wesentliche Rückstellung auf den Sachverhalt, die gem. § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, die Rückstellungsart sowie ihren Zweck und Grund erstrecken.552 Zusätzlich sollten auch Schätzparameter und Hintergründe zum Sachverhalt angegeben werden. In der Bilanzierungspraxis wird eher umgekehrt verfahren. Es wird im Anhang zwar ein Rückstellungsspiegel offen gelegt, aus dem die finanzielle Höhe der Verpflichtungen ersichtlich ist, eine ausführliche Kommentierung zu den jeweiligen Rückstellungen unterbleibt allerdings recht oft. Hinsichtlich der auch in der Bilanzierungspraxis zu fordernden verbalen Darstellung ist die Wesentlichkeit der Rückstellung zu berücksichtigen. Dabei ist diese nicht nur absolut zu beurteilen, sondern relativ in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der sonstigen Rückstellungen bzw. des Fremdkapitals oder der Bilanzsumme.553 Es sollte gesetzlich kodifiziert werden, dass auch die Größenordnung der Rückstellung anzugeben ist, damit der Abschlussadressat einen Anspruch auf die Kenntnis von deren Umfang und Bedeutung hat.
551 552 553
Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 55. Vgl. Philipps (1995), S. 327; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 701. Vgl. Bartels (1992a), S. 237; Ellrott (2003a), § 285 HGB Rz. 240f.
123
4.4.2
Kritische Würdigung zum Aussagegehalt des Anhangs hinsichtlich Umweltschutzmaßnahmen
Die Angabe jeder einzelnen Umweltschutzverpflichtung, die den Kriterien einer sonstigen finanziellen Verpflichtung gem. § 285 Nr. 3 HGB genügt, ist de lege ferenda grundsätzlich zu fordern, wenn sie wesentlich ist. Der Bilanzleser gewinnt zusätzliche Informationen über die zukünftige Finanzlage und Liquidität des Unternehmens, kann künftige Belastungen aus Umweltschutzverpflichtungen in sein Kalkül einbeziehen und Entscheidungen besser disponieren. Ebenso stellt die Erläuterung sonstiger Rückstellungen gem. § 285 Nr. 12 HGB einen zusätzlichen Informationsgewinn dar. Durch die Tatsache, dass alle sonstigen Rückstellungen in der Handelsbilanz für alle Verpflichtungsarten (sowohl Außen- als auch Innenverpflichtungen) in nur einer Summe anzugeben sind, tritt ein deutlicher Informationsverlust für den Bilanzleser ein. Ob dieser Informationsverlust vollständig durch die Anhangsangabe kompensiert werden kann, erscheint jedoch fraglich.554 In praxi machen Unternehmen zu wenig Gebrauch von der Erläuterung des Postens sonstige Rückstellungen, wie sie in der Literatur gefordert wird. Zudem ist der Bereich der Umweltthematik höchst sensibel. Der Gesetzgeber sollte den Umfang der Angabepflichten deutlich vergrößern, um einen tatsächlichen Informationsausgleich herbeizuführen. In der Literatur wird anstatt diverser Anhangsangaben zur Verbesserung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses gefordert, in § 266 Abs. 3 HGB unter B. eine eigene Position Umweltschutzrückstellungen aufnehmen.555 Es würden mitunter zwar sowohl die Häufigkeit als auch die Größenordnung von Umweltschäden eine bilanzielle Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen in einer eigenen Position rechtfertigen, doch könnte eine Ausweitung der Bilanzpositionen gegen den Grundsatz der Bilanzklarheit verstoßen. Neben den Umweltschutzverpflichtungen würden Verpflichtungen aus Rechtsstreitigkeiten, wie Patentrechtsverletzungen, oder Verpflichtungen gegenüber Mitarbeitern (Urlaubs, Jubiläum, Altersteilzeit und Tantieme) denselben Anspruch auf eigene bilanzielle Darstellung begründen. Informationen über Rückstellungen, die Aufschluss über die zahlenmäßige Entwicklung von Rückstellungsgruppen im Geschäftsjahr geben (Rückstellungsspiegel), sowie zusätzliche verbale Darstellungen mit Erläuterungscharakter entlasten die Bilanz und sind m. E. grundsätzlich im Anhang besser aufgehoben. Allerdings ist eine Ausweitung der Informationspflichten des Anhangs auf alle Kapitalgesellschaften, ungeachtet von deren Größe zu fordern. Zugeständnisse des Gesetzgebers, dass kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften bestimmte Erleichterungen des Anhangs in Anspruch nehmen können und bestimmte Anhangsangaben nicht 554 555
So auch Bartels (1992a), S. 240. Vgl. Bartels (1992a), S. 240.
124
darstellen müssen (z. B. § 288 HGB), sind unter diesem Aspekt unbedingt aus dem Handelsgesetz zu streichen.
4.5
Umweltschutzverpflichtungen im Lagebericht
Ziel der Lageberichterstattung ist, dem Jahresabschlussadressaten eine Beurteilung der tatsächlichen Unternehmensentwicklung im abgelaufenen Geschäftsjahr aufgrund einer verbalen Darstellung zu ermöglichen sowie Anhaltspunkte für die voraussichtliche zukünftige Entwicklung der Gesellschaft zu gewähren.556 Auch im Hinblick auf Umweltschutzmaßnahmen hat der Lagebericht alle wesentlichen Informationen zu enthalten, die unter die Tatbestände des § 289 HGB fallen. Im Folgenden werden nur die wesentlichen Berichtspflichten für Umweltschutzmaßnahmen vorgestellt.
4.5.1
Gesetzliche Angaben nach § 289 HGB
4.5.1.1
Angaben nach § 289 Abs. 1 HGB
Umweltschutzmaßnahmen können den Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses, die wirtschaftliche Lage sowie die voraussichtliche Entwicklung eines Unternehmens in vielerlei Hinsicht tangieren. (Verpflichtend durchzuführende) Umweltschutzmaßnahmen sind regelmäßig mit erheblichen finanziellen Konsequenzen verbunden, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und somit die wirtschaftliche Gesamtlage eines Unternehmens negativ beeinträchtigen: Die Vermögenslage kann durch Wertminderungen drastisch negativ beeinflusst werden oder aber die Finanzlage durch die Bildung von Rückstellungen für zukünftige Zahlungen aus Umweltschäden erheblich angespannt sein. Da Umweltschutzmaßnahmen i. d. R. erfolgswirksam verbucht werden, ist eine Beeinträchtigung der Ertragslage ebenfalls gegeben. Allgemein sollte die umweltschutzbezogene Lage eines Unternehmens die Interdependenzen zwischen dem betrieblichen Umweltschutz und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sowie die durch die von Umweltaktivitäten ausgehenden Umweltwirkungen umfassen.557 Umweltschutzaufwendungen (z. B. zur Sanierung altlastenverseuchter Grundstücke) beeinflussen regelmäßig nicht nur die derzeitige Lage des Unternehmens, sondern können ebenfalls zukünftige Folgewirkungen entfalten. Ist z. B. eine vollständige Dekontamination eines kon556 557
Vgl. Haller/Dietrich (2001), S. 170; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 721ff. Vgl. Lange/Daldrup (2002), S. 658.
125
taminierten Grundstücks nicht zu erwarten, ist bei Nichterfüllung gewisser Umwelt- bzw. Gesundheitsnormen (z. B. weiterhin akute Gesundheitsschädigung) der Standort ggf. stillzulegen. Die daraus resultierende Verlagerung von Produktionsstätten aufgrund nicht erfüllter Umweltstandards beeinflusst die voraussichtliche Entwicklung eines Unternehmens erheblich.558 Hinsichtlich der voraussichtlichen Entwicklung sind verbale Erläuterungen unerlässlich, da reine Zahlenangaben oftmals lediglich eine Scheingenauigkeit vorspiegeln. Umweltschutzmaßnahmen sind daher genau zu erklären und zu kommentieren. Dabei sind Sachverhalt, Art, Ausmaß, Folgewirkung und Eintrittswahrscheinlichkeit anzugeben. Unsicherheiten in Bezug auf Datenreihen und Zahlenangaben mit Zukunftscharakter sind durch die Angabe von Bandbreiten zu verdeutlichen. Insbesondere sind Sanierungsmaßnahmen in ihrem Umfang schwer vorhersehbar. Es sind die Art der Schätzung und der Zeithorizont der Maßnahme zu bezeichnen. Der Zeitraum der voraussichtlichen Entwicklung sollte grundsätzlich einen Bezugszeitraum von zwei Jahren umfassen.559 Um den Zukunftsbezug des Lageberichtes zu verstärken, ist die voraussichtliche Entwicklung mit ihren Chancen und Risiken zu beurteilen. Da die Warnfunktion des Lageberichtes untergraben wird, wenn über jedes noch so geringe Risiko berichtet würde, sind nur solche Risiken zu beurteilen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertraglage haben oder sogar bestandsgefährdend sind.560 Umgekehrt sind auch nur Chancen darzulegen, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im positiven Sinne wesentlich beeinflussen. Wesentlich sind Chancen und Risiken dann, wenn sie aufgrund ihrer Art und Höhe geeignet sind, Einfluss auf die Entscheidungen der Lageberichtsadressaten zu nehmen. Grundsätzlich entsprechen z. B. Umweltschutzverpflichtungen aus Rekultivierungen von Braunkohlengebieten und Sanierungen von Betriebsgeländen wegen ihres Umfangs dem Wesentlichkeitskriterium. Umweltschutzverpflichtungen können für das Unternehmen sowohl Chancen als auch Risiken bedeuten. Dabei hängt die Ausprägung der Chance bzw. des Risikos grundsätzlich von der Art der durchzuführenden Umweltschutzmaßnahme ab. Präventive Umweltschutzmaßnahmen werden regelmäßig Chancen für das Unternehmen hervorrufen. So kann der Einbau neuer Filteranlagen nicht nur die Produktion sichern oder ausbauen, sondern auch das Unterneh558 559 560
Ähnlich Bartels (1992a), S. 242. Vgl. IDW RS HFA 1, Rz. 44. Der Standard wurde am 07. Juli 2005 aufgehoben. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 733; Baetge/Schulze (1998), S. 942; IDW RS HFA 1, Rz. 29. Der Standard wurde am 07. Juli 2005 aufgehoben.
126
mensimage und somit eventuell den künftigen Erfolg steigern. Zudem besteht eine hohe Planungssicherheit hinsichtlich der Höhe der anfallenden Ausgaben. Nachträglich kurative oder repressive Maßnahmen (Sanierungsmaßnahmen) dagegen können enorme Risiken für ein Unternehmen bedeuten. Zum einen kann der gewünschte Erfolg unterbleiben und z. B. die Altlast nicht beseitigt, zum anderen der Unternehmensruf schwer geschädigt werden; dies führt i. d. R. zu einem Umsatzverlust und somit grundsätzlich zu Ergebniseinbußen.
4.5.1.2
Angaben nach § 289 Abs. 2 HGB
Ein berichtspflichtiger Vorgang von besonderer Bedeutung nach Abschluss des Geschäftsjahres gem. § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB liegt dann vor, wenn mit ihm, hätte er sich bereits vor Ablauf des Geschäftsjahres vollzogen, eine andere Darstellung der Lage des Unternehmens im Rahmen der Berichtspflicht nach § 289 Abs. 1 HGB verbunden gewesen wäre. Erlangt das Unternehmen erst nach dem Bilanzstichtag Kenntnis von einer schädlichen Bodenkontamination auf dem Betriebsareal, scheidet aufgrund des Stichtagsprinzips eine Berücksichtigung im handelsrechtlichen Jahresabschluss aus. Die Durchbrechung des Stichtagsprinzips im Lagebericht erweitert die Berichterstattung massiv. Da die Sanierung des kontaminierten Geländes regelmäßig als Vorgang von besonderer Bedeutung nach dem Schluss des Geschäftsjahres gewertet werden kann, sind die Konsequenzen im Lagebericht anzugeben. Zum einen hat eine genaue Schilderung des Sachverhaltes zu erfolgen, zum anderen sind die Auswirkungen auf die voraussichtliche Entwicklung darzulegen. Hat das Unternehmen erste Anhaltspunkte hinsichtlich der finanziellen Konsequenzen (z. B. Vorliegen von Gutachten), sollte die Sachverhaltsschilderung durch zu erwartende Liquiditätsabflüsse bzw. Wertminderungen im Aktivvermögen ergänzt werden. Wenn möglich, sollten neben der verbalen Darstellung auch quantitative Angaben gemacht werden.
4.5.1.3
Angaben nach § 289 Abs. 3 HGB
Durch das BilReG ist die Lageberichterstattung zumindest bei großen Kapitalgesellschaften um ökologische Aspekte erweitert worden. Danach sind große Kapitalgesellschaften verpflichtet, in die Analyse von Geschäftsverlauf und Lage die für die Geschäftstätigkeit bedeutsamsten nichtfinanziellen ökologischen Leistungsindikatoren einzubeziehen und zu erläutern (§ 289 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 HGB), wie z. B. Angaben zum Energie- oder Wasserverbrauch. In der Gesetzesbegründung zum BilReG561 wird zur inhaltlichen Ausgestaltung 561
Vgl. Entwurf des BilReG (2004), S. 64.
127
auf die Empfehlung der EU-Kommission zur Berücksichtigung von Umweltaspekten im Jahresabschluss und Lagebericht verwiesen.562
4.5.2
Verlautbarungen von Standardsettern
Seine inhaltliche Normenkonkretisierung erlangt der Lagebericht weitgehend durch die Verlautbarung des DRSC mit DRS 15 Lageberichterstattung und DRS 5 Risikoberichterstattung als Bestandteil der Lageberichterstattung. Die Verlautbarungen haben den Charakter von Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung für die Konzernrechnungslegung und gelten daher für alle Unternehmen, die einen Konzernlagebericht nach § 315 HGB aufstellen. Eine entsprechende Anwendung auf den Lagebericht gem. § 289 HGB wird vom DRSC empfohlen (DRS 15.5). Der Lagebericht des Einzelabschlusses erhielt bis zum 06. Juli 2005 seine Konkretisierung ebenfalls über die Stellungnahme des IDW RS HFA 1 (Aufstellung des Lageberichtes), die explizit auf den Umweltschutz eingeht. Vor dem Hintergrund der beiden Verlautbarungen des DRSC zum Lagebericht hat aber der HFA am 07. Juli 2005 beschlossen, den IDW-Rechnungslegungsstandard aufzuheben. Er entfaltet somit keine Wirkung mehr. DRS 5 und DRS 15 sind in ihren Formulierungen recht abstrakt gehalten. Nach DRS 15.3 sind alle Sachverhalte, die aus Sicht der Unternehmensleitung einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe des Unternehmenswertes haben können, darzustellen und zu analysieren. Der Konzernlagebericht soll sämtliche Informationen vermitteln, die ein verständiger Adressat benötigt, um den Geschäftsverlauf im abgelaufenen Geschäftsjahr und die Lage des Konzerns sowie die voraussichtliche Entwicklung der wesentlichen Chancen und Risiken beurteilen zu können (DRS 15.9). Insbesondere sind auch wesentliche rechtliche und wirtschaftliche Einflussfaktoren (DRS 15.37e) darzustellen (z. B. neue restriktivere Umweltvorschriften), wie auch besondere Schadens- und Unglücksfälle (DRS 15.46h) (z. B. undichte Ölpipeline). Speziell auf Umweltbelange geht die Verlautbarung allerdings nicht ein. DRS 15.53 benennt lediglich bei der Analyse zur Veränderung wesentlicher Posten Umweltaufwendungen und eine mögliche Umwelthaftung. Auch DRS 5 nennt nicht explizit Umweltrisiken, sondern die wesentlich weiter gefassten Umfeldrisiken (DRS 5.17), die auch Risiken der nicht ökologischen Umwelt einschließen. IDW RS HFA 1 ging dagegen sehr dezidiert auf Umweltvorschriften ein. Danach waren bei der Aufstellung des Lageberichtes alle umweltschutzrelevanten Informationen anzugeben, die den Geschäftsverlauf und die Lage des Unternehmens negativ beeinträchtigten sowie bei 562
Auf diese Empfehlung wird in Kap. 4.6 näher eingegangen.
128
Ausstrahlungseffekten auf künftige Perioden Auswirkungen auf die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens hatten. Insbesondere waren die Auswirkungen von Maßnahmen zur Beseitigung von Umweltschäden, Minderung aktueller Umweltgefährdungen sowie Vermeidung künftiger Umweltgefahren auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens darzustellen. Um dem Lageberichtsgrundsatz der Klarheit Rechnung zu tragen, waren diese Informationen – wenn möglich – in einem besonderen Umweltkapitel des Lageberichtes aufzunehmen. Auch wenn der Standard keine Gültigkeit mehr besitzt, enthält er gleichwohl wertvolle Informationen für den Abschlussadressaten hinsichtlich Umweltvorschriften:563 •
Angaben zur Umweltschutzpolitik des Unternehmens sowie zu Umweltleitsätzen
•
Angaben zum produktbezogenen Umweltschutz
•
Hinweise auf die Einrichtung eines Umweltmanagementsystems
•
Hinweise zur Abgabe einer Umwelterklärung gem. Umweltauditgesetz
•
Hinweise zur Erstellung von Umweltberichten
•
Angaben zu getroffenen Umweltschutzmaßnahmen (Art und finanzielle Auswirkungen): o Einhaltung von Grenz- bzw. Richtwerten o Vermeidung von künftigen Umweltgefahren (ggf. Einbau von Filteranlagen etc.) o
Beseitigung von Altlasten
o Durchführung von Rekultivierungsmaßnahmen o Verwertung bzw. Beseitigung von Abfällen o Verwertung von Abwärme o Landschaftspflege o Gewässerschutz o Lärmbekämpfung o
Luftreinhaltung
•
Angaben über Höhe sowie Zusammensetzung des Aufwandes für Umweltschutzaktivitäten und -investitionen (Ist und Plan)
•
Angaben zu Umweltrisiken: o Verschärfungen des Umweltrechtes und dadurch bedingte Folgen
563
In Anlehnung an IDW RS HFA 1, Anlage. Der Standard wurde am 07. Juli 2005 aufgehoben. Siehe auch Lange/Daldrup (2002), S. 660.
129
o Haftungsgefahren und daraus resultierende Schadensersatzansprüche für selbst verursachte Umweltschäden o Kostensteigerungen aufgrund von produktions- oder produktbezogenen Umweltauflagen o Auswirkungen von Stilllegungen oder Verlagerungen von Produktionsstätten o Mehraufwendungen aufgrund veränderter Anforderungen an die Umweltverträglichkeit von Produkten oder Rohstoffen •
Mit dem Umweltschutz verbundene Markteffekte: o Marktrisiken (z. B. aufgrund höherer Kundenanforderungen an die Umweltverträglichkeit von Produkten und Produktionsprozessen) o Marktchancen (z. B. aufgrund von Kostenvorteilen durch Nutzung von Abwärme oder aufgrund von Imagezugewinnen durch Vermarktung umweltfreundlicher Produkte)
Unternehmensindividuell waren Korrekturen oder Ergänzungen vorzunehmen, die von Art und Größe des Unternehmens sowie weiteren individuellen Faktoren abhingen. Die einzelnen Aspekte stellten einen Leitfaden für die Erstellung des Lageberichts hinsichtlich Umweltfragen dar. Da Unternehmen im Umweltschutzbereich – wenn überhaupt – lediglich über positive Aspekte freiwillig berichten, waren sie nach dieser Stellungnahme auch verpflichtet, negative Umweltbelange darzustellen und zu erläutern. Nach Aufhebung des Standards entfällt diese Verpflichtung, zumal die DRS für Einzelabschlüsse grundsätzlich nicht beachtet werden müssen. Eine Subsumtion dieser dezidierten Angaben unter die Aspekte Risiko und Chance führt in praxi wieder zu einer Verschleierung derartiger Informationen. Die Wiedereinführung des Rechnungslegungsstandards – ggf. angepasst an DRS 5 und DRS 15 – ist für den Einzelabschluss daher zwingend zu fordern.
4.5.3
Kritische Würdigung zum Aussagegehalt des Lageberichtes
Der Lagebericht steht an einer bedeutenden Nahtstelle zwischen Handelsrecht und Umweltrecht und somit im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie. Das IDW hat in RS HFA 1 die inhaltliche Konkretisierung des Lageberichtes auch im Hinblick auf die Berichterstattung von Umweltinformationen vorangetrieben. Durch diesen Standard kamen Unternehmen in die Verpflichtung, weitreichende Umweltinformationen (Sachverhalt sowie finanzielle Auswirkungen) zu geben, sogar wenn Ereignisse erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind. Über die Berichterstattung von Risiken und Chancen hat der Lagebericht im Hinblick auf Umweltinformationen ebenfalls an Bedeutung gewonnen, so dass zumindest in der Theorie ein über den Jahresabschluss hinaus verlässliches Instrument zur Entscheidungsfindung der Adressaten etabliert worden ist. In der Gesetzesbegründung zum BilReG wird hervorgehoben, dass die Neuerungen im Lagebericht dazu beitragen sollen, die entschei-
130
dungsrelevanten Informationen zu erhöhen und dem Investor Soll-Ist-Vergleiche zu ermöglichen.564 In praxi jedoch ist immer wieder zu beobachten, dass Unternehmen bezüglich negativer Schlagzeilen eher eine Geheimhaltungs- denn eine Offenlegungspolitik betreiben und eigentliche Lageberichtsinformationen zurückhalten. Hier ist an die Wirtschaftsprüfer zu appellieren, insbesondere die Existenz und die Folgewirkungen der vom Unternehmen zurückbehaltenen Umweltinformationen zu prüfen und ggf. Konsequenzen hinsichtlich des Testats zu ziehen. Der Lagebericht sollte mit Hinblick auf den Grundsatz der Klarheit jedoch nicht überfüllt werden. Daher sind weitergehende Umweltinformationen ohne Relevanz für die wirtschaftliche Gesamtlage eines Unternehmens losgelöst in Umweltberichten abzufassen.
4.6
Empfehlung der EU-Kommission zur Berücksichtigung von Umweltaspekten im Jahresabschluss und Lagebericht
Im Juni 2001 hat die EU-Kommission eine Empfehlung zur Berücksichtigung von Umweltaspekten im Jahresabschluss und Lagebericht veröffentlicht, die sich an alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit der Intention richtet, die darin enthaltenen Regelungen unter Berücksichtigung der nationalen Rechnungslegungsbestimmungen an betroffene Unternehmen weiterzugeben und deren Einhaltung zu überwachen.565 Die Vorschläge der EU-Kommission haben ausschließlich Empfehlungscharakter, ihnen kommt keinerlei Bindungswirkung zu.566 Betroffen von der Empfehlung sind Unternehmen, die unter die Bestimmungen der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie (im Wesentlichen AG und GmbH) fallen. Die Kommission hat die Empfehlung unter folgenden Zielsetzungen herausgegeben:567
564 565 566 567
•
Befriedigung von Informationsbedürfnissen der Abschlussadressaten in Bezug auf Umweltfragen unter besonderer Beachtung von inhaltlicher Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Informationen,
•
Untermauerung der Initiativen der Kommission im Bereich des Umweltschutzes,
•
Klärung bestehender bzw. Schaffung neuer Regelungen und Leitlinien über Ausweis, Bewertung und Offenlegung von Umweltaspekten sowie
Vgl. Entwurf des BilReG (2004), S. 62. Vgl. Rödl & Partner (2001), S. 1. Vgl. IDW (2001b), S. 425. Vgl. Rödl & Partner (2001), S. 2
131 •
Harmonisierung von Abschlussangaben, um die Transparenz und Vergleichbarkeit der umweltbezogenen Angaben in Jahresabschlüssen und Lageberichten zu erhöhen.
Die Empfehlung umfasst Anforderungen an Ausweis, Bewertung und Offenlegung umweltschutzbedingter Aufwendungen, Verbindlichkeiten und Risiken sowie damit verbundener Vermögensgegenstände.568 Inhaltlich stützt sie sich auf verschiedene IFRS, die für Umweltfragen von Bedeutung sind, vorrangig also auf IAS 16, IAS 36 und IAS 37. Da sie i. d. R. diesbezüglich die relevanten IFRS mit anderen Worten darstellt und ggf. konkretisiert, wird auf die Bilanzierung und Bewertung an entsprechender Stelle in den nächsten Kapiteln eingegangen. Die EU-Kommission geht in ihrer Empfehlung auch auf die Offenlegung von Umweltschutzaspekten in Anhang und Lagebericht ein. Sie weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Angaben ergänzend zu einem eventuell erstellten separaten Umweltbericht offen zu legen sind.569
4.6.1
Umweltaspekte im Anhang
Die Kommission hat sich für zusätzliche Anhangsangaben ausgesprochen, die für den Jahresabschlussadressaten große Bedeutung erlangen können. Der Anhang sollte im Hinblick auf Umweltschutzmaßnahmen mindestens folgende Informationen enthalten:570
568 569 570 571
•
Die Gesamthöhe der im Geschäftsjahr aktivierten Umweltaufwendungen sowie Wertberichtigungen auf Aktivposten,
•
alle wesentlichen Umweltverbindlichkeiten (Art der Verbindlichkeit, Erklärung des Schadens bzw. der Vorbeugemaßnahme, Zeitraum und Bedingungen der Abgeltung, gesetzliche Grundlagen),
•
nicht in der Bilanz ausgewiesene Informationen und Detailangaben zum Posten sonstige Rückstellungen (z. B. Unterschiedsbetrag zwischen Ansammlungs- und Vollrückstellung571),
•
die Beschreibung der auf die umweltbezogenen Posten angewendeten Bewertungsmethoden (Schätzparameter),
•
die Gesamthöhe der in der Gewinn- und Verlustrechnung erfassten Umweltaufwendungen,
•
die Kosten von Geldbußen oder Strafen wegen Nichtbefolgung von Umweltvorschriften sowie Entschädigungszahlungen an Dritte sowie
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 36. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 34. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 41f. Näher hierzu siehe Kap. 5.3.3.1.1.4.1 sowie Kap. 5.3.3.1.1.4.2.
132 •
die vom Unternehmen erhaltenen oder ihm zustehenden, im Zusammenhang mit Umweltschutzmaßnahmen gewährten staatlichen Anreize.
Ein Teil dieser Angaben ist schon längst aufgrund der Transformation der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie geltendes deutsches Handelsrecht, wenn auch die Angaben sehr viel abstrakter formuliert und nicht auf den Fall der Umweltschutzmaßnahmen konkretisiert sind. Die Zusatzinformationen, wie die Darstellung von aktivierten Umweltaufwendungen sowie Sanktionen und staatlichen Fördermaßnahmen, lassen sich mit geltendem Handelsrecht vereinbaren und könnten daher schnell in nationales Recht transformiert werden. Das IDW rät allerdings von einer weiteren handelsrechtlichen Umsetzung der Empfehlung ab, da die Informationen nicht mehr in einem vertretbaren Verhältnis zur Vermögens-, Finanzund Ertragslage stünden.572 Anstelle der Aufnahme spezifisch umweltbezogener Angabe- und Berichtspflichten in das HGB sollten nach Auffassung des IDW die allgemeinen Angabepflichten des § 284 Abs. 1 Nr. 1 HGB insoweit ergänzt werden, als neben den angewandten Bilanzierungsmethoden auch die wesentlichen Bilanzierungs- und Bewertungsannahmen, wie Daten und Erwartungen, anzugeben und zu erläutern sind.573
4.6.2
Umweltaspekte im Lagebericht
Sind Umweltaspekte für den Geschäftsverlauf eines Unternehmens oder seine Entwicklung bedeutsam, sind diese im Lagebericht zu beschreiben sowie die Reaktionen des Unternehmens darauf darzustellen. Die Kommission begründet ihre Empfehlung zur Erweiterung der Lageberichterstattung damit, dass Anleger wissen müssten, wie Unternehmen mit Umweltfragen umgehen.574 Sie empfiehlt, folgende Informationen im Lagebericht offen zu legen:575 •
Die allgemeine Umweltstrategie des Unternehmens und die von ihm beschlossenen Umweltschutzprogramme,
•
die auf wesentlichen Gebieten des Umweltschutzes erzielten Erfolge, Maßnahmen und Fortschritte, wie z. B. die Emissionsreduzierung in den letzten Jahren,
•
die Durchführung erforderlicher Umweltschutzmaßnahmen im Rahmen geltender Rechtsvorschriften,
•
umweltbezogene Unternehmensdaten sowie quantitative Angaben über: o Wasserverbrauch,
572 573 574 575
Vgl. im Folgenden IDW (2001b), S. 423ff. Vgl. im Folgenden IDW (2001b), S. 424. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 33. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 40; Brebeck/Horst (2002), S. 22.
133
o Energieverbrauch, o Materialverbrauch, o
Emissionen und
o
Abfallentsorgung,
•
quantitative Angaben über umweltbezogene Unternehmensdaten inklusive Vergleichswerte der vorangegangenen Periode sowie
•
Hinweise auf einen separaten Umweltbericht.
Einige der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Informationen sind über die entsprechenden Verlautbarungen der Standardsetter bereits Empfehlungen mit hohem Verbindlichkeitscharakter, wenn nicht sogar GoB. Die weitere Transformation von in der Empfehlung neu enthaltenen Umweltberichtspflichten lehnen IDW, DSR wie auch die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) zu Recht ab.576 Der DSR befürchtet, dass die Betrachtung von Umweltschutzaspekten unter stark quantitativen (monetären) Gesichtspunkten, wie es die Kommission fordert, zum einen dazu führen könnte, dass die Güte des umweltpolitischen Verhaltens von Unternehmen vorwiegend an der Höhe der Umweltaufwendungen gemessen werde. Diese Sichtweise würde aber zu ambivalenten Schlussfolgerungen führen, da hohe Umweltaufwendungen sowohl Indiz seien für ein vorbildliches umweltpolitisches Verhalten (z. B. Forschungsausgaben für weniger umweltschädigende Produktionsverfahren) als auch für das genaue Gegenteil (z. B. Aufwendungen zur Beseitigung der Folgen umweltschädigenden Verhaltens). Insbesondere stehen Angaben zum Wasser-, Energie- oder Materialverbrauch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Zielsetzung des Lageberichtes. Der Abschlussadressat ist in erster Linie an der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens interessiert. Daher sollten Angaben zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage immer im Vordergrund stehen. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das Informationsbedürfnis hinsichtlich der Auswirkungen umweltschutzbezogener Verpflichtungen bzw. Chancen und Risiken größer bzw. schutzwürdiger sein soll als das Interesse an den finanziellen Konsequenzen sonstiger Verpflichtungen bzw. Chancen und Risiken. Der Lagebericht soll dezidiert auf Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung eingehen, wobei der Rechnungslegungsstandard IDW RS HFA 1 zur Konkretisierung von Umweltchancen und -risiken wieder einzuführen ist. Einer tieferen Aufgliederung von Informationen bzw. einer Aufnahme von Informationen
576
Vgl. im Folgenden DSR (2001), S. 1ff.; IDW (2001b), S. 423ff.; Wirtschaftsprüferkammer (2001), S. 313.
134
ohne Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bedarf es aber nicht. Dagegen sollten Unternehmen stärker zur Erstellung eigenständiger Umweltberichte, in die solche umweltspezifische Informationen aufzunehmen sind, bewegt werden. Aus diesen Gründen sind die von der EU-Kommission geforderten Zusatzinformationen abzulehnen, da ansonsten der Lagebericht immer weniger ein Rechnungslegungsinstrument denn ein Instrument zur Umweltkommunikation wird.
135
5
Die spezifische bilanzielle Abbildung wesentlicher Umweltschutzverpflichtungen nach HGB
Nachdem im vorherigen Kapitel die grundsätzlichen Möglichkeiten der Einbeziehung von Umweltschutzverpflichtungen in den handelsrechtlichen Jahresabschluss und Lagebericht untersucht worden sind, werden in diesem Kapitel die bilanziellen Konsequenzen konkreter Verpflichtungen aufgezeigt. Aufgrund der praktischen Relevanz werden Anpassungs-, Altlastensanierungs- sowie Rekultivierungsverpflichtungen analysiert. Voraussetzung der nachfolgenden Ausführungen ist die Kenntnis der Umweltschutzverpflichtung seitens des bilanzierenden Unternehmens. Die Ausführungen in diesem Kapitel erfolgen unter Berücksichtigung der allgemeinen Erläuterungen im Grundsatzkapitel, die im folgenden Verlauf heranzuziehen sind und als bekannt vorausgesetzt werden.
5.1
Die Erfassung von Anpassungsverpflichtungen
5.1.1
Begriffsbestimmung
Aufgrund des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts kommt es regelmäßig dazu, dass eine in der Vergangenheit genehmigte und in Betrieb befindliche Anlage, die alle in der Vergangenheit geltenden Emissions- und Sicherheitsstandards erfüllt hat, den gegenwärtigen gesetzlichen Anforderungen nicht mehr genügt.577 Unternehmen werden sodann regelmäßig von der Behörde verpflichtet, diese Anlage an die aktuell geltenden Grenz- bzw. Sollwerte (Emissionen, Lärm etc.) anzupassen (Umrüstungsmaßnahmen, wie z. B. Filtereinbau) oder sogar neue Anlagen zu errichten (z. B. Bau einer Kläranlage). Da diesen Anpassungsmaßnahmen eine Präventivfunktion zukommt, zählen sie als Neulasten zu den Schadensverhütungsmaßnahmen. Der hierfür verwendete Begriff der Anpassungsverpflichtung ist erstmals von Herzig verwendet worden.578
5.1.2
Anspruchsgrundlagen
Anspruchsgrundlage von Anpassungsverpflichtungen stellen regelmäßig öffentlich-rechtliche Normen dar.579 Dabei kommt aus einer Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen580 und Verwaltungsvorschriften dem BImSchG eine wesentliche Bedeutung zu. Die inhaltlich abstrakten
577 578 579 580
Vgl. Bartels (1992a), S. 181; Bartels (1992c), S. 1311; Bartels (1994), S. 11. Vgl. Herzig (1990), S. 1344. So auch Köster (1994), S. 214. Beispielhaft: Großfeuerungsanlagen-Verordnung oder Störfall-Verordnung.
136
Vorschriften dieses Gesetzes erhalten ihre Konkretisierung vornehmlich durch die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft). Nach § 3 BImSchG haben Immissionen eine schädigende Umweltwirkung, wenn sie nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit herbeizuführen. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG schreibt dem Anlagenbetreiber vor, entsprechende und geeignete Vorsorge gegen diese schädlichen Umwelteinwirkungen zur Begrenzung von Immissionen mit Hilfe von Maßnahmen zu treffen, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Werden diese Maßnahmen nicht durchgeführt, führt dies nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i. V. m. § 67 BImSchG zur Rechtswidrigkeit bisher genehmigter Anlagen. Die TA Luft enthält die genauen Emissionswerte, deren Überschreitung zu vermeiden ist. Grenzwerte, die über denen der TA Luft liegen, entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG und führen zur Rechtswidrigkeit der Anlagen. Hinsichtlich des zeitlichen Anpassungshorizontes bestehender Anlagen existieren gem. § 17 BImSchG zwei Möglichkeiten: Einerseits können Unternehmen grundsätzlich zur sofortigen Anpassung verpflichtet werden. Andererseits jedoch werden den Verpflichteten aufgrund des auftretenden Konfliktes zwischen Rechtswidrigkeit und bisherigem Bestandsschutz regelmäßig Übergangsfristen eingeräumt.581 Unternehmen haben daher i. d. R. die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, die Maßnahme spätestens bis zum Ende einer gesetzlich einzuhaltenden Übergangsfrist durchzuführen.582
5.1.3
Bilanzielle Darstellung
Grundsätzlich kommen für die bilanzielle Darstellung von verpflichtend durchzuführenden Anpassungsmaßnahmen die Aktivierung oder die Rückstellungsbildung in Betracht. Welches der beiden Instrumente auf den konkreten Einzelfall anzuwenden ist, hängt davon ab, ob die Anpassungsmaßnahme nach den allgemeinen Kriterien als Vermögensgegenstand zu qualifizieren ist oder Erhaltungsaufwand darstellt, der bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Rückstellungsbildung zu antizipieren ist. Ist die Maßnahme als Vermögensgegenstand zu qualifizieren, darf hierfür keine Rückstellung gebildet werden. Daher wird die Aktivierung vorrangig geprüft.583 Stellt die Maßnahme Er581 582 583
Vgl. Depken (1999), S. 62. Vgl. Eilers (1994), S. 153; Eilers (1993), Rn. 75. Siehe auch Kap. 4.2.4.
137
haltungsaufwand dar, ist die Bildung einer Rückstellung, die eine Verpflichtung voraussetzt, zu untersuchen. Die Verpflichtung zur Durchführung einer Anpassungsmaßnahme basiert vornehmlich auf dem öffentlichen Recht, weshalb im weiteren Verlauf ausschließlich Anpassungsverpflichtungen mit dieser Rechtsgrundlage untersucht werden. Im Rückstellungsbereich kommen daher grundsätzlich nur Verbindlichkeitsrückstellungen in Betracht, die de lege lata neben den allgemeinen Rückstellungskriterien den besonderen Erfordernissen der hinreichenden Konkretisierung unterliegen.
5.1.3.1
Aktivierung von Anpassungsmaßnahmen
5.1.3.1.1 Die aktivierungspflichtige Anpassungsmaßnahme Ob aktivierungsfähige (nachträgliche) Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten oder nicht aktivierungsfähige Erhaltungsaufwendungen vorliegen, ist anhand des allgemeinen Aktivierungsgrundsatzes zu prüfen. Anpassungsmaßnahmen müssen den Erfordernissen der bilanziellen Greifbarkeit und selbstständigen Verwertbarkeit genügen, um aktivierungsfähige Vermögensgegenstände darzustellen. Beim erstmaligen Bau einer Anlage (z. B. Kläranlage) ist grundsätzlich von deren eigener Verkehrsfähigkeit und Verwertbarkeit auszugehen. Die Anlage ist zur Unterstützung der künftigen Produktion angeschafft bzw. hergestellt worden. Somit besteht ein aktivierungsfähiger Vermögensgegenstand.584 Ist die abstrakte Aktivierungsfähigkeit gegeben, liegt gleichzeitig auch die konkrete Aktivierungspflicht vor, denn es existieren im Handelsrecht keine Aktivierungsverbote für Anpassungsmaßnahmen. Die Anlage ist mit ihren Anschaffungsoder Herstellungskosten anzusetzen und über ihre betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzuschreiben. Bei anzuschaffenden Gegenständen mit geringerem Umfang oder bei (nachträglichen) Einbauten (z. B. Filteranlage) stellt sich hingegen die Frage, ob ein selbstständig aktivierungsfähiger Vermögensgegenstand oder lediglich ein unselbstständiger Bestandteil eines anderen übergeordneten Vermögensgegenstandes vorliegt. Im ersten Fall ist ein neuer Vermögensgegenstand mit eigener Abschreibungsdauer zu aktivieren, im zweiten Fall liegen nachträgliche Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten eines bereits existierenden Vermögensgegenstandes vor, wobei die restliche Nutzungsdauer des übergeordneten Vermögensgegenstandes zugrunde zu legen ist.
584
Vgl. Siegel (1993b), S. 327f.; Förschle/Scheffels (1993), S. 1199; Bartels (1992a), S. 150ff.
138
Eine Abgrenzung hat anhand des Kriteriums der selbstständig bilanzierungsfähigen Bewertungseinheit zu erfolgen. Unterste Grenze für eine selbstständig bilanzierungsfähige Bewertungseinheit bildet nach allgemeiner Literaturauffassung die Funktionseinheit.585 Solange Teile einer Bewertungseinheit nur in gegenseitiger Verbindung genutzt werden können und funktionieren, gelten sie als unselbstständige Bestandteile und werden im Zusammenhang mit dem übergeordneten Ganzen aktiviert und abgeschrieben. Werden dabei mehrere Gegenstände miteinander physisch fest verbunden, spricht die (widerlegbare) Vermutung für die Bildung eines einheitlichen Vermögensgegenstandes.586 Ein Filter, der in eine bestehende Anlage erstmalig fest einzubauen ist, kann nur in Verbindung mit dieser Anlage genutzt werden. Folglich ist er als nachträgliche Anschaffungskosten der Anlage zu aktivieren und über deren Restnutzungsdauer abzuschreiben. Beim erstmaligen Bau einer kompletten Filteranlage ist dagegen regelmäßig eine selbstständige Funktions- und Bewertungseinheit zu sehen. Da sie grundsätzlich nicht mit anderen Vermögensgegenständen verbunden ist, ist sie selbstständig bilanzierungsfähig.587 Kann die Vermutung eines einheitlichen Vermögensgegenstandes widerlegt werden, führt dies zur Bilanzierung mehrerer einzelner Vermögensgegenstände.588 In den Fällen, in denen die Anpassungsverpflichtung zu einem selbstständigen Vermögensgegenstand führt, stellen die zur Erfüllung der Verpflichtung anfallenden Ausgaben Anschaffungs- oder Herstellungskosten dar. Ab Nutzungsbeginn sind planmäßige Abschreibungen vorzunehmen. Die Länge der Nutzungsdauer bestimmt sich allein durch den neuen Vermögensgegenstand. Liegen Anschaffungs- oder Herstellungskosten unselbstständiger Bestandteile vor, sind die Aufwendungen im Rahmen des übergeordneten Vermögensgegenstandes zu aktivieren. Die Abschreibungen, die auf den unselbstständigen Bestandteil entfallen, beginnen analog ab Nutzungszeitpunkt. Die Länge der Abschreibung bestimmt sich nach der Restnutzungsdauer des übergeordneten Vermögensgegenstandes.
5.1.3.1.2 Die nicht aktivierungsfähige Anpassungsmaßnahme Anpassungsmaßnahmen können auch den Ersatz bzw. die Umrüstung bestehender Anlagen(teile) hervorrufen. Ob nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen vorliegen, ist anhand der Kriterien • 585 586 587 588
Generalüberholung,
Vgl. Körner (1976), S. 437; Olbrich (1996), S. 770. Vgl. Olbrich (1996), S. 764. Vgl. Bartels (1992a), S. 181f. Vgl. Olbrich (1996), S. 772.
139 •
Wesensänderung oder
•
wesentliche Verbesserung
der Anlage zu klären.589 Sind Anpassungsmaßnahmen (z. B. Tausch eines Filters oder Ersatz eines Spänetrockners590) durchzuführen, die den Kriterien der abstrakten Aktivierungsfähigkeit nicht genügen, stellen sie nicht aktivierungsfähige Erhaltungsaufwendungen dar. Im folgenden wird die Thematik anhand eines auszutauschenden Filters untersucht. Der Ersatz bzw. die Umrüstung eines alten Filters durch einen neuen, an die aktuellen Umweltnormen angepassten Filter stellt grundsätzlich keine Generalüberholung dar, da kein verbrauchter, zerstörter oder abgenutzter Filter wieder der Nutzung zugänglich gemacht wird. Der alte Filter ist physisch nicht defekt. Von einer Wesens- oder Substanzänderung einer Produktionsanlage ist auszugehen, wenn ein anderer Vermögensgegenstand als der ursprüngliche entsteht. Nach herrschender Meinung bleibt aber die Funktions- und Nutzenfähigkeit der Anlage durch den Filterwechsel aufrechterhalten.591 Auch nach Kupsch sind keine aktivierungsfähigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzunehmen, da sich weder die Nutzungsdauer noch die Anlage in ihrem Wesen wesentlich verändere.592 Es entsteht kein neuartiger Vermögensgegenstand, der einer neuen Zweckbestimmung unterliegt. Wie auch der ersetzte Filter, dient der neue dem Schutz vor umweltgefährdenden Abgasen. Eine wesentliche Verbesserung einer Filteranlage liegt vor, wenn sie durch die Anpassungsmaßnahme über ihren ursprünglichen Zustand hinaus so sehr zum Positiven verändert wird, dass sie einen neuen, bisher nicht vorhandenen Vermögensgegenstand darstellt.593 Der BFH hat entschieden, dass die durch behördliche Anordnung zu bewirkende Minderung der Emissionswerte nicht zu einer wesentlichen Verbesserung der Anlage führen könne.594 Die Anpassungsmaßnahme verleihe der Anlage lediglich den zeitgemäßen Standard. Aktivierungsfähige Maßnahmen müssten dagegen zu einer höherwertigen Nutzbarkeit führen. Eine Verbesserung sieht der BFH erst dann als wesentlich an, wenn über die zeitgemäße Erneuerung hinaus nach objektiven Maßstäben der Gebrauchswert der Anlage deutlich erhöht wird.595 Auch die Lite589 590 591 592 593 594 595
Näher hierzu siehe Kap. 4.2.2. Der BFH hatte für die Umrüstung eines Spänetrockners zu entscheiden, ob Rückstellungen für Anpassungsmaßnahmen gebildet werden dürfen. Vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 – I R 45/97, S. 1698ff. Vgl. Bartels (1992a), S. 185. Vgl. Kupsch (1992), S. 2321; Bordewin (1994), S. 1688; Förschle/Scheffels (1993), S. 1199. Näher hierzu siehe Kap. 4.2.2. Vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 – I R 45/97, S. 1701. Vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 – I R 45/97, S. 1701; näher hierzu Koths (2001), S. 1850.
140
ratur geht bei der Modernisierung bestehender Anlagen regelmäßig von Erhaltungsaufwendungen aus,596 insbesondere wenn eine (Filter-)Anlage, die nicht mehr den gültigen umweltrechtlichen Anforderungen entspricht, per Anordnung durch eine neue ausgetauscht und ersetzt werden soll.597 Rechtsprechung und Literatur sind sich weitestgehend einig, dass die Filteranlage – wenn auch mit leistungsfähigerem Filter – lediglich weitergenutzt wird, aber keinen vollkommen neu geschaffenen Vermögensgegenstand darstelle. Der Argumentation könnte man entgegnen, dass mit dem Filteraustausch sehr wohl eine neuartige Anlage entsteht, da diese im Gegensatz zur bisherigen rechtswidrigen Anlage rechtmäßig weitergeführt werden darf. Insofern tritt eine erhebliche Verlängerung der Nutzungsdauer ein, die als wesentliche Verbesserung erachtet werden könnte.598 Würde das Unternehmen aber freiwillig aufgrund betriebsnotwendiger Verbesserungen einen neuen Filter einbauen, läge dagegen lediglich ein Austausch vor, der „primär der Erhaltung der Funktionsfähigkeit“599 dient. Es kann aber wirtschaftlich keinen Unterschied machen, ob ein Unternehmen rechtlich zur Anpassungsmaßnahme verpflichtet wird oder aus wirtschaftlichen Gründen eine solche Maßnahme durchführt. Grundsätzlich stellen die Aufwendungen zum Tausch eines Filters Erhaltungsaufwendungen dar. Dennoch sollte im Fall des Ersatzes eines bestehenden Vermögensgegenstandes durch einen neuen stets genau geprüft werden, ob nachträgliche Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen vorliegen.
5.1.3.2
Rückstellungen für Anpassungsverpflichtungen
Für die Bildung einer Rückstellung ist das Vorliegen von Erhaltungsaufwendungen conditio sine qua non. Rückstellungen für aktivierungsfähige Vermögensgegenstände kommen nicht in Betracht.600 Hinsichtlich der bilanziellen Abbildung von Anpassungsverpflichtungen ist also zunächst zu prüfen, ob Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorliegen. Erst wenn diese Frage verneint werden kann und somit Erhaltungsaufwendungen vorliegen, sind in einem nächsten Schritt die allgemeinen Voraussetzungen zur Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen für Anpassungsverpflichtungen zu untersuchen. Werden diese erfüllt, sind de lege lata 596 597 598 599 600
Vgl. Siegel (1993b), S. 327f.; Förschle/Scheffels (1993), S. 1199; Bartels (1992a), S. 150ff.; Schmidt/Roth (2004), S. 554. Vgl. Bartels (1992a), S. 184; Bartels (1992c), S. 1312; Klein (1998), S. 183; Bordewin (1992a), S. 1534; Grube (1999), S. 1726ff.; Kupsch (1992), S. 2321; Siegel (1993a), S. 134. Vgl. Schmidbauer (2000), S. 1136. Kupsch (1992), S. 2321. Siehe Kap. 4.2.4.
141
darüber hinaus die besonderen Anforderungen an öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu prüfen, da Anpassungsverpflichtungen meist auf dem öffentlichen Recht basieren. Regelmäßig liegen bei Anpassungsverpflichtungen die Kriterien des Bestehens oder künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit sowie der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme vor. Über ein Gesetz oder einen Verwaltungsakt kann und wird die Umweltbehörde ihren Anspruch auf Anpassung der Anlage geltend machen und ihn auch tatsächlich durchsetzen, da sie keine Ermessensspielräume hat. Dadurch wird auch das Wahrscheinlichkeitskriterium erfüllt.
5.1.3.2.1 Die Passivierung einer Verbindlichkeitsrückstellung in Abhängigkeit von wirtschaftlicher Verursachung und rechtlichem Entstehen Kritisch ist die dritte Voraussetzung zu untersuchen, ob nämlich bei Anpassungsmaßnahmen von einer wirtschaftlichen Verursachung bzw. einem rechtlichen Entstehen der Verpflichtung ausgegangen werden kann.
5.1.3.2.1.1 Die wirtschaftliche Verursachung Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Verursachung ist nach dem Realisationsprinzip in seiner erweiterten Fassung zu klären, ob vergangene oder künftige Erträge durch die zukünftigen Ausgaben für die Anpassungsmaßnahme alimentiert werden. Werden vergangene Erträge alimentiert, ist eine Rückstellungsbildung grundsätzlich geboten. Vor der Anpassungsmaßnahme kam es m. E. zu keinem Zeitpunkt zu einer rechtswidrigen Handlung des Unternehmens. Die Umwelt ist in der Vergangenheit zwar permanent beeinträchtigt worden, diese Beeinträchtigung erfolgte aber innerhalb der gesetzlichen Normen. Das Unternehmen führt die Anpassungsmaßnahme folglich nicht zur Beseitigung vergangener rechtswidriger Handlungen durch, sondern zur Vermeidung zukünftiger rechtswidriger Handlungen. Aufgrund ihres Vorsorgecharakters strahlt die Anpassungsmaßnahme eine umweltfreundliche Wirkung erst in der Zukunft aus. Die Zielsetzung des BImSchG oder der TA Luft besteht gerade nicht in der Beseitigung einer bereits bestehenden Luftverschmutzung, sondern in der Begrenzung der künftigen Verschmutzung, die durch den weiteren Betrieb der Anlage ent-
142
steht.601 Damit scheidet regelmäßig ein Bezug zu vergangenen Erträgen aus, der für das Vorliegen einer wirtschaftlich verursachten Verpflichtung unabdingbar ist. Eine wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit kann folglich bei Anpassungsverpflichtungen nie gegeben sein. Durch die Anpassungsmaßnahme werden nämlich zukünftige Erträge alimentiert. Die Aufwendungen stellen Kosten der künftigen Produktion dar,602 die eng mit künftigen Gewinnchancen verbunden sind. Köster stellt zu Recht fest, dass eine Anpassungsmaßnahme „zu keiner Zeit geeignet ist, die im Rahmen der Ertragserzielung bereits verursachten Luftverschmutzungen zu beseitigen, sondern nur darauf abzielt, Luftverschmutzungen aus künftigen Perioden zu begrenzen“603. Eine Rückstellungsbildung aufgrund der wirtschaftlichen Verursachung der zugrundeliegenden Verpflichtung scheidet daher aus. Für die Verfechter des Realisationsprinzips ist die wirtschaftliche Verursachung alleinige Voraussetzung der Rückstellungsbildung. Da das Realisationsprinzip keine Passivierung gebiete, sei eine Rückstellungsbildung unzulässig.604 Das rechtliche Entstehen einer Verpflichtung stellt für sie keinen Ersatztatbestand dar. Hinsichtlich Anpassungsverpflichtungen kommt dem Realisationsprinzip daher eine rückstellungsbegrenzende Wirkung zu. Da die überwiegende Literaturmeinung in Bezug auf die Rückstellungsbildung die ausschließliche Orientierung am Realisationsprinzip allerdings zu Recht verneint, ist folglich auch das rechtliche Entstehen einer Anpassungsverpflichtung zu untersuchen.
5.1.3.2.1.2 Das rechtliche Entstehen Für den Zeitpunkt der rechtlichen Entstehung ist die Zugehörigkeit der zukünftigen Ausgaben zu bereits realisierten Erträgen und damit die wirtschaftliche Verursachung vollkommen unbeachtlich, so dass im Fall des rechtlichen Entstehens eine rückstellungsbegrenzende Wirkung des Realisationsprinzips ausscheidet.607 Beruhen die künftigen Ausgaben auf rechtlich entstandenen Ereignissen vor dem Bilanzstichtag, ist aufgrund des Imparitätsprinzips als Folge des Vorsichtsprinzips eine Rückstellung zu bilden.608
601 602 603 604 605 606 607 608
Vgl. Bartels (1992a), S. 188. Vgl. Siegel/Koths (2002), S. 709; Weber-Grellet (2002), S. 2183; Herzig (1994d), S. 80; Herzig (1990), S. 1351. Köster (1994), S. 366. Vgl. Herzig (1994d), S. 80; Köster (1994), S. 370; Herzig/Köster (1999), Rn. 391; Sarrazin (1993), S. 4. Herzig/Köster (1999), Rn. 391. Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 391. Vgl. Bartels (1992c), S. 1314; Bordewin (1992b), S. 1100f. Vgl. Depken (1999), S. 114f.
143
Für den Zeitpunkt der rechtlichen Entstehung einer Verpflichtung kommen grundsätzlich zwei Zeitpunkte in Betracht: Zum einen könnte die Verpflichtung zur Anpassung von Anlagen ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der neu festgelegten Grenzwerte rechtlich entstanden sein, zum anderen erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung der gewährten Übergangsfrist. Nach Beendigung der Übergangsfrist besteht auf jeden Fall ein Erfüllungsrückstand, der über eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten abzubilden ist.609 Ansprüche und Verpflichtungen entstehen grundsätzlich zu dem Zeitpunkt, zu dem die sie begründenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, wobei die Fälligkeit unbeachtlich ist. Die neu geforderten Grenzwerte werden seit Bekanntgabe überschritten und entsprechen seitdem nicht mehr dem (neuesten) Stand der Technik. Das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit ist also erfüllt,610 obwohl die Anlage während der Übergangsfrist in ihrem jeweiligen Zustand weiter betrieben werden darf. Das Weiterbetreiben der Anlage stellt nur einen seitens des Gesetzgebers eingegangenen Kompromiss zugunsten des Bestandschutzes dar. Neu zu errichtende Anlagen dürften daher niemals mit den höheren Grenzwerten in Betrieb gehen, da für sie keine Übergangsfrist gilt. Bestehende Anlagen entsprechen ab Bekanntgabezeitpunkt m. E. folglich nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen.611 Der Entstehungszeitpunkt der rechtlichen Verpflichtung ist somit der Bekanntgabezeitpunkt der neuen Grenzwerte.612 Diese rechtlich voll entstandene Verpflichtung ist lediglich noch nicht fällig.613 Für die Bildung einer Rückstellung ist der frühere der beiden Zeitpunkte heranzuziehen.614 Bei fehlender wirtschaftlicher Verursachung ist somit hinsichtlich der Thematik grundsätzlich der Zeitpunkt der rechtlichen Entstehung für die Bilanzierung maßgeblich.615
5.1.3.2.2 Besondere Ansatzkriterien für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen Nachdem die allgemeinen Rückstellungskriterien für Anpassungsverpflichtungen grundsätzlich als erfüllt angesehen werden können, ist zu untersuchen, ob die für öffentlich-rechtliche 609 610 611 612 613 614
615
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 249 HGB Rz. 124. Vgl. Herzig (1990), S. 1351; Bordewin (1992b), S. 1101; anders BMF-Schreiben vom 27.09.1988 – IV B 2 – S 2137 – 49/88, S. 2279. So auch Bordewin (1992b), S. 1100f.; Bartels (1992c), S. 1313; Eilers (1993), Rn. 141; Kupsch (1992), S. 2325. So auch Köster (1994), S. 365; Klein (1998), S. 179; BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 – I R 45/97, S. 1699; anders BMF-Schreiben vom 27.09.1988 – IV B 2 – S 2137 – 49/88, S. 2279. Vgl. Eilers (1993), Rn. 196; Kupsch (1992), S. 2325; Koths (2001), S. 1849. Vgl. BFH-Urteil vom 23. September 1969 – I R 22/66, S. 106; BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 – I R 45/97, S. 1698ff. Anders dagegen Ballwieser, für den Verbindlichkeitsrückstellungen für Anpassungsverpflichtungen nicht angesetzt werden dürfen. Vgl. Ballwieser (1992), S. 148f. Vgl. Bartels (1992a), S. 190; Bordewin (1992b), S. 1100f.; Kupsch (1992), S. 2325.
144
Verpflichtungen geltenden Kriterien der hinreichenden Konkretisierung vorliegen. Erst wenn diese ebenfalls gegeben sind, ist eine Rückstellungsbildung unumstritten zulässig. Dabei sind im Folgenden zwei Fälle zu unterscheiden: Die Rückstellungsbildung auf Grundlage eines Verwaltungsaktes und auf Grundlage des (bloßen) Überschreitens gesetzlicher Normwerte. Ist bereits ein Verwaltungsakt erlassen worden, der eine Anpassungsmaßnahme zwingend vorschreibt, ist die Verpflichtung dem Gläubiger bekannt. Eine Rückstellungsbildung ist nicht nur geboten, sondern auch verpflichtend. Problematisch ist die Bildung einer Rückstellung allein auf Grundlage des Überschreitens gesetzlicher Normwerte. Dieser Fall wird in der handelsrechtlichen Diskussion weitestgehend außer Acht gelassen. Liegt kein Verwaltungsakt vor, hat das Gesetz dem Verpflichteten ein genau definiertes Handeln innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens aufzuerlegen. An die Nichterfüllung der Verpflichtung sind zusätzlich Sanktionen zu knüpfen. Es darf zudem kein vorwiegend betriebliches Eigeninteresse an der Durchführung einer Anpassungsmaßnahme vorliegen. Dieses letzte Kriterium wird bei Anpassungsverpflichtungen in praxi regelmäßig erfüllt. Die Zulässigkeit einer Rückstellung auf Basis des Überschreitens gesetzlicher Normwerte ist davon abhängig, dass der Inhalt des zugehörigen Gesetzes den beschriebenen erforderlichen Kriterien genügt. Das BImSchG selbst ist m. E. zu unbestimmt, um den konkreten Erfordernissen gerecht zu werden. Die inhaltliche Ausgestaltung könnte in der TA Luft vorliegen, die allerdings lediglich eine Verwaltungsvorschrift darstellt und somit grundsätzlich nicht als Rechtsnorm i. S. e. Gesetzes gilt. Dennoch kommt ihr eine normenkonkretisierende Wirkung zu,616 die sie aufgrund ihrer Außenwirkung den gesetzlichen Rechtsnormen vergleichbar macht.617 Die TA Luft fordert eine Anpassung an die neuen gesetzlichen Normwerte, was grundsätzlich dem Erfordernis des inhaltlich genau bestimmten Handelns entspricht. Auch das Kriterium des Handelns innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ist erfüllt, da dieser Zeitraum mit der Übergangsfrist endet. Konkrete Sanktionsmaßnahmen sind allerdings weder im Gesetz noch in der Verwaltungsvorschrift vorzufinden. Aus diesem Grunde scheint de lege lata eine Rückstellungsbildung für Anpassungsmaßnahmen aufgrund des BImSchG i. V. m. der TA Luft nicht möglich.
616 617
Vgl. Klein (1998), S. 188f.; Bartels (1992c), S. 1313; Klein (1992), S. 1776. Näher hierzu siehe Bartels (1992a), S. 186.
145
Eine Rückstellung ist m. E. aber dennoch in den Fällen, in denen gesetzliche Normwerte überschritten werden, anzusetzen. Die Anlage befindet sich in einem rechtswidrigen Zustand, wenn sie die gesetzlichen Normwerte übersteigt. Die allgemeinen Rückstellungskriterien sind folglich erfüllt, insbesondere ist das Kriterium des rechtlichen Bestehens einer Verpflichtung gegeben. Das Unternehmen kann sich der Verpflichtung nicht entziehen. Es liegt eine bilanzierungspflichtige Schuld vor. Die zusätzlichen Kriterien, die der BFH an die Bildung von Rückstellungen aus öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen gestellt hat, sind abzulehnen.618
5.2
Die Erfassung von Altlastensanierungsverpflichtungen
5.2.1
Begriffsbestimmung
5.2.1.1
Altlasten
Durch das 1999 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (BBodSchG) wurde bundeseinheitlich erstmals eine Begriffsdefinition für Altlasten geschaffen. Zwecksetzung des BBodSchG ist gem. § 1 BBodSchG, „...nachhaltig die Funktion des Bodens zu sichern oder wiederherzustellen. Hierzu sind schädliche Bodenveränderungen abzuwehren, der Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren und Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden zu treffen. Bei Einwirkungen auf den Boden sollen Beeinträchtigungen seiner natürlichen Funktionen sowie seiner Funktion als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte so weit wie möglich vermieden werden.“ Altlasten sind gem. § 2 Abs. 5 BBodSchG: •
Stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und
•
Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf (Altstandorte), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.
618
Näher hierzu siehe 4.1.3.3.
146
Der Begriff Altlast setzt eine schädliche Bodenveränderung bzw. -verunreinigung voraus. Schädliche Bodenverunreinigungen sind gem. § 2 Abs. 3 BBodSchG Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen.619 Als Boden definiert § 2 Abs. 1 BBodSchG die oberste Schicht der Erdkruste, soweit sie Träger der in § 2 Abs. 2 BBodSchG genannten Bodenfunktionen ist, einschließlich der flüssigen Bestandteile (Bodenlösung) und der gasförmigen Bestandteile (Bodenluft), ohne Grundwasser und Gewässerbetten. Bodenfunktionen im Sinne des § 2 Abs. 2 BBodSchG sind: •
Natürliche Funktionen als o Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen, o Bestandteil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen und o Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen aufgrund der Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften, insbesondere auch zum Schutz des Grundwassers,
•
Funktionen als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte sowie
•
Nutzungsfunktionen als o Rohstofflagerstätte, o Fläche für Siedlung und Erholung, o Standort für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung und o Standort für sonstige wirtschaftliche und öffentliche Nutzungen, Verkehr, Ver- und Entsorgung.
Liegt lediglich der Verdacht einer Altlast vor, besteht gem. § 2 Abs. 6 BBodSchG eine altlastverdächtige Fläche. Altlastverdächtige Flächen im Sinne des BBodSchG sind Altablagerungen und Altstandorte, bei denen der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen oder sonstiger Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit besteht.
619
Der BdF erklärt eine Abschreibung für eine „Altlast“ für zulässig, von der keine akute Gefährdung ausgeht. Vgl. BdF-Schreiben vom 25.02.2000 – IV C 2 – S 2171 b – 14/00, S. 372. Geht aber keine akute Gefahr von einer Kontamination aus, erfüllt sie überhaupt nicht die Definition einer Altlast. Die Argumentation des BdF ist daher unschlüssig und somit abzulehnen.
147
Die Erfassung von Altlasten und altlastenverdächtiger Flächen erfolgt gem. § 11 BBodSchG durch die einzelnen Bundesländer. Eine Zusammenstellung des Umweltbundesamtes620 auf der Grundlage der Erhebung der Bundesländer (ohne Rheinland-Pfalz) ergibt 230.558 Altlastenverdachts- sowie 10.595 Altlastenflächen. Die Altlastenflächen liegen im Wesentlichen in Nordrhein-Westfalen (1.917), Sachsen (1.630) und Bayern (1.449).
5.2.1.2
Sanierung
Sanierungsmaßnahmen im Sinne von § 2 Abs. 7 BBodSchG sind Maßnahmen •
zur Beseitigung oder Verminderung der Schadstoffe (Dekontaminationsmaßnahmen);
•
die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern oder vermindern ohne die Schadstoffe zu beseitigen (Sicherungsmaßnahmen);
•
zur Beseitigung oder Verminderung schädlicher Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Bodens.
Dekontaminationsmaßnahmen bekämpfen die Ursache und haben regelmäßig eine vollkommene Schadensbeseitigung zur Folge, während Sicherungsmaßnahmen den entstandenen Umweltschaden nur begrenzen und die Gefährdung abwehren. Eine vollkommene Dekontamination ist in praxi nicht immer möglich und wird i. d. R. an wirtschaftlichen oder technischen Gegebenheiten scheitern.621 Nach Durchführung einer Sanierungsmaßnahme, die keine vollkommene Schadensbeseitigung erreicht, kann mitunter die spätere Art der Bodennutzung eingeschränkt sein. Das BBodSchG wird durch die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) konkretisiert. § 5 BBodSchV regelt, unter welchen Voraussetzungen welche Maßnahme einzusetzen ist. Die Art der jeweils durchzuführenden Maßnahme bzw. des Maßnahmenbündels hängt entscheidend vom Einzelfall ab, wobei stets die planungsrechtlich zulässige Nutzung des Grundstücks zu beachten ist. Kriterien, welche einzusetzende Maßnahme in Frage kommt, sind insbesondere622
620 621 622
•
die technische Durchführbarkeit,
•
wirtschaftliche Abwägungen (Kosten-Nutzen-Aspekte),
Vgl. Umweltbundesamt (2004). Die Erhebungen haben in der Zeit zwischen Dezember 2001 und März 2004 stattgefunden. Für Rheinland-Pfalz liegen keine Angaben vor. Vgl. Köster (1994), S. 220. In Anlehnung an Philipps (1995), S. 199f.
148 •
die Erreichbarkeit der Schutz- und Sanierungsziele durch die Sanierungsmaßnahmen sowie
•
die Umweltverträglichkeit.
Sanierungsmaßnahmen sind durchzuführen, um akute Gefährdungen zu beseitigen.623 Von der Sanierung abzugrenzen sind gem. § 2 Abs. 8 BBodSchG Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen, die Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit lediglich verhindern oder vermindern. Falls Dekontaminations- und Sicherungsmaßnahmen nicht durchführbar oder zuzumuten sind, kommen diese Maßnahmen (insbesondere Nutzungsbeschränkungen) in Betracht. Liegen der zuständigen Behörde Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung oder eine Altlast vor, ist sie gem. § 9 BBodSchG zur Ermittlung des Sachverhaltes verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Anhaltspunkte für solche schädlichen Bodenveränderungen oder Altlasten sind nach § 3 BBodSchV dann anzunehmen, wenn auf Grundstücken über einen längeren Zeitraum oder in erheblicher Menge mit Schadstoffen umgegangen wurde und die jeweilige Betriebs-, Bewirtschaftungs- und Verfahrensweise oder Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs nicht unerhebliche Einträge solcher Stoffe in den Boden vermuten lassen (z. B. Lackierereien). Die zugrundeliegenden Prüf- und Maßnahmewerte, die den Gefahrenbegriff konkretisieren, ergeben sich ebenfalls aus der Verordnung. Prüfwerte stellen dabei Werte zur Gefahrenverdachtsbeurteilung dar. Maßnahmewerte dagegen sind Werte, bei deren Überschreiten i. d. R. von einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast auszugehen ist.624 Ergibt die angeordnete Untersuchung, dass von einer Verdachtsfläche tatsächlich eine Gefahr ausgeht, wird diese Fläche zur Altlast erklärt. Bei Altlasten soll die zuständige Behörde gem. § 13 BBodSchG vom zur Sanierung Verpflichteten die notwendigen Untersuchungen zur Entscheidung über Art und Umfang der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen sowie die Vorlage eines Sanierungsplanes verlangen. Der Sanierungsplan hat eine zusammenfassende Darstellung der Gefährdungsabschätzung und der Sanierungsuntersuchungen, der bisherigen und künftigen Nutzung des Grundstücks sowie das Sanierungsziel samt einzusetzender Sanierungsmaßnahmen zu enthalten.
623 624
Vgl. Bäcker (1994), S. 7. Vgl. Knopp/Ebermann-Finken (1999), S. 2470.
149
5.2.2
Anspruchsgrundlagen
Die bedeutendste (öffentlich-rechtliche) Anspruchsgrundlage für Altlasten ist mit dem BBodSchG geschaffen worden. Dieses Gesetz kommt zur Anwendung, soweit nicht andere Spezialvorschriften gem. § 3 BBodSchG vorrangig zu beachten sind. Grundsätzlich hat sich gem. § 4 Abs. 1 BBodSchG jeder, der auf den Boden einwirkt, so zu verhalten, dass schädliche Bodenverunreinigungen nicht hervorgerufen werden. § 4 Abs. 3 BBodSchG regelt die rechtliche Sanierungsverantwortung für Umweltschädigungen. Danach sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger625, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verunreinigte Gewässer so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.626 Neben dem Handlungsstörer sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger erstreckt sich die Sanierungsverantwortung auch auf den Zustandsstörer.627 Sanierungsmaßnahmen sind aber auch aufgrund zivilrechtlicher bzw. faktischer Verpflichtungen oder rein wirtschaftlich ohne Rechtsgrundlage durchzuführen. Dabei schließt eine Anspruchgrundlage eine andere nicht aus. Vielmehr können mehrere Anspruchsgrundlagen parallel nebeneinander stehen. Zivilrechtlich durchzuführende Maßnahmen ergeben sich hauptsächlich aus (pacht-)vertraglichen Regelungen.
5.2.3
Bilanzielle Darstellung
Die Kontamination von Grund und Boden kann für das Unternehmen eine rechtliche bzw. faktische Außenverpflichtung oder eine Innenverpflichtung begründen. Im Folgenden wird untersucht, ob die Verpflichtung zur Sanierung im Jahresabschluss als Verbindlichkeits- bzw. Aufwandsrückstellung zu erfassen ist. Neben der Verpflichtung des Unternehmens zur Sanierung des Grund und Bodens liegt regelmäßig ein Wertverlust des kontaminierten Grundstücks vor, da es in seinem Nutzen oftmals eingeschränkt bzw. nur unter dem Preis nichtkontaminierter Grundstücke zu vermieten oder zu verkaufen ist. Es wird daher analysiert, ob diese Wertminderung eine außerplanmäßige Abschreibung begründet. 625 626 627
Zur möglichen Beschränkung der öffentlich-rechtlichen Altlastenhaftung des Erben siehe Schwartmann/ Vogelheim (2001), S. 101ff. Zur Sanierungsverantwortung nach dem BBodSchG siehe auch Giesberts/Frank (2000), S. 505ff. Näher zur Störereigenschaft siehe Kap. 2.3.
150
Im ungünstigsten Falle können mit einem öffentlich-rechtlichen Sanierungsanspruch (z. B. Dekontamination des Bodens) zivilrechtliche Schadensersatzansprüche (z. B. aufgrund von Nutzungsbeeinträchtigungen benachbarter Grundstücke durch die Schadstoffbelastung), faktische Zwänge (öffentlicher Druck von Bürgervereinigungen oder Umweltschützern) und Innenverpflichtungen (zusätzliche Abbruch- bzw. Abrisskosten) gemeinsam mit einer Wertminderung des kontaminierten Grundstücks (Nutzungsbeeinträchtigung für das Unternehmen) einhergehen.628 Liegen die Voraussetzungen sowohl für die Bildung einer Rückstellung als auch für die Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung vor, ist zu prüfen, ob hinsichtlich der Bilanzierung ein Konkurrenzverhältnis besteht und wie dieses bilanziell sachgerecht zu lösen ist. Zudem wird kurz auf die Thematik von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Sanierungsmaßnahmen eingegangen, insbesondere bei der Kenntnis der Altlast zum Erwerbszeitpunkt. Im Folgenden wird lediglich untersucht, welches Bilanzinstrument im konkreten Einzelfall anzuwenden ist. Auf konkrete Bewertungsfragen wird nicht eingegangen, da hier auf die allgemeinen Grundsätze verwiesen werden kann. Eine Bewertung der Sanierungsaufwendungen ist anhand der wahrscheinlich anzuwendenden technischen Maßnahmen unter Abschätzung aller entstehenden Kosten vorzunehmen. Hilfreich können konkrete Kostenvoranschläge oder Sanierungsangebote sein.629
5.2.3.1
Verbindlichkeitsrückstellungen für Altlastensanierungsverpflichtungen
Altlastensanierungsverpflichtungen können sich aus privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Anspruchsgrundlagen sowie aus faktischen Zwängen ergeben. Da der BFH für die Rückstellungsbildung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen besondere Konkretisierungserfordernisse verlangt, werden die verschiedenen Verpflichtungsgrundlagen getrennt untersucht.
628 629
Ähnlich Philipps (1995), S. 12f. Zu den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen für Rückstellungen siehe Kap. 4.1.4.
151
5.2.3.1.1 Privatrechtliche Sanierungsverpflichtungen Privatrechtliche Verpflichtungen sind hinsichtlich ihres Umfanges in vertragliche und gesetzliche zu unterscheiden. Gesetzliche Verpflichtungen des Privatrechts gehen regelmäßig nicht so weit wie öffentlich-rechtliche Verpflichtungen nach dem BBodSchG, da Nachbarn gem. § 906 BGB Duldungspflichten auferlegt werden. Eine vollkommene Dekontamination wird somit regelmäßig über gesetzliche Ansprüche des Privatrechts nicht erreicht werden können. Vielmehr ist in diesen Fällen von Sicherungsmaßnahmen auszugehen. Bei vertraglichen Verpflichtungen richtet sich der Sanierungsumfang nach den Bestimmungen des Vertrages, die im Regelfall eine Dekontamination vorsehen. Verbindlichkeitsrückstellungen aus privatrechtlichen Verpflichtungen zur Altlastensanierung sind in der Handelsbilanz dann anzusetzen, wenn sie die allgemeinen Ansatzkriterien erfüllen. Nach diesen Kriterien muss eine Verpflichtung be- oder entstehen, deren Inanspruchnahme wahrscheinlich ist und die im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht bzw. rechtlich entstanden ist.630 Bei privatrechtlichen Verpflichtungen werden die ersten beiden Voraussetzungen regelmäßig anzunehmen sein.631 Das Be- bzw. Entstehen einer Verpflichtung ergibt sich grundsätzlich aus dem BGB bzw. Pachtvertrag. Es liegt nahe, dass der Verpflichtete tatsächlich auch in Anspruch genommen wird und eine Sanierung durchzuführen hat. Altlasten sind regelmäßig aber nicht nur rechtlich entstanden, sondern auch wirtschaftlich verursacht, da sie aus der unternehmerischen Tätigkeit in der Vergangenheit resultieren. Die zukünftigen Aufwendungen alimentieren vergangene Erträge. Problematisch erscheint die wirtschaftliche Verursachung aber, wenn die Verpflichtung aus einer Altlast dem derzeitigen Eigentümer eines Grundstücks droht, dieser aber Erträge in der Vergangenheit aus diesem Grundstück nie erwirtschaftet hat, da er zum damaligen Zeitpunkt nicht Eigentümer des Grundstücks war.632 Das Realisationsprinzip in seiner erweiterten Fassung greift m. E. auch im Fall eines Eigentümerwechsels. Die Erträge sind zwar nicht dem jetzigen Eigentümer, sondern seinem Vorgänger zugeflossen, was an der Realisation der Erträge und der Alimentation der Aufwendungen aber nichts ändert. Ohne Betrachtung der rechtlichen Entstehung ist auch in diesen Fällen eine Begründung aufgrund des Realisationsprinzips statthaft. 630 631 632
Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.1. Ähnlich Bartels (1992a), S. 154. Vgl. Köster (1994), S. 149.
152
Das Unternehmen hat aus der privatrechtlichen Verpflichtung zur Sanierung eine Schuld zu bilanzieren. Da Fälligkeit wie auch Höhe am Bilanzstichtag regelmäßig unbekannt sind, ist eine Rückstellung anzusetzen.
5.2.3.1.2 Öffentlich-rechtliche Sanierungsverpflichtungen Sanierungsverpflichtungen ergeben sich häufig auch aus öffentlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen. Um diese Verpflichtungen bilanziell über Rückstellungen abbilden zu können, müssen neben den allgemeinen Ansatzkriterien zusätzlich die Anforderungen der hinreichenden Konkretisierung633 erfüllt sein. Dabei ist zu unterscheiden, ob bereits eine behördliche Sanierungsverfügung vorliegt oder nicht. Liegt noch keine Sanierungsverpflichtung vor, sind an das zugrundeliegende Umweltgesetz (hier: BBodSchG) besondere Kriterien zu stellen.
5.2.3.1.2.1 Vorliegen einer behördlichen Sanierungsverfügung Hat die zuständige Behörde einen Verwaltungsakt erlassen, stehen einer Rückstellungsbildung bei Erfüllung der allgemeinen Ansatzkriterien grundsätzlich keine Bedenken entgegen. Die besonderen Anforderungen des BFH an ein Umweltgesetz sind hier nicht zu untersuchen, da eine konkrete Anordnung vorliegt. Die Inanspruchnahme aus dieser Verpflichtung ist gegeben, da die Umweltbehörde den Verwaltungsakt regelmäßig vollstreckt.635 Eigenbetriebliches Interesse ist an einer Sanierung ggf. nicht vollständig auszuschließen, doch sollte m. E. aufgrund der enormen Gefahr der Altlast ein vornehmliches Gemeininteresse anzunehmen sein.
5.2.3.1.2.2 Mangelndes Vorliegen einer behördlichen Sanierungsverfügung Liegt seitens der Behörde (noch) keine behördliche Sanierungsverfügung vor, ist hinsichtlich der Rückstellungsbildung zu untersuchen, ob das BBodSchG ein genau bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vorschreibt und an die Nichterfüllung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind. Ein Unternehmen ist gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG verpflichtet, eine Altlast bei Kenntnis der zuständigen Behörde mitzuteilen. § 26 Abs. 1 BBodSchG definiert, dass ordnungswidrig derjenige handelt, der vorsätzlich oder fahrlässig diese Mitteilung nicht, nicht richtig, 633 634 635
Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.2. Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.2. Vgl. Bartels (1992a), S. 153f.
153
nicht vollständig oder nicht rechtzeitig tätigt. Bei ordnungswidrigem Verhalten liegt es im Ermessen der zuständigen Behörde, ein Bußgeld zu verhängen. Es werden an die Nichterfüllung der Anzeigepflicht Sanktionen geknüpft, die allerdings im Gesetz nicht näher dargestellt sind. Das BBodSchG legt i. V. m. der BBodSchV Prüf- und Maßnahmewerte fest, bei deren Überschreitung Sanierungen verpflichtend werden. Somit kommt der BBodSchV, die den verbindlich geltenden Rechtsnormen gleichzusetzen ist, eine normenkonkretisierende Wirkung zu.636 Das BBodSchG gibt Sanierungsmaßnahmen vor, lässt aber offen, welche konkreten Handlungsanweisungen vorzunehmen sind. Gesetz und Verordnung enthalten dennoch ein Handlungsziel im Sinne eines zu erreichenden Leistungserfolges.637 Die Benennung eines derartigen Handlungszieles (Sanierung) wird grundsätzlich in der Literatur für ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln als ausreichend erachtet.638 Zwar enthält das Gesetz Normen über den unverzüglichen Zeitpunkt der Mitteilung einer Altlast, schweigt aber über den Zeitraum, in dem eine Sanierung stattfinden soll. Ein Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ist m. E. folglich nicht gegeben. Ebenso benennt das Gesetz nicht die Art und den Umfang der Sanktionen, die an die Unterlassung einer Sanierung (nicht – wie oben – an die Unterlassung der Anzeigepflicht) geknüpft sind. Das BBodSchG erfüllt nach der hier vertretenen Auffassung daher nicht die Erfordernisse der hinreichenden Konkretisierung.639 Die Bildung einer Rückstellung aufgrund dieses Gesetzes ist de lege lata nicht möglich. Eine solche Rückstellungsbildung ist aber unbedingt zu fordern, da nur das tatsächliche Vorliegen einer Altlast für die bilanzielle Abbildung maßgeblich sein kann. Der Schuldcharakter aus einer Kontamination ergibt sich aus der abstrakten und der konkreten Passivierungsfähigkeit. Die abstrakte Passivierungsfähigkeit liegt genau dann vor, wenn von dem Grund und Boden Gefahren oder sonstige Beeinträchtigungen ausgehen, die nach bestehender Gesetzeslage zu beseitigen sind, und das Unternehmen für diese Gefahren auch tatsächlich haftbar gemacht werden kann. Es besteht folglich eine bilanzierungsfähige Schuld. Konkrete Passivierungsverbote existieren nicht. Die mangelnde Kenntnis einer Behörde respektive ihr fehlendes Tätigwerden ist für das tatsächliche Vorliegen eines Umweltschadens vollkommen 636 637 638 639
Vgl. Klein (1998), S. 188f.; Bartels (1992c), S. 1313; Klein (1992), S. 1776. Vgl. Köster (1994), S. 94; Bäcker (1990), S. 2226. Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.2.1. So auch Eilers/Geisler (1998), S. 2411ff.; Eilers/von Rosenberg (1996), S. 1113ff.
154
irrelevant. Erlangt das bilanzierende Unternehmen Kenntnis von dieser Kontamination, ist es m. E. unter Heranziehung des Informations- wie auch des Kapitalerhaltungszieles unabdingbar, trotz eventuell fehlender Kenntnis der Behörde eine Rückstellung für die Altlastensanierung zu bilden, sofern die spätere Inanspruchnahme wahrscheinlich ist.
5.2.3.1.3 Faktische Sanierungsverpflichtungen Faktische Sanierungsverpflichtungen entstehen, wenn das Unternehmen aufgrund eines öffentlichen Drucks auch ohne Rechtsgrundlage gezwungen wird, die von einer Kontamination ausgehenden Gefährdungen zu vermindern oder zu beseitigen. Das Unternehmen rechnet ansonsten mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen. Die Anforderungen an eine Rückstellungsbildung entsprechen grundsätzlich denen der privatrechtlichen Verpflichtungen. Da keine Rechtsgrundlage besteht, die das Bestehen oder Entstehen einer Verpflichtung determiniert, ist das Vorhandensein eines Dritten (Umweltschutzorganisation, Bürgerinitiative etc.), der einen berechtigten Anspruch gegen das Unternehmen geltend macht, genauestens zu untersuchen. Zudem ist lediglich das Prinzip der wirtschaftlichen Verursachung maßgeblich, das bei Sanierungsverpflichtungen aber erfüllt ist. Hinsichtlich des Ausmaßes der Sanierung können faktische Verpflichtungen von privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Sanierungsverpflichtungen abweichen. Bei der Prüfung, ob Rückstellungen wegen Sanierungsmaßnahmen zu bilden sind, sind faktische Verpflichtungen im Verhältnis zu privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nicht subsidiär zu behandeln. Die Höhe der handelsbilanziell anzusetzenden Rückstellung bestimmt sich nach der umfangreichsten und teuersten Maßnahme, die wahrscheinlich eingesetzt wird.
5.2.3.2
Aufwandsrückstellungen aufgrund von Altlasten
Nach der Vorschrift des § 249 Abs. 2 HGB besteht das Wahlrecht, Aufwandsrückstellungen für (Sanierungsmaßnahmen aus) Innenverpflichtungen zu bilden.640 Voraussetzung für die Bildung von Aufwandsrückstellungen ist, dass die allgemeinen Passivierungskriterien der Aufwandsumschreibung, Aufwandszuordnung oder -verursachung, Aufwandserwartung sowie Aufwandsunbestimmtheit erfüllt sind. Die Aufwandsrückstellung wird zur Durchführung einer bestimmten Sanierungsmaßnahme aufgrund einer verursachten 640
Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.5.
155
Kontamination in der Vergangenheit gebildet. Die für die Maßnahme geplanten Aufwendungen fallen bei tatsächlicher Durchführung auch an, wobei Höhe und Eintrittszeitpunkt der Ausgaben regelmäßig ungewiss sind. Die allgemeinen Passivierungskriterien sind folglich erfüllt. Aufwandsrückstellungen dürfen bilanziell angesetzt werden, wenn keine Außenverpflichtung zur Sanierung vorliegt, das Unternehmen die Maßnahme dennoch durchführen muss, um keine Nutzungsbeeinträchtigungen zu erleiden und den Fortbestand des Unternehmens nicht zu gefährden. An einer Außenverpflichtung wird es grundsätzlich aufgrund öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Ansprüche mangeln, wenn die Kontamination (noch) zu keiner Gefährdung führt. Hat die Öffentlichkeit zudem (noch) keine Kenntnis von der schädlichen Kontamination bzw. sieht diese die Umweltschädigung als nicht gravierend an, kommt auch keine faktische Verpflichtung in Betracht, da die öffentliche Bedrängnis unterbleibt. Um eine Aufwandsrückstellung für Sanierungsmaßnahmen bilden zu können, müssen diesen Maßnahmen wirtschaftliche und gesellschaftliche Zwänge zugrunde liegen, denen sich das Unternehmen nicht entziehen kann. Die Kontamination muss den Betriebsablauf behindern, so dass ohne Durchführung einer Sanierung die unveränderte Fortführung des Unternehmens nicht möglich ist. Liegt keine Nutzungsbeeinträchtigung vor, kann sich das Unternehmen der wirtschaftlichen Verpflichtung ohne Konsequenzen jederzeit entziehen. Wird ein Grundstück schon vor einer Entdeckung der Kontamination betrieblich nicht mehr genutzt, kommt eine Aufwandsrückstellung regelmäßig nicht in Betracht, da keine zusätzliche Nutzungsbeeinträchtigung vorliegt.641 Das Grundstück ist dann bilanziell schon abgewertet. Werden zur ungehinderten weiteren Nutzung des Grundstücks über den Inhalt der Außenverpflichtung hinaus weitere, intensivere Sanierungsmaßnahmen durchgeführt als rechtlich verlangt, kommt ebenfalls eine Aufwandsrückstellung in Betracht.642 So können rechtlich ggf. ausreichende Gefahrenabwehrmaßnahmen durch Dekontaminationsmaßnahmen ersetzt werden. In diesem Fall tritt neben die Verbindlichkeitsrückstellung nach § 249 Abs. 1 HGB die Aufwandsrückstellung gem. § 249 Abs. 2 HGB.
641 642
Vgl. Philipps (1995), S. 244. Vgl. Köster (1994), S. 269f.
156
5.2.3.3
Außerplanmäßige Abschreibungen auf Altlasten
5.2.3.3.1 Grundlagen Eine schädliche Bodenkontamination führt regelmäßig zu einer eingeschränkten Nutzbarkeit des Grund und Bodens. Bei Veräußerung würde ein kontaminiertes Grundstück unter normalen Umständen niemals denselben Preis erzielen wie ein unbelastetes in vergleichbarer Lage und Größe, wenn es nicht sogar gänzlich unverkäuflich ist. Zudem würde ein kontaminiertes Grundstück bei einer Kreditvergabe der Hausbank nicht oder nur eingeschränkt beliehen werden. Wegen dieser eingeschränkten Nutzbarkeit respektive Veräußerbarkeit erlangt die Altlast ihre Eigenschaft als wertmindernder Faktor des Vermögensgegenstandes Grundstück.643 Den Nachweis einer Wertminderung hat das bilanzierende Unternehmen zu erbringen, z. B. auf dem Wege von Sachverständigengutachten.644 Derartige Gutachten dürfen allerdings nicht vom Unternehmen abverlangt werden, da „nach den Regeln der freien Auswahl der Beweismittel der Nachweis auch auf anderem Wege erbracht werden“645 kann. Ob Kontaminationen außerplanmäßige Abschreibungen begründen, ist mit Hilfe des Vorsichts- und Imparitätsprinzips zu klären.646 Zur Erfüllung dieser Prinzipien müssen gem. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB bei Kapitalgesellschaften die Voraussetzungen einer dauernden Wertminderung und eines niedrigeren beizulegenden Wertes vorliegen. Im Folgenden sind die Voraussetzungen der Dauerhaftigkeit einer Wertminderung bei Grundstücken als nichtabnutzbarem Anlagevermögen zu untersuchen.
5.2.3.3.2 Dauerhaftigkeit der Wertminderung Da Grund und Boden einer unendlichen Nutzungsdauer unterliegt, sind planmäßige Abschreibungen unzulässig. Es kommen jedoch außerplanmäßige Abschreibungen in Betracht, wobei § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB diesbezüglich zwischen einer dauernden und einer nur vorübergehenden Wertminderung unterscheidet. Die Zulässigkeit einer außerplanmäßigen Abschreibung beschränkt sich bei Kapitalgesellschaften auf das Vorliegen einer dauernden Wertminderung.647
643 644 645 646 647
Vgl. Herzig (1991), S. 614. Vgl. Bömelburg/Keller (1994), S. 590. Köster (1994), S. 287; siehe auch IDW-Facharbeit (1992), S. 327. Philipps (1995), S. 269f. Näher zur dauernden Wertminderung siehe Kap. 4.3.3.3.
157
Die grundsätzliche Methode,648 bei Vermögensgegenständen mit zeitlich begrenzter Nutzungsdauer von einer Dauerhaftigkeit der Wertminderung auszugehen, wenn der beizulegende Wert momentan unter dem Buchwert liegt und während eines erheblichen Teils der Restnutzungsdauer (mindestens für die halbe Restnutzungsdauer) unter den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten liegen wird, ist auf Grundstücke nicht ohne Weiteres übertragbar. Wird die restliche Verweildauer als unendlich unterstellt, ergeben sich bei Quotientenbildung mathematisch betrachtet nämlich Ergebnisse, die in praxi sinnlos sind. Für die Dauer der Wertminderung kontaminierter Grundstücke sind demzufolge andere Maßstäbe heranzuziehen. Nach Herzig besitzen Altlasten, die sich im Zeitablauf nicht ohne aktive Beseitigungsmaßnahmen verflüchtigen, grundsätzlich dauerhaften Charakter.649 Unzweifelhaft sei von einer dauernden Wertminderung auszugehen, wenn der Umweltschaden nicht beseitigt werden könne. Bestehe dagegen die Möglichkeit, die Altlast zu beseitigen, führe die Behebbarkeit noch nicht dazu, eine vorübergehende Wertminderung zu begründen, solange ungewiss sei, ob die Altlast auch tatsächlich beseitigt werde. Bei bloßer Existenz einer Sanierungsverpflichtung könne eine nur vorübergehende Wertminderung nicht bejaht werden.650 Eine nur vorübergehende Wertminderung liege aber vor, wenn seitens des Unternehmens die Absicht bestehe, eine Sanierung vorzunehmen, und sich diese Absicht in Sanierungsplänen konkretisiert habe. Insbesondere sei eine nur vorübergehende Wertminderung anzunehmen, wenn bereits mit Sanierungsarbeiten begonnen worden sei.651 Köster geht ebenfalls von der Dauerhaftigkeit von Bodenkontaminationen aus.652 Regelmäßig hätten Bodenkontaminationen aber nur vorübergehenden Charakter, wenn eine Sanierung in absehbarer Zukunft erfolge. „Die Voraussicht auf eine zu erfüllende Verpflichtung schließt [...] die Voraussicht auf eine dauernde Wertminderung aus.“653 Eine Wertminderung, deren Beseitigung im Rahmen der Erfüllung der Sanierungsverpflichtung erfolgen wird, könne daher nicht als voraussichtlich dauernd angesehen werden. Für Siegel ist die Literaturauffassung654, nach der eine voraussichtlich vorübergehende Wertminderung vorliegt, wenn eine Sanierungsmaßnahme möglich und tatsächlich auch vorgese648 649 650 651 652 653 654
Näher zur grundsätzlichen Methode siehe Kap. 4.3.3.3. Vgl. im Folgenden Herzig (1991), S. 615; Herzig (1994c), S. 237; Herzig/Köster (1999), Rn. 221. Anders Bartels (1992a), S. 163; Bartels (1992d), S. 76; Klein (1998), S. 54. Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 222. Vgl. Köster (1994), S. 289ff. Köster (1994), S. 290. Vgl. Herzig (1991), S. 615; Herzig (1993a), S. 171f.; Bäcker (1995a), S. 719.
158
hen ist, nicht haltbar.655 Eine vorübergehende Wertminderung sei nur dann anzunehmen, wenn sich die Altlast ohne aktives Handeln des Unternehmens verflüchtigen könne. Da die Altlastensanierungsverpflichtung ein aktives Handeln voraussetze, sei eine Wertminderung immer von Dauer. Förschle/Scheffels kommen zu demselben Ergebnis, indem sie nur solche Wertminderungen als vorübergehend qualifizieren, die ohne künftige Handlungen und dadurch entstehende Aufwendungen in Zukunft nicht zu Verlusten führen.656 Da dies bei der Wertminderung aufgrund von Nutzungsbeschränkungen nicht gegeben sei, läge eine dauernde Wertminderung immer vor, wenn ein in seiner Nutzung beschränktes Grundstück saniert werden müsse. Meines Erachtens sind aufgrund des Vorsichtsprinzips die Kriterien einer nur vorübergehenden Wertminderung eng auszulegen.657 Ursache der Wertminderung ist die durch die schädliche Bodenkontamination hervorgerufene Nutzungsbeeinträchtigung bzw. Verkaufspreisminderung. Die Dauer der Wertminderung misst sich demzufolge an der Dauer dieser Kriterien. Kontaminationen stellen einerseits nur leichte Verunreinigungen, die keine Sanierung erfordern, andererseits aber auch schwere Bodenverunreinigungen dar, die grundsätzlich Sanierungsmaßnahmen zur Folge haben, da sie sich nicht selbstständig verflüchtigen.658 Leichte Verunreinigungen, die sich ohne jegliche Sanierungsmaßnahmen schnell wieder verflüchtigen, sind auf keinen Fall von Dauer. Schwere Kontaminationen, bei denen kein geeignetes Sanierungsverfahren aufgrund des aktuellen Standes der Technik existiert, begründen dagegen eine dauernde Wertminderung,659 da sie nicht behoben werden können und so zu einer permanenten Nutzungsbeeinträchtigung führen. Zwischen diesen beiden Randbereichen sind Kontaminationen anzusiedeln, die potenziell mittels geeigneter Sanierungsmaßnahmen behoben werden könnten. Eine Sanierungsverpflichtung reicht für die Annahme einer nur vorübergehenden Wertminderung grundsätzlich nicht aus. Durch eine behördliche Verfügung wird zunächst nur ein Ver-
655 656 657 658
Vgl. im Folgenden Siegel (1993a), S. 141; Siegel (1995), S. 539. Vgl. Förschle/Scheffels (1993), S. 1201. So auch Kupsch (1992), S. 2321. Ähnlich Klein, die drei mögliche Differenzierungen für Altlasten vornimmt. Der definierte Begriff der Altlast steht zu ihren weiteren Ausführungen allerdings im Widerspruch. Vgl. Klein (1998), S. 131f. Daher wird hier neutral von Bodenkontamination ausgegangen. 659 So auch Kupsch (1992), S. 2321ff.
159
pflichtungstatbestand (Passivseite der Bilanz) zum Ausdruck gebracht, der mit der Wertminderung (Aktivseite der Bilanz) in keinem Zusammenhang steht.660 Notwendige Voraussetzung für eine vorübergehende Wertminderung ist m. E. der tatsächliche Sanierungswille seitens des Unternehmens. Hinreichende Bedingung ist der (wahrscheinliche) Erfolg der durchgeführten Sanierung. Der Erfolg der Sanierung bedeutet schließlich eine Zunahme des Nutzenpotenzials bzw. eine Erhöhung des Verkaufspreises. An die Erfolgsaussichten sind aufgrund des Vorsichtsprinzips hohe Anforderungen zu stellen. Bestehen konkrete Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Sanierung, ist die Wertminderung nur vorübergehender Natur. Steht die Beseitigung bzw. Begrenzung der Kontamination im Rahmen einer Sanierung (noch) nicht fest, ist nach Maßgabe der Wahrscheinlichkeit von einer Dauerhaftigkeit der Wertminderung auszugehen, wenn mehr Gründe gegen als für die erfolgreiche Sanierungsmaßnahme sprechen. Anfängliche Sanierungsarbeiten können höchstens als Indiz einer nur vorübergehenden Wertminderung angenommen werden, reichen aber zu ihrer Objektivierung nicht aus. Es besteht trotz der Sanierungsverfügung und anfänglicher Maßnahmen die Möglichkeit, dass der Grund für die Wertminderung nicht beseitigt wird. Bei voraussichtlich erfolglosen Sanierungsmaßnahmen ist von einer dauernden Wertminderung auszugehen. Hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Wertminderung ist m. E. zusätzlich die Art der Sanierungsmaßnahme zu analysieren. Nach erfolgreicher Durchführung von Dekontaminationsmaßnahmen kann regelmäßig der ursprüngliche Wert des Vermögensgegenstandes wieder erreicht, die Nutzungsbeeinträchtigung beseitigt und somit die Wertminderung rückgängig gemacht werden. Die Dauer der Wertminderung ist weitaus geringer als die Nutzungsdauer des Grundstücks, weshalb regelmäßig eine nur vorübergehende Wertminderung angenommen werden kann. Eine außerplanmäßige Abschreibung kommt daher m. E. nicht in Betracht. Gefahrenabwehrmaßnahmen hindern die schädlichen Kontaminationen dagegen lediglich an der Verbreitung. Die Kontamination selbst existiert auch noch nach der Sanierungsmaßnahme. Zum einen ist vermutlich eine vollkommene Beseitigung der Nutzungsbeeinträchtigung nicht gegeben, zum anderen würde ein immer noch kontaminiertes Grundstück auf dem Grundstücksmarkt nicht denselben Preis erzielen wie ein unbelastetes.661 Hier ist die Wertminderung zumindest partiell von Dauer. Eine außerplanmäßige Abschreibung ist auf den neuen beizulegenden Wert vorzunehmen.
660 661
So auch IDW-Facharbeit (1992), S. 326. Vgl. IDW-Facharbeit (1992), S. 326; ähnlich Bartels (1992d), S. 75f.; Bäcker (1995a), S. 719.
160
5.2.3.3.3 Niedrigerer beizulegender Wert Der beizulegende Wert bestimmt sich grundsätzlich über den Wiederbeschaffungswert, Reproduktionswert, Einzelveräußerungswert oder Ertragswert.662 Der Wiederbeschaffungswert eines kontaminierten Grundstücks wird sich in praxi nur sehr schwer ermitteln lassen, da er von identischen oder zumindest sehr ähnlichen Vermögensgegenständen ausgeht. Ist das Grundstück kontaminiert, erscheint es nahezu unmöglich, ein identisch kontaminiertes Grundstück mit ähnlicher Lage, Größe, Nutzbarkeit etc. zu finden. Auf den Wiederbeschaffungswert eines kontaminierten Grundstücks abzustellen, erscheint demzufolge wenig sinnvoll,663 zumal für kontaminierten Grund und Boden regelmäßig kein Markt existiert. Sarrazin schlägt vor, vereinfachend den Wiederbeschaffungswert eines unbelasteten Grundstücks anzunehmen, von dem dann der Sanierungsaufwand abzuziehen ist. Ist der beizulegende Wert niedriger als der Buchwert, ist eine Abschreibung vorzunehmen.664 Der so ermittelte Wert muss m. E. jedoch die Wertobergrenze darstellen, da ein rational handelnder Käufer das Risiko einer scheiternden bzw. aufwendigeren Sanierung (als ursprünglich geplant) durch einen Risikoabschlag im Kaufpreis berücksichtigen würde. Bei der Ermittlung eines Einzelveräußerungswertes wird lediglich die andere Seite desselben Marktes betrachtet. Anstelle der Beschaffung kontaminierter Grundstücke tritt deren Absatz. Zudem sind Grundstücke, die als Vermögensgegenstand des Anlagevermögens bilanziert sind, dazu bestimmt, dem Unternehmen langfristig zu dienen. Die Veräußerung eines – wenn auch kontaminierten – Grundstücks kommt oftmals nicht in Betracht. Den Reproduktionswert heranzuziehen scheidet ebenfalls aus, da Grundstücke nicht wie Handelswaren reproduzierbar sind. Der Ertragswert eines Grundstücks basiert auf dessen zukünftigem Nutzenpotenzial.665 Bei der Anschaffung eines Vermögensgegenstandes repräsentieren die Anschaffungskosten als Hilfsgröße dieses Potenzial.666 Nach einer Kontamination ist hinsichtlich des Ertragswertes das voraussichtlich noch vorhandene Nutzenpotenzial abzuschätzen. Ist der Grund und Boden trotz Kontamination weiterhin uneingeschränkt nutzbar, liegt keine Nutzungsbeeinträchtigung vor. Eine Sanierung ist – wenn keine Verpflichtung besteht – nicht unbedingt notwendig. 662 663 664 665 666
Siehe auch Kap. 4.3.3.2. Vgl. Herzig (1994d), S. 83. Vgl. Sarrazin (1994), S. 70f.; Herzig (1994c), S. 237. Näher hierzu siehe Philipps (1995), S. 270ff. Vgl. Philipps (1995), S. 276.
161
Philipps vergleicht diesen Fall mit einem alten Lkw, der Rost angesetzt hat.667 Rost sei zwar nicht schön anzuschauen, dennoch beeinträchtige er nicht die weitere Nutzung, weshalb eine außerplanmäßige Abschreibung entfalle. Der beizulegende Wert entspricht in diesem Fall dem bisherigen Buchwert. Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn das Grundstück überhaupt nicht mehr nutzbar ist. Eine Sanierung wäre dann notwendige Voraussetzung zur Wiederherstellung des Nutzenpotenzials. In diesem Fall beträgt der beizulegende Wert null; das Grundstück ist voll abzuschreiben. Bei einer Nutzungsbeeinträchtigung zwischen 0% und 100% liegt der beizulegende Wert, konkretisiert im Ertragswert, entsprechend zwischen null und dem bisherigen Buchwert. Eine Wertminderung des Grundstücks liegt in Abhängigkeit vom Grad der Nutzungsbeeinträchtigung vor. Da die Nutzungsbeeinträchtigung regelmäßig nicht quantifiziert werden kann, bereitet eine Abschreibung auf den beizulegenden Wert erhebliche Probleme. Obwohl die Nutzungsbeeinträchtigung grundsätzlich unabhängig von den anfallenden Sanierungskosten ist, können diese einen Anhaltspunkt zur Ermittlung des Abwertungsbetrages bilden,668 wobei grundsätzlich Risikoabschläge zu beachten sind, da der Wertverlust von kontaminierten Grundstücken tendenziell den anfallenden Sanierungskosten entspricht.669 Vereinfachend entspricht der Verkehrswert nach Schadenseintritt dem Zeitwert vor Schadenseintritt abzüglich der Kosten der Schadensbegrenzung oder -beseitigung.670 Liegen Gutachten über die anfallenden Sanierungskosten vor, sind diese zur Wertermittlung des Grundstücks heranzuziehen. Beispiel: Der Buchwert eines unbelasteten Grundstücks beträgt 100.000 €. Da das Grundstück keine stillen Reserven aufweist, entspricht der Buchwert dem Verkehrswert. Nach einer schädlichen Bodenkontamination ist die Nutzung dieses Grundstücks stark eingeschränkt. Die anfallenden Sanierungskosten betragen voraussichtlich 35.000 €. Der Ansatz nach Kontamination beträgt folglich höchstens 65.000 €.
667 668 669 670
Vgl. im Folgenden Philipps (1995), S. 275. So auch Herzig (1994d), S. 83. Vgl. Bartels (1992a), S. 162; Bäcker (1991), S. 32. Vgl. Kupsch (1992), S. 2321.
162
Angaben in € Buchwert unbelastetes Grundstück anfallende Sanierungskosten außerplanmäßige Abschreibung Wert nach Kontamination
100.000 35.000 65.000
stille Reserven 0 -
Zeitwert 100.000 35.000 65.000
5.2.3.3.4 Das Vorhandensein stiller Reserven Nach § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB ist im Anlagevermögen bilanzierter Grund und Boden als nichtabnutzbarer Vermögensgegenstand höchstens mit seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Da der unbelastete Grund und Boden grundsätzlich einer Wertsteigerung im Laufe der Jahre unterliegt, entstehen zwangsläufig stille Reserven, die bilanziell aufgrund des Realisationsprinzips gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. HS HGB nicht abgebildet werden dürfen. Ist der Grund und Boden kontaminiert, ist zu untersuchen, ob der Verkehrswert des Grundstücks einschließlich stiller Reserven als Bemessungsgrundlage für die außerplanmäßige Abschreibung herangezogen wird oder die stillen Reserven außer Acht gelassen werden. Allgemein entspricht der beizulegende Wert von der Marktseite her betrachtet dem Wiederbeschaffungs- bzw. Einzelveräußerungspreis. Diese beiden Werte beziehen die angefallenen stillen Reserven mit ein. Überwiegende Literaturmeinung ist deshalb, dass bei Vorhandensein stiller Reserven eine außerplanmäßige Abschreibung erst in Betracht kommt, wenn die Wertminderung den Betrag der stillen Reserven übersteigt.671 Wird der Verkehrswert des Grundstücks als Bemessungsgrundlage für die außerplanmäßige Abschreibung herangezogen, kann die Existenz stiller Reserven den Umfang der Abwertung beeinträchtigen oder sogar vollkommen ausschließen, da die Wertsteigerung die Kontamination (teilweise) kompensiert.672 Beispiel: Der Buchwert eines unbelasteten Grundstücks beträgt 100.000 €. Da das Grundstück vor mehreren Jahren angeschafft wurde, enthält es stille Reserven von 25.000 €. Nach einer schädlichen Bodenkontamination ist die Nutzung dieses Grundstücks stark eingeschränkt. Die anfallenden Sanierungskosten betragen voraussichtlich 35.000 €. Ließe man eine Verrechnung der stillen Reserven mit den anfallenden Sanierungskosten zu, würde der neue Buchwert 90.000 € betragen.
671 672
Vgl. Herzig (1991), S. 616; Rautenberg (1993), S. 267; Kupsch (1992), S. 2326. Vgl. Herzig (1994c), S. 237; Herzig (1993a), S. 172; Herzig (1991), S. 616; Depken (1999), S. 91.
163
Angaben in € unbelastetes Grundstück anfallende Sanierungskosten außerplanmäßige Abschreibung Wert nach Kontamination
stille Buchwert Reserven 100.000 10.000 90.000
25.000 -
Zeitwert 125.000 35.000 90.000
Beispiel: Der Buchwert eines unbelasteten Grundstücks beträgt 100.000 €. Da das Grundstück vor mehreren Jahren angeschafft wurde, enthält es stille Reserven von 80.000 €. Nach einer schädlichen Bodenkontamination ist die Nutzung dieses Grundstücks stark eingeschränkt. Die anfallenden Sanierungskosten betragen voraussichtlich 35.000 €. Bei einer Verrechnung der stillen Reserven mit den anfallenden Sanierungskosten würde der Buchwert nach wie vor 100.000 € betragen.
Angaben in € unbelastetes Grundstück anfallende Sanierungskosten außerplanmäßige Abschreibung Wert nach Kontamination
stille Buchwert Reserven 100.000 0 100.000
80.000 -
Zeitwert 180.000 35.000 145.000
Eine Verrechnung stiller Reserven mit außerplanmäßigen Abschreibungen findet in der handelsrechtlichen Literatur nicht nur Zustimmung.673 Werden zwei nicht kontaminierte Grundstücke, eines mit und eines ohne stille Reserven, bei gleichen Anschaffungskosten bilanziell in gleicher Höhe erfasst, stellt sich die Frage, wieso kontaminierte Grundstücke in Abhängigkeit von stillen Reserven unterschiedlich behandelt werden sollten. Ist das Nutzenpotenzial eines Grundstücks wegen einer Kontamination eingeschränkt, sind m. E. die voraussichtlichen Verluste aufgrund des Imparitätsprinzips zu antizipieren. Dies bedeutet nicht, stille Reserven wieder still aufzulösen.674 Würden stille Reserven in die Wertermittlung mit einbezogen, würden noch nicht realisierte Gewinne aufwandsmindernd und im Ergebnis ertragswirksam berücksichtigt. Diese Vorgehensweise verstößt klar gegen das Reali-
673
Vgl. Siegel (1993b), S. 331f.; anders aber Siegel (1995), S. 541; Bömelburg/Keller (1994), S. 591; Förschle/Scheffels (1993), S. 1202. 674 Vgl. Philipps (1995), S. 276.
164
sationsprinzip.675 Ferner entspricht der beizulegende Wert bei Vermögensgegenständen, die zum Verbleib im Unternehmen bestimmt sind, grundsätzlich dem Ertragswert. Dieser lässt im Gegensatz zum Wiederbeschaffungswert bzw. Einzelveräußerungspreis Wertsteigerungen unbeachtet. Bemessungsgrundlage der außerplanmäßigen Abschreibung bei kontaminierten Grundstücken sind daher unter Beachtung der GoB grundsätzlich die Anschaffungskosten, auch wenn dies gegebenenfalls die Informationsfunktion des Abschlusses beeinträchtigt.676
5.2.3.3.5 Wertaufholung Kapitalgesellschaften haben bei einem Wegfall der Gründe, die eine dauernde Wertminderung rechtfertigten, eine Wertaufholung mittels Zuschreibung zwingend vorzunehmen (z. B. bei erfolgreich durchgeführten Sanierungsmaßnahmen). Durch die Vornahme einer Zuschreibung wird die nunmehr unnötig gewordene Vorsicht korrigiert.677 Eine Wertaufholung kommt nur in Betracht, wenn die Sanierungsaufwendungen nicht als (nachträgliche) Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu qualifizieren sind.678 Dabei würde sich in beiden Fällen allerdings bis zum Erreichen der ursprünglichen Anschaffungskosten des Grundstücks grundsätzlich dasselbe Bilanzbild ergeben. Eine Zuschreibung darf zwar nur bis zu den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten vorgenommen werden, da Grundstücke planmäßig aber nicht abgeschrieben werden, wäre die Höhe bis zu diesem Wert mit einer Neuaktivierung identisch. Anhaltspunkt für die Höhe der Zuschreibung bildet die vormals vorgenommene außerplanmäßige Abschreibung, deren Höhe sich wiederum regelmäßig durch die angefallenen Sanierungskosten bestimmt hat. Die Zuschreibung stellt in der Periode Ertrag dar, in der die Sanierungsaufwendungen als Aufwand gewinnmindernd in die Gewinn- und Verlustrechnung eingestellt werden. Da sich die anfallenden Sanierungskosten und die Zuschreibung rechnerisch aufheben, wird über die Abschreibung das Eigenkapital nur einmal gemindert.679 Dadurch bleibt im Jahre der Sanierung die Erfolgsneutralität gewahrt, so dass die Ertragslage richtig dargestellt wird. Würde sich die außerplanmäßige Abschreibung nicht an den Sanierungskosten orientieren, käme es ggf. zu erfolgswirksamen Veränderungen. Auch aufgrund
675 676 677 678 679
So auch Bartels (1992a), S. 169; Bartels (1992d), S. 79. Siehe auch Kap. 3.1.3.2.2. Vgl. Moxter (1979), S. 145. Näher hierzu siehe Kap. 3.1.5.1 und 4.2. Vgl. Philipps (1995), S. 305f.
165
dieses pragmatischen Ansatzes sind die vorliegenden Sanierungskosten als Basis für die Wertminderung heranzuziehen.
5.2.3.4
Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Sanierungsmaßnahmen
Ob aktivierungsfähige Sanierungsaufwendungen vorliegen, ist grundsätzlich mit Hilfe des Aktivierungsgrundsatzes zu prüfen.680 Liegen keine eindeutig zu identifizierenden Vermögensgegenstände vor, ist insbesondere nach § 255 Abs. 2 HGB zu untersuchen, ob die Sanierungsmaßnahme als Maßnahmenbündel einen Vermögensgegenstand begründet. Denn die bilanzielle Greifbarkeit eines solchen Maßnahmenbündels hängt eng mit der wesentlichen Verbesserung eines Grundstücks über seinen ursprünglichen Zustand zusammen. Sanierungsmaßnahmen können zu einer wesentlichen Verbesserung des Grundstücks führen, wenn dieses über seinen ursprünglichen Zustand hinaus durch die Sanierungsmaßnahme in starkem Maße zum Positiven verändert wird.681 Philipps ist der Auffassung, dass keine nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei bloßen Sicherungs- oder Beschränkungsmaßnahmen vorliegen, da das Grundstück in seiner Wesensart nicht verändert, sondern lediglich die Wirkung der Kontamination auf die Umwelt vermindert werde.682 Dagegen nimmt er nachträglichen Herstellungsaufwand bei kontaminierten Grundstücken an, wenn echte Dekontaminationsmaßnahmen durchgeführt werden, denn nur bei diesen Maßnahmen werde die Kontamination beseitigt und somit der Zustand des vormals kontaminierten und nun dekontaminierten Grundstücks durch die Sanierungsmaßnahme wesentlich verändert. Dieser Auffassung ist dann zuzustimmen, wenn durch die Dekontaminationsmaßnahmen das Grundstück über seinen Zustand bei Erwerb verbessert wird und nunmehr einer verbesserten Nutzung zugeführt werden kann. Sanierungsaufwendungen bis zur Erreichung des ursprünglichen Zustandes sind als Erhaltungsaufwendungen zu qualifizieren. Maßnahmen, die über diesen Zustand hinausgehen, stellen Anschaffungs- oder Herstellungskosten dar. Stellenweise wird in der Literatur gefordert, dass eine wesentliche Verbesserung in Bezug auf den Herstellungszeitpunkt vorliegen muss, um von nachträglichen Herstellungskosten auszugehen, unabhängig davon, wie die Beschaffenheit des Grundstücks zum Erwerbszeitpunkt aussieht.683 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, da ein Herstellungszeitpunkt für
680 681 682 683
Näher hierzu siehe Kap. 3.1.5.1. Vgl. Philipps (1995), S. 206f.; Förschle/Scheffels (1993), S. 1201. Vgl. im Folgenden Philipps (1995), S. 204f. Vgl. IDW-Facharbeit (1994), S. 546; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 255 HGB Rz. 124f.
166
Grundstücke nicht festgestellt werden kann und der Vermögensgegenstand Grund und Boden durch seine Beschaffenheit zum Zeitpunkt des Erwerbs bestimmt wird.
5.2.3.5
Kenntnis der Altlast bei Erwerb
Bei neu erworbenen kontaminierten Grundstücken ist die Qualifizierung der Sanierungskosten nach allgemeiner Literaturauffassung danach zu beurteilen, ob die nach Erwerb anfallenden Ausgaben zeitlich oder sachlich mit dem Erwerbsvorgang in Zusammenhang stehen.684 Konkret hängt die bilanzielle Behandlung der Sanierungsaufwendungen davon ab, ob die Kontamination zum Erwerbszeitpunkt dem Käufer bekannt war und beim Kaufpreis berücksichtigt worden ist.685 Auch in diesem Fall ist eine strikte Orientierung am Aktivierungsgrundsatz geboten. Wird ein Vermögensgegenstand unter Kenntnis der Umweltbelastung erworben, wird sich dieser Tatbestand im Kaufpreis niederschlagen. Um das Grundstück erstmals gem. § 255 Abs. 1 HGB in einen „betriebsbereiten“ Zustand zu versetzen, sind Sanierungsmaßnahmen erforderlich. Die Sanierungsaufwendungen eines kontaminierten Grundstücks sind dann als nachträgliche Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Grund und Bodens aktivierungspflichtig, wenn sie dem Erwerbsvorgang als Folgekosten zuzurechnen sind.686 Das Grundstück wird sich gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB nach der Sanierung gegenüber dem vorliegenden Zustand zum Erwerbszeitpunkt (ursprünglicher Zustand) wesentlich verbessern.687 Die Sanierungskosten sind in diesem Fall als Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu aktivieren.
5.2.3.6
Konkurrenz von Rückstellung und außerplanmäßiger Abschreibung bei Altlasten
5.2.3.6.1 Vorliegen eines Konkurrenzverhältnisses Bei Vorliegen einer schädlichen Bodenkontamination oder Altlast, die ein Grundstück in seinem Nutzen beeinträchtigt, werden die Behörden regelmäßig eine Sanierungsverpflichtung erlassen, sobald sie in Kenntnis des Sachverhalts sind. Gegebenenfalls unterliegt das Unternehmen darüber hinaus einer privatrechtlichen oder faktischen Verpflichtung. Weiterhin kann 684 685
Vgl. Philipps (1995), S. 202; Bordewin (1994), S. 1685. Vgl. Siegel (1995), S. 537f.; Kupsch (1992), S. 2321; ähnlich Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 255 HGB Rz. 25. 686 Vgl. Siegel (1995), S. 537f.; Schmidbauer (2000), S. 1130; Philipps (1995), S. 202. 687 Vgl. Förschle/Scheffels (1993), S. 1201; Siegel (1995), S. 540.
167
es auch aus rein wirtschaftlichen Gründen gezwungen sein, die Kontamination zu beheben (Innenverpflichtung). Bilanziell wird die Verpflichtung über eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bzw. eine Aufwandsrückstellung, die Nutzungsbeeinträchtigung über eine außerplanmäßige Abschreibung abgebildet.688 Der Geschäftsvorfall Kontamination bzw. Altlast begründet demzufolge grundsätzlich zwei bilanzielle Maßnahmen.689 Vordergründig fokussieren die Bilanzinstrumente Rückstellung und Abschreibung auf zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte. Doch führt die Erfüllung einer dem bilanzierenden Unternehmen auferlegten Sanierungsverpflichtung bzw. einer Innenverpflichtung dazu, dass gleichzeitig der Grund für die Wertminderung wegfällt.
5.2.3.6.2 Ablehnung einer Doppelberücksichtigung Die kumulative Anwendung beider Instrumente führt im Ergebnis dazu, dass „ein ergebnisund vermögensmindernder Faktor (Altlast) bilanziell zweifach berücksichtigt“690 wird.691 Werden die Sanierungskosten zweimal aufwandswirksam erfasst, würde dem Jahresabschlussadressaten ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechender Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens verwehrt und somit die Informationsfunktion des Abschlusses nicht erreicht werden.692 Eine doppelte bilanzielle Berücksichtigung eines Geschäftsvorfalls verstößt daher gegen den Grundsatz der Richtigkeit, nach dem ein einzelner Geschäftsvorfall im Jahresabschluss nur einmal zu erfassen ist. Auch dem Grundsatz der Vorsicht wird das bilanzierende Unternehmen regelmäßig durch die einfache Abbildung des Geschäftsvorfalls gerecht. Wenn eine Doppelberücksichtigung abzulehnen ist, stellt sich offenkundig die Frage der richtigen Auflösung dieser Konkurrenzsituation.693 In Ermangelung spezieller gesetzlicher Normen sind zur Lösung des Problems der bilanziellen Abbildung die GoB heranzuziehen. Die vorliegende Thematik führt unter Umständen nicht nur zu einem bilanziellen Ausweisproblem. Da ein Teil der handelsrechtlichen Literatur eine Verrechnung aufgelaufener stiller Reserven mit der durch die Kontamination hervorgerufenen Wertminderung m. E. unzulässi688 689 690 691 692
Vgl. Günkel (1994), S. 103; Herzig (1994c), S. 241. Anders Klein (1998), S. 121 und S. 133; Wesner (1994), S. 440; Rautenberg (1993), S. 266ff. Herzig (1991), S. 615. So auch Philipps (1995), S. 286. So auch Günkel (1994), S. 108; IDW-Facharbeit (1992), S. 326; Herzig (1991), S. 615; ähnlich Kupsch (1992), S. 2326; Siegel (1993a), S. 138. 693 Vgl. Herzig (1994c), S. 227ff.
168
gerweise erlaubt, ist eine außerplanmäßige Abschreibung dann nur insoweit möglich, wie der Sanierungsaufwand die stillen Reserven übersteigt. Im Rahmen der Rückstellungsbildung ist dagegen stets der volle Betrag der Sanierungsausgaben auszuweisen. Insofern kommt es nicht nur zu einer reinen Ausweis-, sondern zu einer Ansatz- und Bewertungsproblematik, wenn man diese Verrechnung erlauben würde.694
5.2.3.6.3 Mögliche Konkurrenzsituationen Hinsichtlich der möglichen Konkurrenzsituationen sind bei Kapitalgesellschaften sieben verschiedene Fallkonstellationen denkbar, die im Folgenden näher aufgezeigt werden.695
5.2.3.6.3.1 Rückstellungsverbot und Abschreibungsverbot Beispiel: Ein Unternehmen entdeckt auf seinem eigenen Betriebsgelände eine leichte Bodenverunreinigung. Gefährdungen, die von dieser Verunreinigung ausgehen und gesetzliche Sanierungsverpflichtungen zur Folge haben, sind nicht zu erwarten.696 Es sind keine durch Geruch belästigten Nachbarn vorhanden, die aus dem privaten Nachbarrecht Ansprüche geltend machen könnten. Auch Bürgerinitiativen gegen die Verunreinigung haben sich nicht gebildet. Da sich die Kontamination aller Voraussicht nach in den nächsten Monaten ohne besondere Maßnahmen verflüchtigt, bestehen keine wirtschaftlichen Gründe, die Kontamination zu beseitigen. Eine Nutzungsbeeinträchtigung ist nicht gegeben. Das Unternehmen wird aus der schädlichen Bodenverunreinigung weder privatrechtlich, öffentlich-rechtlich noch faktisch zur Sanierung verpflichtet. Die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung scheidet aus, weil eine zugrundeliegende Verpflichtung nicht besteht und auch wahrscheinlich nicht entstehen wird. Die Möglichkeit der Bildung einer Aufwandsrückstellung ist ebenfalls nicht gegeben, da das Unternehmen nicht beabsichtigt, die vorliegende Kontamination aus wirtschaftlichen Gründen zu beseitigen. Gleichzeitig besteht ein Abwertungsverbot, da die Wertminderung nicht von Dauer ist. Eine bilanzielle Berücksichtigung scheidet somit aus.
694 695
Vgl. Klein/Wienands (1995), S. 641. Näher hierzu siehe Kap. 5.2.3.3.4. Ähnlich Philipps (1995), S. 312ff. und Köster (1994), S. 291ff., deren Ausführungen jedoch hinsichtlich der geänderten Gesetzeslage bei Kapitalgesellschaften (Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung nur bei dauernder Wertminderung) nicht mehr aktuell sind. 696 Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung scheidet aufgrund des BBodSchG aus, da dieses Gesetz an die Gefährdung anknüpft; so auch in den folgenden Beispielen.
169
5.2.3.6.3.2 Rückstellungsverbot und Abschreibungspflicht Beispiel: Ein Unternehmen entdeckt auf seinem eigenen Betriebsgelände eine Bodenverunreinigung. Gefährdungen, die von dieser Verunreinigung ausgehen und gesetzliche Sanierungsverpflichtungen zur Folge haben, sind nicht zu erwarten. Es sind keine durch Geruch belästigten Nachbarn vorhanden, die aus dem privaten Nachbarrecht Ansprüche geltend machen könnten. Auch Bürgerinitiativen gegen die Verunreinigung haben sich nicht gebildet. Da das Unternehmen über eine Verlegung der Produktionsstätte nachdenkt, erwägt es trotz wesentlicher Nutzungsbeeinträchtigungen zunächst keine Beseitigung der Verunreinigung aus wirtschaftlichen Gründen. Eine Rückstellungsbildung scheidet aus den genannten Gründen aus. Allerdings liegt eine wesentliche Nutzungsbeeinträchtigung vor, die bilanziell eine Wertminderung begründet. Da sich die Bodenverunreinigung nicht selbstständig verflüchtigt und auch nicht beseitigt wird, ist die Wertminderung von Dauer. Folge dieser dauernden Wertminderung ist die Pflicht zur außerplanmäßigen Abschreibung. Da allein die Voraussetzungen der aktivischen Abwertung vorliegen, ist keine Konkurrenzsituation gegeben.697
5.2.3.6.3.3 Rückstellungswahlrecht und Abschreibungsverbot Beispiel: Ein Unternehmen entdeckt auf seinem eigenen Betriebsgelände eine Bodenverunreinigung. Gefährdungen, die von dieser Verunreinigung ausgehen und gesetzliche Sanierungsverpflichtungen zur Folge haben, sind nicht zu erwarten. Es sind keine durch Geruch belästigten Nachbarn vorhanden, die aus dem privaten Nachbarrecht Ansprüche geltend machen könnten. Auch Bürgerinitiativen gegen die Verunreinigung haben sich nicht gebildet. Das Unternehmen beabsichtigt, aus wirtschaftlichen Gründen die Bodenverunreinigung zu beseitigen, da es eine Verschlimmerung und Ausbreitung der Verunreinigung befürchtet. Die geplanten Dekontaminationsmaßnahmen haben aller Wahrscheinlichkeit nach Erfolg. Da kein Dritter existiert, der einen Anspruch begründet bzw. begründen könnte, scheidet die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung aus. Aus unternehmensinternen, wirtschaftlichen Gründen beabsichtigt das Unternehmen dennoch, eine Dekontamination vorzunehmen. Da die Sanierung voraussichtlich zum gewünschten Erfolg führt und die Verunreinigung beseitigt wird, ist von einer nur vorübergehender Dauer der Kontamination auszugehen. Eine aktivische Abwertung kommt nicht in Betracht. In diesem Fall hat das Unternehmen einzig die 697
Zu der Problematik der Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung bei vorhandenen stillen Reserven siehe Kap. 5.2.3.3.4.
170
Möglichkeit, eine Aufwandsrückstellung zu bilden. Wird das Passivierungswahlrecht nicht angewendet, ist eine Anhangsangabe notwendig.
5.2.3.6.3.4 Rückstellungswahlrecht und Abschreibungspflicht Beispiel: Ein Unternehmen entdeckt auf seinem eigenen Betriebsgelände eine Bodenverunreinigung. Gefährdungen, die von dieser Verunreinigung ausgehen und gesetzliche Sanierungsverpflichtungen zur Folge haben, sind nicht zu erwarten. Es sind keine durch Geruch belästigten Nachbarn vorhanden, die aus dem privaten Nachbarrecht Ansprüche geltend machen könnten. Auch Bürgerinitiativen gegen die Verunreinigung haben sich nicht gebildet. Das Unternehmen beabsichtigt, die Bodenverunreinigung mittels Dekontaminationsmaßnahmen zu beheben, da die Mitarbeiter des Unternehmens wegen starker Geruchsbelästigungen ihre Arbeit auf dem Grundstück nur eingeschränkt weiterführen können. Dabei sind Vorstand und hinzugezogene Sachverständige hinsichtlich des Erfolges der Sanierungsmaßnahme geteilter Meinung. Es liegen in qualitativer und quantitativer Hinsicht Argumente für und gegen einen Erfolg vor. Die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung scheidet aus den genannten Gründen aus. Aus wirtschaftlichen Gründen beabsichtigt das Unternehmen, eine Sanierung durchzuführen. Grundsätzlich sind die Voraussetzungen einer Aufwandsrückstellung gegeben. Der Erfolg der Sanierungsmaßnahme ist ungewiss; es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Kontamination weiterhin existent bleibt und auch weiterhin eine Nutzungsbeeinträchtigung gegeben ist. Da an die Erfolgsaussichten hohe Anforderungen zu stellen sind, ist aufgrund des Vorsichtsprinzips hier von einer dauernden Wertminderung auszugehen. Neben den vorliegenden Voraussetzungen für eine Aufwandsrückstellung sind ebenfalls die Voraussetzungen einer aktivischen Abwertung gegeben, so dass eine Konkurrenzsituation vorliegt. Zu untersuchen ist, welchem der beiden Instrumente der Vorrang einzuräumen ist. Unter Heranziehung der zugrundeliegenden Bilanzierungsprinzipien ist die Rückstellung als Folge des Realisationsprinzips in seiner erweiterten Fassung (Alimentationsformel), die Abschreibung als Ergebnis des Imparitätsprinzips zu sehen.698 Da die Verfechter des Realisationsprinzips dieses als dominierendes Abgrenzungsprinzip sehen, müssten sie grundsätzlich der Aufwandsrückstellung den Vorrang gegenüber der aktivischen Abwertung gewähren.
698
Vgl. Köster (1994), S. 293.
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Denn durch die Sanierungsmaßnahme werden Aufwendungen antizipiert, die vergangene Erträge alimentiert haben. Bei dieser Fallgestaltung ist m. E. die Intention des Gesetzgebers heranzuziehen. Außerplanmäßige Abschreibungen sind im obigen Fall nach § 253 Abs. 2 Satz 3 2. HS HGB zwingend vorzunehmen, da das Grundstück in seinem Wert dauernd gemindert ist. Die Bildung einer Aufwandsrückstellung ist dagegen möglich, aufgrund des bestehenden Wahlrechts aber nicht verpflichtend. Eine Vorrangstellung der Aufwandsrückstellung würde dazu führen, dass bei Nichtanwendung des Passivierungswahlrechts eine bilanzielle Berücksichtigung gänzlich wegfiele. Denn wird der passivischen Berücksichtigung der Vorrang gewährt, würde eine außerplanmäßige Abschreibung aufgrund ihrer subsidiären Anwendung selbst dann nicht zum Zuge kommen, wenn von dem Wahlrecht kein Gebrauch gemacht wird. Dies würde eindeutig gegen den Grundsatz der Vorsicht sowie das Imparitätsprinzip verstoßen. Bei dieser Fallkonstellation sollte das zwingend anzuwendende Bilanzierungsinstrument einem nicht zwingend anzuwendenden Bilanzierungsinstrument vorgehen.699 Im vorliegenden Fall ist daher auf jeden Fall eine Abschreibung vorzunehmen. Die Bildung einer Aufwandsrückstellung ist subsidiär und kommt nicht in Betracht.700 Sollte die Sanierungsmaßnahme nach ihrer Durchführung tatsächlich zum Erfolg führen, ist von einer dauernden Wertminderung nicht mehr auszugehen. Nach dem Wertaufholungsgebot ist bei Kapitalgesellschaften eine Zuschreibung vorzunehmen. Gleichzeitig sind die getätigten Sanierungsaufwendungen erfolgswirksam zu erfassen, so dass im Jahr der Durchführung grundsätzlich von einer Erfolgsneutralität auszugehen ist.
5.2.3.6.3.5 Rückstellungspflicht und Abschreibungsverbot Beispiel: Ein Unternehmen entdeckt auf seinem eigenen Betriebsgelände eine schwere Bodenkontamination. Die zuständigen Umweltbehörden haben Kenntnis von dieser Kontamination erlangt, sie als gefährlich eingestuft und eine Sanierungsverfügung erlassen. Die Sanierungsverfügung sieht aufgrund der entsprechenden Normen des BBodSchG eine Dekontamination des verseuchten Bodens vor, die innerhalb der nächsten acht Monate durchzuführen ist. Es sind keine durch Geruch belästigten Nachbarn vorhanden, die aus dem privaten 699 700
Vgl. Köster (1994), S. 292f.; Philipps (1995), S. 313; Bordewin (1992b), S. 1100; IDW-Facharbeit (1992), S. 326. Vgl. auch Wesner (1994), S. 447. In der Bilanzierungspraxis wird dieser Lösung ebenfalls der Vorzug eingeräumt, da die Abwertung steuerlich anerkannt wird, die Bildung einer Aufwandsrückstellung dagegen nicht.
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Nachbarrecht Ansprüche geltend machen könnten. Auch Bürgerinitiativen gegen die Verunreinigung haben sich nicht gebildet. Die durchzuführenden Dekontaminationsmaßnahmen haben aller Wahrscheinlichkeit nach Erfolg. Aufgrund des Vollständigkeitsgrundsatzes hat ein Unternehmen gem. § 246 Abs. 1 HGB alle Schulden zu passivieren. Im obigen Beispiel wird dem Unternehmen aufgrund der gefährlichen Bodenkontamination eine Sanierungsverpflichtung auferlegt, aus der es in Anspruch genommen wird. Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hat handelsbilanziell den Ansatz einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zur Folge. Da die Sanierungsmaßnahme aller Wahrscheinlichkeit nach Erfolg haben wird, hat die vorliegende Wertminderung nur vorübergehenden Charakter. Eine außerplanmäßige Abschreibung kommt demzufolge nicht in Betracht. Es liegt daher keine Konkurrenzsituation vor. Auch unter Kapitalerhaltungs- sowie Informationszweckenzwecken ist eine zweite Aufwandsberücksichtigung durch eine Abschreibung weder erforderlich noch sachgerecht, da die mit der Rückstellungsbildung erfassten Sanierungsaufwendungen den künftigen negativen Erfolgsbeitrag schon antizipiert haben.
5.2.3.6.3.6 Rückstellungspflicht und Abschreibungspflicht (Fall I) Beispiel: Ein Unternehmen entdeckt auf seinem eigenen Betriebsgelände eine schwere Bodenkontamination. Die zuständigen Umweltbehörden haben Kenntnis von dieser Kontamination erlangt, sie als gefährlich eingestuft und eine Sanierungsverfügung erlassen. Die Sanierungsverfügung sieht aufgrund der entsprechenden Normen des BBodSchG eine Dekontamination des verseuchten Bodens vor, die innerhalb der nächsten acht Monate durchzuführen ist. Es sind keine durch Geruch belästigten Nachbarn vorhanden, die aus dem privaten Nachbarrecht Ansprüche geltend machen könnten. Auch Bürgerinitiativen gegen die Verunreinigung haben sich nicht gebildet. Die geplanten Dekontaminationsmaßnahmen führen trotz behördlicher Anordnung nach den Aussagen mehrerer Gutachter vermutlich nicht zum gewünschten Erfolg. Die Kontamination wird auch nach den durchgeführten Maßnahmen noch existent sein. Das Unternehmen hat aufgrund der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung handelsbilanziell eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten anzusetzen.701 Gleichzeitig muss die vorliegende Kontamination als dauerhaft qualifiziert werden, da die Sanierungsmaßnahme vo701
Näher hierzu siehe Kap. 4.1.3.2 und 4.1.3.3.
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raussichtlich nicht zum gewünschten Erfolg führt. Eine außerplanmäßige Abschreibung ist bei einer dauernden Wertminderung zwingend vorzunehmen. Zu untersuchen ist, ob in diesem Fall tatsächlich eine Konkurrenzsituation vorliegt. Die durchzuführenden Sanierungsaufwendungen führen nicht zum gewünschten Erfolg, sondern laufen ins Leere. Sofern auch nach einer Sanierung die Wertminderung bestehen bleibt, existieren zwei unterschiedliche Geschäftsvorfälle, die jeweils einzeln zu bewerten sind.702 Der eine Geschäftsvorfall Sanierungsaufwendungen ist hier unabhängig von dem anderen Geschäftsvorfall Wertminderung zu betrachten. Zur Verdeutlichung dieses Sachverhaltes seien in Abwandlung obigen Beispiels Eigentümer und Pächter des Grundstücks zwei verschiedene Unternehmen. Erhält der Pächter als Handlungsstörer die Sanierungsverpflichtung, hat er diese in Form einer Rückstellung bilanziell abzubilden. Ihm bleibt gar keine Wahl, da er das Grundstück nicht bilanziert. Der Eigentümer, der das Grundstück bilanziert, nicht aber für die Umweltschädigung in Anspruch genommen wird, muss eine Abwertung vornehmen, da die Wertminderung von Dauer ist. Es liegen zwei verschiedene Geschäftsvorfälle vor, die beide zu bilanzieren sind. Aufwand wird richtigerweise zweifach erfasst. Fallen nun Eigentümer und Pächter gedanklich zusammen, kann derselbe Fall folglich nicht zu einer unterschiedlichen bilanziellen Behandlung führen. Eine im Ergebnis doppelte Aufwandsverrechnung ist m. E. notwendig, wenn trotz einer durchgeführten Sanierung die Wertminderung bestehen bleibt. Insoweit kommt es nicht zu einer Konkurrenz, sondern zu einer Kombination der beiden Bilanzinstrumente Rückstellung und Abschreibung.
5.2.3.6.3.7 Rückstellungspflicht und Abschreibungspflicht (Fall II) Beispiel: Ein Unternehmen entdeckt auf seinem eigenen Betriebsgelände eine schwere Bodenkontamination. Die zuständigen Umweltbehörden haben Kenntnis von dieser Kontamination erlangt, sie als gefährlich eingestuft und eine Sanierungsverfügung erlassen. Die Sanierungsverfügung sieht aufgrund der entsprechenden Normen des BBodSchG eine Dekontamination des verseuchten Bodens vor, die innerhalb der nächsten acht Monate durchzuführen ist. Es sind keine durch Geruch belästigten Nachbarn vorhanden, die aus dem privaten Nachbarrecht Ansprüche geltend machen könnten. Auch Bürgerinitiativen gegen die Verunreinigung haben sich nicht gebildet. Das Unter702
Vgl. Klein (1998), S. 144; Köster (1994), S. 294; Philipps (1995), S. 314.
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nehmen hatte sich vor kurzer Zeit entschlossen, das Grundstück zu veräußern. Aller Voraussicht nach haben die Sanierungsmaßnahmen Erfolg. Die dem Unternehmen auferlegte Sanierungsverfügung führt zu einem Verpflichtungstatbestand, der eine Rückstellung begründet. Da seitens des Unternehmens die Absicht besteht, das Grundstück zu veräußern, ist es im Umlaufvermögen zu bilanzieren. Nach § 253 Abs. 3 Satz 1 HGB ist bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens auch bei einer nur vorübergehenden Wertminderung zwingend eine außerplanmäßige Abschreibung vorzunehmen (strenges Niederstwertprinzip). Nur für diesen Fall ist folglich eine Konkurrenzproblematik gegeben.
5.2.3.6.4 Auflösung des Konkurrenzfalles Für die bilanzielle Abbildung des Konkurrenzfalles bieten sich nach Rautenberg703 zwei Möglichkeiten an. Zum einen können Grundstück und Sanierungsverpflichtung als zwei Sachverhalte angesehen werden, die „nach den Prinzipien der Einzelbewertung und des Saldierungsverbotes unabhängig voneinander zu bilanzieren und zu bewerten sind“704. Für die Sanierungsverpflichtung als selbstständige Belastung ist in voller Höhe eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu passivieren. Der Bilanzansatz des Grundstücks bleibt in diesem Fall unverändert, da der Ansatz nicht relevant für die Rückstellungsbildung ist. Diese Darstellung fordern die Verfechter des Realisationsprinzips in seiner Alimentationsformel.705 Zum anderen werden das (wertgeminderte) Grundstück und die Sanierungsverpflichtung als ein einziger Sachverhalt gewürdigt. In diesem Fall ist die Sanierungsverpflichtung so eng an das Grundstück gebunden, dass sie als nicht selbstständig bilanzierungsfähige Schuld angesehen wird. Vielmehr sind die anfallenden Sanierungsaufwendungen als Wertminderung des Grundstücks darzustellen. Diese Behandlung der Sanierungsverpflichtung als unselbstständiger Bestandteil des wertgeminderten Grundstücks hätte eine außerplanmäßige Abschreibung
703 704 705
Vgl. im Folgenden Rautenberg (1993), S. 266f. Rautenberg (1993), S. 266. Vgl. Herzig (1991), S. 610; Herzig (1993a), S. 161ff.; Kupsch (1992), S. 2326; Rautenberg (1993), S. 266.
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zur Folge. Unter Bezugnahme auf das Imparitätsprinzip wird teilweise der Vorzug der außerplanmäßigen Abschreibung gefordert.706
5.2.3.6.4.1 Vorrang der aktivischen Abwertung Vermögensgegenstände und Schulden sind gem. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB zum Bilanzstichtag einzeln zu bewerten. Bei isolierter Betrachtung des Aktivpostens ist ein kontaminiertes Grundstück am Abschlussstichtag in seinem Wert dauerhaft gemindert. Diese Wertminderung verlangt eine außerplanmäßige Abschreibung. Jeder höhere Ansatz bedeutet nach Siegel eine „Falschinformation“707. Die aktivische Abwertung hat für Siegel und Ballwieser stets Vorrang.708 Die Vorrangstellung einer außerplanmäßigen Abschreibung würde zum Ausdruck bringen, dass die Bildung einer Rückstellung nichts anderes als eine nach Art. 20 Abs. 3 der Vierten EG-Richtlinie nicht mehr zulässige Wertberichtigung des Vermögensgegenstandes sei.709 Rückstellungen sind nur dann zu bilden, wenn aktivisch kein Vermögensgegenstand existiert, bei dem die Vorwegnahme eines drohenden Verlustes durch eine Abschreibung berücksichtigt werden kann.710 Insbesondere beim Vorratsvermögen wird daher hinsichtlich der verlustfreien Bewertung eine aktivische Abwertung der Drohverlustrückstellung vorgezogen.711 Gemäß § 256 Abs. 5 AktG ist der Jahresabschluss einer Aktiengesellschaft und aus einer m. E. zulässigen analogen Anwendung auf eine GmbH auch deren Jahresabschluss nichtig, wenn Posten unter- oder überbewertet sind und dadurch die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. Eine solche Überbewertung liegt vor, wenn die Wertminderung des Grund und Bodens bilanziell nicht mit Hilfe einer außerplanmäßigen Abschreibung abgebildet wird. Diese Überbewertung verstößt gegen den Gläubigerschutz. Für kreditgewährende Banken, die das Grundstück als Sicherungsobjekt verwenden, würde diese Sicherheit keinen Wert besitzen. Schließlich könnte man die bestehende Kontamination mit einer Art Beschädigung vergleichen. Ist eine Maschine beschädigt und ihr Nutzenpotenzial dadurch geschmälert, wird eine 706 707 708
Vgl. Siegel (1993b), S. 329; Siegel (1995), S. 538f.; Bordewin (1994), S. 1686. Siegel (1993a), S. 138. Vgl. Siegel (1993b), S. 329f.; Siegel (1995), S. 538f.; Ballwieser (1994), S. 148; auch Bordewin (1994), S. 1686; Bömelburg/Keller (1994), S. 596. 709 Vgl. Siegel (1993a), S. 139; Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 392f. 710 Vgl. Schneider (1995), S. 1423. 711 Vgl. IDW RS HFA 4, Tz. 21; Günkel (1994), S. 108.
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außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen. Rückstellungen kommen nicht in Betracht. Bei einer Kontamination ist folglich grundsätzlich keine andere bilanzielle Berücksichtigung anzunehmen.
5.2.3.6.4.2 Vorrang der Rückstellungsbildung Erfüllt die Sanierungsverpflichtung die allgemeinen Passivierungsvoraussetzungen, kommt eine Saldierung mit dem zugrundeliegenden Grund und Boden nach dem Saldierungsverbot gem. § 246 Abs. 2 HGB nicht in Betracht.712 Für die Bilanzierungsfähigkeit einer Sanierungsverpflichtung spricht ihre hohe Selbstständigkeit.713 Die Verpflichtung ist – unabhängig von der Dauer der Wertminderung des Grundstücks – bis zur Beendigung der Sanierungshandlung befristet.714 Sie ist zudem nicht untrennbar mit dem kontaminierten Grund und Boden verbunden. Bei einem gepachteten Grundstück ist eine Aktivierung des Grund und Bodens wegen fehlenden (wirtschaftlichen) Eigentums nicht statthaft, wohingegen der Pächter als Handlungsstörer aus der Verpflichtung in Anspruch genommen wird und diese auszuweisen hat. Da die Verpflichtung nicht (immer) den Grundstückseigentümer trifft, stellt sie demzufolge keine dingliche Last dar, die untrennbar an den Grund und Boden gekoppelt ist.715 Sehr wohl stellt sie aber als wirtschaftliche Belastung eine Schuld des Unternehmens dar, die bilanziell richtig und vollständig auszuweisen ist. Der vollständige Schuldenausweis im Jahresabschluss erfordert, dass die zur Erfüllung der Sanierungsverpflichtung anfallenden Aufwendungen erfasst werden. Da diese Erfassung mit Hilfe der Abschreibung nicht möglich ist, muss sie über die Rückstellung erfolgen. Eine Verpflichtung kann demzufolge nicht als „wertmindernder Faktor für den Ansatz des aktiven Wirtschaftgutes Grundstück“716 in Frage kommen. Folglich hat die Bildung einer Rückstellung Vorrang vor der Abwertung.717 Der Gesetzgeber hat in § 249 HGB den konkreten Fall der unterlassenen Instandhaltung thematisiert. Werden notwendig gewordene Instandhaltungsmaßnahmen nicht rechtzeitig durchgeführt, wird der entsprechende Vermögensgegenstand regelmäßig an Wert verlieren.
712 713 714 715 716 717
Vgl. Rautenberg (1993), S. 271. So auch Rautenberg (1993), S. 272. Vgl. Kraus-Grünewald (1997), S. 178. Vgl. Kraus-Grünewald (1997), S. 178. Näher hierzu auch Kap. 6.2.3.6.3.6. Rautenberg (1993), S. 270. Vgl. Rautenberg (1993), S. 268; ähnlich Kupsch (1992), S. 2326f.; Herzig (1991), S. 618.
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Dennoch kommt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut eine Abschreibung nicht in Betracht. Eine Rückstellung nach § 249 HGB schließt hier eine aktivische Abwertung aus.718 Für Bartels ist nur aus der Passivierung einer Verbindlichkeit ersichtlich, dass in naher Zukunft Auszahlungen anfallen. Ansonsten würde gegen den Vollständigkeitsgrundsatz verstoßen.719 Hinsichtlich der Liquiditätsbelastung würden zusätzliche, nützliche Informationen gegeben. Mit Hinblick auf die Informationsvermittlung als Jahresabschlusszweck sei somit der Rückstellungsbildung der Vorrang einzuräumen. Herzig begründet einen Vorrang der Rückstellungsbilanzierung mit Hilfe des Realisationsprinzips.720 Er sieht die Verbindlichkeitsrückstellung als Folge dieses Prinzips, die aktivische Abwertung dagegen als Ergebnis des Imparitätsprinzips. Nach dem Imparitätsprinzip seien Verluste bilanziell zu berücksichtigen, die noch nicht realisiert sind. Die Sanierungsaufwendungen hätten dagegen längst ihre Realisation erfahren, so dass das Imparitätsprinzip nicht mehr greifen könne. Da seiner Meinung nach das Realisationsprinzip als grundlegendes Abgrenzungsprinzip und das Imparitätsprinzip nur als Ergänzung und Durchbrechung dieses Grundsatzes zu verstehen sei, ergebe sich eine Dominanz des Realisationsprinzips und somit ein Vorrang der Rückstellung vor der Abschreibung. Insgesamt ist im Schrifttum eine Dominanz für die Bildung einer Rückstellung statt einer aktivischen Abwertung erkennbar.721
5.2.3.6.4.3 Kritische Würdigung Es erscheint auf den ersten Blick kurios, dass die Rückstellungsbildung überhaupt mit der aktivischen Abwertung in Konkurrenz stehen kann, da Erstere ihre wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit findet, Letztere dagegen über die Nutzenbeeinträchtigung in der Zukunft. Bisher wurde im Fall eines echten Konkurrenzproblems versucht, die Auflösung dieser Konkurrenz auf der Grundlage von GoB herbeizuführen. Die Bilanzierungsprinzipien jedoch haben keine eindeutige Klärung dieses Problems ergeben. Da eine Lösung auf der Grundlage 718 719 720 721
Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 227; Moxter (1983b), S. 306; Rautenberg (1993), S. 272. Vgl. im Folgenden Bartels (1992a), S. 180; auch Günkel (1994), S. 110. Vgl. Herzig (1993a), S. 174; Herzig (1991), S. 618f.; auch Herzig/Köster (1999), Rn. 233. Vgl. Bartels (1992a), S. 179f.; Kupsch (1992), S. 2326f.; Sarrazin (1993), S. 7; Bordewin (1992b), S. 1100; Kraus-Grünewald (1997), S. 173; anders Baetge/Kirsch/Thiele (2003), S. 329f.
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der GoB nicht möglich ist,722 sind zur näheren Untersuchung dieses Konkurrenzproblems die Funktionen des Jahresabschlusses heranzuziehen, vornehmlich die Ausschüttungsbemessungsfunktion und die Informationsfunktion.723 Nach der Funktion der Ausschüttungsbemessung ist im Sinne des Gläubigerschutzes sicherzustellen, dass die Haftungssubstanz des Unternehmens nicht durch beliebige Gewinnausschüttungen verringert wird.724 Daher ist der Geschäftsvorfall Sanierungsverpflichtung bzw. wertgeminderter Grund und Boden auf jeden Fall zu berücksichtigen. Eine doppelte Aufwandsberücksichtigung kommt aber wegen der inneren logischen Verknüpfung des Sachverhaltes nicht in Betracht. Saniert ein Unternehmen ein kontaminiertes Grundstück erfolgreich, ist dessen Wert nach Sanierung nicht mehr gemindert. Eine Doppelberücksichtigung führt m. E. nicht nur zu einer Verkürzung der Ausschüttungsbemessungsgrundlage, die unter Aktionärsaspekten nicht zu vertreten ist, sondern auch zu einem Verstoß gegen die Generalnorm des § 246 Abs. 2 HGB. Ein sachgerechter Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage würde dem Bilanzadressaten bei Doppelerfassung verwehrt. Der Ausschüttungsbemessungsfunktion wird, unabhängig davon, ob der Sachverhalt aktivisch oder passivisch ausgewiesen wird, Genüge getan, sofern eine Verrechnung der stillen Reserven mit der Wertminderung als unzulässig erachtet wird. Neben der Ausschüttungsbemessungsfunktion hat der Jahresabschluss die Aufgabe, Informationen zur Verfügung zu stellen, die Adressaten in ihrer Entscheidungsfindung unterstützen sollen.725 Dabei kann das Ausweisproblem erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen von Jahresabschlussadressaten haben.726 Wird eine außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen, wird zwar die Vermögenslage des Unternehmens richtig dargestellt, jedoch lässt die Passivseite (Finanzlage) nicht erkennen, dass eine Verpflichtung vorliegt, die in Zukunft zu Geldabfluss führen und somit die Liquiditätslage beeinflussen wird. Umgekehrt wird bei Bildung einer Rückstellung die Finanzlage richtig erfasst, das Vermögen des Unternehmens aber zu hoch ausgewiesen. Dieser Sachverhalt kann sogar zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen. In der Gewinn- und Verlustrechnung wird durch den unterschiedlichen Ausweis in der Bilanz eine andere korrespondie-
722 723 724 725 726
So auch Depken (1999), S. 117. Auf die Funktion der steuerlichen Gewinnermittlung wird im Folgenden nicht eingegangen. Näher hierzu siehe Kap. 3.1.3.2.1. Näher hierzu siehe Kap. 3.1.3.2.2. Vgl. Bartels (1994), S. 21.
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rende Gegenbuchung vorgenommen. Im Rückstellungsfall wird die Position sonstiger betrieblicher Aufwand, im Abschreibungsfall die Position Abschreibungen bebucht. Die Darstellung des Geschäftsvorfalles in der Bilanz stellt letztlich eine bilanzpolitische Maßnahme dar. In den letzten Jahren rücken Bilanzrelationen in den Vordergrund des Interesses des Jahresabschlussadressaten. Je nachdem, für welche Abbildung sich das Unternehmen entscheidet, werden unterschiedliche Bilanzsummen erreicht. Im Abschreibungsfall kommt es zu einer Bilanzverkürzung (Verringerung der Aktiva), im Passivierungsfall zu einer Bilanzverlängerung (Erhöhung der Passiva). Die unterschiedlichen Bilanzsummen ergeben unterschiedliche Bilanzrelationen (Eigenkapitalquote, ROI etc.). Dadurch wird ganz massiv die Rechenschaftsfunktion des Jahresabschlusses tangiert. Ließe man eine Verrechnung der stillen Reserven des Grundstücks mit der Wertminderung zu, würde die Darstellung des Sachverhaltes sogar zu einem Ansatz- bzw. Bewertungsproblem führen. Im Extremfall würde eine außerplanmäßige Abschreibung vollkommen ausscheiden, wenn der verrechnete beizulegende Wert immer noch über dem Buchwert liegt.727 In diesem Fall würde trotz vorliegender Verpflichtung keine dem Jahresabschlussadressaten erkennbare bilanzielle Berücksichtigung stattfinden. Schon daher ist eine Verrechnung strikt abzulehnen. Dagegen würde die Bildung einer Rückstellung stets den vollen Verpflichtungsumfang zeigen, da die Rückstellungshöhe nicht von der Existenz stiller Reserven tangiert wird.728 Dies spricht m. E. grundsätzlich für die Rückstellungsbildung. Für den Einzelfall bleibt eine isolierte Prüfung der beiden Instrumente unerlässlich.729 Um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu gewährleisten, ist eine gesetzliche Anhangsangabe nach § 285 HGB zu fordern, die den Sachverhalt eindeutig verbal darstellt, die Auswirkungen auf die jeweils andere Bilanzseite explizit erklärt und somit den Informationsverlust heilt. Gegebenenfalls sind dabei auch Bilanzkennzahlen zu bereinigen. Auf jeden Fall ist bei der Entscheidung zugunsten einer Abschreibung der anfallende Liquiditätsbedarf, bei der Entscheidung zugunsten der Rückstellung der Betrag anzugeben, um den das Grundstück überbewertet ist. Da bilanziell die Konkurrenz nicht gelöst werden kann, erlangt die Erläuterungs- und Ergänzungsfunktion des Anhangs für diese Problematik eine herausragende Bedeutung.
727 728 729
Vgl. Bartels (1992a), S. 169; Siegel (1995), S. 538. Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 228. Vgl. Depken (1999), S. 135.
180
5.3
Die Erfassung von Rekultivierungsverpflichtungen
5.3.1
Begriffsbestimmung
In dieser Arbeit sollen Rekultivierungen als „Maßnahmen der landwirtschaftlichen Neugestaltung und wirtschaftlichen Wiedererschließung im Bereich des oberflächennahen und -fernen Rohstoffabbaus sowie ebensolche Maßnahmen im Bereich der Renaturierung von Mülldeponien verstanden werden, also insbesondere Maßnahmen, bei denen ein durch die Tätigkeit des Unternehmens in Mitleidenschaft gezogener, aber zuvor vorhandener Umweltzustand wiederhergestellt oder zumindest eine Annäherung an den ehemals gegebenen Umweltzustand [zu erreichen] versucht wird“730. Durch die den Rekultivierungen vorangehenden Abbauhandlungen werden mit Wissen und Wollen Umweltschädigungen herbeigeführt. Dabei kann die Umwelt so stark geschädigt werden, dass eine spätere Nutzung des entsprechenden Bodens nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Die Abbauhandlungen werden daher nur unter Auflage einer späteren Rekultivierungsmaßnahme gestattet. Rekultivierungsverpflichtungen werden in praxi besonders Mülldeponien sowie Substanzabbaubetrieben (Kiesgrube, Steinbruch, Tagebau, Untertagebau etc.) auferlegt.731 Dabei umfassen diese Verpflichtungen insbesondere die Wiederauffüllung, Wiederaufforstung und Neubepflanzung des Grund und Bodens nach Beendigung des Abbaus von Bodenschätzen.732
5.3.2
Anspruchsgrundlagen
Die Verpflichtung zur Rekultivierung ergibt sich regelmäßig entweder aus dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht. Im Zivilrecht wird die Verpflichtung über zwischen Pächter und Verpächter geschlossene Verträge begründet, die die Rekultivierung als zu erbringende Nebenleistung bestimmen. Eine Norm des öffentlichen Rechts stellt beispielsweise das Bundesberggesetz (BBergG) dar.733 Zivilrechtlich und öffentlich-rechtlich begründete Rekultivierungsverpflichtungen können sich durchaus überlagern.734 Darüber hinaus können sich Rekultivierungsmaßnahmen grund-
730 731 732 733 734
Köster (1994), S. 310f. Vgl. Köster (1994), S. 311. Vgl. Bordewin (1992a), S. 1535. Näher hierzu siehe Bordewin (1979), S. 156f.; Klein (1998), S. 159. Vgl. Köster (1994), S. 314.
181
sätzlich auch aus faktischen Zwängen oder wirtschaftlichen eigenbetrieblichen Erwägungen ergeben.
5.3.3
Bilanzielle Darstellung
Im Folgenden soll die bilanzielle Berücksichtigung von Rekultivierungsverpflichtungen näher untersucht werden. Dabei steht das Instrument der Rückstellung im Vordergrund, wobei Ansatz- wie auch Bewertungsfragen zu klären sind. Im Anschluss wird analysiert, ob die Abbaumaßnahme eine Abschreibung des abgebauten Grund und Bodens zur Folge hat.
5.3.3.1
Rückstellungen für Rekultivierungsverpflichtungen
5.3.3.1.1 Rückstellungen für Rekultivierungsverpflichtungen dem Grunde nach Aufgrund der vorliegenden Anspruchsgrundlagen werden im Folgenden zunächst Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten vorgestellt. Daneben werden Aufwandsrückstellungen für Rekultivierungsmaßnahmen betrachtet, die unter bestimmten Bedingungen ebenfalls bilanziell abgebildet werden können.
5.3.3.1.1.1 Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten Nach § 249 Abs. 1 HGB sind Verbindlichkeitsrückstellungen für Rekultivierungsverpflichtungen anzusetzen, wenn die allgemeinen und im Falle öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen zusätzlich die besonderen Rückstellungskriterien erfüllt sind. Rekultivierungsverpflichtungen entstehen mit Vertragsabschluss, Genehmigungsbescheid oder spätestens mit der erstmals durchgeführten umweltschädigenden Handlung.735 Von einer wahrscheinlichen Inanspruchnahme des Unternehmens ist bei privatrechtlichen Verträgen grundsätzlich auszugehen, da der Gläubiger seinen Anspruch mit Vertragsabschluss kennt. Auch bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen ist grundsätzlich von der Kenntnis der Behörde und somit von der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme auszugehen, weil öffentliche Genehmigungen zum Substanzabbau nur unter der Voraussetzung der späteren Rekultivierung erteilt werden. Hinsichtlich faktischer Verpflichtungen werden Bürgerinitiativen bzw. Umweltschutzorganisationen von ihrem Anliegen nur ablassen, wenn das Unternehmen die Rekultivierung tatsächlich durchführt.
735
Ähnlich Bartels (1992a), S. 194.
182
Zu untersuchen bleibt, ob die Periodenzuordnung der anfallenden Rekultivierungsaufwendungen über das Kriterium der wirtschaftlichen Verursachung oder das der rechtlichen Entstehung entschieden werden soll. Die Festlegung des maßgeblichen Kriteriums hat erheblichen Einfluss auf die Art und Höhe der Rückstellung.
5.3.3.1.1.2 Aufwandsrückstellungen Die Bildung von Aufwandsrückstellungen für Rekultivierungsmaßnahmen ist gem. § 249 Abs. 2 HGB grundsätzlich dann geboten, wenn sich das Unternehmen einer wirtschaftlichen Verpflichtung nicht entziehen kann. Der Verpflichtung zur Rekultivierung liegen hingegen regelmäßig zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Ansprüche zugrunde, die Außenverpflichtungen und somit Verbindlichkeitsrückstellungen begründen. Aufwandsrückstellungen kommen daher zum einen grundsätzlich nur in den seltenen Fällen in Betracht, in denen diese Außenverpflichtung fehlt, das Unternehmen dennoch aus innerbetrieblichen Erwägungen beabsichtigt, derartige Maßnahmen durchzuführen, um z. B. Vorteile bei weiteren Abbaulizenzen zu erlangen.736 Zum anderen können Innenverpflichtungen über bestehende Außenverpflichtungen hinaus vorliegen. Beabsichtigt das Unternehmen eine „Luxusrekultivierung“737 durchzuführen, die keine nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten begründet, jedoch das von einem Dritten geforderte Maß übersteigt, kommt für diesen Teil ggf. eine Aufwandsrückstellung in Betracht.738 Die Voraussetzungen der Aufwandsumschreibung, Aufwandserwartung und Aufwandsunbestimmtheit stellen für wirtschaftlich durchzuführende Rekultivierungsmaßnahmen keine Besonderheiten dar. Hinsichtlich der Aufwandszuordnung bzw. -verursachung kommt lediglich die wirtschaftliche Verursachung in Betracht, da Aufwandsrückstellungen aufgrund des fehlenden Anspruchs eines Dritten nie ein rechtliches Entstehen begründen. Die Periodisierung der Aufwendungen hat daher bei möglicher Rückstellungsbildung allein auf Basis der wirtschaftlichen Verursachung zu erfolgen.739
736 737 738 739
Vgl. Köster (1994), S. 328. Köster (1994), S. 328. Vgl. Köster (1994), S. 327. Vgl. Köster (1994), S. 337f.
183
5.3.3.1.1.3 Rückstellungen für Abraumbeseitigung Bevor Substanzabbauunternehmen mit der Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen beginnen können, haben sie zunächst die über diesen Rohstoffen liegenden Erd- und Gesteinsmassen, den Abraum, abzutragen. Gleichzeitig werden die Unternehmen verpflichtet, Bodenmassen nach dem Substanzabbau wieder aufzutragen, um das Landschaftsbild nicht nachhaltig zu beeinträchtigen. Es liegt also grundsätzlich eine besondere Form der Rekultivierung vor. Die Abraumbeseitigung erlangt ihre praktische Bedeutung insbesondere im Tagebau.740 Öffentlich-rechtliche, privatrechtliche oder auch faktische Verpflichtungen zur Abraumbeseitigung führen gem. § 249 Abs.1 Satz 1 HGB grundsätzlich zur Rückstellungsbildung für ungewisse Verbindlichkeiten.741 Bestehen für die Abraumbeseitigung keine rechtlichen oder faktischen Grundlagen, sondern lediglich innerbetriebliche Gründe, käme grundsätzlich eine Aufwandsrückstellung nach § 249 Abs. 2 HGB (Passivierungswahlrecht) in Betracht. Insofern bestehen zunächst keine Besonderheiten. Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB besteht jedoch für im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Abraumbeseitigung eine Passivierungspflicht, wenn eine Nachholung im folgenden Geschäftsjahr durchgeführt wird. In diesem Fall wird aus einer Aufwandsrückstellung per Gesetz eine Verbindlichkeitsrückstellung. Unterlassene Abraumbeseitigungsmaßnahmen sind solche Maßnahmen, die in der Vergangenheit eigentlich hätten durchgeführt werden müssen, deren Durchführung aber tatsächlich unterblieben ist. Erst bei Nachholung der Maßnahmen zu einem Zeitpunkt über die nächste Periode hinaus kommt wiederum § 249 Abs. 2 HGB in Betracht.742
5.3.3.1.1.4 Periodisierung von Rekultivierungsaufwendungen Rekultivierungsverpflichtungen zeichnen sich dadurch aus, dass zwischen den ersten Maßnahmen zu Beginn der Abbautätigkeit und der Verpflichtungserfüllung nach Beendigung der Abbauhandlungen ein (sehr) langer Zeitraum liegt.743 Bezüglich einer richtigen Periodenzuordnung stellt sich unter Informationsaspekten die Frage, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe Rekultivierungsaufwendungen zu passivieren sind.744 Eine Aufwandszuordnung 740 741 742 743 744
Vgl. Pilhofer (1997), S. 124; Herzig/Köster (1999), Rn. 351. So auch Herzig/Köster (1999), Rn. 351. Vgl. Köster (1994), S. 325ff. So auch Köster (1994), S. 313. Vgl. Bartels (1992a), S. 195; Köster (1994), S. 329.
184
hat bei Verbindlichkeitsrückstellungen anhand der Kriterien wirtschaftliche Verursachung und rechtliches Entstehen zu erfolgen. Da Innenverpflichtungen niemals rechtlich entstehen, ist bei Aufwandsrückstellungen nur die wirtschaftliche Verursachung maßgeblich. Ein Unternehmen hat zu Beginn seiner Abbautätigkeit noch keine tatsächlichen Erfüllungsrückstände. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw. der Genehmigung ist eine Rekultivierung noch nicht notwendig, da noch keine Abbaumaßnahme getätigt worden ist. Die Verpflichtung ist zwar dem Grunde nach entstanden, die Rückstellung müsste jedoch mit null beziffert werden. Die bewertbare Verpflichtung zur Rekultivierung ergibt sich mit der erstmals durchgeführten umweltschädigenden Handlung und zunehmend mit der Abbautätigkeit. Auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung entsteht eine Rekultivierungsverpflichtung wertmäßig, wenn Bodenschätze abgebaut werden.745 Vereinfachend wird daher im Folgenden als Zeitpunkt des rechtlichen Entstehens der Zeitpunkt der erstmaligen schädigenden Handlung verstanden. Für den Teil der Verpflichtung, für die noch kein Erfüllungsrückstand besteht, ist gem. § 285 Nr. 3 HGB eine Anhangsangabe zu tätigen. Wirtschaftliche Verursachung und rechtliches Entstehen einer Verpflichtung fallen bei Rekultivierungsverpflichtungen zusammen, wenn zwischen dem kumulierten Abbauvolumen und den kumulierten realisierten Erträgen Proportionalität besteht. In diesem Fall führen das in § 246 Abs. 1 HGB verankerte Gebot des vollständigen Ausweises der Schulden und die nach § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB geforderte Periodisierung von Ausgaben, die nach dem Realisationsprinzip in seiner erweiterten Fassung über die erwirtschafteten Erträge erfolgt, zum gleichen Ergebnis. Bei fehlender Proportionalität fallen rechtliches Entstehen und wirtschaftliche Verursachung dagegen zwangsläufig auseinander. Zur Verdeutlichung des Problems bei Auseinanderfallen von rechtlichem Entstehen und wirtschaftlicher Verursachung führt Siegel folgendes Beispiel an:746 Hat eine Kiesgrube am Ende einer bestimmten Periode einen solchen Zustand erreicht, dass 70% der (im Endzustand) insgesamt erwarteten Rekultivierungskosten bereits rechtlich verursacht sind, wurde die Kiesgrube jedoch erst im Umfang von 50% der erwarteten Gesamtkiesmenge ausgebeutet, so bedeutet Vollrückstellung den Ansatz von 70% bzw. Ansammlungsrückstellung den Ansatz von 50% der erwarteten Gesamtkosten.
745 746
Vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1983 – IV R 205/79, S. 672. Vgl. Siegel (1993a), S. 149; Siegel (1993b), S. 333f.
185
Der vollständige Schuldenausweis geht eng einher mit der rechtlichen Entstehung einer Verpflichtung, die einen vollständigen Rückstellungsausweis fordert (Voll- bzw. Ansatzrückstellung). Nach dem Realisationsprinzip in seiner Alimentationsformel ist allein die wirtschaftliche Verursachung der Verpflichtung entscheidend, die über eine Ansammlungsrückstellung abgebildet wird. Grundsätzlich entspricht die Ansammlungsrückstellung einer fortlaufenden wirtschaftlich verursachten Verpflichtung.747 Der Fall, dass die wirtschaftliche Verursachung (Ertragsrealisierung) vor dem rechtlichen Entstehen (Abbauvolumen) liegt, ist bei Rekultivierungsverpflichtungen praktisch nicht ersichtlich und daher irrelevant.748 Der umgekehrte Fall dagegen, dass das rechtliche Entstehen vor der wirtschaftlichen Verursachung liegt, ist in praxi regelmäßig anzunehmen. Vor Ertragsrealisation sind zunächst Oberflächendevastierungen durchzuführen, um die entsprechenden Rohstoffe freizulegen.749 In diesem Fall unterscheidet sich die Wertbemessung einer Ansatz- und einer Ansammlungsrückstellung.750 Ein Unterschied tritt ferner dann auf, wenn mit der Abbautätigkeit begonnen wurde und den Rekultivierungsaufwendungen noch keine oder nur geringe Erträge gegenüberstehen, da noch keine bzw. nur geringe Bodenschätze erwirtschaftet und verkauft wurden. Die vorliegende Frage wird in der handelsrechtlichen Literatur als Bewertungsproblem dargestellt,751 da die Konsequenzen aus der Periodenzuordnung, so wird argumentiert, die Rückstellungshöhe tangieren. Das Kriterium rechtliches Entstehen bzw. wirtschaftliche Verursachung ist aber ein Ansatzkriterium, weshalb eine Ansatzproblematik vorliegt.
5.3.3.1.1.4.1
Ansatzrückstellung nach Maßgabe des rechtlichen Verpflichtungsumfanges
Die Bildung einer Ansatzrückstellung ist Ausprägung der statischen Bilanztheorie, nach der Rückstellungen in voller Höhe auszuweisen sind. Auch nach dem Vollständigkeitsgebot sind alle Schulden des Unternehmens bilanziell zu berücksichtigen. Eine Rekultivierung ist aufgrund des Verpflichtungstatbestandes in der Höhe unausweichlich, die dem jeweiligen Zustand des Abbaugeländes (z. B. Kiesgrube oder Tagebau) entspricht und zur Beseitigung der
747 748 749 750 751
Vgl. Kupsch (1992), S. 2327. Vgl. Köster (1994), S. 334f. Vgl. Naumann (1991), S. 533f. Vgl. Kupsch (1992), S. 2327. Vgl. Bartels (1992c), S. 1318; Bordewin (1992a), S. 1535.
186
bereits verursachten Umweltschäden erforderlich ist.752 Bei der rechtlichen Entstehung sind zum einen die bei Aufnahme der Abbautätigkeit nicht mehr vermeidbaren Ausgaben maßgeblich, zum anderen ist an das Auffüllvolumen anzuknüpfen.753 Die Rückstellungshöhe einer Ansatzrückstellung ergibt sich nach dem rechtlichen Entstehen aus dem gesamten bis dato angefallenen Erfüllungsrückstand. Der Erfüllungsrückstand umfasst alle Aufwendungen zur Beseitigung der bisher entstandenen Umweltschäden. Bisher wurde davon ausgegangen, dass der Verpflichtungsumfang aus einer Rekultivierungsverpflichtung im Laufe der Abbauhandlungen kontinuierlich anwächst. Mitunter existieren auch Verpflichtungen, die durch eine einzige Handlung zu Beginn der Nutzung in vollem Umfang entstehen, sog. Entsorgungsverpflichtungen. Kernkraftwerksbetreiber gehen mit Errichtung einer Anlage bzw. mit Inbetriebnahme unabhängig von der späteren Intensität der Nutzung eine Verpflichtung zu deren späterer Stilllegung ein. In den Fällen, in denen eine Verpflichtung nicht mehr fortschreitend anwächst, sondern von Anfang an in voller Höhe entstanden ist, ist zum Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme der Tätigkeit eine Ansatzrückstellung in Höhe des vollen Verpflichtungsumfanges zu bilden.754 Nur durch den Ansatz einer Vollrückstellung wird dem Gläubigerschutz in ausreichendem Maße Rechnung getragen.755 Da Entsorgungsverpflichtungen bilanziell dem Grunde nach ähnlich wie Rekultivierungsverpflichtungen zu behandeln sind, wird auf sie nach HGB nicht näher eingegangen.
5.3.3.1.1.4.2
Ansammlungsrückstellung nach dem Realisationsprinzip
Die Ansammlungsrückstellung ist Ausprägung der dynamischen Bilanztheorie, die im Hinblick auf die Rückstellungsbildung eine periodengerechte Aufwandsverteilung verlangt. Ein überwiegender Teil der handelsrechtlichen Literatur spricht sich zugunsten dieser Ansammlungsrückstellung aus.756 Nach Naumann ist Voraussetzung für die Ansammlungsmethode, dass die Realisierung zukünftiger Erträge erwartet werden kann.757 Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung favorisiert die Ansammlungsmethode.758 Wird die Rückstellungshöhe unter Bezug auf das Realisationsprinzip an die Umsatzentwicklung geknüpft, richtet sich der 752 753 754 755 756
Vgl. Siegel (1993a), S. 149; Bartels (1994), S. 17. Vgl. Kupsch (1992), S. 2327. Vgl. Crezelius (1992), S. 1361; Bartels (1992a), S. 194ff. Vgl. Bartels (1992c), S. 1319. Vgl. Naumann (1993), S. 269; Pfleger (1981), S. 1686; Pickhardt-Poremba (2001), S. 182; Herzig (1993b), S. 219ff. 757 Vgl. Naumann (1991), S. 536. 758 Vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 1975 – I R 28/73, S. 482.
187
Wertansatz nach dem Verhältnis aus kumulierter geförderter bzw. abgesetzter Rohstoffmenge bis zum Bilanzstichtag und der voraussichtlich zu erwirtschaftenden Gesamtförder- bzw. Gesamtabsatzmenge.759 Die Rückstellung wird kontinuierlich angesammelt, bis im letzten Jahr alle anfallenden Kosten abgebildet sind und die Rückstellungshöhe identisch mit der nach der Ansatzmethode ist.760
5.3.3.1.1.4.3
Kritische Würdigung
Für die Fälle, in denen wirtschaftliche Verursachung und rechtliches Entstehen zusammenfallen, sind Ansatz- und Ansammlungsrückstellung in ihrer Höhe identisch. Fallen wirtschaftliche Verursachung und rechtliches Entstehen einer Verpflichtung auseinander, ist bei Verbindlichkeitsrückstellungen grundsätzlich der frühere der beiden Zeitpunkte maßgeblich.761 Regelmäßig ist bei Rekultivierungsverpflichtungen das rechtliche Entstehen der wirtschaftlichen Verursachung vorgelagert. Daher ist m. E. auf das rechtliche Entstehen abzustellen. Die rechtlich abstrakte Verpflichtung zur Rekultivierung ist regelmäßig vor der ersten Abbaumaßnahme mit Vertrag bzw. Genehmigung entstanden. Bilanziell aber ist der Zeitpunkt des erstmaligen Erfüllungsrückstandes entscheidend. Wann und in welcher Höhe erstmals ein Erfüllungsrückstand vorliegt, ist abhängig von der Art der Rekultivierungsverpflichtung. Es ist zu differenzieren, ob der dem Unternehmen aufgetragene Verpflichtungsumfang im Laufe der Abbauhandlungen kontinuierlich anwächst (zeitraumbezogen) oder einmalig zu Beginn der Abbautätigkeit gegeben ist (zeitpunktbezogen).762 Eine der Ausschüttungsbemessungs- und Informationsfunktion folgende Bilanzdarstellung hat einer verursachungsgerechten Aufwandszuordnung Rechnung zu tragen. Verursachungsgerecht kann im Hinblick auf Rekultivierungsverpflichtungen aber nur der tatsächlich angefallene Umweltschaden sein, nicht dagegen die Ertragszuordnung. Für die wirtschaftliche Belastung kann die Erzielung von Erträgen kein Kriterium sein. Insbesondere ist hierbei an Fälle zu denken, bei denen sich herausstellt, dass keine oder nur sehr geringe Erträge zu erzielen sind, z. B. wenn die tatsächliche Rohstoffmenge deutlich geringer ist als die geschätzte. In Perioden ohne Umsatz könnte eine Ansammlungsrückstellung nach dem Realisationsprinzip nicht
759 760 761 762
Vgl. Kupsch (1992), S. 2327. Vgl. Naumann (1993), S. 268. Bei Aufwandsrückstellungen kommt nur die wirtschaftliche Verursachung in Betracht. Köster unterscheidet Rekultivierungsverpflichtungen ähnlich hinsichtlich Einfach- und Mehrfachveranlassung. Vgl. Köster (1994), S. 330ff.
188
gebildet werden,763 obwohl die Umweltschädigung bei weiterer Förderung zunimmt. Die Ansammlungsrückstellung wird daher dem Gläubigerschutzprinzip nicht gerecht. Zu jedem Zeitpunkt ist somit eine Ansatzrückstellung zu bilden, die bis zur Beendigung der Abbautätigkeit entsprechend der fortschreitenden Umweltschädigung permanent anwächst. Der Höhe nach hat sie sich am anfallenden Rekultivierungsaufwand zu orientieren. Eine Ansatzrückstellung darf nach der hier vertretenen Auffassung nicht dahingehend missverstanden werden, dass zu Beginn der Abbautätigkeit eine Rückstellung in Höhe aller erwarteten Kosten zu bilden ist. Wird der Umweltschaden bereits zu Beginn der Nutzung in vollem Umfang verursacht, sind Verpflichtung und Erfüllungsrückstand ab der ersten Handlung vollständig gegeben. In dem Fall der schon von Anfang an bestehenden, vollen rechtlichen Entstehung ist der Unterschied zwischen einer Ansammlungs- und einer Ansatzrückstellung mitunter gravierend. Bedeutsam ist die Problematik z. B. bei der Errichtung von Offshore-Ölplattformen, die regelmäßig nach Betreiben verschrottet werden. Die Verpflichtung zur Verschrottung besteht schon vollständig bei Errichtung bzw. Inbetriebnahme, wobei die Erträge erst aus der späteren Ölförderung während der Nutzungsdauer der Plattform realisiert werden.764 Es liegt ein Erfüllungsrückstand vor, der grundsätzlich über eine Ansatzrückstellung abzubilden ist. Der (enorm) hohe Aufwand zu Beginn der Tätigkeit führt jedoch i. d. R. zu einer Verzerrung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens und der Informationsaufgabe des Abchlusses. Daher fordert Siegel zu Recht für diese Fälle die Bildung einer Bilanzierungshilfe mit Ausschüttungssperre.765 Für die bilanzielle Behandlung kommt der Ansatz einer Vollrückstellung mit gleichzeitiger Aktivierung eines Ausgleichspostens in Betracht, der über die planmäßige Nutzungsdauer abgeschrieben wird.766 Die Höhe des Ausgleichspostens stellt die Differenz aus Ansammlungs- und Vollrückstellung dar. Es würde der gleiche Aufwand wie bei einer Ansammlungsrückstellung erfolgswirksam, dennoch könnte der volle Verpflichtungsumfang abgebildet werden. Die Bilanzierungshilfe stellt einen Kompromiss zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und rechtlicher Verpflichtung dar. Sie macht den Unterschied zwischen beiden Alternativen sichtbar und unterstützt daher die Informationsfunktion des Abschlusses.
763 764 765 766
So auch Kupsch (1992), S. 2327. Ähnlich Naumann (1991), S. 534. Vgl. Siegel (1993b), S. 336; Bartels (1992a), S. 198. Vgl. Naumann (1993), S. 270f.
189
5.3.3.1.2 Rückstellungen für Rekultivierungsverpflichtungen der Höhe nach Hinsichtlich der Unsicherheit und Langwierigkeit von Rekultivierungsverpflichtungen treten Probleme bei der richtigen Einschätzung der Rückstellungshöhe auf. Die konkrete Bestimmung des Erfüllungsbetrages ist für jeden Einzelfall regelmäßig nur durch Schätzung möglich.767 Die Schätzung kann sich dabei z. B. auf Erfahrungswerte aus der Vergangenheit oder auf Kostenvoranschläge beziehen. Werden lediglich Oberflächen devastiert, bezieht sich der Erfüllungsbetrag auf diejenige Fläche (Quadratmeter), die während der Abbaumaßnahme zerstört wurde. Die für Gruben und Erdlöcher anfallenden Aufwendungen zur Auf- und Verfüllung sind auf das Volumen (Kubikmeter) zu beziehen.
5.3.3.1.2.1 Preissteigerungen und Abzinsung Da das maßgebliche Preisniveau dasjenige zum Bilanzstichtag ist, sind die Rekultivierungsaufwendungen zum jeweiligen Bilanzstichtag zu den dann gültigen Preisverhältnissen anzusetzen.768 Eine Berücksichtigung künftiger Preissteigerungen kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Jedoch sind zukünftige Preissteigerungen zu antizipieren, die als sicher zu erwarten sind.769 So sind Preiserhöhungen aus Auffüllmaterialien zu berücksichtigen, wenn sie konkret angekündigt wurden. In der Vergangenheit gebildete Rückstellungen sind an das Preisniveau am Bilanzstichtag anzupassen. Die Abzinsung von Rückstellungen ist gem. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB nur möglich, soweit die zugrundeliegende Verpflichtung einen Zinsanteil enthält. Da Rekultivierungsmaßnahmen Sachleistungsverpflichtungen darstellen, scheidet eine Abzinsung in Ermangelung von Zinsanteilen aus.
5.3.3.1.2.2 Folgekosten nach der eigentlichen Rekultivierung Hinsichtlich der Behebung von Umweltschäden können nach der eigentlichen Rekultivierung Folgekosten (z. B. Dauerinstandhaltungs- bzw. Dauerbetriebskosten770) entstehen. Die regelmäßige Pflege und Sicherung von rekultivierten Flächen, die Erhaltung von Baggerseen sowie
767 768 769 770
Vgl. Köster (1994), S. 339. Näher hierzu siehe Kap. 4.1.4.2.2. So auch Bordewin (1992a), S. 1535. Vgl. Köster (1994), S. 193. Philipps bezeichnet sie als dauernde Lasten. Vgl. Philipps (1995), S. 234.
190
der laufende Betrieb von Pumpwerken stellen Folgemaßnahmen dar, die ewig – sogar über den Zeitpunkt der Unternehmensliquidation hinaus – sicherzustellen sind.771 Durch die (laufende) Abbautätigkeit liegt ein rechtliches Entstehen bzw. eine wirtschaftliche Verursachung dieser Folgekosten vor. Aus diesem Grunde sind die später anfallenden Aufwendungen über Rückstellungen zu antizipieren. Dabei hat der Erfüllungsbetrag alle aus der Verpflichtung erwachsenden voraussichtlich anfallenden Aufwendungen zu erfassen. Auch hier ist m. E. der frühere der beiden Zeitpunkte maßgeblich. Da die Aufwendungen zeitlich unendlich lange dauern, sind sie m. E. wie eine ewige Rentenverpflichtung zu bemessen. Gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB ist für derartig ewig anfallende Aufwendungen deren Barwert anzusetzen.772
5.3.3.1.2.3 Verrechnung mit Kippgebühren Unternehmen, die Verpflichtungen zur Wiederauffüllung von z. B. Kiesgruben eingegangen sind, gestatten Dritten oftmals, dass diese gegen Entgelt bestimmte Auffüllmaterialien „abkippen“ können. Es ist zu untersuchen, ob eine Saldierung der anfallenden Rekultivierungsaufwendungen mit den Kippgebühren möglich ist.773 Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung gem. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB bzw. des Saldierungsverbotes gem. § 246 Abs. 2 HGB sind getrennte Sachverhalte grundsätzlich auch getrennt zu bilanzieren (Bruttomethode). Wenn aber diese beiden Sachverhalte in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen, ist nach herrschender Meinung regelmäßig ein Nettoausweis möglich.774
Die Verpflichtung zur Rekultivierung zieht aber m. E. nicht unbedingt den Anspruch auf Kippgebühren nach sich. Der BFH hat daher zu Recht entschieden, dass die Einnahmen zwar in engem tatsächlichen Zusammenhang mit der Rekultivierungsmaßnahme stünden, nicht aber mit den Aufwendungen aus der zugrundeliegenden Verpflichtung.775 Eine Saldierung kommt daher nicht in Betracht. Sind die Voraussetzungen einer Forderung aus den Kippgebühren erfüllt, ist diese nach dem Aktivierungsgrundsatz zu aktivieren. 771 772 773
Vgl. Köster (1994), S. 193. So auch Köster (1994), S. 193ff.; Herzig/Köster (1999), Rn. 186. Eine Aufrechnung kommt nicht in Betracht, da keine Identität von Gläubiger und Schuldner vorliegt. Näher zur Aufrechnung siehe Kap. 4.1.4.2.4. 774 Vgl. Köster (1994), S. 191f.; ähnlich Bordewin (1992a), S. 1536; IDW-Facharbeit (1992), S. 329. 775 Vgl. BFH-Urteil vom 16. September 1970 – I R 184/67, S. 87.
191
5.3.3.2
Abschreibung des abgebauten Grund und Bodens
Abbautätigkeiten rufen nicht nur Rekultivierungsverpflichtungen hervor, sondern bewirken auch eine Wertminderung des abgebauten Grund und Bodens. Denn der abgebaute Boden enthält nunmehr kein Rohstoffvorkommen (Kohle, Erz, Kies etc.) mehr. Zu untersuchen ist, ob diese Wertminderung bilanziell zu berücksichtigen ist und ggf. ähnlich wie bei Altlasten eine Konkurrenzsituation vorliegt. Hinsichtlich des zum Abbau bestimmten Grund und Bodens ist eine genaue Differenzierung seiner Wertkomponenten vorzunehmen. Grundsätzlich kann der Wert eines Grundstücks nach einer Abbaumaßnahme wie folgt berechnet werden:
./. = ./. =
Wert des Grund und Bodens vor Abbautätigkeit Wert der abgebauten Oberfläche bzw. des Hohlraums Wert des Grund und Bodens nach Abbautätigkeit I Wert des Rohstoffvorkommens Wert des Grund und Bodens nach Abbautätigkeit II
Die Berechnung verdeutlicht, dass der Wert vor der Abbaumaßnahme einerseits aus dem Wert des Grund und Bodens inklusive Oberfläche bzw. Hohlraum ohne das Rohstoffvorkommen und andererseits aus dem Wert des Rohstoffvorkommens besteht. Es sind zwei fiktive Vermögensgegenstände anzunehmen, die bilanziell unterschiedlich zu behandeln sind. Zu Beginn der Nutzung steht regelmäßig fest, dass nach Abbautätigkeit im Rahmen von Rekultivierungsmaßnahmen Hohlräume wieder verfüllt und Oberflächen aufgeforstet werden müssen. Für diesen Teil (Grund und Boden nach Abbautätigkeit I) greift die Verpflichtung. Außerplanmäßige Abschreibungen scheiden i. d. R. aus, da die Wertminderung für den Teil der Verfüllung bzw. Aufforstung nicht von Dauer ist. Auch wenn der Zeitraum zwischen Abbautätigkeit und Verfüllung bzw. Aufforstung verhältnismäßig lange andauert, kann aufgrund der „ewigen“ Nutzungsdauer eines Grundstücks lediglich eine vorübergehende Wertminderung angenommen werden. Anders sieht es mit dem zweiten fiktiven Vermögensgegenstand aus, dem Rohstoffvorkommen. Dieses ist zwar mit dem Grundstück fest verbunden, kann aber separat genutzt werden. Das Rohstoffvorkommen hat durch die Abbautätigkeit eine begrenzte Nutzungsdauer. Für den Teil des Grund und Bodens, der wertmäßig das Rohstoffvorkommen betrifft, liegt eine Wertminderung vor. Diese Wertminderung begründet eine planmäßige Abschreibung. Das Rohstoffvorkommen ist daher über die Laufzeit der Abbautätigkeit im Verhältnis des ausgebeuteten Rohstoffvermögens zum gesamten Rohstoffvermögen planmäßig abzuschreiben.
192
Eine mögliche Konkurrenzsituation wie bei Altlasten tritt nicht ein. Die Verpflichtung bezieht sich nur auf den Teil, der einer nur vorübergehenden Wertminderung unterliegt. Hierfür ist eine Rückstellung zu bilden. Für den fiktiven Teil des Grund und Bodens, der durch die Abbautätigkeit des Rohstoffvorrats wertgemindert ist, sind planmäßige Abschreibungen entsprechend der Substanzverringerung vorzunehmen. Zur besseren Information des Jahresabschlussadressaten ist im Falle von zum Abbau bestimmtem Grund und Boden der Bilanzposten Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken gem. § 266 Abs. 2 A II 1 HGB (Grund und Boden nach Abbautätigkeit II) weiter aufzugliedern. Neben dem eigentlichen Grund und Boden ohne Rohstoffvorkommen sollte das Rohstoffvorkommen aufgrund seiner begrenzten Nutzungsdauer bilanziell in einem separaten Unterposten ausgewiesen werden.
Die Einbeziehung von allgemeinen Umweltschutzverpflichtungen in den handelsrechtlichen Jahresabschluss und Lagebericht sowie den besonderen Verpflichtungen zur Anpassung, Altlastensanierung und Rekultivierung hat zahlreiche, bedeutende Fragen aufgeworfen, für die in den Kapiteln vier und fünf Lösungen vorgestellt worden sind. Im Folgenden wird untersucht, wie Umweltschutzverpflichtungen im Allgemeinen und Anpassungs-, Altlastensanierungs-, Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen im Besonderen nach IFRS abgebildet werden.
193
6
Grundsätzliche Möglichkeiten der Einbeziehung von Umweltschutzverpflichtungen in den Jahresabschluss nach IFRS
Da kein spezieller Standard für die bilanzielle Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen nach IFRS existiert, sind bestehende allgemeingültigere Normen heranzuziehen. Das IASB hat die Anforderungen an die Aktivierung eines Vermögenswertes des Sachanlagevermögens, an dessen aktivische Abwertung sowie an die Passivierung einer Verpflichtung in jeweils eigenen Standards erörtert. Zur IFRS-konformen Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen werden im Folgenden daher im Wesentlichen die Standards •
IAS 37: Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen,
•
IAS 16: Sachanlagevermögen und
•
IAS 36: Wertminderung von Vermögenswerten
sowie ggf. das Rahmenkonzept herangezogen und im Folgenden näher untersucht.
6.1
Die Rückstellung als Instrument zur Berücksichtigung von Umweltschutzverpflichtungen – IAS 37
6.1.1
Grundsätzliches
Das IASB hat mit IAS 37 eine eigenständige Ansatz-, Bewertungs- und Berichterstattungsvorschrift für einen weiten Bereich von Rückstellungen geschaffen. Da sich der Standard zusammenhängend mit dem Problem der Rückstellung beschäftigt, vervollständigt er in einem bedeutsamen Bereich die IFRS-Bilanz.776 Zielsetzung des Standards ist, angemessene und geeignete Grundlagen für den Ansatz und die Bewertung von Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen777 bereitzustellen sowie sicherzustellen, dass im Anhang ausreichende Informationen zu deren Art, Höhe und Fälligkeit angegeben werden. Da unwesentliche Sachverhalte für den Abschlussadressaten bedeutungslos sind, ist IAS 37 – wie alle IFRS – nur auf wesentliche Geschäftsvorfälle anzuwenden.778 Durch die Offenlegung relevanter Informationen nach IAS 37 wird Abschlussadressaten ein besserer Einblick bezüglich Art, Grund, zeitlichen Rahmens sowie Höhe bestimmter Verpflichtungen gewährt.779
776 777
Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 64; Hayn/Pilhofer (1998a), S. 1729. Eventualforderungen sind für die zugrundeliegende Thematik grundsätzlich bedeutungslos. Im Folgenden werden sie daher lediglich im Rahmen von Erstattungsansprüchen kurz vorgestellt. 778 So auch Daub (2000), S. 324. Näher zur Wesentlichkeit siehe Kap. 3.2.3. 779 Vgl. Reinhart (1998), S. 2514.
194
IAS 37 ist auf die Bilanzierung und Bewertung von Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen von Unternehmen aller Rechtsformen anzuwenden, die ihren Abschluss nach IFRS erstellen.780 Der Standard gilt grundsätzlich gleichermaßen für Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sowie für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.781 Spezielle Vorschriften für Umweltschutzverpflichtungen benennt IAS 37 nicht. Da der Standard maßgeblich für die bilanzielle Behandlung ungewisser Verpflichtungen ist, sind die allgemeinen Grundsätze auch für die Bildung von Umweltschutzrückstellungen anzuwenden.
6.1.2
Rückstellungsbildung aufgrund des matching principle
Konzeptionell sind Rückstellungen im IFRS-Normenwerk vornehmlich aufgrund des matching principle sowie der damit verbundenen fair presentation zu bilden.782 Nach dem matching principle als Basisannahme der IFRS-Rechnungslegung steht der Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung im Vordergrund. Der Gewinn wird nach diesem Konzept nicht auf Basis einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, sondern einer periodisierten Ertrags-Aufwands-Rechnung ermittelt.783 Das matching principle verlangt, dass Erfolgsunsicherheiten in der Periode ihrer wirtschaftlichen Verursachung zu passivieren sind und nicht erst in der Periode, in der es zu einer tatsächlichen Vermögensminderung kommt.784 Aufwendungen sind der Periode zuzuordnen, in der die „aufwandsverursachenden Leistungen realisiert und die korrespondierenden Erträge in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst werden“785. Rückstellungen dienen daher der Antizipation von Aufwendungen für ungewisse Sachverhalte.786 Eine Herleitung der Rückstellungsbildung aus dem Vorsichtsprinzip ist nach IFRS grundsätzlich nicht möglich.787 Das Rahmenkonzept führt in R. 37 aus, dass Vorsicht ein gewisses Maß an Sorgfalt bei der Ermessensausübung bedeutet, damit Vermögenswerte und Schulden nicht zu hoch oder zu niedrig angesetzt werden. Das Vorsichtsprinzip stellt daher kein overriding 780 781
782 783 784 785 786 787
Vgl. Hayn/Pilhofer (1998a), S. 1729. Vom Regelungsbereich des IAS 37 sind bestimmte Sachverhalte ausgenommen, die jedoch für die zugrundeliegende Thematik irrelevant sind und daher im Weiteren nicht verfolgt werden. Näher zu den Ausnahmen siehe Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 103. Vgl. Hayn/Pilhofer (1998a), S. 1729. Vgl. Strobl (1994), S. 417; Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 103. Vgl. Daub (2000), S. 297; Hayn/Pilhofer (1998a), S. 1729. Vgl. Wollmert/Achleitner (1997b), S. 246. Vgl. Daub (2000), S. 325. So auch Hayn/Pilhofer (1998a), S. 1729.
195
principle dar, sondern ist vielmehr als bloßes Bewertungsprinzip zu verstehen. Eine normative Ansatzgrundlage für Rückstellungen kann daher aus dem Vorsichtsprinzip nicht hergeleitet werden.
6.1.3
Definitionen und Abgrenzungen
6.1.3.1
Grundlagen
Im IFRS-Normenwerk besteht kein expliziter Oberbegriff für die im Rahmenkonzept und in IAS 37 verwendeten Begriffe Schulden bzw. Eventualschulden.788 In der Definition einer Schuld nach R. 49b und IAS 37.10 sowie einer Eventualschuld nach IAS 37.10 wird als gemeinsame Voraussetzung die Existenz einer gegenwärtigen bzw. möglichen Verpflichtung gefordert, die auf vergangenen Ereignissen beruht. Insofern erscheint es sachgerecht, den Begriff der Verpflichtung als Oberbegriff zu verwenden. Eine Verpflichtung ist nach R. 60 eine Pflicht oder Verantwortung, in einer bestimmten Weise zu handeln oder eine Leistung zu erbringen. Allgemein stellt eine Schuld eine gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens aus Ereignissen der Vergangenheit dar, von deren Erfüllung erwartet wird, dass aus dem Unternehmen Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen abfließen (R. 49b). Diese Definition ist notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer Schuld, jedoch für den bilanziellen Ansatz nicht hinreichend. Für die Bilanzierungsfähigkeit und die damit einhergehende Bilanzierungspflicht einer Schuld muss zusätzlich zu diesen Kriterien der Erfüllungsbetrag verlässlich ermittelt werden können (R. 91). Ist die Bilanzierungspflicht gegeben, ist die Schuld als Rückstellung oder sonstige Schuld auszuweisen. Wesentliches Unterscheidungskriterium von Rückstellungen zu anderen Schulden ist der Grad der Unsicherheit des verpflichtenden Sachverhaltes.789 Bei sonstigen Schulden ist entweder ein sehr hoher Grad an Sicherheit oder gar vollkommene Sicherheit vorhanden. Eventualschulden weisen hingegen ein im Vergleich zu Rückstellungen noch höheres Maß an Unsicherheit auf.
788 789
Vgl. im Folgenden Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 104. Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2477.
196
6.1.3.2
Rückstellungen
Eine Rückstellung stellt eine spezielle Ausprägung einer bilanzierungspflichtigen Schuld mit dem charakteristischen Merkmal der Unsicherheit dar. Aufgrund dieser den Rückstellungen immanenten Ungewissheit ist es erforderlich, Objektivierungs- und Periodisierungskriterien heranzuziehen, anhand deren die wirtschaftliche Belastung eines Unternehmens hinreichend beurteilt werden kann. Nach IAS 37.14 besteht eine Pflicht zum Ansatz einer Rückstellung, wenn folgende Kriterien kumulativ erfüllt sind:790 •
Ein Unternehmen hat eine gegenwärtige rechtliche oder faktische Verpflichtung, die durch ein Ereignis der Vergangenheit verursacht worden ist, und
•
es ist wahrscheinlich, dass es zu einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen zur Erfüllung dieser Verpflichtung kommen wird, und
•
es ist eine zuverlässige Ermittlung der Verpflichtungshöhe möglich.
Unsicherheit kann folglich hinsichtlich Bestehen, Ressourcenabfluss, Höhe oder Fälligkeit bestehen. Da Umweltschutzverpflichtungen i. d. R. mit zumindest einem dieser Unsicherheitskriterien behaftet sind, kommt der Ausweis als Rückstellung grundsätzlich in Betracht. Die Passivierungskriterien legen den Bilanzierungszeitpunkt einer Rückstellung fest. Bei einer zu frühen Rückstellungsbildung wäre insbesondere die Zuverlässigkeit des Jahresabschlusses beeinträchtigt; bei einer zu späten Rückstellungsbildung wären sowohl die Aufwendungen als auch die Verpflichtungen des Unternehmens zu niedrig bemessen und somit die Informationsfunktion des Abschlusses gefährdet.791
6.1.3.3
Sonstige Schulden
Wie Rückstellungen müssen auch sonstige Schulden die allgemeinen Kriterien bilanzierungsfähiger Schulden erfüllen. Bestehen, Ressourcenabfluss, Höhe und Fälligkeit der sonstigen Schulden weisen jedoch im Unterschied zu Rückstellungen einen deutlich niedrigeren Grad an Unsicherheit auf;792 sie sind so gut wie sicher oder sogar vollkommen sicher. Beispiele für sonstige Schulden sind Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie abgegrenzte Schulden (IAS 37.11).
790 791 792
Siehe auch Herzig/Köster (1999), Rn. 65; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2478. So auch Pilhofer (1997), S. 91f. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 110.
197
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sind nach IAS 37.11a Schulden aus erhaltenen Gütern oder Dienstleistungen, die vom Lieferanten in Rechnung gestellt oder formal vereinbart (Lieferscheine, Bestellungen etc.) worden sind. Diese Verbindlichkeiten haben sich soweit konkretisiert, dass für den Faktor Unsicherheit (so gut wie) kein Raum mehr besteht. Hat ein Unternehmen beispielsweise Sanierungsmaßnahmen bereits durchführen lassen, die von einem Dritten formal in Rechnung gestellt worden sind, ist bilanziell keine Rückstellung, sondern eine Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen auszuweisen. Abgegrenzte Schulden sind nach IAS 37.11b Schulden aus erhaltenen Gütern oder Dienstleistungen, die weder vom Lieferanten in Rechnung gestellt noch formal vereinbart worden sind. Ein Leistungsaustausch hat zwar bereits stattgefunden, so dass das Bestehen einer Verpflichtung und ein zukünftiger Ressourcenabfluss (so gut wie) sicher sind, die Höhe und/oder Fälligkeit des Entgelts ist allerdings noch in einem gewissen Rahmen unsicher.793 Auch wenn zur Bestimmung der Höhe oder der Fälligkeit der abgegrenzten Schulden Schätzungen erforderlich sind, ist die Unsicherheit im Allgemeinen deutlich geringer als bei Rückstellungen.794 Sie sind daher nicht unter den Rückstellungen, sondern unter den sonstigen Schulden auszuweisen.795 Abgegrenzte Schulden für Umweltschutzverpflichtungen können z. B. auftreten, wenn der Betreiber einer Grundwasserpump- und -reinigungsanlage (Gemeinde) jährlich einem Unternehmen den ungefähr gleichbleibenden Betrag in Rechnung stellt, dieses die Rechnung allerdings noch nicht erhalten hat. In der deutschen Bilanzierungspraxis werden abgegrenzte Schulden fälschlicherweise zur Zeit entgegen IAS 37 noch mehrheitlich unter den Rückstellungen ausgewiesen.796
6.1.3.4
Eventualschulden
Eventualschulden797 sind dadurch gekennzeichnet, dass sie deutlich unsicherer sind als Rückstellungen. IAS 37.10 definiert eine Eventualschuld als •
793 794 795
eine mögliche Verpflichtung, die aus vergangenen Ereignissen resultiert und deren Existenz durch das Eintreten oder Nichteintreten eines oder mehrerer unsicherer künftiger Ereignisse, die nicht vollständig unter der Kontrolle des Unternehmens stehen, erst noch bestätigt wird (IAS 37.10a), oder
Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 110. Vgl. Pilhofer (1997), S. 65. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 27; Heuser/Theile (2005), Rz. 1254; Förschle/Kroner/ Heddäus (1999), S. 44. 796 So auch von Keitz (2003), S. 1806. 797 Auf Eventualschulden im Zusammenhang mit Unternehmenszusammenschlüssen nach IFRS 3 wird im Folgenden nicht eingegangen.
198 •
eine gegenwärtige Verpflichtung, die auf vergangenen Ereignissen beruht, jedoch nicht als Rückstellung erfasst wird, weil ein Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen zur Erfüllung dieser Verpflichtung unwahrscheinlich ist oder die Höhe der Verpflichtung nicht ausreichend zuverlässig geschätzt werden kann (IAS 37.10b).
Eventualschulden nach IAS 37.10a unterscheiden sich somit von Rückstellungen dadurch, dass noch keine gegenwärtige, sondern lediglich eine mögliche Verpflichtung vorliegt. Die Existenz einer derartigen Verpflichtung hängt nach IAS 37.12 noch von dem Eintreten eines oder mehrerer ungewisser zukünftiger Ereignisse ab, die nicht im Einflussbereich des Unternehmens liegen798 und deren Eintritt bzw. Nichteintritt die künftige finanzielle Situation des Unternehmens beeinflussen wird.799 Bei Eventualschulden nach IAS 37.10b liegt im Gegensatz zur ersten Alternative bereits eine gegenwärtige Verpflichtung und damit keine Unsicherheit dem Grunde nach vor. Gegenwärtige Verpflichtungen begründen nach IAS 37.13 allerdings lediglich Eventualschulden und somit keine Rückstellungen, wenn die weiteren Voraussetzungen der Rückstellungsbildung, die Wahrscheinlichkeit des Ressourcenabflusses und die zuverlässige Schätzbarkeit des Erfüllungsbetrages, nicht gegeben sind.800 Nach IAS 37.27 dürfen Eventualschulden nicht bilanziert werden. Sie sind jedoch grundsätzlich im Anhang anzugeben. Von einer Berichterstattung im Anhang ist nach IAS 37.28 lediglich abzusehen, wenn der zukünftige Ressourcenabfluss (gänzlich) unwahrscheinlich ist.801 Als Beispiel für eine Eventualschuld kann eine kurz vor dem Abschlussstichtag bekannt gewordene Altlast angeführt werden, deren Ausmaß zum Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses (noch) völlig unbekannt ist. Die Höhe der Sanierungsverpflichtung kann zum Abschlussstichtag nicht mit der gebotenen Zuverlässigkeit bestimmt werden. Eventualschulden, die nach einiger Zeit die Merkmale einer Rückstellung erfüllen, sind zum ersten Bilanzstichtag als Rückstellung auszuweisen, an dem die Kriterien erfüllt sind.802 Kann im Folgejahr die Höhe der Altlast also zuverlässig bestimmt werden, ist eine Rückstellung anzusetzen.
798 799 800 801 802
Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 44; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2477. Vgl. Pilhofer (1997), S. 115; Daub (2000), S. 304. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 113. Näher hierzu siehe Kap. 6.1.4.3 und 6.1.4.4. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 113 und Rz. 120ff. Vgl. Förschle/Holland/Kroner (2003), S. 122; Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 114.
199
6.1.3.5
Wahrscheinlichkeitsbegriff
Gemäß IAS 37.15 führt ein Ereignis der Vergangenheit zu einer gegenwärtigen Verpflichtung, wenn unter Berücksichtigung aller substanziellen Hinweise mehr Gründe für das Bestehen einer gegenwärtigen Verpflichtung zum Bilanzstichtag als dagegen sprechen. Damit ist eine Rückstellung durch Unsicherheit hinsichtlich des Bestehens einer gegenwärtigen Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis gekennzeichnet (IAS 37.23f.), auch wenn dies in den grundlegenden Definitionen so nicht ausgeführt wird. Nach IAS 37.23 wird ein Abfluss von Ressourcen ebenfalls als wahrscheinlich angesehen, wenn mehr dafür als dagegen spricht, d.h., die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt, ist größer als die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht eintritt. Für den Ansatz einer Rückstellung sind die wahrscheinliche Existenz einer gegenwärtigen Verpflichtung und deren wahrscheinlicher Abfluss von Ressourcen folglich notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzungen. Das Konzept der Wahrscheinlichkeit wird nach R. 85 verwendet, um auf den Grad der Unsicherheit hinzuweisen, mit dem der mit dem Sachverhalt verbundene künftige wirtschaftliche Nutzen aus dem Unternehmen abfließen wird. Ob eine Rückstellung mit Ergebnisauswirkungen bilanziell abzubilden ist, lediglich eine Anhangsangabe notwendig ist oder ggf. keine Berücksichtigung im Jahresabschluss erfolgt, ist somit abhängig vom Grad der Wahrscheinlichkeit eines Verpflichtungseintrittes.803 Die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Verpflichtung ist folglich notwendig, um eine adäquate Abbildung im Jahresabschluss zu gewährleisten. Dem Wahrscheinlichkeitskriterium kommt die Bedeutung eines Objektivierungskriteriums für die Rückstellungsbilanzierung zu. Die Objektivierung setzt voraus, dass sich die wirtschaftliche Belastung eines Unternehmens in inhaltlicher Hinsicht hinreichend konkretisiert haben muss, um eine Rückstellung zu bilden. Eine zu weit gehende bilanzielle Berücksichtigung von unsicheren Sachverhalten liefe dem Ziel der Verlässlichkeit von Abschlüssen zuwider.804 Trotz der Definition, dass mehr Gründe für als gegen das Bestehen oder den Ressourcenabfluss einer Verpflichtung bestehen müssen, um eine Rückstellung zu passivieren, enthält IAS 37 keine genauen Werte. Durch diese Unschärfe von IAS 37 ergibt sich das Problem der Grenzziehung zwischen passivierungspflichtigen und nicht passivierungsfähigen Sachverhalten, die für das Periodenergebnis und die Informationsfunktion des Abschlusses entscheidend ist.805 Eine inhaltliche Konkretisierung ist daher notwendig, zumal dem Wahrscheinlichkeits803 804 805
Vgl. Pilhofer (1997), S. 87; Moxter (1999a), S. 520. So auch Daub (2000), S. 301f. Vgl. Moxter (1999a), S. 521.
200
begriff international unterschiedliche Bedeutung zukommt.806 Eine Interpretation des Wahrscheinlichkeitsbegriffs in einer internationalen Rechnungslegung darf unter keinen Umständen anhand nationaler Bilanzierungspraktiken erfolgen.807 Ansonsten würde das Ziel der internationalen Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen verfehlt. Während z. B. im australischen Kulturkreis das Wahrscheinlichkeitskriterium ab einer Eintrittswahrscheinlichkeit über 50% bejaht wird,808 wird es in Kanada und den USA erst ab einer Eintrittswahrscheinlichkeit von über 70% angenommen.809 Daher ist der Wahrscheinlichkeitsbegriff aus dem IFRSNormensystem selbst zu interpretieren.810 Die Interpretation des Wahrscheinlichkeitsbegriffs hängt eng zusammen mit der Stellung des Vorsichtsprinzips.811 Wird dem Vorsichtsprinzip – wie nach HGB – eine hohe Bedeutung beigemessen, wird der Wahrscheinlichkeitsbegriff tendenziell recht weit ausgelegt; wird das Vorsichtsprinzip – wie nach IFRS – hingegen auf ein reines Bewertungsprinzip zurückgedrängt, wird der Wahrscheinlichkeitsbegriff tendenziell eher restriktiv gehandhabt. Steht die Informationsfunktion einer Rechnungslegung im Vordergrund, ist grundsätzlich dem true and fair view Vorrang vor dem Vorsichtsprinzip einzuräumen.812 Nach R. 50 muss eine Vermögensminderung hinreichend sicher sein, um dem Wahrscheinlichkeitskriterium nach R. 83a zu genügen. Zu fordern ist daher grundsätzlich eine sehr zurückhaltende Rückstellungsbildung zur Antizipation zukünftiger ungewisser Verpflichtungen. Nach IAS 37.15 müssen mehr Gründe für als gegen das Bestehen einer Verpflichtung existieren. Mathematisch betrachtet ergibt die Summe aus Wahrscheinlichkeit und Gegenwahrscheinlichkeit immer 100%.813 Wenn die geforderte Wahrscheinlichkeit größer als die Gegenwahrscheinlichkeit sein muss,814 liegt die geforderte Mindestwahrscheinlichkeit folglich bei mehr als 50%.815
806 807 808 809 810 811 812 813 814 815
Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2479; Daub (2000), S. 308. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 115. Vgl. Hayn/Pilhofer (1998a), S. 1731. Vgl. Schmidt/Roth (2004), S. 558; Herzig/Köster (1999), Rn. 68; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2479; Dangel/Hofstetter/Otto (2001), S. 102; Pilhofer (1997), S. 88. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 115. Vgl. im Folgenden Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 116. So auch Pilhofer (1997), S. 89. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 117. Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2479. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann (2003), S. 5; Herzig/Köster (1999) Rn. 68; Förschle/Holland/Kroner (2003), S. 120.
201
Durch diese Mindestwahrscheinlichkeit von 50% wird erreicht, dass Verpflichtungen aus potenziell gefährlichen Umweltschäden bilanziell abgebildet werden.816 Damit wird de facto der Wahrscheinlichkeitsbegriff von (50 plus X)% im IFRS-Normenwerk genauso ausgelegt, wie der BFH ihn für die handelsrechtliche Rechnungslegung interpretiert. Im Falle öffentlichrechtlicher Verpflichtungen sehen die IFRS allerdings im Gegensatz zur Rechtsprechung des BFH keine höheren Anforderungen an die inhaltliche Konkretisierung vor. Insofern ist bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen das Kriterium der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme nach HGB deutlich restriktiver als das korrespondierende Wahrscheinlichkeitskriterium nach IFRS. Die Ausführungen in IAS 37 zum Wahrscheinlichkeitsbegriff legen die Schlussfolgerung nahe, dass die Auslegung des Begriffs anhand mathematisch-statistischer Maßstäbe zu erfolgen hat.817 Wenn eine entsprechend große Grundgesamtheit gegeben ist, gilt das Gesetz der großen Zahl. Sind darüber hinaus die Verhältnisse innerhalb der Grundgesamtheit im Zeitverlauf unverändert geblieben, ist die Verwendung mathematisch-statistischer Wahrscheinlichkeiten sachgerecht.818 Bei Einzelsachverhalten, bei denen keine statistisch belastbaren Grundgesamtheiten vorliegen, ist aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise eher die Qualität – i. S. v. intersubjektiver Nachvollziehbarkeit – aller Gründe und Begründungen für einen bilanzierungsfähigen Sachverhalt maßgeblich. Vor allem bei Einzelsachverhalten, wie sie Umweltschutzverpflichtungen i. d. R. darstellen, wird daher an die Stelle einer statistisch begründbaren Wahrscheinlichkeit die Wahrscheinlichkeit des besseren Arguments treten.819 Ist die Existenz einer gegenwärtigen Verpflichtung oder ihr Ressourcenabfluss unwahrscheinlich, d.h., die Wahrscheinlichkeit ist kleiner oder gleich 50%, ist im Anhang eine Eventualschuld anzugeben, sofern ein Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen nicht „gänzlich unwahrscheinlich“ ist. Wie der Wahrscheinlichkeitsbegriff „gänzlich unwahrscheinlich“ zu verstehen ist, bleibt nach IAS 37 ebenfalls offen. Absolute oder relative Grenzwerte werden nicht genannt. Der Begriff „gänzlich unwahrscheinlich“ sollte daher grundsätzlich sehr restriktiv ausgelegt werden, um die Informationsfunktion des Anhangs nicht zu unterlaufen. In der Literatur wird für das Kriterium so gut wie sicher nach IAS 37.53
816 817 818 819
Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2479. So auch Lüdenbach/Hoffmann (2003), S. 6; Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 118. Vgl. Lüdenbach/Hoffmann (2003), S. 6. So auch Ruhnke/Schmidt (2003), S. 1047; Lüdenbach/Hoffmann (2003), S. 6f.
202
ein Anhaltewert von ca. 90% angenommen.820 Demzufolge müsste umgekehrt der Begriff „gänzlich unwahrscheinlich“ mit 10% oder weniger beziffert werden.821 Auch wenn das Wahrscheinlichkeitskriterium theoretisch konkretisiert werden kann, eröffnet es dem Bilanzierenden in praxi erhebliche Beurteilungsspielräume.822 Die Abschätzung, ob ernsthaft mit dem Entstehen einer Verpflichtung zu rechnen ist bzw. der Vermögensabfluss als wahrscheinlich oder unwahrscheinlich eingestuft wird, ist ggf. individuell gestaltbar.823
6.1.4
Rückstellungsansatz
Im Folgenden werden die Objektivierungs- und Periodisierungsanforderungen an Rückstellungen genauer untersucht. Ihnen kommt aufgrund der den Rückstellungen immanenten Unsicherheitsfaktoren eine entscheidende Bedeutung zu. Bei Vorliegen der Ansatzkriterien liegt eine Pflicht zur Rückstellungsbildung vor. Ein Passivierungswahlrecht ist nach IFRS ausgeschlossen.
6.1.4.1
Ereignis der Vergangenheit
Notwendige Voraussetzung einer Schuld im Allgemeinen und einer Rückstellung im Besonderen ist gem. R. 49b bzw. IAS 37.15f., dass ein Unternehmen eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis hat. Diese beiden Periodisierungskriterien sind eng durch eine Ursache-Wirkung-Beziehung (vergangenes Ereignis – gegenwärtige Verpflichtung) miteinander verbunden.824 Das zu einer gegenwärtigen Verpflichtung führende vergangene Ereignis muss aus vergangenen Geschäftsvorfällen oder anderen Ereignissen der Vergangenheit resultieren (R. 63).825 Insofern ähnelt der geforderte Vergangenheitsbezug dem handelsrechtlichen Prinzip der wirtschaftlichen Verursachung.826 Nach R. 83 und IAS 37.19 sind Rückstellungen nur für diejenigen aus Ereignissen der Vergangenheit resultierenden Verpflichtungen anzusetzen, die unabhängig von der künftigen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens bestehen. Eine in der Vergangenheit begründete Ver-
820 821 822 823 824 825 826
Vgl. Pilhofer (1997), S. 116. Ruhnke fordert sogar einen Anhaltewert von 95%. Vgl. Ruhnke (2005), S. 565. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 120. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 121. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 48. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 130. Vgl. Daub (2000), S. 326. Vgl. Lüdenbach (2001), S. 163.
203
pflichtung darf damit nicht durch künftiges Handeln des Unternehmens noch umgangen werden können.827 Die Entscheidung über die Erfüllung der Verpflichtung muss folglich dem Einfluss des Unternehmens entzogen sein (Unentziehbarkeit) (R. 61). Soweit daher ein Unternehmen z. B. aufgrund veränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen – wie aufgrund von Umweltauflagen – verpflichtet wird, in seine Produktionsverfahren zu investieren, besteht keine gegenwärtige Verpflichtung, da das Unternehmen diese Verpflichtung z. B. durch eine Änderung oder Aufgabe der Produktion vermeiden kann.828 Von den vergangenen Ereignissen abzugrenzen sind daher zukünftige Ereignisse. Verpflichtungen, die erst aus zukünftigen Ereignissen resultieren, begründen keine Schuld (IAS 37.18) und dürfen daher bilanziell nicht angesetzt werden.829 Eine kalendermäßige Bestimmung, für welchen Zeitraum der Vergangenheit eine Schuld begründet wird, existiert nicht.830 Da der Vergangenheitszeitraum nicht eingeschränkt ist, ist für das vergangene Ereignis grundsätzlich ein Geschäftsvorfall seit Unternehmensgründung bis zum Bilanzstichtag in Betracht zu ziehen.831 Das Kriterium des vergangenen Ereignisses wird in den IFRS nicht genauer definiert und ist daher nicht nur sehr unbestimmt, sondern auch manipulationsanfällig.832 Es bleibt häufig offen, in welchem Sachverhalt, Tatbestand oder in welcher Handlung es liegen soll. Mitunter ist es schwierig, das für die Verpflichtung relevante vergangene Ereignis zu bestimmen. Umgekehrt bestehen ggf. erhebliche Ermessensspielräume, künftige Aufwendungen Ereignissen der Vergangenheit betriebswirtschaftlich zuzuordnen. Beispiel eines vergangenen Ereignisses, das eine gegenwärtige Verpflichtung zur Folge hat, ist die Verursachung eines rechtswidrigen Umweltschadens, z. B. eine schädliche Bodenkontamination. Das Unternehmen kann sich der Beseitigung unrechtmäßiger Umweltschäden i. d. R. nicht entziehen. Die Beseitigung ist daher unabhängig von der künftigen Geschäftstätigkeit des Unternehmens (IAS 37.19).
827 828 829
Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 66. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 130. Eine Ausnahme bilden Entsorgungsverpflichtungen. Sie begründen Schulden, obwohl sie mit der künftigen Produktionstätigkeit verbunden sind. Näher hierzu siehe Kap. 7.3.3. 830 Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 131. 831 In Einzelfällen kommen auch Geschäftsvorfälle vor Unternehmensgründung in Betracht, wenn z. B. ein bereits kontaminiertes Grundstück in ein neu gegründetes Unternehmen eingebracht wird. 832 Vgl. Moxter (1999a), S. 521; Euler (2002), S. 878.
204
6.1.4.2
Gegenwärtige Verpflichtung
Voraussetzung einer gegenwärtigen Verpflichtung ist ein Ereignis der Vergangenheit, das spätestens bis zum Bilanzstichtag eine rechtliche oder faktische Verpflichtung schafft, aufgrund welcher das Unternehmen keine realistische Alternative hat, sich der Erfüllung der Verpflichtung zu entziehen (IAS 37.10). Ein verpflichtendes Ereignis als Passivierungsvoraussetzung liegt nach IAS 37.20 nur vor, wenn die zugrundeliegende Verpflichtung gegenüber einem einzelnen oder mehreren Dritten besteht.833 Folglich muss es sich um eine Außenverpflichtung handeln. Diese muss nicht rechtlich einklagbar sein; eine faktische Verpflichtung kann ebenso einen Rückstellungsansatz begründen. Unbeachtlich ist, wenn dem Schuldner die Identität des anspruchsberechtigten Gläubigers (noch) nicht bekannt ist.834 Insbesondere sind daher auch Verpflichtungen gegenüber der (gesamten) Öffentlichkeit, gerade im Zusammenhang mit Umweltschutzmaßnahmen, für die Passivierung einer Rückstellung ausreichend (IAS 37.20).835 Das IASB stellt auf die Unentziehbarkeit einer Verpflichtung ab.836 Das Kriterium der Unentziehbarkeit bedeutet, dass neben der Erfüllung der Verpflichtung keine realistischen Alternativen zur Begleichung bestehen dürfen, mittels deren ein Abfluss von Ressourcen an einen Dritten vermieden werden kann.837 Alternativen führen stets zum Passivierungsverbot (R. 61). Die Alternative der Unternehmensliquidation scheidet allerdings aus, sofern das Unternehmen nicht bereits in die Liquidationsphase eingetreten ist.838 Es stellt sich jedoch die Frage, wie die Grenze zwischen einer realistischen und einer unrealistischen Alternative zur Erfüllung einer Verpflichtung zu ziehen ist. Im Allgemeinen dürfte dies nur aufgrund von rein subjektiven Einschätzungen möglich sein.839 Beispiel: Ein Chemieunternehmen benötigt zur Produktion eine Kläranlage. Bestandteil dieser Kläranlage ist eine Schlammpresse, die aus technischen Gründen alle fünf Jahre ersetzt werden muss. Zum Bilanzstichtag war die Schlammpresse drei Jahre in Betrieb. Eine gesetzliche Vorschrift zum Austausch existiert nicht.840
833 834 835 836 837 838 839 840
Vgl. Förschle/Holland/Kroner (2003), S. 121; Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 47; Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 133. Vgl. Reinhart (1998), S. 2515; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2478; Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 133. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 1257. Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2478. So auch Hayn/Pilhofer (1998a), S. 1730ff. Ähnlich Moxter (1999a), S. 521f.; Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 132. Vgl. Euler/Engel-Ciric (2004), S. 151f. Beispiel in Anlehnung an IAS 37, Anhang C, Beispiel 11A.
205
Zum Bilanzstichtag liegt keine von der künftigen Betriebstätigkeit des Unternehmens unabhängige Verpflichtung zur Ersetzung der Schlammpresse vor. Das Unternehmen kann sich der Verpflichtung z. B. durch Verkauf oder Stilllegung der alten Kläranlage und Anschaffung einer neuen jederzeit noch entziehen. Es besteht folglich keine gegenwärtige Verpflichtung, mit der Folge, dass eine Rückstellung nicht angesetzt werden darf. Unter bestimmten Voraussetzungen von IAS 16 können die tatsächlich anfallenden Aufwendungen allerdings aktiviert und über die Laufzeit abgeschrieben werden.841 Beispiele für unentziehbare Verpflichtungen stellen neben Sanierungsverpflichtungen ebenso Rekultivierungs- oder Entfernungsverpflichtungen dar (IAS 37.19), da das verpflichtete Unternehmen keinen Ermessensspielraum zur Vermeidung einer Vermögensminderung hat. IAS 37.16 geht davon aus, dass es in nahezu allen Fällen eindeutig sein wird, ob am Bilanzstichtag eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem Ereignis der Vergangenheit vorliegt oder nicht. In unklaren Fällen sind alle substanziellen Hinweise für das Bestehen einer gegenwärtigen Verpflichtung zum Bilanzstichtag heranzuziehen (IAS 37.15). Diese substanziellen Hinweise umfassen alle zusätzlichen, durch Ereignisse nach dem Bilanzstichtag entstandenen Fakten, Meinungen und Beweisanzeichen. Dafür kann es zweckdienlich sein, den Rat von Sachverständigen, z. B. von Umweltgutachtern, hinzuzuziehen.
6.1.4.2.1 Die rechtliche Verpflichtung Rechtliche Verpflichtungen leiten sich gem. IAS 37.10 aus Verträgen und ihren Bedingungen, Gesetzen, Verordnungen oder anderen quasigesetzlichen Regelungen (z. B. Verwaltungsanweisungen) ab.842 Merkmal einer rechtlichen Verpflichtung ist ihre tatsächliche Durchsetzbarkeit (IAS 37.17; R. 60). Das Bestehen einer solchen Verpflichtung ist i. d. R. ohne Schwierigkeiten feststellbar.843 Eine gesetzliche Verpflichtung liegt nach IAS 37.22 auch bei noch nicht endgültigen Gesetzentwürfen vor, wenn die Verabschiedung des Gesetzentwurfes so gut wie sicher feststeht. Für die Rückstellungsbildung wird in diesem Fall die rechtliche Verpflichtung bereits fingiert.844 Das IASB differenziert nicht, ob rechtliche Verpflichtungen auf privat- oder öffentlichrechtlichen Anspruchsgrundlagen beruhen. Demzufolge sind an Verpflichtungen unterschied841 842 843 844
Näher hierzu siehe Kap. 6.2.3.2. Vgl. im Folgenden Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 134. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 45. Näher hierzu siehe Kap. 6.1.5.3.
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licher rechtlicher Herkunft dieselben Anforderungen zu stellen. Höhere bzw. restriktivere Anforderungen an öffentlich-rechtliche Verpflichtungen würden der Konzeption der IFRS und der Information als Zielsetzung des Normenwerkes zuwiderlaufen.
6.1.4.2.2 Die faktische Verpflichtung Zur Beurteilung, ob ein Sachverhalt die Definition einer Schuld erfüllt, ist nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gem. R. 51 der tatsächliche wirtschaftliche Gehalt und nicht seine rechtliche Gestaltung zu berücksichtigen. Aus diesem Grund ist hinsichtlich des Vorliegens einer Schuld die rechtliche Durchsetzbarkeit keine notwendige Passivierungsvoraussetzung, es reicht für die Passivierungspflicht das Vorliegen einer faktischen Verpflichtung. Ein Unternehmen hat daher unabhängig von etwaigen gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen zu prüfen, welche Konsequenzen die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Geschäftsvorfalls haben können (R. 51). Faktische Verpflichtungen werden in IAS 37.10 definiert als aus den Aktivitäten eines Unternehmens entstehende Verpflichtungen ohne Rechtsgrund, zu deren Erfüllung sich das Unternehmen durch sein bisher übliches Geschäftsgebaren, öffentlich angekündigte Maßnahmen oder eine ausreichend spezifische, aktuelle Aussage Dritten gegenüber geäußert hat, wodurch es bei ihnen eine gerechtfertigte Erwartung geweckt hat, diesen Verpflichtungen nachzukommen.845 Da die Erfüllung rechtlich nicht durchgesetzt werden kann, ersetzen diese Tatbestandsmerkmale das Kriterium der Unentziehbarkeit in gewisser Hinsicht.846 Das Unternehmen befürchtet wesentliche nachteilige Entwicklungen, sollte es die Verpflichtung nicht erfüllen (IAS 37.17). Die Notwendigkeit zur Erfüllung einer faktischen Verpflichtung ergibt sich z. B. aus dem Wunsch, gute Geschäftsbeziehungen bzw. Beziehungen zu Umweltbehörden zu pflegen, aus Reputationsgründen oder aufgrund von Handelsbräuchen und Usancen (R. 60). Die Verpflichtung kann auf ethisch-moralischen oder geschäftlichen Erwägungen beruhen.847 Auch freiwillige Selbstverpflichtungen können faktische Verpflichtungen darstellen.848 Faktische Verpflichtungen sind somit nicht einklagbare Leistungspflichten, denen sich das Unternehmen aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht entziehen kann.849
845 846 847 848 849
Die Kriterien zur Bestimmung einer faktischen Verpflichtung nach IFRS und HGB sind sehr ähnlich. Näher zu den faktischen Verpflichtungen nach HGB siehe auch 4.1.3.4. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 1259; Euler/Engel-Ciric sehen bei faktischen Verpflichtungen dagegen einen Widerspruch zum Kriterium der Unentziehbarkeit. Vgl. Euler/Engel-Ciric (2004), S. 151. Vgl. Pilhofer (1997), S. 87. Dies ergibt sich aus IAS 37, Anhang C, Beispiel 4. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 136.
207
Äußerungen gegenüber Dritten liegen schon dann vor, wenn das Unternehmen unzweifelhaft ein entsprechendes und in der Öffentlichkeit bekanntes Image hat, seinen faktischen Verpflichtungen nachzukommen.850 Das Unternehmen muss aufgrund seiner in der Vergangenheit gefestigten Praxis oder Unternehmenspolitik erkennen lassen, dass es Verantwortlichkeiten übernommen hat.851 Eine faktische Verpflichtung ist z. B. bei einem verursachten Umweltschaden gegeben, wenn sich das Unternehmen ohne gesetzliche Verpflichtung aufgrund einer bestehenden veröffentlichten Umweltleitlinie zur Beseitigung des Schadens verpflichtet und bereits mehrfach bewiesen hat, dass es diese veröffentlichte Politik auch einhält.852 Bei Nichterfüllung droht dem Unternehmen daher die Gefahr, sich massivem öffentlichen Druck auszusetzen und erhebliche wirtschaftliche Einbußen in Kauf nehmen zu müssen,853 wie z. B. internationale öffentliche Proteste und Boykotte infolge der ursprünglich geplanten Entsorgung der Brent Spar auf See seitens der Shell AG 1995. Mitunter können aufgrund desselben Sachverhaltes rechtliche sowie faktische Verpflichtungen entstehen. In diesem Fall sind unter den Voraussetzungen der weiteren Ansatzkriterien Rückstellungen in der Höhe zu bilden, die den gesamten Umfang bilanziell abdecken. Regelmäßig ist daher die dem Betrag nach höhere der beiden Verpflichtungen heranzuziehen. Aus IAS 37.10 und R. 60ff. ergeben sich keine konkreten Maßstäbe, anhand deren genau beurteilt werden kann, ab wann ein faktischer Leistungszwang so stark ist, dass sich das Unternehmen ihm nicht (mehr) entziehen kann. So wird der Protest eines einzelnen Umweltschützers wohl kaum einen Zwang begründen, während z. B. Greenpeace als Organisation grundsätzlich hierzu in der Lage wäre. Nach dem HGB ist diese Frage unter objektiven Gesichtspunkten aus der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns zu beurteilen und zu entscheiden.854 Dieser Maßstab sollte auch nach IAS 1.22 herangezogen werden.
850 851 852 853
Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 1259. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 45. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 45; siehe auch IAS 37, Anhang C, Beispiel 2B. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 45; Förschle/Holland/Kroner (2003), S. 120; Adler/Düring/ Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 24; Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 136. 854 Vgl. Ellrott/Ring (2003), § 247 HGB Rz. 204.
208
Das Bestehen einer faktischen Verpflichtung erweist sich dennoch als weitaus problematischer als das Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung, da oftmals in einer gewissen Bandbreite Interpretationsspielräume bestehen.855
6.1.4.2.3 Die Innenverpflichtung Besteht zum Bilanzstichtag weder eine rechtliche noch eine faktische Verpflichtung, ist der Verpflichtungstatbestand als zwingende Ansatzvoraussetzung einer Rückstellung nicht gegeben.856 Da gem. R. 60 und IAS 37.20 das Vorhandensein eines Dritten erforderlich ist (Außenverpflichtung), kommt der Ansatz einer Innenverpflichtung als Aufwandsrückstellung, wie sie das deutsche Handelsrecht vornehmlich in § 249 Abs. 2 HGB zulässt, nicht in Betracht.857 Durch das erforderliche Vorhandensein eines Dritten setzen die IFRS lediglich die statische Bilanzauffassung hinsichtlich des Ansatzes von Rückstellungen um.858 Das Kriterium der Außenverpflichtung dient dabei der Objektivierung.859 Eine Wahlrückstellung findet m. E. keinen Eingang in die Rechnungslegung, um die Grundsätze der Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit nicht zu unterlaufen. Vordergründig könnte die Bildung von Aufwandsrückstellungen im IFRS-Normenwerk durchaus mit dem matching principle begründet werden, das Aufwendungen den ihnen zugehörigen erwirtschafteten Erträgen zuordnet. Zweifelsfrei erfordert die Bildung von Aufwandsrückstellungen, dass Aufwendungen entstehen, denen regelmäßig schon erwirtschaftete Erträge gegenüberstehen. Das matching principle greift nach IAS 1.20 jedoch erst, wenn der Ansatz von Bilanzposten gerechtfertigt ist, die ihrerseits die Definition eines Vermögenswertes bzw. einer Schuld erfüllen. Unternehmen dürfen nach den Grundsätzen der IFRS-Bilanzierung für verursachte Umweltschäden keine Rückstellung ansetzen, wenn keine Außenverpflichtung zur Beseitigung be855 856 857
Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 45. Vgl. Niehus (2001b), S. 744; Pilhofer (1997), S. 130. Vgl. Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 116f.; Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 47; Herzig/Köster (1999), Rn. 67; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2478. Es wird teilweise die Auffassung vertreten, dass entgegen diesem Grundsatz IAS 37 eingeschränkt Aufwandsrückstellungen für Restrukturierungsmaßnahmen zulässt. Vgl. Daub (2000), S. 307; Happe (2002b), S. 365. Hierbei wird jedoch verkannt, dass bei Erfüllung der an Restrukturierungsrückstellungen gestellten Anforderungen gegenüber den Betroffenen eine Außenverpflichtung in Form einer faktischen Verpflichtung bestehen muss. 858 Vgl. Reinhart (1998), S. 2515. 859 Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 47.
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steht.860 Beabsichtigt das Unternehmen dennoch, den Umweltschaden aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus zu beseitigen, dürfen die entstehenden Ausgaben nicht über eine Rückstellung antizipiert werden. Selbst wenn das Unternehmen ohne Behebung des Schadens seine Produktion nicht ungehindert fortsetzen kann, ist für den Schaden an sich bilanziell keine Rückstellung auszuweisen. Aufwand wird hier erst in der Periode des Ausgabenanfalls erfolgswirksam. Das Unternehmen steht auch ohne Außenverpflichtung dem Sachverhalt des Umweltschadens gegenüber. Es würde dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise widersprechen, wenn es diesen Sachverhalt bilanziell ignoriert. Um die Informationsbedürfnisse des Anlegers nicht zu unterlaufen, sollten für Innenverpflichtungen ebenfalls Anhangsangaben erforderlich werden. Darüber hinaus ist eine bilanzielle Erfassung von Innenverpflichtungen zu fordern, wobei eine Rückstellungsbildung nur unter bestimmten, sehr restriktiven Voraussetzungen ähnlich § 249 Abs. 2 HGB zulässig sei sollte, um den Grundsatz der Willkürfreiheit nicht zu gefährden. Es ist de lege ferenda von der Notwendigkeit einer Drittverpflichtung Abstand zu nehmen.
6.1.4.2.4 Zukünftige Verpflichtungen und Verluste Nach IAS 37 sind ausschließlich Verpflichtungen anzusetzen, die schon entstanden sind. Folglich sind zukünftige von gegenwärtigen Verpflichtungen abzugrenzen. Eine Passivierung künftiger Verpflichtungen würde gegen das matching principle verstoßen, nach dem entstandene Aufwendungen sachlich und zeitlich den zugehörigen realisierten Erträgen zugeordnet werden.861 Aufwendungen, die erforderlich sind, um künftige Erträge zu erzielen, sind daher nach IFRS nicht als Rückstellung passivierungsfähig.862 Rückstellungsfähig nach IFRS sind damit nur Verpflichtungen, die nicht mehr durch die künftige Geschäftstätigkeit beeinflusst werden können. Dies schließt auch zukünftige Ausgaben mit ein, die zwingend erforderlich sind, um das Unternehmen in einer bestimmten Weise fortzuführen, wenn diese Ausgaben durch künftige Handlungen vermieden werden können. Die Entscheidung des Unternehmens, aufgrund von öffentlichem Druck oder gesetzlichen Anforderungen in der Zukunft bestimmte Vermögenswerte (z. B. Kläranlagen) herzustellen oder zu erwerben, führt grundsätzlich nicht zu einer gegenwärtigen Verpflichtung (R. 61), da sich das Unternehmen diesen Verpflichtungen noch entziehen kann. Die Ausgaben können 860 861 862
So auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 37. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 138. Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 67; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2478.
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durch künftige Aktivitäten vermieden werden. Selbst wenn dieser Entscheidung eine rechtliche Verpflichtung folgt, kommt ein Rückstellungsansatz nur dann in Betracht, wenn es sich um einen belastenden Vertrag und somit eine Drohverlustrückstellung handelt.863 Auch künftige betriebliche Verluste, die nicht auf einem belastenden Vertrag beruhen, entsprechen nicht der Definition einer Schuld und sind nicht rückstellungsfähig (IAS 37.63). Sie sind jedoch als Anzeichen einer möglichen Wertminderung (IAS 36) bestimmter Vermögenswerte des Unternehmensbereichs zu werten.
6.1.4.3
Wahrscheinlicher Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen
Damit ein Sachverhalt die Ansatzvoraussetzungen einer Rückstellung erfüllt, muss nicht nur eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis, sondern auch ein wahrscheinlicher Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen im Zusammenhang mit der Verpflichtungserfüllung bestehen (IAS 37.23f.; R. 83a; R. 91). Grundsätzlich erfolgt die Erfüllung einer Verpflichtung durch Zahlung flüssiger Mittel, Übertragung anderer Vermögenswerte, Erbringung von Dienstleistungen, Ersatz der bestehenden Verpflichtung durch eine andere Verpflichtung oder Umwandlung der Verpflichtung in Eigenkapital (R. 62). Für einen Ressourcenabfluss kommt es darauf an, dass der Gläubiger mit ausreichender Wahrscheinlichkeit von dem Anspruch Kenntnis gewinnen kann und diesen auch einfordern wird.864 Nicht erforderlich ist hingegen, dass er den Anspruch bereits kennt und ggf. geltend gemacht hat. Es reicht aus, wenn der Gläubiger die Möglichkeit der Kenntniserlangung hat und seinen Anspruch mit ausreichender Wahrscheinlichkeit durchsetzen wird. Eine Rückstellung kann somit auch durch Unsicherheit über den zukünftigen Ressourcenabfluss gekennzeichnet sein. Zur Wahrscheinlichkeit des Abflusses wirtschaftlicher Ressourcen diene folgendes Beispiel: Beispiel: Im Jahr 2004 erklärt ein Mutterunternehmen, für die finanziellen Konsequenzen aus einem Umweltschaden eines Tochterunternehmens (z. B. Bodenkontamination) aufzukommen, falls dieses aufgrund seiner Finanzlage nicht in der Lage sein sollte, den Schaden selbst zu tragen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Finanzlage des Tochterunternehmens stabil, so dass das Mutterunternehmen voraussichtlich 863 864
Auf Drohverlustrückstellungen wird im Folgenden nicht eingegangen. Vgl. Reinhart (1998), S. 2515; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2478. Näher zur Wahrscheinlichkeit siehe Kap. 6.1.3.5.
211
aus der Verpflichtungserklärung nicht in Anspruch genommen wird. Im Jahre 2005 verschlechtert sich die Finanzlage des Tochterunternehmens so, dass das Mutterunternehmen voraussichtlich die Aufwendungen für den entstandenen Schaden tragen muss. Das verpflichtende Ereignis ist die Abgabe der Patronatserklärung. Zum 31. Dezember 2004 (Ende des Wirtschaftsjahres) jedoch ist ein Abfluss von wirtschaftlichen Ressourcen beim Mutterunternehmen nicht wahrscheinlich. Eine Rückstellung ist zu diesem Bilanzstichtag daher beim Mutterunternehmen nicht anzusetzen. Zum 31. Dezember 2005 ist dagegen der Abfluss von wirtschaftlichen Ressourcen wahrscheinlich geworden. Eine Rückstellung beim Mutterunternehmen ist in Höhe der bestmöglichen Schätzung zu bilden.
6.1.4.4
Zuverlässige Schätzbarkeit der Verpflichtung
Zwingende Ansatzvoraussetzung einer Rückstellung ist nach IAS 37.14 i. V. m. IAS 37.25f. eine zuverlässige Schätzbarkeit der Verpflichtungshöhe. Anders als nach deutschem Handelsrecht stellt die Schätzbarkeit der Verpflichtungshöhe ein Ansatz- und kein Bewertungskriterium dar.865 Die zuverlässige Schätzbarkeit sowie die eigentliche Bewertung einer Rückstellung sind jedoch eng miteinander verbunden, so dass eine strikte Trennung von Ansatz- und Bewertungsgrundlagen nur schwer möglich ist. Die Schätzbarkeit der Verpflichtungshöhe wurde m. E. als Ansatzvoraussetzung in IAS 37 implementiert, um dem Grundsatz der Willkürfreiheit gerecht zu werden. Nach dem Rahmenkonzept (R. 83a; R. 86) ist für die Rückstellungsbildung insbesondere das Kriterium der Quantifizierbarkeit der künftigen wirtschaftlichen Belastung erforderlich.866 Dabei steht die Verwendung von Schätzungen nicht im Gegensatz zum Grundsatz der Verlässlichkeit von Abschlüssen, wenn der Erfüllungsbetrag quantifizierbar ist und zuverlässig ermittelt werden kann (R. 91). Die Verwendung von Schätzungen ist nach IAS 37.25 und R. 86 vielmehr ein wesentlicher Bestandteil bei der Aufstellung von Abschlüssen.867 In der Regel ist ein Unternehmen in der Lage, zumindest eine Bandbreite möglicher Werte zu bestimmen und daher auch eine Schätzung der Verpflichtung vorzunehmen. Die Bestimmung einer Bandbreite möglicher Werte reicht für den Umfang der erwarteten Verpflichtung hinsichtlich des Kriteriums der zuverlässigen Schätzbarkeit bereits aus.868 Somit können auch Schätzungen zu verlässlichen Beurteilungen führen.869 Dies gilt insbesondere im Falle von 865 866 867 868 869
Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 141. Vgl. Daub (2000), S. 327. Vgl. Moxter (1999a), S. 520. Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 69. Vgl. Moxter (1999a), S. 520.
212
Rückstellungen, die naturgemäß in höherem Maße unsicher sind als die meisten anderen Bilanzposten. Auch eine Umweltschutzverpflichtung ist nur dann bilanziell auszuweisen, wenn neben den weiteren Ansatzvoraussetzungen eine verlässliche Schätzung der Aufwendungen für die Erfüllung der Verpflichtung möglich ist.870 Mitunter sind Umweltschutzverpflichtungen nicht immer zuverlässig schätzbar, insbesondere dann nicht, wenn sich eine vernünftige Schätzung z. B. aufgrund (teilweiser) Unkenntnis des gesamten Umweltschadens als sehr schwierig oder sogar unmöglich erweist.871 Ungewissheiten können sich aus dem Einsatz bestimmter Sanierungstechniken, deren Entwicklung sowie aus Umfang und Art der erforderlichen Sanierungsarbeiten ergeben.872 Für diejenigen Ausnahmefälle, für die eine Verpflichtungshöhe nicht zuverlässig bestimmt werden kann, ist nach IAS 37.26 keine Rückstellung zu passivieren.873 Derartige Verpflichtungen sind gem. R. 86 und IAS 37.26 grundsätzlich im Anhang als Eventualschulden offen zu legen.874 Es sind die Gründe anzugeben, warum keine verlässliche Schätzung vorgenommen werden konnte.875 Die Angabepflicht entfällt, wenn der Sachverhalt (gänzlich) unwahrscheinlich ist.876 Im handelsrechtlichen Jahresabschluss wird das Schätzproblem erst bei der Bewertung von Rückstellungen angegangen. Der Ansatz von nicht zuverlässig schätzbaren Umweltschutzverpflichtungen steht hier überhaupt nicht zur Diskussion. Im IFRS-Normenwerk werden dagegen Umweltschutzverpflichtungen, für die eine zuverlässige Schätzung des Erfüllungsbetrages nicht möglich ist, aus dem Rückstellungsbereich herausdefiniert. Durch das Kriterium der Schätzbarkeit schränken daher die IFRS im Vergleich zum deutschen Handelsrecht den Rahmen der Rückstellungsbildung ein.877
870 871 872 873 874 875 876 877
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 39. Vgl. Pilhofer (1997), S. 90. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 37. Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2479; Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 142. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 48; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2479; Daub (2000), S. 300. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 39. Näher hierzu siehe Kap. 6.1.3.5. Vgl. Reinhart (1998), S. 2515.
213
6.1.4.5
Zusammenfassung und kritische Würdigung
Die Entscheidungsschritte zur Beurteilung, ob eine Verpflichtung als Rückstellung bilanziert, als Eventualschuld offen gelegt oder überhaupt nicht erfasst wird, zeigt das folgende Schema:878 Gegenwärtige Verpflichtung aus vergangenem Ereignis?
Nein
Ja
Ressourcenabfluss wahrscheinlich?
Nein
Ja Nein
Ja
Verpflichtung verlässlich schätzbar?
Verpflichtung möglich?
unwahrscheinlich?
Ja
Nein Nein
Ja
Passivierungspflicht
Abbildung 2:
Eventualschuld
keine Berücksichtigung
Entscheidungsbaum zur Passivierung einer Rückstellung
Die einzelnen Passivierungskriterien stellen lediglich unbestimmte Rechtsbegriffe dar, die an keiner Stelle des IFRS-Normenwerkes genauer definiert werden. Es kommt zu Scheingenauigkeiten, da die Kriterien eine genaue Auslegung lediglich vortäuschen. Insbesondere die Voraussetzungen des vergangenen Ereignisses, der Unentziehbarkeit sowie der Wahrscheinlichkeitsschätzung eröffnen für den Bilanzierenden mitunter hohe Ermessensspielräume. Positiv ausgedrückt erfordern die unbestimmten Begriffe ihre inhaltliche Konkretisierung durch den jeweils Bilanzierenden. Sind Bilanzierungsregeln und -grundsätze nicht eindeutig vorgegeben oder unscharf formuliert, ist das Management eines Unternehmens gem. IAS 1.22
878
In Anlehnung an IAS 37, Anhang B (Entscheidungsbaum); siehe auch Ernsting/von Keitz (1998), S. 2484; Reinhart (1998), S. 2516.
214
zum sogenannten professional judgement aufgefordert.879 Diese Einschätzungen entsprechen grundsätzlich den Gepflogenheiten eines ehrenwerten Kaufmannes nach HGB. Die Unbestimmtheit der IFRS ist im Vergleich zur Unbestimmtheit des HGB aber sehr viel problematischer, da die IFRS-Normen ihre inhaltlichen Auslegungen und Konkretisierungen nicht über Instanzen außerhalb des Rechnungslegungswerkes einschließlich der IFRIC (BFH, IDW-Standards, Bilanzierungspraktiken etc.) erfahren, die zunehmend das Kriterium der Gepflogenheiten eines ehrenwerten Kaufmannes durch konkrete Anhaltspunkte ersetzen. Aussagekräftige und vergleichbare Informationen, wie sie das IASB in seiner Zielsetzung fordert, können aufgrund dieser Unbestimmtheit daher nur eingeschränkt gewonnen werden. Die EU-Kommission hat sich in ihrer Empfehlung zur Berücksichtigung von Umweltaspekten im Jahresabschluss und Lagebericht weitestgehend an den Passivierungskriterien des IAS 37 orientiert. Damit unterliegen die von der Kommission aufgestellten Grundsätze ebenfalls der „Scheinobjektivierung“880.
6.1.5
Rückstellungsbewertung
Die Bewertung bezeichnet das Verfahren zur Bestimmung der Geldbeträge, mit denen Abschlussposten zu erfassen und in der Bilanz bzw. in der GuV anzusetzen sind (R. 99). Es ist die Existenz einer bestimmten Bewertungsgrundlage notwendig, die für Rückstellungen IAS 37.36ff. darstellt. Die Rückstellungsbewertung nach IFRS wirft eine Fülle schwieriger Fragen auf.881 Im Folgenden werden neben dem Bewertungsgrundsatz der bestmöglichen Schätzung Einflussfaktoren auf die Bewertung von Rückstellungen sowie einzelne Problembereiche genauer untersucht.
6.1.5.1
Bestmögliche Schätzung
Der als Rückstellung anzusetzende Betrag stellt die bestmögliche Schätzung der Ausgabe dar, die zur Erfüllung einer gegenwärtigen Verpflichtung zum Bilanzstichtag erforderlich ist (IAS 37.36). Er entspricht nach IAS 37.37 dem Betrag, den das Unternehmen bei vernünftiger Betrachtung zur Verpflichtungserfüllung respektive zur Übertragung dieser Verpflichtung auf 879 880 881
Vgl. Preißler (2002), S. 2391ff. Berndt (2001), S. 1731. Vgl. Moxter (1999a), S. 522.
215
einen unabhängigen Dritten zum Bilanzstichtag zahlen müsste.882 So sind beispielsweise Rückstellungen für Altlasten nach Maßgabe einer bestmöglichen Schätzung der erwarteten Sanierungsausgaben zu bewerten.883 Die Schätzung der finanziellen Auswirkungen aus der Begleichung respektive Übertragung der Verpflichtung obliegt dem Management.884 Hilfreich für die Ermittlung des Rückstellungsbetrages können Erfahrungswerte aus ähnlichen Geschäftsvorfällen, Einschätzungen von Experten oder unabhängige Sachverständigengutachten sein. Die zugrundeliegenden substanziellen Hinweise, die das Management zu beachten hat, umfassen dabei alle zusätzlichen, durch Entwicklungen nach dem Bilanzstichtag entstandenen werterhellenden Tatsachen, Ereignisse und Informationen (IAS 37.38). Basiert die Verpflichtung nicht auf einem schuldrechtlichen Austauschverhältnis, sondern auf einem öffentlich-rechtlichen Sachverhalt, ist der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr voraussichtlich aufzuwendende Betrag anzusetzen (R. 100a). Die Rückstellungshöhe sollte folglich den Verpflichtungsumfang repräsentieren, der am Bilanzstichtag tatsächlich besteht. Daher sind Rückstellungen zu jedem Bilanzstichtag zu prüfen und ggf. anzupassen (IAS 37.59). Die Bewertung der Rückstellungen hat vor Steuern zu erfolgen (IAS 37.41).885
6.1.5.1.1 Große Anzahl ähnlicher Geschäftsvorfälle Liegt eine große Anzahl ähnlicher Geschäftsvorfälle und den möglichen Erfüllungsbeträgen eine Wahrscheinlichkeitsverteilung zugrunde, ist nach IAS 37.39 die Erwartungswertmethode anzuwenden.886 Der gesamte Verpflichtungsumfang wird aus der Gewichtung aller möglichen Verpflichtungseinzelbeträge mit den korrespondierenden Eintrittswahrscheinlichkeiten abgeleitet. Aufgrund des Gesetzes der großen Zahl ist es in diesen Fällen hinreichend sicher, dass der zukünftige Ressourcenabfluss zur Erfüllung der Verpflichtung durch den Erwartungswert zuverlässig repräsentiert wird. Eine direkte Marktpreisbewertung kommt nicht in Betracht.887
882 883 884 885 886 887
Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 48; Herzig/Köster (1999), Rn. 72; Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 150. Vgl. Schmidt/Roth (2004), S. 558. Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2480; Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 48. Steuerliche Auswirkungen (latente Steuern) aus der Passivierung von Rückstellungen sind gem. IAS 12 zu behandeln. Hierauf wird im weiteren Verlauf der Arbeit nicht eingegangen. Vgl. im Folgenden Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 152. Vgl. Hayn/Pilhofer (1998b), S. 1766.
216
Umweltschutzverpflichtungen begründen grundsätzlich nicht die Voraussetzung der großen Anzahl ähnlicher Verpflichtungen. Auch bei Großunternehmen, bei denen verschiedene Umweltschäden eintreten, liegt i. d. R. keine große Anzahl ähnlicher Geschäftsvorfälle vor, da diese nach Art und Umfang erfahrungsgemäß sehr unterschiedlich sind.
6.1.5.1.2 Einzelne Verpflichtung Umweltschutzverpflichtungen sind regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass sie aus einzelnen Ereignissen resultieren. Im Folgenden wird die Bewertung einer Einzelverpflichtung, für die eine Wahrscheinlichkeitsverteilung nicht existiert, genauer untersucht. Bei einzelnen Geschäftsvorfällen sieht IAS 37.40 grundsätzlich die Bewertung der Verpflichtung auf der Grundlage des wahrscheinlichsten Ereignisses vor.888 Die Berücksichtigung des wahrscheinlichsten Ereignisses impliziert, dass das bilanzierende Unternehmen eine Schätzung mehrerer möglicher Ereignisse, z. B. in Form einer Bandbreitenschätzung, vornehmen kann. Aufgrund der im Vergleich zu einer großen Anzahl von Geschäftsvorfällen deutlich höheren Unsicherheit hinsichtlich des wahrscheinlichsten Verpflichtungsumfangs wird dieser Grundsatz jedoch durchbrochen, indem nach IAS 37.40 auch die anderen möglichen Ereignisse nicht zu vernachlässigen sind. Bestehen größtenteils höhere oder größtenteils niedrigere Erfüllungsbeträge als der Betrag mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, ist eine Betrachtung der gesamten Bandbreite möglicher Ereignisse erforderlich. In diesem Fall ist auf den Wert mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit ein letztendlich subjektiver Zu- oder Abschlag vorzunehmen. Im Rahmen der Ermessensausübung ist hinsichtlich der oberen und unteren Grenzwerte der Bandbreite R. 37 zu beachten. Verpflichtungen dürfen einerseits unter Beachtung des Vorsichtsprinzips nicht unterbewertet werden, andererseits ist die Bildung stiller Reserven durch eine überhöhte Rückstellungsbildung verboten. Offen bleibt, was genau unter größtenteils höheren oder größtenteils niedrigeren Erfüllungsbeträgen zu verstehen ist. IAS 37 gibt keine nähere Erläuterung dazu, ob sich der Begriff „größtenteils“ auf die Wahrscheinlichkeiten, Erfüllungsbeträge oder eine etwaige Gewichtung aus beiden Faktoren bezieht. Insbesondere ist fraglich, ob sich die inhaltliche Interpretation des Begriffs „größtenteils“ auf die Gesamtwahrscheinlichkeit erstreckt oder Bezug zu nehmen ist auf das Ereignis mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit. Da zudem die Höhe des Zu888
Vgl. im Folgenden Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 153.
217
oder Abschlags nicht geregelt ist, verbleibt dem Bilanzierenden ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum.889 Die Vornahme von Zu- und Abschlägen ist m. E. nur in den Fällen mit dem Grundprinzip – Ansatz des wahrscheinlichsten Wertes – vereinbar, wenn bei mehreren möglichen Erfüllungsbeträgen keiner dieser Beträge eine Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 50% aufweist. Ist bei einem Erfüllungsbetrag eine Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 50% gegeben, stellt dieser Wert per definitionem die bestmögliche Schätzung dar. Hieraus folgt, dass bei einem wahrscheinlichsten Wert, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit kleiner oder gleich 50% ist, ein Zuschlag erforderlich werden kann, der so zu bemessen ist, dass ein Wert erreicht wird, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit kumuliert mehr als 50% beträgt.890 Falls der wahrscheinlichste Wert nicht den untersten Wert darstellt, sondern auch geringere Werte mit niedrigeren Eintrittswahrscheinlichkeiten abdeckt, kann der Ansatz des wahrscheinlichsten Werts ausreichend sein, wenn über diesen Ansatz bereits ein Wert erfasst wird, dessen kumulierte Eintrittswahrscheinlichkeit mehr als 50% beträgt. In diesem Fall kann auch ein Abschlag auf den wahrscheinlichsten Wert in Betracht kommen. Beispiel: Ein Unternehmen schätzt die Höhe einer Sanierungsverpflichtung wie folgt ein: 5 Mio. € mit 40%, 7 Mio. € mit 35% und 10 Mio. € mit 25%. Der wahrscheinlichste Wert ist 5 Mio. €. Dieser Wert hat eine Eintrittswahrscheinlichkeit von kleiner 50%. Der nächsthöhere Wert beträgt 7 Mio. €. Ein Wert mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von mindestens 50% wird zwischen 5 Mio. € und 7 Mio. €, eher zwischen 5 und 6 Mio. € liegen, so dass ein Zuschlag bis zu 1 Mio. € erforderlich ist. Beispiel: Ein Unternehmen schätzt die Höhe einer Rekultivierungsverpflichtung wie folgt ein: 5 Mio. € mit 35%, 7 Mio. € mit 40% und 10 Mio. € mit 25%. Der wahrscheinlichste Wert ist 7 Mio. €. Dieser Wert hat eine Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 50%, da er den niedrigeren Erfüllungsbetrag von 5 Mio. € mit einschließt, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit 35% beträgt. Die kumulierte Wahrscheinlichkeit, dass der Wert von 7 Mio. € zur Erfüllung der Verpflichtung ausreicht, beträgt 75%. In diesem Fall kann ein Abschlag von dem wahrschein-
889 890
Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2481. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 79; Ruhnke (2005), S. 574.
218
lichsten Wert vorgenommen werden, der in Anlehnung an das vorgehende Beispiel ca. 1 Mio. € betragen kann. Besteht eine Bandbreite möglicher Erfüllungsbeträge, die gleich wahrscheinlich sind, existiert kein Ereignis mit einer höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit. Da IAS 37.40 nicht näher auf diesen Fall eingeht, wird in der Literatur analog die Bewertung einer großen Anzahl von Sachverhalten IAS 37.39 herangezogen und das arithmetische Mittel als Mittelpunkt der Bandbreite angesetzt.891 Die Bildung von Erwartungswerten ist jedoch auch hier nicht sachgerecht. Da die Eintrittswahrscheinlichkeit gleich wahrscheinlicher Ereignisse stets kleiner oder gleich 50% beträgt, sind solche Fälle ebenfalls anhand obiger Vorgehensweise zu lösen.892 Trotz der vorstehend beschriebenen Grundsätze verbleibt bei der Bewertung von Rückstellungen ähnlich wie nach HGB ein erheblicher subjektiver Ermessensspielraum.893 Einerseits hat auch nach IAS 37.43 eine vorsichtige Bewertung sämtliche wertrelevanten Faktoren zu berücksichtigen und demzufolge auch negativen Entwicklungen ausreichend Rechnung zu tragen.894 Bestehen zum Bilanzstichtag Unsicherheiten über den Umfang einer Dekontamination, ist hinsichtlich der Rückstellungshöhe nicht vom Fall der geringsten Umweltbelastung und geringsten Rückstellungshöhe auszugehen. Mit dieser Interpretation des Vorsichtsgrundsatzes soll vermieden werden, dass Verbindlichkeiten zu niedrig und somit der Periodenerfolg zu hoch ausgewiesen wird.895 Andererseits rechtfertigen Unsicherheiten nicht die Bildung stiller Reserven durch übermäßige Rückstellungsbildung und somit eine Überbewertung von Schulden (IAS 37.43). Der Vorsichtsgedanke darf daher nicht im handelsrechtlichen Sinne verstanden werden. Aus diesem Grund ist bei Einzelverpflichtungen z. B. die bestmögliche Schätzung durchaus niedriger als der wahrscheinlichste Wert, wenn aufgrund einer Bandbreitenbetrachtung die Mehrzahl der anderen Werte niedriger ist.896 Nur ein ausgewogenes Mittel aller Argumente ist daher mit dem Gedanken des true and fair view vereinbar.
6.1.5.2
Risiken
Da die Rückstellungsbewertung durch einen relativ hohen Grad an Ungewissheit gekennzeichnet ist, sind bei der Ermittlung der Rückstellungshöhe die mit vielen Ereignissen und 891 892 893 894 895 896
Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 48; Förschle/Holland/Kroner (2003), S. 121; Hayn/Pilhofer (1998b), S. 1766. Die Diskussion um gleich wahrscheinliche Erfüllungsbeträge ist i. d. R. Regel theoretischer Natur und ohne große Praxisrelevanz. Vgl. im Folgenden Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 157. Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2481. Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2481. Vgl. Moxter (1999a), S. 523.
219
Umständen verbundenen Risiken angemessen zu berücksichtigen (IAS 37.42). Risiko wird in IAS 37.43 als Möglichkeit verschiedener Ausgänge von (positiven wie auch negativen) Ereignissen definiert. Hinsichtlich der Beurteilung unsicherer Sachverhalte fordert das IASB grundsätzlich eine vorsichtige Bewertung. Durch die Einbeziehung von Risiken in bilanzwirksame Vorgänge soll gewährleistet werden, dass der am Bilanzstichtag angesetzte Betrag dem Betrag der späteren voraussichtlichen Vermögensbelastung zum Erfüllungszeitpunkt entspricht.897 Daher hat die Risikoeinschätzung zu jedem Bilanzstichtag neu zu erfolgen. Bei langfristigen Rückstellungen kann die Veränderung des Risikos erhebliche Auswirkungen und Schwankungen auf die Rückstellungshöhe haben. Das Risiko, das im Umfang sowie in den Erfolgsaussichten einer Entsorgung, Rekultivierung oder Dekontamination steckt, ist bei der Bewertung der Rückstellung daher angemessen zu berücksichtigen. Ist die Unsicherheit jedoch so groß, dass eine zuverlässige Schätzung des Verpflichtungsumfanges nicht möglich ist, darf eine Rückstellung nicht angesetzt werden. In diesem Fall ist eine Eventualschuld im Anhang anzugeben.
6.1.5.3
Künftige Ereignisse
Bei der Bewertung von Rückstellungen sind künftige Ereignisse, die den zur Erfüllung einer Verpflichtung erforderlichen Betrag beeinflussen können, zu berücksichtigen, soweit objektiv mit ausreichender Sicherheit mit ihrem Eintritt gerechnet werden kann (IAS 37.48). Voraussetzung für die bilanzielle Berücksichtigung künftiger Ereignisse, wie rechtlicher, technischer oder wirtschaftlicher Entwicklung und daraus resultierender Veränderungen, ist, dass ihr Eintritt „begründet sowie hinreichend und objektiv nachprüfbar ist“898. Die bloße Ermessensentscheidung des Managements reicht nicht aus. Obwohl zukünftige Ereignisse mit Wirkung auf bestehende Verpflichtungen grundsätzlich künftigen Perioden zuzuordnen sind, sieht IAS 37.48ff. eine antizipative Berücksichtigung in der laufenden Periode vor, sofern die objektive Annahme gerechtfertigt ist, dass diese Ereignisse die Verpflichtungshöhe beeinflussen können.899 Es soll gewährleistet werden, dass der am Bilanzstichtag angesetzte Betrag dem Betrag der späteren voraussichtlichen Vermögensbelastung zum Erfüllungszeitpunkt entspricht.900 Die Einbeziehung künftiger Ereignisse kann sowohl zu einem höheren als auch zu einem niedrigeren Rückstellungsbetrag führen als eine ausschließlich auf den Verhältnissen am Bilanzstichtag basierende Bewertung.
897 898 899 900
Vgl. Pilhofer (1997), S. 154. Gantzkow/Gröner (1998), 995. Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 995. Vgl. Pilhofer (1997), S. 154.
220
Die Wirkung einer möglichen Gesetzesänderung oder eines neuen Gesetzes wird bei der Rückstellungsbewertung berücksichtigt, wenn ausreichend objektive und substanzielle Hinweise über den Inhalt des Gesetzes vorliegen und seine Verabschiedung so gut wie sicher ist (IAS 37.50). Die substanziellen Hinweise müssen sich sowohl auf die Anforderungen des Gesetzes als auch darauf erstrecken, dass dessen zeitnahe Verabschiedung und Umsetzung so gut wie sicher ist. In Deutschland liegt dies bei nicht zustimmungspflichtigen Gesetzen wohl bei Verabschiedung durch den Bundestag vor, während bei zustimmungspflichtigen Gesetzen die Ratifizierung durch den Bundesrat notwendig ist (Art. 74 GG). Die Mitwirkung des Bundesrates wird bei Umweltschutzgesetzen regelmäßig der Fall sein, da die Interessen der Länder tangiert sind. Die Unterschrift des Bundespräsidenten und die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt muss nach der hier vertretenen Auffassung noch nicht erfolgt sein. In vielen Fällen dürfte es nicht möglich sein, die tatsächliche Verabschiedung eines Umweltschutzgesetzes mit der erforderlichen Sicherheit vorherzusagen. Es besteht in diesen Fällen keine objektive Vorhersehbarkeit der Wirkungen, so dass eine Berücksichtigung nicht erfolgen darf. Die geforderte Objektivierung technischer Entwicklungen ist grundsätzlich anzunehmen, wenn „der Eintritt des zukünftigen Ereignisses durch einen neutralen und technisch qualifizierten Begutachter bestätigt und seine Aussage durch Beweismaterial determiniert“901 wird.902 Die begründete Annahme, dass sich die Kosten für die Erfüllung einer Verpflichtung (z. B. zur Entsorgung einer Anlage) aufgrund bereits erwiesener technischer (Weiter-)Entwicklungen vermindern, führt grundsätzlich zu einer Reduzierung des Rückstellungsbetrages.903 Die Auswirkungen vollständig neuer Technologien, für deren Entwicklung bzw. Bestehen noch keine substanziellen Hinweise existieren, sind dagegen noch nicht objektiviert und daher nicht in die Bewertung einzubeziehen (IAS 37.49). Ob und ggf. wie völlig neuartige Umwelttechniken zu berücksichtigen sind, für deren künftige Einsetzung Hinweise vorliegen, bleibt ungeklärt. In diesen Fällen sind die Gegebenheiten des Einzelfalls zu würdigen. Werden künftige Ereignisse in die Rückstellungsbewertung einbezogen, ist das Abschlussstichtagsprinzip nicht mehr allein maßgebend für die Höhe der zu passivierenden künftigen Aufwendungen. Die Verhältnisse zum Erfüllungsstichtag gewinnen an Bedeutung und sind zu berücksichtigen. Dadurch verliert das Abschlussstichtagsprinzip in diesem Bereich des Normenwerkes der IFRS grundsätzlich an Bedeutung.
901 902 903
Gantzkow/Gröner (1998), S. 995. So auch Schmidbauer (2000), 1133f.; Hayn/Pilhofer (1998b), S. 1767; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2481. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 49.
221
6.1.5.4
Preisänderungen
In Analogie zur Berücksichtigung künftiger Ereignisse sind auch Preisänderungen (Preissteigerungen wie auch -senkungen) in die Rückstellungsbewertung einzubeziehen, sofern ausreichend objektive und nachprüfbare Hinweise über ihren Eintritt vorliegen (IAS 37.48).904 Bei langfristigen Rückstellungen entspricht der Erfüllungsbetrag normalerweise nicht dem Betrag, der am Bilanzstichtag für die Begleichung dieser Verpflichtung aufgewendet werden müsste. Die Objektivierung hat anhand der Kriterien zu erfolgen, die allgemein für die Berücksichtigung zukünftiger Ereignisse gelten.905 Künftige Preissteigerungen sind z. B. bei einem zwischen dem Unternehmen und einem Betreiber von Kläranlagen abgeschlossenen Rahmenvertrag einzubeziehen, bei dem eine Erhöhung aufgrund allgemeiner Preissteigerungen angekündigt worden ist. Es sollten ggf. die vernünftigen objektiven Erwartungen neutraler, fachlich qualifizierter Sachverständiger herangezogen werden.906 Vielfach wird es bei langfristigen Rückstellungen erforderlich sein, einerseits die voraussichtlichen Preis- bzw. Kostensteigerungen durch eine Erhöhung zu berücksichtigen, während andererseits bei Restlaufzeiten der Rückstellung von mehr als einem Jahr und wesentlichem Zinseffekt eine Abzinsung geboten ist.907
6.1.5.5
Erstattungsansprüche
Unternehmen, die aufgrund ihrer produktiven Tätigkeit Umweltrisiken nicht vollkommen ausschließen können, werden im Rahmen ihres Risikomanagements regelmäßig Umwelthaftpflichtversicherungen abschließen. Während sie aufgrund eines eingetretenen Umweltschadens in die Pflicht genommen werden, diesen Schaden zu beseitigen bzw. zu begrenzen und somit die Verpflichtung zu erfüllen, können sie gleichzeitig von der Versicherung (ganz oder teilweise) die Erstattung der zur Erfüllung der Verpflichtung erforderlichen Ausgaben erwarten (IAS 37.55). Im Folgenden wird untersucht, ob und ggf. wie diese Versicherungsansprüche bei der Rückstellungsbewertung zu berücksichtigen sind. Die bilanzielle Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen ist davon abhängig, ob das Unternehmen bei Nichtzahlung des Versicherers für den Verpflichtungsbetrag haftbar bleibt (IAS 37.53ff.). 904 905 906 907
Vgl. Schmidbauer (2000), S. 1133; Hayn/Pilhofer (1998b), S. 1767. Näher hierzu siehe Kap. 6.1.5.3. Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 995; Schmidbauer (2000), S. 1133f. Näher zur Abzinsung siehe Kap. 6.1.5.6.
222
Regelmäßig muss ein Unternehmen, das einen Umweltschaden verursacht hat, unabhängig von der Zahlung des Versicherers den gesamten Betrag begleichen, der zur Erfüllung der Verpflichtung notwendig ist. Bleibt die Haftung des Unternehmens unverändert bestehen, ist eine Rückstellung in voller Höhe der Verpflichtung anzusetzen. Gleichzeitig erwartet das Unternehmen gegebenenfalls einen Erstattungsanspruch aus der abgeschlossenen Versicherung. Die bilanzielle Behandlung eines zu erwartenden Erstattungsanspruchs ist von der Eintrittswahrscheinlichkeit der Erstattung abhängig. An den Ansatz von Erstattungsansprüchen werden höhere Ansprüche gestellt als an den Ansatz von Rückstellungen (sog. imparitätischer Wahrscheinlichkeitsbegriff908). Zwar reicht als Ansatzvoraussetzung eines Erstattungsanspruchs grundsätzlich seine Realisierbarkeit aus.909 Dennoch ist der bilanzielle Ansatz eines Anspruchs abzulehnen, wenn er lediglich das Wahrscheinlichkeitskriterium für Rückstellungen erfüllt (größer 50%). Aufgrund des in IAS 37.53 genannten restriktiveren Kriteriums „so gut wie sicher“ muss daher eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit gegeben sein. Als Richtwert kann von einer Mindestwahrscheinlichkeit von rund 90% ausgegangen werden.910 Ein Erstattungsanspruch ist grundsätzlich anzusetzen, wenn ein Versicherungsunternehmen in einem Schreiben den Erstattungsanspruch des Unternehmens aus einem eingetretenen Umweltschaden anerkennt und keine Zweifel an der Bonität des Versicherers bestehen. Der Anspruch darf die Höhe der Rückstellung aber nicht übersteigen (IAS 37.53). Steht dagegen (noch) nicht so gut wie sicher fest, dass dem Unternehmen ein Erstattungsanspruch zusteht, ist der Ansatz eines Vermögenswertes aufgrund der fehlenden Ansatzvoraussetzung ausgeschlossen. Häufig bestehen Zweifel, ob der Versicherer für den Umweltschaden überhaupt in Anspruch genommen werden kann bzw. ob dieser den Anspruch tatsächlich anerkennt. In einigen Fällen weiß der Versicherer bis zum Tag der Bilanzaufstellung noch nicht um seine Inanspruchnahme. In anderen Fällen wird sich der Versicherer so lange der Erstattungsverpflichtung entziehen, bis eindeutig feststeht, dass bestimmte Kriterien für eine Unternehmenshaftung, wie Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, nicht vorliegen. In diesen Fällen kann die Angabe einer Eventualforderung im Anhang in Betracht kommen. Eine Eventualforderung stellt einen möglichen Vermögenswert dar, der aus vergangenen Ereignissen resultiert und dessen Existenz durch das Eintreten bzw. Nichteintreten eines unsicheren zukünftigen Ereignisses erst noch bestätigt wird (IAS 37.10). Sie resultiert i. d. R.
908 909 910
Vgl. Lüdenbach/Hoffmann (2003), S. 5ff. Vgl. im Folgenden Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 162; Daub (2000), S. 311. Vgl. Pilhofer (1997), S. 116. Ruhnke fordert einen Anhaltewert von 95%. Vgl. Ruhnke (2005), S. 565.
223
aus ungeplanten oder unerwarteten Ereignissen, durch die dem Unternehmen die Möglichkeit eines Zuflusses von wirtschaftlichem Nutzen entsteht (IAS 37.32). Zukünftige Ereignisse können die Kenntniserlangung eines Umweltschadens seitens des Versicherungsunternehmens oder seine grundsätzliche Zustimmung zur Zahlung der Erstattung darstellen. Aufgrund der Unsicherheit sind Eventualforderungen bilanziell nicht zu erfassen (IAS 37.31). Ansonsten würden im Abschluss Erträge angesetzt, die möglicherweise nie vereinnahmt werden (IAS 37.31 i. V. m. IAS 37.33). Eine klare Trennung zwischen bilanzierungsfähigen und nicht bilanzierungsfähigen Erstattungsansprüchen erscheint in praxi mitunter schwierig. Qualifiziert ein Unternehmen einen Erstattungsanspruch lediglich als Eventualforderung, da es selbst den Erstattungsanspruch als strittig erachtet, führt dies mitunter dazu, dass der Schuldner im Sinne einer self-fulfilling prophecy den Erstattungsanspruch verweigert. Eine Saldierung von Rückstellung und (bilanziertem) Erstattungsanspruch ist nach IAS 1.32 verboten. Demzufolge sind ungewisse Verpflichtungen und Erstattungsansprüche grundsätzlich nicht miteinander zu verrechnen, es sei denn, dass eine Ausnahme von diesem Grundsatz durch einen Standard gefordert oder erlaubt wird. Da IAS 37 von diesem Saldierungsverbot keine Ausnahme vorsieht, können Rückstellung und Erstattungsanspruch nicht zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst werden. Demzufolge ist die Verpflichtung eines Umweltschadens passivisch, der mit der Verpflichtung eng verbundene und gleichzeitig entstandene Erstattungsanspruch aktivisch auszuweisen. Das Saldierungsverbot von Verpflichtung und Erstattung steht m. E. im Widerspruch zum Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Nach dem Grundsatz der substance over form sind Sachverhalte bilanziell unter Beachtung ihrer wirtschaftlichen und nicht ihrer rechtlichen Würdigung darzustellen. In dem Fall von Erstattungsansprüchen aus Umweltschäden erscheint es sachgerechter, eine entsprechende Saldierung mit der Rückstellung nicht nur zu erlauben, sondern auch zu verlangen, „sofern es sich um wirtschaftlich ineinandergreifende Vorgänge handelt und die Erstattungsansprüche wahrscheinlich sind“911. Wenn ungewisse Verpflichtungen aufgrund ihrer Absicherung durch Versicherungsverträge aller Voraussicht nach keine zukünftige Vermögensbelastung begründen, müsste der bilanzielle Ansatz einer Rückstellung unterbleiben, weil ein Abfluss von wirtschaftlichem Nutzen unwahrscheinlich ist.912 Die Risikohöhe wird tendenziell überzeichnet dargestellt. Der Abschlussadressat gewinnt somit einen falschen Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens. De lege ferenda ist damit vom 911 912
Ernsting/von Keitz (1998), S. 2482. Vgl. Fischer (2001), S. 221.
224
IASB eine Änderung der Bewertung von ungewissen Verpflichtungen und korrespondierenden Erstattungsansprüchen dahingehend zu fordern, dass eine Ausnahme vom allgemeinen Saldierungsverbot zugelassen wird. Im Anhang sollten zu Informationszwecken die unsaldierten Beträge offen gelegt werden. In den seltenen Fällen, in denen das bilanzierende Unternehmen seine Haftung rechtswirksam ausgeschlossen hat und/oder der Gläubiger des Umweltschadens der Übertragung der Verpflichtung auf den Versicherer im Rahmen einer befreienden Schuldübernahme zugestimmt hat, ist dagegen eine Saldierung von Rückstellung und Rückgriffsrecht geboten (IAS 37.57 i. V. m. IAS 1.32 und 1.34b).913 Für das Unternehmen kommt es nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise de facto nicht mehr zu einem wahrscheinlichen Abfluss wirtschaftlicher Ressourcen. Im Unterschied hierzu besteht für die GuV ein Saldierungswahlrecht. Der Aufwand aus der Rückstellungsbildung kann nach IAS 37.54 in der GuV vor oder nach Abzug der Erstattung ausgewiesen werden.
6.1.5.6
Abzinsung
Das Abschlussstichtagsprinzip wird in der IFRS-Rechnungslegung dadurch zurückgedrängt, dass der am Bilanzstichtag angesetzte Betrag dem der späteren Vermögensbelastung zum Erfüllungszeitpunkt zu entsprechen hat. Daher rückt der Erfüllungszeitpunkt einer Verpflichtung in den Vordergrund. Rückstellungen für kurz nach dem Bilanzstichtag erfolgende Mittelabflüsse sind aufgrund der Betrachtung einer Verpflichtung zum Zeitwert des Geldes belastender als diejenigen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig werden (IAS 37.46). Langfristige Rückstellungen liegen z. B. häufig bei Rekultivierungs- oder Entsorgungsverpflichtungen vor, da der Erfüllungszeitpunkt erst in ferner Zukunft liegt.914 Nach IAS 37.45 ist eine Rückstellung daher abzuzinsen und mit dem Barwert anzusetzen, wenn der aus der Diskontierung resultierende Zinseffekt (Unterschiedsbetrag zwischen Barwert und Rückzahlungsbetrag) wesentlich ist. Dabei ist es unerheblich, ob die Rückstellung einen Zinsanteil enthält. Maßgebliche Einflussfaktoren zur
913
Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2482; Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 165. Das bilanzierende Unternehmen darf in diesen Fällen selbst dann nicht mehr haftbar sein, wenn der Dritte insolvent geworden ist. Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 995. 914 Vgl. Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 122.
225
Beurteilung der Wesentlichkeit sind die Fristigkeit, die absolute Höhe sowie der Zinssatz der Verpflichtung.915 Busse v. Colbe/Seeberg vertreten die Auffassung, dass eine Abzinsung aufgrund des Wesentlichkeitsgrundsatzes grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn der Erfüllungszeitpunkt nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Bilanzstichtag zu erwarten ist.916 Es kann m. E. jedoch auch bei kurzfristigen Rückstellungen eine Abzinsung erforderlich werden, wenn es sich um Rückstellungen mit sehr hohen Beträgen handelt und hohe Diskontierungszinsfüße zugrunde zu legen sind.917 Gleichzeitig kann die Abzinsung von Verpflichtungen, deren Erfüllungszeitpunkt nach Ablauf eines Jahres erwartet wird, unterbleiben, wenn der Zinseffekt unwesentlich ist. Nach dem Wortlaut des IAS 37.45 ist grundsätzlich für jede Rückstellung gesondert zu untersuchen, ob eine Abzinsung einen wesentlichen Einfluss hat. Meines Erachtens ist aber die Wesentlichkeit des Abzinsungseffekts auch für den gesamten Bilanzposten Rückstellungen zu prüfen. In diese Prüfung sind alle Rückstellungen einzubeziehen, die nicht bereits aufgrund der individuellen Analyse zu diskontieren sind. IAS 37.45 gibt keine Anhaltspunkte dafür, nach welchen Kriterien die Wesentlichkeit zu bestimmen ist. In Übereinstimmung mit der allgemeinen Definition des Wesentlichkeitsgrundsatzes ist daher von einem wesentlichen Zinseffekt auszugehen, wenn durch die Abzinsung der Bilanzposten Rückstellungen bzw. das Jahresergebnis so beeinflusst werden (R. 30), dass der Investor der Änderung nicht indifferent gegenübersteht. Eine Bewertung zum Barwert erfordert Informationen über die Faktoren, die Zeitpunkte und Beträge, die die Zahlungsabflüsse beeinflussen können, sowie über die Festlegung eines Abzinsungssatzes.918 Eine doppelte Berücksichtigung von (Risiko-)Faktoren sowohl bei den zugrunde gelegten zukünftigen Zahlungsströmen als auch im Zinssatz ist nach IAS 37.47 nicht zulässig. Das Unternehmen hat die (Risiko-)Faktoren demzufolge entweder bei den Zahlungsströmen oder bei dem Diskontierungszins zu berücksichtigen.919 Entscheidet sich das Unternehmen für eine Berücksichtigung bei den Zahlungsströmen, ist mit einem risikolosen
915 916 917 918 919
Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 1286. Vgl. Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 122. Ähnlich Hoffmann (2005c), § 21 Rz. 151; Heuser/Theile (2005), Rz. 1286. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 39. Vgl. Pilhofer (1997), S. 162.
226
Zinssatz abzuzinsen. In diesem Fall kommt als Zinssatz z. B. derjenige für risikolose Anlagen (Staatsanleihen) mit fristgerechter Laufzeit in Betracht.920 Als risikobehafteter Abzinsungssatz ist gem. IAS 37.47 ein Satz vor Steuern heranzuziehen, der die aktuellen Markteinschätzungen im Hinblick auf die Fristigkeit der Ressourcenabflüsse und die für die Schuld spezifischen Risiken widerspiegelt.921 Da Rückstellungen bilanzielles Fremdkapital darstellen, kann argumentiert werden, dass als Diskontierungszinssatz grundsätzlich nur der fristadäquate Zinssatz in Betracht kommt, zu dem das Unternehmen gegenwärtig zusätzliches Fremdkapital aufnehmen kann (Sollzins). Dieser Zinssatz spiegelt die individuellen Finanzierungsrisiken des Unternehmens am zutreffendsten wider. Für die Fristadäquanz ist die Restlaufzeit der Verpflichtung maßgebend.922 Umgekehrt wird über die Bildung von Rückstellungen ein Liquiditätsabfluss von Vermögen in Form von Ausschüttungen verhindert. Insofern kann Geld im Unternehmen bis zur Erfüllung der Verpflichtung alternativ angelegt werden (Habenzins). Der Ansatz von Opportunitätskosten ist m. E. aber in einer externen Rechnungslegung nicht sachgerecht, da hier Kosten abgebildet würden, die keine Aufwendungen sind und daher keine Berücksichtigung finden dürfen. Es kommt daher m. E. nur der Ansatz des Sollzinses in Betracht. Die Fristadäquanz des bisher verwendeten Diskontierungszinsfußes ist zu jedem Bilanzstichtag zu überprüfen. Der sich aus einer Zinsänderung ergebende Anpassungsbetrag einer Rückstellung ist in vollem Umfang in der Periode erfolgswirksam als Zinsaufwand oder -ertrag zu erfassen, in der die Anpassung erforderlich wird.923 Die in den Folgejahren durchzuführende Aufzinsung der Rückstellung ist nach IAS 37.60 erfolgswirksam unter dem Posten Fremdkapitalkosten, d.h. Zinsen und ähnliche Aufwendungen, zu erfassen.924 Die EU-Kommission hat sich in ihrer Empfehlung zur Berücksichtigung von Umweltaspekten im Jahresabschluss und Lagebericht weitestgehend an die Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften der IFRS angelehnt.925 Hinsichtlich der Abzinsung von umweltschutzbedingten Verbindlichkeiten besteht jedoch ein erheblicher Unterschied. Grundsätzlich ist eine Barwertbewertung zulässig, aber – im Gegensatz zu IAS 37.45ff. – nicht verpflichtend vorzunehmen,
920 921 922 923
Vgl. Pilhofer (1997), S. 154; Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 122; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2481. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 168. So auch Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 82. Näher zu Besonderheiten hinsichtlich Anpassungsbeträgen der unter IFRIC 1 fallenden Rückstellungen für Entsorgungsverpflichtungen siehe Kap. 7.3.3.3.2. 924 Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 169. 925 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 33ff.
227
wenn die Ansatzvoraussetzungen erfüllt sind.926 Handelt es sich um langfristige Umweltschutzverpflichtungen, gilt somit grundsätzlich ein Abzinsungswahlrecht,927 wobei die Kommission bei wesentlichen Zinsauswirkungen die Bewertung von zukünftig fälligen Umweltverbindlichkeiten zum Barwert als die angemessene Lösung erachtet. Das Abzinsungswahlrecht wird jedoch auf dem Wege der Anerkennung der IFRS durch die EU (endorsement) für die betroffenen europäischen Unternehmen zu einer Abzinsungspflicht. Warum sich die Kommission gegen die verpflichtende Abzinsung von langfristigen Umweltschutzverpflichtungen mit wesentlichen Zinseffekten entschieden hat, bleibt unklar. Die Empfehlung ist daher zur Erlangung von Rechtssicherheit unbedingt dahingehend anzupassen, dass zwingend eine Abzinsung zu erfolgen hat.
6.1.5.7
Einzubeziehende Kosten
IAS 37 lässt die Frage ungeklärt, ob die zu antizipierenden rückstellungsfähigen Aufwendungen lediglich die Einzelkosten oder angemessene Teile der Gemeinkosten umfassen. Diese Frage ist von Bedeutung, wenn z. B. Sanierungen vom Unternehmen selbst durchgeführt werden. Da sich IAS 11 (Fertigungsaufträge) stellenweise mit dieser Thematik beschäftigt, wird versucht, eine analoge Anwendung auf die Rückstellungsbewertung vorzunehmen. Auch wenn hier die Passivseite tangiert wird, erscheint eine Analogie aufgrund des Grundsatzes der substance over form gerechtfertigt. Nach IAS 11.16 sind bei der Erfassung von Auftragskosten diejenigen Kosten zu erfassen, die der zu erbringenden Leistung zugeordnet werden können.928 Diese Kosten umfassen neben den Einzelkosten auch alle Prozesskosten, die vertragsgemäß gesondert in Rechnung gestellt werden können. In analoger Anwendung der einzubeziehenden Kosten auf die Rückstellungsbewertung müsste eine Außenverpflichtung folglich mit den Einzelkosten zuzüglich der auf die Verpflichtung entfallenden Prozesskosten bewertet werden.929 Bei der Bewertung von Umweltschutzrückstellungen sind folglich diejenigen Kosten in die Rückstellungshöhe einzubeziehen, die der Verpflichtung zur Beseitigung, Verringerung oder Vermeidung eines Schadens zurechenbar sind. Neben den direkt zuzuordnenden Einzelkosten, wie abzurechnenden Stunden eines mit der Schadensbeseitigung beauftragten Dritten, sind dies insbesondere Abschreibungen auf vom Unternehmen eingesetzte Anlagen (Pumpen, 926 927 928 929
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 39. Vgl. Berndt (2001), S. 1731. Vgl. Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 124. So auch Schmidbauer (2000), S. 1133; Hayn/Pilhofer (1998b), S. 1766.
228
Drainagen etc.). Wird der Schaden mit eigenem Personal beseitigt, sind die Lohn- und Lohnnebenkosten der Mitarbeiter zu berücksichtigen, die während ihrer Arbeitszeit mit den Maßnahmen beschäftigt sind. Gegebenenfalls können Fremdkapitalzinsen bei der Aufnahme von Darlehen zur Finanzierung von Umweltschäden in die Bewertung eingehen.931
6.1.5.8
Folgebewertung
Da sich die Umstände für die Bewertung von Rückstellungen ändern können, sind Ansatz und Bewertung von Rückstellungen zu jedem Bilanzstichtag neu zu prüfen (IAS 37.21).932 Bei Änderungen der zugrunde gelegten Prämissen und Schätzungen sowie bei neuen Erkenntnissen sind die Rückstellungen anzupassen, damit sie die bestmögliche Schätzung widerspiegeln (IAS 37.59).933 Hat ein Unternehmen eine Verpflichtung beglichen, für die es in früheren Jahren eine Rückstellung gebildet hat, hat die Inanspruchnahme der Rückstellung erfolgsneutral zu erfolgen. Lediglich die Differenz zwischen den tatsächlich angefallenen Ausgaben und dem zurückgestellten Betrag ist erfolgswirksam als Aufwand bzw. Ertrag (Auflösung der Rückstellung) zu behandeln. Die Inanspruchnahme einer Rückstellung darf nur für diejenigen Zwecke erfolgen, für die die Rückstellung ursprünglich gebildet wurde (IAS 37.61).934 Die angefallenen Ausgaben müssen daher in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bildung der Rückstellung stehen. Eine Aufrechnung gegen eine für einen anderen Zweck gebildete Rückstellung würde die Wirkung zweier unterschiedlicher Ereignisse verbergen (IAS 37.62). Eine Rückstellung darf folglich nicht umgewidmet werden, wenn ihr Grund entfallen ist, gleichzeitig aber die Passivierungsvoraussetzungen für eine andere ungewisse (ähnliche) Verpflichtung erfüllt sind, für die bisher keine Rückstellung passiviert worden ist (IAS 37.62).935 In diesem Fall ist die bereits gebildete Rückstellung erfolgswirksam aufzulösen und die neue Rückstellung ebenfalls erfolgswirksam zu bilden (IAS 1.32).
930 931 932 933 934 935
Vgl. Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 124; Hayn/Pilhofer (1998b), S. 1766; Dangel/Hofstetter/Otto (2001), S. 105; Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 66ff. Diese Kosten müssen i. V. m. einem qualified asset i. S. v. IAS 23 stehen. Näher hierzu siehe Hayn/ Pilhofer (1998b), S. 1766. Vgl. Pilhofer (1997), S. 65; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2483. Vgl. im Folgenden Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 171ff. Vgl. Pilhofer (1997), S. 66. Vgl. Hoffmann (2005c), § 21 Rz. 183.
229
Sind die Kriterien für die Passivierung einer in früheren Jahren gebildeten Rückstellung nicht mehr (in voller Höhe) erfüllt, ist die Rückstellung (insoweit) aufzulösen (IAS 37.59).936 Die Auflösung ist m. E. in der Position vorzunehmen, in der die jeweilige Rückstellung gebildet wurde. Eine pauschale Zuordnung der Auflösung unter den sonstigen betrieblichen Erträgen ist grundsätzlich nicht zulässig. Ist davon auszugehen, dass die Rückstellungshöhe aufgrund neuer Erkenntnisse den Erfüllungsbetrag nicht mehr abdeckt, entspricht sie nicht mehr der bestmöglichen Schätzung. Die Differenz zwischen dem neuen voraussichtlichen Erfüllungsbetrag und der bisherigen Rückstellungshöhe ist erfolgswirksam zuzuführen, es sei denn, es handelt sich um Rückstellungen für Entsorgungsverpflichtungen und ähnliche Verpflichtungen, die unter IFRIC 1 fallen.937
6.1.5.9
Kritische Würdigung
Ziel der IFRS-Rechnungslegung ist, Abschlussadressaten entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen. Hinsichtlich der Bewertung von Rückstellungen unterscheiden sich die IFRS vom HGB insofern, dass nicht die Verhältnisse zum Bilanzstichtag, sondern zum Erfüllungszeitpunkt maßgeblich sind. Grundsätzlich spiegelt sich in der Bewertung von Rückstellungen eine investororientierte Betrachtungsweise mit einem deutlichen Zukunftsbezug wider. Aus diesem Grunde sind sowohl künftige Ereignisse und Preissteigerungen zu beachten als auch Abzinsungen der jeweiligen Erfüllungsbeträge auf den Barwert vorzunehmen. Die Hinwendung zu einem Prinzip, in dem der künftige Erfüllungszeitpunkt im Mittelpunkt steht (present value-Konzept), orientiert sich grundsätzlich an den tatsächlichen Zahlungsströmen. Materiell unterscheidet sich die Bewertung nach IFRS von der handelsrechtlichen Bewertung ebenfalls durch die Abschwächung des Vorsichtsprinzips zugunsten des Periodisierungsgrundsatzes. Gleichzeitig ist das present value-Konzept allerdings mit erheblichen Prognoseschwierigkeiten behaftet. Massive Unsicherheiten bestehen hinsichtlich der Rückstellungshöhe, des Zahlungszeitpunktes, der künftigen Entwicklung des technischen Fortschritts, der Anforderungen des Gesetzgebers, der Höhe der Inflation sowie der anzuwendenden Zinssätze. Als mögliche Folge können sich insbesondere bei der Bewertung von langlaufenden Sachleistungsverpflichtungen mit dem Barwert weniger objektivierte Werte ergeben.938 Dies ist insbesondere 936 937
Ähnlich Schmidt/Roth (2004), S. 558. Näher hierzu siehe Kap. 7.3.3. Zu weiteren erfolgsneutralen Anpassungen siehe Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 51. 938 Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2481.
230
vor dem Hintergrund problematisch, dass im IFRS-Normenwerk Bewertungsprobleme zu Ansatzproblemen werden (verlässliche Schätzung). Fraglich ist, ob durch diese Unsicherheiten das Ziel der Verlässlichkeit von Finanzinformationen nicht unterlaufen wird. Mitunter spiegeln die IFRS lediglich eine Objektivierung vor, die bei genaueren Untersuchungen nicht aufrechterhalten werden kann. Zusätzlich wird die Verlässlichkeit und Verständlichkeit der Rechnungslegung m. E. dadurch unterlaufen, dass bestimmte Begriffe und Sachverhalte nicht deutlich abgegrenzt und definiert werden. Schon der Bewertungsgrundsatz der bestmöglichen Schätzung wirft erhebliche Fragen auf. Moxter kritisiert zu Recht, dass IAS 37 nicht darauf eingeht, wie die zahlreichen Fälle zu behandeln sind, die zwischen der großen Anzahl ähnlicher Sachverhalte und einer Einzelverpflichtung liegen.939 Es wird an keiner Stelle definiert, unter welchen Voraussetzungen von einer großen Anzahl und damit von Erwartungswerten ausgegangen werden kann. Zudem bleibt offen, wie ähnlich diese Verpflichtungen sein müssen, um sie zusammen bewerten zu können. De lege ferenda sind daher eindeutige Begriffsdefinitionen notwendig.
6.1.6
Ausweis
Nach IAS 1.68k und IAS 37.11 bilden Rückstellungen einen eigenständigen Bilanzposten. Eine weitere Untergliederung in Bilanz oder Anhang richtet sich gem. IAS 1.74ff. i. V. m. IAS 1.72c und IAS 37.87 nach Art, Größe und Fristigkeit einzelner Rückstellungen bzw. Rückstellungsgruppen. Sind Umweltschutzrückstellungen wesentlich, kommt ein gesonderter Ausweis unter Informationsaspekten in Betracht. Relative und absolute Größenkriterien, die ggf. einen Einzelausweis einer Verpflichtung auslösen, werden nicht genannt.940 Eine Untergliederung sollte aber unter Beachtung der Wesentlichkeit und der Entscheidungsrelevanz vorgenommen werden. Rückstellungen mit einer (wahrscheinlichen) Erfüllung innerhalb eines Zeitraumes von mehr als zwölf Monaten nach dem Bilanzstichtag sind in Bilanz oder Anhang gesondert von den kurzfristigen Rückstellungen (Fälligkeit bzw. Realisation innerhalb der nächsten zwölf Monate) auszuweisen (IAS 1.54). Diese Information dient der Beurteilung der künftigen finanziellen Lage des Unternehmens (IAS 1.56).
939 940
Vgl. Moxter (1999a), S. 523. Vgl. Hayn/Pilhofer (1998a), S. 1731.
231
6.1.7
Ereignisse und Erkenntnisse nach dem Bilanzstichtag
Für den Ansatz und die Bewertung von Rückstellungen sowie für die Angabe von Eventualschulden im Anhang sind sämtliche substanziellen Hinweise heranzuziehen, die für die Abbildung eines Sachverhalts im Abschluss Bedeutung haben.941 Insbesondere zählen zu diesen Hinweisen zusätzliche, durch Ereignisse nach dem Bilanzstichtag erlangte Informationen (IAS 37.16). Die Berichtspflicht für Ereignisse nach dem Bilanzstichtag ist in IAS 10 geregelt. Nach IAS 10.3 sind Ereignisse nach dem Bilanzstichtag danach zu unterscheiden, ob sie lediglich weitere substanzielle Hinweise zu Gegebenheiten liefern, die bereits am Bilanzstichtag vorgelegen haben (werterhellende Tatsachen), oder ob sie Gegebenheiten anzeigen, die erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind (wertbegründende Tatsachen). Werterhellende Tatsachen sind nach IAS 10.8 in Bilanz oder Anhang zu berücksichtigen, während wertbegründende Tatsachen nach IAS 10.10 keine Wertänderungen zur Folge haben, aber ggf. zu Angaben im Anhang führen (IAS 10.21). Der Werterhellungszeitraum reicht nach IAS 10.4f. bis zum Tag der Veröffentlichung des Abschlusses (R. 85). Eine werterhellende Tatsache liegt z. B. bei einer endgültigen Bestätigung einer Altlast durch einen Gutachter nach dem Bilanzstichtag vor, nachdem vor dem Bilanzstichtag nur sehr vage Vermutungen hierüber bestanden. Da tatsächlich eine gegenwärtige Verpflichtung besteht, ist eine Rückstellung anstelle der bloßen Angabe einer Eventualschuld anzusetzen (IAS 10.9a). Eine wertbegründende Tatsache stellt z. B. eine nach dem Bilanzstichtag verursachte Bodenverunreinigung dar. Das Unterlassen von Angaben über diese Tatsachen könnte eine angemessene Einschätzung und Entscheidungsfindung der Abschlussadressaten beeinträchtigen. Aus diesem Grund hat das Unternehmen im Anhang über die Art des Ereignisses und grundsätzlich auch über die möglichen finanziellen Auswirkungen zu berichten (IAS 10.21).
6.1.8
ED IAS 37
Am 30. Juni 2005 wurde ein Entwurf zu einem neuen Standard IAS 37 (Exposure Draft of Proposed Amendments to IAS 37, im Folgenden kurz: ED IAS 37) vom IASB als Ergebnis des kurzfristigen Konvergenzprojektes zwischen IASB und FASB (Financial Accounting Standards Board) sowie der zweiten Phase des Projektes Unternehmenszusammenschlüsse veröffentlicht. Das Inkrafttreten des neuen Standards ist frühestens zum 01. Januar 2007 941
Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 176.
232
vorgesehen. Erst nach Inkrafttreten des Standards beginnt der Endorsement-Prozess der EU. Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen von ED IAS 37 dargestellt, sofern sie Bedeutung für die zugrundeliegende Thematik haben. ED IAS 37 soll nicht mehr nur für den Bereich der Rückstellungen, sondern gleichermaßen auch für sonstige Verbindlichkeiten gelten, sofern sie nicht finanzieller Natur sind und nicht in den Anwendungsbereich von IAS 39 fallen (ED IAS 37.9). Der Standard gibt daher den Begriff der Rückstellung vollständig auf und führt stattdessen als Oberbegriff den Begriff der nichtfinanziellen Schulden ein. Nach ED IAS 37.10 sind nichtfinanzielle Schulden gegenwärtige (unentziehbare) Verpflichtungen, die auf einem Ereignis der Vergangenheit beruhen und bei denen ein Ressourcenabfluss erwartet wird. In diesem Zusammenhang führt ED IAS 37 die Begriffe der unbedingten und bedingten Verpflichtung ein. Wenn zum Bilanzstichtag eine unbedingte Verpflichtung besteht, ist die Verpflichtung grundsätzlich zu passivieren. Sofern der Betrag, mit dem die Verpflichtung zu bewerten ist, noch durch zukünftige Ereignisse beeinflusst wird, liegt insoweit (zusätzlich zu der unbedingten Verpflichtung) eine bedingte Verpflichtung vor. In Bezug auf eine behördliche Sanierungsverfügung bedeutet dies, dass das Unternehmen die unbedingte (unentziehbare) Verpflichtung hat, der Entscheidung der Behörde Folge zu leisten. Die zusätzliche bedingte Verpflichtung besteht in dem Umstand, dass die Behörde z. B. noch keine Entscheidung über den Beseitigungsgrad (Eindämmung oder Dekontamination) treffen konnte, da beispielsweise Probebohrungen in tieferen Erdschichten die Abtragung der oberen Schichten erforderlich machen. Die Höhe des Ressourcenabflusses ist mithin noch von einem zukünftigen Ereignis, der Entscheidung über das Ausmaß der Abtragung, abhängig. Für die Beurteilung der Frage, ob die Erfüllung der Verpflichtung wahrscheinlich zu (irgend-) einem zukünftigen Ressourcenabfluss führen wird, ist nicht auf die bedingte, sondern die unbedingte Verpflichtung abzustellen (ED IAS 37.BC 36ff.). Bei der bedingten Verpflichtung kann der zukünftige Ressourcenabfluss mehr oder weniger wahrscheinlich sein. Diese Unsicherheit wirkt sich nicht auf den Ansatz, sondern die Bewertung der unbedingten Verpflichtung aus. ED IAS 37 sieht bei singulären Ereignissen, wie Umweltlasten, den zukünftigen Ressourcenabfluss nicht in dem Erfüllungsbetrag der (bedingten) Verpflichtung, sondern in der Bereitstellung von Leistungen, die mit der unbedingten Verpflichtung verbunden sind. Bezogen auf das Beispiel der behördlichen Sanierungsverfügung ist der Ressourcenabfluss in der Aufrechterhaltung der Bereitschaft des Unternehmens, sich der Verfügung zu unterwerfen, zu sehen und nicht in der Zahlung des Erfüllungsbetrages (ED IAS 37.BC 46). In- und externe Kosten, die hierbei in Betracht kommen, sind beispielsweise die Kosten der mit der Begleitung des Verfahrens beauftragten externen Gutachter und Techniker bzw. des zukünfti-
233
gen Zeitaufwandes der internen Baggerführer und Laboristen. Damit aber ist bei unbedingten Verpflichtungen das Kriterium des zukünftigen Ressourcenabflusses stets erfüllt (ED IAS 37.BC 47) und wird aus diesem Grund als Ansatzkriterium für Rückstellungen in ED IAS 37 nicht mehr benannt. Die Differenzierung zwischen Rückstellungen und sonstigen Schulden ist nunmehr nur noch durch Unsicherheit in Bezug auf Höhe und/oder Fälligkeit gegeben (ED IAS 37.37). Hinsichtlich der Ansatzkriterien stellt ED IAS 37.10f. klar, dass nur gegenwärtige (unentziehbare) und nicht nur mögliche Verpflichtungen passivierungsfähig und damit auch -pflichtig sind. Da ED IAS 37 gleichzeitig nicht mehr hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Ressourcenabflusses unterscheidet, werden Eventualschulden aus seinem Anwendungsbereich eliminiert. Sofern zukünftige Ereignisse den Betrag, der zur Erfüllung der Verpflichtung erforderlich ist, beeinflussen können (wie z. B. das Ausmaß der Beseitigung in obigem Beispiel), ist diesem Umstand nunmehr ausschließlich bei der Bewertung der Schuld Rechnung zu tragen. ED IAS 37.10 stellt ferner klar, dass eine faktische Verpflichtung nur dann besteht, wenn das Unternehmen den Quasi-Anspruchsberechtigten gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, dass es die Verantwortung für einen bestimmten Sachverhalt übernehmen will, und bei den QuasiAnspruchsberechtigten die Erwartung geweckt hat, dass sie auf die Erfüllung vertrauen können. Im Unterschied zu IAS 37 muss die Erwartungshaltung nunmehr direkt bei z. B. Bürgerinitiativen und nicht mehr allgemein bei Dritten geweckt worden sein, die zusätzlich auf die Erfüllung vertrauen können (ED IAS 37.BC 56f.). Hierbei handelt es sich wohl eher um eine Klarstellung als um eine Änderung mit wesentlichen Auswirkungen auf die bisherige Bilanzierungspraxis. In Übereinstimmung mit dem Rahmenkonzept und IAS 37 ist eine nichtfinanzielle, rechtliche oder faktische Schuld nur dann zu passivieren, wenn sie zuverlässig bewertet werden kann (ED IAS 37.11). ED IAS 37.29 führt – wie letztendlich auch bisher IAS 37 – aus, dass die Bewertung einer nichtfinanziellen Schuld zu dem Betrag zu erfolgen hat, zu dem am Bilanzstichtag eine rational handelnde Partei die Schuld erfüllen oder auf einen Dritten übertragen würde. ED IAS 37 gibt in diesem Zusammenhang jedoch den Begriff des besten Schätzwerts bzw. der besten Schätzung auf. In den sehr seltenen Fällen, in denen eine zuverlässige Bewertung nicht gegeben ist, darf die Schuld – wie bisher – nicht passiviert werden. Sie ist dann im Anhang zu erläutern (ED IAS 37.28 und ED IAS 37.69). So ist auch weiterhin eine kurz vor dem Abschlussstichtag bekannt gewordene Altlast, deren Ausmaß (noch) völlig unbekannt ist, nur im Anhang anzugeben, wenn die Höhe der Sanierungsverpflichtung zum Abschlussstichtag nicht mit der gebotenen Zuverlässigkeit bestimmt werden kann. Nach IAS 37 gilt die
234
Verpflichtung als angabepflichtige Eventualschuld, mit ED IAS 37 stellt sie nunmehr eine nicht zu bewertende nichtfinanzielle Schuld dar. Hinsichtlich der Bewertung von Rückstellungen hebt ED IAS 37.31 hervor, dass sowohl bei einer Vielzahl von ähnlichen als auch bei singulären Verpflichtungen das Erwartungswertverfahren angewandt werden kann. Das Erwartungswertverfahren gilt nach dem Wortlaut von ED IAS 37 insbesondere auch in den Fällen, in denen ein Ereignis eine Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 50% aufweist. Nach IAS 37 wurde in diesen Fällen regelmäßig das wahrscheinlichste Ereignis zurückgestellt. Beispiel: Ein Unternehmen stellt fest, dass gelagerte Ölfässer leckgeschlagen sind. Management und Gutachter schätzen, dass zu 35% das ausgelaufene Öl nur in die oberste Erdschicht gelangen konnte. Eine Abtragung würde 50.000 € kosten. Zu 65% ist das Öl jedoch in tiefere Erdschichten gelangt. In diesem Fall kostet die Abtragung 150.000 €. Nach IAS 37 stellt der wahrscheinlichste Wert die bestmögliche Schätzung dar, daher sind grundsätzlich 150.000 € zurückzustellen. Ein subjektiver Abschlag kommt grundsätzlich nicht in Betracht, da das wahrscheinlichste Ereignis mehr als 50% beträgt. Nach ED IAS 37 hingegen ist das Erwartungswertverfahren anzuwenden; es sind zukünftig 35% × 50.000 € + 65% × 150.000 € = 115.000 € zurückzustellen. Die statistischen Voraussetzungen sind für die Bildung eines Erwartungswertes bei singulären Ereignissen jedoch nicht gegeben. Der zurückgestellte Betrag in Höhe von 115.000 € stellt unter keinen Umständen eine sinnvolle Bewertung dar; entweder muss das Unternehmen 50.000 € oder 150.000 € zahlen. ED IAS 37 wird, wenn auch in Modifikationen, in naher Zukunft den bestehenden IAS 37 ersetzen und nach dem Endorsement-Prozess der EU für europäische Unternehmen verbindlich werden. Wie gezeigt wurde, enthält er wesentliche Veränderungen gegenüber dem bisherigen IAS 37, wobei die Modifikation des Wahrscheinlichkeitsbegriffes im Mittelpunkt steht. Da der Anwendungsbereich des ED IAS 37 erweitert wird, wird der Standard in Zukunft eine noch größere Bedeutung erlangen.
235
6.2
Die Aktivierbarkeit von Umweltschutzaufwendungen – IAS 16
6.2.1
Allgemeines
Im Folgenden soll untersucht werden, ob Maßnahmen für den Umweltschutz Aufwendungen darstellen, die sofort ergebniswirksam zu behandeln sind, oder ob sie unter besonderen Umständen aktivierungsfähig sind. Die Aktivierungsfähigkeit und damit verbundene -pflicht von Umweltschutzmaßnahmen ist nach IFRS immer dann gegeben, wenn die allgemeinen Aktivierungsvoraussetzungen des Rahmenkonzeptes bzw. die besonderen Voraussetzungen eines Standards gegeben sind. Es existiert kein Standard im IFRS-Normensystem, der ausschließlich die Aktivierbarkeit von Umweltschutzmaßnahmen thematisiert. Die Aktivierung von Sachanlagen im Allgemeinen regelt jedoch IAS 16. IAS 16.6 definiert Sachanlagen als materielle Vermögenswerte, •
die ein Unternehmen für Zwecke der Herstellung oder der Lieferung von Gütern und Dienstleistungen, zur Vermietung an Dritte oder für Verwaltungszwecke besitzt und
•
die erwartungsgemäß länger als eine Periode genutzt werden.
Sollten aus Umweltschutzmaßnahmen Vermögenswerte entstehen, ist folglich grundsätzlich IAS 16 anwendbar, da die entstehenden Vermögenswerte i. d. R. materieller Natur sind und dem Geschäftsbetrieb langfristig (zumindest länger als ein Jahr) dienen.
6.2.2
Zielsetzung und Anwendungsbereich
Zielsetzung von IAS 16 ist, Bilanzierungsmethoden für Sachanlagen vorzuschreiben, damit Abschlussadressaten zuverlässige Informationen über Investitionen eines Unternehmens in solche Anlagen erhalten (IAS 16.1). Der Standard regelt Ansatz, Bewertung, Ausweis und Anhangsangaben grundsätzlich für alle Sachanlagen. Zur Vermeidung von Normenkonkurrenzen ist der Standard allerdings nicht auf Sachverhalte anzuwenden, deren bilanzielle Behandlung ein anderer IFRS erfordert oder zulässt. IAS 16 schließt explizit seinen Anwendungsbereich auf biologische Vermögenswerte, die mit landwirtschaftlicher Tätigkeit in Zusammenhang stehen (IAS 41), auf Mineralgewinnungsrechte (Abbau- und Schürfrechte) sowie auf die Exploration und Gewinnung von Bodenschätzen, wie Öl, Erdgas und ähnliche nichtregenerative Ressourcen, aus (IAS 16.3). Stehen Sachanlagen mit diesen Vermögenswerten jedoch im Zusammenhang, fallen diese aber wiederum in den Anwendungsbereich des Standards.
236
Im Bereich der Immobilien findet IAS 16 nur auf vom Unternehmen selbst genutzte Immobilien Anwendung. Auf die Bilanzierung von als Finanzinvestition gehaltenen Anlageimmobilien (IAS 40) sowie Handelsimmobilien (IAS 2), die bestimmten Umweltschutzverpflichtungen unterliegen, wird im Folgenden daher nicht eingegangen.
6.2.3
Ansatz von Sachanlagen für den Umweltschutz
6.2.3.1
Ansatzkriterien
Ob Maßnahmen für den Umweltschutz aktivierbar sind, ist anhand der Ansatzkriterien für Vermögenswerte im Allgemeinen und Sachanlagen im Besonderen zu entscheiden. Ein Vermögenswert stellt gem. R. 49a sowie R. 53ff. eine Ressource dar, über die ein Unternehmen aufgrund vergangener Ereignisse verfügt und von der erwartet wird, dass dem Unternehmen aus ihr ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt.942 Zudem müssen die dem Vermögenswert zuzurechnenden Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zuverlässig ermittelbar sein (R. 89). IAS 16.7 wiederholt diese Voraussetzungen für Vermögenswerte des Sachanlagevermögens ohne Veränderungen. Die erneute Definition von Vermögenswerten in IAS 16 ist daher rein deklaratorisch und dient lediglich der Vollständigkeit des Standards. Notwendige Bedingung für einen Nutzenzufluss ist, dass der zugrundeliegende Vermögenswert dem Unternehmen zuzurechnen ist. Ein Grad der Wahrscheinlichkeit, mit der ein künftiger Nutzen zufließen muss, wird im Normenwerk der IFRS – ähnlich wie bei den Rückstellungen – nicht gegeben. Die in der vor dem Improvement Project geltenden Fassung des IAS 16 geforderte hinreichende Sicherheit (IAS 16.9 (1998)) wird nicht mehr verlangt. Aus einer analogen Interpretation zur Wahrscheinlichkeitsbestimmung bei Erstattungsansprüchen ist nach der hier vertretenen Auffassung dennoch die Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses erst gegeben, wenn er so gut wie sicher ist (> 90%), auch wenn IAS 37 keine standardübergreifende Wirkung entfaltet.943 In der Literatur werden Wahrscheinlichkeiten von 50% bis 80% gefordert.944 Fraglich ist, ob Ausgaben für den Umweltschutz überhaupt einen künftigen Nutzen generieren und damit die Ansatzvoraussetzung für Vermögenswerte erfüllen. Eine Pumpanlage, die ausschließlich dazu dient, in der Vergangenheit verursachte Umweltschäden an ihrer weiteren
942 943 944
Näher hierzu siehe Kap. 3.2.6.1. Näher hierzu siehe Kap. 6.1.5.5. Vgl. Graumann (2004), S. 710; Scheinpflug (2004), § 4 Rz 211.
237
Verbreitung zu hindern, stellt für das Unternehmen an sich keinen künftigen Nutzen dar, da mit dieser Anlage direkt keine künftigen Cashflows verbunden sind. Andererseits würde das Unternehmen ggf. stillgelegt werden, sollte es behördliche Anweisungen zur Betreibung der Anlage ignorieren. Insofern können nur mit Hilfe der Pumpanlage andere Vermögenswerte oder ganze wirtschaftliche Einheiten zukünftige Cashflows erzielen. Die Umweltschutzmaßnahme erlaubt dem Unternehmen folglich, einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen aus den in Beziehung stehenden Vermögenswerten zusätzlich zu dem Nutzen zu ziehen, der ohne die Ausgaben möglich gewesen wäre. Der Nutzenzufluss erfolgt somit indirekt, da durch den Erwerb der Anlage die Lebensdauer, Kapazität, Sicherheit oder Wirtschaftlichkeit anderer Vermögenswerte des Unternehmens (über ihren ursprünglich angesetzten Leistungsmaßstab hinaus) erhöht bzw. verbessert wird. Zudem vermindern sich im Zuge des zukünftigen Geschäftsbetriebs zu erwartende Umweltbeeinträchtigungen und dadurch möglicherweise entstehende Nachteile und Kosten.945 Aus diesem Grund stellt IAS 16.11 klar, dass ein künftiger Nutzen auch dann entsteht, wenn Sachanlagen aus Gründen des Umweltschutzes angeschafft oder hergestellt werden. Erfolgt die Anschaffung oder Herstellung von Maschinen oder technischen Anlagen aus Umweltschutzgründen, z. B. um den auf dem Gebiet des Umweltrechtes bestehenden Gesetzen und Vorschriften zu genügen, sind solche Anschaffungen zu kapitalisieren, wenn insgesamt ein Nutzenzuwachs unterstellt werden kann.946 In der Regel ist dies der Fall, wenn die Ausgaben getätigt werden, um potenzielle Schäden zu verhindern oder zu begrenzen (Anpassungsmaßnahmen).947 Der aus solchen Vermögenswerten entstehende Buchwert ist jedoch auf eine Wertminderung gem. IAS 36 zu überprüfen.948 Umweltschutzmaßnahmen, die keinerlei zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen stiften, dürfen nicht aktiviert werden. Sie sind direkt erfolgswirksam zu erfassen. Nach der Empfehlung der EU-Kommission zur bilanziellen Abbildung von Umweltsachverhalten sind Maßnahmen zur bloßen Wiederherstellung eines vor der Schädigung gegebenen Umweltzustandes (z. B. Behebung von Umweltlasten aus früheren Perioden) nicht zu aktivieren.949 Meines Erachtens ist hier stets zu untersuchen, ob diese Maßnahmen ausschließlich Vergangenheitscharakter haben. Es ist im Einzelfall zu entscheiden, ob solche Maßnahmen lediglich das ehemalige Nutzenpotenzial bereits vorhandener Vermögenswerte wiederherstellen oder einen künftigen 945 946 947 948 949
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 38. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 38; Berndt (2001), S. 1732. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 38. Näher hierzu siehe Kap. 6.3. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 38.
238
Nutzenzuwachs generieren. So kann beispielweise der Nutzen eines zuvor belasteten Grundstück nach einer Luxussanierung deutlich erhöht werden. Das Kriterium der verlässlichen Ermittlung der Anschaffungs- respektive Herstellungskosten ist bei Umweltschutzmaßnahmen, wie z. B. der (Pump-)Anlage, erfüllt, wenn im Rahmen des Erwerbsvorganges bzw. seiner Herstellung Belegnachweise vorliegen.
6.2.3.2
Komponentenansatz
Sachanlagen (aus Umweltschutzmaßnahmen) bestehen regelmäßig aus wesentlichen und weniger wesentlichen Bestandteilen. Weisen einzelne Bestandteile unterschiedliche Nutzungsdauern auf bzw. verfügen sie über einen unterschiedlichen Wertminderungsverlauf, der unterschiedliche Abschreibungsverfahren rechtfertigt, vermittelt eine separate Aktivierung der einzelnen wesentlichen Komponenten – dem Normenwerk der IFRS folgend – dem Investor bessere Informationen über den Wert der Sachanlage. Nach diesem Komponentenansatz sind die Ausgaben für einen Vermögenswert auf seine Bestandteile aufzuteilen und jeder der Bestandteile einzeln anzusetzen und zu bewerten (IAS 16.13; IAS 16.43ff.).950 Bedingung für die separate Aktivierung ist, dass in Bezug auf die Anlagenteile die allgemeinen Aktivierungsvoraussetzungen des IAS 16.7 erfüllt sind.951 Daneben ist der Wesentlichkeitsaspekt der IFRS zu beachten, so dass eine Bilanzierung einzelner Komponenten einer Sachanlage nur unter Beachtung des Wesentlichkeitsgrundsatzes in Betracht kommt. Unwesentliche Bestandteile sind in einer Restposition zusammenzufassen. Müssen wesentliche Bestandteile (z. B. Schlammpressen einer Kläranlage) in regelmäßigen Zeitabständen – z. B. aufgrund behördlicher Anordnungen – ausgetauscht und ersetzt werden, weil ihre Nutzungsdauer kürzer ist als die der restlichen Anlage, sind die Bestandteile als eigenständige Vermögenswerte zu aktivieren und separat über ihre (verkürzte) Nutzungsdauer abzuschreiben. Der Austausch bzw. die Erneuerung eines Bestandteils ist buchhalterisch wie ein Abgang mit anschließendem Erwerbsvorgang zu behandeln. Auf der einen Seite tragen die IFRS mit dem Komponentenansatz dem unterschiedlichen Nutzungsverlauf Rechnung. Der Investor hat einen besseren Einblick in die Vermögens- wie auch Ertragslage (Abschreibungen) des Unternehmens. Andererseits verfolgen die IFRS damit eine Tendenz zur „Atomisierung“952 von Vermögenswerten. Eine zu weit gehende 950 951 952
Vgl. Hoffmann/Lüdenbach (2004), S. 375ff.; Graumann (2004), S. 709f. Vgl. Graumann (2004), S. 714f. Vgl. Hoffmann (2005a), § 8 Rz. 45.
239
Interpretation des Komponentenansatzes erscheint nicht nur unpraktikabel, sondern unterläuft ohne entsprechende Maßstäbe zur Kostenaufteilung den Objektivierungszweck.953 Zudem ist fraglich, ob tatsächlich eine realistischere Darstellung der Vermögens- und Ertragssituation erreicht wird. Die Komplexität steht nach der hier vertretenen Auffassung für den Abschlussadressaten im Widerspruch zur Informationsfunktion. Beispiel: Eine Filteranlage wird für 300.000 € angeschafft und linear über 20 Jahre abgeschrieben. Auf den eingebauten Filter entfallen 100.000 € inklusive Entsorgungskosten. Er hat eine Nutzungsdauer von fünf Jahren. Nach dem dritten Jahr ist der eingebaute Filter so verrußt, dass er entsorgt werden muss. Ein neuer Filter kostet 120.000 €. Der Restbuchwert des Filters nach dem dritten Jahr in Höhe von 40.000 € ist auszubuchen. Dafür sind nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 120.000 € einzubuchen. Der Buchwert der Filteranlage steigt netto um 80.000 €. Eine Hinzuaktivierung von 80.000 € bedeutet im Normenwerk der IFRS eine Erhöhung des Nutzungspotenzials um ebendiesen Wert. Ohne den Tausch des Filters könnte die Anlage nicht mehr betrieben werden, ohne die Anlage ggf. die gesamte Produktion nicht mehr. Insofern hat der neue Filter das Nutzenpotenzial erhöht. Die Gesamtnutzungsdauer der Anlage hat sich durch den Tausch des Filters aber nicht erhöht, sie beträgt immer noch 20 Jahre. Werden die Filter alle fünf Jahre regelmäßig getauscht und verrußt ein Filter im 17. Jahr, ist unter Beachtung obigen Beispiels über eine außerplanmäßige Abschreibung des neuen Filters nachzudenken, da dieser mit der Anlage nur noch drei Jahre genutzt werden kann. Das künftige Nutzenpotenzial rechtfertigt dann keine Aktivierung von 80.000 € mehr.954
6.2.3.3
Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten
Das IASB grenzt über die Erhöhung des bestehenden Nutzungspotenzials nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten von bloßen Erhaltungsaufwendungen ab. Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten für eine bereits vorhandene Sachanlage sind zu aktivieren, wenn es wahrscheinlich ist, dass dem Unternehmen über die ursprünglich bemessene Ertragskraft des vorhandenen Vermögenswertes hinaus ein zusätzlicher künftiger wirtschaftli953 954
Vgl. Hoffmann/Lüdenbach (2004), S. 376. Da für eine Wertminderung nach IAS 36 regelmäßig nicht der Wert der Anlage, sondern der Wert der mit der Anlage verbundenen zahlungsmittelgenerierenden Einheit relevant ist, hat unter bestimmten Umständen eine außerplanmäßige Abschreibung zu unterbleiben. Dies führt nicht zu einer besseren Einsicht in die Vermögens- und Ertragslage. Näher hierzu siehe Kap. 6.3.
240
cher Nutzen zufließen wird (IAS 16.12ff.).955 Das Nutzenniveau erhöht sich z. B. durch Umweltschutzmaßnahmen zur Verlängerung der Nutzungsdauer, Verbesserung von Anlageteilen, Steigerung von Qualitäts- oder Umweltstandards oder durch verminderte Umweltbelastungen.956 Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind dem Buchwert einer schon bilanzierten Sachanlage nach Maßgabe der IAS 16.12ff. hinzuzurechnen (Aktivierungspflicht). Erhöhen nachträgliche Ausgaben nicht das Nutzenpotenzial des bereits vorhandenen Vermögenswertes, sind sie in der Periode, in der sie anfallen, gewinnmindernd als Aufwand zu erfassen.957 Insbesondere sind Reparatur- oder Instandhaltungskosten von Pump- oder Filteranlagen sofort erfolgswirksam zu behandeln (IAS 16.12).958 Sie werden getätigt, um den künftigen wirtschaftlichen Nutzen der Anlage zu bewahren, den ein Unternehmen aus der ursprünglich veranschlagten Ertragskraft des Vermögenswertes erwarten kann.
6.2.3.4
Großinspektionen und Generalüberholungen
Für Pump- oder Filteranlagen bestehen oftmals gesetzliche oder behördliche Auflagen zur jährlichen Wartung oder Großinspektion bzw. Generalüberholung in größeren Zeitintervallen. Fraglich ist, ob und ggf. wie diese Kosten aktiviert werden können. Es sind daher die allgemeinen Grundsätze zur Bilanzierung von Sachanlagen zu untersuchen. Eine Aktivierung ist zum einen geboten, wenn die Wartung bzw. Generalüberholung die Voraussetzungen für die Komponentenbilanzierung erfüllt (IAS 16.13 i. V. m. IAS 16.43). Dafür muss es sich bei der Wartung respektive Generalüberholung um eine wesentliche Komponente eines Vermögenswertes handeln, die sich in ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer wesentlich von anderen Komponenten unterscheidet. Da laufende Wartungen nicht wesentlich sind, kommt eine Komponentenbilanzierung regelmäßig nicht in Betracht. Dagegen kann aber eine Aktivierung für Aufwendungen aus Großinspektionen und Generalüberholungen aufgrund des Komponentenansatzes geboten sein (IAS 16.14), sofern sie wesentlich sind. Eine Aktivierung ist auch dann vorzunehmen, wenn die Kosten als nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten qualifiziert werden. Dafür muss es wahrscheinlich sein, dass dem Unternehmen ein mit dem Vermögenswert Großinspektion respektive Generalüberho955 956 957 958
Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 993; Baetge/Beermann (1999), S. 342. Ähnlich Graumann (2004), S. 714. Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 993. Vgl. Baetge/Beermann (1999), S. 342f.
241
lung verbundener künftiger Nutzen zufließen wird und sich der Betrag der Ausgaben hierfür zuverlässig ermitteln lässt. Das gegenwärtige Nutzenpotenzial muss dabei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erhöht werden.959 Nach IAS 16.14 sind Aufwendungen, die während der Nutzungsdauer eines Vermögenswertes in regelmäßigen Zeitabständen für Großinspektionen oder Generalüberholungen anfallen und eine weitere Nutzung des Vermögenswertes erst ermöglichen, regelmäßig als Anschaffungskosten zu aktivieren und über die Restlaufzeit abzuschreiben. Sind die Ansatzvoraussetzungen erfüllt, werden Großinspektionen oder Generalüberholungen grundsätzlich bereits bei der Anschaffung oder Herstellung als gesonderte Komponente aktiviert und planmäßig abgeschrieben, sofern dies bei Anschaffung eines Vermögenswertes bekannt ist. In diesem Fall ist die Komponente Großinspektion z. B. über zwei Jahre, die der Anlage über zehn Jahre abzuschreiben. Zum Zeitpunkt der Großinspektion ist die alte Komponente Großinspektion vollständig abzuschreiben oder auszubuchen und danach die neue Komponente Großinspektion zu aktivieren. Beispiel: Die Anschaffungskosten einer Kläranlage mit einer Nutzungsdauer von zehn Jahren betragen 15 Mio. € (lineare Abschreibung). Im Zeitpunkt der Herstellung werden die anfallenden Kosten notwendiger Großinspektionen bzw. Generalüberholungen, die alle zwei Jahre durchzuführen sind, auf 2,5 Mio. € geschätzt. Diese Kosten sind als eigener Bestandteil zu aktivieren und über ihre Nutzungsdauer von zwei Jahren abzuschreiben. Der Buchwert beträgt 17,5 Mio. €. Die jährliche Abschreibung beträgt somit 1/10 × 15 Mio. € + 1/2 × 2,5 Mio. € = 2,75 Mio. €, der Buchwert nach einem Jahr folglich 14,75 Mio. €. Für die Kosten aus der Generalüberholung der Kläranlage darf aber keine Rückstellung gebildet werden, da es dem Unternehmen an einer entsprechenden gegenwärtigen Verpflichtung fehlt. Trotz einer ggf. vorhandenen rechtlichen Verpflichtung zur Generalüberholung könnte sich das Unternehmen dieser entziehen. Zum Beispiel könnte es die Anlage vor dem Erreichen des zweiten Nutzungsjahres verkaufen, wodurch die Kosten für die Überholung nicht mehr von ihm zu tragen wären.960
959 960
Vgl. Graumann (2004), S. 711. Siehe auch Kap. 6.1.4.2.
242
Werden die Ansatzkriterien nicht erfüllt, stellen die Wartungen bzw. Generalüberholungen Erhaltungsaufwendungen dar, die nicht zu aktivieren sind (IAS 16.12). Diese Kosten sind grundsätzlich als Aufwand der Periode zu erfassen. Eine trennscharfe Differenzierung zwischen Wartungen und Generalüberholungen ist in der Theorie schwierig, in der Praxis nahezu unmöglich. Es bleibt ein subjektiver Ermessensspielraum, den insbesondere der Abschlussprüfer des Unternehmens kritisch zu würdigen hat.
6.2.4
Bewertung von Sachanlagen für den Umweltschutz
Die Bewertung von Sachanlagen hängt entscheidend davon ab, ob sie im Geschäftsjahr zugegangen sind (Erstbewertung) oder dem Unternehmen schon länger als eine Periode dienen und somit eine Folgebewertung durchzuführen ist.
6.2.4.1
Bewertung beim erstmaligen Ansatz
Nach IAS 16.15ff. sind Vermögenswerte des Sachanlagevermögens beim erstmaligen Ansatz mit ihren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu bewerten. Dabei stellen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den zum Erwerb oder zur Herstellung eines Vermögenswertes entrichteten Betrag an Zahlungsmitteln oder Zahlungsmitteläquivalenten bzw. den beizulegenden Zeitwert einer anderen Entgeltform (z. B. Tausch) zum Zeitpunkt des Erwerbes oder der Herstellung dar (IAS 16.6; IAS 16.23).
6.2.4.1.1 Bestandteile der Anschaffungs- oder Herstellungskosten 6.2.4.1.1.1 Anschaffungspreis und -nebenkosten Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Vermögenswerte des Sachanlagevermögens umfassen nach IAS 16.16 zunächst – ähnlich wie nach HGB – den Kaufpreis sowie alle direkt zurechenbaren Kosten, die anfallen, um den Vermögenswert in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen (Anschaffungsnebenkosten). Sie sind um Anschaffungspreisminderungen zu kürzen. Explizit definiert IAS 16 nur den Begriff der Anschaffungskosten, nicht aber den der Herstellungskosten. Nach IAS 16.22 folgt aber die Ermittlung von Herstellungskosten für selbsterstellte Vermögenswerte denselben Grundsätzen, die bei der Anschaffung angewendet werden. Insofern schließt IAS 16 auch Herstellungskosten in den Begriff der Anschaffungskosten ein. Hinsichtlich des Umfanges der Herstellungskosten für Vermögenswerte des Sachanlagever-
243
mögens verweist IAS 16 auf IAS 2. Danach ist das Ermittlungsverfahren der Herstellungskosten für Sachanlagevermögen und Vorräte identisch.961 Neben dem bisher dem HGB ähnelnden Inhalt des Begriffes der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten bestehen für Sachanlagen zwei Besonderheiten, die im Folgenden vorgestellt werden. Weitere Kosten sind nach IAS 16.19 nicht in die Anschaffungs- oder Herstellungskosten einzubeziehen.
6.2.4.1.1.2 Fremdkapitalkosten Fremdkapitalkosten stellen nach IAS 23.4 Zinsen und weitere in Zusammenhang mit der Aufnahme von Fremdkapital anfallende Kosten des Unternehmens (z. B. Nebenkosten der Kapitalaufnahme oder weitere Finanzierungskosten) dar. Grundsätzlich sind diese Kosten als Periodenaufwand ergebniswirksam zu behandeln. Nach IAS 23.10ff. besteht aber für Fremdkapitalkosten, die direkt dem Erwerb, Bau oder der Herstellung eines qualifizierten Vermögenswertes zugeordnet werden können, die Möglichkeit einer Aktivierung. Die Voraussetzung eines qualifizierten Vermögenswertes ist gegeben, wenn für seine Versetzung in einen betriebsbereiten bzw. verkaufsfähigen Zustand ein beträchtlicher Zeitraum erforderlich ist (z. B. Bau von Kläranlagen).962 Wird von dem Wahlrecht der Aktivierung Gebrauch gemacht, ist es stetig für alle qualifizierten Vermögenswerte anzuwenden (IAS 8.13).
6.2.4.1.1.3 Abbruch- und Wiederherstellungskosten Unternehmen, die z. B. Müllverbrennungs- oder Abwasseranlagen betreiben, werden nach Ende der Nutzung der Bodenflächen regelmäßig zur Wiederherstellung des Standortes vertraglich oder gesetzlich verpflichtet. Schon bei Kauf bzw. vor Aufnahme der Produktion ist sicher, dass nach Beendigung der Nutzung Abbruch-, Beseitigungs- oder Wiederherstellungskosten anfallen werden. Diese geschätzten Kosten aus privat- oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen stellen nach IAS 16.16c Anschaffungskosten des erworbenen Grund und Bodens dar. Ziel ist, die gesamten anfallenden Kosten über das Instrument der Abschreibung auf die Nutzungsdauer zu verteilen und so den Aufwand in den einzelnen Perioden den entsprechenden Erlösen gegenüberzustellen (matching principle). Da sich das Unternehmen diesen Kosten i. d. R. nicht
961 962
Vgl. Graumann (2004), S. 711ff. Näher zur Einbeziehung von Fremdkapitalkosten siehe Graumann (2004), S. 713.
244
entziehen kann, liegen gleichzeitig die Voraussetzungen für eine Rückstellungsbildung nach IAS 37 vor.963 Die Rückstellung ist mit ihrem Barwert anzusetzen, da die zugrundeliegende Verpflichtung langfristig ist. Die Aktivierung der Kosten erfolgt als Gegenbuchung zur Rückstellung, so dass es im Jahr der Anschaffung der Bodenfläche zu einer klassischen Bilanzverlängerung kommt. Eine anfängliche Erfolgsneutralität bleibt gewahrt.964 Wegen des höheren Abschreibungspotenzials des Vermögenswertes wirkt die Regelung wirtschaftlich wie eine Ansammlungsrückstellung.965 Beispiel: Die Genehmigung einer Müllverbrennungsanlage beinhaltet die Verpflichtung der Standortwiederherstellung, deren Kosten auf ca. 50 Mio. € geschätzt werden. Es ist geplant, die Anlage 30 Jahre zu betreiben. Zunächst ist der Barwert der Kosten zum Anschaffungszeitpunkt zu ermitteln. Bei einem angenommenen Diskontierungszinsfuß von 5,5% p. a. sind dies ca. 10,03 Mio. € (50 Mio. € : 1,05530). Die Kosten werden als Nebenkosten der Anschaffung aktiviert; in gleicher Höhe wird eine Rückstellung nach IAS 37 dotiert. Eine Wertminderung ist nicht vorzunehmen, da die Entsorgungsverpflichtung ein Nutzenpotenzial verkörpert. Die Inbetriebnahme ist nur unter der Restriktion der Entsorgung möglich. Zudem werden die Entsorgungskosten bei den späteren Kippgebühren regelmäßig eingepreist. Verpflichtungen, die während der Nutzung eines Vermögenswertes für die Produktion von Vorratsvermögen entstehen, sind hiervon ausgeschlossen; diese werden über die Anwendung des IAS 2 den Vorräten zugerechnet (IAS 16.16c).966 Im Standard nicht geregelt ist die Behandlung einer nachträglichen Verpflichtung zum Abbruch bzw. zur Beseitigung oder Wiederherstellung (z. B. durch eine Verschärfung von Umweltgesetzen). Auch hier liegt zumindest eine indirekte Nutzenerhöhung vor, denn ohne Befolgung der nachträglichen Verpflichtung könnten ggf. überhaupt keine Erträge mehr erzielt werden (z. B. aufgrund einer behördlichen Anordnung zur Schließung der Anlage in diesem Fall). Es ist daher wahrscheinlich, dass dem Unternehmen über die zunächst bemessene Ertragskraft des Vermögenswertes ein zusätzlicher künftiger Nutzen zufließen wird. Demzufolge liegen nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten vor, die dem Vermö963 964 965
Näher hierzu siehe Kap. 6.1.4.2. So auch Graumann (2004), S. 710. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 568. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Abschreibung keine Auswirkung auf das EBITDA hat, während eine Ansammlungsrückstellung das operative Ergebnis belastet. 966 Vgl. Zülch (2004), S. 157f.
245
genswert hinzuzurechnen sind. Da die Restnutzungsdauer des Vermögenswertes in Bezug auf die anfängliche Nutzungsdauer sehr viel kürzer sein kann, ist allerdings zu überprüfen, ob die Hinzuaktivierung einen Wertminderungstest erforderlich macht, da das künftige Nutzenpotenzial nicht mehr (in voller Höhe) erreicht wird.967
6.2.4.2
Folgebewertung
Für die Folgebewertung (IAS 16.29ff.) von Vermögenswerten für den Umweltschutz bestehen zwei Möglichkeiten. Zum einen kann die Folgebewertung nach der Anschaffungskostenmethode vorgenommen werden, zum anderen kann der Vermögenswert neubewertet werden. IAS 16 lässt die Frage nach einem Wechsel zwischen den beiden Methoden unbeantwortet. Ein willkürlicher Wechsel ist aber nicht zulässig, da ansonsten gegen die qualitative Anforderung der Vergleichbarkeit und somit gegen den Stetigkeitsgrundsatz verstoßen würde.968 Andererseits sollte ein Wechsel grundsätzlich möglich sein, wenn er dem Abschlussadressaten einen besseren Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erlaubt. Im Rahmen der Folgebewertung des Sachanlagevermögens sind jährlich die Abschreibungsgrundlagen zu überprüfen, und zwar die Abschreibungsmethode, die Nutzungsdauer und der Restwert des betrachteten Vermögenswertes (IAS 16.51 i. V. m. IAS 16.61). Änderungen der Abschreibungsmethode sind stets als Änderungen von Schätzungen im Einklang mit IAS 8.32ff. zu behandeln.
6.2.4.2.1 Fortführung der Anschaffungs- und Herstellungskosten Nach der Anschaffungskostenmethode sind die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten für einen Vermögenswert – analog zur Vorgehensweise des HGB – anzusetzen (IAS 16.31), wobei die kumulierten Abschreibungen und Wertminderungsaufwendungen wie auch Wertaufholungen zu berücksichtigen sind. Die Bewertung zu fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten stellt für deutsche Unternehmen immer noch den Regelfall in der IFRS-Bilanzierungspraxis dar.969 Dies hängt sicherlich auch mit dem Nachteil höherer Abschreibungen in den Folgeperioden bei der Neubewertungsmethode zusammen.
967 968 969
So auch Heuser/Theile (2005), Rz. 570. Näher hierzu siehe Kap. 6.3. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 592; Hoffmann (2005a), § 8 Rz. 78. Vgl. von Keitz (2003), S. 1805.
246
6.2.4.2.2 Neubewertung Abweichend vom Anschaffungskostenprinzip können Vermögenswerte nach dem erstmaligen Ansatz am Bilanzstichtag mit ihrem Neubewertungsbetrag angesetzt werden, der ihrem beizulegenden Zeitwert zum Neubewertungszeitpunkt abzüglich nachfolgender kumulierter planmäßiger und außerplanmäßiger Abschreibungen entspricht (IAS 16.31). Voraussetzung ist, dass der beizulegende Zeitwert verlässlich bestimmt werden kann. Dieser Wert liegt i. d. R. über den ursprünglichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. Das Neubewertungsmodell hat den Vorteil, dass gegenwartsbezogene Werte abgebildet werden und nicht – wie beim Anschaffungskostenprinzip – vergangenheitsbezogene Werte.970 Der beizulegende Zeitwert stellt den Betrag dar, zu dem ein Vermögenswert zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern getauscht werden könnte (IAS 16.6). Dabei wird grundsätzlich die Existenz eines aktiven Marktes als gegeben unterstellt.971 Hinsichtlich der Bestimmung des beizulegenden Zeitwertes ist von der gegenwärtigen Nutzung des Vermögenswertes auszugehen.972 Der beizulegende Zeitwert von Grundstücken und Gebäuden ist i. d. R. der Marktwert, zu dessen Ermittlung grundsätzlich hauptamtliche Gutachter herangezogen werden sollten (IAS 16.32). Sind Marktwerte aufgrund bestimmter Eigenschaften des Vermögenswertes nicht zu ermitteln, kommen subsidiär fortgeführte Wiederbeschaffungskosten in Betracht. Eine Neubewertung hat hinreichend regelmäßig zu erfolgen, damit der bilanzielle Wertansatz vom aktuellen Marktwert nicht wesentlich abweicht (IAS 16.31). Die Häufigkeit von Neubewertungen hängt von der Volatilität des beizulegenden Zeitwertes der Sachanlage ab (IAS 16.34). Eine erneute Bewertung wird nötig, wenn beizulegender Zeitwert und Buchwert eines neu bewerteten Vermögenswertes wesentlich voneinander abweichen. Unterliegen Sachanlagen hinsichtlich des Zeitwertes starken Wertschwankungen, ist eine jährliche Neubewertung erforderlich. Ändert sich der Zeitwert über Jahre dagegen nur unwesentlich, ist eine Neubewertung alle drei bis fünf Jahre ausreichend (IAS 16.34). Alle Vermögenswerte einer Gruppe sind gleichzeitig auf den beizulegenden Zeitwert neu zu bewerten (IAS 16.36). Eine Gruppe von Sachanlagen stellt eine Zusammenfassung mehrerer Vermögenswerte gleicher bzw. ähnlicher Art und Verwendung im Unternehmen dar, wie z. B. (unbebaute) Grundstücke, Gebäude oder Maschinen (IAS 16.37). Die Neubewertung ganzer 970 971 972
Vgl. Hoffmann (2005a), § 8 Rz. 12. Vgl. Engel-Ciric (2002), S. 782. Vgl. Schmidt (1998), S. 809.
247
Gruppen ist notwendig, um eine selektive Neubewertung und eine Mischung aus fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten und Neubewertungsbeträgen im Abschluss zu vermeiden (IAS 16.38). Führt die Neubewertung zu einer Aufwertung, ist der Unterschiedsbetrag nach IAS 16.39 erfolgsneutral in Höhe der erwarteten künftigen positiven Erfolgsbeiträge aus der Nutzung bzw. dem Verkauf des Vermögenswertes in eine Neubewertungsrücklage im Rahmen des Eigenkapitals einzustellen.973 Eine erfolgswirksame Behandlung dieses Aufwertungsbetrages kommt nur insoweit in Betracht, wie frühere neubewertungsbedingte Abwertungen ausgeglichen werden. Gleichermaßen ist eine aufgrund der Neubewertung vorzunehmende Abwertung des Vermögenswertes zunächst gegen Beträge der früher gebildeten Neubewertungsrücklage zu verrechnen, die aus einer vorangehenden Aufwertung des gleichen Vermögenswertes herrührt. Die Rücklage wird erfolgsneutral aufgelöst. Ist der Abwertungsbedarf höher als der Betrag, der in der Neubewertungsrücklage für diesen Vermögenswert enthalten ist, ist der die Rücklage übersteigende Betrag als Aufwand erfolgswirksam zu erfassen (IAS 16.40). Bezüglich des Zeitpunktes der Auflösung einer Neubewertungsrücklage (z. B. bei Stilllegung oder Veräußerung des entsprechenden Vermögenswertes) besteht nach IAS 16.41 grundsätzlich ein Wahlrecht: Zum einen kann die Neubewertungsrücklage nach Realisierung erfolgsneutral den Gewinnrücklagen zugeführt werden. Zum anderen ist jedoch auch eine Teilrealisierung der Neubewertungsrücklage während der Nutzungszeit der Sachanlage möglich. Da die Neubewertung grundsätzlich im Vergleich zur Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten zu höheren planmäßigen Abschreibungen führt, kann in Höhe des Differenzbetrages die gebildete Rücklage bereits während der Nutzungsdauer aufgelöst werden. Ein Teil der Rücklage kann daher bereits bei Nutzung des Vermögenswertes übertragen werden. Diese Vorgehensweise erfüllt nach Literaturauffassung besser den Informationszweck des IFRSAbschlusses und ist auch konsistent mit den Regelungen des IAS 36 zur Erfassung von außerplanmäßigen Abschreibungen bei neubewerteten Sachanlagen.974 Bilanzpolitische Möglichkeiten können sich im Rahmen der Neubewertung des Sachanlagevermögens dadurch ergeben, dass die Wertfindungsmethode sowie die Häufigkeit der Neu-
973
Die aus der Neubewertung resultierenden Effekte auf die Ertragsteuern (latente Steuern) werden nach IAS 12 erfasst (IAS 16.42). Hierauf wird im weiteren Verlauf der Arbeit nicht eingegangen. 974 Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 609.
248
bewertung in weiten Teilen dem subjektiven Ermessen des Bilanzierenden überlassen werden. Durch die Neubewertung von Sachanlagen wird zwar nicht das Jahresergebnis beeinflusst, da Auf- bzw. Abwertungen grundsätzlich erfolgsneutral zu erfassen sind.975 Dennoch besteht aufgrund nur schwer objektiv nachprüfbarer Zeit- bzw. Marktwerte Spielraum, auf die Vermögens- und Kapitalstruktur je nach bilanzpolitischen Zielen einzuwirken. Ceteris paribus ergibt sich aus einer Neubewertung von Vermögenswerten neben einer klassischen Bilanzverlängerung zumindest eine höhere bilanzielle Eigenkapitalquote.976 Das Eigenkapital in Form der Neubewertungsrücklage wird grundsätzlich relativ zum Fremdkapital (in Form der auf die Neubewertung entfallenden latenten Steuern) erhöht, wenn der der Berechnung der latenten Steuern zugrunde gelegte Steuersatz kleiner als 50% ist. Durch die Bewertung von Vermögenswerten zum fair value wird die im Vergleich zur Bewertung nach HGB geringe Bedeutung des Vorsichtsprinzips deutlich.
6.2.4.2.3 Planmäßige Abschreibung Im IFRS-Normenwerk sollen mit dem Ansatz von Vermögenswerten Nutzenpotenziale zum Ausdruck gebracht werden. Dabei reflektiert die planmäßige Abschreibung den zeitlichen Verlauf der Nutzenabgabe.977 Soweit der wirtschaftliche Nutzen eines Vermögenswertes oder einer wesentlichen, einzeln aktivierten Komponente978 (IAS 16.43f.) vom Unternehmen verbraucht wird, wird sein bzw. ihr Buchwert durch Berücksichtigung einer planmäßigen Abschreibung verringert, um diesen Verbrauch bilanziell abzubilden. Neben dem Verbrauch können auch andere Faktoren wie technische Veralterung oder Verschleiß den erwarteten verfügbaren Nutzen mindern (IAS 16.56). IAS 16.50 verlangt analog zu § 253 Abs. 2 HGB eine systematische Verteilung des Abschreibungsvolumens eines Vermögenswertes über dessen Nutzungsdauer. Das gesamte Abschreibungsvolumen stellt nach IAS 16.6 dabei die Differenz zwischen den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. dem Neubewertungsbetrag und einem etwaigen Restwert dar (z. B. Schrottwert eines Filters). Demnach sind die Abschreibungen auf neubewertete Vermögenswerte grundsätzlich höher. Die Abschreibungsmethode sollte die wirtschaftliche Nutzung des
975 976 977 978
Vgl. Baetge/Beermann (1999), S. 345; Engel-Ciric (2002), S. 782. Vgl. Breker/Naumann/Tielmann (1999), S. 147. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 700. Im Folgenden schließt der Begriff Vermögenswert aktivierungsfähige Komponenten ein.
249
Vermögenswertes im Unternehmen widerspiegeln (IAS 16.60).979 Grundsätzlich kommen nach IAS 16.62 die lineare, degressive und leistungsabhängige Abschreibungsmethode in Betracht. Mit der Abschreibung ist zu beginnen, sobald sich die Sachanlage in einem betriebsbereiten Zustand befindet (IAS 16.55). Die Abschreibungen je Periode sind als Aufwand zu erfassen, soweit sie nicht in die Buchwerte anderer Vermögenswerte einzurechnen und bei diesen anderen Vermögenswerten aktivierungspflichtig sind (IAS 16.48). So kann die Abschreibung von technischen Anlagen in die Herstellungskosten von Vorräten einzubeziehen sein. Der Restwert und die Nutzungsdauer einer Sachanlage sind periodisch zu überprüfen. Sofern erhebliche Änderungen im erwarteten wirtschaftlichen Nutzenverlauf eingetreten sind, ist die Methode anzupassen, um den geänderten Verlauf widerzuspiegeln (IAS 16.51). Die planmäßige Abschreibung endet, wenn das gesamte Abschreibungsvolumen verbraucht ist, bei Abgang des Vermögenswertes oder bei Klassifizierung als ein zur Veräußerung gehaltener langfristiger Vermögenswert nach IFRS 5. Wird ein Sachanlagegut (vorübergehend) stillgelegt, ohne aus dem Unternehmen auszuscheiden, ist die planmäßige Abschreibung fortzuführen (IAS 16.55). Grundstücke und Gebäude sind für Rechnungslegungszwecke nach IAS 16.58 als getrennte Vermögenswerte zu behandeln, auch wenn sie zusammen erworben wurden. Grundstücke haben normalerweise eine unbegrenzte Nutzungsdauer und werden deshalb anders als Gebäude nicht planmäßig abgeschrieben. Eine Wertsteigerung des Grundstücks, auf dem ein Gebäude steht, berührt nicht die Bestimmung der Nutzungsdauer des Gebäudes. Bei einer Neubewertung wird das höhere Eigenkapital in diesem Fall nicht über quasi höhere Abschreibungen in den Folgeperioden „erkauft“. Insofern liegt hier eine attraktive Anwendung der Neubewertungsmethode vor.
6.2.5
Stilllegung und Abgänge
Eine Sachanlage ist aus der Bilanz nach IAS 16.67 entweder bei Abgang oder bei fehlendem künftigen wirtschaftlichen Nutzen (z. B. Stilllegung eines kontaminierten Grundstücks) auszubuchen. Besteht keine Pflicht zur Altlastensanierung eines kontaminierten Grundstücks und auch seitens des Unternehmens kein Interesse, eine Sanierung durchzuführen, ist das Grundstück bei Stilllegung bilanziell wertlos. Die Wertlosigkeit bedeutet in diesem Falle die vollständige Ausbuchung. Meines Erachtens sollte es zumindest mit einem Erinnerungswert in 979
Vgl. Baetge/Beermann (1999), S. 343; Gantzkow/Gröner (1998), S. 995.
250
der Bilanz fortgeführt werden, da es ansonsten in praxi schwer möglich ist, später ggf. anfallende Verpflichtungen zur Sanierung diesem kontaminierten Grundstück tatsächlich zuzuordnen. Die aus der Stilllegung der Sachanlage resultierenden Verluste sind erfolgswirksam zu erfassen (IAS 16.68). Sind nicht mehr genutzte Sachanlagen (kontaminierte Grundstücke) dagegen zur Veräußerung vorgesehen, werden sie im Abschluss nach IAS 16.69 i. V. m. IAS 16.67 mit dem Buchwert angesetzt, den sie zu dem Zeitpunkt aufweisen, ab dem sie nicht mehr genutzt werden. Die Anwendung von IFRS 5 ist hier m. E. nicht statthaft, da entgegen IFRS 5.7 eine Veräußerung eines kontaminierten Grundstücks i. d. R. nicht höchstwahrscheinlich ist. Ein kontaminiertes Grundstück, welches ohne Sanierungsmaßnahme zum Verkauf bestimmt ist, weist somit einen höheren Buchwert auf als ein nicht mehr anzusetzendes, stillgelegtes und nicht mehr genutztes Grundstück, welches weiterhin für das Unternehmen bestimmt ist.980 Meines Erachtens wird hier fingiert, dass ein Nutzenzufluss durch den Veräußerungserlös generiert wird, der eine Beibehaltung des Buchwertes rechtfertigen soll. Rein wirtschaftlich macht es jedoch keinen Unterschied, ob das Grundstück brachliegt oder das Management die Behauptung der Veräußerung aufstellt, auch wenn es ggf. gar nicht verkäuflich ist. Es ist in diesem Fall ein gleicher Bilanzansatz unabhängig von der Veräußerungsabsicht zu fordern.
6.2.6
Kritische Würdigung
Im Normenwerk der IFRS spielen zukünftige Ergebnisbeiträge im positiven wie auch negativen Sinn eine entscheidende Rolle, da sie für den Investor entscheidungsrelevant sind. Daher ist für die Aktivierung von Sachanlagen der künftig zu erwartende Nutzenzufluss maßgeblich. Die Rechnungslegung schafft hier den Brückenschlag zur Investitionstheorie. Auf den ersten Blick erscheinen die Bestandteile der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach IFRS recht ähnlich zu denen nach HGB. Ein deutlicher Unterschied zeigt sich jedoch in der Aktivierung von Abbruch-, Beseitigungs- und Wiederherstellungskosten. Durch die Aktivierung der Kosten und deren gleichzeitige Passivierung wird eine Bilanzverlängerung erreicht. Diese bilanzielle Konsequenz tritt insbesondere bei Entsorgungsverpflichtungen auf. Die Erfolgsauswirkung wird über die Abschreibungen der künftigen Perioden erzielt, so dass es im wirtschaftlichen Ergebnis zu den Auswirkungen einer Ansammlungsrückstellung kommt. 980
Wird das Unternehmen noch vor Verkauf zur Sanierung des Grundstücks verpflichtet, kann ein möglicher Ertrag aus dem erwarteten Abgang bei der Rückstellungsbildung für die verpflichtende Sanierung nicht berücksichtigt werden (IAS 37.51f.).
251
Ein deutlicher Unterschied zur HGB-Rechnungslegung wird durch die unter gewissen Bedingungen vorgeschriebene Aktivierung einzelner Anlagekomponenten geschaffen. In der Theorie ist dieses Konzept sinnvoll, um dem Investor grundsätzlich einen detaillierten Einblick in die Vermögensstruktur des Unternehmens zu gewähren. Fraglich ist jedoch, ob er denn in praxi tatsächlich an einer solchen Information interessiert ist. Für einen Investor ist letztlich die Fähigkeit des Unternehmens relevant, Ausschüttungen zu generieren. Die detaillierte Aufgliederung der Komponenten einer Anlage (z. B. Pumpanlage) ist m. E. für dessen Entscheidungen eher von untergeordneter Bedeutung. Zusätzlich schafft der Komponentenansatz in praxi durch unterschiedliche Abgrenzungen oder Wertbestandteile nicht wünschenswerte Bilanzspielräume.981 Das Konzept der Komponentenbilanzierung scheitert in der Praxis und sollte daher abgeschafft werden. Während die Erstbewertung von Umweltanlagen weitestgehend der nach HGB entspricht, schaffen die IFRS durch die Möglichkeit der Neubewertung einen deutlichen Unterschied hinsichtlich der Folgebewertung. Neubewertungen haben den Vorteil, dass sie gegenwartsbezogen und daher in höchstem Maße entscheidungsrelevant sind. Ihnen kommt eine bedeutende Informationsfunktion zu, da der Investor grundsätzlich den fair value des Vermögens und somit ein realistisches Schuldendeckungspotenzial erkennt. Nach HGB hat ein Anteilseigner keine Möglichkeit, diese Informationen zu erhalten. Allerdings bergen Neubewertungen aufgrund von Schätzungen und subjektiven Ermessensentscheidungen ebenfalls die Gefahr von Bilanzierungsspielräumen. Verlässliche – i. S. v. objektiven – Informationen sind daher mitunter nur eingeschränkt möglich.
6.3
Die außerplanmäßige Abschreibung als Instrument zur Berücksichtigung von Umweltschäden – IAS 36
6.3.1
Anwendungsbereich
Planmäßige Abschreibungen werden im IFRS-Normenwerk vorgenommen, um die gewöhnliche Nutzenabgabe von Vermögenswerten darzustellen. Mitunter treten im Geschäftsablauf aber auch Ereignisse auf, die ungewöhnliche Nutzenbeeinträchtigungen hervorrufen. Umweltschäden, wie Bodenverunreinigungen, oder aber auch verschärfte Umweltgesetze führen häufig dazu, dass der Nutzen vorhandener Vermögenswerte stark beeinträchtigt wird.982 Diese Nutzenbeeinträchtigungen machen eine bilanziell abzubildende außerplanmäßige Wertminderung notwendig. 981 982
Näher hierzu siehe Kap. 6.2.3.2. Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 995; Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 38.
252
Ein Standard, der speziell Wertminderungen aus Umweltschädigungen thematisiert, existiert im Normenwerk der IFRS nicht. Daher ist derjenige Standard heranzuziehen, der allgemein Wertminderungen (von Sachanlagevermögen) zum Inhalt hat. Die Berücksichtigung von über planmäßige Abschreibungen hinausgehenden Wertminderungen (auch: außerplanmäßige Abschreibungen) hat für zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten bewertete oder neubewertete Sachanlagen nach den Vorschriften des IAS 36 zu erfolgen (IAS 36.2; IAS 36.5). Nach IAS 16.63 erklärt IAS 36, wie ein Unternehmen den Buchwert eines Vermögenswertes überprüft, wie es den erzielbaren Betrag eines Vermögenswertes ermittelt und wann es einen Wertminderungsaufwand erfasst. IAS 36 konkretisiert auch, wann ein Unternehmen einen Wertminderungsaufwand aufzuheben hat, und schreibt bestimmte Angaben für wertgeminderte Vermögenswerte vor. In diesem Kapitel wird untersucht, wie Wertminderungen aus Umweltschädigungen und etwaige anschließende Wertaufholungen bilanziell zu berücksichtigen sind.983
6.3.2
Zielsetzung
Zielsetzung des IAS 36 ist sicherzustellen, dass Vermögenswerte im Abschluss nicht überbewertet werden (IAS 36.1) und somit die Informationsfunktion des Abschlusses nicht unterlaufen wird. Referenzgrößen stellen dabei zum einen der Buchwert, zum anderen der erzielbare Betrag eines Vermögenswertes dar. Der erzielbare Betrag ist derjenige Betrag, den das Unternehmen als Ertragsrückfluss in der Zukunft durch den Einsatz (Nutzung oder Veräußerung) des Vermögenswertes erwartet.984 Ist der erzielbare Betrag geringer als der Buchwert, hat das Unternehmen einen Wertminderungsaufwand zu erfassen (IAS 36.1). Für Sachanlagen, die aus Umweltschutzgründen erworben wurden (z. B. Filteranlagen), ggf. aber kein den Anschaffungskosten entsprechendes Nutzenpotential aufweisen, bzw. die aufgrund von Umweltschäden im Wert gemindert sind (z. B. kontaminierte Grundstücke), ist grundsätzlich IAS 36 anzuwenden. Bei einem Erwerb einer Sachanlage aus Umweltschutzgründen ist eine logische Sekunde nach Aktivierung zu überprüfen, ob eine Wertminderung vorliegt (IAS 16.11); Grundstücke und Gebäude sowie technische Anlagen sind nach erfolgten Umweltschäden auf Wertminderungen zu untersuchen. 983
Auf im Zusammenhang mit Ab- oder Aufwertungen entstehende latente Steueransprüche oder -schulden nach IAS 12 wird nicht eingegangen. 984 Vgl. Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 53.
253
6.3.3
Wertminderungen
6.3.3.1
Definition und Anzeichen einer Wertminderung
Eine Wertminderung liegt nach IAS 36.8 vor, wenn der Buchwert eines Vermögenswertes seinen erzielbaren Betrag übersteigt. In diesem Fall ist der Buchwert auf den erzielbaren Betrag des Vermögenswertes zu verringern (IAS 36.59). Nach IAS 36.6 ist der erzielbare Betrag der höhere Wert aus dem Nutzungswert und dem Nettoveräußerungswert eines Vermögenswertes. Der Nettoveräußerungswert ist der aus dem Verkauf eines Vermögenswertes erzielbare Erlös abzüglich Veräußerungskosten (IAS 36.6). Der Nutzungswert ist der Barwert der geschätzten künftigen Mittelzuflüsse aus der fortgesetzten Nutzung eines Vermögenswertes zuzüglich des Erlöses aus dem späteren Abgang (IAS 36.5).
Erzielbarer Betrag
Nutzungswert > Nettoveräußerungswert; Nutzungswert > 0 oder Nettoveräußerungswert > 0
Nutzungswert
Abbildung 3:
Nutzungswert < Nettoveräußerungswert; Nutzungswert > 0 oder Nettoveräußerungswert > 0
Nettoveräußerungswert
Erzielbarer Betrag
IAS 36 unterscheidet nicht zwischen einer voraussichtlich dauerhaften und einer lediglich vorübergehenden Wertminderung; die Dauer der Wertminderung ist somit unerheblich.985
985
Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 704; Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 54; Gantzkow/Gröner (1998), S. 995; Selchert/Erhardt (1998), S. 89.
254
Auch bei einer nur vorübergehenden Wertminderung sehen die IFRS – anders als das HGB – eine Abwertungspflicht vor.986 Das Unternehmen hat in einem ersten Schritt an jedem Bilanzstichtag zu beurteilen, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Vermögenswert wertgemindert sein könnte (IAS 36.9). Es ist ein überschlägiger, qualitativer Test durchzuführen.987 Liegt ein solcher Anhaltspunkt vor, ist in einem zweiten Schritt ein förmlicher, quantitativer Wertminderungstest durchzuführen – also nicht grundsätzlich zu jedem Bilanzstichtag.988 Eine Wertminderung hat nur zu erfolgen, wenn es sich um einen wesentlichen Vermögenswert mit wesentlichem Abwertungsbedarf handelt (IAS 36.15).989 Es ist also das Konzept der Wesentlichkeit (R. 29f.) zu beachten. Bei der Ermittlung der qualitativen Anhaltspunkte für eine mögliche Wertminderung sind sowohl externe als auch interne Informationen heranzuziehen (IAS 36.12), da Abschreibungsursachen markt- und objektbezogen definiert sind.990 Für die Thematik der Wertminderung von erworbenen Umweltschutzanlagen bzw. insbesondere von kontaminierten Grundstücken ist zu untersuchen, ob eine außergewöhnliche Minderung des Marktwertes eines Vermögenswertes eingetreten ist, die die normale Wertminderung durch Abnutzung deutlich übersteigt, oder ob während der Berichtsperiode signifikante Veränderungen mit nachteiligen Folgen für das Unternehmen in seinem technischen, ökonomischen oder gesetzlichen Umfeld entstanden sind bzw. noch entstehen werden (z. B. neue, restriktivere Umweltvorschriften). Neben diesen externen Daten können interne Hinweise dafür vorliegen, dass ein Vermögenswert wertgemindert ist, wie z. B. Überalterung, (physische) Beschädigung (Kontamination) oder negative Schätzungsänderungen bei Rohstoffvorkommen. Haben sich während der Berichtsperiode andere signifikante, für das Unternehmen nachteilige Nutzenveränderungen (insbesondere Nichtnutzung) ergeben, liegt ebenfalls ein Anhaltspunkt für eine mögliche Wertminderung vor.
986 987
Vgl. Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 51; Telkamp/Bruns (2000), S. 30. Vgl. Hoffmann (2005b), § 11 Rz. 21. Bei immateriellen Vermögenswerten, die nicht oder noch nicht planmäßig abgeschrieben werden, ist dagegen unabhängig vom Vorliegen dieser Anhaltspunkte immer ein quantitativer Wertminderungstest durchzuführen. Vgl. Hoffmann (2005b), § 11 Rz. 21. 988 Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 730; Hoffmann (2005b), § 11 Rz. 25. 989 Vgl. Kümpel (2002), S. 983; Telkamp/Bruns (2000), S. 24. 990 Vgl. Kümpel (2002), S. 983; Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 51; Kirsch (2002), S. 646; Telkamp/Bruns (2000), S. 24.
255
Wertminderungen sind grundsätzlich sofort erfolgswirksam im Periodenergebnis zu erfassen, (IAS 36.59). Sollte der Vermögenswert jedoch zum Neubewertungsbetrag bewertet sein, ist der Wertminderungsaufwand als eine Abnahme der Neubewertungsrücklage zu behandeln (IAS 36.60). Dabei ist der Wertminderungsaufwand direkt gegen die Neubewertungsrücklage des Vermögenswertes zu verrechnen, soweit er nicht den in der Neubewertungsrücklage erfassten Betrag übersteigt. In der Höhe, in der eine frühere erfolgsneutrale Neubewertung rückgängig gemacht wird, ist die Wertminderung somit erfolgsneutral.991 Beispiel: Ein Grundstück wird im Jahr 01 zu einem Preis von 5 Mio. € angeschafft und mit diesem Wert aktiviert. Das Unternehmen übt für Grundstücke das Wahlrecht der Neubewertung aus. In der Folgeperiode werden Gutachter herangezogen, die den Zeitwert des Grundstücks auf 7 Mio. € taxieren. Im Jahr 03 stellt das Unternehmen fest, dass für das Grundstück aufgrund von Kontaminationen lediglich 4 Mio. € erzielt werden können (Nettoveräußerungspreis). Dieser Wert spiegelt auch den Nutzungswert des Unternehmens wider. Das Unternehmen hat im Jahr 02 eine Neubewertungsrücklage in Höhe von 2 Mio. € gebildet, die im Jahr 03 erfolgsneutral aufzulösen ist. Zusätzlich ist der Buchwert des Grundstücks erfolgswirksam um 1 Mio. € abzuschreiben, da der beizulegende Wert unter die Anschaffungskosten gefallen ist.992
6.3.3.2
Ermittlung des erzielbaren Betrages
Der erzielbare Betrag eines Vermögenswertes wird nach IAS 36 – im Gegensatz zu der eher am Beschaffungsmarkt orientierten Ermittlung des niedrigeren beizulegenden Wertes nach HGB – absatzmarktorientiert bestimmt.993 Er konkretisiert sich hinsichtlich seiner Nutzenerzielung durch Veräußerung oder seiner Generierung von Einnahmen durch Verwendung im Unternehmen. Nach IAS 36.16 ist der erzielbare Betrag definiert als Maximumwert aus Nettoveräußerungswert und Nutzungswert (IAS 36.6).994 Die Bestimmung des erzielbaren Betrages hat durch Vergleich zu erfolgen. Die Maximumausprägung hinsichtlich der beiden Werte ist Folge eines von den IFRS unterstellten rationalen Entscheidungsverhaltens des Managements. Ein Vermögenswert wird i. d. R. veräußert, wenn aus dem Verkauf höhere Rückflüsse zu erwarten sind als aus seiner Weiternutzung. Er wird dagegen weitergenutzt, wenn eine 991 992 993
Vgl. Baetge/Beermann (1999), S. 346. Es wird unterstellt, dass dem Grundstück direkt Mittelzuflüsse zugeordnet werden können. Vgl. Kirsch (2002), S. 646; Selchert/Erhardt (1998), S. 89; ähnlich Gantzkow/Gröner (1998), S. 995; Telkamp/Bruns (2000), S. 31. 994 Vgl. Kirsch (2002), S. 646; Baetge/Beermann (1999), S. 343; Gantzkow/Gröner (1998), S. 995; Telkamp/Bruns (2000), S. 25; Schmidt (1998), S. 811.
256
sofortige Veräußerung unmöglich ist oder nur zu einem geringeren Wert führt.995 Es ist nicht in jedem Fall erforderlich, sowohl den Nettoveräußerungswert als auch den Nutzungswert eines Vermögenswertes zu bestimmen. Übersteigt einer der beiden Werte den Buchwert, besteht kein Anlass für eine Wertminderung (IAS 36.19). Dadurch dass der höhere der beiden Werte maßgeblich für den erzielbaren Betrag ist, wird das Vorsichtsprinzip in seiner handelsrechtlichen Ausprägung auch an dieser Stelle zurückgedrängt. Als Wertuntergrenze für die Buchwerte der einzelnen Vermögenswerte kommt der jeweils höchste der folgenden Beträge in Betracht: •
Nettoveräußerungspreis,
•
Nutzungswert oder
•
null.
Ist der geschätzte Betrag des Wertminderungsaufwandes größer als der Buchwert des Vermögenswertes, ist lediglich eine Abwertung auf null vorzunehmen (IAS 36.62). Negative Buchwerte kommen nicht in Betracht.996 Für den überschießenden Betrag darf bzw. muss nur dann eine Schuld angesetzt werden, wenn dies ein anderer Standard (insbesondere IAS 37) verlangt (IAS 36.62).997 Nach der Erfassung einer Wertminderung für einen Vermögenswert sind die planmäßigen Abschreibungen der Folgeperioden anzupassen, um den berichtigten Buchwert des Vermögenswertes, abzüglich eines etwaigen Restwertes, systematisch über seine Restnutzungsdauer zu verteilen.998 Grundsätzlich ist der erzielbare Betrag für einen einzelnen Vermögenswert zu bestimmen (IAS 36.22). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn dieser Vermögenswert selbst keine Mittelzuflüsse erzeugt, die weitestgehend unabhängig von denen anderer Vermögenswerte oder anderer Gruppen von Vermögenswerten sind. In diesem Fall ist er in die übergeordnete zahlungsmittelgenerierende Einheit einzubeziehen, die das Kriterium des selbstständigen Mittelzuflusses erfüllt. Dieser Ausnahme unterliegen recht viele Sachanlagen für den Umweltschutz, da diese oftmals nur indirekt ein Nutzenpotenzial schaffen.
995 996 997 998
Vgl. Schmidt (1998), S. 811. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 755. Vgl. Hoffmann (2005b), § 11 Rz. 17. Vgl. Schmidt (1998), S. 813.
257
6.3.3.2.1 Nettoveräußerungspreis Der Nettoveräußerungspreis stellt einen Wert dar, der von der Nutzung des Vermögenswertes im Unternehmen unabhängig ist.999 Den besten Hinweis auf einen objektivierten Gegenwartswert gibt ein bindender Verkaufsvertrag. Existiert kein bindender Verkaufsvertrag, wird der Vermögenswert aber auf einem aktiven Markt gehandelt, ist der Nettoveräußerungspreis der aktuelle Marktpreis des Vermögenswertes abzüglich der Veräußerungskosten (IAS 36.26).1000 Ein aktiver Markt liegt vor, wenn die auf dem Markt gehandelten Produkte homogen sind, jederzeit Angebot und Nachfrage besteht und die Preise der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (IAS 36.6). Sind keine aktuellen Marktpreise verfügbar, sind andere Informationen heranzuziehen. Zum Beispiel stellt der Preis der zuletzt durchgeführten Transaktion eine geeignete Grundlage für die Schätzung des Nettoveräußerungspreises dar, wenn zwischen Transaktion und Zeitpunkt der Schätzung keine wesentlichen Veränderungen der Austauschbedingungen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten sind (IAS 36.26). Für nicht verkehrsfähige Vermögenswerte ist der Nettoveräußerungspreis auf der Basis der unter den gegebenen Umständen verfügbaren Informationen zu schätzen (IAS 36.27).1001 Die bestmögliche Schätzung stellt in diesem Fall ein potenziell zwischen vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern erzielbarer Wert abzüglich Veräußerungskosten dar. Der beizulegende Zeitwert abzüglich der Verkaufskosten darf grundsätzlich nicht das Ergebnis eines Zwangsverkaufs widerspiegeln, sofern das Management nicht zum sofortigen Verkauf gezwungen ist (IAS 36.27). Die Vorschriften zum Nettoveräußerungspreis laufen in der Praxis im Zusammenhang mit Bodenkontaminationen häufig ins Leere,1002 denn einen Markt für kontaminierte Grundstücke zu finden erscheint äußerst schwierig. Ein Nettoveräußerungspreis für kontaminierte Grundstücke ist auch anhand anderer Informationen nicht bestimmbar, weil regelmäßig keine Grundlage für eine verlässliche Schätzung des Betrages aus dem Verkauf des Vermögenswertes zu Marktbedingungen zwischen sachverständigen und vertragswilligen Parteien besteht. In diesen Fällen muss das Unternehmen alternativ den Nutzungswert des Vermögenswertes als seinen erzielbaren Betrag ansetzen (IAS 36.20). Ein ähnliches Problem tritt auch bei aus Umweltschutzgründen angeschafften Vermögenswerten auf, wenn sie speziell für das Unternehmen angefertigt worden sind.
999 1000 1001 1002
Vgl. Telkamp/Bruns (2000), S. 25ff.; Schmidt (1998), S. 811. Vgl. Schmidt (1998), S. 812; Telkamp/Bruns (2000), S. 27. Vgl. Schmidt (1998), S. 812. So auch Heuser/Theile (2005), Rz. 736.
258
6.3.3.2.2 Nutzungswert Der Nutzungswert ist der Barwert der künftigen Cashflows, die voraussichtlich aus der Verwendung eines Vermögenswertes im Unternehmen und seinem Verkauf am Ende der Nutzungsdauer zu erwarten sind (IAS 36.6).1003 Er repräsentiert im Gegensatz zum Nettoveräußerungswert einen subjektiven Wert, der unternehmensindividuell zu ermitteln ist.1004 Wie der Nettoveräußerungspreis basiert er auf dem Konzept des Gegenwartswertes.1005 Bezüglich der Berechnung des Nutzungswertes sind nach IAS 36.30 folgende Parameter zu beachten:1006 •
eine Schätzung der künftigen Cashflows, die das Unternehmen durch die Nutzung des Vermögenswertes zu erzielen erhofft,
•
Annahmen über eventuelle wertmäßige oder zeitliche Veränderungen dieser künftigen Cashflows,
•
Anwendung einer risikofreien Diskontierungsrate auf diese künftigen Zahlungsflüsse,
•
Berücksichtigung des dem Vermögenswert innewohnenden Risikos sowie
•
Beachtung anderer Faktoren.
Systematisch umfasst die Schätzung des Nutzungswertes eines Vermögenswertes nach IAS 36.31 die folgenden beiden Schritte: •
die Schätzung der künftigen Cashflows aus der fortgesetzten Nutzung des Vermögenswertes und aus seiner letztendlichen Veräußerung sowie
•
die Anwendung eines angemessenen Abzinsungssatzes für diese künftigen Cashflows.
Der Nutzungswert wird – wie bei einer vollständigen Unternehmensbewertung – durch Diskontierung der zukünftigen Cashflows ermittelt, die voraussichtlich durch den dauerhaften Gebrauch des Vermögenswertes realisiert werden. Bei der Ermittlung der künftigen Zahlungsmittelströme sind vernünftige und vertretbare Schätzungen des Managements hinsichtlich der ökonomischen Rahmenbedingungen zugrunde zu legen (IAS 36.33a). Dabei sind vom Management genehmigte Finanzplanungen heranzuziehen, die grundsätzlich einen Zeitraum von fünf Jahren nicht überschreiten sollen (IAS 36.33b). Cashflows für den Zeitraum nach fünf Jahren sind durch Extrapolation zu ermitteln, wobei grundsätzlich eine gleichbleibende oder abnehmende Wachstumsrate für die Folgejahre anzuwenden ist (IAS 36.33c). Dabei darf die zugrunde gelegte Wachstumsrate die langfristig durchschnittliche Wachstumsrate für 1003 1004 1005 1006
Vgl. Baetge/Beermann (1999), S. 343; Schmidt (1998), S. 812. Vgl. Telkamp/Bruns (2000), S. 25; Schmidt (1998), S. 811. Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 995. Vgl. Hoffmann (2005b), § 11 Rz. 40.
259
Produkte, Branchen oder Länder, in denen das Unternehmen tätig ist, bzw. für den Markt, in welchem der Vermögenswert genutzt wird, grundsätzlich nicht überschreiten (IAS 36.33c). Die Abzinsung erfolgt nach der Discounted-Cashflow-Methode.1007 Als Abzinsungsfaktor für die Barwertbestimmung ist ein Zinssatz vor Steuern zu wählen, der sowohl den Zeitwert des Geldes als auch die Risiken, die nicht bei der Bestimmung der Cashflows beachtet wurden, berücksichtigt (IAS 36.55). Um eine Doppelerfassung zu vermeiden, dürfen über den Zins keine Risiken erfasst werden, welche bereits in die Cashflow-Prognosen eingeflossen sind. Idealerweise ist der Zins aus einer am Markt gehandelten Finanzinvestition abzuleiten, bei der Höhe, zeitliche Struktur und Risikoprofil der Zahlungen mit denen des Bewertungsobjektes übereinstimmen oder zumindest vergleichbar sind (IAS 36.56). Gerade aber bei kontaminierten Grundstücken oder Umweltanlagen ist eine Ermittlung eines geeigneten Abzinsungsfaktors schwierig, da am Markt keine Vergleichswerte verfügbar sind. Es liegt daher ein subjektiver Ermessensspielraum bei der Ableitung eines geeigneten Abzinsungssatzes vor. IAS 36.A19 fordert, dass der Abzinsungssatz unabhängig von der Kapitalstruktur des Unternehmens und von der Weise, in der das Unternehmen den Kauf des Vermögenswertes finanziert, zu sein hat.1008 Nach IAS 36.A17a sind aber in erster Linie die unternehmensindividuellen durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) zugrunde zu legen, die den Verschuldungsgrad des Unternehmens sehr wohl berücksichtigen.1009 Hier liegt ein Widerspruch in IAS 36 vor.
6.3.3.3
Zahlungsmittelgenerierende Einheiten
Primär ist der Wertminderungstest auf den einzelnen Vermögenswert auszurichten (IAS 36.66). Liegt ein Anhaltspunkt dafür vor, dass ein Vermögenswert wertgemindert sein könnte, ist der auf ihn entfallende erzielbare Betrag zu schätzen. Problematisch wird dieses Prozedere, wenn eine Schätzung des erzielbaren Betrages nicht erfolgen kann, weil der Vermögenswert z. B. selbst keine Mittelzuflüsse erzeugt, die weitestgehend unabhängig von denen anderer Vermögenswerte sind. Eine Pumpanlage, ein Förderband oder ein Filter erzeugen selbst – wie auch regelmäßig einzelne Maschinen oder technische Anlagen – keine Mittelzuflüsse. Es ist offensichtlich, dass für solche Vermögenswerte des Anlagevermögens nur in seltenen Ausnahmefällen Nutzungswerte ermittelbar sind.1010
1007 1008 1009 1010
Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 737. Vgl. Telkamp/Bruns (2000), S. 27. So auch Heuser/Theile (2005), Rz. 751. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 704.
260
Deuten Indikatoren auf einen Wertverfall eines Vermögenswertes hin, wäre allenfalls ein Nettoveräußerungspreis darstellbar, nicht jedoch ein individueller Nutzungswert.1011 In diesen Fällen, in denen es nicht möglich ist, den erzielbaren Betrag für einen einzelnen Vermögenswert zu schätzen, hat ein Unternehmen den erzielbaren Betrag der zahlungsmittelgenerierenden Einheit zu bestimmen, zu der dieser potenziell wertgeminderte Vermögenswert gehört (IAS 36.66). Der Wertminderungstest erfolgt dann durch Vergleich des Buchwertes der zahlungsmittelgenerierenden Einheit mit deren erzielbarem Betrag. Nach IAS 36.6 ist der Bewertungsgegenstand zahlungsmittelgenerierende Einheit die kleinste identifizierbare Gruppe von Vermögenswerten, die Mittelzuflüsse schafft, die weitestgehend unabhängig von Mittelzuflüssen anderer Vermögenswerte sind. Beispielsweise können komplette Produktionsanlagen (inklusive Filter- und Kläranlagen) zahlungsmittelgenerierende Einheiten bilden.1012 Entscheidend ist neben der Unabhängigkeit von Zahlungsmittelzuflüssen für deren Generierung das Bestehen eines aktiven Marktes, auf dem ein bestimmter Output gehandelt werden kann.1013 Das Management hat bei der Bestimmung von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Die Bildung dieser Einheiten hat grundsätzlich objektbezogen und über die Perioden hinweg stetig zu erfolgen (IAS 36.72).1014 Beispiel: Eine Braunkohlenabbauunternehmen benötigt Förderbänder zur Unterstützung seiner Abbautätigkeit. Die Förderbänder erzeugen keine Mittelzuflüsse, die weitestgehend unabhängig von Mittelzuflüssen anderer Vermögenswerte des Braunkohlenabbauunternehmens sind, und könnten nur zum Schrottwert verkauft werden. Es ist nicht möglich, den erzielbaren Betrag der Förderbänder zu schätzen, weil ihr Nutzungswert nicht bestimmt werden kann und wahrscheinlich vom Schrottwert abweicht. Deshalb schätzt das Unternehmen den erzielbaren Betrag der zahlungsmittelgenerierenden Einheit, zu der die Förderbänder gehören, d.h. ggf. den Betrag des gesamten Abbauunternehmens. Lässt sich der mögliche Abschreibungsbetrag für einen Vermögenswert nur über die zahlungsmittelgenerierende Einheit ermitteln, zu der er gehört, ergeben sich zwei Problembereiche: Da der Abschreibungsbedarf der gesamten zahlungsmittelgenerierenden Einheit zu er-
1011 1012 1013 1014
Vgl. Schmidt (1998), S. 814. Vgl. Hoffmann (2005b), § 11 Rz. 47. Vgl. Kirsch (2002), S. 646; Telkamp/Bruns (2000), S. 26; Heuser/Theile (2005), Rz. 716. Vgl. Telkamp/Bruns (2000), S. 27.
261
mitteln ist, ist zunächst zu untersuchen, welcher erzielbare Betrag welchen einzelnen Buchwerten gegenüberzustellen ist und – anschließend – wie ein eventueller Wertminderungsaufwand zu verteilen ist.
6.3.3.3.1 Erzielbarer Betrag Die Ermittlung des erzielbaren Betrages für zahlungsmittelgenerierende Einheiten erfolgt analog zu den Regelungen für einzelne Vermögenswerte (IAS 36.74). Auch hier ist zu seiner Bestimmung das Maximum aus Nettoveräußerungspreis und Nutzungswert – soweit bestimmbar – anzusetzen.1015 Zur Feststellung von Wertminderungen einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit wird die Summe der Buchwerte aller zu ihr gehörigen Vermögenswerte mit dem erzielbaren Betrag der Einheit verglichen. Dabei sind Buchwert und erzielbarer Betrag einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit in Übereinstimmung zu ermitteln. Mitunter kann trotz einer grundsätzlich vorzunehmenden Wertminderung eines einzelnen Vermögenswertes die zahlungsmittelgenerierende Einheit, zu der der Vermögenswert gehört, nach wie vor Mittelzuflüsse generieren, deren erzielbarer Betrag oberhalb ihres Buchwertes liegt. In solchen Fällen ist eine Wertminderung nach IAS 36.107 für den einzelnen Vermögenswert nur zu berücksichtigen, wenn sein Nettoveräußerungspreis kleiner ist als sein Buchwert und das Management beabsichtigt, diesen Vermögenswert in Kürze zu verkaufen.1016 Wird der Vermögenswert dagegen weiter im Unternehmen genutzt, kommt eine Wertminderung nicht in Betracht.
6.3.3.3.2 Buchwertermittlung Der Buchwert einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit ist für Zwecke des Wertminderungstests nicht direkt aus der Bilanz ersichtlich.1017 Er muss vielmehr durch Addition aller Buchwerte der einzelnen Vermögenswerte ermittelt werden, die zu der Einheit gehören oder sich dieser auf einer vernünftigen und stetigen Basis zurechnen lassen. Hierzu zählen alle direkt zuordenbaren Vermögenswerte, ein der Einheit ggf. zuordenbarer Geschäfts- oder Firmenwert sowie ggf. zuordenbare gemeinschaftliche Vermögenswerte (IAS 36.77).1018 Darüber hinaus sind durch Subtraktion etwaige Schulden, die auf die entsprechende zahlungsmittelgenerie-
1015 1016 1017 1018
Vgl. Kirsch (2002), S. 646. Vgl. Schmidt (1998), S. 814. Vgl. Telkamp/Bruns (2000), S. 24. Auf die Behandlung eines Geschäfts- oder Firmenwertes bzw. gemeinschaftlicher Vermögenswerte, wie die Konzernzentrale, wird im Folgenden grundsätzlich nicht näher eingegangen.
262
rende Einheit entfallen, mit in die Berechnung einzubeziehen, wenn der erzielbare Betrag nicht ohne die Berücksichtigung dieser Schuld bestimmt werden kann (IAS 36.76). Insbesondere sind Schulden (Rückstellungen) aus Umweltschäden in der Buchwertberechnung zu berücksichtigen. Beispielsweise sind beim Verkauf eines Bergwerks oder eines Tagebaus die zugehörigen Rekultivierungsrückstellungen vom bilanziellen Buchwert des Bergwerks respektive Tagebaus abzuziehen.1019 Um einen aussagekräftigen Vergleich zwischen dem Buchwert einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit und ihrem erzielbaren Betrag zu erreichen, wird die Schuld bei der Bestimmung beider Werte abgezogen.
6.3.3.3.3 Verteilung des Wertminderungsaufwandes Bei Vorliegen einer Wertminderung für die zahlungsmittelgenerierende Einheit sind die einzelnen Buchwerte der in der Einheit enthaltenen Vermögenswerte zu mindern. Die Verteilung des Wertminderungsverlusts auf die einzelnen Vermögenswerte erfolgt hierbei proportional jeweils entsprechend ihrem eigenen Buchwertanteil an der zahlungsmittelgenerierenden Einheit.1020 Bei der Zuordnung eines Wertminderungsaufwandes darf ein Unternehmen gem. IAS 36.105 allerdings den Buchwert eines Vermögenswertes nicht unter den höheren der beiden Werte Nettoveräußerungswert und Nutzungswert vermindern, für die beide ein Minimumwert von null gilt. Der Betrag des Wertminderungsaufwandes, der andernfalls dem Vermögenswert zugeordnet worden wäre, ist anteilig den anderen Vermögenswerten der Einheit zuzuordnen. Falls dem Buchwert der betrachteten Einheit ein anteiliger Geschäfts- oder Firmenwert zugerechnet wurde, ist der Wertminderungsverlust jedoch zunächst diesem zu belasten. Ein etwaiger überschießender Betrag wird anschließend den übrigen Vermögenswerten der zahlungsmittelgenerierenden Einheit proportional zu deren Buchwerten zugeteilt (IAS 36.104).
6.3.4
Wertaufholungen
6.3.4.1
Einzelner Vermögenswert
Eine Wertaufholung kann als eine Erhöhung des geschätzten Leistungspotenzials eines Vermögenswertes entweder durch Nutzung oder Verkauf in Bezug auf den Zeitpunkt definiert werden, an dem der Wertminderungsaufwand erfasst worden ist. Liegt eine solche Erhöhung des Leistungspotenzials vor, ist die Wertaufholung im Normenwerk der IFRS zwingend
1019 1020
Vgl. Beispiel in IAS 36.77; Telkamp/Bruns (2000), S. 29; Heuser/Theile (2005), Rz. 718. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 758.
263
vorzunehmen (Wertaufholungsgebot).1021 Die Verpflichtung zur Vornahme einer Wertaufholung besteht vor dem Hintergrund der Entscheidungsrelevanz der IFRS-Rechnungslegung und der damit verbundenen Notwendigkeit zum Ausweis wirtschaftlich zutreffender Daten.1022 Zur Identifikation derartiger Nutzensteigerungen hat ein Unternehmen an jedem auf die Wertminderung folgenden Berichtsstichtag zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der in früheren Berichtsperioden für einen Vermögenswert erfasste Wertminderungsaufwand nicht länger besteht oder sich vermindert haben könnte (IAS 36.110). Es ist in Bezug auf eine Wertaufholung in umgekehrter Richtung zunächst ein qualitativer und daran ggf. anschließend ein quantitativer Test durchzuführen. Die Anhaltspunkte für eine Wertaufholung stellen diejenigen des Wertminderungstests mit umgekehrten Vorzeichen dar.1023 Dabei sind sowohl externe als auch interne Informationen heranzuziehen (IAS 36.111). Insbesondere ist für einen durch einen Umweltschaden im Wert geminderten Vermögenswert zu untersuchen, ob sein Marktwert während der Berichtsperiode signifikant gestiegen ist oder ob während der Berichtsperiode signifikante Veränderungen mit günstigen Folgen für das Unternehmen in seinem technischen, ökonomischen oder gesetzlichen Umfeld eingetreten sind bzw. noch eintreten werden. Daneben sind unternehmensinterne Hinweise hinsichtlich einer Wertaufholung zu würdigen. Haben sich während der Berichtsperiode signifikante, für das Unternehmen günstige Nutzenveränderungen ergeben (z. B. Wiederinbetriebnahme von Anlagen für den Umweltschutz, erneute Nutzung kontaminierter Grundstücke, Dekontaminationen etc.), kann dies auf eine Wertaufholung hindeuten. Insbesondere ist die Investitionstätigkeit des Unternehmens im Hinblick auf wertgeminderte Vermögenswerte zu beachten. Werden Investitionen getätigt, um einen Vermögenswert über seine ursprünglich geschätzte Ertragskraft hinaus zu verbessern oder in seinem Wert zu erhöhen und kann die Nutzensteigerung hinlänglich plausibel gemacht werden, ist i. d. R. von einer Wertaufholung auszugehen, wenn keine Anschaffungskosten für einen neuen Vermögenswert vorliegen. Bilanziell ist der Buchwert des Vermögenswertes grundsätzlich auf seinen erzielbaren Betrag zu erhöhen (IAS 36.114). Bezüglich der Zuschreibung aber gilt die gleiche Höchstgrenze wie nach § 280 Abs. 1 HGB. Danach darf der infolge einer Wertaufholung erhöhte Buchwert eines Vermögenswertes nicht den (fiktiven) Buchwert übersteigen, der sich zum Zuschreibungszeitpunkt ohne vorausgegangene außerplanmäßige Abschreibung ergeben hätte 1021 1022 1023
Vgl. Scheinpflug (2004), § 4 Rz. 420; Gantzkow/Gröner (1998), S. 995; Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 51. Hinsichtlich der Wertaufholung für einen Geschäfts- oder Firmenwert vgl. IAS 36.109ff. Vgl. Fischer/Wenzel (2001), S. 602. Näher hierzu siehe Kap. 6.3.3.1.
264
(IAS 36.117). Jede Erhöhung des Wertes über den Buchwert hinaus, der bestimmt worden wäre, wenn in den früheren Jahren kein Wertminderungsaufwand erfasst worden wäre, ist als eine Neubewertung zu behandeln (IAS 36.118). Eine Wertaufholung ist sofort erfolgswirksam als Ertrag im Periodenergebnis zu erfassen, es sei denn, die Bilanzierung des Vermögenswertes erfolgt unter Ausübung des Wahlrechtes der Neubewertung (IAS 36.119). In diesem Fall wird die Wertaufholung direkt im Eigenkapital unter dem Posten Neubewertungsrücklage erfasst (IAS 36.120). Hatte das Unternehmen den Wertminderungsaufwand mit einer bestehenden Neubewertungsrücklage verrechnet, erhöht die Zuschreibung die Rücklage. Eine erfolgswirksame Behandlung kommt nur dann in Betracht, wenn zuvor die Wertminderung erfolgswirksam erfasst wurde. Beispiel: Ein Grundstück wird im Jahr 01 zu einem Preis von 5 Mio. € angeschafft und mit diesem Wert aktiviert. Das Unternehmen übt für Grundstücke das Wahlrecht der Neubewertung aus. In der Folgeperiode werden Gutachter herangezogen, die den Zeitwert des Grundstücks auf 7 Mio. € taxieren. Im Jahr 03 stellt das Unternehmen fest, dass für das Grundstück aufgrund von Kontaminationen lediglich 4 Mio. € erzielt werden können (Nettoveräußerungspreis). Dieser Wert spiegelt auch den Nutzungswert des Unternehmens wider. Im Jahr 04 kann die Kontamination vollständig behoben werden. Der Marktwert des Grundstücks beträgt nun 8 Mio. €. Das Unternehmen hat im Jahr 02 eine Neubewertungsrücklage in Höhe von 2 Mio. € gebildet, die in 03 erfolgsneutral aufzulösen ist. Zusätzlich ist in 03 der Buchwert des Grundstücks erfolgswirksam um 1 Mio. € abzuschreiben, da der beizulegende Wert unter die Anschaffungskosten gefallen ist. Im Jahr 04 hat das Unternehmen zwingend eine Wertaufholung vorzunehmen. Diese Wertaufholung ist in Höhe von 1 Mio. € erfolgswirksam und in Höhe von 3 Mio. € erfolgsneutral zu erfassen.1024
6.3.4.2
Zahlungsmittelgenerierende Einheiten
Übersteigt nach einer außerplanmäßigen Abschreibung in einer früheren Periode der erzielbare Betrag einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit ihren Buchwert, entsteht ein Wertaufholungspotenzial, das gemäß IAS 36.122 proportional auf die Buchwerte der einzelnen Vermögenswerte der Einheit zu verteilen ist. Dabei sind zur Ermittlung des Wertaufholungspotenzials einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit die entsprechenden Bestimmungen für einzelne Vermögenswerte analog anzuwenden (IAS 36.109). Einzige Ausnahme hierzu ist die 1024
Es wird unterstellt, dass dem Grundstück direkt Mittelzuflüsse zugeordnet werden können.
265
Besonderheit, dass ein in früheren Perioden einmal außerplanmäßig abgeschriebener Geschäfts- oder Firmenwert nicht mehr zugeschrieben werden darf (IAS 36.124).1025 Als Obergrenze für die Wertaufholung bei einzelnen Vermögenswerten der zahlungsmittelgenerierenden Einheit ist der niedrigere Betrag der beiden folgenden Größen zu beachten: •
erzielbarer Betrag (falls ermittelbar),
•
Buchwert, der sich nach Abzug kumulierter planmäßiger Abschreibungen ergeben hätte, wenn in früheren Perioden keine Abwertung vorgenommen worden wäre.
Der Betrag der Wertaufholung, der ansonsten dem Vermögenswert zugeordnet worden wäre, ist anteilig den anderen Vermögenswerten der Einheit – mit Ausnahme des Geschäfts- oder Firmenwertes – zuzuordnen.
6.3.5
Kritische Würdigung
Der Ansatz des höheren Betrages aus Nutzungswert und Nettoveräußerungswert entspricht konzeptionell betrachtet der Bewertung eines Unternehmens.1026 Ist der Discounted-Cashflow eines Unternehmens (Nutzungswert) höher als der Liquidationswert (Nettoveräußerungswert), wird das rationell handelnde Management das Unternehmen weiterführen. Daher ist der Wert des Unternehmens bzw. hier des einzelnen Vermögenswertes durch seinen DiscountedCashflow determiniert. Ist dagegen der Liquidationswert eines Unternehmens (Nettoveräußerungspreis) höher als der Nutzungswert, wird das rational handelnde Management den Verkauf bevorzugen. In diesem Fall ist der Wert des Unternehmens bzw. hier des Vermögenswertes durch seinen Nettoveräußerungswert bestimmt. Es ist daher grundsätzlich sinnvoll, den höheren der beiden Beträge für die Prüfung eines Wertminderungsbedarfs heranzuziehen. Das Konzept in IAS 36, den höheren der beiden Beträge für die Bestimmung der Höhe der Wertminderung heranzuziehen, unterliegt der Prämisse des rational handelnden Managements. Entscheidet sich das Management (irrational oder aufgrund von Restriktionen etc.) allerdings für die weitere Nutzung eines Vermögenswertes, obwohl der Nettoveräußerungspreis höher ist als sein Nutzungswert et vice versa, ist die zugrundeliegende Logik des IAS 36 durch die tatsächliche Entscheidung für diesen konkreten Fall nicht mehr anwendbar. In diesem Fall sind die Werte heranzuziehen, zu deren Verwendung der Vermögenswert tatsächlich bestimmt ist.
1025 1026
Vgl. Hoffmann (2005b), § 11 Rz. 74. Vgl. Hoffmann (2005b), § 11 Rz. 15; ähnlich Heuser/Theile (2005), Rz. 703.
266
Beispiel: Die Pumpe einer Kläranlage wurde bei Wartungsarbeiten so beschädigt, dass sie zwar noch funktioniert, ihre Nutzung aber eingeschränkt ist. Da die Pumpe keine eigenen Mittelzuflüsse generiert, ist zur Bestimmung des erzielbaren Betrages die zahlungsmittelgenerierende Einheit heranzuziehen, zu der die Pumpe gehört. Annahmegemäß sei diese Einheit das gesamte Unternehmen, das diese Kläranlage betreibt. Der erzielbare Betrag des Unternehmens liegt deutlich höher als der Buchwert der dazugehörigen Vermögenswerte, so dass eine Wertminderung der Einheit nicht in Betracht kommt. Würde die Pumpe veräußert werden, müsste das Unternehmen einen Buchverlust hinnehmen, da der Buchwert größer ist als der Nettoveräußerungswert. Alternative 1: Da das Unternehmen nicht beabsichtigt, die Pumpe zu veräußern, kommt der Ansatz des Nettoveräußerungswertes nicht in Betracht. Eine außerplanmäßige Abschreibung ist nicht vorzunehmen, da die gesamte Einheit nicht wertgemindert ist. Alternative 2: Das Management beabsichtigt, die Pumpe durch eine neue zu ersetzen. Zu diesem Zweck wird die alte, beschädigte Pumpe in naher Zukunft verkauft. Der Wert der Pumpe wird in diesem Fall durch den Nettoveräußerungswert bestimmt. Da dieser geringer ist als der Buchwert der Pumpe, ist zwingend eine Wertminderung vorzunehmen. In IAS 36.107 wird ein ähnliches Beispiel mit dem Ergebnis vorgestellt, dass die tatsächliche Verwendung maßgeblich ist. Grundsätzlich ist diese Vorgehensweise zumindest in der Theorie sehr zu begrüßen. Doch hängt in praxi die Bewertung eines Vermögenswertes von der Vorhersage des Managements ab. Da das Management oftmals an kurzfristigen Erfolgszielen interessiert ist, wird es sich unter Umständen nicht für die ungünstigere Variante entscheiden. Nicht nur die Prämissen der beiden Größen Nutzungswert und Nettoveräußerungswert, sondern auch die in IAS 36 vorgeschlagene Bewertung von Vermögenswerten anhand zweier Alternativen ist – anders als nach HGB – in hohem Maße manipulationsanfällig. Daher sollte die Heranziehung des Nettoveräußerungspreises nur dann erfolgen, wenn erste, nach außen erkennbare Anzeichen vorliegen, den Vermögenswert tatsächlich zu veräußern (z. B. Ausbau und Reinigung der Pumpe, Zeitungsinserate, Maklerannoncen etc.). In allen anderen Fällen sollte auch unter going concern-Aspekten der Nutzungswert maßgeblich sein. Die Bildung von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten nach IFRS steht in krassem Gegensatz zum handelsrechtlichen Einzelbewertungsgrundsatz nach § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB. Da das Normenwerk der IFRS verstärkt die Ertragslage eines Unternehmens als für den Investor entscheidend darstellt, ist die Bewertung von Vermögenswerten anhand ihrer Möglichkeit, Zahlungsmittel zu generieren, logische Konsequenz. Können einzelnen Vermögenswerten
267
keine Cashflows zugewiesen werden, sind daher übergeordnete Einheiten zu suchen, die dieses Kriterium erfüllen. Die Gewinnermittlung nach deutschem handelsrechtlichen Verständnis durch Vergleich von einzelnen Vermögenswerten wird verlassen und durch eine (Teil-)Unternehmensbewertung ersetzt.1027 Fraglich ist, ob die Bildung von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten tatsächlich verlässliche Informationen für den Investor liefert. Die Ableitung von Nutzungswerten oder gar Nettoveräußerungswerten aus Vergleichspreisen stellt in praxi meist eine Illusion dar.1028 Zahlungsmittelgenerierende Einheiten eröffnen in starkem Maße bilanzpolitische Ermessensspielräume. Je größer eine Einheit als kleinste zahlungsmittelgenerierende Einheit definiert wird, desto größer ist der vorhandene Saldierungsbereich von Chancen und Risiken (Gewinnen und Verlusten) und desto weniger wird die Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung wahrscheinlich.1029 Der Standard ist von seiner theoretischen Konzeption her sehr zu begrüßen, da durch die Einbeziehung von Nutzungswerten der zukünftige Beitrag von Vermögenswerten zum Ertrag des Unternehmens sichtbar wird. In praxi verbleiben durch die impliziten Wahlrechte jedoch erhebliche Ermessensspielräume.
6.4
Umweltschutzverpflichtungen im Anhang
Ein vollständiger IFRS-Abschluss enthält neben dem Zahlenwerk einen verbalen Teil, den Anhang. In der Regel hat der Anhang, dem die gleiche Bedeutung wie dem Zahlenwerk zukommt, neben der Darstellung der angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (umweltbezogener Posten) die von den einzelnen Standards geforderten Informationen darzulegen (IAS 1.103). Informationen zu umweltbezogenen Maßnahmen und Geschäftsvorfällen ergeben sich im Wesentlichen aus IAS 16, IAS 36 und IAS 37. Im Folgenden werden diese Angaben vorgestellt, soweit sie für die vorliegende Thematik relevant sind. Da ein gesonderter Lagebericht im Normenwerk der IFRS nicht vorgesehen ist, muss der Anhang auf wesentliche Ereignisse nach dem Bilanzstichtag eingehen (IAS 10.21). So sind Angaben zu nach dem Bilanzstichtag verursachten Kontaminationen erforderlich. Daneben sind Sachverhalte darzustellen, die zwar die wesentlichen Merkmale eines Abschlusspostens aufweisen, die Kriterien für die Erfassung in Bilanz bzw. GuV jedoch nicht erfüllen (R. 88). 1027 1028 1029
Vgl. Hoffmann (2005b), § 11 Rz. 50. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 736. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 710.
268
Hierunter fallen umweltbedingte Eventualschulden inklusive detaillierter Beschreibungen, wie die Gründe für die Unmöglichkeit der Schätzung ihrer Höhe. Auch diese Informationen sind für die Beurteilung etwaiger Veränderungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens in dem Sinne bedeutend, dass sie Entscheidungen des Abschlussadressaten beeinflussen können.
6.4.1
Berichterstattungspflichten
6.4.1.1
Angaben nach IAS 37
6.4.1.1.1 Rückstellungen Für die quantitativen und qualitativen Angabepflichten nach IAS 37.84f. sind die einzeln bilanzierten Rückstellungen zu Gruppen zusammenzufassen.1030 Der Abgrenzung der einzelnen Gruppen kommt wegen der Berichterstattungspflichten eine erhebliche Bedeutung zu. Nach IAS 37.87 können nur solche Rückstellungen in einer Gruppe zusammengefasst werden, die nach Art, Fälligkeit, Unsicherheitsgrad und der Berücksichtigung zukünftiger Ereignisse hinreichend ähnlich sind.1031 Als Rückstellungsgruppen können grundsätzlich die auch nach HGB üblichen Zusammenfassungen verwendet werden.1032 Insbesondere stellen Umweltschutzverpflichtungen eine eigene Gruppe dar. Die Grenzen der Untergliederung ergeben sich aus dem Grundsatz der Wesentlichkeit. Es kommt daher eine weitere Aufgliederung der Umweltschutzverpflichtungen in Betracht, wenn sie dem Abschlussadressaten entscheidungsrelevante Informationen liefert. Dabei sollten der erhöhten Information wegen wesentliche Umweltschutzrückstellungen separat ausgewiesen werden. Zudem wird die Verpflichtung zur Rekultivierung vom Abschlussadressaten vermutlich neutraler gewertet als die Verpflichtung zur Dekontamination eigenverursachter Altlasten; dies rechtfertigt daher einen getrennten Ausweis. Ein Unternehmen hat für Rückstellungen aus Umweltschutzmaßnahmen – wie für jede Gruppe von Rückstellungen – die folgenden (betragsmäßigen) Angaben zu leisten (IAS 37.84):
1030 1031 1032
•
den Buchwert zu Beginn und zum Ende der Berichtsperiode,
•
die Bildung neuer bzw. die Erhöhung in der Berichtsperiode bereits bestehender Rückstellungen (Zuführungen),
•
Inanspruchnahmen,
•
Auflösungen und
Vgl. im Folgenden Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 220ff. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 252; Heuser/Theile (2005), Rz. 1294. Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 79.
269 •
Erhöhungen von diskontierten, längerfristigen Rückstellungen aufgrund von Zeitablauf und Änderung des Zinssatzes.
Dabei sind Rückstellungen mit einer (wahrscheinlichen) Erfüllung von mehr als zwölf Monaten nach dem Bilanzstichtag, also insbesondere Entsorgungs- oder Rekultivierungsverpflichtungen, gem. IAS 1.57 in Bilanz oder Anhang gesondert auszuweisen. Vorjahresbeträge müssen nicht genannt werden. Die geforderten Angaben sind zweckmäßigerweise in einem Rückstellungsspiegel zusammenzufassen, der wie folgt aussehen kann:1033
Rückstellungsart
Buchwert
Zufüh-
Zinseffekt
Inanspruch-
01.01.
rung (+)
(+/-)
nahme (-)
Auflösung (-)
Buchwert 31.12.
langfristig Umweltschutzverpflichtungen - aus Altlasten - aus Rekultivierungen - aus Entsorgungen kurzfristig Umweltschutzverpflichtungen - aus Altlasten - aus Rekultivierungen - aus Entsorgungen
Darüber hinaus sind nach IAS 37.85 für die Gruppe(n) der Umweltschutzverpflichtungen folgende erläuternde Angaben zu machen:1034
1033 1034
•
eine kurze Beschreibung der Art, Umstände und des Erfüllungszeitpunkts der Verpflichtung (z. B.: Auf dem neu gepachteten Grundstück X ist im Jahre 2050 eine Rekultivierungsmaßnahme durchzuführen, wobei ein Naherholungsgebiet mit einer Seenlandschaft entstehen soll.),
•
die Annahme von Unsicherheiten hinsichtlich Höhe und Zeitpunkt des Ressourcenabflusses (z. B.: Hinzugezogene Gutachter sind der Auffassung, dass
Konsolidierungsspezifische Sachverhalte werden hier im Rückstellungsspiegel nicht berücksichtigt. Vgl. Herzig/Köster (1999), Rn. 78; Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 50.
270
die Sanierungsmaßnahmen bezüglich der Grundstücks X zwischen 80 und 100 Mio. € liegen; mit der Sanierung wird im Januar begonnen. Die Maßnahmen werden sich voraussichtlich auf vier bis sechs Jahre erstrecken.) und •
die Höhe aller erwarteten Erstattungsansprüche und der entsprechend aktivierten Beträge (z. B.: Das Unternehmen hat gegen die Havarie des Öltankers X, bei der Kosten von 10 Mio. € entstanden sind, eine Umweltversicherung abgeschlossen. Die Versicherung hat den Schaden in Höhe von 8 Mio. € anerkannt. Dieser Betrag ist als Forderung aktiviert worden und wird voraussichtlich im April vereinnahmt werden.).
Zusätzlich sollten Faktoren angegeben werden, von deren Einfluss die Schätzung der zukünftigen finanziellen Auswirkungen abhängt; dies sind die der Bewertung zugrundeliegenden Annahmen zu Zinssätzen, zum Nominalbetrag der Verpflichtung auf gegenwärtiger und künftiger Preisbasis und zu Preissteigerungsfaktoren.1035 Insbesondere bei langfristigen Rekultivierungsrückstellungen erlangen diese Angaben enorme Bedeutung. Der Anhang hat auch künftige Risiken, welche aus den bei der Bilanzierung und Bewertung unterstellten Schätzungsgrundlagen erwachsen und bei Veränderungen zu einer Anpassung der Buchwerte im folgenden Geschäftsjahr führen können, aufzunehmen (IAS 1.116ff.).1036 Beispiel: Ein im Bereich der Kernenergie tätiges Unternehmen setzt im Jahr 2010 eine Rückstellung für Entsorgungsverpflichtungen in Höhe von 300 Mio. € an. Die Rückstellung beruht auf der Prämisse, dass die Entsorgung in ca. 60 bis 70 Jahren stattfinden wird, jedoch kann das Unternehmen nicht ausschließen, dass die Entsorgung erst in 100 bis 110 Jahren erfolgen könnte. In diesem Fall wäre der Barwert der Rückstellung deutlich geringer.1037 Für Umweltschutzverpflichtungen (Entsorgungsaufwendungen) wurde eine Rückstellung von 300 Mio. € bilanziert. Erwartungsgemäß wird der Aufwand zwischen 2070 und 2080 anfallen. Bewertet wurde die Rückstellung auf der Grundlage bestehender Technologie und aktueller Preise sowie mit einem Realzinssatz von 2% abgezinst. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Entsorgung erst in den Jahren zwischen 2110 und 2120 stattfinden wird. Auf Basis des letzteren Zeitrahmens würde sich die Rückstellung auf lediglich 164 Mio. € belaufen.
1035 1036
Vgl. Busse v. Colbe/Seeberg (1997), S. 127. In der deutschen Bilanzierungspraxis werden diese Angaben bisher nur vereinzelt in den Anhang aufgenommen. Vgl. von Keitz (2003), S. 1802ff. 1037 Beispiel in Anlehnung an IAS 37, Anhang D, Beispiel 2.
271
6.4.1.1.2 Eventualschulden Wenn eine der Ansatzvoraussetzungen für sonstige Rückstellungen nach IAS 37 nicht gegeben ist, sondern lediglich eine Eventualschuld besteht, verlangt IAS 37.86ff. bezüglich des möglichen Verlustrisikos grundsätzlich separate Anhangsangaben.1038 Nach IAS 37.86 und IAS 37.89 sind in Analogie zu den Rückstellungen für jede Gruppe von Eventualschulden aus Umweltschutzmaßnahmen beschreibende Angaben erforderlich. Insbesondere sind zum Bilanzstichtag eine kurze Beschreibung der Art der Eventualschuld, eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen, die Angabe von Unsicherheiten hinsichtlich Höhe oder Fälligkeit sowie die Möglichkeit einer Erstattung anzugeben.1039 Hinsichtlich der Schätzung möglicher finanzieller Auswirkungen sind die Bewertungsvorschriften für Rückstellungen analog anzuwenden.1040 Begründet eine Sanierungsverpflichtung beispielsweise aufgrund einer nur unzuverlässig durchzuführenden Schätzung lediglich eine Eventualschuld, ist im Anhang diesbezüglich zu berichten. Dabei sollte nicht nur dargestellt werden, wieso, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum eine Sanierung durchzuführen ist, sondern auch warum eine zuverlässige Schätzung nicht möglich ist. Eine unzuverlässige Schätzung kann sich aufgrund des noch nicht umfänglich bekannten Ausmaßes des Schadens ergeben. Dennoch sollten nach den bestmöglichen Erkenntnissen Prognosen über die Höhe des Betrages angegeben werden, wobei die der Schätzung zugrundeliegenden Unsicherheiten und Prämissen aufzuführen sind. Die Angabepflicht einer Eventualschuld entfällt nach IAS 37.19, wenn z. B. der Verlusteintritt (gänzlich) unwahrscheinlich ist.1041 Besteht lediglich die entfernte Möglichkeit, dass das Unternehmen umweltbedingte Aufwendungen zu tragen hat, muss eine solche Verpflichtung nicht angegeben werden.1042 Entsteht aufgrund ein und desselben Sachverhaltes sowohl eine Rückstellung als auch eine Eventualschuld, sind nach IAS 37.88 im Anhang die Angaben so zu gestalten, dass der Zu-
1038 1039 1040 1041 1042
Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2483. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 51; Pilhofer (1997), S. 117. Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2483. Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5 Rz. 120. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 37.
272
sammenhang zwischen passivierter Rückstellung und nicht passivierter Eventualschuld deutlich wird.1043
6.4.1.1.3 Verzicht auf die Offenlegung nachteiliger Angaben In äußerst seltenen Fällen kann die Angabe einiger oder aller nach IAS 37 geforderten Anhangsangaben unterbleiben, wenn durch die Offenlegung die Unternehmensinteressen in erheblichem Maße gefährdet werden (IAS 37.92).1044 Nachteilige Angaben liegen vor, wenn z. B. durch die Offenlegung die eigene Position in einem Rechtsstreit mit einem Dritten beeinträchtigt wird. Ist die Frage der Verursachung eines Umweltschadens durch das Unternehmen noch nicht geklärt, würde eine Rückstellungsbildung als potenzielles Schuldeingeständnis gewertet werden können. Damit die Position des Unternehmens im Rechtsstreit nicht geschwächt wird, kann das Unternehmen auf die Offenlegung der Anhangsangaben verzichten. Das Unternehmen ist in diesem Fall allerdings zu allgemeinen Ausführungen zum Rechtsstreit sowie zu dem ihm zugrundeliegenden Umweltschaden verpflichtet und muss angeben, dass und aus welchem Grund den Offenlegungsvorschriften nicht gefolgt wird (IAS 37.92 und IAS 37, Anhang D, Beispiel 3).
6.4.1.2
Angaben nach IAS 16
Für Umweltschutzmaßnahmen, die gem. IAS 16 als Sachanlagen zu aktivieren sind, sind ebenfalls Angaben im Anhang notwendig. Grundlage der Anhangsangaben bilden Informationen, die üblicherweise aus einem Anlagespiegel zu ersehen sind (IAS 16.73d-e), einschließlich einer verbalen Darstellung der zugrundeliegenden Prämissen hinsichtlich der Bestimmung des Bruttobuchwertes, der Abschreibungsmethode sowie der Nutzungsdauer (IAS 16.73a-c). Werden Anlagen neu bewertet, sind nach IAS 16.77 weitere dezidierte Angaben erforderlich. Dabei sind diese Angaben nicht für einzelne Sachanlagen, sondern – ähnlich wie bei den Rückstellungen – für Gruppen von Sachanlagen als Zusammenfassung von Vermögenswerten zu machen.1045 Grundsätzlich können hier die nach HGB üblichen Zusammenfassungen verwendet werden. In Bezug auf die zugrundeliegende Thematik sollten im Anhang zum einen diejenigen Anlagen näher erläutert werden, die zur Vermeidung oder Eindämmung von Umweltschäden angeschafft wurden (z. B. Filter- oder Drainageanlagen). Zum anderen sind diejenigen Vermögenswerte näher zu erläutern, deren Nutzung aufgrund von Umweltschäden eingeschränkt ist (beispielsweise Grundstücke mit bestehenden Altlas1043 1044 1045
Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2483. Vgl. Pilhofer (1997), S. 67f.; Ernsting/von Keitz (1998), S. 2484. Zur Definition einer Gruppe siehe Kap. 6.2.4.2.2.
273
ten). Schließlich sind Vermögenswerte des Unternehmens als Folge einer Verpflichtung aus einem bewusst eingegangenen Umweltschaden darzustellen (z. B. Pumpanlage zur Entwässerung als Rekultivierungsmaßnahme). Diese Verpflichtungen sind oftmals eng mit dem eigentlichen Gegenstand des Unternehmens verbunden. Beabsichtigt das Unternehmen, Investitionen im Umweltschutzbereich zu tätigen, ist der Betrag für vertragliche Verpflichtungen geplanter Anschaffungen nach IAS 16.74 im Anhang anzugeben. Entscheidungsrelevante Informationen stellen nach IAS 16.79 auch Informationen über den Buchwert vorübergehend ungenutzter Sachanlagen dar, wie nicht mehr genutzte, kontaminierte Bodenflächen. Auch der Buchwert nicht mehr genutzter Sachanlagen, die zur Veräußerung vorgesehen sind, sind angabepflichtig.
6.4.1.3
Angaben nach IAS 36
Nach IAS 36 werden für Wertminderungen bzw. Wertaufholungen von Vermögenswerten des Sachanlagevermögens ebenfalls Anhangsangaben erforderlich. Die Angabepflichten sind, soweit eine Systematisierung möglich ist, zu trennen für einzelne Vermögenswerte, Gruppen einzelner Vermögenswerte sowie zahlungsmittelgenerierende Einheiten.1046 Analog zu IAS 16 definiert auch IAS 36 eine Gruppe als eine Zusammenfassung von Vermögenswerten, die sich durch eine ähnliche Art und Verwendung im Unternehmen auszeichnen (IAS 36.127). Für jede wesentliche Wertminderung bzw. Wertaufholung, die für einen einzelnen Vermögenswert oder eine zahlungsmittelgenerierende Einheit erfasst wird, sind neben den zahlenmäßigen Angaben zu deren Höhe weitere verbale Erläuterungen im Anhang aufzunehmen (IAS 36.130). Die Angabe des Betrages der vorgenommenen außerplanmäßigen Abschreibung wie auch Zuschreibung ist nach IFRS ähnlich wie nach HGB obligatorisch. Verbale Angaben sollen sicherstellen, dass die Abschlussadressaten alle wesentlichen Tatsachen und Umstände kennen, die zur Vornahme der bilanziellen Maßnahme geführt haben. Für einen einzelnen Vermögenswert ist dabei die Art des Vermögenswertes darzulegen, für eine zahlungsmittelgenerierende Einheit eine Beschreibung der Einheit (z. B. Klärwerk). Zusätzlich sind im Wesentlichen Erläuterungen zum Nettoveräußerungswert bzw. Nutzungswert wie auch Annahmen und Schätzungen sowie die Ereignisse und Umstände darzulegen, die zu einer Wertminderung bzw. zu ihrer Umkehr geführt haben.
1046
Vgl. Hoffmann (2005b), § 11 Rz. 76.
274
Für jede Gruppe von Vermögenswerten ist die Höhe der im Periodenergebnis enthaltenen Wertminderungsaufwendungen respektive Wertaufholungen unter Angabe der Position der GuV zu benennen, in dem die Wertminderung bzw. Wertaufholung enthalten ist. Bei neubewerteten Gegenständen des Sachanlagevermögens sind darüber hinaus die Wertminderungen bzw. Wertaufholungen zu beziffern, die direkt im Eigenkapital erfasst wurden (IAS 36.126).1047
6.4.2
Kritische Würdigung zum Aussagegehalt des Anhangs
Eine kapitalmarktorientierte Rechnungslegung verfolgt das Ziel, Investoren mit entscheidungsrelevanten Informationen zu versorgen. Der Anhang ist durch seine verbale Ausgestaltung diesbezüglich Instrument zur umfassenden Berichterstattung, ein Weg, den die IFRS nach ihrer Neugestaltung stärker einschlagen. Zwar hat der Anhang – ähnlich wie nach HGB – Erläuterungs-, Ergänzungs- und Entlastungsfunktionen gegenüber dem Zahlenwerk zu erfüllen; fehlerhafte bzw. nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellungen in Bilanz oder GuV können aber – anders als nach HGB – nicht durch zusätzliche und korrigierende Ausführungen geheilt werden (IAS 1.16; § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB). Insofern erlangt die Ergänzungsfunktion des Anhangs nach IFRS eine andere Bedeutung als nach den handelsrechtlichen Vorschriften. Da die einzelnen IFRS an verschiedensten Stellen Anhangsangaben obligatorisch vorschreiben, ist der Anhang eines nach IFRS bilanzierenden Unternehmens i. d. R. recht umfangreich. IFRS-Jahresabschlüsse stellen daher hohe Anforderungen an Investoren. Nur bei guten Kenntnissen der IFRS und deren laufenden Entwicklungen werden die Investoren in der Lage sein, IFRS-Abschlüsse umfassend zu analysieren. Fraglich ist, ob der Umfang der zu erteilenden Informationen noch investorenorientiert ist oder ob nicht die schiere Masse an Detailinformationen gerade zu einer Verschleierung von Umweltsachverhalten beiträgt.
1047
Vgl. Hoffmann (2005b), § 11 Rz. 76.
275
7
Die spezifische bilanzielle Abbildung wesentlicher Umweltschutzverpflichtungen nach IFRS
7.1
Die Erfassung von Anpassungsverpflichtungen
7.1.1
Bilanzielle Darstellung
Im Folgenden wird untersucht, ob für die verpflichtende Durchführung von Anpassungsmaßnahmen bilanziell eine Rückstellung oder eine Aktivierung in Betracht kommt.1048 Ferner wird analysiert, ob ohne Durchführung der Maßnahme eine Wertminderung des Vermögenswertes bzw. der zahlungsmittelgenerierenden Einheit ausgelöst wird.
7.1.2
Rückstellungen aus Anpassungsverpflichtungen
7.1.2.1
Die Unentziehbarkeit als Bedingung eines verpflichtenden Ereignisses
Voraussetzung der Rückstellungsbildung im Normenwerk der IFRS ist neben einem wahrscheinlichen Ressourcenabfluss und einer zuverlässigen Schätzung der Verpflichtungshöhe insbesondere das Vorliegen einer gegenwärtigen Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis.1049 Die IFRS definieren ein verpflichtendes Ereignis als ein Geschehen, das eine rechtliche oder faktische Verpflichtung schafft, aufgrund deren das Unternehmen keine realistische Alternative zur Erfüllung der Verpflichtung hat (IAS 37.10). Ein Rückstellungsansatz hängt folglich entscheidend von der Bedingung der Unentziehbarkeit ab. Da es regelmäßig zulässig ist, bestehende Anlagen bis zum Ende einer eingeräumten Übergangsfrist ohne die Durchführung von Anpassungsmaßnahmen weiter zu betreiben, besteht nach der Definition der IFRS bis zum Ablauf der Frist keine gegenwärtige Verpflichtung als Ergebnis eines vergangenen Ereignisses, da das Unternehmen diese Ausgaben durch seine künftigen Aktivitäten vermeiden kann (IAS 37.19). Das Unternehmen könnte sich der Pflicht zum künftigen Einbau z. B. eines Filters, zur Einrichtung neuer chemischer Bearbeitungsverfahren (in der Chemiebranche) oder zum Bau eines fehlenden Klärwerks beispielsweise durch Änderung der Produktion oder Stilllegung der Anlage vor Ablauf der Übergangsfrist entzie-
1048
Hinsichtlich der Begriffsbestimmung und der Anspruchsgrundlagen von Anpassungsmaßnahmen wird auf die Ausführungen in Kap. 5.1.1 sowie Kap. 5.1.2 verwiesen. 1049 Näher hierzu siehe Kap. 6.1.4.1 und Kap. 6.1.4.2.
276
hen1050 und hat daher die Möglichkeit, die Betriebstätigkeit künftig in einer bestimmten (ggf. anderen) Weise fortzuführen (IAS 37.19). Auch nach Ablauf der Übergangsfrist besteht i. S. d. IFRS keine Verpflichtung, weil sich das Unternehmen auch dann noch der Anpassungsmaßnahme durch Stilllegung bzw. Ersatz der Anlage entziehen kann. Allerdings kann durch das nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Weiterbetreiben der Anlage eine Verpflichtung zur Zahlung gesetzlicher Geldbußen oder -strafen ausgelöst werden. Da das verpflichtende Ereignis des gesetzeswidrigen Weiterbetreibens vor dem Abschlussstichtag und somit in der Vergangenheit eingetreten ist und sich das Unternehmen dieser Verpflichtung nicht entziehen kann, ist ein Rückstellungsansatz hierfür zwingend vorzunehmen. Beispiel: Ein Unternehmen wird durch neue Vorgaben des BImSchG verpflichtet, bis zum Ablauf einer Übergangsfrist am 30. Juni 2006 seine Produktionsanlagen mit moderneren Rauchfiltern auszurüsten. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf 1 Mio. €.1051 a) Am Bilanzstichtag 31. Dezember 2005 ist der Filtereinbau noch nicht erfolgt. b) Am Bilanzstichtag 31. Dezember 2006 ist der Filtereinbau immer noch nicht erfolgt. Dem Unternehmen wird eine Strafe von 800.000 € auferlegt, die es zweifelsfrei entrichten muss. 31. Dezember 2005: Zum 31. Dezember 2005 scheidet die Passivierung einer Rückstellung für den zukünftigen Einbau der Filteranlagen aus, da das Unternehmen die Ausgaben durch sein zukünftiges Handeln, z. B. durch eine Veränderung des Produktionsprogramms oder den Verkauf der Anlagen, vermeiden könnte. Während des Zeitraums der gesetzlichen Übergangsfrist besteht im Sinne der IFRS noch kein verpflichtendes Ereignis. 31. Dezember 2006: Zum 31. Dezember 2006 besteht unverändert keine Verpflichtung für die Einbaukosten, da weiterhin kein verpflichtendes Ereignis vorliegt. Dem Unternehmen bleibt weiterhin die Möglichkeit, den Anpassungsaufwendungen zu entgehen. Allerdings ist eine Rückstellung für die zu erwartende Strafzahlung anzusetzen, wenn deren Höhe bestimmbar und ihre Festsetzung durch die Umweltbehörden wahrscheinlich ist. Das verpflichtende Ereignis stellt das nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Betreiben 1050 1051
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 214. Beispiel in Anlehnung an IAS 37, Anhang C, Beispiel 6.
277
der Anlagen bzw. die Nichterfüllung der Einbauverpflichtung dar. Die Rückstellung von 800.000 € ist ggf. abzuzinsen.
7.1.2.2
Rückstellungsbildung bei faktischer Verpflichtung
Aufgrund der Möglichkeit, sich den auferlegten Maßnahmen noch zu entziehen, dürfen im IFRS-Normenwerk für Anpassungsverpflichtungen keine Rückstellungen gebildet werden. Die Möglichkeit des Rückstellungsansatzes ist m. E. aber über einen anderen Weg herbeizuführen. Notwendige Bedingung der Rückstellungsbildung ist, dass ihr eine rechtliche oder faktische Verpflichtung zugrunde liegt. Das Unentziehbarkeitskriterium verhindert den Ansatz einer Rückstellung für Anpassungsmaßnahmen aus einer rechtlichen Verpflichtung. Dieses Kriterium kann aber bei faktischen Verpflichtungen nicht ohne Weiteres angewendet werden, da eine rechtliche Durchsetzung der Verpflichtung nie möglich ist. Faktische Verpflichtungen entstehen, wenn ein Unternehmen in der Öffentlichkeit Dritten gegenüber die Übernahme gewisser Verpflichtungen angedeutet hat und es dadurch bei ihnen eine gerechtfertigte Erwartung geweckt hat, diesen Verpflichtungen nachzukommen.1052 Legt das Unternehmen folglich in Umweltbroschüren, Geschäftsberichten, Stellungnahmen etc. offen, dass es die Anpassungsmaßnahmen auf jeden Fall durchführen wird, und weckt es bei den Adressaten – z. B. aus seinem bisherigen Geschäftsgebaren – die Erwartung, dies auch tatsächlich zu tun, hat das Unternehmen für die faktische Verpflichtung zwingend eine Rückstellung anzusetzen. Die faktische Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit ist nicht identisch mit der rechtlichen Verpflichtung zur Durchführung der Maßnahme, doch ist die Höhe der Verpflichtung grundsätzlich deckungsgleich. Über den Weg der öffentlichen Bekanntgabe wird folglich eine Rückstellung für Anpassungsmaßnahmen herbeigeführt. Beispiel: Ein Unternehmen ist aufgrund verschärfter Umweltvorschriften zum Ersatz des alten Rauchfilters zugunsten eines leistungsfähigeren neuen Filters in den nächsten zwei Jahren verpflichtet worden. Das Management hat in einer Stellungnahme den besorgten Mitarbeitern, die wegen einer möglichen Werksschließung um ihren Arbeitsplatz fürchten, bekannt gegeben, dass das Unternehmen als Vorreiterin im Umweltbereich den Filter ersetzen und das Werk nicht schließen werde.
1052
Näher hierzu siehe Kap. 6.1.4.2.2.
278
Das Unternehmen setzt für die rechtliche Verpflichtung zum Tausch eines Filters keine Rückstellung an, da kein verpflichtungsbegründendes Ereignis vorliegt. Die Zusage an die Mitarbeiter, das Werk nicht zu schließen und den Filter zu ersetzen, stellt aber eine faktische Verpflichtung dar. Das Unternehmen kann sich dieser faktischen Verpflichtung nicht mehr entziehen und führt so den Rückstellungsansatz herbei. Die Rückstellung ist in Höhe der voraussichtlichen Kosten zu dotieren.
7.1.2.3
Kritische Würdigung
Verpflichtet ein neues Umweltgesetz mit restriktiveren Grenzwerten ein Unternehmen zu Anpassungsmaßnahmen, liegt unstrittig eine rechtliche Verpflichtung vor. Gewährt das Gesetz für die Umsetzung neuer Regelungen eine Übergangsfrist und wird diese Frist genutzt, so ist die Verpflichtung nach der hier vertretenen Auffassung ebenfalls während der Übergangsfrist rechtlich entstanden. Lediglich der Erfüllungszeitpunkt liegt noch in der Zukunft, denn eine neu zu errichtende Anlage würde ohne die bauliche Berücksichtigung der neuen Grenzwerte nicht genehmigt werden.1053 Ein Verpflichtungstatbestand ist somit grundsätzlich mit oder ohne Übergangsfrist gegeben. Das notwendige Kriterium der Unentziehbarkeit wird bei Anpassungsverpflichtungen als nicht erfüllt angesehen. Die Stilllegung ganzer (Filter-)Anlagen bzw. die Verlagerung oder Schließung der Produktion kann aber m. E. keine realistische Alternative zur Erfüllung der Verpflichtung darstellen.1054 Das Unentziehbarkeitskriterium in der jetzigen Interpretation erscheint daher in praxi nicht sinnvoll. Zumindest ist von den IFRS de lege ferenda folgende Alternativrechnung zu fordern: Sind die finanziellen Konsequenzen zur Durchführung der Maßnahme niedriger als die mit der Stilllegung, Schließung oder Verlagerung verbundenen Kosten bzw. entgangenen Gewinne, ist eine Rückstellung für Anpassungsmaßnahmen bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zwingend anzusetzen, denn sie spiegelt die realistische Alternative eines rational denkenden Managements wider. Die Anpassungsmaßnahme wird tatsächlich durchgeführt. Ist dagegen eine Schließung oder Verlagerung rentabler, wird sich das Unternehmen rational zu dieser Alternative entschließen.1055 Nur in diesem Fall wäre eine Rückstellung unangebracht, denn es werden nie Aufwendungen für eine Anpassungsmaßnahme anfallen. Die Rückstellung würde dem Adressaten ein falsches Bild von der Finanzlage vermitteln.
1053 1054 1055
Siehe auch Kap. 5.1.3.2.1.2; anders Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 213. Ähnlich Moxter (1999a), S. 521. Unter Umständen sind die mit einem Verkauf verbundenen Anlagenteile dann nach IFRS 5 als zur Veräußerung gehalten umzuqualifizieren.
279
Im Normenwerk der IFRS besteht die Möglichkeit, die Bedingung der Unentziehbarkeit durch die Bildung einer faktischen Verpflichtung – wie dargestellt – zu umgehen. Jeder faktischen Verpflichtung kann sich ein Unternehmen jedoch durch Schließung oder Verlagerung der Produktionstätigkeit entziehen. Es ist nicht einzusehen, warum für rechtliche Verpflichtungen andere Regelungen gelten sollten. Diese ungleiche Behandlung ist zudem nicht mit dem Prinzip substance over form vereinbar. De facto wird hier ein Bilanzierungswahlrecht geschaffen. Diese Schaffung eines Bilanzierungswahlrechtes läuft jedoch der Informationsfunktion des Abschlusses zuwider. Daher sollte das Unentziehbarkeitskriterium in der jetzigen Form zumindest zugunsten der vorgestellten Alternativrechnung aufgegeben werden. Die Nichtpassivierung wird mit der Möglichkeit der Entziehbarkeit und nicht mit dem matching principle begründet. Nach den IFRS besteht eine Rückstellungspflicht für künftige Aufwendungen entsprechend dem matching principle nur dann, wenn diese vergangenen Erträgen zugeordnet werden können. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit künftigen Erträgen stehen, sind daher nicht rückstellungsfähig. Anpassungsmaßnahmen werden aber gerade durchgeführt, um künftige Erträge zu erzielen. Insofern erschiene eine Argumentation nicht mit dem Unentziehbarkeitskriterium, sondern mit dem matching principle deutlich zielgerichteter. Wird der Auffassung der Ablehnung einer Rückstellung für Anpassungsverpflichtungen gefolgt, sollte daher die Nichtpassivierung mit diesem Prinzip begründet werden.
7.1.3
Aktivierung von Anpassungsmaßnahmen
Ob Anpassungsmaßnahmen aktivierungsfähige und somit auch -pflichtige Vermögenswerte darstellen, ist anhand der Regelungen des Rahmenwerkes und der Norm IAS 16 zu entscheiden. Insbesondere ist zu prüfen, ob der Vermögenswert als Ressource einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen erzielen wird (R. 49a).1056 Wird ein Vermögenswert, der selbst keine Mittelzuflüsse generiert und somit eigentlich nicht aktiviert werden dürfte, aus einer Anpassungsverpflichtung heraus angeschafft (z. B. erstmalige Anschaffung einer Filteranlage), hängt seine Aktivierungsfähigkeit davon ab, ob der Gegenstand zu einer Steigerung des erzielbaren Betrages der korrespondierenden zahlungsmittelgenerierenden Einheit führt.1057
1056 1057
Näher hierzu siehe Kap. 3.2.6.1 und 6.2. Näher zum erzielbaren Betrag siehe Kap. 6.3.3.2.
280
Nach IAS 16.11 sind Vermögenswerte, die Unternehmen zur Erfüllung von Umweltschutzmaßnahmen erworben haben und keine eigenen Mittelzuflüsse generieren, aktivierungsfähig, wenn sie den künftigen wirtschaftlichen Nutzen aus anderen Vermögenswerten sichern bzw. erhöhen. Ein Nutzenzufluss kann bei Anpassungsmaßnahmen als besondere Form der Vorsorgemaßnahmen grundsätzlich unterstellt werden, da ansonsten ggf. eine Stilllegung der Produktion droht. Bilden die Anpassungsmaßnahmen die Voraussetzung dafür, dass eine Anlage weiterbetrieben werden kann, ist nach IAS 16.11 eine Aktivierung zwingend erforderlich, da der künftige wirtschaftliche Nutzen aus der Anlage gesichert bzw. erhöht wird.1058 Die Aktivierung solcher Maßnahmen erfolgt dabei unter Beachtung des Komponentenansatzes.1059 Sind bei Anpassungsmaßnahmen die Voraussetzungen des Komponentenansatzes gegeben, werden die Anlagenteile (z. B. Filter einer Entschwefelungsanlage) einzeln aktiviert und ausgewiesen. Der Ansatz einer Anpassungsmaßnahme ist jedoch nur insoweit erlaubt, wie ihr Buchwert und die Buchwerte der zur zahlungsmittelgenerierenden Einheit gehörenden Vermögenswerte den gesamten erzielbaren Betrag als Höchstwert aus Nettoveräußerungswert und Nutzungswert nicht übersteigen. Eine gleichzeitige Passivierung der Verpflichtung als Rückstellung kommt nicht in Betracht. Der Vermögenswert ist entsprechend seinem wirtschaftlichen Nutzenverbrauch abzuschreiben. Die Ergebnisauswirkung erfolgt damit über die künftigen Abschreibungsperioden. Besteht die Möglichkeit, eine Anlage auch ohne die Anpassungsmaßnahme weiterzubetreiben, liegt keine Sicherung und erst recht keine Erhöhung des zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens vor. Eine Ofenheizung durch eine Gaszentralheizung zu ersetzen mag zwar im Hinblick auf den Umweltschutz wünschenswert sein sowie ressourcenerhaltend und effektiver wirken, eine Aktivierung ist aber grundsätzlich unzulässig.1060 Die Maßnahmen stellen Erhaltungsaufwendungen dar, die sofort ergebniswirksam zu berücksichtigen sind.
7.1.4
Die Wertminderung von Anlagen ohne Durchführung der Anpassungsmaßnahme
Eine Wertminderung ist nach IAS 36.8 anzunehmen, wenn der Buchwert eines Vermögenswertes seinen erzielbaren Betrag übersteigt. Zur Bestimmung des erzielbaren Betrages ist der höhere Betrag aus Nettoveräußerungswert sowie Nutzungswert der Einheit und null heranzu-
1058 1059 1060
So auch Schmidbauer (2000), S. 1136. Näher hierzu siehe Kap. 6.2.3.2. Vgl. Berndt (2001), S. 1732.
281
ziehen (IAS 36.6; IAS 36.74).1061 Im Folgenden wird untersucht, ob für vorhandene Anlagen eine solche Wertminderung bilanziell abzubilden ist, wenn die Anpassungsmaßnahme nicht durchgeführt wird. Da der erzielbare Betrag einzelner Umweltschutzanlagen und -vorrichtungen (Pumpen, Filter etc.) wegen fehlender Mittelzuflüsse i. d. R. nicht ermittelbar ist, ist auf den erzielbaren Betrag der dazugehörigen zahlungsmittelgenerierenden Einheit (z. B. der gesamten Wärmegewinnungsanlage) abzustellen (IAS 36.66). Der Wertminderungstest erfolgt dann durch Vergleich des Buchwertes der zahlungsmittelgenerierenden Einheit mit ihrem erzielbaren Betrag. Anhaltspunkt für die qualitative erste Stufe des Wertminderungstests könnte die Tatsache sein, dass die bisherige Anlage nicht mehr den veränderten gesetzlichen Normen entspricht. Spätestens nach Ablauf der gesetzlichen Übergangsfrist muss daher mit einer Stilllegung gerechnet werden. Daher sind durch die neuen, restriktiveren Umweltvorschriften signifikante Veränderungen mit nachteiligen Folgen für das Unternehmen in seinem gesetzlichen Umfeld entstanden (IAS 36.12). Ein alter Filter erzeugt keine (oder nur eingeschränkt) künftige(n) Mittelzuflüsse, da er in Zukunft nicht mehr (oder nur noch vorübergehend) eingesetzt werden kann. Der Nutzungswert des Filters wird sich daher auf nahezu null belaufen. Veräußerbar wird der Filter nur eingeschränkt sein, da er den gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr entspricht. Allenfalls ein Verkauf in einen ausländischen Staat mit geringeren Grenzwerten erscheint denkbar. Die Bestimmung einer Wertminderung hängt aber vom erzielbaren Betrag der zahlungsmittelgenerierenden Einheit ab. Hinsichtlich der Bestimmung des Nutzungswertes der gesamten Anlage ist regelmäßig von deren Stilllegung auszugehen. Da die korrespondierende Einheit in Zukunft keinen oder nur einen geringeren Nutzen erzielt, ist mit einem drastischen Wertverfall zu rechnen. Bei einem potenziellen Verkauf der gesamten Anlage wird die zahlungsmittelgenerierende Einheit aber i. d. R. nur um den Wert des Filters bzw. der Pumpe gemindert sein (Nettoveräußerungswert). Insofern ist dieser Wert vermutlich nicht stark gesunken. Aufgrund des Maximumprinzips bei der Bewertung der Wertminderung kommt daher lediglich eine Abschreibung auf den höheren Nettoveräußerungswert in Betracht.
1061
Zur Ermittlung siehe Kap. 6.3.3.2.
282
Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn die Anlage trotz Nichtbefolgung der Anpassungsmaßnahme nicht stillgelegt wird. Obwohl der Filter technisch überaltert ist, generiert die zugehörige zahlungsmittelgenerierende Einheit nach wie vor Mittelzuflüsse, deren erzielbarer Betrag oberhalb ihres Buchwertes liegt. Eine Wertminderung für den Filter ist in diesem Fall nur zu berücksichtigen, wenn sein Nettoveräußerungspreis kleiner ist als sein Buchwert und das Management beabsichtigt, den Filter in Kürze zu ersetzen (IAS 36.107).1062 Grundsätzlich ist eine Abwertung aufgrund der fehlenden Durchführung der Anpassungsmaßnahme nicht vorzunehmen, da sich das künftige Nutzenpotenzial regelmäßig nicht verringert hat. Gegebenenfalls ist aber eine Rückstellung für eine verhängte Geldstrafe zu bilden.1063
7.2
Die Erfassung von Altlastensanierungsverpflichtungen
7.2.1
Bilanzielle Darstellung
Schädliche Bodenkontaminationen können für Unternehmen Verpflichtungen zur Sanierung des Grund und Bodens hervorrufen.1064 Rechtsgrundlage bilden dabei öffentlich-rechtliche, privatrechtliche und faktische Verpflichtungen, die sich ggf. überlagern. Im Folgenden wird analysiert, ob für diese Verpflichtungen Rückstellungen im IFRS-Abschluss anzusetzen sind. Neben diesen Verpflichtungen kann gleichzeitig ein Wertverlust des kontaminierten Grund und Bodens vorliegen, wenn der zukünftige Nutzenzufluss des Grundstücks bzw. der zugehörigen zahlungsmittelgenerierenden Einheit eingeschränkt ist. Es wird daher zusätzlich untersucht, ob diese Wertminderung eine außerplanmäßige Abschreibung zur Folge hat. Liegen die Voraussetzungen für eine Rückstellungsbildung und eine Wertminderung gleichzeitig vor, wirft dies die Frage auf, ob tatsächlich eine Doppelberücksichtigung im Abschluss zu erfolgen hat oder ein Konkurrenzverhältnis vorliegt. Schließlich wird auf die Bilanzierung kontaminierter Grundstücke bei Erwerb eingegangen. Bei den folgenden Fragestellungen handelt es sich ausschließlich um bilanzielle Ansatzfragen. Eine Bewertung der Sanierungsaufwendungen ist – ähnlich wie nach HGB – unter
1062 1063 1064
Vgl. Schmidt (1998), S. 814. Näher hierzu siehe Kap. 7.1.2.1. Es wird im Folgenden nur auf Grundstücke eingegangen, die unter den Anwendungsbereich von IAS 16 fallen.
283
Zugrundelegung aller entstehenden Kosten vorzunehmen, wobei Kostenvoranschläge oder Sanierungsangebote hilfreich sein können.1065
7.2.2
Rückstellungen für Altlastensanierungsverpflichtungen
Für die abschlusstechnische Behandlung von Altlastensanierungsverpflichtungen sind die allgemeinen Regelungen zu Rückstellungen gem. IAS 37 in Ermangelung spezieller Vorschriften für Altlastensanierungsverpflichtungen heranzuziehen. Rückstellungen für Altlastensanierungsverpflichtungen sind demnach zu bilden, wenn die allgemeinen Rückstellungskriterien gem. IAS 37.14 kumulativ erfüllt sind.
7.2.2.1
Gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis
Zunächst muss für das Unternehmen eine gegenwärtige rechtliche oder faktische Verpflichtung gegenüber einem Dritten aus einem vergangenen Ereignis bestehen (IAS 37.14a). Das vergangenheitsbegründende Ereignis stellt die durch das gesetzwidrige Handeln verursachte Kontamination des Grund und Bodens dar (IAS 37.19). Die Verpflichtung resultiert aus der unternehmerischen Tätigkeit in der Vergangenheit und ist unabhängig von der künftigen Geschäftstätigkeit des Unternehmens.
7.2.2.1.1 Die rechtliche Verpflichtung Hat ein Unternehmen Kontaminationen verursacht und besteht dafür eine Beseitigungspflicht, ist – anders als bei Anpassungsverpflichtungen – die Passivierungsvoraussetzung der Unentziehbarkeit erfüllt, denn das Unternehmen hat keine realistische Alternative, sich der Erfüllung der Verpflichtung zu entziehen. Sofern eine Sanierung aufgrund eines Gesetzes bzw. Verwaltungsaktes oder eines privatrechtlichen Vertrages erforderlich wird, liegt eine gegenwärtige rechtliche Verpflichtung aufgrund eines Ereignisses in der Vergangenheit vor. Existiert ein Gesetz, welches die Sanierung notwendig macht, ist eine rechtliche Verpflichtung gegeben. Bei gesetzlichen Altlastensanierungsverpflichtungen kann es allerdings ausreichen, wenn am Abschlussstichtag so gut wie sicher feststeht, dass ein die Sanierung vor-
1065
Zu den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen siehe Kap. 6.1.5. Hinsichtlich Begriffsbestimmung und Anspruchsgrundlagen von Altlastensanierungsverpflichtungen wird auf die Ausführungen in Kap. 5.2.1 und 5.2.2 verwiesen.
284
schreibendes, am Abschlussstichtag im Entwurf vorliegendes Gesetz kurz nach Jahresende verabschiedet und rechtskräftig wird.1066 Beispiel: Ein international tätiges Chemieunternehmen verursacht eine Kontaminierung in einem Land, welches bisher noch keine gesetzlichen Vorschriften zur Sanierung ähnlich des BBodSchG kennt. Am Ende des Geschäftsjahres zum 31. Dezember 2005 steht so gut wie sicher fest, dass ein Gesetz kurz nach Jahresende verabschiedet wird, das Dekontaminierungen schädlicher Bodenverunreinigungen und Altlasten vorschreibt. Ein diesbezüglicher Entwurf liegt vor und wird wohl auch in der gefassten Form gesetzlich kodifiziert.1067 Zum Bilanzstichtag liegt bereits eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis vor. Das verpflichtende Ereignis ist die Kontaminierung des Bodens in Zusammenhang mit der so gut wie sicheren Verabschiedung des Umweltschutzgesetzes. Irrelevant ist bei rechtlichen Altlastensanierungsverpflichtungen das Vorliegen einer behördlichen Sanierungsverfügung, denn diese konkretisiert m. E. lediglich ein Umweltgesetz (hier BBodSchG) auf einen Einzelfall und hat folglich keine konstitutive, sondern rein deklaratorische Wirkung. Allein maßgeblich für die Entstehung einer gegenwärtigen Verpflichtung ist der Inhalt eines Gesetzes. Ob eine Rückstellung ohne Vorliegen eines Verwaltungsaktes anzusetzen ist, hängt allerdings vom Kriterium des wahrscheinlichen Ressourcenabflusses ab. Besteht eine behördliche Auflage, lediglich bei Bebauung eines kontaminierten Grundstücks bestimmte baukostenerhöhende Maßnahmen wegen der vorhandenen Altlast zu ergreifen (z. B. Abdichtungen, Dekontaminierungen etc.), ist eine Rückstellungsbildung hierfür unzulässig. Der Käufer kann sich dieser Verpflichtung jederzeit durch die Nichtbebauung entziehen. Eine gegenwärtige Verpflichtung besteht daher in diesem Fall nicht.1068
7.2.2.1.2 Die faktische Verpflichtung Nach IAS 37.10 besteht eine faktische Verpflichtung, wenn ein Unternehmen durch sein beständiges Verhalten – durch die in der Vergangenheit der Öffentlichkeit vermittelte Um-
1066
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 40 sowie Rz. 220. Zum Ansatz von Rückstellungen aufgrund künftiger Gesetze in Deutschland siehe Kap. 6.1.5.3. 1067 Beispiel in Anlehnung an IAS 37, Anhang C, Beispiel 2A. 1068 Bei Durchführung der Baumaßnahme liegen in Höhe der zusätzlichen Aufwendungen Anschaffungskosten vor, die nach IAS 16 aktivierungspflichtig sind. Jedoch dürfen diese zusätzlichen Kosten den erzielbaren Betrag des bebauten Grundstücks nicht überschreiten.
285
weltpolitik oder eine hinreichend konkrete Verlautbarung – spezifischen Dritten gegenüber zu verstehen gegeben hat, dass es eine bestimmte Verantwortung übernimmt und dadurch bei diesen Dritten die realistische Erwartung geweckt hat, für die Pflichten in der erklärten Art und Weise einzustehen. Besteht im Fall einer Altlast keine gesetzliche Sanierungsverpflichtung, wohl aber die kommunizierte und in der Vergangenheit auch praktizierte Umweltpolitik, alle selbst verursachten Kontaminierungen zu beseitigen, liegt für das Unternehmen aufgrund der eingetretenen Selbstbindung eine faktische Verpflichtung vor, die als Rückstellung passivierungspflichtig ist.1069 Bei den Betroffenen wird die Erwartung geweckt, dass das Unternehmen auch die vorliegende Altlast oder Bodenverunreinigung beseitigen wird. Beispiel: Ein Chemieunternehmen verursacht eine Kontamination in einem Land, in dem die Umweltgesetzgebung nicht stark ausgeprägt ist. Eine rechtliche Verpflichtung zur Sanierung besteht daher nicht. Das Unternehmen betreibt jedoch bekanntermaßen eine Umweltpolitik, nach der es sich verpflichtet, jegliche von ihm verursachte Kontaminierung zu beseitigen. In der Vergangenheit hat das Unternehmen mehrfach bewiesen, dass es diese veröffentlichte Politik auch umsetzt. Arbeitnehmer und Nachbarn gehen auch diesmal von einer Dekontamination aus.1070 Das vergangene Ereignis ist die Kontaminierung des Bodens, wodurch eine faktische Verpflichtung zur Dekontaminierung entsteht, da das Geschäftsgebaren des Unternehmens bei den Betroffenen die realistische Erwartung geweckt hat, diese Kontaminierung zu beseitigen. Ein Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen ist bei der Erfüllung der Verpflichtung gegeben. Falls die Kontamination zuverlässig schätzbar ist, ist ein Rückstellungsansatz zwingend geboten.
7.2.2.2
Wahrscheinlicher Abfluss von Ressourcen
Notwendiges Kriterium der Rückstellungsbildung für Altlastensanierungsverpflichtungen ist ein wahrscheinlicher Abfluss von wirtschaftlichen Ressourcen (IAS 37.10). Bei faktischen Verpflichtungen ist von einem wahrscheinlichen Abfluss wirtschaftlicher Ressourcen i. d. R. auszugehen, da Bürgerinitiativen oder Umweltorganisationen von ihrem Anliegen nicht ablassen, bevor die Sanierung durchgeführt ist. Bei rechtlichen Verpflichtungen hängt die Wahrscheinlichkeit eng mit dem Vorliegen eines Sanierungsverwaltungsaktes zusammen. 1069
Vgl. Ernsting/von Keitz (1998), S. 2478; Schmidbauer (2000), S. 1133; Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 220. 1070 Beispiel in Anlehnung an IAS 37, Anhang C, Beispiel 2B.
286
Die Umweltbehörde, die den Verwaltungsakt erlässt, wird diesen i. d. R. auch vollstrecken. Daher liegt die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme in diesen Fällen über 50%.1071 Für Altlastensanierungsverpflichtungen nach Maßgabe eines Verwaltungsaktes ist folglich ein wahrscheinlicher Ressourcenabfluss regelmäßig gegeben. Für Umweltschutzverpflichtungen, denen (noch) kein Sanierungsverwaltungsakt zugrunde liegt, ist der wahrscheinliche Abfluss von Ressourcen kritisch zu prüfen. Eine Rückstellungsbildung ist nur dann möglich, wenn die Auswertung der Tatsachen und Umstände durch das Management eine Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme von mehr als 50% ergibt.1072 Ist die Entdeckung der Kontaminierung in naher Zukunft, z. B. durch Routineuntersuchungen der Umweltbehörde, so gut wie sicher, ist ein Ansatz unbedingt geboten.1073 Wird die Kontaminierung in Zukunft aller Voraussicht nach nicht entdeckt (Wahrscheinlichkeit < 50%), ist dagegen eine Rückstellungsbildung unzulässig. Stattdessen ist das Unternehmen verpflichtet, über diesen Sachverhalt im Anhang als Eventualschuld zu berichten. Beispiel: Ein Unternehmen besitzt eine Mülldeponie in Südeuropa. Auf dieser werden seit Jahren giftige Stoffe gelagert, die auch schon ins Erdreich geflossen sind. Der zuständigen Umweltbehörde ist dies seit langem bekannt, sie unternimmt dennoch nichts. Eine Rückstellung darf wegen der fehlenden Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Ressourcenabflusses nicht gebildet werden. Ist die Inanspruchnahme nicht „gänzlich unwahrscheinlich“,1074 ist über den Sachverhalt im Anhang zu berichten. Durch die Berichterstattung im Anhang erfährt das Umweltministerium von dem erhöhten Ausstoß und weist die zuständige Behörde an, gegen die Kontamination vorzugehen. Da das Unternehmen nunmehr so gut wie sicher eine Sanierung vornehmen muss, ist ein Rückstellungsansatz geboten, sofern eine zuverlässige Schätzung der Verpflichtungshöhe gegeben ist. Die Berichterstattung im Anhang als Eventualschuld kann folglich den Rückstellungsansatz in der Folgeperiode erforderlich machen.
1071 1072 1073 1074
Vgl. Schmidt/Roth (2004), S. 557. Vgl. Schmidt/Roth (2004), S. 557. Näher hierzu siehe Kap. 6.1.4.3. So auch Hoffmann (2005c), § 21 Rz. 96. Näher hierzu siehe Kap. 6.1.3.5.
287
7.2.2.3
Verlässliche Schätzung der Verpflichtungshöhe
Bei Altlastensanierungsverpflichtungen tritt regelmäßig das Problem einer verlässlichen Schätzung der Verpflichtungshöhe auf, da der genaue Umfang einer Kontaminierung erst bei Durchführung der Sanierungsmaßnahme sichtbar wird. Zu untersuchen ist daher, ob eine verlässliche Schätzung der Verpflichtungshöhe überhaupt möglich ist. Eine verlässliche Schätzung bedeutet im IFRS-Normenwerk nicht die Bestimmung eines exakten Wertes der Verpflichtungshöhe. Rückstellungen sind hinsichtlich Bestehen, Ressourcenabfluss, Fälligkeit und insbesondere Höhe per definitionem unsicher. Eine Schätzung beinhaltet daher immer Bewertungsunsicherheiten, regelmäßig wird jedoch zumindest eine Bandbreite möglicher Werte bestimmbar sein. Dafür ist die Hinzuziehung von Sachverständigen und Umweltgutachtern zu empfehlen. Da es sich um eine Einzelverpflichtung handelt, sind zur Bestimmung der Rückstellungshöhe die allgemeinen Bewertungsgrundsätze heranzuziehen.1075 Eine zuverlässige Schätzung erscheint bei Altlastensanierungsverpflichtungen im Frühstadium der Kenntniserlangung allerdings schwierig, wenn beispielsweise noch keine Probebohrungen durchgeführt worden sind.1076 Ist eine vernünftige Schätzung der Verpflichtung nicht möglich, ist eine Rückstellungspassivierung in der Bilanz verboten. Allerdings besteht dann eine Berichterstattungspflicht über den Sachverhalt als Eventualschuld im Anhang.
7.2.2.4
Kritische Würdigung
Für rechtliche oder faktische Altlastensanierungsverpflichtungen sind oftmals Rückstellungen zu bilden, da die allgemeinen Voraussetzungen i. d. R. erfüllt sind. Überlagern sich rechtliche und faktische Ansprüche, ist eine Rückstellung in der Höhe zu dotieren, die beiden Verpflichtungen genügt. Regelmäßig ist dabei der höhere der beiden Beträge anzusetzen. Aus dem Unentziehbarkeitskriterium bei rechtlichen Verpflichtungen und dem Kriterium der realistischen Erwartung Dritter bei faktischen Verpflichtungen folgt, dass für Umweltschädigungen ohne rechtliche oder faktische Rechtsgrundlage keine Rückstellung passiviert werden darf.1077 Dies gilt vollumfänglich auch dann, wenn bei einer schleichenden Kontamination erst eine weitere (geringfügige) Umweltschädigung dazu führt, dass in kurzer Zeit gesetzlich
1075 1076 1077
Näher hierzu siehe Kap. 6.1.5.1.2. So auch Pilhofer (1997), S. 90. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 47.
288
vorgeschriebene Grenzwerte erreicht werden, die zu einer Dekontaminationsverpflichtung führen. Der rational handelnde Investor aber würde eine Investition in ein Unternehmen ohne verursachte Bodenverunreinigungen einem Unternehmen mit denselben unter sonst gleichen Bedingungen bevorzugen. Diese Kriterien sind daher vor dem Hintergrund der Informationsfunktion des Jahresabschlusses zu hinterfragen. Zu analysieren ist, ob ein Rückstellungsansatz für Kontaminierungen ohne rechtliche oder faktische Verpflichtung aus dem matching principle begründet werden könnte, welches in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der Periodenabgrenzung steht. Nach dem matching principle werden die Aufwendungen sachlich und zeitlich den Erträgen, die sie verursacht haben, zugeordnet. Demzufolge dürften Sanierungsaufwendungen, die erforderlich sind, um zukünftige Erträge zu generieren, nicht als Rückstellung passiviert werden. Künftige Aufwendungen, die vergangenen Erträgen zuzuordnen sind, sind dagegen rückstellungspflichtig (IAS 37.17; R .95).1078 Orientiert sich ein Unternehmen an diesem Grundsatz, würden auch für schleichende Bodenkontaminationen ohne rechtliche oder faktische Verpflichtung Rückstellungen anzusetzen sein, die mit den erzielten Erträgen aus der Produktion in den einzelnen Geschäftsjahren zusammenhängen.1079 Es käme zu einer Art Ansammlungsrückstellung. De lege ferenda ist daher eine stärkere Einbeziehung des matching principle in die Rückstellungsbildung zugunsten einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu fordern. Diese Vorgehensweise würde auch dem Grundsatz substance over form stärker gerecht, der m. E. eine wirtschaftliche Verursachung der Verpflichtung als ausreichend erachtet. Ist eine der Voraussetzungen für die Rückstellungsbildung nicht erfüllt, ist grundsätzlich eine umweltbedingte Eventualschuld im Anhang anzugeben. Umweltbedingte Eventualschulden resultieren regelmäßig entweder aus intern bekannt gewordenen Bodenkontaminationen, für die eine Rechts- oder Selbstverpflichtung zur Behebung trotz Verursachung (noch) nicht besteht, oder aus Verpflichtungen, für die lediglich die entfernte Möglichkeit der Inanspruchnahme existiert.1080 Weiterhin ist eine Eventualschuld für nicht schätzbare Bodenkontaminationen im Anhang anzugeben. So erlangt der Investor über die Anhangsangabe Kenntnis von den Bodenverunreinigungen und kann sie in sein Entscheidungskalkül einbeziehen. Nicht nur der Investor, sondern auch Umweltbehörden oder Bürgerinitiativen erfahren über den zu publizierenden Anhang von diesen Bodenkontaminationen. Die Behörden werden im
1078 1079 1080
Vgl. Schmidbauer (2000), S. 1133. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 47. Ähnlich Berndt (2001), S. 1730.
289
folgenden Geschäftsjahr i. d. R. Untersuchungen anstellen und eine Sanierungsverfügung erlassen. Zudem werden Bürgerinitiativen die Sanierung fordern. Im nächsten Jahresabschluss ist daher aufgrund der Gesetzmäßigkeit einer self-fulfilling prophecy zwingend eine Rückstellung anzusetzen. Die Angabe von Eventualschulden im Anhang hat folglich auf die künftige Vermögens-, Finanz- und Ertragslage direkte Auswirkungen, zumal Sanierungsaufwendungen meist einen nicht unerheblichen Umfang haben. Wirtschaftsprüfer sind daher gefordert, die Angabe von Eventualschulden aus Altlasten genauestens zu prüfen, da Unternehmen ein augenscheinliches Interesse an der Nichtangabe solcher Verpflichtungen haben können. In praxi erweist sich die Existenz einer faktischen Verpflichtung aus Altlasten oftmals als problematisch, da für deren Vorliegen meist innerhalb bestimmter Bandbreiten Interpretationsspielräume bestehen.1081 Unklar bleibt, wie hoch der nach IFRS erforderliche Selbstbindungsgrad sein muss. Insbesondere stellt IAS 37 auf ein beständiges Verhalten in der Vergangenheit ab. Wie aber im Falle der erstmaligen Bodenkontamination der Beweis für eine ernsthafte Beseitigungsabsicht zu führen ist, bleibt offen.1082 Besteht diese Absicht und kann sie durch erste Maßnahmen belegt werden, ist m. E. eine faktische Verpflichtung anzusetzen. Auch bei faktischen Altlastensanierungsverpflichtungen ist daher der Wirtschaftsprüfer als unabhängiger Dritter gefordert, alle Indizien und Beweise für deren Vorliegen zu würdigen.
7.2.3
Wertminderungsaufwendungen aus Altlasten
Für ein kontaminiertes Grundstück ist ein Wertminderungsaufwand immer dann bilanziell zu berücksichtigen, wenn sein erzielbarer Betrag bzw. der erzielbare Betrag der mit dem Grund und Boden zusammenhängenden zahlungsmittelgenerierenden Einheit unter den entsprechenden Buchwert gefallen ist. Die Vornahme einer Wertminderung bestimmt sich nach den Kriterien des IAS 36.
7.2.3.1
Abgrenzung der wertgeminderten Einheit
Die bilanzielle Erfassung eines Wertminderungsaufwandes hängt eng mit der Abgrenzung der wertgeminderten Einheit (Einzelvermögenswert versus zahlungsmittelgenerierende Einheit) zusammen. Insbesondere bei Altlasten ist zu untersuchen, ob ausschließlich für den Grund
1081 1082
So auch Schmidbauer (2000), S. 1133. Vgl. Euler/Engel-Ciric (2004), S. 149.
290
und Boden oder für die zahlungsmittelgenerierende Einheit, zu der der Grund und Boden gehört, ein Wertminderungstest durchzuführen ist.1083 Regelmäßig fließt einem selbstgenutzten Grund und Boden kein direkt zuzuordnender Nutzen in Form von Cashflows zu. Daher ist der Wertminderungstest auf die nächstgrößere Einheit zu beziehen. Ist der Grund und Boden mit Produktionshallen oder Verwaltungsgebäuden bebaut, ist zu untersuchen, ob diese Abgrenzung die kleinste zahlungsmittelgenerierende Einheit darstellt. In diesem Fall sind folglich auch die aufstehenden Gebäude in die Berechnung der Wertminderung einzubeziehen. Steht das gesamte Unternehmen auf dem kontaminierten Grund und Boden und stellt es die kleinste zahlungsmittelgenerierende Einheit dar, liegt eine Wertminderung nur dann vor, wenn sich aufgrund des Wertminderungstests ein Wertverfall des gesamten Unternehmens ergibt. Besteht vom Unternehmensmanagement für ein unbebautes kontaminiertes Grundstück dagegen eine Veräußerungsabsicht, kann ihm direkt ein Nettoveräußerungswert zugeordnet werden. Da dieses Grundstück dann direkt zurechenbare Mittelzuflüsse generiert, ist keine zahlungsmittelgenerierende Einheit zu bilden. Somit können sich hinsichtlich Altlasten unterschiedliche Abschreibungsobjekte bzw. -einheiten ergeben.1084 Wenn nicht anders dargestellt, wird im Folgenden aus Vereinfachungsgründen davon ausgegangen, dass für das Grundstück ein eigener Nettoveräußerungspreis bzw. Nutzungswert ermittelt werden kann.
7.2.3.2
Vorliegen einer Wertminderung
Das Vorhandensein einer Altlast löst einen Wertminderungsaufwand des entsprechenden Grund und Bodens aus, wenn sein erzielbarer Betrag unter den korrespondierenden Buchwert sinkt. Dabei stellt der erzielbare Betrag den höheren der beiden Beträge aus Nettoveräußerungswert und Nutzungswert dar.1085 In der Regel wird der Nettoveräußerungswert eines kontaminierten Grundstücks deutlich unter dem eines unkontaminierten Grundstücks liegen, so dass in Abhängigkeit von der Höhe stiller Reserven sein potentieller Veräußerungspreis unter den Buchwert fällt.1086 Dabei ist der 1083 1084 1085 1086
Vgl. im Folgenden Telkamp/Bruns (2000), S. 30. Vgl. Telkamp/Bruns (2000), S. 30. Näher zur Ermittlung des erzielbaren Betrages siehe Kap. 6.3.3.2. Vgl. Schmidbauer (2000), S. 1134f.
291
Nettoveräußerungswert nicht – wie sonst üblich – anhand von Wertvorgaben, Faktoren und Prämissen eines aktiven Marktes (IAS 36.5) zu bestimmen, da für kontaminierte Grundstücke ein solcher Markt nicht existiert. Kontaminierte Grundstücke erfüllen weder die Voraussetzungen der Homogenität, noch können vertragswillige Käufer und Verkäufer jederzeit gefunden werden. Auch Preise stehen der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung. Es werden daher Schätzungen notwendig, die selbst dann noch subjektiv geprägt sind, wenn Sachverständige und Gutachter herangezogen werden. Ist keine Grundlage für eine Preisfindung eines kontaminierten Grundstücks möglich, orientiert sich der erzielbare Betrag ausschließlich am Nutzungswert (IAS 36.17). Auch der Nutzungswert eines kontaminierten Grundstücks wird sich bei Vorliegen einer Altlast verringern. Zum einen hat sich der erwartete Restwert des Grund und Bodens, also quasi der Nettoveräußerungswert nach Nutzung, vermindert.1087 Zum anderen werden, selbst wenn keine Dekontaminierungsverpflichtung besteht, doch regelmäßig Überprüfungen der Kontamination sowie ggf. Sicherungsmaßnahmen vom Unternehmen (freiwillig) durchgeführt. Wird das Grundstück weiterhin genutzt, kommt es zu einer Reduktion der zukünftigen Einzahlungsüberschüsse; denn die für die Wertminderung relevanten Nettozuflüsse schließen auch die Abflüsse ein, die nötig sind, um den Gegenstand gebrauchsfähig zu halten. Da sich i. d. R. der Nettoveräußerungspreis und der Nutzungswert eines kontaminierten Grundstücks verringern, liegen grundsätzlich die Voraussetzungen für eine außerplanmäßige Abschreibung nach IAS 36 vor. Anders als nach HGB kommt es nach IFRS auf die Dauer der Wertminderung nicht an.1088
7.2.3.3
Das Vorhandensein stiller Reserven
Vor Jahren erworbener Grund und Boden enthält meist stille Reserven, die in Abhängigkeit von der Art der Folgebewertung entweder offen bilanziell erfasst werden (Neubewertungsmethode) oder aber verdeckt bleiben (Anschaffungskostenmethode). Da ein Wertminderungsaufwand bei der Existenz stiller Reserven „zu einer Entstehung weiterer bewusster stiller Reserven und damit zu einem Widerspruch zum Grundsatz der Willkürfreiheit führen würde“1089, darf im Normenwerk der IFRS eine Abschreibung nur dann vorgenommen werden, wenn die vorhandenen stillen Reserven nicht zur Deckung der durch die Altlast verursachten
1087 1088 1089
Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 996f. Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 996f. Schmidbauer (2000), S. 1134.
292
Nutzeneinbußen ausreichen.1090 Die Einbeziehung stiller Reserven korrespondiert mit der Vornahme eines Vergleiches zwischen Buchwert und erzielbarem Betrag bei Wertminderungstests. Anders als das deutsche Handelsrecht kennen die IFRS keinen Grundsatz, der die Aufdeckung stiller Reserven verhindert.1091 Bei der Bildung von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten kommt es sogar dazu, dass die stillen Reserven von Gebäuden oder weiteren Vermögenswerten die Wertminderung des Grund und Bodens teilweise oder völlig kompensieren.
7.2.3.4
Höhe der Wertminderungsaufwendungen
Die Höhe der Wertminderung basiert regelmäßig auf der Verringerung der künftigen Cashflows aus dem kontaminierten Grundstück. Diese Veränderung kann dabei eine Verminderung der cash inflows sowie eine Vergrößerung der cash outflows umfassen. Anhaltspunkt für eine Nutzenbeeinträchtigung geben regelmäßig die zukünftigen zu diskontierenden Sanierungskosten auf Vollkostenbasis unter Berücksichtigung von Kostensteigerungen.1092 Mitunter stehen Wertminderungen im Zusammenhang mit Schadensereignissen, die einen Anspruch gegen einen Dritten auslösen. Die wichtigsten Anwendungsfälle stellen Schadensersatz- sowie Versicherungsansprüche dar. Dabei sind die Wertminderung durch das Schadensereignis, die Entschädigung sowie die Aufwendungen für die Wiederherstellung des Grund und Bodens grundsätzlich drei separat zu erfassende Geschäftsvorfälle, die nicht miteinander saldiert werden dürfen (IAS 16.65f.). Das Schadensereignis löst ggf. eine Wertminderung nach IAS 36 aus, während die Entschädigung unsaldiert als Ertrag auszuweisen ist (IAS 37.53ff.).1093 Die Aufwendungen für die Wiederherstellung bzw. Neuherstellung sind ggf. nach IAS 16 zu aktivieren.
7.2.4
Wertaufholung
IAS 36 enthält keine Bestimmungen, unter welchen konkreten Voraussetzungen eine Wertaufholung nach erfolgreich durchgeführten Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen ist. Es kommt allgemein auf eine Erhöhung des geschätzten Leistungspotenzials nach dem Wegfall der Gründe für eine Wertminderung an.
1090 1091 1092 1093
So auch Gantzkow/Gröner (1998), S. 997. Näher hierzu siehe Kap. 5.2.3.3.4. So auch Schmidbauer (2000), S. 1135. Zu Erstattungsansprüchen siehe Kap. 6.1.5.5.
293
Die Altlastensanierung in Form der Dekontamination stellt das ursprüngliche Leistungspotenzials des Grundstücks nach Möglichkeit wieder vollständig her. Der Grund für die vorgenommene Wertminderung ist nach erfolgreicher Dekontamination entfallen, so dass sie wieder rückgängig zu machen ist (Wertaufholung). Der ursprüngliche Nutzen ist vollständig hergestellt. Die Altlastensanierung in Form einer bloßen Sicherungsmaßnahme stellt jedoch den ursprünglichen Zustand des Grund und Bodens nicht vollständig wieder her. Ein Zuwachs des Leistungspotenzials ist gegeben, aber nicht in der Höhe, dass das ursprüngliche Potenzial erreicht wird. Da der Grund für die vorgenommene Wertminderung nur partiell entfallen ist, ist sie auch nur in einem geringeren Umfang wieder rückgängig zu machen. Der Umfang der Maßnahmen zur vorgenommenen Sicherung stellt dabei einen Anhaltspunkt für die Höhe der Wertaufholung dar. Von der Wertaufholung strikt zu trennen sind zu kapitalisierende Aufwendungen. Ist beim Buchwert eines kontaminierten Grundstücks der Verlust an wirtschaftlichem Nutzen berücksichtigt worden, ist nach erfolgreicher Sanierung neben der Wertaufholung zu prüfen, ob die Aufwendungen zur Wiederherstellung des ursprünglichen wirtschaftlichen Nutzens zu kapitalisieren sind (z. B. Errichtung einer Pumpanlage auf einem ehemals verseuchten Grundstück).1094
7.2.5
Konkurrenz von Rückstellung und außerplanmäßiger Abschreibung bei Altlastenfällen
7.2.5.1
Vorliegen eines Konkurrenzverhältnisses
Liegt ein gesetzlicher Sanierungsanspruch vor oder hat das Unternehmen aufgrund seiner Äußerungen und vergangener Handlungen bei Betroffenen die Erwartung geweckt, die Kontamination zu beseitigen, ist bei Vorliegen eines wahrscheinlichen Ressourcenabflusses und einer zuverlässigen Schätzung der Sanierungskosten einerseits zwingend eine Rückstellung zu bilden. Andererseits ist das Grundstück meist in seinem Nutzen beeinträchtigt, im Extremfall sogar für einen weiteren dauerhaften Betrieb unbrauchbar, was einen Wertminderungsaufwand auslöst. Eine erfolgreiche Sanierung wiederum stellt aber den erzielbaren Betrag vor Kontamination wieder her, so dass die gebildete Abschreibung rückgängig zu machen ist.
1094
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 38.
294
Auch nach IFRS ist – wie nach HGB – zu klären, ob anfallende Sanierungsaufwendungen bilanziell durch eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach IAS 37 oder durch eine außerplanmäßige Abschreibung des betreffenden Vermögenswertes nach IAS 36 zu erfassen sind bzw. der Sanierungsaufwand doppelt zu berücksichtigen ist.
7.2.5.2
Ablehnung einer Doppelberücksichtigung
Das Problem einer möglichen Doppelberücksichtigung tritt auf, wenn ein Sachverhalt sowohl die Rückstellungskriterien erfüllt als auch die Voraussetzungen für eine Wertminderung vorliegen.1095 Die IFRS gehen an keiner Stelle auf die Problematik der Doppelberücksichtigung ein, da im IFRS-Normenwerk keine explizite Regelung zur Behandlung von Altlasten und aus ihnen ergehenden Verpflichtungen besteht. Eine Doppelberücksichtigung ist daher im Normenwerk der IFRS grundsätzlich denkbar, jedoch abzulehnen.1096 Sie verstößt gegen das Prinzip der fair presentation nach R. 46.1097 Somit tritt eine Bilanzierungskonkurrenz auf.
7.2.5.3
Mögliche Konkurrenzsituationen
7.2.5.3.1 Rückstellungsverbot und Abschreibungsverbot Liegen für die Sanierung einer Bodenverunreinigung weder die Voraussetzungen der Bildung einer Rückstellung noch der Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung vor, kommt eine bilanzielle Darstellung des Sachverhaltes nicht in Betracht. In solchen Fällen besteht zum einen keine rechtliche oder faktische Verpflichtung, kein wahrscheinlicher Ressourcenabfluss und/oder keine zuverlässige Schätzung der Verpflichtungshöhe. Zum anderen ist keine Nutzungsbeeinträchtigung gegeben, z. B. weil ausreichend stille Reserven eine Verrechnung ermöglichen.1098 Zu untersuchen ist in solchen Fällen das Vorliegen der Voraussetzungen einer Eventualschuld nach IAS 37.10.1099 Bei Vorliegen einer Eventualschuld sind nach IAS 37.86ff. Angaben im Anhang zu unterbreiten. Kommt auch die Angabe einer Eventualschuld im Anhang nicht in Betracht, z. B. weil eine Inanspruchnahme „gänzlich unwahrscheinlich“ ist, sollte zum Zwecke der Information den1095 1096 1097 1098 1099
Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 997. So auch Hoffmann (2005c), § 21 Rz. 97. Ähnlich Gantzkow/Gröner (1998), S. 997. Vgl. Schmidbauer (2000), S. 1135. Zu Eventualschulden siehe Kap. 6.1.3.4.
295
noch über die (freiwillig durchzuführende) Sanierung Bericht erstattet werden. Dabei sollten die wahrscheinlich anfallenden Sanierungskosten, der Zeitraum der Sanierung sowie mögliche Unsicherheiten freiwillig angegeben werden. Die Angaben tragen zum besseren Verständnis des Investors über die (künftige) Lage des Unternehmens bei und dienen damit der Informationsfunktion.
7.2.5.3.2 Rückstellungsverbot und Abschreibungspflicht Liegen die Voraussetzungen für eine Rückstellungsbildung nicht vor, wohl aber diejenigen für eine aktivische Abwertung, besteht keine Bilanzierungskonkurrenz. Es ist eindeutig eine Abwertung des Aktivpostens vorzunehmen. Beispiel: Ein Unternehmen hat vor drei Jahren ein Grundstück in Südeuropa erworben, um es in den nächsten Jahren mit neuen Verwaltungsgebäuden zu bebauen. Bis dahin dient es als Lagerstandort für Ölfässer. Da die Ölfässer unfachmännisch abgestellt wurden, sickerte Altöl ins Erdreich. Die hohen gesetzlichen Grenzwerte für Schadstoffe im Erdreich sind aber eingehalten worden. Eine Bebauung mit den geplanten Verwaltungsgebäuden ist jedoch technisch nur noch eingeschränkt möglich. Von Anwohnern oder ähnlichen Gruppen sind keine Aufrufe zur Beseitigung zu erwarten, zumal das Unternehmen der Hauptarbeitgeber der Region ist. Der Buchwert entspricht den Anschaffungskosten des Grundstücks und enthält keine stillen Reserven. Um die geplanten Verwaltungsgebäude zu errichten, beabsichtigt das Unternehmen eine Sanierung. Eine Rückstellung kommt wegen der fehlenden rechtlichen und faktischen Verpflichtung nicht in Betracht. Der erzielbare Betrag des Grundstücks ist aber gesunken. Zum einen kann das Unternehmen das Grundstück regelmäßig nur zu einem geringeren Preis verkaufen, zum anderen ist eine künftige Bebauung mit Verwaltungsgebäuden nur eingeschränkt möglich. Zu den Mittelabflüssen, die bei der Ermittlung des Nutzungswertes berücksichtigt werden müssen, zählen die anfallenden Sanierungskosten. Da eine Verrechnung der Wertminderung mit aufgelaufenen stillen Reserven nicht möglich ist, ist eine Wertminderung vorzunehmen. Sind die Sanierungsaufwendungen höher als der Restbuchwert des Grundstücks, ist das Problem der bilanziellen Abbildung einer negativen Differenz zu klären. Zunächst ist das Grundstück auf null abzuschreiben. Ein negativer Buchwert kommt nach IAS 36.105 nicht in Betracht. Eine diesbezügliche Forderung erscheint auch nicht sinnvoll, da Werte unter null eine Art Belastung darstellen, die
296
besser über die Passivseite berücksichtigt wird. Zu untersuchen ist, ob die dem Unternehmen entstehende zusätzliche Belastung durch eine Rückstellung abgebildet werden kann. Eine Rückstellungsbildung ist aber de lege lata nicht möglich, weil die Voraussetzungen dafür per definitionem nicht gegeben sind. Es liegt keine Verpflichtung vor.1100 Ob der Abschluss in einem solchen Fall dem true and fair view Gedanken Rechnung trägt, ist zu bezweifeln. De lege ferenda sollte daher ein Passivposten sui generis geschaffen werden, der eine Art Abwertungsüberhang darstellt. In der GuV sollte korrespondierend eine Position Zuführung zur Unterbewertungsreserve geschaffen werden, die in den Abschreibungen einzuordnen ist. Verläuft die Sanierung erfolgreich, ist der Passivposten aufzulösen. Zumindest sollte aufgrund der sonst beeinträchtigten Informationsfunktion des Abschlusses auf jeden Fall über den Überhang im Anhang berichtet werden.
7.2.5.3.3 Rückstellungspflicht und Abschreibungsverbot Liegen im umgekehrten Fall die Voraussetzungen für eine Rückstellung vor, sind aber Nutzungsbeeinträchtigungen nicht gegeben, besteht ebenfalls keine Bilanzierungskonkurrenz. Es ist zwingend eine Rückstellung zu dotieren. Beispiel: Ein Unternehmen hat vor acht Jahren ein Grundstück in Deutschland erworben, um es in den nächsten Jahren mit neuen Verwaltungsgebäuden zu bebauen. Bis dahin dient es als Lagerstandort für Ölfässer. Da die Ölfässer unfachmännisch abgestellt wurden, sickerte in starkem Maße Altöl ins Erdreich. Eine Bebauung mit den geplanten Verwaltungsgebäuden ist technisch nur noch eingeschränkt möglich. Zusätzlich verpflichten die gesetzlichen Grenzwerte für Schadstoffe das Unternehmen zur Dekontamination (BBodSchG), die auch Anwohner verlangen. In einer Presseerklärung stellt das Unternehmen die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen dar, mit denen unverzüglich begonnen werden soll. Die Region, in der das Grundstück erworben wurde, erlebte in den letzten Jahren einen regelrechten Boom. Grundstückspreise sind im hohem Maße gestiegen. Die stillen Reserven, die dem Grundstückswert innewohnen, sind weit höher als die anfallenden Sanierungsaufwendungen. Eine Rückstellung ist wegen einer vorliegenden rechtlichen und faktischen Verpflichtung zwingend anzusetzen. Dabei ist die Höhe, die beiden Verpflichtungsarten Rechnung zu tragen hat, anhand der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zu bestimmen. Die stillen Reserven kompensieren die Wertminderung aus der Kontamination völlig. Der 1100
Ähnlich Schmidbauer (2000), S. 1134f.
297
erzielbare Betrag des Grundstücks ist nicht gesunken, da eine Verrechnung zwingend vorzunehmen ist. Soweit die stillen Reserven offen in einer Neubewertungsrücklage gezeigt werden, erfolgt in Höhe der anfallenden Sanierungsaufwendungen eine erfolgneutrale Abschmelzung des Buchwertes sowie der Neubewertungsrücklage. Auch in diesem Fall ist eine Rückstellung zwingend zu bilden, da sämtliche Kriterien vorliegen. Zu einer doppelten Aufwandserfassung kommt es aufgrund der Erfolgsneutralität der Neubewertung nicht. Das Problem überschüssiger Sanierungskosten über einen vorhandenen Buchwert tritt mangels erfolgswirksamer Abwertung nicht auf. Die Rückstellung berücksichtigt stets die volle Höhe der anfallenden Sanierungskosten, so dass ein true and fair view des Abschlusses immer gegeben ist.
7.2.5.3.4 Rückstellungspflicht und Abschreibungspflicht Liegen die Voraussetzungen sowohl für eine Rückstellung als auch für eine außerplanmäßige Abschreibung vor, kommt es grundsätzlich zur echten Bilanzierungskonkurrenz. Beispiel: Ein Unternehmen hat vor drei Jahren ein Grundstück in Deutschland erworben, um es in den nächsten Jahren mit neuen Verwaltungsgebäuden zu bebauen. Bis dahin dient es als Lagerstandort für Ölfässer. Da die Ölfässer unfachmännisch abgestellt wurden, sickerte in starkem Maße Altöl ins Erdreich. Eine Bebauung mit den geplanten Verwaltungsgebäuden ist technisch nur noch eingeschränkt möglich. Zusätzlich verpflichten die gesetzlichen Grenzwerte für Schadstoffe das Unternehmen zur Dekontamination (BBodSchG), die auch Anwohner verlangen. In einer Presseerklärung stellt das Unternehmen die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen dar, mit denen unverzüglich begonnen werden soll. Der Buchwert des Grundstücks enthält keine stillen Reserven. Eine Rückstellungsbildung ist wegen einer vorliegenden rechtlichen und faktischen Verpflichtung geboten. Dabei ist die Höhe anhand der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zu bestimmen, wobei die höheren Sanierungsaufwendungen aus rechtlicher und faktischer Verpflichtung zu berücksichtigen sind. Gleichzeitig ist der erzielbare Betrag des Grundstücks gesunken. Zum einen kann das Unternehmen das Grundstück nur zu einem geringeren Preis verkaufen, zum anderen ist eine künftige Bebauung mit Verwaltungsgebäuden nur eingeschränkt möglich. Zu den Mittelabflüssen, die bei der Ermittlung des Nutzungswertes berücksichtigt werden müssen, zählen die anfallenden Sanierungskosten. Da eine Verrechnung der Wertminderung mit aufgelaufenen
298
stillen Reserven nicht möglich ist, liegen auch die Voraussetzungen für eine Wertminderung vor. Es wird hier davon ausgegangen, dass die Sanierungsmaßnahmen zum gewünschten Erfolg führen. Werden Sanierungsmaßnahmen durchgeführt und bleibt eine Nutzungsbeeinträchtigung dennoch bestehen, liegt nach der hier vertretenen Auffassung keine Bilanzierungskonkurrenz vor. Denn die Sanierung zieht nicht gleichzeitig einen Nutzenzuwachs nach sich. Aufgrund der dann fehlenden logischen Verknüpfung sind beide Geschäftsvorfälle im Abschluss abzubilden.
7.2.5.4
Auflösung der Konkurrenz
Ob die vorliegende Bilanzierungskonkurrenz aufgelöst werden kann und wie sie tatsächlich aufzulösen ist, wird im Folgenden untersucht. Wird der aktivischen Abwertung der Vorrang gegenüber der Rückstellungsbildung gegeben, werden die anfallenden Sanierungskosten nicht als selbstständige Belastung gewertet, da sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Grundstück stehen. Eine Vorrangstellung der Rückstellungsbildung bedeutet, dass die anfallenden Sanierungskosten eine eigenständige Belastung mit wirtschaftlichem Ressourcenabfluss darstellen.
7.2.5.4.1 Vorrangstellung Wertminderung oder Rückstellung? Für den Vorrang der aktivischen Abwertung spricht zunächst die in IAS 37.7 angesprochene Unabhängigkeit der Buchwertberichtigung von Vermögenswerten. Rückstellungen dürfen keine Wertberichtigungen zu Vermögenswerten darstellen.1101 Darüber hinaus verlangt IAS 37.69 bei belastenden Verträgen ausdrücklich die vorrangige aktivische Berücksichtigung von Wertverlusten. Daraus könnte geschlossen werden, dass grundsätzlich der aktivischen Abwertung gegenüber der Rückstellungsbildung der Vorrang einzuräumen ist. Zudem würde ansonsten gegen die Norm des IAS 36 verstoßen werden, die eine Abschreibungspflicht bei Vorliegen aller Voraussetzungen zwingend vorschreibt. Für die Erfassung der Sanierungskosten als Rückstellung spricht, dass in den Beispielen 2A und 2B des Anhangs C zu IAS 37 die Altlastenproblematik aufgegriffen wird und sich der Normgeber demzufolge für eine Vorrangstellung der Rückstellungsbildung entschieden hat.1102 Neben diesen Beispielen kann ein Vorrang der Rückstellungsbildung damit begründet 1101 1102
So auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a), S. 38. Anders Gantzkow/Gröner (1998), S. 997.
299
werden, dass stets eine volle aufwandswirksame Erfassung der bis zum Abschlussstichtag verursachten voraussichtlichen Sanierungsaufwendungen ermöglicht wird.1103 Eine Verrechnung mit stillen Reserven kommt nicht in Betracht. Zusätzlich wird dem vollständigen Schuldenausweis bei Vorliegen aller Passivierungsvoraussetzungen Rechnung getragen. Hoffmann leitet den Vorrang einer Rückstellungsbildung aus dem Fall einer fiktiven Grundstücksveräußerung ab.1104 Bei einer Veräußerung nach Sanierung entspräche der Verkaufserlös demjenigen eines unkontaminierten Grundstücks. Dem Verkaufserlös sei dann der Buchwertabgang eines unkontaminierten Grundstücks gegenüberzustellen. Wäre der Buchwert mit einer außerplanmäßigen Abschreibung belastet, widerspräche das einer sinnvollen Gegenüberstellung von erzielbarem Betrag und Buchwert. Bei einer Veräußerung eines kontaminierten Grundstücks stelle der Verkaufserlös wirtschaftlich die Differenz aus der Zahlung für ein unkontaminiertes Grundstück und einer Schuldübernahme dar. Der übernommenen Schuld entspräche die bis dahin vorgenommene Bilanzierung einer Rückstellung. Hierbei hat Hoffmann eventuell übersehen, dass im Falle der Sanierung vor Veräußerung eine Wertaufholung auf das Grundstück zwingend vorzunehmen ist, da die Gründe für eine Wertminderung entfallen sind. Dann wäre auch eine Gegenüberstellung sinnvoll.
7.2.5.4.2 Kritische Würdigung Welcher Behandlung der Vorzug einzuräumen ist, kann aus dem IFRS-Normenwerk nicht eindeutig geklärt werden. Eine Vorrangstellung eines Bilanzinstrumentes vor einem anderen muss sich jedoch stets an den Informationsbedürfnissen des Investors orientieren. Bei Nichtvorhandensein stiller Reserven ist die erfolgsmäßige Auswirkung einer Wertminderung auf die GuV im Regelfall identisch zur Rückstellungsalternative.1105 Der Investor ist in erster Linie an der performance des Unternehmens interessiert, die seine Dividendenansprüche bestimmt, und wird daher in diesem Fall grundsätzlich indifferent sein. Enthält der Buchwert des Grundstücks aber stille Reserven, wird beim Vorliegen einer Altlast wegen der Verrechnungspflicht ggf. keine außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen. In diesem Fall ist ein Unterschied zwischen den beiden Alternativen gegeben, da eine Rückstellungsbildung keiner Verrechnung unterliegt. Einerseits stellt eine kompensatorische Verrechnung der Wertminderungen mit den stillen Reserven aus Sicht des Investors den wirtschaftli1103 1104 1105
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 222. Vgl. Hoffmann (2005c), § 21 Rz. 97. So auch Schmidbauer (2000), S. 1135.
300
chen Gehalt der tatsächlichen Wertminderung true and fair dar. Andererseits würde der Investor in diesem Fall aber nur durch die Rückstellungsbildung bemerken, dass zukünftig Aufwendungen anfallen werden. Zusätzlich würde bei der Anwendung der Neubewertungsmethode die Neubewertungsrücklage grundsätzlich ohne Auswirkungen auf die GuV sinken. Die Bildung einer Rückstellung verdeutlicht, dass ein zukünftiger Abfluss von wirtschaftlichen Ressourcen tatsächlich stattfinden wird. Eine Abschreibung dagegen wird für eine Nutzenbeeinträchtigung vorgenommen, auch wenn diese ohne jeglichen tatsächlichen Nutzenabfluss i. S. v. Geldabfluss ist (z. B. wenn eine Wertaufholung ohne Zutun stattfindet). Aufgrund der Tatsache, dass die Rückstellung sehr viel deutlicher künftige monetäre Zahlungsströme offen legt, ist eine Vorrangstellung der Rückstellungsbildung stärker investororientiert. Schließlich werden die Informationsbedürfnisse des Investors bei mehrjährigen Sanierungsprojekten aus den Abschlüssen durch eine Rückstellungsbildung i. d. R. besser befriedigt. Wird eine Kontamination im Jahr 01 erkannt, findet aber erst im Jahr 04 eine vollständige Sanierung statt, wird die Rückstellung in den Abschlüssen der Jahre 01, 02, 03 und 04 ausgewiesen. Eine Wertminderung dagegen würde nur im Jahr 01 gezeigt werden und im Jahr 04 die korrespondierende Wertaufholung. Unter all diesen Aspekten bietet die Rückstellungsbildung einen höheren Informationsgehalt. Die Sanierung sollte daher durch die Bildung einer Rückstellung berücksichtigt werden, um den in der Zukunft nötigen Aufwand darstellen zu können.1106
7.2.6
Aktivierung von kontaminierten Grundstücken bei Erwerb
Ist ein Grundstück in einem kontaminierten Zustand erworben worden, hängt die bilanzielle Behandlung der Sanierungsaufwendungen entscheidend vom Kenntnisstand des Erwerbers von der Kontamination zum Erwerbszeitpunkt ab.1107
7.2.6.1
Bilanzierung im Fall der Kenntnis bei Erwerb
Kannte der Erwerber die Kontamination vor Erwerb, werden die noch anfallenden Sanierungsaufwendungen und somit ein Verlust an zukünftigem ökonomischen Nutzen i. d. R. im
1106 1107
So auch Gantzkow/Gröner (1998), S. 997. Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 996.
301
Kaufpreis berücksichtigt worden sein. Die anschließende Sanierung steigert diesen zukünftigen ökonomischen Nutzen des Grundstücks über dessen Zustand im Erwerbszeitpunkt.1108 Daher sind diese Aufwendungen als nachträgliche Anschaffungskosten nach IAS 16.12ff. zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Sanierungskosten den erzielbaren Betrag, bestimmbar durch Nutzungswert bzw. Nettoveräußerungswert, nicht überschreiten dürfen. Es ist ggf. eine Wertminderung vorzunehmen. Liegt eine rechtliche oder faktische Verpflichtung zur Sanierung vor, ist in diesem Fall der Rückstellungsbildung der Vorrang einzuräumen.
7.2.6.2
Bilanzierung im Fall der Unkenntnis bei Erwerb
Kannte der Erwerber die Kontamination vor Erwerb nicht, fanden die anfallenden Sanierungsaufwendungen keine Berücksichtigung im Kaufpreis. Der Buchwert trägt der Kontamination noch nicht Rechnung.1109 In diesem Fall ist zu untersuchen, ob der erzielbare Betrag des Grundstücks unter seinem Buchwert liegt und somit ein Wertminderungsaufwand zu berücksichtigen ist. Besteht eine rechtliche oder faktische Verpflichtung zur Sanierung, ist auch hier der Rückstellungsbildung der Vorrang einzuräumen. Liegt in diesem Fall eine Garantie seitens des Verkäufers für die Altlastenfreiheit des Grundstücks vor, muss dieser im Fall einer drohenden Inanspruchnahme aus der gewährten Garantie in seinem Abschluss eine Rückstellung nach IAS 37.14ff. bilanzieren. Ist dagegen lediglich die Verkaufsvereinbarung geschlossen worden, befindet sich das Geschäft jedoch noch im Schwebezustand, weil das Erfüllungsgeschäft noch nicht stattgefunden hat, ist zu untersuchen, ob für die Sanierungsverpflichtung eine Drohverlustrückstellung zu bilden ist.1110 Nach IAS 37.69 ist bei belastenden Verträgen jedoch erst die vorrangige aktivische Berücksichtigung von Wertverlusten zu prüfen.
7.3
Die Erfassung von Entsorgungs-, Rekultivierungs- und ähnlichen Verpflichtungen
7.3.1
Begriffsbestimmung
Hinsichtlich der Zulässigkeit zur Gewinnung von Rohstoffen bestehen weltweit signifikante Unterschiede. In einigen Staaten, wie den USA, besitzen Unternehmen direkt diese Gewinnungsrechte. Oftmals liegen die Rechte jedoch beim Staat, der sie in Form von Konzessionen 1108 1109 1110
Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 996. Vgl. Gantzkow/Gröner (1998), S. 996. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 223.
302
an die Unternehmen vergibt. Die vertraglichen Bestimmungen legen i. d. R. neben Verpflichtungen zur eigentlichen Explorationstätigkeit auch Entsorgungs-, Rekultivierungs- und ähnliche Verpflichtungen am Ende der Förderzeit fest. So zählen zu diesen Verpflichtungen die Stilllegung von Kernkraftwerken, der Rückbau von Ölplattformen oder Erdgasförderanlagen oder die Wiederauffüllung von Braunkohlenlöchern oder Kiesgruben.1111 Im Folgenden wird die bilanzielle Abbildung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen, die für Unternehmen bestimmter Branchen (z. B. Energiewirtschaft) signifikante Kosten darstellen, nach IFRS genauer untersucht. Dabei ist eine differenzierte Betrachtung notwendig, da Entsorgungsverpflichtungen regelmäßig zum Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Errichtung oder Inbetriebnahme von Anlagen bereits vollumfänglich entstehen, während Rekultivierungsverpflichtungen erst mit Nutzung erwachsen.1112
7.3.2
Bilanzielle Darstellung
Da für die Bilanzierung von Entsorgungs-, Rekultivierungs- und ähnlichen Verpflichtungen kein eigener Standard besteht, muss auf die allgemeinen Regelungen der IAS 16 und IAS 37 zurückgegriffen werden. Dennoch regeln die beiden Standards die Probleme, die mit der Thematik einhergehen, nicht umfassend. Die Langfristigkeit solcher Verpflichtungen führt zum einen zu Schätzungsungenauigkeiten beim Ansatz der entsprechenden Bilanzposten.1113 Zum anderen entstehen wegen dieser Unsicherheiten Änderungen von zuvor getroffenen Annahmen über die Perioden hinweg. Da insbesondere IAS 37 hierauf nicht näher eingeht, bestand über viele Jahre Unsicherheit und Uneinigkeit über eine adäquate bilanzielle Abbildung. Das IDW hat versucht, bestehende Regelungslücken – ggf. auf einer abstrakteren und allgemeingültigeren Basis – durch Verlautbarungen zu schließen. So hat der Hauptfachausschuss des IDW im Rahmen einer Stellungnahme hinsichtlich diverser Einzelfragen zur Anwendung von IFRS-Vorschriften zu Problemen der bilanziellen Behandlung der Änderung von Zahlungsströmen, die insbesondere bei langfristigen Rückstellungen zu erwarten sind, seine Meinung dargelegt.1114 Die gewonnene Rechtssicherheit in Deutschland änderte aber nichts an einer internationalen Unsicherheit.
1111 1112
Vgl. Kümpel (2004), S. 1227. Hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen von Rekultivierungsverpflichtungen wird auf die Ausführungen in Kap. 5.3.1 und 5.3.2 verwiesen. 1113 Vgl. Hoffmann (2005c), § 21 Rz. 99a. 1114 Vgl. IDW RS HFA 2 a. F., Rz. 113ff.
303
Aufgrund der Regelungsunschärfen insbesondere des IAS 37 sah sich das IFRIC im Jahr 2004 dazu veranlasst, die Bestimmungen zu Entsorgungsverpflichtungen mit einer Interpretation, IFRIC 1, zu erläutern.1115 Die Interpretation findet jedoch nur Anwendung auf Entsorgungsverpflichtungen, nicht aber auf Rekultivierungsverpflichtungen, weshalb diese beiden Thematiken im Folgenden getrennt betrachtet werden.
7.3.3
Entsorgungsverpflichtungen
7.3.3.1
Grundsätzliche Überlegungen
Das Normenwerk der IFRS verlangt einerseits einen vollständigen Ausweis aller Vermögenswerte und Schulden, um dem Ziel der vollkommenen Informationsvermittlung gerecht zu werden. Es sind daher zum einen alle Kosten im Zeitpunkt der Zugangsbewertung zu aktivieren, die anfallen, um einen Vermögenswert für seine beabsichtigte Verwendung vorzubereiten.1116 Zum anderen sind Verpflichtungen dann vollständig zu erfassen, wenn sie entstanden sind. Entsorgungsverpflichtungen entstehen regelmäßig durch die Errichtung bzw. die Inbetriebnahme von Anlagen. Die Entsorgungskosten, z. B. für die Stilllegung eines Kraftwerks, müssten daher zu diesem Zeitpunkt in voller Höhe zu Lasten des Ergebnisses verbucht werden. Eine bilanzmäßige Überschuldung wäre oftmals die Folge. Andererseits unterliegen die Normen der qualitativen Anforderung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Demnach ist die laufende, ggf. jahrzehntelang andauernde Nutzung von Anlagen ursächlich für die anschließende Entsorgung. Auch nach dem matching principle müsste eine verursachungsgerechte Verteilung der Aufwendungen über die Perioden hinweg erfolgen. Denn das Prinzip besagt, dass Aufwendungen, die in direktem Zusammenhang mit Erträgen stehen, in der Periode erfolgswirksam zu berücksichtigen sind, in der die Erträge erfasst werden (R. 95; IAS 1.26). Bei einem Kernkraftwerk wären daher grundsätzlich die zur Entsorgung anfallenden Aufwendungen den erzielten Erträgen aus dem Stromverkauf zuzuordnen. Daher käme grundsätzlich die Bildung einer Ansammlungsrückstellung in Betracht, um die Erfolgswirksamkeit über alle Perioden der Nutzung zu verteilen.1117 Obwohl das matching principle eine wichtige Rolle spielt, sehen die IFRS anstelle der Ansammlung von Rückstellungen die sofortige volle Passivierung solcher Verpflichtungen
1115 1116 1117
Vgl. Kümpel (2004), S. 1227. Vgl. Zeimes (2003), S. 2077. Vgl. Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 46.
304
vor.1118 Um aber keiner normativen Inkonsistenz zu unterliegen, haben die IFRS eine Methode entwickelt, beiden Vorgaben wirtschaftlich gerecht zu werden. Das Spannungsverhältnis zwischen einem korrekten Vermögensausweis und einer sachgerechten Periodisierung wird in der IFRS-Rechnungslegung dahingehend gelöst, dass einerseits eine Rückstellung in Höhe der ungewissen Verpflichtung angesetzt wird, wenn sie rechtlich oder faktisch begründet ist. Die entsprechende Zuführung zu den Rückstellungen wird allerdings nach IFRS nicht erfolgswirksam verbucht. Vielmehr ist sie als Teil der Anschaffungsbzw. Herstellungskosten erfolgsneutral zu erfassen (IAS 16.16c).1119 Die Periodisierung des Rückstellungsbetrages erfolgt, indem der Vermögenswert planmäßig abgeschrieben wird.
7.3.3.2
Die bilanzielle Ersterfassung von Entsorgungsverpflichtungen
7.3.3.2.1 Rückstellungsbildung Für Entsorgungsverpflichtungen sind nach IAS 37.14 Rückstellungen zu bilden, wenn das Unternehmen eine rechtliche oder faktische Verpflichtung zur künftigen Entsorgung gegenüber einem Dritten hat, die aus einem Ereignis der Vergangenheit resultiert und die zu einem Abfluss von wirtschaftlichen Ressourcen führt. Darüber hinaus muss deren Höhe zuverlässig geschätzt werden können.1120 Regelmäßig beruhen Entsorgungsverpflichtungen auf öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vorschriften. Dabei bilden die Errichtung bzw. die Inbetriebnahme eines Kraftwerkes oder einer Ölplattform das verpflichtungsbegründende Ereignis für die spätere Entsorgung oder Demontage.1121 Das Unternehmen kann sich der Entsorgungsverpflichtung (z. B. im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme eines Kernkraftwerkes) durch einen Produktionsstopp oder die Verlagerung des Geschäftsbetriebs an einen anderen Standort i. d. R. nicht mehr entziehen. Da die Inanspruchnahme aus der Verpflichtung ebenfalls hinreichend wahr-
1118 1119 1120
Vgl. Lüdenbach (2003), S. 835. Vgl. Zülch/Willms (2005), S. 1179. Vgl. Kümpel (2004), S. 1227. Auch gem. dem deutlich spezielleren IFRS 6 sind Rückstellungen nach den Vorschriften des IAS 37 für Beseitigungs- und Wiederherstellungsverpflichtungen zu erfassen, die in einer Periode im Zuge der Exploration und Evaluierung mineralischer Ressourcen anfallen. 1121 So auch Wohlgemuth/Radde (2000), S. 909. Dagegen sieht Hoffmann eine Verpflichtung auch schon ab Erteilung der behördlichen Genehmigung (z. B. Lizenz zur Erdölexploration) gegeben. Vgl. Hoffmann (2005c), § 21 Rz. 99a. Der Verpflichtung kann sich das Unternehmen m. E. aber durch den Entschluss, die Anlage nicht zu errichten, noch entziehen.
305
scheinlich und meist zumindest in Bandbreiten zuverlässig schätzbar ist, ist nach IFRS eine Rückstellung zu bilden.1122 Die Rückstellung ist bei Vorliegen der Ansatzkriterien in voller Höhe unter Berücksichtigung der allgemeinen Bewertungsgrundsätze zum bestmöglichen Schätzwert des Erfüllungsbetrages am Bilanzstichtag anzusetzen. Dabei hat die Höhe der auszuweisenden Rückstellung der geschätzten Gesamthöhe der zugrundeliegenden Verpflichtung nach IAS 37.36ff. zu entsprechen, wobei auf die Kosten- und Preisverhältnisse des Erfüllungszeitpunkts abzustellen ist.1123 Der Ansatz einer Vollrückstellung ergibt sich auch aus IAS 37, Anhang D, Beispiel 2. Da Entsorgungsverpflichtungen meist langfristiger Natur sind, sind die voraussichtlichen Kosten zu diskontieren, wenn der Zinseffekt wesentlich ist (IAS 37.45ff.). Als Diskontierungssatz ist ein für die Schuld spezifischer, risikoadäquater und restlaufzeitkongruenter Zinssatz vor Steuern heranzuziehen.1124 Liegt ein unbefristeter Vertrag vor, steht die mangelnde Schätzbarkeit des Vertragsendes einer Rückstellungsbildung nicht entgegen. In diesem Fall kann für die Bewertung die (Rest-)Nutzungsdauer des zugrundeliegenden Vermögenswertes herangezogen werden.
7.3.3.2.2 Erfolgsneutrale Aktivierung Gleichzeitig umfassen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer Sachanlage nach IAS 16.16c auch die geschätzten Kosten für den Abbruch und das Abräumen eines Vermögenswertes sowie für die Wiederherstellung des Standorts, die einem Unternehmen entweder bei Erwerb oder als Konsequenz aus der Nutzung entstehen und für andere Zwecke als für die Herstellung von Vorräten anfallen.1125 Entsteht bei dem die Entsorgung auslösenden Ereignis ein Vermögenswert, ist der Betrag der Entsorgungsaufwendungen den Anschaffungskosten als direkt zurechenbare Kosten des Vermögenswertes (z. B. Kernkraftwerk, Ölplattform) hinzuzurechnen.1126 Die zu aktivierenden Kosten bestimmen sich nach der Höhe der für die Abbruch-, Entfernungs- und Wiederherstellungskosten zu bildenden Verbindlichkeitsrückstellung (IAS 16.18). 1122 1123 1124 1125
Vgl. Zülch/Willms (2005), S. 1179. Vgl. Kümpel (2004), S. 1228. Vgl. Lüdenbach (2003), S. 836. Fallen Entsorgungsverpflichtungen oder ähnliche Verpflichtungen bei der Herstellung von Vorratsvermögen an, werden die erforderlichen Zuführungen zu den Rückstellungen als Teil der Herstellungskosten der Vorräte aktiviert (IAS 16.16c i. V. m. IAS 2.12ff.). Näher hierzu siehe Kap. 7.3.4.3. 1126 Vgl. Schmidbauer (2000), S. 1137; Basche/Nölte (2004), S. 36.
306
Als Gegenbuchung werden daher die zurückgestellten Entsorgungsverpflichtungen erfolgsneutral als Bestandteil der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten aktiviert (Buchung: per Vermögenswert an Rückstellung). Die zu bilanzierende Rückstellung wird somit nicht erfolgswirksam erfasst, sondern durch eine Erhöhung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten neutralisiert. Es erfolgt eine Bilanzverlängerung.1127 Erst in der Folgezeit wird über die erhöhten Abschreibungen des korrespondierenden Vermögenswertes eine erfolgswirksame Behandlung über dessen Nutzungsdauer herbeigeführt.1128 Eine Erfolgswirksamkeit der Kosten erst in der Zukunft erscheint unter dem Aspekt nachvollziehbar, dass die Erfüllung der Verpflichtung einen zukünftigen Nutzenzufluss aus dem Vermögenswert überhaupt erst ermöglicht.1129 Auch aus investitionstheoretischer Sicht im Sinne einer Lebenszykluskostenrechnung erscheint die Vorgehensweise nachvollziehbar.1130 Beispiel: Ein Unternehmen hat zu Beginn eines Geschäftsjahres in der Nordsee eine Ölplattform für 50 Mio. € errichtet. Die Plattform darf für 10 Jahre betrieben werden und muss im Anschluss an die Ölförderung entsorgt werden. Auf Basis aktueller Preise würde die Entsorgung 2 Mio. € betragen. Allgemein kann von jährlichen Kostensteigerungen von 3% ausgegangen werden. Der Diskontierungssatz beträgt 5%. Für die Entsorgungsverpflichtung ist nach IAS 37 eine Rückstellung zu bilden. Dabei sind sowohl Kostensteigerungen als auch Abzinsungseffekte zu berücksichtigen, wenn diese wesentlich sind. Die Rückstellungshöhe beträgt demnach ca. 1,65 Mio. € (2 Mio. € × 1,05-10 × 1,0310). Der Rückstellungsbarwert erhöht somit die Anschaffungskosten der Ölplattform, die nun 51,65 Mio. € betragen.
7.3.3.3
Die bilanzielle Folgeerfassung von Entsorgungsverpflichtungen
7.3.3.3.1 Folgebewertung ohne Änderungen Bestehen keine Änderungen hinsichtlich der erwarteten Zahlungsströme oder der Zahlungszeitpunkte nach der erstmaligen Rückstellungsbildung, wird die Rückstellung in den folgenden Perioden entsprechend IAS 37.60 jährlich lediglich erfolgswirksam aufgezinst. Annahmegemäß bleibt der Zinssatz über die Perioden konstant. Eine Aufzinsung erfolgt entsprechend der Differenz aus dem Barwert des Erfüllungsbetrages zu Beginn und zum Ende 1127 1128 1129 1130
Vgl. Kümpel (2004), S. 1227. Vgl. Schmidbauer (2000), S. 1137; Wohlgemuth/Radde (2000), S. 909. So auch Zeimes (2003), S. 2077. Vgl. Kümpel (2004), S. 1228.
307
des jeweiligen Geschäftsjahres. Der Zinseffekt ist als Finanzierungsaufwand in der GuV zu erfassen.1131 Durch die Aufzinsung der Rückstellung wird der Buchwert des Anlagegutes nicht berührt. Gleichzeitig wird der Vermögenswert planmäßig über die Nutzungsdauer abgeschrieben. Dabei werden die Entsorgungskosten über die Nutzungsdauer des Anlagegutes verteilt (IAS 16.43ff.). Die Abschreibung wird so dem zukünftigen Nutzenzufluss gegenübergestellt. Der insgesamt durch die Entsorgungsverpflichtung bedingte Aufwand bildet somit die Summe aus der Abschreibung der zusätzlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten und dem Zinsaufwand.1132 Die Auswirkungen auf das jährliche Ergebnis entsprechen unter Berücksichtigung der Abzinsungseffekte aus der Rückstellungsbewertung weitgehend der Bildung einer kontinuierlichen Ansammlungsrückstellung.1133 Bei Beginn der Entsorgung wird die gebildete Rückstellung erfolgsneutral in Anspruch genommen.1134 Beispiel: Ein Unternehmen hat gegen Ende des Geschäftsjahres 01 in der Nordsee eine Ölplattform für 50 Mio. € errichtet. Die Plattform darf für 10 Jahre betrieben werden und muss im Anschluss an die Ölförderung entsorgt werden. Unter Einbeziehung künftiger Preisänderungen würde die Entsorgung 2 Mio. € kosten. Der Diskontierungssatz beträgt 5%. Angaben in T€
Jahr 01
Jahr 02
Jahr 03
Jahr 04
Jahr 05
Rückstellung - Erfüllungsbetrag
2.000
2.000
2.000
2.000
2.000
- Barwert - Zuführung RST
1.228
1.289 61
1.354 64
1.421 68
1.492 71
- Buchwert 01.01
0
51.228
46.105
40.982
35.859
- Abschreibung - Buchwert 31.12.
0 51.228
5.123 46.105
5.123 40.982
5.123 35.859
5.123 30.737
Ölplattform
7.3.3.3.2 Behandlung von Schätzungsänderungen Entsorgungsverpflichtungen stellen langfristige Verpflichtungen dar, die mehrere Jahrzehnte umfassen können. Eine Veränderung der Einschätzungen in Bezug auf die Verpflichtung ist
1131 1132 1133 1134
Vgl. Kümpel (2004), S. 1229. Vgl. Zülch/Willms (2005), S. 1180. Vgl. IDW RS HFA 2 a. F., Rz. 114. Siehe auch Kap. 6.1.5.8.
308
deshalb sehr wahrscheinlich (IFRIC 1.BC 5). Schätzungsänderungen resultieren aus der Unsicherheit bestimmter Sachverhalte, deren Wert nicht exakt bestimmt werden kann. Da nach IAS 37 die Rückstellung der jeweils bestmöglichen Schätzung zu entsprechen hat, sind in den Folgejahren die bei der erstmaligen Bewertung der Rückstellung getroffenen Annahmen vor jedem Bilanzstichtag zu überprüfen. Dabei ist die Entsorgungsverpflichtung unter Verwendung des aktuell gültigen Abzinsungssatzes neu zu berechnen. Im Rahmen der Bewertung von Entsorgungsverpflichtungen können Entsorgungszeitpunkt, Lohnsteigerungen von Arbeitskräften, technologische Entwicklungen sowie Änderungen des ursprünglich geschätzten Erfüllungsbetrages (z. B. nicht absehbare Kosten aus Gesetzesänderungen) oder Zinssatzänderungen zu Schätzungsänderungen führen. Im Folgenden wird untersucht, wie mögliche Differenzen aus Schätzungsänderungen zwischen der neu berechneten Entsorgungsverpflichtung und der aufgezinsten VorjahresEntsorgungsverpflichtung beim betreffenden Vermögenswert zu behandeln sind. Dabei ist sowohl eine erfolgsneutrale wie auch eine erfolgswirksame Behandlung denkbar.1135 Weder sind die Auswirkungen von Schätzungsänderungen für Entsorgungsverpflichtungen in IAS 16 für die Vermögensbewertung noch in IAS 37 für die Rückstellungsbewertung geregelt. Diese Regelungslücke hat IFRIC 1 geschlossen. Aufgrund der Langfristigkeit von Entsorgungsverpflichtungen und damit verbundenen Unsicherheiten können folgende Ereignisse mit Auswirkungen auf die Bewertung eintreten, die Schätzungsänderungen bewirken (IFRIC 1.3):1136 •
der Zeitablauf führt zur Aufzinsung des angesetzten Rückstellungsbetrages (Aufzinsungsänderung),
•
eine Änderung des geschätzten Abflusses von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen, der für die Erfüllung der Verpflichtung erforderlich ist, zieht eine Zahlungsstromänderung (Zahlungsstromänderung) nach sich, und
•
eine Änderung des aktuellen auf dem Markt basierenden Abzinsungssatzes gemäß IAS 37.47 erfordert eine Zinssatzänderung (Zinssatzänderung).
Während der Zeitablauf, der zu einer Aufzinsung des angesetzten Rückstellungsbetrages führt, m. E. entgegen IFRIC 1.3 keine eigentliche Schätzungsänderung bedeutet, gehen die anderen beiden möglichen Wertänderungen entweder auf eine modifizierte Schätzung der erwarteten Zahlungsabflüsse oder auf eine Anpassung des zur Diskontierung verwendeten 1135 1136
Vgl. Zeimes (2003), S. 2077. Vgl. Kümpel (2004), S. 1229.
309
Zinssatzes zurück.1137 Bestehen solche Schätzungsänderungen von Entsorgungsverpflichtungen, ist in einem ersten Schritt stets die Art der Änderung zu analysieren. Denn die Behandlung dieser Änderungen hängt von der Folgebewertung des korrespondierenden Vermögenswertes (Anschaffungskosten- oder Neubewertungsmethode) ab. Insbesondere ist zu untersuchen, ob eine Rückstellungsänderung direkt ergebniswirksam oder zunächst erfolgsneutral und in der Zukunft über eine veränderte Abschreibungsreihe des betreffenden Vermögenswertes sowie angepasste Zinsaufwendungen zu erfassen ist.1138
7.3.3.3.2.1 Folgebewertung zu fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten Aufzinsungsänderungen sind Folge des Näherrückens des Erfüllungszeitpunktes der gebildeten Rückstellung. Nach IFRIC 1.8 werden diese Änderungen erfolgswirksam als Zinsaufwand in der Periode verbucht, in der sie eintreten (per Zinsaufwand an Rückstellung aus Entsorgungsverpflichtung). Es ergeben sich mithin keine Auswirkungen auf die Bewertung des Vermögenswertes. Es ist nach IFRIC 1.8 unzulässig, den Zinsaufwand als Finanzierungskosten nach IAS 23 zu kapitalisieren, da Entsorgungskosten nicht in den Anwendungsbereich dieses Standards fallen. Veränderte Schätzungen der künftigen Ausgaben können aber auch den Zahlungsstrom selbst bzw. den Diskontierungssatz betreffen. Der Entwurf zu IFRIC 1, IFRIC D. 2, sah hinsichtlich der Änderung von Zahlungsströmen sowie des ursprünglich angesetzten Abzinsungssatzes noch eine retrospektive Anpassung der Rückstellungshöhe sowie des betreffenden Vermögenswertes vor. Nach dieser im Entwurf genannten fresh start-Methode1139 hätte die Rückstellungsanpassung auf der Aktivseite bei der Korrektur des Buchwertes des korrespondierenden Vermögenswertes eine differenzierte Betrachtung zur Folge gehabt: Der Teil des Anpassungsbetrages, der dem zukünftigen Verbrauch des Vermögenswertes zuzuordnen gewesen wäre, sollte aktiviert werden und hätte so den Buchwert (des Vermögenswertes) erhöht bzw. reduziert; der Teil des Anpassungsbetrages, der den bereits abgeschriebenen Teil des Vermögenswertes betroffen hätte, sollte dagegen sofort erfolgswirksam verbucht werden.1140
1137 1138 1139 1140
Vgl. Kümpel (2004), S. 1229. Vgl. Basche/Nölte (2004), S. 37; Zeimes (2003), S. 2077. Vgl. Kümpel (2004), S. 1229. Vgl. Kümpel (2004), S. 1229; Basche/Nölte (2004), S. 37.
310
Der Entwurf führte zu Recht zu zahlreicher Kritik während der Kommentierungsfrist.1141 Die Vorgehensweise der retrospektiven Änderung steht im Widerspruch zu IAS 8, der die Änderungen von Schätzungen und Fehlern regelt. IAS 8.26 verlangt grundsätzlich eine prospektive Anpassung von Schätzwerten, d.h. eine Aktivierung der Anpassung in voller Höhe, die in den Folgeperioden über Abschreibungen zu Aufwand führt.1142 Die Kritikpunkte hat der endgültige IFRIC 1 berücksichtigt. Sämtliche Anpassungen der Entsorgungsverpflichtung aufgrund von Zahlungsstromänderungen oder Änderungen des Abzinsungssatzes sind nunmehr prospektiv zu behandeln (IFRIC 1.BC 17). Wird der korrespondierende Vermögenswert nach der Anschaffungskostenmethode bewertet, ist die Rückstellungsanpassung (Aufstockung bzw. Reduktion) aus Zahlungsstrom- und Abzinsungssatzänderungen gegen den Buchwert des zugehörigen Vermögenswertes zu verrechnen (IFRIC 1.5a).1143 Dies bedeutet, dass eine Rückstellungsänderung erfolgsneutral zu erfassen ist.1144 Erst in den Folgeperioden werden diese Änderungen über Veränderungen der Abschreibungsbeträge ergebniswirksam.1145 Aufgrund der erfolgsneutralen Anpassung der Rückstellung an den entsprechenden Vermögenswert kann es insbesondere gegen Ende der Nutzungsdauer des Vermögenswertes zu einem unrealistisch hohen Buchwert einerseits bzw. zu einem negativen Buchwert andererseits kommen. Diesen beiden Extremen wird im Normenwerk der IFRS durch die Schaffung von Wertgrenzen Rechnung getragen (IFRIC 1.BC 18). Bei negativen Schätzungsänderungen ist der neu berechnete Barwert der Entsorgungsverpflichtung kleiner als der aufgezinste Barwert der Entsorgungsverpflichtung des Vorjahres abzüglich zwischenzeitlicher Inanspruchnahmen. Die Verpflichtung ist durch eine erfolgsneutrale Buchung bis maximal zur Höhe des Restbuchwerts des Sachanlagegegenstandes zu vermindern (downward revision). Führen negative Schätzdatenänderungen zu einer (so immensen) Reduktion des Rückstellungsbetrages, dass der Vermögenswert einen negativen Buchwert aufweisen würde, bildet der Nullwert die Untergrenze für diese Sachanlage (IFRIC 1.5b). Ein eventueller Überhang der Verpflichtungsänderung über den Restbuchwert des Vermögenswertes hinaus ist sofort erfolgswirksam (Ertrag) zu erfassen. Nach vollständiger Abschreibung eines Vermögenswertes ist daher jede Änderung der Verpflichtung erfolgswirksam zu behandeln (IFRIC 1.7).
1141 1142 1143 1144 1145
Vgl. Kümpel (2004), S. 1227. So auch Zeimes (2003), S. 2079. Vgl. Zülch/Willms (2005), S. 1181. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 1290. Vgl. Kümpel (2004), S. 1229.
311
Im umgekehrten Fall wird durch eine positive Schätzdatenänderung der Rückstellungsbetrag erhöht. Die neu berechnete Entsorgungsverpflichtung übersteigt den Barwert der Verpflichtung des Vorjahres zuzüglich des Zinsaufwandes aus der Aufzinsung für das laufende Jahr abzüglich zwischenzeitlicher Inanspruchnahmen. Die Erhöhung zieht gleichzeitig eine Aufstockung des Buchwertes des Vermögenswertes nach sich. Bei dem entsprechenden Vermögenswert ist eine (Soll-)Gegenbuchung durchzuführen (upward revision). Sofern sich die Anschaffungskosten der Sachanlage infolge der positiven Schätzungsänderung erhöhen, ist dieser Erhöhungsbetrag über die jeweilige Restnutzungsdauer der jeweiligen Sachanlage abzuschreiben. In diesem Fall wird dem Unternehmen in IFRIC 1.5c aber empfohlen, den Vermögenswert einem Wertminderungstest nach IAS 36 zu unterziehen, wenn in der Erhöhung ein Anzeichen für eine Wertminderung bestehen könnte. Gegebenenfalls ist in diesem Fall der Vermögenswert auf seinen erzielbaren Betrag nach IAS 36.59 abzuwerten.1146 Beispiel: Ende 01 hat ein Unternehmen eine gebrauchte Filteranlage mit einer Restnutzungsdauer von vier Jahren zu 100.000 € erworben. Die geschätzten Entsorgungsverpflichtungen betragen Ende 01 12.000 €. Ende 03 stellt das Unternehmen fest, dass sich aufgrund geänderter Umweltvorschriften die Verpflichtungen auf 18.000 € erhöhen. Der Diskontierungssatz beträgt 8%, wird aber Ende 04 auf 6% revidiert. Die Anlage wird linear abgeschrieben, Beginn der Abschreibung erfolgt im Jahr 02.1147 Angaben in €
Jahr 01
Jahr 02
Jahr 03
Jahr 04
Rückstellung
8.820
9.525
15.431
16.980
18.000
8.820 × 1,08
9.525 × 1,08 + 5.144
15.431 × 1,08 + 314
16.980 × 1,06
12.000 × 1,08
- Aufzinsung
-4
1
705
762
1.235
1.020
9.525 - 8.820
9.525 × 1,08 - 9.525
15.431 × 1,08 - 15.431
16.980 × 1,06 - 16.980
- Zuführung
5.144
314
-2
(18.000 : 1,06) - (18.000 : 1,08)
6.000 × 1,08
Filteranlage - Abschreibung - Zuführung
1146 1147
Jahr 05
108.820
81.615
59.554
30.091
100.000 + 8.820
108.820 - 27.205
81.615 - 27.205 + 5.144
59.554 - 29.777 + 314
27.205
27.205
29.777
108.820 : 4
108.820 : 4
59.554 : 2
5.144
314
2
1
Aufzinsung ist als Zinsaufwand zu erfassen
2
wie Zuführung Rückstellung
Vgl. Kümpel (2004), S. 1230; Zülch/Willms (2005), S. 1181. Beispiel in Anlehnung an Kümpel (2004), S. 1229f.
0 30.091
312
7.3.3.3.2.2 Folgebewertung zum beizulegenden Zeitwert Neben der Alternative der Folgebewertung zu Anschaffungskosten besteht die Möglichkeit der Neubewertung von Sachanlagen, wenn deren beizulegender Zeitwert verlässlich bestimmt werden kann (IAS 16.31).1148 Auch nach der Neubewertungsmethode werden Aufzinsungsänderungen bei Entsorgungsverpflichtungen gem. IFRIC 1.8 erfolgswirksam als Zinsaufwand in der Periode verbucht, in der die Änderung auftritt. Insoweit besteht eine gleichartige Behandlung zur Folgebewertung nach der Anschaffungskostenmethode. Eine Aktivierung als Finanzierungskosten gem. IAS 23 kommt auch hier nicht in Betracht. Bei Änderungen des Zahlungsstroms und des Diskontierungssatzes greift IFRIC 1 auf die korrespondierenden Ausführungen in IAS 16 zurück. Erfolgt die Folgebewertung nach der Neubewertungsmethode, wirken sich die Anpassungen, die sich aus einer Änderung des erwarteten Verpflichtungsbetrages ergeben, nicht auf den Buchwert des betreffenden Vermögenswertes aus.1149 Es wird lediglich die Passivseite der Bilanz tangiert. Nach IFRIC 1.6ai wird eine Abnahme der Rückstellung grundsätzlich erfolgsneutral in der Neubewertungsrücklage im Eigenkapital erfasst (Passivtausch). Die Neubewertungsrücklage wird um den Betrag erhöht, um den die Verpflichtung abnimmt. Eine erfolgswirksame Behandlung kommt nur dann in Betracht, wenn eine in der Vergangenheit als Aufwand erfasste Abwertung desselben Vermögenswertes rückgängig gemacht wird. Die Zunahme der Neubewertungsrücklage wird jedoch begrenzt. Überschreitet die Abnahme der Rückstellung den Buchwert des Vermögenswertes, der zu fortgeführten Anschaffungskosten angesetzt worden wäre, ist der Überhang erfolgswirksam zu behandeln (IFRIC 1.6b). Diese Regelung ist darauf zurückzuführen, dass bei Anwendung der Folgebewertung zu Anschaffungskosten der Buchwert durch Änderungen der Rückstellung nicht unter null sinken darf.1150 Beispiel: Die fortgeführten Anschaffungskosten einer Filteranlage belaufen sich auf 30.000 €. Da sich das Unternehmen zur Neubewertung entschieden hat, bilanziert das Unternehmen den Filter jedoch zum Marktwert in Höhe von 80.000 €. In die Neubewertungsrücklage wird für die Anlage ein Betrag von 50.000 € eingestellt.1151
1148 1149 1150 1151
Zur Neubewertungsmethode siehe Kap. 6.2.4.2.2. Vgl. Zülch/Willms (2005), S. 1181. Vgl. Zülch/Willms (2005), S. 1182. Beispiel in Anlehnung an Kümpel (2004), S. 1231.
313
Reduziert sich der Barwert der Entsorgungsverpflichtung um 40.000 €, ist die Neubewertungsrücklage erfolgsneutral um 30.000 € aufzustocken (Passivtausch). Die restlichen 10.000 € sind erfolgserhöhend zu berücksichtigen. Die fiktiv fortgeführten Anschaffungskosten belaufen sich hiernach auf 0 €. Analog führt eine Erhöhung der Rückstellung zu einer Absenkung der Neubewertungsrücklage (IFRIC 1.6aii). Reicht diese betraglich für den Vermögenswert nicht mehr aus, ist der überschießende Teil erfolgswirksam zu erfassen. Da es sich auch hier um einen Passivtausch handelt, ändert sich der Wert der Sachanlage nicht.1152 Im Unterschied zu einer Folgebewertung zu Anschaffungskosten gilt bei der Anwendung der Neubewertungsmethode eine Änderung der Rückstellung als Anhaltspunkt für eine mögliche Wertminderung des betreffenden Vermögenswertes. Eine Neubewertung ist somit vorzunehmen, um sicherzustellen, dass der Buchwert nicht wesentlich von demjenigen Buchwert abweicht, der unter Verwendung des beizulegenden Zeitwertes am Bilanzstichtag ermittelt worden wäre (IFRIC 1.6c). Dabei ist zunächst die Neubewertung des Vermögenswertes zu erfassen, bevor die Anpassung der Neubewertungsrücklage aufgrund der Rückstellungsänderung vorzunehmen ist.1153 Ist die Sachanlage vollständig abgeschrieben, sind alle ab diesem Zeitpunkt auftretenden Zahlungsstrom- und Abzinsungssatzänderungen der Entsorgungsverpflichtung – wie bei der Anschaffungskostenmethode – nach IFRIC 1.7 sofort erfolgswirksam abzubilden. Beispiel: Ende 01 hat ein Unternehmen eine gebrauchte Filteranlage mit einer Restnutzungsdauer von vier Jahren zu 100.000 € erworben. Die geschätzten Entsorgungsverpflichtungen betragen 12.000 €. Das Unternehmen entscheidet sich für die Neubewertungsmethode als zulässige Folgebewertung. In 03 erfolgt eine Neubewertung der Anlage, nach der unter Berücksichtigung der Entsorgungsverpflichtung ein Zeitwert in Höhe von 60.000 € ermittelt wird. Ende 04 wird der Rückstellungsbarwert auf 9.000 € geschätzt, was eine Neubewertung der Anlage zur Folge hat. Diese ergibt einen Zeitwert der Filteranlage von 28.000 € inklusive der Entsorgungsverpflichtungen. Der Diskontierungssatz beträgt 8%. Die Anlage wird über die Nutzungsdauer linear abgeschrieben.1154
1152 1153 1154
Vgl. Zülch/Willms (2005), S. 1182. Vgl. Zülch/Willms (2005), S. 1182. Beispiel in Anlehnung an Kümpel (2004), S. 1231.
314
Angaben in €
Jahr 01
Jahr 02
Jahr 03
Jahr 04
Rückstellung
8.820
9.525
10.287
9.000
12.000 × 1,08 -4
8.820 × 1,08
9.525 × 1,08
- Aufzinsung
Jahr 05 9.720 9.000 × 1,08
705
762
823
720
9.525 - 8.820
10.287 - 9.525
9.000 - (10.287 - 2.110)
9.720 - 9.000
- Reduktion
2.110 10.287 × 1,08 - 9.000
Filteranlage
108.820
81.615
100.000 + 8.820
108.820 - 27.205
- Abschreibung
60.000
28.000
0 28.000
27.205
27.205
30.000
108.820 : 4
108.820 : 4
60.000 : 2
- Zuführung
5.590 60.000 - (81.615 - 27.205)
-Wertminderung
2.000 30.000 - 28.000
Neubewertungsrücklage 1
5.590
2.905 5.590 - (60.000 : 2 2 - 27.205) + 2.110 - 2.000
Gewinnrücklage
1
ohne Berücksichtigung latenter Steuern
2
Abschreibungsdifferenz IAS 16.41
0 2.905 - (28.000 2 - 27.205) - 2.110
2.795
5.700
60.000 : 2 - 27.205
28.000 - 27.205 + 2.110 + 2.795
Erläuterung: In den ersten Perioden 01 und 02 ergeben sich zu dem Beispiel in Kap. 7.3.3.3.2.1 keine Änderungen. Im Jahr 03 wird aus der Neubewertung eine Neubewertungsrücklage geschaffen. Im Jahr 04 führt die Abschreibungsdifferenz aus der planmäßigen Abschreibung zu Anschaffungskosten und derjenigen aus der Neubewertung zu einer Umbuchung von der Neubewertungs- in die Gewinnrücklage (IAS 16.41).1155 Die Reduzierung der Rückstellung führt dabei zu einer Erhöhung der Neubewertungsrücklage (Passivtausch) und bewirkt eine Neubewertung der Filteranlage, die eine Wertminderung von 2.000 € auslöst. Die Neubewertungsrücklage wird im Jahr 04 folglich durch die Abschreibungsdifferenz und die Wertminderung reduziert, gleichzeitig aber durch die Verminderung der Rückstellung erhöht. In 05 wird die Neubewertungsrücklage ebenfalls durch die erneut auftretende Abschreibungsdifferenz tangiert. Da die Filteranlage Ende 05 vollständig abgeschrieben ist, wird der Rest der Neubewertungsrücklage aus Informationsgründen in die Gewinnrücklage umgegliedert. Die Anpassung der Neubewertungsrücklage bei Zahlungsstrom- oder Abzinsungssatzänderungen von Entsorgungsverpflichtungen ist gem. IFRIC 1.6d in einer Eigenkapitalveränderungsrechnung (IAS 1.96) gesondert zu zeigen.
1155
Näher hierzu siehe Kap. 6.2.4.2.2.
315
7.3.3.4
Kritische Würdigung
Die IFRS lösen das Spannungsverhältnis zwischen den Postulaten „periodengerechter Erfolgsausweis“ und „vollständiger Ausweis von Vermögenswerten und Schulden“, indem sie eine Bilanzverlängerung schaffen. Neben einer vollständigen Passivierung der Entsorgungsverpflichtung wird der Verpflichtungsbarwert gleichzeitig als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des betreffenden Vermögenswertes aktiviert. Eine Erfolgswirksamkeit tritt erst über die Abschreibung ein. Im konzeptionellen Vergleich zwischen HGB und IFRS werden die Aufwendungen nach IFRS über die Erhöhung der Abschreibungsbemessungsgrundlage periodisiert, während sie nach HGB im Rahmen einer Vollrückstellung erfasst werden.1156 Während bei der HGBLösung kritisiert werden kann, dass dem Periodisierungsgedanken durch kontinuierlichen Aufbau nicht Rechnung getragen wird, muss im IFRS-Normenwerk der Anschaffungs- bzw. Herstellungskostencharakter von Entsorgungsverpflichtungen stark angezweifelt werden.1157 Die Herausgabe der Interpretation IFRIC 1 ist grundsätzlich zu begrüßen, da sie die wesentlichen Unsicherheiten beseitigt, die hinsichtlich der bilanziellen Behandlung von Schätzdatenänderungen bei Entsorgungsverpflichtungen bestanden haben. Im Ergebnis sind Anpassungen aufgrund von Aufzinsungs-, Zahlungsstrom- und Abzinsungssatzänderungen separat zu betrachten. Die Änderung von Schätzdaten, die den Zahlungsstrom bzw. den Abzinsungssatz betreffen, sind prospektiv zu behandeln. Dabei werden der Rückstellungswert wie auch der Buchwert des betreffenden Vermögenswertes (fortgeführte Anschaffungskosten) bzw. die Neubewertungsrücklage (Neubewertungsmethode) den aktuellen Gegebenheiten angepasst. Damit wird der Informationsfunktion in starkem Maße Rechnung getragen.1158 Andererseits ist zu bedenken, dass eine ständige Anpassung eine enorme Volatilität der Buchwerte von Rückstellung und Sachanlage bzw. Eigenkapital bedeuten kann. Auch wenn Volatilität per se nicht negativ ist, läuft sie hier der Informationsfunktion eines Abschlusses m. E. zuwider. Deutlich zu kritisieren ist die Änderung des Buchwertes einer Sachanlage bei Anpassung des Abzinsungssatzes nach der Anschaffungskostenmethode. Der Diskontierungssatz sollte den fristadäquaten Zinssatz widerspiegeln, zu dem ein Unternehmen gegenwärtig zusätzliches 1156 1157 1158
Vgl. Lüdenbach (2003), S. 839. Vgl. Lüdenbach (2003), S. 839. Vgl. Kümpel (2003), S. 221.
316
Fremdkapital aufnehmen kann, da dieser Zinssatz die individuellen Finanzierungsrisiken des gesamten Unternehmens am zutreffendsten darstellt.1159 Eine Verschlechterung der Finanzstruktur bedeutet regelmäßig eine geringere Bonität und damit eine Erhöhung des Zinssatzes. Eine Zinssatzerhöhung bedeutet wiederum einen geringeren Barwert der Rückstellung und eine Verringerung des Buchwertes des Vermögenswertes. Nur durch die Finanzstruktur und Finanzlage eines Unternehmens werden Rückstellungen für Entsorgungsverpflichtungen einerseits und die Buchwerte der zu entsorgenden Vermögenswerte andererseits tangiert. Ein true and fair view wird durch die Anpassung der Buchwerte m. E. nicht erreicht. De lege ferenda ist eine Anpassung des Rückstellungsbetrages und der Sachanlage nur bei Zahlungsstromänderungen zu fordern. Die Nachteile von schwankenden Zinssätzen sind größer als die Vorteile einer konsequenten fair value-Bewertung.1160
7.3.4
Rekultivierungsverpflichtungen
7.3.4.1
Rückstellungsansatz
Die bisher vorgestellten Entsorgungsverpflichtungen waren dadurch charakterisiert, dass sie bei Anschaffung bzw. Inbetriebnahme des Vermögenswertes vollumfänglich entstanden sind. Dagegen bestehen Rekultivierungsverpflichtungen bei Inbetriebnahme wirtschaftlich noch nicht. Sie entstehen wirtschaftlich erst mit der Nutzung von bilanziertem Sachanlagevermögen, wie z. B. der Verpflichtung zur Wiederauffüllung von Kiesgruben, und bauen sich sukzessive durch den Abbaufortschritt weiter aus.1161 Rekultivierungsverpflichtungen können privatrechtlich, öffentlich-rechtlich wie auch faktisch begründet sein. Beispiel: Ein Unternehmen betreibt in der Nordsee eine Bohrinsel zur Ölförderung mit der Auflage der Entsorgung der Plattform bei Beendigung der Förderung und der Wiederherstellung des Meeresbodens, der durch die Ölförderung zerstört bzw. verschmutzt wird. 90% der Aufwendungen entstehen für die Entfernung der Plattform und die Beseitigung der durch die Aufstellung entstandenen Schäden, 10% entfallen auf die Verschmutzung des Meeresbodens durch die Ölför-
1159 1160 1161
Zur Abzinsung siehe Kap. 6.1.5.6. Vgl. Kümpel (2004), S. 1231f.; Zeimes (2003), S. 2078. Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 571; Hoffmann (2005c), § 21 Rz. 99e. Auch IFRS 6.11, auf den nicht eingegangen wird, schreibt eine Rückstellungsbildung für Ausgaben im Zusammenhang mit der Exploration und Evaluierung mineralischer Ressourcen vor, die vor dem Nachweis der technischen Durchführbarkeit und Rentabilität des Abbaus einer mineralischen Ressource entstehen.
317
derung. Zum Bilanzstichtag wurde die Plattform bereits aufgestellt, aber noch kein Öl gefördert.1162 Die Aufstellung der Plattform führt zu einer rechtlich vollumfänglich entstandenen Entsorgungsverpflichtung. 90% der anfallenden Aufwendungen sind daher als Rückstellung für Entsorgung anzusetzen, da sich das Unternehmen zum Bilanzstichtag dieser Verpflichtung nicht mehr entziehen kann. Gleichzeitig sind die Anschaffungskosten der Plattform um diesen Betrag zu erhöhen. Da annahmegemäß zu diesem Zeitpunkt noch kein Öl gefördert wird, besteht am Bilanzstichtag keine gegenwärtige Verpflichtung zur Beseitigung der erst durch die künftige Ölförderung bedingten Schädigung des Meeresbodens. Die durch die künftige Ölförderung verursachten Schäden werden voraussichtlich kontinuierlich zunehmen. Die Verpflichtung zur Wiederherstellung des Meeresbodens wird entsprechend ansteigen, bis schließlich gegen Ende der Ölförderung die restlichen 10% voll anzusetzen sind. Rückstellungen für Rekultivierungsverpflichtungen, die durch Nutzung entstehen, sind folglich ratierlich anzusammeln. Voraussetzung ist, dass die allgemeinen Grundsätze der Rückstellungsbildung nach IAS 37.14ff. vorliegen. Neben der gegenwärtigen Verpflichtung muss ein Abfluss von wirtschaftlichen Ressourcen wahrscheinlich sein. Diese Anforderung dürfte in Ländern mit hohen Umweltstandards i. d. R. erfüllt sein.1163 Auch eine verlässliche Schätzung des Verpflichtungsumfanges dürfte nach IAS 37.36 regelmäßig möglich sein. Die Ansammlung von Rückstellungen nach Maßgabe der Verursachung steht dem zeitpunktbezogenen Unentziehbarkeitskriterium nicht entgegen. Denn zu jedem einzelnen Zeitpunkt wird die Verpflichtung abgebildet, der sich das Unternehmen nicht mehr entziehen kann. IAS 37 lässt aber die Frage offen, ob eine verursachungsgerechte Ansammlung anhand des tatsächlichen Abbaus oder anhand der erwirtschafteten Erträge (matching principle) zu erfolgen hat.1164 Meines Erachtens kommt es auf den tatsächlichen Abbaufortschritt an. IAS 37.19 regelt bei Entsorgungsverpflichtungen, dass eine Rückstellung insoweit anzusetzen ist, als das Unternehmen zur Beseitigung bereits entstandener Schäden verpflichtet ist. Für den Normgeber kommt es also allein auf die Umweltschädigung an. Zum Abschlussstichtag ist daher der Betrag zurückzustellen, der die Umweltschädigung durch Abbau in der Vergangenheit abdeckt, da nur für diesen Teil eine gegenwärtige Verpflichtung besteht. Es liegt daher eine Proportionalität zwischen dem in der Vergangenheit erfolgten Abbau und dem Ausmaß der 1162 1163 1164
Beispiel in Anlehnung an IAS 37, Anhang C, Beispiel 3; siehe auch Förschle/Kroner/Heddäus (1999), S. 47. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 218. Näher hierzu siehe Kap. 5.3.3.1.1.4.
318
gegenwärtigen Verpflichtung vor. Jede weitere künftige Verpflichtung kann hingegen durch einen Produktionsstop vermieden werden. Für diesen Teil ist daher keine Rückstellung zu bilden.1165 Auch eine zeitproportionale Verteilung bereits verursachter erwarteter Gesamtkosten auf den Zeitraum bis zur voraussichtlichen Fälligkeit ist unzulässig (R. 95).1166
7.3.4.2
Rückstellungsbewertung
Die Bewertung der Rückstellung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen.1167 In der Regel ist die Höhe der Rückstellung anhand des Anteils der ausgebeuteten Fläche (ausgebeutetes Volumen) zur Gesamtfläche (zum Gesamtvolumen) zu dotieren. Aufgrund der meist vorliegenden Langfristigkeit von Rekultivierungsverpflichtungen kommt der anteilig am Bilanzstichtag verursachte Barwert der Rückstellung nach IAS 37.45 zum Ansatz. Auch hier muss der Abzinsungssatz einem Satz vor Steuern entsprechen, der die aktuellen Markterwartungen im Hinblick auf den Zinseffekt sowie die für die Schuld spezifischen Risiken widerspiegelt. Gleichzeitig sind wie bei Entsorgungsverpflichtungen künftige Preissteigerungen in die Bewertung einzukalkulieren. Eine Verrechnung der Rückstellung mit eventuellen Kippgebühren ist im IFRS-Normenwerk nicht möglich. Erhält ein Unternehmen Entschädigungsleistungen für eine Wertminderung oder einen anderen erlittenen Verlust, sind diese nach IAS 16.65 als Ertrag zu verrechnen, wobei eine Saldierung nicht gestattet ist.1168 In Analogie sind daher auch Kippgebühren als Ertrag zu erfassen. IAS 37 behandelt nicht die Erfassung von Erträgen und hat daher keinen Einfluss auf die Anforderungen nach IAS 18, der die Ertragsvereinnahmung regelt (IAS 37.6).
7.3.4.3
Erfolgsneutrale Aktivierung
Eine erfolgsneutrale Gegenbuchung der Rückstellung durch Erhöhung der Anschaffungskosten der zugehörigen Sachanlage wie bei Entsorgungsverpflichtungen kommt nach IAS 16.16c nicht in Betracht. Stehen Aufwendungen mit der Nutzung eines Vermögenswertes (Grund und Boden) in Zusammenhang, die der Herstellung von Vorräten (Mineralien, Kohle, Erze etc.)
1165 1166 1167 1168
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 208. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (2005), Abschn. 18 Rz. 209. Zur Rückstellungsbewertung siehe Kap. 6.1.5. Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 289f. Auch die analoge Behandlung von Erstattungsansprüchen lässt eine Saldierung nicht zu. Näher hierzu siehe Kap. 6.1.5.5.
319
dient, schließt IAS 16.16c seinen Anwendungsbereich explizit aus. Als Folge dessen ist IFRIC 1 ebenfalls nicht anwendbar. IFRIC 1 ist nur anwendbar bei einer Rückstellung für Entsorgungs- bzw. ähnliche Verpflichtungen, die nach den Kriterien des IAS 37 passiviert und gleichzeitig quasi über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer Sachanlage gem. IAS 16 aktiviert wird. Grundsätzlich müsste die Dotierung der Rückstellung erfolgswirksam erfolgen. Nach IAS 16.18 aber werden solche Verpflichtungen, die infolge der Nutzung eines Gegenstandes für die Herstellung von Vorratsvermögen entstehen, als Bestandteil der Herstellungskosten der mit der Anlage produzierten Leistungen, also Vorräte, aktiviert (IAS 16.18; IAS 16.BC 15).1169 Über die Aktivierung beim Vorratsvermögen wird die Rückstellung zunächst erfolgsneutral erfasst. Jeder zusätzlichen Rückstellung infolge einer weiteren Nutzung folgt ceteris paribus eine Erhöhung der Vorräte. Der Aufwand entsteht bei Verbrauch dieser Vorräte.
7.3.4.4
Folgebilanzierung
In den Folgeperioden ist der bereits bilanzierte Teil der Rückstellung aufzuzinsen. Der Aufzinsungsbetrag ist als Zinsaufwand erfolgswirksam zu erfassen. Die neu gebildeten Rückstellungsbeträge sind entsprechend dem Abbau einzubuchen. Die Herstellungskosten des Abbauproduktes erhöhen sich um den ihm zuordenbaren Anteil der Rückstellungszuführung. Eine Regelungslücke besteht allerdings bei: •
einer Änderung des geschätzten Abflusses von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen, der für die Erfüllung der Verpflichtung erforderlich ist (Zahlungsstromänderung), und
•
einer Änderung des aktuellen auf dem Markt basierenden Abzinsungssatzes gemäß IAS 37.47 (Zinssatzänderung).
Fraglich ist, ob IFRIC 1 analog anzuwenden ist, wenn es sich um wesentliche Rekultivierungsverpflichtungen handelt. Dafür spräche die Ähnlichkeit der zugrundeliegenden Verpflichtung. Eine Anpassung der Rekultivierungsverpflichtung beim korrespondierenden Vorratsvermögen ist aber nur geboten, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt wesentlich ist.
1169
Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 571; Hoffmann (2005c), § 21 Rz. 99c.
320
Ansonsten sollte – schon aus Gründen der Praktikabilität – die Erfassung des Änderungsbetrages der Rückstellung sofort erfolgswirksam erfolgen.1170
7.3.4.5
Kritische Würdigung
Während sich eine Rekultivierungsverpflichtung über die Perioden hinweg kontinuierlich aufbaut, ist eine Entsorgungsverpflichtung i. d. R. bereits bei Inbetriebnahme entstanden. Wirtschaftlich betrachtet entspricht aber eine Entsorgungsverpflichtung einer Rekultivierungsverpflichtung eines Geländes nach vollständigem Nutzenverbrauch (z. B. Abbau von Kohle). Auch wenn auf den ersten Blick die Bilanzierung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen nach IFRS unterschiedlich erfolgt, erscheint es sachgerecht, diese beiden Verpflichtungsarten wirtschaftlich gleich zu behandeln. Den Verpflichtungen ist gemein, dass sie angesetzt werden, wenn ihre Unentziehbarkeit gegeben ist. Während diese bei Entsorgungsverpflichtungen schon bei Errichtung bzw. Inbetriebnahme vorliegt, wird sie bei Rekultivierungsverpflichtungen erst kontinuierlich aufgebaut. Eine sofortige Erfolgsneutralität der Entsorgungsverpflichtung wird nach IAS 16.16c durch eine Hinzuaktivierung beim korrespondierenden Vermögenswert geschaffen. Bei Rekultivierungsverpflichtungen wird sofort bei wirtschaftlicher Verpflichtungsentstehung die Erfolgsneutralität durch eine Hinzuaktivierung beim Vorratsvermögen hergestellt, wobei die wirtschaftliche Verpflichtung kontinuierlich ansteigt. In beiden Fällen kommt es im Ergebnis rein wirtschaftlich betrachtet zur Ansammlung einer Rückstellung. Allerdings erfolgt die Erfolgswirksamkeit bei Entsorgungsverpflichtungen über die Abschreibungen auf Sachanlagen, wohingegen sie bei Rekultivierungsverpflichtungen über den Verkauf von Vorratsvermögen und somit in praxi über z. B. Materialaufwand erreicht wird. Im letzteren Fall kommt es daher zu einer Einbeziehung des Aufwandes ins EBITDA, während diese Kennziffer bei Entsorgungsverpflichtungen nicht tangiert wird. Rein analytisch ergeben sich daher Unterschiede, die Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Fremdkapitalaufnahme haben können. Zusätzlich tangiert bei Entsorgungsverpflichtungen der Aufzinsungsaufwand das Finanzergebnis, wohingegen bei Rekultivierungsverpflichtungen wegen der Ansammlung kein derartiger Finanzaufwand entsteht. Die Rückstellungshöhe bei Rekultivierungsverpflichtungen umfasst aber auch den durch das zeitliche Näherrücken der Erfüllung anfallenden Aufwand, so dass er im operativen Ergebnis ausgewiesen wird.
1170
Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 572.
321
Aufgrund der Ähnlichkeit des Verpflichtungscharakters ist eine wirtschaftlich und analytisch gleiche Behandlung von Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen zu fordern. Daher sollte auch bei Rekultivierungsverpflichtungen eine kontinuierliche Hinzuaktivierung des Verpflichtungsumfanges in Abhängigkeit von der Abbautätigkeit beim Anlagevermögen (Grund und Boden) erreicht werden. Die Komponente des zeitlichen Näherrückens einer Rückstellung (Aufzinsungsaufwand) kann eruiert werden, indem unter Heranziehung gleicher Prämissen (insbesondere Zinssätze) der Rückstellungsumfang zu Beginn und zu Ende einer Periode verglichen wird. Diese Differenz ist mit derjenigen zu vergleichen, die unter Heranziehung der realistischen Prämissen (insbesondere fristadäquate Zinssätze) zustande kommt. Der Aufzinsungsaufwand sollte separat im Finanzergebnis ausgewiesen werden. Zudem ist de lege ferenda die Anwendbarkeit von IFRIC 1 auch auf Rekultivierungsverpflichtungen zu fordern.
7.3.4.6
Abschreibung des abgebauten Grund und Bodens
Unbebaute Grundstücke bilden nach IAS 16.37a eine eigene Gruppe von Sachanlagen. Da Grund und Boden grundsätzlich eine unbegrenzte Nutzungsdauer hat, wird er regelmäßig nicht abgeschrieben (IAS 16.58). Der zukünftige Nutzenzufluss aus dem Grund und Boden eines Steinbruchs oder eines Tagebaus setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, deren separate Beurteilung IAS 16.43 erfordert. Zunächst besteht der Grund und Boden als solcher. Den eigentlichen Wert und damit den Nutzenzufluss des Grundstücks machen aber erst die abzubauenden Rohstoffe aus. Es erscheint daher angemessen, den rohstoffträchtigen Grund und Boden in seine Bestandteile aufzuteilen und jeden Bestandteil einzeln zu bewerten. Insbesondere gilt das, wenn die einzelnen Komponenten unterschiedliche Nutzungsdauern aufweisen oder in unterschiedlicher Weise Vorteile für das Unternehmen schaffen, was verschiedene Abschreibungsmethoden und Abschreibungssätze erforderlich macht.1171 Dies ist regelmäßig bei Steinbrüchen oder im Tagebau gegeben. Nach IAS 16.43 ist daher jeder Teil einer Sachanlage mit einem bedeutsamen Anschaffungswert im Verhältnis zum gesamten Wert getrennt abzuschreiben. Die Anschaffungskosten von Grundstücken beinhalten die Kosten für den Abbau und die Wiederherstellung des Grund und Bodens. Diese Kosten werden über den Zeitraum abgeschrieben, über den der Nutzen durch ihre Einbringung erzielt wird. Dieser Zeitraum stellt i. d. R. die Länge der Abbautätigkeit dar. Auch wenn die Wiederherstellungskosten beim 1171
Zur Komponentenbildung siehe Kap. 6.2.3.2.
322
Grund und Boden aktiviert werden, ist die entsprechende Komponente über diese verkürzte Nutzungsdauer abzuschreiben (IAS 16.59). Der Grund und Boden ohne Rohstoffe ist dagegen regelmäßig planmäßig nicht abzuschreiben. In einigen Fällen kann das Grundstück aber auch selbst eine begrenzte Nutzungsdauer haben; es wird dann in der Weise abgeschrieben, dass der daraus entstehende Nutzen widergespiegelt wird (IAS 16.59).
7.3.5
Entsorgungs- und Rekultivierungsfonds
Da Entsorgungs-, Rekultivierungs- und ähnliche Verpflichtungen meist einen beträchtlichen Umfang haben, richten Unternehmen in praxi zunehmend Fonds ein. Ziel dieser Fonds ist die Deckung dieser Verpflichtungen mittels Ansammlung von Vermögenswerten (IFRIC 5.1). Beiträge zu diesen Fonds können aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen oder auf freiwilliger Grundlage erfolgen (IFRIC 5.2). IFRIC 5 regelt, wie Erstattungen aus Fonds sowie der korrespondierende Rückstellungssachverhalt zu behandeln sind (IFRIC 5.6a). Hat das Unternehmen seine Verpflichtung zur Entsorgung oder Rekultivierung rechtswirksam und ohne ein Rückgriffsrecht Dritter auf den Fonds übertragen, kommt die Bilanzierung einer Rückstellung wegen fehlender Verpflichtung nicht mehr in Betracht (IFRIC 5.7). Verbleibt die Verpflichtung zur Entsorgung oder Rekultivierung dagegen beim Unternehmen, ist der Anteil des Unternehmens am Fondsvermögen bzw. der Erstattungsanspruch aufgrund des Saldierungsverbotes nach IAS 1.32 getrennt von der Rückstellung zu bilanzieren (IFRIC 5.7). IFRIC 5 übernimmt hierbei faktisch die Vorschriften, die IAS 37 zur Bilanzierung von Erstattungsansprüchen aufstellt.1172 Die Rückstellung ist gemäß den Bestimmungen des IAS 37 sowie des IFRIC 1 abzubilden und zu bewerten. Der Anteil am Fondsvermögen bzw. der Erstattungsanspruch ist mit dem niedrigeren Wert aus der bilanzierten Verpflichtung (IFRIC 5.9a) und einem um Zugriffsbeschränkungen auf das Fondsvermögen angepassten fair value des Anteils am Fonds (IFRIC 5.9b) zu bilanzieren.
1172
Vgl. Zülch/Willms (2005), S. 1182. Zum Erstattungsanspruch siehe Kap. 6.1.5.5.
323
8
Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung der vorliegenden Arbeit war, die bilanzielle Berücksichtigung von aktuellen Umweltschäden bzw. potentiellen Umweltrisiken und aus ihnen resultierenden Verpflichtungen für Kapitalgesellschaften nach der gem. HGB und IFRS jeweils geltenden Rechtslage vorzustellen und kritisch zu würdigen. Dabei wurden in sich konsistente Lösungen für bestehende Regelungsunschärfen sowie -lücken vorgeschlagen. Zunächst wurde eine Begriffsbestimmung für Umweltschutzverpflichtungen sowie unter Bilanzierungsaspekten eine Systematisierung dieser Verpflichtungen vorgenommen, um später insbesondere die spezifischen Verpflichtungen der Anpassung, Altlastensanierung und Rekultivierung bzw. Entsorgung besser einordnen zu können. Da die vorliegende Arbeit aus den beiden Rechtsgebieten Umweltrecht und Bilanzrecht eindeutig auf das Bilanzrecht fokussiert, wurden anschließend die relevanten Rechnungslegungsgrundlagen für die Behandlung von Umweltschutzverpflichtungen im Jahresabschluss (und Lagebericht) nach HGB und IFRS vorgestellt. Eine besondere Berücksichtigung erfuhren die jeweiligen Ziele bzw. Zielsysteme, aus denen einzelne Normen und Grundsätze abgeleitet wurden. Kapitel vier und sechs umfassen die grundsätzlichen Möglichkeiten der Einbeziehung von Umweltschutzverpflichtungen in den Jahresabschluss (und Lagebericht) der beiden Normenwerke. Dabei hat die vorliegende Arbeit gezeigt, dass für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen im Bereich der handelsrechtlichen Rückstellungsbilanzierung de lege lata auf die restriktive BFH-Rechtsprechung zurückgegriffen werden muss. Somit erlangt die Finanzgerichtsbarkeit einen erheblichen Einfluss auf das deutsche Handelsrecht; ein Umstand, der m. E. sehr bedenklich ist.1173 Mit Ausnahme der restriktiven Vorschriften für Rückstellungen aus öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen werden im Normenwerk der IFRS an die Rückstellungsbilanzierung strengere Kriterien als nach HGB gestellt, z. B. dürfen nur Außenverpflichtungen bilanziell abgebildet werden oder es müssen mehr Gründe für als gegen das Vorliegen einer Verpflichtung sprechen (eine Gleichwahrscheinlichkeit reicht nicht aus). Diese strengeren Kriterien gehen damit einher, dass das Vorsichtsprinzip nach IFRS auf ein reines Bewertungsprinzip zurückgedrängt wird und kein overriding principle darstellt.
1173
Vgl. auch Naumann (1993) S. 378. Näher hierzu siehe Kap. 3.1.6.
324
Kapitel fünf und sieben behandeln die spezifische bilanzielle Behandlung von Anpassungs-, Altlastensanierungs- und Rekultivierungs- bzw. Entsorgungsverpflichtungen nach HGB und IFRS. Dabei wurden die folgenden Lösungen entwickelt: •
Während nach HGB intensiv zu prüfen ist, ob Anpassungsmaßnahmen über eine Rückstellung zu antizipieren sind oder aktiviert werden müssen, kommt nach IFRS eine Rückstellung für solche Verpflichtungen nicht in Betracht. Die fehlende rechtliche Verpflichtung wird im Normenwerk der IFRS mit der mangelnden Unentziehbarkeit begründet. Im Verlauf der Arbeit wurde abgeleitet, dass dieses Kriterium i. S. e. den Zielen und Zwecken der IFRS entsprechenden Darstellung zu weit greift und daher de lege ferenda überarbeitet werden sollte. Denn über das Schaffen einer faktischen Verpflichtung kann das Kriterium der fehlenden Unentziehbarkeit durch Sachverhaltsgestaltung umgangen werden.
•
Altlasten begründen regelmäßig einen Wertverfall des Grund und Bodens, der in beiden Normenwerken über eine außerplanmäßige Abschreibung bzw. Wertminderung zu erfassen ist. Gleichzeitig bedeutet die Verpflichtung zur Sanierung die Berücksichtigung einer Rückstellung als Risikovorsorgeinstrument. Aus dieser Doppelberücksichtigung ergibt sich ggf. eine Bilanzierungskonkurrenz, die nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich zugunsten der Rückstellung aufzulösen ist.
•
Die Entsorgungsverpflichtung entspricht nach HGB bilanziell einer Rekultivierungsverpflichtung nach vollständigem Abbau. Daher wurden nach HGB lediglich Rekultivierungsverpflichtungen genauer untersucht. Im Normenwerk der IFRS allerdings werden Entsorgungsverpflichtungen über eine Hinzuaktivierung der Rückstellung beim entsprechenden Vermögenswert (z. B. Ölplattform) nach IAS 16.16c erfolgsneutral erfasst. Für Rekultivierungsverpflichtungen, die dagegen oftmals aus der Herstellung von Vorräten (Erze, Kohle etc.) resultieren, ist die Anwendbarkeit des IAS 16.16c nicht gegeben. Aus dieser unterschiedlichen Behandlung heraus wurde nach IFRS zunächst eine differenzierte Betrachtung der Entsorgungsverpflichtung einerseits sowie der Rekultivierungsverpflichtung andererseits notwendig. Es wurde jedoch herausgearbeitet, dass die beiden Verpflichtungsarten wirtschaftlich ähnlich abgebildet werden sollten. In beiden Normenwerken HGB und IFRS ist die Höhe einer Verpflichtung zur Rekultivierung m. E. abhängig von dem Ausmaß des bereits verursachten Umweltschadens. Eine Proportionalisierung der Aufwendungen auf die erwirtschafteten Erträge kommt m. E. nicht in Betracht.
In der Arbeit wurden diese Lösungen zu einzelnen Bilanzierungs- und Bewertungsproblemen auf der Grundlage von Normen, Grundsätzen und Zielsetzungen der Rechnungslegungswerke diskutiert. Zu untersuchen bleibt die Frage, welches Rechnungslegungswerk die Behandlung von Umweltschäden und -verpflichtungen besser i. S. v. zweckadäquater abbildet. Während die IFRS allein dem Ziel der Information dienen, verfolgen die Vorschriften des HGB ein System aus den Einzelzielen Ausschüttungsbemessung, Information und steuerliche
325
Gewinnermittlung. Eine Vergleichbarkeit von Abschlüssen der beiden Normensysteme ist aufgrund der unterschiedlichen Zielvorgaben nicht bzw. nur mit wesentlichen Einschränkungen hinsichtlich der Erkenntnisziele und -tiefe möglich. Wenn aber die IFRS unter dem alleinigen Ziel der Informationsversorgung des Investors stehen, dann müssten sie dieses Ziel doch deutlich stringenter verfolgen als das HGB, dem ein Zielsystem unterliegt. Obwohl in der Literatur nahezu „gebetsmühlenartig“1174 die Auffassung vertreten wird, dass die IFRS den Informationsbedürfnissen (weltweit agierender) Investoren gerecht werden und daher als internationale Referenznormen dienen können,1175 kann dieser Forderung aus folgenden Gründen im Hinblick auf die vorliegende Thematik nicht bzw. nur eingeschränkt zugestimmt werden: •
Existenz zahlreicher Wahlrechte Eine kapitalmarktorientierte Rechnungslegung erweckt den Anschein, dass sie Bilanzierungsregeln beinhaltet, die den Gewinn eines Unternehmens objektivieren und damit zuverlässig analysierbar machen.1176 Wenn Investoren eine Entscheidungshilfe bei der Vorteilhaftigkeitsabwägung verschiedener Anlagealternativen erhalten sollen, müssten die IFRS im Vergleich zum HGB weniger Gestaltungsspielräume zulassen und somit einen höheren Informationsgrad gewähren. Aber auch im Normenwerk der IFRS existieren zahlreiche Wahlrechte. So können Sachanlagen für den Umweltschutz nach IAS 16 im Rahmen der Folgebewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten angesetzt oder neu bewertet werden. Auch wenn diesbezügliche Informationen im Anhang aufgenommen werden, hat das Wahlrecht keinen formellen Unterschied zum deutschen Wahlrecht der Aufwandsrückstellung für Innenverpflichtungen aus Umweltschäden.
•
Unbestimmtheit und Scheingenauigkeiten Da ein IFRS-Abschluss die Verhältnisse am Erfüllungsstichtag und nicht zum Abschlussstichtag abzubilden versucht, unterliegt er grundsätzlich einem deutlicheren Zukunftsbezug als ein Abschluss nach HGB. Dieser Zukunftsbezug ist für die Gewährung entscheidungsrelevanter Informationen unerlässlich. Jedoch eröffnen die IFRS dem Bilanzierenden durch ihre Unbestimmtheit enorme bilanzpolitische Spielräume, die einer qualitativ hochwertigen Informationsgewährung zuwiderlaufen. So führen die Regelungen zur Bewertung von langfristigen Rückstellungen aus Entsorgungs- und Rekultivierungsverpflichtungen sowie ggf. aus Altlastensanierungsverpflichtungen meist nur zu Scheingenauigkeiten. Die Annahmen über Abzinsungssätze, Preissteigerungen oder technologische Entwicklungen sind stark prognosebehaftet und aufgrund der Problematik der eingeschränkten Objektivierbarkeit zukunftsbezogener Aussagen somit in hohem Maße anfällig, für bilanzpolitische Zwecke instru-
1174 1175 1176
Engel-Ciric (2002), S. 780. Vgl. IDW (2001a), S. 228. Vgl. Engel-Ciric (2002), S. 780.
326
mentalisiert zu werden. Sie stellen implizite Wahlrechte dar. In praxi liegen Abschlüssen verschiedener Unternehmen somit unterschiedliche Annahmen zugrunde. Eine Vergleichbarkeit ist daher nicht oder nur eingeschränkt möglich. Das HGB stellt dagegen auf das Abschlussstichtagsprinzip ab. Die Informationen weisen zwar einen deutlich stärkeren Vergangenheitsbezug auf, sie sind jedoch verlässlicher als jene nach IFRS, da sie auf intersubjektiv nachprüfbaren Kriterien, nämlich Tatsachen und nicht lediglich Einschätzungen über künftige Zustände, beruhen. •
Restriktionen durch nationale Unterschiede Während die zuvor genannten Argumente durch die Abschaffung von Wahlrechten oder genaue Angaben von Annahmen im Anhang (teilweise) entkräftet werden können, unterliegen die IFRS im Hinblick auf die Abbildung von Umweltschäden und -verpflichtungen einer Restriktion, die aus dem Normenwerk heraus nicht gelöst werden kann. Die bilanzielle Abbildung von Umweltschutzverpflichtungen nach HGB erfolgt auf Basis eines nationalen Umweltverständnisses und einer nationalen Umweltgesetzgebung. Umweltschäden werden an diesen Gesetzen als solche identifiziert und gemessen. Eine nationale Vergleichbarkeit der Normen ist gewahrt. Die IFRS typisieren den internationalen Investor als maßgeblichen Abschlussadressaten. Jeder einzelne Investor entstammt aber einem Kulturkreis, der zum einen Unterschiede im Umweltbewusstsein, zum anderen Unterschiede in der Umweltgesetzgebung aufweist. Ein Umweltschaden wird in Abhängigkeit vom Umweltbewusstsein des jeweiligen Kulturkreises völlig unterschiedlich definiert und empfunden. Was in Deutschland längst als Umweltschaden gilt, kann in Ländern der Dritten Welt durchaus üblich sein, z. B. die massenweise „Entsorgung“ verrosteter Schiffswracks in der Nähe der Küste. Somit hat auch jeder Investor andere Erwartungen und Auffassungen über die der Rechnungslegung zugrundeliegenden Sachverhalte. Derselbe Sachverhalt in zwei verschiedenen Staaten kann folglich bilanziell anders zu erfassen sein, eventuell sogar gar nicht. Zwar machen die IFRS die wirtschaftlichen Folgen unterschiedlicher Umweltgesetzgebung international vergleichbar. Droht aufgrund eines Umweltschadens ein cash outflow, wird dieser abgebildet. Stellt ein Sachverhalt keinen Umweltverstoß nach nationaler Vorgabe dar, findet auch keine bilanzielle Berücksichtigung statt. Doch weckt ggf. die Darstellung im Abschluss bei den Adressaten unterschiedliche Erwartungen, die unterschiedliche Entscheidungen hervorrufen: Trotz einer nach deutschem Verständnis starken Kontamination weist ein Abschluss eines produktionsintensiven Unternehmens der Dritten Welt keinen Umweltschaden auf, da ein solcher Schaden nach nationaler Gesetzgebung nicht existiert. Weder ein Investor aus einem stark noch aus einem wenig umweltbewussten Land erkennt bilanziell einen Sachverhalt, der diese Umweltbeeinträchtigung abbildet. Der wenig umweltbewusste Investor erkennt folglich auch kein Risiko und trifft auf dieser Grundlage seine Entscheidung.
327
Dagegen erkennt der durch eine stark ausgeprägte Umweltgesetzgebung sensibilisierte Investor, dass in Abschlüssen produktionsintensiver Unternehmen der Dritten Welt immer ein potenzielles Risiko steckt. Bei seinen Renditeerwartungen wird er dieses schwelende Risiko, dass dort z. B. eine verstärkte Umweltgesetzgebung droht, einkalkulieren. Umgekehrt weist ein Abschluss eines deutschen Unternehmens einen eingetretenen Umweltschaden bei einer schweren Kontamination auf. Der Investor aus einem wenig umweltbewussten Ausland erkennt ggf. das Risiko nicht, welches trotz bilanzieller Abbildung für ein solches Unternehmen durch Imageverluste etc. entstehen kann. Für ihn stellt der Schaden kein Kriterium dar, welches seine Entscheidungen beeinflussen kann. Der deutsche Investor ist dagegen sensibilisiert. Er weiß um Folgerisiken und wird nur bei hoher Rendite das Risiko des Aktienkaufs eingehen. Um folglich zu einer tatsächlichen internationalen Vergleichbarkeit zu gelangen, müsste den IFRS als internationalem Normensystem folglich ein international einheitliches Umweltrecht zugrunde liegen. De facto aber ergeben sich Unterschiede im jeweils nationalen Umweltrecht mit der Folge unterschiedlicher bilanzieller Auswirkungen auf die Abschüsse von nach IFRS bilanzierenden Unternehmen. Die Zielsetzung einer investororientierten Information bezüglich existierender Umweltschutzverpflichtungen und deren objektivierter bilanzieller Behandlung kann das IFRSNormenwerk derzeit aus den vorgelegten Gründen noch nicht vollumfänglich erfüllen. Um eine uneingeschränkte internationale Vergleichbarkeit eines auf internationalen Normen basierenden Systems zu erreichen, ist insbesondere eine internationale Umweltgesetzgebung zu fordern, die aber aufgrund der (noch) bestehenden kulturellen Unterschiede der einzelnen Völker und nicht zuletzt der Entwicklungsstände der jeweiligen Volkswirtschaften erst noch erwachsen muss. Nicht nur der IFRS-, sondern auch der HGB-Abschluss stellt, wie in der Arbeit gezeigt, ebenfalls nur eingeschränkt entscheidungsrelevante Informationen aus Umweltschutzverpflichtungen dar.1177 Da ein Jahresabschluss per se nur vergangenheitsbezogene Sachverhalte aufnimmt und somit nur bedingt entscheidungsrelevante Informationen liefern kann, sollte der Weg von einer vergangenheitsorientierten Rechenschaftslegung zu einem umfassenden Business Reporting, das auch Umweltsachverhalte umfasst und mehr Zukunftsperspektiven und nichtfinanzielle Informationen mit Relevanz für die Rechnungslegung einschließt, in beiden Normenwerken (weiter) verfolgt werden. Hier sind die IFRS dem HGB deutlich überlegen.
1177
Näher hierzu siehe Kap. 3.1.3.3.
329
Quellenverzeichnisse Die Auswertung der Quellen wurde Ende September 2005 abgeschlossen.
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Bundes-
Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung - 12. BImSchV) vom 22. Juni 1983. In: BGBl. I 1983, S. 719. Geändert durch Art. 6 G vom 03. Mai 2000. In: BGBl. I 2000, S. 632. Strafgesetzbuch/StGB: Strafgesetzbuch vom 15. Mai 1871. In: RGBl. 1871, S. 127. Zuletzt geändert durch G vom 01. September 2005. In: BGBl. I 2005, S. 2674. Umwelthaftungsgesetz/UmweltHG: Gesetz über die Umwelthaftung (UmweltHG) vom 10. Dezember 1990. In: BGBl. I 1990 S. 2634. Geändert durch Art. 9 Abs. 4 G vom 19. Juli 2002. In: BGBl. I 2002, S. 2674. Wasserhaushaltsgesetz/WHG: Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz/WHG) vom 27. Juli 1957. In: BGBl. I 1957, S. 1110. Zuletzt geändert durch Art. 2 G vom 25. Juni 2005. In: BGBl. I 2005, S. 1746.
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Quellen des Europarechts 4. EG-Richtlinie: Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (Vierte EG-Bilanzrichtlinie). In: Abl. L 222 vom 14. August 1978, S. 11-31. 7. EG-Richtlinie: Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluß (Siebente EG-Bilanzrichtlinie). In: Abl. L 193 vom 18. Juli 1983, S. 1-17. EG-Verordnung Nr. 1606/2002: Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards. In. ABl. L 243 vom 11. September 2002, S. 1-4. EG-Verordnung Nr. 2236/2004: Verordnung (EG) Nr. 2236/2004 vom 29. Dezember 2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend „International Financial Reporting Standards“ (IFRS) Nr. 1, 3 bis 5, „International Accounting Standards“ (IAS) Nr. 1, 10, 12, 14, 16 bis 19, 22, 27, 28, 31 bis 41 und die Interpretationen des „Standard Interpretation Committee“ (SIC) Nr. 9, 22, 28 und 32. In: ABl. L 392/1 vom 31. Dezember 2004. S. 1-145. EG-Verordnung Nr. 2237/2004: Verordnung (EG) Nr. 2237/2004 vom 29. Dezember 2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf IAS 32 und IFRIC 1. In: ABl. L 393/1 vom 31. Dezember 2004. S. 1-41. EG-Verordnung Nr. 2238/2004: Verordnung (EG) Nr. 2238/2004 vom 29. Dezember 2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend IFRS 1 und IAS Nrn. 1 bis 10, 12 bis 17, 19 bis 24, 27 bis 38, 40 und 41 und SIC Nrn. 1 bis 7, 11 bis 14, 18 bis 27 und 30 bis 33. In: ABl. L 394/1 vom 31. Dezember 2004. S. 1-175.
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Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2000): Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Rechnungslegungsstrategie der EU: Künftiges Vorgehen, Aktenzeichen K(2001) 80, S. 1-24. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001a): Empfehlung der Kommission vom 30. Mai 2001 zur Berücksichtigung von Umweltaspekten in Jahresabschluss und Lagebericht von Unternehmen: Ausweis, Bewertung und Offenlegung, Aktenzeichen K(2001) 1495. In: Abl. L 156 vom 13. Juni 2001, S. 33-42. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001b): Grünbuch: Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen, Aktenzeichen K(2001) 366. In: Abl. C 125 vom 27. Mai 2002, S. 44-55. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2001c): Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze, Aktenzeichen K(2000) 359, S. 1-12. Römische Verträge (1957): Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) vom 25. März 1957, nicht im Amtsblatt veröffentlicht; Änderung des Vertrages im Wesentlichen über den Vertrag über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht) vom 07. Dezember 1992. In: Abl. C 191 vom 29. Juli 1992, S. 1-110.
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Urteile und Beschlüsse 1. Bundesfinanzhof: BFH-Urteil vom 27. April 1965 – I 324/62. In: BStBl. III 1965, S. 409-410. BFH-Urteil vom 13. Januar 1966 – IV 51/62. In: BStBl. III 1966, S. 189-190. BFH-Urteil vom 31. Mai 1967 – I 208/63. In: BStBl. III 1967, S. 607-609. BFH-Urteil vom 24. April 1968 – I R 50/67. In: BStBl. II 1968, S. 544-545. BFH-Urteil vom 23. September 1969 – I R 22/66. In: BStBl. II 1970, S. 104-107. BFH-Urteil vom 16. September 1970 – I R 184/67. In: BStBl. II 1971, S. 85-87. BFH-Urteil vom 19. Januar 1972 – I 114/65. In: BStBl. II 1972, S. 392-397. BFH-Urteil vom 19. Februar 1975 – I R 28/73. In: BStBl. II 1975, S. 480-482. BFH-Urteil vom 26. Mai 1976 – I R 80/74. In: BStBl. II 1976, S. 622-624. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1977 – I R 148/75. In: BStBl. II 1978, S. 97-99. BFH-Urteil vom 13. März 1979 – VIII R 83/77. In: BStBl. II 1979, S. 435-437. BFH-Urteil vom 20. März 1980 – VI R 89/79. In: BStBl. II 1980, S. 297-299. BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 – I R 72/76. In: BStBl. II 1980, S. 741-743. BFH-Urteil vom 23. Juli 1980 – I R 28/77. In: BStBl. II 1981, S. 62-63. BFH-Urteil vom 11. November 1981 – I R 157/79. In: BStBl. II 1982, S. 748-749. BFH-Urteil vom 20. Januar 1983 – IV R 168/81. In: BStBl. II 1983, S. 413-417. BFH-Urteil vom 03. Mai 1983 – VIII R 100/81. In: BStBl. II 1983, S. 572-575.
363
BFH-Urteil vom 19. Mai 1983 – IV R 205/79. In: BStBl. II 1983, S. 670-672. BFH-Urteil vom 30. Juni1983 – IV R 41/81. In: BStBl. II 1984, S. 263-265. BFH-Urteil vom 25. November 1983 – III R 25/82. In: BStBl. 1984, S. 51-53. BFH-Urteil vom 01. August 1984 – I R 88/80. In: BStBl. II 1985, S. 44-47. BFH-Urteil vom 05. Februar 1987 – IV R 81/84. In: BStBl. II 1987, S. 845-848. BFH-Urteil vom 19. Mai 1987 – VIII R 327/83. In: BStBl. II 1987, S. 848-850. BFH-Urteil vom 11. Februar 1988 – IV R 191/85. In: BStBl. II 1988, S. 661-663. BFH-Urteil vom 22. November 1988 – VIII R 62/85. In: BStBl. II 1989, S. 359-363. BFH-Urteil vom 25. August 1989 – III R 95/87. In: BStBl. II 1989, S. 893-896. BFH-Urteil vom 29. November 1990 – IV R 131/89. In: BStBl. II 1992, S. 715-718. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1990 – I R 153/86. In: BStBl. II 1991, S. 479-484. BFH-Urteil vom 13. November 1991 – I R 78/89. In: BStBl. II 1992, S. 177-179. BFH-Urteil vom 13. November 1991 – I R 102/88. In: BStBl. II 1992, S. 336-342. BFH-Urteil vom 03. Dezember 1991 – VIII R 88/87. In: BStBl. II 1992, S. 89-93. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1991 – IV R 28/91. In: BStBl. II 1992, S. 600-604. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 – VIII R 14/92. In: BStBl. II 1993. S. 891-894. BFH-Urteil vom 09. Mai 1995 – IX R 116/92. In: BStBl. II 1996, S. 632-637. BFH-Urteil vom 10. Mai 1995 – IX R 62/94. In: DStZ 1996, S. 180. BFH-Urteil vom 28. März 2000 – VIII R 13/99. In: Der Betrieb 2000, S. 1595-1596.
364
BFH-Urteil vom 08. November 2000 – I R 6/96. In: BStBl. II 2001, S. 570-573. BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 – I R 45/97. In: Der Betrieb 2001, S. 1698-1701. BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 – VIII R 34/99. In: DSTRE 2002, S. 541-545. BFH-Urteil vom 19. November 2003 – I R 77/01. In: Betriebs-Berater 2004, S. 319-324.
2. Bundesgerichtshof: BGH-Urteil vom 28. Januar 1991 – II ZR 20/90. In: Betriebs-Berater 1991, S. 507-509.
3. Bundesverfassungsgericht BVerfG, Beschluss vom 20.09.1999 – 1 BvR 168/93. In: Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht 1999, S. 1033-1034.
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Verwaltungsanweisungen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) vom 24. Juli 2002. In: GMBl. 2002, S. 511-605. BMF-Schreiben vom 27. September 1988 – IV B 2 – S 2137 – 49/88. In: Der Betrieb 1988, S. 2279. BdF-Schreiben vom 25. Februar 2000 – IV C 2 – S 2171 b – 14/00. In: BStBl. I 2000, S. 372. Erlass über die Weitergabe von Erkenntnissen über Verstöße gegen Umweltbestimmungen zwischen Finanz- und Umweltbehörden vom 01. Juli 1993 – IV A 5 – S 0130 – 41/93. In: BStBl. II 1993, S. 526.
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Standards und Stellungnahmen des DSRC und IDW DRS 5: Deutscher Rechnungslegungs Standard Nr. 5 (DRS 5), Risikoberichterstattung. In: Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (Hrsg.), Deutsche Rechnungslegungs Standards (DRS), Stuttgart 2005. DRS 15: Deutscher Rechnungslegungs Standard Nr. 15 (DRS 15), Lageberichterstattung. In: Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (Hrsg.), Deutsche Rechnungslegungs Standards (DRS), Stuttgart 2005. IDW RS HFA 1: IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Aufstellung des Lageberichts. Der Standard wurde am 07. Juli 2005 aufgehoben. IDW (2000). IDW PS 201: IDW Prüfungsstandard: Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze für die Abschlussprüfung. IDW (2000). IDW PS 340: IDW Prüfungsstandard: Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystem nach § 317 Abs. 4 HGB. IDW (2000). IDW RS HFA 2 a. F.: IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Einzelfragen zur Anwendung von IAS a. F. IDW (1999). IDW RS HFA 4: IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Zweifelsfragen zum Ansatz und zur Bewertung von Drohverlustrückstellungen. IDW (2000).
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Sonstige Quellen Die Welt (2004): http://www.welt.de/data/2004/12/13/374324.html, Stand: 30.09.2005. Entwurf des BilReG (2004): Entwurf eines Gesetzes zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz/BilReG), BT-Drs. 326/04 vom 30. April 2004. Henkel KGaA (2001): Schreiben der Henkel KGaA vom 16. März 2001 an die Autorin. Statistisches Bundesamt (2005a): http://www.destatis.de/basis/d/umw/ugrtab12.htm, Stand: 30. September 2005. Statistisches
Bundesamt
(2005b):
http://www.destatis.de/basis/d/umw/umwtab11.htm,
Stand: 30. September 2005. Umweltbundesamt (2004): http://www.umweltbundesamt.de/altlast/web1/deutsch/1_3.htm, Stand: 30. September 2005 Umweltprogramm der Bundesregierung (1971): Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971, BT-Drs. VI/2710, 1971. Zustimmungsbedürftige Verordnung über die Entsorgung von Altautos und die Anpassung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 13/7780 vom 30. Mai 1997.