Technische Mechanik: Band 1: Statik [10. bearbeitete Aufl] 9783540683971, 3540683976 [PDF]


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Table of contents :
Front Matter....Pages I-IX
Einführung....Pages 1-4
Grundbegriffe....Pages 5-18
Kräfte mit gemeinsamem Angriffspunkt....Pages 19-44
Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren Körpers....Pages 45-88
Schwerpunkt....Pages 89-112
Lagerreaktionen....Pages 113-144
Fachwerke....Pages 145-166
Balken, Rahmen, Bogen....Pages 167-212
Arbeit....Pages 213-246
Haftung und Reibung....Pages 247-266
Back Matter....Pages 267-292
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Technische Mechanik: Band 1: Statik [10. bearbeitete Aufl]
 9783540683971, 3540683976 [PDF]

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Zitiervorschau

Springer-Lehrbuch

Prof. Dr.-Ing. Dietmar Gross studierte Angewandte Mechanik und promovierte an der Universität Rostock. Er habilitierte an der Universität Stuttgart und ist seit 1976 Professor für Mechanik an der TU Darmstadt. Seine Arbeitsgebiete sind unter anderen die Festkörper- und Strukturmechanik sowie die Bruchmechanik. Hierbei ist er auch mit der Modellierung mikromechanischer Prozesse befasst. Er ist Mitherausgeber mehrerer internationaler Fachzeitschriften sowie Autor zahlreicher Lehrund Fachbücher.

Prof. Dr. Werner Hauger studierte Angewandte Mathematik und Mechanik an der Universität Karlsruhe und promovierte an der Northwestern University in Evanston/Illinois. Er war mehrere Jahre in der Industrie tätig, hatte eine Professur an der Universität der Bundeswehr in Hamburg und wurde 1978 an die TU Darmstadt berufen. Sein Arbeitsgebiet ist die Festkörpermechanik mit den Schwerpunkten Stabilitätstheorie, Plastodynamik und Biomechanik. Er ist Autor von Lehrbüchern und Mitherausgeber internationaler Fachzeitschriften. Prof. Dr.-Ing. Jörg Schröder studierte Bauingenieurwesen, promovierte an der Universität Hannover und habilitierte an der Universität Stuttgart. Nach einer Professur für Mechanik an der TU Darmstadt ist er seit 2001 Professor für Mechanik an der Universität Duisburg-Essen. Seine Arbeitsgebiete sind unter anderem die theoretische und die computerorientierte Kontinuumsmechanik sowie die phänomenologische Materialtheorie mit Schwerpunkten auf der Formulierung anisotroper Materialgleichungen und der Weiterentwicklung der Finite-Elemente-Methode. Prof. Dr.-Ing. Wolfgang A. Wall studierte Bauingenieurwesen an der Universität Innsbruck und promovierte an der Universität Stuttgart. Seit 2003 leitet er den Lehrstuhl für Numerische Mechanik an der Fakultät Maschinenwesen der TU München. Seine Arbeitsgebiete sind unter anderem die numerische Strömungs- und Strukturmechanik. Schwerpunkte dabei sind gekoppelte Mehrfeld- und Mehrskalenprobleme mit Anwendungen, die sich von der Aeroelastik bis zur Biomechanik erstrecken.

Dietmar Gross · Werner Hauger Jörg Schröder · Wolfgang A. Wall

Technische Mechanik Band 1: Statik 10. bearbeitete Auflage

123

Prof. Dr.-Ing. Dietmar Gross Prof. Dr. Werner Hauger Prof. Dr. rer. nat. Dr.-Ing. E.h. Walter Schnell † Institut für Mechanik Technische Universität Darmstadt Hochschulstraße 1 64289 Darmstadt Prof. Dr.-Ing. Jörg Schröder Institut für Mechanik Universität Duisburg-Essen Campus Essen Universitätsstraße 15 45117 Essen

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang A. Wall Lehrstuhl für Numerische Mechanik Technische Universität München Boltzmannstraße 15 85747 Garching

ISBN 978-3-540-68394-0 DOI 10.1007/978-3-540-68397-1

e-ISBN 978-3-540-68397-1

Springer-Lehrbuch ISSN 0937-7433 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2009, 2006 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Satz: Digitale Druckvorlage der Autoren Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Umschlaggestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de

Vorwort Die Statik stellt den ersten Teil eines vierb¨ andigen Lehrbuches der Technischen Mechanik dar. Sie wird gefolgt von der Elastostatik, der Kinetik und einem Band, der sich mit der Hydromechanik, Elementen der H¨ oheren Mechanik und Numerischen Methoden befasst. Ziel des Buches ist es, an das Verstehen der wesentlichen Grundgesetze und Methoden der Mechanik heranzuf¨ uhren. Auch soll es zur Entwicklung der F¨ ahigkeit beitragen, mit Hilfe der Mechanik Ingenieurprobleme zu formulieren und selbst¨ andig zu l¨osen. Das Buch ist aus Lehrveranstaltungen hervorgegangen, die von den Verfassern f¨ ur Studierende aller Ingenieur-Fachrichtungen gehalten wurden. Der dargestellte Stoff orientiert sich im Umfang an den Mechanik-Kursen deutschsprachiger Hochschulen. Bei Beschr¨ ankung auf das unumg¨ anglich Notwendige wurde bewusst so manches w¨ unschenswerte Detail einer ausf¨ uhrlicheren Darstellung des Grundlegenden geopfert. Ohne unpr¨ azise zu sein, haben wir einen m¨ oglichst einfachen Zugang zur Mechanik gew¨ahlt, der den unterschiedlichen Eingangskenntnissen der heutigen Studienanf¨ anger gerecht wird. Uns kam es vor allem darauf an, ein tragf¨ahiges Fundament zu legen, das in den Ingenieurf¨ achern genutzt werden kann und das ein tieferes Eindringen in weitergehende Gebiete der Mechanik erm¨ oglicht. Die Mechanik ist nicht durch reine Lekt¨ ure erlernbar. Dieses Buch sollte deshalb als echtes Arbeitsmittel verwendet werden. Der Leser muss sich schon die M¨ uhe machen, mit Bleistift und Papier die eine oder andere Herleitung nachzuvollziehen. Vor allem kann die Anwendung der scheinbar so leichten Gesetzm¨aßigkeiten nur durch selbst¨ andiges L¨ osen von Aufgaben gelernt werden. Diesem Zweck dienen auch die durchgerechneten Beispiele. Die freundliche Aufnahme, welche dieses Buch gefunden hat, macht eine Neuauflage erforderlich. Wir haben sie genutzt, um eine Reihe von Verbesserungen und Erg¨ anzungen vorzunehmen. Hingewiesen sei insbesondere auf das Zusatzmaterial im Netz, das

VI

wir beginnend mit dieser Auflage der Leserschaft zur Verf¨ ugung stellen. Herzlich gedankt sei an dieser Stelle Frau Heike Herbst, die mit großer Sorgfalt die Zeichnungen anfertigte. Unser Dank gilt auch den Studenten Simon Altmannshofer, Andreas Bollinger, Bernd Budich, Matthias Mayr, Sonja Stegbauer, Fritz Wenzl und Simon Winkler, welche die ersten TM-Tools erstellt haben. Schließlich danken wir dem Springer-Verlag f¨ ur das Eingehen auf unsere W¨ unsche und f¨ ur die ansprechende Ausstattung des Buches. Darmstadt, Essen und M¨ unchen, im August 2008

D. Gross W. Hauger J. Schr¨oder W.A. Wall

Inhaltsverzeichnis Einf¨ uhrung.................................................................

1

1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8

Grundbegriffe Die Kraft ......................................................... Eigenschaften und Darstellung der Kraft ................... Der starre K¨orper ............................................... Einteilung der Kr¨afte, Schnittprinzip ........................ Wechselwirkungsgesetz ........................................ Dimensionen und Einheiten ................................... L¨ osung statischer Probleme, Genauigkeit .................. Zusammenfassung ..............................................

7 7 9 11 14 15 16 18

2 2.1 2.2

Kr¨ afte mit gemeinsamem Angriffspunkt Zusammensetzung von Kr¨aften in der Ebene.............. Zerlegung von Kr¨aften in der Ebene, Komponentendarstellung ........................................................... Gleichgewicht in der Ebene ................................... Beispiele ebener zentraler Kr¨aftegruppen .................. Zentrale Kr¨aftegruppen im Raum ........................... Zusammenfassung ..............................................

2.3 2.4 2.5 2.6 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3

21 25 28 30 37 44

Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene .................... 47 Kr¨aftepaar und Moment des Kr¨aftepaares ................. 47 Moment einer Kraft ............................................ 52 Die Resultierende ebener Kraftsysteme ..................... 54 Gleichgewichtsbedingungen ................................... 56 Grafische Zusammensetzung von Kr¨aften: das Seileck .. 65 Allgemeine Kr¨aftegruppen im Raum ........................ 70 Der Momentenvektor........................................... 70 Gleichgewichtsbedingungen ................................... 76 Dyname, Kraftschraube ....................................... 82 Zusammenfassung .............................................. 88

VIII

4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5

Schwerpunkt Schwerpunkt einer Gruppe paralleler Kr¨afte ............... 91 Schwerpunkt und Massenmittelpunkt eines K¨orpers ..... 94 Fl¨achenschwerpunkt ............................................ 99 Linienschwerpunkt .............................................. 110 Zusammenfassung .............................................. 112

5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.4

Lagerreaktionen Ebene Tragwerke................................................ Lager .............................................................. Statische Bestimmtheit ........................................ Berechnung der Lagerreaktionen............................. R¨aumliche Tragwerke .......................................... Mehrteilige Tragwerke ......................................... Statische Bestimmtheit ........................................ Dreigelenkbogen ................................................ Gelenkbalken..................................................... Kinematische Bestimmtheit................................... Zusammenfassung ..............................................

115 115 118 121 123 126 126 132 135 138 144

6 6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.4

Fachwerke Statische Bestimmtheit ........................................ Aufbau eines Fachwerks ....................................... Ermittlung der Stabkr¨afte ..................................... Knotenpunktverfahren ......................................... Cremona-Plan ................................................... Rittersches Schnittverfahren .................................. Zusammenfassung ..............................................

147 149 151 151 157 162 166

7 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2

Balken, Rahmen, Bogen Schnittgr¨ oßen .................................................... Schnittgr¨ oßen am geraden Balken ........................... Balken unter Einzellasten...................................... Zusammenhang zwischen Belastung und Schnittgr¨ oßen .............................................. Integration und Randbedingungen........................... ¨ Ubergangsbedingungen bei mehreren Feldern .............

7.2.3 7.2.4

169 173 174 180 182 187

IX

7.2.5 7.2.6 7.3 7.4 7.5

F¨ oppl-Symbol .................................................... Punktweise Ermittlung der Schnittgr¨ oßen.................. Schnittgr¨ oßen bei Rahmen und Bogen ..................... Schnittgr¨ oßen bei r¨aumlichen Tragwerken ................. Zusammenfassung ..............................................

8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6

Arbeit Arbeitsbegriff und Potential .................................. Der Arbeitssatz.................................................. Gleichgewichtslagen und Kr¨afte bei beweglichen Systemen ................................................................ Ermittlung von Reaktions- und Schnittkr¨aften ............ Stabilit¨at einer Gleichgewichtslage .......................... Zusammenfassung ..............................................

223 229 234 246

9 9.1 9.2 9.3 9.4

Haftung und Reibung Grundlagen ....................................................... Die Coulombschen Reibungsgesetze......................... Seilhaftung und Seilreibung ................................... Zusammenfassung ..............................................

249 251 261 266

A A.1 A.1.1 A.1.2 A.1.3 A.1.4 A.2

Vektoren, Gleichungssysteme Elemente der Vektorrechnung ................................ Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar ............ Addition und Subtraktion von Vektoren .................... Skalarprodukt .................................................... Vektorprodukt ................................................... Lineare Gleichungssysteme ....................................

268 271 271 272 273 275

193 197 201 207 212

215 221

Englische Fachausdr¨ ucke .............................................. 281 Sachverzeichnis .......................................................... 289

Einf¨ uhrung Die Mechanik ist der ¨ alteste und am weitesten entwickelte Teil der Physik. Als eine wichtige Grundlage der Technik nimmt ihre Bedeutung wegen der laufenden Erweiterung ihrer Anwendungsgebiete immer mehr zu. Die Aufgabe der Mechanik ist die Beschreibung und Vorherbestimmung der Bewegungen von K¨ orpern sowie der Kr¨afte, die mit diesen Bewegungen im Zusammenhang stehen. Technische Beispiele f¨ ur solche Bewegungen sind das rollende Rad eines Fahrzeuges, die Str¨ omung einer Fl¨ ussigkeit in einem Kanal, die Bahn eines Flugzeuges oder die eines Satelliten. Bewegungen“ im verallge” meinerten Sinn sind aber auch die Durchbiegung einer Br¨ ucke oder die Deformation eines Bauteiles unter der Wirkung von Lasten. Ein wichtiger Sonderfall der Bewegung ist der Zustand der Ruhe. Ein Geb¨ aude, ein Damm oder ein Fernsehturm sollen schließlich so bemessen sein, dass sie sich gerade nicht bewegen oder einst¨ urzen. Die Mechanik gr¨ undet sich auf einige wenige Naturgesetze von axiomatischem Charakter. Darunter versteht man Aussagen, die vielfachen Beobachtungen entnommen sind und aus der Erfahrung heraus als richtig angesehen werden; auch ihre Folgerungen werden durch die Erfahrung best¨ atigt. In diesen Naturgesetzen und den daraus folgenden S¨atzen werden u ¨ber mechanische Gr¨oßen, wie Geschwindigkeit, Masse, Kraft, Impuls, Energie, welche die mechanischen Eigenschaften eines Systems bzw. die Wirkungen auf dieses System beschreiben, Aussagen gemacht, oder diese Begriffe werden miteinander verkn¨ upft. Sowohl in den Naturgesetzen selbst als auch in deren Anwendungen werden nicht reale K¨ orper oder reale technische Systeme mit ihren vielf¨ altigen Eigenschaften betrachtet, sondern es werden Modelle untersucht, welche die wesentlichen mechanischen Merkmale der realen K¨ orper oder Systeme besitzen. Beispiele hierf¨ ur sind Idealisierungen wie starrer K¨ orper oder Massenpunkt. Ein realer K¨ orper oder ein technisches Bauteil sind nat¨ urlich immer in gewissem Maße deformierbar. Man wird sie jedoch dann als nichtverformbar, d.h. als starre K¨ orper auffassen k¨onnen, wenn die Deformationen keine wesentliche Rolle bei der Beschreibung eines

2

Einf¨ uhrung

mechanischen Vorganges spielen. Sollen der Wurf eines Steines oder die Bewegung eines Planeten im Sonnensystem untersucht werden, so ist es meist hinreichend, diese K¨ orper als Massenpunkte anzusehen, da ihre Abmessungen sehr klein im Vergleich zu den zur¨ uckgelegten Wegen sind. Als exakter Sprache bedient sich die Mechanik der Mathematik. Erst sie erm¨ oglicht pr¨ azise Formulierungen ohne Bindung an einen bestimmten Ort oder an eine bestimmte Zeit, und sie versetzt uns in die Lage, mechanische Vorg¨ ange zu beschreiben und zu erfassen. Will ein Ingenieur ein technisches Problem mit Hilfe der Mechanik l¨ osen, so hat er das reale technische System zun¨achst auf ein Modell abzubilden, das dann unter Anwendung der mechanischen Grundgesetze mathematisch analysiert werden kann. Die mathematische L¨ osung ist schließlich wieder zur¨ uck zu u ¨bersetzen, d.h. mechanisch zu interpretieren und technisch auszuwerten. Da es zun¨ achst auf das Erlernen der Grundgesetze und ihrer richtigen Anwendung ankommt, werden wir die Frage der Modellbildung, die viel K¨ onnen und Erfahrung voraussetzt, meist ausklammern. Die mechanische Analyse idealisierter Systeme, in denen der reale technische Ausgangspunkt manchmal nicht mehr erkennbar ist, ist jedoch nicht wirklichkeitsfremde Spielerei, sondern sie soll den angehenden Ingenieur in die Lage versetzen, sp¨ater praktische Probleme mit Hilfe der Theorie selbst¨andig zu l¨osen. Eine Einteilung der Mechanik kann nach verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen. So spricht man je nach dem Aggregatzustand der K¨ orper von der Mechanik fester K¨ orper, der Mechanik fl¨ ussiger K¨ orper und der Mechanik gasf¨ ormiger K¨ orper. Die festen K¨ orper, mit denen wir uns hier ausschließlich besch¨aftigen, kann man wieder unterteilen in starre K¨ orper, elastische K¨ orper oder plastische K¨ orper; bei den fl¨ ussigen K¨ orpern unterscheidet man ussigkeiten. Die Eigenzum Beispiel reibungsfreie und viskose Fl¨ schaften starr, elastisch oder viskos sind dabei wieder Idealisierungen, durch welche die wesentlichen Eigenschaften der realen K¨ orper mathematisch erfassbar werden. Nach der Grundaufgabe, n¨ amlich der Untersuchung von Kr¨aften und Bewegungen, unterteilt man die Mechanik auch in Kinematik und Dynamik. Die Kinematik (griech. kinesis = Bewegung)

Einf¨ uhrung

3

ist dabei die Lehre vom geometrischen und zeitlichen Bewegungsablauf, ohne dass auf Kr¨ afte als Ursache oder Wirkung der Bewegung eingegangen wird. Die Dynamik (griech. dynamis = Kraft) besch¨ aftigt sich dagegen mit den Kr¨ aften und den mit ihnen im Zusammenhang stehenden Bewegungen. Die Dynamik unterteilt man in die Statik und die Kinetik. Dabei befasst sich die Statik (lat. status = Stehen) mit den Kr¨ aften und dem Gleichgewicht (Sonderfall der Ruhe), w¨ ahrend die Kinetik tats¨achliche Bewegungen unter der Wirkung von Kr¨ aften untersucht. Daneben unterteilt man die Mechanik auch noch in Analytische Mechanik und Technische Mechanik. Die Analytische Mechanik untersucht die mechanischen Vorg¨ ange mit den analytischen Hilfsmitteln der Mathematik und dem Ziel, zu prinzipiellen Einsichten und Gesetzm¨ aßigkeiten zu gelangen. Das Detailproblem ist dabei untergeordnet. Unter Technischer Mechanik versteht man dagegen eine Mechanik, die sich auf die Probleme und Anspr¨ uche des konstruierenden und berechnenden Ingenieurs konzentriert. Er muss Br¨ ucken, Kr¨ ane, Geb¨ aude, Maschinen, Fahrzeuge oder Komponenten von Mikrosystemen statisch und dynamisch so analysieren, dass sie bestimmte Belastungen ertragen oder bestimmte Bewegungen ausf¨ uhren k¨ onnen. In der geschichtlichen Entwicklung ist der Ursprung der Mechanik in der griechischen Antike anzusiedeln, obwohl sich nat¨ urlich die Menschen bei Werkzeugen und Ger¨ aten schon viel fr¨ uher ihrer durch Erfahrung gewonnenen mechanischen Erkenntnisse bedienten. Durch die Arbeiten von Archimedes (287–212) u ¨ber Hebel, Flaschenzug, Schwerpunkt und Auftrieb wurden einige Grundsteine f¨ ur die Statik gelegt, zu denen jedoch bis zur Renaissance nichts Bemerkenswertes hinzukam. Weitere Fortschritte erzielten Leonardo da Vinci (1452–1519) mit Betrachtungen u ¨ber das Gleichgewicht auf der schiefen Ebene und Simon Stevin (1548–1620) mit seiner Erkenntnis des Gesetzes der Kr¨ aftezusammensetzung. Die ersten Untersuchungen zur Bewegungslehre gehen auf Galileo Galilei (1564–1642) zur¨ uck, der die Fallgesetze fand; zu ihnen kamen die Gesetze der Planetenbewegung von Johannes Kepler (1571–1630) und die vielf¨ altigen Arbeiten von Christian Huygens

4

Einf¨ uhrung

(1629–1695). Sie m¨ undeten in die Formulierung der Bewegungsgesetze durch Isaac Newton (1643–1727). Hier setzte eine st¨ urmische Entwicklung ein, die einherging mit der Entwicklung der Analysis und die mit der Familie Bernoulli (17. und 18. Jhdt.), mit Leonhard Euler (1707–1783), Jean Lerond D’Alembert (1717–1783) und Joseph Louis Lagrange (1736–1813) verbunden ist. Infolge der Fortschritte der analytischen und numerischen Methoden – letztere besonders gef¨ ordert durch die Computerentwicklung – erschließt die Mechanik heute immer weitere Gebiete und immer komplexere Problemstellungen einer exakten Analyse. Gleichzeitig dringt sie durch ihre Methodik der Modellbildung und mathematischen Analyse auch in Teile von fr¨ uher rein beschreibenden Wissenschaften, wie Medizin, Biologie oder Sozialwissenschaften ein.

Kapitel 1 Grundbegriffe

1

1 Grundbegriffe 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8

Die Kraft ......................................................... Eigenschaften und Darstellung der Kraft .................. Der starre K¨ orper............................................... Einteilung der Kr¨afte, Schnittprinzip ....................... Wechselwirkungsgesetz ........................................ Dimensionen und Einheiten .................................. L¨ osung statischer Probleme, Genauigkeit.................. Zusammenfassung ..............................................

7 7 9 11 14 15 16 18

Lernziele: Die Statik ist die Lehre von den Kr¨aften an K¨ orpern, die sich im Gleichgewicht befinden. Um statische Probleme untersuchen zu k¨ onnen, m¨ ussen wir uns zun¨achst mit einigen Grundbegriffen, Erfahrungss¨ atzen und Arbeitsprinzipien besch¨aftigen. Besondere Bedeutung haben dabei das Schnittprinzip, das Wechselwirkungsgesetz sowie das Freik¨ orperbild“. Sie werden bei ” der L¨ osung von nahezu allen Problemen der Statik angewendet.

1.1

Die Kraft

7

1.1 Die Kraft

1.1

Den Begriff der Kraft entnehmen wir unserer t¨ aglichen Erfahrung. Obwohl man Kr¨ afte nicht sehen oder direkt beobachten kann, sind uns doch ihre Wirkungen gel¨ aufig: eine Schraubenfeder verl¨angert sich, wenn wir ein Gewicht daran h¨ angen oder wenn wir daran ziehen. Die Muskelspannung vermittelt uns dabei ein qualitatives Gef¨ uhl f¨ ur die Kraft in der Feder. Ein Stein wird beim freien Fall durch die Schwerkraft, beim Abwerfen durch die Muskelkraft beschleunigt. Wir sp¨ uren den Druck auf die Handfl¨ache, wenn wir einen darauf liegenden K¨ orper heben. Gehen wir davon aus, dass uns die Schwerkraft und ihre Wirkungen aus der Erfahrung bekannt sind, so k¨ onnen wir die Kraft als eine Gr¨oße bezeichnen, die mit der Schwerkraft vergleichbar ist. Die Statik untersucht ruhende K¨ orper. Aus Erfahrung wissen wir, dass ein K¨ orper, der nur der Wirkung der Schwerkraft u ¨berlassen ist, sich bewegt: er f¨ allt. Damit ein Stein nicht f¨allt, sich also im Gleichgewicht befindet, m¨ ussen wir auf ihn einwirken, zum Beispiel durch unsere Muskelkraft. Wir k¨ onnen somit auch sagen: Eine Kraft ist eine physikalische Gr¨ oße, die sich mit der Schwerkraft ins Gleichgewicht setzen l¨ asst.

1.2 Eigenschaften und Darstellung der Kraft Die Kraft ist durch drei Eigenschaften bestimmt: Betrag, Richtung und Angriffspunkt. Der Betrag gibt die Gr¨ oße der wirkenden Kraft an. Ein qualitatives Gef¨ uhl daf¨ ur vermittelt die unterschiedliche Muskelspannung, wenn wir verschiedene K¨ orper heben oder wenn wir mit unterschiedlicher Intensit¨ at gegen eine Wand dr¨ ucken. Gemessen werden kann der Betrag F einer Kraft, indem man sie mit der Schwerkraft, d.h. mit geeichten Gewichten vergleicht: befindet sich in Abb. 1.1 der K¨ orper vom Gewicht G im Gleichgewicht, so gilt F = G. Als Maßeinheit f¨ ur die Kraft verwenden wir das Newton“ ” oder abgek¨ urzt N (vgl. Abschnitt 1.6).

1.2

8

1 Grundbegriffe

1111 0000 F α

G

f

Abb. 1.1

Dass die Kraft eine Richtung hat, ist uns ebenfalls gel¨aufig. W¨ ahrend die Schwerkraft immer lotrecht nach unten wirkt, k¨onnen wir mit der Hand senkrecht oder schr¨ ag auf eine Tischplatte dr¨ ucken. Die Kiste auf der glatten Unterlage in Abb. 1.2 wird sich in verschiedene Richtungen bewegen, je nachdem in welcher Richtung man auf sie mit der Kraft F einwirkt. Die Richtung der Kraft k¨ onnen wir durch ihre Wirkungslinie und den Richtungssinn auf ihr beschreiben. In Abb. 1.1 ist die Wirkungslinie f der Kraft F unter dem Winkel α zur Horizontalen geneigt. Der Richtungssinn wird durch den Pfeil ausgedr¨ uckt. Schließlich wirkt die Kraft an einem bestimmten Angriffspunkt. Abh¨ angig davon, wo sich dieser Punkt A in Abb. 1.2 an der Kiste befindet, wird die Kraft unterschiedliche Bewegungen verursachen. A

F

A

F

A

A

F F Abb. 1.2

Durch Betrag und Richtung ist mathematisch ein Vektor bestimmt. Im Unterschied zu einem freien Vektor, der im Raum beliebig parallel verschoben werden kann, ist die Kraft an ihre Wirkungslinie gebunden und besitzt einen Angriffspunkt: Die Kraft ist ein gebundener Vektor. Entsprechend der Symbolik der Vektorrechnung schreiben wir f¨ ur die Kraft F und f¨ ur den Betrag der Kraft |F | oder F . In Zeichnungen stellen wir die Kraft wie in den Abbildungen 1.1 und 1.2 durch einen Pfeil dar. Da aus dem Pfeilbild der Vektorcharakter

1.3

Der starre K¨ orper

9

z Fz ez α ex Fx Abb. 1.3

γ

F β

ey

Fy

y

x

meist eindeutig hervorgeht, begn¨ ugt man sich oft damit, nur den Betrag F der Kraft an den Pfeil zu schreiben. In kartesischen Koordinaten (vgl. Abb. 1.3 und Anhang A) k¨onnen wir den Kraftvektor mit Hilfe der Einheitsvektoren ex , ey , ez darstellen als F = F x + F y + F z = Fx ex + Fy ey + Fz ez .

(1.1)

F¨ ur den Betrag F gilt nach dem Satz von Pythagoras im Raum  F = Fx2 + Fy2 + Fz2 . (1.2) Die Richtungswinkel und damit die Richtung der Kraft folgen aus cos α =

Fx , F

cos β =

Fy , F

cos γ =

Fz . F

(1.3)

1.3 Der starre K¨ orper Als starren K¨ orper bezeichnen wir einen K¨ orper, der unter der Wirkung von Kr¨ aften keine Deformationen erf¨ ahrt; die gegenseitigen Abst¨ ande beliebiger K¨ orperpunkte bleiben immer gleich. Dies stellt nat¨ urlich eine Idealisierung eines realen K¨ orpers dar, die allerdings oft mit hinreichender N¨ aherung erf¨ ullt ist. Aus Erfahrung mit solchen K¨ orpern weiß man, dass eine Einzelkraft entlang ihrer Wirkungslinie beliebig verschoben werden kann, ohne dass die Wirkung auf diesen K¨ orper als Ganzes ver¨ andert wird.

1.3

10

1 Grundbegriffe

F f

A1

F f

A1

F

deformierbarer K¨ orper f

A2

F

starrer K¨ orper f

A2

Abb. 1.4

Wir veranschaulichen dies in Abb. 1.4. W¨ahrend bei der deformierbaren Kugel die Wirkung der Kraft vom Angriffspunkt abh¨ angt, ist es bei der starren Kugel hinsichtlich der Wirkung der Kraft F auf den ganzen K¨ orper gleichg¨ ultig, ob an der Kugel gezogen oder gedr¨ uckt wird. Diese Tatsache dr¨ ucken wir durch die S¨ atze aus: Die Wirkung einer Kraft auf einen starren K¨orper ist von der Lage des Angriffspunktes auf der Wirkungslinie unabh¨angig. Die Kr¨ afte an starren K¨ orpern sind linienfl¨ uchtige Vektoren: sie k¨ onnen entlang der Wirkungslinie beliebig verschoben werden.

Eine Parallelverschiebung von Kr¨ aften ¨ andert ihre Wirkung jedoch wesentlich. So zeigt die Erfahrung, dass wir einen K¨orper vom Gewicht G im Gleichgewicht halten k¨onnen, wenn wir ihn geeignet (unterhalb des Schwerpunktes) durch die Kraft F mit F = G unterst¨ utzen (Abb. 1.5a). Verschieben wir die Kraft F parallel, so kommt es zu einer Drehwirkung, und der K¨orper wird rotieren (Abb. 1.5b). f

f G

G

F

F a

b

Abb. 1.5

1.4

Einteilung der Kr¨afte, Schnittprinzip

11

1.4

1.4 Einteilung der Kr¨ afte, Schnittprinzip Die Kraft mit Wirkungslinie und Angriffspunkt stellt eine Idealisierung dar. Wir bezeichnen sie als Einzelkraft. Man kann sie sich weitgehend realisiert vorstellen, wenn ein K¨orper u ¨ber einen d¨ unnen Faden oder eine Nadelspitze belastet wird. In der Natur sind nur zwei Arten von Kr¨ aften bekannt: die Volumenkr¨afte und die Fl¨ achenkr¨ afte. Als Volumenkr¨ afte bezeichnet man Kr¨ afte, die u ¨ber das Volumen eines K¨ orpers verteilt sind. Ein Beispiel hierf¨ ur ist das Gewicht. Jedes noch so kleine Teilchen (infinitesimales Volumenelement dV ) des Gesamtvolumens hat ein bestimmtes Teilgewicht dG (Abb. 1.6a). Die Summe aller dieser im Volumen kontinuierlich verteilten Kr¨ afte dG ergibt das Gesamtgewicht G. Andere Beispiele f¨ ur Volumenkr¨ afte sind magnetische und elektrische Kr¨afte. Fl¨ achenkr¨ afte treten in der Ber¨ uhrungsfl¨ ache zweier K¨orper auf. So sind beispielsweise der Wasserdruck p auf eine Staumauer (Abb. 1.6b), die Schneelast auf einem Dach oder der Druck eines K¨ orpers auf der Handfl¨ ache fl¨ achenf¨ ormig verteilt. Als Idealisierung findet in der Mechanik noch die Linienkraft (Streckenlast) Verwendung. Es handelt sich dabei um Kr¨afte, die entlang einer Linie kontinuierlich verteilt sind. Dr¨ uckt man mit einer Schneide gegen einen K¨ orper und sieht von der endlichen Dicke der Schneide ab, so wirkt entlang der Ber¨ uhrungslinie die Linienkraft q (Abb. 1.6c). q dV

p

dG Abb. 1.6

a

1111111 0000000 b

c

Kr¨ afte k¨ onnen auch noch nach anderen Gesichtspunkten eingeteilt werden. So unterscheidet man eingepr¨ agte Kr¨ afte und Reaktionskr¨ afte. Als eingepr¨ agt bezeichnet man die bei einem mechanischen System physikalisch vorgegebenen Kr¨ afte, wie zum Beispiel das Gewicht, den Winddruck oder eine Schneelast.

12

1 Grundbegriffe

Reaktionskr¨ afte oder Zwangskr¨ afte entstehen durch die Einschr¨ ankung der Bewegungsfreiheit, d.h. durch die Zwangsbedingungen, denen ein System unterliegt. Auf einen fallenden Stein wirkt nur die eingepr¨ agte Gewichtskraft. H¨alt man den Stein in der Hand, so ist seine Bewegungsfreiheit eingeschr¨ankt; auf den Stein wird dann von der Hand zus¨ atzlich eine Zwangskraft ausge¨ ubt. Reaktionskr¨ afte kann man sich nur veranschaulichen, indem man den K¨ orper von seinen geometrischen Bindungen l¨ost. Man nennt dies Freimachen oder Freischneiden. In Abb. 1.7a ist ein Balken durch die eingepr¨ agte Kraft G belastet. Die Lager A und B verhindern, dass sich der Balken bewegt: sie wirken mit Reaktionskr¨ aften auf ihn. Wir machen diese Reaktionskr¨afte, die wir der Einfachheit halber ebenfalls mit A und B bezeichnen, im sogenannten Freik¨ orperbild (Abb. 1.7b) sichtbar. In ihm sind anstelle der geometrischen Bindungen durch die Lager die dort auf den K¨ orper wirkenden Kr¨ afte eingezeichnet. Durch dieses Freima” chen“ werden die entsprechenden Kr¨ afte einer Analyse zug¨anglich gemacht (vgl. Kapitel 5). Dies gilt auch dann, wenn durch das Freischneiden ein mechanisches System beweglich wird. In diesem Fall denken wir uns bei der Bestimmung der Reaktionskr¨afte das System in der gegebenen Lage erstarrt“: Erstarrungsprinzip (vgl. ” Abschnitt 5.3). G

G B

A System a

A b

Freikörperbild

B Abb. 1.7

Eine weitere Einteilung erfolgt durch die Begriffe ¨ außere Kraft und innere Kraft. Eine ¨ außere Kraft wirkt von außen auf ein mechanisches System. Sowohl eingepr¨ agte Kr¨ afte als auch Reaktionskr¨ afte sind ¨ außere Kr¨ afte. Die inneren Kr¨ afte wirken zwischen den Teilen eines Systems. Auch sie kann man sich nur durch gedankliches Zertrennen oder Schneiden des K¨ orpers veranschaulichen. F¨ uhrt man in Abb. 1.8a durch den K¨ orper in Gedanken einen

1.4

Einteilung der Kr¨afte, Schnittprinzip

13

Schnitt, so m¨ ussen anstelle der Bindung in der Schnittfl¨ache die fl¨ achenf¨ ormig verteilten inneren Kr¨ afte eingezeichnet werden (Abb. 1.8b). Dem liegt die durch die Erfahrung best¨ atigte Hypothese zugrunde, dass die mechanischen Gesetze auch f¨ ur Teile eines Systems g¨ ultig sind. Wir betrachten danach das System zun¨achst als einen Gesamtk¨ orper, der sich in Ruhe befindet. Nach dem gedachten Schnitt fassen wir es dann als aus zwei Teilen bestehend auf, die u achen gerade so aufeinander einwirken, dass ¨ber die Schnittfl¨ sich jeder Teil f¨ ur sich im Gleichgewicht befindet. Man bezeichnet diese Hypothese, durch die die inneren Kr¨ afte erst berechenbar werden, als Schnittprinzip. Es gilt nicht nur f¨ ur ein System, das sich im Gleichgewicht befindet, sondern auch allgemein f¨ ur den Fall der Bewegung. G

G

1

2

Schnitt

A

a

B

A

b

B

Abb. 1.8

Die Einteilung nach ¨ außeren und inneren Kr¨aften h¨angt davon ab, welches System wir untersuchen wollen. Fassen wir den Gesamtk¨ orper in Abb. 1.8a als das System auf, so sind die durch den Schnitt freigelegten Kr¨ afte innere Kr¨ afte; sie wirken ja zwischen den Teilen des Systems. Betrachten wir dagegen nur den orper ➁ in Abb. 1.8b als unser Teilk¨ orper ➀ oder nur den Teilk¨ System, so sind die entsprechenden Kr¨ afte jetzt ¨außere Kr¨afte. Wie wir in Abschnitt 1.3 festgestellt haben, kann eine Kraft hinsichtlich ihrer Wirkung auf einen starren K¨ orper entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden. Dies bedeutet insbesondere, dass wir die Linienfl¨ uchtigkeit der Kraft bei der Analyse der ¨außeren Kr¨ afte nutzen k¨ onnen. Dagegen ist bei den inneren Kr¨aften dieses Prinzip im allgemeinen nicht anwendbar. Bei ihnen wird ja der K¨ orper gedanklich geschnitten oder geteilt, und es spielt

14

1 Grundbegriffe

dann doch eine Rolle, ob eine a ¨ußere Kraft auf den einen oder den anderen Teilk¨ orper wirkt. Die Bedeutung der inneren Kr¨ afte f¨ ur den berechnenden Ingenieur ist in der Tatsache begr¨ undet, dass ihre Gr¨oße ein Maß f¨ ur die Materialbeanspruchung ist.

1.5

1.5 Wechselwirkungsgesetz Ein Gesetz, das wir aus Erfahrung als richtig akzeptieren, ist das Wechselwirkungsgesetz. Dieses Axiom besagt, dass zu jeder Kraft immer eine gleich große Gegenkraft geh¨ ort, eine Kraft allein also nie existieren kann. Stemmen wir uns mit der Hand gegen eine Wand (Abb. 1.9a), so u ¨bt die Hand eine Kraft F auf die Wand aus. Eine gleich große, entgegengesetzt gerichtete Kraft wirkt aber auch von der Wand auf unsere Hand. Wir k¨ onnen die entsprechenden Kr¨ afte wieder sichtbar machen, indem wir die beiden K¨orper, Wand und Hand, an der Kontaktstelle trennen. Zu beachten ist, dass die Kr¨ afte an zwei verschiedenen K¨ orpern angreifen. Ganz analog hat aufgrund der Gravitation ein K¨orper auf der Erde ein

a

1111 0000 0000 1111 0000 1111 0000 1111 0000 1111 0000 1111

111111111 000000000 000000000 111111111 000000000 111111111 000000000 111111111 000000000 111111111 Schnitt

F

G G

F

b

Abb. 1.9

Gewicht G. Mit der gleich großen Kraft wirkt jedoch der K¨orper auch auf die Erde: beide ziehen sich gegenseitig an (Abb. 1.9b). Wir formulieren diesen Sachverhalt im Satz: Die Kr¨ afte, die zwei K¨ orper aufeinander aus¨ uben, sind gleich groß, entgegengesetzt gerichtet und liegen auf der gleichen Wirkungslinie. Dieses Prinzip, das man kurz als

1.6

Dimensionen und Einheiten

15

actio = reactio aussprechen kann, stellt das dritte Newtonsche Axiom dar (vgl. Band 3). Es gilt sowohl f¨ ur Nah- als auch f¨ ur Fernkr¨afte und ist unabh¨ angig davon, ob die K¨ orper ruhen oder bewegt werden.

1.6 Dimensionen und Einheiten In der Mechanik besch¨ aftigen wir uns mit den drei physikalischen Grundgr¨ oßen L¨ ange, Zeit und Masse; hinzu kommt die Kraft als wichtige, im physikalischen Sinn aber abgeleitete Gr¨oße. Alle anderen physikalischen Gr¨ oßen wie zum Beispiel Geschwindigkeit, Impuls oder Energie lassen sich hierdurch ausdr¨ ucken. Der geometrische Raum, in dem sich mechanische Vorg¨ange abspielen, ist dreidimensional. Der Einfachheit halber werden wir uns jedoch manchmal auf ebene oder auf eindimensionale Probleme beschr¨ anken. Verbunden mit L¨ange, Zeit, Masse und Kraft sind ihre Dimensionen [l], [t], [M ] und [F ], die entsprechend dem internationalen Einheitensystem SI (Syst`eme International d’Unit´es) in den Grundeinheiten Meter (m), Sekunde (s) und Kilogramm (kg) sowie der abgeleiteten Einheit Newton (N) angegeben werden. Eine Kraft vom Betrag 1 N erteilt einer Masse von 1 kg die Beschleuaßig gilt 1 N = 1 kg m/s2 . Volumenkr¨afte nigung 1 m/s2 ; formelm¨ haben die Dimension Kraft pro Volumen [F/l3 ] und werden z.B. in Vielfachen der Einheit N/m3 gemessen. Analog haben Fl¨achenbzw. Linienkr¨ afte die Dimensionen [F/l2 ] bzw. [F/l] und die Einheiten N/m2 bzw. N/m. Der Betrag einer physikalischen Gr¨ oße wird vollst¨andig angegeben durch die Maßzahl und die Einheit. So bedeuten die Angaben F = 17 N bzw. l = 3 m eine Kraft von siebzehn Newton bzw. eine L¨ ange von drei Metern. Mit Einheiten kann man genauso rechnen wie mit Zahlen. Es gilt zum Beispiel mit den obigen Gr¨oßen F · l = 17 N · 3 m = 17 · 3 Nm = 51 Nm. Bei physikalischen Gleichungen haben jede Seite und jeder additive Term die gleiche Dimension; dies sollte zur Kontrolle von Gleichungen immer beachtet werden.

1.6

16

1 Grundbegriffe

Bei sehr großen bzw. sehr kleinen Zahlenwerten werden den Einheiten Meter, Sekunde usw. die Bezeichnungen k (Kilo = 103 ), M (Mega = 106 ), G (Giga = 109 ) bzw. m (Milli = 10−3 ), μ (Mikro = 10−6 ), n (Nano = 10−9 ) vorangestellt (Beispiel: 1 kN = 103 N).

1.7

1.7 L¨ osung statischer Probleme, Genauigkeit Die L¨ osung von Ingenieuraufgaben aus dem Bereich der Mechanik bedarf einer u ¨berlegten Vorgehensweise, die in gewissem Maße von der Art der Problemstellung abh¨ angt. Wichtig ist jedoch in jedem Fall, dass sich ein Ingenieur verst¨ andlich und klar ausdr¨ uckt, da er sowohl die Formulierung als auch die L¨osung eines Problems Fachleuten oder Laien mitzuteilen hat und von ihnen verstanden werden muss. Diese Klarheit ist auch f¨ ur den eigenen Verst¨andnisprozeß wichtig, denn klare, saubere Formulierungen bergen in sich schon den Keim der richtigen L¨ osung. Obwohl es, wie schon erw¨ ahnt, kein festes Schema zur Behandlung von mechanischen Problemen gibt, so m¨ ussen doch meist die folgenden Schritte getan werden: 1. Formulierung des Ingenieurproblems. ¨ 2. Erstellen eines mechanischen Ersatzmodells, Uberlegungen zur G¨ ute der Abbildung der Realit¨ at auf das Modell. 3. L¨ osung des mechanischen Problems am Ersatzmodell. Dies schließt ein: – Feststellen der gegebenen und der gesuchten Gr¨oßen. Dies geschieht in der Regel mit Hilfe einer Skizze des mechanischen Systems. Den Unbekannten ist ein Symbol zuzuweisen. – Zeichnen des Freik¨ orperbildes mit allen angreifenden Kr¨aften. – Aufstellen der mechanischen Gleichungen (z.B. der Gleichgewichtsbedingungen). – Aufstellen geometrischer Beziehungen (falls ben¨otigt). – Aufl¨ osung der Gleichungen nach den Unbekannten. Zuvor muss gepr¨ uft werden, ob die Zahl der Gleichungen mit der Zahl der Unbekannten u ¨bereinstimmt.

1.7

L¨ osung statischer Probleme, Genauigkeit

17

– Kenntlichmachen des Resultats. 4. Diskussion und Deutung der L¨ osung. Wir werden in der Technischen Mechanik meist nicht vom Ingenieurproblem ausgehen, sondern uns auf den dritten Punkt, die L¨ osung von mechanischen Problemen am Modell, konzentrieren. Trotzdem d¨ urfen wir nicht aus dem Auge verlieren, dass unsere Modelle Abbilder realer K¨ orper oder Systeme sind, deren Verhalten wir manchmal anschaulich aus der Erfahrung heraus beurteilen k¨ onnen. Es ist deshalb immer zweckm¨ aßig, die Ergebnisse einer Rechnung mit der Anschauung zu u ufen. ¨berpr¨ Was die Genauigkeit von Ergebnissen anbelangt, so m¨ ussen wir zwischen der numerischen Genauigkeit unserer Rechnungen am Modell und der Treffsicherheit der ingenieurm¨aßigen Aussage u orper unterscheiden. Das numerische ¨ber das Verhalten realer K¨ Ergebnis h¨ angt dabei von der Genauigkeit der Eingangsdaten und von der Rechengenauigkeit ab. So k¨ onnen Ergebnisse nie pr¨aziser als die Eingangsdaten sein. Sie sollten auch nie in einer Weise angegeben werden (z.B. viele Stellen hinter dem Komma), die eine nicht vorhandene Genauigkeit vort¨ auscht. Die Treffsicherheit der Ingenieuraussage ist von der G¨ ute des Modells abh¨ angig. So k¨ onnen wir zum Beispiel den Wurf eines Steines beschreiben, indem wir den Luftwiderstand ber¨ ucksichtigen oder ihn vernachl¨ assigen; die Ergebnisse werden nat¨ urlich voneinander abweichen. Es ist die Aufgabe des Ingenieurs, ein Modell gerade so zu bilden, dass es die f¨ ur sein Problem erforderliche Genauigkeit auch liefern kann.

18

1.8

1 Grundbegriffe

1.8 Zusammenfassung • Die Statik befasst sich mit Kr¨ aften, die sich im Gleichgewicht befinden. • Eine an einem starren K¨ orper angreifende Kraft ist ein Vektor, der entlang seiner Wirkungslinie beliebig verschoben werden kann. • Eine eingepr¨ agte Kraft ist durch eine physikalische Gesetzm¨ aßigkeit vorgegeben. Beispiel: Gewichtskraft im Erdschwerefeld. • Eine Reaktionskraft entsteht durch die Einsch¨ankung der Bewegungsfreiheit eines K¨ orpers. • Schnittprinzip: Reaktionskr¨ afte und innere Kr¨afte k¨onnen durch gedankliches Schneiden freigelegt und damit einer Analyse zug¨ anglich gemacht werden. • Freik¨ orperbild: Darstellung aller eingepr¨agten Kr¨afte und Reaktionskr¨ afte am freigeschnittenen K¨ orper. Beachte: bewegliche K¨ orperteile k¨ onnen als erstarrt“ angesehen werden (Er” starrungsprinzip). • Wechselwirkungsgesetz: actio = reactio. • Physikalische Grundgr¨ oßen sind L¨ ange, Masse und Zeit. Die Kraft ist eine abgeleitete Gr¨ oße. Es gilt: 1 N= 1 kg m/s2 . • In der Mechanik werden idealisierte Modelle untersucht, welche die wesentlichen Eigenschaften der realen K¨orper oder Systemen haben. Beispiele f¨ ur Idealisierungen: starrer K¨orper, Einzelkraft.

Kapitel 2 Kr¨ afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

2

2 Kr¨ afte mit gemeinsamem Angriffspunkt 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

Zusammensetzung von Kr¨aften in der Ebene ............ Zerlegung von Kr¨aften in der Ebene, Komponentendarstellung ........................................................... Gleichgewicht in der Ebene .................................. Beispiele ebener zentraler Kr¨aftegruppen.................. Zentrale Kr¨aftegruppen im Raum ........................... Zusammenfassung ..............................................

21 25 28 30 37 44

Lernziele: Wir untersuchen in diesem Kapitel Einzelkr¨afte, die einen gemeinsamen Angriffspunkt haben. Solche Kraftsysteme bezeichnet man auch als zentrale Kraftsysteme oder zentrale Kr¨ aftegruppen. Es sind in diesem Zusammenhang immer Kr¨afte gemeint, die an einem K¨ orper angreifen; Kr¨afte alleine, ohne Wirkung auf einen K¨ orper, gibt es nicht. Ist der K¨orper starr, so m¨ ussen die Kr¨ afte nicht tats¨ achlich in einem Punkt angreifen, sondern ihre Wirkungslinien m¨ ussen sich nur in einem Punkt schneiden. Die Kr¨ afte sind in diesem Fall ja linienfl¨ uchtig und k¨onnen entlang ihrer Wirkungslinien in den Schnittpunkt verschoben werden. Liegen alle Kr¨ afte in einer Ebene, so spricht man von einer ebenen Kr¨ aftegruppe. Die Studierenden sollen lernen, wie man die Resultierende einer zentralen Kr¨ aftegruppe bestimmt und wie man die Gleichgewichtsbedingungen bei konkreten Aufgaben formuliert. Hierf¨ ur m¨ ussen sie in der Lage sein, das Schnittprinzip sachgerecht anzuwenden und ein Freik¨ orperbild anzufertigen.

2.1

Zusammensetzung von Kr¨aften in der Ebene

21

2.1 Zusammensetzung von Kr¨ aften in der Ebene Greifen an einem Punkt A eines K¨ orpers zwei Kr¨afte F 1 und F 2 an, so k¨ onnen diese beiden Kr¨ afte durch eine einzige Kraft R gleichwertig ersetzt werden (Abb. 2.1a). Diese Erfahrungstatsache kommt im Satz vom Parallelogramm der Kr¨ afte zum Ausdruck. Der Satz besagt, dass den Kr¨ aften F 1 und F 2 eine Kraft R¨ aquivalent ist, die sich in Gr¨ oße und Richtung als Diagonale eines durch F 1 und F 2 aufgespannten Parallelogramms ergibt. Die Kraft R bezeichnet man als Resultierende von F 1 und F 2 . Wir k¨ onnen dieses Axiom auch folgendermaßen aussprechen: Die Wirkung zweier an einem Punkt angreifenden Kr¨afte F 1 und F 2 ist ¨ aquivalent der Wirkung einer Kraft R, die sich aus der Parallelogrammkonstruktion ergibt. Die geometrische Konstruktion entspricht der Vektoraddition (vgl. Anhang A.1) R = F1 + F2 .

(2.1) F1

F2

F1 R R

A F2 Abb. 2.1

F2

a

R F1

b

Haben wir es mit n Kr¨ aften zu tun, deren Wirkungslinien alle durch einen Punkt A gehen (Abb. 2.2a), so ergibt sich die Resultierende durch aufeinander folgende Anwendung des Parallelogrammgesetzes, d.h. als Vektorsumme aller n Kr¨afte: R = F1 + F2 + ... + Fn =



Fi .

(2.2)

Die Reihenfolge der Addition ist dabei beliebig. Die Bestimmung der Resultierenden bezeichnet man auch als Reduktion: eine Kr¨aftegruppe wird auf eine einzige ¨ aquivalente Kraft reduziert.

2.1

22

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

b

Fn

a F2

A

F1

F1 a

Fn

R

Fi

F 1 +F 2 +F i F 1 +F 2

Fi

F2 b

Abb. 2.2

F¨ uhrt man die Addition zweier Kr¨ afte grafisch aus, so gen¨ ugt es, nur ein halbes Parallelogramm, d.h. ein Kr¨ aftedreieck zu zeichnen (Abb. 2.1b). Dies hat zwar den Nachteil, dass man nicht mehr sieht, dass die Wirkungslinien der Kr¨ afte durch einen Punkt gehen. Dem steht jedoch als Vorteil gegen¨ uber, dass man die geometrische Konstruktion auf beliebig viele Kr¨ afte ausdehnen kann. Die n Kr¨ afte F i werden in beliebiger Reihenfolge hintereinander angetragen, und R ergibt sich als Vektor, der vom Anfangspunkt a zum Endpunkt b des Kr¨ aftepolygons oder Kraftecks zeigt (Abb. 2.2b). Die grafische Addition von Kr¨ aften in der Ebene erfolgt zweckm¨ aßig mit einem Lageplan und einem Kr¨ afteplan. Der Lageplan ist dabei die maßst¨ abliche Darstellung der geometrischen Gegebenheiten einer Aufgabe; er enth¨ alt bei einer zentralen Kr¨aftegruppe nur die Wirkungslinien der gegebenen Kr¨afte. Im Kr¨afteplan erfolgt das maßst¨ abliche Aneinanderf¨ ugen der Kr¨afte unter Ber¨ ucksichtigung ihrer Richtungen. Hierzu ist die Angabe eines Kr¨ aftemaßstabes (z.B. 1 cm =  10 N) notwendig. Manchmal l¨ ost man Aufgaben analytisch mit Hilfe einer Skizze des Kraftecks (siehe Beispiele 2.1 und 2.4). Dann ist kein Maßstab f¨ ur das Krafteck erforderlich. B2.1

Beispiel 2.1 An einem Haken greifen nach Abb. 2.3a zwei Kr¨ afte

F1 und F2 an. Der Winkel zwischen ihren Wirkungslinien sei α. Es sind die Gr¨ oße und die Richtung der Resultierenden zu bestimmen. L¨ osung Die Antwort folgt unmittelbar aus einer Skizze des Kr¨ afte-

dreiecks (Abb. 2.3b). Bekannt sind die L¨ angen“ F1 , F2 und der ”

2.1

1 0 0 1 0 1 0 1 0 1

Zusammensetzung von Kr¨aften in der Ebene

23

F1 R α

β

π−α

F2 a

Abb. 2.3

F2

F1 α

b

Winkel α. Der Kosinussatz liefert somit R2 = F12 + F22 − 2 F1 F2 cos (π − α) bzw. R=



F12 + F22 + 2 F1 F2 cos α .

F¨ ur den Winkel β, der die Richtung der Wirkungslinie von R alt man aus dem Sinussatz gegen¨ uber F2 angibt, erh¨ sin β F1 = sin (π − α) R oder nach Einsetzen von R mit sin (π − α) = sin α F1 sin α sin β =  2 . F1 + F22 + 2 F1 F2 cos α Dieses Beispiel - und viele weitere Beispiele zur Zusammensetzung von Kr¨ aften in der Ebene - k¨ onnen Sie auch mit dem TM-Tool Resultierende ebener Kraftsysteme“ bearbeiten (siehe ”

24

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

Screenshot). Es steht Ihnen zusammen mit einer Reihe weiterer TM-Tools unter der auf dem Umschlag angegebenen Adresse frei zur Verf¨ ugung. B2.2

An einer Ringschraube wirken vier Kr¨afte (F1 = 12 kN, F2 = 8 kN, F3 = 18 kN, F4 = 4 kN) unter vorgegebenen Richtungen (α1 = 45◦ , α2 = 100◦ , α3 = 205◦ , α4 = 270◦ ) gegen¨ uber der Horizontalen (Abb. 2.4a). Es sollen die Gr¨ oße und die Richtung der Resultierenden grafisch bestimmt werden.

Beispiel 2.2

5 kN F2 α3

f2

F1

α2

r α1

F3 α4

F3

f1 F4

αR

f3 Lageplan b

a

F1

R

f4

F4

F2

Kr¨ afteplan c

Abb. 2.4

L¨ osung Wir zeichnen den Lageplan, in dem die Wirkungslinien afte F1 , . . . , F4 in richtiger Richtung, d.h. unter f1 , . . . , f4 der Kr¨ den gegebenen Winkeln α1 , . . . , α4 eingetragen werden (Abb. 2.4b). F¨ ur den Kr¨ afteplan w¨ ahlen wir zun¨ achst einen Maßstab und f¨ ugen dann alle Kr¨ afte unter Ber¨ ucksichtigung ihrer Richtungen maßst¨ ablich aneinander (Abb. 2.4c). Als Ergebnis f¨ ur den Betrag und die Richtung der Resultierenden R lesen wir im Rahmen der Zeichengenauigkeit ab:

R = 10, 5 kN ,

αR = 155◦ .

Die Wirkungslinie r von R u ¨bertragen wir noch in den Lageplan. Je nachdem in welcher Reihenfolge die Kr¨afte im Kr¨afteplan aneinander gef¨ ugt werden, erh¨ alt das Krafteck ein anderes Aussehen. Gr¨ oße und Richtung von R sind jedoch in jedem Fall gleich.

2.2

Zerlegung von Kr¨aften in der Ebene, Komponentendarstellung

25

2.2

2.2 Zerlegung von Kr¨ aften in der Ebene, Komponentendarstellung ¨ Ahnlich wie man Kr¨afte zusammensetzen kann, kann man sie auch zerlegen. Wollen wir eine Kraft R durch zwei Kr¨ afte mit den vorgegebenen zentralen Wirkungslinien f1 und f2 ersetzen (Abb. 2.5a), so zeichnen wir das Kr¨ aftedreieck, indem wir durch den Anfangsund den Endpunkt von R je eine der vorgegebenen Richtungen legen. Aus dem Krafteck, das in zwei verschiedenen Varianten gezeichnet werden kann, folgen eindeutig die gesuchten Kr¨afte nach Betrag und Richtungssinn (Abb. 2.5b). f2

F1

F2

f1 R

R

R

F2

F1

a

b

Abb. 2.5

Die Kr¨ afte F 1 und F 2 bezeichnet man als Komponenten der Kraft R bez¨ uglich der Richtungen f1 und f2 . Wir folgern also: in der Ebene ist die Zerlegung einer Kraft nach zwei verschiedenen Richtungen eindeutig m¨ oglich. Man kann sich leicht davon u ¨berzeugen, dass die Zerlegung einer Kraft in der Ebene nach mehr als zwei Richtungen nicht mehr eindeutig erfolgen kann: es existieren dann beliebig viele verschiedene Zerlegungsm¨ oglichkeiten. Fy

y

F α

ey Abb. 2.6

ex

Fx x

In vielen F¨ allen ist es zweckm¨ aßig, die Kr¨ afte entsprechend ihrer Darstellung in kartesischen Koordinaten in Komponenten zu zerlegen, die aufeinander senkrecht stehen. Die Richtungen der Komponenten sind in diesem Fall durch die x- und die y-Achse

26

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

festgelegt (Abb. 2.6). Mit den Einheitsvektoren ex und ey lassen sich die Komponenten schreiben als F x = Fx ex ,

F y = Fy ey ,

(2.3)

und F wird F = F x + F y = Fx ex + Fy ey .

(2.4)

Darin sind Fx und Fy die Koordinaten des Vektors F . Es sei angemerkt, dass Fx und Fy ungenau in der Ausdrucksweise meist auch als Komponenten von F bezeichnet werden. Wie schon in Abschnitt 1.2 erw¨ ahnt, hat es sich daneben eingeb¨ urgert, vor allem bei Aufgaben oder konkreten Problemen, in denen der Vektorcharakter von Kr¨ aften eindeutig ist, an das Pfeilbild nur noch Betr¨ age oder Koordinaten zu schreiben. Aus Abb. 2.6 liest man ab Fx = F cos α ,  F = Fx2 + Fy2 ,

Fy = F sin α , Fy tan α = . Fx

(2.5)

Hat man die Resultierende einer zentralen ebenen Kr¨aftegruppe zu ermitteln, so kann man die Vektoraddition so durchf¨ uhren, dass man an Stelle der Kr¨ afte ihre Komponenten addiert. Wir machen uns dies am Beispiel von zwei Kr¨ aften klar (Abb. 2.7). Bezeichnen wir die x- und die y-Komponenten der Kr¨ afte F i mit F ix = Fix ex y F 2y

R F2 F 1y

F1 F 1x

F 2x

x

Abb. 2.7

2.2

Zerlegung von Kr¨aften in der Ebene, Komponentendarstellung

27

und F iy = Fiy ey , so gilt R = Rx ex + Ry ey = F 1 + F 2 = F 1x + F 1y + F 2x + F 2y = F1x ex +F1y ey +F2x ex +F2y ey = (F1x +F2x) ex +(F1y +F2y)ey .

Die Koordinaten der Resultierenden folgen somit zu Rx = F1x + F2x ,

Ry = F1y + F2y .

Im allgemeinen Fall f¨ ur n Kr¨ afte erhalten wir aus   Fi = (Fix ex + Fiy ey ) R = Rx ex + Ry ey =     Fiy ey = Fix ex +

(2.6)

f¨ ur die Koordinaten von R Rx =



Fix ,

Ry =



Fiy .

(2.7)

Betrag und Richtung errechnen sich nach (2.5): R=



Rx2 + Ry2 ,

tan αR =

Ry . Rx

(2.8)

Der Vektorgleichung (2.2) entsprechen im ebenen Fall also die beiden skalaren Gleichungen (2.7). Beispiel 2.3 Das Beispiel 2.2 soll mit der Komponentendarstellung

gel¨ ost werden. y F2 α2

F1

α3 α1

F3 α4 Abb. 2.8

F4

x

B2.3

28

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

L¨ osung Wir w¨ ahlen dazu das Koordinatensystem so, dass die x-

Achse mit der Horizontalen zusammenf¨ allt, von der aus die Winkel gemessen werden (Abb. 2.8). Es gilt dann Rx = F1x + F2x + F3x + F4x = F1 cos α1 + F2 cos α2 + F3 cos α3 + F4 cos α4 = 12 cos 45◦ + 8 cos 100◦ + 18 cos 205◦ + 4 cos 270◦ = − 9, 22 kN . Analog ergibt sich Ry = F1y + F2y + F3y + F4y = F1 sin α1 +F2 sin α2 +F3 sin α3 +F4 sin α4 = 4, 76 kN , und es werden   R = Rx2 + Ry2 = 9, 222 + 4, 762 = 10, 4 kN , tan αR =

2.3

Ry 4.76 = −0.52 =− Rx 9.22



αR = 152, 5◦ .

2.3 Gleichgewicht in der Ebene Wir untersuchen nun die Frage, unter welchen Bedingungen ein K¨ orper im Gleichgewicht ist. Antwort darauf gibt wieder die Erfahrung, aus der wir wissen, dass ein urspr¨ unglich ruhender K¨orper in Ruhe bleibt, wenn wir an ihm zwei entgegengesetzt gleich große Kr¨ afte auf gleicher Wirkungslinie anbringen (Abb. 2.9). Wir k¨ onnen diese Tatsache durch den Satz ausdr¨ ucken: Zwei Kr¨ afte sind im Gleichgewicht, wenn sie auf der gleichen Wirkungslinie liegen und entgegengesetzt gleich groß sind. Dies bedeutet, dass die Vektorsumme der beiden Kr¨afte (d.h. die Resultierende) Null sein muss: R = F1 + F2 = 0.

(2.9)

2.3

Gleichgewicht in der Ebene

F3

Fi

F1

F 2 = −F 1

f1 = f2

F2

Fn b, a

Abb. 2.9

Abb. 2.10

29

F1

Aus Abschnitt 2.1 wissen wir, dass ein zentrales Kr¨aftesystem aus n Kr¨ aften F i immer eindeutig durch eine Resultierende  asst sich die GleichgeR = F i ersetzt werden kann. Damit l¨ wichtsbedingung (2.9) sofort auf beliebig viele Kr¨afte u ¨bertragen. Eine zentrale Kr¨ aftegruppe ist im Gleichgewicht, wenn die Vektorsumme aller Kr¨ afte (d.h. die Resultierende) Null ist: R=



Fi = 0.

(2.10)

Geometrisch bedeutet Gleichung (2.10), dass das Krafteck geschlossen sein muss, d.h. sein Anfangs- und sein Endpunkt fallen zusammen (Abb. 2.10). Eine Kr¨ aftegruppe, die der Gleichgewichtsbedingung (2.10) gen¨ ugt, bezeichnet man als Gleichgewichtsgruppe. Die resultierende Kraft ist dann Null, wenn ihre Komponenten verschwinden. Dies bedeutet mit (2.7), dass der Gleichgewichtsbedingung (2.10) in Vektorform im Fall eines ebenen Kraftsystems die beiden skalaren Gleichgewichtsbedingungen 

Fix = 0 ,



Fiy = 0

(2.11)

aquivalent sind. Ein zentrales ebenes Kraftsystem ist demnach im ¨ Gleichgewicht, wenn die Summen der Kraftkomponenten (hier in x- und in y-Richtung) verschwinden. Haben wir es mit einem Gleichgewichtsproblem zu tun, bei dem Kr¨ afte nach Gr¨ oße und (oder) Richtung zu bestimmen sind, so k¨ onnen h¨ ochstens zwei Unbekannte mit Hilfe der zwei Gleich-

30

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

gewichtsbedingungen (2.11) ermittelt werden. Probleme, die auf diese Weise einer L¨ osung zugef¨ uhrt werden k¨onnen, nennt man statisch bestimmt. Treten mehr als zwei Unbekannte bei einer zentralen ebenen Kr¨ aftegruppe auf, so ist das Problem statisch unbestimmt; es kann mit den Gleichgewichtsbedingungen (2.11) alleine nicht gel¨ ost werden. Zur rechnerischen L¨ osung eines konkreten Problems hat man zuerst ein Koordinatensystem festzulegen, Dabei k¨onnen die Koordinatenrichtungen beliebig gew¨ ahlt werden. Bei der Anwendung der Gleichgewichtsbedingungen gen¨ ugt es dann, die Komponenten der Kraftvektoren zu bestimmen, die Vektoren selbst m¨ ussen nicht explizit angeschrieben werden.

2.4

2.4 Beispiele ebener zentraler Kr¨ aftegruppen Um die bisherigen Ergebnisse an Beispielen anwenden zu k¨onnen, ben¨ otigen wir einige Idealisierungen von einfachen technischen Bauteilen. So bezeichnen wir einen K¨ orper, dessen Querschnittsabmessungen klein gegen¨ uber der L¨ angsabmessung sind und der nur Zugkr¨ afte in Richtung seiner L¨ angsachse aufnehmen kann, als ein Seil (Abb. 2.11a). S

Seil

S

S

Zugstab

S

S

Druckstab

S

a

Rolle

S b

1111 0000

S c

Abb. 2.11

Ist das Gewicht des Seiles klein gegen¨ uber der Kraft im Seil (Seilkraft), so vernachl¨ assigt man es in der Regel. Man spricht in diesem Fall von einem masselosen“ Seil. Wird ein Seil u ¨ber ” eine Rolle gef¨ uhrt (Abb. 2.11b), so sind die Kr¨afte an beiden Seilenden gleich groß, sofern die Rolle reibungsfrei“ gelagert ist (vgl. ” Beispiele 2.6 und 3.3).

2.4

Beispiele ebener zentraler Kr¨aftegruppen

31

Bei einem Stab sind die Querschnittsabmessungen ebenfalls klein im Vergleich zur L¨ angsabmessung. Im Unterschied zum Seil kann ein Stab jedoch sowohl Zug- als auch Druckkr¨ afte in Richtung seiner L¨ angsachse aufnehmen (Abb. 2.11c). 1

K¨ orper 1

T

Berührungsebene

N K K N

a

T 2

K¨ orper 2

b

Abb. 2.12

Nach Abschnitt 1.4 kann man die Kr¨ afte, die in einer Ber¨ uhrungsstelle zweier K¨ orper wirken, sichtbar machen, indem man die K¨ orper gedanklich trennt (Abb. 2.12). Die Kontaktkraft K, die nach dem Prinzip actio = reactio entgegengesetzt gleich groß auf jeden der beiden K¨ orper wirkt, k¨ onnen wir durch ihre Komponenten, die Normalkraft N und die Tangentialkraft T , ersetzen. Die Kraft N wirkt dabei senkrecht (normal) zur tangentialen Ber¨ uhrungsebene der beiden K¨ orper, w¨ ahrend die Kraft T in der Ber¨ uhrungsebene selbst liegt. Ber¨ uhren sich die K¨orper lediglich, so k¨ onnen sie nur gegeneinander dr¨ ucken und nicht etwa aneinander ziehen; d.h. die Normalkraft N ist dann jeweils zum Innern des K¨ orpers, auf den sie wirkt, gerichtet. In tangentialer Richtung k¨ onnen die K¨orper nur dann aufeinander einwirken, wenn ihre Oberfl¨ achen rauh sind. Idealisieren wir eine Oberfl¨ache als vollkommen glatt, so verschwindet T , und es tritt nur die Normalkraft N auf. ¨ sind zwei Seile befestigt, an denen Beispiel 2.4 An einer festen Ose mit den Kr¨ aften F1 und F2 unter den Winkeln α und β gezogen wird (Abb. 2.13a). Gesucht ist der Betrag der Kraft H, die von der Wand auf die ¨ ausge¨ Ose ubt wird.

B2.4

32

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

11 00 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11

y

β

β

F2

α

F1 a

α+β

x

H α

H

F2

γ

b

F1

F2

F1 c

Abb. 2.13

¨ ist unter der Wirkung der an ihr angreifenden L¨ osung Die Ose ¨ wirkenden Kr¨afte Kr¨ afte im Gleichgewicht. Um alle auf die Ose zu erkennen, denken wir sie uns von der Wand getrennt. An der Trennstelle f¨ uhren wir die nach Gr¨ oße H und Richtung γ unbekannte Haltekraft ein und zeichnen das Freik¨orperbild Abb. 2.13b. Wir l¨ osen die Aufgabe zun¨ achst grafoanalytisch (halb grafisch, halb analytisch). Dazu skizzieren wir die grafische Gleichgewichtsbedingung, indem wir H gerade so w¨ ahlen, dass sich das Krafteck schließt (Abb. 2.13c). Auf das Kr¨ aftedreieck wenden wir den Kosinussatz an und erhalten analytisch f¨ ur den Betrag der Kraft  H = F12 + F22 − 2F1 F2 cos(α + β) . Man kann das Problem auch durch Anwendung der skalaren Gleichgewichtsbedingungen (2.11) rein analytisch l¨osen. Zu diesem Zweck w¨ ahlen wir ein Koordinatensystem x, y (Abb. 2.13b), ermitteln dann jeweils die Komponenten der Kr¨afte in den entsprechenden Richtungen und setzen diese in (2.11) ein:  F1 sin α + F2 sin β − H cos γ = 0 Fix = 0 : 



H cos γ = F1 sin α + F2 sin β ,

Fiy = 0 : − F1 cos α + F2 cos β − H sin γ = 0 →

H sin γ = −F1 cos α + F2 cos β .

Damit stehen zwei Gleichungen f¨ ur die zwei Unbekannten H und γ zur Verf¨ ugung. Zur Bestimmung von H quadrieren und addieren wir die beiden Gleichungen und erhalten so unter Anwendung des Additionstheorems cos(α + β) = cos α cos β − sin α sin β das Ergebnis

2.4

Beispiele ebener zentraler Kr¨aftegruppen

33

H 2 = F12 + F22 − 2 F1 F2 cos(α + β) . Es stimmt selbstverst¨ andlich mit dem grafoanalytisch gewonnenen Resultat u ¨berein. Beispiel 2.5 Eine Walze vom Gewicht G wird durch ein Seil auf einer glatten schiefen Ebene gehalten (Abb. 2.14a). F¨ ur gegebene Winkel α und β sollen die Seilkraft und die Kontaktkraft zwischen Ebene und Walze ermittelt werden. y

1111111 0000000 0000000 1111111 0000000 1111111 0000000 1111111 β

G

S x

α

a

α

N

β

G

α

π +β −α 2

G

N

b

c

π −β 2

S

Abb. 2.14

L¨ osung Da die Walze in Ruhe ist, m¨ ussen die an ihr angreifenden

Kr¨ afte der Gleichgewichtsbedingung (2.10) gen¨ ugen. Um wieder alle Kr¨ afte sichtbar zu machen, schneiden wir das Seil und trennen die Walze von der Unterlage. An den Trennstellen bringen wir die Seilkraft S und die Kontaktkraft an. Da die Fl¨ache glatt ist, besteht die Kontaktkraft nur aus der Normalkomponente N , die senkrecht auf der schiefen Ebene steht. Das Freik¨orperbild (Abb. 2.14b) zeigt, dass wir es mit einem zentralen ebenen Kraftsystem zu tun haben, bei dem nur die Betr¨ age von N und S unbekannt sind; das Gewicht G und die Richtungen von N und S sind bekannt. Wir l¨ osen die Aufgabe zuerst wieder grafoanalytisch, indem wir die Gleichgewichtsbedingung (geschlossenes Krafteck) skizzieren (Abb. 2.14c). Aus dem Kr¨ aftedreieck kann man dann mit dem Sinussatz ablesen S=G

sin α sin α =G , sin( π2 + β − α) cos(α − β)

B2.5

34

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

N =G

sin( π2 − β) cos β =G . π sin( 2 + β − α) cos(α − β)

Wollen wir rein analytisch mit den skalaren Gleichgewichtsbedingungen arbeiten, so w¨ ahlen wir ein Koordinatensystem x, y (Abb. 2.14b) und setzen die Kraftkomponenten in x- und in yRichtung in (2.11) ein:  S cos β − N sin α = 0 , Fix = 0 :  Fiy = 0 : S sin β + N cos α − G = 0 . Dies sind zwei Gleichungen f¨ ur die beiden Unbekannten N und S. Durch Eliminieren von N bzw. von S folgen unter Anwendung der Additionstheoreme wieder die obigen Ergebnisse. Wie man x und y w¨ ahlt, ist formal zwar gleichg¨ ultig, doch werden wir sp¨ater sehen, dass man sich durch geschickte Wahl der Richtungen h¨aufig Rechenarbeit ersparen kann.

B2.6

Beispiel 2.6 An zwei Seilen, die u uhrt ¨ber reibungsfreie Rollen gef¨

sind (Abb. 2.15a), h¨ angen K¨ orper mit den Gewichten G1 bis G3 . Welche Winkel α1 und α2 stellen sich ein?

1111111111111 0000000000000 0000000000000 1111111111111

y G2

G1 α1

A

α2

α2

α1 A

G1 a

G3

G2

x

G3 b

Abb. 2.15

L¨ osung Das Freik¨ orperbild (Abb. 2.15b) zeigt die auf den Punkt A wirkenden Kr¨ afte, wobei die zwei Richtungen α1 und α2 unbekannt sind. Wir w¨ ahlen x und y wie dargestellt und formulieren die  Gleichgewichtsbedingungen. Dabei schreiben wir f¨ ur Fix = 0  bzw. Fiy = 0 von nun an symbolisch kurz → : bzw. ↑ : (Summe aller Kraftkomponenten in Pfeilrichtung gleich Null):

2.4

Beispiele ebener zentraler Kr¨aftegruppen

→:

− G1 cos α1 + G2 cos α2 = 0 ,

↑:

G1 sin α1 + G2 sin α2 − G3 = 0 .

35

Wollen wir α1 bestimmen, so eliminieren wir α2 , indem wir zun¨achst die Gleichungen umschreiben: G1 cos α1 = G2 cos α2 ,

G1 sin α1 − G3 = − G2 sin α2 .

Quadrieren und Addieren liefert sin α1 =

G23 + G21 − G22 . 2 G1 G3

Analog erh¨ alt man sin α2 =

G23 + G22 − G21 . 2 G2 G3

Eine physikalisch sinnvolle L¨ osung (d.h. Gleichgewicht) existiert nur f¨ ur Winkel α1 , α2 im Bereich 0 < α1 , α2 < π/2. Daher m¨ ussen die Gewichte so vorgegeben sein, dass beide Z¨ ahler gr¨oßer als Null und kleiner als die Nenner sind. Zwei gelenkig miteinander verbundene St¨abe 1 und 2 sind in A und B an einer Wand befestigt und in C durch einen K¨ orper vom Gewicht G belastet (Abb. 2.16a). Wie groß sind die Stabkr¨ afte?

Beispiel 2.7

L¨ osung Wir betrachten das Gelenk C, das sich unter der Wir-

kung des Gewichtes G und der Stabkr¨ afte S1 und S2 im Gleichgewicht befindet. Bekannt sind dabei die Gr¨ oße und Richtung von G und die Wirkungslinien s1 , s2 der Stabkr¨afte S1 , S2 , die durch die Stabrichtungen α1 und α2 gegeben sind. Durch Zeichnen des Lageplans (Abb. 2.16b) und des geschlossenen Kr¨aftedreiecks (Abb. 2.16c) l¨ asst sich die Aufgabe grafisch l¨ osen, wenn die Winkel zahlenm¨ aßig bekannt sind. Arbeiten wir grafoanalytisch, so gen¨ ugen Skizzen, und wir erhalten durch Anwendung des Sinussatzes auf das Kr¨aftedreieck die Betr¨ age der Stabkr¨ afte

B2.7

36

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1

A g α1

1

s1 C

C

α2 2 B

S1

α1 G α2

G

S2

G

a

11 00 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11

s2

π−(α1 +α2 )

c

b

y S1

S1

S1

α1 C

C S2

S2

x S2

G

α2 G

e

d

Abb. 2.16

S1 = G

sin α2 , sin(α1 + α2 )

S2 = G

sin α1 . sin(α1 + α2 )

Der Richtungssinn der Kr¨ afte kann dem Krafteck entnommen werden, wobei zu beachten ist, dass es sich hierbei um die Kr¨afte handelt, die auf das Gelenk ausge¨ ubt werden. Die Kr¨afte, die vom Gelenk auf die St¨ abe ausge¨ ubt werden, haben nach dem Prinzip actio = reactio den gleichen Betrag, aber die entgegengesetzte Richtung (Abb. 2.16d). Stab 1 wird demnach auf Zug und Stab 2 auf Druck beansprucht. Wir k¨ onnen die Aufgabe auch mit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen (2.11) rein analytisch l¨ osen. Dazu schneiden wir das Gelenk C frei und skizzieren das Freik¨ orperbild (Abb. 2.16e). Da zwar die Richtungen der Stabkr¨ afte S1 und S2 festliegen, nicht aber ihre Richtungssinne, k¨ onnten wir letztere noch beliebig annehmen. Es hat sich jedoch als Konvention durchgesetzt, Stabkr¨ afte immer als Zugkr¨ afte positiv anzusetzen; ein negatives Vorzeichen im Ergebnis zeigt dann einen Druckstab an. Aus

2.5

Zentrale Kr¨aftegruppen im Raum

37

den Gleichgewichtsbedingungen in horizontaler bzw. vertikaler Richtung − S1 sin α1 − S2 sin α2 = 0 ,

→: ↑:

S1 cos α1 − S2 cos α2 − G = 0

folgt S1 = G

sin α2 , sin(α1 + α2 )

S2 = − G

sin α1 . sin(α1 + α2 )

Das Minuszeichen bei S2 deutet an, dass der Richtungssinn der Kraft entgegengesetzt zu dem angenommenen Richtungssinn ist; d.h. S2 ist nicht wie angenommen eine Zug-, sondern eine Druckkraft.

2.5

2.5 Zentrale Kr¨ aftegruppen im Raum Analog zur Darstellung einer Kraft in der Ebene durch zwei aufeinander senkrecht stehende Komponenten l¨ asst sich eine Kraft im Raum eindeutig durch drei aufeinander senkrecht stehende Komponenten ersetzen. Wie schon in Abschnitt 1.2 angedeutet, Fz γ z ez ex ey Abb. 2.17

α

β

F Fy

Fx y

x

k¨ onnen wir dann im kartesischen Koordinatensystem x, y, z nach Abb. 2.17 eine Kraft F darstellen durch F = F x + F y + F z = Fx ex + Fy ey + Fz ez .

(2.12)

38

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

F¨ ur den Betrag der Kraft und die Richtungskosinus liest man ab:  F = Fx2 + Fy2 + Fz2 , (2.13) Fx Fy Fz cos α = , cos β = , cos γ = . F F F Die Winkel α, β und γ sind nicht unabh¨ angig voneinander. Quadriert man die erste Gleichung aus (2.13) und setzt Fx , Fy und Fz nach der zweiten Zeile von (2.13) ein, so ergibt sich der Zusammenhang cos2 α + cos2 β + cos2 γ = 1 .

(2.14)

R Fi Fn

F2

z F1 y

x

Abb. 2.18

In Abschnitt 2.1 haben wir festgestellt, dass sich die Resultierende R zweier Kr¨ afte F 1 und F 2 aus der Parallelogrammkonstruktion ergibt. Sie entspricht der Vektoraddition R = F1 + F2 .

(2.15)

Betrachten wir eine r¨ aumliche zentrale Kr¨ aftegruppe aus n Kr¨aften (Abb. 2.18), so folgt demnach die Resultierende durch die aufeinander folgende Anwendung des Parallelogrammgesetzes im Raum, d.h. genau wie bei der ebenen Kr¨ aftegruppe als Vektorsumme aller n Kr¨ afte: R=



Fi .

(2.16)

2.5

Zentrale Kr¨aftegruppen im Raum

39

Stellen wir die Kr¨ afte F i entsprechend (2.12) durch ihre Komponenten F ix , F iy , F iz dar, so erhalten wir  (F ix + F iy + F iz ) R = Rx ex + Ry ey + Rz ez =  = (Fix ex + Fiy ey + Fiz ez )       = Fix ex + Fiy ey + Fiz ez . F¨ ur die Komponenten der Resultierenden im Raum gilt somit Rx =



Fix ,

Ry =



Fiy ,

Rz =



Fiz .

(2.17)

Ihren Betrag und ihre Richtung errechnen wir nach (2.13) aus R= cos αR =

 Rx2 + Ry2 + Rz2 , Rx , R

cos βR =

Ry , R

cos γR =

Rz . R

(2.18)

Analog zum ebenen Problem ist eine r¨ aumliche zentrale Kr¨aftegruppe im Gleichgewicht, wenn ihre Resultierende verschwindet: R=



Fi = 0.

(2.19)

Dieser Vektorbedingung sind im Raum die drei skalaren Gleichgewichtsbedingungen 

Fix = 0 ,



Fiy = 0 ,



Fiz = 0

(2.20)

aquivalent. Mit diesen drei Gleichungen ist die Bestimmung von ¨ drei Unbekannten m¨ oglich. Beispiel 2.8 Eine Aufh¨ angung in einer r¨ aumlichen Ecke besteht

aus dem schr¨ agen Seil 3 und den zwei horizontalen St¨aben 1 und 2 (Abb. 2.19a).

B2.8

40

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

Wie groß sind die Seil- und die Stabkr¨ afte, wenn im Gelenk A eine Kiste mit dem Gewicht G angebracht wird? B

B c

3

S3 γ z

c

b 1

a

a

β

A

2 b

y G

a

S2

b

α A

x S1

G Abb. 2.19

L¨ osung Wir betrachten die auf das Gelenk A wirkenden Kr¨ afte.

Dazu schneiden wir das Seil und die St¨ abe und setzen die Seilund die Stabkr¨ afte als Zugkr¨ afte an (Abb. 2.19b). F¨ uhren wir die Winkel α, β und γ ein, so lauten die Gleichgewichtsbedingungen:  Fix = 0 : S1 + S3 cos α = 0 ,  (a) Fiy = 0 : S2 + S3 cos β = 0 ,  Fiz = 0 : S3 cos γ − G = 0 . F¨ ur die Winkel liest man aus Abb. 2.19b mit der Raumdiagonalen √ AB = a2 + b2 + c2 ab: a , a2 + b2 + c2 c cos γ = √ . 2 a + b2 + c2

cos α = √

Damit folgen



b cos β = √ , a2 + b2 + c2

a2 + b2 + c2 , c a cos α = −G , S1 = − S3 cos α = − G cos γ c G =G S3 = cos γ

2.5

S2 = − S3 cos β = − G

Zentrale Kr¨aftegruppen im Raum

41

b cos β = −G . cos γ c

Was anschaulich klar ist, liefert auch die Rechnung: die St¨abe werden auf Druck, das Seil wird auf Zug beansprucht. Da bei dieser Aufgabe die Geometrie sehr u ¨bersichtlich ist, haben wir die L¨ osung ohne Anwendung des Vektorformalismus durchgef¨ uhrt. Bei Problemen mit komplizierter Geometrie empfiehlt es sich allerdings, alle Kraftvektoren explizit anzuschreiben. Diesen (mehr formalen und damit sicheren) L¨ osungsweg wollen wir nun noch skizzieren. Die Kraftvektoren (Darstellung als Spaltenvektoren siehe Anhang A.1) ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 1 0 0 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ S 1 = S1 ⎝ 0 ⎠ , S 2 = S2 ⎝ 1 ⎠ , G = G ⎝ 0 ⎠ 0

−1

0

k¨ onnen sofort angeschrieben werden. Um den Vektor S 3 darzustellen, geben wir zun¨ achst den Vektor r AB von A nach B an: ⎛ ⎞ a ⎜ ⎟ r AB = ⎝ b ⎠ . c Wenn wir ihn durch seinen Betrag rAB = erhalten wir den Einheitsvektor ⎛ ⎞ a 1 ⎜ ⎟ eAB = √ ⎝b⎠ a2 + b2 + c2 c



a2 + b2 + c2 teilen,

in Richtung von A nach B. Der Kraftvektor S 3 hat die gleiche Richtung und ergibt sich daher zu ⎛ ⎞ a S3 ⎜ ⎟ S 3 = S3 eAB = √ ⎝b⎠ . a2 + b2 + c2 c

42

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

 Die Gleichgewichtsbedingung F i = 0, d.h. S 1 +S 2 +S 3 +G = 0 lautet somit ausgeschrieben ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 1 0 a 0 0 S3 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ S1 ⎝ 0 ⎠ + S 2 ⎝ 1 ⎠ + √ + G⎝ 0 ⎠ = ⎝0⎠. ⎝ ⎠ b a2 + b2 + c2 0 0 c −1 0 Sie wird nun komponentenweise ausgewertet:  aS3 S1 + √ = 0, Fix = 0 : 2 a + b2 + c2  bS3 Fiy = 0 : S2 + √ = 0, 2 a + b2 + c2  cS3 = 0. Fiz = 0 : − G + √ 2 a + b2 + c2 Diese Gleichungen stimmen mit den Gleichungen (a) u ¨berein. Es sei darauf hingewiesen, dass die Gr¨ oßen Sj die positiv angesetzten Stabkr¨ afte bzw. die Seilkraft sind und nicht die Betr¨age der Vektoren S j . Die Rechnung liefert ja S1 < 0 und S2 < 0 (Druckst¨ abe), w¨ ahrend Betr¨ age immer positiv sind.

B2.9

Beispiel 2.9 Ein vertikaler Mast M wird durch Seile abgespannt

(Abb. 2.20a). Wie groß sind die Kr¨ afte in den Seilen 1 und 2 sowie im Mast, wenn am Seil 3 mit der Kraft F gezogen wird? L¨ osung Wir schneiden den Punkt C (Mastspitze) heraus und betrachten die auf ihn wirkenden Kr¨ afte (Abb. 2.20b), wobei wir die Seilkr¨ afte S1 , S2 und die Kraft SM im Mast als Zugkr¨afte ansetzen. Wegen der Symmetrie bez¨ uglich der y, z-Ebene m¨ ussen die beiden Kr¨ afte S1 und S2 gleich groß sein: S1 = S2 = S (dies kann man auch durch die Gleichgewichtsbedingung in x-Richtung best¨ atigen). Wir k¨ onnen S1 und S2 zu einer resultierenden Kraft

S ∗ = 2 S cos α zusammenfassen (Abb. 2.20c), die wie SM und F in der y, z-Ebene

2.5

Zentrale Kr¨aftegruppen im Raum

C

C 3

1 α A β

γ

2

α S2 = S

α S1 = S

F

M

α

43

D

S∗ A

a

B

c

C S1 αα

A

β

B C

F

S∗

SM S2 z

γ

x

B

F

SM z

D

y x

b

γ

β

y

d

Abb. 2.20

liegt (Abb. 2.20d). Die Gleichgewichtsbedingungen  − S ∗ cos β + F cos γ = 0 , Fiy = 0 :  Fiz = 0 : − S ∗ sin β − SM − F sin γ = 0 liefern nach Einsetzen von S ∗ S=F

cos γ , 2 cos α cos β

SM = − F

sin(β + γ) . cos β

Wie zu erwarten war, herrscht in den Seilen Zug (S > 0), im Mast Druck (SM < 0). Als einfache Kontrolle setzen wir γ = π/2: die Kraft F wirkt in diesem Grenzfall in Mastrichtung. Mit cos(π/2) = 0 und sin(β + π/2) = cos β folgen hierf¨ ur S = 0 und SM = − F .

44

2.6

2 Kr¨afte mit gemeinsamem Angriffspunkt

2.6 Zusammenfassung • Bei einer zentralen Kr¨ aftegruppe an einem starren K¨orper schneiden sich die Wirkungslinien aller Kr¨afte in einem Punkt. • Die Resultierende einer zentralen Kr¨ aftegruppe ist gegeben  durch R = F i bzw. durch ihre Komponenten    Fix , Ry = Fiy , Rz = Fiz . Rx = Beim ebenen Problem entf¨ allt die z-Komponente. Beachte: das Koordinatensystem kann beliebig (sollte aber zweckm¨aßig) gew¨ ahlt werden. • Die Gleichgewichtsbedingung f¨ ur eine zentrale Kr¨aftegruppe  lautet F i = 0 bzw. in Komponenten    Fiy = 0 , Fiz = 0 . Fix = 0 , Beim ebenen Problem entf¨ allt die z-Komponente. • F¨ ur die L¨ osung von Gleichgewichtsaufgaben sind in der Regel folgende Schritte erforderlich:  Freischneiden des K¨ orpers (Punktes).  Richtige und saubere Skizze des Freik¨orperbildes; alle eingepr¨ agten Kr¨ afte sowie Reaktions- und Schnittkr¨afte einzeichnen. Konvention: Stabkr¨ afte immer als Zugkr¨afte ansetzen.  Wahl eines Koordinatensystems.  Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen. Im ebenen Fall sind dies 2 Gleichungen, im r¨ aumlichen Fall 3 Gleichungen.  Aufl¨ osen der Gleichungen nach den Unbekannten. • Ber¨ uhren sich zwei K¨ orper, dann u uhrungspunkt ¨ben sie im Ber¨ eine Kontaktkraft aufeinander aus. Bei ideal glatten K¨orpern ist diese normal zur Ber¨ uhrungsebene gerichtet.

Kapitel 3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

3

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene ................... Kr¨aftepaar und Moment des Kr¨aftepaares ................ Moment einer Kraft............................................ Die Resultierende ebener Kraftsysteme .................... Gleichgewichtsbedingungen ................................... Grafische Zusammensetzung von Kr¨aften: das Seileck . Allgemeine Kr¨aftegruppen im Raum........................ Der Momentenvektor .......................................... Gleichgewichtsbedingungen ................................... Dyname, Kraftschraube ....................................... Zusammenfassung ..............................................

47 47 52 54 56 65 70 70 76 82 88

Lernziele: Wir wollen uns nun allgemeinen Kr¨aftegruppen zuwenden, d.h. Kr¨ aften, deren Wirkungslinien sich nicht in einem Punkt schneiden. Zu ihrer Analyse werden wir den Begriff des Moments einf¨ uhren. Die Studierenden sollen lernen, wie man ein ebenes oder r¨ aumliches Kr¨ aftesystem reduziert und unter welchen Umst¨ anden Gleichgewicht herrscht. Sie sollen in die Lage versetzt werden, mit Hilfe von Schnittprinzip, Freik¨orperbild und sachgerechter Anwendung der Gleichgewichtsbedingungen zweibzw. dreidimensionale Probleme zu l¨ osen.

3.1

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

47

3.1

3.1 Allgemeine Kr¨ aftegruppen in der Ebene 3.1.1 Kr¨ aftepaar und Moment des Kr¨ aftepaares

Nach Abschnitt 2.1 k¨ onnen wir zentrale Kr¨ aftegruppen, d.h. sowohl mehrere Kr¨ afte auf einer Wirkungslinie als auch nichtparallele Kr¨ afte durch einen Punkt zu einer Resultierenden zusammenfassen. R

R2

R1 l

K R1

F1

a1

F2 h

Abb. 3.1

−K a2 R2

Wie zwei parallele Kr¨ afte F 1 und F 2 durch eine Resultierende R ersetzt werden, sei im folgenden beschrieben. Wir f¨ ugen zun¨ achst zu den gegebenen Kr¨ aften F 1 und F 2 die Gleichgewichtsgruppe K und −K hinzu, die ja keine Wirkung auf den starren K¨ orper aus¨ ubt (Abb. 3.1). Damit k¨ onnen dann in bekannter Weise die beiden Teilresultierenden R1 = F 1 + K und R2 = F 2 + (−K) und daraus nach einer Verschiebung entlang ihrer Wirkungslinien in deren Schnittpunkt wiederum die Resultierende R = R1 + R2 = F 1 + F 2

(3.1)

gebildet werden. Der Betrag R der Resultierenden sowie die Lage ihrer Wirkungslinie fallen bei der grafischen Konstruktion gleichzeitig an. Aus Abb. 3.1 kann man ablesen: R = F1 + F2 , h = a1 + a2 ,

K a1 = , l F1

K a2 = . l F2

(3.2)

Bei parallelen Kr¨ aften ergibt sich R demnach als algebraische

48

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

Summe der Kr¨ afte. Aus (3.2) folgen daneben das Hebelgesetz von Archimedes a1 F1 = a2 F2

(3.3)

und die Abst¨ ande a1 =

F2 F2 h, h= F1 + F2 R

a2 =

F1 F1 h. h= F1 + F2 R

(3.4)

Wir erkennen, dass auf diese Weise immer die Gr¨oße und die Lage der Resultierenden ermittelt werden k¨ onnen, sofern nicht der Nenner in (3.4) verschwindet. Letzterer Fall tritt ein, wenn ein so genanntes Kr¨ aftepaar vorliegt; er sei im folgenden betrachtet. Unter einem Kr¨ aftepaar versteht man zwei gleich große, entgegengesetzt wirkende Kr¨ afte auf parallelen Wirkungslinien (Abb. 3.2). Hier versagt die zuvor beschriebene Vorgehensweise. Mit alt man aus (3.2) und (3.4) R = 0 und a1 , a2 → ±∞. F2 = −F1 erh¨ Ein Kr¨ aftepaar kann demnach nicht auf eine resultierende Einzelkraft reduziert werden.

F

h

−F

Abb. 3.2

Obwohl die resultierende Kraft eines Kr¨ aftepaares Null ist, hat das Kr¨ aftepaar doch eine physikalische Wirkung: es versucht einen K¨ orper zu drehen. In Abb. 3.3 sind einige Beispiele dargestellt, in denen Kr¨ aftepaare auftreten: a) ein Ventilrad, das gedreht werden soll, b) ein Schraubenzieher, der mit etwas Spiel auf den Schlitz einer Schraube wirkt und c) ein Balken, der in einer Wand eingespannt“ gelagert ist und dessen Ende verdreht wird. Wir ” erkennen, dass ein Kr¨ aftepaar einen bestimmten Drehsinn, entweder links- oder rechtsherum hat. Genau wie die Einzelkraft ist

3.1

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

49

auch das Kr¨ aftepaar eine Idealisierung, durch welche die Wirkung der stets fl¨ achenf¨ ormig verteilten Kr¨ afte ersetzt wird.

111 000 000 111 000 111 000 111 h F

F

F

F

F h

h a

h b

1111 0000 0000 1111 0000 1111 0000 1111

F

F

F

F

F

h

c

Abb. 3.3

Betrachten wir nun die Bestimmungsgr¨ oßen und die Eigenschaften des Kr¨ aftepaares. Die Wirkung eines Kr¨ aftepaares wird eindeutig bestimmt durch sein Moment. Dieses ist gegeben durch den Betrag M , der gebildet wird aus senkrechtem Abstand h mal Kraftbetrag F , M = hF ,

(3.5)

sowie durch den Drehsinn, den wir symbolisch durch einen gebogenen Pfeil ( oder ) angeben. Die beiden Gr¨oßen, Betrag M und Drehsinn , deuten hier schon an, dass das Moment im Raum den Charakter eines Vektors hat. Das Moment hat die Dimension L¨ ange mal Kraft [l F ] und wird in Vielfachen der Einheit Nm angegeben (um eine Verwechslung mit der Einheit mN =  Milli-Newton zu vermeiden, wird dabei die Reihenfolge der Einheiten von L¨ange und Kraft vertauscht: Nm =  Newton-Meter). Wie aus Abb. 3.4 zu entnehmen ist, gibt es beliebig viele ¨aquivalente Darstellungen f¨ ur ein Kr¨ aftepaar. Das Kr¨aftepaar F mit dem Abstand h kann durch Hinzuf¨ ugen der Gleichgewichtsgrup-

50

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

pe K durch ein Kr¨ aftepaar F  mit dem Abstand h gleichwertig ersetzt werden. Dabei bleibt das Moment, d.h. der Drehsinn und der Betrag des Momentes   F M = h F  = (h sin α) = hF sin α unver¨ andert. Wie aus der Abbildung gleichfalls hervorgeht, kann durch geeignetes Aneinanderreihen solcher Konstruktionen ein Kr¨ aftepaar beliebig in der Ebene verschoben werden, ohne dass sich das Moment ¨ andert. Das Kr¨ aftepaar ist also im Gegensatz zur Kraft nicht an eine Wirkungslinie gebunden: es kann ohne ¨ Anderung der Wirkung an beliebigen Stellen eines starren K¨orpers angreifen. F

K

F  K

F 



F h

α

K F

h h

F



F

F 



F 

F K

Abb. 3.4

Wegen der eindeutigen Beschreibung eines Kr¨aftepaares durch sein Moment werden wir sp¨ ater das Kr¨ aftepaar meist durch den Begriff des Momentes ersetzen und auf das Zeichnen eines der beliebig vielen ¨ aquivalenten Kr¨ aftepaare verzichten. In Analogie zur Darstellung einer Kraft durch das Symbol  F (Pfeil mit Kraftbetrag) verwenden wir dann das Symbol  M (Abb. 3.5); in ihm sind der Drehsinn (gebogener Pfeil) und der Betrag M des Momentes zusammengefasst.

F F

h

=

M = hF

=

M = hF

Abb. 3.5

3.1

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

51

Genau wie es zu jeder Kraft eine gleichgroße Gegenkraft gibt (actio = reactio), so gibt es zu jedem Kr¨ aftepaar ein gleichgroßes Kr¨ aftepaar mit entgegengesetztem Drehsinn bzw. zu jedem Moment ein gleichgroßes Gegenmoment. So wirkt zum Beispiel der Schraubenzieher nach Abb. 3.3b mit dem Moment M = h F rechtsdrehend auf die Schraube. Umgekehrt wirkt die Schraube mit dem betragsm¨ aßig gleichen Moment linksdrehend auf den Schraubenzieher. Greifen an einem starren K¨ orper mehrere Kr¨aftepaare an, so kann man sie durch geeignetes Verschieben und Verdrehen zu einem resultierenden Kr¨ aftepaar mit dem Moment MR zusammenfassen (Abb. 3.6). Ihre Momente werden dabei unter Beachtung des Drehsinns algebraisch addiert: MR =



Mi .

(3.6)

F1

h1

F1

h2

h1

F2 F2

=

h2 F h1 2

=

M1= h1 F1 M2= h2 F2

=

F1

F1

h2 F h1 2

=

MR = M1 +M2

Abb. 3.6

Ist die Summe der Momente Null, so verschwindet das resultierende Kr¨ aftepaar und damit die Drehwirkung auf den K¨orper. Die Gleichgewichtsbedingung f¨ ur eine Gruppe von Kr¨aftepaaren lautet somit MR =



Mi = 0 .

(3.7)

52

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

3.1.2 Moment einer Kraft

¨ Eine Kraft kann ohne Anderung ihrer Wirkung nur entlang ihrer Wirkungslinie verschoben werden. Mit Hilfe des Begriffs des Kr¨ aftepaares wollen wir uns nun dem Problem der Parallelverschiebung einer Kraft zuwenden. Hierzu betrachten wir in Abb. 3.7 eine Kraft F , die um den Abstand h in eine zu f parallele Wirkungslinie f  durch den Punkt 0 verschoben werden soll. Lassen afte vom Betrag F wirken, so wir entlang f  zwei Gleichgewichtskr¨ bildet eine dieser Kr¨ afte mit der urspr¨ unglichen Kraft F im Abstand h ein Kr¨ aftepaar, dessen Wirkung durch das Moment vom Betrag M (0) = h F und den entsprechenden Drehsinn beschrieben wird. Einer Kraft F im senkrechten Abstand h von 0 sind also eine Kraft F durch 0 und ein Moment der Gr¨ oße M (0) = h F gleich(0) wertig. Die Gr¨ oße M = hF bezeichnet man als das Moment der Kraft F bez¨ uglich des Punktes 0; der hochgestellte Index bei M kennzeichnet dabei den Bezugspunkt. Den senkrechten Abstand zwischen 0 und der Kraft F nennt man den Hebelarm der Kraft bez¨ uglich 0. Der Drehsinn des Momentes ist durch den Drehsinn der Kraft F um den Punkt 0 festgelegt.

0 f

h

F

F

F

=



f

0

h

F

f

F

=

0

f f



M (0)= hF

f Abb. 3.7

W¨ ahrend das Moment eines Kr¨ aftepaares nicht von einem Bezugspunkt abh¨ angt, sind der Betrag und der Drehsinn des Momentes einer Kraft von der Wahl des Bezugspunktes abh¨angig. Dieser Unterschied muss immer beachtet werden. Es ist oft zweckm¨ aßig, eine Kraft F durch ihre kartesischen Komponenten F x = Fx ex und F y = Fy ey zu ersetzen (Abb. 3.8). Vereinbaren wir, dass ein Moment positiv ist, wenn es gegen den Uhrzeigersinn dreht (), so ist das Moment von F bez¨ uglich 0 durch M (0) = h F gegeben. Wegen h = x sin α − y cos α

3.1

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

53

y

y

F

Fy h

y

F 1y

α Fx

F 2y

α y cos α x α x sin α

0

F1

F2

x

x

R

y F 1x

F 2x

0 Abb. 3.8

x

Abb. 3.9

und sin α = Fy /F , folgt M (0) = hF =

cos α = Fx /F

 x

Fx Fy −y F F

 F = x Fy − y Fx .

(3.8)

Man kann das Moment also auch aus der Summe der Momente der Kraftkomponenten bez¨ uglich 0 bestimmen, wobei der Drehsinn der Komponenten zu beachten ist. Wir bestimmen nun das Moment der Resultierenden R der zwei nichtorthogonalen Kr¨ afte F1 und F2 (Abb. 3.9). Hier werden die uglich 0 Momente von F1 und F2 bez¨ (0)

M1

= x F1y − y F1x ,

(0)

M2

= x F2y − y F2x ,

und f¨ ur die Summe erh¨ alt man (0)

(0)

M1 +M2

(0)

= x (F1y +F2y )−y (F1x +F2x ) = x Ry −y Rx = MR .

Es spielt demnach keine Rolle, ob man Kr¨ afte erst addiert und dann das Moment bildet, oder ob man die Summe der Einzelmomente bildet. Dies gilt auch f¨ ur beliebig viele Kr¨ afte. Wir k¨onnen diesen Sachverhalt folgendermaßen aussprechen: Die Summe der Momente von Einzelkr¨ aften ist gleich dem Moment der Resultierenden.

54

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

3.1.3 Die Resultierende ebener Kraftsysteme

Wir betrachten nun einen starren K¨ orper, der unter der Wirkung einer allgemeinen ebenen Kr¨ aftegruppe steht (Abb. 3.10) und fragen danach, wie das System reduzierbar ist. Um die Frage zu beantworten, w¨ ahlen wir einen beliebigen Bezugspunkt A und verschieben die Kr¨ afte parallel zu sich selbst, bis ihre Wirkungslinien durch den Punkt A gehen. Damit dabei die Wirkung nicht ge¨ andert wird, m¨ ussen die entsprechenden Momente der Kr¨afte bez¨ uglich A hinzugef¨ ugt werden. Auf diese Weise k¨onnen wir das Kraftsystem reduzieren auf eine zentrale Kr¨aftegruppe und auf eine Gruppe von Momenten, die wir ihrerseits durch eine Resultierende R mit den Komponenten Rx , Ry und durch ein resultie(A) onnen. Nach (2.7) und (3.6) sind rendes Moment MR ersetzen k¨ diese gegeben durch Rx =



Fix ,

Ry =



(A)

Fiy ,

MR

=



(A)

Mi

.

(3.9)

Betrag und Richtung der Resultierenden errechnen sich aus  Ry R = Rx2 + Ry2 , tan α = . (3.10) Rx

Fi

F1

F1

Fi A

(A)

=

M1

(A)

Mi (A)

M2

F2

F2

=

= R (A)

MR

A

=

R

A h

y α x

Abb. 3.10

3.1

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

55

Die Belastung durch R (mit Wirkungslinie durch A) und durch (A) asst sich noch durch die Wirkung der Resultierenden R MR l¨ alleine ersetzen, deren Wirkungslinie dann jedoch parallel verschoben werden muss. Der senkrechte Abstand h ist dabei so zu (A) (A) w¨ ahlen, dass das Moment MR gerade hR ist: hR = MR . Daraus folgt (A)

h=

MR R

.

(3.11) (A)

F¨ ur den Fall MR = 0 und R = 0 wird h = 0, d.h. die Wirkungsli(A) nie von R geht dann durch den Punkt A. F¨ ur R = 0 und MR = 0 ist keine weitere Reduktion m¨ oglich: das Kraftsystem wird jetzt alleine auf ein Moment (d.h. auf ein Kr¨ aftepaar) reduziert, das von der Wahl des Bezugspunktes unabh¨ angig ist. Mit Hilfe der Gleichungen (3.9) bis (3.11) kann man den Betrag und die Richtung der Resultierenden sowie die Lage ihrer Wirkungslinie analytisch ermitteln. Wie man die Reduktion grafisch durchf¨ uhren kann, wird in Abschnitt 3.1.5 gezeigt. Beispiel 3.1 Eine gleichseitige Sechseckscheibe ist durch vier Kr¨ afte

mit den Betr¨ agen F bzw. 2 F belastet (Abb. 3.11a). Es sind die Gr¨ oße und die Lage der Resultierenden zu ermitteln. F

F

y 2F

2F

a 2F

a

α

60◦ 0

x h

2F R

a

F

b

F

Abb. 3.11

L¨ osung Wir w¨ ahlen ein Koordinatensystem x, y und seinen Ur-

sprung 0 als Bezugspunkt (Abb. 3.11b). Momente sollen positiv gez¨ ahlt werden, wenn sie linksherum drehen (). Dann werden

B3.1

56

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

nach (3.9) Rx = Ry = (0)

MR =

 



Fix = 2 F cos 60◦ + F cos 60◦ + F cos 60◦ − 2 F cos 60◦ = F , Fiy = − 2 F sin 60◦ + F sin 60◦ + F sin 60◦ + 2 F sin 60◦ = (0)

Mi



3F ,

= 2aF + aF + 2aF − aF = 4aF .

Daraus erh¨ alt man  R = Rx2 + Ry2 = 2 F ,

tan α =

√ Ry = 3 Rx



α = 60◦ .

Der Hebelarm der Resultierenden in Bezug auf 0 ergibt sich zu (0)

h=

MR 4aF = = 2a. R 2F

3.1.4 Gleichgewichtsbedingungen

Wie wir in Abschnitt 3.1.3 gesehen haben, kann jede ebene Kr¨aftegruppe auf eine zentrale Kr¨ aftegruppe und eine Gruppe von Momenten um einen beliebigen Bezugspunkt A reduziert werden (dabei setzen sich die Momente aus den Momenten der Einzelkr¨afte und aus den Momenten eventuell vorhandener Kr¨aftepaare zusammen). Auf jede dieser Gruppen kann man die entsprechenden Gleichgewichtsbedingungen (2.11) und (3.7) anwenden. Ein starrer K¨ orper unter der Wirkung einer ebenen Kr¨aftegruppe ist demnach im Gleichgewicht, wenn gilt: 

Fix = 0 ,



Fiy = 0 ,



(A)

Mi

= 0.

(3.12)

Der Anzahl der Gleichgewichtsbedingungen (drei) entspricht die Anzahl der Bewegungsm¨ oglichkeiten (drei) oder Freiheitsgrade eines K¨ orpers in der Ebene: je eine Translation in x- und y-Richtung und eine Drehung um eine Achse senkrecht zur x, y-Ebene.

3.1

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

y

Fi

Fiy

F2

57

Fix

C A F1 Abb. 3.12

yC xC

B

yi

yA

xi

xA

x

Wir untersuchen nun, ob die Wahl des Bezugspunktes in der Momentengleichgewichtsbedingung tats¨ achlich beliebig ist. Hierzu bilden wir mit den Bezeichnungen nach Abb. 3.12 die Momentensumme bez¨ uglich des Punktes A:  (A)  {(xi − xA )Fiy − (yi − yA )Fix } Mi =    = (xi Fiy − yi Fix ) − xA Fiy + yA Fix (3.13)    (B) Fiy + yA Fix . = Mi − xA Sind die Gleichgewichtsbedingungen (3.12) erf¨ ullt, so folgt da (B)  raus sofort Mi = 0. Umgekehrt ergibt sich aus Fix = 0,   (B)  (A) Fiy = 0, Mi = 0 auch Mi = 0. Die Wahl des Bezugspunktes spielt also tats¨ achlich keine Rolle; er kann auch außerhalb des K¨ orpers liegen. An Stelle von zwei Kraft- und einer Momentengleichgewichtsbedingung kann man auch mit einer Kraft- und zwei Momentenbedingungen arbeiten. Durch Einsetzen in (3.13) kann man sich davon u ¨berzeugen, dass die Bedingungen 

Fix = 0 ,



(A)

Mi

= 0,



(B)

Mi

=0

(3.14)

 auch Fiy = 0 zur Folge haben, sofern nur xA = 0 ist. Damit die Gleichgewichtsbedingungen (3.14) den Gleichgewichtsbedingungen (3.12) gleichwertig sind, d¨ urfen also nicht beide Bezugspunkte A und B auf einer Geraden liegen (hier die y-Achse), die senkrecht zu der Richtung ist, in der Kr¨ aftegleichgewicht gebildet

58

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

wird (hier die x-Richtung). Analog f¨ uhren die Bedingungen 

Fiy = 0 ,



(A)

Mi

= 0,



(B)

Mi

=0

(3.15)

 auch auf Fix = 0, sofern yA = 0 ist. Auch die Anwendung der Momentengleichgewichtsbedingung auf drei verschiedene Punkte A, B und C 

(A)

Mi

= 0,



(B)

Mi

= 0,



(C)

Mi

=0

(3.16)

ist ¨ aquivalent zu (3.12), wenn die Punkte A, B, C nicht auf einer Geraden liegen. Um diese Aussage zu beweisen, verwenden wir (3.13) und die entsprechende Beziehung f¨ ur einen beliebigen Punkt C:    (A)  (B) Mi − xA Fiy + yA Fix , Mi = (3.17)  (C)  (B)   Mi − xC Mi = Fiy + yC Fix . Einsetzen von (3.16) liefert   −xA Fiy + yA Fix = 0 ,

  −xC Fiy + yC Fix = 0 ,   woraus man durch Eliminieren von Fiy bzw. von Fix die Beziehungen     y x Fix = 0 , Fiy = 0 −xC + A yC −xC A + yC xA yA   erh¨ alt. Daraus folgen Fix = 0 und Fiy = 0, wenn die Klammern von Null verschieden sind, wenn also yA /xA = yC /xC ist. Die Punkte A und C d¨ urfen also tats¨ achlich nicht auf derselben Geraden durch den Ursprung B liegen. Ob man bei der L¨ osung von Aufgaben die Gleichgewichtsbedingungen in der Form (3.12) oder (3.14) oder (3.16) anwendet, ist zwar im Prinzip gleichg¨ ultig, doch kann es je nach Aufgabenstellung zweckm¨ aßig sein, die eine oder die andere Form zu bevorzugen.

3.1

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

59

Bei der Anwendung einer Momentengleichgewichtsbedingung  (A) (z.B. Mi = 0) ist es erforderlich, sowohl einen Bezugspunkt anzugeben, als auch einen positiven Drehsinn (z.B. linksherum po¨ sitiv) zu w¨ ahlen. Ahnlich wie beim Kr¨ aftegleichgewicht schreiben  wir daf¨ ur symbolisch kurz A : (Summe aller Momente um den Bezugspunkt A gleich Null; Momente in Pfeilrichtung werden positiv gez¨ ahlt). R A F

A

A a

b

R

c

A

−F d

Abb. 3.13

Kehren wir nun nochmals zu allgemeinen ebenen Kr¨aftegruppen zur¨ uck. Aus (3.12) und den Ergebnissen aus Abschnitt 3.1.3 ergibt sich zusammenfassend, dass ebene Kr¨ aftegruppen stets auf einen der vier nachfolgenden F¨ alle reduziert werden k¨onnen: 1. Resultierende nicht durch Bezugspunkt A (Abb. 3.13a): R = 0 ,

M (A) = 0 .

2. Resultierende durch Bezugspunkt A (Abb. 3.13b): R = 0 ,

M (A) = 0 .

3. Kr¨ aftepaar (unabh¨ angig vom Bezugspunkt) (Abb. 3.13c): R = 0,

M (A) = M = 0 .

4. Gleichgewicht (Abb. 3.13d): R = 0,

M (A) = 0 .

Beispiel 3.2 Wo muss der gewichtslose Balken (Abb. 3.14a) durch

ein Lager unterst¨ utzt werden, damit er sich unter den Kr¨aften F1 und F2 im Gleichgewicht befindet? Wie groß ist die Kraft A, die vom Lager auf den Balken ausge¨ ubt wird (Lagerkraft)? L¨ osung Wir bezeichnen den Abstand des Lagers vom Punkt 0 mit

B3.2

60

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

F2

F1

F1

F2

0

A l a

a b

Abb. 3.14

a, befreien den K¨ orper vom Lager und bringen die Lagerkraft A an (Abb. 3.14b). Da F1 und F2 vertikal gerichtet sind (Horizontalkomponenten sind Null), muss auch A vertikal gerichtet sein. Dies folgt aus der Gleichgewichtsbedingung in horizontaler Richtung (Horizontalkomponente von A muss verschwinden!). Es ist meist zweckm¨ aßig, den Bezugspunkt f¨ ur eine Momentengleichgewichtsbedingung so zu w¨ ahlen, dass er auf der Wirkungslinie einer Kraft liegt. Da der Hebelarm dieser Kraft dann Null ist, taucht sie im Momentengleichgewicht nicht auf. Mit dem Bezugspunkt 0 lauten die Gleichgewichtsbedingungen (die Bedingung in horizontaler Richtung ist identisch erf¨ ullt, liefert also nichts):  ↑ : A − F1 − F 2 = 0 , 0 : a A − l F 2 = 0 . Daraus erh¨ alt man A = F1 + F 2 ,

a=

F2 l. F1 + F2

W¨ ahlen wir zur Probe den Bezugspunkt A, so lautet das Momentengleichgewicht  A : a F1 − (l − a) F2 = 0 , woraus dasselbe Ergebnis folgt. B3.3

Beispiel 3.3 Ein Seil, das u ¨ber eine reibungsfrei gelagerte Rolle

gef¨ uhrt wird, ist unter den Kr¨ aften S1 und S2 im Gleichgewicht (Abb. 3.15a). Wie groß sind bei gegebenem S1 die Seilkraft S2 und die Kraft, die im Lager 0 auf die Rolle wirkt? L¨ osung Die Antwort auf die erste Frage folgt unmittelbar aus dem

Momentengleichgewicht bez¨ uglich 0 (die Kraft, die im Lager 0 auf

3.1

α S1

Abb. 3.15

r

1111 0000 0000 1111

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

61

β S1

0

L

S2

a

LH

0

LV

S2

b

die Rolle wirkt, hat kein Moment bez¨ uglich 0):  0 : r S 1 − r S 2 = 0 → S2 = S1 . Dieses Ergebnis ist schon aus der Erfahrung bekannt (vgl. Abb. 2.11b). Zur Ermittlung der Lagerkraft schneiden wir die Rolle frei und f¨ uhren eine nach Gr¨ oße und Richtung unbekannte Lagerkraft L ein, die in ihre Horizontal- und Vertikalkomponenten zerlegt wird (Abb. 3.15b). Aus ↑:

LV − S1 sin α − S2 sin β = 0 ,

→:

LH − S1 cos α + S2 cos β = 0

erh¨ alt man mit S2 = S1 das Ergebnis LV = S1 (sin α + sin β) ,

LH = S1 (cos α − cos β) .

F¨ ur α = β werden LV = 2 S1 sin α, LH = 0, und im Spezialfall α = β = π/2 folgt LV = 2 S1 . Beispiel 3.4 Ein homogener Balken (L¨ ange 4 a, Gewicht G) wird im Punkt C von einem Seil gehalten und liegt in A und B an glatten vertikalen W¨ anden an (Abb. 3.16a). Wie groß sind die Seilkraft und die Kontaktkr¨ afte in A und B? L¨ osung Um das Freik¨ orperbild zu skizzieren, schneiden wir das Seil und trennen den Balken von den W¨ anden. An den Trennstellen f¨ uhren wir die Kontaktkr¨ afte A und B senkrecht zu den Ber¨ uhrungsebenen (glatte W¨ ande!) sowie die Seilkraft S ein (Abb. 3.16b). Das Gewicht G wird in der Balkenmitte (Schwerpunkt, vgl. Kapitel 4) angebracht. Die horizontalen und die vertikalen

B3.4

62

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1

11 00 00 11 00 11 00 11



30

C



2 2 a

B



3a



45◦ A a

30◦

2 2 3a 2a

S

2 2 a

G a

C A

b

a

B

a Abb. 3.16

¨ Kraftabst¨ ande ergeben sich aus einfachen geometrischen Uberlegungen. Mit dem Bezugspunkt C f¨ ur die Momente lauten die drei Gleichgewichtsbedingungen ↑: →:  C:

S cos 30◦ − G = 0 , A − B − S sin 30◦ = 0 , √ √ √ 2 2 2 aA − aG + 3aB = 0. 2 2 2

√ Die drei Kr¨ afte folgen daraus mit cos 30◦ = 3/2, sin 30◦ = 1/2 zu √ √ √ 1+ 3 3− 3 2 3 G, A = G, B = G. S= 3 4 12 B3.5

Beispiel 3.5 In einer glatten Kugelkalotte vom Radius r liegt ein

√ Balken der L¨ ange l = 2 r (Abb. 3.17a). In welchem Abstand x vom Punkt A muss ein Gewicht G angebracht werden, damit sich der Balken unter dem Winkel α = 15◦ im Gleichgewicht befindet? Wie groß sind dann die Kontaktkr¨afte in A und in B? Das Gewicht des Balkens darf im Vergleich zu G vernachl¨ assigt werden.

L¨ osung Das Freik¨ orperbild (Abb. 3.17b) zeigt die auf den Balken

wirkenden Kr¨ afte. Die Kontaktkr¨ afte A und B stehen senkrecht auf den jeweiligen Ber¨ uhrungsebenen (glatte Oberfl¨achen!), sind also auf den Kugelmittelpunkt 0 gerichtet. Wegen der gegebenen √ L¨ angen r und l = 2 r ist das Dreieck 0 A B gleichschenklig und

3.1

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

111111111111 000000000000 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111

0

r

r

r 45◦

B

45◦

x

B A

15◦

G



x

l

a

15◦

C

G

αA

63

30◦

2r

b

30◦

r

60◦

105◦

45◦

A

0

15◦

x G

B

B G

C

A c

d

30◦

Abb. 3.17

rechtwinklig. Mit dem Winkel α = 15◦ ergeben sich f¨ ur die Kr¨afte ◦ ◦ A und B Neigungswinkel von 60 bzw. von 30 zur Horizontalen. Damit lauten die drei Gleichgewichtsbedingungen (in der Momentengleichung zerlegen wir A und B zweckm¨ aßig in Komponenten senkrecht und parallel zum Balken): ↑: →:  C:

A sin 60◦ + B sin 30◦ − G = 0 , A cos 60◦ − B cos 30◦ = 0 , − x(A sin 45◦ ) + (l − x)(B sin 45◦ ) = 0 .

Aus ihnen k¨ onnen die drei Unbekannten A, B und x bestimmt werden. Aufl¨ osen der ersten beiden Gleichungen liefert mit sin 30◦ = √ ◦ ◦ ◦ cos 60 = 1/2, sin 60 = cos 30 = 3/2 die Kontaktkr¨afte √ 3 1 A= G, B = G. 2 2 Durch Einsetzen in√die Momentengleichgewichtsbedingung erh¨alt man mit sin 45◦ = 2/2 den Abstand x=l

l B =√ . A+B 3+1

64

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

Wir k¨ onnen die Aufgabe auch anders l¨osen. Die drei Kr¨afte A, B und G k¨ onnen nur dann im Gleichgewicht sein, wenn sie durch einen Punkt gehen (vgl. Abschnitt 3.1.5). Da A und B durch 0 hindurchgehen, muss demnach auch G durch 0 gehen (Abb. 3.17c). Anwendung des Sinussatzes auf das Dreieck 0 A C ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ ◦ liefert √ ) = sin 45 cos 60 +cos 45 sin 60 √ mit sin 105 √ = sin(45 +60 = ( 2/4)(1 + 3) und r = l/ 2 wieder den Abstand x=r

1/2 sin 30◦ l l √ . =√ √ = √ sin 105◦ 2 2 1+ 3 (1 + 3) 4

Die Kontaktkr¨ afte A und B ergeben sich aus dem geschlossenen Kr¨ aftedreieck (Abb. 3.17d) unmittelbar zu √ 3 G ◦ G , B = G sin 30◦ = . A = G cos 30 = 2 2

B3.6

Beispiel 3.6 Eine Walze (Radius r, Gewicht G) wird u ¨ber einen Hebel der L¨ ange l belastet, der auf einer Ecke der H¨ohe h aufliegt (Abb. 3.18a). Alle Ber¨ uhrungsfl¨ achen seien ideal glatt; das Eigengewicht des Hebels kann vernachl¨ assigt werden. Wie groß ist die Druckkraft zwischen der Walze und dem horizontalen Boden, wenn am Hebel die Kraft F wirkt und h = r ist? L¨ osung Wir zerlegen das System in die einzelnen starren K¨ orper

(Walze, Hebel) und f¨ uhren an den Ber¨ uhrungspunkten die Druckkr¨ afte A bis E senkrecht zur jeweiligen Ber¨ uhrungsebene ein (Abb. 3.18b). Dabei ist zu beachten, dass beim Angriffspunkt der Kraft E der Hebel und beim Angriffspunkt der Kraft D die horizontale Unterlage die jeweiligen Ber¨ uhrungsebenen sind. Dann lauten die Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur den Hebel √ √ 2 2 C− E = 0, →: 2 √ 2 √ 2 2 ↑: D− C+ E − F = 0, 2 2

3.1

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

F

111111 000000 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111

G

45◦

r

a

Abb. 3.18

 0 :

F

l

G



65

√ r− 22 r

C

A

h

0 b

B

C ◦

D

45

√  √ √ 2 2 C − 2hE + lF = 0 2r 1 − 2 2 

E √

2h



2 2 l

und f¨ ur die Walze (zentrale Kr¨ aftegruppe!) √ 2 →: A− C = 0, 2 √ 2 ↑: B+ C − G = 0. 2 Damit stehen f¨ unf Gleichungen f¨ ur die f¨ unf Unbekannten A bis E zur Verf¨ ugung. Aufl¨osen liefert mit h = r f¨ ur die Kontaktkraft B l F. B =G− 2r F¨ ur F = (2 r/l)G wird B = 0. F¨ ur gr¨ oßere Kr¨ afte F ist Gleichgewicht nicht mehr m¨oglich: die Walze wird dann angehoben. 3.1.5 Grafische Zusammensetzung von Kr¨ aften: das Seileck

Wie die Zusammensetzung von Kr¨ aften grafisch erfolgen kann, wurde bereits erl¨ autert. Liegen zum Beispiel zwei nichtparallele Kr¨ afte F 1 und F 2 vor (Abb. 3.19), so ergibt sich die Resultierende R durch Zeichnen des Kr¨ afteparallelogramms bzw. eines Kr¨ aftedreiecks. Man erkennt, dass Gleichgewicht nur dann erzeugt werden kann, wenn zus¨ atzlich zu F 1 und F 2 noch eine Haltekraft H = −R wirkt, deren Wirkungslinie mit der von R zusammenf¨ allt. Daraus schließen wir:

66

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

Drei nichtparallele Kr¨ afte k¨ onnen nur dann im Gleichgewicht sein, wenn ihre Wirkungslinien durch einen Punkt gehen.

H = −R

H = −R

F1

F2

R2

R1

R

R

K

−K F2

Abb. 3.19

F1 R1

R2

Abb. 3.20

F¨ ur zwei parallele Kr¨ afte F 1 und F 2 findet man die Resultierende R (bzw. die Kraft H, die F 1 und F 2 das Gleichgewicht h¨ alt) mit Hilfe der Gleichgewichtsgruppe K und −K durch die in Abb. 3.20 dargestellte Konstruktion. Sie f¨ uhrt, wie wir in Abschnitt 3.1.1 gesehen haben, immer zum Ziel, sofern kein Kr¨aftepaar vorliegt, das ja nicht weiter reduzierbar ist. Prinzipiell kann die eben geschilderte zeichnerische Zusammensetzung von zwei Kr¨ aften auf beliebig viele Kr¨afte u ¨bertragen werden: zwei Kr¨ afte werden zu einer Teilresultierenden zusammengefasst, diese wiederum mit der dritten Kraft zu einer neuen Teilresultierenden und so fort. Bei vielen Kr¨ aften wird dieses Verfahren jedoch sehr un¨ ubersichtlich und unbequem. Man bedient sich an Stelle dieses schrittweisen Vorgehens deshalb einer systematischen Konstruktion, die den Namen Seileck oder Seilpolygon tr¨agt. Die Vorgehensweise sei an Hand von vier Kr¨aften F 1 bis F 4 nach Abb. 3.21 dargestellt. Zun¨ achst zeichnen wir unter Angabe eines L¨ angenmaßstabes den Lageplan mit den Wirkungslinien afte F 1 , . . . , F 4 . Nach Wahl eines Kr¨aftemaßstaf1 , . . . , f4 der Kr¨ bes werden die Kr¨ afte im Kr¨ afteplan zusammengesetzt, woraus sich die Resultierende R nach Gr¨ oße und Richtung ergibt. Die Lage von R im Lageplan folgt aus der Seileckkonstruktion. Zu diesem Zweck w¨ ahlen wir im Kr¨ afteplan einen beliebigen Punkt Π, den man als Pol“ bezeichnet, und ziehen die Polstrahlen“ S1 ” ”

3.1

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

67

Systemskizze

F1

F2

F4

F3

f1 s1

s3

s2 s1

f4

f3

f2

r

Kräfteplan

F1

Lageplan

s5

s4 s5

S2

F2 F3

S1

S3 R F4

Π

S4 S5

Abb. 3.21

bis S5 (Verbindungslinien von Π zu den Anfangs- und den Endpunkten der Kr¨ afte). Parallel zu den Polstrahlen werden im Lageplan die Seilstrahlen“ s1 , . . . , s5 gezeichnet. Dazu bringen wir ” zun¨ achst s1 und s2 in einem beliebigen Punkt auf f1 zum Schnitt. Der Reihe nach legen wir dann durch den Schnittpunkt von s2 und f2 den Strahl s3 , durch den Schnittpunkt von s3 und f3 den Strahl s4 usw. Durch den Schnittpunkt des ersten und des letzten Seilstrahles s1 und s5 wird letztlich die Lage der Resultierenden R bzw. ihrer Wirkungslinie r festgelegt. Die Richtigkeit der Vorgehensweise ergibt sich aus folgenden ¨ Uberlegungen. Fassen wir im Krafteck die Polstrahlen als Kr¨afte S1 bis S5 auf (daher befinden sich in Abb. 3.21 ausnahmsweise Pfeile an den Polstrahlen), so k¨ onnen wir die Kraft F 1 zerlegen in −S 1 und S 2 , die Kraft F 2 zerlegen in −S 2 und S 3 usw. Die Wirkungslinien von S 1 , . . . , S 5 sind dann die Seilstrahlen s1 , . . . , s5 im Lageplan. Es gilt demnach F 1 = − S1 + S2 ,

F 2 = − S2 + S3 ,

F 3 = − S3 + S4 ,

F 4 = − S4 + S5 .

68

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

Da sich die Gleichgewichtspaare (S 2 , −S 2 ), (S 3 , −S 3 ), (S 4 , −S 4 ) gegenseitig aufheben, folgt f¨ ur die Resultierende  R= F i = − S1 + S5 . Den vier Kr¨ aften F 1 , . . . , F 4 sind also die zwei Kr¨afte −S 1 und aquivalent. Durch den Schnittpunkt ihrer Wirkungslinien s1 S5 ¨ und s5 muss die Wirkungslinie r der Resultierenden R gehen. Da die Wahl des Pols Π und des ersten Schnittpunktes im Seileck beliebig sind, gibt es f¨ ur jedes ebene Kraftsystem unendlich viele Seilecke, die jedoch alle zum gleichen Endresultat f¨ uhren. Der Name Seileck“ r¨ uhrt von der mechanischen Deutung, die man ” dem Linienzug s1 , . . . , s5 im Lageplan geben kann: ein Seil, das dem Linienzug folgt, ist unter der Wirkung der Kr¨afte F 1 , . . . , F 4 im Gleichgewicht. f2

s1

F1

f3

f1

s3

s2

f4

s5

S1 = S5

S2

F2

S3

s4

Π F4

F3

S4 Abb. 3.22

Bilden die Kr¨ afte F i eine Gleichgewichtsgruppe (R = 0, M = 0), so fallen sowohl erster und letzter Polstrahl als auch erster und letzter Seilstrahl zusammen (Abb. 3.22); Krafteck und Seileck sind dann geschlossen (vgl. auch Band 4, Abschnitt 3.3.2).

s4

h s1 f1

f3 s2

F1

s3 f2

F3

S1 = S4 Π

S2 F2

S3 Abb. 3.23

3.1

Allgemeine Kr¨aftegruppen in der Ebene

69

Sind die Kr¨ afte F i nur auf ein Kr¨ aftepaar reduzierbar, so ist das Krafteck zwar geschlossen (R = 0), der erste und der letzte Seilstrahl sind jedoch parallel und schneiden“ sich erst im Un” endlichen (Abb. 3.23). Das Seileck ist in diesem Fall offen. Das Moment das Kr¨ aftepaares wird M = h S1 . Beispiel 3.7 Auf eine starre Scheibe wirken die Kr¨ afte F1 = 2 F ,

F2 = F , F3 = 2 F , F4 = F , F5 = F (Abb. 3.24a). Es sind die Wirkungslinie sowie die Gr¨ oße und Richtung der Kraft H zu bestimmen, die den Kr¨ aften F1 bis F5 das Gleichgewicht h¨ alt. F

a F1

2’

45◦

F2

a

F3 45◦

a

f1 3’

f3

F4

f2

F5

4’

F3 5 4 6

1’

1

H F4 a

a

F5 a

5’ b

f4

h f5 6’

F2

3

Π

2

F1

α c

Abb. 3.24

L¨ osung Nach Wahl eines L¨ angenmaßstabes zeichnen wir zun¨achst den Lageplan, der die Geometrie der Scheibe und die Wirkungsliafte F1 , . . . , F5 enth¨ alt (Abb. 3.24b). Unter nien f1 , . . . , f5 der Kr¨ Verwendung eines geeigneten Kr¨ aftemaßstabes fertigen wir anschließend den Kr¨ afteplan, indem die Kr¨ afte F1 , . . . , F5 maßstabsgerecht der Reihe nach aneinander gef¨ ugt werden (Abb. 3.24c). Die Kraft H schließt das Krafteck (Gleichgewicht!); f¨ ur ihre Gr¨oße und ihre Richtung lesen wir im Rahmen der Zeichengenauigkeit ab:

H = 1, 3 F ,

α = 40◦ .

Die Seileckkonstruktion wird nach Wahl des Pols Π im Krafteck und eines Anfangspunktes auf der Wirkungslinie f1 im Lageplan – wie vorne beschrieben – durchgef¨ uhrt. Der Einfachheit halber bezeichnen wir die Pol- bzw. die Seilstrahlen nur noch mit 1, . . . , 6

B3.7

70

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

bzw. 1 , . . . , 6 . Die Wirkungslinie h der Kraft H geht durch den Schnittpunkt von 1 und 6 . Ihre Richtung ist durch den Winkel α festgelegt.

3.2

3.2 Allgemeine Kr¨ aftegruppen im Raum 3.2.1 Der Momentenvektor

Zur mathematischen Behandlung r¨ aumlicher Kr¨aftegruppen f¨ uhrt man zweckm¨ aßig neben dem Kraftvektor noch den Begriff des Momentenvektors ein. Hierzu betrachten wir zun¨achst in Abb. 3.25 das schon behandelte ebene Problem (vgl. auch Abb. 3.8). Das Moment der in der x, y-Ebene wirkenden Kraft F bez¨ uglich des Punktes 0 ist mit F x = Fx ex usw. gegeben durch (vgl. (3.8)) Mz(0) = h F = x Fy − y Fx .

(3.18)

¨ Die Vorzeichen (positiver Drehsinn) wurden dabei in Ubereinstim(0) mung mit Abschnitt 3.1.2 gew¨ ahlt. Der Index z zeigt an, dass Mz um die z-Achse dreht. Die beiden Bestimmungsst¨ ucke des Momentes in der Ebene (Betrag und Drehsinn) k¨ onnen mathematisch durch den Momentenvektor (0) M (0) z = Mz ez

(3.19) (0)

zum Ausdruck gebracht werden. Der Vektor M z zeigt in z(0) Richtung und beinhaltet sowohl den Betrag Mz als auch den positiven Drehsinn. Letzterer ist durch die sogenannte Rechtsschraube oder Korkenzieherregel festgelegt: blicken wir in Richtung des Einheitsvektors ez , so dreht ein positives Moment rechtsherum. Um in Zeichnungen Kraft- und Momentenvektoren unterscheiden zu k¨ onnen, stellen wir letztere meist durch einen Doppelpfeil dar (vgl. Abb. 3.25). Im ebenen Fall hat der Momentenvektor aufgrund der einen (0) Drehm¨ oglichkeit um die z-Achse nur die Komponente Mz . Im r¨ aumlichen Fall m¨ ussen entsprechend den drei Drehm¨oglichkeiten

3.2

Allgemeine Kr¨aftegruppen im Raum

71

(0)

(0)

um die drei Achsen x, y und z die drei Komponenten Mx , My (0) und Mz ber¨ ucksichtigt werden: M (0) = Mx(0) ex + My(0) ey + Mz(0) ez .

(3.20)

Mit den Komponenten der Kraft F liest man aus Abb. 3.26 f¨ ur die Momente um die x-, y- und z-Achse ab: Mx(0) = yFz −zFy , My(0) = zFx −xFz , Mz(0) = xFy −yFx . (3.21) Der Betrag des Momentenvektors und seine Richtungskosinus folgen zu  (0) (0) (0) |M (0) | = M (0) = [Mx ]2 + [My ]2 + [Mz ]2 , (3.22) (0)

cos α =

Mx , M (0)

(0)

cos β =

My , M (0)

(0)

cos γ =

Mz . M (0)

z z (0) Mz

h

Fz M (0) γ

ez

β

0

x y x

Fx

y

α

Fy

F

Abb. 3.25

r

F

Fy

Fx

0

z

y x

x

y

Abb. 3.26

Der Momentenvektor M (0) kann formal auch durch das Vektorprodukt M (0) = r × F

(3.23)

dargestellt werden. Dabei ist r der Ortsvektor, d.h. die gerichtete Verbindungsstrecke zwischen dem Bezugspunkt 0 und dem Kraftangriffspunkt (beliebiger Punkt auf der Wirkungslinie!). Mit r = x ex + y ey + z ez ,

F = Fx ex + Fy ey + Fz ez

72

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

und den Vektorprodukten (vgl. Anhang A.1) ex × ex = 0 ,

ex × ey = ez ,

ey × ex = −ez , ey × ey = 0 , ez × ex = ey ,

ex × ez = −ey , ey × ez = ex ,

ez × ey = −ex , ez × ez = 0

erh¨ alt man aus (3.23) M (0) = (x ex + y ey + z ez ) × (Fx ex + Fy ey + Fz ez ) = (y Fz − z Fy ) ex + (z Fx − x Fz ) ey + (x Fy − y Fx ) ez = Mx(0) ex + My(0) ey + Mz(0) ez .

(3.24)

Der Momentenvektor M (0) steht nach den Eigenschaften des Vektorproduktes senkrecht auf der Ebene, die durch r und F aufgespannt wird (Abb. 3.27). Sein Betrag entspricht der von r und F aufgespannten Parallelogrammfl¨ ache: M (0) = r F sin ϕ = h F .

(3.25)

In anderen Worten: Moment = senkrechter Abstand (Hebelarm) mal Kraft. z F ϕ f M

ϕ

(0)

0

F z

r h

x

y Abb. 3.27

x

r

M

h y −F

Abb. 3.28

Das Moment eines Kr¨ aftepaares im Raum (Abb. 3.28) kann durch den gleichen Formalismus beschrieben werden. Es gilt wieder M =r×F ,

(3.26)

wobei r jetzt von einem beliebigen Punkt auf der Wirkungslinie von −F zu einem beliebigen Punkt auf der Wirkungslinie von

3.2

Allgemeine Kr¨aftegruppen im Raum

73

F gerichtet ist. Wie vorher steht der Momentenvektor M senkrecht auf der von r und F aufgespannten Ebene (Wirkungsebene des Kr¨ aftepaares). Sein Richtungssinn ergibt sich aus der Rechtsschraube, und sein Betrag entspricht der von r und F aufgespannten Parallelogrammfl¨ ache (Hebelarm mal Kraft): M = hF .

(3.27)

Die Eigenschaften von Kr¨ aftepaaren bzw. Momenten im Raum entsprechen denen in der Ebene. Wie Kr¨ aftepaare in der Ebene beliebig verschoben werden k¨ onnen, so kann im Raum der Momentenvektor parallel zu seiner Wirkungslinie und entlang seiner Wirkungslinie verschoben werden, ohne dass seine Wirkung ge¨andert wird. Im Unterschied zum Kraftvektor, der an seine Wirkungslinie gebunden ist, ist der Momentenvektor ein freier Vektor. Wirken auf einen K¨ orper im Raum mehrere Momente M i , so erh¨ alt man das resultierende Moment MR aus der Vektorsumme MR =



Mi ,

(3.28)

d.h. in Komponenten MRx =



Mix , MRy =



Miy , MRz =



Miz . (3.29)

Ist die Summe der Momente Null, so verschwindet das resultierende Moment MR und damit die Drehwirkung auf den K¨orper: er befindet sich dann im Momentengleichgewicht. Die Momentengleichgewichtsbedingung lautet demnach in Vektorform MR =



Mi = 0

(3.30)

oder in Komponenten 

Mix = 0 ,



Miy = 0 ,



Miz = 0 .

(3.31)

74

B3.8

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

Beispiel 3.8 Am Auslegerende B eines Lastenaufzugs h¨ angt eine

Kiste mit dem Gewicht G an einem Seil. Das Seil wird in B u ¨ber eine Rolle (Radius vernachl¨ assigbar) reibungsfrei umgelenkt und im Punkt C gehalten (Abb. 3.29a). Man bestimme das resultierende Moment der auf den Ausleger wirkenden Seilkr¨ afte bez¨ uglich des Punktes A. 2a B 3a

C

G

a

4a a

A

B

a

z 2a

C

B

S2

S1 3a

A

rAC c

S1= G

C a

4a

A x

rBC

rAB

a

G b

y Abb. 3.29

Abb. 3.29b zeigt die auf den Ausleger wirkenden Seilkr¨ afte. Da die Rolle reibungsfrei ist, sind beide Seilkr¨afte gleich groß: S1 = S2 = G. (A) uglich des Punktes A Das Moment M 1 der Kraft S 1 bez¨ hat im gew¨ ahlten Koordinatensystem nur eine Komponente in x-Richtung: ⎛ ⎞ −2 ⎜ ⎟ (A) M 1 = ⎝ 0 ⎠ aG . (a) 0

L¨ osung

3.2

Allgemeine Kr¨aftegruppen im Raum

75

(A)

Das Moment M 2 der Kraft S 2 bestimmen wir gem¨aß (3.23) mit Hilfe des Kreuzprodukts (A)

M2

= rAB × S 2 .

(b)

Darin ist der Vektor vom Bezugspunkt A zum Angriffspunkt B der Kraft S 2 gegeben durch ⎛ ⎞ 0 ⎜ ⎟ rAB = ⎝ 2 ⎠ a . (c) 3 onnen wir durch ihren Betrag S2 = G Die Kraft S 2 = S2 e2 k¨ und den Einheitsvektor e2 darstellen. Letzteren bestimmen wir zweckm¨ aßig, indem wir zun¨ achst den Richtungsvektor ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ −1 0 −1 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ rBC = rAC − rAB = ⎝ 4 ⎠ a − ⎝ 2 ⎠ a = ⎝ 2 ⎠ a 1 3 −2 von B nach C bilden (vgl. Abb. 3.29c) und diesen dann durch seinen Betrag |rBC | teilen: ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ −1 −1 1 r 1⎜ ⎜ ⎟ ⎟ e2 = BC = √ ⎝ 2⎠ a = ⎝ 2⎠ . |rBC | 3 a 1+4+4 −2 −2 Damit gilt



⎞ −1 1⎜ ⎟ S 2 = S2 e2 = ⎝ 2 ⎠ G . 3 −2

(d)

Mit (c) und (d) erh¨alt man f¨ ur das Vektorprodukt (b) (vgl. Anhang (A.31))    ex ey ez     (A) M 2 = rAB × S 2 =  0 2a 3a     −G/3 2G/3 −2G/3  = (−4/3 − 2)aG ex − aG ey + (2/3)aG ez

76

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

oder in der Darstellung als Spaltenvektor ⎛ ⎞ −10 1⎜ ⎟ (A) M 2 = ⎝ −3 ⎠ aG . 3 2

(e)

(A)

afte S 1 und S 2 bez¨ uglich Das resultierende Moment M R der Kr¨ des Punkts A folgt nach (3.32) mit (a) und (e) zu ⎛ ⎞ −16 1⎜ ⎟ (A) (A) (A) M R = M 1 + M 2 = ⎝ −3 ⎠ aG . 3 2 3.2.2 Gleichgewichtsbedingungen

Wir betrachten nun ein allgemeines Kraftsystem im Raum (Abb. 3.30) und fragen nach dem resultierenden Kraft- und dem resultierenden Momentenvektor, durch die das Kraftsystem ¨aquivalent ersetzt werden kann. Die Antwort ergibt sich analog zum ebenen Problem (vgl. Abschnitt 3.1.3). Wir w¨ ahlen einen beliebigen Bezugspunkt A im Raum und verschieben die Kr¨afte F i parallel zu sich selbst, bis ihre Wirkungslinien durch A gehen. Damit dabei die Wirkung der Kr¨ afte nicht ge¨ andert wird, m¨ ussen die ent(A) afte bez¨ uglich des Punktes A sprechenden Momente M i der Kr¨ ber¨ ucksichtigt werden. Das dann vorhandene zentrale Kraftsystem und das System aus Momenten kann in bekannter Weise durch die (A) resultierende Kraft R und durch das resultierende Moment M R ersetzt werden (Reduktion): R=



Fi ,

(A)

MR =



(A)

Mi

.

(3.32)

W¨ ahrend R nicht von der Wahl des Bezugspunktes abh¨angt, ist (A) M R von der Wahl des Bezugspunktes A abh¨angig. Es gibt demnach beliebig viele M¨ oglichkeiten, ein Kraftsystem auf einen Kraftund einen Momentenvektor zu reduzieren. Eine allgemeine Kr¨ aftegruppe befindet sich im Gleichgewicht, wenn sowohl die resultierende Kraft R als auch das resultierende

3.2

Allgemeine Kr¨aftegruppen im Raum (A)

Fi

M2

F2

Fi

x

R F2 A

= (A)

z

M1

F1

77

= (A)

F1

Mi

A (A)

MR

y

Abb. 3.30 (A)

Moment M R den: 

bez¨ uglich eines beliebigen Punktes A verschwin-

Fi = 0,



(A)

Mi

= 0.

(3.33)

In Komponenten lauten diese Gleichungen   

Fix = 0 , Fiy = 0 , Fiz = 0 ,

  

(A)

Mix = 0 , (A)

Miy = 0 ,

(3.34)

(A)

Miz = 0 .

Die Anzahl der sechs skalaren Gleichgewichtsbedingungen entspricht der Anzahl der sechs Freiheitsgrade oder Bewegungsm¨oglichkeiten eines starren K¨ orpers im Raum: je eine Translation in x-, in y- und in z-Richtung und je eine Rotation um die x-, um die y- und um die z-Achse. Wie im ebenen Fall l¨asst sich zeigen, dass die Wahl des Bezugspunktes f¨ ur die Momentengleichgewichtsbedingung beliebig ist. Haben alle Kr¨ afte einer Kr¨ aftegruppe die gleiche Richtung, so reduziert sich die Zahl der Gleichungen. Wirken zum Beispiel alle Kr¨ afte in z-Richtung (Fix = 0, Fiy = 0), so bleiben nur  (A)  (A)  Fiz = 0 , Mix = 0 , Miy = 0 . (3.35) Sowohl die Kr¨ aftegleichgewichtsbedingungen in x- und in y-Richtung als auch die Momentenbedingung um die zu z parallele Achse durch A sind in diesem Fall identisch erf¨ ullt.

78

B3.9

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

Beispiel 3.9 Auf einen Quader (Abb. 3.31a) mit den Seitenl¨ angen a, b und c wirken die Kr¨ afte F1 bis F6 . Dabei sind F1 = F2 = F , F3 = F4 = 2 F , F5 = F6 = 3 F , b = a, c = 2 a. (A) Es sind die Resultierende R, die resultierenden Momente MR (B) und MR bez¨ uglich der Punkte A und B sowie deren Betr¨age zu bestimmen. z F4

F4

F2

F2 B

F5

c

z x

B

F5

y

F3

A

F3

A

a F1 b

a

y F1

F6

b

x

F6 Abb. 3.31

Die Vektoren sind durch ihre jeweiligen Komponenten bestimmt. F¨ ur die Resultierende erh¨ alt man

L¨ osung

Rx = F1 + F3 = 3F,

Ry = F5 + F6 = 6F,

Rz = −F2 + F4 = F

und damit (vgl. Anhang A.1) ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ Rx 3  √ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ R = ⎝ Ry ⎠ = ⎝ 6 ⎠ F , R = 32 + 62 + 12 F = 46 F . Rz

1

Um das Moment bez¨ uglich A zu ermitteln, legen wir den Koordinatenursprung in den Punkt A (Abb. 3.31b). Dann liest man ab:  (A) (A) MRx = Mix = b F4 − c F5 = − 4 a F ,  (A) (A) MRy = Miy = a F2 = a F ,  (A) (A) MRz = Miz = a F5 + a F6 − b F3 = 4 a F . Daraus folgen

3.2



(A)

MRx





Allgemeine Kr¨aftegruppen im Raum

−4

79



⎜ (A) ⎟ ⎜ ⎟ (A) ⎟ ⎜ ⎟ MR = ⎜ ⎝ MRy ⎠ = ⎝ 1 ⎠ a F , (A) MRz 4 (A)

MR

=



42 + 12 + 42 a F =

√ 33 a F .

Analog erh¨ alt man f¨ ur den Punkt B (B)

MRx = b F2 + c F6 = 7 a F , (B)

MRy = − c F1 − c F3 + a F4 = − 4 a F , (B)

MRz = b F1 = a F ⎛

und (B)

MR

⎞ 7 ⎜ ⎟ = ⎝ −4 ⎠ a F , 1

(B)

MR

=



√ 66 a F .

72 + 42 + 12 a F =

Die Momentenvektoren bez¨ uglich A und B sind verschieden! Beispiel 3.10 Eine homogene Platte vom Gewicht G wird durch

sechs St¨ abe in der waagrechten Lage gehalten und durch die Kraft F belastet (Abb. 3.32a). Es sind die Stabkr¨ afte zu bestimmen. z

a

α

5

b

S5 4

6

F a

a

1

a

F G

S1

2

S4

β

S6

3

β

G

A x

y α

0

S3 S2

b

Abb. 3.32

L¨ osung Im Freik¨ orperbild bringen wir neben der Gewichtskraft G

in Plattenmitte (vgl. Kapitel 4) und der Kraft F die unbekannten

B3.10

80

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

Stabkr¨ afte S1 bis S6 als Zugkr¨ afte an und f¨ uhren die Hilfswinkel α und β ein (Abb. 3.32b). Das Koordinatensystem w¨ahlen wir so, dass mit dem Ursprung 0 als Bezugspunkt m¨oglichst viele Momente zu Null werden. Dann lauten die Gleichgewichtsbedingungen  Fix = 0 : − S3 cos β − S6 cos β = 0 ,  Fiy = 0 : S4 cos α − S5 cos α + F = 0 ,  Fiz = 0 : − S1 − S2 − S3 sin β − S6 sin β − S4 sin α   

− S5 sin α − G = 0 , (0) Mix

=0 :

(0)

Miy = 0 : (0)

Miz = 0 :

a S1 − a S2 + a S6 sin β − a S3 sin β = 0 , b G + b S1 + b S2 + b S6 sin β + b S3 sin β = 0 , 2 b F + a S3 cos β − a S6 cos β = 0 .

Mit

√ 2 a , = cos α = sin α = √ 2 2 a2 b a cos β = √ , sin β = √ a2 + b2 a2 + b2

erh¨ alt man zun¨ achst aus der 1. und der 6. Gleichung √ a2 + b2 F. S3 = − S6 = − 2a Damit folgen aus der 4. und der 5. Gleichung S1 = −

G F − , 4 2

S2 = −

G F + 4 2

und schließlich aus der 2. und der 3. Gleichung     G G 1 1 S4 = − √ + F , S5 = − √ −F . 2 2 2 2 Zur Probe u ¨berzeugen wir uns noch, dass das Momentengleichgewicht um eine zu y parallele Achse durch den Punkt A erf¨ ullt ist:

3.2



Allgemeine Kr¨aftegruppen im Raum

81

b (A) Miy = − G − b S4 sin α − b S5 sin α 2 √ √    G 1 G 1 G 2 2 = −b −√ +F −√ −F = 0. 2 2 2 2 2 2 2

Beispiel 3.11 Ein Winkel mit vernachl¨ assigbarem Eigengewicht be-

findet sich unter der Wirkung von vier Kr¨ aften, die senkrecht auf der vom Winkel aufgespannten Ebene stehen, im Gleichgewicht (Abb. 3.33a). Die Kraft F sei gegeben. Wie groß sind die Kr¨ afte A, B und C? y

a b/2

z

b/2

A

F

F A

A

0 x

a

B

c

B

C

b

C

Abb. 3.33

L¨ osung Mit dem Koordinatensystem x, y, z und dem Koordi-

natenursprung als Bezugspunkt (Abb. 3.33b) lauten die Gleichgewichtsbedingungen (3.35)  Fiz = 0 : A + B + C − F = 0 ,  (0) b Mix = 0 : A − bF = 0, 2  (0) Miy = 0 : − c C + a F = 0 . Wir erhalten somit A = 2F ,

C=

a F, c

 a F. B =− 1+ c

Man kann auch einen anderen Momentenbezugspunkt, wie zum Beispiel A, verwenden. Dann ¨ andert sich nur die Momentengleichung:  (A) b b b Mix = 0 : − B − C − F = 0 . 2 2 2

B3.11

82

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

Das Ergebnis bleibt unver¨ andert. 3.2.3 Dyname, Kraftschraube

Wir betrachten nun noch einmal ein allgemeines r¨aumliches Kraftsystem. In Abschnitt 3.2.2 wurde gezeigt, dass man ein solches System nach Wahl eines beliebigen Bezugspunktes (zum Beispiel A) statisch ¨ aquivalent durch eine resultierende Kraft R mit der Wirkungslinie durch den Punkt A und durch ein resultierendes (A) Moment M R ersetzen kann (vgl. Abb. 3.30). Man bezeichnet (A) dieses System (R, M R ) aus einer Kraft und einem Moment als Dyname oder Kraftwinder. Dabei ist R in Gr¨oße und Richtung un(A) abh¨ angig vom Bezugspunkt, w¨ ahrend M R von der Wahl dieses Punktes abh¨ angt. Dementsprechend h¨ angt auch der in Abb. 3.34a (A) dargestellte Winkel ϕ zwischen R und M R von der Wahl des Bezugspunktes ab. z

(A)

MR A

ϕ

x

R

y

=

A r⊥

r

P

R

(P )

MR Zentralachse

a

A r⊥ b

r

P

λR Abb. 3.34

Wir wollen nun zeigen, dass es einen ausgezeichneten Bezugs(P ) punkt P gibt, bei dem der Winkel ϕ zwischen R und M R gerade (P ) Null ist, d.h. R und M R gleichgerichtet sind (Abb. 3.34a). Die noch unbekannte Lage von P bez¨ uglich A sei durch den Ortsvektor r gekennzeichnet. Da wir die Resultierende R durch P entlang ihrer Wirkungslinie verschieben k¨ onnen, gibt es nicht nur einen einzigen Punkt P , sondern jeder Punkt auf dieser Wirkungslinie ist ein ausgezeichneter Bezugspunkt. Man bezeichnet diese ausgezeichnete Wirkungslinie als Zentralachse und die zugeh¨orige

3.2

Allgemeine Kr¨aftegruppen im Raum

83

(P )

Dyname (R, M R ) als Kraftschraube. Die Lage der Zentralachse bez¨ uglich A k¨ onnen wir dementsprechend nicht nur durch r sondern zweckm¨ aßig auch durch den senkrechten Abstandsvektor r ⊥ beschreiben, vgl. Abb. 3.34a. (A) Damit die beiden Dynamen (R, M R ) mit dem beliebigen Be(P ) zugspunkt A und (R, M R ) mit dem Bezugspunkt P auf der Zentralachse statisch gleichwertig sind, muss zwischen den Momenten bez¨ uglich A und bez¨ uglich P die Beziehung (A)

(P )

MR = MR + r × R

(3.36)

bestehen. Darin ist r × R das Versatzmoment, das durch die Parallelverschiebung der Resultierenden von A nach P zustanucken, da de kommt. Dieses k¨onnen wir auch durch r ⊥ × R ausdr¨ R ja entlang der Zentralachse beliebig verschoben werden kann. Aus (3.36) l¨ aßt sich der Abstandsvektor r ⊥ und damit die Lage der Zentralachse bestimmen, indem wir formal das Vektorprodukt (A)

(P )

R × M R = R × M R + R × (r × R) = R × (r × R) bilden, wobei wegen der vorausgesetzten gleichen Richtung von R (P ) (P ) und M R das Produkt R × M R verschwindet. Beachtet man, aßt sich diese Gleichung auch in dass r × R = r ⊥ × R gilt, dann l¨ der Form (A)

R × M R = R × (r ⊥ × R)

(3.37)

schreiben. F¨ ur die rechte Seite ergibt sich unter Verwendung der Beziehung A × (B × C) = (A · C) B − (A · B) C f¨ ur das doppelte Vektorprodukt (vgl. Anhang A.1, (A.33)) R × (r ⊥ × R) = (R · R) r ⊥ − (R · r ⊥ ) R = R2 r ⊥ .      =R2

=0

Setzt man dies in (3.37) ein, so erh¨ alt man f¨ ur den gesuchten senkrechten Abstandsvektor (A)

r⊥ =

R × MR . R2

(3.38)

84

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

Damit l¨ aßt sich aus (3.36) unter Beachtung von r × R = r ⊥ × R (A) (A) (A) und der Beziehung (R × M R ) × R = R2 M R − (R · M R ) R f¨ ur das doppelte Vektorprodukt nach (A.33) auch das Moment bez¨ uglich des Punktes P bzw. jedes beliebigen Punktes auf der Zentralchse bestimmen: (P )

(A)

(A)

M R = M R − r⊥ × R =

R · MR R2

R.

(3.39)

Mit dem bekannten Abstandsvektor r ⊥ und der Resultierenden R k¨ onnen wir nun f¨ ur die Zentralachse eine Gleichung in Parameterform angeben. Ein beliebiger Punkt P auf ihr wird bez¨ uglich A durch den Vektor r = r⊥ + λ R

(3.40)

festgelegt (Abb. 3.34b). Dabei ist λ ein (dimensionsbehafteter) variabler Parameter. Wir wollen kurz noch Sonderf¨ alle der Reduktion von Kraftsys(A) temen diskutieren. F¨ ur M R = 0 und R = 0 ist das Kraftsystem alleine auf eine resultierende Kraft (Totalresultierende) zur¨ uckgef¨ uhrt. Die Reduktion auf eine Totalresultierende ist auch (A) m¨ oglich, wenn M R = 0 und orthogonal zu R ist. Man hat R in diesem Fall nur um r ⊥ in die Zentralachse zu verschieben. Nach (P ) (3.39) wird dann n¨ amlich M R = 0. Im Sonderfall R = 0 und (A) M R = 0 f¨ uhrt die Reduktion auf den freien Momentenvektor (A) (P ) (A) (Kr¨ aftepaar) M R = M R . Im Fall R = 0 und M R = 0 ist das Kraftsystem schließlich im Gleichgewicht. B3.12

Beispiel 3.12 Auf einen K¨ orper wirken die drei Kr¨afte F i mit den

Angriffspunkten r i :

F 1 = F (−2, 3, 1)T , F 2 = F (7, 1, −4)T , F 3 = F (3, −1, −3)T , r 1 = a (4, 3, 2)T ,

r 2 = a (3, 2, 4)T ,

r 3 = a (3, 5, 0)T .

(A)

Man bestimme die Dyname (R, M R ) bez¨ uglich des Punktes A mit dem Ortsvektor r A = a (3, 2, 1)T . L¨ osung Die Resultierende R ergibt sich aus der Vektorsumme der

3.2

Allgemeine Kr¨aftegruppen im Raum

85

drei Kr¨ afte:  R= F i = F (8, 3, −6)T . F1

z

rA1 r1

Abb. 3.35

A rA

0

y

x

Zur Bestimmung des Moments bez¨ uglich A werden die Abstandsvektoren von A zu den Kraftangriffspunkten ben¨otigt. F¨ ur die Kraft F 1 ist der Abstandsvektor durch ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 4 3 1 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ r A1 = r 1 − r A = a ⎝ 3 ⎠ − a ⎝ 2 ⎠ = a ⎝ 1 ⎠ 2

1

1

uglich gegeben (Abb. 3.35). Damit folgt das Moment von F 1 bez¨ A zu   ⎛ ⎞  ex ey ez  −2   ⎜ ⎟   (A) M 1 = r A1 × F 1 = a F  1 1 1  = aF ⎝−3 ⎠ .    −2 3 1  5 Analog ergeben sich die beiden weiteren Momente: ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ −3 −10 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ (A) (A) M 2 = rA2 ×F 2 = aF ⎝ 21⎠, M 3 = rA3 ×F 3 = aF ⎝ −3⎠. 0

−9

F¨ ur das resultierende Moment erh¨ alt man damit  (A) (A) M i = aF (−15, 15, −4)T . MR = An drei Eckpunkten eines W¨ urfels mit der Kantenl¨ ange a greifen die Kr¨ afte F 1 = F (1, 0, 0)T , F 2 = F (3, 0, 0)T ,

Beispiel 3.13

B3.13

86

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

F 3 = F (0, 0, −4)T an (Abb. 3.36a). Man bestimme die Kraftschraube und die Zentralachse des Kraftsystems. Zentralachse

z

F3 a

a a

z

z

(P )

MR

F1

0

0

0

F2 y

y (0) MR

x R

x a

b

x

r⊥ R

r c

y

P Abb. 3.36

L¨ osung Wir ermitteln zun¨ achst die Dyname bez¨ uglich eines beliebigen Bezugspunktes. Daf¨ ur w¨ ahlen wir zweckm¨aßig den Koordinatenursprung 0 (Abb. 3.36b). Zur Bestimung der Momente der Kr¨ afte bez¨ uglich 0 ben¨ otigen wir die Ortsvektoren zu den Kraftangriffspunkten:

r 1 = 0,

r 2 = a (0, 1, 0)T ,

r 3 = a (0, 1, 1)T .

(0)

F¨ ur die Dyname (R, M R ) erh¨ alt man damit R=



F i = F (4, 0, −4)T ,

(0)

MR =



(0)

Mi

=



r i × F i = aF (−4, 0, −3)T .

Es sei angemerkt, dass bei diesem Beispiel wegen der einfachen Geometrie das resultierende Moment auch leicht aus der Anschauung (ohne Vektorrechnung) angegeben werden kann (vgl. Beispiel 3.9). (P ) (P ) Das Moment M R der Kraftschraube (R, M R ) k¨onnen wir (0) aus (3.39) bestimmen. Mit R2 = 32 F 2 sowie R · M R = −4aF 2 ergibt sich (P )

MR =

(0)

R · MR 1 R = aF (−1, 0, 1)T . 2 R 2

Die Kraftschraube ist in Abb. 3.36c skizziert.

3.2

Allgemeine Kr¨aftegruppen im Raum

87

Die Zentralachse wird nach (3.40) und (3.38) durch (0)

r=

R × MR + λR R2

beschrieben. Mit (0)

R × MR

  ⎛ ⎞  ex ey ez  0    ⎟ 2 2⎜ = aF  4 0 −4  = aF ⎝28 ⎠    −4 0 −3  0

und Einsetzen von R erh¨ alt man ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 0 4 a⎜ ⎟ ⎜ ⎟ r = ⎝ 7 ⎠ + λF ⎝ 0 ⎠ . 8 0 −4 Den dimensionsbehafteten Parameter λ k¨ onnen wir dabei noch zweckm¨ aßig durch den dimensionslosen Parameter s = 4λF/a ersetzen. Damit lautet die Parameterdarstellung der Zentralachse in Vektorform ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 0 1 a⎜ ⎟ ⎜ ⎟ r = ⎝7⎠ + sa ⎝ 0⎠ 8 0 −1 oder ausgeschrieben in skalarer Form x = sa,

y=

7 a, 8

z = −s a .

Man erkennt, dass y konstant ist (y = 7a/8), d.h. die Zentralachse ist parallel zur x,z-Ebene (Abb. 3.36c).

88

3.3

3 Allgemeine Kraftsysteme und Gleichgewicht des starren K¨ orpers

3.3 Zusammenfassung • Ein Kr¨ aftepaar besteht aus zwei gleich großen, entgegengesetzt gerichteten Kr¨ aften auf parallelen Wirkungslinien. Die Wirkung des Kr¨ aftepaares ist durch sein Moment M gegeben; es hat den Betrag M = h F und einen Drehsinn. Ein Kr¨ aftepaar (Moment) ist nicht an eine Wirkungslinie ge¨ bunden: es kann ohne Anderung seiner Wirkung an jeder beliebigen Stelle eines starren K¨ orpers angreifen. • Das Moment einer Kraft bez¨ uglich eines Punktes A ist durch M (A) = r × F definiert. Dabei ist r der Vektor vom Bezugspunkt A zu einem beliebigen Punkt auf der Wirkungslinie von F . Das Moment M (A) hat den Betrag M (A) = h F (h = Hebelarm) und einen Drehsinn. Im ebenen Fall hat das Moment einer Kraft nur die eine Komponente (normal zur Ebene) M (A) = h F und einen Drehsinn um den Punkt A. • Ein allgemeines r¨ aumliches Kraftsystem kann auf eine resultieuglich rende Kraft R und ein resultierendes Moment M (A) bez¨ eines beliebigen Punktes A reduziert werden. • Gleichgewicht herrscht, wenn die resultierende Kraft R und uglich eines beliebigen das resultierende Moment M (A) bez¨ Punktes A verschwinden:   (A) Fi = 0, Mi = 0 . In Komponenten f¨ uhrt dies auf drei Kr¨ afte- und drei Momentengleichgewichtsbedingungen. Im ebenen Fall reduzieren sich die Gleichgewichtsbedingungen auf    (A) Fix = 0 , Fiy = 0 , Mi = 0 .

Kapitel 4 Schwerpunkt

4

4 Schwerpunkt 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5

Schwerpunkt einer Gruppe paralleler Kr¨afte .............. 91 Schwerpunkt und Massenmittelpunkt eines K¨orpers .... 94 Fl¨achenschwerpunkt ............................................ 99 Linienschwerpunkt .............................................. 110 Zusammenfassung .............................................. 112

Lernziele: In diesem Kapitel wird gezeigt, wie die Schwerpunkte von Kr¨ aftegruppen, K¨ orpern, Fl¨ achen und Linien definiert sind und wie man bei ihrer Berechnung vorgehen kann. Die Studierenden sollen dadurch in die Lage versetzt werden, die verschiedenen Vorgehensweisen bei der Ermittlung von Schwerpunkten in konkreten F¨ allen selbst¨ andig anzuwenden.

4.1

Schwerpunkt einer Gruppe paralleler Kr¨afte

91

4.1

4.1 Schwerpunkt einer Gruppe paralleler Kr¨ afte Nach Abschnitt 3.1.3 kann man eine ebene Kr¨ aftegruppe durch eine einzige Kraft, die Resultierende R, ersetzen, sofern kein Kr¨aftepaar wirkt. Sind speziell alle Kr¨ afte parallel, so stimmt die Richtung von R mit der Richtung der Kr¨ afte u ¨berein. Die Lage von R ¨ folgt aus der Aquivalenz der Momente nach (3.11). F¨ uhrt man mit H = −R eine Haltekraft H ein, deren Wirkungslinie mit der von Ru ¨bereinstimmt, so kann man ein System von parallelen Kr¨aften mit einer einzigen Kraft ins Gleichgewicht setzen.

G 1 G2

z

R

Gi

0

x1

H

S

0

Gn x

G1

ys

R

S

Gn

xs Gi

y xi

xs a

b

x

yi

H

Abb. 4.1

Als Beispiel betrachten wir eine gewichtslose Stange, die nach Abb. 4.1a durch eine Gruppe paralleler Einzelkr¨afte Gi belastet wird und durch eine Kraft H im Gleichgewicht gehalten werden soll. Gesucht ist dabei die Stelle, an der die Haltekraft angreifen muss. Wir z¨ ahlen die Koordinate x von einem beliebig gew¨ahlten Ursprung 0 und erhalten aus den Gleichgewichtsbedingungen nach (3.12)    xi Gi = 0 ↑: H − Gi = 0 , 0 : xs H − den Abstand der Haltekraft (d.h. auch der Resultierenden) zu  xi Gi xs =  . (4.1) Gi Der Punkt S im Abstand xs vom Koordinatenursprung, in dem die Stange unterst¨ utzt werden muss, heißt Kr¨ aftemittelpunkt oder Schwerpunkt. Die zweite Bezeichnung wird erst beim gewichtsbehafteten K¨ orper in Abschnitt 4.2 verst¨ andlich.

92

4 Schwerpunkt

Das Ergebnis (4.1) l¨ asst sich nach Abb. 4.1b auf eine r¨aumliche Kr¨ aftegruppe erweitern, bei der alle Kr¨ afte parallel zur z-Achse wirken. Die Gleichgewichtsbedingungen (3.35) lauten dann (Momente werden positiv im Sinne der Rechtsschraube gez¨ahlt!)   H − Gi = 0 , Fiz = 0 :  (0)  Mix = 0 : ys H − yi Gi = 0 ,  (0)  Miy = 0 : −xs H + xi Gi = 0 . Aufl¨ osung nach den gesuchten Koordinaten des Schwerpunktes ergibt   xi Gi yi Gi xs =  , ys =  . (4.2) Gi Gi ¨ Die gleichen Uberlegungen, die wir bisher f¨ ur Gruppen von Einzelkr¨ aften angestellt haben, lassen sich auch f¨ ur kontinuierlich verteilte Linien- oder Fl¨ achenlasten anwenden. Zu diesem Zweck ersetzen wir die Linienlast q(x) (mit der Dimension Kraft/L¨ange) in Abb. 4.2a durch verteilte infinitesimale Einzelkr¨afte. So resultiert an einer beliebigen Stelle x aus der u ¨ber die infinitesimale L¨ ange dx wirkenden Streckenlast q(x) die Einzellast q(x) dx. Man ¨ beachte dabei, dass wegen dx → 0 (aber dx = 0!) die Anderung von q u ¨ber dx verschwindet und deshalb q u ¨ber dx als konstant anzusehen ist. In (4.1) k¨ onnen wir somit Gi durch q(x) dx und xi durch x ersetzen. Ber¨ ucksichtigen wir noch, dass im Grenz¨ ubergang die Summen zu Integralen werden, so erhalten wir f¨ ur den z ys q(x)dx

q(x)

S

S xs x a

p(x, y)

p dA xs

y

dA dx b

x

Abb. 4.2

4.1

Schwerpunkt einer Gruppe paralleler Kr¨afte

Abstand xs des Schwerpunktes  x q(x) dx xs =  . q(x) dx

93

(4.3)

Die Integration hat dabei u ange l zu erfolgen, ¨ber die gesamte L¨ u ¨ber die die Linienlast q(x) wirkt. Analog folgt die Lage des Schwerpunktes einer Fl¨achenlast p(x, y) (Dimension: Kraft/Fl¨ ache) nach Abb. 4.2b aus (4.2) zu   x p(x, y) dA y p(x, y) dA xs =  , ys =  . (4.4) p(x, y) dA p(x, y) dA Darin ist dA ein infinitesimales Fl¨ achenelement an der Stelle x, y. Es sei ausdr¨ ucklich vermerkt, dass in (4.4) u ¨ber die gesamte Fl¨ache A mit ihren zwei Koordinaten integriert werden muss. Wir wollen zur Schreibvereinfachung hier trotzdem die Bezeichnung mit dem einfachen Integralzeichen beibehalten und werden in den Beispielen 4.3 bis 4.5 erl¨ autern, wie man diese Integration praktisch ausf¨ uhren kann. Ein Balken tr¨ agt nach Abb. 4.3a eine dreieckf¨ormige Last. An welcher Stelle greift die Resultierende an und welchen Betrag hat sie?

Beispiel 4.1

R q(x)dx

q0

q0

x a

l

b

dx xs

Abb. 4.3

L¨ osung Wir z¨ ahlen die Koordinate x vom linken Rand des Balkens (Abb. 4.3b). Die dreieckf¨ ormige Last wird durch die Geradengleichung x q(x) = q0 l

beschrieben. Aus der Integration von q(x) (=  Summe der Kr¨afte

B4.1

94

4 Schwerpunkt

q(x) dx) folgt zun¨ achst die Gr¨ oße der Resultierenden l R=

l q(x) dx =

0

q0 0

l x x2  1 dx = q0  = q0 l . l 2l 0 2

Dies h¨ atte man als Fl¨ acheninhalt des Lastdreiecks auch ohne Integration anschreiben k¨ onnen. Mit dem Z¨ ahler von (4.3) l

 x q(x) dx =

0

l x x3  1 x q0 dx = q0  = q0 l2 l 3l 0 3

erh¨ alt man dann die Koordinate des Kr¨ aftemittelpunktes, d.h. den gesuchten Abstand der Resultierenden:  1 q0 l 2 x q(x) dx 2 = 31 xs =  = l. 3 q(x) dx 2 q0 l Eine Einzellast der Gr¨ oße R = q0 l/2 im Abstand xs = 2 l/3 vom linken Rand hat dieselbe statische Wirkung wie die gegebene Dreieckslast.

4.2

4.2 Schwerpunkt und Massenmittelpunkt eines K¨ orpers Wir wollen nun die Gleichungen (4.4) auf K¨orper erweitern, die durch verteilte parallele Volumenkr¨ afte f (x, y, z) (mit der Dimension Kraft/Volumen) belastet werden (Abb. 4.4a). Die Richtung der Volumenkr¨ afte sei dabei beliebig und durch den Einheitsvektor e gegeben. Wie zuvor ersetzen wir die verteilte Belastung durch infinitesimale Einzelkr¨ afte. Auf ein infinitesimales Volumenelement dV an einem Ort, der durch die Koordinaten x, y, z bzw. durch den Ortsvektor r = xex + yey + zez gegeben ist, wirkt dann die Einzelkraft dG = f (x, y, z) dV e. Unter Beachtung, dass die Richtung e f¨ ur alle Kr¨ afte gleich ist, erh¨ alt man f¨ ur die Resultierende    G = dG = f (x, y, z) dV e = Ge

4.2

mit

Schwerpunkt und Massenmittelpunkt eines K¨ orpers

95



G=

f (x, y, z) dV .

Dabei ist u orpers mit den drei ¨ber das gesamte Volumen V des K¨ Raumkoordinaten zu integrieren. dV r z

dG = f dV e

rs

0

x

S2

V2 S

z

G

y a

V1

x

S1

Vi

Si

y b

Abb. 4.4

Der Angriffspunkt S von G ergibt sich aus der Bedingung, dass das Moment von G bez¨ uglich 0 gleich sein muss dem Moment aller verteilten Kr¨ afte dG bez¨ uglich des gleichen Punktes:  r s × G = r × dG . Einsetzen von G und dG liefert   r s × Ge = r × f (x, y, z) dV e    → r s G − rf (x, y, z) dV × e = 0 . F¨ ur eine beliebige Richtung von e kann diese Gleichung nur dann erf¨ ullt sein, wenn der Klammerausdruck verschwindet. Damit folgt f¨ ur die Lage des Schwerpunkts  rf (x, y, z) dV rs =  (4.5a) f (x, y, z) dV oder in Komponenten  x f (x, y, z) dV xs =  , f (x, y, z) dV

 y f (x, y, z) dV ys =  , f (x, y, z) dV

(4.5b)

96

4 Schwerpunkt

 z f (x, y, z) dV . zs =  f (x, y, z) dV

(4.5b)

Betrachten wir speziell K¨ orper, die an der Erdoberfl¨ache der Wirkung des Gravitationsfeldes unterworfen sind, so ist f (x, y, z) = (x, y, z) g. Hierin sind  die u ¨ber den K¨orper im allgemeinen ver¨ anderliche Dichte und g die als konstant anzunehmende Erdbeschleunigung. Setzt man in (4.5b) ein, so hebt sich g aus Z¨ ahler und Nenner heraus, und wir erhalten f¨ ur die Koordinaten des Schwerpunktes    x  dV y  dV z  dV   xs = , ys = , zs =  . (4.6)  dV  dV  dV F¨ uhrt man mit dm = dV die Masse eines Volumenelementes und mit m =  dV = dm die Gesamtmasse ein, so folgt aus (4.6)    1 1 1 x dm , ys = y dm , zs = z dm . (4.7) xs = m m m In der Kinetik (vgl. Band 3) wird durch diese Beziehungen die Lage des Massenmittelpunktes definiert. F¨ ur konstante Erdbeschleunigung g fallen somit der Schwerpunkt und der Massenmittelpunkt zusammen. Mit (4.6) wird nun auch der Name Schwerpunkt verst¨andlich: der Schwerpunkt S eines K¨ orpers ist derjenige Punkt, in dem man sich das in Wirklichkeit r¨ aumlich u ¨ber den K¨orper verteilte Gewicht (d.h. seine ganze Schwere“) konzentriert denken kann, oh” ne dass sich die statische Wirkung ¨ andert. Bei einem homogenen K¨ orper ist die Dichte  konstant und kann aus (4.6) gek¨ urzt werden. Mit dem Gesamtvolumen V = dV bleibt dann xs =

1 V

 x dV ,

ys =

1 V

 y dV ,

zs =

1 V

 z dV . (4.8)

Durch diese Beziehung wird der Volumenmittelpunkt definiert. Damit fallen f¨ ur konstante Dichte und konstante Erdbeschleuni-

4.2

Schwerpunkt und Massenmittelpunkt eines K¨ orpers

97

gung der physikalische Schwerpunkt und der Volumenmittelpunkt zusammen. Da der Volumenmittelpunkt eine rein geometrische Gr¨ oße ist, l¨ asst sich in diesem Fall der Schwerpunkt aus rein geometrischen Beziehungen bestimmen. Die Ermittlung des Schwerpunkts wird deutlich vereinfacht, wenn der K¨ orper aus mehreren Teilk¨ orpern mit den Volumina Vi besteht, deren Dichten i jeweils konstant sind und deren Schwerur den punktskoordinaten xi , yi , zi bekannt sind (Abb. 4.4b). F¨ Nenner in den Gleichungen (4.6) gilt dann       dV = 1 dV + 2 dV + . . . = 1 dV + 2 dV + . . . V V1 V2 V1 V2  = 1 V1 + 2 V2 + . . . = i Vi . Dabei deuten die Symbole Vi bei den Integralzeichen an, u ¨ber welche Volumina jeweils zu integrieren ist. F¨ ur die Z¨ ahler nutzen wir die Kenntnis der Schwerpunktslagen der Teilk¨ orper. So folgt aus (4.8) f¨ ur die x-Komponente   1 x dV → x dV = xi Vi . xi = Vi Vi Vi Damit ergibt sich f¨ ur den Z¨ ahler von xs in (4.6)    x dV = 1 x dV + 2 x dV + . . . V V1 V2  = 1 x1 V1 + 2 x2 V2 + . . . = xi i Vi . Analoges gilt f¨ ur die y- und die z-Komponente. Insgesamt erhalten wir dann  xi i Vi xs =  , i Vi

 yi i Vi ys =  , i Vi

 zi i Vi zs =  . i Vi

(4.9)

In diesem Fall sind Integrationen nicht erforderlich, sondern die Lage des Schwerpunkts kann durch Summationen ermittelt werden. Falls die Dichte im gesamten K¨ orper konstant ist (i = ), vereinfacht sich (4.9) zu

98

4 Schwerpunkt

 xs =

xi Vi , V

 ys =



yi Vi , V

zs =

zi V i . V

(4.10)

Die Gleichungen (4.9) bzw. (4.10) k¨ onnen vorteilhaft auch bei K¨ orpern mit L¨ ochern oder Ausschnitten angewendet werden. Man fasst dabei den gegebenen K¨ orper auf als zusammengesetzt aus dem K¨ orper ohne L¨ ocher und Teilk¨ orpern mit negativen“ Volu” men. In (4.9) bzw. (4.10) werden dann die Volumen der L¨ocher mit negativen Vorzeichen eingesetzt. B4.2

Aus einem W¨ urfel (Kantenl¨ ange 4a) mit der Dichurfel (Kantenl¨ange 2a) te 1 ist nach Abb. 4.5a ein kleinerer W¨ herausgeschnitten. a) Wo liegt der Schwerpunkt des K¨ orpers? b) Wo liegt der Schwerpunkt, wenn der herausgeschnittene W¨ urfel durch ein Material mit der Dichte 2 = 21 ersetzt wird (Abb. 4.5b)? Beispiel 4.2

z 4a 4a

2 2a 2a

1

x

V2

1

2a

4a

V3

V1 y

a

c

b

Abb. 4.5

L¨ osung In beiden F¨ allen k¨ onnen wir den W¨ urfel als einen K¨orper auffassen, der aus Teilk¨ orpern mit bekannten Schwerpunktslagen besteht. Im Fall a) ist der K¨ orper homogen (konstante Dichte 1 ), und seine Schwerpunktslage kann aus (4.10) bestimmt werden. Wir w¨ ahlen die in Abb. 4.5c dargestellten Teilk¨orper und f¨ uhren die Auswertung zweckm¨ aßig in einer Tabelle durch:

i

xi

yi

zi

Vi 3

xi Vi

yi Vi

zi V i

4

4

1

2a

2a

a

32a

64a

64a

32a4

2

3a

2a

3a

16a3

48a4

32a4

48a4

4.3

a

3



a 

xs =

3a

Fl¨achenschwerpunkt

8a3

8a4

8a4

24a4

56a3

120a4

104a4

104a4

15 120 a= a, 56 7

y s = zs =

99

13 104 a= a. 56 7

Das gleiche Ergebnis kann man einfacher erhalten, wenn man als Teilk¨ orper 1 den gesamten W¨ urfel (Kantenl¨ ange 4a) w¨ahlt, von dem dann als Teilk¨ orper 2 der herausgeschnittene kleinere W¨ urfel mit der Kantenl¨ ange 2a abgezogen wird: xi

i

yi

zi

Vi

xi Vi 3

yi Vi

4

4

zi V i

1

2a

2a

2a

64a

128a

128a

128a4

2

a

3a 

3a

−8a3

−8a4

−24a4

−24a4

56a3

120a4

104a4

104a4

Da im Fall b) die Teilk¨ orper unterschiedliche Dichten haben, m¨ ussen wir zur Bestimmung der Schwerpunktslage die Gleichungen (4.9) anwenden. Dabei w¨ ahlen wir als Teilk¨ orper 1 den K¨orper nach Abb. 4.5a, dessen Schwerpunktslage ja nun bekannt ist. Teilk¨ orper 2 ist der W¨ urfel mit der Dichte 2 = 2 1 : xi 15 7 a

i 1

a

2



yi 13 7 a

zi 13 7 a

3a 

3a

xs =

i Vi

xi i Vi

zi i Vi

561 a

1201 a

1041 a

1041 a4

161 a3

161 a4

481 a4

481 a4

721 a3

1361 a4

1521 a4

1521 a4

17 136 a= a, 72 9

4

yi i Vi

3

y s = zs =

4

19 152 a= a. 72 9

4.3 Fl¨ achenschwerpunkt H¨ aufig wird in der Mechanik der Schwerpunkt einer ebenen Fl¨ache ben¨ otigt (z.B. Balkenbiegung, vgl. Band 2). Man erh¨alt seine Koordinaten aus (4.8), wenn man als K¨ orper eine d¨ unne Scheibe konstanter Dicke t (mit t → 0) betrachtet (Abb. 4.6). Mit dem

4.3

100

4 Schwerpunkt

Fl¨  achenelement dA = dxdy an der Stelle x, y, der Fl¨ache A = dA, dem Volumenelement dV = t dA und dem Volumen V = t A folgen aus (4.8) die Koordinaten des Fl¨ achenschwerpunktes xs =

1 A

 x dA ,

ys =

1 A

 y dA .

(4.11)

Wegen t → 0 liefert die dritte Gleichung von (4.8) mit z → 0 den Wert zs → 0: der Schwerpunkt liegt in der Fl¨ache. Man nennt die in (4.11) auftretenden Integrale 



Sy =

x dA ,

Sx =

y dA

(4.12)

Fl¨ achenmomente erster Ordnung oder statische Momente. 0

xs x S

ys y x

y

dy t

dx Abb. 4.6

Legt man den Koordinatenursprung 0 in den Schwerpunkt S, so werden xs und ys in (4.11) gleich Null, und damit verschwinden auch die statischen Momente (4.12). Achsen durch den Schwerpunkt heißen Schwerachsen. Damit gilt der Satz: Die Fl¨ achenmomente erster Ordnung in Bezug auf Schwerachsen sind Null. Aus Abb. 4.7 kann man ablesen, dass das statische Moment bez¨ uglich einer Symmetrieachse verschwinden muss, da neben jedem Fl¨ achenelement mit positivem Abstand x ein entsprechendes Element mit negativem Abstand existiert. Das Integral nach (4.12) u ache ergibt daher Null. Unter Anwen¨ber die gesamte Fl¨ dung des oben formulierten Satzes u ¨ber Schwerachsen gilt daher:

4.3

Fl¨achenschwerpunkt

101

Symmetrieachsen sind Schwerachsen. Diese Aussage erleichtert oft die Ermittlung von Schwerpunkten. y y dA

Ai

dA yi

S −x

Si

x x

S1 S2

xi Abb. 4.7

x

Abb. 4.8

H¨ aufig sind Querschnitte aus Teilfl¨ achen Ai zusammengesetzt, deren jeweilige Schwerpunktslage xi , yi man kennt (Abb. 4.8). Die erste Gleichung von (4.11) kann man dann wie folgt schreiben:      1 1 xs = x dA + x dA + . . . x dA = A A A1

A2

1 = {x1 A1 + x2 A2 + . . .} . A Damit entfallen alle Integrationen, und wir finden die Schwer punktskoordinate xs (und analog ys ) der Gesamtfl¨ache A = Ai aus  xi Ai xs =  , Ai

 yi Ai ys =  . Ai

(4.13)

Die Formel l¨ asst sich auch bei Fl¨ achen mit Ausschnitten anwenden. Man muss dann nur diese Ausschnitte als negative“ Fl¨achen ” einf¨ uhren (vgl. Beispiel 4.7). Die Zerlegung der gesamten Fl¨ ache in Teilfl¨ achen mit bekannten Schwerpunktslagen l¨ asst sich auch auf infinitesimale Teilfl¨achen anwenden. Dementsprechend ist es nicht unbedingt erforderlich, in (4.11) ein Rechteckelement dA = dxdy mit zwei infinitesimalen

102

4 Schwerpunkt

Seitenl¨ angen zu verwenden. Vielmehr ist es oft zweckm¨aßiger, z.B. Rechteckelemente oder Dreieckelemente dA zu w¨ahlen, bei denen eine Seitenl¨ ange endlich ist (dA = adx). F¨ ur die Abst¨ande x und y in (4.11) sind dann die Schwerpunktskoordinaten dieses Elements zu verwenden (siehe auch Beispiele 4.3 bis 4.5). B4.3

Gesucht sind die Schwerpunktskoordinaten f¨ ur das rechtwinklige Dreieck nach Abb. 4.9a mit der Grundseite a und der H¨ ohe h.

Beispiel 4.3

y

dA = ydx

h a

a

b

x

x dx

y dA = (a−x)dy a−x

y dy y x

y¯ = y/2 x d

c

Abb. 4.9

L¨ osung Nach (4.11) folgen die gesuchten Koordinaten des Schwer-

punktes aus  1 xs = x dA , A

1 ys = A

 y dA .

Wir legen den Ursprung des Koordinatensystems in die linke Ecke des Dreiecks (Abb. 4.9b). In der ersten Gleichung von (4.11) stellt x den Abstand des Fl¨ achenelements dA von der y-Achse dar. Zur onnen wir statt eines infinitesimalen RechtBerechnung von xs k¨ ecks dA = dxdy zweckm¨ aßig gleich den infinitesimalen Streifen mit der H¨ ohe y(x) und der Breite dx nach Abb. 4.9b w¨ahlen, da hier alle Punkte denselben Abstand x von der y-Achse haben. Durch diese Wahl des Fl¨ achenelements kann das Fl¨achenintegral durch ein Einfachintegral u ¨ber x ersetzt werden (in dA steckt bereits die Integration u ¨ber y). Mit dA = y dx und der Gleichung y(x) = h x/a f¨ ur die Dreiecksseite folgt f¨ ur das statische Moment

4.3



 x dA =

a x

x y dx = 0

Fl¨achenschwerpunkt

103

a h x3  h 1 x dx = = h a2 . a a 3 0 3

Setzen wir noch den Fl¨ acheninhalt des Dreiecks A = a h/2 in die Formel f¨ ur die Schwerpunktskoordinate ein, so finden wir  1 h a2 1 2 xs = = a. x dA = 31 A 3 2a h Zur Bestimmung der Schwerpunktskoordinate ys w¨ahlen wir das Fl¨ achenelement dA = (a−x)dy nach Abb. 4.9c. Diesmal haben alle Teile des Elements den gleichen Abstand y von der x-Achse. Mit x(y) = a y/h finden wir 

 y dA =

y (a − x) dy = 

=

h  a  y a − y dy h 0

h y a y  a h2 a− =  2 h 3 0 6 2

3

und erhalten endg¨ ultig  1 a h2 1 1 y dA = 61 ys = = h. A 3 a h 2 Man kann zur Ermittlung der Schwerpunktskoordinate ys auch das Fl¨ achenelement dA nach Abb. 4.9b w¨ ahlen. Da dann aber nicht alle Punkte des Elements den gleichen Abstand von der xAchse haben, ist f¨ ur den Abstand y in (4.11) die Schwerpunktskoordinate y¯ = y/2 des Elements einzusetzen (Abb. 4.9d):   1 1 y dA . y¯ dA = ys = A A 2 Mit dA = y dx, y = h x/a, A = ah/2 und 

a y dA =

2

a

y dx = 0

0

h2 2 1 x dx = ah2 a2 3

erhalten wir wieder das bereits bekannte Ergebnis

104

4 Schwerpunkt

ys =

1 1 2 2 3 ah 1 2 ah

=

1 a. 3

Es sei erw¨ ahnt, dass man zur Ermittlung der Schwerpunktskoordinaten nat¨ urlich auch das Fl¨ achenelement dA = dxdy nach Abb. 4.6 w¨ ahlen kann. Dann muss man sowohl u ¨ber x als auch u ¨ber y integrieren. Wir wollen darauf hier nicht eingehen.

B4.4

Gesucht ist der Schwerpunkt der Fl¨ache, die nach Abb. 4.10a von einer quadratischen Parabel begrenzt wird.

Beispiel 4.4

a

y

a

2x S

h

dy

b

a

dA = 2xdy

x

Abb. 4.10

L¨ osung Wir legen den Koordinatenursprung in den Scheitel der Parabel (Abb. 4.10b). Wegen der Symmetrie liegt der Schwerpunkt S auf der y-Achse. Wir w¨ ahlen zur Ermittlung seiner H¨ohe  y dA ys =  dA

das gekennzeichnete Fl¨ achenelement dA = 2 x dy; alle Punkte dieses Fl¨ achenelements haben den gleichen Abstand y von der xAchse. Mit der Parabelgleichung (f¨ ur x = a muss y = h sein)  a2 y h y = 2 x2 bzw. x = a h werden  A=

h 

 dA =

2 x dy = 2 0

h  a2 y a2 2 3/2  4 dy = 2 y  = a h,  h h 3 3 0

4.3





h

y2

y dA = 0

und daher  y dA ys =  = dA

Fl¨achenschwerpunkt

105

h  a2 y a2 2 5/2  4 dy = 2 y  = a h2  h h 5 5 0

4 2 5a h 4 3a h

=

3 h. 5

Bemerkenswert am Ergebnis ist, dass die Schwerpunktsh¨ohe ys nicht von der Breite a der Parabel abh¨ angt. Beispiel 4.5 Gesucht ist die Schwerpunktslage f¨ ur einen Kreisaus-

schnitt nach Abb. 4.11a. y

rdϕ dA SE

r a

α

α

SE

dϕ b

ϕ

2r 3



y¯ x

ϕ

Abb. 4.11

L¨ osung Zur Bestimmung von ys (wegen Symmetrie gilt xs = 0)

f¨ uhren wir den Hilfswinkel ϕ ein und w¨ ahlen als Fl¨achenelement dA den gekennzeichneten Kreisausschnitt (Abb. 4.11b). Im Infinitesimalen darf der Kreisausschnitt durch ein Dreieck mit der Grundseite r dϕ und der H¨ ohe r ersetzt werden, dessen Schwerpunktskoordinate bei 2/3 der H¨ ohe liegt. Der Schwerpunkt SE des Elementes hat daher von der x-Achse den Abstand 2 y¯ = r sin ϕ . 3 Mit dA = 12 r dϕ r = 12 r2 dϕ finden wir die Schwerpunktslage aus  (π/2)+α 1 2 2  3 r sin ϕ 2 r dϕ y¯ dA (π/2)−α ys =  = =  (π/2)+α dA 1 2 2 r dϕ (π/2)−α

B4.5

106

4 Schwerpunkt

(π/2)+α  1 3 r (− cos ϕ) 3 (π/2)−α = (π/2)+α 1 2  r ϕ 2 (π/2)−α =

2 sin α 1 cos( π2 − α) − cos( π2 + α) r = r . 3 α 3 α

π das Im Sonderfall einer Halbkreisfl¨ ache folgt hieraus f¨ ur α = 2 Ergebnis ys = B4.6

4r . 3π

Beispiel 4.6

Wo liegt der Schwerpunkt bei dem L-Profil nach

Abb. 4.12a? y

y 1

t

S1

8a

l1= 8a

S t

a

S2

ys

5a

b

ta

2

xs

x

x c

l2= 5a Abb. 4.12

L¨ osung Wir legen den Koordinatenursprung in die linke untere Ecke und zerlegen die Fl¨ ache in zwei Rechtecke (Abb. 4.12b) mit den Fl¨ achen

A1 = 8 a t ,

A2 = (5 a − t) t

und den Schwerpunktskoordinaten x1 =

t , 2

y1 = 4 a ,

x2 =

5a + t 5a − t +t= , 2 2

y2 =

t . 2

4.3

Fl¨achenschwerpunkt

107

Aus (4.13) folgt damit t 5a + t  8at + (5 a − t) t xi Ai 2 2 = xs =  Ai 8 a t + (5 a − t)t

 2 1 t 8 t 25 2 t3 − 1+ a t− 4at + 25 a 25 a 2 2 = 25 a = . 1 t 8 a t + 5 a t − t2 26 1− 13 a 2

Entsprechend findet man in der y-Richtung  yi Ai ys =  Ai

 2 1 t 5 t t − 1+ 4 a 8 a t + (5 a − t) t 32 64 a 64 a 2 a = = . 1 t 13 13 a t − t2 1− 13 a

F¨ ur ein d¨ unnwandiges Profil t a (Abb. 4.12c) k¨onnen wir t/a assigen und erhalten dann und (t/a)2 als klein gegen 1 vernachl¨ xs =

25 a, 26

ys =

32 a. 13

Aus dem gleichschenkligen Dreieck nach Abb. 4.13a ist ein Kreis ausgespart. Wo liegt der Schwerpunkt S der Fl¨ache?

Beispiel 4.7

y 1

h

r

S1

ys

h/4 a

2

S

a

b

x

S2 c

Abb. 4.13

L¨ osung Wegen der Symmetrie liegt S f¨ ur das in Abb. 4.13b gew¨ahlte Koordinatensystem auf der y-Achse. Wenn aus einer Fl¨ache

B4.7

108

4 Schwerpunkt

Teile ausgespart sind, arbeitet man zweckm¨aßig mit negativen“ ” Fl¨ achen: die gegebene Fl¨ ache wird als Differenz zweier Teilfl¨achen mit bekannten Schwerpunktslagen aufgefasst. Im Beispiel muss daher vom Volldreieck 1 der Kreis 2 abgezogen werden (Abb. 4.13c). Mit A1 =

1 ah, 2

y1 =

h , 3

A2 = π r2 ,

y2 =

h 4

wird h 3 π r2 h 1 a h − π r2 1− y1 A1 − y2 A2 h 4 2 ah . = 3 2 = ys = 1 A1 − A2 3 2π r2 2 ah − πr 1− 2 ah F¨ ur kleine Kreise π r2 a h/2 n¨ ahert sich der Gesamtschwerpunkt dem Dreiecksschwerpunkt bei h/3.

Tabelle 4.1 Schwerpunktskoordinaten Fl¨ ache

Fl¨ acheninhalt

Schwerpunktslage

rechtwinkliges Dreieck y S h

A=

1 ah 2

xs =

2 h a, ys = 3 3

A=

1 [(x2 − x1 )(y3 − y1 ) 2

xs =

1 (x1 + x2 + x3 ) 3

−(x3 − x1 )(y2 − y1 )]

ys =

1 (y1 + y2 + y3 ) 3

x

a

beliebiges Dreieck x 3 , y3

y x 1 , y1

S x 2 , y2

x

4.3

Fl¨achenschwerpunkt

109

Tabelle 4.1 Schwerpunktskoordinaten (Fortsetzung) Fl¨ ache

Fl¨ acheninhalt

Schwerpunktslage

A = ah

S liegt im Schnittpunkt der Diagonalen

Parallelogramm h

S a Trapez y b S

A=

h

h (a + b) 2

S liegt auf der Seitenhalbierenden h a + 2b ys = 3 a+b

x

a

Kreisausschnitt y r α S α x

A = α r2

xs =

2 sin α r 3 α

π 2 r 2

xs =

4r 3π

xs =

s3 12 A

Halbkreis y A=

S x

r

Kreisabschnitt y

r α S α

A=

s x

1 2 r (2 α − sin 2 α) 2

=

sin3 α 4 r 3 2 α − sin 2 α

quadratische Parabel y S a

2 A = ab 3

b x

xs =

3 a 5

ys =

3 b 8

110

4.4

4 Schwerpunkt

4.4 Linienschwerpunkt Die Koordinaten des Schwerpunktes S einer Linie in einer Ebene (Abb. 4.14) errechnen sich analog zu denen der Fl¨ache. Ersetzt man in (4.11) das Fl¨ achenelement dA durch das Linienelement ds und die Fl¨ ache A durch die L¨ ange l der Linie, so erh¨alt man 1 xs = l



1 ys = l

x ds ,

 y ds .

(4.14)

Bei einer geraden Linie liegt der Schwerpunkt auf ihr in der Mitte; bei einer gekr¨ ummten Linie liegt er im allgemeinen außerhalb. Die Gleichungen (4.14) k¨ onnen z.B. angewendet werden zur Berechnung des Schwerpunktes eines gebogenen homogenen Drahtes oder zur Ermittlung der Lage der Resultierenden von Kr¨aften, die l¨ angs einer Linie gleichf¨ ormig verteilt sind. y ds ys

s

S

xs

x

Abb. 4.14

Besteht die Linie aus Teilst¨ ucken bekannter L¨angen li mit bekannten Schwerpunktslagen xi bzw. yi , so folgt aus (4.14) analog zu (4.13) die Lage des Schwerpunktes aus  xi li xs =  , li

 y i li ys =  . li

(4.15)

Wendet man diese Formeln z.B. zur Berechnung der Schwerpunktskoordinaten des linienf¨ ormigen Profils nach Abb. 4.12c an, so erh¨alt man xs =

0 · 8 a + 52 a 5 a 25 = a, 8a + 5a 26

ys =

32 4a8a + 0 · 5a = a. 8a + 5a 13

4.4

Linienschwerpunkt

111

Dies stimmt mit dem Ergebnis in Beispiel 4.6 f¨ ur das d¨ unnwandige Profil u ¨berein. Wo liegt der Schwerpunkt eines Kreisbogens (Abb. ¨ 4.15a) mit dem Offnungswinkel 2α?

Beispiel 4.8

y ds



r

s

α ϕ

α a

S

x

b

Abb. 4.15

L¨ osung Wegen der Symmetrie liegt S auf der x-Achse: ys = 0

(Abb. 4.15b). Wir z¨ahlen einen Winkel ϕ von der x-Achse und k¨ onnen wegen des konstanten Radius r die Bogenl¨ange ds durch r dϕ ersetzen: ds = r dϕ. Mit x = r cos ϕ folgt dann aus (4.14)  x ds = xs =  ds

+α 

r cos ϕ r dϕ

−α +α 

= r dϕ

sin α 2 r2 sin α =r . 2rα α

−α

π Im Sonderfall des Halbkreisbogens folgt hieraus mit α = die 2 Lage xs =

2r . π

Der Schwerpunkt einer Halbkreisfl¨ ache (xs = 4 r/(3π), vgl. Tabelle 4.1) liegt wesentlich n¨ aher zum Kreismittelpunkt hin.

B4.8

112

4.5

4 Schwerpunkt

4.5 Zusammenfassung • Der Schwerpunkt eines K¨ orpers ist derjenige Punkt, in dem man sich das r¨ aumlich verteilte Gewicht konzentriert denken kann, ohne dass sich die statische Wirkung ¨andert. Seine Koordinaten ergeben sich aus    x  dV y  dV z  dV xs =  , ys =  , zs =  .  dV  dV  dV Analoge Definitionen gelten f¨ ur den Massenmittelpunkt und den Volumenmittelpunkt. • Achsen durch den Schwerpunkt heißen Schwerachsen. Symmetrieachsen sind Schwerachsen. • Die Fl¨ achenmomente erster Ordnung sind definiert durch   Sx = y dA . Sy = x dA , • Die Fl¨ achenmomente erster Ordnung in Bezug auf die Schwerachsen sind Null. • Die Koordinaten des Fl¨ achenschwerpunkts folgen aus   1 1 x dA , ys = y dA . xs = A A • Wenn ein K¨ orper (Fl¨ ache, Linie) aus Teilk¨orpern (Teilfl¨achen, Linienelementen) besteht, deren Schwerpunktskoordinaten bekannt sind, so sind Integrationen nicht erforderlich. Dann ergeben sich zum Beispiel die Koordinaten des Fl¨achenschwerpunkts aus   xi Ai yi Ai , ys =  . xs =  Ai Ai Analoges gilt f¨ ur K¨ orper und Linien. • Bei K¨ orpern (Fl¨ achen) mit Ausschnitten werden die Ausschnitte als negative“ Volumina ( negative“ Fl¨achen) angesehen. ” ”

Kapitel 5 Lagerreaktionen

5

5 Lagerreaktionen 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.4

Ebene Tragwerke ............................................... Lager .............................................................. Statische Bestimmtheit ........................................ Berechnung der Lagerreaktionen ............................ R¨aumliche Tragwerke .......................................... Mehrteilige Tragwerke ......................................... Statische Bestimmtheit ........................................ Dreigelenkbogen ................................................ Gelenkbalken..................................................... Kinematische Bestimmtheit .................................. Zusammenfassung ..............................................

115 115 118 121 123 126 126 132 135 138 144

Lernziele: Die Studierenden sollen die wichtigsten Lagerungsarten von einteiligen Tragwerken sowie die verschiedenen Verbindungselemente mehrteiliger Tragwerke unterscheiden und nach ihrer Wertigkeit klassifizieren k¨ onnen. Sie sollen erkennen k¨ onnen, ob ein Tragwerk statisch und kinematisch bestimmt ist. Schließlich sollen sie in der Lage sein, die bei einem belasteten Tragwerk in den Lagern und Verbindungelementen auftretenden Kr¨ afte und Momente zu bestimmen. Hierzu geh¨oren als wichtigste Schritte die Skizze des Freik¨ orperbildes sowie die sachgerechte Anwendung der Gleichgewichtsbedingungen.

5.1

Ebene Tragwerke

115

5.1

5.1 Ebene Tragwerke 5.1.1 Lager

Tragwerke werden nach ihrer geometrischen Form und nach der Belastung in verschiedene Klassen eingeteilt. Ein Bauteil, dessen Querschnittsabmessungen sehr viel kleiner sind als seine L¨angsabmessung und das nur in Richtung seiner Achse (Zug oder Druck) beansprucht wird, heißt Stab (vgl. Abschnitt 2.4). Beansprucht man ein solches Bauteil quer zu seiner Achse, so nennt man es einen Balken. Ein gekr¨ ummter Balken heißt Bogen. Tragwerke, die aus abgewinkelten, starr miteinander verbundenen Balken zusammengesetzt sind, werden als Rahmen bezeichnet. Ebene Bauteile (Dicke klein gegen L¨ angen der Seiten) heißen Scheiben, wenn sie in ihrer Ebene und Platten, wenn sie quer dazu belastet werden. Ein gekr¨ ummtes Fl¨achentragwerk nennt man Schale. F1

F2

1111111111 0000000000 0000000000 1111111111 0000000000 1111111111 0000000000 1111111111 0000000000 1111111111 0000000000 1111111111 0000000000 1111111111 A

F1

Fi

F2

Fi

B

A

B

S

Abb. 5.1 a

b

Tragwerke sind durch Lager mit ihrer Umgebung verbunden. Die Lager dienen einerseits dazu, eine gew¨ unschte Lage des Tragwerkes im Raum zu erzeugen, andererseits u ¨bertragen sie Kr¨afte. Als Beispiel betrachten wir in Abb. 5.1a ein Dach“, das im Punkt ” A mit einer lotrechten Wand gelenkig verbunden und im Punkt B u utzt ist. Das Dach ist ¨ber einen Stab S gegen den Boden abgest¨ ¨ durch eingepr¨ agte Kr¨ afte Fi belastet. Uber die Lager A und B werden Kr¨ afte in die Wand und in den Boden u ¨bertragen. Die gleichen Kr¨ afte werden nach dem Wechselwirkungsgesetz (actio = reactio) in entgegengesetzter Richtung von der Wand und vom Boden auf das Dach ausge¨ ubt. Diese Kr¨ afte von der Umgebung auf das

116

5 Lagerreaktionen

Tragwerk sind Reaktionskr¨ afte (vgl. Abschnitt 1.4). Wir wollen sie als Lagerreaktionen bezeichnen. Sie werden im Freik¨orperbild (Abb. 5.1b) sichtbar gemacht. Man bezeichnet sie im allgemeinen wie die Lager selbst, d.h. im Beispiel mit A und B. Im weiteren werden wir uns auf einteilige Tragwerke in der Ebene beschr¨ anken, die in ihrer Ebene belastet sind. Ein K¨orper, der keiner Bindung unterworfen ist, hat in der Ebene drei unabh¨angige Bewegungsm¨ oglichkeiten oder Freiheitsgrade: je eine Translation in zwei Richtungen und eine Drehung um eine zur Ebene senkrechte Achse (vgl. Abschnitt 3.1.4). Durch Lager (Bindungen) werden die Bewegungsm¨ oglichkeiten eingeschr¨ankt: jede Lagerreaktion u orper aus (wirkt als Fessel). Ist ¨bt einen Zwang auf den K¨ r die Anzahl der Lagerreaktionen, so gilt f¨ ur die Anzahl f der Freiheitsgrade eines K¨ orpers in der Ebene f =3−r

(5.1)

(Ausnahmef¨ alle in Abschnitt 5.1.2). Wir wollen im folgenden verschiedene Arten der Lagerung betrachten und die Lagertypen nach der Anzahl der Reaktionen klassifizieren. Einwertige Lager k¨ onnen nur eine einzige Reaktion u ¨bertragen (r = 1). Beispiele f¨ ur diesen Lagertyp sind Rollenlager, Gleitlager und St¨ utzstab (Pendelst¨ utze), vgl. Abb. 5.2a–c. Die Richtung der Lagerkraft ist jeweils bekannt (hier vertikal), unbekannt ist ihr Betrag.

11111 00000

A

d

a

A

11111 00000 00000 111111 00000 11111 000000 11111 b

c

e

f

Abb. 5.2

Abbildung 5.2f zeigt das Freik¨ orperbild f¨ ur das Rollenlager. Idealisieren wir die Ber¨ uhrungsfl¨ achen als glatt, so stehen alle

5.1

Ebene Tragwerke

117

Kontaktkr¨ afte senkrecht zu den jeweiligen Ber¨ uhrungsebenen. Damit ist die Richtung der Lagerkraft A auf das Tragwerk gegeben. Abbildung 5.2e deutet die durch das Lager nicht eingeschr¨ankten Bewegungsm¨ oglichkeiten an: eine waagerechte Verschiebung und eine Drehung. Eine Bewegung in vertikaler Richtung ist durch die Bindung ausgeschlossen. Falls die Lagerkraft A ihr Vorzeichen umkehrt, muss durch eine geeignete Konstruktion ein Abheben des Lagers verhindert werden. Einwertige Lager werden wir im weiteren durch das Symbol in Abb. 5.2d darstellen. Zweiwertige Lager k¨ onnen zwei Reaktionen u ¨bertragen (r = 2). Als Beispiele daf¨ ur betrachten wir das gelenkige Lager (Festlager) oder die Doppelst¨ utze (Abb. 5.3a, b), die symbolisch durch Abb. 5.3c dargestellt werden. AH c

1111 00000000 0000 0000 11111111 1111 a

b

AV A A

AV

AH d

e

Abb. 5.3

Nach Abb. 5.3d l¨asst das gelenkige Lager nur eine Drehung, aber keinerlei Verschiebung zu. Es kann demnach eine Lagerkraft A beliebiger Gr¨ oße und Richtung mit einer Horizontalkomponente AH und einer Vertikalkomponente AV aufnehmen (Abb. 5.3e). Weitere M¨ oglichkeiten eines zweiwertigen Lagers sind die Parallelf¨ uhrung und die Schiebeh¨ ulse (Abb. 5.4a, b). Die Freik¨orperbilder (Abb. 5.4c, d) zeigen, dass in beiden F¨ allen je eine Kraftkomponente und ein Moment u ¨bertragen werden k¨onnen. Eine Verschiebung der Lager in jeweils eine Richtung ist m¨oglich, nicht jedoch eine Verschiebung in die andere Richtung oder eine Drehung. Tritt zu einer Doppelst¨ utze ein etwas versetzter dritter St¨ utzstab hinzu (Abb. 5.5a), so geht der Freiheitsgrad der Drehung verloren: das Tragwerk wird unbeweglich. Das Lager kann zus¨atzlich

11 00 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11 118

5 Lagerreaktionen

MA AH

a

c

MA

b

AV

d

Abb. 5.4

zu den beiden Kraftkomponenten ein Kr¨ aftepaar (Moment) u ¨bertragen und ist daher ein dreiwertiges Lager: r = 3. Gleiche Verh¨ altnisse liegen bei der Einspannung nach Abb. 5.5b vor, die symbolisch in Abb. 5.5c dargestellt ist. Das Freik¨orperbild (Abb. 5.5d) zeigt, dass die Einspannung eine nach Gr¨oße und nach Richtung unbekannte Lagerkraft A (bzw. AH und AV ) und ein Einspannmoment MA aufnehmen kann.

1111 0000 a

1 0 0 1 0 1 0 1 b

1 0 0 1 0 1 0 1 c

MA AH

A d

AV Abb. 5.5

5.1.2 Statische Bestimmtheit

Ein Tragwerk heißt statisch bestimmt gelagert, wenn die Lagerreaktionen aus den drei Gleichgewichtsbedingungen (3.12) berechenbar sind. Da dann die Anzahl der Unbekannten mit der Anzahl der Gleichungen u ussen in den Lagern ¨bereinzustimmen hat, m¨ drei unbekannte Reaktionen (d.h. Moment oder Kr¨afte) auftreten: r = 3. Dass diese notwendige Bedingung nicht auch hinreichend f¨ ur die Bestimmbarkeit der Lagerreaktionen ist, werden wir noch erl¨ autern. Der Balken nach Abb. 5.6a besitzt ein zweiwertiges Lager A und ein einwertiges Lager B. Es treten also drei unbekannte Lagerreaktionen AH , AV und B auf. Mit r = 3 folgt aus (5.1), dass der Balken keine Bewegungsm¨ oglichkeit hat: f = 3 − r = 0. Er ist statisch bestimmt gelagert.

5.1

Ebene Tragwerke

119

Der Balken nach Abb. 5.6b ist am linken Ende eingespannt. Die drei Lagerreaktionen bestehen aus den Kraftkomponenten AH und AV sowie dem Einspannmoment MA . In Abb. 5.6c ist eine durch drei einwertige Pendelst¨ utzen A, B und C gelagerte Scheibe dargestellt. Mit r = 3 und f = 0 ist in beiden F¨ allen die Lagerung statisch bestimmt. q0

F

A

B a

11 00

F1

1 0 0 1 0 1

q0

A

M0

b

C

F

C

P F2

A

111 000 000 111

c

B

A

B

11 00

e

F

A

B

C

11 000 111 111 00 000 d

Abb. 5.6

Abbildung 5.6d zeigt dagegen einen Balken, der durch drei parallele St¨ utzst¨ abe A, B und C gelagert ist. Auch hier ist die Anzahl der unbekannten Lagerkr¨ afte gleich der Anzahl der Gleichgewichtsbedingungen: die notwendige Bedingung f¨ ur statische Bestimmtheit ist also erf¨ ullt. Dennoch lassen sich die Lagerkr¨afte nicht aus den Gleichgewichtsbedingungen berechnen. Aus r = 3 folgt hier nicht f = 0 (Ausnahmefall!): der Balken ist in waagerechter Richtung verschieblich. Solche Ausnahmef¨alle m¨ ussen wir ausschließen. Ein Tragwerk, das endliche oder infinitesimale Bewegungen ausf¨ uhren kann, nennen wir kinematisch unbestimmt (vgl. auch Abschnitte 5.3.4 und 6.1).

120

5 Lagerreaktionen

Auch die Scheibe nach Abb. 5.6e ist kinematisch unbestimmt. Die Wirkungslinien der Lagerkr¨ afte schneiden sich im Punkt P ; die Lagerung erlaubt daher eine infinitesimale Drehung um diesen Punkt. Dass die Lagerungen in den Abb. 5.6d und e nicht statisch bestimmt sind, erkennt man sofort anschaulich: beim Balken ist die Gleichgewichtsbedingung f¨ ur die Horizontalkomponenten der  Kr¨ afte nicht erf¨ ullbar ( FiH = 0), bei der Scheibe kann das  (P ) Momentengleichgewicht bez¨ uglich P nicht erf¨ ullt werden ( Mi = 0). Ein Tragwerk ist im ebenen Fall dann statisch und kinematisch bestimmt gelagert, wenn es unbeweglich ist und genau drei Lagerreaktionen auftreten. Diese k¨ onnen sein a) drei Kr¨ afte, die nicht alle parallel und nicht zentral sind, b) zwei Kr¨ afte und ein Moment, wobei die Kr¨afte nicht parallel sind. Es sei ausdr¨ ucklich darauf hingewiesen, dass die statische Bestimmtheit nur von der Lagerung und nicht von der Belastung eines Tragwerks abh¨ angt. Bringen wir an einem statisch bestimmt gelagerten Tragwerk weitere Lager an, so treten mehr als drei Lagerreaktionen auf. Eine Berechnung der Reaktionen aus den drei Gleichgewichtsbedingungen allein ist dann nicht mehr m¨ oglich. Wir nennen ein solches Tragwerk statisch unbestimmt gelagert. Wird zum Beispiel der einseitig eingespannte Balken in Abb. 5.6b durch ein zus¨ atzliches einwertiges Lager B nach Abb. 5.7a unterst¨ utzt, so erh¨ oht sich die Anzahl der unbekannten Reaktionen von drei auf vier: der Balken ist dann einfach statisch unbestimmt gelagert.

1 0 0 1 0 1

A

a

q0

F1

M0

F2

B b

Abb. 5.7

Allgemein heißt ein Tragwerk x-fach statisch unbestimmt gelagert, wenn die Anzahl der unbekannten Lagerreaktionen um x

5.1

Ebene Tragwerke

121

gr¨ oßer ist als die Anzahl der zur Verf¨ ugung stehenden Gleichgewichtsbedingungen. Demnach ist der Balken in Abb. 5.7b wegen r = 2 + 3 · 1 = 5 zweifach statisch unbestimmt gelagert. Die Lagerreaktionen statisch unbestimmt gelagerter Tragwerke k¨ onnen bestimmt werden, wenn die Tragwerke nicht als starr angesehen, sondern ihre Verformungen ber¨ ucksichtigt werden. Die entsprechenden Verfahren werden in der Elastostatik (Band 2) behandelt. 5.1.3 Berechnung der Lagerreaktionen

Zur Ermittlung der Lagerreaktionen wenden wir das Schnittprinzip (vgl. Abschnitt 1.4) an: wir entfernen die Lager und ersetzen ihre Wirkung auf das Tragwerk durch die unbekannten Reaktionen. Als Beispiel betrachten wir den in Abb. 5.8a dargestellten Balken, der mit einer Pendelst¨ utze A und zwei Rollenlagern B und C gelagert ist. Die Lagerreaktionen machen wir im Freik¨orperbild (Abb. 5.8b) sichtbar. Ihre Richtungssinne k¨onnen wir dabei beliebig w¨ ahlen. Bei Pendelst¨ utzen halten wir uns allerdings an die Konvention f¨ ur St¨ abe: Zugkr¨ afte positiv. Liefert die Rechnung einen positiven Zahlenwert, so war die entsprechende Annahme richtig, w¨ ahrend bei einem negativen Vorzeichen die Reaktion in Wirklichkeit entgegengesetzt gerichtet ist.

1 0 0 1 0 1

F1

F2

F1

Fi

Abb. 5.8

Fi

F2

A

A B

C a

y b

x

B

C

Alle am freigeschnittenen Tragwerk angreifenden Kr¨afte (d.h. eingepr¨ agte Kr¨ afte und Reaktionskr¨ afte) m¨ ussen als Gleichgewichtsgruppe die Gleichgewichtsbedingungen (3.12) erf¨ ullen:   (P )  Fiy = 0 , Mi = 0 . (5.2) Fix = 0 , Dabei ist P ein beliebiger Bezugspunkt. Aus (5.2) lassen sich die Lagerreaktionen berechnen.

122

B5.1

5 Lagerreaktionen

Der in Abb. 5.9a dargestellte Balken ist durch eine Kraft F belastet, die unter dem Winkel α angreift. Gesucht sind die Lagerkr¨ afte in A und B.

Beispiel 5.1

F

F α A

F sin α

AH B

a l

a

F cos α

AV

b

α

b

B

Abb. 5.9

L¨ osung Der Balken ist unbeweglich gelagert; das Lager A ist zweiwertig, das Lager B einwertig. Es treten also die drei unbekannten Lagerreaktionen AH , AV und B auf: der Balken ist statisch bestimmt gelagert. Wir entfernen die Lager und zeichnen die Reaktionskr¨ afte in das Freik¨ orperbild (Abb. 5.9b) ein, wobei wir den Richtungssinn jeweils frei w¨ ahlen. Damit lauten die Gleichgewichtsbedingungen:

↑: →:  A:

AV − F sin α + B = 0 , AH − F cos α = 0 − a F sin α + l B = 0

(a) → AH = F cos α , a → B = F sin α . l

(b)

Mit der Kraft B nach (b) und a + b = l folgt aus (a)  b a AV = F sin α − B = 1 − F sin α = F sin α . l l Als Probe k¨ onnen wir eine weitere Momentengleichung verwenden:  B:

− l AV + b F sin α = 0



AV =

b F sin α . l

Gleichung (c) liefert im Gegensatz zur Gleichung (a) direkt die Lagerkraft AV . Die Anwendung der Gleichgewichtsbedingungen (3.14) an Stelle von (3.12) w¨ are hier also zweckm¨aßiger gewesen. B5.2

Der einseitig eingespannte Balken nach Abb. 5.10a ist durch zwei Kr¨ afte F1 und F2 belastet. Gesucht sind die Lagerreaktionen.

Beispiel 5.2

5.2

1 0 0 1 0 1

F1

AH

α a

AV

F2 l

a

123

F1

MA

b

A

R¨aumliche Tragwerke

F2

b

Abb. 5.10

L¨ osung Das Lager A ist dreiwertig. Als Lagerreaktionen treten

daher die zwei Kraftkomponenten AH und AV sowie das Einspannmoment MA auf. Die Reaktionen sind im Freik¨orperbild (Abb. 5.10b) sichtbar gemacht, wobei die Richtungssinne beliebig angenommen wurden. Aus den Gleichgewichtsbedingungen (5.2) folgt: AV − F2 cos α = 0

→ AV = F2 cos α ,

→:

AH + F1 + F2 sin α = 0

→ AH = −(F1 + F2 sin α) ,

 A:

MA + b F1 + l F2 cos α = 0 → MA = −(b F1 + l F2 cos α).

↑:

Die negativen Vorzeichen bei AH und bei MA zeigen, dass diese Reaktionen in Wirklichkeit entgegengesetzt zu den Richtungen wirken, die im Freik¨orperbild angenommen wurden.

5.2 R¨ aumliche Tragwerke Ein K¨ orper, der im Raum frei beweglich ist, hat sechs Freiheitsgrade: je eine Translation in x-, y- und z-Richtung und je eine Drehung um jede der drei Achsen. Durch Lager werden die Bewegungsm¨ oglichkeiten eingeschr¨ ankt. Wie in der Ebene werden dabei die verschiedenen Lagertypen nach der Anzahl der Reaktionen klassifiziert. Die Pendelst¨ utze nach Abb. 5.11a kann nur eine Kraft in Richtung ihrer Achse u ¨bertragen und ist daher auch im Raum ein einwertiges Lager (r = 1). Dagegen u agt das gelenkige La¨bertr¨ ger nach Abb. 5.11b im Raum drei Kraftkomponenten (in x-, yund z-Richtung) und ist somit dreiwertig (r = 3). Die Einspan-

5.2

124

5 Lagerreaktionen

nung (Abb. 5.11c) ist im Raum ein sechswertiges Lager (r = 6). Sie ist in der Lage, sowohl Kr¨ afte in den drei Koordinatenrichtungen als auch Momente um die drei Achsen aufzunehmen. Eine Schiebeh¨ ulse (Abb. 5.11d) kann zwei Momenten- und zwei Kraftkomponenten u ager um seine L¨angsachse ¨bertragen, wenn der Tr¨ drehbar ist (Kreisquerschnitt). Sie stellt dann ein vierwertiges Lager dar. Wenn eine Drehung um die L¨ angsachse nicht m¨oglich ist (z.B. bei einem rechteckigen Querschnitt), dann k¨onnen Momente um alle drei Achsen aufgenommen werden, und das Lager ist f¨ unfwertig.

z y x a

b

z

z y

y x

x

c

d

Abb. 5.11

Ein r¨ aumliches Tragwerk ist statisch bestimmt gelagert, wenn es unbeweglich ist und die Lagerreaktionen aus den sechs Gleichgewichtsbedingungen (3.34) berechnet werden k¨onnen. Daher m¨ ussen in den Lagern sechs Reaktionen auftreten. Sie werden wie bei einem ebenen Tragwerk durch Freischneiden ermittelt. B5.3

Der in A eingespannte rechtwinklige Hebel (Abb. 5.12a) wird durch eine Streckenlast q0 , zwei Kr¨afte F1 und F2 sowie ein Moment M0 belastet.

Beispiel 5.3

5.2

R¨aumliche Tragwerke

125

Gesucht sind die Lagerreaktionen. R = q0 b F2

F2 q0 A

M0 F1 b

a

a

z

y

Ax x MAx Ay A MAy z MAz

q0

M0 F1 b/2

b

Abb. 5.12

L¨ osung Die Einspannung ist im Raum ein sechswertiges Lager.

Als Lagerreaktionen treten die drei Kraftkomponenten Ax , Ay und Az sowie die Komponenten MAx , MAy und MAz des Einspannmomentes auf (Abb. 5.12b). Die Richtungssinne werden entsprechend den positiven Koordinatenrichtungen gew¨ ahlt. Die Streckenlast ersetzen wir durch ihre Resultierende R = q0 b. Aus den Gleichgewichtsbedingungen (3.34) folgt dann:  → Ax = − F1 , Fix = 0 : Ax + F1 = 0  Fiy = 0 : Ay − F2 = 0 → Ay = F2 ,  Fiz = 0 : Az − q0 b = 0 → Az = q0 b ,   

b q 0 b2 (A) Mix = 0 : MAx + M0 − (q0 b) = 0 → MAx = − M0 , 2 2 (A)

Miy = 0 : MAy + a(q0 b) = 0 (A)

Miz

= 0 : MAz − a F2 = 0

→ MAy = − q0 a b , → MAz = a F2 .

Ein r¨ aumlicher Rahmen ist in A, B und C gelagert (Abb. 5.13a). Er wird durch eine Streckenlast q0 , die Kr¨afte F1 , F2 und ein Moment M0 belastet. Gesucht sind die Lagerreaktionen.

Beispiel 5.4

L¨ osung Das gelenkige Lager A u agt die drei Kraftkomponen¨bertr¨

ten Ax , Ay , Az (Abb. 5.13b). Am Lager B wirken in Richtung der ahrend am bewegbeiden Pendelst¨ utzen die Kr¨ afte Bx und Bz , w¨ lichen Lager C nur eine Kraft C senkrecht zur Bewegungsebene,

B5.4

126

5 Lagerreaktionen

b

M0

q0 A a a

q0 a

F1 C

F2

B

Ax

z F2

Az

a

a/2 a/2

a/2 b

F1

M0

Ay

x

Bx

y

C

Bz

Abb. 5.13

d.h. in Richtung der z-Achse, auftritt. Damit lauten die Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur die Kr¨ afte  Fix = 0 : Ax + Bx − F2 = 0 , (a)  → Ay = F1 , Fiy = 0 : Ay − F1 = 0  Fiz = 0 : Az + Bz + C − q0 a = 0 . (b) Beim Momentengleichgewicht w¨ ahlen wir zweckm¨aßig Achsen durch den Punkt B: 

3 3 b (B) Mix = 0 : −2 a Az + a (q0 a) + b F1 = 0 → Az = q0 a+ F1 , 2 4 2a  (B) 1 → C = − M0 , Miy = 0 : a C + M0 = 0 a  (B) a 1 1 → Ax = − F1 + F2 . Miz = 0 : 2 a Ax + a F1 − F2 = 0 2 2 4

Mit den Ergebnissen f¨ ur Ax , Az und C erh¨ alt man aus (a) und (b) 1 3 Bx = − Ax + F2 = F1 + F2 , 2 4 1 b 1 F1 + M0 . Bz = q0 a − Az − C = q0 a − 4 2a a

5.3

5.3 Mehrteilige Tragwerke 5.3.1 Statische Bestimmtheit

Tragwerke bestehen oft nicht nur aus einem einzigen, sondern aus einer Anzahl von starren K¨ orpern, die in geeigneter Weise miteinander verbunden sind. Die Verbindungselemente u ¨bertragen

5.3

Mehrteilige Tragwerke

127

Kr¨ afte bzw. Momente, die man durch Schnitte sichtbar machen kann. Wir wollen uns hier auf ebene Tragwerke beschr¨anken. Die Verbindung zwischen je zwei starren Teilk¨orpern 1 und 2 kann zum Beispiel durch einen Pendelstab S, ein Gelenk G oder eine Parallelf¨ uhrung P erfolgen (Abb. 5.14a–c). Der Pendelstab u agt nur eine Kraft S in seiner L¨ angsrichtung. Die Zahl ¨bertr¨ v der Verbindungsreaktionen ist in diesem Fall v = 1. Das Gelenk kann dagegen eine Kraft in beliebiger Richtung (d.h. die beiden Kraftkomponenten GH und GV ) u ¨bertragen. Da es als reibungsfrei angenommen wird, setzt es einer Drehung keinen Wider¨ stand entgegen: die Ubertragung eines Momentes ist daher nicht m¨ oglich. Die Zahl der Verbindungsreaktionen ist hier demnach v = 2. Die Parallelf¨ uhrung (Querkraftgelenk) verhindert eine gegenseitige Verdrehung der beiden angeschlossenen Teilk¨orper und eine Verschiebung aufeinander zu, nicht aber eine vertikale Verschiebung. Deshalb kann sie nur eine horizontale Kraft N und ein Moment M u ¨bertragen. Auch hier gilt v = 2. Die Verbindungsreaktionen wirken nach dem Prinzip actio = reactio entgegengesetzt auf die Teilk¨ orper. S

S a

1

S

1

2

2

G b

1

GH 2

1

GH

GV M

P Abb. 5.14 c

1

2

1

GV 2

M N N

2

Zur Bestimmung der Lagerreaktionen und der in den Verbindungselementen u afte bzw. Momente verwenden ¨bertragenen Kr¨ wir das Schnittprinzip: wir trennen die einzelnen Teilk¨orper und entfernen die Lager. Die Wirkungen der Verbindungselemente und der Lager auf das Tragwerk ersetzen wir dabei durch die Verbindungs- und die Lagerreaktionen. F¨ ur jeden freigeschnittenen Teilk¨ orper k¨ onnen wir drei Gleichgewichtsbedingungen anschreiben. Besteht das Tragwerk aus n

128

5 Lagerreaktionen

Teilk¨ orpern, so stehen insgesamt 3 n Gleichungen zur Verf¨ ugung. Die Anzahl der in den Lagern auftretenden Reaktionen sei r, in den Verbindungselementen werden v Reaktionen u ¨bertragen. Wir nennen das Tragwerk statisch bestimmt, wenn wir aus den 3 n Gleichgewichtsbedingungen die r Lagerreaktionen und die v Bindekr¨ afte (und evtl. Bindemomente) berechnen k¨onnen. Notwendig daf¨ ur ist, dass die Anzahl der Gleichungen mit der Anzahl der Unbekannten u ¨bereinstimmt: r + v = 3n.

(5.3)

Wenn dar¨ uber hinaus das Tragwerk unbeweglich ist, dann ist es statisch bestimmt. Mit n = 1 und v = 0 ist in (5.3) auch der Sonderfall des statisch bestimmt gelagerten einteiligen ebenen Tragwerks enthalten (r = 3, vgl. Abschnitt 5.1.2). Als Beispiele betrachten wir die in Abb. 5.15 dargestellten mehrteiligen Tragwerke. Das Tragwerk nach Abb. 5.15a besteht aus n = 2 Balken 1 und 2 , die durch das Gelenk G miteinander verbunden sind. Das Gelenk kann v = 2 Kr¨afte u ¨bertragen. Mit der Einspannung A und der Pendelst¨ utze B sind r = 3 + 1 = 4 Lagerreaktionen vorhanden. Daher ist wegen 4 + 2 = 3 · 2 die not-

11 00 00 11 00 11

A

1

A

c

q0

1

G

G1

2

3

B

111 000 000 111

a

1 0 0 1 0 1 0 1

F1

F

q0

4

b

G4 B

A

F

q0

G3 G2 F2

F

q0

G 2

1

B

111 000

A

C

2

1

G

2

B

d

Abb. 5.15

5.3

Mehrteilige Tragwerke

129

wendige Bedingung (5.3) f¨ ur statische Bestimmtheit erf¨ ullt. F¨ ur das Tragwerk in Abb. 5.15b aus den drei Balken 1 bis 3 und der Scheibe 4 gilt n = 4. Die vier Gelenke G1 bis G4 u ¨bertragen v = 4 · 2 = 8 Verbindungsreaktionen. Das Lager A ist zweiwertig, die Lager B und C sind je einwertig; demnach wird r = 2 + 1 + 1 = 4. Einsetzen zeigt, dass die Bedingung (5.3) wieder erf¨ ullt ist: 4 + 8 = 3 · 4. Da beide Tragwerke zudem unbeweglich sind, sind sie statisch bestimmt. Wenn die Pendelst¨ utze der Abb. 5.15a nicht am Balken 2 sondern am Balken 1 angebracht ist (Abb. 5.15c), dann ist die notwendige Bedingung f¨ ur statische Bestimmtheit immer noch erf¨ ullt. Das Tragwerk ist dann aber kinematisch unbestimmt (Balken 2 beweglich) und somit unbrauchbar. Auch das System nach Abb. 5.15d ist kinematisch unbestimmt: das Gelenk G ist zwar nicht endlich aber doch noch infinitesimal nach oben bzw. nach unten verschieblich. Beispiel 5.5 Das Tragwerk nach Abb. 5.16a besteht aus dem Bal-

ken 1 und dem Winkel 2 , die durch das Gelenk G verbunden sind. Der Winkel ist bei A eingespannt; der Balken ist durch das Lager B gest¨ utzt. Das System wird durch eine Kraft F belastet. Gesucht sind die Lagerreaktionen und die Gelenkkraft. L¨ osung Es gilt r = 3 + 1 = 4, v = 2 und n = 2. Daher ist wegen 4 + 2 = 3 · 2 die Bedingung (5.3) erf¨ ullt. Das Tragwerk ist statisch bestimmt. Wir trennen die Teilk¨ orper 1 und 2 , entfernen die Lager und zeichnen das Freik¨orperbild (Abb. 5.16b). Dabei k¨onnen wir an einem der beiden Teilk¨ orper die Richtungssinne von GH und GV frei w¨ ahlen. Am anderen Teilk¨ orper liegen sie dann wegen actio = reactio fest. Gleichgewicht am Teilk¨ orper 1 liefert

→:

GH = 0 ,

 G:

(a + b)F − b B = 0



 B:

a F + b GV = 0



a+b F, b a GV = − F . b B=

B5.5

130

5 Lagerreaktionen

F

F 1

GV

1

2

GH

G B

h

B

b

GV

111 000

a

c

b

AV c

b

a

h

AH

A

a

2

GH

MA

F

B AH c

AV

MA

Abb. 5.16

Aus dem Gleichgewicht am Teilk¨ orper GH und GV folgen ↑ : − GV + AV = 0

2

und den Ergebnissen f¨ ur

→ AV = GV = −

a F, b

→ : − GH + AH = 0 → AH = GH = 0 ,  ac F. A : MA + h GH + c GV = 0 → MA = −h GH − c GV = b Die negativen Vorzeichen bei GV und AV zeigen, dass diese Kr¨afte in Wirklichkeit entgegengesetzt zu den in den Freik¨orperbildern angenommenen Richtungen wirken. Zur Probe k¨ onnen wir noch die Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur das Gesamtsystem (Abb. 5.16c) anwenden, wobei wir uns die gelenkige Verbindung als erstarrt vorstellen (Erstarrungsprinzip): ↑: →:  B:

− F + B + AV = 0



−F +

a a+b F − F = 0, b b

AH = 0 , a F + MA + h AH + (b + c)AV = 0 a ac F − (b + c) F = 0 . → aF + b b

5.3

Mehrteilige Tragwerke

131

Der symmetrische Bock in Abb. 5.17a besteht aus zwei Balken, die in C drehbar miteinander verbunden sind und die durch ein Seil S gehalten werden. Er ist durch einen glatten Zylinder vom Gewicht G belastet. Gesucht sind die Lagerreaktionen in A und B sowie die Seilkraft S und die Gelenkkraft in C. Das Gewicht des Bocks kann vernachl¨ assigt werden. Beispiel 5.6

G

G

a C

a S

a

AH

A

B a

a

a

AV

a

B

b

a

N2

N1 G

N2

45◦ 45◦

c

CV CH

1

N1 AH = 0

CV CH

45◦ S

a 2

a

S 45◦

AV = G/2

a

B = G/2 a

a

a

Abb. 5.17

L¨ osung Da nur drei Lagerreaktionen auftreten (Abb. 5.17b), k¨ on-

nen wir sie durch Anwenden der Gleichgewichtsbedingungen am Gesamtsystem ermitteln: →:  A:  B:

AH = 0 , −2aG + 4aB = 0



B = G/2 ,

− 4 a AV + 2 a G = 0



AV = G/2 .

(a)

B5.6

132

5 Lagerreaktionen

Zur Ermittlung der Seilkraft und der Gelenkkraft in C zerlegen wir das Tragwerk in die beiden Teilk¨ orper (n = 2). Im Gelenk C und im Seil S werden v = 2 + 1 = 3 Kr¨afte u ¨bertragen (Abb. 5.17c). Mit r = 3 ist die notwendige Bedingung (5.3) f¨ ur statische Bestimmtheit erf¨ ullt: 3 + 3 = 3 · 2. Da die Oberfl¨ ache des Zylinders glatt ist, wirken die Kontaktkr¨ afte N1 und N2 zwischen den Balken und √dem Zylinder normal zu den Ber¨ uhrungsebenen. Mit sin 45◦ = 2/2 folgt aus dem Gleichgewicht am Zylinder: √ √ 2 2 N2 − N1 = 0 →: → N 1 = N2 , 2 2 (b) √ √ √ 2 2 2 N2 + N 1 = 0 → N 1 = N2 = G. ↑: −G + 2 2 2 Gleichgewicht am Balken  C: ↑: →:

2

liefert mit (a) und (b):

√ 2 a N2 − a S + 2 a B = 0 → S = 2 B + 2 N2 = 2 G , √ √ 2 2 − N2 − CV + B = 0 → CV = B − N2 = 0 , 2 2 √ √ 2 2 5 N2 − CH − S = 0 → CH = − N2 − S = − G. − 2 2 2 √

uhrt auf dieselben Ergebnisse. Gleichgewicht am Balken 1 f¨ Aus Abb. 5.17c kann man durch Symmetriebetrachtungen ohne Rechnung erkennen: N1 = N2 und CV = 0. 5.3.2 Dreigelenkbogen

Der Tr¨ ager nach Abb. 5.18a heißt Zweigelenkbogen, da er in den zwei Lagern A und B gelenkig gelagert ist. Bei einer technischen Konstruktion ist der Bogen AB nicht starr, sondern verformt sich unter dem Einfluss von Kr¨ aften. Wenn B ein Rollenlager ist, kann dies zu einer großen, in der Praxis meist nicht zul¨assigen Verschiebung des Lagers f¨ uhren. Diese Verschiebung wird verhindert, wenn man zwei zweiwertige gelenkige Lager A und B anbringt. Damit geht zun¨achst die statische Bestimmtheit des Tr¨ agers verloren. Wir k¨onnen sie wie-

5.3

Mehrteilige Tragwerke

F2

F2 Fi

F1

G Fi

F1

B

A

B

A b

a

Abb. 5.18

133

der herstellen, wenn wir an einer beliebigen Stelle ein Gelenk G anbringen (Abb. 5.18b). Das so entstandene Tragwerk heißt Dreigelenkbogen. Es besteht aus n = 2 Teilk¨ orpern. Das Gelenk G kann v = 2 Kr¨ afte u ¨bertragen, und in den Lagern A und B treten r = 2+2 = 4 Lagerkr¨ afte auf. Wegen 4+2 = 3·2 ist die Bedingung (5.3) erf¨ ullt: der Dreigelenkbogen ist statisch bestimmt. Die beiden Teilk¨ orper eines Dreigelenkbogens m¨ ussen nicht unbedingt die Form von B¨ ogen besitzen. Ein Tragwerk, das aus zwei Teilk¨ orpern beliebiger Form besteht, die gelenkig miteinander verbunden sind (insgesamt: drei Gelenke), nennen wir ebenfalls Dreigelenkbogen. In Abb. 5.19 sind zwei Beispiele dargestellt: a) ein Rahmen und b) ein Fachwerk, das aus zwei in G verbundenen Teilfachwerken besteht. q0

F2

G

G Fi

F1

F1 F2 A

Abb. 5.19

B a

A

B b

Zur Ermittlung der Lager- und der Gelenkkr¨ afte eines Dreigelenkbogens zerlegen wir ihn in die beiden Teilk¨ orper 1 und 2 (vgl. Abb. 5.20a,b) und wenden auf jedes Teil die drei Gleichgewichtsbedingungen an. Aus den 2 · 3 = 6 Gleichungen k¨onnen die sechs Unbekannten AH , AV , BH , BV , GH und GV berechnet werden. Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur das Gesamtsystem (Erstarrungsprinzip) k¨ onnen als Rechenkontrollen dienen.

134

5 Lagerreaktionen

GH

G Fi

GV

Fi

Fk

GV

GH Fk 2

1

B

A

BH

AH AV

a

BV

b

Abb. 5.20

B5.7

Beispiel 5.7 Das Tragwerk in Abb. 5.21a besteht aus zwei Balken,

die in G gelenkig miteinander verbunden und in A und B gelenkig gelagert sind. Es wird durch die Kr¨ afte F1 = F und F2 = 2 F belastet. Wie groß sind die Lager- und die Gelenkkr¨afte?

11 00 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11

F1

F1 1

A

G

a

AH

a

F2

GH

B

a

GV

AV

GH GV

2

a

a

a F1

F2 BH

G

AH

b

AV

BV

F2 BH BV

c

Abb. 5.21

L¨ osung Das gegebene Tragwerk ist ein Dreigelenkbogen. Zur Er-

mittlung der gesuchten Lager- und Gelenkkr¨afte trennen wir die orperbild (Abb. 5.21b). Teilk¨ orper 1 und 2 und zeichnen das Freik¨ Damit lauten die Gleichgewichtsbedingungen am Balken 1

5.3

 A:

2 a GV − 3 a F1 = 0



 G:

− 2 a AV − a F1 = 0



→:

AH + GH = 0

und am Balken  B:  G:

Mehrteilige Tragwerke

135

3 3 F1 = F , 2 2 1 1 AV = − F1 = − F , 2 2

GV =

2

− a F2 − 2 a GV + 2 a GH = 0 , 2 a BH − 2 a BV + a F2 = 0 , BH − GH = 0 .

→:

Durch Aufl¨ osen erh¨alt man GH =

1 5 F2 + GV = F , 2 2

BH = GH =

5 F, 2

BV =

1 7 F2 + BH = F , 2 2

AH = − GH = −

5 F. 2

Zur Kontrolle bilden wir das Kr¨ aftegleichgewicht am Gesamtsystem nach Abb. 5.21c: ↑: →:

7 1 AV + BV − F1 − F2 = 0 → − F + F − F − 2 F = 0 , 2 2 5 5 AH + BH = 0 → − F + F = 0. 2 2

5.3.3 Gelenkbalken

Bei der Konstruktion von Tragwerken mit großer Spannweite ist es oft n¨ otig, mehr als zwei Lager anzubringen. Als Beispiel diene der Tr¨ ager in Abb. 5.22a. Er ist nach Abschnitt 5.1.2 wegen r = 5 zweifach statisch unbestimmt gelagert. Die Berechnung der Lagerkr¨ afte aus den Gleichgewichtsbedingungen allein ist also nicht m¨ oglich. Wenn wir (¨ ahnlich wie beim Dreigelenkbogen) den durchlaufenden Tr¨ ager durch geeignetes Einf¨ ugen von Gelenken in mehrere Teilk¨ orper zerlegen, erhalten wir ein aus Balken bestehen-

136

5 Lagerreaktionen

F

q0

a

F

q0 G1

G2

G1

G2

F

q0

c

b

Abb. 5.22

des, mehrteiliges Tragwerk, das dann statisch bestimmt ist. Wir nennen dieses Tragwerk Gelenkbalken oder Gerber-Tr¨ ager (nach Heinrich Gottfried Gerber, 1832–1912). Ist die Anzahl der Gelenke g, so wird der Durchlauftr¨ager in n = g + 1 Teilk¨ orper (Balken) zerlegt. Da jedes Gelenk zwei Kr¨ afte u ¨bertragen kann, ist die Anzahl der Verbindungsreaktionen v = 2 g. Die notwendige Bedingung f¨ ur statische Bestimmtheit folgt damit aus (5.3) zu r + v = 3n



r + 2 g = 3(g + 1) .

(5.4)

Daraus ergibt sich f¨ ur die Anzahl der notwendigen Gelenke g = r − 3.

(5.5)

F¨ ur den Tr¨ ager in Abb. 5.22a gilt r = 5. Damit werden nach (5.5) g = 5−3 = 2 Gelenke ben¨ otigt. Es gibt verschiedene M¨oglichkeiten, diese Gelenke anzubringen; von ihrer Lage h¨angen die Lager- und die Gelenkkr¨ afte ab. Eine m¨ ogliche Anordnung ist in Abb. 5.22b dargestellt. Dagegen zeigt Abb. 5.22c eine Anordnung der Gelenke, die auf ein bewegliches (kinematisch unbestimmtes) Tragwerk f¨ uhrt und daher unzul¨ assig ist. Zur Ermittlung der Lager- und der Gelenkkr¨afte zerlegen wir den Gelenkbalken in seine Teilk¨ orper und wenden auf jeden Balken die Gleichgewichtsbedingungen an. B5.8

Der in Abb. 5.23a dargestellte Gelenkbalken wird durch eine Einzelkraft F und eine Streckenlast q0 belastet. Wie groß sind die Lager- und die Gelenkkr¨afte?

Beispiel 5.8

5.3

Mehrteilige Tragwerke

q0 F G

A 2l

B

q0

AH

F

C

B

AV

2l

l

137

C

c

a

R = 2q0 l q0

AH

2

GH G H

1

b

Abb. 5.23

GV

AV

GV

B

F C

L¨ osung Wir trennen die beiden Teilk¨ orper und zeichnen das Frei-

k¨ orperbild (Abb. 5.23b). Die Streckenlast ersetzen wir durch die statisch ¨ aquivalente Einzelkraft R = 2 q0 l, die in der Mitte des Balkens 1 angreift. Es ist meist zweckm¨ aßig, Momentengleichungen um die Gelenke und um die Lager zu verwenden. Dann lassen sich der Reihe nach die Unbekannten aus jeweils einer Gleichung berechnen. Damit lauten die Gleichgewichtsbedingungen am Teilsystem 1  A:  G: →:

− l R + 2 l GV = 0



− 2 l AV + l R = 0



1 R = q0 l , 2 1 AV = R = q0 l , 2 GV =

− AH + GH = 0

und am Teilsystem

2

 B:  C:

l GV + 2 l C = 0 ,

→:

− GH + F = 0

3 l GV − 2 l B = 0 , →

GH = F .

Aufl¨ osen liefert AH = GH = F , C=−

B=

3 3 G = q0 l , 2 V 2

1 1 GV = − q0 l . 2 2

138

5 Lagerreaktionen

Zur Kontrolle bilden wir das Kr¨ aftegleichgewicht am Gesamtsystem (Abb. 5.23c): →: ↑:

− AH + F = 0



−F + F = 0,

AV − 2 q0 l + B + C = 0 →

q0 l − 2 q0 l +

3 1 q0 l − q0 l = 0 . 2 2

5.3.4 Kinematische Bestimmtheit

Wir wollen in diesem Abschnitt die Begriffe der statischen und kinematischen Bestimmtheit bzw. Unbestimmtheit etwas ausf¨ uhrlicher betrachten, als wir das in Abschnitt 5.3.1 getan haben. Hierbei beschr¨ anken wir uns auf mehrteilige ebene Tragwerke. Die Zahl f der Freiheitsgrade eines ebenen Systems aus n starren K¨ orpern ohne Bindungen betr¨ agt 3n (3 Freiheitsgrade f¨ ur jeden K¨ orper). Sie wird durch die Zahl r der Bindungen durch Lager und die Zahl v der Verbindungen (Abb. 5.14) reduziert: f = 3 n − (r + v) .

(5.6)

Jeder Bindung r bzw. v ist dabei eine Lager- bzw. Bindungsreaktion zugeordnet, und die Zahl der zur Verf¨ ugung stehenden Gleichgewichtsbedingungen betr¨ agt 3n (3 f¨ ur jeden K¨orper). F¨ ur f > 0 ist das System beweglich und stellt zum Beispiel ein Getriebe dar. Ist dagegen f < 0, dann u ¨bersteigt die Zahl r + v der unbekannten Lager- und Bindungsreaktionen die Zahl 3n der Gleichgewichtsbedingungen um x. Das System ist dann statisch unbestimmt, wobei der Grad x der statischen Unbestimmtheit durch x = −f = r + v − 3 n

(5.7)

gegeben ist. Obwohl es bei statisch unbestimmten Systemen unm¨oglich ist, alle Lager- und Verbindungsreaktionen allein aus den Gleichgewichtsbedingungen zu bestimmen, k¨ onnen manchmal einzelne Lager- oder Verbindungsreaktionen ermittelt werden. So ist zum Beispiel das System nach Abb. 5.24a mit n = 2, r = 5 und v = 2 ein-

5.3

G

A

B

C

a

b

B

A

G1 G2

G

G3

B

G4 A Abb. 5.24

139

S

1 0 0 1 0 1 B

Mehrteilige Tragwerke

c

d

11 00 00 11 00 11 00 11 C

A

fach statisch unbestimmt gelagert. Aus den drei Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur den rechten Balken lassen sich jedoch bei gegebener Belastung die Komponenten der Gelenkkraft in G und die Kraft im Lager C unmittelbar bestimmen. Zwei andere Beispiele f¨ ur 1-fach bzw. 2-fach statisch unbestimmte Systeme sind in Abb. 5.24b,c dargestellt. F¨ ur beide Tragwerke k¨ onnen alle Lagerreaktionen aus den Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur das Gesamtsystem bestimmt werden: das System ist ¨ außerlich statisch bestimmt. Die Verbindungsreaktionen (Kraft im Pendelstab, Gelenkkr¨afte) zwischen den Teilen des Systems lassen sich jedoch nicht ermitteln, weshalb man das System auch als innerlich statisch unbestimmt bezeichnet. Statisch unbestimmte Systeme k¨ onnen im Ausnahmefall endlich oder infinitesimal beweglich, d.h. kinematisch unbestimmt sein. So ist zum Beispiel das System nach Abb. 5.24d mit n = 2, r = 5 und v = 2 einfach statisch unbestimmt gelagert. Man erkennt, dass das System trotzdem nicht starr ist, sondern der lotrechte Balken eine infinitesimale Drehung um G ausf¨ uhren kann. Ein solches System ist als Tragwerk nicht brauchbar. F¨ ur f = 3n − (r + v) = 0 ist schließlich die notwendige Bedingung f¨ ur statische Bestimmtheit erf¨ ullt (vgl. (5.3)). In diesem Fall k¨ onnen alle Lager- und Verbindungsreaktionen aus den Gleichgewichtsbedingungen bestimmt werden, sofern nicht wiederum der Ausnahmefall eines beweglichen Systems vorliegt.

140

5 Lagerreaktionen

Wir wollen nun die Frage beantworten, wie man erkennen kann, ob ein mehrteiliges Tragwerk beweglich ist, wobei wir zun¨achst nur Systeme betrachten, welche die notwendige Bedingung f¨ ur statische Bestimmtheit erf¨ ullen (f = 0). Ob in diesem Fall eine Beweglichkeit vorliegt, l¨ aßt sich formal immer feststellen, indem man die Gleichgewichtsbedingungen in die Form eines linearen Gleichungssystems Ax = b

(5.8)

nach (A.36) bringt (vgl. Anhang A.2). Dabei stehen in b = (b1 , . . . . . . , b3n )T die gegebenen Belastungen, in x = (x1 , . . . , x3n )T die unbekannten Lager- und Verbindungsreaktionen und in der Matrix A die Koeffizienten, welche nach Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen ebenfalls bekannt sind. Das Gleichungssystem ist eindeutig l¨ osbar, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix von Null verschieden ist: detA = 0 .

(5.9)

Dann ist das System f¨ ur f = 0 nicht nur statisch sondern auch kinematisch bestimmt. Diese Bedingung gilt ganz allgemein, d.h. sinngem¨ aß auch bei einem beliebigen r¨ aumlichen System. Man kann die Beweglichkeit eines mehrteiligen ebenen Systems auch auf grafischem Weg untersuchen. In Band 3 wird gezeigt, daß man die ebene Bewegung eines starren K¨ orpers, der keinen Bindungen unterliegt, zu jedem Zeitpunkt auch als eine reine Drehung um einen augenblicklichen (momentanen) Drehpunkt Π auffassen kann (Band 3, Abschn. 3.1.4). Man bezeichnet diesen Drehpunkt als Momentanpol; er kann auch außerhalb des K¨orpers liegen. Bei einer infinitesimalen Drehung bewegt sich danach ein beliebiger Punkt P des K¨ orpers auf einem Kreisbogen mit dem Mittelpunkt Π in eine neue Lage P  (Abb. 5.25a). Da der Drehwinkel dϕ infinitesimal ist, kann der Unterschied zwischen dem Kreisbogen und seiner Tangente vernachl¨ assigt werden. Der Kreisbogen kann dementsprechend durch die Gerade P P  bzw. du ersetzt werden, welche senkrecht auf dem Polstrahl ΠP steht. Diese Tatsache

5.3

Mehrteilige Tragwerke

141

kann zur Ermittlung des Momentanpols benutzt werden. Wenn zum Beispiel die Verschiebungsrichtungen duP und duQ von zwei Punkten P und Q eines K¨ orpers bekannt sind, errichtet man in beiden Punkten die zu den Verschiebungsrichtungen senkrechten Polstrahlen. Deren Schnittpunkt ist dann der Momentanpol Π (Abb. 5.25b).

P

duQ Q du P

Abb. 5.25

Π



a

duP P

Π

b

Wenn sich ein ebenes System von gelenkig verbundenen K¨orpern bewegt, dann f¨ uhrt jeder einzelne K¨ orper i eine Drehbewegung um seinen eigenen Momentanpol Πi aus. Diesen nennt man auch Hauptpol. Dagegen heißt ein Punkt, an dem zwei K¨orper i und j miteinander verbunden sind, Nebenpol. Einen Nebenpol werden wir im weiteren mit (i.j) kennzeichnen. Ob ein System beweglich ist, kann man erkennen, indem man einen Polplan erstellt, d.h. die Lagen aller Haupt- und Nebenpole ermittelt. Dabei sind die folgenden Konstruktionsregeln n¨ utzlich: 1. Ein gelenkiges Festlager stellt den Hauptpol Πi des angrenzenden K¨ orpers i dar. 2. Ein einwertiges Lager A erm¨ oglicht eine Verschiebung in einer Richtung. Dazu senkrecht steht der Polstrahl Πi A, auf dem sich orpers i befindet. der Momentanpol Πi des angrenzenden K¨ 3. Die Hauptpole Πi und Πj zweier benachbarter beweglicher K¨orper i und j sowie der gemeinsame Nebenpol (i.j) liegen auf einer Geraden. Ein kinematisch unbestimmtes (bewegliches) System ist dadurch gekennzeichnet, daß sich der Polplan widerspruchslos zeichnen l¨ aßt. Eine notwendige und hinreichende Bedingung f¨ ur kinematische Bestimmtheit ist somit

142

5 Lagerreaktionen

f =0

Widerspruch im Polplan .

und

(5.10)

Stellt sich f¨ ur ein statisches System (f ≤ 0) ein Widerspruch im Polplan heraus, dann ist es starr und demnach statisch brauchbar. C

Π2

Π2 C 1

2

G (1.2)

Π1 B

A

G

1

Π2 B A

Π1

a

(1.2)

2

b

Π2

B

Abb. 5.26

Als Beispiele betrachten wir die zweiteiligen Systeme nach Abb. 5.26, welche mit n = 2, r = 4 und v = 2 die notwendige Bedingung f¨ ur statische Bestimmtheit erf¨ ullen. Beim System nach Abb. 5.26a ist das Festlager A der Hauptpol des Teilk¨ orpers 1 und das Gelenk G der Nebenpol (1.2). Den Hauptpol des Teilk¨orpers 2 finden wir, indem wir senkrecht zu den m¨ oglichen Bewegungsrichtungen der Gleitlager B und C die beiden Polstrahlen Π2 B und Π2 C errichten; ihr Schnittpunkt ist Π2 . Da beide Hauptpole und der Nebenpol auf einer Geraden liegen, liegt kein Widerspruch im Polplan vor. Das System ist daher kinematisch unbestimmt, d.h. beweglich. Beim System nach Abb. 5.26b sind die beiden Festlager A und B die Hauptpole der beiden Teilk¨ orper und G wiederum der Nebenpol. In diesem Fall liegen die beiden Hauptpole und der Nebenpol nicht auf einer gemeinsamen Geraden, d.h. es liegt ein Widerspruch im Polplan vor. Dementsprechend ist dieses Tragwerk sowohl statisch als auch kinematisch bestimmt. B5.9

Beispiel 5.9 F¨ ur den Tr¨ ager nach Abb. 5.27a mit 0 ≤ α ≤ π gebe

man die Gleichgewichtsbedingungen in der Form A x = b an und bestimme die Determinante der Koeffizientenmatrix A. Ist das System f¨ ur alle Winkel α statisch brauchbar?

L¨ osung Die Gleichgewichtsbedingungen lauten (vgl. Abb. 5.27b)

5.3

Mehrteilige Tragwerke

F

143

F BH

B α

a

C

l

a

C

BV

α

b

Abb. 5.27

→:

BH − C sin α = 0 ,

↑:  C:

BV + C cos α − F = 0 , lBV − (l − a)F = 0 ,

woraus sich die Matrizendarstellung ⎛ ⎞⎛ ⎞ ⎛ 1 0 − sin α BH 0 ⎜ ⎟⎜ ⎟ ⎜ ⎝ 0 1 cos α ⎠ ⎝ BV ⎠ = ⎝ F 0

l

0

C

⎞ ⎟ ⎠

d.h. A x = b

(l − a)F

ergibt. Die Determinante von A berechnen wir durch Entwicklung nach der ersten Spalte:      1 0 − sin α       1 cos α    detA =  0 1 cos α  = 1 ·   = − l cos α . l 0     0 l 0 Man erkennt: ⎧ ⎨ = 0 f¨ ur α = π/2 , detA ⎩ = 0 f¨ ur α = π/2 . Dementsprechend ist der Tr¨ ager f¨ ur α = π/2 kinematisch bestimmt (unbeweglich) und nur f¨ ur α = π/2 kinematisch unbestimmt gelagert. Im zweiten Fall ist das Gleitlager C vertikal. Der Tr¨ ager kann dann eine infinitesimale Drehung um das Lager B ausf¨ uhren und ist demzufolge statisch unbrauchbar. Es sei darauf hingewiesen, dass der Tr¨ ager f¨ ur Winkel α in der N¨ ahe von π/2 zwar formal brauchbar ist. Eine solche Anordnung ist aber technisch ung¨ unstig, da dann sehr große Lagerkr¨afte auftreten.

144

5.4

5 Lagerreaktionen

5.4 Zusammenfassung • Die Wertigkeit eines Lagers bzw. eines Verbindungselements ist durch die Anzahl der von ihm u ¨bertragenen Reaktionskr¨ afte und Reaktionsmomente gegeben. Ein 1-wertiges Lager u agt eine Lagerreaktion, ein 2-wertiges Lager u ¨bertr¨ ¨bertr¨agt zwei Lagerreaktionen usw. Analoges gilt f¨ ur Verbindungselemente. • Ein Tragwerk ist statisch bestimmt, wenn die Lager- und Verbindungsreaktionen allein aus den Gleichgewichtsbedingungen bestimmt werden k¨ onnen. Dies ist der Fall, wenn die Anzahl der unbekannten Lager- und Verbindungsreaktionen gleich der Zahl der Gleichgewichtsbedingungen ist und das Tragwerk unbeweglich ist. • Ein Tragwerk ist kinematisch bestimmt, wenn es unbeweglich ist. Ein Tragwerk, das endliche oder infinitesimale Bewegungen ausf¨ uhren kann, ist kinematisch unbestimmt. • Zur Bestimmung der Lager- und Verbindungsreaktionen sind in der Regel folgende Schritte erforderlich:  Freischneiden des Tragwerks von den Lagern und Trennen der einzelnen Teilk¨ orper.  Freik¨ orperbilder skizzieren; alle eingepr¨agten Kr¨afte und Momente sowie Schnittkr¨ afte und -momente einzeichnen.  Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen. Im ebenen Fall sind dies f¨ ur jeden Teilk¨ orper 3 Gleichungen, z.B.   (A)  Fiy = 0 , Mi = 0 , Fix = 0 , wobei A ein beliebiger (geeignet gew¨ahlter) Bezugspunkt ist. Im r¨ aumlichen Fall gibt es 6 Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur jeden K¨ orper.  Aufl¨ osen der Gleichungen nach den Unbekannten. Beachte: die Zahl der Gleichgewichtsbedingungen muss gleich der Zahl der Unbekannten sein!  Das Gleichungssystem ist eindeutig l¨ osbar, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix von Null verschieden ist. Dann ist das Tragwerk statisch und kinematisch bestimmt.

Kapitel 6 Fachwerke

6

6 Fachwerke 6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.4

Statische Bestimmtheit ........................................ Aufbau eines Fachwerks ....................................... Ermittlung der Stabkr¨afte .................................... Knotenpunktverfahren ......................................... Cremona-Plan ................................................... Rittersches Schnittverfahren .................................. Zusammenfassung ..............................................

147 149 151 151 157 162 166

Lernziele: Wir betrachten in diesem Kapitel Tragwerke, die nur aus St¨ aben bestehen. Solche Tragwerke bezeichnet man als Fachwerke. Die Studierenden sollen erkennen k¨onnen, wann ein Fachwerk statisch und kinematisch bestimmt ist. Sie werden mit Verfahren zur systematischen Ermittlung der Stabkr¨afte vertraut gemacht, und sie sollen diese Verfahren sachgerecht anwenden k¨ onnen.

6.1

Statische Bestimmtheit

147

6.1

6.1 Statische Bestimmtheit Ein Tragwerk, das nur aus (geraden) St¨ aben besteht, die in sogenannten Knoten miteinander verbunden sind, heißt Stabwerk oder Fachwerk. Um die in den St¨ aben auftretenden Kr¨afte berechnen zu k¨ onnen, machen wir folgende idealisierende Annahmen: 1. die St¨ abe sind an den Knoten zentrisch und gelenkig miteinander verbunden (die Knoten sind reibungsfreie Gelenke), 2. die ¨ außeren Kr¨ afte greifen nur in den Knoten an. Durch diese Voraussetzungen f¨ ur das ideale Fachwerk“ ist ge” w¨ ahrleistet, dass alle St¨ abe nur auf Zug oder Druck beansprucht werden. In realen Konstruktionen sind diese Idealisierungen nur angen¨ ahert erf¨ ullt. So sind zum Beispiel die Stabenden miteinander oder mit Knotenblechen verschweißt. Dadurch treten an den Knoten ¨ ortlich begrenzte St¨ oreffekte auf, die allerdings keinen Einfluss auf das globale Tragverhalten haben. Zum anderen greifen im wirklichen Fachwerk auch l¨ angs der St¨ abe verteilte Lasten (z.B. das Eigengewicht der St¨ abe) an. Diese Kr¨ afte werden im idealisierten Fachwerk entweder vernachl¨ assigt oder ihre Resultierenden werden n¨ aherungsweise durch statisch gleichwertige Kr¨aftegruppen an den benachbarten Knoten ersetzt. F1 IV II 2

I Abb. 6.1

7

5

3 1

8

6

III

4

VI 9

V 10 F3

F2 11

VII

Wir besch¨ aftigen uns in diesem Kapitel im wesentlichen mit ebenen Fachwerken; r¨ aumliche Fachwerke behandeln wir nur am Rande. Als Beispiel betrachten wir in Abb. 6.1 ein Fachwerk aus 11 St¨ aben, die in 7 Knoten miteinander verbunden sind (Knoten, an denen Lagerkr¨ afte angreifen, werden mitgez¨ ahlt). Es ist u ¨blich,

148

6 Fachwerke

die St¨ abe mit arabischen Zahlen und die Knoten mit r¨omischen Zahlen zu numerieren. Zur Ermittlung der Stabkr¨ afte schneiden wir alle Knoten frei. F¨ ur die zentrale Kr¨ aftegruppe an jedem Knoten stehen zwei Kr¨aftegleichgewichtsbedingungen zur Verf¨ ugung (vgl. Abschnitt 2.3). Damit erhalten wir im Beispiel insgesamt 7 · 2 = 14 Gleichungen zur Bestimmung der 14 Unbekannten (11 Stabkr¨afte und 3 Lagerkr¨ afte). Ein Fachwerk heißt statisch bestimmt, wenn die Lager- und die Stabkr¨ afte allein aus den Gleichgewichtsbedingungen (d.h. aus der Statik) bestimmbar sind. Allgemein erh¨ alt man bei einem ebenen Fachwerk mit k Knoten, s St¨ aben und r Lagerreaktionen 2 k Gleichungen f¨ ur die s + r Unbekannten. Damit die Stab- und die Lagerkr¨ afte ermittelt werden k¨ onnen, muss daher die notwendige Bedingung 2k = s + r

(6.1)

erf¨ ullt sein. Bei einem r¨ aumlichen Fachwerk stehen an jedem Knoten drei Gleichgewichtsbedingungen, d.h. insgesamt 3 k Gleichungen zur Verf¨ ugung. Die notwendige Bedingung f¨ ur statische Bestimmtheit lautet dann 3k = s + r.

(6.2)

Bei dem Fachwerk nach Abb. 6.2a ist mit k = 7, s = 10 und r = 2 · 2 (zwei Festlager) wegen 2 · 7 = 10 + 4 die notwendige Bedingung (6.1) erf¨ ullt. Da es außerdem unbeweglich ist, ist es statisch bestimmt. Ein Fachwerk heißt kinematisch bestimmt, wenn die Lage aller Knotenpunkte festliegt. Bewegliche Fachwerke sind kinematisch unbestimmt und m¨ ussen ausgeschlossen werden. Die Abb. 6.2b und c zeigen solche Ausnahmefachwerke“. Auch hier ist jeweils ” mit k = 6, s = 9 und r = 3 die notwendige Bedingung (6.1)

6.2

Aufbau eines Fachwerks

149

F 5 4

II 1

F II

5

7

IV

3

8

4 6

III

III

2

b

ϕ

8

VI 9

6

3

I

VI

IV

7

V

V

2

F

10 1

II

9

1

I

VII a

5

I

4 3

dϕ 8

IV III 2

7 6

VI 9

V

c

Abb. 6.2

f¨ ur statische Bestimmtheit erf¨ ullt. Dennoch lassen sich die Stabkr¨ afte nicht aus den Gleichgewichtsbedingungen berechnen: Gleichung (6.1) ist nicht hinreichend f¨ ur statische Bestimmtheit. Die St¨ abe 7 und 8 des Fachwerks nach Abb. 6.2b lassen sich um einen endlichen Winkel ϕ drehen (Gelenkviereck, Beweglichkeit im Großen), w¨ ahrend sich die St¨ abe 5 und 8 des Fachwerks in Abb. 6.2c um einen infinitesimalen Winkel dϕ drehen k¨ onnen (Beweglichkeit im Kleinen).

6.2 Aufbau eines Fachwerks Im folgenden werden drei M¨ oglichkeiten zum Aufbau von statisch und kinematisch bestimmten ebenen Fachwerken gegeben. 1. Bildungsgesetz: An einem Einzelstab werden zwei weitere St¨abe so angef¨ ugt, dass ein Dreieck entsteht. Dann schließt man an zwei beliebigen Knoten des Dreiecks je einen weiteren Stab an und verbindet diese St¨ abe zu einem neuen Knoten. Dieses Verfahren ist in Abb. 6.3 illustriert und l¨ asst sich beliebig fortsetzen. Ein in dieser Form aufgebautes Fachwerk heißt einfaches Fachwerk. Die Lage der Knotenpunkte liegt eindeutig fest. Dabei muss allerdings vermieden werden, zwei St¨ abe so anzuschließen, dass sie

6.2

150

6 Fachwerke

auf einer Geraden liegen (gestrichelte St¨ abe in Abb. 6.3: Ausnahmefachwerk).

k=2 s=1

k=3 s=3

k=4 s=5

k=5 s=7

k=6 s=9 Abb. 6.3

F¨ ur die Fachwerke in Abb. 6.3 gilt die Beziehung 2k = s + 3.

(6.3)

Bei jedem weiteren Schritt erh¨ oht sich die Anzahl der St¨abe um zwei und die Anzahl der Knoten um eins, so dass (6.3) g¨ ultig bleibt. Bei einem statisch bestimmt gelagerten einfachen Fachwerk treten r = 3 Lagerreaktionen auf. Durch Vergleich mit (6.3) erkennt man, dass in diesem Fall die Bedingung (6.1) erf¨ ullt ist. 2. Bildungsgesetz: Zwei nach dem ersten Bildungsgesetz konstruierte Fachwerke werden durch drei St¨ abe verbunden (Abb. 6.4a), die nicht alle parallel und nicht zentral sein d¨ urfen. An die Stelle von zwei St¨ aben kann auch ein beiden Teilfachwerken gemeinsamer Knoten treten. So sind in Abb. 6.4b die beiden St¨abe 2 und 3 aus Abb. 6.4a durch den Knoten I ersetzt worden. F1 3

F1

F1 F2

I

F2

I

F2

2 1

1

a

b

c

Abb. 6.4

Verbinden wir zwei einfache Fachwerke nur in einem einzigen Knoten, so erhalten wir ein bewegliches Tragwerk. Die kinematische und die statische Bestimmtheit m¨ ussen dann durch eine zus¨ atzliche Lagerung erzeugt werden. In Abb. 6.4c sind die beiden einfachen Teilfachwerke nur im Knoten I zusammengeschlossen,

6.3

Ermittlung der Stabkr¨afte

151

d.h. der Stab 1 in Abb. 6.4b ist entfernt worden. Damit das so entstandene Fachwerk nicht beweglich ist, wird das einwertige Lager aus Abb. 6.4b jetzt durch ein zweiwertiges Lager ersetzt. Das Fachwerk ist dann ein Dreigelenkbogen. Wie man durch Abz¨ ahlen leicht nachpr¨ ufen kann, ist in allen F¨ allen nach Abb. 6.4 die Bedingung (6.1) f¨ ur statische Bestimmtheit erf¨ ullt. 3. Bildungsgesetz: Entfernen wir einen Stab aus einem Fachwerk, das nach dem ersten oder dem zweiten Bildungsgesetz aufgebaut ist, so wird es beweglich. Wir m¨ ussen daher einen neuen Stab an einer anderen Stelle des Fachwerks so einf¨ ugen, dass es wieder starr wird. Da sich dann weder die Anzahl der St¨abe noch die Anzahl der Knoten ¨ andert, ist die Bedingung (6.1) auch f¨ ur das neue Fachwerk erf¨ ullt. F

F 1

1

Abb. 6.5

a

b

Ein Beispiel ist in Abb. 6.5 dargestellt. Entfernen wir aus dem einfachen Fachwerk in Abb. 6.5a den Stab 1, so wird das Fachwerk beweglich. Durch Einf¨ ugen des neuen Stabes 1 erhalten wir dann das statisch und kinematisch bestimmte nichteinfache Fachwerk nach Abb. 6.5b.

6.3 Ermittlung der Stabkr¨ afte 6.3.1 Knotenpunktverfahren

Ein Verfahren zur Bestimmung der Stabkr¨ afte besteht darin, s¨amtliche Knoten freizuschneiden und an jedem Knoten die Gleichgewichtsbedingungen aufzustellen. Diese Methode heißt Knoten-

6.3

152

6 Fachwerke

punktverfahren. Es ist ein systematisches Verfahren, das bei statisch und kinematisch bestimmten Fachwerken immer zum Ziel f¨ uhrt. Bei der praktischen Durchf¨ uhrung ist es zweckm¨aßig, zuerst nach St¨ aben mit der Stabkraft Null zu suchen. Wir nennen solche St¨ abe Nullst¨ abe. Wenn Nullst¨ abe vor Beginn der Rechnung erkannt werden, reduziert sich die Anzahl der Unbekannten. S1

1

S1

2

1

S1

F 2

S2 S1 = 0 , S 2 = 0

S1 = F , S 2 = 0

a

b

1

2

S2

3

S2

S3

S1 = S2 , S 3 = 0 c

Abb. 6.6

Die folgenden Regeln helfen beim Auffinden der Nullst¨abe: 1. Sind an einem unbelasteten Knoten zwei St¨abe angeschlossen, die nicht in gleicher Richtung liegen ( unbelasteter Zweischlag“), ” so sind beide St¨ abe Nullst¨ abe (Abb. 6.6a). 2. Sind an einem belasteten Knoten zwei St¨ abe angeschlossen und greift die ¨ außere Kraft in Richtung des einen Stabes an, so ist der andere Stab ein Nullstab (Abb. 6.6b). 3. Sind an einem unbelasteten Knoten drei St¨abe angeschlossen, von denen zwei in gleicher Richtung liegen, so ist der dritte Stab ein Nullstab (Abb. 6.6c). Diese drei Regeln folgen aus den Gleichgewichtsbedingungen an den Knoten. I a

II Schnitt

Schnitt

I

S

S

S

S

II

b

Abb. 6.7

F¨ uhren wir nach Abb. 6.7a an den Knoten I und II Schnitte durch einen Stab, so m¨ ussen wir an den freigeschnittenen Stabenden jeweils die Stabkraft S anbringen (Abb. 6.7b). Wegen actio = reactio wirkt die Kraft S auch auf die Knoten I und II. Ent-

6.3

Ermittlung der Stabkr¨afte

153

sprechend der Vereinbarung, dass Zugkr¨ afte positiv sind, wirken positive Stabkr¨ afte von den Knoten weg (d.h. sie ziehen an den Knoten); negative Stabkr¨ afte zeigen Druck an und wirken auf die Knoten zu. Angemerkt sei, dass das Knotenpunktverfahren sowohl bei ebenen als auch bei r¨ aumlichen Fachwerken anwendbar ist. Bei Raumfachwerken hat man dann an jedem Knoten drei Gleichgewichtsbedingungen aufzustellen. Das Fachwerk nach Abb. 6.8a wird durch die Kraft F belastet. Gesucht sind die Lager- und die Stabkr¨afte. Beispiel 6.1

L¨ osung Das Fachwerk ist nach dem ersten Bildungsgesetz aufgebaut. Da drei Lagerkr¨ afte auftreten, ist das Fachwerk nach Abschnitt 6.2 statisch und kinematisch bestimmt. Im Freik¨ orperbild (Abb. 6.8b) numerieren wir St¨abe und Knoten. Nullst¨ abe kennzeichnen wir durch Nullen: Stab 4 (nach Regel 2), die St¨ abe 5 und 9 (nach Regel 3) und die St¨abe 10 und 13 (nach Regel 1). Um die Anzahl der Unbekannten zu reduzieren, ist es zweckm¨aßig, die Lagerkr¨ afte vorab zu berechnen. Aus dem Kr¨afte- und dem Momentengleichgewicht am Gesamtsystem folgen

BH = 0 ,

→:  A:

− 4 l F + 6 l BV = 0



BV =

2 F, 3

 B:

− 6lA + 2lF = 0



A=

1 F. 3

Abbildung 6.8c zeigt die freigeschnittenen Knoten, wobei alle Stabkr¨ afte als Zugkr¨ afte angenommen werden. Die bereits erkannten Nullst¨ abe werden weggelassen. Aus diesem Grund braucht Knoten VII nicht mehr betrachtet zu werden. Kr¨ aftegleichgewicht an den Knoten liefert: I)

→:

S2 + S3 cos α = 0 ,

↓:

S1 + S3 sin α = 0 ,

B6.1

154

6 Fachwerke

F

l B

A 2l

a

2l

2l F

2

I

α

1

0

II

6

III

7

5

3

0

4

13

12

VI

S2 S2

I S1

S6

III

α

S1

VIII BV

S11

S7 S7

S3

II

α

α

S11

α

α

IV

S8 S8

BH

F V

S6

S3

VII

0

A

b

c

0

11

9

0 8

IV

10

V

α

VI

S12 S12

A

BH VIII BV Abb. 6.8

II )

↑:

S1 + A = 0 ,

III )

→:

S6 − S2 = 0 ,

IV )

→:

S8 + S7 cos α − S3 cos α = 0 ,

↑: V)

S7 sin α + S3 sin α = 0 ,

→:

S11 cos α − S6 − S7 cos α = 0 ,

↓:

S7 sin α + S11 sin α + F = 0 ,

VI )

→:

S12 − S8 = 0 ,

VIII )

→:

BH − S11 cos α − S12 = 0 ,

↑:

BV + S11 sin α = 0 .

6.3

Ermittlung der Stabkr¨afte

155

Dies sind elf Gleichungen zur Berechnung der acht noch unbekannten Stabkr¨ afte und der drei Lagerkr¨ afte. Da die Lagerkr¨afte aber bereits durch Gleichgewichts¨ uberlegungen am Gesamtsystem bestimmt wurden, vereinfacht sich die Aufl¨ osung des Gleichungssystems, und drei Gleichungen√k¨ onnen als √ wer√ Probe verwendet 2 = 1/ 5 , cos α = 2 l/ 5 l2 = 5 l den. Man erh¨ a lt mit sin α = l/ √ 2/ 5 : √ 5 1 2 S 1 = − F , S2 = S 6 = − F , S3 = F, 3 3 3 √ 5 4 2√ F , S8 = S12 = F , S11 = − 5F . S7 = − 3 3 3 Es ist zweckm¨ aßig, die Stabkr¨ afte einschließlich der Vorzeichen in einer Stabkrafttabelle zusammenzustellen, wobei wir auf den gemeinsamen Faktor F beziehen: Stabkrafttabelle i Si F

1 −

1 3

2 −

2 3

3 √ 5 3

4

5

6

0

0



2 3



7

8

9

10

√ 5 3

4 3

0

0



11

12

13

2√ 5 3

4 3

0

Die Minuszeichen bei den Stabkr¨ aften S1 , S2 , S6 , S7 und S11 zeigen an, dass diese St¨ abe Druckst¨ abe sind. Dieses Beispiel - und viele weitere Beispiele zur Ermittlung von Stabkr¨ aften in ebenen Fachwerken - k¨ onnen Sie auch mit dem TM-Tool Fachwerksanalyse“ bearbeiten (siehe umseitigen ” Screenshot). Es steht Ihnen zusammen mit einer Reihe weiterer TM-Tools unter der auf dem Umschlag angegebenen Adresse frei zur Verf¨ ugung.

156

B6.2

6 Fachwerke

Beispiel 6.2 Das Raumfachwerk nach Abb. 6.9 wird in den Knoten

IV und V jeweils durch eine Kraft F belastet. Es sind die Kr¨afte in den St¨ aben 1 bis 6 zu berechnen.

III a

VI a

4

II

V 3

a

3a 6

a 5

I

2

1

F x y z

IV F Abb. 6.9

Wir schneiden die Knoten V und IV frei und bringen afte an. Die Gleichgewichtsbedie Stabkr¨ afte S1 . . . S6 als Zugkr¨ dingungen f¨ ur diese Knoten lauten dann zun¨achst in Vektorform L¨ osung

V:

S1 ey + S2 eV /VI − S4 ex + F ez = 0 ,

IV :

− S1 ey + S3 eIV /VI − S5 ex + S6 eIV /II + F ez = 0 .

6.3

Ermittlung der Stabkr¨afte

157

Dabei lassen sich die zun¨ achst noch unbekannten Einheitsvektoren aus den Verbindungsvektoren zwischen den Knoten ermitteln. So erh¨ alt man zum Beispiel f¨ ur eV /VI ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ −a −1 1 1 ⎜ ⎜ ⎟ ⎟ eV /VI = √ ⎝ a⎠ = √ ⎝ 1⎠ . 3 a2 + a2 + a2 −a −1 Entsprechend gilt f¨ ur die weiteren Einheitsvektoren ⎛ ⎛ ⎞ ⎞ −1 −2 1 ⎜ 1 ⎜ ⎟ ⎟ eIV /VI = √ ⎝ −1 ⎠, eIV /II = √ ⎝ −1 ⎠, 3 5 −1 0 ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ 1 0 0 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ex = ⎝ 0 ⎠, ey = ⎝ 1 ⎠, ez = ⎝ 0 ⎠. 0 0 1 Damit lauten die Gleichgewichtsbedingungen in Komponenten V:

− S2 √13 − S4 = 0 ,

IV :

− S3 √13 − S5 − S6 √25 = 0 ,

S1 + S2 √13 = 0 ,

− S1 − S3 √13 − S6 √15 = 0 ,

− S2 √13 + F = 0 ,

− S3 √13 + F = 0 .

Aufl¨ osen liefert der Reihe nach √ S2 = 3 F , S1 = −F , √ S3 = 3 F , S6 = 0

S4 = −F , S5 = −F .

6.3.2 Cremona-Plan

Die Ermittlung der Stabkr¨ afte kann auch zeichnerisch erfolgen. Dabei gehen wir davon aus, dass in einem ersten Schritt die Lagerkr¨ afte bereits bestimmt wurden. Wir wollen das Vorgehen an Hand des Fachwerks in Abb. 6.10a erl¨ autern. Aus den Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur das Gesamtsystem (Abb. 6.10b) finden wir zun¨ achst

158

6 Fachwerke

AH = −

1√ 2F , 2

AV = −

√ B = 2 2F .

3√ 2F , 2

Nach dem Numerieren der St¨ abe und der Knoten denken wir uns zur Ermittlung der Stabkr¨ afte wieder alle Knoten freigeschnitten. Bei der zeichnerischen L¨ osung verlangt das Kr¨aftegleichgewicht an den Knoten jeweils ein geschlossenes Krafteck (vgl. Abschnitt 2.3). III F 45◦

II a AH

B

A

5 3

2

1

I a

a

a

F

4

a

AV

b

Umlaufsinn

IV B

Kräftemaßstab

AH

5

F

S4

S5

S2 AV

S5 S2

S3

B

IV

II

I

B

F III

3

F AH 4

AV

2

S3

S4 S1

c

S1

d

1 Abb. 6.10

Wir beginnen am Knoten I. Um das Krafteck f¨ ur diesen Knoten zu konstruieren, zeichnen wir zuerst die bereits berechneten Kraftablich nach ihrer Gr¨oße und in ihkomponenten AH und AV maßst¨ rem wirklichen Richtungssinn (Abb. 6.10c). Durch die Stabkr¨afte S1 und S2 , deren Richtungen bekannt sind, wird das Krafteck geschlossen. Damit liegen die Richtungssinne von S1 und S2 am Knoten I fest. Wir kennzeichnen sie in Abb. 6.10b durch Pfeile. Jeweils gleichgroße Gegenkr¨ afte wirken wegen actio = reactio an den gegen¨ uberliegenden Knoten II und IV. Sie werden durch Gegenpfeile markiert.

6.3

Ermittlung der Stabkr¨afte

159

Entsprechend finden wir bei nun bekanntem S2 durch das geschlossene Krafteck am Knoten II die Stabkr¨ afte S3 und S4 . Gleichgewicht am Knoten III liefert schließlich die Kraft S5 . Wir tragen die Kraftrichtungen von S3 bis S5 an den Knoten ebenfalls in das Fachwerk ein. Das Krafteck am Knoten IV dient abschließend als Kontrolle. In Abb. 6.10c taucht jede Stabkraft in zwei Kraftecken auf. Man kann das Vorgehen systematisieren, indem man alle Kraftpl¨ane so aneinander f¨ ugt, dass jede Stabkraft nur noch einmal gezeichnet werden muss. Der so entstehende Kr¨ afteplan wird nach Luigi Cremona (1830–1903) benannt. Folgende Schritte sind bei der Konstruktion eines CremonaPlans durchzuf¨ uhren: 1. Zeichnen des Freik¨ orperbildes und Berechnung der Lagerkr¨afte. 2. Numerieren der St¨ abe. 3. Ermittlung etwa vorhandener Nullst¨ abe. Kennzeichnen dieser St¨ abe durch eine Null im Freik¨ orperbild. 4. Festlegung eines Kr¨ aftemaßstabs und eines Umlaufsinns. 5. Zeichnen des geschlossenen Kraftecks aus den eingepr¨agten Kr¨ aften und den Lagerreaktionen. Dabei Kr¨ afte in der Reihenfolge aneinanderf¨ ugen, wie sie beim Umlauf um das Fachwerk im gew¨ ahlten Umlaufsinn auftreten. 6. Beginnend an einem Knoten mit h¨ ochstens zwei unbekannten Stabkr¨ aften f¨ ur jeden Knoten das geschlossene Kr¨aftepolygon zeichnen. Kr¨ afte dabei ebenfalls in der Reihenfolge antragen, die durch den Umlaufsinn gegeben ist. 7. Da jede Stabkraft zweimal (mit entgegengesetzter Orientierung) auftritt, keine Pfeile in das Kr¨ aftepolygon einzeichnen (die Stabkraft im Polygon nur durch die entsprechende Stabnummer kennzeichnen). Einzeichnen der Pfeile und der Gegenpfeile an den Knoten. 8. Letzte Kraftecke als Kontrolle verwenden. 9. Angabe aller Stabkr¨ afte mit Vorzeichen in einer Tabelle. Um den Cremona-Plan f¨ ur das Fachwerk in Abb. 6.10a zu konstruieren, w¨ ahlen wir den Umlaufsinn entgegen dem Uhrzeiger.

160

6 Fachwerke

Anschließend zeichnen wir nach Punkt 5 das geschlossene Krafteck der ¨ außeren Kr¨ afte in der Reihenfolge AH , AV , B, F (Abb. 6.10d). Die Ermittlung der Stabkr¨ afte beginnen wir am Knoten I. Das Krafteck wird so konstruiert, dass es sich in der Reihenfolge AH , AV , S1 und S2 (Umlaufsinn!) schließt. Die Kraftrichtungen werden ins Freik¨ orperbild eingetragen. Anschließend gehen wir zum Knoten II weiter. Von den dort angreifenden Kr¨ aften S2 , S3 und S4 tritt S2 bereits im CremonaPlan auf. Die Richtung von S2 folgt aus dem Pfeil am Knoten II. Das Krafteck wird nun mit S3 und S4 geschlossen, und die Kraftrichtungen werden wieder in das Fachwerk eingetragen. Am Knoten III sind schließlich F und S4 bereits im Cremona-Plan enthalten, so dass das Krafteck nur mit S5 geschlossen werden muss (Kontrolle: die Richtung von S5 muss mit der Richtung von Stab 5 u ur den Knoten IV dient ¨bereinstimmen). Das Krafteck f¨ als weitere Kontrolle. Aus dem Cremona-Plan k¨ onnen wir die Betr¨age der Stabkr¨afte im Rahmen der Zeichengenauigkeit ablesen; die Vorzeichen folgen aus den Pfeilrichtungen im Freik¨ orperbild: i Si /F

1

2

3

4

5

0,7

2,1

−2, 0

1,6

−1, 6

Der Cremona-Plan l¨ asst sich in der geschilderten Form nur f¨ ur einfache Fachwerke zeichnen, wobei ¨ außere Kr¨afte nur an Außenknoten angreifen d¨ urfen. Die Kr¨ afte sind dabei stets außerhalb des Fachwerks zu zeichnen (Abb. 6.11a) und nicht innerhalb (Abb. 6.11b). F

F a

zulässig

b

unzulässig Abb. 6.11

6.3

Ermittlung der Stabkr¨afte

161

Beispiel 6.3 Das Fachwerk nach Abb. 6.12a wird durch die beiden

Kr¨ afte F1 = 2F und F2 = F belastet. Gesucht sind die Stabkr¨ afte. F1 a Umlaufsinn Kräftemaßstab

A

45◦

F2

111 000

a

a

C

B

F

111111 000000 a

a

2

a

a

A

F2

1

3 6

a

4

F1 F1 II 1

5

3

I

2

IV

4

A

9

7 6

III F2

VI

8

11 10

V B

12

VIII

0 0 13 VII

B

C

c

11

5

7 8 9

10

C

b

Abb. 6.12

L¨ osung Durch Anwenden der Gleichgewichtsbedingungen auf das

Gesamtsystem (Abb. 6.12b) berechnen wir zuerst die Lagerkr¨afte:  I :  VII : →:

√ a F1 − 2 a F2 − 2 2 a B − 6 a C = 0 , a F1 + 6 a A + 4 a F2 + √ 2 B = 0. − F1 + 2



2aB = 0,

Aufl¨ osen liefert A=−

5 F, 3

√ B = 2 2F ,

C=−

4 F. 3

Die Pendelst¨ utzen A, B und C sind im Freik¨ orperbild als Zugst¨ abe angenommen worden. Die Ergebnisse zeigen, dass die St¨abe A und C in Wirklichkeit auf Druck beansprucht werden. Wir numerieren die St¨ abe und die Knoten und stellen fest, dass die St¨ abe 12 und 13 Nullst¨ abe sind (vgl. Abschnitt 6.3.1,

B6.3

162

6 Fachwerke

Regel 1). Sie werden im Freik¨ orperbild durch eine Null gekennzeichnet. Nach Wahl des Umlaufsinns (entgegen dem Uhrzeiger) und des Kr¨ aftemaßstabs zeichnen wir zun¨ achst das geschlossene Krafteck der ¨ außeren Kr¨ afte in der Reihenfolge A, F2 , B, C, F1 (Abb. 6.12c). Dabei ist zu beachten, dass die Kr¨afte in den Pendelst¨ utzen jetzt im wirklichen Richtungssinn zu zeichnen sind. Die Ermittlung der Stabkr¨ afte beginnen wir am Knoten I: die bekannte Lagerkraft A und die unbekannten Stabkr¨afte S2 und ussen in dieser Reihenfolge ein geschlossenes Krafteck bilden S1 m¨ (Abb. 6.12c). Die entsprechenden Kraftrichtungen (Stab 1: Druck, Stab 2: Zug) werden in das Freik¨ orperbild eingetragen. onnen wir am Knoten II Mit der nun bekannten Kraft S1 k¨ in gleicher Weise durch das geschlossene Krafteck F1 , S1 , S3 , S4 die Stabkr¨ afte S3 und S4 bestimmen. Durch Weiterschreiten zu den Knoten III bis VI l¨ asst sich der Cremona-Plan vollst¨andig konstruieren. Das Krafteck f¨ ur den Knoten VII dient als Kontrolle. Aus dem Kr¨ afteplan entnehmen wir die Betr¨age der Stabkr¨afte; die Vorzeichen folgen aus den Pfeilrichtungen im Freik¨orperbild: i

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12 13

Si /F −2, 4 1,7 2, 4 −1, 3 −0, 9 4,0 0,9 −2, 7 1,9 1,3 −1, 9 0

0

6.3.3 Rittersches Schnittverfahren

Sind nur einzelne Stabkr¨ afte eines Fachwerks zu bestimmen, so ist es oft vorteilhaft, das Schnittverfahren nach August Ritter (1826– 1908) anzuwenden. Bei diesem Verfahren zerlegen wir das Fachwerk durch einen Schnitt in zwei Teile. Dabei m¨ ussen drei St¨abe geschnitten werden, die nicht alle zum gleichen Knoten geh¨oren d¨ urfen, oder der Schnitt ist durch einen Stab und ein Gelenk zu f¨ uhren. Zur Erl¨ auterung der Methode betrachten wir das Fachwerk nach Abb. 6.13a, bei dem die Kr¨ afte in den St¨aben 1 bis 3 gesucht sind. Nach Ermittlung der Lagerreaktionen denken wir uns das Fachwerk mit einem Schnitt durch die drei St¨abe 1 bis 3 in

6.3

Ermittlung der Stabkr¨afte

163

zwei Teile zerlegt. An den freigeschnittenen St¨aben werden jeweils die entsprechenden Stabkr¨ afte als Zugkr¨ afte eingezeichnet (Abb. 6.13b). F2

F1 1

A

B

2

a F3

3 a

a

a

a

a

I S1

S1 S2

AV S3

b

a F2

F1 AH

a

S2 II

B S3

F3

Abb. 6.13

Sowohl der rechte als auch der linke Teilk¨ orper m¨ ussen f¨ ur sich im Gleichgewicht sein. Wir k¨ onnen daher durch Anwenden der drei Gleichgewichtsbedingungen auf einen der beiden Teilk¨orper die drei unbekannten Stabkr¨ afte berechnen. Dabei ist es sinnvoll, m¨ oglichst Momentengleichungen um die Schnittpunkte von je zwei Stabkr¨ aften zu verwenden. Dann gehen diese Kr¨afte nicht in die entsprechende Momentengleichung ein, und wir erhalten damit jeweils eine Gleichung f¨ ur eine Stabkraft. Gleichgewicht am linken Teilk¨ orper liefert auf diese Weise:  → S3 = 2 AV − F1 , I : − 2 a AV + a F1 + a S3 = 0  II : − 3 a AV − a AH + 2 a F1 − a S1 = 0 → ↑:

AV − F1 −

1√ 2 S2 = 0 2



S1 = 2 F1 − 3 AV − AH , √ S2 = 2 (AV − F1 ) .

Mit den bereits ermittelten Lagerkr¨ aften sind dann die Stabkr¨afte bekannt.

164

6 Fachwerke

Das Schnittverfahren l¨ asst sich oft auch anwenden, ohne dass die Lagerkr¨ afte vorher berechnet werden m¨ ussen. So erh¨alt man zum Beispiel die Stabkr¨ afte S1 bis S3 des Fachwerks in Abb. 6.14a direkt nach Schneiden der entsprechenden St¨abe aus den Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur das rechte Teilsystem (Abb. 6.14b).

1 2

S1

F1 F2

S1 S2 S2

3

S3

a

b

F1 F2

S3 Abb. 6.14

Bei r¨ aumlichen Fachwerken kann das Schnittverfahren sinngem¨ aß angewendet werden. Dann muss man das Fachwerk durch einen Schnitt trennen, der durch sechs St¨ abe oder durch drei St¨abe und einen Knoten geht. B6.4

Beispiel 6.4 Das Fachwerk nach Abb. 6.15a wird durch zwei Kr¨ afte F1 = 2 F und F2 = F belastet. Wie groß ist die Kraft im Stab 4? L¨ osung Zur Ermittlung der Lagerkr¨ afte zeichnen wir das Freik¨orperbild (Abb. 6.15b) und wenden die Gleichgewichtsbedingungen an:

 A : −3 a F1 + a F2 + 6 a B = 0



 B : −6 a AV + 3 a F1 + a F2 = 0 → →:

AH − F2 = 0



5 3 F1 − F2 = F, 6 6 7 3 F1 + F2 = F, AV = 6 6 B=

AH = F2 = F .

Trennt man das Fachwerk mit einem Schnitt durch die St¨abe 4 bis 6 (Abb. 6.15c), so liefert das Momentengleichgewicht am linken Teil bez¨ uglich I die gesuchte Kraft S4 :  I : 2 a S4 + 2 a AH − 3 a AV = 0

6.3



Ermittlung der Stabkr¨afte

1 3 (3 AV − 2 AH ) = F . 2 4

S4 =

F1

F1

6 5

F2

a a

4

A

F2 AH

B AV

a

2a

2a

2a

Schnitt

3a I

S6 AH

S5

S6 2a

S4 AV

B

b

3a

Abb. 6.15

165

F1

I S5

a

F2

S4 c

B

Zur Probe wenden wir die Momentenbedingung am rechten Teil bez¨ uglich I an:  I :

− 2 a S4 + 3 a B − a F2 = 0 1 3 → S4 = (3 B − F2 ) = F . 2 4

166

6.4

6 Fachwerke

6.4 Zusammenfassung • Ein Fachwerk besteht aus geraden St¨ aben, die in Gelenken miteinander verbunden sind. • Ein Fachwerk ist statisch bestimmt, wenn die Stab- und Lagerkr¨ afte allein aus den Gleichgewichtsbedingungen bestimmt werden k¨ onnen. Dies ist der Fall, wenn die Zahl der unbekannten Lager- und Stabkr¨ afte gleich der Zahl der Gleichgewichtsbedingungen ist und das Fachwerk unbeweglich ist. • Ein Fachwerk ist kinematisch bestimmt, wenn es unbeweglich ist. Ein Fachwerk, das endliche oder infinitesimale Bewegungen ausf¨ uhren kann, ist kinematisch unbestimmt. • Die Stab- und Lagerkr¨ afte k¨ onnen mit dem Knotenpunktverfahren ermittelt werden:  Freischneiden aller Knoten.  Freik¨ orperbilder skizzieren; alle eingepr¨agten Kr¨afte sowie Stab- und Lagerkr¨ afte einzeichnen. Dabei Vorzeichenkonvention f¨ ur Stabkr¨ afte beachten: alle Stabkr¨afte als Zugkr¨ afte ansetzen.  Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen an allen Knoten. Im ebenen Fall sind dies f¨ ur jeden Knoten 2 Gleichungen, im r¨ aumlichen Fall f¨ ur jeden Knoten 3 Gleichungen.  Aufl¨ osen der Gleichungen nach den Unbekannten.  Das Gleichungssystem ist eindeutig l¨ osbar, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix ungleich Null ist. Dann ist das Fachwerk statisch und kinematisch bestimmt. • Die Stabkr¨ afte k¨ onnen bei ebenen Fachwerken auch grafisch mit Hilfe des Cremona-Plans ermittelt werden. • Sind nur einzelne Stabkr¨ afte gesucht, so ist es meist zweckm¨aßig, das Rittersche Schnittverfahren anzuwenden.

Kapitel 7 Balken, Rahmen, Bogen

7

7 Balken, Rahmen, Bogen 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.6 7.3 7.4 7.5

Schnittgr¨ oßen .................................................... Schnittgr¨ oßen am geraden Balken .......................... Balken unter Einzellasten ..................................... Zusammenhang zwischen Belastung und Schnittgr¨ oßen .............................................. Integration und Randbedingungen .......................... ¨ Ubergangsbedingungen bei mehreren Feldern ............ F¨ oppl-Symbol .................................................... Punktweise Ermittlung der Schnittgr¨ oßen ................. Schnittgr¨ oßen bei Rahmen und Bogen..................... Schnittgr¨ oßen bei r¨aumlichen Tragwerken................. Zusammenfassung ..............................................

169 173 174 180 182 187 193 197 201 207 212

Lernziele: Balkentragwerke geh¨ oren zu den wichtigsten Tragelementen im Ingenieurwesen. Wir wollen kennenlernen, wie man durch Schnitte die inneren Kr¨ afte - die Schnittgr¨oßen - im Balken freilegt und einer Berechnung zug¨anglich macht. Als Schnittgr¨ oßen werden die Normalkraft, die Querkraft und das Biegemoment eingef¨ uhrt. Die Studierenden sollen bef¨ahigt werden, diese Gr¨ oßen mit Hilfe der Gleichgewichtsbedingungen zu bestimmen. Sie sollen auch in der Lage sein, die differentiellen Beziehungen zwischen ¨ außerer Belastung und Schnittgr¨oßen sachgerecht anzuwenden.

7.1

Schnittgr¨ oßen

169

7.1

7.1 Schnittgr¨ oßen Wir wollen uns in diesem Kapitel mit den inneren Kr¨aften von Balkentragwerken befassen. Diese inneren Kr¨ afte sind ein Maß f¨ ur die Materialbeanspruchung im Balken. Ihre Kenntnis ist wichtig, wenn man die Tragf¨ahigkeit von Tragwerken zu untersuchen oder Querschnitte zu dimensionieren hat (vgl. Band 2). Der Einfachheit halber beschr¨ anken wir uns zun¨ achst auf ebene Tragwerke, die durch Kr¨ aftegruppen in ihrer Ebene belastet sind (Abb. 7.1a). F1

a

q

F2

M1

Fn

Schnitt

Schnitt p

M

=  Abb. 7.1

b

S Q

N

R

Nach Abschnitt 1.4 werden die inneren Kr¨ afte durch Schneiden des Balkens freigelegt und somit der Berechnung zug¨anglich gemacht. Wir denken uns deshalb an der zu untersuchenden Stelle einen Schnitt senkrecht zur Balkenachse. An der Schnittstelle wirken dann die u ache verteilten inneren Kr¨afte ¨ber die Querschnittsfl¨ p (Abb. 7.1b). Wie sie verteilt sind, werden wir in Band 2, Kapitel 4, untersuchen. Unabh¨ angig von der Verteilung k¨onnen wir dieses System der Fl¨ achenkr¨ afte p nach Abschnitt 3.1.3 durch seine Resultierende R und das resultierende Moment M (S) ersetzen. Als Bezugspunkt f¨ ur die Reduktion w¨ ahlen wir den Schwerpunkt S der Querschnittsfl¨ ache. Eine Begr¨ undung f¨ ur diese spezielle Wahl kann erst sp¨ ater gegeben werden (vgl. Band 2). Es ist u ¨blich, den hochgestellten Index S bei M (S) , der den Bezugspunkt kennzeichnet, wegzulassen: an Stelle von M (S) schreiben wir nur noch M . Die Resultierende R wird in ihre Komponenten N (normal zur Schnittebene) und Q (in der Schnittebene, senkrecht zur Balken-

170

7 Balken, Rahmen, Bogen

achse) zerlegt. Wir nennen N , Q und M die Schnittgr¨ oßen des Balkens; es heißen N die Normalkraft, Q die Querkraft und M das Biegemoment. F2

F1

M1

Q

q M

M N

Fn

Q

N Abb. 7.2

Nach dem Schnitt besteht der Balken aus zwei Teilen, an deren Schnittfl¨ achen N , Q und M angreifen. Wegen des Wechselwirkungsgesetzes sind die Schnittgr¨ oßen an beiden Teilen jeweils entgegengesetzt gerichtet (Abb. 7.2). Soll jeder Teilbalken auch nach dem Schnitt in Ruhe sein, dann m¨ ussen N , Q und M mit den am jeweiligen Teil wirkenden anderen Kr¨ aften eine Gleichgewichtsgruppe bilden. Dementsprechend lassen sich die drei Schnittgr¨oßen bei statisch bestimmten Systemen aus den drei Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur einen der beiden Teilbalken bestimmen. M y z

x Q

n

n

M

Q

N N negatives positives Schnittufer Abb. 7.3

Analog zu den Stabkr¨ aften hat sich bei den Schnittgr¨oßen des Balkens eine Vorzeichenkonvention durchgesetzt. Zu ihrer Erkl¨arung f¨ uhren wir nach Abb. 7.3 ein Koordinatensystem ein, bei dem die x-Achse mit der Balkenl¨ angsachse zusammenf¨allt und nach rechts zeigt, w¨ ahrend z nach unten gerichtet ist; die y-Achse zeigt dann aus der Zeichenebene heraus (Rechtskoordinatensystem, vgl. Anhang A.1). Durch das Trennen des Balkens erhalten wir ein linkes und ein rechtes Schnittufer“. Sie k¨onnen durch je ” einen Normalenvektor n charakterisiert werden, der jeweils vom K¨ orperinneren nach außen zeigt. Das Schnittufer, dessen Norma-

7.1

Schnittgr¨ oßen

171

lenvektor in positive (negative) x-Richtung zeigt, heißt positives (negatives) Schnittufer (Abb. 7.3). Die Vorzeichenfestlegung f¨ ur die Schnittgr¨ oßen lautet nun: Positive Schnittgr¨ oßen zeigen am positiven (negativen) Schnittufer in positive (negative) Koordinatenrichtungen. Dabei ist das Biegemoment M als Momentenvektor in y-Richtung aufzufassen (positiv als Rechtsschraube). In Abb. 7.3 sind die Schnittgr¨ oßen mit ihren positiven Richtungen eingezeichnet. Bei der Berechnung der Schnittgr¨ oßen werden wir uns streng an diese Vorzeichenkonvention halten. Bei horizontalen Balken gibt man oft nur die x-Koordinate an und verzichtet auf das Einzeichnen von y und z. Dabei wird stets angenommen, dass z nach unten zeigt. Es ist manchmal zweckm¨ aßig, die x-Achse nicht wie in Abb. 7.3 nach rechts sondern nach links zeigen zu lassen; y ist in diesem Fall in die Zeichenebene hinein gerichtet. Dann ¨ andert sich in Abb. 7.3 nur die positive Richtung von Q; die positiven Richtungen von M und N bleiben unge¨ andert. q0

F

Q M

G M

x a

Abb. 7.4

y

N N

Q b

z

Bei Rahmen und B¨ ogen wird nach Abb. 7.4a zur Festlegung der Vorzeichen der Schnittgr¨ oßen eine Seite jedes Tragwerkteils durch eine gestrichelte Linie gekennzeichnet ( gestrichelte Faser“). Die ” gestrichelte Seite kann man dann als Unterseite“ des entsprechen” den Tragwerkteils auffassen und das Koordinatensystem entspre-

172

7 Balken, Rahmen, Bogen

chend dem System beim horizontalen Balken einf¨ uhren: x-Achse in Richtung der gestrichelten Faser, z-Achse zur gestrichelten Seite hin. Abbildung 7.4b zeigt die Schnittgr¨ oßen mit ihren positiven Richtungen. Am Beispiel des Balkens nach Abb. 7.5a wollen wir nun zeigen, wie man die Schnittgr¨ oßen bestimmen kann. Dazu ermitteln wir zun¨ achst die Lagerreaktionen aus den Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur den gesamten Balken (Abb. 7.5b). Mit FV = F sin α und FH = F cos α ergibt sich →:  A:  B:

AH − FH = 0



AH = FH ,

l B − a FV = 0



B=

− l AV + b F V = 0



a FV , l b AV = FV . l

Nun w¨ ahlen wir ein Koordinatensystem und schneiden den Balken an einer beliebigen Stelle x zwischen A und C (0 < x < a, Abb. 7.5b,c). An der Schnittstelle S bringen wir die Schnittgr¨oßen N , Q und M mit jeweils positivem Richtungssinn an und stellen die Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur den linken Balkenteil auf: →:

AH + N = 0



N = − AH = − FH ,

↑:

AV − Q = 0



Q = AV =

 S:

x AV − M = 0



b FV , l b M = x AV = x FV . l

Entsprechend erhalten wir bei einem Schnitt an einer beliebigen Stelle x im Bereich zwischen C und B (a < x < l, Abb. 7.5d): →: ↑:

AH − FH + N = 0 → N = FH − AH = 0 , b−l FV AV − FV − Q = 0 → Q = AV − FV = l a = − FV = − B , l

 x AV −(x − a)FV S : x AV − (x − a)FV − M = 0 → M =  x = 1− a FV . l

7.2

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

173

Auf die gleichen Ergebnisse w¨ are man durch Gleichgewichtsbetrachtungen am rechten Balkenteil gekommen. F F α A

AH B

C a

α F cos α

AV

b

b

l

a

F sin α

x

Schnitt

B

Q AH

M

AV c

N

S

AV

F sin α

Q

B

x N F sin α

AH AV d

M N

S F cos α

AH

F cos α

M

aAV

Q x

e

Abb. 7.5

Die Schnittgr¨ oßen sind in Abb. 7.5e grafisch dargestellt. An der Angriffsstelle C der Kraft F haben der Normalkraft- und der Querkraftverlauf jeweils einen Sprung, welcher gleich der Gr¨oße der Horizontalkomponente FH bzw. der Vertikalkomponente FV ist. Der Momentenverlauf hat einen Knick; das gr¨oßte Biegemoment tritt an der Kraftangriffsstelle auf.

7.2 Schnittgr¨ oßen am geraden Balken Im folgenden konzentrieren wir uns auf Balken, bei denen die eingepr¨ agte Belastung nur aus Momenten und aus Kr¨aften (Stre-

7.2

174

7 Balken, Rahmen, Bogen

ckenlasten bzw. Einzelkr¨ aften) senkrecht zur L¨angsachse besteht. Kraftkomponenten in Richtung der L¨ angsachse bewirken Normalkr¨ afte N wie beim Stab (Zug oder Druck), die wir mit den bereits bekannten Methoden bestimmen k¨ onnen. 7.2.1 Balken unter Einzellasten

Zur Bestimmung der Schnittgr¨ oßen Q und M w¨ahlen wir ein Koordinatensystem und schneiden den Balken an der zu untersuchenden Stelle. An der Schnittstelle werden Q und M mit jeweils positivem Richtungssinn eingezeichnet. Die Schnittgr¨oßen folgen dann aus den Gleichgewichtsbedingungen an einem der beiden Teilbalken. Die Ergebnisse der Rechnung werden in der Regel in Diagrammen (Schnittkraftlinien) dargestellt. Neben dieser elementaren Methode gibt es noch ein weiteres Verfahren zur Bestimmung der Schnittgr¨ oßen, das auf dem Zusammenhang zwischen Last und Schnittgr¨ oßen beruht. Dieses Verfahren werden wir in den Abschnitten 7.2.2 bis 7.2.5 erl¨autern. Der Einfachheit halber beschr¨ anken wir uns zun¨achst auf Balken, an denen nur Einzelkr¨ afte und eingepr¨agte Momente angreifen und betrachten als Beispiel einen beiderseits gelenkig gelagerten Balken nach Abb. 7.6a. Die Lagerreaktionen folgen aus den Gleichgewichtsbedingungen am gesamten Balken (Abb. 7.6b):   #   1 " ai Fi − Mi = 0 → B = Mi , ai Fi + A : lB − l    (l − ai )Fi + Mi = 0 B : −lA +  # 1 " (l − ai )Fi + → A= Mi . l Schneiden wir an einer beliebigen Stelle x (Abb. 7.6c), so ergeben sich aus den Gleichgewichtsbedingungen am linken Teilbalken  ↑: A− Fi − Q = 0 ,  S:

−xA +



(x − ai )Fi +



Mi + M = 0

die Querkraft und das Biegemoment in diesem Beispiel zu

7.2

Q = A−

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

175



Fi ,   Mi . M = xA − (x − ai )Fi −

(7.1) (7.2)

Die Summationen sind dabei nur u afte Fi und die Mo¨ber die Kr¨ mente Mi zu erstrecken, die auf den linken Teilbalken wirken. F1

Fn

Fj

F1

Fn

Fj

B

A M1

Mk

aj a

A

Fj

M M Q

M1 x

Mk

Q

Fj

d

B

M

c

Abb. 7.6

F1

Fn

S A

B

Q

l

F1

Mk

b

Schnitt

bk

M1

A

Fn

B

M1 Mk

e

Zur Berechnung von Biegemoment und Querkraft k¨onnen auch die Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur den rechten Balkenteil herangezogen werden. Bei konkreten Aufgaben verwendet man zweckm¨ aßig denjenigen Balkenteil, an dem weniger Lasten angreifen. Abbildung 7.6d zeigt den Verlauf der Querkraft nach (7.1) u ¨ber die Balkenachse. Wir erkennen, dass Q in diesem Beispiel st¨ uckweise konstant ist. An den Angriffspunkten der Kr¨afte Fi hat die Querkraftlinie Spr¨ unge (Unstetigkeiten). Die Gr¨ oße eines Sprungs ist gleich der dort wirkenden Kraft. Der Verlauf des Biegemoments nach (7.2) ist in Abb. 7.6e dargestellt. Die Momentenlinie ist hier eine st¨ uckweise lineare Funktion von x. Sie hat Knicke an den Stellen der Angriffspunkte der unge der Gr¨ oße Mi an den Angriffspunkten der Kr¨ afte Fi und Spr¨

176

7 Balken, Rahmen, Bogen

Momente Mi . Auf die Balkenenden wirken nur die Lagerkr¨afte A und B (gelenkige Lager). Deshalb ist dort das Biegemoment gleich Null. Zwischen Biegemoment und Querkraft besteht ein Zusammenhang. Differenziert man (7.2) nach x, so erh¨alt man mit (7.1)  dM =A− Fi = Q . dx

(7.3)

Die Steigungen der einzelnen Geraden in der Momentenlinie sind also durch die entsprechenden Werte der Querkraft gegeben. B7.1

Der Balken in Abb. 7.7a wird durch die drei Kr¨afte F1 = F , F2 = 2 F , F3 = −F belastet. Gesucht sind die Querkraft- und die Momentenlinie.

Beispiel 7.1

Q F1

F2

3F A= 2

F3

F

B

A a

a

a

2F

a

F

a

F

A

x

b

2F

F

M

B= 1 2F

2aF

3 aF 2

1 aF 2

B c

Abb. 7.7

L¨ osung Zuerst berechnen wir die Lagerkr¨ afte A und B aus den Gleichgewichtsbedingungen (vgl. Abb. 7.7b):

 A:

−aF − 2a2F + 3aF + 4aB = 0



B=

1 F, 2

 B:

−4aA + 3aF + 2a2F − aF = 0



A=

3 F. 2

Die Schnittgr¨ oßen folgen aus dem Gleichgewicht am geschnittenen

7.2

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

177

Balken. Wir erhalten aus dem Kr¨ aftegleichgewicht am linken Teilbalken die Querkraft in den einzelnen Bereichen: Q = A = 3F/2

f¨ ur

0 < x < a,

Q = A − F = F/2

f¨ ur

a < x < 2a,

Q = A − F − 2 F = − 3F/2

f¨ ur

2a < x < 3a,

Q = A − F − 2 F + F = − F/2

f¨ ur

3a < x < 4a.

Aus dem Momentengleichgewicht ergibt sich das Biegemoment zu M = xA =

3 2

xF

M = xA − (x − a)F = (a +

1 2

x)F

f¨ ur

0 ≤ x ≤ a,

f¨ ur

a ≤ x ≤ 2a ,

M = xA − (x − a)F − (x − 2a)2F = (5a − f¨ ur

3 2

x)F 2a ≤ x ≤ 3a ,

M = xA − (x − a)F − (x − 2a)2F + (x − 3a)F = (2a −

1 2

x)F

f¨ ur

3a ≤ x ≤ 4a .

Zur Aufstellung der Gleichgewichtsbedingungen w¨are es dabei f¨ ur x > 2a zweckm¨ aßiger gewesen, den rechten Teilbalken zu verwenden. Die Querkraft- und die Momentenlinie sind in Abb. 7.7c dargestellt. In den Bereichen positiver (negativer) Querkraft hat die Momentenlinie einen positiven (negativen) Anstieg. Als Kontrollen k¨ onnen wir die Werte am rechten Rand (x = 4 a) verwenden: – die Querkraftlinie springt infolge der Lagerkraft B auf den Wert Null, – die Momentenlinie hat den Wert Null (gelenkiges Lager B am Balkenende). Die Beziehungen f¨ ur Q und M k¨ onnen rein formal auch aus (7.1) und (7.2) abgelesen werden, da der Balken beiderseits gelenkig gelagert ist.

178

B7.2

7 Balken, Rahmen, Bogen

Man bestimme die Schnittkraftlinien f¨ ur den Kragtr¨ ager in Abb. 7.8a.

Beispiel 7.2

11 00 00 11 00 11

Q

F

A

A=F

M0 = 2lF l/2

l/2

a

F

M

F MA A

3 lF 2

MA = lF

M0 x

b

1 2 lF

c

Abb. 7.8

L¨ osung Anwenden der Gleichgewichtsbedingungen auf das Ge-

samtsystem (Abb. 7.8b) liefert die Lagerreaktionen: ↑:  A:

A−F =0



A=F,

− MA + M0 − l F = 0



MA = M0 − l F = l F .

F¨ ur den Querkraftverlauf erhalten wir aus dem Gleichgewicht am geschnittenen Balken Q=A=F

f¨ ur

0 < x < l.

Der Momentenverlauf folgt zu l , 2

M = MA + x A = (l + x)F

f¨ ur

0 a und betrachten nun zweckm¨ aßig den rechten Teilbalken nach Abb. 7.9d (beachte: negatives Schnittufer!). Die Gleichgewichtsbedingungen liefern dann ←:

N + BH = 0



↑:

Q + BV = 0



 S:

M − (l − x)BV = 0



M0 , l M0 Q = − BV = − , l l−x M0 . M = (l − x)BV = l N = − BH = −

Die Schnittgr¨ oßen sind in Abb. 7.9e grafisch dargestellt. An der Stelle x = a (Angriffspunkt des eingepr¨ agten Moments) hat die Momentenlinie einen Sprung der Gr¨ oße M0 . Die beiden Geraden links bzw. rechts von x = a haben die gleiche Steigung, da die Querkraft in beiden Bereichen gleich groß ist (siehe (7.3)). Auch die Normalkraft (Druck) ist im gesamten Balken gleich. Es sei darauf hingewiesen, dass der Angriffspunkt des eingepr¨ agten Moments bei der Ermittlung der Lagerreaktionen nicht in die Rechnung eingeht. Dagegen ist der Verlauf des Biegemoments vom Angriffspunkt abh¨ angig. 7.2.2 Zusammenhang zwischen Belastung und Schnittgr¨ oßen

Zwischen der Querkraft Q und dem Biegemoment M besteht ein Zusammenhang, den wir f¨ ur Einzelkr¨ afte mit (7.3) bereits hergeleitet haben. Wir wollen nun das Ergebnis auf Balken unter

7.2

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

181

dF = q(x)dx dF = q(x)dx

Q

q(x)

M +dM

M A a

B x

C dx

dx

b

x

Q+dQ

x+dx

Abb. 7.10

verteilten Lasten verallgemeinern. Dazu betrachten wir ein aus dem Balken (Abb. 7.10a) herausgeschnittenes Element der infinitesimalen L¨ ange dx (Abb. 7.10b), bei dem wegen dx → 0 die Streckenlast q als konstant angesehen werden kann (vgl. Abschnitt 4.1). Die am Balkenelement angreifende Streckenlast denken wir uns durch eine Einzellast vom Betrag dF = q dx ersetzt. An der Schnittstelle x wirken die Querkraft Q und das Biegemoment M . An der Schnittstelle x + dx haben sich die Schnittgr¨oßen durch das Fortschreiten in Balkenl¨ angsrichtung um die infinitesimalen Werte dQ und dM ge¨ andert. Damit lauten die Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur das Balkenelement ↑ : Q − q dx − (Q + dQ) = 0  C :

− M − dx Q + →



q dx + dQ = 0 ,

(7.4)

dx q dx + M + dM = 0 2

− Q dx + dM +

1 q dx · dx = 0 . 2

(7.5)

Aus (7.4) folgt dQ = −q. dx

(7.6)

¨ Die Anderung der Querkraft ist demnach durch die negative Streckenlast gegeben. In (7.5) ist das Glied mit dx · dx im Vergleich zu den Gliedern mit dx bzw. dM klein von h¨ oherer Ordnung“ und kann daher ”

182

7 Balken, Rahmen, Bogen

vernachl¨ assigt werden. Damit erhalten wir dM = Q. dx

(7.7)

Die Ableitung des Biegemoments nach der Koordinate x liefert somit die Querkraft. Den gleichen Zusammenhang haben wir mit (7.3) bereits f¨ ur Einzelkr¨ afte erhalten. Differentiation von (7.7) und Einsetzen von (7.6) liefert ferner d2 M = −q. dx2

(7.8)

Die differentiellen Beziehungen (7.6) und (7.7) lassen sich unter anderem zur qualitativen Bestimmung von Schnittgr¨oßenverl¨aufen und bei Kontrollen verwenden. Ist zum Beispiel q = const, so liefert (7.6) einen linearen Verlauf f¨ ur Q (Ableitung einer linearen Funktion = Konstante!). Das Biegemoment verl¨auft dann wegen (7.7) quadratisch. In der folgenden Tabelle sind die Zusammenh¨ange zwischen Belastung und Schnittgr¨ oßen f¨ ur verschiedene q-Verl¨aufe zusammengestellt: q

Q

M

0

konstant

linear

konstant

linear

quadratische Parabel

linear

quadratische Parabel

kubische Parabel

Nach (7.7) ist Q ein Maß f¨ ur den Anstieg der M -Linie. Verschwindet an einer Stelle die Querkraft, so hat das Biegemoment dort ein Extremum (Anstieg gleich Null). 7.2.3 Integration und Randbedingungen

Die Beziehungen (7.6) und (7.7) k¨ onnen wir auch zur Bestimmung der Schnittgr¨ oßen aus der Belastung q verwenden. Durch Integra-

7.2

tion folgt Q=−

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

183

 q dx + C1 ,

(7.9)

 M =

Q dx + C2 .

(7.10)

Die zwei Integrationskonstanten C1 und C2 m¨ ussen aus zwei Randbedingungen berechnet werden. Diese Bedingungen machen eine Aussage u oße von M bzw. Q an den R¨andern eines ¨ber die Gr¨ Balkens. F¨ ur die wichtigsten Lagerungsarten gilt: Lager gelenkiges Lager Parallelf¨ uhrung Schiebeh¨ ulse Einspannung freies Ende

1 0 0 1 0 1 0 001 11 00 11 00 11

Q

M

= 0

0

0

= 0

= 0

= 0

= 0

= 0

0

0

(7.11)

Aus dieser Tabelle kann bei gegebener Lagerung eines Balkens entnommen werden, welche Schnittgr¨ oßen dort Null sind. Aussagen Q = 0 und/oder M = 0 lassen sich als Randbedingungen nicht verwenden. Im Gegensatz zum bisherigen Vorgehen (Gleichgewicht am geschnittenen Balken, Abschnitt 7.2.1) m¨ ussen bei der Bestimmung von Q und M durch Integration die Lagerreaktionen nicht ermittelt werden. Sie k¨ onnen vielmehr aus den Ergebnissen abgelesen werden. Wenn die Lagerreaktionen allerdings vor der Ermittlung der Schnittgr¨ oßen schon bekannt sind, k¨ onnen sie auch zur Bestimmung der Integrationskonstanten verwendet werden. Zur Illustration des Verfahrens betrachten wir in Abb. 7.11a–c drei gleiche Balken unter gleicher Last bei unterschiedlicher Lageur alle rung. Mit q = q0 = const ergibt sich aus (7.9) und (7.10) f¨

184

0110 1010

7 Balken, Rahmen, Bogen

q0 B

A x

11 00 00 11 00 11

q0

B

A

A x

l Q

x l

l

Q

q0

Q

q0 l

q0 l 2

q0 l

M

M

M q l2 Mmax = 08

a

q0 l 2 2 q0 l 2 2

c

b

Abb. 7.11

drei F¨ alle Q = − q0 x + C1 , M =−

1 q0 x2 + C1 x + C2 . 2

Wegen der unterschiedlichen Lagerungen sind die Randbedingungen und damit auch die Integrationskonstanten C1 und C2 f¨ ur die F¨ alle a) bis c) verschieden. Aus den Randbedingungen a) M (0) = 0 ,

b) Q(l) = 0 ,

M (l) = 0 ,

M (l) = 0 ,

c) Q(0) = 0 , M (l) = 0

folgen die Integrationskonstanten: a) 0 = C2 ,

b) 0 = − q0 l + C1 , c) 0 = C1 , 1 2

a), b), c) 0 = − q0 l2 + C1 l + C2 ,

7.2



⎧ ⎨ C1 = 1 q0 l , 2 ⎩C = 0,

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

⎧ ⎨ C1 = q0 l , ⎩ C = − 1 q l2 , 2 2 0

2

185

⎧ ⎨ C1 = 0 , ⎩ C = 1 q l2 . 2 2 0

Damit erh¨ alt man die Schnittgr¨ oßen (Abb. 7.11a–c)    x x 1 b) Q = q0 l 1 − , , a) Q = q0 l 1 − 2 l 2 l  x 2 1 1 x x , M = − q0 l 2 1 − M = q0 l 2 1− , 2 l 2 l l c) Q = − q0 x , $  x 2 % 1 2 . M = q0 l 1 − 2 l Dabei haben wir die Ausdr¨ ucke in den Klammern so umgeformt, dass sie dimensionslos sind. Beim beiderseits gelenkig gelagerten Balken tritt das maximale Biegemoment Mmax = q0 l2 /8 in der Balkenmitte (Q = 0) auf. Aus Q und M an den R¨ andern kann man die Lagerreaktionen ablesen: a) A = Q(0) =

1 2

B = − Q(l) = c) MA = M (0) =

q0 l , 1 2 1 2

q0 l ,

b)

A = Q(0) = q0 l , MA = M (0) = − 12 q0 l2 ,

q0 l 2 ,

B = − Q(l) = q0 l . Der Schnittkraftverlauf kann auch bei Streckenlasten elementar durch Gleichgewicht am geschnittenen Balken bestimmt werden. Um dies zu zeigen, betrachten wir in Abb. 7.12a noch einmal Fall a). Wir schneiden an einer beliebigen Stelle x (Abb. 7.12b) und fassen die auf den Teilbalken wirkende Streckenlast zu ihrer Resultierenden q0 x zusammen (man beachte, dass die Streckenlast nicht vor dem Schnitt zu einer Resultierenden zusammengefasst werden darf). Die Gleichgewichtsbedingungen liefern mit der be-

186

7 Balken, Rahmen, Bogen

q0 x

q l A = 20 a

q0

q0

q l B = 20

A

x

M S

b

Q x

Abb. 7.12

reits bekannten Lagerkraft A die Schnittgr¨ oßen: ↑:

A − q0 x − Q = 0 →

 S:

Q = A − q0 x =

 1 x q0 l 1 − 2 , 2 l

1 x q0 x + M = 0 2 x x 1 1 1− . → M = x A − q0 x2 = q0 l2 2 2 l l

−xA +

Diese Methode ist nur dann zweckm¨ aßig, wenn die Resultierende der Streckenlast am Teilbalken sowie die Lage ihrer Wirkungslinie einfach angegeben werden k¨ onnen. B7.4

Der einseitig eingespannte Balken nach Abb. 7.13a tr¨ agt eine dreieckf¨ ormige Streckenlast. Man bestimme die Schnittgr¨ oßen durch Integration.

Beispiel 7.4

L¨ osung Die dreieckf¨ ormige Streckenlast gen¨ ugt der Geradenglei-

chung q(x) = q0 (l − x)/l. Daraus erhalten wir durch Integration entsprechend (7.9) und (7.10) Q(x) =

q0 (l − x)2 + C1 , 2l

M (x) = −

q0 (l − x)3 + C1 x + C2 . 6l

Die Randbedingungen Q(l) = 0 und M (l) = 0 liefern die Integrationskonstanten C1 = 0 und C2 = 0. Damit werden die Schnittgr¨ oßen (Abb. 7.13b)   x 3 x 2 1 1 , M (x) = − q0 l2 1 − . Q(x) = q0 l 1 − 2 l 6 l Die Querkraftlinie hat bei x = l die Steigung Null, weil dort die

7.2

1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 z

Q q0 q0 l 2

q(x)

M

q0 l 2 6

l

Abb. 7.13

kubische Parabel

b

q0

c

187

quadratische Parabel

x

a

11 00 00 11 00 11 00 11 00 11

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

Q

M

q0 l 2

q0 l 2 6

q(x)

x

z

d

quadratische Parabel

kubische Parabel

Streckenlast Null ist (Q (l) = −q(l) = 0). Entsprechend hat die Momentenlinie bei x = l die Steigung Null, weil dort die Querkraft Null ist (M  (l) = Q(l) = 0). In diesem Beispiel ist es zweckm¨ aßig, die x-Achse nach links zeigen zu lassen (Abb. 7.13c). Dann gilt n¨ amlich die einfachere Darstellung q(x) = q0 x/l, und die Integration liefert mit den Randbedingungen Q(0) = 0 und M (0) = 0 die Schnittgr¨oßen (Abb. 7.13d)  x 3  x 2 1 1 , M (x) = − q0 l2 . Q(x) = − q0 l 2 l 6 l Man erkennt, dass sich bei dieser Wahl des Koordinatensystems das Vorzeichen der Querkraft umkehrt (vgl. Abschnitt 7.1). Es sei darauf hingewiesen, dass die Schnittgr¨oßen auch sehr einfach durch Gleichgewicht am geschnittenen Balken bestimmt werden k¨ onnen. ¨ 7.2.4 Ubergangsbedingungen bei mehreren Feldern

H¨ aufig ist die Belastung q(x) nicht u ¨ber den gesamten Balken durch eine einzige Funktion gegeben, sondern sie wird in Teilbereichen durch verschiedene Funktionen dargestellt. Dann muss

188

7 Balken, Rahmen, Bogen

der Balken in Felder unterteilt werden, und die Integration der differentiellen Beziehungen (7.6) und (7.7) hat bereichsweise zu erfolgen. Zur Illustration betrachten wir den einseitig eingespannten Balken nach Abb. 7.14, dessen Belastung durch ⎧ ⎨0 f¨ ur 0 ≤ x < a q(x) = ⎩q f¨ ur a < x < l 0

gegeben ist. Durch bereichsweise Integration in den Feldern I (0 ≤ x < a) und II (a < x < l) erhalten wir I: qI = 0 ,

II: qII = q0 ,

QI = C1 ,

QII = − q0 x + C3 ,

MI = C1 x + C2 ,

MII = − 12 q0 x2 + C3 x + C4 .

(7.12)

Die zwei Randbedingungen QII (l) = 0 ,

MII (l) = 0

(7.13)

reichen zur Berechnung der vier Integrationskonstanten C1 bis ussen daher zus¨ atzliche Gleichungen verwenC4 nicht aus. Wir m¨ den, die das Verhalten der Schnittgr¨ oßen an der Stelle x = a des ¨ Ubergangs vom Bereich I zum Bereich II beschreiben. Diese Glei¨ chungen heißen Ubergangsbedingungen.

1 0 0 1 0 1

I

II q0

F II

I

III

M0 x

x a

a l

b Abb. 7.14

Abb. 7.15

Da an der Stelle x = a weder eine Einzelkraft noch ein Moment angreift, sind die Schnittgr¨ oßen unmittelbar links und rechts von ¨ der Ubergangsstelle gleich, und damit sind die Schnittkraftlinien

7.2

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

189

dort stetig (wegen dQ/dx = − q hat Q bei unstetigem q einen ¨ Knick). Die Ubergangsbedingungen lauten also QI (a) = QII (a) ,

MI (a) = MII (a) .

(7.14)

¨ Einsetzen von (7.12) in die Rand- und die Ubergangsbedingungen (7.13) und (7.14) liefert die Integrationskonstanten C1 = q0 (l − a) ,

C2 = − 12 q0 (l2 − a2 ) ,

C3 = q0 l ,

C4 = − 12 q0 l2 .

Als weiteres Beispiel betrachten wir einen Balken unter einer Einzelkraft F , die an der Stelle x = a angreift (Abb. 7.15). In diesem Fall hat die Querkraftlinie dort einen Sprung der Gr¨oße F , w¨ ahrend die Momentenlinie stetig ist. Auch hier muss eine ¨ Bereichseinteilung stattfinden. Die Ubergangsbedingungen lauten dann QII (a) = QI (a) − F ,

MII (a) = MI (a) .

(7.15)

Entsprechend bewirkt ein Moment M0 an der Stelle x = b einen Sprung der Gr¨ oße M0 in der Momentenlinie. Daher gelten dort ¨ die Ubergangsbedingungen QIII (b) = QII (b) ,

MIII (b) = MII (b) − M0 .

(7.16)

Die folgende Tabelle zeigt zusammenfassend, in welchen F¨allen Spr¨ unge oder Knicke in den Schnittkraftlinien infolge von Unstetigkeiten in der Belastung auftreten. Last q0 F

M0

Q

M

Knick



Sprung

Knick



Sprung

190

7 Balken, Rahmen, Bogen

M¨ ussen wir einen Balken bei der Bestimmung der Schnittgr¨oßen in n Bereiche einteilen, so ergeben sich bei der Integration der differentiellen Beziehungen 2 n Integrationskonstanten. Sie sind aus ¨ 2 n − 2 Ubergangsbedingungen und 2 Randbedingungen zu bestimmen. Bei mehrteiligen Tragwerken verschwindet an einem Gelenk das Biegemoment: M = 0. Die Querkraft ist dort im allgemeinen ungleich Null. Dagegen sind bei einer Parallelf¨ uhrung (Querkraftgelenk) Q = 0 und M = 0. F¨ ur die Schnittgr¨oßen an den Verbindungselementen gelten also die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Aussagen. Verbindungselement G

Q

M

= 0

0

0

= 0

(7.17)

Bei der Bestimmung der Integrationskonstanten tritt dann eine Bedingung (Biegemoment oder Querkraft gleich Null) an die Stelle ¨ einer Ubergangsbedingung. Greifen an den Verbindungselementen keine Einzellasten an, so sind die Schnittkraftlinien stetig, und es ist dort keine zus¨atzliche Bereichseinteilung n¨ otig. Entsprechendes gilt bei einer Streckenlast, die links und rechts von einem Verbindungselement durch die gleiche Funktion beschrieben wird. Bei vielen Feldern m¨ ussen zur Bestimmung der Integrationskonstanten Gleichungssysteme mit vielen Unbekannten gel¨ost werden. Daher ist dieses Verfahren nur f¨ ur Tragwerke mit wenigen Feldern zu empfehlen. B7.5

Beispiel 7.5 Ein beiderseits gelenkig gelagerter Balken wird durch

eine Einzelkraft und durch eine dreieckf¨ ormige Streckenlast belastet (Abb. 7.16a). Gesucht sind die Schnittgr¨ oßen. L¨ osung Wegen der unstetigen Belastung teilen wir den Balken

7.2

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

191

Q

F

q0

quadratische Parabel

b

a l

a

I

x1

b

F

II

q0

x2

kubische Parabel

M

c

Abb. 7.16

in zwei Felder I und II (Abb. 7.16b). Statt der Koordinate x f¨ ur den gesamten Balken verwenden wir im Feld I die Koordinate x1 und im Feld II die Koordinate x2 . Dann erhalten wir durch bereichsweise Integration nach (7.9) und (7.10): I:

qI = 0 ,

II:

QI = C1 , MI = C1 x1 + C2 ,

x2 , b x2 QII = − q0 2 + C3 , 2b x3 MII = − q0 2 + C3 x2 + C4 . 6b

qII = q0

¨ Die Rand- und die Ubergangsbedingungen lauten MI (x1 = 0) = 0 ,

MII (x2 = b) = 0 ,

QII (x2 = 0) = QI (x1 = a) − F , MII (x2 = 0) = MI (x1 = a) . Einsetzen liefert nach Zwischenrechnung die Integrationskonstanten   1 b q0 b + F , C2 = 0 , C1 = 6 l     b 1 1 ab a q0 b − F , C4 = q0 b + F C3 = 6 b l 6 l

192

7 Balken, Rahmen, Bogen

und damit die Schnittgr¨ oßen (Abb. 7.16c)   1 b , QI = q0 b + F 6 l   1 b x2 a q0 b − F , QII = − q0 2 + 2b 6 b l   1 b MI = x1 , q0 b + F 6 l     1 b 1 ab x32 a + q0 b − F x2 + q0 b + F . MII = − q0 6b 6 b l 6 l B7.6

Beispiel 7.6 F¨ ur den Gerbertr¨ ager nach Abb. 7.17a bestimme man die Schnittkraftlinien. Q q0 1q l 2 0

l

G

l

l/2

a

1 2 8 q0 l

q0

b

G

x1

B

q0 l

M

II

I

A

3q l 8 0

C

x2

c

quadratische Parabel

3 q l2 8 0 Abb. 7.17

L¨ osung An der Stelle des Lagers B muss eine Bereichseinteilung

vorgenommen werden (Lagerkraft B und unstetiges q). In den beiden Feldern I und II verwenden wir die Koordinaten x1 und x2 (Abb. 7.17b). Bereichsweise Integration liefert dann I: qI = q0 , QI = − q0 x1 + C1 ,

II: qII = 0, QII = C3 ,

7.2

MI = −

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

1 q0 x21 + C1 x1 + C2 , 2

193

MII = C3 x2 + C4 .

Aus den vier Bedingungen MI (x1 = 0) = 0 ,

MII (x2 = l) = 0 ,

MI (x1 = 32 l) = MII (x2 = 0) ,

(Randbedingungen)

¨ (Ubergangsbedingung)

MI (x1 = l) = 0 (Biegemoment am Gelenk gleich Null) k¨ onnen die vier Integrationskonstanten berechnet werden: C1 =

1 q0 l , 2

C2 = 0 ,

C3 =

3 q0 l , 8

C4 = −

3 q0 l 2 . 8

Damit lauten die Schnittgr¨ oßen (Abb. 7.17c) QI = − q0 x1 + MI = −

1 q0 l , 2

1 1 q0 x21 + q0 l x1 , 2 2

QII =

3 q0 l , 8

MII =

3 q0 l(x2 − l) . 8

Zur Kontrolle lesen wir aus der Querkraftlinie die Lagerkr¨afte ab: A = QI (x1 = 0) =

1 2

q0 l ,

B = QII (x2 = 0) − QI (x1 =

3 2

l) =

11 8

q0 l ,

C = − QII (x2 = l) = − 38 q0 l . Ihre Summe h¨ alt der Gesamtbelastung 3 q0 l/2 das Gleichgewicht. 7.2.5 F¨ oppl-Symbol

Die bereichsweise Integration nach Abschnitt 7.2.4 ist schon bei zwei Feldern mit einigem Aufwand verbunden. Die Arbeit l¨asst sich jedoch reduzieren, wenn man sich des Klammer-Symbols nach August F¨ oppl (1854–1924) bedient (im angels¨ achsischen Sprachraum wird das Klammer-Symbol meist nach Macauley benannt). Mit seiner Hilfe k¨ onnen Unstetigkeiten wie Spr¨ unge oder Knicke einfach beschrieben werden. Das F¨ oppl-Symbol, gekennzeichnet

194

7 Balken, Rahmen, Bogen

durch spitze Klammern, ist definiert durch

x − an =

⎧ ⎨0

f¨ ur x < a ,

⎩ (x − a)n

f¨ ur x > a .

(7.18)

Insbesondere beschreibt ⎧ ⎨ 0 f¨ ur x < a

x − a0 = ⎩ 1 f¨ ur x > a

(7.19)

einen Sprung der Gr¨ oße 1 an der Stelle x = a. Bei der Differentiation und bei der Integration kann das Klammer-Symbol wie eine runde Klammer aufgefasst werden. Es gelten daher die Rechenregeln d

x − an = n x − an−1 , dx



(7.20)

1

x − a dx =

x − an+1 + C . n+1 n

Eine konstante Streckenlast q0 , die an der Stelle x = a beginnt (Abb. 7.18a), kann somit nach (7.19) im gesamten Bereich durch die eine Funktion q(x) = q0 x − a0

(7.21) qb

q0

x a

x a

F

b

a

d

M0

e

q0

q0

x a

x a

b

q0

= x a

c

a

Abb. 7.18

7.2

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

195

beschrieben werden. Entsprechend stellt q(x) =

qb

x − a1 b

(7.22)

nach (7.18) eine ab der Stelle x = a linear wachsende Streckenlast dar (Abb. 7.18b). Eine konstante Streckenlast q0 , die an der Stelle x = 0 beginnt und bei x = a endet, erh¨ alt man, wenn man zwei Lastf¨alle nach Abb. 7.18c u ¨berlagert (superponiert). Dementsprechend wird sie durch q(x) = q0 − q0 x − a0 dargestellt. Wirken Einzelkr¨afte (Einzelmomente), dann treten im Querkraftverlauf (Momentenverlauf) Spr¨ unge auf. Diese m¨ ussen bei der Integration der differentiellen Beziehungen mit dem F¨opplSymbol zus¨ atzlich ber¨ ucksichtigt werden. So verursacht eine Einzelkraft F an der Stelle x = a (Abb. 7.18d) einen Sprung der Gr¨oße F in der Querkraft, der sich als Q(x) = − F x − a0

(7.23)

schreiben l¨ asst. Ein Sprung im Biegemoment infolge eines Einzelmoments M0 an der Stelle x = a (Abb. 7.18e) wird schließlich durch M (x) = − M0 x − a0

(7.24)

erfasst. Der Vorteil der Verwendung des F¨ oppl-Symbols besteht darin, dass keine Einteilung in mehrere Felder mehr vorgenommen werden muss. Nach Aufstellen der Belastungsfunktion q(x) kann die Integration formal nach (7.9) und (7.10) durchgef¨ uhrt werden. Die zwei Integrationskonstanten werden aus zwei Randbedingun¨ gen bestimmt. Die Ubergangsbedingungen an Unstetigkeitsstellen brauchen nicht ber¨ ucksichtigt zu werden: sie sind automatisch erf¨ ullt.

196

B7.7

7 Balken, Rahmen, Bogen

Beispiel 7.7 Der Balken nach Abb. 7.19a wird durch ein Einzelmoment und eine Dreieckslast belastet. Es sind die Schnittgr¨oßen zu bestimmen. q0

M0

Q B

A a

a

a

a

A

l

a

B

q0 2q0 M M0

q0

q0

b

x

c

Abb. 7.19

L¨ osung Zuerst stellen wir die Streckenlast mit Hilfe des F¨ opplSymbols dar. Eine ab der Stelle x = 2 a linear anwachsende Last wird analog zu (7.22) durch

q(x) =

q0

x − 2a1 a

beschrieben. Diese Gleichung liefert auch eine Belastung im Bereich x > 3 a. Da am Balken dort jedoch keine Belastung wirkt, m¨ ussen wir in diesem Bereich einen konstanten Anteil q0 x − 3 a0 und einen linearen Anteil q0 x−3 a1 /a abziehen (Abb. 7.19b) und erhalten somit q0 q0 q(x) = x − 2 a1 − q0 x − 3 a0 − x − 3 a1 . a a Wir u ¨berzeugen uns davon, dass diese Darstellung im Bereich x > 3 a tats¨ achlich die Streckenlast q = 0 liefert:

7.2

q(x) =

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

197

q0 q0 (x − 2 a) − q0 − (x − 3 a) = 0 f¨ ur x > 3 a . a a

Unter Ber¨ ucksichtigung des Sprunges im Momentenverlauf infolge M0 (Drehrichtung beachten) an der Stelle x = a liefert die Integration nach (7.9) und (7.10) q0 q0

x − 2 a2 + q0 x − 3 a1 +

x − 3 a2 + C1 , 2a 2a q0 q0 q0

x − 2 a3 + x − 3 a2 +

x − 3 a3 M (x) = − 6a 2 6a Q(x) = −

+ C1 x + C2 + M0 x − a0 . Die Integrationskonstanten C1 und C2 bestimmen wir aus den Randbedingungen: M (0) = 0 → C2 = 0 , q0 q0 q0 (l − 2 a)3 + (l − 3 a)2 + (l − 3 a)3 M (l) = 0 → − 6a 2 6a q0 l M0 − . + C1 l + M0 = 0 → C1 = 24 l Damit lauten die Schnittgr¨ oßen (Abb. 7.19c) q0 q0

x − 2 a2 + q0 x − 3 a1 +

x − 3 a2 2a 2a q0 l M0 − , + 24 l q0 q0 q0 M (x) = −

x − 2 a3 + x − 3 a2 +

x − 3 a3 6 a 2 6 a   q0 l M0 − + x + M0 x − a0 . 24 l Q(x) = −

7.2.6 Punktweise Ermittlung der Schnittgr¨ oßen

In vielen F¨ allen ist es nicht erforderlich, die Schnittgr¨oßenverl¨aufe in analytischer Form zu ermitteln. Es ist dann hinreichend, die Schnittgr¨ oßen nur an ausgezeichneten Stellen des Balkens zu berechnen. Die berechneten Punkte der Schnittkraftlinien werden anschließend durch die der jeweiligen Belastung entsprechenden Verl¨ aufe verbunden.

198

7 Balken, Rahmen, Bogen

Zur Erl¨ auterung des Verfahrens betrachten wir den Balken in Abb. 7.20a. Zuerst werden die Lagerkr¨ afte aus den Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur den gesamten Balken berechnet (Abb. 7.20b):  B:

 A:

− 6 a A + 5 a F + 3 a 2 q0 a + M0 = 0   1 M0 → A= 5 F + 6 q0 a + , 6 a − a F − 3 a 2 q0 a + M 0 + 6 a B = 0   1 M0 → B= F + 6 q0 a − . 6 a

An den Stellen x = a, 2 a, 4 a und 5 a treten Knicke oder Spr¨ unge in den Schnittkraftlinien auf. Dort bestimmen wir nun die Schnittgr¨ oßen aus den Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur den jeweils freigeschnittenen Balkenteil. So erhalten wir durch Schneiden bei x = a unmittelbar vor dem Angriffspunkt der Kraft F (Abb. 7.20c):   M0 1 5 F + 6 q0 a + ↑: A − Q = 0 → Q(a) = A = 6 a links neben der Kraft F ,  S : −a A + M = 0 → M (a) = a A 1 = (5 a F + 6 q0 a2 + M0 ) . 6 Entsprechend liefert ein Schnitt bei x = 2a (Abb. 7.20d):   1 M0 ↑: A − F − Q = 0 → Q(2 a) = − F + 6 q0 a + , 6 a  S : −2 a A + a F + M = 0 1 → M (2 a) = (2 a F + 6 q0 a2 + M0 ) . 3 In gleicher Weise finden wir   1 M0 Q(4 a) = − F − 6 q0 a + , 6 a 1 M (4 a) = (a F + 6 q0 a2 + 2 M0 ) , 3

7.2

Schnittgr¨ oßen am geraden Balken

199

Q(5 a) = Q(4 a) , M (5 a) =

1 (a F + 6 q0 a2 − M0 ) 6 F

rechts neben dem Moment M0 .

Q

q0 M0 B

A a

a

I

II

a

A

a

a

a

F

a

III IV 2q0 a

F

q0

M

M0

A

B

V

B

M0

x

b

S A Q a c

F

M

S

M

e

Q

A a

a

d

Abb. 7.20

In den Bereichen I, II, IV und V ist die Streckenlast Null. Daher ist dort die Querkraft jeweils konstant. Wegen q = q0 = const ist Q im Bereich III linear ver¨ anderlich. An der Stelle x = a tritt infolge der Einzelkraft F ein Sprung im Querkraftverlauf auf. Entsprechend ist das Biegemoment in den Bereichen I, II, IV und V linear ver¨ anderlich, hat einen Knick bei x = a und verl¨auft im Bereich III nach einer quadratischen Parabel (vgl. auch Tabelle in Abschnitt 7.2.2). Da der Querkraftverlauf an den Stellen x = 2 a und x = 4 a stetig ist, hat der Momentenverlauf wegen Q = dM/dx an diesen Stellen keine Knicke. Bei x = 5 a bewirkt das Moment M0 einen Sprung in der Momentenlinie. Abbildung 7.20e zeigt die Schnittkraftlinien. Das maximale Biegemoment tritt dort auf, wo die Querkraft verschwindet.

200

B7.8

7 Balken, Rahmen, Bogen

F¨ ur das Tragwerk nach Abb. 7.21a (a = 0, 5 m, q0 = 60 kN/m, F = 80 kN, M0 = 10 kNm) bestimme man die Schnittkraftlinien.

Beispiel 7.8

Q

q0 M0

G

A

2a

2a

1

q0 a

B a

a

F

a

1 0 0 1 0 1 0 1

x

B

MB -25

G

b

F

quadratische Parabel

M

F

A

-50

G

[kNm]

G M0

A

-100 2

2q0 a

[kN] 50

B

M0 kubische Parabel

quadratische Parabel

-50

MB

c

Abb. 7.21

L¨ osung Zuerst ermitteln wir die Lagerreaktionen und die Gelenkkraft (alle Horizontalkomponenten sind Null) aus dem Gleichgewicht an den freigeschnittenen Teilbalken (Abb. 7.21b): 1

 A:  G:

2

 B:

↑:

2 a q0 a + M0 − a 2 q0 a − 2 a G = 0 3 M0 2 = − 10 kN , → G = − q0 a + 3 2a 8 a q0 a + M0 − 2 a A + a 2 q0 a = 0 3 M0 7 = 80 kN , → A = q0 a + 3 2a − 2 a G + a F + MB = 0 4 → MB = − q0 a2 + M0 − a F = − 50 kNm , 3 G−F +B =0 M0 2 + F = 90 kN . → B = q0 a − 3 2a

7.3

Schnittgr¨ oßen bei Rahmen und Bogen

201

Durch geeignete Schnitte berechnen wir anschließend folgende Schnittgr¨ oßen: & links neben Lager A , − q0 a = − 30 kN Q(2 a) = rechts neben Lager A , − q0 a + A = 50 kN Q(4 a) = − q0 a + A − 2 q0 a = − 10 kN , & G = − 10 kN Q(5 a) = G − F = − 90 kN

links neben Kraft F , rechts neben Kraft F ,

Q(6 a) = − B = − 90 kN , ⎧ 2 ⎪ ⎪ links neben Lager A , ⎨ − 3 a q0 a = − 10 kNm M (2 a) = ⎪ ⎪ ⎩ − 2 a q0 a − M0 = − 20 kNm rechts neben Lager A , 3 M (5 a) = a G = − 5 kNm , M (6 a) = MB = − 50 kNm . Mit Q(0) = 0, M (0) = 0 und M (4 a) = 0 k¨ onnen wir nun durch Verbinden dieser Punkte mit den zutreffenden Geraden bzw. Parabeln die Schnittkraftlinien zeichnen (Abb. 7.21c). Dabei sind die differentiellen Beziehungen zu beachten: – an der Stelle x = 0 haben wegen q = 0 bzw. Q = 0 die quadratische Parabel f¨ ur Q bzw. die kubische Parabel f¨ ur M jeweils eine horizontale Tangente, – an der Stelle x = 4 a geht beim Momentenverlauf die quadratische Parabel ohne Knick in die Gerade u ¨ber (Querkraftlinie ist dort stetig).

7.3 Schnittgr¨ oßen bei Rahmen und Bogen ¨ Die Uberlegungen zur Bestimmung der Schnittgr¨oßen an Balken lassen sich auf Rahmen und B¨ ogen verallgemeinern. Die differentiellen Beziehungen nach Abschnitt 7.2.2 gelten dabei allerdings

7.3

202

7 Balken, Rahmen, Bogen

nur f¨ ur gerade Rahmenteile (nicht f¨ ur B¨ ogen). Wir wollen uns hier vorzugsweise mit der punktweisen Ermittlung der Schnittgr¨ oßen besch¨ aftigen. Entsprechend dem Vorgehen in Abschnitt 7.2.6 werden die Schnittgr¨ oßen an ausgezeichneten Punkten des Rahmens oder Bogens aus dem Gleichgewicht am geschnittenen Rahmen- oder Bogenteil berechnet. Die Vorzeichen werden dabei nach Abschnitt 7.1 u ¨ber die gestrichelte Faser festgelegt. Da bei Rahmen in der Regel auch bei reiner Querbelastung der Rahmenteile Normalkr¨ afte auftreten, berechnen wir hier stets alle drei Schnittgr¨ oßen.

D

C

1

QC

2

2

2

2

q0 C

MC

MC

QC

2

NC

2

NC

2

QC 2

1

MC

F1 1

1

NC

3

1

NC

1

MC

F2

1

QC

1

B

A a

b

Abb. 7.22

¨ Bei Rahmen ist der Ubergang der Schnittgr¨oßen an den Ecken besonders zu betrachten. Wir untersuchen dies an der unbelasteten rechtwinkligen Ecke C des Rahmens in Abb. 7.22a. Aus dem Gleichgewicht an der freigeschnittenen Ecke (Abb. 7.22b) folgt 1

2

NC = − QC ,

1

2

QC = NC ,

1

2

MC = M C .

(7.25)

¨ W¨ ahrend die Biegemomente ohne Anderung u ¨bertragen werden, gehen die Querkraft in die Normalkraft und die Normalkraft in die Querkraft u ¨ber. Tritt an einer Rahmenecke ein schiefer Winkel auf, so muss man die zu u ¨bertragenden Schnittkr¨afte nach den jeweiligen Richtungen zerlegen.

7.3

Schnittgr¨ oßen bei Rahmen und Bogen

203

Beispiel 7.9 F¨ ur den Rahmen nach Abb. 7.23a bestimme man die

Schnittgr¨ oßen. F

F q0 = F/a

1

a

3

C

E 2

a

D q0 4

A BH a

a

2a

BV

b

2aF

3F 2

F

2aF aF

5F 2 N - Linie

M - Linie

Q - Linie 3F 2

2F

c

quadratische Parabel

Abb. 7.23

L¨ osung Aus den Gleichgewichtsbedingungen am gesamten Rah-

men (Abb. 7.23b) erh¨ alt man die Lagerkr¨ afte zu A=

3 BV = − F , 2

5 F, 2

BH = 2 F .

Zur Festlegung der Vorzeichen der Schnittgr¨ oßen f¨ uhren wir die gestrichelte Faser ein. Die Schnittkraftlinien werden durch punktweise Ermittlung konstruiert. Durch geeignete Schnitte berechnen wir folgende Schnittgr¨ oßen: 1

1

NC = 0 ,

1

QC = − F ,

2

NC = − A = − 3

5 F, 2

MC = − aF , 2

QC = 0 ,

3

ND = 0 , QD = −F + A =

3 3 F , MD = −3 a F + 2 a A = 2 a F. 2

¨ Beim Ubergang vom Bereich (7.25) 4

3

ND = QD =

3 F, 2

4

2

MC = 0 ,

zum Bereich

3

3

QD = − ND = 0 ,

4

4

gilt analog zu 3

MD = M D = 2 a F .

B7.9

204

7 Balken, Rahmen, Bogen

Unter Beachtung von 1

1

NE = 0 ,

1

QE = − F , ME = 0 , 5 2 2 = − A = − F , QA = 0 , MA = 0 , 2 3 4 = − BV = F , QB = − BH = − 2 F , 2

2

NA

4

NB

4

MB = 0

erh¨ alt man die in Abb. 7.23c dargestellten Schnittkraftlinien. B7.10

Beispiel 7.10 Man bestimme die Schnittkraftlinien f¨ ur die Balken des in Abb. 7.24a dargestellten Tragwerks. F A G

45◦

5F 2

1F 2

a

S

1 2F

N - Linie

a B a

a

a

3F 2

2a F

1 2F

AH

A

x AV

x

F

Q - Linie

45◦ BH

b

F 1F 2

1 2F

GV BV

2F a

S 45◦ BH c

1Fa 2

GH

C

M - Linie BV

d

1Fa 2

Abb. 7.24

L¨ osung Wir ermitteln zuerst die Lagerreaktionen aus den Gleich-

gewichtsbedingungen am gesamten Tragwerk (Abb. 7.24b). Mit AV = AH erhalten wir

7.3

 B: →:  A:

Schnittgr¨ oßen bei Rahmen und Bogen

2a AV + 2a AH + 2a F = 0



AV = AH = −

AH + BH = 0



BH =

2a BV + 2a BH − 4a F = 0



F , 2 3 BV = F . 2

205

F , 2

Anschließend berechnen wir die Stabkraft und die Gelenkkraft aus den Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur den vertikalen Balken (Abb. 7.24c):  C:  G: ↑:

a GH − a BH = 0 √ 2 S=0 2a BH − a 2 √ 2 BV + S − GV = 0 2



GH =



S=



GV =



F , 2 2F , 5 F. 2

Zur Festlegung der Vorzeichen der Schnittgr¨ oßen f¨ uhren wir die gestrichelten Fasern nach Abb. 7.24b ein. Beachtet man, dass es infolge der Horizontal- und der Vertikalkomponente der Stabkraft S und der Gelenkkraft (GH , GV ) zu Spr¨ ungen bei Normalkraft und bei Querkraft kommt, dann k¨ onnen diese Schnittkraftlinien ohne weitere Rechnung skizziert werden. F¨ ur die Momentenlinie bietet sich eine punktweise Ermittlung an (Abb. 7.24d). Der Kreisbogentr¨ ager nach Abb. 7.25a wird durch eine Einzelkraft F belastet. Gesucht sind die Schnittgr¨ oßen.

Beispiel 7.11

L¨ osung Die Lagerkr¨ afte folgen aus den Gleichgewichtsbedingun-

gen am gesamten Bogen (Abb. 7.25b) zu B=

1 F, 4

AV = − B = −

1 F, 4

AH = F .

Nach Einf¨ uhren der gestrichelten Faser werden die Schnittgr¨oßen durch Gleichgewichtsbetrachtungen an freigeschnittenen Bogenteilen bestimmt. Zun¨ achst f¨ uhren wir einen Schnitt an einer beliebigen Stelle ϕ im Bereich I (0 < ϕ < 30◦ ). Die Gleichgewichtsbedingungen liefern hier nach Abb. 7.25c

B7.11

206

7 Balken, Rahmen, Bogen

II F

F r/2

30◦

r

I AH AV

b

a

B M

N M

N

S

Qr

r sin ϕ

Q S

r

ϕ ϕ

r sin ψ

ψ

AH AV r(1 − cos ϕ)

c 

B

√  3 1 2+ 8 F

r(1−cos ψ)

d √

3 1 2 −8





3 8 F

N - Linie 1F 4

e



√  1 + 3 rF 4 8

1F 4

F

1 8F

F

1F 4

Q - Linie

M - Linie Abb. 7.25

: :  S:

N + AV cos ϕ − AH sin ϕ = 0 ( → N = sin ϕ +

1 4

Q − AV sin ϕ − AH cos ϕ = 0 ( → Q = cos ϕ −

1 4

) cos ϕ F , ) sin ϕ F ,

M − r sin ϕ AH − r(1 − cos ϕ)AV = 0 ) ( → M = sin ϕ + 14 cos ϕ − 14 r F .

7.4

Schnittgr¨ oßen bei r¨aumlichen Tragwerken

207

Da der Winkel ϕ beliebig ist, erh¨ alt man somit den Verlauf der Schnittgr¨ oßen im gesamten Bereich I. Entsprechend findet man mit dem Hilfswinkel ψ = π − ϕ im Bereich II (30◦ < ϕ < 180◦ ) nach Abb. 7.25d :

N + B cos ψ = 0 →

:

1 4

F cos ϕ ,

Q + B sin ψ = 0 →

 S:

N = − 14 F cos ψ =

Q = − 14 F sin ψ = − 14 F sin ϕ ,

− M + r(1 − cos ψ)B = 0 →

M=

1 4

(1 − cos ψ)r F =

1 4

(1 + cos ϕ)r F .

Die Schnittgr¨ oßen sind in Abb. 7.25e senkrecht zum Bogen aufgetragen. Die Spr¨ unge ΔN = F/2 in der Normalkraft und ΔQ = √ 3 F/2 in der Querkraft bei ϕ = 30◦ entsprechen den Komponenten von F normal und tangential zum Bogen.

7.4 Schnittgr¨ oßen bei r¨ aumlichen Tragwerken Wir haben uns bisher bei der Ermittlung der Schnittgr¨oßen der Einfachheit halber auf ebene Tragwerke beschr¨ankt, die durch Kr¨ aftegruppen in ihrer Ebene belastet sind. Nun wollen wir auch r¨ aumlich belastete ebene Tragwerke sowie r¨ aumliche Tragwerke untersuchen. Als einfaches Beispiel betrachten wir einen einseitig eingespannten Balken, der durch beliebig gerichtete Kr¨ afte Fj und Momente Mj belastet wird (Abb. 7.26a). Wie in Abschnitt 7.1 legen wir die inneren Kr¨ afte durch einen Schnitt senkrecht zur Balkenachse frei. Die u ache verteilten Kr¨afte k¨onnen ¨ber die Querschnittsfl¨ wieder durch ihre Resultierende R und ihr resultierendes Moment M (bez¨ uglich des Schwerpunkts S der Querschnittsfl¨ache) ersetzt werden (Abb. 7.26b). Dabei besitzen R und M nun im allgemei-

7.4

208

1111 0000 0000 1111 0000 1111 0000 1111 0000 1111

7 Balken, Rahmen, Bogen

y

F1

z

a

F2

x M1

S y M b

Qy x R

y

My

S

M2

N

Qz

MT x

z Mz z

nen Komponenten in allen drei Koordinatenrichtungen: ⎞ ⎞ ⎛ ⎛ N MT ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ R = ⎝ Qy ⎠ , M = ⎝ My ⎠ . Qz

Abb. 7.26

(7.26)

Mz

Die Kraftkomponente in x-Richtung (normal zur Schnittebene) ist wie in Abschnitt 7.1 die Normalkraft N . Die Schnittkr¨afte in yund in z-Richtung (senkrecht zur Balkenachse) sind die Querkr¨afte Qy und Qz . Die Komponente des Momentes um die x-Achse heißt Torsionsuhrt beim elastischen Balken (vgl. Band 2) zu moment MT ; sie f¨ einer Verdrehung. Daneben treten im Querschnitt noch die beiden Biegemomente My und Mz auf. Die Vorzeichenkonvention der Schnittgr¨ oßen lautet wie in Abschnitt 7.1: Positive Schnittgr¨ oßen zeigen am positiven Schnittufer in positive Koordinatenrichtungen. In Abb. 7.26b sind alle Schnittgr¨ oßen mit ihrem positiven Richtungssinn eingezeichnet. Bei abgewinkelten Tragwerken verwendet man zweckm¨aßigerweise ein eigenes Koordinatensystem f¨ ur jeden Teilbereich. Die Schnittgr¨ oßen werden wie bisher aus den Gleichgewichtsbedingungen am geschnittenen System bestimmt.

7.4

Schnittgr¨ oßen bei r¨aumlichen Tragwerken

209

Beispiel 7.12 Das r¨ aumliche Tragwerk nach Abb. 7.27a wird durch eine Kraft F belastet. Gesucht sind die Schnittgr¨ oßen.

1111 0000 0000 1111 0000 1111 0000 1111 0000 1111 0000 1111 y

F 1

x z

2

3

y

x y

x

z

z a

c

b

a

My Mz

F

F Qy

1

c−x

Mz Qy

Qz N

F Mz

2

b−x

N

c

b

3

a−x

MT

MT

My

d

F

Q - Linie

N - Linie

Qy F

Qy

F e

M - Linie

MT - Linie

My

cF cF Abb. 7.27

Mz

bF Mz

cF Mz

L¨ osung Bei einem Schnitt an einer beliebigen Stelle durch das

Tragwerk greifen am abgeschnittenen Teilsystem keine Lagerreaktionen an. Wenn man die Gleichgewichtsbedingungen zur Ermittlung der Schnittgr¨ oßen f¨ ur dieses Teilsystem aufstellt, dann ist es nicht n¨ otig, die Lagerreaktionen vorab zu bestimmen. Zur Festlegung der Vorzeichen der Schnittgr¨ oßen in den drei

B7.12

210

7 Balken, Rahmen, Bogen

Bereichen 1 bis 3 verwenden wir drei Koordinatensysteme (Abb. 7.27a). Zun¨ achst f¨ uhren wir einen Schnitt an einer beliebigen Stelle x im Bereich 1 . An der Schnittstelle werden die Schnittgr¨oßen mit positivem Richtungssinn (negatives Schnittufer!) eingezeichnet, vgl. Abb. 7.27b. Aus den Gleichgewichtsbedingungen (3.34) folgt:  Fiy = 0 : F − Qy = 0 → Qy = F , 

Miz = 0 : (c − x)F − Mz = 0



Mz = (c − x)F .

Alle anderen Schnittgr¨ oßen sind im Bereich 1 gleich Null. Entsprechend erh¨ alt man bei einem Schnitt an einer Stelle x im oßen, die Null sind, sind Bereich 2 , vgl. Abb. 7.27c (die Schnittgr¨ ¨ dabei der Ubersichtlichkeit halber weggelassen worden),  F − Qy = 0 → Qy = F , Fiy = 0 :  

Mix = 0 :

c F − MT = 0



MT = c F ,

Miz = 0 : (b − x)F − Mz = 0



Mz = (b − x)F ,

bzw. im Bereich  Fix = 0 :  

3

, vgl. Abb. 7.27d, F −N = 0



N =F,

Miy = 0 : − c F − My = 0



My = − c F ,

Miz = 0 :



Mz = b F .

b F − Mz = 0

Die Schnittkraftlinien sind in Abb. 7.27e zusammengestellt. Aus den Schnittgr¨ oßen an der Einspannstelle kann man die Lagerreaktionen ablesen. B7.13

Beispiel 7.13 Der eingespannte Viertelkreisbogen nach Abb. 7.28a

wird durch eine Kraft belastet, die senkrecht auf der Bogenebene steht. Man ermittle die Schnittgr¨ oßen. L¨ osung Wir schneiden den Bogen an einer beliebigen Stelle ϕ und

7.4

Schnittgr¨ oßen bei r¨aumlichen Tragwerken

211

betrachten den rechten Teilbogen (Abb. 7.28b). Zur Festlegung der Vorzeichen der Schnittgr¨ oßen verwenden wir ein lokales x, y, zKoordinatensystem. An der Schnittstelle S (positives Schnittufer) werden die Querkraft Qz , das Torsionsmoment MT sowie das Biegemoment My mit ihren positiven Richtungen in das Freik¨orperbild eingezeichnet. Die anderen Schnittgr¨ oßen sind Null und wer¨ den der Ubersichtlichkeit halber im Freik¨ orperbild weggelassen. Draufsicht

a

111 000 000 111 000 111 000 111

r r

r

F

ϕ

F

y

r sin ϕ My

r(1−cos ϕ) x

b

S

Qz

MT

Abb. 7.28

Die Gleichgewichtsbedingungen liefern dann  Qz + F = 0 → Fiz = 0 :  (S) Mix = 0 : MT + F r(1 − cos ϕ) = 0 

→ (S) Miy

=0:

Qz = − F ,

MT = − F r(1 − cos ϕ) ,

My + F r sin ϕ = 0 →

My = − F r sin ϕ .

212

7.5

7 Balken, Rahmen, Bogen

7.5 Zusammenfassung • Die Schnittgr¨ oßen beim Balken, Rahmen, Bogen sind im ebenen Fall die Normalkraft N , die Querkraft Q und das Biegemoment M . • Vorzeichenkonvention f¨ ur Schnittgr¨ oßen: positive Schnittgr¨oßen zeigen am positiven (negativen) Schnittufer in positive (negative) Koordinatenrichtung. • Die Schnittgr¨ oßen k¨ onnen mit Hilfe des Schnittprinzips wie folgt bestimmt werden:  Schnitt durch den Balken (Rahmen, Bogen).  Festlegung eines Koordinatensystems.  Skizzieren des Freik¨ orperbildes f¨ ur den betrachteten Teilk¨orper; alle ¨ außeren Lasten sowie die Schnittgr¨oßen (mit positivem Richtungssinn) einzeichnen.  Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur den Teilk¨orper. Im ebenen Fall sind dies 3 Gleichungen, im r¨aumlichen Fall 6 Gleichungen.  Aufl¨ osen der Gleichungen nach den unbekannten Schnittgr¨ oßen.  Das Gleichungssystem ist eindeutig l¨osbar, wenn die ¨außeren Kr¨ afte (einschließlich Lagerreaktionen) bekannt sind. • Bei Balken und geraden Rahmenteilen gelten im ebenen Fall die differentiellen Beziehungen (die lokalen Gleichgewichtsbedingungen) Q = −q,

M = Q .

Bei bekannter ¨ außerer Belastung q erlauben sie die Ermittlung der Schnittgr¨ oßen durch Integration. Die dabei auftretenden Integrationskonstanten werden aus den Randbedingungen ¨ bzw. aus den Rand- und Ubergangsbedingungen bestimmt. • Oft ist es ausreichend, die Schnittgr¨ oßen nur an ausgezeichneten Stellen des Tragwerks zu berechnen. Die Schnittkraftlinien zwischen den ausgezeichneten Stellen sind dann durch die Belastung im jeweiligen Bereich festgelegt; Beziehungen zwischen q, Q und M beachten!

Kapitel 8 Arbeit

8

8 Arbeit 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6

Arbeitsbegriff und Potential .................................. Der Arbeitssatz ................................................. Gleichgewichtslagen und Kr¨afte bei beweglichen Systemen ................................................................ Ermittlung von Reaktions- und Schnittkr¨aften ........... Stabilit¨at einer Gleichgewichtslage .......................... Zusammenfassung ..............................................

215 221 223 229 234 246

Lernziele: Die Leserin und der Leser werden mit den Begriffen Arbeit, konservative Kraft und Potential vertraut gemacht. Dar¨ uber hinaus lernen sie das Prinzip der virtuellen Verr¨ uckungen (Arbeitssatz der Statik) kennen. Sie sollen in die Lage versetzt werden, dieses Prinzip zur Bestimmung von Gleichgewichtslagen sowie von Reaktions- und Schnittkr¨ aften sachgerecht anzuwenden. Schließlich wird gezeigt, wie man bei konservativen Systemen mit einem Freiheitsgrad aus Energiebetrachtungen Aussagen zur Stabilit¨ at von Gleichgewichtslagen gewinnt.

8.1

Arbeitsbegriff und Potential

215

8.1

8.1 Arbeitsbegriff und Potential Der Arbeitsbegriff ist mit Verschiebungen verkn¨ upft und geh¨ort daher eigentlich in die Kinetik (vgl. Band 3), da in der Statik ja gerade keine Bewegungen auftreten sollen. Trotzdem kann man auch in der Statik Aufgaben mit Hilfe des Arbeitsbegriffes l¨osen, wie wir in Abschnitt 8.2 zeigen werden. Hierzu m¨ ussen wir zun¨achst die mechanische Gr¨oße Arbeit“ einf¨ uhren. ” s P Abb. 8.1

P

F

F

1111111111111 0000000000000

Wir betrachten einen K¨ orper nach Abb. 8.1, der durch eine konstante Kraft F um eine Strecke s in Richtung von F verschoben wird. Als Arbeit der Kraft F definieren wir das Produkt aus F und der Verschiebung s des Kraftangriffspunkts P : W = F s. Diese Definition kann mit Hilfe der Vektorrechnung verallgemeinert werden. In Abb. 8.2a bewegt sich der Angriffspunkt P einer Kraft F l¨ angs einer beliebigen Bahn. Bei einer infinitesimalen Verschiebung dr von der durch den Ortsvektor r gekennzeichneten augenblicklichen Lage zu einer Nachbarlage verrichtet die Kraft F eine Arbeit dW , die definiert ist durch das Skalarprodukt dW = F · dr .

(8.1) 2

z

x Abb. 8.2

dr r

F

α P

F cos α dr

α

F

dr α

y a

1

b

F dr cos α

216

8 Arbeit

Dieses Produkt aus den Vektoren F und dr ist nach (A.19) ein Skalar der Gr¨ oße dW = |F ||dr| cos α = (F cos α)dr = F (dr cos α) .

(8.2)

Die Arbeit ist dementsprechend das Produkt aus der Kraftkomponente (F cos α) in Richtung des Weges mal dem Weg dr bzw. das Produkt aus der Kraft F mal der Komponente des Weges (dr cos α) in Richtung der Kraft (Abb. 8.2b). Wenn Kraft und Wegelement senkrecht aufeinander stehen (α = π/2), wird keine Arbeit verrichtet: dW = 0. Die Arbeit u ¨ber einen endlichen Weg (Abb. 8.2a) vom Punkt 1 bis zum Punkt 2 ergibt sich aus dem Wegintegral 2

 W =

F · dr .

dW =

(8.3)

1

Die Arbeit hat die Dimension [F l]; sie wird in der nach dem Physiker James Prescott Joule (1818–1889) benannten Einheit 1 J = 1 Nm angegeben. In (8.3) kann F (r) eine Kraft sein, deren Gr¨oße und deren Richtung vom Ort r abh¨ angen. Die Ausdrucksweise Arbeit = Kraft × ” Weg“ gilt daher nur, wenn die beiden Vektoren F und dr st¨andig dieselbe Richtung haben (α = 0) und der Betrag von F konstant ist. Als Anwendung betrachten wir ein System von zwei K¨orpern mit den Gewichten G und Q, die durch ein undehnbares Seil verbunden sind (Abb. 8.3). Wenn der linke K¨ orper eine Verschiebung um die Strecke ds nach unten erf¨ ahrt, wird der rechte K¨orper um die gleiche Strecke entlang der schiefen Ebene nach oben gezogen. Die Arbeit der Gewichtskraft G ist dann durch dWG = G ds gegeben, da hier Kraft- und Wegrichtung u ¨bereinstimmen. Bei der Arbeit von Q geht nur die Komponente Q sin α in Richtung der

8.1

Arbeitsbegriff und Potential

111111 000000 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111 ds

217

Q cos α α

Q

Q sin α

Q

α

ds G

Abb. 8.3

Verschiebung in den Ausdruck f¨ ur die Arbeit ein. Weil diese Kraftkomponente gegen die Wegrichtung zeigt, gilt dWQ = −Q sin α ds. Als weiteres Beispiel betrachten wir den beidseitigen Hebel nach Abb. 8.4a, an dem die Kr¨ afte F1 und F2 angreifen. Bei einer infinitesimalen Drehung dϕ um den Lagerpunkt A verrichtet die Kraft F1 die Arbeit (Abb. 8.4b) dW = F1 ds1 = F1 a dϕ . Das Produkt aus Kraft F1 und senkrechtem Abstand a ist nach (3.5) das Moment M1 der Kraft F1 um A, so dass die Arbeit auch durch dW = M1 dϕ ausgedr¨ uckt werden kann. F2

F1

F1

F2 A

ds1 a Abb. 8.4

b a

dϕ b

F¨ uhrt man in Verallgemeinerung einen Drehvektor dϕ ein, dessen Richtung mit der Drehachse u ¨bereinstimmt und dessen Betrag der Winkel dϕ ist, so verrichtet ein Momentenvektor M bei einer infinitesimalen Drehung eine Arbeit dW = M · dϕ .

(8.4)

218

8 Arbeit

Durch Integration erh¨ alt man analog zu (8.3) f¨ ur eine endliche Drehung 



W =

dW =

M · dϕ .

(8.5)

Sind M und dϕ parallel, so folgt aus (8.4) dW = M dϕ. Ist außerdem M bei einer endlichen Drehung ϕ konstant, so ergibt sich aus (8.5) W = M ϕ. Da ein Winkel dimensionslos ist, haben Moment und Arbeit – obwohl sie physikalisch verschiedene Gr¨ oßen sind – dieselbe Dimension [F l]. 1

z

x

r y

dr G 2

Abb. 8.5

Betrachten wir nun als Sonderfall einer Kraft das konstante Gewicht eines K¨ orpers (Totlast) in der Umgebung der Erdoberfl¨ache (Abb. 8.5). Zeigt z von der Erdoberfl¨ ache senkrecht nach außen, so lautet der Kraftvektor G = − G ez . ¨ Mit der Anderung des Ortsvektors dr = dx ex + dy ey + dz ez und ez · ex = ez · ey = 0 ,

ez · ez = 1

(vgl. (A.22))

folgt aus (8.1) dW = G · dr = − G ez · (dx ex + dy ey + dz ez ) = − G dz .

8.1

Arbeitsbegriff und Potential

219

Damit wird nach (8.3) die Arbeit des Gewichts l¨angs der Bahn von 1 nach 2  z2 W = dW = − G dz = G (z1 − z2 ) . (8.6) z1

Sie h¨ angt nur von der Lage der Endpunkte ab. Das Gewicht verrichtet dieselbe Arbeit, wenn sich sein Angriffspunkt auf einer beliebigen anderen Bahn zwischen denselben Endpunkten 1 und 2 bewegt: die Arbeit ist wegunabh¨ angig. Kr¨ afte, deren Arbeit nicht von der Bahn abh¨ angt, heißen konservative Kr¨ afte oder Potentialkr¨ afte. Diese Kr¨ afte, und nur sie, lassen sich aus einem Potential Π ableiten, das definiert ist als  Π = −W = −

F · dr .

(8.7)

Man nennt Π auch die potentielle Energie. Als erstes Beispiel betrachten wir wieder die Gewichtskraft G (Abb. 8.6a). Nach (8.6) gilt hier mit z2 = z Π (z) = − W = G (z − z1 ) = G z − G z1 .

(8.8a)

Bildet man die negative Ableitung des Potentials nach der Ortskoordinate z, so erh¨alt man die Kraft: −

dΠ = −G. dz

(8.8b)

Das Minuszeichen bei G deutet an, dass das Gewicht gegen die positive z-Richtung wirkt. Nach (8.8a) h¨ angt das Potential von der Wahl des Koordinatensystems (Lage des Ursprungs) ab; es ist bis auf eine Konstante (hier Gz1 ) bestimmt. Diese Konstante geht jedoch bei der Berechnung der Kraft G nach (8.8b) nicht ein. Sie hat auch keinen Einfluss auf die Arbeit, die ja nur von der H¨ohendifferenz abh¨ angt. Man kann daher die Lage des Koordinatensystems beliebig w¨ ahlen. Oft ist es zweckm¨ aßig, die z-Koordinate so festzulegen, dass das Potential f¨ ur z = 0 Null wird: Π (0) = 0 (Nullniveau).

220

8 Arbeit

11 00 00 11 00 11 00 11 00 11 00 11 111111 000000 2

G

z

c x F

1

z1

a

b

Ff

F

11 00 00 11 1010

cT

ϕ c

M Abb. 8.6

Als weiteres Beispiel betrachten wir das Potential einer Federkraft. Die Feder nach Abb. 8.6b werde aus ihrer entspannten Lage durch eine ¨ außere Kraft F um eine Strecke x verl¨angert. Aus Messungen ist bekannt, dass zwischen der Kraft F und dem Federweg x der lineare Zusammenhang F = c x besteht, sofern die Federverl¨ angerung hinreichend klein bleibt. Dabei ist c die Federkonstante; sie hat die Dimension Kraft durch L¨ange und damit z.B. die Einheit N cm−1 . Die Federkraft Ff ist als Reaktionskraft zu F gegen den Weg gerichtet und verrichtet daher bei der Auslenkung eine Arbeit x x 1 x = − cx ¯ d¯ x = − c x2 . W = − Ff d¯ 2 0

0

Damit wird nach (8.7) das Potential der Federkraft Π (x) =

1 2 cx . 2

(8.9)

Es stellt die bei der Federverl¨ angerung in der Feder gespeicherte Energie dar. Die Federkraft Ff folgt wieder aus der negativen Ableitung von Π nach der Koordinate: Ff = −

dΠ = −cx. dx

Bei einer linearen Drehfeder nach Abb. 8.6c gilt analog zu F = c x der Zusammenhang M = cT ϕ zwischen dem Moment M und dem Verdrehwinkel ϕ. Die Drehfederkonstante cT hat die Dimension [F l]. In Analogie zu (8.9) erh¨ alt man nach Ersetzen von c

8.2

Der Arbeitssatz

221

durch cT und von x durch ϕ das Potential der Drehfeder zu Π =

1 c ϕ2 . 2 T

(8.10)

8.2 Der Arbeitssatz Bisher haben wir die Arbeit f¨ ur den Fall berechnet, dass sich der Angriffspunkt einer Kraft l¨ angs eines Weges wirklich verschiebt. Man kann sich den Arbeitsbegriff aber auch in der Statik, bei der ja keine Verschiebungen auftreten, zunutze machen, indem man die wirklichen Verschiebungen durch gedachte Verschiebungen ersetzt. Man nennt sie virtuelle Verr¨ uckungen und versteht hierunter Verschiebungen (oder Drehungen), die a) gedacht, d.h. in Wirklichkeit gar nicht vorhanden, b) infinitesimal klein, c) geometrisch (kinematisch) m¨ oglich, d.h. mit den Bindungen des Systems vertr¨ aglich sind. Zur Unterscheidung von wirklichen Verschiebungen dr kennzeichnen wir die virtuellen Verschiebungen δr mit dem der Variationsrechnung entnommenen δ-Symbol. Damit wird die von Kr¨aften bzw. Momenten bei einer virtuellen Verr¨ uckung verrichtete virtuelle Arbeit nach (8.1)

δW = F · δr

bzw. nach (8.4)

δW = M · δϕ .

Wir betrachten nun wieder den beidseitigen Hebel (Abb. 8.7a) und berechnen die bei einer virtuellen Verr¨ uckung verrichtete Arbeit. Eine virtuelle Verr¨ uckung, d.h. eine Auslenkung, welche mit den Bindungen vertr¨ aglich ist, ist nach Abb. 8.7b eine Drehung um das Lager A mit dem Winkel δϕ. Dabei verrichten die Kr¨afte F1 und F2 insgesamt die virtuelle Arbeit δW = F1 a δϕ − F2 b δϕ = (F1 a − F2 b) δϕ .

8.2

222

8 Arbeit

F1

F2

F1

F1

F2 A

F2 δz

bδϕ

aδϕ a

A

δϕ

b

a

b

c

Abb. 8.7

Das Minuszeichen im zweiten Glied ber¨ ucksichtigt, dass die Kraft F2 gegen den nach oben gerichteten Weg b δϕ zeigt. In der Gleichgewichtslage verschwindet wegen der Momentengleichgewichtsbedingung F2 b = F1 a (Hebelgesetz von Archimedes) der Ausdruck in der Klammer. Damit folgt f¨ ur dieses Beispiel, dass im Gleichgewichtsfall die virtuelle Arbeit verschwindet: δW = 0. Wesentlich ist dabei, dass nur die eingepr¨ agten Kr¨afte F1 und F2 (vgl. Abschnitt 1.4) in die virtuelle Arbeit eingehen, w¨ahrend die Lagerkraft in A keinen Anteil liefert. Das Ergebnis am Hebel l¨ asst sich verallgemeinern. Als Axiom fordern wir, dass an einem beliebigen System auch bei beliebig (e) ur die Gleichgewichtslage die vielen eingepr¨ agten Kr¨ aften F i f¨ gesamte virtuelle Arbeit verschwindet: δW =



(e)

F i · δr i = 0 .

(8.11)

Da dieses Gleichgewichtsaxiom eine Aussage u ¨ber die Arbeit bei virtuellen Verr¨ uckungen macht, bezeichnen wir es als Arbeitssatz der Statik. Er lautet in Worten: Ein mechanisches System ist im Gleichgewicht, wenn die Arbeit der eingepr¨ agten Kr¨ afte bei einer virtuellen Verr¨ uckung aus dieser Lage verschwindet. Wenn man Drehungen als virtuelle Verr¨ uckungen einf¨ uhrt, treten analog zu (8.4) in (8.11) die Momente an die Stelle der Kr¨afte. H¨ aufig wird die Aussage δW = 0 auch Prinzip der virtuellen Verr¨ uckungen oder Prinzip der virtuellen Arbeiten genannt. In der Mechanik deformierbarer K¨ orper hat dieses Prinzip in erweiterter Form eine besondere Bedeutung (vgl. Band 2).

8.3

Gleichgewichtslagen und Kr¨afte bei beweglichen Systemen

223

Man kann allgemein aus dem Arbeitssatz die Gleichgewichtsbedingungen und umgekehrt aus den Gleichgewichtsbedingungen, die ja selbst auch axiomatischen Charakter haben, den Arbeitssatz ableiten. Die gesamte Statik l¨ asst sich daher entweder auf den Gleichgewichtsbedingungen oder auf dem Arbeitssatz aufbauen. F¨ ur die praktische Anwendung hat der Arbeitssatz den großen Vorteil, dass man durch geschickte Wahl der virtuellen Verr¨ uckungen die Anzahl der Unbekannten in einer Gleichung h¨aufig reduzieren kann. Der Nachteil ist dabei, dass man unter Umst¨anden daf¨ ur komplizierte kinematische Bedingungen aufstellen muss. Mit dem Arbeitssatz kann man nicht nur Systeme behandeln, die eine Bewegungsm¨ oglichkeit haben, sondern auch Systeme, die starr gelagert sind. Im zweiten Fall muss man jedoch einzelne Bindungen l¨ osen und die Bindungskr¨ afte im Arbeitssatz dann wie eingepr¨ agte Kr¨ afte ber¨ ucksichtigen. So k¨ onnen wir beim Hebel nach Abb. 8.7c das Lager A entfernen, die Lagerkraft A wie eine eingepr¨ agte Kraft betrachten und erhalten dann bei einer virtuellen Verschiebung δz, die jetzt auch der Angriffspunkt der Lagerkraft erf¨ ahrt, aus dem Arbeitssatz δW = A δz − F1 δz − F2 δz = (A − F1 − F2 )δz = 0 . Da die virtuelle Verr¨ uckung δz selbst ungleich Null ist, muss die Klammer verschwinden. Hieraus folgt die Lagerkraft A = F1 + F2 .

8.3 Gleichgewichtslagen und Kr¨ afte bei beweglichen Systemen Bei Systemen von starren K¨ orpern, deren geometrische Bindungen eine Beweglichkeit zulassen, k¨ onnen mit dem Arbeitssatz bei gegebenen Kr¨ aften Gleichgewichtslagen oder bei einer gegebenen Gleichgewichtslage die hierzu notwendigen Kr¨ afte berechnet werden. Dabei bieten sich zur Aufstellung der Arbeitsbilanz zwei Wege an: a) Man skizziert das System in Ausgangs- und Nachbarlage, liest anschaulich ab, welche Gr¨ oßen und Richtungen die jeder Kraft

8.3

224

8 Arbeit

zugeordneten Verr¨ uckungen haben und setzt diese mit ihren wirklichen Vorzeichen in den Arbeitssatz ein. b) Man beschreibt die Lage des Angriffspunktes jeder Kraft in einem gew¨ ahlten Koordinatensystem und findet dann die Verr¨ uk¨ kungen rein formal als infinitesimale Anderungen der Lagekoordinaten. Dabei nutzt man aus, dass das δ-Symbol wie ein Differential behandelt werden kann. Ist z.B. r eine Funktion einer Koordinate α, d.h. r = r(α), so gilt δr = (dr/dα)δα. Das richtige Vorzeichen von δr f¨ allt dabei automatisch an. A

l B

P a

Q

α

x

A

δα α lδα sin α b

l

lδα

lδα cos α

A

B c

α y

Abb. 8.8

Wir wollen beide Methoden an einem einfachen Beispiel darstellen. Nach Abb. 8.8a tr¨ agt eine gewichtslose, um A drehbar gelagerte Stange der L¨ ange l an ihrem Ende B zwei Lasten P und Q. Gesucht ist der Winkel α, der sich in der Gleichgewichtslage einstellt. Bei der anschaulichen Methode denken wir uns die Stange aus einer beliebigen (noch unbekannten) Lage α um δα ausgelenkt (Abb. 8.8b). Dann verschiebt sich der Kraftangriffspunkt um l δα sin α nach oben und um l δα cos α nach links. Nach dem Arbeitssatz δW = P l δα cos α − Q l δα sin α = (P cos α − Q sin α) l δα = 0 ergibt sich daher wegen δα = 0 der gesuchte Winkel f¨ ur die Gleichgewichtslage aus P P cos α − Q sin α = 0 zu tan α = . Q Bei der formalen Vorgehensweise beschreiben wir die Lage des

8.3

Gleichgewichtslagen und Kr¨afte bei beweglichen Systemen

225

Kraftangriffspunktes B durch den vom festen Lager gez¨ahlten Ortsvektor r bzw. durch seine Koordinaten x = l sin α und y = l cos α (Abb. 8.8c). Die Verr¨ uckungen folgen durch Differentiation zu dy dx δα = l cos α δα , δy = δα = − l sin α δα . δx = dα dα Einsetzen in den jetzt ebenfalls formal anzuschreibenden Arbeitssatz (beide Kr¨ afte zeigen in Richtung der Koordinaten) δW = P δx + Q δy = P l cos α δα − Q l sin α δα = (P cos α − Q sin α) l δα = 0 f¨ uhrt auf das gleiche Ergebnis wie vorher. Man erkennt den Vorteil der formalen Methode: w¨ahrend man sich beim ersten L¨ osungsweg die Vorzeichen der Verr¨ uckungen genau u ¨berlegen muss, ergibt sich bei der formalen Methode aus der Rechnung von selbst, dass f¨ ur δα > 0 die Verr¨ uckung δy < 0 ist. Der formale Weg ist bei komplizierter Kinematik (Geometrie) stets vorzuziehen, da man sich dort nicht immer auf die Anschauung verlassen kann. Es sei angemerkt, dass man diese Aufgabe nat¨ urlich auch durch Aufstellen des Momentengleichgewichts  bez¨ uglich A l¨ osen kann: A : P l cos α − Q l sin α = 0. Hat ein System mehrere unabh¨ angige Bewegungsm¨oglichkeiten (Freiheitsgrade), so muss man die Lage r(α, β, . . .) eines Kraftangriffspunktes durch mehrere unabh¨ angige Koordinaten α, β, . . . beschreiben. Die Verr¨ uckungen findet man dann analog zum totalen Differential einer Funktion von mehreren Ver¨anderlichen: δr =

∂r ∂r δα + δβ + . . . . ∂α ∂β

(8.12)

Beispiel 8.1 Eine Zugbr¨ ucke vom Gewicht G kann nach Abb. 8.9a

u ¨ber ein gewichtsloses Seil durch ein Gegengewicht Q angehoben werden. Man ermittle die Gleichgewichtslagen. L¨ osung Da der Winkel ϕ eindeutig die Lage beschreibt, hat das

System einen Freiheitsgrad.

B8.1

226

8 Arbeit

D

s E

l

Q ϕ

G

Q z ϕ

l

G A a

l/2 x

b

Abb. 8.9

Bei einer Winkel¨ anderung δϕ verschieben sich die Angriffspunkte der Kr¨ afte G und Q. Zur Berechnung der virtuellen Arbeit von ¨ G ben¨ otigen wir nur die Anderung der H¨ ohe von G, da das Gewicht bei einer waagerechten Verschiebung keine Arbeit verrichtet. Aus der vom festen Lager gez¨ ahlten Koordinate folgt l l dzG δϕ = − sin ϕ δϕ . zG = cos ϕ → δzG = 2 dϕ 2 Schwieriger ist die Berechnung der Verr¨ uckung von Q. Dazu f¨ uhren wir nach Abb. 8.9b als Hilfsgr¨ oße die vom festen Punkt D gez¨ ahlte L¨ ange ϕ s = 2 l sin 2 ein. Bei einer virtuellen Winkel¨ anderung δϕ entspricht die Verr¨ uckung von Q wegen des undehnbaren Seils der L¨angen¨anderung δs von s. Es gilt daher ϕ ds δϕ = l cos δϕ . δzQ = δs = dϕ 2 Unter Beachtung, dass beide Kr¨ afte gegen die positive z-Richtung wirken, lautet der Arbeitssatz   ϕ l δW = − G δzG − Q δzQ = G sin ϕ − Q l cos δϕ = 0 . 2 2 Mit sin ϕ = 2 sin(ϕ/2) cos(ϕ/2) ergibt sich wegen δϕ = 0  ϕ ϕ G sin − Q = 0 . cos 2 2

8.3

Gleichgewichtslagen und Kr¨afte bei beweglichen Systemen

227

Die erste L¨ osung cos(ϕ/2) = 0 f¨ uhrt auf ϕ = π. Daher bleibt als L¨ osung nur sin

Q ϕ = . 2 G

Damit ϕ im technisch interessierenden Bereich 0 < ϕ < π/2 liegt, √ muss sin(ϕ/2) < sin(π/4) = 2/2 sein. Daraus folgt als Bedingung f¨ ur die Last Q: √ π 2 Q < sin = . G 4 2 Welches Moment M muss an dem in Abb. 8.10 schematisch dargestellten Wagenheber angreifen, damit dem Gewicht G das Gleichgewicht gehalten wird? Die Spindel der Gangh¨ohe h laufe reibungslos in ihrem Gewinde.

Beispiel 8.2

G

h

M ϕ Abb. 8.10

z

111111111 000000000

L¨ osung Nach dem Arbeitssatz herrscht Gleichgewicht, wenn die bei einer virtuellen Verr¨ uckung von Kraft G und Moment M verrichtete Arbeit insgesamt verschwindet:

δW = M δϕ − G δz = 0 . Dabei wurden ϕ in Richtung des Momentes und z senkrecht nach oben, d.h. gegen die Kraft G gez¨ ahlt. Die Verr¨ uckungen δϕ und δz sind nicht unabh¨ angig voneinander. Bei einer Drehung um Δϕ = 2π wird die Spindel um die Gangh¨ ohe Δz = h gehoben. F¨ ur eine

B8.2

228

8 Arbeit

Drehung um δϕ folgt daher die Verr¨ uckung δz = (h/2 π)δϕ. Damit ergibt sich aus dem Arbeitssatz   h G δϕ = 0 δW = M − 2π das zum Anheben notwendige Moment M=

h G. 2π

Man erkennt am Ergebnis, dass man bei einem von außen aufgebrachten Moment M = l K f¨ ur l  h mit einer kleinen Kraft K ein großes Gewicht G anheben kann. B8.3

Zwei nach Abb. 8.11a gelenkig verbundene Stangen mit den Gewichten G1 und G2 werden durch eine waagerechte Kraft F ausgelenkt. Unter welchen Winkeln ϕ1 und ϕ2 ist das System im Gleichgewicht? Beispiel 8.3

x l 1 G1

A ϕ1 y

ϕ1

G1

l2 G2 ϕ 2 F

F

a

ϕ2 G2

b

Abb. 8.11

L¨ osung Die Lage des Systems ist durch die zwei Winkel ϕ1 und

ϕ2 eindeutig festgelegt. Daher hat das System zwei Freiheitsgrade. Z¨ ahlen wir die Koordinaten der Kraftangriffspunkte vom festen Lager A (Abb. 8.11b) aus, so gilt l1 l2 cos ϕ1 , y2 = l1 cos ϕ1 + cos ϕ2 , 2 2 xF = l1 sin ϕ1 + l2 sin ϕ2 . y1 =

Mit (8.12) folgen die virtuellen Verr¨ uckungen

8.4

Ermittlung von Reaktions- und Schnittkr¨aften

229

l1 l2 sin ϕ1 δϕ1 , δy2 = − l1 sin ϕ1 δϕ1 − sin ϕ2 δϕ2 , 2 2 δxF = l1 cos ϕ1 δϕ1 + l2 cos ϕ2 δϕ2 , δy1 = −

und damit lautet der Arbeitssatz δW = G1 δy1 + G2 δy2 + F δxF     l2 l1 = G1 − sin ϕ1 δϕ1 + G2 −l1 sin ϕ1 δϕ1 − sin ϕ2 δϕ2 2 2 + F (l1 cos ϕ1 δϕ1 + l2 cos ϕ2 δϕ2 )   l1 = F l1 cos ϕ1 − G1 sin ϕ1 − G2 l1 sin ϕ1 δϕ1 2   l2 + F l2 cos ϕ2 − G2 sin ϕ2 δϕ2 = 0 . 2 Entsprechend den zwei Freiheitsgraden des Systems treten nun auch zwei Verr¨ uckungen δϕ1 und δϕ2 auf. Da diese aber unabh¨angig voneinander und beide ungleich Null sind, wird die virtuelle Arbeit δW nur dann Null, wenn beide Klammern einzeln verschwinden. Man findet daher F l1 cos ϕ1 − G1

F l2 cos ϕ2 − G2

l1 sin ϕ1 − G2 l1 sin ϕ1 = 0 2 → tan ϕ1 = l2 sin ϕ2 = 0 2



tan ϕ2 =

2F , G1 + 2 G2 2F . G2

8.4 Ermittlung von Reaktions- und Schnittkr¨ aften Tragwerke, wie Balken, Rahmen oder Fachwerke, sind unverschieblich gelagert. Um mit Hilfe des Arbeitssatzes eine Reaktionskraft berechnen zu k¨ onnen, muss man die zugeh¨ orige Bindung l¨osen

8.4

230

8 Arbeit

und durch die dort wirkende Kraft ersetzen. Damit wird der Angriffspunkt der Lagerkraft verschieblich, und die Lagerkraft geht ¨ wie eine eingepr¨ agte Kraft in den Arbeitssatz ein. Ahnlich kann man durch geeignetes Schneiden sowohl von Gelenken als auch von Bauteilen selbst die im Schnitt u ¨bertragenen inneren Gelenkoder Schnittkr¨ afte wie eingepr¨ agte Kr¨ afte behandeln. Durch den Schnitt entsteht eine Bewegungsm¨ oglichkeit des Systems, und die Schnittkraft leistet bei der zugeh¨ origen virtuellen Verr¨ uckung einen Anteil zur virtuellen Arbeit. Nachstehende Beispiele sollen die Vorgehensweise erl¨ autern. B8.4

Gesucht ist die Gelenkkraft f¨ ur den Gerberbalken nach Abb. 8.12a.

Beispiel 8.4

F

q0

M0

d

R = q0 a/2

G a

a

G

F

M0 A δϕ b

c

b

G δwR

δwG Abb. 8.12

L¨ osung Um die Gelenkkraft G berechnen zu k¨ onnen, m¨ ussen wir

den Balken mit einem Schnitt durch das Gelenk in zwei Teile zerlegen (Horizontalkomponente der Gelenkkraft ist Null). Der linke Teil kann dann eine Drehung um das Lager A ausf¨ uhren, w¨ ahrend der rechte Teil vertikal unbeweglich bleibt (Abb. 8.12b). Wir ersetzen die Dreieckslast durch ihre Resultierende R = q0 a/2 im Abstand 2 a/3 von A. Mit den virtuellen Verr¨ uckungen δwR =

2 a δϕ , 3

δwG = a δϕ

errechnet sich aus dem Arbeitssatz q0 a 2 δW = R δwR + M0 δϕ − G δwG = a δϕ + M0 δϕ − G a δϕ 2 3   2 a = q0 + M0 − G a δϕ = 0 3 die gesuchte Gelenkkraft wegen δϕ = 0 zu

8.4

G=

Ermittlung von Reaktions- und Schnittkr¨aften

231

q0 a M0 + . 3 a

Die Lasten am rechten Teil haben keinen Einfluss auf die Gelenkkraft. Beispiel 8.5 Man berechne mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Verr¨ uckungen f¨ ur den Gerbertr¨ ager mit zwei Gelenken nach Abb. 8.13a die Lagerreaktionen bei A. Gegeben sind a, F und q0 = F/3 a. F

11 00 00 11

q0

A

G2

G1 a

a

a

a

2a

a

F

δwA

1 0 0 1

A

δwG2 R

δβ

δμ

MA

R δε

δwF

δwR δwF δwG1

δwG1

F

δα

b

c

δwG2

δγ δwR

Abb. 8.13

L¨ osung Wenn an der Einspannung die vertikale Lagerkraft ermit-

telt werden soll, m¨ ussen wir dort ein Querkraftgelenk anbringen. Dann wird das Lager vertikal verschieblich, und die Lagerkraft A geht in den Arbeitssatz ein. Da am Lager keine Drehung erfolgt, bleibt das Einspannmoment bei dieser Verschiebung eine Reaktionsgr¨ oße und verrichtet daher keine Arbeit. Aus Abb. 8.13b kann man folgenden Zusammenhang zwischen den Verr¨ uckungen ablesen: δwA = δwF = δwG1 = a δβ ,

δwR = a δα .

Die Winkel δα und δβ sind nicht unabh¨ angig voneinander. Aus der Verschiebung des Gelenkes G2 folgt die Beziehung δwG2 = 2 a δα = a δβ



δα =

1 2

δβ .

B8.5

232

8 Arbeit

Aus dem Arbeitssatz δW = −A δwA + F δwF − R δwR = −A a δβ + F a δβ − = (−A + F −

2 3

F

1 2 ) a δβ

2 3

F a δα

=0

erhalten wir wegen δβ = 0 die gesuchte Lagerkraft A=

2 F. 3

Um das Einspannmoment zu berechnen, ersetzt man die Einspannung durch ein gelenkiges Lager. Dann kann sich der linke Balkenteil um A drehen, und das Einspannmoment MA geht wie eine eingepr¨ agte Last in den Arbeitssatz ein. Da sich das Lager nicht verschiebt, bleibt die Lagerkraft jetzt Reaktionskraft und verrichtet daher keine Arbeit. Die drei Winkel der Verr¨ uckungsfigur (Abb. 8.13c) sind u ¨ber die Verschiebungen der Gelenke gekoppelt. Man erh¨ alt δwG1 = 2 a δμ = a δε , →

δε = 2 δμ

δwG2 = a δε = 2 a δγ und δγ = δμ .

Unter Beachtung der Vorzeichen (MA dreht gegen δμ) liefert der Arbeitssatz: δW = − MA δμ − F δwF + R δwR F 2 a a δγ = − MA δμ − F a δμ + 3  a 2 = − MA − F a + F a δμ = 0 → 3

MA = −

1 Fa. 3

Man erkennt bei beiden Rechnungen den Vorteil des Arbeitssatzes: die Gelenkkr¨ afte und die restlichen Lagerkr¨afte, die bei der klassischen Rechnung (vgl. Abschnitt 5.3.3) auftreten, verrichten keine Arbeit und m¨ ussen daher bei Anwendung des Arbeitssatzes nicht ber¨ ucksichtigt werden. B8.6

Beispiel 8.6 F¨ ur das Fachwerk in Abb. 8.14a (Stabl¨angen a und b)

ist die Kraft im Stab 5 in Abh¨ angigkeit vom Winkel β gesucht.

8.4

Ermittlung von Reaktions- und Schnittkr¨aften

233

S5 /K

A 1

x

2

b

a 4

3

K β 5

a

y

a cos β

b

II

H

π/2

π

β

K β S5

S5

I

c

a sin β

Abb. 8.14

L¨ osung Wir schneiden den Stab 5 und bringen die inneren Kr¨ afte

agte Kr¨ afte an (Abb. 8.14b). Zur Bestimmung der S5 als eingepr¨ Lagen der Kraftangriffspunkte f¨ uhren wir die Koordinaten x, y ein, die wir vom festen Lagerpunkt A aus z¨ ahlen. Der Angriffspunkt der Kraft K hat dann die y-Koordinate  yK = H − a cos β = b2 − a2 sin2 β − a cos β . Der Knoten I, an dem S5 angreift, hat die x-Koordinate xI = a sin β . ¨ Bei einer virtuellen Verr¨ uckung (= kleine Anderung des Winkels β) werden   − a2 2 sin β cos β dyK  δβ = δyK = + a sin β δβ , dβ 2 b2 − a2 sin2 β δxI =

dxI δβ = a cos β δβ . dβ

Da der Knoten II wegen der Symmetrie des Systems eine entgegengesetzt gerichtete, gleich große Verr¨ uckung wie der Knoten I erf¨ ahrt, verrichten die Kr¨ afte insgesamt eine Arbeit δW = KδyK − 2 S5 δxI   = Ka sin β

1− 

a cos β b2 − a2 sin2 β



 − 2 S5 a cos β δβ .

234

8 Arbeit

Wegen δW = 0 und δβ = 0 wird   a cos β 1 . S5 = K tan β 1 −  2 b2 − a2 sin2 β In Abb. 8.14c ist das Verh¨ altnis S5 /K u ¨ber β qualitativ aufur 0  β < π/2 positiv und f¨ ur getragen. Wegen b > a ist S5 f¨ π/2 < β  π negativ. Dies kann man sich auch anschaulich u ¨berlegen.

8.5

8.5 Stabilit¨ at einer Gleichgewichtslage In Abschnitt 8.3 haben wir mit Hilfe des Arbeitssatzes δW = 0 Gleichgewichtslagen ermittelt. Nun lehrt aber die Erfahrung, dass es unterschiedliche Arten“ von Gleichgewicht gibt. Zu ihrer Cha” rakterisierung f¨ uhrt man den Begriff der Stabilit¨ at ein, den wir in diesem Abschnitt n¨ aher erl¨ autern wollen. Dabei beschr¨anken wir alle folgenden Untersuchungen auf konservative Kr¨afte und auf Systeme mit einem Freiheitsgrad. Dann h¨angt das Potential Π nur von einer Lagekoordinate ab. Abbildung 8.15 soll die Problemstellung an zwei Beispielen aufzeigen, bei denen jeweils als einzige eingepr¨ agte Kraft das Gewicht wirkt. In Abb. 8.15a ist eine Kugel vom Gewicht G in einer konkaven Fl¨ache im tiefsten Punkt in der Gleichgewichtslage. Bei einer St¨orung durch eine kleine Auslenkung x nimmt das Potential um ΔΠ = GΔz > 0 ¨ zu. Ahnlich wird bei dem am oberen Ende aufgeh¨angten Stab bei einer Auslenkung um einen kleinen Winkel ϕ der Angriffspunkt der resultierenden Gewichtskraft G angehoben und damit das Potential vergr¨ oßert. In beiden F¨ allen bewegt sich der K¨orper wieder auf seine Gleichgewichtslage zu, wenn er sich selbst u ¨berlassen wird. Man nennt solche Gleichgewichtslagen stabil. Liegt dagegen die Kugel nach Abb. 8.15b auf einer horizontalen Ebene oder ist der Stab in seinem Schwerpunkt gelagert,

8.5

Stabilit¨at einer Gleichgewichtslage

235

so a ¨ndern sich die H¨ohe des Gewichts und damit auch sein Potential bei einer Auslenkung x bzw. ϕ aus der Gleichgewichtslage nicht: ΔΠ = G Δz = 0 . In diesem Fall sind die ausgelenkten Lagen ebenfalls Gleichgewichtslagen. Der K¨orper bleibt in Ruhe, wenn er sich selbst u ¨berlassen wird. Diese Gleichgewichtslagen heißen indifferent.

1111111 0000000 0000000 1111111 0000000 1111111 0000000 1111111 0000000 1111111 z

Π Δz

ϕ G

Δz

G x

a

x, ϕ Gleichgewichtslage

Π x

b

1111111 0000000 0000000 1111111

G ϕ

x, ϕ

G

Π

Δz

1111111 0000000 0000000 1111111 0000000 1111111 0000000 1111111 0000000 1111111 c

G

ϕ G

Δz x, ϕ

Abb. 8.15

Wenn die Kugel im h¨ ochsten Punkt einer konvex gekr¨ ummten Fl¨ ache im Gleichgewicht liegt (Abb. 8.15c) oder der Stab am unteren Ende gelenkig gelagert ist, nimmt das Potential bei einer Auslenkung ab: ΔΠ = G Δz < 0 . Werden Kugel oder Stab in der ausgelenkten Lage sich selbst u ¨ber-

236

8 Arbeit

lassen, so entfernen sie sich weiter von der Gleichgewichtslage. Solche Gleichgewichtslagen bezeichnet man als instabil. Im rechten Teil von Abb. 8.15 ist der Verlauf des Potentials in Abh¨ angigkeit von x (f¨ ur die Kugel) bzw. ϕ (f¨ ur den Stab) f¨ ur alle drei F¨ alle qualitativ aufgetragen. Man erkennt zun¨achst aus den Diagrammen, dass das Potential in der Gleichgewichtslage jeweils ein Extremum annimmt. Dies entspricht genau der Aussage des Arbeitssatzes nach (8.11): δΠ = − δW = 0 . H¨ angt das Potential nur von einer einzigen Koordinate x ab, d.h. Π = Π (x), so f¨ uhrt δΠ =

dΠ δx = 0 dx

wegen δx = 0 auf die Bedingung dΠ = Π = 0 dx

(8.13)

f¨ ur eine Gleichgewichtslage. Die Potentialkurve hat an der Stelle, die einer Gleichgewichtslage zugeordnet ist, eine waagerechte Tangente. Das Stabilit¨ atskriterium folgt aus dem Verlauf der Potentialkurve in der Umgebung der betrachteten Gleichgewichtslage. Im Fall a) nimmt das Potential bei einer Auslenkung x bzw. ϕ zu, im Fall c) ab. Unter Beachtung der zuvor eingef¨ uhrten Begriffe gilt daher: ⎫ ⎧ ⎪ ⎪ > 0 stabiles ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ ⎨ Gleichgewicht . (8.14) ΔΠ ≡ 0 indifferentes ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ ⎩ < 0 instabiles Dementsprechend hat das Potential in einer stabilen Gleichgewichtslage ein Minimum und in einer instabilen Gleichgewichtslage ein Maximum. Wir k¨ onnen das Stabilit¨atskriterium (8.14)

8.5

Stabilit¨at einer Gleichgewichtslage

237

daher auch durch die f¨ ur Maximum bzw. Minimum maßgebenden zweiten Ableitungen der Potentialfunktion Π (x) formulieren: Π  (x0 ) > 0



Minimum



stabil ,

Π  (x0 ) < 0



Maximum



instabil .

(8.15)

Darin kennzeichnet x0 die Gleichgewichtslage. F¨ ur Π  (x0 ) = 0 sind weitere Untersuchungen notwendig. Bezeichnet man das Potential in der Gleichgewichtslage x0 mit alt man f¨ ur das Potential in einer benachΠ (x0 ) = Π0 , so erh¨ barten Lage x0 + δx mit der Taylor-Reihe Π (x0 + δx) = Π0 + Π  (x0 ) δx + 12 Π  (x0 ) (δx)2 + 16 Π  (x0 ) (δx)3 + . . . . Damit wird die Potential¨ anderung ΔΠ = Π (x0 + δx) − Π0 = Π  (x0 ) δx + 12 Π  (x0 ) (δx)2 + 16 Π  (x0 ) (δx)3 + . . .

(8.16)

Nach (8.13) verschwindet in der Gleichgewichtslage die erste Ableitung: Π  (x0 ) = 0. Damit entscheidet das Vorzeichen der zweiten oßer oder kleiner als Null und damit Ableitung Π  (x0 ), ob ΔΠ gr¨ das Gleichgewicht stabil oder instabil ist. Verschwinden Π  (x0 ) und alle h¨ oheren Ableitungen, so ist nach (8.16) ΔΠ ≡ 0, und damit liegt eine indifferente Gleichgewichtslage vor. Ist dagegen ahrend h¨ ohere Ableitungen ungleich Null sind, so Π  (x0 ) = 0, w¨ entscheidet das Vorzeichen der n¨ achsten von Null verschiedenen h¨ oheren Ableitung in (8.16) u ¨ber die Art des vorliegenden Gleichgewichtes. Drei in ihren Mittelpunkten reibungsfrei gelagerte Zahnr¨ ader haben die durch Gewichte G1 bis G3 dargestellten Unwuchten. Sie werden so montiert, wie Abb. 8.16a zeigt. √ Man ermittle f¨ ur G1 = G3 = 2 G, G2 = G und x = 3 r die m¨ oglichen Gleichgewichtslagen und untersuche deren Stabilit¨at.

Beispiel 8.7

B8.7

238

8 Arbeit α∗

G2 G1

2r

r

x

r

α

G3

a

z

α∗∗

b

α3

α1

stabil

instabil

α2

α4

c

Abb. 8.16

L¨ osung Zur Aufstellung des Potentials f¨ uhren wir eine Koordi-

nate z ein, die von den festen Lagerpunkten positiv nach oben z¨ ahlt. Wir denken uns das große Zahnrad aus dem Montagezustand um einen beliebigen Winkel α gedreht (Abb. 8.16b). Wegen der Zahnverbindung drehen sich die beiden anderen R¨ader mit. Der abgerollte Bogen muss auf jedem Rand jeweils gleich sein. Mit den gegebenen Radien wird daher 2 r α = r α∗ = r α∗∗



α∗ = α∗∗ = 2 α .

Mit den Koordinaten von G1 bis G3 z1 = − x sin α ,

z2 = r cos α∗ = r cos 2 α ,

z3 = − r cos α∗∗ = − r cos 2 α und den gegebenen Gewichten folgt f¨ ur das Gesamtpotential Π = G1 z1 + G2 z2 + G3 z3 = 2 G(− x sin α) + G r cos 2 α + 2 G(− r cos 2 α) √ = − G r(2 3 sin α + cos 2 α) . Nach (8.13) ergeben sich die Gleichgewichtslagen aus

8.5

Stabilit¨at einer Gleichgewichtslage

239

√ dΠ = − G r(2 3 cos α − 2 sin 2 α) dα √ = − 2 G r cos α( 3 − 2 sin α) = 0 .

Π =

Eine erste L¨ osung ergibt sich durch Nullsetzen des ersten Faktors: cos α = 0 . Hierzu geh¨ oren die Gleichgewichtslagen α1 = π/2 ,

α2 = 3 π/2.

Eine zweite L¨ osung folgt bei Verschwinden der Klammer aus √ √ 3 − 2 sin α = 0 → sin α = 3/2 . Hierzu geh¨ oren die Gleichgewichtslagen α3 = π/3,

α4 = 2 π/3.

Auskunft u ¨ber die Art des Gleichgewichts in diesen vier verschiedenen m¨ oglichen Lagen erh¨ alt man nach (8.15) aus der zweiten Ableitung des Potentials √ d2 Π = − G r(− 2 3 sin α − 4 cos 2 α) 2 dα √ = 2 G r( 3 sin α + 2 cos 2 α) .

Π  =

Wir setzen die L¨ osungen αi ein und finden: √ → instabile Lage, Π  (α1 ) = Π  ( 12 π) = 2 G r( 3 − 2) < 0 √   3 Π (α2 ) = Π ( 2 π) = 2 G r(− 3 − 2) < 0 → instabile Lage, -√ √ ( ). Π  (α3 ) = Π  ( 13 π) = 2 G r 3 12 3 + 2 − 12 = G r > 0 → stabile Lage, √ ). -√ ( Π  (α4 ) = Π  ( 23 π) = 2 G r 3 12 3 + 2 − 12 = G r > 0 →

stabile Lage.

In Abb. 8.16c sind die vier Gleichgewichtslagen dargestellt.

240

B8.8

8 Arbeit

Ein gewichtsloser Stab wird nach Abb. 8.17a durch eine Vertikalkraft F belastet und seitlich durch zwei Federn (Federkonstante jeweils c) gehalten. Durch eine geeignete F¨ uhrung bleiben die Federn bei einer Auslenkung des Stabes horizontal und im Abstand a vom Boden. Man untersuche die Gleichgewichtslagen auf ihre Stabilit¨at.

Beispiel 8.8

F

F

F ϕ

c

c

instabil

Fkrit

l

a

stabil

z

a

b

ϕ

c

x

Abb. 8.17

L¨ osung Um die Potentiale f¨ ur die Kraft F bzw. die Federkr¨afte

anzugeben, f¨ uhren wir die Koordinaten z bzw. x ein und betrachten eine beliebige ausgelenkte Lage (Abb. 8.17b). F¨ ur die Kraft F (Totlast, vgl. Abschnitt 8.1) w¨ ahlen wir das Nullniveau in der H¨ ohe des Lagers, d.h. bei z = 0. Dann gilt f¨ ur ihr Potential Π F = F zF . Das Potential einer Feder mit der Federkonstanten c lautet bei einer Federverl¨ angerung (oder -verk¨ urzung) um x nach (8.9) Πf =

1 2

c x2 .

Da das System nur einen Freiheitsgrad hat, h¨angt das Gesamtpotential von einer einzigen Koordinate ab. Es ist zweckm¨aßig, daf¨ ur den Winkel ϕ (Abb. 8.17b) zu w¨ ahlen. Mit den geometrischen Beziehungen zF = l cos ϕ ,

x = a tan ϕ

sowie bei Ber¨ ucksichtigung der zwei Federn erhalten wir das Gesamtpotential zu Π (ϕ) = F l cos ϕ + 2 12 c (a tan ϕ)2 .

8.5

Stabilit¨at einer Gleichgewichtslage

241

Die m¨ oglichen Gleichgewichtslagen finden wir mit (8.13) aus Π =

tan ϕ dΠ = − F l sin ϕ + 2 c a2 =0 dϕ cos2 ϕ   1 2 → sin ϕ − F l + 2 c a = 0. cos3 ϕ

Nullsetzen des ersten Faktors liefert die erste Gleichgewichtslage: sin ϕ = 0



ϕ1 = 0 .

Weitere Gleichgewichtslagen ergeben sich aus dem Nullsetzen der Klammer: − F l + 2 c a2

1 =0 cos3 ϕ

→ 



ϕ2 = arccos

3

cos3 ϕ2 =

2 c a2 Fl

2 c a2 . Fl

(a)

Sie existieren nur f¨ ur f¨ ur F l > 2c a2 . Zur Untersuchung der Stabilit¨ at bilden wir die zweite Ableitung des Gesamtpotentials: d2 Π = −F l cos ϕ + 2 c a2 Π  = dϕ2

cos2 ϕ

= − F l cos ϕ + 2 c a2

1 + 2 sin2 ϕ cos4 ϕ

= − F l cos ϕ + 2 c a2

3 − 2 cos2 ϕ . cos4 ϕ

1 + tan ϕ 2 cos ϕ sin ϕ cos2 ϕ cos4 ϕ

Wir setzen zun¨ achst die erste L¨ osung ϕ1 = 0 ein:   Fl  2 2 Π (ϕ1 ) = (− F l+2 c a ) = 2 c a 1 − . 2 c a2

(b)

(c)

Das Vorzeichen von Π  und damit die Stabilit¨ at dieser Gleichgewichtslage h¨ angt vom Verh¨ altnis der in der Klammer auftretenden Parameter ab. Aus (c) folgt daher

242

8 Arbeit

Π  (ϕ1 ) > 0

f¨ ur

Fl 1 2 c a2



instabile Lage.

Der Sonderfall Fl =1 2 c a2



F =2

c a2 = Fkrit l

(d)

kennzeichnet die kritische Last“, weil an dieser Stelle bei einer ” Laststeigerung die f¨ ur F < Fkrit stabile Lage ϕ = 0 in eine f¨ ur  F > Fkrit instabile Lage u ¨bergeht. Die zweite Ableitung Π (ϕ1 ) nimmt f¨ ur F = Fkrit den Wert Null an. Um die Stabilit¨at an dieser ausgezeichneten Stelle zu untersuchen, m¨ ussten wir weitere Ableitungen von Π bilden. Darauf wollen wir hier verzichten. Setzen wir den Winkel ϕ2 der zweiten Gleichgewichtslage mit 2 c a2 = F l cos3 ϕ2 in (b) ein, so folgt   3 − 2 cos2 ϕ2 Π  (ϕ2 ) = − F l cos ϕ2 1 − cos2 ϕ2 cos4 ϕ2   3 = − F l cos ϕ2 1 − +2 cos2 ϕ2   1 = 3 F l cos ϕ2 −1 . cos2 ϕ2 F¨ ur 0 < ϕ2 < π/2 ist cos ϕ2 < 1. Daraus folgt Π  (ϕ2 ) > 0, d.h. die Gleichgewichtslage ϕ = ϕ2 ist stabil (da cos ϕ eine gerade Funktion ist, existiert neben ϕ2 gleichberechtigt eine L¨osung ϕ∗2 = −ϕ2 ). Dann ist nach (a) der Ausdruck 2 c a2 /F l < 1 und damit nach (d) F > Fkrit . Im Sonderfall ϕ2 = 0 werden Π  (ϕ2 ) = 0 und F = Fkrit . In Abb. 8.17c ist das Ergebnis aufgetragen: f¨ ur F < Fkrit gibt es nur eine Gleichgewichtslage bei ϕ = 0; sie ist stabil. F¨ ur F > Fkrit wird diese Lage instabil. Gleichzeitig treten zwei neue stabile Gleichgewichtslagen ±ϕ2 auf. Damit gibt es in diesem Bereich drei verschiedene Gleichgewichtslagen. Da f¨ ur die kritische Last F = Fkrit eine Verzweigung der L¨osung

8.5

Stabilit¨at einer Gleichgewichtslage

243

auftritt, nennt man diesen ausgezeichneten Wert in Last-Verformungs-Diagrammen einen Verzweigungspunkt“. Die kritische ” Last und die Verzweigung einer L¨ osung spielen eine wichtige Rolle bei der Untersuchung des Stabilit¨ atsverhaltens elastischer K¨orper (vgl. Band 2). Beispiel 8.9 Gegeben ist ein homogener K¨ orper (Dichte ), der aus

einem Halbzylinder (Radius r) mit aufgesetztem Quader (H¨ohe h) besteht (Abb. 8.18a). F¨ ur welches h ist der K¨ orper f¨ ur beliebige Lagen im indifferenten Gleichgewicht? l

sH

h

sQ

α

11111 00000 00000 11111

r

r a

SH

SQ

b

Abb. 8.18

S

yS

11111111 00000000 c

L¨ osung Der Quader hat das Gewicht GQ = 2 r h l  g und den

Schwerpunktsabstand sQ = h/2 von der Trennfl¨ache der beiden Teilk¨ orper (Abb. 8.18b). F¨ ur den Halbkreiszylinder gilt GH = 1 4 2 2 π r l  g und sH = 3 π r (vgl. Tabelle 4.1). W¨ ahlen wir die Grundfl¨ ache als Bezugsniveau, so folgt das Potential Π f¨ ur eine beliebige Lage α zu   % $ 2 πr h 4r cos α + 2 r h r + cos α . Π = gl r− 2 3π 2 Die Gleichgewichtslagen erhalten wir aus $ % 2 3 dΠ  2 Π = =  g l sin α r − rh = 0 . dα 3 Eine erste Gleichgewichtslage folgt aus dem Verschwinden des ersten Faktors: sin α = 0



α1 = 0 .

Die senkrechte Ausgangslage, bei der die Schwerpunkte SQ und

B8.9

244

8 Arbeit

SH u ¨bereinander liegen, ist daher eine Gleichgewichtslage. Die Ableitung Π  wird aber auch Null, wenn die Klammer verschwindet:  2 2 3 2 r − rh = 0 → h = r. 3 3 Nur f¨ ur dieses spezielle Abmessungsverh¨ altnis gibt es Gleichgewichtslagen im ausgelenkten Zustand, wobei α dann beliebig sein kann. Zur Anwendung des Stabilit¨ atskriteriums bilden wir die zweite Ableitung $ % 2 3  2 r − rh . Π =  g l cos α 3  F¨ ur beliebige α und h = 2/3 r werden Π  und alle h¨oheren Ableitungen gleich Null: diese Gleichgewichtslagen sind daher indifferent. Der K¨ orper ist dann in jeder beliebigen Lage im Gleichgewicht, wie dies in Abb. 8.18c angedeutet ist. Man kann die Aufgabe auch anschaulich (ohne Aufstellen eines Potentials und Differenzieren) l¨ osen. Eine Gleichgewichtslage ist indifferent, wenn der Schwerpunkt bei einer Auslenkung seine H¨ ohe beibeh¨ alt (ΔΠ ≡ 0). In der Aufgabe bedeutet dies, dass der Gesamtschwerpunkt S in jeder Lage den konstanten Abstand r von der Grundebene haben muss. Mit (4.13) hat der gemeinsame Schwerpunkt den Abstand     π r2 4r h r− + 2 rh r + 2 3π 2 . ys = π r2 + 2 rh 2 Aus der Bedingung ys = r folgt nach Aufl¨ osen der bereits vorher ermittelte Wert f¨ ur h. B8.10

F¨ ur das Beispiel 8.1 ist die Stabilit¨at der Gleichgewichtslage zu untersuchen.

Beispiel 8.10

L¨ osung Wir w¨ ahlen das Nullniveau f¨ ur die Kraft G in der H¨ohe des Lagers A (Abb. 8.9a) und das Nullniveau f¨ ur die Kraft Q in

8.5

Stabilit¨at einer Gleichgewichtslage

245

der H¨ ohe, in der sich das Gegengewicht bei hochgezogener Br¨ ucke (ϕ = 0) befindet. Mit s = 2l sin(ϕ/2) lautet dann das Gesamtpotential in Abh¨ angigkeit von der Koordinate ϕ Π (ϕ) =

Gl ϕ Gl cos ϕ + Q s = cos ϕ + 2Q l sin . 2 2 2

Die Ableitungen folgen mit sin ϕ = 2 sin(ϕ/2) cos(ϕ/2) zu  ϕ  ϕ Gl ϕ Π = − sin ϕ + Q l cos = − G sin + Q l cos , 2 2 2 2 Π  = −

Ql ϕ Gl cos ϕ − sin . 2 2 2

Aus Π  = 0 erhalten wir wieder die Gleichgewichtslage sin(ϕ/2) = ur Winkel Q/G. Man sieht ohne weitere Rechnung, dass Π  f¨ ϕ < π/2 negativ ist. Daher ist die in Beispiel 8.1 ermittelte Gleichgewichtslage instabil.

246

8.6

8 Arbeit

8.6 Zusammenfassung • Die Arbeit einer Kraft F bei einer infinitesimalen Verschiebung dr des Kraftangriffspunkts ist dW = F · dr. F¨ ur die Arbeit bei einer endlichen Verschiebung gilt  W = F · dr . Beachte: nur wenn Kraft und Verschiebung gleichgerichtet sind, und die Kraft konstant ist gilt Arbeit = Kraft x Weg“. ” • Bei einer konservativen Kraft h¨ angt die Arbeit W nicht vom Weg des Kraftangriffspunktes zwischen zwei Wegpunkten ab. Dann existiert ein Potential (potentielle Energie) Π = −W , aus dem die Kraft abgeleitet werden kann. • Potentiale von Gewichtskraft, Federkraft und Drehfedermoment: 1 1 Π = cT ϕ2 . Π = Gz, Π = c x2 , 2 2 • Virtuelle Verr¨ uckungen δr bzw. Verdrehungen δϕ sind infinitesimal, gedacht und kinematisch m¨ oglich. Die virtuelle Arbeit einer Kraft F ist gegeben durch δW = F · δr, die eines Moments M durch δW = M · δϕ. • Ein mechanisches System ist im Gleichgewicht, wenn die Arbeit der eingepr¨ agten Kr¨ afte bei einer virtuellen Verr¨ uckung aus dieser Lage verschwindet: δW = 0 . • Bei einem konservativen System nimmt das Gesamtpotential in einer Gleichgewichtslage einen Extremwert an. F¨ ur ein System mit einem Freiheitsgrad gilt in der Gleichgewichtslage x0 : Π  (x0 ) = 0 . • Die Gleichgewichtslage ist stabil (instabil), wenn das Gesamtpotential bei ihr ein Minimum (Maximum) annimmt: Π  (x0 ) > 0

→ stabil ,

Π  (x0 ) < 0

→ instabil .

Kapitel 9 Haftung und Reibung

9

9 Haftung und Reibung 9.1 9.2 9.3 9.4

Grundlagen ....................................................... Die Coulombschen Reibungsgesetze ........................ Seilhaftung und Seilreibung .................................. Zusammenfassung ..............................................

249 251 261 266

Lernziele: K¨ orper die sich ber¨ uhren u ¨ben eine Kontaktkraft aufeinander aus. Diese ist normal zur Ber¨ uhrungsebene, wenn die Oberfl¨ achen ideal glatt sind. Bei rauhen Oberfl¨achen tritt dagegen auch eine Tangentialkomponente auf. Die Studierenden sollen erkennen, dass diese Komponente eine Reaktionskraft ist, wenn die K¨ orper aneinander haften. Im Unterschied dazu liegt eine eingepr¨ agte Kraft vor, wenn die K¨ orper aneinander gleiten (reiben). Die Leser sollen in die Lage versetzt werden, das Coulombsche Haftungs- bzw. Reibungsgesetz richtig anzuwenden und mit seiner Hilfe die Kr¨ afte in Systemen mit Ber¨ uhrungskontakt sachgerecht zu ermitteln.

9.1

Grundlagen

249

9.1

9.1 Grundlagen Bisher wurde angenommen, dass alle betrachteten K¨orper eine glatte Oberfl¨ ache haben. Zwischen zwei solchen K¨orpern k¨onnen nach Abschnitt 2.4 nur Kr¨ afte normal zur Ber¨ uhrebene u ¨bertragen werden. Diese Idealisierung beschreibt das mechanische Verhalten dann richtig, wenn die in Wirklichkeit infolge der Rauhigkeit der Oberfl¨ ache auftretenden Tangentialkr¨ afte vernachl¨assigt werden k¨ onnen. Mit den Eigenschaften der tangentialen Kr¨afte soll sich dieses Kapitel besch¨ aftigen. Hierzu betrachten wir zun¨achst ein einfaches Beispiel. Eine Kiste vom Gewicht G steht nach Abb. 9.1a auf einer rauhen Unterlage. Bringt man zus¨ atzlich eine horizontale Kraft F an, so zeigt die Erfahrung, dass f¨ ur kleine Werte von F die Kiste in Ruhe bleibt. Infolge der rauhen Oberfl¨ ache kann zwischen Kiste und Boden eine tangentiale Kraft u ¨bertragen werden, welche eine Bewegung der Kiste verhindert. Da die Kiste dann am Boden haf” tet“, nennt man diese tangentiale Kraft h¨ aufig Haftreibungskraft H. Mit dem Freik¨ orperbild (Abb. 9.1b) folgt aus den Gleichgewichtsbedingungen ↑: N = G,

→: H = F .

(9.1)

Das Momentengleichgewicht liefert die Lage von N , die wir jedoch hier nicht ben¨ otigen. Bewegungsrichtung

G

G

111111 000000 000000 111111 G

F

rauh a

F

F R

H b

a

N

c

N

Abb. 9.1

Wenn die Kraft F einen gewissen Grenzwert u ¨berschreitet, tritt Bewegung ein (Abb. 9.1c). Infolge der Rauhigkeit wird auch bei der Bewegung eine tangentiale Kraft vom Boden auf die Kiste u uber dem Boden ¨bertragen. Da die Kiste beim Gleiten gegen¨

250

9 Haftung und Reibung

reibt“, nennt man diese Kraft oft Gleitreibungskraft R. Sie sucht ” die Bewegung zu verhindern und wirkt daher entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung. Z¨ ahlt man die Beschleunigung a positiv nach rechts, so tritt jetzt an die Stelle der zweiten Gleichgewichtsbedingung (9.1) die Grundgleichung der Kinetik (vgl. Band 3)  Masse mal Beschleunigung = Kr¨ afte , d.h. im Beispiel ma = F − R.

(9.2)

Dabei ist die Reibungskraft R zun¨ achst noch unbekannt. Wenn auch Haftreibung und Gleitreibung beide ihre Ursachen in der Rauhigkeit der Oberfl¨ ache haben, so sind sie doch ihrem Wesen nach grunds¨ atzlich verschieden. Die Haftreibungskraft H ist eine Reaktionskraft, die sich bei statisch bestimmten Problemen aus Gleichgewichtsbedingungen ohne zus¨atzliche physikalische Aussagen berechnen l¨ asst. Dagegen ist die Gleitreibungskraft R eine eingepr¨ agte Kraft, die von der Oberfl¨achenbeschaffenheit der K¨ orper abh¨ angt. Um diesen wesentlichen Unterschied stets gegenw¨ artig zu behalten, wollen wir von nun an die Reibung in der Ruhelage (= Haftreibung) mit Haftung, die Reibung bei der Bewegung (= Gleitreibung) mit Reibung bezeichnen. Entsprechend nennen wir H die Haftungskraft und R die Reibungskraft. Die Reibungserscheinungen ver¨ andern sich stark, wenn zwischen die K¨ orper andere Stoffe gebracht werden. Jeder Auto- oder Radfahrer kennt die Unterschiede, ob er auf trockener, nasser oder gar vereister Straße f¨ ahrt. Durch Schmiermittel kann man die Reibung bei sich gegeneinander bewegenden Maschinenteilen erheblich herabsetzen. Wir werden uns mit der diesen Erscheinungen zugrundeliegenden Fl¨ ussigkeitsreibung“ nicht besch¨aftigen, da wir ” die Hydromechanik im Rahmen dieser Einf¨ uhrung nicht behandeln. Alle folgenden Untersuchungen beschr¨ anken sich auf die sogenannte trockene Reibung, wie sie infolge der Rauhigkeit an der Oberfl¨ ache jedes festen K¨ orpers auftritt.

9.2

Die Coulombschen Reibungsgesetze

251

Haftung und Reibung haben große praktische Bedeutung: nur durch Haftung ist u ¨berhaupt eine Fortbewegung auf festem Boden m¨ oglich. Auch die Antriebsr¨ ader eines Fahrzeuges haften in der momentanen Ber¨ uhrfl¨ ache an der Fahrbahn, und an der Ber¨ uhrstelle wird die zum Beschleunigen oder Abbremsen notwendige Kraft u ¨bertragen. Falls diese Haftkraft, z.B. bei Glatteis, nicht aufgebracht werden kann, rutschen die R¨ ader, und der gew¨ unschte Bewegungszustand wird nicht erreicht. Jede Schraube und jeder Nagel erf¨ ullen ihre Aufgabe nur dadurch, dass sie infolge Rauhigkeit haften. Durch k¨ unstliche Vergr¨ oßerung der Unebenheiten der Oberfl¨ achen wird beim D¨ ubel dieser Effekt verst¨arkt. Auf der anderen Seite ist die Reibung h¨ aufig unerw¨ unscht, da sie mit Energieverlusten verbunden ist. An der Ber¨ uhrfl¨ache tritt Erw¨ armung auf, d.h. mechanische Energie wird in thermische Energie umgewandelt. W¨ ahrend man die Haftung z.B. auf glatter Straße durch Streuen von Sand zu erh¨ ohen sucht, vermindert man umgekehrt bei rotierenden Maschinenteilen die Reibung durch die schon erw¨ ahnten Schmiermittel. Man erkennt auch hieran wieder, dass man Haftung und Reibung sorgf¨ altig getrennt betrachten muss.

9.2

9.2 Die Coulombschen Reibungsgesetze Wir betrachten zun¨achst die Haftung und greifen hierzu nochmals auf das Problem in Abb. 9.1b zur¨ uck. Solange F unterhalb eines Grenzwertes F0 bleibt, ist H = F . Bei der Grenzlast F0 nimmt H seinen maximalen Wert H0 an. Durch Experimente wurde von Charles Augustine de Coulomb (1736–1806) gezeigt, dass dieser Grenzwert in erster N¨ aherung proportional zur Normalkraft N ist: H0 = μ0 N .

(9.3)

Den Proportionalit¨ atsfaktor μ0 nennt man Haftungskoeffizient. Er h¨ angt nur von der Rauhigkeit der sich ber¨ uhrenden Fl¨achen und nicht von ihrer Gr¨ oße ab. Die Tabelle 9.1 gibt einige Zahlenwerte

252

9 Haftung und Reibung

an. Dabei muss beachtet werden, dass die aus Versuchen ermittelten Zahlenwerte nur in gewissen Toleranzgrenzen angegeben werden k¨ onnen; so kann z.B. der Wert f¨ ur Holz auf Holz“ noch stark ” nach Holzart und Verarbeitung der Oberfl¨ achen schwanken. Tabelle 9.1

Haftungs-

Reibungs-

koeffizient μ0

koeffizient μ

Stahl auf Eis

0, 03

0, 015

Stahl auf Stahl

0, 15 . . . 0, 5

0, 1 . . . 0, 4

Stahl auf Teflon

0, 04

0, 04

Leder auf Metall

0, 4

0, 3

Holz auf Holz

0, 5

0, 3

Autoreifen auf Straße

0, 7 . . . 0, 9

0, 5 . . . 0, 8

Ski auf Schnee

0, 1 . . . 0, 3

0, 04 . . . 0, 2

Ein K¨ orper haftet, solange die Haftbedingung H ≤ H0 = μ0 N

(9.4a)

erf¨ ullt ist. Der Richtungssinn von H ist stets so, dass die Bewegung verhindert wird. Bei komplizierten Aufgaben kann man manchmal diese Richtung nicht sofort erkennen und muss sie deshalb beliebig annehmen; die Rechnung wird zeigen, ob die Annahme richtig war (Vorzeichen). Es gilt daher allgemein |H| ≤ H0 = μ0 N .

(9.4b)

Die Normalkraft N und die Haftungskraft H kann man nach Abb. 9.2a zu einer resultierenden Kraft W zusammensetzen. Ihre Richtung ist durch den Winkel ϕ gegeben, der sich aus tan ϕ =

H N

bestimmen l¨ asst.

9.2

Die Coulombschen Reibungsgesetze

253

Bezeichnen wir im Grenzfall H = H0 den Grenzwinkel ϕG mit 0 , so wird tan ϕG = tan 0 =

μ0 N H0 = = μ0 . N N

Den Winkel 0 nennt man auch Haftungswinkel“; er ist ein Maß ” f¨ ur den Haftungskoeffizienten: tan 0 = μ0 .

(9.5) n Berührungsfläche

N ϕ Abb. 9.2

H W

a

0

0

n

b

ϕ

W

Tr¨ agt man beim ebenen Problem den Haftungswinkel 0 nach beiden Seiten der Normalen n auf, so entsteht ein Haftungskeil“ ” (Abb. 9.2b). Solange W innerhalb des Keiles liegt, ist H < H0 , und der K¨ orper bleibt damit in Ruhe. Der Haftungswinkel 0 hat auch im Raum eine anschauliche Bedeutung. Wird ein K¨ orper einer beliebig gerichteten Belastung unterworfen, so bleibt er in Ruhe, solange die Reaktionskraft W an der Ber¨ uhrfl¨ ache innerhalb des sogenannten Haftungskegels“ ” H

0 ϕ N W

Abb. 9.3

n

254

9 Haftung und Reibung

wirkt. Dieser Rotationskegel um die Normale n der Ber¨ uhrfl¨achen ¨ hat den Offnungswinkel 20 . Liegt W innerhalb des Kegels, so ist ϕ < 0 und damit |H| < H0 (Abb. 9.3). Falls W außerhalb des Kegels f¨ allt, ist kein Gleichgewicht mehr m¨ oglich: der K¨ orper wird sich bewegen. Die hierbei auftretenden Reibungserscheinungen wollen wir jetzt beschreiben. F¨ ur die bei der Bewegung auftretende Reibungskraft R hat ebenfalls Coulomb durch Versuche gefunden, dass sie in guter N¨aherung a) proportional zur Normalkraft N (Proportionalit¨atsfaktor μ) und b) unabh¨ angig von der Geschwindigkeit und ihr entgegengesetzt gerichtet ist. Somit lautet das Reibungsgesetz R = μN .

(9.6)

Den Faktor μ nennt man Reibungskoeffizient; er ist meistens etwas kleiner als μ0 (vgl. Tabelle 9.1). Will man die Richtung von R formelm¨ aßig mit erfassen, so f¨ uhrt man einen Einheitsvektor v/|v| in Richtung der Geschwindigkeit v ein. Das Coulombsche Reibungsgesetz lautet dann v , R = −μN |v| wobei das Minuszeichen kennzeichnet, dass die Reibkraft entgegen der Geschwindigkeit wirkt. Ihr Richtungssinn kann also nicht wie bei der Haftungskraft beliebig angenommen werden. Wenn sich der K¨ orper K und seine Unterlage U bewegen (z.B. Sch¨ uttgut rutscht auf einem F¨ orderband), so h¨angt das Vorzei-

U

v1

v1

v1

v1

K

K

K

K

R v2 = 0

U

R

U v2

R v2 v2 < v1

U

R v2 v2 > v1 Abb. 9.4

9.2

Die Coulombschen Reibungsgesetze

255

chen der Reibungskraft von der Relativgeschwindigkeit, d.h. von der Differenz der Geschwindigkeiten v1 und v2 (vgl. Band 3) ab. Abbildung 9.4 zeigt, welche Richtung die Reibungskraft auf den K¨ orper jeweils annimmt. Zusammenfassend m¨ ussen folgende drei F¨ alle unterschieden werden: a) Haftung“ Der K¨ orper bleibt in Ruhe; die ” Haftungskraft H folgt aus GleichH < μ0 N gewichtsbedingungen. b)

Grenzhaftung“ ” H = μ0 N

Der K¨ orper bleibt gerade noch in Ruhe. Wenn man ihn anst¨ oßt, wird er sich jedoch wegen μ < μ0 in Bewegung setzen.

c)

Reibung“ ” R = μN

Rutscht ein K¨ orper, so wirkt die Reibungskraft R als eingepr¨agte Kraft.

Bei der Behandlung von Haftungsaufgaben muss zwischen statisch bestimmten und statisch unbestimmten Problemen unterschieden werden. Bei statisch bestimmten Problemen kann man in einem ersten Schritt die Reaktionskr¨ afte H und N aus den Gleichgewichtsbedingungen ermitteln. Anschließend l¨ asst sich in einem zweiten Schritt u berpr¨ u fen, ob die Haftbedingung (9.4b) erf¨ ullt ¨ ist oder nicht. Bei statisch unbestimmten Problemen ist die Bestimmung der Reaktionskr¨ afte H und N nicht m¨ oglich. Man kann in diesem Fall nur die Gleichgewichtsbedingungen aufstellen sowie die Haftbedingungen an den Stellen, an denen Haftung auftritt, formulieren. Anschließend muss man dieses System von algebraischen Gleichungen und Ungleichungen behandeln. Es ist dann allerdings oft einfacher, nur den Haftgrenzfall zu untersuchen. Auf einer rauhen schiefen Ebene (Neigungswinkel α, Haftungskoeffizient μ0 ) nach Abb. 9.5a ruht ein Klotz vom Gewicht G, an dem zus¨ atzlich eine Kraft F angreift. Zwischen welchen Grenzen muss F liegen, damit der Klotz in Ruhe bleibt?

Beispiel 9.1

L¨ osung F¨ ur eine große positive Kraft F w¨ urde sich der Klotz ohne

B9.1

256

9 Haftung und Reibung

111111 000000 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111

F

F

α

α

G

N

H

H

N

G

α

a

F

b

G c

Abb. 9.5

Haftung nach oben bewegen. Die Haftungskraft H zeigt in diesem Fall nach unten (Abb. 9.5b). Aus den Gleichgewichtsbedingungen  : F − G sin α − H = 0 ,

 : N − G cos α = 0

berechnen wir die Haftungskraft und die Normalkraft: H = F − G sin α ,

N = G cos α .

Um festzustellen, wann die Haftbedingung erf¨ ullt ist, setzen wir in (9.4a) ein: F − G sin α ≤ μ0 G cos α → F ≤ G(sin α + μ0 cos α) . Mit dem Haftungswinkel 0 nach (9.5) l¨ asst sich dies umschreiben zu sin(α + 0 ) . (a) F ≤ G (sin α + tan 0 cos α) = G cos 0 Wird F zu klein, so w¨ urde der Klotz ohne Haftung infolge seines Gewichtes nach unten rutschen. Die Haftungskraft, die dies verhindert, muss dann nach Abb. 9.5c nach oben zeigen. Wir erhalten in diesem Fall aus den Gleichgewichtsbedingungen  : F − G sin α + H = 0 , und der Haftbedingung H ≤ μ0 N die Ungleichung G sin α − F ≤ μ0 G cos α oder

 : N − G cos α = 0

9.2

Die Coulombschen Reibungsgesetze

F ≥ G (sin α−μ0 cos α) = G

sin(α − 0 ) . cos 0

257

(b)

Zusammenfassung der Ergebnisse nach (a) und (b) zeigt, dass die Kraft F im Bereich G

sin(α + 0 ) sin(α − 0 ) ≤F ≤G cos 0 cos 0

(c)

liegen muss. Entnehmen wir zum Beispiel f¨ ur den Fall Stahl ” auf Stahl“ Tabelle 9.1 den Zahlenwert μ0 = 0,15, so ist 0 =  0,175 rad, arctan 0,15 = 0,149. W¨ ahlen wir außerdem α = 10◦ = so folgt aus (c) G

sin(0,175 + 0,149) sin(0,175 − 0,149) ≤F ≤G cos 0,149 cos 0,149

oder 0, 026 G ≤ F ≤ 0, 32 G . In diesem Zahlenbeispiel darf F die Werte zwischen rund 3% und 30% von G annehmen, ohne dass sich der Klotz bewegt. F¨ ur α < 0 kann nach (c) die Kraft F auch negative Werte annehmen. F¨ ur α = 0 wird der untere Grenzwert von F gerade Null. Die Neigung der schiefen Ebene ist dann unmittelbar ein Maß f¨ ur den Haftungskoeffizienten. Ein K¨ orper bleibt unter der Wirkung seines Eigengewichtes, d.h. im Sonderfall F = 0, auf einer schiefen Ebene in Ruhe, solange α ≤ 0 ist. Auf einer Leiter in der in Abb. 9.6a dargestellten Lage steht ein Mann vom Gewicht Q. Bis zu welcher Stelle x kann er steigen, wenn a) nur der Boden und b) Boden und Wand rauh sind? Die Haftungskoeffizienten sind jeweils μ0 .

Beispiel 9.2

a) Ist die Wand glatt, so wirken nach Abb. 9.6b in B nur die Normalkraft NB und in A die Normalkraft NA und die Haftkraft HA (entgegen der Bewegung, die ohne Haftung eintreten

L¨ osung

B9.2

258

9 Haftung und Reibung

11111 00000 00000 11111 00000 11111 00000 11111 00000 11111 00000 11111 00000 11111 00000 11111 00000 11111

NB

x Q

B

ϕ

Q

h

h

α

α

A NA 0

x

HA WA 0

b

a

q NB HB

C

0 Q

WB

Q HA NA 0

d

c

WA Abb. 9.6

w¨ urde). Aus den Gleichgewichtsbedingungen →: NB − HA = 0 ,

↑: NA − Q = 0 ,

 A : x Q − h NB = 0

berechnen wir die Haftungskraft und die Normalkraft bei A: x NA = Q . HA = Q , h Einsetzen in die Haftbedingung HA ≤ μ0 NA liefert die L¨ osung x Q ≤ μ0 Q → h

x ≤ μ0 h .

9.2

Die Coulombschen Reibungsgesetze

259

Man kann dieses Ergebnis auch auf anderem Wege gewinnen: im Gleichgewicht m¨ ussen die drei Kr¨ afte Q, NB und WA (Resultierende aus NA und HA ) durch einen Punkt gehen (Abb. 9.6b). Es gilt daher x H tan ϕ = A = . h NA Da die Wirkungslinie der Reaktionskraft WA innerhalb des Hafur tungskeiles liegen muss (ϕ ≤ 0 ), bleibt die Leiter f¨ x = tan ϕ ≤ tan 0 = μ0 → x ≤ μ0 h h in Ruhe. F¨ ur α ≤ 0 ist wegen x ≤ h tan α die Standsicherheit der Leiter f¨ ur alle x gew¨ ahrleistet. b) Wenn auch die Wand rauh ist, treten nach Abb. 9.6c vier unbekannte Reaktionskr¨ afte auf, die aus den drei Gleichgewichtsbedingungen nicht eindeutig ermittelt werden k¨onnen: das Problem ist statisch unbestimmt. Trotzdem kann man dann aus den Gleichgewichtsbedingungen →:  A:

N B = HA ,

↑:

NA + HB = Q ,

x Q = h NB + (h tan α) HB

und den Haftbedingungen HB ≤ μ0 NB ,

HA ≤ μ0 NA

den zul¨ assigen Bereich von x berechnen. Da jedoch die Aufl¨osung wegen der Ungleichungen nicht ganz einfach ist, bevorzugen wir hier die grafische L¨osung nach Abb. 9.6d. Dazu zeichnet man an beiden Ber¨ uhrpunkten die Haftungskeile. Solange die Wirkungslinie q der Last innerhalb des gr¨ un markierten Gebietes liegt, in dem sich beide Haftungskeile u ¨berdecken, gibt es eine Vielzahl m¨oglicher Reaktionskr¨ afte, von denen eine Kombination eingezeichnet ist. Erst wenn q im Bild links von C liegt, tritt Rutschen ein, weil dann die erforderliche Haftungskraft vom Boden nicht mehr aufgebracht werden kann. Man kann sich leicht u ¨berlegen, dass die Rutschgefahr durch steileres Aufstellen der Leiter verringert bzw. verhindert werden kann.

260

B9.3

9 Haftung und Reibung

An einer Schraube mit Flachgewinde (Haftungskoohe h, Radius r) nach Abb. 9.7a greifen eine effizient μ0 , Gangh¨ vertikale Kraft F und ein Moment Md an. Unter welcher Bedingung herrscht Gleichgewicht, wenn Normalkr¨ afte und Haftungskr¨ afte gleichm¨ aßig u ¨ber das gesamte Schraubengewinde verteilt sind?

Beispiel 9.3

2r

1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 a

F

E

Md

1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1

dN

h E dH

α

dN α 2πr

h

dH α

b

Abb. 9.7

L¨ osung Die an einem Element E des Gewindeganges angreifenden Normalkr¨ afte dN und Haftungskr¨afte dH zerlegen wir nach Abb. 9.7b in vertikale und horizontale Komponenten (aus der Gangh¨ ohe h und dem abgewickelten Umfang 2 π r l¨asst sich der Winkel α berechnen: tan α = h/2 π r). Das Integral u ¨ber die vertikalen Komponenten muss der Last F das Gleichgewicht halten:     F = dN cos α− dH sin α = cos α dN −sin α dH . (a)

Das Moment Md muss mit dem aus den horizontalen Komponenten folgenden Moment im Gleichgewicht sein:     Md = r dN sin α+ r dH cos α = r sin α dN +r cos α dH . Mit (a) folgt daraus  Md dN = F cos α + sin α , r

 dH =

Md cos α − F sin α . r

9.3

Seilhaftung und Seilreibung

261

Einsetzen in die Haftbedingung   |dH| ≤ μ0 dN bzw. |dH| ≤ μ0 dN liefert       Md Md    r cos α − F sin α ≤ μ0 F cos α + r sin α . Ist Md /r > F tan α, so folgt aus dieser Ungleichung      Md  Md Md  = − F tan α − F tan α ≤ μ tan α F + 0  r  r r oder mit (9.5) und dem Additionstheorem f¨ ur die Tangensfunktion Md tan α + μ0 tan α + tan 0 ≤F =F = F tan(α + 0 ) . r 1 − tan α μ0 1 − tan α tan 0 Analog findet man f¨ ur Md /r < F tan α aus      Md  Md Md    r − F tan α = F tan α − r ≤ μ0 F + r tan α die Beziehung Md ≥ F tan(α − 0 ) . r Die Schraube ist daher im Gleichgewicht, solange die Bedingung F tan(α − 0 ) ≤

Md ≤ F tan(α + 0 ) r

erf¨ ullt ist. Wenn speziell α ≤ 0 (d.h. tan α ≤ μ0 ) ist, so ist Gleichgewicht ohne ein ¨ außeres Moment (Md = 0) m¨oglich. Die Haftungskr¨ afte allein halten“ dann die Last F : die Schraube ist ” selbsthemmend“. ”

9.3 Seilhaftung und Seilreibung Schlingt man ein Seil, an dessen einem Ende eine große Kraft angreift, um einen rauhen Pfosten, so kann man mit einer klei-

9.3

262

9 Haftung und Reibung

ds ds

s S +dS

S2

S2 > S 1

dN

dH

S



S1

a

dϕ/2

dϕ/2

ϕ

α

b

Abb. 9.8

nen Kraft am anderen Ende ein Rutschen des Seiles verhindern. In Abb. 9.8a umschlingt das Seil den Pfosten mit einem Winkel α. Wir setzen voraus, dass die Kraft S2 am linken Seilende gr¨ oßer ist als die Kraft S1 am rechten Ende. Um den Zusammenhang zwischen diesen Seilkr¨ aften zu berechnen, schneiden wir nach Abb. 9.8b ein Element der L¨ ange ds aus dem Seil und stellen die Gleichgewichtsbedingungen auf. Dabei ber¨ ucksichtigen wir, dass sich die Seilkraft l¨ angs ds um den infinitesimalen Betrag urde das Seil ohne Haftung nach dS a ¨ndert. Wegen S2 > S1 w¨ links rutschen: die Haftungskraft dH zeigt daher nach rechts. Die Gleichgewichtsbedingungen lauten dann: dϕ dϕ − (S + dS) cos + dH = 0 , → : S cos 2 2 dϕ dϕ ↑ : dN − S sin − (S + dS) sin = 0. 2 2 Da dϕ infinitesimal ist, wird cos (dϕ/2) ≈ 1, sin (dϕ/2) ≈ dϕ/2; außerdem ist dS(dϕ/2) von h¨ oherer Ordnung klein“. Es bleiben ” daher dH = dS ,

dN = S dϕ .

(9.7)

Aus diesen zwei Gleichungen kann man die drei Unbekannten H, N , S nicht ermitteln: das System ist statisch unbestimmt. Wir betrachten deshalb nur den Fall der Grenzhaftung, bei der Rutschen gerade noch verhindert wird. Dann ist n¨ amlich nach (9.3) dH = dH0 = μ0 dN , und mit (9.7) folgt

9.3

dH = μ0 S dϕ = dS



Seilhaftung und Seilreibung

μ0 dϕ =

263

dS . S

Integration u ¨ber den Bereich, der vom Seil umschlungen wird, liefert α S2 dS S2 μ0 dϕ = → μ0 α = ln S S1 0

S1

oder S2 = S1 eμ0 α .

(9.8)

Diese Formel f¨ ur die Seilhaftung wird nach Leonhard Euler (1707– 1783) oder Johann Albert Eytelwein (1764–1848) benannt. afte umbenennen und Wenn S1 > S2 ist, muss man nur die Kr¨ erh¨ alt S1 = S2 eμ0 α

bzw.

S2 = S1 e−μ0 α .

(9.9)

F¨ ur fest vorgegebenes S1 besteht daher Gleichgewicht, solange S2 in den Grenzen nach (9.8) und (9.9) bleibt: S1 e−μ0 α ≤ S2 ≤ S1 eμ0 α .

(9.10)

ur S2 > S1 eμ0 α F¨ ur S2 < S1 e−μ0 α tritt Rutschen nach rechts, f¨ tritt Rutschen nach links auf. Um ein Gef¨ uhl f¨ ur das Verh¨ altnis der auftretenden Kr¨afte zu bekommen, nehmen wir f¨ ur eine Zahlenrechnung eine n-fache Umschlingung (d.h. α = 2 π n) und einen Haftungskoeffizienten μ0 = 0, 3 ≈ 1/π an. Dann wird eμ0 2nπ ≈ e2n ≈ (7, 5)n

und

S1 =

S2 S2 = . eμ0 α (7, 5)n

So kann man z.B. beim Anlegen eines Schiffes durch mehrmaliges Umschlingen des Taus mit einer kleinen Kraft S1 einer großen Abtriebskraft S2 das Gleichgewicht“ halten. ”

264

9 Haftung und Reibung

Die Euler-Eytelweinsche Formel kann man vom Fall der Seilhaftung auf den Fall der Seilreibung u ¨bertragen, indem man den Haftungskoeffizienten μ0 durch den Reibungskoeffizienten μ ersetzt. Dabei kann das Seil gegen¨ uber einer festgehaltenen Rolle rutschen oder die Rolle rotiert gegen das ruhende Seil. Das Vor¨ zeichen von R findet man dann durch Uberlegungen analog zu Abb. 9.4. Wenn man die Richtung von R ermittelt hat, weiß man auch, welche Seilkraft gr¨ oßer ist, und man erh¨alt

B9.4

f¨ ur S2 > S1 :

S2 = S1 eμα ,

f¨ ur S2 < S1 :

S2 = S1 e−μα .

(9.11)

Auf die zylindrische Walze in Abb. 9.9a wirkt ein Drehmoment Md . Um die Walze ist ein rauhes Band (Haftungskoeffizient μ0 ) geschlungen, das mit einem Hebel verbunden ist. Wie groß muss F mindestens sein, damit die Walze in Ruhe bleibt (Bandbremse)?

Beispiel 9.4

l F

F A S2

S1 Md B

Md r b

a

Abb. 9.9

L¨ osung Wir schneiden nach Abb. 9.9b das Band und tragen die

Schnittkr¨ afte ein. Momentengleichgewicht f¨ ur den Hebel und f¨ ur die Walze liefert:  A:

l F − 2 r S1 = 0



 B:

Md + (S1 − S2 )r = 0



l F, 2r Md . S1 = S2 − r

S1 =

Da Md links herum dreht, muss f¨ ur Gleichgewicht S2 > S1 gel-

9.3

Seilhaftung und Seilreibung

265

ten. Mit dem Umschlingungswinkel α = π folgt dann aus (9.8) die Haftgrenzbedingung S2 = S1 eμ0 π . Damit ergibt sich Md Md → S1 = , r r(eμ0 π − 1) und die Mindestkraft wird 1 2r Md F = S1 = 2 . l l eμ0 π − 1 S1 = S1 eμ0 π −

Auf einer rotierenden Walze liegt nach Abb. 9.10a ein Klotz vom Gewicht G, der durch ein Seil gehalten wird. Wie groß ist die Seilkraft bei A, wenn zwischen Klotz bzw. Seil und Walze Reibung herrscht (Reibungskoeffizient μ)?

Beispiel 9.5

11 00 00 11 00 11 A

G

α

SA

α SB R

Drehrichtung

Abb. 9.10

N

a

G

α

b

L¨ osung Wir trennen die K¨ orper. Infolge der Bewegung der Walze wirkt die Reibungskraft auf den Klotz in der gezeichneten Richtung (Abb. 9.10b), und es ist SA > SB . Gleichgewicht am Klotz liefert

 : SB = G sin α + R ,

 : N = G cos α .

Mit den Reibungsgesetzen (9.11) und (9.6) f¨ ur Seil und Klotz SA = SB eμα ,

R = μN

finden wir durch Einsetzen SA = (G sin α + R) eμα = G(sin α + μ cos α) eμα .

B9.5

266

9.4

9 Haftung und Reibung

9.4 Zusammenfassung • Die Haftungskraft H ist eine Reaktionskraft. Sie kann bei statisch bestimmten Systemen aus den Gleichgewichtsbedingungen bestimmt werden (Beachte: der Richtungssinn von H kann im Freik¨ orperbild beliebig angenommen werden). • Der Betrag der Haftkraft H kann eine Grenzhaftkraft H0 nicht u orper haftet an einem anderen, wenn die ¨berschreiten. Ein K¨ Haftbedingung |H| ≤ H0 = μ0 N erf¨ ullt ist. • Die Reibungskraft R ist eine eingepr¨ agte Kraft. Ihre Gr¨oße ist durch das Coulombsche Reibungsgesetz R = μN gegeben. Sie ist entgegen der (relativen) Geschwindigkeit gerichtet. • Bei Seilhaftung wird der Haftgrenzfall durch die Formel nach Euler-Eytelwein beschrieben: S2 = S1 eμ0 α . • Bei Seilreibung sind die Seilkr¨ afte ebenfalls durch die EulerEytelweinsche Formel miteinander verkn¨ upft, wobei nur der Haftungskoeffizient μ0 durch den Reibungskoeffizienten μ ersetzt werden muss.

Anhang Vektoren, Gleichungssysteme

A

A Vektoren, Gleichungssysteme A.1

A.1 Elemente der Vektorrechnung Physikalische Gr¨ oßen, die durch ihren Betrag und ihre Richtung festgelegt sind, heißen Vektoren. Geometrisch wird ein Vektor durch einen Pfeil dargestellt, dessen L¨ ange ein Maß f¨ ur den Betrag ist (Abb. A.1). Als Symbole f¨ ur Vektoren verwenden wir fette Buchstaben, zum Beispiel A. Der Betrag des Vektors A wird durch |A| oder kurz durch A angegeben. Ein Vektor mit dem Betrag Eins heißt Einheitsvektor e. A = Ae A

e Abb. A.1

B = λA λ>0

Abb. A.2

Multipliziert man einen Vektor A mit einer skalaren Gr¨oße λ, so erh¨ alt man den Vektor B = λ A (Abb. A.2) mit |B| = |λ||A|. Demnach l¨ asst sich jeder Vektor als Produkt aus seinem Betrag und einem gleichgerichteten Einheitsvektor schreiben (Abb. A.1): A = Ae.

(A.1)

Die Addition zweier Vektoren A und B ergibt den Summenvektor C =A+B.

(A.2)

Er kann zeichnerisch durch Bilden eines Parallelogramms ermittelt werden (Abb. A.3). Dieses Parallelogramm kann auch folgendermaßen gedeutet werden: ein gegebener Vektor C wird in zwei Vektoren A und B mit den vorgegebenen Wirkungslinien a und b zerlegt. Die Vektoren A und B heißen dann Komponenten des Vektors C bez¨ uglich der Richtungen a und b. In der Ebene ist die Zerlegung eines Vek-

A.1

Elemente der Vektorrechnung

269

b

B

C = A+B

a

A

Abb. A.3

tors nach zwei verschiedenen Richtungen mit Hilfe des Parallelogramms eindeutig m¨ oglich. Entsprechend l¨ asst sich im Raum die Zerlegung nach drei nicht in einer Ebene liegenden Richtungen eindeutig durchf¨ uhren. Des bequemeren Rechnens wegen stellen wir Vektoren h¨aufig in einem kartesischen Koordinatensystem dar (Abb. A.4). Die jeweils aufeinander senkrecht stehenden Achsrichtungen (orthogonale Achsen) x, y und z des Koordinatensystems werden durch die Einheitsvektoren ex , ey und ez gekennzeichnet. Die Vektoren ex , ey und ez bilden dabei in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem (man kann Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand in dieser Reihenfolge mit den Richtungen von ex , ey und ez zur Deckung bringen). z Az ez α ex

Ax Abb. A.4

γ

A β

ey

Ay y

x

Der Vektor A kann in seine Komponenten Ax , Ay und Az bez¨ uglich der drei Achsrichtungen zerlegt werden: A = Ax + Ay + Az .

(A.3)

270

A. Vektoren, Gleichungssysteme

Nach (A.1) gilt f¨ ur die Komponenten Ax = Ax ex ,

Ay = Ay ey ,

Az = Az ez .

(A.4)

Damit wird aus (A.3) A = Ax ex + Ay ey + Az ez .

(A.5)

Die Maßzahlen Ax , Ay und Az heißen Koordinaten des Vektors A. Sie werden oft auch Komponenten des Vektors genannt, obwohl die Komponenten ja die Vektoren Aj (j = x, y, z) sind. Ordnet man die Koordinaten in einer Spalte ⎞ ⎛ Ax ⎟ ⎜ A = ⎝ Ay ⎠ (A.6) Az an, so nennt man diese Darstellung von A einen Spaltenvektor. H¨ aufig ist es zweckm¨ aßiger, die Koordinaten in einer Zeile statt in einer Spalte anzuordnen. Diese Darstellung von A nennt man einen Zeilenvektor. Das Vertauschen von Zeilen und Spalten wird als Transponieren bezeichnet und durch ein hochgestelltes T “ ” gekennzeichnet. Damit schreibt man den Vektor A in der Form A = (Ax , Ay , Az )T .

(A.7)

Durch die Angabe seiner drei Koordinaten ist ein Vektor eindeutig bestimmt. Der Betrag des Vektors folgt aus dem Satz des Pythagoras zu  |A| = A = A2x + A2y + A2z . (A.8) Die Richtung von A wird durch die Winkel α, β und γ charakterisiert (Abb. A.4). Wir lesen ab: cos α =

Ax , A

cos β =

Ay , A

cos γ =

Az . A

(A.9)

Mit (A.8) ist A2y A2x A2 + 2 + z2 = 1 , 2 A A A

(A.10)

A.1

Elemente der Vektorrechnung

271

und es gilt daher cos2 α + cos2 β + cos2 γ = 1 .

(A.11)

Die drei Winkel α, β, γ sind also nicht unabh¨ angig voneinander. Die Vektorgleichung A=B

(A.12)

ist gleichwertig mit den drei skalaren Gleichungen Ax = Bx ,

Ay = By ,

Az = Bz .

(A.13)

Zwei Vektoren sind somit gleich, wenn sie in den drei Koordinaten u ¨bereinstimmen. Im folgenden werden einige Rechenregeln unter Verwendung der Komponentenschreibweise zusammengestellt. A.1.1 Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar

Die Multiplikation eines Vektors A mit einem Skalar λ (Abb. A.2) liefert mit (A.3) und (A.4) den Vektor B = λ A = A λ = λ(Ax + Ay + Az ) = λ Ax ex + λ Ay ey + λ Az ez .

(A.14)

Ein Vektor wird demnach mit einer Zahl multipliziert, indem jede Koordinate des Vektors mit dieser Zahl multipliziert wird. F¨ ur λ > 0 bleibt dabei der Richtungssinn erhalten, w¨ahrend er sich f¨ ur λ < 0 umkehrt. Im Sonderfall λ = −1 erh¨ alt man den Vektor B = −A, der aus dem Vektor A unter Beibehaltung des Betrages durch Umkehr des Richtungssinns entsteht. F¨ ur λ = 0 erh¨alt man den Nullvektor 0. A.1.2 Addition und Subtraktion von Vektoren

F¨ ur die Summe zweier Vektoren A und B erh¨ alt man C = A+B = (Ax ex +Ay ey +Az ez ) + (Bx ex +By ey +Bz ez ) = (Ax + Bx ) ex + (Ay + By ) ey + (Az + Bz ) ez = Cx ex + Cy ey + Cz ez .

(A.15)

272

A. Vektoren, Gleichungssysteme

Daraus folgt Cx = Ax + Bx ,

Cy = Ay + By ,

Cz = Az + Bz .

(A.16)

Zwei Vektoren werden also addiert, indem man jeweils die entsprechenden Koordinaten addiert. Bei der Subtraktion zweier Vektoren folgt mit C = A − B = A + (−B)

(A.17)

f¨ ur die Koordinaten Cx = Ax − Bx ,

Cy = Ay − By ,

Cz = Az − Bz .

(A.18)

A.1.3 Skalarprodukt

Das skalare Produkt (inneres Produkt) zweier Vektoren A und B, die nach Abb. A.5a den Winkel ϕ einschließen, ist definiert durch A · B = A B cos ϕ .

(A.19)

Das Ergebnis der Multiplikation ist ein Skalar (kein Vektor!). Das skalare Produkt l¨ asst sich auf verschiedene Weise deuten (Abb. A.5b): a) Betrag von A mal Betrag von B mal Kosinus des eingeschlossenen Winkels, b) Betrag von A mal senkrechter Projektion von B auf A, c) Betrag von B mal senkrechter Projektion von A auf B. A cos ϕ B ϕ a

B ϕ

A

B A B cos ϕ

ϕ

A

b

Abb. A.5

Das Skalarprodukt ist positiv, wenn die beiden Vektoren einen spitzen Winkel einschließen, w¨ ahrend es bei einem stumpfen Winkel negativ ist. Im Sonderfall orthogonaler Vektoren (ϕ = π/2) ist das Skalarprodukt Null.

A.1

Elemente der Vektorrechnung

273

Aus der Definition (A.19) folgt A · B = B · A.

(A.20)

Die Reihenfolge der Vektoren darf beim skalaren Produkt vertauscht werden (Kommutativgesetz). In Komponentendarstellung wird das Skalarprodukt A · B = (Ax ex + Ay ey + Az ez )·(Bx ex + By ey + Bz ez ) . (A.21) Unter Beachtung von ex · ex = ey · ey = ez · ez = 1 , ex · ey = ey · ez = ez · ex = 0

(A.22)

finden wir A · B = Ax Bx + Ay By + Az Bz .

(A.23)

F¨ ur den Sonderfall B = A erhalten wir wegen ϕ = 0 aus (A.19) √ A · A = A2 oder A = A · A . (A.24) A.1.4 Vektorprodukt

Beim Vektorprodukt (¨ außeres Produkt oder Kreuzprodukt) zweier Vektoren A und B verwenden wir ein ד als Multiplikationszei” chen: C =A×B.

(A.25)

Das Produkt ist folgendermaßen definiert: a) Der Vektor C steht auf A und auf B senkrecht (Abb. A.6). b) Der Betrag von C ist gleich der von A und B aufgespannten Fl¨ ache: |C| = C = A B sin ϕ .

(A.26)

Dabei ist ϕ der von A und B eingeschlossene Winkel. c) Die Vektoren A, B und C bilden in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem.

274

A. Vektoren, Gleichungssysteme

C

B ϕ

C = AB sin ϕ

A

Abb. A.6

Daraus folgt A × B = −B × A.

(A.27)

Das Kommutativgesetz gilt f¨ ur das Vektorprodukt nicht. Sind zwei Vektoren parallel (ϕ = 0), so verschwindet nach b) ihr Vektorprodukt. Unter Beachtung von ex × ex = 0 ,

ex × ey = ez ,

ex × ez = −ey ,

ey × ex = −ez ,

ey × ey = 0 ,

ey × ez = ex ,

ez × ex = ey ,

ez × ey = −ex ,

ez × ez = 0

(A.28)

wird C = A×B = (Ax ex + Ay ey + Az ez )×(Bx ex + By ey + Bz ez ) = (Ay Bz − Az By ) ex + (Az Bx − Ax Bz ) ey

(A.29)

+ (Ax By − Ay Bx ) ez . Damit folgen die Koordinaten des Vektors C zu Cx = Ay Bz − Az By , Cy = Az Bx − Ax Bz ,

(A.30)

Cz = Ax By − Ay Bx . Das Vektorprodukt kann auch in Form der Determinante   e e e   x y z    (A.31) C = A × B =  Ax Ay Az     Bx By Bz 

A.2

Lineare Gleichungssysteme

275

geschrieben werden. In der ersten Zeile stehen dabei die Einheitsahrend die Koordinaten der Vektoren vektoren ex , ey und ez , w¨ A und B die zweite und die dritte Zeile bilden. Entwicklung der Determinante nach der ersten Zeile liefert (vgl. (A.29))       A A  A A  A A   y z  x z  x y C=  ex −   ey +   ez  By Bz   Bx Bz   Bx By  (A.32) = (Ay Bz − Az By ) ex + (Az Bx − Ax Bz ) ey + (Ax By − Ay Bx ) ez . Das doppelte Vektorprodukt A × (B × C) ist ein Vektor, der in der Ebene liegt, die von B und C aufgespannt wird. Es errechnet sich nach der Beziehung A × (B × C) = (A · C)B − (A · B)C ,

(A.33)

die sich durch Anwendung von (A.30) best¨ atigen l¨aßt.

A.2

A.2 Lineare Gleichungssysteme Bei der Behandlung von Problemen aus der Mechanik und aus anderen Fachgebieten wird man h¨ aufig auf Systeme von linearen Gleichungen gef¨ uhrt. Beispiele aus der Statik sind die Ermittlung von Lagerreaktionen bei einem statisch bestimmt gelagerten Tragwerk oder die Berechnung der Stabkr¨ afte in einem statisch bestimmten Fachwerk. So liefern die Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur einen Balken beim ebenen Problem drei Gleichungen f¨ ur die drei unbekannten Lagerreaktionen. Bei einem r¨aumlichen Fachwerk mit k Knoten f¨ uhren sie dagegen auf 3k = s + r Gleichungen f¨ ur die unbekannten s Stabkr¨ afte und r Lagerreaktionen. Wir betrachten das System a11 x1 + a12 x2 + . . . + a1n xn = b1 , a21 x1 + a22 x2 + . . . + a2n xn = b2 , ......... an1 x1 + an2 x2 + . . . + ann xn = bn

(A.34)

276

A. Vektoren, Gleichungssysteme

von n linearen inhomogenen Gleichungen f¨ ur die n Unbekannten x1 , x2 , . . . , xn (z.B. die Lagerreaktionen und/oder die Stabkr¨afte). Die Koeffizienten ajk sowie die rechten Seiten“ bk seien bekannt. ” Unter Verwendung der Matrizen ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎞ ⎛ x1 b1 a11 a12 . . . a1n ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ x2 ⎟ ⎜ b2 ⎟ ⎜ a21 a22 . . . a2n ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎟ A=⎜ .. ⎟ , x = ⎜ .. ⎟ , b = ⎜ .. ⎟ (A.35) ⎜ .. .. ⎝ . ⎠ ⎝ . ⎠ ⎝ . . . ⎠ an1 an2 . . . ann

xn

bn

l¨ asst sich (A.34) auch kurz in der Form Ax = b

(A.36)

schreiben. Wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix A von Null verschieden ist, d.h. wenn gilt    a11 a12 . . . a1n       a21 a22 . . . a2n   (A.37) det A =  . .. ..  = 0 ,  ..  . .   a  n1 an2 . . . ann dann sind die n Gleichungen (A.34) linear unabh¨angig, und das System hat die eindeutige L¨ osung x = A−1 b .

(A.38)

Man nennt A−1 die inverse Matrix zur Koeffizientenmatrix A. Sie ist durch A−1 A = 1 definiert, wobei ⎞ ⎛ 1 0 ... 0 ⎟ ⎜ ⎜0 1 ... 0⎟ ⎟ ⎜ (A.39) 1=⎜. . .. ⎟ ⎝ .. .. .⎠ 0 0 ...

1

die Einheitsmatrix ist. Da die Bestimmung der Inversen durch

A.2

Lineare Gleichungssysteme

277

Handrechnung meist aufwendig ist, gehen wir hierauf nicht ein. Sie l¨ asst sich allerdings mit Hilfe von Programmen wie Matlab oder Mathematica immer leicht ermitteln. Die praktische Bestimmung der Unbekannten kann mit dem Gaußschen Algorithmus (Carl Friedrich Gauß, 1777-1855) oder mit der Cramerschen Regel (Gabriel Cramer, 1704-1752) erfolgen. Beim Gaußschen Algorithmus wird das Gleichungssystem (A.34) durch systematisches Eliminieren von Unbekannten in das ¨aquivalente System 













a11 x1 + a12 x2 + . . . + a1n xn = b1 , a22 x2 + . . . + a2n xn = b2 , ......... 

(A.40)



ann xn = bn u uhrt. Hieraus lassen sich – beginnend mit der letzten Glei¨bergef¨ chung – die Unbekannten der Reihe nach ermitteln. Als Beispiel hierzu betrachten wir das System 2 x1 +

5 x2 +

8 x3 +

4 x4 = 3 ,

6 x1 + 16 x2 + 22 x3 + 13 x4 = 9 , 4 x1 + 14 x2 + 28 x3 + 10 x4 = 4 , 10 x1 + 23 x2 + 84 x3 + 25 x4 = 22 von vier Gleichungen f¨ ur vier Unbekannte. Nun wird die erste Gleichung (Zeile) mit −3 multipliziert und zur zweiten addiert sowie die erste Zeile mit −2 multipliziert und zur dritten addiert usw. Auf diese Weise wird die Unbekannte x1 aus der zweiten bis vierten Gleichung eliminiert: 2 x1 + 5 x2 + x2 −

8 x3 + 4 x4 =

3,

2 x3 +

0,

x4 =

4 x2 + 12 x3 + 2 x4 = −2 , − 2 x2 + 44 x3 + 5 x4 =

7.

Auf die gleiche Weise gehen wir anschließend bei der Elimination von x2 und x3 vor. Es bietet sich dabei an, den Algorithmus nach

278

A. Vektoren, Gleichungssysteme

folgendem Schema durchzuf¨ uhren, bei dem nur die Koeffizienten der Gleichungen angeschrieben werden: x1

x2

x3

x4

b

2

5

8

4

3

6

16

22

13

9

4

14

28

10

4

10

23

84

25

22

0

1

−2

1

0

0

4

12

2

−2

0 −2

44

5

7

0

0

20

−2

−2

0

0

40

7

7

0

0

0

11

11

(a)

(b)

(c) (d)

Mit den Koeffizienten aus (a) bis (d) ergibt sich dann das gestaf” felte System“ nach (A.40): 2 x1 + 5 x2 + 8 x3 + 4 x4 =

3,

x2 − 2 x3 +

0,

x4 =

20 x3 − 2 x4 = −2 , 11 x4 = 11 . Hieraus erh¨ alt man schrittweise – beginnend mit der letzten Zeile: x4 = 1 ,

x3 = 0 ,

x2 = −1 ,

x1 = 2 .

Nach der Cramerschen Regel folgen die Unbekannten aus xk =

det (Ak ) , det A

k = 1, . . . , n .

(A.41)

Dabei ergibt sich die Determinante det (Ak ) aus der Determinante der Matrix A, indem man die k-te Spalte durch b ersetzt. Danach erh¨ alt man zum Beispiel beim Gleichungssystem

A.2

Lineare Gleichungssysteme

279

a11 x1 + a12 x2 = b1 , a21 x1 + a22 x2 = b2 die beiden Unbekannten zu      b1 a12     b2 a22  b a − a12 b2  = 1 22 , x1 =    a11 a22 − a12 a21  a11 a12     a21 a22     a11   a21 x2 =    a11   a21

  b1   b2  a b − b1 a21  = 11 2 .  a11 a22 − a12 a21 a12   a22 

Es sei angemerkt, dass sich die Cramersche Regel f¨ ur zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten und h¨ ochstens noch f¨ ur drei Gleichungen mit drei Unbekannten eignet. Insbesondere bei h¨oherer Gleichungsanzahl wird jedoch der Gaußsche Algorithmus bevorzugt. Hingewiesen sei auch darauf, dass bei l¨ angeren Rechnungen durch Abrunden gr¨oßere Genauigkeitsverluste auftreten k¨onnen. Wie man diese Rundungsfehler klein h¨ alt, soll hier nicht erl¨autert werden.

Englische Fachausdr¨ ucke Englisch

Deutsch

active force arch area force

eingepr¨ agte Kraft Bogen Fl¨ achenkraft

bar beam belt friction bending moment bound vector boundary condition branching point

Stab, Pendelst¨ utze Balken Seilreibung Biegemoment gebundener Vektor Randbedingung Verzweigungspunkt

cantilever beam center of forces center of gravity center of mass center (centroid) of an area

einseitig eingespannter Balken Kr¨ aftemittelpunkt Schwerpunkt Massenmittelpunkt Fl¨ achenmittelpunkt, Fl¨ achenschwerpunkt Linienschwerpunkt Volumenschwerpunkt eingespannt im Uhrzeigersinn Reibungskoeffizient Haftungskoeffizient Komponente Druck Einzelkraft zentrale Kr¨ aftegruppe konservative Kraft Koordinate ebene Kr¨ aftegruppe entgegen dem Uhrzeigersinn Kr¨ aftepaar kritische Last Vektorprodukt

center (centroid) of a line center (centroid) of a volume clamped clockwise coefficient of kinetic friction coefficient of static friction component compression concentrated force concurrent forces conservative force coordinate coplanar forces counterclockwise couple critical load cross product

282

Englische Fachausdr¨ ucke

cross section curved beam

Querschnitt Bogen

decomposition of a force degree of freedom distributed force dot product

Zerlegung einer Kraft Freiheitsgrad verteilte Belastung Skalarprodukt

energy equilibrium equilibrium condition equilibrium position external force

Energie Gleichgewicht Gleichgewichtsbedingung Gleichgewichtslage außere Kraft ¨

first moment of an area fixed vector force frame free body diagram free vector friction friction law

Fl¨ achenmoment erster Ordnung, statisches Moment gebundener Vektor Kraft Rahmen Freik¨ orperbild freier Vektor Reibung Reibungsgesetz

gravitiy

Schwerkraft

hinge homogeneous

Gelenk, gelenkiges Lager homogen

inclined plane

schiefe Ebene

joint

Gelenk

kinematically determinate kinematically indeterminate kinetic friction

kinematisch bestimmt kinematisch unbestimmt Reibung

law of action and reaction law of friction lever arm limiting friction line of action line load

Wechselwirkungsgesetz Reibungsgesetz Hebelarm Grenzhaftung Wirkungslinie Streckenlast

Englische Fachausdr¨ ucke

load

Last

Macauley brackets matching condition Maxwell (-Cremona) diagram method of joints method of sections moment moment of a couple moment of a force

Klammer-Symbol ¨ Ubergangsbedingung Cremona-Plan Knotenpunktverfahren Rittersches Schnittverfahren Moment Moment eines Kr¨ aftepaars Moment einer Kraft

Newton’s law normal force

Newtonsches Axiom Normalkraft

overhanging beam

Kragtr¨ ager

parallelogram of forces pin plate point mass polygon of forces position vector potential potential energy pressure principle of the lever principle of virtual displacements principle of virtual work

Kr¨ afteparallelogramm Knoten Platte Massenpunkt Krafteck Ortsvektor Potential potentielle Energie Druck Hebelgesetz Prinzip der virtuellen Verr¨ uckungen Prinzip der virtuellen Arbeit

reaction force reference point resolution of a force restraint resultant rigid body roller (bearing) rope

Reaktionskraft Bezugspunkt Zerlegung einer Kraft Bindung Resultierende starrer K¨ orper Rollenlager Seil

scalar product shear(ing) force

Skalarprodukt Querkraft

283

284

Englische Fachausdr¨ ucke

shell sign convention simple beam

statically determinate statically indeterminate statics string structure superposition support symmetry

Schale Vorzeichenkonvention beidseitig gelenkig gelagerter Balken Einzelkraft linienfl¨ uchtiger Vektor Feder Federkonstante Stabilit¨ at stabil Haftung statisches Moment, Fl¨ achenmoment erster Ordnung statisch bestimmt statisch unbestimmt Statik Seil Tragwerk ¨ Uberlagerung Lager Symmetrie

tension tensile force three-hinged arch torsion truss twisting moment

Zug Zugkraft Dreigelenkbogen Torsion Fachwerk Torsionsmoment

uniform unstable

gleichf¨ ormig instabil

vector product virtual displacement virtual work volume force

Vektorprodukt virtuelle Verr¨ uckung virtuelle Arbeit Volumenkraft

weight work

Gewicht Arbeit

single force sliding vector spring spring constant stability stable static friction statical moment of an area

Englische Fachausdr¨ ucke

Deutsch

Englisch

Arbeit außere Kraft ¨

work external force

Balken beidseitig gelenkig gelagerter Balken Bezugspunkt Biegemoment Bindung Bogen

beam simple beam

Cremona-Plan

Maxwell (-Cremona) diagram

Dreigelenkbogen Druck

three-hinged arch compression, pressure

ebene Kr¨ aftegruppen eingepr¨ agte Kraft eingespannt einseitig eingespannter Balken Einzelkraft Energie entgegen dem Uhrzeigersinn

coplanar forces active force clamped cantilever beam concentrated force, single force energy counterclockwise

Fachwerk Feder Federkonstante Fl¨ achenkraft Fl¨ achenmittelpunkt Fl¨ achenmoment erster Ordnung Fl¨ achenschwerpunkt freier Vektor Freiheitsgrad Freik¨ orperbild

truss spring spring constant area force centroid (center) of an area first moment of an area, statical moment of an area centroid (center) of an area free vector degree of freedom free body diagram

gebundener Vektor Gelenk Gewicht gleichf¨ ormig

bound vector, fixed vector hinge, joint weight uniform

reference point bending moment restraint curved beam, arch

285

286

Englische Fachausdr¨ ucke

Gleichgewicht Gleichgewichtsbedingung Gleichgewichtslage Grenzhaftung

equilibrium equilibrium condition equilibrium position limiting friction

Haftung Haftungskoeffizient Haftungskraft Hebelarm Hebelgesetz homogen

static friction coefficient of static friction static frictional force lever arm principle of the lever homogeneous

im Uhrzeigersinn instabil

clockwise unstable

kinematisch bestimmt kinematisch unbestimmt Klammer-Symbol Knoten Knotenpunktverfahren Komponente konservative Kraft Koordinate Kraft Kr¨ aftemittelpunkt Kr¨ aftepaar Kr¨ afteparallelogramm Krafteck Kragtr¨ ager kritische Last

kinematically determinate kinematically indeterminate Macauley brackets pin method of joints component conservative force coordinate force center of forces couple parallelogram of forces polygon of forces overhanging beam critical load

Lager Last linien߬ uchtiger Vektor Linienkraft Linienschwerpunkt

support load sliding vector line load centroid of a line

Massenmittelpunkt Massenpunkt Moment Moment einer Kraft

center of mass point mass moment moment of a force

Englische Fachausdr¨ ucke

287

Moment eines Kr¨ aftepaars

moment of a couple

Newtonsches Axiom Normalkraft

Newton’s law normal force

Ortsvektor

position vector

Parallelogramm der Kr¨ afte Platte Potential potentielle Energie Prinzip der virtuellen Arbeit Prinzip der virtuellen Verr¨ uckungen

parallelogram of forces plate potential potential energy principle of virtual work principle of virtual displacements

Querkraft Querschnitt

shear(ing) force cross section

Rahmen Randbedingung Reaktionskraft Reibung Reibungsgesetz Reibungskoeffizient Reibungskraft Resultierende Rittersches Schnittverfahren Rollenlager

frame boundary condition reaction force kinetic friction law of friction, friction law coefficient of kinetic friction frictional force, friction resultant method of sections roller (bearing)

Schale schiefe Ebene Schwerkraft Schwerpunkt Seil Seilreibung Skalarprodukt Stab stabil Stabilit¨ at starrer K¨ orper Statik

shell inclined plane gravity center of gravity rope, string belt friction scalar product, dot product bar stable stability rigid body statics

288

Englische Fachausdr¨ ucke

statisches Moment statisch bestimmt statisch unbestimmt Streckenlast Superposition Symmetrie

first moment of an area, statical moment of an area statically determinate statically indeterminate line load superposition symmetry

Torsion Torsionsmoment Tragwerk

torsion twisting moment structure

¨ Ubergangsbedingung ¨ Uberlagerung

matching condition superposition

Vektorprodukt Verzweigungspunkt virtuelle Arbeit virtuelle Verr¨ uckung Volumenkraft Volumenmittelpunkt Vorzeichenkonvention

vector product, cross product branching point virtual work virtual displacement volume force centroid of a volume sign convention

Wechselwirkungsgesetz Wirkungslinie

law of action and reaction line of action

zentrale Kr¨ aftegruppe Zerlegung einer Kraft

concurrent forces resolution (decomposition) of a force tension tensile force

Zug Zugkraft

Sachverzeichnis

289

Sachverzeichnis

Arbeit 213 ff. –, virtuelle 221 Arbeitssatz 221 Archimedes 48 außerlich statisch bestimmt ¨ Axiom 1 – , Newtonsches 15

139

Balken 115, 173 – , Gelenk- 135 Balkenachse 169 Ber¨ uhrungsebene 31 Bezugspunkt 52 Biegemoment 170, 208 Bindung 116 Bogen 115, 171, 201 ff. – , Dreigelenk- 132 Coulombsche Reibungsgesetze 251 ff. Cramersche Regel 277, 278 Cremona-Plan 157 Drehfederkonstante 220 Dreigelenkbogen 132 Durchlauftr¨ ager 136 Dyname 82 ff. Dynamik 3 Einheitsvektor 9, 41 Einspannung 118, 124 Energie, potentielle 219 ff. Erstarrungsprinzip 12, 130, 133 Euler 263 Eytelwein 263

Fachwerk 146 ff. – , einfaches 149 Faser, gestrichelte 171, 202 Feder-konstante 220 – , Dreh- 220 Fl¨ achen-moment 100 – -schwerpunkt 99 F¨ oppl-Symbol 193 Freiheitsgrad 56, 77, 116, 123, 138, 225, 228 Freik¨ orperbild 12 Freischneiden 12 Gaußscher Algorithmus 277 Gelenk 127 – -balken 135 – -kraft 127 Gerber-Tr¨ ager 136, 230, 231 Gestrichelte Faser 171, 202 Gleichgewicht 28, 39, 59, 223 ff., 234 ff. – , indifferentes 235 Gleichgewichts-bedingungen 29, 39, 51, 56 ff., 76 ff., 223 – -gruppe 29 Gleichgewichtslage 223 – , instabile 236 – , Stabilit¨ at einer 234 Gleitreibung 250 Grafoanalytische L¨ osung 32, 35 Haftbedingung 252 Haftung 248 ff. – , Seil- 261 ff.

290

Sachverzeichnis

Haftungs-kegel 253 – -keil 253 – -koeffizient 251, 252 – -kraft 250 – -winkel 253 Hauptpol 141 Hebelarm 52 Hebelgesetz 48, 222 Homogener K¨ orper 96 Innerlich statisch unbestimmt 139 Joule

216

Kinematik 2, 225 Kinematische Bestimmtheit 119, 129, 138 ff., 148 Kinetik 3 Klammer-Symbol 193 ff. Knoten 147 Knotenpunktverfahren 151 ff. Kraft 7 ff. –,¨ außere 12 – , Angriffspunkt einer 8 – , Betrag 7, 9 – -eck 22 – , eingepr¨ agte 11 – , Einzel- 11, 169 – , Feder- 220 – , Fl¨ achen- 11 – , Gelenk- 127 – , Gewichts- 219 – , Haftungs- 250 – , innere 12 – -komponenten 25 – , konservative 219 – , Linien- 11 – , Normal- 170, 208 – , Potential- 219 – , Quer- 170, 208 – , Reaktions- 11, 116, 229, 250

– , Reibungs- 250 – , Richtung einer 8, 9 – , Schnitt- 229 – -schraube 83 – , Schwer- 7 – , Stab- 148 ff. – -systeme, ebene 54 – -systeme, zentrale 20 – , Tangential- 31 – -vektor 9 – , Volumen- 11 – -winder 82 – , Wirkungslinie einer 8 – , Zwangs- 12 Kr¨ afte-dreieck 22 – -gruppen, ebene 20 – -gruppen, r¨ aumliche 37, 70 – -gruppen, zentrale 20, 37 – -mittelpunkt 91 – -paar 48, 59 – , parallele 47, 66 – -parallelogramm 21 – -plan 22, 46, 66 ff. – -polygon 22 – -zerlegung 25 – -zusammensetzung 21, 37 Kragtr¨ ager 178 Kritische Last 242 Lageplan 22, 66 ff. Lager 115 ff. – , dreiwertige 118 – , einwertige 116 – , Fest- 117 – , f¨ unfwertiges 124 – , gelenkiges 117, 123 – , Gleit- 116 – -kraft 117 – -reaktionen 114, 116 – , Rollen- 116

Sachverzeichnis

– , sechswertiges 124 – , vierwertiges 124 – , zweiwertige 117 Linienschwerpunkt, 110 Macauley 193 Massenmittelpunkt 94, 96 Massenpunkt 1 Moment 49 – , Betrag 49 – , Biege- 170, 208 – , Drehsinn 49 – eines Kr¨ aftepaares 49 – einer Kraft 52 – , statisches 100 – , Torsions- 208 Momentanpol 140, 141 Momenten-bezugspunkt 52 – -gleichgewichtsbedingung 73 – -linie 175 ff. – -vektor 70 Nebenpol 141 Newton 7, 15 – -sches Axiom 15 Normalkraft 31, 170, 208 Nullstab 152 Ortsvektor

71, 215

Parallelf¨ uhrung 117, 127, 183, 190 Parallelogramm der Kr¨ afte 21 Pendel-stab 127 – -st¨ utze 116, 123 Platte 115 Pol des Kraftecks 67 Pol-plan 141 – -strahl 67, 140 Potential 215 ff. – der Drehfeder 221 – der Federkraft 220

291

– des Gewichts 219 Prinzip der virtuellen Verr¨ uckungen 222 ff. Querkraft 170, 208 – -gelenk 127, 190 – -linie 175 Rahmen 115, 171, 201 ff. Randbedingungen 182 R¨ aumliche Statik 37, 70 Reaktionskraft 250 Rechtsschraube 70 Reduktion 21, 54 Reibung 248 ff. – , Seil- 261 ff. Reibungs-gesetz 254 – -koeffizient 252, 254 – -kraft 250 Resultierende 21, 54, 59 Rittersches Schnittverfahren

162

Schale 115 Scheibe 115 Schiebeh¨ ulse 117, 124, 183 Schnitt-gr¨ oßen 169 ff. – -kraftlinien 174 – -prinzip 13, 121, 127, 169, 207 – , Ritterscher 162 – -ufer 170 Schwer-achsen 100 – -kraft 7 – -punkt 90 ff. Seil 30 – -eck 65 ff. – -haftung 261 ff. – -polygon 66 – -reibung 261 ff. – -strahlen 67 Skalarprodukt 272 Stab 31, 115

292

Sachverzeichnis

– -kraft 148 – , Null- 152 – -werk 147 ff. Stabilit¨ at 234 ff. Stabilit¨ atskriterium 236 Starrer K¨ orper 1, 9 Statik 3 Statisch unbestimmt 120, 138 – , innerlich 139 Statische Bestimmtheit 30, 118 ff., 124, 126 ff., 136, 147 ff. Statisches Moment 100 Streckenlast 11 Superposition 195 Tangentialkraft 31 Torsionsmoment 208 Totalresultierende 84 Tragwerke, ebene 115, 127 – , mehrteilige 126 – , r¨ aumliche 123, 207 ff. Tr¨ ager, Gerber- 136 – , Krag- 178 ¨ Ubergangsbedingungen

187

Vektor 8, 268 ff. – -addition 268, 271 – , Betrag 268, 270 – , Einheits- 268 – , freier 8, 73 – , gebundener 8 – -komponenten 268 ff. – -koordinaten 270 – , linienfl¨ uchtiger 10 – , Orts- 71, 215 – -produkt 71, 273 Verbindungselemente 126 Verzweigungspunkt 243 Virtuelle Arbeit 221 – Verr¨ uckung 221

Volumenmittelpunkt 96 Vorzeichenkonvention f¨ ur Schnittgr¨ oßen 170 ff., 202, 208 – f¨ ur Stabkr¨ afte 36, 153 Wechselwirkungsgesetz 127, 170 Wirkungslinie 8 Zentralachse 82, 84 Zweigelenkbogen 132

14, 115,