Technisches Freihandzeichnen : Lehr- und Übungsbuch
 9783540708384, 3540708383 [PDF]

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Zitiervorschau

Ulrich Viebahn Technisches Freihandzeichnen

Ulrich Viebahn

Technisches Freihandzeichnen Lehr- und Übungsbuch 6. Auflage Mit 319 Abbildungen

123

Dr.-Ing. Ulrich Viebahn An der Höhe 2a 51643 Gummersbach E-mail: [email protected]

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-540-70835-3 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1993, 1996, 1999, 2002, 2004 und 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Text und Abbildungen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Verlag und Autor können jedoch für eventuell verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Sollte in diesem Werk direktoder indirekt auf Gesetze,Vorschriftenoder Richtlinien (z. B. DIN,GEFMA, VDMA) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Satz: Druckvorlage des Autors Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: eStudio Calamar S.L., F. Steinen-Broo, Girona, Spanien Gedruckt auf säurefreiem Papier

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Geleitwort

Das technische Freihandzeichnen ist fur den Ingenieur und Konstrukteur ein wichtiges Informations werkzeug und Ausdrucksmittel, das mit demzunehmenden Einsatz von CAD-Systemen eine neue Bedeutung erlangt. Wenn audi in Zukunft eine Fertigungszeichnung oder ein maBstablicher Entwurf rechnerunterstutzt entsteht und damit die handwerkliche Tatigkeit des eigentlichen Zeichnens zuriicktritt, steigt aber das Bediirfnis, in einer Vorbereitungsphase oder bei Losungsdiskussionen konstruktive Absichten unmittelbar zu entwickeln und leicht verstandlich festzuhalten. Neuere denkpsychologische Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Finden von Losungen deuten darauf bin, da6 es fur den suchenden Ingenieur und Konstrukteur sehr hilfreich ist, wenn er die Gedanken, die sich in seinem Kopf zu Vorstellungen verdichten, aus der Hand flieBen lassen kann und sie dabei bildhaft verkorpert. Der freie Skizziervorgang entlastet seine Gedanken, schafft Freiraume und Anregungen fur weitere Ideen und unterstiitzt sein raumliches Vorstellungsvermogen. Es ist fur mich eine besondere Freude, daB der Autor zu einem Zeitpunkt, in dem Rechnereinsatz und konstruktionsmethodisches Vorgehen konventionelle Konstruktionstatigkeit verandern, mit seinem Buch liber Technisches Freihandzeichnen eine leicht faBliche Wegweisung fur die praktische Anwendung bietet und zugleich ein bedeutsames Zeichen fur kiinftig zweckmaBige Entwicklungen setzt. Meinem ehemaligen Diplomkandidaten und langjahrigen Hilfsassistenten im Technischen Zeichnen und Maschinenelementen, der anschlieBend in einer vielfaltigen konstruktiven Industrietatigkeit reichhaltige Erfahrung gewinnen konnte und nun an der Fachhochschule GieBen wirkt, wtinsche ich mit diesem Buch einen anhaltenden Erfolg. Mogen sich moglichst viele Studenten, Ingenieure und Konstrukteure die vom Autor vermittelten Fahigkeiten zu ihrem personlichen Nutzen zu eigen machen und damit zur Selbstverstandlichkeit einer wieder zweckmaBigen Art der Vermittlung technischer Zusammenhange beitragen. Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c.mult. Gerhard Pahl

Vorwort zur 6. Auflage Die 5. Auflage vom Marz 2004 hat sich erfreulich gut verkauft, so da8 eine Neuauflage notwendig ist. Aus den Zuschriften der Leser entnehme ich, daB sie nichts Wesentliches vermissen. Ich wiirde mich liber Kritikund Verbesserungsvorschlage freuen. Dem Springer-Verlag mochte ich fur seine geduldige und freundliche Betreuung meines Buches danken. Gummersbach, im Februar 2007

Ulrich Viebahn

Vorwort zur zweiten Auflage Zum Thema "Technisches Freihandzeichnen" habe ich von den Fachkollegen viele einhellig zustimmende Zuschriften erhalten. Ich habe mich aber auch liber die Reaktionen einiger gefreut, die keinen technischen Beruf haben, sondern "nur" von der einfachen, asthetischen und unbeschwerten Seite des Freihandzeichnens fasziniert waren. Ihnen alien mochte ich fur ihre Anregungen und ihre Anerkennung herzlich danken. Die 2. Auflage gibt mir Gelegenheit, die Themenfolge der ersten Auflage, die bei nicht ganz einfachen Illustrationen plotzlich endete, doch wieder zum eigentlichen Ziel des Freihandzeichnens zuriickzufuhren: der schnellen Verstandigung durch Bilder - unbelastet durch Sprache und effizient. Ein Kapitel mit den Losungen der Ubungsaufgaben soil den Leser ermuntern, aktiv zu werden und seine verborgenen Fahigkeiten zu entdecken - flir alle Aufgaben zusammen braucht man etwa 50 Stunden. Fortgeschrittenen Zeichnern ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Es zeigt, wie sich die Techniken des Freihandzeichnens weiterentwickeln lassen. Uber Anregungen zum Thema "schwieriger - schoner - schneller" wiirde ich mich freuen. Dem Springer-Verlag mochte ich fur seine vorzugliche und freundliche Betreuung meines Buches danken. GieBen, im Marz 1996

Ulrich Viebahn

Vorwort zur erstee Auflage Der Gedanke, das Freihandzeichnen in der vorliegenden Form zu bearbeiten, ist in mehreren Etappen gereift. Am Anfang stand die Beobachtung, daB sich unerwartet viele Studenten in den Konstruktionsiibungen schwertaten, ihre Ideen als Handskizzen darzustellen - aus Furcht vor krummen Linien. So ergab sich die Notwendigkeit, das Skizzieren gezielt lehren zu mtissen. Dabei bin ich immer wieder auf bestimmte wirksame Angewohnheiten und Techniken gestoBen, die ich daraufhin systematisiert habe. AuBerdem machte ich die Erfahrung, daB die meisten Studenten schon nach einer kurzen Einftihrung und wenigen grundlegenden Ubungen tiberraschend prazise wirkende Handskizzen anfertigen konnten. Das war fur mich der Hinweis, daB das Freihandzeichnen nicht Drill und lange Ubung voraussetzt, sondern liber die ErschlieBung nattirlicher und in der Schule erworbener Fahigkeiten lehrbar ist. Zugleich wurde erkennbar, daB sich die Konstruktionsforschung den elementaren Techniken des Konstruierens zuwandte und dabei auf die zentrale Rolle des Zeichnens bei der Losungssuche aufmerksam wurde. Die Aufgabe, das Freihandzeichnen einem breiteren Publikum in Form eines Lehrbuches zu erschlieBen, drangte sich also geradezu auf. Die vorgestellten Techniken machen es moglich, sich beim Konstruieren von den motorischen und mentalen Belastungen durch den Zeichenvorgang zu befreien. Je weniger man dariiber nachdenken muB, wie man etwas darstellt, desto wirksamer kann man sich dem widmen, was man darstellen will. Zu manchen nutzlichen Techniken, wie der in den USA sehr gebrauchlichen Schattierung oder auch dem Zeichnen mit Markern, habe ich leider noch keinen Zugang gefunden. Fur entsprechende Hinweise und sonstige Anregungen und Verbesserungsvorschlage ware ich dankbar. Ich danke Professor Pahl fur seine immer noch fortwirkende Konstruktionsausbildung, fur seine auBergewohnliche Unterstiitzung und flir seine wertvollen Hinweise. Ich danke dem Springer-Verlag, daB er diesem Buchprojekt von Anfang an so aufgeschlossen gegentiberstand. GieBen, im Dezember 1992

Ulrich Viebahn

Inhaltsverzeichnis

1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Eiefuhrimg Anwendungen der Freihandzeichnung Konstruieren und Freihandzeichnen CAD und Freihandzeichnen Methodische Uberlegungen Selbststudium

1 2 3 6 9 11

2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

Handwerkliche Grundlagen Was man zum Freihandzeichnen braucht Linienbreiten Kinematik des Armes Wie man den Stift halt DasSehen Wie man eine gerade Linie zieht.

13 13 15 16 17 19 20

3 3.1 3.2

Gerade durch zwei Punkte Non-Stop-Methode Sttitzpunktmethode

22 22 24

4 4.1 4.2 4.3

Rechtecke GroBe Rechtecke Mittlere Rechtecke (20 bis 50 mm) Kleine Rechtecke (unter 20 mm)

25 25 27 31

5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10 5.11

AugenmaB Abmessungen schatzen Abmessungen ableiten Proportionen schatzen Halbieren Verdoppeln Dritteln Fiinfteln Winkel konstruieren Winkel teilen Kreisumfang durch 5,7 und 9 teilen Trigonometrische Konstruktionen

32 32 34 34 35 38 40 42 44 46 47 49

6 6.1 6.2

Technische Forraen Formen erkennen Formen erzeugen

50 50 52

7 7.1 7.2

Bogee und Kreise Kreisdurchmesser 50 bis 200 mm Kreisdurchmesser unter 50 mm

58 59 63

Inhaltsverzeichnis

8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6

Konstruieren Dimensionierung Freihandige Fertigungszeichnungen Arbeitsfolge MaBstabliche Konstruktionen Kopfrechnen Schematische Darstellungen

9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6

Perspektive Vorteile der Perspektive Projektionsarten Blickrichtung Richtung und Lange der Achsen Genaue Konstruktion des Koordinatendreibeins Orientierung in der Perspektive

10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5

Geometrische Konstruktionen Geraden Kurven Quader DurchstoBpunkte und Schnittlinien Modellierung in der Perspektive

101 .101 102 103 106 109

11 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7

Ellipsen Ellipsendurchmesser 100 bis 200 mm Ellipsendurchmesser 30 bis 100 mm Ellipsendurchmesser unter 30 mm Formfehler von Ellipsen erkennen Einfachheit der Isometrie Drehteile Sonderprobleme mit Ellipsen

113 115 116 118 . 119 121 123 128

12

Standardformen

132

13 13.1 13.2

Perspektivische Fertigungszeichnungen Schnitte, Ausbruche, Details BemaBung und Symbole .

139 139 143

14 14.1 14.2 14.3

Zeichnen fur Fortgeschrittene . . . . . . . . . . . . . . 150 Bauteile und Baugruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Anschaulichkeit verbessern . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Schnell zeichnen 143

15

Losungen der Ubungsaufgaben

.

66 68 69 72 75 76 78 82 84 85 86 89 94 . 99

171

Literaturverzeichnis

199

Sachverzeichnis

205

1 Einfiihrung

Freihandzeichnen hat etwas mit Freiheit zu tun. Wie oft befindet man sich in einer Situation, wo eine schnelle kleine Zeichnung es einem ersparen wtirde, zu langen vergeblichen Erklarungen auszuholen oder sich zeitraubender, teurer Hilfsmittel bedienen zu mtissen. Man mttht sich mit Lineal und Tusche, mit Fotografien, neuerdings auch mit Grafikprogrammen, meist mit dem Erfolg, da6 die damit verbundene Mtihe und Mehrarbeit hinterher nicht einmal gewtirdigt wird. Die Mtihe und die fehlende Anerkennung fiihren dann dazu, da6 man, so oft es irgend geht, vor der Mitteilung eines schwer darzustellenden Zusammenhanges oder einer neuen Idee zuruckschreckt. Man sollte sich dariiber klarwerden, dafi es gerade die vielseitigen und komplexen Dinge sind, an deren Gestaltung man als Mgenieur mitarbeitet. Wie leicht schlieBt man sich aber von der Entwicklung interessanter Dinge aus, wenn man seine Ideen und Arbeitsbeitrage nicht entsprechend oder zu selten mitteilt Man fCihlt sich unfrei, weil man auf dem Weg zur fertigen Losung schon bei den Fragen "Kann ich es tiberhaupt darstellen?", "Kann ich jemand anderes dafiir interessieren?" steckenbleibt. Dabei oder deswegen gibt es viele, meist erfahrene und erfolgreiche Ingenieure, die tagtaglich mit kleinen spontanen Zeichnungen und Handskizzen arbeiten: • in Verhandlungen mit Kunden • beim Konstruieren • in Besprechungen mit den eigenen Mitarbeitern • in Berichten und Studien Befragt man sie, so haben sie sich die entsprechenden Fahigkeiten erst nach dem Studium als Folge beruflicher Zwange langsam angeeignet, man konnte fast sagen: angewohnt. Ohne nun danach zu fragen, warum das so ist, drangen sich zwei Gedanken geradezu auf: Erstens: Es ware effektiver, das Freihandzeichnen "richtig", also unter Anleitung, zu lernen. Zweitens: Ftir jeden Ingenieurstudenten ware die Beherrschung des Freihandzeichnens eine bedeutende Erleichterung - ganz vordergrtindig durch den Zeitgewinn und nicht zuletzt durch seine verbesserten Ausdrucksmoglichkeiten in Lehrveranstaltungen und Priifungen. Dieses Buch fiihrt den Interessierten systematisch und rasch zu seinen im Verborgenen "schlummernden" Zeichenfahigkeiten. Dariiberhinaus ermoglicht es den Einstieg in neue, wirkungsvollere Lehrformen der Konstruktionsausbildung.

2

1 Einfiihrung

1.1 Anwendimgen der Freihandzeichnung Meistens zwingen einen die Umstande, freihandig zu zeichnen. Man kann das Freihandzeichnen aber auch bewuBt pflegen, einerseits wegen "barter" Argumente wie der Zeitersparnis und der hohen Informationsdichte, andererseits wegen "weieher" Argumente wie der GenuB von Asthetik, Einfachheit, Geschicklichkeit, Unabhangigkeit. Freihandzeichnungen konnen unterschiedlich aussehen. Das liegt an der jeweiligen Mischung von Informationsgehalt, Genauigkeit und Schnelligkeit. LSkizze(BeispielS. 167): Sie besteht aus wenigen Strichen zur Verdeutlichung einer Anordnung, eines Prinzips, einer Form; mit geringsten Mitteln tibermittelt sie groBe Informationsmengen pro Zeit; man verwendet sie in Situationen, wo Worte ungeeignet sind oder nicht zur Verfugung stehen (Sprachbarrieren); sie begleitet ein Gesprach und dient als Gedankenstiitze; jeder Berechnungsansatz sollte zunachst in einer Skizze geklart werden. 2. Konstruktionsskizze (Beispiele S.108,170): Sie ist vollstandiger und detaillierter als die Skizze und hat meistens einen technischen Bezug; personliche Arbeitsunterlage eines Technikers, bevorzugt raumlich, um sich etwas zu verdeutlichen; sie dient als Kristallisationspunkt und Anregung fur neue Ideen oder als Ausgangssituation einer systematischen Variation der Gestalt; sie kann als gewachsene Skizze ein Diskussionsergebnis darstellen; bei MaBaufnahmen dient sie der Dokumentation einer Situation: Gebaudelayout, AnschluBmaBe, Versuchsaufbau, etc. 3. Zeichnung (Beispiele S. 79, 173ff, 196ff): Sie wird freihandig und weitgehend nach den Regeln des Technischen Zeichnens auf Papier DEN A4 angefertigt, wenn eine Tuschezeichnung wegen Zeitdruek, Erklarungsaufwand oder fehlendem Zeichner nicht moglich oder sinnvoll ist; sie ist die typische Fertigungsunterlage ftir Musterbau, Entwicklung, Vorrichtungsbau, Versuchsabteilungen, bei Anderungen; sie ist der kiirzeste Weg von der Idee zum fertigen Muster; perspektivische Darstellungen werden leichter verstanden - es diirfen allerdings nicht zuviel MaBe eingetragen werden. 4. Illustration (Beispiele S. 152, 158, 166): Sie ist eine Freihandzeichnung, bei der der Zeitgewinn gegeniiber der Tuschezeichnung nicht mehr im Vordergrund steht: Wenn der Zweck einerseits Vollkommenheit, Schonheit und Verstandlichkeit erfordert, andererseits aufwendige Techniken wegen der begrenzten Auflage oder Bedeutung iibertrieben wirken wiirden: bei Lehrunterlagen, Versuchsberichten, wissenschaftlichen Arbeiten. Verstandlichkeit und Unterhaltsamkeit erfordern haufig eine raumliche Darstellung.

1.2 Probleme losen und Freihandzeichnen

1.2

3

Probleme losen und Freihandzeichnen

Wenn erfahrene Ingenieure mit einem technischen Problem konfrontiert werden, greifen sie unwillkurlich nach Stift und Papier. In den dann folgenden Skizzen arbeiten sie der Kern des Problems heraus, zerlegen sie das Problem in einfachere Unterprobleme und zum SchluB probieren sie verschiedene Losungsideen durch. Dieser Drang, etwas aufzumalen, wird an einem Modell des Denkens verstandlich, das unter den Konstruktionsforschern recht popular ist. Zur Informationsverarbeitung hat der Mensch ein Langzeitgedachtnis (LZG) und ein Kurzzeitgedachtnis (KZG). Die Sinnesorgane liefern Wahrnehmungen, die im KZG in ziemlich kurzen Takten (0,1 Sek.) zu sinnvollen Informationseinheiten - nennen wir sie "Objekte" - verarbeitet werden. Diese Objekte konnen einerseits Daten sein (was man weiB, Fakten, Inhalte), andererseits aber auch Methoden (wie man etwas macht, Instruktionen, Logik). Leider ist die Speicherkapazitat des KZG gering: Der durchschnittliche Mensch schafft es mit Anstrengung gerade, 7 dieser Objekte gleichzeitig im KZG zu halten - sehr ahnlich einem Jongleur.

Bild 1.1. Langzeitgedachtnis (LZG) und Kurzzeitgedachtnis (KZG)

Weil einem das Jonglieren viel Konzentration abverlangt, legt man Objekte in anderen Speichern ab. Man kann sich die Objekte z.B. im Langzeitgedachtnis merken. Die Speicherkapazitat des LZG scheint unbegrenzt zu sein, hat aber ihren Preis: Das Abspeichern in einem Netz von Assoziationen und Eselsbriicken und das Wiederhervorholen erfordern Intelligenz und vor allem Zeit: Man braucht man fur das Erinnern 1 Sekunde (im besten Fall), oft 10 Sekunden, manchmal auch Minuten und Stunden. Das kann ziemlich muhsam sein - sonst wtirden mehr Leute Schach spielen und ihre Reden frei halten.

4

1 Einfiihrung

Weil das KZG sowohl den Transport als audi die bewuBte Verarbeitung der Objekte besorgt, kann man zwei Phanomene beobachten: 1. Je mehr das KZG mit dem Hin- und Herschieben von Daten zwischen der Umwelt und dem LZG beschaftigt ist, desto weniger bleibt ihm Kapazitat fur die bewuBte oder kreative Verarbeitung von Daten. 2. Je mehr Daten verarbeitet werden, desto einfacher bleiben die Denkoperationen; oder umgekehrt: je schwieriger die Denkoperationen sind, desto weniger Daten konnen verarbeitet werden. Je nachdem, ob Bilder, Text oder Sprache transportiert werden, ist der filr Daten zur Verfiigung stehende Raum im KZG verschieden groB. Wahrend Bilder praktisch ohne bewuBte Denkvorgange aufgenommen werden konnen, ist fur das Lesen von Text schon ein hoherer Denkaufwand notig und die hochste Konzentration ist wohl notwendig, um einem Gesprach folgen zu konnen.

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Zusatz- /

zeichnere, schre'tb&n, $tpreoir\&r\

sk ®r Bild 1.3. Langzeitgedachtnis (LZG), Kurzzeitgedachtnis (KZG) und Zusatzspeicher

Untersucht man nun die bekannten Zusatz-Speicher vom Blatt Papier bis zum Computer auf ihre Tauglichkeit, fallt auf, da6 viele verlockende Features bieten, aber beim Problemlosen insgesamt eher behindern: Tuschezeichnung: zu langsam fiir Kreativitatsausbriiche; Schriftliche Notizen: Formulierung belastet KZG, nicht geeignet fur komplexe Technik; Diktiergerdt, Tonband: Formulierung belastet KZG, Wiederfinden von Information umstandlich; Fotos: setzen ein korperliches Modell voraus, Wartezeit zwischen Speichern und Lesen, eswerden unvermeidbar auch nebensachliche und storende Details gespeichert; Video, Film: einfache Bedienung, hohe Informationsdichte, setzen aber korperliches Modell voraus, Wiederfinden von Information umstandlich; Prototyp, gegenstandliches Modell. realistisch und fehleraufdeckend, aber zeitund kostenaufwendig; CAD, 3D-Modeling: z.T. sehr anschaulich; Schnelligkeit nur dann befriedigend, wenn man bereits abgespeicherte Elemente und Baugruppen kombinieren und variieren kann; hoher struktureller Aufwand; Belastung des KZG durch Computerinterface; an Arbeitsplatz gebunden. Bleibt die freihandige Skizze: Die Speicherkapazitat ist ausreichend gro6; die gewtinschten Informationen findet man rasch wieder und werden leicht vers tanden. Weil das Skizzieren das KZG kaumbelastet, konnen kreative Prozesse ungestort ablaufen. Viele Ingenieure sagen, da8 ihnen Gedanken und Vorstellungen als Zeichnung oder Kritzelei "aus der Hand flieBen". Das Skizzieren ist mehr als ein Abspeichern auf Papier: 1. Zur Arbeitserleichterung mochte sich der Zeichner auf das Wesentliche beschranken; weil er dabei standig unwesentliches weglaBt, schleppt er bei seinen Uberlegungen keinen Ballast mit. 2. Um tiberhaupt etwas zeichnen zu konnen, mu6 man eine personliche Auffassung des Dinges entwickelt haben: aus welchen Grundkorpern oder Objekten man es zusammensetzt/modelliert. Diese intellektuelle Leistung ist so intensiv, da8

6

1 Einfiihrung

man Dinge, die man einmal gezeichnet hat, aus dem LZG immer wieder als fertige Bilder abrufen kann: Zeichnen ist gleichzeitig ein Lernen. 3. Eine Skizze ist ein motivierender Arbeitsfortschritt; das Gedachtnis ist entlastet und man kann sich auf den nachsten Arbeitsschritt konzentrieren. 4. Eine Skizze wirkt auch als Kristallisationskeim, an dem sich weitere Einfalle geordnet anlagern. So wie Meinungen und Argumente erst in der Diskus sion mit einem Gesprachspartner sich entwickeln und reifen, so reifen Konzepte und Gestalten in der Wechselwirkung mit einer Skizze. 5. Eine Zeichnung zwingt den Ingenieur, sich festzulegen, Proportionen einzuhalten und Logik zu beachten. Denk- und Konstruktionsfehler und Auslassungen fallen in einer Zeichnung schneller auf als in Texten und Zahlenkolonnen. Eine Zeichnung ist kritische Instanz fur Machbarkeit und Qualitat.

13

CAD und Freihandzeichnen

CAD-Programme erwarten von Beginn an die Eingabe von alien Abmessungen und Eigenschaften des zu konstruierenden Gebildes, weil sie unvollstandig geMlte Datenstrukturen nicht verarbeiten konnen. Durch die Bindung an vorgegebene Informationselemente und Grundfunktionen ist man auBerdem gezwungen, nach einer bestimmten Generierungsstrategie vorzugehen. Um also die eigentliche Bildschirmarbeit nicht standig durch Uberlegungen unterbrechen zu mtissen, mu6 man sich vorher iiber die Grobgestalt und die Modellierung des zu konstruierenden Gebildes klargeworden sein. Diese Vorarbeit kann man am sinnvollsten und schnellsten mit einer perspektivischen, teilweise bemaBten Freihandzeichnung leisten. Das Verstandnis der Informationsverarbeitung beim Freihandzeichnen konnte die Entwicklungsrichtung fur zukiinftige CAD-Techniken angeben. CAD-Programme lassen immer noch die Schwierigkeiten bei der rechnerinternen Beschreibung von technischen Gebilden durchscheinen (Draht- und Flachenmodelle). Es ware als erstes erforderlich, technische Gebilde in einern wirkhchkeitsnahen (3D-) Modell zu beschreiben, aus dem sich beliebig viele Ansichten, Schnitte und Fertigungsangaben einfach, widerspruchsfrei und vollstandig erzeugen lieBen. Die Eingabe und Manipulation der Informationen, aus denen ein Gebilde im Rechner beschrieben wird, wird durch unnatiirliche, rechner- und problemnahe Benutzeroberflachen (Kommandosprachen) behindert. Die Beherrschung eines CAD-Programms setzt deshalb immer noch standige Ubung und erheblichen Schulungsaufwand voraus, der aus einer einmaligen Grundausbildung und dann mehrfacher Auffrischung oder Fortbildung infolge neuer Versionen

1.3 CAD und Freihandzeichnen

7

besteht. Die Zahl der potentiellen oder gelegentlichen, aber aktiven CAD-Nutzer in einem Unternehmen ist wesentlich groBer als die der CAD-Zeichner. Fiir diese gelegentlichen Nutzer gibt es wegen der mangelnden "Intuitivitat" der Benutzeroberflachen und der natiirlichen VergeBlichkeit kein sinnvolles Schulungskonzept. Ein groBer Anwenderkreis kann gar nicht in die technischen Moglichkeiten des CAD integriert werden. Selbst bei einem gelibten CAD-Zeichner nehmen Kommandosprache und verschachtelte Mentis erhebliche mentale Kapazitat in Beschlag. Aus der bekannten Erfahrung, daB man sich vorher genau iiberlegen muB, was man mit dem CAD-Programm "konstruiert", darf man ableiten, daB CAD-Programme sich fiir spielerischen Umgang und Versuch-und-Irrtum-Techniken, die elementare Bestandteile jeden kreativen Vorgehens sind, noch nicht eignen. Das gleiche gait bis in die 70er Jahre fiir die Textverarbeitung mit der Schreibmaschine: Um schneller als von Hand zu schreiben, mufite man geilbt sein, und der zu schreibende Text muBte vor dem Schreiben ausformuliert sein. Die Schreibmaschine gait nicht als besonders kreativitatsfordernd und der Satz eines Textes erst recht nicht. Man erkannte als erstes bei Xerox, daB die Methode, iiber eine Kommandosprache mit Software zu kommunizieren, fiir "normale" Buroangestellte unnaturlich und fremd ist und die Verbreitung des Computereinsatzes im Biiro behindern wiirde. Xerox studierte in seinem PARC (Palo Alto Research Center) die typischen Elemente der Biiroarbeit und setzte sie teils iiber direkte Entsprechungen (Schreibtisch, Dokumente, Ordner, Ablage, Ausschneiden, Kopieren, Einkleben, Verschieben, etc.) teils iiber nicht mehr als solche wahrgenommene Zwischenkonstrukte (Fenster, Mentis, Maus, Maustastenclicks) in die Benutzeroberflache STAR um. Die Tastatur diente fast nur noch zur (unvermeidlichen) Eingabe von Text. Die Manipulation von Textblocken und Datenstrukturen dagegen geschah wie bei konventioneller Arbeitstechnik mit der Hand: Textbruchstiicke, Bilder, Dokumente, Ordner, Programme, Werkzeuge, Schreibtischzubehor konnten mit einem Cursor auf dem Bildschirm z.B. aktiviert, bewegt, kopiert, abgelegt, umbenannt werden. Der Bildschirm stellte die Schreibtischoberflache und der Cursor die Hand mit einigen ihrer Fahigkeiten (draufdriicken, greifen, festhalten, loslassen, zeigen, zusammenraffen etc.) dar. Die Maus war lediglich der ergonomisch giinstigste Manipulator fiir die Steuerung des Cursors. Ohne das groBe Verdienst derer zu schmalern, die die darauf abgestimmten Computersysteme entwickelten und gleichzeitig den heute gtiltigen de-factoStandard fiir grafische Benutzeroberflachen schufen, ermoglichte das Prinzip einer grafischen und intuitiven Benutzeroberflache alien, die schriftlich etwas mitzuteilen hatten, den Inhalt (Text) und sogar die Form (Satz) ihres Textes in bis dahin ungeahnter Leichtigkeit und Schnelligkeit zu gestalten und zu andern. Mit der Verbreitung dieses sogenannten Desktop-Publishing wurde die Krea-

8

1 Einfuhrung

tivitat und Produktivitat der ehemaligen Schreibmaschinenbenutzer erheblich gesteigert. Strikte Intuitivitat, Einheitlichkeit der Benutzeroberflache und die Leichtigkeit der Bedienung erschlossen dariiberhinaus zwei neue und groSe Anwendergruppen: Die Gruppe der gelegentlichen Anwender (die Personen, deren Tatigkeiten so differenziert sind, da8 nur Teiltatigkeiten von einem Computerprogramm erledigt oder unterstiitzt werden konnen) und die Gruppe der Mehrfachanwender (Personen, die abwechselnd mit verschiedenen Programmen (z.B. Textverarbeitung, Grafik, Tabellenkalkulation) arbeiten). In diesem Rahmen reiften die Programme so, da8 sie auf dem Bildschirm schon nach 2 bis 3 Jahren qualitativ und quantitativ mindestens das konnten, was in der Realitdt aueh ohne sie schon moglich war - nur viel schneller. Eine weitere Steigerung des Nutzens bestand darin, da6 sie Dinge konnten, die zwar in der Realitat nicht, aber in der Vorstellung des Benutzers sinnvoil moglich sind, wie z.B. das Ungeschehen machen. Ein Durchbruch wie in der Textverarbeitung steht bei den CAD-Programmen noch aus. Technische Probleme haben i.d.R. 3 Dimensionen und Text hat nur eine. Konstruktion ist ein breitbandiger, ganzheitlicher, visueller, ein paralleler ProzeB. Textverarbeitung hat seriellen Charakter. Der Markt ftir CAD ist kleiner und die Entschlossenheit zu strategischen Entwicklungsanstrengungen (wie bei Xerox) ist geringer. Zwischen dem, was CAD-Programme konnen und dem, was in der Realitat beim Konstruieren ablauft, gibt es nur geringe Uberschneidungen. Die Benutzer(oberflachen) werden von der Menge der Daten und der Art der Eingabe iiberfordert. Wenn man das "Design" (Konstruktion, Entwurf) in CAD unterstiitzen wollte, miiBte man sich an den typischen Denkvorgangen eines Konstrukteurs orientieren. Die wiederum erkennt man an der Art, wie ein Konstrukteur eine komplexe Skizze aufbaut; CAD-Programme miissen dem Konstrukteur die Ohjekte zur Verfligung stellen, aus denen er sich seine mentalen Modelle zusammenbaut: Nicht nur geometrische Grundkorper, Flachen, Linien und Punkte, sondern auch Verfahren, Werkzeuge, Werkzeugmaschinen, Zerspanungsdaten, Stoffeigenschaften, Montagevorgange, Transport, Prilfung, Lager, Krafte, Momente, Energie, Formeln, Funktionen, Vorschriften, etc. Als nachstes erwartet man als Konstrukteur das gewohnte Instrumentarium, das es einem erlaubt, diese Objekte zu kombinieren und zu verandern. In Analogie zur Schreibtischoberflache ware das eine Werkstatt mit der zugehorigen oder benotigten Ausstattung. Jeder Arbeitsplatz in der Werkstatt hatte seinen eigenen "Screen". Es ware wichtig, da6 der Konstrukteur sich die Darstellung der Ausstattung (wirklichkeitsnah oder stilisiert) und die Detaillierung (Frasvorgang - PaBfedernut - fertige Welle) selbst einstellen kann. Mit dem Cursor - dem verlangerten eigenen Arm - konnte man Objekte (Werkstticke wie Werkzeuge) hervorholen, verandern, benutzen, positionieren, spannen und vor allem wieder in ihren Ursprungszustand zurtickversetzen.

1.4 Methodische Uberlegungen

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Bei alledem sollte man sich bewuBt sein, da8 diese "Werkstattvorgange" beim Konstruieren ja nicht wirklich ablaufen, sondern nur zeitgerafft in der Vorstellung des Konstrukteurs. Sie konnen teilweise oder ganz riickgangig gemacht und neu abgespielt werden. Das bedeutet in Anlehnung an die Textverarbeitung, da6 auch normalerweise nur denkbare Operationen vom CAD-System beherrscht werden miiBten (z.B. fehlgebohrtes Loch greifen und an den korrekten Ort verschieben). Keine Funktion eines Programmes hat aber einen praktischen Wert fiir das Konstruieren, wenn sie ftir den Anwender nicht intuitiv und leicht zuganglich ist. Das Zeichnen hat diese Eigenschaften des Intuitiven, des Leichten und hat einen positiven EinfluB auf das Konstruktionsergebnis. Man sollte immer wieder die Frage stellen: Wie gestaltet man eine CAD-Funktion, daB man sie so selbstverstandlich beherrscht wie Papier und Bleistift? Das Verstandnis des Zeichnens und der dazu notwendigen Denkleistungen ist der Schltissel zu einer wirklichen Verbesserung der Benutzeroberflachen von CAD-Programmen.

1.4 Methodische Uberlegungen Es wird von den Studenten allgemein als Uberforderung und als bremsend empfunden, gleichzeitig Wissen (Regeln des Technischen Zeichnens) und Fertigkeit (Handhabung von Zeichenmaschine bzw. Computer) erwerben zu mtissen. Um moglichst bald realistische Ubungen machen zu konnen, drangt sich insbesondere am Anfang einer Lehrveranstaltung der Stoff. Das flihrt dazu, daB bestimmte elementare Fehler nicht mit der notwendigen Konsequenz behandelt werden. Baut man den Einstieg in die Konstruktionstechnik auf das Freihandzeichnen auf, laBt sich das Wissen gleichmaBiger und intensiver vermitteln. Es ist empfehlenswert, wechselnde Schwerpunkte zu setzen: 1. In den ersten 4 Doppelstunden werden die Grundlagen des Freihandzeichnens vermittelt (Wie man eine gerade Linie zieht, Strecken teilen, Rechtecke, Kreise). Es geniigen meist wenige Versuche, um bestimmte Korperhaltungen und Techniken zu verankern. Die Ubungen nehmen leicht einen sportlichen Charakter an. Das Ubungsziel ist Handfertigkeit, 2. In weiteren 8 bis 12 Doppelstunden lassen sich die wichtigsten Regeln des Technischen Zeichnens (Projektionsmethoden, Linienarten, Zeichnungssymbolik, Darstellung, MaBeintragung, Tolerierung) und einige Normteile erklaren und auf der Basis von Freihandzeichnungen tiben.

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1 Einfiihrung

Durch die Schnelligkeit der Freihandzeichnung werden die Ubungsbeispiele nicht langweilig, und Fehler konnen durch Neuanfertigung ganzheitlich korrigiert werden. Durch den Zeitgewinn konnen Sachzusammenhange viel besser behandelt werden. Als (erwiinschtes) Nebenprodukt nimmt die Zeichengeschicklichkeit rasch zu. Das Obungsziel ist Fachwissen. 3. Nachdem die Regeln des Technischen Zeichnens beherrscht werden, kann man in den folgenden Stunden die instrumentelle Seite der Technischen Zeichnung erarbeiten: Zeichenmaschine oder Computer. Obungsziel ist das Zusammenfiihren von Handfertigkeit und Fachwissen. In dem Fall, daB keine Zeichenmaschinen zur Verfugung stehen und CAD wegen des Umfanges eine separate Veranstaltung ist, kann man in diesem 3. Block das Freihandzeichnen bis zur Perspektive entwicklen. Perspektivisches Freihandzeichnen ist unbedingte Voraussetzung fur das Arbeiten mit 3D-CAD. 4. Im diesem Block bearbeitet man - unabhangig von der Darstellungstechnik reale Aufgaben, wie Modellaufnahmen und einfache Konstruktionen. Der Gedanke, Ingenieurstudenten schon zu Studienbeginn in das Freihandzeichnen einzufiihren, hat folgende Konsequenzen: • Alle Lehrveranstaltungen der Konstruktionstechnik, die auf der Grundlage des Freihandzeichnens durchgefuhrt werden, setzen keine besondere Ausstattung oder Raumlichkeiten voraus. Sie sind deshalb unkompliziert und effektiv durchzufuhren. Den Studenten werden betrachtliche Ausgaben erspart. • Mit der zeichnerischen Ausdrucksfahigkeit steigt der Lernerfolg und die Kreativitat in den konstruktiven Fachern. • Die Studenten konnen den Vorlesungen besser folgen, wenn sie Tafelbilder schnell und richtig tibernehmen konnen. • Studien- und Diplomarbeiten lassen sich eindrucksvoll und vor allem zeitsparend freihandig illustrieren. • Die Studenten sind besser auf ihren Einstieg in den Beruf vorbereitet: In der Industrie werden immer mehr interdisziplinare Teams gebildet. In dieser Umgebung miissen Ideen, Vorschlage, Sachverhalte, etc. mit Nichtingenieuren und unter widrigen Umstanden schnell und bequem ausgetauscht werden. Das gelingt nur mit anschaulichen, auf den jeweiligen Partner zugeschnittenen Skizzen. Bilder ermoglichen bessere Kommunikation und schnellere Entscheidungen. Je hoher ein Ingenieur in der betrieblichen Hierarchie angesiedelt ist, desto weniger Zeit wird er zur Gestaltung formal perfekten Bildmaterials haben. Selbst wenn er sie delegieren wollte, mtiBte er erst eine Skizze machen.

1.5 Selbststudium

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Das Buch ist so fein gegliedert, daB je nach Bedarf kleine oder groBere, einfache oder schwierigere Themeneinheiten herausgegriffen werden konnen. Am Anfang ist allerdings auf die richtige Reihenfolge zu achten. Es ist immer daran zu erinnern, daB man beim Freihandzeichnen auf bereits vorhandene, in der Schule entwickelte Fahigkeiten zuruckgreift (Gefiihl fur Geradheit, Kreisform, Tangentenbedingung, Rechte Winkel, Symmetric, etc.), und gute Ergebnisse der bewuBten Vermeidung von Storeinfltissen verdankt. Der behandelte S toff orientiert sich an geometrischen Grundformen und einigen typischen Formen von Maschinenelementen, aus denen dann nach Bedarf und Vorliebe Gebilde verschiedener Ingenieurdisziplinen entwickelt werden konnen. Die Ubungsaufgaben sollten moglichst auf Illustrationsiveau bearbeitet werden, um die Formelemente und die Konstruktionsprinzipien eines Dinges griindlich zu erfassen und als fertige Formim Langzeitgedachtnis zur schnellen Wiederverwendung zu speichern. Im beruflichen Alltag ist Illustrationsniveau selten angebracht - wichtig sind Vereinfachung und Schnelligkeit. Schnelligkeit erreicht man nur zu einem kleinen Teil mit dem Verzicht auf Zirkel, Lineal und Radieren. Ob man fur eine Skizze 10 Sekunden, 1 Minute oder 1 Stunde braucht, hangt davon ab, wie gut man den inneren Aufbau des Dinges kennt und wie genau man sich das Ding vorstellen kann. Bei neuen, zunachst unbekannten Teilen kommt es darauf an, wie schnell man sie aus bekannten Grundformen in der Vorstellung modellieren kann. Wer mit der Schnelligkeit unzufrieden ist, hat eigentlich Schwierigkeiten, sich das zu zeichnende Ding vorzustellen.

1.5 Selbststudium Es gibt viele Griinde, als Ingenieurstudent oder Ingenieur (sozusagen nachtraglich) richtig skizzieren zu lernen. Allerdings erschlieBen sich einem die grundlegenden Zeichentechniken nicht von allein. Hilfreich ware, andere beim Zeichnen zu beobachten, "Tips und Tricks" aus der Literatur zusammenzusuchen, die Ursachen eigener Unzulanglichkeit zu analysieren und am besten, immer wieder einen Konner um Rat zu fragen. Natlirlich kann man Freude und Befriedigung aus dieser Art forschenden Lemens ziehen. Meistens hat man nicht die Zeit dazu und ist dann dankbar fur Anleitungen und vorbereitetes Material, die einem iiber Anfangsschwierigkeiten hinweghelfen und schrittweise zur Selbstandigkeit ftihren. In diesem Buch sind alle wesenthchen Uberlegungen und Techniken zum Freihandzeichnen zusammengefaBt, die Ingenieure im Alltag benotigen. Der behandelte Stoff ist so fein gegliedert, daB man in Einheiten von maximal

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1 Einfuhrung

1 Stunde vorgehen kann. Die tJbungsaufgaben sind kurz und dienen eigentlich nur der Entdeckung oder Bestatigung vorhandener Fahigkeiten. Die beste Ubung ist, das Gelernte dann im Alltag einzusetzen. In den ersten Kapiteln erfahrt man, daB man mit der vorhandenen Zeichengeschicklichkeit ziemlich genau wirkende Formen zeichnen kann, wenn man bestimmte Fehlerquellen vermeidet. Die tJbungsaufgaben nehmen nicht viel Zeit in Anspruch und dienen eher dazu, den Zusammenhang zwischen Fehlervermeidung und Genauigkeit bewuBt zu machen. Danach werden einzelne Techniken besprochen, die die Genauigkeit steigern. Die meisten Techniken mu8 man nur kennen (z.B. Winkel konstruieren) und ein paar wenige muB man iiben (z.B. Kreise ziehen). Es werden haufig mehrere Alternativen vorgestellt. Die tJbungsaufgaben sollen also auch zum Experimentieren anregen, bis man einen eigenen Stil gefunden hat. Am Ende der ersten Halfte des Buches wird man Fertigungszeichnungen freihandig zeichnen konnen, die getuschten oder geplotteten Zeichnungen ebenbtirtig sind (mit dem Unterschied, daB man freihandig schneller ist). Das erreichte Niveau reicht fur die meisten Situationen - vor allem bei der Verstandigung von Technikern untereinander - vollig aus. Ubrigens: Die Bedeutung und Wirkung perfekter Bilder wird von denen, die sie produzieren, tiberschatzt. Haufig fragen sich namlich die Adressaten perfekten Bildmaterials im Stillen, ob der Aufwand fur die Perfektionierung nicht besser in kreative Arbeit geflossen ware. Die zweite Halfte des Buches behandelt die perspektivische Darstellung - fiir die Falle, bei denen es auf Anschaulichkeit besonders ankommt: Bei SchweiBteilen, GuBteilen, Verrohrung, Transportproblemen, raumlicher Vertraglichkeit, beim Modellieren im 3D-CAD. Zunachst werden die Grundlagen der Abbildung und die Konstruktion beliebiger Koordinatendreibeine (= Betrachtungsrichtungen) vorgestellt. Danach wird die perspektivische Darstellung der geometrischen Grundkorper besprochen, aus denen sich immer komphziertere Formen und vielteilige Baugruppen modellieren lassen. Zum SchluB geht es um Zeichentechniken, die die Teile plastischer und natiirlicher erscheinen lassen. Die Beispiele zeigen, daB man Kompliziertheit mit Selbstvertrauen und schrittweisem Vorgehen meistern kann.

2 Handwerkliche Grundlagen

2.1 Was man zum Freihandzeichiien braucht 1. Feinminenstift 0,7 Hartegrad HB oder H. Die Minenfiihrung darf nicht federn und nicht wackeln. Die Clips storen beim Drehen des Stiftes. Das Gewicht des Stiftes (Kunststoff oder Metall) ist Geschmaekssache. Wer eine bestimmte Formsicherheit erworben hat und auf das Vorzeichnen verzichten kann, kann auch Filzstift und Fuller verwenden. 2. WeiBes Schreibpapier DIN A4 ohne Karos Obwohl viele mit Karopapier gut zurechtkommen - meines Erachtens schaden Karos, Millimeterteilung oder Zeichennetze mehr als sie helfen: Sie verleiten zu ungiinstigen Einteilungen und MaBstaben, irritieren das Auge und lenken von den gedanklich projizierten bzw. gezeichneten Formen ab. Kopierpapier hat den Vorteil, immer verfugbar zu sein. Optimal: DIN A3. 3. Radiergummi Die GroBe des Radiergummis in den Stiften sei ein Hinweis darauf, so wenig wie moglich zu radieren: Etwa bei Details von umfangreicheren, fast fertigen Zeichnungen. Ansonsten ist haufiges Radieren eine schlechte Angewohnheit: Es unterbricht storend den Ablauf des Zeichnens und kostet Zeit. Radierfussel storen auf der Arbeitsflache. GroBflachiges, langeres Radieren verkrampft die Muskulatur und ergibt schmuddeliges, verknittertes Zeichenpapier. 4. Glatte, nicht zu harte Unterlage Schreibunterlage, Reste von Bodenbelag. Freie Flache von mindestens 500 x 700 mm. Ellbogenfreiheit. 5. Gute Beleuchtung Gute Allgemeinbeleuchtung; bei Tischlampen unbedingt Schlagschatten vermeiden. 6. Geduld, Konzentration, beruhigter Kreislauf, nicht fettende und trockene Zeichenhand. Inwieweit Kaffee, Nikotin und Alkohol diese Bedingungen fordern, weiB man selbst am besten. 7. GroBes Geodreieck Nur zum Uben. Zum Freihandzeichnen gelangt man liber die standige Bestatigung, wie genau man auch ohne die gewohnten Hilfsmittel zeichnen kann. Diese Bestatigung erhalt man durch das sofortige Nachmessen und Priifen von gezeichneten Formen.

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2 Handwerkliche Grundlagen

Im Berufsalltag darf man beim Freihandzeichnen alles verwenden, was einen Zeitgewinn bedeutet. Beim Uben sollte man aber auf alle Hilfsmittel verzichten, die zwar vordergriindig Zeit sparen, aber auf lange Sicht die Entwicklung der Zeichengeschicklichkeit behindern. Der gelegentliche und iiberlegte Gebrauch von Zirkel und Lineal ist sicher nicht schadlich. Auch kann man mit Dosen und Faden und Papierstreifen improvisieren, solange man sich nicht davon abhangig macht. Das gleiche gilt fur Kopieren, Ausschneiden und Einkleben. Besondere Disziplin verlangt das Radieren. Der Vorteil des Freihandzeichnens liegt gerade darin, da8 durch eine bewuBte Rucknahme der Vollkommenheit der Form bedeutende Gewinne hinsiehtlich Zeichengeschwindigkeit und Ausdrucksfahigkeit erzielt werden. Radiert man nun in einer Zeichnung, dann wendet man sich doch wieder der Vollkommenheit der Form zu und verliert unbewuBt die eigentlichen Vorteile des Freihandzeichnens aus dem Blick. Hinzu kommt, da8 die durch Radieren erzielbaren Verbesserungen meist in keinem Verhaltnis zur Radierzeit stehen. Radieren beschadigt meistens die korrekten Nachbarlinien und kann trotzdem einen Fehler nicht spurlos tilgen. An einer verungltickten oder verungliickenden Zeichnung sollte man - auch im fortgeschrittenen Stadium - nicht weiterarbeiten. Wenn sich Zeichenfehler haufen, ist das ein Hinweis, mehr zu iiben. Warum dann nicht auf einem neuen Bogen? Man kann die guten Teile einer Zeichnung pausen (Kopiererpapier laBt Bleistiftlinien gut durchscheinen) und auf dieser Grundlage weiterarbeiten. Man kann die Zeichnung auch vollig neu beginnen. Dann hat man mehr Freiheit bei der Neuanlage der Zeichnung und kann bis dahin angesammelte Fehler bei der Blattaufteilung oder den Proportionen gleich mit korrigieren. Zeichnen mit Fuller: Wolfgang Richter (s, Literaturverzeichnis) empfiehlt aus den vorgenannten Grunden, mit einem Fuller zu zeichnen und kleinere Fehler mit weiBem Korrekturlack oder -band zu korrigieren. Der Fuller hat auBerdem die Vorteile, daB man iibergangslos zwischen Text und Skizze wechseln kann und mit weniger Kraft einen satten schwarzen Strich erhalt. Die KalligraphieFtiller der Marke "Reform" haben einen besonders guten TintenfluB.

2.2 Linienbreiten

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2o2 Linienbreiten Mit einem Feinminenstift 0,7 lassen sich alle Linien mit einer Breite von 0,1 bis 1 mm kontrolliert zeichnen. Ein kompletter Satz Stifte ist unnotig. Der gleichzeitige Gebrauch verschiedener Minen behindert die Entwicklung eines Geftihles fur den richtigen AnpreBdruck. Ausnahme: Nattirliche Formen konnen nicht konstruiert werden - man mu8 ihre Darstellung zeichnend ausprobieren. Um nicht dauernd zu radieren, miissen die probierten Linien sehr fein sein. Das gelingt am besten mit einer 0,3er Mine - weil sie durch Abbrechen daran erinnert, da8 man dUnn zeichnen soil. Illustrationen gehorchen den Regeln fur eine Tuschezeichnung und verlangen nach deutlich abgestuften Linienbreiten. Die Linien miissen schwarz sein. Skizzen kommen mit einer Linienbreite aus. Die Linien konnen dann auch grau sein. 1 mm erreicht man durch die Neigung des Stiftes und das Flachschleifen der Mine. Die Mine schieift sich flach, wenn sie nicht gedreht wird. Man sollte sie absichtlich auf einem Stuck Schmierpapier abschleifen. 0,1 mm erreicht man, wenn man die Mine flachschleift und sie dann (d.h. den ganzen Stift) etwas dreht. Allerdings wird die Linie schon nach wenigen cm breiter. H-Minen halten ihre "Scharfe" etwas langer. Fur kurze diinne Linien kann man auch den Stift flacher halten. Der Strich wird leicht grau, weil man nicht so stark aufdriicken darf.

Fur gute Kopierbarkeit und fiir Faxe ist vor allem ein intensiv schwarzer Strich wichtig, den man mit betontem Druck erhalt. Die Zeichenunterlage mufi aber so hart sein, daB die Mine sich nicht eingrabt.

Bild 2.1. Beeinflussung der Linienbreite

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2 Handwerkliche Grundlagen

2 3 Kinematik des Armes Das Haupthindernis, mit dem Freihandzeichnen zu beginnen, ist die irrige Annahme, ohne Lineal keine gerade Linie Ziehen zu konnen. Wenn man sich die Kinematik des Armes bewuBt macht, lassen sich die Storfaktoren, die eine Gerade wellig oder krumm machen, ausschlieBen. Mit wenig tlbung lassen sich Geradheiten von mindestens 1% erreichen (Toleranzzone von 3 mm auf 300 mm Lange). Diese Genauigkeit ermoglicht die Verwendung als Bezugselement (Mittellinie, 0-Niveau, Hilfslinie) und wird auch visuell als nicht verbesserungsbediirftig empfunden. Langwellige Richtungsanderungen werden wesentlich storender empfunden als kurzwellige Verzitterungen. Falsch : Wenn der Unterarm geschwenkt wird, wirkt er als Zirkel.

Richtig : Nur den Oberarm schwenken. Unterarm und Hand bleiben starr. Die Zeichenhand wird in Richtung des Korpers gezogen. (Ziehen ist mechanisch stabiler als schieben.) Die Beurteilung der Geradheit gelingt am leichtesten, wenn die Gerade in Richtung Nase zeigt Biid 2.2. Falsche und richtige Armbewegung beim Ziehen langer Geraden

2.4 Wie man den Stift halt

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2.4 Wie man den Stift Mlt: Vorzeichnen* Beim Vorzeichnen wird die gewiinschte Form erzeugt. Es kommt also vorwiegend auf Genauigkeit an. Die liber das Papier gezogene, leicht angespannte Hand dampft Zittern und zufallige Schwankungen der Muskelspannung. Dieser Reibungsdampfer wirkt nur dann, wenn die Hand sauber und nichtfettig ist end moglichst groBflachig aufliegt. Die Handkante und der Kleine Finger sollten auf dem Papier aufliegen. Die anderen Finger stiitzen sich auf dem Kleinen Finger ab.

. Bild 2.3. Die trockene und saubere Hand muB groBflachig auf dem Papier aufliegen

Der Stift mu8 weit (40 bis 60 mm) aus der Hand herausragen, um die Papieroberflache uberhaupt zu erreichen (wenn der Stift, wie iiblich, zwischen Daumen, Mittelfinger und Zeigefinger gehalten wird). Das Ende des Stiftes muB andererseits in der Beuge zwischen Daumen und Zeigefinger abgestiitzt sein. Bleistiftstummel sind also zum Zeichnen nicht geeignet. Durch den langen Hebel erreicht man einen geringeren und gleichmaBigeren Minendruck, wie er fur die diinnen und grauen Linien beim Vorzeichnen erwiinscht ist. Diese Handhaltung ermoglicht einen ungestorten Blick auf die Umgebung der zu zeichnenden Linie. Durch die groBe Spannweite zwischen Mine und Hand ist die Gefahr des Verschmierens von schon vorhandenen Linien gering. Je nach individueller Anatomic oder Angewohnheit kann die Stift- und Handhaltung abweichen. Es ist darauf zu achten, daB die Handmuskulatur nicht langere Zeit angespannt oder verkrampft ist, da der Korper die unterbrochene Blutzirkulation durch Zittern wieder in Gang bringt.

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2 Handwerkliche Gntndlagen

B i d 2.4. Diese Stifthaltung ermoglicht einen ungestorten Blick auf die Umgebung der zu zeichnenden Linie

Aesziehen. Nachdem mit dem Vorzeichnen die gewiinschte Form in dlinnen grauen Linien erzeugt worden ist, miissen erstens die giiltigen Linien hervorgehoben und zweitens die verschiedenen Linienarten nach ihrer Bedeutung unterschieden werden. Es geht also darum, die Linien kraftig schwarz, aber unterschiedlich breit und mit verschiedenen "Mustern" nachzuziehen. Dazu wird der Stift kiirzer gefaBt, steiler gehalten und kraftig aufgedrtickt.

Bild 2.5. Mit dieser Stifthaltung erhalt man einen kraftig schwarzen Strich.

Die Hand liegt fest auf, und die Stiftbewegung kommt nur aus den Fingem. Da8 man deshalb haufiger absetzen muB, ist nicht schlimm - die Form liegt ja schon vorgezeichnet fest.

2.5 DasSehen

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2.5 Das Sehen Das Sehen spielt die wichtigste Rolle bei der Ftihrung der Zeichenhand. Leider gibt es auf sogenannten optischen Tauschungen beruhende Storeinfliisse. Der Sehvorgang besteht nicht nur aus der optischen Abbildung eines Gegenstandes auf der Netzhaut, vieknehr werden die empfangenen Signale noch mehrfach (und von Person zu Person verschieden) nachbearbeitet und verandert, bis sie dann zur Steuerung der Zeichenhand zur Verfiigung stehen. Die Nachbearbeitung durch das Gehim kann z.B. darin bestehen, daB eine gerade Form, die nach den Regeln der Optik im Auge selbst als gehogen abgebildet wird, hinterher wieder als gerade ausgegeben wird. Es ist z.B. audi bekannt, daB die optische Verkleinerung der Gegenstande mit der Sehentfernung teilweise vom Gehim kompensiert wird - sonst waren die Personen auf den Urlaubsfotos nicht immer so klein. Eine andere typische Tauschungssituation: Kommt man beim Ziehen einer Geraden an einem anderen Objekt vorbei, wird der Stift unwillkiirlich von diesem Objekt abgestoBen oder angezogen. Besonders kritisch sind das Uberqueren oder auch nur die Nahe geneigter Geraden und Kreisbogen. Fur das Freihandzeichnen bedeutet das, daB man erstens die fur Tauschungen anfalligen Situationen vermeiden und zweitens kritische Seh-Operationen immer unter bestimmten ungefahrlichen Standardbedingungen durchfiihren sollte. So laBt sich die Geradheit einer Linie zuverlassig beurteilen, wenn sie mit der Nase des Betrachters fluchtet. Dieselbe Lage ist aber ganz schlecht, wenn man Symmetrie oder Proportionen beurteilen will: Da mtissen die Strecken quer vor dem Betrachter liegen. Da auch schwache Brillen das gesehene Bild am Rand stark verzerren, muB man als Brillentrager ganz genau auf das symmetrisch-quer-vor-einem-liegen und das Fluchten achten. Der Winkel, in dem das Auge etwas scharf sieht, betragt nur etwa 1 bis 2°. Fixiert man nun die Spitze des Stiftes, verliert man unwillkiirlich weiter weg gelegene Bezugsobjekte aus den Augen. Ein Hin- und Herpendeln des Blickes wirkt sich storend aus. Es ist deshalb beim Zeichnen von Parallelen, beim Teilen von Strecken, beim Verbinden von Punkten, etc. vorteilhaft, ohne scharfzustellen zwischen die beiden zu koordinierenden Dinge zu blicken, quasi "ins Leere zu starren". So behalt man beide Dinge im Auge und kann die Zeichenhand entsprechend ftihren. Man sollte beim tJben unmittelbar nach jeder Schatzoperation mit dem Geodreieck nachmessen, um auf optische Tauschungen aufmerksam zu werden und das Vertrauen in die eigenen Fahigkeiten zu starken.

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2 Handwerkliche Grundlagen

2.6 Wie man eiee gerade Linie zieht Lange Geraden werden beim Freihandzeichnen zwar relativ selten benotigt, dienen aber fast immer als Bezugselement. Es schadet also nicht, sie immer mit Bedacht und Konzentration zu Ziehen. 1. Platz schaffen auf der Zeichenunterlage. 2. Auf dem Papier sollte moglichst noch nichts drauf sein. Das Auge wird irritiert durch plotzlich auftauchende Objekte. Unschadlich sind allerdings Parallelen oder Geraden im Rechten Winkel. 3. Das Papier so drehen, da6 die Gerade in Richtung Nase gezogen werden kann. Die gespreizte linke Hand halt das Papier. 4. Den Stift wie empfohlen oder geiibt oder erprobt fassen und an den Ausgangspunkt (oder davor; s.u.) der Geraden bringen. 5. Leicht durchatmen, Atem anhalten, die Muskulatur in eine leichte Starre versetzen. 6. mit mafiiger Geschwindigkeit (s.u.) die Gerade ohne abzusetzen von oben nach unten durchziehen. Die Bewegung darf nur aus dem Oberarm kommen. 7. Bei sehr langen Geraden (bei Plakaten) ist es vorteilhaft, zu stehen und den Gesamtweg auf Oberarm und den pendelnden Korper aufzuteilen. Das geht natiirlich nur, wenn man sich nicht aufstiitzt.

Bild 2.6. Die Linie sollte mit der Nase fluchten

8. Am Anfang der Geraden erhalt man durch den "Anfahrvorgang" fast unweigerlich einen "Wackier". Wenn man einige cm vor dem gewiinschten Punkt startet, kann man den Wackier wegradieren.

Zur Geschwindigkeit: Eine wichtige EinfluBgroBe auf die Dampfung zwischen Hand und Papier ist die Zeichengeschwindigkeit. Als Grundlage fur eigene Versuche seien folgende Richtwerte gegeben: Unter ca. 100 mm/sec erhalt man eine ruckende Bewegung ("stick-slip"). Uber ca. 300 mm/sec kann man nicht mehr rechtzeitig auf sich abzeichnende "Fehlentwicklungen" der Form reagieren.

2.6 Wie man eine gerade Linie zieht

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Ubungsaufgabe 2.1: • Ziehen Sie auf etwas gedrehtem Papier (DIN A3 hoch) lange Geraden. • Abstand der Linien untereinander mindestens 40 mm. Sie mtissen nicht parallel sein. • Wenn Sie merken, daB eine Linie krumm wird, f'angen Sie eine neue an. • Bestimmen und notieren Sie immer gleich die Geradheit Ihrer Geraden.

BUd 2.7. Lange Geraden auf DINA3 ziehen.

Bild 2.8. Bestimmung der Geradheit

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3 Gerade durch zwei Punkte Es ist schwierig, eine gerade Linie zu Ziehen und gleichzeitig dabei einen bestirrimten f^unkt zu treffen. ^^enn cine Gerade durch einen Punkt gelegt werden soil dann sollte man deshalb die Gerade an diesem Punkt beginnen. Gelegentlich mtissen auch zwei entfernte Punkte (Abstand ca. 100 bis 300 mm) durch eine Gerade verbunden werden. Dafur gibt es zwei Methoden:

3.1 Noe-Stop-Methode Die Non-Stop-Methode ist schnell, aber nicht einfach und risikoreich. Sie erfordert standige Ubung. 1. Sich etwas zurlicklehnen und das Papier so drehen, da£ die zu verbindenden Punkte mit der Nase fluchten. 2. Die Verbindungsstrecke mehrfach mit den Augen abfahren, einpragen oder vorstellen. 3. Mit dem Stift (Armbewegung und Haltung wie beim Zeichnen langer Geraden) die Punkte mit einigen "Leerhiiben" in der Luft verbinden, um zu sehen, ob man das Zielkreuz trifft. Die Abweichung laBt sich verringern, indem man danach das Papier mit der Linken entspechend dreht, die Ziehrichtung aber beim nachsten Versuch beibehalt. 4. Mit maBiger Geschwindigkeit die Gerade ohne abzusetzen von oben nach unten durchziehen. Ufeengsaufgafoe 3.1: • Zeichnen Sie auf einem Papier DIN A4 oder A3quer oben und unten in unregelmaBigen Abstanden (20 bis 30 mm) Kreuze (10 mm). • Die Kreuze miissen deutlich, d.h. diinn und schwarz s'ein. • Verbinden Sie immer zwei Kreuze durch eine gerade Linie • Arbeiten Sie von links nach rechts fortschreitend. • Wenn Sie merken, daB Sie das Ziel verfehlen, versuchen Sie nicht, die Linie hinzubiegen - es ware keine Gerade mehr. • Messen und notieren Sie die Geradheit der Linie und die Abweichung vom Zielkreuz,

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3.1 Non-Stop-Methode

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15 Losungen der Ubungsaufgaben

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