Subjektive Investitionsbewertung, Marktbewertung und Risikoteilung: Grenzpreise aus Sicht börsennotierter Unternehmen und individueller Investoren im Vergleich [1 ed.] 9783540852735, 3540852735 [PDF]

Das Buch befasst sich mit der Ermittlung des Grenzpreises eines Bewertungsobjekts, bis zu dem dessen Kauf (Verkauf) aus

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German Pages 664 [673] Year 2009

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Table of contents :
Front Matter....Pages I-XXI
Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick....Pages 1-64
Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung....Pages 65-123
Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)....Pages 125-151
Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt....Pages 153-204
Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung....Pages 205-235
Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM....Pages 237-265
Kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte im Vergleich....Pages 267-284
Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts....Pages 285-315
Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss....Pages 317-359
Portefeuilleplanung mit unvollständig duplizierbarem exogenem Überschuss....Pages 361-399
Individuelle subjektive Bewertung mit Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts....Pages 401-459
Individuelle subjektive Bewertung im Rahmen eines Einzelunternehmens....Pages 461-482
Das Konzept der flexiblen Planung als Grundlage der Bewertung im Mehrperioden-Fall....Pages 483-520
Marktbewertung im Mehrperioden-Fall....Pages 521-591
Individuelle subjektive Bewertung im Mehrperioden-Fall....Pages 593-629
Back Matter....Pages 631-664
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Subjektive Investitionsbewertung, Marktbewertung und Risikoteilung: Grenzpreise aus Sicht börsennotierter Unternehmen und individueller Investoren im Vergleich [1 ed.]
 9783540852735, 3540852735 [PDF]

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Zitiervorschau

Subjektive Investitionsbewertung, Marktbewertung und Risikoteilung

Helmut Laux · Matthias M. Schabel

Subjektive Investitionsbewertung, Marktbewertung und Risikoteilung Grenzpreise aus Sicht börsennotierter Unternehmen und individueller Investoren im Vergleich

123

Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Laux Hölderlinweg 22h 61350 Bad Homburg [email protected]

Prof. Dr. Matthias M. Schabel Fachhochschule Frankfurt am Main – University of Applied Sciences Fachbereich 3 Wirtschaft und Recht Professur für Rechnungswesen und Wirtschaftsinformatik Nibelungenplatz 1 60318 Frankfurt am Main [email protected]

ISBN 978-3-540-85272-8

e-ISBN 978-3-540-85273-5

DOI 10.1007/978-3-540-85273-5 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2009 Springer-Verlag Berlin Heidelberg  Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de

Vorwort

Das Buch befasst sich mit Grundfragen der Bewertung von Bewertungsobjekten mit ungewissen finanziellen Überschüssen als Basis für die Entscheidung über deren Kauf oder Verkauf. Bei einem Bewertungsobjekt kann es sich um ein einzelnes Investitionsprojekt, ein Investitionsprogramm oder ein ganzes Unternehmen handeln. Sowohl für den potenziellen Kauf als auch den potenziellen Verkauf des Bewertungsobjekts stellt der Wert einen kritischen „Grenzpreis“ dar. Der Kauf ist für einen potenziellen Käufer vorteilhaft, wenn der Kaufpreis niedriger als der Grenzpreis ist. Der Verkauf ist für einen potenziellen Verkäufer vorteilhaft, wenn der Verkaufserlös höher als der Grenzpreis ist. Es wird gezeigt, wie der Wert ermittelt werden kann und wie er von seinen Determinanten abhängt. Als Wertdeterminanten werden vor allem Eigenschaften des Kapitalmarktes, die Risikoeinstellungen der Investoren und die „Größe“ des Bewertungsobjekts betrachtet. Von diesen Determinanten hängt ihrerseits ab, wie das aus dem Bewertungsobjekt resultierende Risiko geteilt wird bzw. geteilt werden kann. Besonderer Raum wird der Frage gewidmet, wie der individuelle subjektive Wert aus Sicht eines Investors vom Marktwert des Bewertungsobjekts abweichen kann. Eine Abweichung ergibt sich schon dann, wenn die Bewertung im Rahmen eines börsennotierten Unternehmens vorgenommen wird, an dem der Investor als Anteilseigner mit kleinem Anteil beteiligt ist (so dass das Bewertungsmodell aus seiner Sicht ein Marginalkalkül darstellt). Die Abweichung mag hier jedoch vernachlässigbar gering sein. Grundlegend anders ist die Bewertungssituation, wenn der Investor nicht als Anteilseigner unter vielen an den Überschüssen des Bewertungsobjekts beteiligt ist, sondern diese ihm als Alleineigentümer zufließen und er das Risiko nur in Grenzen durch individuelle Portefeuillebildung reduzieren (hedgen) kann; Gleichheit von individuellem subjektivem Wert und Marktwert wäre grundsätzlich nur bei „Vollständigkeit“ und „Vollkommenheit“ des Kapitalmarktes gegeben. Da reale Kapitalmärkte diesem Ideal nicht entsprechen, ist die in Theorie und Praxis populäre Gleichsetzung von Marktwert und individuellem subjektivem Grenzpreis mit großer Skepsis zu beurteilen. Sowohl für einen (individuellen potenziellen) Käufer als auch für einen Verkäufer ist der subjektive Grenzpreis grundsätzlich niedriger als der Marktwert, wobei die Abweichung vor allem bei großen Bewertungsobjekten (etwa bei ganzen Unternehmen) und hoher Risikoaversion sehr hoch sein kann. Eine generelle Gleichsetzung von subjektivem Grenzpreis und Marktwert impliziert, dass Marktwertmaximierung und subjektive Nutzenmaximierung äquivalente Ziele sind. Nicht nur für Realinvestitionen, sondern auch für Risikotransformationen durch Versicherungen und Wertpapierhandel wären dann Marktwerte unabhängig davon bewertungsrelevant, ob die Entscheidungen für ein börsennotiertes Unternehmen mit vielen Anteilseignern oder einen individuellen Investor (den Alleineigentümer eines Unternehmens) getroffen werden, eine irreale Annahme.

VI

Vorwort

Der Rückgriff auf Marktwerte mit dem Argument „wissenschaftlicher Objektivität“ kann zu Fehlbewertungen und Fehlentscheidungen führen. Verzicht auf Marktbewertung impliziert im übrigen nicht, dass der Wert „frei gegriffen“ werden muss. In der Arbeit wird gezeigt, wie in alternativen Entscheidungssituationen die Abweichung des individuellen subjektiven Grenzpreises vom Marktwert ermittelt (geschätzt) werden kann. Dabei wird ersichtlich, dass eine zielkonforme Bewertung grundsätzlich die Berücksichtung subjektiver Präferenzen erfordert. Ohne Rücksicht auf Präferenzen kann man allenfalls gemäß der populären Formel „Bewerten heißt vergleichen“ Ratschläge geben wie etwa den, für ein Bewertungsobjekt nicht mehr zu zahlen als jenen Preis, den man alternativ für ein Vergleichsobjekt mit denselben Eigenschaften (Überschüssen) zahlen müsste. Natürlich ist es irrational, einen höheren Preis zu zahlen. Es kann aber auch irrational sein, das Bewertungsobjekt zu einem niedrigeren Preis zu erwerben; der individuelle subjektive Wert ist nicht schon deshalb höher als der geforderte Preis, weil dieser Preis niedriger ist als der Preis einer Vergleichsalternative. In der Literatur wird oft argumentiert, dass subjektive Nutzenmaximierung als Bewertungskonzept ungeeignet sei, weil der Investor seine Nutzenfunktion nicht ermitteln und diese sich im Zeitablauf ändern könne. Daher sei es sinnvoll, auf Marktwerte zurückzugreifen. (Mit dem gleichen Argument könnte man auch Substanzwerte rechtfertigen.) In der Entscheidungstheorie wurden jedoch Konzepte entwickelt, um Rückschlüsse auf die Nutzenfunktion ziehen zu können. Natürlich kann sie sich im Zeitablauf ändern. Das lässt sich aber nicht vermeiden, indem man für das Bewertungsobjekt einen Preis in Höhe des gegenwärtigen Marktwertes zahlt. Auch Marktwerte pflegen sich zu ändern. Ein besonderes Problem dabei ist, dass sie sich zumindest teilweise aufgrund reiner Zufallsmechanismen ändern können. Die in dieser Arbeit explizit betrachteten rein zufälligen Änderungen ergeben sich aus stochastisch unabhängigen „Störtermen“ für die Kursentwicklungen, die unsystematische Risiken erzeugen. Diese Störterme können insbesondere aus beschränkter Rationalität der Akteure auf dem Kapitalmarkt, der Investoren in den Unternehmen und staatlicher bzw. politischer Entscheidungsinstanzen resultieren. Sie mögen zwar im Rahmen gut gemischter Wertpapierportefeuilles nicht „spürbar“ bzw. bewertungsrelevant sein und somit die gegenwärtigen Marktwerte der Wertpapiere nicht beeinflussen. Wie in der Arbeit gezeigt wird, können sie jedoch die Möglichkeit, den Überschuss eines Bewertungsobjekts individuell zu hedgen, wesentlich beeinträchtigen und bewirken, dass bei gegebener Nutzenfunktion des Investors sein individueller subjektiver Grenzpreis weit unter dem Marktwert liegt. Dies gilt vor allem dann, wenn dieser Überschuss gegenüber dem eines gut gemischten Portefeuilles stark „strukturverzerrt“ ist und das Bewertungsobjekt, die Varianzen der Störterme sowie die Risikoaversion des individuellen Investors groß sind. Die Bewertungsrelevanz von Störtermen für Wertpapierpreise wird unseres Wissens in der Literatur nicht explizit analysiert. Allenfalls Störterme (unsystematische Risiken) für die Überschüsse der Bewertungsobjekte werden als Ursachen für positive Abweichungen zwischen Marktwerten und subjektiven Grenzpreisen angeführt. In der vorlie-

Vorwort

VII

genden Arbeit wird ausführlich auch der Einfluss dieses zweiten Typs von Störtermen auf die Abweichungen untersucht. Wenn man den individuellen subjektiven Grenzpreis bezüglich einer Nutzenfunktion ermittelt hat und damit rechnet, dass sie sich in nicht antizipierbarer Weise ändern kann, sollte man einen Abschlag von diesem Grenzpreis vornehmen, wenn bei Kauf des Bewertungsobjekts aufgrund beschränkter Wiederverkaufsmöglichkeiten (fehlender Teilbarkeit des Bewertungsobjekts) sowie der Unvollkommenheit und Unvollständigkeit des Kapitalmarktes Anpassungen an mögliche Änderungen der Nutzenfunktion gegenüber reiner Finanzanlage (Portefeuillebildung und risikoloser Kapitalanlage) erschwert werden. Wie gezeigt wird, ist unter diesen Kapitalmarkteigenschaften der Marktwert grundsätzlich höher als der subjektive Grenzpreis, so dass die Wertkorrektur bei Ansatz des Marktwertes in die falsche Richtung geht. Je größer das Bewertungsobjekt und die Risikoaversion des Investors sind, desto größer ist der Bewertungsfehler, wenn man statt eines reduzierten subjektiven Grenzpreises den Marktwert zum Bewertungsmaßstab erhebt. Wie gezeigt wird, können die individuellen Hedgemöglichkeiten auch durch beschränkte Rationalität der Akteure auf dem Kapitalmarkt beeinträchtigt werden. Bei rationaler Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises wird dies im Bewertungskalkül antizipiert mit dem Ergebnis, dass ein noch höherer Abschlag vom Marktwert geboten ist. Es ist erstaunlich, wie wenig Mühe sich die Verfechter der reinen Marktbewertung geben, um die prinzipielle Eignung des Marktwertes als subjektivem Grenzpreis zu begründen. Warum sollte man auch die Grundlagen der eigenen Gutachten in Zweifel ziehen, zumal es in der angloamerikanischen Bewertungsliteratur „mainstream“ ist, kaum etwas anderes als Marktwerte in Betracht zu ziehen, wohl aus der sicheren Einsicht heraus, dass der Markt schon alles richten wird. Die Darstellungen in dieser Arbeit haben nicht nur Bedeutung für die Bewertung in einer konkreten Entscheidungssituation. Mit Hilfe des entwickelten Instrumentariums wird auch der allgemeine Einfluss des Kapitalmarktes auf Bewertungen und Investitionsentscheidungen untersucht. Dabei zeigt sich, welche Bewertungskonflikte in Abhängigkeit von der Risikoteilung zwischen Investoren bestehen können. Die Arbeit steht thematisch in engem Zusammenhang mit dem ebenfalls im SPRINGER-Verlag erschienen Buch „Wertorientierte Unternehmenssteuerung und Kapitalmarkt“ von H. LAUX, in dem wesentlich ausführlicher als in dem vorliegenden Probleme der Marktbewertung untersucht werden und Probleme individueller subjektiver Bewertung nur am Rande behandelt werden. Dagegen stellen die Beziehungen zwischen Marktwerten und subjektiven Grenzpreisen einen wesentlichen Bestandteil der vorliegenden Arbeit dar. Durch häufige Querverweise werden Verbindungen zwischen beiden Büchern angezeigt. Die Darstellungen zur Marktbewertung verdeutlichen, warum Marktbewertungsfunktionen für die Ermittlung individueller subjektiver Grenzpreise grundsätzlich nicht geeignet sind. Die Marktbewertungsfunktionen werden in beiden Arbeiten in strukturgleicher Weise wie die individuellen subjektiven Grenzpreise darge-

VIII

Vorwort

stellt, so dass sie anschaulich verglichen werden können und Unterschiede zwischen ihnen direkt ersichtlich werden. Den Herren Conrad Buchholz, Hugo Kossbiel und Christian Laux verdanken wir viele wertvolle Anregungen und Verbesserungsvorschläge. Die KPMG hat das Projekt durch eine großzügige Spende gefördert. Auch dafür danken wir herzlich.

Frankfurt am Main, im Juli 2008

Helmut Laux und Matthias M. Schabel

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ........................................................................................................................................V Inhaltsverzeichnis........................................................................................................................ IX

TEIL A: EINFÜHRUNG I

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick .............................................................................................................. 1

1 2 2.1 2.2 3

Problemstellung der Arbeit ........................................................................................... 1 Die betrachteten Bewertungsanlässe............................................................................. 7 Kauf eines Investitionsprojekts: Grenzpreis als Preisobergrenze ................................. 7 Verkauf eines Investitionsprojekts: Grenzpreis als Preisuntergrenze........................... 8 Grundtypen von Werten: Marktwerte, kollektive und individuelle subjektive Grenzpreise ................................................................................................................... 9 Allgemeiner Vergleich.................................................................................................. 9 Bedeutung der Risikoteilung für die Bewertung......................................................... 13 Pareto-effiziente und anreizkompatible Risikoteilung................................................ 13 Direkte und indirekte Risikoteilung (direkter und indirekter Risikotransfer)............. 14 Direkte Risikoteilung.................................................................................................. 14 Indirekte Risikoteilung durch Transaktionen auf dem Kapitalmarkt.......................... 16 Die betrachteten Finanzierungsformen ....................................................................... 18 Bewertungsmodell als Entscheidungsmodell ............................................................. 20 Zielfunktion ................................................................................................................ 20 (Handlungs-)Alternativen ........................................................................................... 20 Probleme der Information ........................................................................................... 22 Problem der Komplexitätsreduktion bei der Bewertung............................................. 25 Grundformen der Bewertung gegebener stochastischer Überschüsse ........................ 26 Unternehmen als Bewertungsobjekt ........................................................................... 26 Abgrenzung von Leistungs-, Finanz- und neutralem Bereich .................................... 27 Zur Ermittlung eines Marktwertes .............................................................................. 28 Entity- und Equity-Ansatz als Konzepte der Unternehmensbewertung ..................... 28 Bewertung nach dem Entity-Ansatz ........................................................................... 29 Marktwert des Leistungsbereichs als Marktwert eines Duplikationsportefeuilles...... 29 Bewertung auf der Basis einer „Vergleichsinvestition“ ............................................. 30 Discounted Cashflow-Methode (Risikozuschlags-Methode) ..................................... 31 Sicherheitsäquivalent-Methode (Risikoabschlags-Methode) ..................................... 31 Bewertung nach dem Equity-Ansatz .......................................................................... 33 Reale vs. virtuelle (oder intrinsische) Marktwerte...................................................... 34 Zur Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises .................................... 35 Vergleich mit Marktbewertung................................................................................... 35 Zirkularitätsproblem bei der Bewertung und Reichtumseffekt................................... 37 Individuelle subjektive Bewertung unter verschiedenen Kapitalmarktbedingungen.. 37 Vollständige Duplizierbarkeit..................................................................................... 37 Unbeschränkte Leerverkäufe ...................................................................................... 37

3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.3 4 4.1 4.2 4.3 4.4 5 5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.2.1 5.3.2.2 5.3.2.3 5.3.2.4 5.3.3 5.3.4 5.4 5.4.1 5.4.2 6 6.1 6.1.1

X

6.1.2 6.2 6.3 6.4 7 7.1 7.1.1 7.1.1.1 7.1.1.2 7.1.2 7.2 7.2.1 7.2.2 7.3 8 8.1 8.2 9 10 11

Inhaltsverzeichnis

Beschränkter Leerverkauf........................................................................................... 39 Unvollständige Duplizierbarkeit................................................................................. 41 Exkurs: Illiquide Finanzmärkte [*]............................................................................. 42 Implikationen von Änderungen der Nutzenfunktion .................................................. 42 Gründe für Alleineigentum am Unternehmen ............................................................ 43 Gegebenes Investitionsprogramm............................................................................... 43 Homogene Erwartungen über die Überschüsse .......................................................... 43 Vollständige Duplizierbarkeit und unbeschränkte Leerverkaufsmöglichkeiten ......... 43 Unvollständige Duplizierbarkeit und/oder beschränkte Leerverkaufsmöglichkeiten. 44 Heterogene Erwartungen über die Überschüsse ......................................................... 45 Veränderliches Investitionsprogramm ........................................................................ 45 Orientierung ausschließlich an finanziellen Zielen..................................................... 45 Orientierung (auch) an nichtfinanziellen Zielen ......................................................... 46 Fazit: Bewertungsfall B vs. Bewertungsfall A............................................................ 47 Grenzen individueller subjektiver Bewertung durch reine Preisvergleiche und Notwendigkeit der Erfassung subjektiver Präferenzen ............................................... 48 Problematik des Vergleichs als „allgemeines Grundprinzip“ der Bewertung ............ 48 Problematik der Bewertung auf der Basis des CAPM................................................ 51 Die Problematik des DEAN-Modells als Leitlinie für die Schätzung eines risikoangepassten (endogenen) Kalkulationszinsfußes [*] ......................................... 55 Resümee...................................................................................................................... 57 Aufbau der Arbeit ....................................................................................................... 61

TEIL B: ENTSCHEIDUNGSTHEORETISCHE GRUNDLAGEN II

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung ................. 65

1 2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.2.1 2.3.2.2 3 3.1 3.2 3.3 4 5

Problemstellung .......................................................................................................... 65 Entscheidungskriterien bei Risiko .............................................................................. 68 Dominanzprinzip als Vorentscheidungskriterium ...................................................... 68 Bernoulli-Prinzip ........................................................................................................ 68 Charakteristik.............................................................................................................. 68 Eigenschaften der Nutzenfunktion.............................................................................. 70 Klassische Entscheidungskriterien im Licht des Bernoulli-Prinzips .......................... 72 P-Kriterium ................................................................................................................. 72 (P,V)-Prinzip ............................................................................................................... 72 Quadratische Nutzenfunktion und beliebig verteilte Zielgröße .................................. 72 Exponentielle Nutzenfunktion und normalverteilte Zielgröße ................................... 75 Das ARROW-PRATT-Maß für absolute Risikoaversion ............................................... 78 Allgemeine Darstellung .............................................................................................. 78 Quadratische Nutzenfunktion und ARROW-PRATT-Risikoaversionskoeffizient......... 79 Exponentielle Nutzenfunktion und ARROW-PRATT-Risikoaversionskoeffizient ....... 80 Zustandsabhängige Nutzenfunktionen........................................................................ 81 Sicherheitsäquivalent und subjektiver Wert (Grenzpreis) einer stochastischen Zielgröße..................................................................................................................... 84 Allgemeine Charakteristik .......................................................................................... 84 Sicherheitsäquivalent bei Risikoneutralität................................................................. 85 Sicherheitsäquivalent bei Risikoaversion ................................................................... 86 Allgemeine Darstellung .............................................................................................. 86

5.1 5.2 5.3 5.3.1

Inhaltsverzeichnis

5.3.2 5.4 5.5

XI

5.6.1 5.6.2 5.7 5.7.1 5.7.2 5.8 5.8.1 5.8.2 6 7 7.1 7.2 7.3 7.4 8 8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.3 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 9

Spezialfälle.................................................................................................................. 88 Risikoabschlag und ARROW-PRATT-Maß................................................................... 89 Sicherheitsäquivalent einer stochastischen Änderung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung.................................................................................... 91 Subjektiver Wert einer stochastischen (Änderung einer) Wahrscheinlichkeitsverteilung.................................................................................... 93 Wert WK(Z n ) aus Sicht eines potenziellen Käufers................................................. 93 Wert WV(Z n ) aus Sicht eines potenziellen Verkäufers............................................ 96 Wert und Sicherheitsäquivalent im Vergleich ............................................................ 96 Allgemeine Zusammenhänge...................................................................................... 96 Wert und Sicherheitsäquivalent bei quadratischer Nutzenfunktion............................ 97 Implikationen für die Sicherheitsäquivalent-Methode als Bewertungskonzeption .. 100 Bewertung aus Sicht eines potenziellen Käufers ...................................................... 100 Bewertung aus Sicht eines potenziellen Verkäufers ................................................. 102 Verbundeffekte und Koordinationsbedarf bei der Bewertung .................................. 102 Pareto-effiziente Risikoteilung ................................................................................. 104 Bedeutung ................................................................................................................. 104 Pareto-Programm ...................................................................................................... 105 Grundbedingung pareto-effizienter Risikoteilung .................................................... 106 Gestalt pareto-effizienter Teilungsregeln ................................................................. 107 Anreizkompatible Risikoteilung ............................................................................... 108 Bedeutung ................................................................................................................. 108 Strenge Anreizkompatibilität .................................................................................... 110 Bedingungen der (strengen) Anreizkompatibilität.................................................... 110 Ermittlung und Gestalt anreizkompatibler Teilungsregeln ....................................... 112 Anreizkompatible versus pareto-effiziente Risikoteilung......................................... 115 Partielle Anreizkompatibilität................................................................................... 116 Bedingungen der partiellen Anreizkompatibilität..................................................... 116 Beweis der partiellen Anreizkompatibilität [*]......................................................... 118 Mögliche Konflikte................................................................................................... 119 Resümee.................................................................................................................... 120

III

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)................ 125

1 2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 4 4.1 4.2 5 5.1 5.2 6 7 8

Problemstellung ........................................................................................................ 125 Residualgewinn als Zielgröße der Portefeuilleplanung ............................................ 126 Das Modell................................................................................................................ 127 Annahmen und Symbole........................................................................................... 127 Modellstruktur .......................................................................................................... 128 Strukturgleichheit aller effizienten Portefeuilles ...................................................... 130 Auswahl des optimalen Portefeuilles........................................................................ 133 Analyse der Struktureigenschaften der effizienten Portefeuilles .............................. 135 Grundlegende Struktureigenschaften........................................................................ 135 Höhe und Interpretation von Ȝ* [*]........................................................................... 138 Eigenschaften des optimalen Portefeuilles ............................................................... 139 Allgemeine Charakteristik ........................................................................................ 139 Umfang des optimalen Portefeuilles......................................................................... 140 Implikationen eines beschränkten Leerverkaufs [*] ................................................. 143 Zur Relevanz von Hintergrundrisiken und Leerverkäufen ....................................... 145 Bedeutung von Varianzen und Kovarianzen für das Portefeuillerisiko.................... 146

5.6

XII

9

Inhaltsverzeichnis

Resümee.................................................................................................................... 150

TEIL C: PREISBILDUNG AUF DEM KAPITALMARKT UND KOLLEKTIVE SUBJEKTIVE GRENZPREISE IM VERGLEICH ZU MARKTWERTEN IV

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt................................................ 153

1 2 2.1 2.2

Problemstellung ........................................................................................................ 153 Vollkommener und unvollkommener Kapitalmarkt ................................................. 156 Charakteristik des vollkommenen Kapitalmarktes ................................................... 156 Informationskosten und Beschränkungen von Leerverkäufen als wesentliche Ursache für die Unvollkommenheit des Kapitalmarktes .......................................... 157 Arbitragefreiheit als notwendige Bedingung für ein Kapitalmarktgleichgewicht und Bewertungsimplikationen .................................................................................. 159 Prinzip der Arbitragefreiheit ..................................................................................... 159 Marktbewertung auf der Basis eines Duplikationsportefeuilles ............................... 163 Konzept..................................................................................................................... 163 Ermittlung eines Duplikationsportefeuilles .............................................................. 164 State Preference Ansatz (SPA) ................................................................................. 167 Charakteristik............................................................................................................ 167 Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen im SPA................................... 169 Höhe der Preise ʌs für zustandsbedingte Zahlungsansprüche................................... 170 Arbitrageüberlegungen ............................................................................................. 170 Grenznutzenbetrachtung ........................................................................................... 171 Pareto-effiziente Risikoteilung im SPA [*] .............................................................. 173 Zustandsunabhängige Nutzenfunktionen.................................................................. 173 Zustandsabhängige Nutzenfunktionen (exogene Risiken) und Bedeutung von Leerverkäufen ........................................................................................................... 174 Capital Asset Pricing Model (CAPM) ...................................................................... 174 Charakteristik............................................................................................................ 174 Individualportefeuilles im Gleichgewicht................................................................. 175 Individualportefeuilles als proportionale Anteile am Marktportefeuille .................. 175 Höhe der individuellen Anteile am Marktportefeuille.............................................. 176 Marktwerte auf der Basis von Sicherheitsäquivalenten ............................................ 179 Ermittlung der Marktwerte ....................................................................................... 179 Höhe der Marktwerte ................................................................................................ 181 Abhängigkeit von der Kovarianz .............................................................................. 181 Abhängigkeit von der Varianz .................................................................................. 182 Abhängigkeit von der Risikoprämie je Risikoeinheit bzw. den Risikoeinstellungen................................................................................................... 184 Zum Verhältnis zwischen Standardabweichung und Risikoprämie eines Portefeuilles .............................................................................................................. 187 Marktwerte auf der Basis risikoangepasster Zinssätze ............................................. 189 Erwartete Renditen von riskanten Wertpapieren ...................................................... 189 Marktwertermittlung mit Hilfe eines risikoangepassten Zinssatzes ......................... 191 Ermittlung der Risikoprämie auf der Basis eines risikoangepassten Zinssatzes....... 192  und r .............................. 193 Bewertung auf der Basis der Kovarianz zwischen M 1n G Modifizierter SPA..................................................................................................... 194 Das Modell................................................................................................................ 194

3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 4 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.4.1 4.4.2 5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.2.1 5.3.2.2 5.3.2.3 5.3.2.4 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 6 6.1

Inhaltsverzeichnis

XIII

6.2 7 8 9

Beschränkte Rationalität als Ursache für Störterme ................................................. 197 CAPM und (modifizierter) SPA als theoretische Grundlage für weitere Analysen . 198 Relevanz von Leerverkäufen .................................................................................... 200 Resümee.................................................................................................................... 201

V

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung ........................................... 205

1 2

Problemstellung ........................................................................................................ 205 Kompatibilität bei Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen zu unveränderlichen Preisen ʌs ...................................................................................... 206 Vorüberlegung: Maximierung des Marktwertes des privaten Vermögens eines individuellen Investors.............................................................................................. 206 Gestalt der Indifferenzkurven ................................................................................... 206 Nutzenmaximierung und Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen ....... 208 Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung als äquivalente Ziele bei konstanten Preisen ʌs ................................................................................................ 210 Konflikt zwischen Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung bei Leerverkaufsbeschränkungen ................................................................................... 212 Mehr als zwei mögliche Zustände ............................................................................ 213 Fazit: Relevanz von Hedgemaßnahmen für die Bewertung...................................... 214 Maximierung des Marktwertes der Aktien eines Unternehmens.............................. 214 Konzept..................................................................................................................... 214 Bewertung und Separierbarkeit................................................................................. 216 „Competitivity“ und „Spanning“ als Grundbedingungen der Anreizkompatibilität ................................................................................................. 217 Problematik der Annahme eines Handels zu unveränderlichen Preisen ʌs............... 218 Allgemeine Charakteristik ........................................................................................ 218 Problematik in einem Nichthandels-Gleichgewicht ................................................. 219 Problematik in einem Handels-Gleichgewicht ......................................................... 221 Identität von Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung bei quasi-konstanten Grenznutzenwerten ....................................................................... 222 Marktwertmaximierung als direkte Nutzenmaximierung ohne dass Wertpapierhandel ausgelöst wird.............................................................................. 222 Implikationen quasi-konstanter Grenznutzenwerte .................................................. 224 Vergleich mit den Darstellungen zur partiellen Anreizkompatibilität...................... 225 Zur Relevanz von Informationen .............................................................................. 226 Spanning als Bedingung der Identität von Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung bei unveränderlichen Grenznutzenwerten............................... 227 Charakteristik............................................................................................................ 227 Bedeutung und Grenzen der Spanning-Bedingung................................................... 228 Spanning und pareto-effiziente Risikoteilung im Vergleich..................................... 229 Zur Relevanz von Hintergrundrisiken und Leerverkäufen ....................................... 230 Hedge-Konzept ......................................................................................................... 230 Gleichgewichts-Konzept........................................................................................... 231 Finanzierung und Relevanz des Marktwertkriteriums für die Bewertung einzelner Investitionsprojekte ................................................................................... 232 Resümee.................................................................................................................... 233

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 3 3.1 3.2 3.3 4 4.1 4.2 4.3 5 6 6.1 6.2 6.3 7 7.1 7.2 8 9

XIV

Inhaltsverzeichnis

VI

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM ........ 237

1 2 2.1

4.4.1 4.4.2 5

Problemstellung ........................................................................................................ 237 Nutzenmaximierung und CAPM-Gleichgewicht...................................................... 240 Unveränderliche Anteile am Marktportefeuille bei Änderung der homogenen Erwartungen.............................................................................................................. 240 Änderung der Erwartungen aufgrund von Investitionen........................................... 241 Entscheidungssituation ............................................................................................. 241 Kollektive Nutzenmaximierung................................................................................ 242 NE- und BQ-Variante ............................................................................................... 242 Verallgemeinerung.................................................................................................... 244 Zielkonflikte in der NB-Variante.............................................................................. 244 Kriterien der Marktwertmaximierung im Überblick................................................. 245 Individuelle Marktwertmaximierung ........................................................................ 245 Bewertung auf der Basis eines Sicherheitsäquivalents (Variante 1)......................... 245 Das allgemeine Konzept ........................................................................................... 245 Bewertung mit den Bewertungsfunktionen im Status quo........................................ 247 Bewertung mit einem risikoangepassten Kalkulationszinsfuß ................................. 249 Konzept..................................................................................................................... 249 Risikoangepasster Kalkulationszinsfuß, Risikoklasse und Risikoprämie................. 251 Bewertung auf der Basis eines Sicherheitsäquivalents (Variante 2)......................... 252 Maximierung des Marktwertes aller Aktien ............................................................. 252 Problematik einer Vernachlässigung des Einflusses neuer Projekte auf die Marktwerte der Aktien anderer Unternehmen .......................................................... 254 Marktwertmaximierung im Licht subjektiver Nutzenmaximierung ......................... 256 Nutzenmaximierung als Referenzziel ....................................................................... 256 Individuelle Marktwertmaximierung ........................................................................ 257 Exaktes Entscheidungskriterium............................................................................... 257 Vereinfachtes Entscheidungskriterium ..................................................................... 259 Maximierung des Marktwertes aller Aktien ............................................................. 260 Marktwertmaximierung im Licht subjektiver Nutzenmaximierung bei einem Übergang in ein neues Marktgleichgewicht [*]........................................................ 260 Konflikte bei Investitionsentscheidungen................................................................. 260 Konflikte bei Information der Anteilseigner............................................................. 262 Resümee.................................................................................................................... 263

VII

Kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte im Vergleich..................... 267

1 2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3

Problemstellung ........................................................................................................ 267 Der kollektive subjektive Grenzpreis eines Unternehmens ...................................... 268 Kauf eines börsennotierten Unternehmens ............................................................... 268 Potenzieller Kauf eines nicht börsennotierten Unternehmens .................................. 269 CAPM als Bewertungsgrundlage.............................................................................. 269 SPA als Bewertungsgrundlage.................................................................................. 271 Bewertung eines Unternehmens, dessen Inhaber das Risiko durch private Kapitalmarkttransaktionen optimal gehedgt hat ....................................................... 272 Bedeutung von privaten Risiken und Leerverkäufen für die Bewertung.................. 273 Vollständiger Kapitalmarkt und unbeschränkter Leerverkauf.................................. 273 Unvollständiger Kapitalmarkt und beschränkter Leerverkauf.................................. 275

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.2.1 2.2.2.2 2.3 3 3.1 3.1.1 3.1.1.1 3.1.1.2 3.1.2 3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.3 3.2 3.3 4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.4

3 3.1 3.2

Inhaltsverzeichnis

4 4.1 4.2 4.3 5

XV

Subjektive Ermessensentscheidungen bei der Ermittlung von virtuellen Marktwerten.............................................................................................................. 276 Prognose der Überschüsse ........................................................................................ 276 Ermittlung des Kalkulationszinsfußes kn .................................................................. 278 Virtueller Marktwert des Bewertungsobjekts als Marktwert eines Duplikationsportefeuilles.......................................................................................... 282 Resümee.................................................................................................................... 282

TEIL D: OPTIMALE PORTEFEUILLEBILDUNG UND INDIVIDUELLE SUBJEKTIVE GRENZPREISE IM VERGLEICH ZU MARKTWERTEN VIII

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts.................................................................................................. 285

1 2

Problemstellung ........................................................................................................ 285 Marktrisikoprämie und subjektive Risikoprämie bzw. Marktwert und subjektiver Grenzpreis im Vergleich ........................................................................ 287 Bewertung ohne jegliche Portefeuillebildung........................................................... 289 Bewertung aus Sicht eines potenziellen Käufers ...................................................... 289 Ermittlung des Wertes .............................................................................................. 289 Zur Höhe des Wertes ................................................................................................ 291 Abhängigkeit vom Erwartungswert des Einzahlungsüberschusses .......................... 291 Abhängigkeit von der Standardabweichung des Einzahlungsüberschusses ............. 291 Abhängigkeit vom Vermögen V0 vor Kauf .............................................................. 292 Abhängigkeit von der Risikoeinstellung................................................................... 293 Abweichungen vom (virtuellen) Marktwert ............................................................. 295 Problematik der Sicherheitsäquivalent-Methode ...................................................... 302 Bewertung aus Sicht eines potenziellen Verkäufers ................................................. 303 Bewertung bei ex ante optimaler Portefeuillebildung ohne das Bewertungsobjekt . 305 Bewertung aus Sicht eines potenziellen Käufers ...................................................... 305 Ermittlung des subjektiven Wertes ........................................................................... 305 Vergleich des subjektiven Wertes mit dem Marktwert............................................. 307 Das Bewertungsobjekt fällt in dieselbe Risikoklasse wie das Marktportefeuille ..... 307 Das Bewertungsobjekt fällt in eine andere Risikoklasse als das Marktportefeuille . 308 Bewertung aus Sicht eines potenziellen Verkäufers ................................................. 310 Der subjektive Wert bei potenziellem Kauf bzw. Verkauf des Bewertungsobjekts im Vergleich [*] ........................................................................ 312 Resümee.................................................................................................................... 313

3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.2.3 3.1.2.4 3.1.2.5 3.1.3 3.2 4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.2.1 4.1.2.2 4.2 4.3 5 IX

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss............................................................................................................... 317

1 2

Problemstellung ........................................................................................................ 317 Portefeuilleplanung bei unbeschränktem Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles.......................................................................................... 318 Portefeuilleplanung ohne Leerverkauf von Wertpapieren ........................................ 320 Möglichkeiten und Grenzen für das Hedgen des exogenen Risikos durch Handel mit Wertpapieren ohne Leerverkauf ......................................................................... 320 Ermittlung effizienter Portefeuilles durch Modifikation des Grundmodells ............ 322

3 3.1 3.2

XVI

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.2.1 3.4.2.2 3.4.2.3 3.5 4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.1.1 4.2.1.2 4.2.2 4.3 5

Inhaltsverzeichnis

Struktureigenschaften effizienter Portefeuilles [*] ................................................... 325 Die Effizienzbedingungen ........................................................................................ 325 Fall O* < 0 ................................................................................................................. 326 Fall O* = 0 ................................................................................................................. 327 Fall O* > 0 ................................................................................................................. 327 Analyse der modifizierten Effizienzkurve ................................................................ 328 Vorüberlegungen: Konvexkombinationen von riskanten Portefeuilles als Basiselemente der Ermittlung von Effizienzkurven ................................................. 328 Allgemeine Gestalt der modifizierten Effizienzkurve .............................................. 332 Konvexkombinationen zwischen Portefeuilles als Elemente der modifizierten Effizienzkurve........................................................................................................... 332 Modifizierte Effizienzkurve bei ausschließlich nichtnegativen Kovarianzen .......... 333 Modifizierte Effizienzkurve bei teilweise negativen Kovarianzen........................... 338 Eigenschaften des optimalen Portefeuilles ............................................................... 340 Portefeuilleplanung mit Leerverkauf einzelner Papiere............................................ 341 Ermittlung effizienter Portefeuilles durch Modifikation des Grundmodells ............ 341 Analyse der modifizierten Effizienzkurve ................................................................ 343 Bedeutung von Leerverkäufen im Vergleich zu Käufen .......................................... 343 Ein einziges leerverkaufbares Hedgeportefeuilles als Basis der modifizierten Effizienzkurve........................................................................................................... 343 Mehrere leerverkaufbare Hedgeportefeuilles als Basis der modifizierten Effizienzkurve........................................................................................................... 348 Allgemeine Charakteristik der modifizierten Effizienzkurve ................................... 354 Eigenschaften des optimalen Portefeuilles ............................................................... 357 Resümee.................................................................................................................... 357

X

Portefeuilleplanung mit unvollständig duplizierbarem exogenem Überschuss............................................................................................................... 361

1 2 3 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 5 5.1 5.1.1 5.1.2

Problemstellung ........................................................................................................ 361 Implikationen unvollständiger Duplizierbarkeit ....................................................... 362 Portefeuilleplanung mit exogenem Überschuss........................................................ 365 Allgemeine Analyse der modifizierten Effizienzkurve ............................................ 366 Charakteristik............................................................................................................ 366 Zur Position des Ausgangspunktes P ohne Portefeuillebildung ............................... 367 Vergleich der modifizierten Effizienzkurve mit der Referenzlinie........................... 369 Modifizierte Effizienzkurve und partielle Duplizierbarkeit...................................... 371 Modifizierte Effizienzkurve und beschränkter Leerverkauf ..................................... 372 Störterme als Ursache beschränkter Duplizierbarkeit............................................... 373  .............................................................................. 373 Störterm für den Überschuss Ü 1 Charakteristik des Störterms ..................................................................................... 373 Charakteristik des „approximativen“ Duplikationsportefeuilles für den  St ........................................................................................................ 374 Überschuss Ü 1 Störterme (Noise) auch für die Wertpapiere ............................................................. 374 Charakteristik der Störterme ..................................................................................... 374  St ............................. 376 Struktur der effizienten Portefeuilles ohne den Überschuss Ü 1 Charakteristik des „approximativen“ Duplikationsportefeuilles für den  St ........................................................................................................ 376 Überschuss Ü 1 Ermittlung und Eigenschaften effizienter Portefeuilles unter Berücksichtigung  St .............................................................................................. 378 des Überschusses Ü 1

5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4

Inhaltsverzeichnis

5.2.4.1 5.2.4.2 6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.1.1 6.2.1.2 6.2.2 6.3 6.4 7

XVII

Ermittlung ................................................................................................................. 378 Eigenschaften [*] ...................................................................................................... 380 Analyse der modifizierten Effizienzkurve mit Störtermen ....................................... 383 Modifizierte Effizienzkurve mit Störterm nur für den Überschuss .......................... 383 Modifizierte Effizienzkurve mit Störtermen nur für die Wertpapiere ...................... 384 Darstellung im (P,V2)-Diagramm ............................................................................. 384 Allgemeine Charakteristik ........................................................................................ 384 Konsequenzen von Hedgemaßnahmen ..................................................................... 389 Darstellung im (P,V)-Diagramm............................................................................... 392  und Modifizierte Effizienzkurve mit Störterm für den Überschuss Ü 1 Störtermen für die Wertpapiere ................................................................................ 395 Eigenschaften des optimalen Portefeuilles ............................................................... 395 Resümee.................................................................................................................... 396

XI

Individuelle subjektive Bewertung mit Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts.................................................................................................. 401

1 2

Problemstellung ........................................................................................................ 401 Bedeutung von Kapitalmarkttransaktionen für die individuelle subjektive Bewertung................................................................................................................. 404 Bewertung bei Duplizierbarkeit und unbeschränktem Leerverkauf ......................... 407 Individueller subjektiver Grenzpreis als Marktwert ................................................. 407 Implikationen ............................................................................................................ 409 Grenzen von Leerverkäufen...................................................................................... 411 Grenzen der Erfassung der Folgen von Leerverkäufen ............................................ 413 Grenzen der Duplizierbarkeit.................................................................................... 413 Bewertung bei vollständiger Duplizierbarkeit und beschränktem Leerverkauf........ 414 Bewertung aus Sicht eines potenziellen Käufers ...................................................... 414 Ohne Leerverkauf ..................................................................................................... 414 Ermittlung des Wertes .............................................................................................. 414 Höhe des Wertes ....................................................................................................... 422 Leerverkauf einzelner Papiere .................................................................................. 430 Das allgemeine Bewertungskonzept ......................................................................... 430 Splitting der Bewertung: Der subjektive Grenzpreis als Summe aus dem Marktwert des (leer-)verkaufbaren Teils des Duplikationsportefeuilles und dem subjektiven Grenzpreis des residualen Duplikationsportefeuilles .................... 433 Bewertung aus Sicht eines potenziellen Verkäufers [*] ........................................... 434 Bewertung bei unvollständiger Duplizierbarkeit ...................................................... 437 Allgemeine Darstellung ............................................................................................ 437 Ermittlung des Wertes .............................................................................................. 437 Höhe des Wertes ....................................................................................................... 438 Splitting der Bewertung: Der subjektive Grenzpreis als Summe aus dem Marktwert des duplizier- und zugleich leerverkaufbaren Teils des Überschusses und dem subjektiven Grenzpreises des residualen Überschusses ............................. 439 Störterm für den Überschuss des Bewertungsobjekts als Ursache beschränkter Duplizierbarkeit ........................................................................................................ 440 Charakteristik des Störterms ..................................................................................... 440 Graphische Ermittlung des subjektiven Grenzpreises .............................................. 441 Exponentielle Nutzenfunktion .................................................................................. 441 Quadratische Nutzenfunktion ................................................................................... 443

3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4 4.1 4.1.1 4.1.1.1 4.1.1.2 4.1.2 4.1.2.1 4.1.2.2

4.2 5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3

5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.2.1 5.2.2.2

XVIII

5.2.2.3 5.3

Inhaltsverzeichnis

5.3.1 5.3.2 5.3.2.1 5.3.2.2 5.3.2.3 5.4 5.5 6 7 8 9

Exkurs: Versicherung als direkter Risikotransfer [*] ............................................... 444 Störterme für die Endwerte der Wertpapiere als Ursache beschränkter Duplizierbarkeit ........................................................................................................ 445 Ermittlung des Wertes .............................................................................................. 445 Höhe des Wertes ....................................................................................................... 447 Zum Einfluss der Risikoeinstellung.......................................................................... 447 Zum Einfluss der Größe des Bewertungsobjekts...................................................... 448 Zum Einfluss der Varianzen V 2n ............................................................................... 449 Störterm auch für den Überschuss des Bewertungsobjekts ...................................... 450 Zum Einfluss der Störterme auf Leerverkaufsmöglichkeiten und Implikationen..... 450 Relative Bewertungen im Verhandlungsprozess ...................................................... 451 Implikationen veränderlicher Nutzenfunktionen ...................................................... 453 Sicherheitsäquivalent-Methode im Licht der theoretischen Darstellungen .............. 455 Resümee.................................................................................................................... 456

XII

Individuelle subjektive Bewertung im Rahmen eines Einzelunternehmens...... 461

1 2 3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2

Problemstellung ........................................................................................................ 461 Bewertung ohne Portefeuillebildung ........................................................................ 462 Bewertung mit optimaler Portefeuillebildung .......................................................... 465 Bewertungskonzept bei potenziellem Kauf .............................................................. 465  des Bewertungsobjekts.......... 465 Vollständige Duplizierbarkeit des Überschusses Ü 1 Unbeschränkter Leerverkauf dieses Überschusses ................................................... 465 Kein Leerverkauf ...................................................................................................... 466  ...................................................... 466 Zerlegung des Duplikationsportefeuilles für Ü 1  Das Duplikationsportefeuille für Ü1 enthält nur negative Bestände riskanter Wertpapiere............................................................................................................... 467  enthält nur positive Bestände riskanter Das Duplikationsportefeuille für Ü 1 Wertpapiere............................................................................................................... 468  enthält positive und negative Bestände Das Duplikationsportefeuille für Ü 1 riskanter Wertpapiere................................................................................................ 472 Partieller Leerverkauf ............................................................................................... 474 Unvollständige Duplizierbarkeit des Überschusses des Bewertungsobjekts ............ 474 Bewertung im Rahmen eines Einzelunternehmens und eines börsengehandelten Unternehmens im Vergleich ..................................................................................... 476 Die beiden Bewertungsfälle...................................................................................... 476 ~ Stochastische Unabhängigkeit des Überschusses ÜL1 von den Endwerten der Papiere ................................................................................................................ 476 ~ Stochastische Abhängigkeit des Überschusses ÜL1 von den Endwerten der Papiere ...................................................................................................................... 477 Resümee.................................................................................................................... 481

3.2.2.3 3.2.2.4 3.2.3 3.3 4 4.1 4.2 4.3 5

TEIL E: MARKTBEWERTUNG UND INDIVIDUELLE SUBJEKTIVE BEWERTUNG IM MEHRPERIODEN-FALL XIII

Das Konzept der flexiblen Planung als Grundlage der Bewertung im Mehrperioden-Fall.................................................................................................. 483

1

Problemstellung ........................................................................................................ 483

Inhaltsverzeichnis

2

XIX

5

Flexible Planung als theoretische Grundlage der Bewertung im Mehrperioden-Fall .................................................................................................... 484 Das Konzept der flexiblen Planung .......................................................................... 484 Präzisierung der Entscheidungssituation .................................................................. 487 Annahmen................................................................................................................. 487 Zur Bedeutung der flexiblen Planung ....................................................................... 489 Allgemeine Charakteristik von Modellansätzen der flexiblen Planung.................... 489 Beispiel ..................................................................................................................... 491 Die betrachtete Entscheidungssituation .................................................................... 491 Entscheidungsbaumverfahren ................................................................................... 492 Der Entscheidungsbaum ........................................................................................... 492 Erstellung einer Ergebnismatrix ............................................................................... 494 Roll-Back-Verfahren ................................................................................................ 496 Zustandsbaumverfahren............................................................................................ 497 Symbole .................................................................................................................... 497 Das Modell................................................................................................................ 498 Starre versus flexible Planung .................................................................................. 501 Flexibilität und Elastizität ......................................................................................... 502 Ein allgemeines Bewertungskonzept auf der Basis flexibler Planung...................... 503 Planung der optimalen Überschüsse und Ermittlung eines Grenzpreises als simultanes Entscheidungsproblem............................................................................ 503 Charakteristik der Bewertungskonzeption ................................................................ 505 Bewertung auf Basis zweier Teilmodelle ................................................................. 505 Relevanz eines Reichtumseffekts ............................................................................. 507 Beispiel ..................................................................................................................... 509 Bewertung bei Risikoneutralität ............................................................................... 509 Bewertung bei Risikoaversion .................................................................................. 509 Notwendigkeit und Formen der Vereinfachung bei Planung und Bewertung .......... 510 Vereinfachungsproblematik...................................................................................... 510 Vorüberlegungen: Vereinfachungen im Einperioden-Modell .................................. 512 Vereinfachungen im Mehrperioden-Modell ............................................................. 513 Vereinfachung durch Globalplanung zukünftiger Maßnahmen................................ 513 Vereinfachung des Zustandsbaumes......................................................................... 514 Vereinfachung bei der Erfassung der Aktionsmöglichkeiten ................................... 516 Vereinfachung durch die Annahme gegebener zustandsabhängiger Überschüsse ... 517 Vereinfachung bei der Bewertung vs. Vereinfachung bei der Investitionsplanung mit gegebenen Anschaffungsauszahlungen .............................................................. 517 Resümee.................................................................................................................... 518

XIV

Marktbewertung im Mehrperioden-Fall .............................................................. 521

1 2 3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2

Problemstellung ........................................................................................................ 521 Bewertung durch explizite (dynamische) Duplikation der Überschüsse .................. 524 Bewertung im State Preference Ansatz (SPA).......................................................... 527 Entscheidungssituation ............................................................................................. 527 Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen und Höhe ihrer Preise ............ 528 Direkter Handel mit reinen Wertpapieren................................................................. 528 Indirekter Handel mit „normalen“ Wertpapieren und Vollständigkeit des Kapitalmarktes .......................................................................................................... 531 Ermittlung und Bedeutung der Preise für zustandsbedingte Zahlungsansprüche ..... 532

2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.3 2.4.3 2.4.3.1 2.4.3.2 2.5 2.6 3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.3.1 3.3.2 4 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.4

3.2.3

XX

3.3 3.3.1 3.3.2 4 5 5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 6 6.1 6.2 7 7.1 7.2 7.3 7.4 8 8.1 8.2 9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.4.1 9.4.2 10 10.1 10.1.1 10.1.2 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.3 11 12 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5

Inhaltsverzeichnis

Marktwert der Aktien des Unternehmens ................................................................. 533 Bewertung mit Preisen für zustandsbedingte Zahlungsansprüche............................ 533 Bewertung von Investitionsprojekten ....................................................................... 534 Bewertung im modifizierten SPA............................................................................. 535 Bewertung auf der Grundlage des Capital Asset Pricing Model (CAPM) ............... 537 Entscheidungssituation ............................................................................................. 537 Bewertung auf der Basis von Sicherheitsäquivalenten ............................................. 538 Bewertung mit zustandsabhängigen risikoangepassten Zinssätzen [*] .................... 541 Allgemeines Konzept................................................................................................ 541 Vereinfachungen....................................................................................................... 543 Bedingungen für einen einheitlichen risikoangepassten Kalkulationszinsfuß als Basis der DCF-Verfahren ......................................................................................... 544 Bedingung der Periodeneinheitlichkeit..................................................................... 544 Bedingung der Projekteinheitlichkeit ....................................................................... 547 Implikationen ............................................................................................................ 549 Allgemeine Implikationen für die Sicherheitsäquivalente........................................ 549 Implikationen im CAPM [*]..................................................................................... 550 Allgemeine Implikationen für die Unternehmensbewertung.................................... 552 Problematik der Diskontierung der erwarteten Ausschüttungen mit einem einheitlichen risikoangepassten Kalkulationszinsfuß ............................................... 553 Möglichkeiten und Grenzen der Bewertung auf der Basis des internen Zinsfußes einer „Vergleichsinvestition“ ................................................................... 555 Allgemeine Darstellung ............................................................................................ 555 Beispiel ..................................................................................................................... 556 Bewertung auf der Basis flexibler Planung nach dem Entscheidungsbaumverfahren ................................................................................... 558 Bewertung und flexible Planung............................................................................... 558 Einführung: Bewertung bei ausschließlich unsystematischem Risiko...................... 559 Bewertung und SPA.................................................................................................. 561 Bewertung und CAPM.............................................................................................. 564 Bewertung mit zustandsabhängigen risikoangepassten Zinssätzen .......................... 564 Bewertung mit Sicherheitsäquivalenten ................................................................... 565 Bewertung auf der Basis flexibler Planung nach dem Zustandsbaumverfahren....... 566 Bewertung mit Preisen für zustandsbedingte Zahlungsansprüche............................ 566 Allgemeine Charakteristik ........................................................................................ 566 Beispiel ..................................................................................................................... 567 Bewertung durch explizite Erfassung von Duplikationsmöglichkeiten.................... 569 Allgemeine Charakteristik ........................................................................................ 569 Beispiel ..................................................................................................................... 572 Preise für zustandsbedingte Zahlungsansprüche als Dualvariablen für die Finanzrestriktionen ................................................................................................... 573 Bewertung durch Diskontierung der Überschüsse mit einem perioden- und projekteinheitlichen risikoangepassten Kalkulationszinsfuß .................................... 575 Problematik der Vereinfachung ................................................................................ 576 Bewertung von Aktionsräumen und Optionspreistheorie [*] ................................... 578 Charakteristik und Bewertung von Finanzoptionen im Einperioden-Fall ................ 578 Flexible Planung, Realoptionen und deren Bewertung analog zu Finanzoptionen .. 581 Optionsbewertung mit Hilfe eines risikoangepassten Zinssatzes ............................. 583 Optionsbewertung mit Hilfe von Duplikationsportefeuilles ..................................... 584 Integration von Realoptionsansatz und Entscheidungsbaumverfahren..................... 585

Inhaltsverzeichnis

XXI

13 14

Exkurs: Bewertung und Kapitalrationierung (Kapitalbudgetierung) [*] .................. 586 Resümee.................................................................................................................... 587

XV

Individuelle subjektive Bewertung im Mehrperioden-Fall................................. 593

1 2 2.1

Problemstellung ........................................................................................................ 593 Mehrperiodige Nutzenfunktionen............................................................................. 595 Notwendigkeit der expliziten Erfassung der Nutzenfunktion des Investors bei Konflikt zwischen Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung ...................... 595 Nutzenfunktionen für Konsumausgaben................................................................... 595 Allgemeine Charakteristik ........................................................................................ 595 Vereinfachung der Nutzenfunktion........................................................................... 597 Nutzenfunktionen für Überschüsse, die noch in optimale Konsumströme transformiert werden müssen.................................................................................... 598 Bewertung auf der Grundlage von Sicherheitsäquivalenten (Risikoabschlags-Methode) ...................................................................................... 601 Bewertung ohne Portefeuillebildung ........................................................................ 601 Zur allgemeinen Problematik der isolierten Ermittlung der Sicherheitsäquivalente .............................................................................................. 601 Bewertung bei Änderung des Stromes an Überschüssen durch stochastische Anlage und/oder Aufnahme von Kapital zum risikolosen Zinssatz r ....................... 604 Bewertung bei veränderlichen Überschüssen ........................................................... 607 Bewertung mit Portefeuillebildung........................................................................... 607 Bewertung mit risikoangepassten Zinssätzen (Risikozuschlags-Methode) .............. 610 Bewertung für den Fall, dass der subjektive Grenzpreis mit dem Marktwert übereinstimmt ........................................................................................................... 610 Bewertung aufgrund des internen Zinsfußes einer Vergleichsinvestition ................ 610 Die Problematik der Bewertung aufgrund des internen Zinsfußes der besten „verdrängten“ Vergleichsinvestition......................................................................... 611 Bewertung für den Fall, dass der subjektive Grenzpreis nicht mit dem Marktwert übereinstimmt ......................................................................................... 613 Ein allgemeines Bewertungskonzept auf der Basis des Zustandsbaumverfahrens der flexiblen Planung ................................................................................................ 615 Allgemeine Charakteristik ........................................................................................ 615 Ermittlung und Eigenschaften des optimalen Investitionsprogramms ohne das Bewertungsobjekt ..................................................................................................... 616 Ermittlung und Höhe des Grenzpreises und Eigenschaften des optimalen Programms mit dem Bewertungsobjekt.................................................................... 619 Problematik der Vereinfachung ................................................................................ 621 Bewertung und vereinfachte Investitionsplanung..................................................... 621 Vereinfachung durch Orientierung an Marktwerten ................................................. 624 Konzept..................................................................................................................... 624 Konkretisierung auf der Basis flexibler Planung ...................................................... 625 Subjektiver Grenzpreis als Marktwert ...................................................................... 627 Resümee.................................................................................................................... 627

2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 5 5.1 5.2 5.3 6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 7

Anhang ..................................................................................................................................... 631 Verzeichnis häufig verwendeter Symbole................................................................................. 643 Literaturverzeichnis................................................................................................................... 647 Sachverzeichnis......................................................................................................................... 659

TEIL A: EINFÜHRUNG

Kapitel I Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

1

Problemstellung der Arbeit

Die Arbeit befasst sich mit Grundfragen der Bewertung, wobei das Bewertungsobjekt ein einzelnes Investitionsprojekt, ein Investitionsprogramm oder ein ganzes Unternehmen sein kann. Im Vordergrund steht der Wert als Basis für die Entscheidung darüber, ob das Bewertungsobjekt gekauft bzw. verkauft werden soll. Bei potenziellem Kauf (Verkauf) stellt der Wert eine Preisobergrenze (Preisuntergrenze) dar, bei der der Kauf (der Verkauf) aus Sicht des Bewertungssubjekts, für das die Bewertung vorgenommen wird, weder „vorteilhaft“ noch „nachteilig“ ist. Ist der Kaufpreis niedriger (höher) als der Wert für den (potenziellen) Käufer, ist der Kauf für ihn vorteilhaft (nachteilig). Ist der Verkaufserlös höher (niedriger) als der Wert für den (potenziellen) Verkäufer, ist der Verkauf für ihn vorteilhaft (nachteilig). Es wird nicht nur gezeigt, wie der Wert in alternativen Entscheidungssituationen ermittelt werden kann, sondern auch, wie er von seinen Determinanten abhängt. Als Werdeterminanten werden vor allem die Größe des Bewertungsobjekts, die Art der Teilung des daraus resultierenden Risikos und die Risikoeinstellungen der direkt oder indirekt an den Überschüssen des Bewertungsobjekte Beteiligten betrachtet. Besonderer Raum wird der Frage gewidmet, unter welchen Bedingungen der Grenzpreis mit dem Marktwert des Bewertungsobjekts übereinstimmt. Marktwerte als Grenzpreise finden in Theorie und Praxis immer größere Akzeptanz. Wie jedoch gezeigt wird, ist der Gleichsetzung von Marktwert und Grenzpreis vor allem für private (individuelle) Investoren mit großer Skepsis zu begegnen. Das entwickelte Instrumentarium hat nicht nur Bedeutung für die Bewertung in konkreten Entscheidungssituationen, sondern auch für die allgemeine Analyse des Einflusses von Kapitalmarkteigenschaften und von institutionellen Regelungen auf ökonomische Bewertungen und Entscheidungen.1 1

Vgl. LAUX/SCHABEL (2007) zum Einfluss von Steuern auf den subjektiven Wert von Investitionen in einem „unvollkommenen“ und „unvollständigen“ Kapitalmarkt.

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Kapitel I

Oft ist die Anschaffungsauszahlung bei potenziellem Kauf bzw. der Verkaufserlös bei potenziellem Verkauf nicht ex ante gegeben, sondern Verhandlungssache. Die Kenntnis des Wertes des Bewertungsobjekts gibt dann dem potenziellen Käufer bzw. Verkäufer Orientierung für die Preisverhandlung. Wenn er die Verhandlung und Entscheidung an eine Person überträgt, die selbst nicht die Informationen besitzt, den Wert zu ermitteln, muss sie über den maßgeblichen Grenzpreis informiert werden, damit sie in seinem im Sinne handeln kann. Die Bewertung setzt – wie allgemein eine rationale Entscheidung – klare Zielvorstellungen des Bewertungssubjekts voraus. In dieser Arbeit werden zwei Grundtypen von Zielen zugrunde gelegt: Die Maximierung des Erwartungswertes des Nutzens der finanziellen Überschüsse (kurz: subjektive Nutzenmaximierung) und die Maximierung des Marktwertes dieser Überschüsse gemäß den Bewertungsfunktionen des Kapitalmarktes (kurz: Marktwertmaximierung). Die getrennte Erfassung dieser Zielfunktionen würde sich erübrigen, wenn sie generell miteinander in Einklang stünden. Die Identität von subjektiver Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung ist aber nur unter speziellen (idealen) Kapitalmarktbedingungen gegeben. Bei Orientierung am Ziel subjektiver Nutzenmaximierung ist die Preisobergrenze (Preisuntergrenze) eines Bewertungsobjekts derjenige Preis, bei dem sich der Erwartungswert des Nutzens des Bewertungssubjekts nicht ändert, wenn er es kauft (verkauft). Die betreffende Preisgrenze wird als subjektiver Grenzpreis oder als subjektiver Wert bezeichnet. Bei Orientierung am Ziel der Marktwertmaximierung ist die Preisgrenze gleich dem Marktwert der Überschüsse des Bewertungsobjekts (ohne Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung). Er wird auch kurz als Marktwert des Bewertungsobjekts bezeichnet. Wenn subjektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung äquivalente Ziele sind, ist der subjektive Grenzpreis gleich dem Marktwert. Die populären Methoden zur Ermittlung des Marktwertes von Unternehmen (und analog einzelner Investitionsprojekte oder -programme) sind die „Discounted Cashflow(DCF)-Verfahren“, denen der Brutto- oder Entity-Ansatz zugrunde liegt (Abschnitt 5.3). Zur Ermittlung individueller subjektiver Grenzpreise ist die „Ertragswertmethode“ verbreitet, die sich am Netto- oder Equity-Ansatz orientiert (Abschnitt 5.4)2. Für die Bewertung ist allgemein von zentraler Bedeutung, wie das mit dem Bewertungsobjekt verbundene Risiko zwischen dem Bewertungssubjekt und anderen geteilt wird. Eine praktisch bedeutsame Institution der Risikoteilung ist der Kapitalmarkt, auf dem Anwartschaften auf zukünftige Überschüsse gehandelt werden (Kapitel IV und V). Die Risikoteilung über Transformationen im Kapitalmarkt steht im Vordergrund dieser Arbeit. Es wird untersucht, wie die Preisbildung auf dem Kapitalmarkt erklärt werden kann, wie ein Investor unter verschiedenen Kapitalmarktbedingungen das mit den Überschüssen eines Bewertungsobjekts verbundene Risiko verändern kann, wie das Risiko im Kapitalmarktgleichgewicht zwischen den Investoren auf dem Kapitalmarkt geteilt

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Vgl. BALLWIESER (1993, S. 151; 1995, S. 119; 2005, S. 373-375); BRAUN (2005); COENENBERG/ SCHULTZE (2002); LAUX (2006a, S. 384 ff.); HACHMEISTER (2000), S. 252-262; HOMMEL/BRAUN (2002; 2005); SCHMIDT (1995, S. 1088).

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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wird und welche Implikationen sich hieraus für die Bewertung und für Bewertungskonflikte ergeben können. Im Vordergrund der Arbeit stehen zwei Bewertungsfälle, deren Implikationen für die Risikoteilung und die Bewertung miteinander verglichen werden. Im Fall A erfolgt die Bewertung im Rahmen eines börsennotierten Unternehmens mit vielen Anteilseignern, die das Risiko über breit gestreute Portefeuilles teilen und geringe Anteile am Unternehmen und entsprechend am Bewertungsobjekt halten. Unter bestimmten Bedingungen ist es hier möglich, simultan den subjektiven Nutzen aller Anteilseigner zu maximieren. Es existiert dann für ein beliebiges Bewertungsobjekt ein für alle Anteilseigner identischer kollektiver subjektiver Grenzpreis, der unter den betreffenden Bedingungen näherungsweise mit dem Marktwert des Bewertungsobjekts übereinstimmt. Besteht Interessenkonflikt – und dies ist der Regelfall – ergeben sich für die Anteilseigner (oder für verschiedene „homogene“ Gruppen von Anteilseignern) unterschiedliche subjektive Grenzpreise. Im Fall B erfolgt die Bewertung durch einen individuellen Investor, der das Risiko aus dem Bewertungsobjekt nicht direkt mit anderen Gesellschaftern teilt, sondern allenfalls indirekt über Kauf und (Leer-)Verkauf umlaufender Wertpapiere. Vor dem Hintergrund kapitalmarkttheoretischer Überlegungen wird gezeigt, wie unter Berücksichtigung optimaler Portefeuillebildung der individuelle subjektive Grenzpreis ermittelt werden kann und dass er nur unter speziellen Bedingungen mit dem Marktwert des Bewertungsobjekts übereinstimmt. Im Allgemeinen ist er sowohl bei potenziellem Kauf als auch bei potenziellem Verkauf niedriger als der Marktwert. Die Abweichung wird theoretisch erklärt und es wird untersucht, welche Höhe sie in alternativen Bewertungssituationen aufweist. Ursache von Abweichungen ist die „Unvollständigkeit“ und „Unvollkommenheit“ des Kapitalmarktes, die vor allem auch für junge und innovative Unternehmen bewertungsrelevant sind. Die resultierende Abweichung ist eine tendenziell steigende Funktion der „Größe“ des Bewertungsobjekts und der „Risikoaversion“ des Bewertungssubjekts. Analog zum Fall B kann auch der (individuelle) subjektive Grenzpreis aus Sicht eines einzelnen Anteilseigners im Fall A ermittelt werden (Kapitel XI, Abschnitt 2). Jedoch können sich bei Unteilbarkeit des Bewertungsobjekts erhebliche reale Wertunterschiede ergeben. Wenn das börsennotierte Unternehmen das Bewertungsobjekt kauft, ist der Anteilseigner nur mit kleinem Anteil daran beteiligt. (Möglicherweise ist sein Anteil so gering, dass das Bewertungskalkül aus seiner Sicht ein „Marginalkalkül“ ist.) Der individuelle Investor im Fall B erwirbt jedoch das Bewertungsobjekt als Ganzes und trägt entsprechend auch das gesamte Risiko. Hier können Beschränkungen der Risikotransformation über Wertpapierhandel (insbesondere Beschränkungen von „Leerverkäufen“) einen besonders hohen Abschlag vom Marktwert erforderlich machen, um auf den subjektiven Grenzpreis zu kommen. Zwar könnte der individuelle Investor ein nicht direkt teilbares Bewertungsobjekt in dem Sinne teilen, dass er es gemeinsam mit anderen Investoren erwirbt. Wie noch erläutert wird, gibt es jedoch gute Gründe, darauf zu verzichten.

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Kapitel I

Bei subjektiver Bewertung ist es notwendig, der Nutzenfunktion des Bewertungssubjekts zumindest bruchstückhaft Rechnung zu tragen. Dagegen wird in Literatur und Praxis eingewandt, dass die Nutzenfunktion nicht bekannt sei und sich im Zeitablauf ändern könne, und die Marktbewertung mit dem Argument vorgezogen, dass sie unabhängig von Subjektivismen weitgehend objektiviert und damit in nachvollziehbarer Weise vorgenommen werden könne. Nach HOMMEL haben die „Discounted Cashflow-Verfahren […] (zur Ermittlung von Marktwerten, LS) die Unternehmensbewertung im Sturm erobert und die Vormachtstellung der Ertragswertmethode (zur Ermittlung subjektiver Grenzpreise, LS) gebrochen. In den aktuellen wissenschaftlichen Abhandlungen nehmen sie deshalb (zu Recht) breiten Raum ein. Sie legen das theoretische Fundament, um die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Kapitalmarkttheorie und der Shareholder Value orientierten Unternehmensführung auf den Bereich der Unternehmensbewertung zu übertragen und finden auch in der Bewertungspraxis eine überwältigende Resonanz. Dass die Discounted Cashflow-Verfahren in der Praxis so weitreichende Akzeptanz finden, erstaunt – zumindest auf den ersten Blick; denn diese Bewertungsverfahren sind nicht nur formal höchst anspruchsvoll. Die unter dem Sammelbegriff der Discounted Cashflow-Verfahren zusammengefassten Bewertungsmodelle finden ihre Verankerung auch in finanzierungstheoretischen Grundannahmen und Gedankenkonstruktionen, wie im vollständigen und vollkommenen Kapitalmarkt, die der Unternehmensbewerter in der Praxis eher selten anfindet. Inwieweit diese Verfahren deshalb dazu in der Lage sind, in einer komplexeren Realität sinnvolle Lösungen bereitstellen, ist bis heute nicht abschließend geklärt.“3 Eine „präferenzfreie“ kapitalmarktorientierte Bewertung (eine Bewertung ohne explizite Erfassung von Präferenzen) ist nur dann sinnvoll, wenn der subjektive Grenzpreis zumindest näherungsweise mit dem Marktwert übereinstimmt. Dass von den Verfechtern marktorientierter Bewertung (einschließlich des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., IDW, vgl. Abschnitt 8.2) nicht untersucht wird, ob diese Bedingung in der Realität überhaupt erfüllt ist, erstaunt ebenfalls – nicht nur auf den ersten Blick. Es besteht wohl kein Interesse daran, die Grundlagen der eigenen Bewertungsgutachten in Zweifel zu ziehen; die Konsequenzen von Fehlbewertungen (betreffender Kunstfehler) tragen eben andere. Die Ursachen und die Höhe der Abweichung zwischen subjektivem Grenzpreis und Marktwert werden in der vorliegenden Arbeit vor dem Hintergrund der Theorie der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt und der individuellen Portefeuilleplanung unter Berücksichtigung des Überschusses (im Einperioden-Fall) oder der Überschüsse (im Mehrperioden-Fall) des Bewertungsobjekts eingehend untersucht. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, welche Relevanz die Art der Risikoteilung der Überschüsse zwischen Investoren für die Bewertung bzw. die Höhe der Abweichung hat. Die Analyse möglicher Abweichungen zeigt die Problematik von Marktwerten als Grenzpreise und gibt Hilfestellung und Orientierung für die Korrektur von Marktwerten in alternativen Bewertungssituationen, um eine Annäherung an den subjektiven Grenzpreis zu schät3

HOMMEL (Geleitwort zu BRAUN, 2005, S. V).

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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zen. Zwar wird man sich kein sicheres und intersubjektiv überprüfbares Urteil über die Abweichung bilden können. Daraus folgt aber nicht, sie sei generell vernachlässigbar. Der Einfluss von Steuern auf subjektive Grenzpreise und Marktwerte wird in dieser Arbeit nicht untersucht. Vielmehr geht es um die grundsätzliche Bedeutung von subjektiven Grenzpreisen im Vergleich zu Marktwerten. Bei der konkreten Bewertung sollten zwar Steuerauszahlungen gemäß dem aktuellen Steuersystem ebenso wie andere Auszahlungen berücksichtigt werden. Jedoch ist die Erfassung von Steuern im Rahmen verfehlter Grundformen der Bewertung kaum zielführend. Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über Grundprobleme und Lösungskonzepte der Bewertung. Die Darstellungen werden in den nachfolgenden Kapiteln vertieft und erweitert. Der Überblick soll auch die Einordnung dieser Kapitel in den Gesamtzusammenhang erleichtern. In Abschnitt 2 werden die in der Arbeit betrachteten Bewertungsanlässe und der jeweils relevante Grenzpreis erläutert. In Abschnitt 3 werden die betrachteten Grundtypen von Werten, der Marktwert, der kollektive subjektive und der individuelle subjektive Grenzpreis, beschrieben. Es wird erläutert, auf welche Bewertungssituationen sie sich beziehen und welche grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen ihnen bestehen. In Abschnitt 4 wird verdeutlicht, dass ein Bewertungsmodell ein spezielles Entscheidungsmodell darstellt. Wie bei jedem Entscheidungsmodell sind im Zuge der Modellkonstruktion Zielpräzisierungen vorzunehmen, Handlungsalternativen zu erforschen, deren Konsequenzen zu prognostizieren und Entscheidungen über Vereinfachungen bei der Modellkonstruktion zu treffen. In Abschnitt 5 werden Grundmodelle der (Unternehmens-)Bewertung erläutert. Dabei wird gezeigt, welche charakteristischen Unterschiede zwischen ihnen bestehen. Besondere Beachtung finden Unterschiede zwischen Marktbewertung und individueller subjektiver Bewertung. In Abschnitt 6 wird verdeutlicht, dass nur unter speziellen (idealen) Kapitalmarktbedingungen der individuelle subjektive Grenzpreis mit dem Marktwert des Bewertungsobjekts übereinstimmt. Da diese Bedingungen nicht erfüllt sind, stellt die Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises ein komplexes Problem dar. Hierbei muss – im Gegensatz zur Marktbewertung – explizit berücksichtigt werden, wie das aus dem Überschuss des Bewertungsobjekts resultierende Risiko optimal gehedgt (reduziert) werden kann. Da nur unvollkommene Möglichkeiten bestehen, Risiken durch Transaktionen auf dem Kapitalmarkt (durch Portefeuillebildung) zu hedgen, ist der subjektive Grenzpreis grundsätzlich niedriger als der Marktwert. Beschränkungen der Hedgemöglichkeiten können vor allem auch daraus resultieren, dass aufgrund beschränkter Rationalität der Akteure auf dem Kapitalmarkt sowie der Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik die zukünftigen Kursentwicklungen Störtermen („Noise“) unterliegen, die von den Überschüssen des Bewertungsobjekts stochastisch unabhängig sind. Um das Risiko besser zu teilen ist es naheliegend, einen oder mehrere Gesellschafter aufzunehmen. Wie jedoch in Abschnitt 7 gezeigt wird, gibt es gute Gründe, darauf zu verzichten. Insbesondere können sich sonst Anreiz- und Kontrollprobleme ergeben, die

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Kapitel I

die Vorteile besserer Risikoteilung überkompensieren. Obwohl bei unseren Darstellungen zum individuellen subjektiven Grenzpreis immer nur ein einzelner (potentieller) Eigentümer am Bewertungsobjekt beteiligt ist, wird sich zeigen, dass auch bei mehreren privaten Eigentümern die individuellen subjektiven Grenzpreise kleiner sind als die anteiligen Marktwerte, sofern das Bewertungsobjekt und die individuellen Anteile daran relativ „groß“ sind. In der Literatur wird vorgeschlagen, den individuellen subjektiven Grenzpreis aus dem Marktwert einer Vergleichsinvestition derselben Risikoklasse oder gemäß den Bewertungsfunktionen des Capital Asset Pricing Model (CAPM) herzuleiten. Wie jedoch in Abschnitt 8 gezeigt wird, kann aus Marktwerten allein nicht auf individuelle subjektive Werte geschlossen werden. Grundsätzlich müssen bei der Bewertung die Präferenzen (die Nutzenfunktion) des individuellen Investors berücksichtigt werden. Wie gesagt, wird dagegen der Einwand erhoben, dass sich die Nutzenfunktion im Zeitablauf ändern könne. Änderungen der Nutzenfunktion werden aber nicht verhindert und es wird ihnen auch nicht Rechnung getragen, indem man für ein Bewertungsobjekt den Marktwert zahlt. Wenn man den subjektiven Grenzpreis auf der Basis einer Nutzenfunktion ermittelt hat und damit rechnet, dass sie sich in unvorhersehbarer Weise ändern kann, sollte man einen Abschlag von diesem Grenzpreis vornehmen, wenn durch den Kauf des Bewertungsobjekts Anpassungen von Überschüssen an Änderungen der Nutzenfunktion (von Risiko- und Zeitpräferenzen) gegenüber einer alleinigen Investition in Wertpapieren erschwert werden. Nun macht man aber grundsätzlich einen Wertzuschlag, wenn man hilfsweise auf den Marktwert als Preisgrenze zurückgreift; die Wertkorrektur geht in die falsche Richtung. Oft wird in der Literatur auch vorgeschlagen, den Wert des Bewertungsobjekts durch Diskontierung seiner Überschüsse mit dem internen Zinsfuß der (Erwartungswerte der) Überschüsse der besten, durch das Bewertungsobjekt „verdrängten“ Vergleichsanlage der gleichen Risikoklasse herzuleiten. Dieses Argument geht vermutlich auf das DEANModell zurück, mit dem unter der Annahme sicherer Erwartungen und beliebiger Teilbarkeit der Investitionsprojekte untersucht wird, von welchen Investitions- und die Finanzierungsmaßnahmen derjenige Kalkulationszinsfuß abhängt, der für die Investitionsplanung bzw. Bewertung eines zusätzlichen Investitionsprojekts relevant ist. Wie in Abschnitt 9 erläutert wird, lässt sich jedoch das DEAN-Modell nicht auf die Planung und Bewertung bei Unsicherheit übertragen. Abschnitt 10 gibt einen Überblick über Problemstellungen der nachfolgenden Kapitel. Die Formeln, Abbildungen und Matrizen sind kapitelweise durchnummeriert. Die römische Zahl bezeichnet das jeweilige Kapitel, die arabische die laufende Nummer der Formel, Abbildungen bzw. Matrix. Wichtige Definitionen, Konzepte, Annahmen und (Zwischen-)Ergebnisse – vor allem solche, auf denen später aufgebaut wird – werden durch einen Rahmen hervorgehoben. Die einzelnen Kapitel sind relativ geschlossen. Dadurch wird der isolierte „Einstieg“ in die jeweilige Problemstellung und die jeweiligen Lösungsansätze erleichtert. Andererseits sind bei dieser Vorgehensweise einige Wiederholungen nicht zu vermeiden. Am Ende der Arbeit findet sich ein Verzeichnis häufig verwendeter Symbole.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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Die betrachteten Bewertungsanlässe

2.1

Kauf eines Investitionsprojekts: Grenzpreis als Preisobergrenze

Ein häufiger Bewertungsanlass ist der potenzielle Kauf eines Bewertungsobjekts, etwa eines einzelnen Investitionsprojekts oder eines ganzen Unternehmens. Der „Kauf“ kann auch darin bestehen, dass bestimmte Goodwillmaßnahmen durchgeführt werden wie Werbung, Forschung und Entwicklung oder Änderung der Organisationsstruktur. Bei potenziellem Kauf eines Bewertungsobjekts ist der Grenzpreis gleich demjenigen Preis, bei dem der Kauf weder „vorteilhaft“ noch „nachteilig“ ist; ist der geforderte Preis höher bzw. niedriger, ist der Kauf nachteilig bzw. vorteilhaft (Preisobergrenze). Für Wert und Bewertung können in der Realität auch nichtfinanzielle Ziele eine Rolle spielen, z.B. Arbeitsleid, Einfluss und Ansehen bei Kauf eines Unternehmens im Vergleich zu einer Anlage auf dem Kapitalmarkt. Jedoch werden in dieser Arbeit (wie in der Bewertungsliteratur üblich) nichtfinanzielle Ziele nicht explizit berücksichtigt. Der Wert eines Investitionsprojekts ergibt sich aus den finanziellen Überschüssen, die damit erzielt werden können. Der so ermittelte Wert ist gegebenenfalls um immaterielle Aspekte zu korrigieren. Die Kenntnis des Wertes ist vor allem dann hilfreich, wenn der Anschaffungspreis nicht gegeben, sondern Gegenstand von Verhandlungen ist. Wenn der Preis feststeht, genügt es dagegen zu prüfen, ob bei diesem Preis der Kauf vorteilhaft ist. Dieses Entscheidungsproblem kann (insbesondere bei Kauf durch ein Individuum) einfacher sein, als das der Ermittlung eines Grenzpreises. Vor allem bei Standardgütern ist der Preis oft als Marktpreis eine gegebene Größe. Zu den Objekten, die nicht als Standardgüter gehandelt werden, gehören vor allem Unternehmen (oder Teile davon), deren Bewertung im Vordergrund der Bewertungsliteratur steht. Auch in der vorliegenden Arbeit wird der Unternehmensbewertung besonderer Raum gewidmet. Wie gezeigt wird, stellt die Bewertung eines Unternehmens wegen der Schwierigkeit, sein Erfolgspotenzial zu schätzen (Informationsproblem, Abschnitt 4.3), ein besonders komplexes Problem dar. Vor allem bei größeren Unternehmen können durch Fehlbewertungen erhebliche Nachteile entstehen. Mit dem Unternehmenskauf wird eben nicht einfach ein Konglomerat von Sachgütern mit gegebenen Marktpreisen erworben, sondern darüber hinaus auch Vorteile aus dem originären Goodwill (etwa Kundenstamm, motivierte Belegschaft, bewährte Produktionsprozesse und unternehmensinterne Informationen über Produkte und Märkte). Gerade hier ist es schwierig, sich als potenzieller Käufer ein Urteil zu bilden. Der „Kauf“ eines Unternehmens kann im übrigen auch in dessen Gründung bestehen, wobei z.B. Grundstücke erworben, Gebäude errichtet, Produktionsanlagen gekauft und installiert, Mitarbeiter eingestellt und Goodwillmaßnahmen durchgeführt werden.

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2.2

Kapitel I

Verkauf eines Investitionsprojekts: Grenzpreis als Preisuntergrenze

Bewertungsanlass kann auch der potenzielle Verkauf des Bewertungsobjekts sein. Für einen potenziellen Verkäufer ist der Grenzpreis gleich dem Preis, bei dem der Verkauf weder „vorteilhaft“ noch „nachteilig“ ist; ist der erzielbare Preis höher bzw. niedriger, ist der Verkauf vorteilhaft bzw. nachteilig (Preisuntergrenze). Bei Sachgütern (z.B. Grundstücken und Gebäuden, stillgelegten Produktionsanlagen) werden häufig Liquidationserlöse in Form von realen Marktpreisen (etwa Schrottpreisen) existieren, die für die Entscheidung über den Verkauf maßgeblich sind. Bewertungsprobleme ergeben sich vor allem – analog zum Kauf – bei potenziellem Verkauf eines Unternehmens (oder eines Teils davon); hier geht es nicht allein um den Verkauf von Gütern mit gegebenen Marktpreisen, sondern auch um originäre Vermögenswerte, die nicht losgelöst vom Unternehmen gehandelt werden können. Zwischen zwei Verhandlungspartnern kommt eine Unternehmensübertragung allenfalls dann zustande, wenn der Grenzpreis für den (potenziellen) Käufer höher ist als für den (potenziellen) Verkäufer. Liegt der Einigungspreis zwischen beiden Grenzen, so erzielen beide Parteien einen Vorteil. Die Grenzpreise für den Käufer und Verkäufer können sich aus verschiedenen Gründen unterscheiden, die in dieser Arbeit untersucht werden. Es existieren 1. Unterschiede in den Verwendungsmöglichkeiten, insbesondere in Synergieeffekten mit anderen Investitionen, 2. Unterschiede in den Risikoeinstellungen und den Möglichkeiten der Risikoteilung und 3. Unterschiede in Erwartungen über zukünftige Überschüsse aufgrund unterschiedlicher Informationsstände (Informationsasymmetrie) und/oder unterschiedlicher Schlussfolgerungen aus Informationen. Oft wird der (potenzielle) Verkäufer einen überlegenen Informationsstand haben. Jedoch ist er nicht ohne weiteres motiviert, einen (potenziellen) Käufer „gut“ zu informieren (Abschnitt 4.3). Zwar erzielen beide Parteien durch Verkauf und Kauf des Unternehmens einen Vorteil, wenn der Einigungspreis zwischen beiden Grenzpreisen liegt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie indifferent zwischen alternativen Einigungspreisen sind. So wird der Käufer bestrebt sein, einen niedrigen Einigungspreis durchzusetzen und z.B. einen niedrigen Grenzpreis vortäuschen und mit dem Abbruch der Verhandlungen für den Fall drohen, dass keine Einigung auf einen niedrigeren Preis erzielt wird. Jedoch müssen beide Parteien damit rechnen, dass sie bei überzogenen Forderungen einen Nachteil durch Nichteinigung erleiden. Ähnliche Bewertungsprobleme wie bei Verkauf eines ganzen Unternehmens können sich für den Fall ergeben, dass ein Gesellschafter einer Personengesellschaft erwägt, seinen Anteil am Unternehmen an andere Gesellschafter oder an einen potenziellen neuen Gesellschafter zu verkaufen. Um die Widrigkeiten von (langwierigen) Verhandlungsprozessen zu vermeiden, einigen sich der potenzielle Käufer und der potenzielle Verkäufer in der Praxis oft darauf, einen „Schiedsgutachter“ einzusetzen, der eine

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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„Schiedspreis“ festlegen soll, der einen „freundschaftlichen“ Interessenausgleich bewirkt (MOXTER, 1983, S. 16 ff.). Damit der Schiedsgutachter überhaupt einen „fairen“ Interessenausgleich vornehmen kann, benötigt er Informationen, aus denen er auf die beiden Grenzpreise rückschließen kann. Aufgrund ihres Informationsvorsprungs könnten vor allem der potenzielle Verkäufer und der potenzielle Käufer als Informanten in Betracht kommen. Sie haben aber ebenso wie bei direkten gegenseitigen Verhandlungen ein Interesse daran, ihre Informationen zu manipulieren, um eine vorteilhaften Schiedspreis zu bewirken. Vor allem bei Informationen über subjektive Größen wie eigene Erwartungen über zukünftige Überschüsse des Bewertungsobjekts, eigene Risiko- und Zeitpräferenzen und alternative Kapitalanlagemöglichkeiten kann die Gefahr von Fehlinformationen groß sein. Daher ist es für den Schiedsgutachter naheliegend, auf der Basis von intersubjektiv überprüfbaren Indikatoren einen mehr oder weniger „objektivierten“ Preis(-vorschlag) festzulegen. Ob ihm damit ein „freundschaftlicher“ oder „fairer“ Interessenausgleich gelingt, lässt sich ohne Kenntnis der Präferenzen und den alternativen Kapitalverwendungsmöglichkeiten der beiden Parteien nur schwer beurteilen. Der Gutachter sollte wissen, welche Determinanten wertbestimmend sind und wie die Grenzpreise davon abhängen (Kapitel II, VIII, XI, XII und XV).

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Grundtypen von Werten: Marktwerte, kollektive und individuelle subjektive Grenzpreise

3.1

Allgemeiner Vergleich

Eine rationale Bewertung setzt voraus, dass Zielvorstellungen vorhanden sind, mit deren Hilfe die Konsequenzen der Handlungsalternativen nach ihrer Wünschbarkeit beurteilt werden können. In dieser Arbeit erfolgt die Bewertung ausschließlich auf der Basis der zukünftigen Überschüsse. Als entscheidungsrelevante Zielfunktionen werden „subjektive Nutzenmaximierung“ und „Marktwertmaximierung“ zugrunde gelegt und deren Implikationen verglichen. Wir betrachten und vergleichen vor allem folgende Bewertungsfälle: Fall A: Die Bewertung erfolgt für ein börsennotiertes Unternehmen, wobei wir im Allgemeinen davon ausgehen, dass dessen Anteilseigner das Risiko durch gut gemischte Portefeuilles von Wertpapieren hedgen (reduzieren). Die Anteilseigner treffen die Entscheidungen nicht selbst (und nehmen auch die Bewertungen nicht selbst vor), sondern delegieren die Entscheidungskompetenz an „Entscheidungsträger“ im Unternehmen (Kapitel V, VI, VII und XIV). Fall B: Die Bewertung erfolgt vom Standpunkt eines individuellen Investors, der erwägt, das Bewertungsobjekt für sich alleine zu erwerben. Zum Beispiel erwägt er, ein Unternehmen ohne Beteiligung anderer zu kau-

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Kapitel I

fen (Kapitel VIII bis XII und XV). Gelegentlich wird auch der Fall betrachtet, dass der Investor das Bewertungsobjekt als Alleineigentümer besitzt und erwägt, es zu verkaufen. Wie in der Arbeit immer wieder deutlich wird, gelten die Darstellungen zum Fall B im Prinzip auch für die Bewertung aus Sicht eines Anteilseigners eines börsennotierten Unternehmens, der (als Großaktionär) einen „großen“ Anteil am Unternehmen und somit auch am Bewertungsobjekt bei Kauf bzw. Verzicht auf Verkauf hält. Das Gleiche gilt für den individuellen subjektiven Grenzpreis aus Sicht eines Investors, der privat (etwa als potentieller Gesellschafter einer Personengesellschaft) gemeinsam mit wenigen anderen ein relativ großes Bewertungsobjekt zu kaufen oder einen Anteil daran zu verkaufen erwägt. Wir gehen stets davon aus, dass sich die Anteilseigner im Fall A bzw. der Investor im Fall B am Ziel orientieren, den Erwartungswert des Nutzens ihrer finanziellen Überschüsse (kurz: ihren Nutzen) zu maximieren. Nutzenmaximierung ist das Referenzziel, das stets als Ausgangspunkt der Betrachtung dient. Der grundlegende Unterschied hinsichtlich der Bewertungsprobleme für die Fälle A und B ist der folgende: Im Fall A erfolgt die Bewertung aus Sicht von Anteilseignern, die nur wenig an den Überschüssen des Bewertungsobjekts partizipieren und ihre Risiken durch Portefeuillebildung breit gestreut haben. Das Bewertungskalkül ist aus Sicht eines einzelnen Anteilseigners ein Marginalkalkül. Im Fall B trägt der Investor das Risiko des Bewertungsobjekts allein. Aufgrund von Ganzzahligkeitsbedingungen kann er kein Marginalkalkül erstellen. Er kann zwar das Risiko aus dem Bewertungsobjekt durch Portefeuillebildung reduzieren (hedgen), er erreicht aber grundsätzlich nicht jene Risikostruktur, die für einen einzelnen Anteilseigner im Fall A bewertungsrelevant ist. Im Fall B wird der Investor die Bewertung gemäß seiner subjektiven Nutzenfunktion vornehmen. Für ihn ist der Grenzpreis derjenige Preis, von dem an sein subjektiver Nutzen bei Kauf (Verkauf) sinkt (steigt). Wir bezeichnen den jeweiligen Preis als individuellen subjektiven Grenzpreis. Er stimmt mit dem Marktwert überein, wenn Marktwertmaximierung und individuelle subjektive Nutzenmaximierung äquivalente Ziele sind, was aber nur unter sehr speziellen Bedingungen der Fall ist. In den Kapiteln XI, XII und XV wird gezeigt, dass der individuelle subjektive Grenzpreis grundsätzlich niedriger ist als der Marktwert des Bewertungsobjektes. Es wird untersucht, welche Abweichung unter verschiedenen Kapitalmarktbedingungen besteht. Dabei wird jeweils deutlich, wie der Marktwert zu modifizieren ist, um eine Annäherung an den individuellen subjektiven Grenzpreis zu erreichen.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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In den Kapiteln V und VI wird untersucht, unter welchen Bedingungen im Fall A „Anreizkompatibilität“ bzw. „Einmütigkeit“ zwischen den Anteilseignern des Unternehmens besteht. Bei Einmütigkeit ist jeder Anteilseigner „repräsentativ“ in dem Sinne, dass mit der Maximierung seines Nutzens zugleich auch der Nutzen jedes anderen Anteilseigners maximiert wird. Eine für alle optimale Lösung kann dann im Rahmen eines Individualkalküls ermittelt werden, mit dem der subjektive Nutzen eines beliebigen Anteilseigners bezüglich seines Anteils an den Überschüssen direkt maximiert wird. Entsprechend existiert bei Einmütigkeit ein einheitlicher subjektiver Grenzpreis, bei dessen Überschreitung bei Kauf des Bewertungsobjekts der subjektive Nutzen jedes Anteilseigners sinkt. Wir bezeichnen ihn als kollektiven subjektiven Grenzpreis. Er kann – wie auch ein optimales Investitionsprogramm – auf der Basis der Präferenzen eines beliebigen Anteilseigners ermittelt werden. Dieses Vorgehen setzt allerdings voraus, dass seine Nutzenfunktion überhaupt bekannt ist. Vielen Personen fällt es jedoch leichter, vertraute Entscheidungsprobleme zu lösen (etwa riskante Wertpapiere zu bewerten), als Fragen nach subjektiven Nutzenfunktionen explizit zu beantworten. Ein alternativer Lösungsweg, der einfacher sein kann als die direkte Nutzenmaximierung, besteht darin, sich an finanzwirtschaftlichen Entscheidungskriterien zu orientieren, die auf Modellen der Preisbildung von Finanztiteln auf dem Kapitalmarkt beruhen. Dabei wird dem Sachverhalt Rechnung getragen, dass die (Markt-)Preise dieser Titel Informationen über die subjektiven Nutzenfunktionen (Risikoeinstellungen) der Anteilseigner enthalten. Ein häufig zugrunde gelegtes Kriterium ist das der Maximierung des Marktwertes der Aktien des betrachteten Unternehmens (individuelle Marktwertmaximierung). Das Ziel individueller Marktwertmaximierung findet in der Praxis unter dem Schlagwort „Shareholder Value“ immer größere Beachtung. Jedoch ist die (individuelle) Marktwertmaximierung keine selbstverständliche Zielfunktion. Da für einen Anteilseigner letztlich der Nutzen seiner Überschüsse relevant ist, sollte die Marktwertmaximierung mit subjektiver Nutzenmaximierung kompatibel sein. Wie später gezeigt wird, steht unter den (Kapitalmarkt-)Bedingungen, unter denen Anreizkompatibilität besteht, Marktwertmaximierung streng oder „näherungsweise“ im Einklang mit Nutzenmaximierung für alle Anteilseigner.4 Bei Marktwertmaximierung werden zwar die subjektiven Präferenzen der Anteilseigner nicht explizit berücksichtigt, wohl aber implizit, da sie sich im Marktwert der Aktien des Unternehmens und in den Marktwerten der anderen bewertungsrelevanten Wertpapieren niederschlagen. Wenn die Maximierung des Marktwertes des Unternehmens im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung steht, ist der kollektive subjektive Grenzpreis gleich dem 4

Interessant ist, dass es grundsätzlich im CAPM nicht sinnvoll ist, den Marktwert aller Aktien zu maximieren (Kapitel VI, Abschnitt 4.3).

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Kapitel I

Marktwert des Bewertungsobjekts. Wenn Marktwertmaximierung nur „näherungsweise“ im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung steht, stimmt zwar auch der kollektive subjektive Grenzpreis des Bewertungsobjekts „näherungsweise“ mit dessen Marktwert überein. Trotzdem ist es dann nicht sinnvoll, den Marktwert als Preisgrenze zugrunde zu legen. Wie gezeigt wird, erfordert die Ermittlung des kollektiven Grenzpreises gegenüber der Marktbewertung nur einfache Korrekturen. Dabei muss man von keinem Anteilseigner die Nutzenfunktion kennen. Man kann diejenigen Marktgrößen heranziehen, die auch für die Marktbewertung relevant sind (Kapitel VI). Vor dem Hintergrund verschiedener Kapitalmarktmodelle wird später das Ziel der Marktwertmaximierung präzisiert und es wird gezeigt, wie daraus operationale Bewertungsregeln für einzelne Investitionsprojekte deduziert werden können. Dabei werden auch die jeweils maßgeblichen Zusammenhänge zwischen Marktwert- und Nutzenmaximierung eingehend untersucht. Es wird sich zeigen, dass (vor allem, wenn sich der Kapitalmarkt nicht in einem Gleichgewicht befindet) Konflikte bezüglich der Anteilseigner bestehen können. Im Konfliktfall existiert kein kollektiver subjektiver Grenzpreis, so dass auch nicht für jeden Anteilseigner der subjektive Grenzpreis mit dem Marktpreis übereinstimmen kann. Im Konfliktfall kann der subjektive Grenzpreis für einen einzelnen Anteilseigner oder eine homogene Gruppe von Anteilseignern niedriger, aber auch höher sein als der Marktwert (Kapitel VI, Abschnitt 4; Kapitel XII). Bewertungskriterien für Investitionsprojekte, die sich an Marktwerten orientieren, werden häufig als „objektiviert“ bezeichnet, da sie nicht explizit Bezug nehmen auf subjektive Bewertungskalküle von Individuen. Indessen darf nicht übersehen werden, dass Preise auf dem Kapitalmarkt zwar objektiv beobachtbar sind, jedoch ihrerseits aus subjektiven Bewertungskalkülen resultieren: Sie hängen nicht nur von den subjektiven Nutzenfunktionen (Risikoeinstellungen) der Akteure auf dem Kapitalmarkt ab, sondern auch von ihren subjektiven Wahrscheinlichkeitsvorstellungen über die zukünftigen Überschüsse der Wertpapiere. Gegebene Preise können mit sehr heterogenen Konstellationen aus individuellen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen und individuellen Nutzenfunktionen vereinbar sein. Wenn nicht bekannt ist, welche Erwartungen über zukünftige Überschüsse den Wertpapierpreisen zugrunde liegen, können aus diesen Preisen auch keine befriedigenden Rückschlüsse auf die Risikoeinstellungen und die (Markt-)Bewertung neuer Investitionsprojekte gezogen werden. Solche Rückschlüsse können natürlich auch dann nicht gezogen werden, wenn die Akteure auf dem Kapitalmarkt gar nicht in der Lage sind, rationale Bewertungen vorzunehmen, und ihre Portefeuilleentscheidungen weitgehend zufallsbestimmt sind. Eine an Marktwerten ausgerichtete Investitionsplanung ist dann ebenfalls willkürlich.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

3.2

Bedeutung der Risikoteilung für die Bewertung

3.2.1

Pareto-effiziente und anreizkompatible Risikoteilung

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Der subjektive Grenzpreis eines Bewertungsobjekts hängt in erheblichem Maße davon ab, wie das Bewertungssubjekt das Risiko über Finanztransaktionen mit anderen Investoren teilen (auf andere transferieren) kann. Im Fall A wird die Bewertung vom Standpunkt der Anteilseigner eines Unternehmens vorgenommen, die breit gestreute Wertpapierportefeuilles halten. Für sie hat unternehmensinternes Risikomanagement (etwa der Handel mit Wertpapieren oder der Abschluss von Versicherungen) keine oder eine geringe Bedeutung (Kapitel IV bis VII). Daher betrachten wir hier explizit nur den Fall B. Ein individueller Investor kann durch Umverteilung von Risiken möglicherweise schon bei gegebenen Investitionen einen Vorteil erzielen. Darüber hinaus können finanzielle Vorteile auch realisiert werden, indem zusätzliche riskante Investitionen durchgeführt werden, die ohne Risikoteilung mit anderen Personen (oder Institutionen) für den Investor zu riskant gewesen wären. Von besonderer Bedeutung für diese Arbeit sind die theoretischen Konstrukte „pareto-effiziente“ und „anreizkompatible“ Risikoteilung. Eine Teilungsregel ist bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über einen Überschuss (bzw. Erfolg) dann pareto-effizient, wenn es nicht möglich ist, durch Umverteilung seiner zustandsabhängigen Beträge den Erwartungsnutzen mindestens eines der Beteiligten zu erhöhen, ohne gleichzeitig den Erwartungsnutzen mindestens eines anderen zu reduzieren. In Kapitel II, Abschnitt 7, wird allgemein untersucht, wie pareto-effiziente Teilungsregeln ermittelt werden können und wie sie von den Risikoeinstellungen der Beteiligten und ihren Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich des Überschusses abhängen. Ausgehend von einer pareto-effizienten Teilung kann zwar bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Überschuss der Erwartungsnutzen keines Entscheiders erhöht werden, ohne dass der eines anderen sinkt. Bei einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung aufgrund von Investitionen oder anderer Maßnahmen mögen jedoch bei der betreffenden Teilungsregel alle einen Vorteil oder einen Nachteil erzielen. Möglicherweise erzielen aber auch einige einen Vorteil und andere einen Nachteil. Wenn die Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg durch wen auch immer beeinflusst werden kann, können sich Konflikte bezüglich der Bewertung bzw. der Durchführung der betreffenden Maßnahmen ergeben. Um solche Konflikte zu vermeiden, können Investoren ein Interesse daran haben, eine anreizkompatible Teilungsregel zu vereinbaren. Eine Teilungsregel erfüllt für zwei Entscheider X und Y die Bedingung der Anreizkompatibilität, wenn sie jeden möglichen Überschuss (bzw. Erfolg) derart teilt, dass der Erwartungsnutzen für X eine monoton steigende Funktion des Er-

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Kapitel I

wartungsnutzens für Y ist. Bei einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Überschuss kann dann eine Partei nur einen finanziellen Vorteil bzw. Nachteil erzielen, wenn dies zugleich für die andere Partei der Fall ist.5 In Kapitel II, Abschnitt 8, wird u.a. untersucht, wie anreizkompatible Teilungsregeln ermittelt werden können und welche Gestalt sie aufweisen. Dort wird auch gezeigt, dass nur lineare Teilungsregeln zugleich pareto-effizient und anreizkompatibel sein können. Wie in der Arbeit immer wieder deutlich wird, haben die Konstrukte „pareto-effiziente“ und „anreizkompatible Risikoteilung“ grundlegende Bedeutung für die Existenz und Höhe eines kollektiven subjektiven Grenzpreises im Fall A und die Höhe des individuellen subjektiven Grenzpreises im Fall B.

3.2.2

Direkte und indirekte Risikoteilung (direkter und indirekter Risikotransfer)

3.2.2.1 Direkte Risikoteilung Das Risiko kann direkt oder indirekt zwischen einem Investor und anderen Personen geteilt werden. Die direkte Risikoteilung erfolgt durch explizite bzw. direkte Teilung der möglichen Überschüsse (bzw. Erfolge). Entweder erwirbt ein Vertragspartner vom Investor einen unsicheren Zahlungsanspruch oder er übernimmt eine unsichere Zahlungsverpflichtung. Im ersten Fall erhält der Investor einen Geldbetrag als Gegenleistung, im zweiten muss er einen Betrag (eine Prämie) an den Vertragspartner zahlen. Ein typisches Beispiel für den ersten Fall ist die Aufnahme eines Gesellschafters, der gegen eine Einlage in das Unternehmen oder eine direkte Zahlung an den Investor an den zukünftigen Überschüssen bzw. Erfolgen des Unternehmens beteiligt wird. Unter dem Gesichtspunkt einer pareto-effizienten Risikoteilung ist es vorteilhaft, möglichst viele Gesellschafter aufzunehmen (und eventuell das Unternehmen an die Börse zu bringen). Wie jedoch in Abschnitt 7 gezeigt wird, kann die Beteiligung neuer Gesellschafter vor allem an Rückwirkungen auf die Überschüsse bzw. Erfolge scheitern. Wenn sie der Investor mit anderen teilt, mag sein Anreiz, Arbeitsleid und andere immaterielle Nachteile in Kauf zu nehmen, um hohe Überschüsse zu erzielen, gering sein (vor allem, wenn sein verbleibender Anteil an den Überschüssen ebenfalls gering ist). Andererseits verursachen die Vereinbarung, Kontrolle und Durchsetzung geeigneter Verhaltensnormen für den Investor prohibitiv hohe Kosten. Potenzielle Gesellschafter antizipieren die Verhaltenswirkung und sind für ihre Beteiligung nur geringe Beträge zu zahlen bereit (JENSEN/MECKLING, 1976).

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Die Bedingung der Anreizkompatibilität wird oft anschaulich und schlagwortartig auch als „Win-WinBedingung“ bezeichnet.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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Wie erläutert, wird in der Arbeit davon ausgegangen, dass der Investor im Fall B keinen Gesellschafter aufnimmt. Es bestehen dann immer noch vielfältige Möglichkeiten, das Risiko mit anderen direkt zu teilen. Charakteristisch für diese Formen der Risikoteilung ist, dass die Zahlungsansprüche bzw. -verpflichtungen des Vertragspartners nicht vom erzielten Erfolg als Ganzem abhängt, sondern von einzelnen Erlös- und/oder Kostenkomponenten, bei denen das Risiko gut kalkulierbar und außerdem nachteilige Verhaltensimplikationen tendenziell gering sind. Typische Formen solcher Risikoteilung sind Termingeschäfte, der Abschluss von Versicherungen für überprüfbare Schäden und der Erwerb von Realoptionen (FRANKE, 1995; DIONNE, 2000; LAUX, C. 1993; 2004). Angenommen in einem (Einzel-)Unternehmen werde im Verlauf einer Periode eine bestimmte Menge eines Produkts hergestellt und diese am Periodenende zu einem noch ungewissen Preis verkauft. Der Investor kann dann möglicherweise das Preisrisiko durch Termingeschäfte direkt eliminieren: Die Produktionsmenge wird zu Beginn der Periode zu einem Festpreis (Terminpreis) verkauft und am Periodenende geliefert. Tritt zum „Risikofaktor“ Absatzpreis der Risikofaktor Stückkosten hinzu, so kann auch dieses Risiko durch Termingeschäfte perfekt ausgeschaltet werden, sofern es ausschließlich daraus resultiert, dass die zukünftigen Marktpreise der Produktionsfaktoren unsicher sind; an die Stelle der ungewissen Faktorkosten treten dann sichere Auszahlungen. Jedoch kann das Kostenrisiko in erheblichem Maße auch von unternehmensinternen Gegebenheiten und Ereignissen abhängen, wie zum Beispiel der Sorgfalt der Aufgabenträger im Umgang mit Material und Produktionsanlagen, den technischen Eigenschaften dieser Anlagen, der Organisation der Produktionsabläufe und Verlusten aus Katastrophen, Brand und Diebstahl. Hier ist es nur in Grenzen möglich, nicht beeinflussbare und zugleich verifizierbare Zustände bzw. Ereignisse zu definieren, auf deren Grundlage das Risiko geteilt werden kann: Die tatsächlich beobachtbaren Datenausprägungen bzw. Ereignisse und Kostenkomponenten werden simultan durch nicht beeinflussbare Zustände und Aktivitäten des Investors und seiner Mitarbeiter verursacht. Zum Beispiel hängt die Zahl der krank gemeldeten Mitarbeiter auch davon ab, wie sie der Investor zu einem Arbeitseinsatz motiviert.6 Somit sind die betreffenden Kostenkomponenten nicht zerlegbar in einen beeinflussbaren und einen nicht beeinflussbaren Bestandteil. Das bedeutet, dass das Kostenrisiko nicht mit einem Finanzkontrakt perfekt gehedgt werden kann, bei dem der Vertragspartner gegen Zahlung eines festen Preises die Produktionskosten und mithin auch das entsprechende Kostenrisiko übernimmt. Diese „Versicherung“ hätte Rückwirkungen auf das Verhalten des Investors zum Nachteil des Versicherers (Moral Hazard): Der Investor wäre nicht motiviert, Anstrengungen zu unternehmen (Investitionen zu tätigen), die Produktionskosten niedrig zu halten. Ein potenzieller Vertragspartner antizipiert die hohen Kosten und fordert ein hohes Entgelt für deren Übernahme, so dass letztlich der Investor die Folgen seines (möglichen) Verhaltens trägt. Dem Konflikt zwischen effizien6

Bei Katastrophen oder Brand entstehen häufig Folgeschäden durch Ausfall von Aufträgen oder Abwanderung von Kunden. Eine Versicherung kann kaum beurteilen, ob diese Schäden zwangsläufig oder aus Versäumnissen des Versicherungsnehmers resultieren.

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Kapitel I

ter Risikoteilung und Motivation zu einem hohen Arbeitseinsatz bzw. zur Schadensvermeidung7 kann im Allgemeinen nur dadurch begegnet werden, dass der Investor einen relativ hohen Anteil an den Kosten selbst trägt. Dieser Anteil ist tendenziell umso höher, je größer der für die Kostenreduktion erforderliche Arbeitseinsatz ist. Es besteht folgende allgemeine Tendenz: Je größer der Einfluss des Investors auf Kosten- und Erlöskomponenten ist, je weniger seine Anstrengungen zu deren Verbesserungen vertraglich vereinbar und verifizierbar sind und je größer das mit den Anstrengungen verbundene Arbeitsleid ist, desto schwieriger bzw. teurer wird es, das betreffende Risiko durch Versicherungen direkt zu hedgen. Zwar sind auch Schäden, gegen die sich ein Unternehmen in der Realität versichern kann, nicht völlig unabhängig von den Entscheidungen und Maßnahmen im Unternehmen. Jedoch kommen Versicherungen als Instrument der Risikoreduktion vor allem dann in Betracht, wenn in einfacher Weise Maßnahmen zur Schadenverhinderung und -begrenzung vereinbart und verifiziert werden können. Zum Beispiel wird bei der Versicherung von Feuerschäden vereinbart, dass Sprinkler-Anlagen und Feuermelder installiert werden und Güter in bestimmter Weise gelagert werden. Die Vereinbarung sinnvoller und zugleich verifizierbarer Verhaltensnormen zum Beispiel für den Absatzbereich ist dagegen im Allgemeinen sehr viel schwieriger. Wenn Maßnahmen zur Schadenverhinderung und/oder Begrenzung zwar nicht verifizierbar, jedoch auch nicht mit besonderen Anstrengungen oder (Investitions-)Kosten verbunden sind, kann schon eine geringe Schadensbeteiligung des Investors bewirken, dass er betreffende Maßnahmen durchführt. 3.2.2.2 Indirekte Risikoteilung durch Transaktionen auf dem Kapitalmarkt Unternehmensrisiken wie z.B. Wechselkursrisiken oder Preisrisiken von Produktionsfaktoren können in gewissen Grenzen auch durch Wertpapierhandel gehedgt werden. In Betracht kommen dabei nicht nur originäre Finanztitel wie z.B. Aktien und Gewinnschuldverschreibungen, sondern vor allem auch Derivate, die sich darauf beziehen, wie Terminkontrakte, Swaps und Optionen (FRANKE, 1995; FRANKE/HAX, 2004, S. 355 ff.). Wertpapiere deren zukünftigen Börsenpreise (einschließlich von Ausschüttungen) negativ mit Unternehmensüberschüssen korreliert sind, werden gekauft und Papiere mit positiver Korrelation (leer-)verkauft (Kapitel IX bis XII und XV). Der Handel mit Wertpapieren impliziert eine Umverteilung von Risiken und ist für den Investor ein Instrument, indirekt das Unternehmensrisiko mit anderen zu teilen (auf sie zu transferieren). 7

Vgl. hierzu z.B. SCHLESINGER (2000); WINTER (2000); SPREMANN (1987, 1988); LAUX (1990a); GILLENKIRCH (1997; 2004); VELTHUIS (1998; 2004); SCHABEL (2004).

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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Angenommen, eine bestimmte riskante Erlöskomponente (kurz: „Erlös“) zum Ende der Periode könne durch ein Portefeuille von Wertpapieren „dupliziert“ werden, das zu Beginn der Periode „leerverkauft“ werden kann. Das Duplikationsportefeuille weist definitionsgemäß am Ende der Periode einen Marktwert in Höhe des duplizierten „Erlöses“ auf.8 Mit dem Leerverkauf9 eliminiert der Investor das aus dem „Erlös“ resultierende Risiko; an die Stelle des „Erlöses“ tritt eine sichere Einzahlung zu Beginn der Periode in der Höhe des Marktwertes des leerverkauften Duplikationsportefeuilles. Das Erlösrisiko wird letztlich vom Käufer des Duplikationsportefeuilles „übernommen“; er erhält am Ende der Periode Wertpapiere, deren Marktwert zu diesem Zeitpunkt mit dem duplizierten „Erlös“ übereinstimmt. Die Folgen sind bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erlös dieselben wie bei Risikoteilung in Form eines direkten Verkaufs des Erlöses zum gegenwärtigen Marktwert. Jedoch ist diese Wahrscheinlichkeitsverteilung nicht unabhängig von der Art der Risikoteilung. Bei indirekter Teilung (im Beispiel bei Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles für den Erlös) ist der Anspruch des Vertragspartners unabhängig vom tatsächlich realisierten Erlös, so dass der Investor einen finanziellen Nachteil erzielt, wenn er keine Anstrengungen unternimmt, den Erlös zu erzielen. Bei direktem Verkauf des Erlöses berührt eine Erlöseinbuße nicht den Investor, sondern allein den Käufer des Erlöses. Bei ausschließlich indirekter Risikoteilung fließen dem Investor die Unternehmensüberschüsse unverändert zu, so dass sich keine Verhaltensimplikationen ergeben. Dagegen kann – wie erläutert – die direkte Risikoteilung bewirken, dass es für den Investor vorteilhaft wird, sein Verhalten zu ändern, da ihn deren Folgen nicht allein berühren. Dies wird von den potenziellen Vertragspartnern antizipiert, so dass der Investor die aus den Verhaltensimplikationen resultierenden Nachteile grundsätzlich selbst tragen muss. Ein weiterer Vorteil indirekter Risikoteilung kann aus heterogenen Erwartungen über positive und negative Erfolgskomponenten resultieren.10 Angenommen, die geforderte Versicherungsprämie für einen Schaden sei gleich demjenigen Marktwert, den der Schaden vom Standpunkt des potenziellen Versicherers aufweist. Dieser Marktwert kann aus Sicht des Investors zu hoch sein, weil er selbst die Schadenswahrscheinlichkeit als gering einschätzt. Kann er ein Duplikationsportefeuille bilden, das aus seiner Sicht

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Zur Duplikation von Überschüssen durch Portefeuillebildung im Einperioden-Fall vgl. Kapitel IV, Abschnitt 3.2, und im Mehrperioden-Fall Kapitel XIV, Abschnitt 2. Bei Leerverkauf von Wertpapieren für eine Periode leiht sich im Allgemeinen der Investor diese Papiere zu Beginn der Periode und verkauft sie zum Börsenkurs (er erzielt dann zu Beginn der Periode einen Erlös in Höhe des Marktwertes dieser Papiere). Am Ende der Periode kauft er sie zu dem dann maßgeblichen Börsenkurs und liefert sie dem Verleiher. Zu den technischen Details vgl. Kapitel IV, Abschnitt 2.2. Potenzielle Versicherer befürchten „Adverse Selection“, d.h. dass Versicherungen vor allem von denjenigen Investoren nachgefragt werden, aus deren Sicht die erwarteten Schäden relativ hoch sind. Die Versicherer preisen hohe Schäden in ihre Policen ein, so dass die Prämie aus Sicht eines Investors prohibitiv hoch sein kann.

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Kapitel I

den Schaden kompensiert, so kann er das Schadensrisiko zu einem kleineren Preis eliminieren, indem er dieses Portefeuille kauft. Allerdings sind beliebige indirekte Risikotransformationen (auch von Einzahlungen) nur möglich, wenn unbeschränkte Duplizierbarkeit der Überschüsse und unbeschränkte Leerverkaufsmöglichkeiten bestehen, Voraussetzungen, die in der Realität kaum erfüllt sind. Bei direkter Risikoteilung können dagegen „maßgeschneiderte“ Lösungen vereinbart werden, auch wenn sie durch Handel mit bereits existierenden Wertpapieren nicht realisiert werden können. (Allerdings müssen dann – wie erläutert – Moral HazardProbleme in Kauf genommen werden.) Zum Beispiel kann ein Schaden, der von den Wertpapierkursen stochastisch unabhängig ist, nicht durch Wertpapierhandel versichert werden, sondern allenfalls direkt durch einen expliziten Vertrag mit einem Versicherer. Bei der Bewertung stellt sich zwar im Allgemeinen das Problem, wie die Überschüsse optimal durch indirekte und direkte Risikoteilung gehedgt werden können. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch explizit nur die indirekte Risikoteilung durch Portefeuillebildung betrachtet, wobei die Wahrscheinlichkeitsverteilungen über die Überschüsse des Bewertungsobjekts oft als gegeben angenommen werden. Man kann sich vorstellen, dass die Überschüsse bereits Maßnahmen direkter Risikoteilung widerspiegeln; jedoch wird nicht geprüft, wie die direkte Risikoteilung im Sinne eines integrierten Risikomanagements (C. LAUX, 2004; MEULBROEK, 2002; STULZ, 1996) ex ante mit der indirekten optimal abgestimmt werden kann. Wie insbesondere in den Kapiteln III, IV und IX bis XII gezeigt wird, dürfen Risiken nicht isoliert voneinander, sondern nur im Verbund bewertet und beeinflusst werden. Wenn man ein Teilrisiko (etwa ein einzelnes Wechselkursrisiko) durch Hedgemaßnahmen eliminiert, kann das Unternehmensrisiko insgesamt steigen, weil das beseitigte Risiko einen „natürlichen Hedge“ für andere Unternehmensrisiken (etwa andere Wechselkursrisiken) darstellt.

3.3

Die betrachteten Finanzierungsformen

Der Wert des Bewertungsobjekts kann davon abhängen, wie es finanziert wird (Kapitel XIII, Abschnitt 4). Im Rahmen dieser Arbeit werden jedoch – wenn hiervon nicht explizit abgewichen wird – nur solche Finanzierungsformen betrachtet, die ohne Berücksichtigung von Steuern bezüglich der Bewertung gleichwertig sind, wobei Insolvenz ausgeschlossen wird. Für den Fall A werden folgende Grundformen der Finanzierung erfasst (die miteinander kombiniert werden können): Aufnahme von Fremdkapital zum risikolosen und periodeneinheitlichen Zinssatz r, Reduktion des im Unternehmen zu diesem Zinssatz angelegten Kapitalbetrages, Reduktion der Ausschüttung an die Anteilseigner (Selbstfinanzierung) bzw. Kapitalerhöhung (Beteiligungsfinanzierung).

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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Da die Anteilseigner auch privat zum Zinssatz r Geld anlegen und aufnehmen können, ist die Finanzierungs- und Ausschüttungspolitik (die Kapitalstruktur) bei gegebenem Investitionsprogramm irrelevant (MILLER/MODIGLIANI, 1961; MODIGLIANI/MILLER, 1958).11,12 Wird zum Beispiel zum Zeitpunkt 0 für eine Periode ein (zusätzlicher) Fremdkapitalbetrag von ' beschafft und bei gegebenem Investitionsprogramm die Ausschüttung zu diesem Zeitpunkt entsprechend erhöht, sinkt die Ausschüttung zum Zeitpunkt 1 um (1 + r) ˜ '. Für die Anteilseigner ergibt sich dabei kein Vorteil; sie hätten den Betrag ' auch privat zum Zinssatz r leihen können. Es entsteht aber auch kein Nachteil; sie können den Betrag ' zum Zinssatz r anlegen, so dass die Minderausschüttung für den Zeitpunkt 1 kompensiert wird. Die Finanzierungs- und Ausschüttungspolitik hat bei gegebenem Investitionsprogramm auch keinen Einfluss auf das Vermögen der Anteilseigner zum Zeitpunkt 0. Wird zu diesem Zeitpunkt der Fremdkapitalbetrag ' aufgenommen und die Ausschüttung entsprechend erhöht, so steigt das Geldvermögen aller Anteilseigner zum Zeitpunkt 0 um ', während zu diesem Zeitpunkt der Marktwert M0 aller Aktien des Unternehmens ex Dividende um ' sinkt; die Summe aus Geldvermögen und Marktwert M0 bleibt konstant. Auch die Summe aus Geldvermögen und Marktwert der Aktien eines einzelnen Aktionärs ändert sich nicht. Für den Fall B gehen wir von folgenden Finanzierungsformen aus: Private Aufnahme von Fremdkapital zu einem risikolosen Zinssatz r, Reduktion eines zu diesem Zinssatz privat angelegten Kapitalbetrags, Verkauf vorhandener Wertpapiere oder Leerverkauf von Papieren. Finanzierung durch Aufnahme von Gesellschaftern mit dem Ziel der Risikoteilung wird ausgeschlossen. Zwar kann auch der Erlös aus (Leer-)Verkauf von Wertpapieren zur Finanzierung des Bewertungsobjekts herangezogen werden. Dies ist aber in der vorliegenden Arbeit nicht der wesentliche Grund für (Leer-)Verkauf. Handel mit Wertpapieren bei Kauf eines Bewertungsobjekts dient primär dem Ziel, dessen Überschuss optimal zu hedgen.

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Jedoch können bei unvollkommenem Kapitalmarkt Finanzierungsentscheidungen unter dem Aspekt der Informationsübermittlung an die Anteilseigner und/oder der Steuerung des Verhaltens der Entscheidungsträger tatsächlich Relevanz haben. Vgl. BREUER (1998, S. 119 ff.); LAUX, C. (1993) und die dort diskutierte Literatur. Die Annahme, dass Fremdkapital nur zum risikolosen Zinssatz r aufgenommen wird, impliziert, dass Gläubiger nicht am Unternehmensrisiko partizipieren. Hierdurch werden zwar einige formale Darstellungen erleichtert, jedoch wird im Rahmen des CAPM (Kapitel IV, Abschnitt 5.2) die Allgemeingültigkeit der Ergebnisse nicht eingeschränkt. Wenn es neben Aktien weitere Wertpapiere gibt, die risikobehaftete Zahlungsansprüche gegenüber dem Unternehmen verbriefen, so sind diese Teil des Marktportefeuilles und jeder Anteilseigner hält im CAPM-Gleichgewicht denselben Teil an diesen Wertpapieren wie an den Aktien. Sein Anteil am Risiko ist somit ebenso groß wie für den Fall, dass nur die Aktien des Unternehmens einen risikobehafteten Anspruch verbriefen.

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Kapitel I

4

Bewertungsmodell als Entscheidungsmodell

4.1

Zielfunktion

Grenzpreise werden oft als „Entscheidungswerte“ bezeichnet. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass sie zur Lösung eines Entscheidungsproblems dienen, nämlich, ob ein Bewertungsobjekt gekauft bzw. verkauft werden soll. Entsprechend kann ein Bewertungsproblem als Entscheidungsproblem und ein Bewertungsmodell als Entscheidungsmodell interpretiert werden. In jedem Entscheidungsmodell sind die vom Entscheider erwogenen Handlungsalternativen und deren möglichen Ergebnisse (Überschüsse) sowie seine Zielfunktion, die seine Präferenzen zum Ausdruck bringt, zu erfassen, wobei Vereinfachungen unumgänglich sind (Abschnitt 4.4). Wie erläutert, ist für den Fall A das Ziel der Marktwertmaximierung (als Annäherung an kollektive subjektive Nutzenmaximierung) relevant und für den Fall B das der individuellen subjektiven Nutzenmaximierung. Beide Ziele sind noch sehr allgemein definiert. Zum Zweck der Bewertung müssen sie präzisiert werden. Im Fall A (B) muss geklärt werden, welche Marktbewertungsfunktion (Nutzenfunktion) für die Bewertung maßgeblich ist. Je mehr Aktionen mit unterschiedlichen Risikostrukturen und je mehr Perioden im Bewertungsmodell erfasst werden, desto weiter muss der Definitionsbereich der Zielfunktion sein, um die maßgeblichen Bewertungen vornehmen zu können. Werden z.B. nur Maßnahmen im Rahmen einer gegebenen „Risikoklasse“ erwogen, so kann bei Marktwertmaximierung eventuell die Bewertung durch Diskontierung der Überschüsse mit einem einheitlichen risikoangepassten Zinssatz erfolgen. Die Formulierung einer geeigneten Bewertungsfunktion ist im Einperioden-Fall noch relativ einfach (Kapitel III bis XII): Im Mehrperioden-Fall (Kapitel XIII, XIV und XV) wird man nicht ohne radikale Vereinfachungen auskommen.

4.2

(Handlungs-)Alternativen

Grundsätzlich sind die Überschüsse eines Bewertungsobjekts nicht exogen vorgegeben, sondern hängen von den Maßnahmen ab, die damit realisiert werden. Bei der Bewertung im Fall des potenziellen Kaufs ist zu prüfen, wie sich bei Kauf und optimaler Nutzung des Bewertungsobjekts die stochastischen Überschüsse gegenüber dem Status quo (ohne Bewertungsobjekt) ändern können. Selbst wenn das Bewertungsobjekt keinen Einfluss auf die bisherigen Maßnahmen und Überschüsse hat, können umfangreiche Planungsaktivitäten geboten sein. Noch komplexere Probleme ergeben sich, wenn das Bewertungsobjekt aufgrund von Verbundeffekten (Kapitel II, Abschnitt 6) Rückwirkungen auf bisher geplante Maßnahmen (bisherige Überschüsse) haben. Im Bewertungsfall A ist der potenzielle Käufer ein börsennotiertes Unternehmen mit vielen Anteilseignern mit breit gestreuten Portefeuilles und kleinen Anteilen am Bewertungsobjekt bei dessen Kauf bzw. Verzicht auf Kauf. Hier kann die Bewertung praktisch ohne Rücksicht darauf vorgenommen werden, welche Risiken sonst noch im Unternehmen bestehen; insbesondere erübrigen sich unternehmensinterne Hedgemaßnahmen in Form von Kapitalmarkttransaktionen (die die Anteilseigner ebenso gut privat vorneh-

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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men können). Hier hat der Investor insbesondere zu prüfen, welche Objektmaßnahmen mit dem Bewertungsobjekt realisiert und welche Überschüsse damit in alternativen Umweltentwicklungen erzielt werden. Zu den Objektmaßnahmen zählen bei Kauf eines Unternehmens z.B. Produktions- und Absatzmaßnahmen, die Durchführung von Sachinvestitionen und Goodwillmaßnahmen. In dieser Arbeit wird (Realgüter-)Arbitrage durch Kauf eines Bewertungsobjekts und gleichzeitigem Verkauf zu einem höheren Preis ausgeschlossen. Ein Bewertungsobjekt wird mit dem Ziel gekauft, es produktiv zu nutzen und damit in Zukunft Überschüsse zu erwirtschaften; diese bestimmen den Grenzpreis. Ein wesentlicher Grund für den Kauf des Bewertungsobjekts kann darin bestehen, Synergieeffekte zu nutzen. Hier muss geplant werden, wie bei Kauf das Produktionsund Absatzprogramm des Unternehmens als Ganzes verändert wird (Kapitel IV bis VII, XIII und XIV). Die Änderungen der Unternehmensüberschüsse gegenüber dem Status quo (ohne Bewertungsobjekt) sind die zugerechneten Überschüsse des Bewertungsobjekts als Basis der Bewertung. Im Fall B ist es möglich, dass der Investor Eigentümer eines Unternehmens ist, so dass wiederum bei der Bewertung Synergieeffekte erfasst werden müssen. Da in diesem Fall jedoch der Investor das Risiko nicht mit anderen Gesellschaftern teilt, gewinnen nun Hedgemaßnahmen für Risiken im Leistungsbereich besondere Bedeutung. Die Produktions- und Absatzmaßnahmen bei Kauf des Bewertungsobjekts sollten explizit auch mit der Bildung eines optimalen Wertpapierportefeuilles zum Hedgen des Risikos abgestimmt werden. Hier kann der Kauf eines Realinvestitionsprojekts auch dazu dienen, das bisherige Risiko des eigenen Unternehmens zu hedgen, weil dies durch Portefeuillebildung weniger gut gelingt. Ein Bewertungsmodell impliziert allgemein weit mehr als die Anwendung finanzwirtschaftlicher Entscheidungskriterien auf gegebene stochastische Überschüsse. Vor allem bei der Bewertung ganzer Unternehmen stellen sich Grundfragen aus allen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre bzw. der Unternehmensführung: Sollen bei Kauf Spezialaggregate oder solche Mehrzweckanlagen erworben werden, die eine hohe Anpassungsfähigkeit an alternative Umweltentwicklungen bieten und mithin relativ geringe Risiken implizieren? Soll man sich auf ein spezielles Produktionsprogramm beschränken oder im Sinne der Risikoreduktion ein diversifiziertes „Portefeuille“ an Produkten erwägen? Sollen Investitionen gegenwärtig durchgeführt oder aufgeschoben werden, bis sich der Informationsstand für eine vorteilhafte Bewertung verbessert hat? Zusätzlich sind – vor allem bei individueller subjektiver Nutzenmaximierung – Wertpapiere (Derivate) und direkte Versicherungen zu erfassen, mit denen die Risiken der im Bewertungsmodell erwogenen Maßnahmen des Leistungsbereichs gehedgt werden können, z.B. Preisrisiken für Produktionsfaktoren und Absatzgüter oder mögliche Feuerschäden und Forderungsausfälle. Es ist unmittelbar einleuchtend, dass es nicht möglich ist, sämtliche Aspekte, die für den Grenzpreis eines Bewertungsobjekts in Betracht kommen, explizit im Bewertungskalkül zu erfassen; es ist notwendig, zu vereinfachen. Eine vereinfachende Vorauswahl

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Kapitel I

von Maßnahmen setzt jedoch voraus, dass die bewertungsrelevanten theoretischen Zusammenhänge bekannt sind. Konzepte der Ermittlung des Marktwertes des Bewertungsobjekts haben vor allem für den Fall A Bedeutung, in dem Marktwertmaximierung streng oder zumindest „näherungsweise“ im Einklang mit (kollektiver) subjektiver Nutzenmaximierung steht. Da unter bestimmten Voraussetzungen der individuelle subjektive Grenzpreis mit dem Marktwert übereinstimmt, können diese Konzepte auch für den Fall B Bedeutung haben. Wenn jedoch die betreffenden Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist der subjektive individuelle Grenzpreis grundsätzlich kleiner als der Marktwert. Möglicherweise kann der Investor neben dem betrachteten Bewertungsobjekt auch andere Bewertungsobjekte kaufen. Der Grenzpreis des betrachteten Bewertungsobjekts ist dann davon abhängig, ob die Bewertungsobjekte einander ausschließen oder nicht. Unter den Voraussetzungen dieser Arbeit können sich Investitionsprojekte (mit Ausnahme von Kapitel XIV, Abschnitt 13) nicht aus finanzwirtschaftlichen Gründen ausschließen (die Finanzierung hat keinen Einfluss auf die Bewertung), sondern z.B. nur aus technischen oder absatzwirtschaftlichen.

4.3

Probleme der Information

Wie erläutert, hängt der Wert eines Investitionsprojekts u.a. davon ab, welche Überschüsse damit in Zukunft erzielt werden (und – im Fall B – wie das Risiko gehedgt werden kann). Da diese zum Zeitpunkt der Bewertung noch ungewiss sind, kann sich der Investor nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil darüber bilden. Bei potenziellem Kauf eines Unternehmens z.B. können zwar in gewissen Umfang zukünftige Produktionsund Absatzmaßnahmen geplant werden. Diese und die damit verbundenen Überschüsse hängen jedoch von der für das Unternehmen maßgeblichen Umweltentwicklung ab (der Entwicklung der Nachfrage, der Kosten der Roh-, Hilfs-, und Betriebsstoffe, dem Verhalten von Konkurrenten), die im voraus nicht bekannt ist. Entsprechend können auch nur bedingte Maßnahmen und Überschüsse geplant werden (Kapitel XIII, XIV und XV). Jedoch ist das Wahrscheinlichkeitsurteil über mögliche zukünftige Umweltentwicklungen und Überschüsse nicht unveränderlich. Der Investor kann durch Beschaffung von Informationen selbst aktiv dazu beitragen, es zu verbessern. Hierbei werden „Indikatoren“ beobachtet, die Rückschlüsse zulassen. Als Indikatoren können zum Zeitpunkt der Bewertung beobachtbare objektive Daten dienen, aber auch subjektive Urteile von Informanten über zukünftige Umweltentwicklungen und Überschüsse. Objektive Indikatoren sind z.B. die Entwicklung der Unternehmensüberschüsse in den letzten Jahren, Jahresabschlüsse, Marktanteile der Produkte des Unternehmens, Produkteigenschaften, Kundenstruktur, „Größe“ und Zahl der Konkurrenten und Berichte in Zeitungen. Im Allgemeinen sind nicht nur Informationen bezüglich der Überschüsse des Bewertungsobjekts zu erwägen, sondern – insbesondere bei individueller subjektiver Bewertung – auch die Überschüsse möglicher Hedgemaßnahmen. In Betracht kommen z.B. Informationen über mögliche Versicherer und deren Konditionen und über mögliche

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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Kursentwicklungen von Wertpapieren, die für Hedgemaßnahmen in Betracht gezogen werden. Die Beschaffung von Informationen ist im Allgemeinen nicht kostenlos. Kosten entstehen in Form von Ausgaben und/oder durch Einsatz von Arbeit und Zeit (Opportunitätskosten). Unter Umständen können bestimmte Aktionen nicht mehr realisiert werden, wenn erst umfangreiche Informationen über deren Konsequenzen eingeholt werden. Die Entscheidung darüber, ob bestimmte Informationen beschafft werden sollen oder nicht, erfordert daher ein Abwägen ihrer Kosten und ihres Wertes. Dabei ist der Informationswert gleich demjenigen kritischen Kostenbetrag, bei dem die Beschaffung der Informationen, also die Beobachtung der betreffenden Indikatoren, weder vorteilhaft noch nachteilig ist. Sind die tatsächlichen Kosten niedriger (höher) als der Informationswert, ist die Informationsbeschaffung vorteilhaft (nachteilig).13 Sofern der Investor keine weiteren Informationen einholt, bildet er sich sein Wahrscheinlichkeitsurteil über die künftigen Überschüsse auf der Basis seines bisherigen Informationsstandes (a priori-Wahrscheinlichkeiten) und nimmt die entsprechende Bewertung vor. Im Fall der Informationsbeschaffung korrigiert er den neuen Kenntnissen entsprechend sein bisheriges Wahrscheinlichkeitsurteil und nimmt jene Bewertung vor, die sich im Licht der revidierten Wahrscheinlichkeiten (der sogenannten a posterioriWahrscheinlichkeiten) als zielführend erweist. Der Wert potenzieller Informationen kann nur dann positiv sein, wenn der Wert des Bewertungsobjekts von den Ausprägungen der beobachteten Indikatoren, d.h. vom Informationsergebnis, abhängt. Da bei der Informationsbewertung die Ausprägungen der betreffenden Indikatoren noch nicht bekannt sind, ist dann natürlich auch nicht bekannt, welcher Wert dem Bewertungsobjekt nach Information beigemessen wird. Dieser Wert streut um den Wert vor Information. Der Informationswert resultiert letztlich daraus, dass Fehlentscheidungen in dem folgenden Sinn vermieden werden: 1. Ist der dem Bewertungsobjekt nach Information zugerechnete Wert höher als der Wert vor Information, so erweist sich möglicherweise der Kauf des Bewertungsobjekts als vorteilhaft, während es ohne die Information nicht gekauft worden wäre. 2. Ist der nach Information zugerechnete Wert niedriger als der vor Information, erweist sich möglicherweise dessen Kauf als nachteilig, während es bei Verzicht auf Information gekauft worden wäre. Je mehr der Wert des Bewertungsobjekts nach Information um den vor Information streut, desto größer ist tendenziell der Wert der Informationen. Es ist zu beachten, dass der Informationswert eine subjektive, keine objektive Größe ist; er hängt davon ab, welche Handlungsalternativen der Investor erwägt, welche Überschüsse sie aus seiner Sicht in den möglichen Zuständen bieten, welche subjektiven Wahrscheinlichkeiten er diesen Zuständen bei seinem bisherigen Informationsstand zuordnet, welche Wahrscheinlichkeitsvorstellungen er bezüglich der möglichen Informationsergebnisse hat und welche Rückschlüsse er aus ihnen zieht. Diese Rückschlüsse hängen ihrerseits davon ab, wie er den stochastischen Zusammenhang zwischen den In13

Zur Ermittlung des Informationswertes und der Analyse seiner Höhe vgl. z.B. LAUX (2007, S. 337 ff.).

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Kapitel I

formationsergebnissen und den möglichen Umweltzuständen einschätzt. (Bei stochastischer Unabhängigkeit z.B. stimmen bei jedem Informationsergebnis die a posterioriWahrscheinlichkeiten für die Umweltzustände mit den a priori-Wahrscheinlichkeiten überein.) Für Individuen mit unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten und Wahrscheinlichkeitsvorstellungen können die Informationswerte erheblich voneinander abweichen. Abweichungen mögen auch daraus resultieren, dass im Rahmen eines Informationswertkalküls bzw. bei der Schätzung des Informationswertes unterschiedliche Vereinfachungen vorgenommen werden. Mit Hilfe der Informationsproblematik kann verdeutlicht werden, warum Unternehmenswerte grundsätzlich keine Preise sind, zu denen Unternehmen wie Gegenstände mit objektiv überprüfbaren Eigenschaften (wie etwa Gebrauchtwagen) „gehandelt“ werden. Zwar können auch bei einem Unternehmen objektive Wertkomponenten wie der Zustand von Gebäuden und Produktionsanlagen, die Lage und Größe von Grundstücken, Jahresabschlüsse (PENMAN, 2007) und dergleichen mehr direkt überprüft werden. Jedoch werden mit dem Unternehmen vor allem auch Handlungsspielräume erworben, die implizieren können, dass der Wert weit über dem reinen Substanzwert liegt. Der mit dem Unternehmen verbundene originäre Wert bzw. die betreffenden Wertgeneratoren können nicht unmittelbar, sondern nur über Indikatoren beobachtet werden, deren Überprüfung hohe Kosten verursachen und die (ohne Zusatzinformationen) nur schwache Rückschlüsse zulassen. Aufgrund unterschiedlicher Informationsbeschaffungsmöglichkeiten, Informationskosten und Schlussfolgerungen (Interpretationen) können c.p. verschiedene Bewerter zu sehr verschiedenen Grenzpreisen kommen. Zwar mag der potenzielle Verkäufer über einen guten Informationsstand bezüglich des Erfolgspotenzials des Unternehmens verfügen. Jedoch haben seine geäußerten subjektiven Urteile über zukünftige Überschüsse deshalb einen geringen Informationsgehalt, weil er ein Interesse daran hat, das Erfolgspotenzial besser darzustellen, als es tatsächlich ist. Er kann die Bewertung für potenzielle Käufer erleichtern oder verbessern, indem er ihnen überprüfbare Informationen gibt. Immerhin besteht dann die Gefahr, dass er „negative“ Informationen vorenthält. Andererseits besteht auch die Gefahr, dass sich der potenzielle Käufer eingehend über Unternehmen und Strategien informieren lässt und dann auf den Unternehmenskauf verzichtet, um die gewonnen Informationen und Ideen eigennützig zu verwerten. Der potenzielle Verkäufer wird dies antizipieren und seine Informationen nur mit Vorsicht preisgeben. Wenn in einem Unternehmen erwogen wird, eine reine Produktionsanlage zu kaufen, hat das Informationsproblem grundsätzlich einen anderen Charakter. Der Wert resultiert dann ausschließlich daraus, dass das Bewertungsobjekt Produktionsmöglichkeiten eröffnet und eventuell zu einem zukünftigen Liquidationserlös führt. Hier erfolgt die Bewertung ausschließlich auf der Grundlage von Informationen über die Produktions- und Absatzmöglichkeiten im „eigenen“ Unternehmen. Die bereits vorhandenen Informationen können ausreichen, eine gute Bewertung vorzunehmen. Vor deren Hintergrund kann es auch besser möglich sein, zielgerichtet zusätzliche bewertungsrelevante Infor-

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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mationen zu beschaffen und Informationsergebnisse zu interpretieren als bei Kauf eines Unternehmens. Für den Investor stellt sich grundsätzlich nicht nur das Problem, welche Informationen er beschaffen soll, um eigene Entscheidungen zu fundieren, sondern auch, welche Informationen er potenziellen Kooperationspartnern geben soll, um mit ihnen vorteilhafte (langfristige) Verträge abschließen zu können. In der vorliegenden Arbeit spielen Kooperationspartner für Leerverkäufe von Wertpapieren eine besondere Rolle (Kapitel IV, Abschnitt 2.2). Bei Leerverkauf besteht aus Sicht des Käufers oder Verleihers der Papiere vor allem dann die Gefahr, dass der Leerverkäufer seine Verpflichtungen nicht erfüllt, wenn dieser nur geringe Sicherheiten bieten kann und seinen Verpflichtungen mit zukünftigen Überschüssen des Bewertungsobjekts zu erfüllen verspricht. Hier stellt sich das Problem, potenziellen Käufern oder Verleihern der Papiere gehaltvolle und überprüfbare Informationen über diese Überschüsse zu geben, um Leerverkäufe zu ermöglichen. Vor allem bei Unternehmensgründungen zur Verwirklichung innovativer Ideen oder Erfindungen dürften entsprechende Indikatoren kaum existieren. Abgesehen davon kann allgemein die Übermittlung „hinreichender“ Informationen prohibitiv hohe Kosten verursachen. Informationsasymmetrien und/oder unterschiedliche Schlussfolgerungen aus Informationen können zu erheblichen Beschränkungen von Leerverkäufen führen, die – wie vor allem in den Kapiteln XI, XII und XV gezeigt wird – Rückwirkungen auf die individuelle subjektive Bewertung haben.

4.4

Problem der Komplexitätsreduktion bei der Bewertung

Bei der Konstruktion eines Bewertungsmodells müssen stets Vereinfachungen vorgenommen werden, weil sonst die Kosten der Planung zu hoch werden oder die Planungskapazität nicht ausreicht. Dabei ergibt sich das Problem, in welcher Weise Vereinfachungen vorgenommen werden sollen. Dies ist das Problem des „optimalen Komplexionsgrades“, das sich grundsätzlich für jedes Entscheidungsmodell und jede Bewertungstechnik stellt (Kapitel XIII, Abschnitt 4, Kapitel XIV, Abschnitt 11, und Kapitel XV, Abschnitt 6). Die Vereinfachung kann z.B. in der Weise erfolgen, dass mögliche Umweltentwicklungen vernachlässigt werden, zustandsabhängige Überschüsse oder die Erwartungswerte von Überschüssen nur pauschal geschätzt werden (z.B. durch Extrapolation in der Vergangenheit realisierter Überschüsse und Gewinne in die Zukunft) oder die für die Ermittlung eines subjektiven individuellen Grenzpreises maßgebliche Nutzenfunktion nur bruchstückhaft identifiziert wird. Eine tatsächliche Vereinfachung wird nur erreicht, wenn die Auswirkungen von Vereinfachungen nicht theoretisch "exakt" ermittelt, sondern nach subjektivem Ermessen geschätzt werden. Aufgrund der Notwendigkeit der Vereinfachung ist es nicht ohne weiteres sinnvoll, den vom Bewertungsmodell ausgewiesenen Wert zu akzeptieren. Vielmehr stellt sich folgendes Entscheidungsproblem: Soll im Licht von Informationen, die nicht explizit in das Modell eingegangen sind, der Wert direkt revidiert und auf der betref-

26

Kapitel I

fenden Basis über Kauf bzw. Verkauf des Bewertungsobjekts entschieden werden? Soll das Modell seinerseits revidiert und ein neuer (vorläufiger) Wert ermittelt werden? Bei der Anwendung von Bewertungsmodellen geht es – wie bei jeder anderen Form der Informationsbeschaffung auch – um ein Abwägen von Wert und Kosten der Informationen. Dabei ist es bei gegebenen Planungskosten nicht ohne weiteres sinnvoll, eine möglichst „realitätsnahe“ oder „originalgetreue“ Abbildung im Modell vorzunehmen. Es geht primär darum, das Modell so zu formulieren, dass seine Lösung gute Rückschlüsse auf den Wert ermöglicht. Werden im Modell als bewertungsrelevant vermutete Sachverhalte vernachlässigt (um die Kosten zu reduzieren), kann es sinnvoll sein, noch weitere Vereinfachungen vorzunehmen, um „Wertverzerrungen“ vorzubeugen.14 Da sowohl bei der Informationsbeschaffung als auch der -verarbeitung subjektive Ermessensentscheidungen getroffen werden, ist der für ein Bewertungsobjekt ermittelte Wert stets subjektiv geprägt, auch wenn er als „objektivierter“ Marktwert ermittelt wurde.

5

Grundformen der Bewertung gegebener stochastischer Überschüsse

5.1

Unternehmen als Bewertungsobjekt

Im Folgenden werden Grundformen der Bewertung dargestellt und verglichen, die in Literatur und Praxis eine besondere Rolle spielen. Da sich die Bewertungsliteratur (vgl. Abschnitt 7) vorwiegend mit der Bewertung ganzer Unternehmen befasst, wird ohne Einschränkung der Allgemeinheit davon ausgegangen, das Bewertungsobjekt sei ein Unternehmen; die Darstellungen gelten z.T. unmittelbar für beliebige Bewertungsobjekte. Für den Bewertungsfall A ist der Grenzpreis des Unternehmens gleich dem Marktwert seiner zukünftigen Überschüsse. Für den Fall B ist zwar allgemein der individuelle subjektive Grenzpreis als Preisober- oder -untergrenze relevant. Er stimmt jedoch (wie in Abschnitt 6.1 und ausführlicher in den Kapiteln XI, XII und XV erläutert wird) unter speziellen Kapitalmarktbedingungen mit dem Marktwert des Bewertungsobjekts überein. Für ein mit Fremdkapital finanziertes Unternehmen sind im Prinzip zwei Marktwerte relevant, der Marktwert des Unternehmens als Ganzes (der Marktwert des „Gesamtkapitals“) und der sich durch Subtraktion des Fremdkapitals ergebende Marktwert des „Eigenkapitals“ (bei einem börsennotierten Unternehmen der Börsenwert der Aktien).

14

In LAUX (2007, S. 373) wird die Konstruktion von Entscheidungsmodellen als Vorentscheidungsproblem untersucht. Im Vordergrund steht dabei die Diskussion der Möglichkeiten und Konsequenzen von Modellvereinfachungen. Zugleich werden Grenzen der Anwendung des entscheidungstheoretischen Instrumentariums im Hinblick auf die Lösung des Vorentscheidungsproblems verdeutlicht. Von Modellvereinfachung wird im Folgenden nicht nur dann gesprochen, wenn ein bereits konkret vorliegendes Modell nachträglich vereinfacht wird; eine Modellvereinfachung erfolgt in der Regel in der Weise, dass von vornherein darauf verzichtet wird, ein komplexeres Modell zu formulieren. Zur Vereinfachung bei der Unternehmensbewertung vgl. BALLWIESER (1990).

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

27

Bei den folgenden Darstellungen in diesem Kapitel bleibt – wie oft auch in der Bewertungsliteratur – offen, wie die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der zukünftigen Überschüsse des Bewertungsobjekts ermittelt werden. In den Kapiteln XIII, XIV und XV wird gezeigt, wie simultan mit dem Wert die optimalen Maßnahmen und Überschüsse für den Fall des Kaufs ermittelt werden können.

5.2

Abgrenzung von Leistungs-, Finanz- und neutralem Bereich

Bei der Analyse von Bewertungsproblemen kann es zweckmäßig sein, zwischen den Aktivitäten und Vermögenswerten des „Finanzbereichs“, des „Leistungsbereichs“ (des operativen Bereichs) und des „neutralen“ (oder des „nicht betriebsnotwendigen“) Bereichs eines Unternehmens zu unterscheiden. Solche Abgrenzungen werden auch in Literatur und Praxis vorgenommen. Jedoch sind sie nicht einheitlich. Welche Abgrenzungen zwischen diesen Bereichen sinnvoll sind (ob zum Beispiel der „neutrale“ Bereich überhaupt als eigenständiger Bereich definiert werden soll), hängt von der Problemstellung und den als sinnvoll angesehenen Lösungen ab. Der Leistungsbereich enthält alle Aktivitäten und Vermögenswerte, die dem eigentlichen „Sachziel“ des Unternehmens dienen. Auch diese Definition ist noch nicht eindeutig. Im Folgenden wird als „Sachziel“ die Produktion und der Absatz von Sachgütern und Dienstleistungen verstanden. Entsprechend enthält der positive oder negative Überschuss des Leistungsbereichs (der Free Operating Cashflow) zum Beispiel Einzahlungen aus dem Verkauf von Gütern und Leistungen und der Liquidation von Produktionsanlagen und Auszahlungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Personal und für die Anschaffung von Investitionen; es handelt sich also um einen Netto Cashflow. Der Finanzbereich umfasst die Anlage und Aufnahme von Kapital zum risikolosen Zinssatz r sowie den Handel mit riskanten Wertpapieren. Der Überschuss des Finanzbereichs enthält neben direkten Ausgaben und Erlösen aus einem Handel mit riskanten Wertpapieren, Einzahlungen in Form von Dividenden und Zinsen, Einzahlungen aus einer Kreditaufnahme oder einer Reduktion eines zum Zinssatz r angelegten Betrages, Auszahlungen an Gläubiger in Form von Schuldtilgungen und Zinsen und Auszahlungen aus einer Anlage von Kapital zum Zinssatz r. Alle Maßnahmen und (Sach-)Vermögensgüter, die weder dem Leistungsbereich noch dem Finanzbereich zugerechnet werden, wie etwa Vermietung und Verpachtung, stillgelegte Produktionsanlagen oder nicht betrieblich genutzte Grundstücke zählen zum „neutralen“ Bereich. Wenn – wie in dieser Arbeit angenommen wird – keine Kassenhaltung erfolgt, wird die Summe aus den Überschüssen der drei Bereiche an die Anteilseigner ausgeschüttet. (Ist die Summe negativ, erfolgt eine Eigenkapitaleinlage.) Wenn der Finanzbereich nur Fremdkapitalaufnahme enthält und kein neutraler Bereich existiert, gilt für jede Periode: Die Ausschüttung ist gleich dem Überschuss des Leistungsbereichs abzüglich der Zinsen auf das Fremdkapital zu Beginn der Periode und der Tilgung von Schulden und zuzüglich einer Neuverschuldung. Wie gesagt, sind die Grenzen zwischen den drei Bereichen nicht a priori (ihrem „Wesen“ nach) eindeutig festgelegt, sondern problemabhängig. Für einen Finanzdienstleister

28

Kapitel I

kann gerade auch der Wertpapierhandel zum Leistungsbereich gehören. Im Rahmen der folgenden Darstellungen wird die Aufteilung vor allem unter dem Aspekt der Bewertung vorgenommen. Wie noch ersichtlich wird, kann bei unterschiedlichen Risikostrukturen der Überschüsse in den drei verschiedenen Bereichen die getrennte Bewertung und Addition der einzelnen Marktwerte wesentlich einfacher sein, als eine einheitliche Bewertung.

5.3

Zur Ermittlung eines Marktwertes15

5.3.1

Entity- und Equity-Ansatz als Konzepte der Unternehmensbewertung

Für die Ermittlung des Wertes eines Unternehmens zum Zeitpunkt 0 aus Sicht des Alleineigentümers oder der Gesellschafter bieten sich zwei Grund-Konzepte an, der Entity-Ansatz (oder Brutto-Ansatz) und der Equity-Ansatz (oder NettoAnsatz), eine Unterscheidung, die vor allem für den Mehrperioden-Fall von Bedeutung ist. Beim Entity-Ansatz wird der Marktwert M0 des Unternehmens nach Ausschüttung (zum Zeitpunkt 0) und Abzug des Fremdkapitals (der Marktwert des „Eigenkapitals“ oder der sogenannte „Shareholder value“) wie folgt ermittelt: (I.1)

Marktwert des Leistungsbereichs: Ermittelt als Marktwert der zukünftigen Überschüsse dieses Bereichs (MZÜL0)

M0 = +

Marktwert des Finanzbereichs ohne Fremdkapital: Zum risikolosen Zinssatz r angelegter Kapitalbetrag (AB0) zuzüglich des Marktwertes (Börsenwertes) eines zum Zeitpunkt 0 vorhandenen Bestandes an riskanten Wertpapieren

+

Marktwert des neutralen (des nicht betriebsnotwendigen) Sachvermögens



Fremdkapital (FK0).

AB0 und FK0 beziehen sich hier auf den Zeitpunkt 0 unmittelbar nach Realisation sämtlicher Zahlungsvorgänge im Unternehmen (auch der Ausschüttung und des Überschusses des Leistungsbereichs zum Zeitpunkt 0). Da zukünftige Kapitalmarkttransaktionen im Unternehmen (Anlage oder Aufnahme von Kapital zum Zinssatz r, Handel mit riskanten Wertpapieren) keinen Einfluss auf M0 haben, werden sie im Entity-Ansatz nicht erfasst. Die Marktwertneutralität dieser Trans-

15

Vgl. zu dem Überblick im vorliegenden Abschnitt und in Abschnitt 5.4 die umfassenderen Darstellungen in BALLWIESER (2004); BORN (2003); BRAUN (2005); COPELAND/COLLER/SHASTRI (2008, S. 620-693); COENENBERG/SCHULTZE (2002); COPELAND/KOLLER/MURRIN (1993); DRUKARCZYK (2003); HACHMEISTER (2000); HOMMEL/BRAUN (2002; 2005); HERING (2006); LAUX (2006a, Kapitel XII); MANDL/RABEL (1997); MOXTER (1983); RAPPAPORT (1986); SIEBEN/SCHILDBACH (1979).

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

29

aktionen resultiert daraus, dass die jeweils zu leistende Anschaffungsauszahlung mit dem Marktwert der Rückflüsse (Zinsen, Dividenden und Verkaufserlöse) übereinstimmt; der Marktwert unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung ist jeweils gleich null. Beim Equity-Ansatz wird M0 direkt auf der Basis der zukünftigen Ausschüttungen des Unternehmens ermittelt. In der Praxis sind zwar beide Ansätze verbreitet, jedoch wird bei der Ermittlung des Marktwertes M0 der Entity-Ansatz gegenüber dem Equity-Ansatz vorgezogen. Dies kann u.a. damit erklärt werden, dass bei der Bewertung von Voraussetzungen ausgegangen wird, unter denen der Risikostruktur der Überschüsse des Leistungsbereichs einfacher Rechnung getragen werden kann als der der Ausschüttungen, die bei gegebener Risikostruktur der Überschüsse des Leistungsbereichs von den grundsätzlich hiervon abweichenden Risikostrukturen des Finanzbereichs und des neutralen Bereichs (der Ausschüttungspolitik) des Unternehmens abhängt (Kapitel XIV).

5.3.2

Bewertung nach dem Entity-Ansatz

5.3.2.1 Marktwert des Leistungsbereichs als Marktwert eines Duplikationsportefeuilles Im Folgenden soll erläutert werden, wie der Marktwert der Überschüsse des Leistungsbereichs ermittelt werden kann. Die Darstellungen gelten zwar analog für den neutralen Bereich. Jedoch kann der Marktwert des neutralen Bereichs häufig in einfacher Weise hinreichend genau geschätzt werden, etwa auf der Basis der Verkehrswerte von Grundstücken und Gebäuden, den Veräußerungswerten von stillgelegten Anlagen oder von korrigierten Buchwerten. Wenn die zukünftigen Überschüsse des Leistungsbereichs durch Portefeuillebildung dupliziert werden können, kann (wenn vom Planungsaufwand abgesehen wird) deren Marktwert als Marktwert des Duplikationsportefeuilles ermittelt werden. Das Duplikationsportefeuille ist ein (statisches oder dynamisches) Portefeuille aus Wertpapieren, das in Zukunft dieselben Überschüsse aufweist wie der Leistungsbereich. Dabei resultieren die Überschüsse des Portefeuilles aus Einzahlungen in Form von Zinsen, Dividenden und Verkaufserlösen von Wertpapieren und (im Mehrperioden-Fall auch) aus zukünftigen Auszahlungen für den Kauf von Wertpapieren. In Kapitel IV, Abschnitt 3.2.2, wird gezeigt, wie für den Einperioden-Fall ein Duplikationsportefeuille ermittelt werden kann (statische Duplikation). In Kapitel XIV, Abschnitt 2, werden die Darstellungen auf den Mehrperioden-Fall erweitert (dynamische Duplikation).

30

Kapitel I

Der Rückgriff auf den Marktwert des Duplikationsportefeuilles impliziert, dass die Marktbewertung des Leistungsbereichs nach den gleichen Prinzipien erfolgt wie Bewertung von Wertpapieren oder Portefeuilles von Wertpapieren.16 Damit die Duplizierbarkeit der Überschüsse in jedem Fall gelingt, muss der Kapitalmarkt „vollständig“ sein. Je nach der Wahrscheinlichkeitsverteilung bezüglich der Überschüsse kann jedoch auch bei unvollständigem Kapitalmarkt die Bedingung der Duplizierbarkeit für die Überschüsse des Leistungsbereichs erfüllt sein. Die Ermittlung eines Duplikationsportefeuilles kann vor allem im Mehrperioden-Fall einen hohen Aufwand verursachen. Eventuell kann die Bewertung vereinfacht werden, indem man auf den bekannten Marktwert einer realen „Vergleichsinvestition“ (eines „Vergleichsunternehmens“) zurückgreift. 5.3.2.2 Bewertung auf der Basis einer „Vergleichsinvestition“ Angenommen, es sei eine Vergleichsinvestition mit der folgenden Eigenschaft gegeben: Für jeden Umweltzustand ist der Überschuss des Leistungsbereichs des zu bewertenden Unternehmens das x-fache des Überschusses der Vergleichsinvestition (x > 0). Es gilt dann die Gleichung: Marktwert der Überschüsse des Leistungsbereichs = x · Marktwert der Vergleichsinvestition. Man könnte den Marktwert des Leistungsbereichs auch ermitteln, indem man denjenigen (internen) Zinssatz bestimmt, bei dem der Barwert der Erwartungswerte der Überschüsse der Vergleichsinvestition mit deren (bekanntem) Marktwert übereinstimmt, und mit diesem Zinssatz die erwarteten Überschüsse des Leistungsbereichs des zu bewertenden Unternehmens diskontiert. Jedoch ist dieses Bewertungskonzept zu umständlich; der Marktwert des Leistungsbereichs ist einfach das x-fache des Marktwertes der Vergleichsinvestition. Da eine einheitliche proportionale Beziehung zwischen den Überschüssen des Leistungsbereichs und der Vergleichsinvestition besteht, fallen beide in die gleiche „Risikoklasse“ mit einheitlichen Bewertungsprinzipien. Jedoch wird eine solche Vergleichsinvestition, die in diesem strengen Sinn in die gleiche Risikoklasse fällt, allenfalls „näherungsweise“ existieren. Jedoch ist möglicherweise eine Vergleichsinvestition bekannt, die zwar nicht streng in die gleiche Risikoklasse fällt wie der Leistungsbereich, jedoch nur Abweichungen relevant sind, für die gilt: Der Markt zinst wie bei streng gleicher Risikoklasse die Überschüsse des Leistungsbereichs mit demselben risikoangepassten Zinssatz ab wie die Überschüsse der Vergleichsinvestition (Kapitel XIV, Abschnitte 6 und 7). Der risikoangepasste Zinssatz der Vergleichsinvestition ergibt sich als interner Zinsfuß der Investition „Kauf der Vergleichsinvestition“ zu ihrem (bekannten) Marktwert. Der interne Zinsfuß ist derjenige Zinssatz, bei dem der Barwert der Erwartungswerte der zukünftigen Überschüsse der Vergleichsinvestition mit ihrem Marktwert übereinstimmt. Der Investor muss diese Erwartungswerte kennen, da er sonst nicht beurteilen kann, ob der „Markt“ hohe Erwartungswerte mit einem hohen risikoangepassten Zinssatz diskontiert oder niedrige Erwartungswerte mit einem niedrigen; der bewertungsrelevante risikoangepasste Zinssatz könnte nicht eindeutig aus der Marktbewertung des Vergleichsunternehmens hergeleitet werden. 16

Der Kapitalmarkt muss „arbitragefrei“ sein (Kapitel IV, Abschnitt 3).

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

31

Wenn keine geeignete reale Vergleichsinvestition bekannt ist und auch die Duplikation durch Portefeuillebildung nicht möglich ist oder einen prohibitiv hohen Aufwand verursacht, benötigt man ein Modell, das die Preisbildung auf dem Kapitalmarkt eigenständig erklärt und nicht gesuchte Marktwerte aus bekannten Marktwerten herleitet. 5.3.2.3 Discounted Cashflow-Methode (Risikozuschlags-Methode) Beim Discounted Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren) werden die Erwartungswerte der zukünftigen Überschüsse des Leistungsbereichs mit einem kapitalmarktorientierten risikoangepassten Kalkulationszinsfuß diskontiert (Kapitel IV, Abschnitt 5.4, Kapitel VI, Abschnitt 3.1.2, Kapitel XIV, Abschnitte 5.3, 6 und 7). Er wird i.d.R. in der Weise ermittelt, dass auf der Basis kapitalmarkttheoretischer Überlegungen der risikolose Zinssatz r, der sogenannte Basiszins, um einen Zuschlag bzw. Abschlag (oder um periodenabhängige Zuschläge bzw. Abschläge) korrigiert wird. Da für die Bewertung i.d.R. Zuschläge maßgeblich sind, spricht man auch von Risikozuschlags-Methode. In der Praxis wird im Allgemeinen der risikoangepasste Zinssatz aus dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) hergeleitet (Kapitel IV, VI, VII und XIV). Das CAPM ist ein einperiodiges Modell zur Erklärung der Gleichgewichtspreise riskanter Wertpapiere (Kapitel IV, Abschnitt 5).17 Es beruht unter anderem auf der Annahme, dass alle Investoren auf dem Kapitalmarkt homogene Erwartungen über die Preise dieser Papiere am Ende der Periode (einschließlich Zinsen und Dividenden) haben, sich am (ȝ,ı)-Prinzip (Kapitel II, Abschnitt 2.3.2) orientieren und risikoavers sind. Alle Investoren halten im Gleichgewicht des CAPM einen Anteil am „Marktportefeuille“ das alle riskanten Wertpapiere umfasst. Die („ideal“ gehedgten) Portefeuilles der Anteilseigner unterscheiden sich nicht in ihrer Struktur, sondern allenfalls in ihrem Umfang; je geringer die Risikoaversion eines Investors im Vergleich zu den Risikoaversionen der anderen Investoren ist, desto größer ist sein Anteil am Marktportefeuille. 5.3.2.4 Sicherheitsäquivalent-Methode (Risikoabschlags-Methode) Bei der Sicherheitsäquivalent-Methode werden die Sicherheitsäquivalente der zukünftigen Überschüsse des Leistungsbereichs mit dem risikolosen Zinssatz r diskontiert (Kapitel IV, Abschnitt 5.3, Kapitel VI, Abschnitt 3.1.1, Kapitel XIV, Abschnitt 5.2). Das Sicherheitsäquivalent eines ungewissen Überschusses ist derjenige sichere Überschuss, der dem ungewissen gleichwertig ist, d.h. hier denselben Marktwert aufweist. Die Sicherheitsäquivalent-Methode wird in der Praxis 17

Zu den restriktiven Bedingung, unter denen der aus dem einperiodigen CAPM hergeleitete risikoangepasste Zinssatz für die Bewertung im Mehrperioden-Fall geeignet ist, vgl. Kapitel XIV, Abschnitte 6 und 7.

32

Kapitel I

vorwiegend bei der Ermittlung individueller subjektiver Grenzpreise (sogenannter „Ertragswerte“) angewendet, während für die Ermittlung von Marktwerten die Risikozuschlags-Methode vorgezogen wird. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Sicherheitsäquivalente kleiner als die Erwartungswerte der Überschüsse sind, so dass von den Erwartungswerten „Risikoabschläge“ vorgenommen werden müssen, um die Sicherheitsäquivalente zu erhalten. Daher wird die Sicherheitsäquivalent-Methode auch als Risikoabschlags-Methode bezeichnet. Die Risikoabschläge werden als geforderte Risikoprämien bezeichnet. In der traditionellen Bewertungsliteratur wird angenommen, die Sicherheitsäquivalente für verschiedene Zeitpunkte könnten unabhängig voneinander und unabhängig vom Kaufpreis (oder Verkaufserlös) ermittelt werden. Diese Annahme kann zwar bei der Ermittlung von Marktsicherheitsäquivalenten (von Marktwerten) gerechtfertigt sein (Kapitel XIV, Abschnitt 5.2). Bezüglich der Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises ist sie jedoch nur bei speziellen Klassen von Nutzenfunktionen für Überschüsse erfüllt (Kapitel II, Abschnitt 5.8 und Kapitel XV, Abschnitt, 3.1.2). In den nachfolgenden Kapiteln wird untersucht, wie individuelle subjektive Sicherheitsäquivalente und Marktsicherheitsäquivalente ermittelt werden können und wie sie von ihren Determinanten abhängen. Dabei wird sich zeigen, dass auch bei Risikoaversion die Sicherheitsäquivalente nicht ohne weiteres kleiner sind als die Erwartungswerte. Die Sicherheitsäquivalente hängen nicht nur von der Stochastik der zu bewertenden Überschüsse ab, sondern auch von den Überschüssen, die zusätzlich erzielt werden. Ihr Einfluss auf die Sicherheitsäquivalente kann sehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob die Bewertung für ein börsennotiertes Unternehmen erfolgt, dessen Anteilseigner breit gestreute Wertpapierportefeuilles halten und in relativ geringem Maße an den Überschüssen des Bewertungsobjekts beteiligt sind, oder für einen individuellen Investor, der die Überschüsse nicht direkt mit anderen teilt und sie weniger gut hedgen kann. Obwohl in der Praxis bei der Ermittlung von Marktwerten die Risikozuschlags-Methode der Sicherheitsäquivalent-Methode vorgezogen wird, hat auch die Bewertung auf Basis von Marktsicherheitsäquivalenten große theoretische und praktische Bedeutung. Zum einen kann sie einen wesentlich geringeren Planungsaufwand verursachen als die korrekte Anwendung der Risikozuschlags-Methode. Zum anderen kann sie als Grundlage zur Analyse von Anwendungsvoraussetzungen der Risikozuschlags-Methode für die Marktbewertung dienen (Kapitel VI, VII und XIV). In der vorliegenden Arbeit findet die Sicherheitsäquivalent-Methode auch deshalb besondere Beachtung, weil der Vergleich von Marktsicherheitsäquivalenten und individuellen subjektiven Sicherheitsäquivalenten eine anschauliche Analyse von Abweichungen zwischen Marktwerten und individuellen subjektiven Grenzpreisen von Bewertungsobjekten ermöglicht.18 18

Natürlich existieren in jeder Entscheidungssituation Beträge für die „Sicherheitsäquivalente“ und die „risikoangepassten Zinssätze“, bei denen aus beiden Methoden derselbe „Wert“ resultiert. Das gilt nicht nur für die Marktbewertung, sondern auch für die individuelle subjektive Bewertung. Jedoch ist zu bedenken, dass die Methoden Regeln für die Ermittlung der Sicherheitsäquivalente bzw. der Zinssätze enthalten. Bei deren beliebiger Ermittlung – um „Wertäquivalenz“ zu erhalten – bliebe von bei-

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

5.3.3

33

Bewertung nach dem Equity-Ansatz

Wie erläutert, wird beim Equity-Ansatz der Marktwert der Aktien (der Marktwert des Eigenkapitals) direkt auf Basis der zukünftigen Ausschüttungen des Unternehmens ermittelt. Dabei sind im Prinzip die gleichen Bewertungskonzepte maßgeblich wie für die Überschüsse des Leistungsbereichs. Bei Duplizierbarkeit der zukünftigen Ausschüttungen kann im Prinzip der Marktwert der Aktien als Marktwert eines Duplikationsportefeuilles ermittelt werden, das in jedem zukünftigen Umweltzustand einen Überschuss in Höhe der Ausschüttung bietet. Die Bildung eines Duplikationsportefeuilles für zukünftige Ausschüttungen erfordert allerdings Informationen über die Ausschüttungspolitik des Unternehmens, die im Grunde überflüssig sind. Da (ohne Steuern) die Ausschüttungspolitik (die Änderung der Ausschüttungen durch Anlage und Aufnahme von Kapital zum risikolosen Zinssatz und/oder durch Handel mit riskanten Wertpapieren) keinen Einfluss auf den Marktwert des Eigenkapitals hat, ist die Bewertung einfacher, wenn das Duplikationsportefeuille für die Überschüsse des Leistungsbereichs gebildet wird und der entsprechende Marktwert gemäß Formel (I.1) korrigiert wird, also der Entity-Ansatz zugrunde gelegt wird. Auch die Bewertung auf Basis der Sicherheitsäquivalent- oder der Risikozuschlagsmethode dürfte einfacher sein, wenn man von den Überschüssen des Leistungsbereichs ausgeht und nicht explizit die Ausschüttungen zugrunde legt. Zur näheren Erläuterung dient die Risikozuschlagsmethode. Bei Zugrundelegung des Equity-Ansatzes wird im Allgemeinen analog zur Ermittlung des Marktwertes der Überschüsse des Leistungsbereichs beim Entity-Ansatz vereinfacht, indem die Erwartungswerte der Ausschüttungen mit einem periodeneinheitlichen risikoangepassten Kalkulationszinsfuß, dem Eigenkapitalkostensatz bzw. der „Renditeforderung“ der Anteilseigner, diskontiert werden, wobei dieser Kapitalkostensatz aus dem einperiodigen CAPM hergeleitet wird. Während jedoch der für den Marktwert des Leistungsbereichs maßgebliche Zinssatz unabhängig davon ist, welche Maßnahmen im Finanzbereich und im neutralen Bereich durchgeführt werden, ist die Risikostruktur der Ausschüttungen und mithin auch der risikoangepasste Eigenkapitalkostensatz von diesen Maßnahmen abhängig; alle drei Bereiche müssen beim Equity-Ansatz als Einheit betrachtet werden. Die (vereinfachende) Annahme einer gegebenen Risikoklasse mit gegebenem risikoangepasstem Kalkulationszinsfuß ist für die Ausschüttungen wesentlich problematischer als für die Überschüsse des Leistungsbereichs. Der für die Diskontierung der erwarteten Ausschüttungen maßgebliche Zinssatz kann sich schon dann ändern, wenn c.p. der Ausschüttungsstrom durch Verschuldung oder Anlage von Kapital zum Zinssatz r um sichere Beträge verändert wird. Er kann sich bei gegebenen Risiken im Leistungsbereich und den Methoden nur noch der Name übrig. Abgesehen davon bliebe offen, ob der ermittelte einheitliche Wert überhaupt „korrekt“ ist.

34

Kapitel I

im neutralen Bereich in noch stärkerem Maße ändern, wenn der Ausschüttungsstrom durch (zusätzliche) riskante Finanztransaktionen in eine andere Risikoklasse transformiert wird (Kapitel XIV, Abschnitt 7.4). Wie jedoch z.B. in LAUX (2006a, S. 420 ff.) gezeigt wird, kann die Bewertung in relativ einfacher Weise vorgenommen werden, indem ein bestimmter fiktiver stochastischer Auszahlungsstrom zugrunde gelegt wird, der zwar grundsätzlich nicht mit dem realen übereinstimmt, damit jedoch wertäquivalent ist.

5.3.4

Reale vs. virtuelle (oder intrinsische) Marktwerte

Wenn zwischen dem Entscheidungsträger in einem börsennotierten Unternehmen und den Anteilseignern keine Informationsasymmetrie besteht, gilt: Wenn der Entscheidungsträger den Überschüssen eines Bewertungsobjekts gemäß den relevanten Bewertungsfunktionen einen Marktwert zuordnet, der höher ist als der Preis, steigt bei Kauf entsprechend der Marktwert der Aktien des Unternehmens, sofern der Kauf nicht schon vorher in diesem Marktwert antizipiert worden ist. Marktwertmaximierung bedeutet dann „reale“ Marktwertmaximierung (Maximierung des Börsenwertes bzw. der „Börsenkapitalisierung“). Wenn Informationsasymmetrien zwischen dem Entscheidungsträger und den Anteilseignern bestehen, die zu heterogenen Erwartungen bezüglich der Unternehmensüberschüsse führen, ergibt sich bei Kauf des Bewertungsobjekts ein realer Marktwert der Aktien des Unternehmens, der sich von jenem virtuellen oder intrinsischen Marktwert unterscheidet, der sich herausbilden würde, wenn die Anteilseigner die (überlegenen) Informationen des Entscheidungsträgers hätten. Es stellt sich dann das Problem, ob der reale oder der virtuelle Markwert maximiert werden soll. Dieses Problem löst sich auf, wenn der Entscheidungsträger die Informationsasymmetrie beseitigt, indem er die Anteilseigner entsprechend informiert. Die „einfachste“ Form der Information besteht darin, dass er darüber berichtet, welche zukünftigen Überschüsse in unterschiedlichen Umweltentwicklungen seinem Informationsstand entsprechen. Wenn jedoch die Anteilseigner den übermittelten Schätzwerten misstrauen, kann die Informationsasymmetrie nur dadurch erheblich reduziert werden, dass überprüfbare Informationen gegeben werden, etwa über zukünftige Produktarten und Produktmengen, bisher erzielte Erlöse und dergleichen mehr. Solche Informationen können jedoch prohibitiv hohe Kosten verursachen. Hinzu kommt, dass sie Verhaltensreaktionen bei Wettbewerbern auslösen können, bei denen die zunächst erwarteten Überschüsse nicht oder nur zum Teil erzielt werden. Bei Informationsasymmetrie führt reale Marktwertmaximierung im Allgemeinen zu anderen Projektentscheidungen als virtuelle. Befindet sich jedoch der Markt in einem Gleichgewicht, kann der Entscheidungsträger näherungsweise den Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners maximieren, indem er denjenigen virtuellen Marktwert maximiert, der seinem persönlichen Informationsstand entspricht. Wie in Kapitel VI für das CAPM gezeigt wird, haben homogene (öffentliche) Informationen keinen Einfluss auf die Nut-

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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zenerwartungswerte der Anteilseigner. Informationen beeinflussen zwar im Allgemeinen die Marktwerte von riskanten Wertpapieren, nicht jedoch die individuellen Anteile am Marktportefeuille. Befindet sich jedoch der Kapitalmarkt in einem Übergang in ein neues Gleichgewicht, gewinnen – wie in Kapitel VI, Abschnitt 4.4, gezeigt wird – reale Marktwerte an Bedeutung, weil hiervon der Preis (bzw. Verkaufserlös) abhängt, der bei einer Erhöhung (Reduktion) des Anteils am Marktportefeuille zu zahlen ist (bzw. erzielt wird). Beim Vergleich des individuellen subjektiven Grenzpreises mit dem Marktwert eines Bewertungsobjekts wird in dieser Arbeit stets der virtuelle Marktwert zugrunde gelegt. Beide Werte werden auf der Basis der subjektiven Erwartungen des Investors über den erzielbaren Überschuss bzw. (im Mehrperioden-Fall) die Überschüsse des Bewertungsobjekts analysiert. Dabei kann es durchaus geboten sein, die Erwartungen anderer im eigenen Bewertungskalkül zu erfassen bzw. zu antizipieren. Angenommen bei potenziellem Kauf eines Unternehmens werde erwogen, dieses nach einer Periode (in bestimmten Umweltzuständen) an die Börse zu bringen. Bei der Prognose des potenziellen Verkaufserlöses muss dann antizipiert werden, wie der „Markt“ die Ertragschancen des Unternehmens einschätzen könnte. Anhaltspunkte mögen hierbei in der Vergangenheit realisierte Marktwerte für „vergleichbare“ Unternehmen bieten. Wenn der Investor erkennt, dass bei diesen Unternehmen ein geringer Markterlös erzielt wurde, wird er dem erwogenen Unternehmen einen geringen potenziellen Verkaufserlös und somit einen geringen virtuellen Marktwert und nach dessen Wertkorrektur auch einen geringen subjektiven Grenzpreis beimessen.

5.4

Zur Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises

5.4.1

Vergleich mit Marktbewertung

Wie in Abschnitt 6.1 gezeigt wird, ist ohne Rücksicht auf die Risikoeinstellung des Investors der individuelle subjektive Grenzpreis gleich dem virtuellen Marktwert des Bewertungsobjekts, sofern seine Überschüsse vollständig duplizierbar sind und das Duplikationsportefeuille (ohne Transaktionskosten) unbeschränkt (leer-)verkauft werden kann. Die Darstellungen in Abschnitt 5.3 gelten unter diesen Bedingungen auch für den individuellen subjektiven Grenzpreis. Jedoch sind diese Bedingungen (vor allem bei größeren Bewertungsobjekten) grundsätzlich nicht erfüllt. Wenn der Marktwert als individueller subjektiver Grenzpreis nicht in Betracht kommt, benötigt man ein Bewertungskonzept, das den Präferenzen des Investors explizit Rechnung trägt (LAUX, 1979c; KROMSCHRÖDER, 1979; WILHELM, 2005). In Theorie und Praxis sind auch für die Ermittlung individueller subjektiver Grenzpreise Diskontierungsmodelle weit verbreitet. Dabei können wiederum die Sicherheitsäquivalente der zukünftigen Überschüsse mit dem risikolosen Zinssatz oder die Erwartungswerte dieser Überschüsse mit einem risikoangepassten Zinssatz diskontiert werden. Wenn der neutrale Bereich eines Unternehmens als Bewertungsobjekt nur aus Vermögensgegenständen besteht, die einen sicheren Überschuss bieten (z.B. weil sie nach Kauf des Unternehmens zu bekannten Preisen verkauft werden) kann die subjektive

36

Kapitel I

Bewertung wie folgt nach dem Entity-Ansatz ermittelt werden: Es wird der subjektive Grenzpreis für den Leistungsbereich ermittelt, das Vermögen des neutralen Bereichs als Barwert seiner Überschüsse beim risikolosen Zinssatz r und der Marktwert des Finanzbereichs hinzuaddiert und die Verbindlichkeiten subtrahiert. Falls im neutralen Bereich in Zukunft riskante Überschüsse erzielt werden und es nicht vorteilhaft ist, die betreffenden Vermögenswerte direkt zu verkaufen, ist der Entity-Ansatz als Basis der Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises problematisch. Wenn Risikoverbund und/oder Bewertungsverbund zwischen den Überschüssen des Leistungsbereichs und des neutralen Bereichs bestehen, lassen sich beide Bereiche nicht unabhängig voneinander (und auch nicht unabhängig von den optimalen Kapitalmarkttransaktionen) bewerten. Es ist dann naheliegend, eine Simultanbetrachtung der zukünftigen Ausschüttungen bzw. Entnahmen des Investors gemäß dem Equity-Ansatz vorzunehmen. Auch in der Praxis wird bei subjektiver Unternehmensbewertung der Equity-Ansatz vorgezogen. Beim Ertragswertverfahren werden die Sicherheitsäquivalente der zukünftigen Entnahmen bzw. der risikoangepasste Kalkulationszinsfuß nach subjektivem Ermessen des Investors festgelegt.19 Oft wird empfohlen, einen risikoangepassten Kalkulationszinsfuß nicht nach freiem Ermessen festzulegen (nicht frei zu „greifen“), sondern ihn in Anlehnung an die Rendite der durch den Kauf des Bewertungsobjekts subjektiv besten „verdrängten“ Alternativinvestition zu ermitteln. Oft wird es auch als sinnvoll angesehen, den risikoangepassten Kalkulationszinsfuß wie beim DCF-Verfahren in Anlehnung an das CAPM zu ermitteln. Wie jedoch in Abschnitt 8 gezeigt wird, ist sowohl die Orientierung an der besten „verdrängten“ Alternativrendite als auch die Orientierung an den Bewertungsfunktionen des CAPM problematisch.20 Insbesondere wird nicht berücksichtigt, dass der individuelle subjektive Grenzpreis davon abhängt, wie man das aus den Überschüssen des Bewertungsobjekts resultierende Risiko durch Portefeuillebildung und eventuell auch mit Realinvestitionen optimal privat hedgen kann. Bei Orientierung an der besten „verdrängten“ Vergleichsinvestition werden Risiken im Umfeld des Bewertungsobjekts (Hedgemaßnahmen durch Portefeuillebildung) überhaupt nicht berücksichtigt. Bei Zugrundelegung des risikoangepassten Zinssatzes gemäß dem CAPM wird unterstellt, dass der Investor einen marginalen Anteil an den Unternehmen (dem Bewertungsobjekt) hält – oder dass es selbst nur marginal ist – und zudem das Risiko durch Portefeuillebildung ideal gehedgt hat. In der traditionellen Bewertungsliteratur wird bei der Sicherheitsäquivalent-Methode als Basis individueller subjektiver Bewertung davon ausgegangen, das Sicherheitsäquivalent eines Überschusses (einer Entnahme) lasse sich unabhängig von den Wahrscheinlichkeitsverteilungen der anderen Überschüsse des Bewertungsobjekts ermitteln, was jedoch nur bei speziellen Nutzenfunktionen für die Überschüsse zulässig ist (Kapitel XV, Abschnitte 2 und 3). Außerdem wird angenommen, der Investor könne die aus den Überschüssen des Bewertungsobjekts resultierenden Risiken weder durch Portefeuillebildung noch durch Realinvestitionen hedgen. Er erzielt letztlich im Umfeld des Bewer19

20

Zum Vergleich der Ertragswertmethode mit dem DCF-Verfahren vgl. den Überblick in HOMMEL/ BRAUN (2002, S. 278 f.) mit weiteren Nachweisen. Zur Problematik der Bewertung auf der Basis einer Vergleichsinvestition vgl. Kapitel XIV, Abschnitt 8.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

37

tungsobjekts keine riskanten Überschüsse, denen bei der Ermittlung der Sicherheitsäquivalente Rechnung zu tragen wäre.

5.4.2

Zirkularitätsproblem bei der Bewertung und Reichtumseffekt

Wie erläutert, sind die Überschüsse eines Bewertungsobjekts grundsätzlich nicht exogen vorgegeben, sondern von den Maßnahmen abhängig, die der Investor ergreift; die Bewertung erfordert eine Planung der optimalen Maßnahmen. Bei Marktbewertung sind diese Maßnahmen unabhängig von dem für das Bewertungsobjekt gezahlten Preis; es besteht kein „Reichtumseffekt“. Dieser besteht jedoch grundsätzlich bei individueller subjektiver Nutzenmaximierung. Welche risikobehafteten Maßnahmen bei Kauf eines Bewertungsobjekts optimal sind, hängt dann vom sicheren Vermögen des Investors ab. Dieses Vermögen wird aber um die für das Bewertungsobjekt gezahlte Anschaffungsauszahlung reduziert, so dass folgendes „Zirkularitätsproblem“ besteht: Bei der Bewertung sind die zukünftigen Maßnahmen zu antizipieren, die aber vom gezahlten Preis abhängen, dessen kritische Obergrenze (der individuelle subjektive Grenzpreis) gerade gesucht wird. Folglich kann der individuelle subjektive Grenzpreis nur im Rahmen eines Simultankalküls ermittelt werden, mit dem zugleich das optimale Aktionsprogramm für den Fall des Kaufs zu dem endogen bestimmten Grenzpreis ermittelt wird (LAUX, 1971c sowie Kapitel XI, XII, XIII und XV in der vorliegenden Arbeit). Ist der ausgehandelte Preis niedriger als der Grenzpreis, wird (bei Reichtumseffekt) das für den ausgehandelten Preis maßgebliche optimale Programm realisiert. Die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit einer Investition bei gegebenem Preis ist grundsätzlich einfacher als die Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises. Es sei daran erinnert, dass diese Obergrenze grundsätzlich nur benötigt wird, wenn der Preis Gegenstand einer Verhandlung mit dem potenziellen Verkäufer ist.

6

Individuelle subjektive Bewertung unter verschiedenen Kapitalmarktbedingungen

6.1

Vollständige Duplizierbarkeit

6.1.1

Unbeschränkte Leerverkäufe

Im Folgenden werden Probleme der Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises unter verschiedenen Kapitalmarktbedingungen erläutert. Dabei nehmen wir – wie generell in dieser Arbeit – an, der individuelle Investor habe als Akteur auf dem Kapitalmarkt keinen (wahrnehmbaren) Einfluss auf die Wertpapierpreise. Außerdem gehen wir ohne Einschränkung der Allgemeinheit davon aus, das Bewertungsobjekt habe eine einperiodige Nutzungsdauer. Zunächst betrachten wir den Fall, dass der Überschuss des Bewertungsobjekts am Ende der Periode durch Portefeuillebildung duplizierbar und der Kapitalmarkt „vollkommen“ ist. Die Bedingung der Duplizierbarkeit ist im „vollständigen“ Kapitalmarkt stets erfüllt, sie kann aber auch bei Unvollständigkeit des Kapitalmarktes erfüllt sein

38

Kapitel I

(Kapitel IV, Abschnitt 3.2.2, und Kapitel XIV, Abschnitte 3.2.1 und 3.2.2). Eine Eigenschaft des vollkommenen Kapitalmarktes besteht darin, dass unbeschränkt (und ohne Transaktionskosten) Leerverkäufe von Wertpapieren vorgenommen werden können (Kapitel IV, Abschnitt 2.1). Bei Duplizierbarkeit und unbeschränktem Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles kann die Bewertung ohne Rücksicht auf die sonstigen Kapitalverwendungsmöglichkeiten und die Präferenzen des Investors vorgenommen werden. Der individuelle subjektive Grenzpreis des Bewertungsobjekts ist hier gleich dem Marktwert seines Duplikationsportefeuilles (Kapitel IV, Abschnitt 3.2 und Kapitel XI, Abschnitt 3). Der Kauf des Bewertungsobjekts bietet dann kein erwünschtes Risiko, das der Investor nicht durch Kauf von Wertpapieren realisieren kann, und kein unerwünschtes Risiko, dessen er sich nicht durch Leerverkauf von Papieren entledigen kann. Wenn der Investor das Bewertungsobjekt kauft, kann er dessen Überschüsse neutralisieren (perfekt hedgen), indem er das Duplikationsportefeuille leerverkauft.21 Am Ende der Periode wird dann mit dem Überschuss das leerverkaufte Duplikationsportefeuille erworben und an den Käufer geliefert. Dabei erzielt der Investor zu Beginn der Periode einen Überschuss in Höhe des Marktwertes des Duplikationsportefeuilles abzüglich der Anschaffungsauszahlung (Preis) für das Bewertungsobjekt. Er erzielt einen Nutzenzuwachs, wenn dieser Marktwert größer ist als der Preis; der Kauf dominiert dann den Nichtkauf. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass der Kauf des Bewertungsobjekts vollständig aus dem Verkaufserlös für das Duplikationsportefeuille finanziert werden kann; falls der Kauf vorteilhaft ist, ist er bei unbeschränkter Duplizierbarkeit auch finanzierbar. Den Marktwert des Duplikationsportefeuilles bezeichnen wir auch als Marktwert des Bewertungsobjekts. Es handelt sich (wie beim Marktwert im Fall A) um einen virtuellen Marktwert aus Sicht des Investors. Er bildet das Duplikationsportefeuille auf der Basis seiner Erwartungen. Ein anderer Investor mit anderen Erwartungen (aufgrund anderer Informationen und/oder anderer Schlussfolgerungen) mag einen anderen virtuellen Marktwert bzw. Grenzpreis ermitteln. (Er kann auch deshalb zu einem anderen Marktwert kommen, weil er andere Maßnahmen durchführen würde.) Der virtuelle Marktwert des Bewertungsobjekts aus Sicht des Investors ist ein realer Marktwert des Duplikationsportefeuilles und nur in Ausnahmefällen ein „realer“ Marktwert des Bewertungsobjekts. Würde der Investor das Bewertungsobjekt (etwa ein 21

Es ist zu beachten, dass Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles nicht bedeutet, dass für jedes Papier im Duplikationsportefeuille ein Leerverkauf erfolgt. Es ist möglich, dass im Duplikationsportefeuille von einzelnen Papieren negative Bestände enthalten sind (Kapitel IX, Abschnitt 3.1). „Leerverkauf“ des Duplikationsportefeuilles bedeutet dann, dass die betreffenden Papiere gekauft werden. Hinzu kommt, dass auch Papiere mit positivem Bestand im Duplikationsportefeuille nicht unbedingt leerverkauft werden müssen. Wenn sie in dem ohne das Bewertungsobjekt optimalen Portefeuille des Investors enthalten sind, kann er sie herausnehmen und verkaufen bzw. sie gar nicht erst erwerben.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

39

Unternehmen) an die Börse bringen, könnte er aufgrund von Informationsasymmetrien einen wesentlich niedrigeren Erlös erzielen. Für den Investor ist es somit nicht ohne weiteres optimal, bei einem Preis, der kleiner ist als der virtuelle Marktwert, ein Unternehmen zu kaufen, um es an die Börse zu bringen. Bei der Bewertung muss der Investor noch nicht wissen, wie er den Überschuss zu Beginn der Periode anlegt, wenn er das Bewertungsobjekt zu einem Preis erwirbt, der niedriger ist als der Marktwert. Es können generell auch die stochastischen Abhängigkeiten zwischen dem Überschuss des Bewertungsobjekts und anderen Überschüssen des Investors (etwa aus bereits realisierten Investitionsprojekten) vernachlässigt werden (Separierbarkeit und präferenzfreie Bewertung). Sie werden erst dann bewertungsrelevant, wenn das Duplikationsportefeuille nicht unbeschränkt leerverkauft werden kann oder gar kein Duplikationsportefeuille existiert. Die Fähigkeit, sämtliche Investitionen eines Unternehmens oder eines individuellen Investors zu duplizieren, wird als „Spanning“-Bedingung bezeichnet (vgl. hierzu Kapitel V, Abschnitt 2.3). Sie ist im „vollständigen Kapitalmarkt“ zwingend erfüllt; es besteht universelle Duplizierbarkeit. Ist die Klasse möglicher Investitionsprojekte des Investors beschränkt, kann sie auch bei unvollständigem Kapitalmarkt erfüllt sein.

6.1.2

Beschränkter Leerverkauf

Ist der Überschuss zwar duplizierbar, jedoch der Kapitalmarkt in dem Sinne unvollkommen, dass allenfalls ein Teil der Papiere des Duplikationsportefeuilles leerverkauft werden kann (oder die Transaktionskosten von Leerverkäufen prohibitiv hoch sind)22, ist der subjektive Grenzpreis grundsätzlich kleiner als der Marktwert (Kapitel XI, XII und XV). Beide Werte sind ohne Leerverkaufsmöglichkeiten nur dann identisch, wenn das Duplikationsportefeuille eine Teilmenge desjenigen Portefeuilles ist, das für den Investor ohne Kauf des Bewertungsobjekts optimal ist. Bei dessen Kauf tritt dann an die Stelle des Endwertes des Duplikationsportefeuilles dessen Überschuss. Das Analoge gilt, wenn ein Teil der Überschusskomponenten leerverkauft werden kann und der nach Leerverkauf verbleibende Teil des Duplikationsportefeuilles (das „residuale“ Duplikationsportefeuille) Teilmenge desjenigen Portefeuilles ist, das für den Investor ohne das Bewertungsobjekt optimal ist: Bei dessen Kauf zum Marktwert wird der leerverkaufbare Teil des Duplikationsportefeuilles leerverkauft und das residuale Duplikationsportfolio aus dem optimalen Portefeuille herausgenommen und verkauft (oder erst gar nicht erworben). Für den Investor ergibt sich bei Kauf zum Marktwert weder ein Vorteil noch ein Nachteil. Ist der Preis niedriger als der Marktwert, erzielt er zum Zeitpunkt 0 einen Überschuss, wobei er seinen Erwartungsnutzen maximiert, indem er den Überschuss optimal anlegt (was auch heißen kann, dass er leerverkaufte Papiere zurückkauft oder gar nicht erst verkauft).

22

Zu Grenzen von Leerverkäufen vgl. Kapitel IV, Abschnitt 2.2, und Kapitel XI, Abschnitte 3.1 und 3.2.

40

Kapitel I

Wenn das residuale Duplikationsportefeuille für den Investor im Vergleich zu dem optimalen Portefeuille ohne das Bewertungsobjekt nachteilig ist, ist der subjektive Wert kleiner als der Marktwert; der Kauf des Bewertungsobjekts bürdet dem Investor ein nachteiliges Risiko auf, dessen er sich nicht durch Portefeuilleanpassungen entledigen kann. Je „umfangreicher“ das Duplikationsportefeuille (je „größer“ das Bewertungsobjekt), je geringer der leerverkaufbare Teil dieses Portefeuilles, je kleiner der „Umfang“ des optimalen Portefeuilles ohne das Bewertungsobjekt (je größer die Risikoaversion des Investors) ist, desto eher ist zu erwarten, dass der individuelle subjektive Wert niedriger ist als der Marktwert und desto größer ist tendenziell die Abweichung zwischen den beiden Werten (Kapitel XI). Da der virtuelle Marktwert wesentlich höher sein kann als der reale Marktwert, der als Erlös erzielt wird, wenn das Bewertungsobjekt an die Börse gebracht wird, kann der subjektive Grenzpreis trotzdem höher als der reale Marktwert sein. Der subjektive Grenzpreis kann wie folgt ermittelt werden, sofern der Investor bei Verzicht auf Kauf des Bewertungsobjekts nur Wertpapiere hält (WILHELM, 2005): 1. Zunächst wird dasjenige Portefeuille bestimmt, das ohne das Bewertungsobjekt optimal ist. 2. Sodann wird derjenige Preis für das Bewertungsobjekt ermittelt, bei dem mit dem Bewertungsobjekt und dem entsprechenden optimalen Portefeuille derselbe Erwartungswert des Nutzens erzielt wird. Die Ermittlung des subjektiven Grenzpreises erfolgt hierbei im Rahmen eines subjektiven Nutzenkalküls, wobei die Aktionsmöglichkeiten im Kapitalmarkt explizit berücksichtigt werden. Der Modellanalyse von WILHELM liegt der Einperioden-Fall zugrunde. Ein analoges Bewertungskonzept für den Mehrperioden-Fall gemäß dem Konzept der flexiblen Planung wurde in LAUX (1971c) entwickelt, wobei davon ausgegangen wurde, das Bewertungsobjekt sei ein Unternehmen. Das Konzept wird in den Kapiteln XIII, XIV und XV vertieft und erweitert. 1. Zunächst wird diejenige Investitionsstrategie ermittelt, die den Erwartungswert des Nutzens des Endvermögens – d.h. des Vermögens am Ende des Planungszeitraums – ohne das Unternehmen (ohne das Bewertungsobjekt) maximiert. Dabei werden nicht nur Kapitalmarkttransaktionen berücksichtigt, sondern vor allem auch Realinvestitionen. 2. Im zweiten Schritt wird der Preis für das Unternehmen unter der Nebenbedingung maximiert, dass der zuvor ermittelte maximale Nutzenerwartungswert nicht unterschritten wird; der betreffende Grenzpreis stellt den individuellen subjektiven Wert dar. Bei seiner Ermittlung wird simultan diejenige Investitionsstrategie in Verbindung mit optimaler dynamischer Portefeuillebildung bestimmt, die bei Kauf des Unternehmens optimal ist.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

6.2

41

Unvollständige Duplizierbarkeit

Wenn der Überschuss des Bewertungsobjekts nicht vollständig duplizierbar ist, sondern allenfalls ein Teil der darin enthaltenen Ein- und Auszahlungen, kann dessen Marktwert nicht als Marktwert eines Duplikationsportefeuilles interpretiert werden. Zur Ermittlung des Marktwertes benötigt man dann ein Modell zur Erklärung der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt, das keine Vollständigkeit voraussetzt. Ein solches Modell ist das CAPM, das in Literatur und Praxis wie auch in der vorliegenden Arbeit oft zugrunde gelegt wird. Bei unvollständiger (oder beschränkter) Duplizierbarkeit ist der subjektive Grenzpreis grundsätzlich selbst dann kleiner als der Marktwert gemäß den Bewertungsfunktionen des CAPM, wenn alle Papiere unbeschränkt leerverkauft werden können; das Risiko kann nicht perfekt gehedgt werden. Wie bei Kauf des Unternehmens das Risiko durch Portefeuillebildung reduziert werden kann und welche Kapitalmarkttransaktionen für den Investor optimal sind, hängt im EinperiodenFall u.a. von den Korrelationskoeffizienten zwischen den Endwerten der umlaufenden Wertpapiere und dem Überschuss des Bewertungsobjekts (oder einzelner Komponenten davon) sowie von der Risikoeinstellung des Investors ab. Der Einperioden-Fall wird in den Kapiteln XI und XII untersucht. In Kapitel XV werden die Darstellungen auf den Mehrperioden-Fall erweitert. Es wird sich zeigen, dass fehlende Duplizierbarkeit im Wesentlichen aus stochastisch unabhängigen Störtermen („Noise“) resultiert, die unsystematische Risiken induzieren. Die Störterme können sich zum einen auf den konkreten Überschuss (im Mehrperioden-Fall auf die Überschüsse) des Bewertungsobjekts beziehen, zum anderen auch allgemein auf die zukünftigen Wertpapierpreise. Die Störterme für zukünftige Kursentwicklungen werden vor allem durch beschränkte Rationalität der Akteure auf dem Kapitalmarkt, der Investoren in Unternehmen und staatlicher bzw. politischer Entscheidungsinstanzen verursacht, die in gewissem Umfang nach dem Zufallsprinzip entscheiden. Die Störterme für die zukünftigen Wertpapierpreise mögen zwar im Rahmen gut gemischter Wertpapierportefeuilles nicht spürbar bzw. bewertungsrelevant sein. Wie gezeigt wird, können sie jedoch die Möglichkeit, den Überschuss eines Bewertungsobjekts individuell zu hedgen, entscheidend beeinträchtigen, mit der Folge, dass sein individueller subjektiver Grenzpreis weit unter dem Marktwert liegt. Das gilt vor allem dann, wenn die Varianzen der Störterme, die Risikoaversion des Investors sowie das Bewertungsobjekt groß sind und der Überschuss des Bewertungsobjekts gegenüber dem eines gut gemischten Portefeuille stark „strukturverzerrt“ ist. Der Einfluss von Störtermen für Wertpapierpreise auf individuelle subjektive Grenzpreise wird unseres Wissens in der Bewertungsliteratur nicht explizit untersucht. Nur Störterme (unsystematische Risiken) für die Überschüsse des Bewertungsobjekts werden als mögliche Ursachen für positive Abweichungen zwischen Marktwerten und subjektiven Werten angesprochen. Neben dem konkreten Einfluss dieser Störterme wird in

42

Kapitel I

der Arbeit auch der Einfluss von Störtermen für die Wertpapierpreise ausführlich untersucht.

6.3

Exkurs: Illiquide Finanzmärkte [*]

In der Arbeit wird davon ausgegangen, der Finanzmarkt sei in dem Sinne liquide, dass der Kauf bzw. Verkauf von Papieren (an der Börse) ohne Zeitverzögerung möglich ist; bei allen Papieren findet der Investor als Käufer direkt Anbieter und als Verkäufer direkt Nachfrager. In der Realität wird diese Bedingung vor allem für (spezielle) Papiere mit engem Markt nicht erfüllt sein, also für Papiere, die nicht als Standardwerte in großer Zahl im Umlauf sind. Je illiquider die Märkte für Papiere im Duplikationsportefeuille des Bewertungsobjekts sind, desto mehr werden die Hedgemöglichkeiten aufgrund zeitlicher Diskrepanzen beeinträchtigt und desto eher ist zu erwarten, dass der individuelle subjektive Grenzpreis auch dann unter dem Marktwert liegt, wenn Leerverkäufe unbeschränkt zulässig sind.

6.4

Implikationen von Änderungen der Nutzenfunktion

In der Literatur wird oft argumentiert, dass subjektive Nutzenmaximierung als Bewertungskonzept ungeeignet sei, weil der Investor seine Nutzenfunktion nicht ermitteln und diese sich im Zeitablauf ändern könne.23 Stattdessen sei es sinnvoll, auf Marktwerte zurückzugreifen. Natürlich können sich Zeit- und Risikopräferenzen (Nutzenfunktionen) im Zeitablauf ändern. Das lässt sich aber nicht dadurch vermeiden, dass man einen Preis in Höhe des gegenwärtigen Marktwertes zahlt. (Auch Marktwerte pflegen sich zu ändern.) Wenn man den subjektiven Grenzpreis bezüglich einer Nutzenfunktion ermittelt hat und damit rechnet, dass sie sich in nicht antizipierbarer Weise ändern kann, sollte man einen Abschlag von diesem Grenzpreis vornehmen, wenn aufgrund unvollständiger Duplizierbarkeit und/oder beschränkter Leerverkaufsmöglichkeiten bei Kauf eines Bewertungsobjekts Anpassungen an Änderungen der Nutzenfunktion im Vergleich zu reiner Finanzanlage (Portefeuillebildung einschließlich der Anlage zum risikolosen Zinssatz) erschwert werden. Unter den betreffenden Kapitalmarktbedingungen ist aber der Marktwert grundsätzlich höher als der individuelle subjektive Grenzpreis, so dass die Wertkorrektur bei Wahl des Marktwertes in die falsche Richtung zielt. Die Anpassungsproblematik resultiert u.a. aus der fehlenden Teilbarkeit des Bewertungsobjekts. Je größer es

23

BALLWIESER (2002b, S. 738; 1981, S. 102 f.; 1990, S. 171 mit weiteren Hinweisen); HOMMEL/BRAUN (2002, S. 135); DRUKARCZYK (2003, S. 141); MOXTER (1983, S. 139); BÖCKING/NOWAK (1998, S. 687); LEUTHIER (1988a, S. 53f); OBERMAIER (2004b, S. 2762). Es gibt jedoch experimentelle Verfahren, um Nutzenfunktionen immerhin bruchstückhaft zu erforschen. Allerdings gibt es keine Methoden – auch nicht die Bewertung zu Marktwerten – die Entscheidungen garantieren, die sich ex post auch bei veränderten Zielen bzw. Präferenzen als optimal erweisen.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

43

ist, desto größer ist der Bewertungsfehler, wenn man statt eines reduzierten subjektiven Grenzpreises den Marktwert heranzieht.24 Man mag einwenden, dass auch Bewertungsobjekte oder Teile davon wieder verkauft werden können, wenn sich die Nutzenfunktion ändert. Das könne vor allem für den Fall zutreffen, dass das Bewertungsobjekt ein ganzes Unternehmen darstellt. Standardgüter, die ohne Transaktionskosten zu einheitlichen Marktpreisen auf vollkommenen Realgütermärkten gekauft und verkauft werden können, bieten zwar den gleichen Spielraum für Anpassungen an Änderungen der Nutzenfunktion wie (börsennotierte) Wertpapiere. Jedoch resultiert der Wert eines Unternehmens als Ganzes oder Teile davon (einzelne Geschäftsfelder) im wesentlichen aus originären Firmenwerten, die keinen objektiven Marktwert haben, deren Verkaufserlöse vielmehr von den subjektiven Ertragserwartungen (und Nutzenfunktionen) potenzieller Käufer abhängen. Aufgrund von Informationsasymmetrien zwischen ihnen und dem Investor oder von unterschiedlichen Schlussfolgerungen aus Informationen mögen die potenziellen Verkaufserlöse (ebenso wie der Erlös aus einem Börsengang mit dem Unternehmen) aus Sicht des Investors prohibitiv niedrig sein. Anpassungen an Änderungen der Nutzenfunktion durch Verkauf des Unternehmens oder Teile davon sind dann aus Sicht des Investors mit hohen Ertragseinbußen verbunden und somit nur in Grenzen sinnvoll.

7

Gründe für Alleineigentum am Unternehmen

7.1

Gegebenes Investitionsprogramm

7.1.1

Homogene Erwartungen über die Überschüsse

7.1.1.1 Vollständige Duplizierbarkeit und unbeschränkte Leerverkaufsmöglichkeiten Wie erläutert, nimmt der Investor im Fall B keine(n) Gesellschafter auf, wenn er ein Unternehmen (allgemein: ein Bewertungsobjekt) kauft; er führt (nutzt) es als Alleineigentümer. Wie im Folgenden gezeigt wird, kann dies zwar unter dem Aspekt der Risikoteilung im Vergleich zu einem ausschließlichen Wertpapierhandel nachteilig sein, bezüglich der Motivation und der Durchsetzung eigener Interessen durch den Investor können sich jedoch bei Alleineigentum Vorteile ergeben, die Nachteile ineffizienter Risikoteilung überkompensieren. Zunächst gehen wir davon aus, dass das Investitionsprogramm des Unternehmens und seine zustandsabhängigen Überschüsse gegeben sind und außerdem der Investor sowie die potenziellen Mitgesellschafter homogene Erwartungen über die Überschüsse haben (die Marktwerte alternativer Erfolgsanteile sind dann aus Sicht aller identisch)

24

Im Übrigen lassen sich Änderungen der Nutzenfunktion durchaus in gewissem Umfang bei der subjektiven Bewertung antizipieren, nämlich dann, wenn sie zustandsabhängig sind. Es sind dann „zustandsabhängige“ Nutzenfunktionen (Kapitel II, Abschnitt 4) zugrunde zu legen.

44

Kapitel I

und sie sich bei ihren Entscheidungen bzw. Bewertungen nur an finanziellen Zielen orientieren. Können beliebige Überschüsse dupliziert und die Duplikationsportefeuilles unbeschränkt leerverkauft werden, bestehen für den Investor ideale Bedingungen, den Unternehmensüberschuss durch Kapitalmarkttransaktionen zu hedgen. Die direkte Erfolgsbzw. Risikoteilung durch Aufnahme von Mitgesellschaftern, die für ihren Erfolgsanteil den Marktwert zahlen, ist dann demgegenüber bei gegebenen Überschüssen weder vorteilhaft noch nachteilig. Zwar kann es – je nach Gesellschaftsvertrag – schwierig sein, eine mit ihnen vereinbarte Teilungsregel an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Dies kann jedoch der Investor privat durch Anpassung seines Wertpapierbestandes ausgleichen. Auch unter dem Aspekt der Finanzierung ist bei beliebiger Duplizierbarkeit und unbeschränkten Leerverkaufsmöglichkeiten die Aufnahme von Gesellschaftern irrelevant. Unter diesen Kapitalmarktbedingungen ist der subjektive Grenzpreis des Unternehmens gleich dem Marktwert des Duplikationsportefeuilles; der Investor kann einen vorteilhaften Unternehmenskauf stets aus dem Verkaufserlös dieses Portefeuilles finanzieren. Die Irrelevanz der Beteiligung von Gesellschaftern beruht auf der Annahme, dass diese für ihre potenziellen Anteile an den Überschüssen den Marktwert zahlen. Diese Bedingung ist im kompetitiven Kapitalmarkt erfüllt. Wegen der Duplizierbarkeit dieser Anteile und der unbeschränkten Leerverkaufsmöglichkeiten stimmen deren subjektiven Grenzpreise auch aus Sicht der potenziellen Gesellschafter mit den Marktwerten überein. 7.1.1.2 Unvollständige Duplizierbarkeit und/oder beschränkte Leerverkaufsmöglichkeiten Bei vollständiger Duplizierbarkeit ist auch bei beschränktem Leerverkauf unter dem Aspekt der Risikoteilung die Aufnahme von Gesellschaftern für den Investor nicht nachteilig, sofern diese für ihre Beteiligungen am Unternehmenserfolg Marktwerte zahlen; der Investor kann die Beteiligung eines Gesellschafters kompensieren, indem er das Duplikationsportefeuille für den betreffenden Erfolgsanteil kauft. Bei Leerverkaufsbeschränkungen kann er jedoch mit der Aufnahme eines Gesellschafters möglicherweise eine vorteilhafte Risikoteilung erzielen, die mit Wertpapierhandel nicht möglich gewesen wäre. Der Kauf des Duplikationsportefeuilles für den Erfolgsanteil des Gesellschafters wäre dann für den Investor nachteilig (Kapitel IX, XI, XII und XV). Bei unvollständiger Duplizierbarkeit kann – unabhängig davon, ob Leerverkäufe möglich sind oder nicht – die Aufnahme eines Gesellschafters bei gegebener Erfolgsteilung nicht nur vorteilhaft, sondern auch nachteilig sein. Wenn dessen Erfolgsbeteiligung nicht duplizierbar ist, kann sie nämlich der Investor nicht alternativ in der Weise realisieren, dass er ein Duplikationsportefeuille für den betreffenden Erfolgsanteil leerverkauft, und auch nicht kompensieren, indem er ein solches Portefeuille erwirbt. Unvollständige Duplizierbarkeit und/oder begrenzte Leerverkaufsmöglichkeiten beschränken zwar die Möglichkeit, Risiken indirekt zu Marktwerten zu transformieren

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

45

und schaffen im Prinzip einen Anreiz zur direkten Risikoteilung. Diese ist jedoch unter den betreffenden Kapitalmarktbedingungen grundsätzlich relativ teuer, da sie implizieren, dass die individuellen subjektiven Grenzpreise der Beteiligungen aus Sicht der potenziellen Gesellschafter niedriger als die Marktwerte sind. Dies gilt vor allem dann, wenn das Unternehmen groß ist und nur wenige Gesellschafter mit hohen Erfolgsanteilen aufgenommen werden sollen; ihre subjektiven Grenzpreise liegen dann tendenziell weit unter den Marktwerten. Werden dagegen sehr viele Gesellschafter mit kleinen Anteilen am Unternehmenserfolg beteiligt, mögen diese zwar (annähernd) die Marktwerte für ihre Beteiligungen zahlen. Dann gewinnen aber die im Folgenden beschriebenen Konflikte (Corporate Governance Probleme) besonderes Gewicht; es besteht allgemein ein Trade-off zwischen effizienter Risikoteilung und Erfolgseinbußen durch Anreiz- und Kontrollprobleme.

7.1.2

Heterogene Erwartungen über die Überschüsse

Grenzen der direkten Risikoteilung durch Aufnahme von Gesellschaftern können auch aus Informationsasymmetrien zwischen dem Investor und potenziellen Gesellschaftern (Abschnitt 4.3) oder aus unterschiedlichen Schlussfolgerungen aus Informationen auf die Überschüsse resultieren. Wenn potenzielle Gesellschafter die Erwartungswerte der Überschüsse niedriger und/oder deren Risiken höher einschätzen als der Investor, mögen sie für alternative Anteile an den Unternehmensüberschüssen nur Beträge zu zahlen bereit sein, die aus Sicht des Investors prohibitiv niedrig sind.

7.2

Veränderliches Investitionsprogramm

7.2.1

Orientierung ausschließlich an finanziellen Zielen

In der Realität sind die Überschüsse des Unternehmens (allgemein: eines Bewertungsobjekts) nicht – wie bisher angenommen – ex ante vorgegeben. Sie hängen davon ab, welche Entscheidungen über neue Investitionen, Desinvestitionen und die Nutzung von Investitionen im Zeitablauf getroffen werden. Auch wenn unter dem Aspekt einer effizienten Risikoteilung die Aufnahme von Gesellschaftern für den Investor vorteilhaft ist, kann es für ihn optimal sein, das Unternehmen als Alleineigentümer zu führen, weil es dann für ihn einfacher ist, seine eigenen Interessen durchzusetzen. Das gilt grundsätzlich schon für den Fall, dass sowohl der Investor als auch die potenziellen Mitgesellschafter homogene Erwartungen bezüglich der mit den Entscheidungen verbundenen Überschüsse haben und sich ausschließlich an finanziellen Zielen orientieren. Selbst in diesem Fall besteht bei der üblichen linearen Teilung von Überschüssen nur dann universelle Einmütigkeit, wenn beliebige Überschüsse duplizierbar sind und die Duplikationsportefeuilles unbeschränkt leerverkauft werden können; für alle Beteiligten stimmen dann die subjektiven Grenzpreise mit den Marktwerten überein (die aus Sicht aller identisch sind). Jedoch erübrigt sich unter den betreffenden Kapitalmarktbedingungen wiederum die direkte Risikoteilung.

46

Kapitel I

Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, gewinnt direkte Risikoteilung zwar an Relevanz, jedoch ist es dann schwierig, Anreizkompatibilität zu erzeugen. Eine lineare Teilungsregel ist dann zwar anreizkompatibel, wenn sie zugleich pareto-effizient ist (Kapitel II, Abschnitt 8). Diese Bedingung ist jedoch nur bei speziellen Nutzenfunktionen erfüllt. Grundsätzlich werden sich die subjektiven individuellen Grenzpreise bezüglich der erwogenen Maßnahmen unterscheiden, so dass Entscheidungskonflikte zwischen dem Investor und den Mitgesellschaftern bestehen: Der Investor präferiert etwa die Erweiterung der Kapazität, während andere das Risiko scheuen und den Abschluss weiterer Versicherungen bevorzugen. Wenn allerdings die Zahl der Gesellschafter sukzessive steigt und die individuellen Anteile am Unternehmen immer kleiner werden, nähern sich gemäß den Darstellungen in Kapitel XI die individuellen subjektiven Grenzpreise den Marktwerten, so dass der Konfliktbereich eingeengt wird. Vor allem bei wenigen Gesellschaftern können je nach den individuellen Risikoeinstellungen und privaten Hedgemöglichkeiten bei linearer Erfolgsteilung erhebliche Unterschiede in den subjektiven Grenzpreisen bestehen. Um Konflikte zu vermeiden, müsste die Teilungsregel für den Erfolg anreizkompatibel nichtlinear sein (Kapitel II, Abschnitt 8), eine Bedingung, die im Allgemeinen nur schwer durch entsprechende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag zu erfüllen ist.

7.2.2

Orientierung (auch) an nichtfinanziellen Zielen

Bei Orientierung (auch) an nichtfinanziellen Zielen (z.B. Prestige, Anerkennung, Vermeidung von Arbeitsleid) können selbst bei anreizkompatibler Erfolgsteilung Konflikte zwischen dem Investor und anderen Gesellschaftern entstehen. Wird von ihnen ein Geschäftsführer eingesetzt, mag aufgrund der Erfolgsteilung und damit verbundener FreeRider-Probleme die Motivation von Investor und anderen potenziellen Gesellschaftern gering sein, durch Anreiz und Kontrolle ihn zieladäquat in seinen Entscheidungen zu steuern. Der Investor und die anderen potenziellen Gesellschafter antizipieren dies und sind möglicherweise nur bereit, einen Preis für das Unternehmen zu zahlen, für den es nicht zur Verfügung steht. Wenn der Investor selbst die Unternehmensleitung übernimmt, ist er bei Mitbeteiligung anderer ebenfalls wenig motiviert, die Erfolgssituation zu verbessern, da er eben die Früchte seiner Arbeit mit diesen teilen muss, jedoch sein Arbeitsleid allein trägt. Wiederum antizipieren dies die potenziellen anderen Gesellschafter, so dass sie für ihren Erfolgsanteil nur einen (prohibitiv) geringen Betrag zu zahlen bereit sind. Möglicherweise befürchtet der Investor auch, dass andere Gesellschafter die Durchführung neuer Investitionen, die für ihn finanziell vorteilhaft sind, blockieren, weil sie immaterielle Nachteile erfahren würden. Es kann für den Investor auch deshalb vorteilhaft sein, das Unternehmen als Alleineigentümer zu erwerben, um die eigene Orientierung an immateriellen Zielen – etwa die Durchführung von Prestigeinvestitionen, die Beschäftigung von Familienangehörigen oder Consumption on the job – nicht zu erschweren. (Wenn sich der Investor an nichtfinanziellen Zielen orientiert, sollten diese

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

47

bei der Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises für das Unternehmen berücksichtigt werden.) Konflikte zwischen den Gesellschaftern können sich auch deshalb fortlaufend bei neuen Investitionen bzw. Maßnahmen ergeben, weil aufgrund unterschiedlicher Informationen und Schlussfolgerungen heterogene Erwartungen hinsichtlich der Überschüsse bestehen.

7.3

Fazit: Bewertungsfall B vs. Bewertungsfall A

Die Überlegungen zeigen, dass es gute Gründe geben kann, das Unternehmen als Alleineigentümer zu führen. Die Aufnahme von Gesellschaftern steht im Spannungsfeld zwischen effizienter Risikoteilung und der Vermeidung von Anreizund Kontrollproblemen: Eine Vergrößerung der Zahl der Gesellschafter verbessert grundsätzlich die Risikoteilung mit der Folge, dass bei linearer Erfolgsteilung und ausschließlicher Orientierung an finanziellen Zielen der Konfliktbereich zwischen den Gesellschaftern tendenziell immer mehr eingeengt wird. Andererseits können sich aufgrund nichtfinanzieller Aspekte immer größere Konflikte ergeben. Insbesondere besteht die Tendenz, dass mit steigender Zahl von Gesellschaftern (mit fallendem Erfolgsanteil des Einzelnen) die Motivation, durch Anstrengungen die Erfolgssituation zu verbessern, immer geringer wird. Im Bewertungsfall A sind sehr viele Anteilseigner mit breit gestreuten Portefeuilles in Form von Aktien am Unternehmen beteiligt. Hier existiert bei homogenen Erwartungen ein für alle Anteilseigner gleicher (kollektiver) subjektiver Grenzpreis, der näherungsweise oder exakt mit dem Marktwert übereinstimmt. Da der individuelle subjektive Grenzpreis grundsätzlich niedriger als der Marktwert ist, liegt die Vermutung nahe, dass der Grenzpreis im Bewertungsfall A höher ist als im Fall B. Jedoch kann der Marktwert aufgrund von Free-Rider-Problemen im Fall A wesentlich niedriger sein als im Fall B. Für den individuellen Investor im Fall B kann eben ein hoher Anreiz bestehen, mit dem Unternehmen hohe Überschüsse zu erzielen. Im Fall A dagegen ist der Anreiz eines jeden Anteilseigners, die Erfolgssituation zu verbessern grundsätzlich gering; er trägt das Arbeitsleid allein und muss Erfolgszuwächse mit vielen anderen teilen. Motivationsprobleme sind auch ein wesentlicher Grund dafür, warum es aus Sicht des Investors im Fall B nachteilig sein kann, nach privatem Kauf des Unternehmens es an die Börse zu bringen. Die potenziellen Anteilseigner antizipieren Motivationsprobleme und sind für die Aktien nur Beträge zu zahlen bereit, die aus Sicht des Investors zu gering sind.25

25

Bestehen (hohe) Synergieeffekte zwischen dem Bewertungsobjekt und einem börsennotierten Unternehmen, kann trotz antizipierter Motivationsprobleme der Marktwert des Bewertungsobjekts für dieses Unternehmen höher sein als der subjektive Wert für den Investor, so dass der Verkauf vorteilhaft sein könnte.

48

Kapitel I

Der Bewertungsfall B dürfte vor allem für kleinere („mittelständische“) Unternehmen relevant sein, in denen ein motivierter Alleineigentümer die Erfolgssituation erheblich verbessern kann und außerdem die Differenz zwischen Marktwert und individuellem subjektiven Grenzpreis im Vergleich zu einem sehr großen „Industrieunternehmen“ gering ist. In einem großen Unternehmen müsste ein Alleineigentümer Entscheidungskompetenzen in großem Umfang an Entscheidungsträger delegieren, wobei er allein auch bei hohem persönlichem Arbeitseinsatz die Erfolgssituation nur relativ wenig verbessern könnte. Hinzu kommt, dass für ein sehr großes Unternehmen der individuelle subjektive Grenzpreis weit unter dem Marktwert liegt, so dass der Eigentümer auch dann einen Vorteil erzielt, wenn bei einem Börsengang der Marktwert erheblich sinkt (der Verkaufserlös relativ gering ist). Die Wertimplikationen der Unternehmensgröße hängen im übrigen davon ab, wie es gelingt, organisatorische Einheiten zu bilden, denen sinnvoll Erfolge zugerechnet werden können, und durch Erfolgsbeteiligung von Entscheidungsträgern im Unternehmen die Erfolgssituation zu verbessern.26

8

Grenzen individueller subjektiver Bewertung durch reine Preisvergleiche und Notwendigkeit der Erfassung subjektiver Präferenzen

8.1

Problematik des Vergleichs als „allgemeines Grundprinzip“ der Bewertung

In der wird Literatur versucht, das Problem der Ermittlung eines subjektiven Grenzpreises durch Preisvergleiche zu lösen. Jedoch kann durch Preisvergleiche von Investitionsprojekten allenfalls auf den Marktwert, nicht auf den individuellen subjektiven Grenzpreis geschlossen werden.27 Wie in Abschnitt 6 gezeigt wurde, kann dieser grundsätzlich nicht isoliert von den konkreten Kapitalverwendungsmöglichkeiten und den Präferenzen des Investors ermittelt werden. Da wir Bezug nehmen auf die Literatur zur Unternehmensbewertung, gehen wir wieder davon aus, das Bewertungsobjekt sei ein Unternehmen. Die Darstellungen gelten für andere Bewertungsobjekte analog. Bei den folgenden Darstellungen ist stets zu beachten, dass annahmegemäß der individuelle Investor das Unternehmen kauft, um die entsprechenden Überschüsse zu erzielen; Arbitrage, bei der er ein Unternehmen kauft und es simultan zu einem höheren Preis verkauft, ist ausgeschlossen. „Das Grundprinzip der (Unternehmens-) Bewertung ist seit langem bekannt und kann auf folgende einfache Formel reduziert werden: ‚Bewerten heißt vergleichen‘. Einem Bewertungsobjekt wird hierzu ein Vergleichsobjekt gegenübergestellt und aus dessen bekannten Preis auf denjenigen des zu bewertenden geschlossen. Dabei stellt nach 26 27

Vgl. LAUX/LIERMANN (2005); LAUX (2006a; 2006b). „Price is what you pay, value is what you get“ (WARREN BUFFET).

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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dem Opportunitätskostenprinzip die beste verdrängte Handlungsalternative den relevanten Bewertungsmaßstab dar. Damit das Vergleichsobjekt allerdings als Bewertungsmaßstab in Frage kommt, muss es insbesondere hinsichtlich der Unsicherheitsdimension mit dem Bewertungsobjekt vergleichbar sein. In dieser Forderung kommt das Risikoäquivalenzprinzip zum Ausdruck“ (WESNER, 2006, S. 38). Die vielzitierte prägnante Formel „bewerten heißt vergleichen“ geht auf MOXTER (1983, S. 123) zurück, der die Theorie und Praxis der (Unternehmens-)Bewertung in Deutschland nachhaltig geprägt hat. „Der potentielle Käufer eines Unternehmens (Unternehmensanteils) bestimmt seinen Maximalpreis nach dem Ertrag, den er sich aus dem entsprechenden Unternehmen versprechen darf, und nach dem Preis, den er mindestens entrichtet hätte, wenn der gleiche Ertrag alternativ zu beschaffen wäre: Für den aus dem zu bewertenden Unternehmen U zu erwartenden Ertrag mehr zu zahlen als den Preis, den dieser Ertrag anderweit kostet, bedeutete ‚irrationales‘ Handeln“ (MOXTER, 1983, S. 9). „Das Ertragswertprinzip besagt, wie gerade dargestellt, dass Grenzpreise aufgrund eines ‚Ertragsvergleichs‘ zu bestimmen sind; aus dem Ertragswertprinzip folgt, dass Grenzpreise nur richtig ermittelt werden, wenn die erwarteten Erträge vollständig und überdies für Bewertungsobjekt und Alternative in gleicher Höhe berücksichtigt wurden. Das Relativitätsprinzip klärt, dass der Grenzpreis abhängig ist vom Preis der Alternative, die dem Ertragsvergleich zugrunde gelegt wurde: Grenzpreise lassen sich nur richtig ermitteln, wenn der Preis der Alternative bekannt ist, und Grenzpreise werden nur richtig ermittelt, wenn die Alternative zutreffend gewählt wurde. Das Relativitätsprinzip besagt, dass der Wert (Grenzpreis) eines Unternehmens immer nur ein ‚relativer‘ ist: Der gesuchte Wert (potentielle Preis) des Bewertungsobjekts bestimmt sich nach dem bekannten, tatsächlichen Preis des ‚Vergleichsobjekts‘ (‚Bezugsobjekts‘); fehlt ein Vergleichsobjekt überhaupt oder gibt es für ein Vergleichsobjekt nur wiederum potentielle, keine tatsächlichen (und bekannten) Preise, so ist eine ‚Bewertung‘ unmöglich. Man mag sich dann zwar auf die eine oder andere Weise behelfen, aber mehr als eine ‚Scheinbewertung‘ ist auf dieser Basis nicht erreichbar: Eine wirkliche Bewertung setzt voraus, dass anhand eines tatsächlichen Preises auf den potentiellen Preis geschlossen wird“ (MOXTER, 1983, S. 11). Was soll man jedoch in dem (Regel-)Fall tun, dass ein „Vergleichsobjekt“ nicht bekannt ist? Soll man dann die Entscheidung für oder gegen den Kauf ohne jeglichen Versuch einer Bewertung treffen, da sie ohnehin eine Scheinbewertung wäre? Abgesehen davon: Wie soll man jene Investitions- und andere Entscheidungsprobleme bei Risiko lösen, die sich in einem Unternehmen nach Kauf stellen werden und sich ebenfalls nicht durch reine Preisvergleiche lösen lassen? Soll man sich auch hierbei nicht mit dem Instrumentarium der Entscheidungs- und Investitionstheorie behelfen, weil damit nur Scheinlösungen (Scheinbewertungen) erzielt werden können? Gleiche oder ähnliche Argumente wie bei MOXTER finden sich auch in der neueren Literatur häufig. „Die Bewertung eines Unternehmens ist damit nichts anderes als das Auffinden des Betrages, der anderswo für Erfolge gleicher Art und Höhe zu bezahlen

50

Kapitel I

wäre“ (BALLWIESER/COENENBERG/SCHULTZE, 2002, Sp. 2414).28 „Bei der Ertragswertmethode werden die Zahlungen, die der potentielle Eigentümer eines Unternehmens aufgrund seiner Eigentümerstellung erhält, mit den finanziellen Konsequenzen einer Handlungsalternative verglichen. Der Preis der finanziell gleichwertigen Handlungsalternative entspricht dem Unternehmenswert. Streng genommen muss die Handlungsalternative bezüglich der zeitlichen Struktur, der Höhe, der Unsicherheit und des Arbeitseinsatzes zur Erzielung der Zahlungen dem Unternehmen gleichwertig sein, und es muss sich um die Handlungsalternative mit dem geringsten Preis handeln“ (BALL29 WIESER, 2002b, S. 737). Es fragt sich, ob überhaupt ein derartiges Vergleichsunternehmen existiert (und bekannt ist), das man zu einem gegebenen Preis erwerben kann; dies wird eher die Ausnahme sein. Welches Entscheidungsproblem ist denn gelöst, wenn man den Betrag gefunden hat, der anderswo für Erfolge gleicher Art und Höhe zu bezahlen wäre? Soll man das Bewertungsobjekt kaufen, wenn sein Preis niedriger ist als dieser Betrag? Natürlich handelt man trivialerweise irrational, wenn man für ein Unternehmen einen Preis zahlt, der höher ist als jener Preis, für den man alternativ ein Investitionsprojekt erwerben kann, das den gleichen Ertrag bietet. Man kann aber auch irrational handeln, wenn man ein Unternehmen zu einem Preis erwirbt, der kleiner ist als der Preis der Vergleichsinvestition, weil ihr Wert kleiner ist als ihr Preis. Der Kauf eines Objekts wird nicht schon dadurch vorteilhaft, dass ein „gleichwertiges“ Vergleichsobjekt teurer ist. (Arbitrage auf dem Realgütermarkt ist annahmegemäß ausgeschlossen; es ist nicht möglich, das zu bewertende Unternehmen zum Preis der Vergleichsinvestition wieder zu verkaufen.) Damit der Preis für die Vergleichsalternative als Grenzpreis geeignet ist, muss bereits geklärt sein, dass ihr Wert mindestens so hoch ist wie ihr Preis. Ob diese Bedingung erfüllt ist, ist aber gerade Kern des komplexen Bewertungsproblems. Wäre die „Vergleichsinvestition“ ein unbeschränkt leerverkaufbares Duplikationsportefeuille für den Überschuss des Unternehmens, wäre zwar der Grenzpreis des Unternehmens gleich dem Marktwert dieses Portefeuilles; wenn der Investor das Unternehmen zu einem niedrigeren Preis kauft und dieses Portefeuille leerverkauft, erzielt er – wie erläutert – zum Zeitpunkt 0 einen Überschuss, über den er frei verfügen kann. In den zitierten Arbeiten geht es jedoch nicht um Arbitrageüberlegungen, sondern um alternativ durchführbare Realinvestitionen.

28

29

Erforderlich ist somit ein Vergleichsobjekt als Bewertungsmaßstab (vgl. auch MANDL/RABEL, 1997, S. 68). „Als Unternehmenswert i.S. eines Grenzpreises gilt der Betrag, den ein Käufer anderweitig aufwenden muss, um den gleichen Erfolg wie aus dem Unternehmen zu erzielen, und den ein Käufer mindestens erzielen muss, um nach der Wiederanlage seine ökonomische Position zu wahren“ (KRATZ/ WANGLER, 3/2005, S. 169 und die dort angegebene Literatur). Es bleibt hierbei offen, was es heißt, bei Verkauf „die ökonomische Position zu wahren“, und wie diese Bedingung überprüft werden kann.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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Allgemein ist es nur in sehr engen Grenzen möglich, allein aus Preisen ohne Berücksichtigung von Präferenzen auf Grenzpreise (Unternehmenswerte) zu schließen. Das ist für alle Entscheidungsprobleme so; für rationale Bewertungen sind nicht nur Preise relevant, sondern auch Präferenzen. Ein Autokäufer wird trivialerweise für einen Porsche nicht mehr zahlen als für einen anderen Porsche gleicher Qualität. Welchen Preis er jedoch für einen Porsche bei gegebenen Preisen anderer PKWs und sonstiger Geldverwendungsmöglichkeiten höchstens zahlen sollte, kann nur im Rahmen eines Bewertungskalküls geprüft werden, in dem neben Preisen und Produkteigenschaften mehr oder weniger genau Präferenzen erfasst werden. Ohne Konkretisierung einer Zielfunktion lässt sich grundsätzlich kein Bewertungsproblem lösen (reine Preisvergleiche drehen sich im Kreis). Natürlich erfordert Bewertung wie jedes Entscheidungsproblem den Vergleich von Alternativen. Das Grundproblem der Entscheidungstheorie besteht aber darin, wie er vorgenommen werden soll. Zwar kann trivialerweise eine Alternative, die von einer anderen dominiert wird, nicht optimal sein. Daraus folgt aber nicht, dass die dominante Alternative optimal ist. Dominanzüberlegungen sind für die Lösung eines Entscheidungsproblems nur in dem irrealen Fall hinreichend, dass eine Alternative existiert, die alle anderen dominiert.

8.2

Problematik der Bewertung auf der Basis des CAPM

Bei der Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises für ein Unternehmen kommt man also grundsätzlich nicht ohne die explizite Erfassung der Risiko- und Zeitpräferenzen des Investors aus. Bei Orientierung am BERNOULLI-Prinzip erfordert dies zunächst die bruchstückhafte Erfassung seiner Nutzenfunktion. Wie erwähnt, wird dagegen oft eingewendet, dass man die Nutzenfunktion nicht kenne und unbekannt sei, ob und wie sie sich im Zeitablauf ändere. Im Vergleich dazu hat nach BALLWIESER (2002b, S. 738) die in der Praxis verbreitete Marktbewertung durch Bezug auf das Capital Asset Pricing Model „den didaktischen Vorteil, dass man […] die zugehörigen Parameter grundsätzlich historisch messen kann, um sie als Anhaltspunkte für eigene Zukunftsschätzungen zu verwenden.“ Welche grundsätzliche Relevanz der Marktwert für den Investor überhaupt haben sollte, bleibt dabei offen. Ein Bewertungskonzept ist nicht schon deshalb relevant, weil es auf historisch messbaren Größen aufbaut. Selbst für den Fall, dass der individuelle subjektive Grenzpreis gleich dem Marktwert ist, ist die Orientierung am einperiodigen CAPM mit Skepsis zu beurteilen. Wie im Kapitel XIV, Abschnitte 6 und 7, gezeigt wird, ist der für den Einperioden-Fall maßgebliche risikoangepasste Zinssatz nur unter speziellen Voraussetzungen bezüglich der stochastischen Überschüsse auch für die Bewertung im Mehrperioden-Fall geeignet. Es fragt sich außerdem, welche Bedeutung eine aus historischen Kursentwicklungen hergeleitete Zukunftsschätzung (etwa ein geschätzter Betawert) haben soll, wenn Investoren auf dem Kapitalmarkt nicht in der Lage sind, Risiken zu bewerten (und ihre Nutzenfunktionen nicht stabil sind). Offenbar verfügen diese Investoren über jene Fähigkei-

52

Kapitel I

ten, die dem potenziellen Käufer oder Verkäufer eines Unternehmens abgesprochen werden.30 Was soll dieser aber mit dem Unternehmen anfangen, wenn er unfähig ist, Risiken zu bewerten? Soll er das Risiko jeder neuen Investition so bewerten, als ob er das Risiko wie im CAPM mit vielen anderen Personen teilte? Aus der Tatsache, dass es schwierig sein kann, eine Nutzenfunktion zu schätzen, folgt nicht, dass es gerechtfertigt ist, die Präferenzen des Investors (völlig) zu vernachlässigen. Abgesehen davon: Ein Unternehmensberater könnte einem motivierten individuellen Investor zeigen, wie man rational bewertet, nicht aber einer unbestimmten Vielzahl von Akteuren auf dem Kapitalmarkt. Auch BÖCKING/NOWAK äußern Bedenken gegen die explizite Berücksichtigung von Präferenzen eines Investors bzw. die Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises: „Das ‚Subjektivitätsprinzip‘ kann […] immer nur dann uneingeschränkt Beachtung finden, wenn die Bewertung für Individuen durchgeführt wird, deren Präferenzen feststellbar und dem Bewerter bekannt sind. Dieser ‚Idealfall‘ ist in der Bewertungspraxis allerdings selten anzutreffen. Selbst bei Bewertungsanlässen, bei denen Käufer und Verkäufer jeweils nur eine Person darstellen, werden sowohl Bewerter als auch Verhandlungspartner erhebliche Probleme bei der Bestimmung der entsprechenden Risikonutzenfunktion bzw. Konsumpräferenzfunktion haben. […] Da das bewertungstheoretische Ideal bekannter Präferenzen in der Bewertungspraxis nicht anzutreffen ist, bedarf es der Findung eines Entscheidungspreises, der weniger subjektiv ist, sondern stattdessen in sinnvoller Weise typisiert,31 d.h. auf die durchschnittlichen Interessen der Bewertungssubjekte – insbesondere bzgl. der besten alternativen Mittelanlage – abstellt. Die erforderliche Typisierung kann einerseits durch den Rückgriff auf den landesüblichen Zins erfolgen; andererseits werden in jüngerer Zeit marktwertorientierte Typisierungen diskutiert, bei denen die beste verdrängte Alternative aus Kapitalmarktmodellen, namentlich dem CAPM, abgeleitet wird“ (BÖCKING/NOWAK, 1998, S. 687).32 Welche Relevanz derartige Typisierungen haben, wird in der zitierten Arbeit nicht untersucht. Die Feststellung, dass eine bestimmte Typisierung erforderlich sei, sollte am Ende der Analyse stehen, nicht am Anfang. Was sind denn „die durchschnittlichen Inte30

Zur Problematik der Hypothese effizienter Kapitalmärkte mit rational handelnden Akteuren vgl. SHLEIFER (2000).

31

Zur Forderung nach Typisierung vgl. auch OBERMAIER (2004a, S. 54 f.) Für die Orientierung am CAPM plädieren auch WIEDMANN/ADERS/WAGNER (2001, S. 717): „In der Vergangenheit wurde die Höhe des risikoadjustierten Zinssatzes vor allem im Rahmen der Ertragswertmethode häufig nach einem subjektiven Risikozuschlag ermittelt. Der Bewerter nimmt hier auf den risikolosen landesüblichen Zinssatz entsprechend seiner eigenen Einschätzung Zuschläge vor, die notwendig sind, um Risikoäquivalenz mit dem Risiko der Nettoentnahmen nach persönlichen Ertragsteuern des Unternehmens herzustellen. Dieses Verfahren wurde jedoch in Theorie und Praxis stark kritisiert, da die Höhe der Risikozuschläge subjektiv ist und nicht aus empirischen Beobachtungen abgeleitet wird. Daher kann (gemäß IDW, 2000, S. 428) mittlerweile auch eine marktgestützte Ermittlung des Risikozuschlags erfolgen. Hierfür wird meist das so genannte Capital Asset Pricing Model angewendet, das sich auf empirische Kapitalmarktdaten stützt.“ Die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens bei der Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises wird auch in dieser Arbeit nicht untersucht. Oft wird auch vorgeschlagen, für ein nicht-börsennotiertes Unternehmen den Marktwert eines „vergleichbaren“ Unternehmens heranzuziehen oder den Marktwert zu fingieren (BALLWIESER, 1994, S. 1383; MANDL/RABEL (1997, S. 309).

32

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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ressen der Bewertungssubjekte“ und warum sind derartige Interessen und nicht die subjektiven Interessen des konkreten potenziellen Käufers relevant? Hält man denn bei individuellem Kauf eines Unternehmens im „Durchschnitt“ ein Portefeuille riskanter Objekte (bestehend aus dem Unternehmen, anderen Realinvestitionen und Wertpapieren), das ebenso perfekt gehedgt ist wie die Portefeuilles im CAPM, die ausschließlich aus beliebig teilbaren Wertpapieren bestehen? Bei Orientierung an den Bewertungsfunktionen des CAPM trägt man nicht „durchschnittlichen Interessen“ Rechnung, sondern den Interessen von Investoren mit ideal gehedgten Portefeuilles. Für diese ist z.B. das „unsystematische“ Risiko nicht bewertungsrelevant, jedoch kann es für einen individuellen Investor, der das Unternehmen als Alleineigentümer erwirbt, in erheblichem Maße wertmindernd sein (vor allem, wenn es nicht möglich oder zu teuer ist, dieses Risiko zu versichern).33 Abgesehen davon ist auch die Ermittlung eines virtuellen Marktwertes stark durch Subjektivismen geprägt. Wie in Kapitel VII, Abschnitt 4, gezeigt wird, können subjektive Ermessensentscheidungen den ermittelten Marktwert stark verzerren. Wie in den Kapiteln VIII, XI, XII und XV erläutert wird, ist der individuelle subjektive Grenzpreis auch ohne unsystematisches Risiko grundsätzlich niedriger als der Marktwert. Wenn man die Determinanten der Abweichung kennt, kann man die Problematik des Marktwertes als Grenzpreis im konkreten Fall erkennen und die Abweichung schätzen. Wird der Unternehmenswert mit Unterstützung durch einen Gutachter ermittelt, muss dieser nicht unbedingt ex ante die Nutzenfunktion des potenziellen Käufers kennen. Er kann ihn auch mit den für das BERNOULLI-Prinzip maßgeblichen einfachen hypothetischen Entscheidungsproblemen konfrontieren (Kapitel II, Abschnitt 2.2.1), um seine Präferenzen zumindest bruchstückhaft empirisch zu erforschen. Die Schwierigkeit der Ermittlung einer Abweichung zwischen Marktwert und individuellem subjektivem Grenzpreis rechtfertigt jedenfalls nicht die Unterstellung, sie sei generell vernachlässigbar.34 Die Bewertung nach dem CAPM stellt ebenso einen Extremfall dar wie die Bewertung auf der Basis einer „verdrängten“ Alternativinvestition, bei der Portefeuilleeffekte (Risiken im Umfeld des Bewertungsobjekts) überhaupt nicht berücksichtigt werden. Die Problematik der Verwendung eines für ein börsengehandeltes Unternehmen maßgeblichen Kalkulationszinsfußes einerseits und der völligen Vernachlässigung von Portefeuilleeffekten bei der Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises an33

34

Vgl. STEINER/BAUER (1992,S. 347); SCHMIDT (1995, S. 1106 f.); HAYN (1998, S. 415) sowie die Darstellungen in den Kapiteln VIII bis XII und XV. Die in diesen Kapiteln explizit betrachteten unsystematischen Risiken bezüglich des Bewertungsobjekts werden durch „Störterme“ für seinen Überschuss – im Mehrperioden-Fall für seine Überschüsse – verursacht. Auch wenn die Nutzenfunktion bekannt ist, stellt die Ermittlung des subjektiven Grenzpreises nach der Sicherheitsäquivalentmethode kein triviales Problem dar, wie HOMMEL/BRAUN (2005, S. 127) vermuten: „Als aus theoretischer Sicht korrekt stellt sich allein die Sicherheitsäquivalentmethode dar: Ist die Risikonutzenfunktion des potenziellen Käufers oder Verkäufers bekannt, so folgt die dann unproblematische Berechnung des sicherheitsäquivalenten Ertrags sowie dessen Diskontierung mit dem landesüblichen Zinssatz. Unter dieser Prämisse erübrigt sich die Risikozuschlagsmethode.“ Wie Sicherheitsäquivalente „unproblematisch“ berechnet werden können (vor allem im Mehrperiodenfall), haben die Autoren nicht gezeigt. Abgesehen davon sind für die Bewertung bei potenziellem Kauf grundsätzlich nicht Sicherheitsäquivalente für die Überschüsse relevant, sondern äquivalente sichere Auszahlungen, die die Überschüsse kompensieren (Kapitel II, Abschnitt 5).

54

Kapitel I

dererseits wird in der Bewertungsliteratur durchaus gesehen.35 „Der für die Abzinsung der Zahlungsüberschüsse verwendete Kapitalkostensatz (Kalkulationszinsfuß) ist eine der zentralen Einflussgrößen auf den Unternehmenswert. In der Literatur hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dieser sei aus kapitalmarkttheoretischen Modellen, vorzugsweise aus dem CAPM, abzuleiten. Dabei wird vertreten, dies gelte nicht nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen, sondern auch für mittelständische Unternehmen, für die ein vergleichbares börsennotiertes Unternehmen gefunden werden müsse bzw. ein entsprechendes Branchenbeta am Kapitalmarkt zu ermitteln sei. Auch im IDW Standard S1, der sich mit den Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen beschäftigt, wird zum einen von der Gleichwertigkeit von Ertragswert- und DCF-Verfahren ausgegangen und zum anderen für Zwecke der Ermittlung der Kapitalkosten ausschließlich auf das CAPM zurückgegriffen. Bedenken hinsichtlich dabei bestehender systematischer Fehler werden kaum geäußert“ (KRATZ/WANGLER, 2005, S. 169 f.).36 Andererseits werden in der traditionellen Bewertungsliteratur Möglichkeiten, das Unternehmensrisiko durch Portefeuillebildung zu hedgen, ganz vernachlässigt. Nach KÜRSTEN stellt sich angesichts der wachsenden praktischen Bedeutung von Kapitalmarkttransaktionen als Instrumente der Risikotransformation „die Frage, inwieweit der singularistische, weil Portefolioeffekte negierende Ansatz der traditionellen Bewertungsliteratur überhaupt noch zeitgemäß ist“ (KÜRSTEN, 2003, S. 310). Aber auch in der aktuellen Bewertungsliteratur wird kaum gezeigt, wie der individuelle subjektive Grenzpreis eines Bewertungsobjektes unter Berücksichtigung bereits realisierter Investitionsprojekte und optimaler Portefeuillestrategien ermittelt werden kann. Eine Ausnahme bildet WILHELM (2005). Er zeigt für den Einperioden-Fall, wie ein individueller subjektiver Grenzpreis analytisch bestimmt werden kann. Dabei bleibt jedoch offen, wie dessen Höhe bzw. dessen Abweichung vom Marktwert des Bewertungsobjekts von seinen Determinanten abhängt. Die Analyse dieser Höhe bzw. Abweichung nimmt in der vorliegenden Arbeit besonderen Raum ein, wobei vor allem die Risikoeinstellung des Investors, die „Größe“ des Bewertungsobjekts, die Transaktionsmöglichkeiten auf dem Kapitalmarkt und andere private Risiken des Investors als Determinanten der Abweichung untersucht werden (Kapitel VIII bis XII und XV). Wie gezeigt wird, resultiert die Problematik der Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises und seiner prinzipiellen Abweichung von Wertpapierpreisen im Wesentlichen aus fehlender Teilbarkeit von Unternehmen.37 Bei der Analyse der Abweichung zwischen dem individuellen subjektiven Grenzpreis und dem Marktwert wird in der Arbeit oft von gegebenen zustandsabhängigen Überschüssen ausgegangen. Dies bedeutet aber nicht, dass der individuelle subjektive 35

36 37

Vgl. TSCHÖPEL (2004, S. 80); BAETGE/KRAUSE (1994); DRUKARCZYK (2003, S. 310 ff.); HERING (2006, S.182-184); BORN (2003, S. 113); SCHILDBACH (1998, S. 309). Die Mitglieder des IDW werden sicherlich für derartige Erleichterungen ihrer Arbeit dankbar sein. Darauf hat SCHMIDT schon 1976 hingewiesen: „Bei der Unternehmensbewertung stellt sich das schwierige Problem der Teilbarkeit bzw. Unteilbarkeit. Bei Aktien gibt es ein Problem der Unteilbarkeit zwar auch, aber es ist doch so gering, dass es viel eher vernachlässigt werden kann als bei der Unternehmensbewertung. Strukturelle Angleichung von Objektzahlungsreihe, Alternativzahlungsreihe und gewünschter Einkommensreihe ist – jedenfalls unter den gemachten Annahmen – kein Problem“ (SCHMIDT, 1976, S. 61).

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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Grenzpreis allgemein in der Weise bestimmt werden kann, dass zunächst die Überschüsse mit dem höchsten Marktwert geplant und dann die entsprechenden optimalen Hedgemaßnahmen und der Abschlag vom Marktwert ermittelt werden. Unter den Bedingungen, unter denen der individuelle subjektive Grenzpreis vom Marktwert abweicht, ist die isolierte Planung der zustandsabhängigen Überschüsse nicht zielführend. Vielmehr ist integratives Risikomanagement geboten, bei dem simultan mit den optimalen Überschüssen die entsprechenden optimalen Hedgemaßnahmen geplant (antizipiert) werden. In Kapitel XV wird für den Mehrperioden-Fall gezeigt, wie bei der Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises simultan die Überschüsse des Leistungsbereichs mit denen der optimalen Hedgemaßnahmen abgestimmt werden können.

9

Die Problematik des DEAN-Modells als Leitlinie für die Schätzung eines risikoangepassten (endogenen) Kalkulationszinsfußes [*]

Die Vorstellung den Kalkulationszinsfuß aus der „besten verdrängten Handlungsalternativen“ abzuleiten, ist vermutlich auf das Modell von DEAN zurückzuführen, das in Deutschland große Beachtung gefunden hat (DEAN, 1951; MOXTER, 1961; HAX, 1993, S. 62 ff.). Es geht hierin um die Ermittlung eines optimalen Kapitalbudgets bei sicheren Erwartungen des Investors über die Renditen der Investitionsprojekte (oder bei unsicheren Erwartungen und Risikoneutralität des Investors) bei unvollkommenem Kapitalmarkt. Es wird gezeigt, wie bei beliebiger Teilbarkeit der Investitions- und Finanzierungsmaßnahmen für den Einperioden-Fall ein optimales Investitions- und Finanzierungsprogramm ermittelt werden kann und dass der optimalen Lösung ein endogener Kalkulationszinsfuß entspricht, mit dem dieses Programm bestimmt und ein zusätzliches Investitionsprojekt bewertet werden kann, sofern er a priori bekannt ist (oder hinreichend genau geschätzt werden kann).38 Der Kalkulationszinsfuß wird durch die Rendite (den internen Zinsfuß) der an der Grenze der Vorteilhaftigkeit stehenden „Grenzinvestition“ oder „Grenzfinanzierungsmaßnahme“ bestimmt. Wird durch ein Bewertungsobjekt eine Grenzinvestition verdrängt, bestimmt deren Rendite den Kalkulationszinsfuß. Ist es bei Kauf besser, eine Grenzfinanzierungsmaßnahme in Anspruch zu nehmen, statt auf Investitionen zu verzichten, bestimmt deren Kostensatz den Kalkulationszinsfuß. Die Idee, den Grenzpreis bzw. den maßgeblichen Kalkulationszinsfuß für dessen Ermittlung aus der Grenzfinanzierungsmaßnahme bzw. -investition abzuleiten, wird sehr klar von MOXTER beschrieben, auf dessen Arbeiten immer wieder zurückgegriffen wird, wenn gleiche oder ähnliche Konzepte vorgeschlagen werden: „In vielen Fällen stellt sich das Bewertungsobjekt als Bestandteil eines „Portefeuilles“ dar, das heißt einer Kombination mehrer Mittelanlageobjekte und mehrerer Mittelaufnahmeobjekte. […] Das Marginalprinzip besagt, dass man als Vergleichsobjekt die Grenzobjekte eines Portefeuilles heranzuziehen hat. Sind die Mittelaufnahmemöglichkeiten erschöpft, so verdrängt das Bewertungsobjekt das gleiche bzw. gleichwertige Erträge versprechende, renditeschwächste Mittelanlageobjekt des Portefeuilles; der Grenzpreis des Bewertungsobjekts entspricht dann dem Preis dieses Mittelanlageobjekts. Sind weitere Mittelaufnahmen möglich, so verursacht das Be-

38

Zur Bewertung in Risikosituationen gemäß dem Prinzip der flexiblen Planung bei Unvollkommenheit des Kapitalmarktes in der Gestalt von Kapitalrationierung vgl. Kapitel XIV, Abschnitt 13.

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Kapitel I

wertungsobjekt grundsätzlich eine Portefeuilleerweiterung; Vergleichsobjekt ist jetzt das Mittelaufnahmeobjekt: Für das Bewertungsobjekt darf höchstens der Betrag gezahlt werden, dessen Finanzierungskosten die Erträge aus dem Bewertungsobjekt voll aufzehren würden“ (MOXTER, 1983, S. 140 f.).39 „Das Vergleichsobjekt muss diejenige Mittelanlage darstellen, die der potentielle Käufer bei Nichtrealisierung des Bewertungsobjekts wählte (oder diejenige Mittelaufnahme, die bei Realisierung des Bewertungsobjekts erforderlich würde): Vom potentiellen Käufer aus gesehen bedeutet der Kauf des Bewertungsobjekts, dass entweder eine andere Mittelanlage verdrängt wird oder dass zusätzliche Finanzierungsmittel erforderlich werden. Die Verdrängung einer anderen Mittelanlage bedeutet eine Ertragsminderung; das gleiche gilt für die Aufnahme zusätzlicher Finanzierungsmittel. Der potentielle Käufer darf daher höchstens den Preis für das Bewertungsobjekt zahlen, bei dessen Entrichtung andere Mittelanlagen in dem Maße verdrängt bzw. zusätzliche Finanzierungsmittel gerade in der Höhe erforderlich werden, dass sich die hierdurch entstehende Ertragsminderung und die durch das Bewertungsobjekt ausgelöste Ertragsmehrung kompensieren“ (MOXTER, 1983, S. 124). Analog zum Fall sicherer Erwartungen wird für die individuelle subjektive Bewertung bei Risiko (und Risikoaversion) vorgeschlagen, den risikoangepassten Zinssatz aus der besten, durch Kauf des Bewertungsobjekts verdrängten Alternative der gleichen Risikoklasse abzuleiten.40 Unter welchen Bedingungen überhaupt eine oder mehrere Alternativen der gleichen Risikoklasse verdrängt werden und warum dann die beste davon den bewertungsrelevanten Zinssatz bestimmt, wird dabei nicht gezeigt. Anders als im DEAN-Modell stellt sich in der Realität das Problem, stochastische Abhängigkeiten zwischen den Überschüssen der Projekte eines Investitionsprogramms zu erfassen und zu prüfen, wie durch Kapitalmarkttransaktionen das Risiko gehedgt werden kann. Selbst wenn das optimale Investitionsprogramm und das optimale Wertpapierportefeuille ohne das Bewertungsobjekt bekannt wären, könnte kaum in einfacher Weise abgeschätzt werden, wie sich beide bei Kauf des Bewertungsobjekts ändern.

39 40

Vgl. auch BALLWIESER/LEUTHIER (1986). „Der Unternehmenswert errechnet sich als Barwert der künftigen Erträge aus dem Unternehmen. Der Diskontierungssatz („Kalkulationszinsfuß“, „Kapitalisierungszinssatz“) wird dabei aus der besten alternativen Kapitalanlage („Alternativanlage“, „Vergleichsinvestition“) abgeleitet [...]“ (MANDL/RABEL, 1997, S. 31). Da jedoch die „beste alternative Kapitalanlage“ a priori nicht bekannt ist, ergeben sich bei deren Ermittlung im Prinzip dieselben Bewertungsprobleme wie bei der expliziten Ermittlung des Grenzpreises für das zu bewertende Unternehmen. Abgesehen davon: Wie soll aus der „Alternativanlage“ ein für dieses Unternehmen maßgeblicher Diskontierungssatz hergeleitet werden, wenn nicht beide in dieselbe Risikoklasse fallen? Später präzisieren MANDL und RABEL wie folgt: „Aus der Fülle der in der Regel offenstehenden Alternativen ist die beste bzw. günstigste auszuwählen. Dabei muss jedoch nicht nur auf die Vergleichbarkeit der Alternativen untereinander, sondern in weiterer Folge auch auf ihre Vergleichbarkeit (Äquivalenz) mit den Unternehmenserträgen geachtet werden. Besondere Bedeutung erlangt dabei vor allem die Forderung nach der gleichen Unsicherheitsdimension der verglichenen Ertragsströme“ (MANDL/RABEL, 1997, S. 132). Unter „gleicher Unsicherheitsdimension“ wird vermutlich gleiche Risikoklasse verstanden. Die Argumentation klingt so, als ob ohne den Unternehmenskauf mehrere Investitionen derselben Risikoklasse wie für das Unternehmen durchgeführt werden und bei Unternehmenskauf auf einige dieser Alternativanlagen verzichtet wird. Wann wird diese Bedingung überhaupt erfüllt sein? Ähnlich wie MANDL/RABEL argumentieren HOMMEL/BRAUN (2002, S. 127; 278): „Die prognostizierten Nettoentnahmen werden der individuell besten, durch den Unternehmenserwerb verdrängten [...]. Alternative gegenübergestellt, deren Entnahmeverteilung identisch oder zumindest als gleichwertig einzuschätzen ist“. „Gleichwertigkeit“ impliziert auch hier „gleiche Risikoklasse.“ Vgl. auch BÖCKING/ NOWAK (1998); WESNER (2006, S. 38); BALLWIESER (1990, S. 5); WIEDMANN/ADERS/WAGNER (2001, S. 712).

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

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Sind die Mittelaufnahmemöglichkeiten erschöpft, so verdrängt das Bewertungsobjekt allenfalls zufällig eine Investition der gleichen Risikoklasse. Selbst wenn ein solches Projekt im Programm ohne das Bewertungsobjekt enthalten ist, wird es nicht ohne weiteres durch das Bewertungsobjekt „verdrängt“. Es ist möglich, dass im Optimum ein Projekt einer anderen Risikoklasse verdrängt wird, weil es renditeschwächer ist und sein Überschuss mit den Überschüssen der übrigen Investitionsprojekte relativ stark korreliert ist. Die Bewertung kann nur im Rahmen eines Kalküls erfolgen, in dem unter Berücksichtigung der Risikoeinstellung des Investors und den stochastischen Abhängigkeiten zwischen den Projektüberschüssen geprüft wird, wie bei Kauf des Bewertungsobjekts das Investitionsprogramm und das Wertpapierportefeuille umstrukturiert werden. Außerdem kann das Bewertungsobjekt in eine andere Risikoklasse fallen als alle bisher geplanten Investitionen. Auch wenn ein Projekt derselben Risikoklasse bereits geplant ist, mag sein Preis deshalb nicht Grenzpreis des Bewertungsobjekts sein, weil es kleiner oder größer als das Bewertungsobjekt ist, so dass bei Ganzzahligkeitsbedingungen infolge einer Verdrängung weitere Anpassungsmaßnahmen erforderlich werden. Wieder stellt sich das Problem, ein komplexeres Bewertungskalkül zu erarbeiten, statt auf eine a priori gegebene Vergleichsalternative abzustellen.

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Resümee

1. Die Arbeit befasst sich mit Grundfragen der Bewertung als Basis für die Entscheidung darüber, ob ein Bewertungsobjekt gekauft bzw. verkauft werden soll. Bei potenziellem Kauf (Verkauf) stellt der Wert eine Preisobergrenze (Preisuntergrenze) dar, bei der der Kauf (der Verkauf) aus Sicht des Bewertungssubjekts, für das die Bewertung vorgenommen wird, weder „vorteilhaft“ noch „nachteilig“ ist. Es wird gezeigt, wie der Wert oder Grenzpreis in alternativen Entscheidungssituationen ermittelt werden kann und wie er von seinen Determinanten abhängt. Besonderer Raum wird der Frage gewidmet, unter welchen Bedingungen der Grenzpreis mit dem Marktwert des Bewertungsobjekts übereinstimmt. 2. Als entscheidungsrelevante Zielfunktionen werden „subjektive Nutzenmaximierung“ und „Marktwertmaximierung“ zugrunde gelegt und deren Implikationen verglichen. Folgende Bewertungsfälle stehen im Vordergrund der Arbeit: Fall A: Die Bewertung erfolgt für ein börsennotiertes Unternehmen, dessen Anteilseigner kleine Anteile am Unternehmen und somit am Bewertungsobjekt halten und das Risiko durch gut gemischte Portefeuilles von Wertpapieren hedgen. Fall B: Die Bewertung erfolgt vom Standpunkt eines individuellen Investors, der erwägt, das Bewertungsobjekt für sich allein zu erwerben. Gelegentlich wird auch der Fall betrachtet, dass der Investor das Bewertungsobjekt als Alleineigentümer besitzt und erwägt, es zu verkaufen. Wir gehen stets davon aus, dass sich die Anteilseigner im Fall A bzw. der Investor im Fall B am Ziel orientieren, den Erwartungswert des Nutzens ihrer finanziellen Überschüsse (kurz: ihren Nutzen) zu maximieren. Nutzenmaximierung ist das Referenzziel, das stets als Ausgangspunkt der Betrachtung dient. 3. Im Fall A, in dem die Anteilseigner nur wenig an den Überschüssen des Bewertungsobjekts partizipieren, ist das Bewertungskalkül aus Sicht eines einzelnen Anteilseigners ein Marginalkalkül. Im Fall B trägt der Investor das Risiko des Bewertungsobjekts allein. Aufgrund

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Kapitel I

von Ganzzahligkeitsbedingungen kann er kein Marginalkalkül erstellen. Er kann zwar das Risiko aus dem Bewertungsobjekt durch Portefeuillebildung reduzieren (hedgen), er erreicht aber grundsätzlich nicht jene Risikostruktur, die für einen einzelnen Anteilseigner im Fall A bewertungsrelevant ist. Im Fall B wird der Investor die Bewertung gemäß seiner subjektiven Nutzenfunktion vornehmen. Für ihn ist der Grenzpreis derjenige Preis, von dem an sein subjektiver Nutzen bei Kauf (Verkauf) sinkt (steigt). Wir bezeichnen den jeweiligen kritischen Preis als individuellen subjektiven Grenzpreis. Er stimmt mit dem Marktwert überein, wenn Marktwertmaximierung und individuelle subjektive Nutzenmaximierung äquivalente Ziele sind, was aber nur unter sehr speziellen (Kapitalmarkt-)Bedingungen der Fall ist. Wie in der Arbeit immer wieder deutlich wird, gelten die Darstellungen zum Fall B analog für die Bewertung aus Sicht eines „Großaktionärs“ eines börsennotierten Unternehmens oder eines Investors, der privat mit wenigen anderen ein relativ großes Bewertungsobjekt zu kaufen bzw. seinen Anteil daran zu verkaufen erwägt. 4. Bei Einmütigkeit zwischen den Anteilseignern im Fall A ist jeder von ihnen „repräsentativ“ in dem Sinne, dass mit der Maximierung seines Nutzens zugleich auch der Nutzen jedes anderen Anteilseigners maximiert wird. Entsprechend existiert bei Einmütigkeit ein einheitlicher Grenzpreis, bei dessen Überschreitung bei Kauf des Bewertungsobjekts der subjektive Nutzen jedes Anteilseigners sinkt. Wir bezeichnen ihn als kollektiven subjektiven Grenzpreis. Er kann – wie auch ein optimales Investitionsprogramm – auf der Basis der Präferenzen eines beliebigen Anteilseigners ermittelt werden. Unter den (Kapitalmarkt-)Bedingungen, unter denen Einmütigkeit besteht, steht Marktwertmaximierung streng oder „näherungsweise“ im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung für alle Anteilseigner. Wenn die Maximierung des Marktwertes des Unternehmens im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung steht, ist der kollektive subjektive Grenzpreis gleich dem Marktwert des Bewertungsobjekts. 5. Für die Ermittlung des Wertes eines Unternehmens aus Sicht des Alleineigentümers oder der Gesellschafter bieten sich zwei Grund-Konzepte an, der Entity-Ansatz (oder BruttoAnsatz) und der Equity-Ansatz (oder Netto-Ansatz). Beim Entity-Ansatz wird der Marktwert M0 des Unternehmens nach Ausschüttung und nach Abzug des Fremdkapitals (d.h. der Marktwert des „Eigenkapitals“) wie folgt ermittelt: (I.1)

M0

=

Marktwert des Leistungsbereichs: Ermittelt als Marktwert der zukünftigen Überschüsse dieses Bereichs + Marktwert des Finanzbereichs ohne Fremdkapital: Zum risikolosen Zinssatz r angelegter Kapitalbetrag zuzüglich des Marktwertes (Börsenwertes) des Bestandes an riskanten Wertpapieren + Marktwert des neutralen (des nicht betriebsnotwendigen) Sachvermögens – Fremdkapital.

Beim Equity-Ansatz wird M0 direkt auf der Basis zukünftiger Ausschüttungen des Unternehmens ermittelt. 6. Wenn die Überschüsse des Leistungsbereichs durch Portefeuillebildung dupliziert werden können, kann (wenn vom Planungsaufwand abgesehen wird) deren Marktwert als Marktwert des Duplikationsportefeuilles ermittelt werden. Das Duplikationsportefeuille ist ein (statisches oder dynamisches) Portefeuille aus Wertpapieren, das in Zukunft dieselben Überschüsse aufweist wie der Leistungsbereich.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

59

Damit die Duplikation in jedem Fall gelingt, muss der Kapitalmarkt „vollständig“ sein. Je nach der Wahrscheinlichkeitsverteilung bezüglich der Überschüsse kann jedoch auch bei unvollständigem Kapitalmarkt die Bedingung der Duplizierbarkeit für ein Bewertungsobjekt erfüllt sein. Wenn die Duplikation durch Portefeuillebildung nicht möglich ist oder einen prohibitiv hohen Aufwand verursacht, benötigt man ein Modell, das die Preisbildung auf dem Kapitalmarkt eigenständig erklärt und nicht gesuchte Marktwerte auf bekannte Marktwerte zurückführt. Beim Discounted Cashflow-Verfahren (DCF-Verfahren) werden die Erwartungswerte der zukünftigen Überschüsse des Leistungsbereichs mit einem kapitalmarktorientierten risikoangepassten Kalkulationszinsfuß diskontiert. Er wird i.d.R. in der Weise ermittelt, dass auf der Basis kapitalmarkttheoretischer Überlegungen der risikolose Zinssatz r, der sogenannte Basiszins, um einen Zuschlag bzw. Abschlag (oder um periodenabhängige Zuschläge bzw. Abschläge) korrigiert wird. Da für die Bewertung im Allgemeinen Zuschläge maßgeblich sind, spricht man auch von Risikozuschlags-Methode. In der Praxis wird im Allgemeinen der risikoangepasste Zinssatz aus dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) hergeleitet. Bei der Sicherheitsäquivalent-Methode werden die Sicherheitsäquivalente der zukünftigen Überschüsse mit dem risikolosen Zinssatz r diskontiert. Das Sicherheitsäquivalent eines ungewissen Überschusses ist derjenige sichere Überschuss, der dem ungewissen gleichwertig ist, hier also denselben Marktwert aufweist. Die Sicherheitsäquivalent-Methode wird in der Praxis vorwiegend bei der Ermittlung individueller subjektiver Grenzpreise (sogenannter „Ertragswerte“) angewendet, während für die Ermittlung von Marktwerten die Risikozuschlags-Methode vorgezogen wird. 7. Beim Equity-Ansatz wird der Marktwert der Aktien (der Marktwert des Eigenkapitals) direkt auf Basis zukünftiger Ausschüttungen des Unternehmens ermittelt. Dabei sind im Prinzip die gleichen Bewertungskonzepte maßgeblich wie für die Bewertung der Überschüsse des Leistungsbereichs. 8. Ohne Rücksicht auf die Risikoeinstellung des Investors ist der individuelle subjektive Grenzpreis eines Bewertungsobjekts gleich dem (virtuellen) Marktwert, sofern die Überschüsse duplizierbar sind und das Duplikationsportefeuille unbeschränkt (leer-)verkauft werden kann. Jedoch sind diese Bedingungen vor allem bei größeren Bewertungsobjekten nicht erfüllt. Fehlende Duplizierbarkeit kann insbesondere aus stochastisch unabhängigen Störtermen („Noise“) resultieren, die unsystematische Risiken erzeugen. Die Störterme können sich direkt auf die Überschüsse des Bewertungsobjekts beziehen, aber auch allgemein auf die zukünftigen Wertpapierpreise. In dieser Arbeit wird der Einfluss beider Typen von Störtermen auf Abweichungen zwischen individuellen subjektiven Grenzpreisen und Marktwerten untersucht. Im Gegensatz zur Bewertungsliteratur widmen wir dabei Störtermen für zukünftige Kursentwicklungen besondere Aufmerksamkeit. Diese Störterme können vor allem auch aus beschränkter Rationalität der Akteure auf dem Kapitalmarkt, der Entscheidungsträger in Unternehmen und staatlicher bzw. politischer Entscheidungsinstanzen herrühren, die in gewissem Umfang nach Zufallsprozessen entscheiden. Die Störterme mögen zwar im Rahmen gut gemischter Portefeuilles praktisch nicht bewertungsrelevant sein und somit keinen Einfluss auf die Wertpapierpreise haben. Jedoch können sie das Hedgepotential eines individuellen Investors erheblich beeinträchtigen und bewirken, dass sein individueller subjektiver Grenzpreis weit unter dem Marktwert liegt. Wenn der Marktwert als Grenzpreis nicht in Betracht kommt, benötigt man ein Bewertungskonzept, das den Präferenzen des Investors explizit Rechnung trägt. In Theorie und Praxis sind auch für die Ermittlung individueller subjektiver Grenzpreise Diskontierungsmodelle verbreitet. Dabei können wiederum die Sicherheitsäquivalente der zukünftigen

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Kapitel I

Überschüsse mit dem risikolosen Zinssatz oder die Erwartungswerte dieser Überschüsse mit einem risikoangepassten Zinssatz diskontiert werden. 9. Oft wird empfohlen, bei der Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises einen risikoangepassten Kalkulationszinsfuß nicht nach „freiem Ermessen“ festzulegen, sondern ihn in Anlehnung am an den internen Zinsfuß der durch den Kauf des Bewertungsobjekts besten „verdrängten“ Alternativinvestition zu ermitteln. Gelegentlich wird es auch als sinnvoll angesehen, den risikoangepassten Kalkulationszinsfuß wie bei Marktbewertung nach dem DCF-Verfahren in Anlehnung an das CAPM zu ermitteln. Jedoch ist sowohl die Orientierung an der besten „verdrängten“ Alternativrendite als auch die Orientierung an den Bewertungsfunktionen des CAPM problematisch. Insbesondere wird nicht berücksichtigt, dass der individuelle subjektive Grenzpreis davon abhängt, wie man das aus den Überschüssen des Bewertungsobjekts resultierende Risiko konkret durch Portefeuillebildung und eventuell auch mit Realinvestitionen optimal hedgt. Bei Orientierung an der besten „verdrängten“ Vergleichsinvestition werden Risiken im Umfeld des Bewertungsobjekts (Hedgemaßnahmen durch Portefeuillebildung) überhaupt nicht berücksichtigt, bei Zugrundelegung des risikoangepassten Zinssatzes gemäß dem CAPM wird unterstellt, dass der Investor einen marginalen Anteil am Bewertungsobjekt hält und das Risiko durch Portefeuillebildung ideal gehedgt hat. 10. Oft wird behauptet, ein individueller subjektiver Grenzpreis könne deshalb nicht ermittelt werden, weil die bewertungsrelevante Nutzenfunktion nicht bekannt sei und sich außerdem im Zeitablauf ändern könne. In der Entscheidungstheorie wurden jedoch Konzepte entwickelt, mit denen (bruchstückhaft) auf die Nutzenfunktion geschlossen werden kann. Zwar wird sich die Nutzenfunktion im Zeitablauf ändern. Das gilt aber auch für Marktwerte. Wenn man bezüglich einer Nutzenfunktion einen individuellen subjektiven Grenzpreis ermittelt hat und nun damit rechnet, dass sie sich ändern kann, sollte man einen Abschlag vornehmen, wenn bei Kauf des Bewertungsobjekts gegenüber Kapitalmarktanlagen Anpassungen an Änderungen erschwert werden. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Kapitalmarkt unvollkommen und unvollständig ist. Unter diesen Kapitalmarktbedingungen ist jedoch der individuelle subjektive Grenzpreis kleiner als der Marktwert, so dass die Wertkorrektur in die falsche Richtung geht, wenn statt eines reduzierten Grenzpreises der Marktwert angesetzt wird. 11. Wie erläutert, nimmt der Investor im Fall B keine(n) Gesellschafter auf, wenn er ein Unternehmen (allgemein: ein Bewertungsobjekt) kauft; er führt (nutzt) es als Alleineigentümer. Dies kann zwar unter dem Aspekt der Risikoteilung nachteilig sein, bezüglich der Motivation und der Durchsetzung eigener Interessen durch den Investor können sich jedoch bei Alleineigentum Vorteile ergeben, die die Nachteile ineffizienter Risikoteilung überkompensieren. 12. Die Aufnahme von Gesellschaftern steht im Spannungsfeld zwischen effizienter Risikoteilung und der Vermeidung von Anreiz- und Kontrollproblemen. Eine Vergrößerung der Zahl der Gesellschafter verbessert grundsätzlich die Risikoteilung mit der Folge, dass bei linearer Erfolgsteilung und ausschließlicher Orientierung an finanziellen Zielen der Konfliktbereich zwischen den Gesellschaftern tendenziell immer mehr eingeengt wird. Andererseits können sich aufgrund heterogener Erwartungen über zukünftige Überschüsse und/oder nichtfinanzieller Bewertungsaspekte größere Konflikte ergeben. Insbesondere besteht die Tendenz, dass mit steigender Zahl von Gesellschaftern (mit fallendem Erfolgsanteil des Einzelnen) die Motivation, durch eigene Anstrengungen die Erfolgssituation zu verbessern, immer geringer wird.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

61

Im Bewertungsfall A sind sehr viele Anteilseigner mit breit gestreuten Portefeuilles am Unternehmen beteiligt. Hier existiert ein für alle Anteilseigner gleicher kollektiver subjektiver Grenzpreis, der zumindest näherungsweise mit dem Marktwert übereinstimmt. Da der individuelle subjektive Grenzpreis grundsätzlich niedriger als der Marktwert ist, liegt die Vermutung nahe, dass der Grenzpreis im Fall A höher ist als im Fall B. Jedoch kann der Marktwert aufgrund von Free-Rider-Problemen im Fall A wesentlich niedriger sein als im Fall B. Für den individuellen Investor im Fall B kann eben ein hoher Anreiz bestehen, hohe Überschüsse zu erzielen. Im Fall A dagegen ist der Anreiz eines Anteilseigners, die Erfolgssituation zu verbessern, grundsätzlich gering; er trägt das Arbeitsleid allein und muss Erfolgszuwächse mit vielen anderen teilen. Die Motivation eines Anteilseigners ist nicht nur dann gering, wenn ihm die Unternehmensführung obliegt. Dies gilt auch für seine Motivation, im Fall der Delegation der Unternehmensführung an Entscheidungsträger diese zu kontrollieren und zieladäquat zu steuern.

11

Aufbau der Arbeit

Die nachfolgenden Kapitel befassen sich mit folgenden Problemstellungen: Teil B: Entscheidungstheoretische Grundlagen In Kapitel II werden die entscheidungstheoretischen Grundlagen der Arbeit dargestellt. Besondere Beachtung findet das BERNOULLI-Prinzip, wonach es rational ist, den Erwartungswert des Nutzens der Zielgrößen (z.B. Gewinne, Überschüsse, Vermögenswerte) zu maximieren. Nutzenmaximierung dient in dieser Arbeit als Referenzziel, an dem die betrachteten Zielfunktionen und Bewertungskriterien gemessen werden. In Kapitel III wird das Grundmodell der Portefeuilleplanung für einen individuellen Investor dargestellt. Es bildet die Basis für die Erklärung der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt und die kollektive und individuelle subjektive Bewertung in den nachfolgenden Kapiteln. Teil C: Preisbildung auf dem Kapitalmarkt und kollektive subjektive Grenzpreise im Vergleich zu Marktwerten Auf Kapitel III aufbauend befasst sich Kapitel IV mit den kapitalmarkttheoretischen Grundlagen dieser Arbeit. Es werden Eigenschaften von Kapitalmarktgleichgewichten unter besonderer Berücksichtigung der Risikoteilung zwischen den Investoren auf dem Kapitalmarkt gezeigt und es wird untersucht, wie die Preise und „Marktrisikoprämien“ von Wertpapieren von ihren Determinanten – insbesondere den Erwartungen und Risikoeinstellungen der Investoren auf dem Kapitalmarkt – abhängen. Die Darstellungen haben nicht nur Bedeutung für die Ermittlung der Marktwerte von Bewertungsobjekten, sondern auch für die Analyse ihrer Relevanz als Grenzpreise in den Bewertungsfällen A und B. In den Kapiteln V und VI werden Bedingungen untersucht, unter denen zwischen den Anteilseignern eines börsennotierten Unternehmens Einmütigkeit besteht. Bei Einmütigkeit werden mit der Maximierung des Nutzenerwartungswertes eines beliebigen

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Kapitel I

Anteilseigners simultan die Nutzenerwartungswerte aller anderen Anteilseigner maximiert. Es existiert dann für ein beliebiges Bewertungsobjekt ein kollektiver subjektiver Grenzpreis, der (annähernd) mit dem Marktwert übereinstimmt. Zudem werden Bedingungen gezeigt, unter denen Zielkonflikte zwischen den Anteilseignern bestehen. Es kann dann kein kollektiver subjektiver Grenzpreis existieren, so dass der Marktwert allenfalls für eine homogene Gruppe von Anteilseignern als Grenzpreis in Betracht kommt. Grundlegende Voraussetzung für die Existenz eines kollektiven subjektiven Grenzpreises ist, dass in der Ausgangssituation (d.h. vor dem Projekt) das Risiko zwischen den Anteilseignern pareto-effizient geteilt wird und sie proportional an den Projektrückflüssen partizipieren. In Kapitel VII werden – gewissermaßen als Fazit der Kapitel V und VI – kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte verglichen. Zudem wird untersucht, welche Bedeutung private Risiken und Leerverkaufsmöglichkeiten bzw. deren Beschränkungen für die Bewertung haben. Außerdem wird gezeigt, dass auch die virtuelle Marktbewertung (nicht nur die individuelle subjektive Bewertung) weitgehend durch Subjektivismen – etwa bei der Prognose der erwarteten Überschüsse des Bewertungsobjekts und Auswahl eines risikoangepassten Kalkulationszinsfußes – beeinflusst wird. Teil D: Optimale Portefeuillebildung und individuelle subjektive Grenzpreise im Vergleich zu Marktwerten Die Kapitel VIII bis XII befassen sich primär mit dem Bewertungsfall B, also der Bewertung aus Sicht eines individuellen Investors, der das Risiko aus dem Bewertungsobjekt nicht mit anderen Investoren direkt teilt, sondern allenfalls indirekt über Portefeuillebildung. In Kapitel VIII wird davon ausgegangen, dass der Investor dieses Risiko überhaupt nicht hedgt. Es wird untersucht, welche Höhe dann sein Grenzpreis aufweist und wie er sich vom Marktwert unterscheiden kann. Darauf aufbauend zeigen die Darstellungen in den Kapiteln IX bis XII die wertsteigernde Wirkung der Portefeuillebildung im Umfeld des Bewertungsobjekts. In den Kapiteln IX und X wird in Erweiterung der Darstellun (der Übergen von Kapitel III gezeigt, wie ein exogener unsicherer Überschuss Ü 1 schuss eines Bewertungsobjekts) durch Portefeuillebildung optimal gehedgt werden  nicht oder nur bekann, wenn das Duplikationsportefeuille für den Überschuss Ü 1 schränkt leerverkauft werden kann (Kapitel IX) und/oder gar kein Duplikationsportefeuille existiert (Kapitel X). Darauf aufbauend wird in den Kapiteln XI und XII untersucht, wie der individuelle subjektive Grenzpreis ermittelt werden kann, wenn der Überschuss  des Bewertungsobjekts in den gegebenen Grenzen durch Portefeuillebildung optiÜ 1 mal gehedgt wird. Wieder wird gezeigt, wie der Grenzpreis von seinen Determinanten abhängt und wie er sich vom Marktwert unterscheiden kann. Wenn der Überschuss duplizierbar ist und das Duplikationsportefeuille unbeschränkt leerverkauft werden kann, ist der individuelle subjektive Grenzpreis gleich dem Marktwert. Ansonsten ist er grundsätzlich niedriger.

Bewertung als Entscheidungsproblem und Lösungsansätze: Ein Überblick

63

Teil E: Marktbewertung und individuelle subjektive Bewertung im Mehrperioden-Fall Die Darstellungen in den Kapiteln III bis XII beziehen sich auf den Einperioden-Fall. Sie werden in den Kapiteln XIII, XIV und XV auf den Mehrperioden-Fall erweitert, wobei im Allgemeinen das Konzept der flexiblen Planung zugrunde gelegt wird. Mit diesem Konzept und seiner allgemeinen Bedeutung für die Bewertung befasst sich Kapitel XIII. Dort wird auch ein Bewertungsmodell dargestellt, das im Prinzip unabhängig davon angewendet werden kann, ob das bewertungsrelevante Ziel in der Maximierung des Marktwertes (Kapitel XIV) oder der Maximierung des Erwartungswertes des Nutzens der Überschüsse besteht (Kapitel XV). In Kapitel XV wird auch gezeigt, wie man sukzessiv durch Abschläge von einem gegebenen Marktwert einen Schätzwert für den individuellen subjektiven Grenzpreis ermitteln kann. Bei der Analyse der optimalen Portefeuillebildung und der Erklärung der Preisbildung und der Risikoteilung auf dem Kapitalmarkt stehen nicht – wie in der Literatur üblich – Renditen im Vordergrund, sondern absolute Größen wie z.B. das Endvermögen eines Investors (sein Vermögen am Ende des betrachteten Planungszeitraums), die Endwerte der Wertpapiere und absolute Risikoprämien in Form erwarteter Residualgewinne. Diese Darstellungsweise erleichtert vor allem die Ermittlung individueller subjektiver Grenzpreise im Kapitalmarktzusammenhang und deren Vergleich mit Marktwerten. In der Arbeit wird (auch) der Marktbewertung besonderer Raum gewidmet. Sie hat nicht nur Bedeutung für die Ermittlung von Grenzpreisen im Fall A, sondern auch für die Bewertung im Fall B. Wie erläutert, stimmt unter bestimmten Kapitalmarktbedingungen der individuelle subjektive Grenzpreis mit dem Marktwert des Bewertungsobjekts überein. Sind die Bedingungen nicht erfüllt, ist der individuelle subjektive Grenzpreis grundsätzlich niedriger als der Marktwert. Die direkte Ermittlung des Grenzpreises stellt dann ein komplexes Problem dar. Es kann jedoch vereinfacht werden, indem zunächst ein Marktwert ermittelt und dann hiervon ein subjektiver Abschlag vorgenommen wird, um eine Annäherung an den Grenzpreis zu erzielen (Kapitel XV). Die dargestellten Modelle zur Analyse des subjektiven Abschlags in verschiedenen Entscheidungssituationen sind nicht dazu gedacht, den Abschlag „auszurechnen“. Sie sollen vielmehr zeigen, von welchen Determinanten die Abweichung zwischen Marktwert und subjektivem Grenzpreis abhängt, und so Orientierung und Hilfestellung für Rückschlüsse auf subjektive Grenzpreise geben. Die Darstellungen zum Einfluss der maßgeblichen Determinanten auf den Verlauf der „modifizierten Effizienzkurve“ und den zugehörigen individuellen subjektiven Grenzpreis (insbesondere Risikoprämien, Varianzen und Kovarianzen) haben gelegentlich die Form von „Tendenzaussagen“, die nicht allgemeingültig sind. Aufgrund der engen Interdependenzen zwischen den Determinanten ist es eben z.T. äußerst schwierig, generelle und zugleich präzise Resultate zu erzielen. Jedoch beruhen die Tendenzaussagen jeweils auf der Analyse möglicher Zusammenhänge auf der Grundlage eines präzisen Entscheidungsmodells und deren Interpretation. Es wird jeweils ersichtlich welche Überlegungen hinter den Tendenzaussagen stehen. Im übrigen kann man in einer kon-

64

Kapitel I

kreten Entscheidungs- und Bewertungssituation im Rahmen von Sensitivitätsanalysen auf der Grundlage alternativer Ausprägungen für die Determinanten deren Einfluss auf den Wert des Bewertungsobjekts modellorientiert prüfen. Die mit einem „Stern“ [*] gekennzeichneten (und mit kleinerer Schrift gedruckten) Abschnitte enthalten Erweiterungen und Vertiefungen, die für den Spezialisten gedacht sind. Sie werden allenfalls für die Darstellungen in Abschnitten benötigt, die ebenfalls mit einem „Stern“ versehen sind.

TEIL B: ENTSCHEIDUNGSTHEORETISCHE GRUNDLAGEN

Kapitel II Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

1

Problemstellung

Wie in Kapitel I erläutert wurde, befasst sich die Arbeit vor allem mit der Frage, wie bei unterschiedlichen Formen der Risikoteilung Bewertungsziele theoretisch fundiert und wie einzelne Investitionsprojekte, Investitionsprogramme oder ganze Unternehmen zielkonform bewertet werden können. Im vorliegenden Kapitel wird ein Überblick über diejenigen Bausteine der Theorie der Individualentscheidung gegeben, auf denen in den nachfolgenden Kapiteln aufgebaut wird.1 Die Darstellungen im vorliegenden Kapitel haben auch direkte Bedeutung für die Unternehmensplanung. Wie in späteren Kapiteln gezeigt wird, besteht unter bestimmten Kapitalmarktbedingungen Einmütigkeit zwischen den Anteilseignern (Gesellschaftern) eines Unternehmens, so dass gilt: Wird im Rahmen eines Individualkalküls der subjektive „Nutzen“ des Erfolgsanteils für einen beliebigen Anteilseigner maximiert, ergibt sich simultan auch ein Optimum für jeden anderen Anteilseigner; es existiert ein (einheitlicher) kollektiver subjektiver Grenzpreis für ein beliebiges Bewertungsobjekt. Ein wesentliches Problem der Individualentscheidung und entsprechend der Bewertung bei Risiko besteht darin, die möglichen Ergebnisse der erwogenen Alternativen zu bewerten. Im Vordergrund der Arbeit steht das BERNOULLI-Prinzip (Abschnitt 2.2), wonach die Ergebnisse derart durch subjektive Nutzenwerte repräsentiert werden, dass sich diejenige Alternative als optimal erweist, mit der der Erwartungswert des Nutzens (kurz: der Erwartungsnutzen oder Nutzen) maximiert wird. Häufig wird das BERNOULLI-Prinzip durch einfache Entscheidungskriterien repräsentiert, die nur unter bestimmten Voraussetzungen mit ihm in Einklang stehen, und zwar die P-Regel und das (P,V)-Prinzip (Abschnitt 2.3). 1

Ausführlichere Darstellungen (insbesondere auch Beweise) finden sich zum Beispiel in LAUX (2007); EISENFÜHR/WEBER (2003); BITZ (1981); BAMBERG/COENENBERG (2002).

66

Kapitel II

In Abschnitt 3 wird das ARROW-PRATT-Maß für die absolute Risikoaversion dargestellt, das im Rahmen dieser Arbeit vor allem für die Analyse der Eigenschaften „pareto-effizienter“ bzw. „anreizkompatibler“ Teilungsregeln und für die Erklärung von Gleichgewichtspreisen auf dem Kapitalmarkt Bedeutung hat. Die deduktiven Analysen in dieser Arbeit bauen auf Entscheidungs- bzw. Erklärungsmodellen auf, die in der Weise vereinfacht sind, dass sie nur einen Teil der relevanten Risiken explizit erfassen. Es gibt jeweils „Hintergrundrisiken“, die für die Bewertung der explizit betrachteten Risiken von Bedeutung sein können. Im Rahmen der Modelle zur Erklärung der Preisbildung auf Kapitalmärkten werden zum Beispiel explizit nur die mit den Wertpapieren verbundenen Risiken betrachtet. Die Inhaber dieser Papiere werden darüber hinaus im Allgemeinen noch weitere Risiken tragen (etwa aus Sachvermögen, aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit). Ein großer Teil der betreffenden Modelle sind zudem Einperiodenmodelle, wobei die Risiken aus zukünftigen Maßnahmen bzw. Ereignissen ebenfalls nicht explizit berücksichtigt werden. Wenn sich die Modellanalyse auf einen Teil der Risiken beschränkt, existiert ein „modellexterner Bereich“, der für die Bewertung der explizit betrachteten Risiken grundlegende Bedeutung haben kann. Im Abschnitt 4 wird gezeigt, wie mit Hilfe zustandsabhängiger Nutzenfunktionen die Risiken des modellexternen Bereichs implizit berücksichtigt werden können. Von der Gestalt der Nutzenfunktion hängt es ab, welches „Sicherheitsäquivalent“ ein Entscheider einer ungewissen Zielgröße beimisst (Abschnitt 5). In jedem Entscheidungsprozess – insbesondere auch bei der Unternehmensplanung – geht es darum, voneinander abhängige Entscheidungsvariablen aufeinander abzustimmen, d.h. zu koordinieren. Der Koordinationsbedarf kann auf vier Verbundeffekte zurückgeführt werden, die in Abschnitt 6 erläutert werden. Bei den Darstellungen in den Abschnitten 2 bis 6 geht es im Kern um das Problem, wie ein einzelner Entscheider in Risikosituationen rationale Entscheidungen treffen kann. Dabei werden bei der Beurteilung bzw. Bewertung der erwogenen Maßnahmen nur die Präferenzvorstellungen dieses Entscheiders berücksichtigt. In der Realität können jedoch Risiken mit anderen Personen geteilt werden. Im Vordergrund dieser Arbeit stehen Risiken, die aus ungewissen Erfolgen resultieren (etwa Erfolgen aus einmaligen Geschäften oder Unternehmenserfolgen). Entsprechend impliziert Risikoteilung Erfolgsteilung. Ein Entscheider kann hiermit möglicherweise schon bei gegebenen Objektmaßnahmen einen Vorteil erzielen. Darüber hinaus können finanzielle Vorteile auch realisiert werden, indem zusätzliche riskante Investitionen durchgeführt werden, die ohne Risikoteilung, d.h. ohne Allokation des Risikos auf mehrere Personen, für einen Einzelnen zu riskant gewesen wären. Risikoteilung erfolgt zum Beispiel dann, wenn der Eigentümer eines Unternehmens Gesellschafter aufnimmt, die am Erfolg partizipieren. Eine bedeutende Institution zur Teilung von Erfolgsrisiken ist der Kapitalmarkt, auf dem Anwartschaften auf ungewisse Zahlungen gehandelt werden. Ist ein Unternehmen börsennotiert, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sehr viele Gesellschafter (Anteilseigner) in relativ einfacher Weise am Unternehmensrisiko zu beteiligen. Darüber hinaus

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

67

können auch Nichtgesellschafter am Risiko partizipieren. Typische Beispiele hierfür sind der Abschluss von Versicherungen und von Termingeschäften. Eine „optimale“ Erfolgs- oder Risikoteilung stellt ein komplexes Optimierungsproblem dar. Die Lösung dieses Problems kann wie folgt angestrebt werden: Zunächst wird die Menge der „pareto-effizienten“ Teilungsregeln bestimmt und dann aus dieser Menge eine ausgewählt. Eine Teilungsregel ist bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg (oder eine andere finanzielle Zielgröße) pareto-effizient, wenn es nicht möglich ist, durch Umverteilung der zustandsabhängigen Erfolge den Erwartungsnutzen mindestens eines der Beteiligten zu erhöhen, ohne den Erwartungsnutzen mindestens eines anderen zu reduzieren. In Abschnitt 7 wird untersucht, wie pareto-effiziente Teilungsregeln ermittelt werden können und wie sie von den Risikoeinstellungen der Beteiligten sowie von ihren Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände Ss abhängen. Mit Hilfe von Bedingungen pareto-effizienter Risikoteilung wird in späteren Kapiteln untersucht, wie der Kapitalmarkt unter verschiedenen Voraussetzungen Erfolgsrisiken teilt und welche Implikationen sich jeweils für die Fundierung von finanzwirtschaftlichen Entscheidungskriterien sowie die Bewertung von riskanten Investitionen ergeben. Ausgehend von einer pareto-effizienten Erfolgsteilung kann bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg der Erwartungsnutzen keines Entscheiders erhöht werden, ohne dass der eines anderen sinkt. Bei einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung auf Grund von Investitionen oder anderer Maßnahmen können jedoch bei der betreffenden Teilungsregel alle einen Vorteil oder einen Nachteil erzielen. Möglicherweise erzielen aber auch einige einen Vorteil und andere einen Nachteil. Wenn die Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg durch wen auch immer beeinflusst werden kann, können sich dann Konflikte bezüglich der Durchführung der betreffenden Maßnahmen ergeben. Um solche Konflikte zwischen Entscheidern zu vermeiden, können sie ein Interesse daran haben, eine anreizkompatible Teilungsregel zu vereinbaren. Eine Teilungsregel erfüllt für zwei Entscheider X und Y die Bedingung der Anreizkompatibilität, wenn sie jeden möglichen Erfolg G derart teilt, dass der Erwartungsnutzen des (absoluten) Erfolgsanteils B(G) für X eine monoton steigende Funktion des Erwartungsnutzens des Erfolgsanteils G  B(G) für Y ist. Bei einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg kann dann eine Partei nur einen finanziellen Vorteil oder Nachteil erzielen, wenn dies zugleich für die andere Partei gilt.2 In Abschnitt 8 wird untersucht, wie anreizkompatible Teilungsregeln ermittelt werden können und welche Gestalt sie für unterschiedliche Konstellationen von Risikoeinstellungen der beiden Parteien aufweisen. Im Allgemeinen besteht ein Konflikt zwischen anreizkompatibler und pareto-effizienter Erfolgsteilung; nur lineare pareto-effiziente Teilungsregeln B( G ) z ˜ G  F (mit 0 < z < 1) implizieren Anreizkompatibilität für beliebige Änderungen der zustandsabhängigen Erfolge. Wie jedoch gezeigt wird, besteht immerhin „partielle“ Anreizkompatibilität bezüglich kleiner Änderungen mit quasi-konstanten Grenznutzenwerten, wenn

2

Die Bedingung der Anreizkompatibilität wird oft anschaulich als „Win-Win-Bedingung“ bezeichnet.

68

Kapitel II

die bisher möglichen Erfolge pareto-effizient geteilt sind und die Erfolgsänderungen proportional3 auf beide Parteien aufgeteilt werden. Auch die Darstellungen in Abschnitt 8 haben grundlegende Bedeutung für die theoretische Fundierung von Bewertungszielen. Wenn zwischen den an einem „gemeinsamen“ Erfolg beteiligten Personen keine Anreizkompatibilität besteht, existiert für ein Bewertungsobjekt kein kollektiver subjektiver Grenzpreis. Es besteht die Tendenz, dass für einen Teil der Beteiligten (etwa ein Teil der Gesellschafter eines Unternehmens) die Anschaffungsauszahlung höher als ihr subjektiver Grenzpreis und für andere niedriger ist.

2

Entscheidungskriterien bei Risiko

2.1

Dominanzprinzip als Vorentscheidungskriterium

In der Realität bestehen grundsätzlich mehrwertige Erwartungen über die Ausprägungen der entscheidungsrelevanten Daten; zu welchem Ergebnis eine Alternative führen wird, lässt sich zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mit Sicherheit vorhersagen. Das tatsächliche Ergebnis hängt von dem noch unbekannten Umweltzustand ab. Existiert eine Alternative, die alle anderen Alternativen dominiert, ergeben sich gegenüber dem Fall sicherer Erwartungen keine zusätzlichen Entscheidungsprobleme. Eine Alternative dominiert dann eine andere, wenn sie im Vergleich zu dieser in keinem Zustand ein schlechteres Ergebnis, jedoch in mindestens einem Zustand ein besseres Ergebnis bietet. Nach dem Dominanzprinzip ist eine dominante Alternative den anderen Alternativen vorzuziehen. Bei späteren Alternativenvergleichen wird das Dominanzprinzip oft zugrunde gelegt, z.B. bei der Analyse von Arbitragemöglichkeiten auf dem Kapitalmarkt. Es bietet den Vorteil, dass man mit relativ schwachen Annahmen über die Präferenzen des Entscheiders auskommt, etwa mit der Annahme, dass er einen höheren Überschuss oder ein höheres Vermögen einem niedrigeren vorzieht, also „Nichtsättigung“ vorliegt.

2.2

Bernoulli-Prinzip

2.2.1

Charakteristik

Allerdings existiert nur in Ausnahmefällen eine Alternative, die alle anderen dominiert. Verbleiben nach Ausscheiden der dominierten noch mindestens zwei Alternativen, führt das Dominanzprinzip zu keiner eindeutigen Entscheidung. Um eine Auswahl treffen zu können, müssen die möglichen Ergebnisse der verbliebenen Alternativen unter Berücksichtigung ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten gegeneinander abgewogen werden. Wenn jedoch die Zahl der möglichen Ergebnisse (der möglichen Zustände) groß ist, kann es extrem schwierig werden, eine Entscheidung zu treffen, da dann bei einem Vergleich

3

Hierbei wird die Erfolgsänderung linear geteilt, wobei keine Partei mit einem Fixum an der Erfolgsänderung partizipiert.

69

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

von Alternativen zahlreiche mögliche Ergebnisse gegeneinander abzuwägen sind. Ein natürliches Lösungskonzept besteht darin, das eigentliche, komplexe Entscheidungsproblem in einfache hypothetische Teilprobleme zu zerlegen. Ein derartiges Konzept stellt das BERNOULLI-Prinzip dar, das auf sehr plausiblen Axiomen rationalen Verhaltens beruht. Bei Entscheidung nach dem BERNOULLI-Prinzip wird das eigentliche Entscheidungsproblem in solche Teilprobleme zerlegt, bei denen jeweils nur drei der möglichen Ergebnisse gegeneinander abzuwägen sind. Nur diese Teilprobleme hat der Entscheider nach subjektivem Ermessen zu lösen. Darauf aufbauend wird mit Hilfe von Rechenoperationen die optimale Alternative des eigentlichen, komplexeren Entscheidungsproblems ermittelt. Eine Entscheidung nach dem BERNOULLI-Prinzip wird wie folgt in zwei Schritten getroffen: Auf der Grundlage relativ einfacher hypothetischer Entscheidungsprobleme wird eine Nutzenfunktion U bestimmt, die den möglichen Ergebnissen Eas Nutzenwerte U(Eas) zuordnet, wobei Eas das Ergebnis bei Wahl der Alternative Aa (a = 1,2,...,A) und Eintreten des Zustandes Ss (s = 1,2,...,S) bezeichnet. Sodann wird diejenige Alternative ermittelt und gewählt, mit deren möglichen Ergebnissen der höchste Erwartungswert des Nutzens (der höchste „Erwartungsnutzen“ oder auch kurz der höchste Nutzen) erzielt wird. Nach dem BERNOULLI-Prinzip ist somit der Präferenzwert )(A a ) einer Alternative Aa definiert als:4 (II.1)

)(A a )

~ E[ U(E a )]

S

¦ w (Ss ) ˜ U(E as )

(a = 1,2,...,A).

s 1

Hierin bezeichnet w(Ss) die Eintrittswahrscheinlichkeit des Zustandes Ss ~ (s = 1,2,...,S) und E[ U(E a )] den Erwartungsnutzen der Alternative Aa. Bei dieser Darstellung wird davon ausgegangen, die Zahl der möglichen Zustände sei endlich. Jedoch ist dies keine Voraussetzung für die Gültigkeit des BERNOULLIPrinzips. Die Ermittlung einer Nutzenfunktion stellt neben der Bildung eines Wahrscheinlichkeitsurteils über die Zustände das Kernproblem der Entscheidung nach dem BERNOULLI-Prinzip dar. Die Nutzenfunktion kann zum Beispiel auf folgende Weise (bzw. durch folgende BERNOULLI-Befragung) ermittelt werden:5 Aus der Menge der möglichen Ergebnisse wird ein günstigstes Ergebnis E und ein ungünstigstes Ergebnis E ausgewählt, so dass alle anderen möglichen Ergebnisse Eas in der Präferenzordnung des 4

5

Wenn hervorgehoben werden soll, dass eine Größe stochastisch ist, wird sie mit einer Tilde (a) versehen. Wie in Abschnitt 2.2.2 gezeigt wird, ist die Nutzenfunktion nur bis auf eine positiv lineare Transformation eindeutig bestimmt. Daher gibt es auch verschiedene Möglichkeiten, eine Nutzenfunktion empirisch zu ermitteln. Der hier beschriebene Weg ist besonders einfach und anschaulich.

70

Kapitel II

Entscheiders zwischen E und E stehen ( E ~ Eas ~ E ). Dem Ergebnis E (und allen gleichwertigen Ergebnissen) wird der Nutzenwert 1 zugeordnet, dem Ergebnis E (sowie allen äquivalenten Ergebnissen) der Nutzenwert 0. Zur Ermittlung des Nutzenwertes U(Eas) eines Ergebnisses Eas ( E E as E ) wird dem Entscheider, wenn auch nur hypothetisch, die Wahl angeboten zwischen  dem sicheren Ergebnis Eas und  einer Lotterie, bei der das Ergebnisse E mit der Wahrscheinlichkeit w und das Ergebnis E mit der Gegenwahrscheinlichkeit 1– w eintritt. Der Entscheider muss nun angeben, bei welcher Wahrscheinlichkeit w* er indifferent ist zwischen dem sicheren Ergebnis Eas und der Lotterie (Indifferenzwahrscheinlichkeit w*). Gemäß dem BERNOULLI-Prinzip muss der Nutzenwert des Ergebnisses Eas mit dem Erwartungswert des Nutzens der äquivalenten Lotterie übereinstimmen: U(E as )

w * ˜U(E)  (1  w*) ˜ U(E) w * ˜1  (1  w*) ˜ 0

w *.

Der Nutzenwert des Ergebnisses Eas stimmt also mit der Indifferenzwahrscheinlichkeit w* überein. Bei der Fixierung der Indifferenzwahrscheinlichkeit finden die subjektiven Risikound Präferenzvorstellungen des Entscheiders ihren Niederschlag. Er muss überlegen, welche Vorteile (Nachteile) sich für ihn ergeben, wenn statt des Ergebnisses Eas das Ergebnis E ( E ) eintritt. Je kleiner die Vorteile (je größer die Nachteile) sind, wenn statt des Ergebnisses Eas das Ergebnis E ( E ) eintritt, desto größer ist die Indifferenzwahrscheinlichkeit und demnach auch der Nutzenwert U(Eas). Wird jedem möglichen Ergebnis Eas ( E ~ Eas ~ E ) der jeweilige Nutzenwert U(Eas) zugeordnet, so entsteht eine Nutzenfunktion U. Die Bestimmung einer Nutzenfunktion nach dem BERNOULLI-Prinzip stellt an den Entscheider kaum höhere Anforderungen als ein Entscheidungsproblem bei Sicherheit: Während bei Sicherheit jeweils einwertige Ergebnisse miteinander zu vergleichen sind, ist bei Anwendung des BERNOULLIPrinzips jedes Ergebnis Eas ( E E as E ) gegen eine Wahrscheinlichkeitsverteilung mit zwei möglichen Ergebnissen (und zwar E und E ) abzuwägen.6

2.2.2

Eigenschaften der Nutzenfunktion

Es gibt nicht nur eine Nutzenfunktion U. Neben ihr existieren unendlich viele andere Nutzenfunktionen, die zu derselben Entscheidung führen: Wird die Nutzenfunktion U

6

Sind allerdings die Ergebnisse Eas nicht einwertig, sondern ihrerseits Wahrscheinlichkeitsverteilungen über die Zielgröße bzw. die Zielgrößen, kann die Ermittlung der Indifferenzwahrscheinlichkeiten w* (= U(Eas)) zunächst wesentlich schwieriger sein als der Vergleich der Ergebnisse für den Fall sicherer Erwartungen. Es besteht jedoch stets die Möglichkeit, bei der Bestimmung der Nutzenwerte auf Ergebnissen aufzubauen, die als einwertige Größen (und nicht als Wahrscheinlichkeitsverteilungen) definiert sind (vgl. hierzu LAUX, 1993, S. 3-27).

71

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

positiv linear transformiert, d.h. durch eine Funktion U* = D˜ U + E (mit D> 0 und E beliebig) ersetzt, ergibt sich für die Alternative Aa der folgende Präferenzwert:7 (II.2)

) (Aa ) D ˜ ) (A a )  E

(a = 1,2,...,A).

Hieraus folgt wegen D > 0: Entspricht einer Alternative Aa bei der Nutzenfunktion U ein höherer, ein gleich hoher oder ein niedrigerer Erwartungsnutzen (Präferenzwert )) als einer Alternative Aa', gilt das (für Į > 0) auch für die Nutzenfunktion U* = D ˜ U + E. Bei positiv linearer Transformation der Nutzenfunktion ändert sich die Rangordnung über die Nutzenerwartungswerte nicht. Nach dem BERNOULLI-Prinzip ist also die Nutzenfunktion nur bis auf eine positiv lineare Transformation eindeutig bestimmt. Der Nullpunkt und die Skaleneinheit der Nutzenfunktion können beliebig fixiert werden. Eine Nutzenfunktion mit dieser Eigenschaft wird als kardinal bezeichnet. Oft wird (auch in dieser Arbeit) davon ausgegangen, dass sich der Entscheider nur an einer Zielgröße Z (z.B. Gewinn, Umsatz oder Einkommen) orientiert. Verläuft seine Nutzenfunktion U(Z) konkav (konvex) – sinkt (steigt) also der Grenznutzen mit steigendem Z – so wird er als risikoavers (risikofreudig) bezeichnet; bei linearer Nutzenfunktion ist er risikoneutral. In dieser Arbeit wird grundsätzlich von Risikoaversion ausgegangen. Die Konzeption des BERNOULLI-Prinzips, ein komplexes Problem in der Weise zu lösen, dass auf der Basis relativ einfacher hypothetischer Entscheidungsprobleme die Präferenzen des Entscheiders erforscht werden, um dann auf die Lösung des eigentlichen, komplexeren Entscheidungsproblems zu schließen, ist von allgemeiner praktischer Bedeutung. Man kann diese Konzeption auch als Berater eines Investors bei der Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises anwenden. Hierbei muss der Investor in die Erforschung seiner Nutzenfunktion einbezogen werden.

7

Beweis: Bei Zugrundelegung der Nutzenfunktion U D ˜ U  E errechnet sich analog zu (II.1) für die Alternative Aa der folgende Nutzenerwartungswert (Präferenzwert )* ):

) (A a )

S

S

s 1

s 1

¦ w(Ss ) ˜ U (E as ) ¦ w(Ss ) ˜ [D ˜ U(E as )  E].

Durch Umformung ergibt sich: ) (A a )

S

S

D ˜ ¦ w(Ss ) ˜ U(E as )  ß ˜ ¦ w(Ss ). s 1 s 1

) (A a )

1

S

Hieraus folgt wegen ¦ w(Ss ) 1 der Präferenzwert (II.2). s 1

Ŷ

72

Kapitel II

2.3

Klassische Entscheidungskriterien im Licht des Bernoulli-Prinzips

2.3.1

P-Kriterium

~ Orientiert sich der Entscheider nur an einer Zielgröße Z , können unter bestimmten Bedingungen aus dem BERNOULLI-Prinzip relativ einfache Entscheidungs- bzw. Bewer~ tungsprinzipien abgeleitet werden. Für den Präferenzwert )( Z) einer beliebigen Wahr~ scheinlichkeitsverteilung über Z gilt gemäß (II.1):

(II.3)

~ )( Z)

S

~ E[ U( Z)]

¦ w (Ss ) ˜ U( Zs ). s 1

~ Hierin bezeichnen Zs (s = 1,2,...,S) die Ausprägung der Zielgröße Z bei Eintreten des ~ Zustandes Ss und E[ U( Z)] den Nutzenerwartungswert der Zielgröße. Wie erläutert, verläuft bei Risikoneutralität die Nutzenfunktion linear. Da jede Nutzenfunktion beliebig positiv linear transformierbar ist, kann eine lineare Nutzenfunktion wie folgt dargestellt werden: U( Z) Z. Hieraus folgt in Verbindung mit (II.3): (II.4)

~ )( Z)

~ E ( Z)

S

¦ w (Ss ) ˜ Zs { P. s 1

In Worten: Ist die Nutzenfunktion linear, besteht also Risikoneutralität, so folgt aus dem BERNOULLI-Prinzip das Erwartungswert-Kriterium (P-Regel): Optimal ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung oder die Alternative mit dem höchsten Erwartungswert P der ~ Zielgröße Z .

2.3.2

(P,V)-Prinzip

2.3.2.1 Quadratische Nutzenfunktion und beliebig verteilte Zielgröße

Ist der Entscheider risikoavers, wird bei Anwendung des BERNOULLI-Prinzips über die entsprechende konkave Nutzenfunktion das „Risiko“ einer Alternative implizit miterfasst. Eine andere Möglichkeit besteht darin, das Risiko explizit über ein Risikomaß in der Präferenzfunktion des Entscheiders zu berücksichtigen. In dieser Weise wird nach dem (P,V)-Prinzip vorgegangen, wobei die Standardabweichung V als Maß für das Risiko dient. Eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ~ über eine Zielgröße Z wird bei diesem Entscheidungsprinzip anhand ihres Erwartungswertes P und ihrer Standardabweichung V beurteilt. Das (P,V)-Prinzip hat insbesondere auch für Kapitalmarkttheorie und (darauf aufbauend) die Investitionsbewertung große praktische Bedeutung. Es ist allerdings nicht generell kompatibel mit dem BERNOULLI-Prinzip. Falls beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen über die Zielgröße gegeben sein können, folgt das (P,V)-Prinzip dann und nur dann aus dem BERNOULLI-Prinzip, wenn die Nutzenfunktion quadratisch

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

73

ist, also folgende Gestalt aufweist (mit b > 0): (II.5)

U( Z)

b ˜ Z  c ˜ Z2 .

Bei Risikoaversion gilt c > 0, wobei die Nutzenfunktion (II.5) konkav verläuft: U(Z) steigt mit wachsendem Z zunächst an und sinkt nach Erreichen eines Maximums wieder. Das Maximum liegt dort, wo der Grenznutzen gleich null ist, d.h. bei Z = b / 2c > 0. Die Implikation, dass der Nutzen von Z= b/2c an mit wachsendem Z wieder fällt, ist i.d.R. wenig sinnvoll. Wenn der Entscheider einen höheren Wert der Zielgröße einem niedrigeren vorzieht, ist der Nutzen eine streng monoton steigende Funktion von Z. Das (P,V)-Prinzip erfüllt somit nicht streng das Dominanzprinzip. Jedoch kann es im konkreten Anwendungsfall auch dann im Einklang mit dem BERNOULLI-Prinzip stehen, wenn die Nutzenfunktion nicht durchgehend quadratisch verläuft. Beide Prinzipien sind schon dann kompatibel, wenn die möglichen Zielgrößenwerte innerhalb eines Intervalls liegen, für das die Nutzenfunktion (hinreichend genau) durch ein ansteigendes Parabelstück approximiert werden kann.8 Im Folgenden wird bei Zugrundelegung einer quadratischen Nutzenfunktion angenommen, dass bei jeder Handlungsalternative der maximale Zielgrößenwert kleiner oder gleich b/2c ist, sofern diese Annahme nicht explizit aufgehoben wird. Alle Kombinationen von P und V bzw. von P und V2, denen derselbe Nutzenerwartungswert entspricht, sind einander äquivalent. Die äquivalenten Kombinationen können mit Hilfe von Indifferenzkurven dargestellt werden. Eine Indifferenzkurve ist der geometrische Ort aller (PV)- bzw. (PV2)-Konstellationen, denen der gleiche Nutzenerwartungswert entspricht. In einem (PV)-Diagramm haben die Indifferenzkurven die Gestalt konzentrischer Halbkreise, deren Mittelpunkt auf der Abszisse liegt (Abbildung II.1). Der Abszissenwert des Mittelpunktes ist gleich b/ 2c, dem Betrag, bei dem die entsprechende Nutzenfunktion (II.5) ihr Maximum aufweist. Die (P,V)-Kombinationen liegen bei festem P und wachsendem V auf Indifferenzkurven mit immer kleinerem Präferenzwert (kleinerem Nutzenerwartungswert). Im Bereich P d b / 2c zieht der Entscheidungsträger bei gegebener Standardabweichung einen größeren Erwartungswert einem kleineren vor. Im Bereich P ! b/2c ist es umgekehrt; hier verstößt das (P,V)-Prinzip gegen das Dominanzprinzip. Kann jedoch bei keiner möglichen Handlungsalternative der maximale Zielgrößenwert höher als b / 2c sein, gilt dies auch für den maximalen Erwartungswert der Zielgröße. Somit ist nur jener Teil der Indifferenzkurven entscheidungsrelevant, der im Bereich

8

Es ist dann streng genommen auszuschließen, dass die Zielgröße normalverteilt ist. Bei Normalverteilung geht die Untergrenze gegen f und die Obergrenze gegen f. Da dann die Verteilung nach oben nicht beschränkt ist, reicht sie bei quadratischer Nutzenfunktion zwangsläufig in den Bereich negativer Grenznutzenwerte. Der Bewertungsfehler bei quadratischer Nutzenfunktion kann jedoch dann vernachlässigbar gering sein, wenn die Ergebnisse im Bereich negativer Grenznutzenwerte sehr geringe Wahrscheinlichkeiten oder Dichten haben.

74

Kapitel II

P d b / 2c verläuft: Optimal ist diejenige Alternative, deren (P,V)-Kombination auf der Indifferenzkurve mit dem kleinsten Radius liegt. Die Abbildung II.1 verdeutlicht, dass für die Entscheidung nicht die absoluten Werte von b und c maßgeblich sind, sondern deren Verhältnis b/ c. Dies ist nicht überraschend: Da die Nutzenfunktion (II.5) nur bis auf eine positiv lineare Transformation eindeutig bestimmt ist, kann sie wie folgt dargestellt werden: U* ( Z)

(II.5a)

Z

c 2 ˜Z . b

Letztlich ist also nur der Quotient c/ b bewertungsrelevant. V

b 2c

0

P

Abb. II.1: Indifferenzkurven bei quadratischer Nutzenfunktion im (P,V)-Diagramm

Die Abbildung II.2 bringt den Verlauf der Indifferenzkurven im (PV2)-Diagramm zum Ausdruck. Für die Steigungen der Indifferenzkurven gilt hier: (II.5b)

dV 2 dP

b  2P . c

Die Steigungen sind also für gegebenes P von V2 unabhängig; allen Punkten mit denselben P-Wert entspricht derselbe Differentialquotient dV2 / dP. Die Indifferenzkurven verlaufen somit im (μ,V2)-Diagramm äquidistant zueinander; der senkrechte Abstand zwischen zwei Indifferenzkurven ist für jeden P-Wert gleich groß. Die Steigung einer Indifferenzkurve ist jedoch eine linear fallende Funktion des Abszissenwertes P. Für P = b / 2c ist die Steigung gleich null.

75

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

V2

P

0

b 2c

P

Abb. II.2: Indifferenzkurven bei quadratischer Nutzenfunktion im (P,V2)-Diagramm

2.3.2.2 Exponentielle Nutzenfunktion und normalverteilte Zielgröße

Eine quadratische Nutzenfunktion ist zwar dann notwendige Voraussetzung für die Kompatibilität von (μV -Prinzip und BERNOULLI-Prinzip, wenn beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen über Z gegeben sein können. Es existieren jedoch spezielle Klassen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen, bei denen auch dann mit dem (μV -Prinzip gearbeitet werden kann, wenn die Nutzenfunktion nicht quadratisch ist. Zu ihnen gehört die Normalverteilung. Falls bei allen Handlungsalternativen die Zielgröße normalverteilt ist, folgt das (μV -Prinzip immer dann aus dem BERNOULLI-Prinzip, wenn die Nutzenfunktion konkav ist (RUDOLPH, 1979a, S. 13ff.).9 Die Beziehung zwischen Erwartungsnutzen einerseits sowie P und V andererseits ist besonders einfach und anschaulich, wenn die Nutzenfunktion die folgende Gestalt hat (exponentielle Nutzenfunktion): (II.6)

U( Z)

1

 e

9

a˜Z

e  a ˜ Z

mit a > 0.

Bei normalverteilter Zielgröße muss die Nutzenfunktion über das Intervall [–f,+f] definiert sein. Dies ist bei vielen Typen von Nutzenfunktionen jedoch gar nicht der Fall. Zum Beispiel ist die logarithmische Nutzenfunktion ln(Z) und die Wurzel-Nutzenfunktion n Z (n t 2) für negative Zielgrößenwerte nicht definiert. Wenn der Grenznutzen der Zielgröße (etwa des Einkommens) nicht negativ sein soll, sind auch quadratische Nutzenfunktionen ausgeschlossen; bei ihnen ragt die Normalverteilung stets in den Bereich negativer Grenznutzenwerte hinein.

76

Kapitel II

In der Abbildung II.3 wird eine Nutzenfunktion des Typs (II.6) dargestellt. Sie ist konkav und monoton steigend (sie nähert sich asymptotisch der Z-Achse). Der konkave Verlauf impliziert Risikoaversion. U(Z)

0

Z

-1

1 ea

Z

Abb. II.3: Exponentielle Nutzenfunktion

~ Die Nutzenfunktion (II.6) impliziert den folgenden Erwartungsnutzen E[ U( Z)] (SCHNEEWEIß, 1967, S. 146 ff.): (II.7)

~ E[ U( Z)]

a U( P  ˜ V 2 ) . 2

 (mit dem Erwartungswert P und Gemäß (II.7) ist der Erwartungsnutzen der Zielgröße Z der Varianz V2) gleich dem Nutzenwert eines sicheren Zielgrößenbetrags in Höhe von P  (a / 2) ˜ V 2 . Der Entscheider ist demnach indifferent zwischen der Wahrscheinlich~ keitsverteilung über die Zielgröße Z und einem sicheren Zielgrößenwert in Höhe von ~ P  (a / 2) ˜ V 2 . Dieser stellt das „Sicherheitsäquivalent“ SÄ ( Z) der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zielgröße dar (Abschnitt 5):

(II.8)

~ SÄ ( Z)

a P  ˜ V2 . 2

Wegen a > 0 und V2 > 0 ist das Sicherheitsäquivalent kleiner als der Erwartungswert P (es kann auch negativ sein). Das Sicherheitsäquivalent und somit auch der Er~ wartungswert des Nutzens E[ U( Z)] ist bei gegebenem Erwartungswert P eine fallende Funktion der Varianz V2 der Zielgröße. Dabei ist der Nutzenerwartungswert für jede (μ,V2)-Konstellation umso kleiner, je größer der „Risikoaversionskoeffizient“ a ist. Der Term (a / 2) ˜ V 2 in (II.8) wird als „Risikoabschlag“ oder (als geforderte) subjektive „Risikoprämie“ bezeichnet. Problematisch hierbei ist, dass der Risikoabschlag unabhängig von P ist (vgl. auch Abschnitt 3.3). In einem (P,V2)-Diagramm können wieder Indifferenzkurven dargestellt werden, die zeigen, gegenüber welchen (P,V2)-Kombinationen der Entscheider indifferent ist. Da allen (P,V2)-Kombinationen auf einer Indifferenzkurve dasselbe Sicherheitsäquivalent

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

77

entspricht, kann die Gleichung einer Indifferenzkurve ermittelt werden, indem in (II.8) ~ ~ für SÄ ( Z) ein bestimmter Wert SÄ ( Z)* eingesetzt und dann nach V2 aufgelöst wird:

V2

(II.9)

2 2 ˜P  ˜ SÄ(Z)* . a a

~ Für alternative Werte SÄ ( Z)* ergibt sich eine Schar von Indifferenzkurven als parallele Geraden mit der Steigung 2/a, wobei a aus der Nutzenfunktion (II.6) stammt. Je größer a ist, umso niedriger ist die Steigung. Für a = 4 z.B. ergeben sich folgende Indifferenzkurven: V2 Steigung = 1/2

(allgemein: 2/a)

P

0

Abb. II.4: Indifferenzkurven bei exponentieller Nutzenfunktion und normalverteilter Zielgröße (mit a = 4) im (P,V2)-Diagramm

Der Abszissenwert einer Indifferenzkurve an der Stelle V2 = 0 bezeichnet das Sicherheitsäquivalent für alle (P,V2)-Konstellationen auf dieser Indifferenzkurve. Zieht man aus jedem Ordinatenwert V2 die Wurzel, erhält man die Indifferenzkurven im (P,V)-Diagramm. Alle Indifferenzkurven haben dieselbe Krümmung (bzw. für jedes V dieselbe Steigung); verschiebt man eine Indifferenzkurve nach links oder rechts, gelangt man zu anderen Indifferenzkurven (Abbildung II.5). V

0

P

Abb. II.5: Indifferenzkurven bei exponentieller Nutzenfunktion und normalverteilter Zielgröße im (P,V)-Diagramm

78

Kapitel II

Da die Indifferenzkurven im (P,V2)-Diagramm linear mit der Steigung 2/a verlaufen, hat in diesem Diagramm jede Indifferenzkurve im Abstand einer beliebigen „Risikoprämie“ RP > 0 rechts von ihrem Ausgangspunkt auf der Abszisse den folgenden Ordinatenwert: V2

(II.10)

2 ˜ RP . a

Hieraus folgt für das (P,V)-Diagramm: V

2 ˜ RP a

1 2 ˜ RP 2 . a

Die Ableitung nach RP ergibt: dV dRP

(II.11)

1 2 1 ˜ ˜ RP 2 a 2

1 2

˜

1 a ˜ RP

.

Somit ist die Steigung einer Indifferenzkurve in einem Punkt rechts von ihrem Ausgangspunkt auf der Abszisse eine fallende Funktion der zugehörigen „Risikoprämie“ RP (RP > 0) und des Risikoaversionskoeffizienten a. Geht die Risikoprämie gegen 0, so geht die Indifferenzkurvensteigung gegen f. Dies bedeutet, dass jede Indifferenzkurve an der Stelle, bei der sie auf der Abszisse beginnt, die Steigung f aufweist.

3

Das ARROW-PRATT-Maß für absolute Risikoaversion

3.1

Allgemeine Darstellung

Für die Analyse von Entscheidungs- und Bewertungsproblemen bei Risiko hat – wie in späteren Kapiteln dieser Arbeit immer wieder deutlich wird – der folgende "Risikoaversionskoeffizient" große Bedeutung: (II.12)

a( Z )



U ''( Z ) . U '( Z )

Dieser Koeffizient gilt als Maß für die lokale absolute Risikoaversion. ARROW und PRATT entwickelten unabhängig voneinander dieses nach ihnen benannte Maß (PRATT, 1964, S. 135 f.). Der Risikoaversionskoeffizient (II.12) mag zunächst als wenig plausibel erscheinen. Es stellt sich die Frage, ob nicht zum Beispiel U' oder U'' ein besseres Maß für die Risikoaversion sei. Wie in Abschnitt 2.2.2 gezeigt wurde, hat eine positiv lineare Transformation der Nutzenfunktion U keinen Einfluss auf die Präferenzordnung des Entscheiders.

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

79

Sie sollte daher auch keinen Einfluss auf das Maß der Risikoaversion haben. Wird jedoch die Funktion U* = Į ˜ U + ȕ abgeleitet ergibt sich: (II.13)

U*' = Į ˜ U'

und

U*'' = Į ˜ U''.

Beide Ableitungen ändern sich somit bei positiv linearer Transformation der Nutzenfunktion, sofern D z 1 . Sie sind somit isoliert gesehen als Maß für die Risikoaversion nicht geeignet (PRATT, 1964, S. 127). Wird dagegen gemäß (II.12) der Quotient aus zweiter und erster Ableitung der Nutzenfunktion gebildet, ergibt sich ein Maß für die Risikoaversion, das von einer linearen Transformation unabhängig ist. Um den Risikoaversionskoeffizienten zu erhalten, muss der Quotient der beiden Ableitungen noch mit (  1) multipliziert werden. Wegen U' > 0 ist der Risikoaversionskoeffizient bei Risikoaversion (U'' < 0) stets positiv und bei Risikovorliebe (U'' > 0) stets negativ. Der Kehrwert des Risikoaversionskoeffizienten wird als „Risikotoleranz" bezeichnet. Auch dieser Quotient ist für spätere Analysen von Bedeutung.

3.2

Quadratische Nutzenfunktion und ARROW-PRATTRisikoaversionskoeffizient

Für die erste Ableitung der quadratischen Nutzenfunktion (II.5) gilt: (II.14)

U' = b  2c ˜ Z.

Für die zweite Ableitung gilt: (II.15)

U'' = 2c.

Mithin folgt aus (II.12) für den Risikoaversionskoeffizienten a(Z): (II.16)

a( Z )



U ''( Z ) U '( Z )



2 c b  2c ˜ Z

1 b Z 2c

.

Bei quadratischer Nutzenfunktion ist der Risikoaversionskoeffizient eine monoton steigende Funktion von Z. Geht Z gegen b/2c, so geht a(Z) gegen unendlich; es besteht steigende absolute Risikoaversion. Der Kehrwert des Risikoaversionskoeffizienten, die Risikotoleranz, beträgt gemäß (II.16): (II.17)

1 a( Z )

b  Z. 2c

Ein Vergleich mit (II.5b) zeigt, dass die Steigung der Indifferenzkurven im (P,V)Diagramm an der Stelle P mit der doppelten Risikotoleranz für Z= P übereinstimmt:

80

(II. 18)

Kapitel II

dV 2 dP

b  2P c

2 a( P )

mit a( P )

1 b P 2c

.

Je größer der Risikoaversionskoeffizient a(Z) für Z = P, desto geringer sind somit die Indifferenzkurvensteigungen im (P,V)-Diagramm beim Abszissenwert P.

3.3

Exponentielle Nutzenfunktion und ARROW-PRATTRisikoaversionskoeffizient

Für die erste Ableitung der exponentiellen Nutzenfunktion (II.6) gilt (II.19)

U'(Z) = a ˜ eaZ

und für die zweite Ableitung: (II.20)

U'' = a2 ˜ eaZ.

Somit folgt für den Risikoaversionskoeffizienten: (II.21)

a( Z )



U '' U'



 a 2 ˜ e  aZ a ˜ e  aZ

a.

Der Risikoaversionskoeffizient stimmt also mit dem Exponenten a der exponentiellen Nutzenfunktion überein; er ist von Z unabhängig (konstante absolute Risikoaversion). Für die zugehörige Risikotoleranz gilt: (II.22)

1 a( Z )

1 . a

Ein Vergleich mit (II.9) zeigt, dass bei exponentieller Nutzenfunktion und Normalverteilung die Steigung der Indifferenzkurven im (P,V)-Diagramm mit der doppelten Risikotoleranz übereinstimmt. Bei linearer Nutzenfunktion (also bei Risikoneutralität des Entscheiders) gilt U'' = 0 und mithin auch a(Z) = 0. Somit ist auch bei linearer Nutzenfunktion der „Risikoaversionskoeffizient“ von Z unabhängig. Ist die Nutzenfunktion weder exponentiell noch linear, ist der Risikoaversionskoeffizient von Z abhängig, also variabel (PRATT, 1964, S. 127). Variable Risikoaversionskoeffizienten haben grundlegende Bedeutung für die Ermittlung und Höhe des individuellen subjektiven Grenzpreises (weil dann ein „Reichtumseffekt“ bewertungsrelevant ist). Das wird in der Arbeit immer wieder verdeutlicht, wobei die quadratische Nutzenfunktion als Repräsentant von Nutzenfunktionen mit variablem Risikoaversionskoeffizienten herangezogen wird.

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

4

81

Zustandsabhängige Nutzenfunktionen

Die Analysen in dieser Arbeit bauen zum Teil auf Entscheidungs- oder Erklärungsmodellen auf, die in der Weise vereinfacht sind, dass sie nur einen Teil der relevanten Risiken explizit erfassen. Es gibt jeweils „Hintergrundrisiken“, die für die Bewertung der betrachteten Risiken von Bedeutung sein können. Wenn sich die Modellanalyse auf einen Teil der Risiken beschränkt, existiert ein „modellexogener“ oder „modellexterner“ Bereich, der für die Bewertung der betrachteten Risiken grundlegende Bedeutung haben kann. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie mit Hilfe zustandsabhängiger Nutzenfunktionen der modellexogene Bereich implizit berücksichtigt werden kann. Bei der Erklärung der Preise riskanter Wertpapiere im Kapitalmarktgleichgewicht werden in der Theorie im Allgemeinen explizit nur jene Risiken berücksichtigt, die aus den Wertpapieren resultieren. Entweder wird (wie z.B. im Capital Asset Pricing Model, CAPM) angenommen, dass die Anteilseigner darüber hinaus keine bewertungsrelevante private Risiken tragen oder sie werden (wie im State Preference Ansatz, SPA) zwar nicht ausgeschlossen, jedoch ihr Einfluss auf die Gleichgewichtspreise nicht betrachtet. Den Implikationen privater (Hintergrund-)Risiken für die Risikoallokation auf dem Kapitalmarkt, die optimalen individuellen Portefeuilles, die Gleichgewichtspreise auf dem Kapitalmarkt und die Bewertung von Investitionsprojekten werden in der vorliegenden Arbeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei wird oft das Konzept zustandsabhängiger Nutzenfunktionen herangezogen. Das Bernoulli-Kriterium lautet bei endlicher Zahl von Zuständen in seiner allgemeinsten Form: S

(II.23)

¦ w (Ss ) ˜ U(E as ) o Max! s 1

a

Dabei bezeichnet Eas das Ergebnis der Alternative Aa (a = 1, 2,..., A) im Zustand Ss (s = 1, 2,..., S) und U( ˜ ) die Nutzenfunktion des Entscheiders. Bei der Konstruktion von Entscheidungs- oder Erklärungsmodellen wird oft angenommen, der bzw. die Entscheider orientierten sich nur an einer Zielgröße Z (wie z.B. Rendite, Einkommen, Gewinn oder Vermögen am Ende des betrachteten Planungszeitraumes) und das BERNOULLI-Kriterium in der folgenden Weise angewendet: S

(II.24)

¦ w (Ss ) ˜ U( Z as ) o Max! s 1

a

Zas bezeichnet den Wert, den die Zielgröße Z bei Wahl der Alternative Aa (a = 1, 2,..., A) und Eintreten des Zustandes Ss (s = 1, 2,..., S) aufweist. Das Kriterium (II.24) stellt einen sehr restriktiven Spezialfall von (II.23) dar. Es ist offensichtlich dann problematisch, wenn sich ein Entscheider doch nicht nur an einer, sondern an mehreren Zielgrößen orientiert. Das Kriterium (II.24) kann auch dann wenig sinnvoll sein, wenn im Rahmen eines Modells nur eine Zielgröße relevant ist. Es impliziert nämlich, dass der Nutzen des Zielgrößenwertes unabhängig vom eintretenden Zustand ist. Insbeson-

82

Kapitel II

dere bei Zielgrößen wie Geldvermögen, Gewinn oder Einkommen ist jedoch der Nutzenwert i.d.R. vom Zustand abhängig. Die Problematik des Kriteriums (II.24) ergibt sich im Prinzip daraus, dass eine Zielgröße im Allgemeinen keinen „Wert an sich“ besitzt. So resultiert der „Nutzen“ des Einkommens vor allem aus dem „Nutzen“ jener Güter und Dienstleistungen, die mit diesem Einkommen erworben werden können; der „Nutzen“ einer bestimmten Produktionskapazität ergibt sich aus den Gewinnen jener Produkte, die mit dieser Kapazität hergestellt werden können, wobei der „Nutzen“ dieser Gewinne wiederum vom „Nutzen“ der Gewinnverwendungsmöglichkeiten abhängt. Der Nutzenwert einer Zielgröße resultiert also allgemein aus dem Nutzen der jeweils möglichen Folgemaßnahmen. Diese Folgemaßnahmen und/oder deren Konsequenzen können ihrerseits vom Zustand Ss abhängen. Folglich kann auch der einer bestimmten Zielgrößenausprägung entsprechende Nutzenwert zustandsabhängig sein. ~ Ist die Zielgröße z.B. das Geldvermögen V , das am Ende der Planungsperiode zur Verfügung steht (Endvermögen), lautet das Kriterium (II.24) bei zustandsabhängiger Nutzenfunktion: S

(II.25)

¦ w (Ss ) ˜ U s (Vas ) o Max! s 1

a

Dabei bezeichnet Us( ˜ ) die dem Zustand Ss entsprechende Nutzenfunktion. In LAUX/ SCHNEEWEIß (1972) wird gezeigt, wie zustandsabhängige Nutzenfunktionen ermittelt werden können. Außerdem wird gezeigt, dass die Nutzenfunktion genau dann zustandsunabhängig ist (U1 = U2 = ... = US = U), wenn die Verwendungsmöglichkeiten für das Endvermögen von den Zuständen Ss stochastisch unabhängig sind. Der Fall stochastischer Unabhängigkeit besteht z.B. dann, wenn Aktien gekauft werden mit dem Ziel, sie am Ende der Periode wieder zu veräußern, um mit dem Verkaufserlös ausschließlich Konsumgüter zu erwerben, deren Preise von den Aktienkursen stochastisch unabhängig sind. Im allgemeinen sind indessen die Daten, die den Zustand Ss einerseits und die Verwendungsmöglichkeiten für das Endvermögen andererseits charakterisieren, voneinander stochastisch abhängig. Wenn zum Beispiel Geld in Aktien investiert wird und die Mittel, die am Ende der Periode zur Verfügung stehen, in Aktien reinvestiert werden, besteht eine sehr enge stochastische Abhängigkeit. Bei Nichtrisikoneutralität des Entscheiders können zustandsabhängige Nutzenfunktionen auch deshalb von Bedeutung sein, weil zusätzlich zu den im Modell erfassten Maßnahmen zur gleichen Zeit noch weitere riskante Maßnahmen durchgeführt werden.10 Die explizit im Modell erfassten Aktionsmöglichkeiten werden als Maßnahmen des Modellbereichs bezeichnet, die übrigen als Maßnahmen des exogenen oder externen ~ Bereichs. Für die Nutzenbewertung sei das Gesamtvermögen W maßgeblich, das am ~ ~ Ende einer Periode für beide Bereiche erzielt wird. Bezeichnet man mit V ( VE) das Endvermögen, das den Maßnahmen des Modellbereichs (des externen Bereichs) entspricht, gilt 10

Zur Wirkung solcher „Hintergrundrisiken“ auf die Nutzenfunktionen vgl. KIMBALL (1990; 1993).

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

(II.26)

~ W

83

~ ~ V  VE

und für die Nutzenfunktion für W (II.27)

U(W) = U(V + VE),

sofern dieser (Gesamt-)Nutzen seinerseits zustandsunabhängig ist. Der Nutzen U*(V) des Endvermögens V kann nun interpretiert werden als diejenige Änderung des Nutzens U(W), die aus V resultiert. Bei Risikoaversion (also bei konkaver Nutzenfunktion) ist U*(V) davon abhängig, welchen Wert VE aufweist: Je größer VE, desto kleiner ist für ~ alternative V-Werte der Nutzen U*(V). Ist nun VE zustandsabhängig, gilt dies auch für die Nutzenfunktion U*(V), wobei die Nutzenfunktion für den Zustand Ss (s = 1,2,...,S) mit U *s (V) bezeichnet wird. Für die Beurteilung einer Alternative im Modellbereich sind nun nicht allein ihre möglichen Endvermögenswerte V und deren Wahrscheinlichkeiten relevant. Vielmehr ist von Bedeutung, in welchen Zuständen die Vermögenswerte erzielt werden. Ist die Menge der möglichen Endvermögenswerte und deren Wahrscheinlichkeiten für zwei Alternativen Aa* und Aa** identisch, ist der Entscheider trotzdem grundsätzlich nicht indifferent, sofern die Ergebnisse in verschiedener Weise über die Zustände verteilt sind. Bietet zum Beispiel die Alternative Aa* in solchen Zuständen Ss relativ hohe Endvermögenswerte, für die die Nutzenfunktion U *s (V) steil verläuft (weil in den betreffenden Zuständen das Endvermögen im externen Bereich niedrig ist), und bietet die Alternative Aa** die betreffenden Endvermögenswerte in Zuständen mit flach verlaufender Nutzenfunktion U *s (V) , wird die Alternative Aa* vorgezogen. Hat der Entscheider die Wahl zwischen einer Alternative mit riskantem Endvermö~ ~ gen V und einer Alternative mit einem sicheren in Höhe des Erwartungswertes E(V) des Endvermögens der riskanten, wird er nicht unbedingt die sichere vorziehen. Die riskante Alternative kann dann vorteilhaft sein, wenn positive (negative) Abweichungen vom Erwartungswert primär in Zuständen Ss mit steil (flach) verlaufender Nutzenfunktion U *s (V) erzielt werden. Die Kovarianz zwischen dem Endvermögen im Modellbereich und dem im externen Bereich ist dann negativ.

Die Nutzenfunktion U*(V) ist immer dann zustandsabhängig, wenn VE stochastisch vom Zustand Ss abhängt. Nur bei stochastischer Unabhängigkeit gilt: U1* (V)

U*2 (V) ... U*s (V)

U* (V) .

Es zeigen sich auch hier Grenzen der Anwendung des (P,V)-Prinzips, das für die Portefeuille- und Kapitalmarkttheorie besondere Bedeutung hat. Bei diesem Entscheidungsprinzip sind nur der Erwartungswert und die Standardabweichung des Endvermögens (allgemein: der Zielgröße) relevant, und nicht die Zustände, in denen die möglichen Endvermögenswerte erzielt werden. Dies impliziert eine zustandsunabhängige Nutzenfunktion; bei zustandsabhängiger Nutzenfunktion kann

84

Kapitel II

das (P,V)-Prinzip nicht im Einklang mit dem Bernoulli-Prinzip stehen. Zum Beispiel wird im CAPM, das in Theorie und Praxis bei der Analyse von Bewertungsproblemen üblicherweise zugrunde gelegt wird, explizit angenommen, dass die Wertpapierportefeuilles durch die Investoren auf dem Kapitalmarkt nach dem (P,V)Prinzip bewertet werten. Dies bedeutet, dass keine privaten Überschüsse existieren, die von denen der Wertpapiere stochastisch abhängen. Im Allgemeinen wird jedoch Risikoverbund mit privaten Überschüssen z.B. aus selbständiger oder unselbständiger Arbeit, aus Vermietung und Verpachtung, aus Eigentum eines Einzelunternehmens oder eines Anteils an einer Personengesellschaft bestehen. Bei stochastischer Unabhängigkeit lassen sich private Risiken nicht durch Wertpapierhandel hedgen, so dass diese Risiken keinen Einfluss auf die optimalen individuellen Portefeuillestrukturen haben. Dagegen können stochastische Abhängigkeiten (zustandsabhängige Nutzenfunktionen) individuelle Portefeuillestrukturen und subjektive Grenzpreise erheblich beeinflussen.

5

Sicherheitsäquivalent und subjektiver Wert (Grenzpreis) einer stochastischen Zielgröße

5.1

Allgemeine Charakteristik

Für die Analyse riskanter Maßnahmen sind die theoretischen Konstrukte "Sicherheitsäquivalent" und "Wert" von grundlegender Bedeutung. Das Sicherheitsäquivalent einer Wahrscheinlichkeitsverteilung über eine Zielgröße Z ist definiert als derjenige sichere Zielgrößenwert SÄ ( Z ) , der dieser Verteilung gleichwertig ist. Der Entscheider ist also indifferent zwischen der sicheren Ausprägung SÄ ( Z ) und der Wahrscheinlichkeitsver~ teilung über Z . Von zwei beliebigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen über die Zielgröße ist jene vorzuziehen, der ein höheres Sicherheitsäquivalent entspricht. Bietet sich dem Entscheider die Möglichkeit, ein Wirtschaftsgut zu erwerben, das in Zukunft zu einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung über eine finanzielle Zielgröße – z.B. Gewinn oder Endvermögen – führt, kann sich für ihn das Problem stellen, den Wert dieses Gutes zu ermitteln. Der Wert ist diejenige kritische Anschaffungsauszahlung, bei der der Kauf für den Entscheider weder vorteilhaft noch nachteilig ist. Ist der geforderte Preis niedriger (höher) als der Wert, ist der Kauf vorteilhaft (nachteilig). Besitzt der Entscheider bereits ein Wirtschaftsgut, das in Zukunft zu einer stochastischen Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung über eine finanzielle Zielgröße führt, und bietet sich die Möglichkeit des Verkaufs, so kann sich ebenfalls ein Bewertungsproblem ergeben. Der Wert ist nun derjenige kritische Verkaufserlös, den der Entscheider mindestens erzielen muss, damit er durch den Verkauf keinen Nachteil erleidet. Ist der gebotene Preis höher (niedriger) als der Wert, ist der Verkauf vorteilhaft (nachteilig).

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

85

Im Folgenden wird untersucht, wie Sicherheitsäquivalente und Werte ermittelt werden können und wie deren Höhe von der Wahrscheinlichkeitsverteilung und der Risikoeinstellung des Entscheiders abhängen. Dabei wird deutlich, dass nur in Ausnahmefällen Wert und Sicherheitsäquivalent übereinstimmen. Zunächst soll untersucht werden, welche Höhe das Sicherheitsäquivalent SÄ ( Z ) einer einzelnen Zielgröße Z bei zustandsunabhängiger Nutzenfunktion U(Z) aufweist. Die Darstellungen verdeutlichen vor allem auch die Implikationen, die aus den Begriffen "Risikoneutralität", "Risikoaversion" und "Risikofreude" folgen. Nach dem BERNOULLI-Prinzip muss der Nutzen des Sicherheitsäquivalents mit dem Erwartungswert des Nutzens übereinstimmen, der der Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Zielgröße entspricht. Somit gilt für das Sicherheitsäquivalent: Z

!

(II.28)

U[SÄ ( Z )] E[ U ( Z )]

¦ w ( Z z ) ˜ U ( Z z ). z 1

Analog zu den Darstellungen in Abschnitt 2.2.2 ist das Sicherheitsäquivalent unabhängig von einer positiv linearen Transformation der Nutzenfunktion. Die Differenz zwischen dem Erwartungswert und dem Sicherheitsäquivalent wird als subjektiver "Risikoabschlag" (RA ( Z )) bezeichnet: (II.29)

RA ( Z )

E( Z )  SÄ ( Z ) .

Wie später gezeigt wird, ist bei streng konkaver zustandsunabhängiger Nutzenfunktion der Risikoabschlag positiv. Der (subjektive) Risikoabschlag kann als die geforderte Risikoprämie interpretiert werden. Eine riskante Maßnahme kann im Vergleich zu einer sicheren Alternative nur dann vorteilhaft sein, wenn sie im Urteil des Entscheiders gegenüber der sicheren Alternative eine "Risikoprämie" bietet, die höher ist als der Risikoabschlag. Stimmt die Risikoprämie mit dem Risikoabschlag überein, ist der Entscheider indifferent zwischen der riskanten und der sicheren Alternative.

5.2

Sicherheitsäquivalent bei Risikoneutralität

Bei Risikoneutralität kann die Nutzenfunktion wie folgt dargestellt werden: U(Z) = Z. : Entsprechend gilt für den Nutzenwert des Sicherheitsäquivalents der Zielgröße Z

U[SÄ ( Z )] SÄ ( Z ). Einsetzen in (II.28) ergibt:

86

Kapitel II

(II.30)

SÄ ( Z )

E( Z ).

Bei Risikoneutralität stimmt also das Sicherheitsäquivalent mit dem Erwartungswert der Zielgröße überein; der subjektive Risikoabschlag ist gleich null.

5.3

Sicherheitsäquivalent bei Risikoaversion

5.3.1

Allgemeine Darstellung

Bei Risikoaversion ist die Nutzenfunktion streng konkav. Für jede streng konkave Nutzenfunktion ist das Sicherheitsäquivalent kleiner als der Erwartungswert der Zielgröße: (II.31)

SÄ ( Z )  E( Z ).

Beweis: Für eine streng konkave Nutzenfunktion gilt die Ungleichung (vgl. z.B. GROOT, 1970, S. 97):

(II.32)

U[Z Z

DE

E( Z )] ! E[ U ( Z )].

Der Nutzenwert eines sicheren Zielgrößenwertes in Höhe von E( Z ) ist größer als der Erwartungswert des Nutzens der Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Zielgröße. Folglich wird bei Risikoaversion ein sicherer Z-Wert in Höhe von E( Z ) der Verteilung vorgezogen; der betreffende Z-Wert kann kein Sicherheitsäquivalent sein. Da der Nutzen U(Z) mit steigendem Z steigt, wird auch jeder sichere Zielgrößenwert Z ! E( Z ) der Verteilung vorgezogen. Folglich ist das Sicherheitsäquivalent SÄ( Z ) kleiner als E( Z ). Ŷ  unter E( Z)  liegt, Der Risikoabschlag in (II.29) ist somit positiv. Wie weit SÄ( Z) hängt von der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zielgröße Z und der Nutzenfunktion des Entscheiders ab.11 Zur Erläuterung und Interpretation von (II.31) wird angenommen, die Zielgröße Z könne nur die Werte Z1 und Z2 (Z2 > Z1) annehmen. Für den Erwartungswert der Zielgröße gilt dann: E( Z ) = w(Z1) ˜ Z1 + w(Z2) ˜ Z2. Wegen w(Z1) =1  w(Z2) gilt hierfür auch: (II.33)

E( Z ) [1  w ( Z2 )] ˜ Z1  w ( Z2 ) ˜ Z2 .

Umformung der Gleichung ergibt: (II.34)

E( Z )

Z1  w ( Z 2 ) ˜ [Z 2  Z1 ].

Für den Erwartungswert des Nutzens der Zielgröße Z gilt analog:

11

Zusammenhänge zwischen der Gestalt der Wahrscheinlichkeitsverteilung über eine Zielgröße und der Höhe des Sicherheitsäquivalents bei unterschiedlichen Typen von Nutzenfunktionen werden in REICHLING/SPENGLER/VOGT (2006) untersucht.

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

87

E[ U ( Z )] U ( Z1 )  w ( Z 2 ) ˜ [U ( Z 2 )  U ( Z1 )].

(II.35)

Der Nutzen des Sicherheitsäquivalents muss mit diesem Erwartungswert übereinstimmen: !

U[SÄ ( Z )] U ( Z1 )  w ( Z2 ) ˜ [U ( Z2 )  U ( Z1 )].

(II.36)

Welche Größenbeziehung besteht nun zwischen dem Sicherheitsäquivalent SÄ ( Z ) und dem Erwartungswert E( Z )? Gilt z.B. w(Z1) = 1/3 und w(Z2) = 2/3, folgt: E( Z )

(II.34a)

2 Z1  ˜ [ Z 2  Z1 ] 3

und 2 E[ U ( Z )] U ( Z1 )  ˜ [ U ( Z 2 )  U ( Z1 )]. 3

(II.35a)

Der Punkt P1 in Abbildung II.6 teilt die Strecke Z1Z 2 so, dass gilt: Z1P1 : Z1Z2 2 : 3. Folglich ist der Abszissenwert des Punktes P1 gemäß (II.34a) gleich E( Z ) . Die Senkrechte durch P1 schneidet die Strecke P2 P3 im Punkt S2. Dessen Ordinatenwert ist gleich U ( Z1 )  2 3 ˜ [ U ( Z 2 )  U ( Z1 )], also gemäß (II.35a) gleich E[ U ( Z )] bzw. gemäß (II.36) gleich U[SÄ ( Z )] . Der Ordinatenwert des Punktes S1 ist gleich dem Nutzenwert des sicheren Zielgrößenwertes in Höhe von E( Z ). Somit ist die Bedingung (II.31) erfüllt und das Sicherheitsäquivalent SÄ ( Z ) ist kleiner als E( Z ) . SÄ ( Z ) ist gleich dem Abszissenwert des Punktes S3, dessen Ordinatenwert mit dem von S2 übereinstimmt;  ist gleich E[ U ( Z )]. der Nutzenwert von SÄ( Z) U(Z) P3

U(Z 2 ) ~ U[E(Z)] ~ E[U(Z)] ~ = U[SÄ(Z)]

S1 S3 S2 _ 2 [U(Z )–U(Z )] 2 1 3·

U(Z 1)

P2 U(Z 1)

0

Z1

~ SÄ(Z)

P1 ~ E(Z)

Z2

_2 (Z –Z ) 3· 2 1

Abb. II.6: Zum Sicherheitsäquivalent bei Risikoaversion

Z

88

Kapitel II

  E(Z)  gilt bei streng konkaver Nutzenfunktion (also bei RiDie Größenrelation SÄ(Z) sikoaversion) auch für jeden anderen Wert von w(Z2) (0 < w(Z2) < 1). Sie resultiert daraus, dass der Nutzenzuwachs, der erzielt wird, wenn die Zielgröße ausgehend von SÄ( Z ) um einen bestimmten Betrag steigt, kleiner ist als die Nutzenminderung für den Fall, dass die Zielgröße um denselben Betrag unter SÄ( Z ) sinkt. Bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über Z ist der Risikoabschlag umso größer, je stärker der Graph der Nutzenfunktion nach links oben gekrümmt ist (LAUX, 2007, S. 222 ff.). ~ Wenn bei konstantem Erwartungswert E( Z) der mögliche Zielgrößenwert Z2 steigt ~ und Z1 entsprechend sinkt, wird das Sicherheitsäquivalent SÄ( Z) kleiner; die Zielgröße steigt in dem Bereich, in dem der Grenznutzen relativ niedrig ist und sinkt in dem Bereich, in dem er relativ hoch ist, so dass ihr Nutzenerwartungswert kleiner wird. Tritt an die Stelle des Zielgrößenwertes Z1 eine Wahrscheinlichkeitsverteilung mit den möglichen Zielgrößenwerten Z11 und Z12 und dem Erwartungswert Z1 und an die Stelle des Zielgrößenwertes Z2 eine Wahrscheinlichkeitsverteilung mit den möglichen Zielgrößenwerten Z12 und Z 22 und dem Erwartungswert Z2, ändert sich zwar der Erwar~ tungswert der Zielgröße Z (die nun die möglichen Werte Z11 , Z12 , Z12 und Z 22 annehmen kann) nicht, jedoch sinkt das Sicherheitsäquivalent: Den beiden Zielgrößenwerten Z11 und Z12 (bzw. Z12 und Z 22 ) entspricht ein Sicherheitsäquivalent, das kleiner ist als Z1 (bzw. Z2). Somit werden die beiden Sicherheitsäquivalente durch die ursprünglichen Zielgrößenwerte Z1 und Z2 dominiert, so dass das Sicherheitsäquivalent der beiden Sicherheitsäquivalente niedriger ist als das Sicherheitsäquivalent der ursprünglichen Zielgrößewerte Z1 und Z2. Die beschriebene Substitution durch je zwei mögliche Zielgrößenwerte führt also dazu, dass das Sicherheitsäquivalent der Verteilung sinkt. Das Gleiche gilt, wenn analog die Zielgrößenwerte Z11 , Z12 , Z12 und Z 22 durch je zwei mögliche Zielgrößenwerte substituiert werden, usw. Allgemein folgt: Je größer bei gegebenem Erwartungswert der „Streubereich“ der Zielgröße Z ist, desto mehr liegt ihr Sicherheitsäquivalent unter ihrem Erwartungswert. Dieser Zusammenhang soll für Spezialfälle demonstriert werden.

5.3.2

Spezialfälle

Bei exponentieller Nutzenfunktion und normalverteilter Zielgröße Z gilt für das Sicherheitsäquivalent (Abschnitt 2.3.2.2): (II.37)

~ SÄ( Z)

P

a 2 ˜V . 2

Das Sicherheitsäquivalent ist hier eine linear fallende (und der Risikoabschlag bzw. die subjektive Risikoprämie eine linear steigende) Funktion von a bzw. von V 2 . Der Risikoabschlag ist unabhängig von P; wenn die Zielgröße um einen sicheren Betrag steigt oder sinkt, ändert sich in gleicher Weise das Sicherheitsäquivalent. Bei quadratischer Nutzenfunktion U(Z) = b ˜ Z  c ˜ Z2 (und beliebiger Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Zielgröße) verlaufen die Indifferenzkurven im (P,V)-Diagramm streng konkav und äquidistant zueinander. (Verschiebt man eine Indifferenzkur-

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

89

ve parallel nach oben oder unten, ergeben sich andere Indifferenzkurven.) Allen Wahrscheinlichkeitsverteilungen über die Zielgröße, deren (P,V)-Konstellationen auf derselben Indifferenzkurve liegen, entspricht dasselbe Sicherheitsäquivalent. Es ist gleich dem Abszissenwert desjenigen Punktes auf der P-Achse, in dem die betreffende Indifferenzkurve beginnt. (Da in diesem Punkt V2 gleich null ist, kennzeichnet er einen sicheren Zielgrößenwert.) Da bei Risikoaversion die Indifferenzkurven im relevanten Bereich P d b/2c monoton steigend verlaufen, ist das Sicherheitsäquivalent einer beliebigen Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Zielgröße Z (mit V2 > 0) in diesem Bereich kleiner als deren Erwartungswert. Zum Beispiel entspricht dem Punkt P2 in Abbildung II.7 ein Sicherheitsäquivalent von null. Bei gegebenem Erwartungswert P' ist das Sicherheitsäquivalent SÄ ( Z ) umso kleiner, je größer die Varianz der Zielgröße ist. (Vgl. die den Punkten P1, P2 und P3 in Abbildung II.7 entsprechenden Sicherheitsäquivalente.) V2

P3

P2

P1

z

z

SÄ ( Z 3)

z

 ) SÄ( Z 1

SÄ ( Z 2 )

P'

b 2c

P

E( Z )

0

Abb. II.7: Einfluss von V2 auf das Sicherheitsäquivalent bei quadratischer Nutzenfunktion

5.4

Risikoabschlag und ARROW-PRATT-Maß

PRATT (1964, S. 125 f.) hat gezeigt, dass bei beliebiger stetiger und differenzierbarer Nutzenfunktion und geringer Varianz V2 der Zielgröße Z der Risikoabschlag wie folgt approximiert werden kann: (II.38)

~ a (P ) 2 RA ( Z) | ˜V . 2

90

Kapitel II

Der Risikoabschlag ist somit für gegebenes V2 von der Höhe des Risikoaversionskoeffizienten an der Stelle Z P abhängig. Ist die Nutzenfunktion weder linear noch exponentiell, variiert der Risikoabschlag mit dem Erwartungswert P. Bei quadratischer Nutzenfunktion ist er wegen der steigenden absoluten Risikoaversion umso höher, je größer der Erwartungswert ist. Da bei Normalverteilung und exponentieller Nutzenfunktion SÄ(Z) = P – (a / 2) ˜V2 gilt, ist für diesen Fall (II.38) unabhängig von P und V2 exakt als Gleichung erfüllt. Von zwei Entscheidern X und Y mit exponentieller Nutzenfunktion wird derjenige bei gegebenem V2 einen höheren Risikoabschlag vornehmen, dessen Risikoaversionskoeffizient a größer ist. Haben beide Entscheider eine quadratische Nutzenfunktion mit c > 0, ist gemäß (II.16) derjenige Entscheider bei gegebenem P-Wert risikoaverser im Sinne des ARROW-PRATT-Maßes, für den der Quotient b/ 2c kleiner ist; sein Risikoabschlag ist größer und sein Sicherheitsäquivalent kleiner als der des anderen Entscheiders. Da bei exponentieller Nutzenfunktion (wegen der konstanten absoluten Risikoaversion) der Risikoabschlag unabhängig vom Erwartungswert der Zielgröße ist, folgt hierfür: Wenn die Zielgröße um einen sicheren Betrag ' steigt, ändert sich der Risikoabschlag nicht, so dass das Sicherheitsäquivalent um ' steigt. Dies gilt nicht nur für den Fall der Normalverteilung des Zielgrößenwertes Z (für den das Sicherheitsäquivalent gemäß (II.37) einfach dargestellt werden kann), sondern – bei exponentieller Nutzenfunktion – für beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Orientiert sich der Entscheider z.B. an der Zielgröße „Vermögen“ am Ende des Planungszeitraumes, ändert sich die Bewertung riskanter Maßnahmen nicht, wenn dieses Vermögen vor diesen Maßnahmen um einen sicheren Betrag steigt oder sinkt. Der „Reichtum“ des Entscheiders hat keinen Einfluss auf seine Risikoaversion; es besteht kein „Reichtumseffekt“. In der Realität ist allerdings eher zu erwarten, dass die Bereitschaft zu riskanten Maßnahmen mit steigendem Reichtum zunimmt. Nur bei konstanter absoluter Risikoaversion (bei exponentieller oder linearer Nutzenfunktion) ist die Bewertung von Risiken von einem sicheren Vermögen oder Überschuss unabhängig (HAKANSSON, 1970, S. 591 f.; BELL, 1995, S. 25). Bei quadratischer Nutzenfunktion steigt sogar die Risikoaversion mit steigendem Reichtum: Gemäß (II.16) und (II.38) nimmt der Risikoabschlag zu, wenn das Vermögen des Entscheiders um einen sicheren Betrag steigt. Dies lässt sich auch anhand des Indifferenzkurvensystems im (P,V2)-Diagramm verdeutlichen (vgl. Abbildung II.8). Da bei gegebenem Wert für V2 die Indifferenzkurvensteigung mit steigendem P abnimmt, werden zusätzliche Risiken umso eher als nachteilig bewertet, je höher der Erwartungswert des Endvermögens in der Ausgangssituation ist. Zur Erläuterung wird ein Projekt betrachtet, das den Erwartungswert der Zielgröße um 'P und die Varianz um 'V2 erhöht. Ist in der Ausgangssituation diejenige (P,V2)Kombination gegeben, die dem Punkt P1 entspricht, ist das Projekt vorteilhaft, da mit ihm eine bessere Indifferenzkurvenposition erreicht wird. Dagegen ist das Projekt nachteilig, wenn als Ausgangssituation der Punkt P2 mit demselben Ordinatenwert (demselben V2) wie P1 maßgeblich ist. Jedoch ist die Vorteilhaftigkeit der Maßnahme unabhängig von der bereits gegebenen Varianz V2 des Endvermögens. Auch dies ver-

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

91

deutlicht Abbildung II.8. Dem Punkt P3 entspricht eine höhere Varianz als dem Punkt P1, jedoch ist das Projekt bei P3 ebenso vorteilhaft wie bei P1. Der Grund für die gleiche Bewertung liegt darin, dass die Indifferenzkurven äquidistant zueinander verlaufen, d.h. der senkrechte Abstand zwischen zwei beliebigen Indifferenzkurven für alternative PWerte identisch ist. Ist das Projekt bei der Ausgangssituation P1 nachteilig bzw. weder vorteilhaft noch nachteilig, so gilt dies auch für P3. Wie bei exponentieller Nutzenfunktion und Normalverteilung hat die Varianz des bisherigen Endvermögens bei quadratischer Nutzenfunktion keinen Einfluss auf die Bereitschaft, zusätzliche Risiken einzugehen. Zwar sind die Implikationen quadratischer und exponentieller Nutzenfunktionen nicht unproblematisch; quadratische Nutzenfunktionen implizieren steigende absolute Risikoaversion und exponentielle Nutzenfunktionen konstante, während in der Realität eher abnehmende Risikoaversion zu erwarten ist. Trotzdem werden diese Nutzenfunktionen bei späteren Analysen oft zugrunde gelegt, da sie eine relativ einfache und anschauliche Analyse ermöglichen. Wesentliche Ergebnisse gelten jedoch bei Normalverteilung unmittelbar auch für den Fall beliebiger konkaver Nutzenfunktionen, wobei dann wiederum das (P,V)-Prinzip aus dem BERNOULLI-Prinzip folgt. V2

'V 2

P3 'P

'V 2

P1

P2

'P

0

'V 2

'P

b 2c

P

Abb. II.8: Zur Analyse der Vorteilhaftigkeit eines Projekts

5.5

Sicherheitsäquivalent einer stochastischen Änderung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung

Im Rahmen der bisherigen Darstellungen wurde das Sicherheitsäquivalent der gesamten Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zielgröße Z betrachtet. Wenn eine Wahrscheinlich-

92

Kapitel II

keitsverteilung über die Zielgröße bereits existiert und Maßnahmen zur Veränderung dieser Verteilung erwogen werden, kann es sich als zweckmäßig erweisen, das Sicherheitsäquivalent nicht auf die neue Verteilung als Ganzes zu beziehen, sondern nur auf den stochastischen Betrag, um den sich die bisherige Verteilung ändert. Bezeichnet Z den bisherigen Zielgrößenwert und Z n die potenzielle Änderung, ist das Sicherheitsä die der quivalent SÄ( Z n ) von Z n gleich derjenigen sicheren Änderung der Zielgröße Z, n  ungewissen Änderung Z gleichwertig ist. Werden mehrere Alternativen zur Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung erwogen, ist jene mit dem höchsten Sicherheitsäquivalent SÄ( Z n ) optimal. Ist allerdings das maximale Sicherheitsäquivalent negativ, wird keine der Alternativen realisiert; es bleibt beim Status quo. Das Sicherheitsäquivalent SÄ( Z n ) muss nach dem BERNOULLI-Prinzip folgende Gleichung erfüllen: !

(II.39)

E( U[ Z  SÄ ( Z n )]) E[U ( Z  Z n )].

In Worten: Die sichere Änderung des Zielgrößenwertes Z um das Sicherheitsäquivalent SÄ( Z n ) und die stochastische Änderung um Z n führen zu demselben Nutzenerwartungswert.

Verläuft die Nutzenfunktion linear (ist der Entscheider risikoneutral), kann (II.39) wie folgt dargestellt werden: !

(II.40)

E[ Z  SÄ ( Z n )] E( Z  Z n ).

Hieraus folgt unmittelbar: (II.41)

SÄ ( Z n )

n E Z

 Z )  E( Z ) ( SÄ ( Z  Z n )

E( Z n ).

SÄ ( Z )

Bei Risikoneutralität ist das Sicherheitsäquivalent SÄ( Z n ) gleich dem Sicherheitsäquivalent der neuen (Gesamt-)Verteilung abzüglich des Sicherheitsäquivalents der ursprünglichen Verteilung. Diese Differenz ist gleich dem Erwartungswert von Z n . Bei exponentieller Nutzenfunktion und normalverteilter Zielgröße folgt aus (II.39) für das Sicherheitsäquivalent SÄ( Z n ): !

(II.42)

E[ Z SÄ ( Z n )]  2a ˜Var[ Z SÄ ( Z n )] E( Z  Z n )  2a ˜Var( Z  Z n ) . SÄ[Z SÄ ( Z n )]

Da SÄ ( Z n ) deterministisch ist, gilt: Var[ Z  SÄ ( Z n )] Var( Z ) und

SÄ ( Z  Z n )

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

93

E[ Z  SÄ ( Z n )] E( Z )  SÄ ( Z n ). Somit kann (II.42) wie folgt dargestellt werden: (II.43)

SÄ ( Z n )

a a E( Z  Z n )  ˜ Var( Z  Z n )  [ E( Z )  ˜ Var( Z )] . 2 2 SÄ ( Z  Z n )

SÄ ( Z )

In Worten: Das Sicherheitsäquivalent von Z n ist gleich dem Sicherheitsäquivalent der  Z n ) abzüglich des Sicherheitsäquivalents der Ausgangsverteineuen Verteilung, SÄ( Z+  lung, SÄ( Z). Für (II.43) kann man schreiben:12

(II.44)

SÄ(Z n )

a  E(Z n )  ˜ [Var(Z  Z n )  Var(Z)] 2 a  Z n )]. E(Z n )  ˜ [Var(Z n )  2 ˜ Kov(Z; 2

Das Sicherheitsäquivalent ist somit gleich dem Erwartungswert von Z n abzüglich der mit a/2 gewichteten Änderung der Varianz der Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Zielgröße. Ist die Nutzenfunktion weder linear noch exponentiell, gilt grundsätzlich: SÄ ( Z n ) z SÄ ( Z  Z n )  SÄ ( Z ). Dies lässt sich anschaulich für den Fall quadratischer Nutzenfunktionen verdeutlichen (Abschnitt 5.7.2).

5.6

Subjektiver Wert einer stochastischen (Änderung einer) Wahrscheinlichkeitsverteilung

5.6.1

Wert WK ( Z n ) aus Sicht eines potenziellen Käufers

Bei den bisherigen Darstellungen blieb offen, wie Z n zu interpretieren ist. Die Darstellungen gelten unabhängig davon, ob es sich um eine finanzielle Größe (Gewinn, Endvermögen, Einkommen) handelt oder um eine nichtfinanzielle (z.B. das durch einen geeigneten Indikator gemessene „Ansehen"). Bei Entscheidungsproblemen mit finanziellen Zielgrößen (Überschüssen) beschreibt die Zielkomponente Z n häufig nur einen Teil der Überschüsse der erwogenen Maßnahmen. Es kann sich dann das Problem stellen, für die übrigen Überschüsse kritische

12

Es gilt: Var(Z  Z n )

  2 ˜ Kov(Z;  Z n )  Var(Z n ) . Var(Z)

94

Kapitel II

Ausprägungen festzulegen, bei denen die erwogenen Maßnahmen gegenüber dem Status quo weder vorteilhaft noch nachteilig sind. Eine praktisch wichtige Problemstellung dieser Art ist die Ermittlung des „Wertes" des Überschusses eines einzelnen Investitionsprojekts oder eines Unternehmens im Umfeld mit anderen Risiken. Im Folgenden wird davon ausgegangen, Z n charakterisiere den Überschuss eines Bewertungsobjekts, das der Entscheider zu kaufen erwägt. Bei Verzicht auf Kauf verfüge er zu demjenigen Zeitpunkt, zu dem der Überschuss Z n anfällt, über das Geldvermögen Z , das auch sicher sein mag. Z n enthalte noch nicht die Anschaffungsauszahlung (weil darüber mit dem potenziellen Verkäufer noch verhandelt werden muss). Gesucht wird nun diejenige Anschaffungsauszahlung, von der an der Kauf nachteilig wird, also der Wert des Bewertungsobjekts für den potenziellen Käufer. Bezieht sich die finanzielle Zielkomponente Z n auf einen zukünftigen Zeitpunkt und ist die Anschaffungsauszahlung zu Beginn des Betrachtungszeitraums zu leisten, ergeben sich Zinsprobleme. Hiervon wird im Folgenden ohne Einschränkung der Allgemeinheit vereinfachend abgesehen. Man kann sich vorstellen, dass die Anschaffungsauszahlung zu demjenigen Zeitpunkt fällig wird, zu dem der Überschuss erzielt wird. Wird der zugehörige Wert mit dem risikolosen Zinssatz r diskontiert, ergibt sich der Wert für den Fall, dass die Anschaffungsauszahlung schon zu Beginn des Betrachtungszeitraums zu leisten ist. Der Wert WK( Z n ) aus Sicht des potenziellen Käufers muss nach dem BERNOULLI-Prinzip folgende Gleichung erfüllen: !

(II.45)

E[ U ( Z )] E( U[ Z  Z n  WK( Z n )]) .

In Worten: Nach Abzug des sicheren Betrages WK( Z n ) weist die neue Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Zielgröße denselben Nutzenerwartungswert auf wie die ursprüngliche Verteilung. (Ist WK( Z n ) negativ, wird der betreffende Betrag hinzuaddiert.)

Ein Vergleich von (II.45) mit (II.39) lässt den prinzipiellen Unterschied zwischen Wert WK( Z n ) und Sicherheitsäquivalent SÄ( Z n ) erkennen: Das Sicherheitsäquivalent ist diejenige sichere Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung von Z , die als Alternative zu der ungewissen Änderung Z n denselben Nutzenerwartungswert erzeugt. Der Wert dagegen ist diejenige sichere Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung von Z  Z n , die wieder zu dem Erwartungsnutzen E[ U ( Z )] in der Ausgangssituation zurückführt. Die Bedingung (II.45) für den Wert gilt auch für den Fall, dass Z deterministisch ist. Für diesen Fall gilt analog zu den Darstellungen in Abschnitt 5.3.1: Der Wert WK( Z n ) ist bei gegebenem Erwartungswert von Z n umso geringer, je größer der „Streubereich“ von Z n ist. Verläuft die Nutzenfunktion linear (ist also der Entscheider risikoneutral), kann (II.45) wie folgt dargestellt werden:

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

95

!

(II.46)

E( Z ) E[ Z  Z n  WK( Z n )]

bzw.: !

(II.47)

 E(Z)   E(Z n )  WK(Z n ) . E(Z)

Hieraus folgt: (II.48)

WK( Z n )

E( Z n ).

Bei Risikoneutralität kann eine riskante Maßnahme (ohne Restriktions- und Erfolgsverbund) ohne Rücksicht darauf bewertet werden, welche riskanten Maßnahmen sonst noch durchgeführt werden; es gibt weder „Risikoverbund“ noch „Bewertungsverbund“ (Abschnitt 6). Ein Vergleich von (II.48) mit (II.41) zeigt, dass bei Risikoneutralität die Gleichung WK( Z n )=SÄ( Z n ) gilt. Bei normalverteilter Zielgröße und exponentieller Nutzenfunktion gilt gemäß (II.45) für WK( Z n ) folgende Gleichung: (II.49)

a E( Z )  ˜ Var( Z ) 2

!

E[ Z  Z n  WK( Z n )] a  ˜ Var[ Z  Z n  WK( Z n )] . 2

Da WK( Z n ) eine deterministische Größe ist, gilt Var[ Z  Z n  WK( Z n )] = Var( Z  Z n ) und E[ Z  Z n  WK( Z n )] E( Z )  E( Z n )  WK( Z n ). Somit kann (II.49) wie folgt dargestellt werden: (II.50)

WK(Z n )

a a  E(Z n )  ˜ Var(Z  Z n )  ˜ Var(Z) 2 2 a  E(Z n )  ˜ [Var(Z  Z n )  Var(Z)] 2 a  Z n )]. E(Z n )  ˜ [Var(Z n )  2 ˜ Kov(Z; 2

Ein Vergleich mit (II.44) zeigt, dass auch bei exponentieller Nutzenfunktion die Gleichung WK(Z n ) SÄ(Z n ) gilt. Diese Gleichung ist nur bei Risikoneutralität oder exponentieller Nutzenfunktion generell erfüllt (VELTHUIS, 2004; SCHABEL, 2004). (II.50) und (II.44) beruhen zwar auf der Annahme der Normalverteilung, für die der Wert und das Sicherheitsäquivalent in einfacher Weise dargestellt werden können. Jedoch gilt die Gleichung WK(Z n ) SÄ(Z n ) bei exponentieller Nutzenfunktion für beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen.

96

Kapitel II

5.6.2

Wert WV( Z n ) aus Sicht eines potenziellen Verkäufers

Besitzt der Entscheider bereits das Wirtschaftsgut, das zu einer stochastischen  führt, ist der Wert für ihn gleich Änderung Z n einer finanziellen Zielgröße Z demjenigen sicheren Verkaufserlös, der den Entgang der stochastischen Zielkomponente Z n kompensiert. Wird dieser Erlös zum gleichen Zeitpunkt erzielt ~ wie der Überschuss Z n , muss der Wert WV( Z n ) folgende Bedingung erfüllen: !

(II.51)

E( U[ Z  WV( Z n )]) E[U ( Z  Z n )].

In Worten: Der kritische Verkaufserlös WV( Z n ) führt in Verbindung mit der verbleibenden stochastischen Zielkomponente Z zu einem Erwartungsnutzen, der ebenso hoch ist wie jener der Verteilung Z  Z n .

~ ~ Wie der Vergleich von (II.51) mit (II.39) zeigt, gilt WV( Z n ) SÄ ( Z n ) . Der Wert aus Sicht eines potenziellen Verkäufers stimmt also mit dem Sicherheitsäquivalent von Z n für den Fall überein, dass er das Bewertungsobjekt noch nicht besitzt; er ist dann indifferent, ob er (unentgeltlich) die Änderung Z n erhält oder dessen Sicherheitsäquivalent ~ SÄ( Z n ) . Dieser Zusammenhang kann allgemein wie folgt formuliert werden: Basis der Bewertung bei erwogenem Verkauf ist der Überschuss ohne Bewertungsobjekt. Das auf diese Basis bezogene Sicherheitsäquivalent ist der subjektive Grenzpreis für den potenziellen Verkäufer.

5.7

Wert und Sicherheitsäquivalent im Vergleich

5.7.1

Allgemeine Zusammenhänge

Welche Beziehung besteht zwischen Wert und Sicherheitsäquivalent aus Sicht eines potenziellen Käufers? Beide sind genau dann identisch, wenn sich die Nutzenerwartungswerte auf der linken und rechten Seite der Definitionsgleichung (II.45) für den Wert in ~ ~ ~ der gleichen Weise ändern, sofern zu Z und zu Z  Z n  WK ( Z n ) jeweils derselbe si~n chere Betrag WK ( Z ) hinzuaddiert wird, wenn also (II.45)

!

 E[U(Z)] E(U[Z  Z n  WK(Z n )])

die folgende Gleichung impliziert: (II.52)

!

E(U[Z  WK(Z n )]) E[U(Z  Z n )].

Da die Gleichung (II.52) der Definitionsgleichung (II.39) für das Sicherheitsäquivalent ~ entspricht, ist der Wert WK ( Z n ) zugleich auch das Sicherheitsäquivalent: WK(Z n ) SÄ(Z n ) .

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

97

Da die in (II.45) bzw. in (II.52) enthaltenen stochastischen Terme jeweils denselben Nutzenerwartungswert aufweisen, müssen auch die entsprechenden Sicherheitsäquivalente miteinander übereinstimmen: (II.53)

~ ! ~ ~ ~ SÄ ( Z) SÄ[ Z  Z n  WK ( Z n )]

bzw. (II.54)

! ~ ~ ~ ~ SÄ[ Z  WK ( Z n )] SÄ ( Z + Z n ) .

Die Gleichungen (II.53) und (II.54) und entsprechend die Gleichungen (II.45) und (II.52) sind genau dann miteinander kompatibel, wenn die Sicherheitsäquivalente in gleicher Weise steigen, sofern zu Z und Z  Z n  WK(Z n ) derselbe sichere Betrag hinzuaddiert wird. Dies ist generell nur dann der Fall, wenn bei beliebiger Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Überschuss gilt: Wenn sich der Überschuss um einen deterministischen Betrag ändert, so ändert sich in gleicher Weise auch das Sicherheitsäquivalent; der Risikoabschlag ist unveränderlich. Diese Bedingung ist nur bei linearer oder exponentieller Nutzenfunktion streng erfüllt. (Nur bei diesen Nutzenfunktionen besteht konstante absolute Risikoaversion.) Für andere Nutzenfunktionen gilt grundsätzlich: ~ ~ ~ ~ ~ WK ( Z n ) z SÄ ( Z n ) z SÄ ( Z + Z n )  SÄ ( Z).

Dies lässt sich anschaulich für die quadratische Nutzenfunktion als Repräsentant für Nutzenfunktionen mit variablem Risikoaversionskoeffizienten zeigen.

5.7.2

Wert und Sicherheitsäquivalent bei quadratischer Nutzenfunktion

In der Ausgangssituation sei diejenige Wahrscheinlichkeitsverteilung über Z gegeben, die dem Punkt P1 in Abbildung II.9 entspricht. Führt nun die stochastische Änderung Z n zu einem Punkt P2 auf der Indifferenzkurve IK2, ist das Sicherheitsäquivalent dieser Änderung gleich der Differenz P1P * zwischen den Abszissenwerten der Punkte P* und P1 (die denselben Ordinatenwert aufweisen): Der sichere Vermögenszuwachs P1P * bewirkt, dass bei unveränderter Varianz der Erwartungswert der Zielgröße entsprechend steigt. Der hierbei erzielten Position P* entspricht derselbe Erwartungsnutzen wie P2; der Entscheider ist indifferent zwischen dem zusätzlichen sicheren Betrag P1P* und dem zusätzlichen ungewissen Betrag Z n . ~ Dem Übergang von P1 auf P2 entspricht ein Wert WK ( Z n ) in Höhe von P **P2 . Wenn ausgehend von der Position P2 das Vermögen mit Sicherheit um P **P2 sinkt, wird die Position P** erreicht, die ihrerseits der Position P1 äquivalent ist; es wird der-

98

Kapitel II

selbe Erwartungsnutzen erzielt wie in der Ausgangssituation. Im Beispiel der Abbildung II.9 ist der Ordinatenwert des Punktes P2 höher als der des Punktes P1. Dies impliziert ~ WK ( Z n ) > SÄ( Z n ) . V

2

IK1

T

P3

P

P1

0

SÄ( Z )

Abb. II.9:

~ WK W((Z n )

**

IK2 P2

*

SÄ( Z ) n

P

n SÄ( Z  Z )

b 2c

P

Zum Sicherheitsäquivalent und Wert bei quadratischer Nutzenfunktion

Beweis: Wie in Abschnitt 2.3.2.1 erläutert wurde, verlaufen bei quadratischer Nutzenfunktion die Indifferenzkurven im (P,V)-Diagramm streng konkav, wobei die Indifferenzkurvensteigung in einem Punkt mit gegebenem Ordinatenwert eine (linear) fallende Funktion des Abszissenwertes dieses Punktes ist. Somit ist die Steigung der Indifferenzkurve IK2 bis zu ihrem maximalen Ordinatenwert für alternative Ordinatenwerte niedriger als die Steigung der Indifferenzkurve IK1. Der waagerechte Abstand zwischen beiden Indifferenzkurven wird folglich bis zu dem maximalen Ordinatenwert von IK2 mit steigendem Ordinatenwert immer größer. Daraus folgt P **P2 ! P1P * bzw. die Relation ~ Ŷ WK ( Z n ) > SÄ( Z n ) .13 13

Der Ordinatenwert des Punktes P3 ist höher als der maximale Ordinatenwert der Indifferenzkurve IK2. Führt ausgehend vom Punkt P3 die stochastische Änderung Z n zu dem Punkt P2 (oder einem anderen Punkt auf der Indifferenzkurve IK2), so existiert kein Sicherheitsäquivalent SÄ(Z n ) : Wenn ausgehend von der dem Punkt P3 entsprechenden (P,V)-Konstellation die Zielgröße sukzessive um einen sicheren Betrag steigt, wächst gleichermaßen der Erwartungswert bei konstanter Varianz. Eine Bewegung entlang der durch P3 verlaufenden Geraden nach rechts führt zunächst zu immer günstigeren Indifferenzkurven, bis schließlich beim Abszissenwert b/2c eine Indifferenzkurve tangiert wird (Tangentialpunkt T). Eine weitere Erhöhung des Zielgrößenwertes führt nun zu immer ungünstigeren Indifferenzkurven. Da der Indifferenzkurve, die beim Abszissenwert b/2c tangiert wird, ein kleinerer Nutzenerwartungswert entspricht als der durch P2 verlaufenden Indifferenzkurve, gibt es keinen sicheren Zuwachs der Zielgröße, der zu demselben Erwartungsnutzen führt wie die stochastische Änderung

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

99

Die Relation impliziert: Wenn der Käufer für das Bewertungsobjekt einen Preis in Höhe des Sicherheitsäquivalents SÄ( Z n ) bezahlt, erzielt er einen Vorteil; sein Erwartungsnutzen steigt. Wandert der Punkt P2 entlang der Indifferenzkurve IK2 nach rechts oben (links unten), ändert sich das Sicherheitsäquivalent nicht. Jedoch steigt (sinkt) der zugehörige ~ Wert WK ( Z n ) ; er ist jeweils gleich der Differenz der Abszissenwerte des Punktes P2 und desjenigen Punktes P** auf der Indifferenzkurve IK1, der denselben Ordinatenwert ~ wie P2 aufweist. Für P2 = P* gilt WK ( Z n ) = SÄ( Z n ) . Ist der Ordinatenwert des Punk~ tes P2 kleiner als der des Punktes P1, gilt SÄ( Z n ) > WK ( Z n ) . n Wenn der Überschuss Z um den sicheren Betrag ' steigt (sinkt), wandert der Punkt P2 bei gegebener Varianz V2 um ' nach rechts (links), so dass sich in gleicher Weise ~ der Wert WK ( Z n ) des Bewertungsobjekts ändert. Das Sicherheitsäquivalent ändert sich dagegen um einen Betrag, der kleiner ist als '. Wandert bei gegebener Position des Punktes P2 der Punkt P1 entlang der Indifferenz~ kurve IK1 nach rechts oben (links unten), bleibt zwar der Wert WK ( Z n ) unverändert ~n ( WK ( Z ) = P **P2 ), jedoch steigt (sinkt) das Sicherheitsäquivalent SÄ( Z n ) . Dabei gilt für jeden positiven Ordinatenwert von P1 folgende Ungleichung: SÄ ( Z n ) ! SÄ ( Z  Z n )  SÄ ( Z ) . Ist der Ordinatenwert des Punktes P1 gleich null (diesem Punkt entspricht dann ein "Sicherheitsäquivalent" in Höhe seines Abszissenwertes), ist SÄ( Z n ) gleich dem Sicherheitsäquivalent der Wahrscheinlichkeitsverteilung, zu dem die stochastische Änderung Z n führt, abzüglich des sicheren Betrages in der Ausgangssituation. Führt Z n zu einem Übergang von einem Punkt auf der Indifferenzkurve IK2 auf einen Punkt der Indifferenzkurve IK1, entspricht Z n ein negativer Wert und ein negatives Sicherheitsäquivalent. Dabei ist der Betrag des Wertes (des Sicherheitsäquivalents) gleich dem Sicherheitsäquivalent (dem Wert) bei einem Übergang in entgegengesetzter Richtung. Für den Übergang von P2 auf P1 (Abbildung II.9) ist der Betrag des negativen Sicherheitsäquivalents gleich P **P2 ; eine sichere Vermögenseinbuße in Höhe dieses Betrages führt zu demselben Erwartungsnutzen wie die stochastische Änderung Z n (die zu P1 führt). Der Betrag des negativen Wertes ist gleich P1P * ; ein sicherer Vermögenszuwachs in Höhe dieses Betrages kompensiert gerade die stochastische Änderung Z n . Wird der dem Übergang von P1 auf P2 entsprechende Wert mit WK(P1,P2) bezeichnet und das entsprechende Sicherheitsäquivalent mit SÄ(P1,P2) und werden die Größen WK(P2,P1) und SÄ(P2,P1) analog für einen Übergang von P2 auf P1 definiert, können die Zusammenhänge wie folgt dargestellt werden:14

14

Z n (mit der der Punkt P2 erreicht wird); es existiert kein Sicherheitsäquivalent SÄ(Z n ) . Der Grund hierfür ist, dass bei quadratischer Nutzenfunktionen der Nutzen U an der Stelle Z = b/2c sein Maximum erreicht und dann mit steigendem Z wieder abnimmt; es wird gegen das Dominanzprinzip verstoßen. Bei exponentieller Nutzenfunktion und Normalverteilung verlaufen die Indifferenzkurven im (P,V)-Diagramm linear und parallel zueinander. Der waagerechte Abstand zwischen zwei beliebigen Indifferenzkurven ist dann für jeden Ordinatenwert identisch, so dass gilt:

SÄ(P1 , P2 )

WK(P1 , P2 )

WK(P2 , P1 )

SÄ(P2 , P1 ) .

100

Kapitel II

SÄ(P1, P2 )

WK(P2 , P1 )

WK(P1, P2 )

SÄ(P2 , P1 )

P1P *, P **P2 .

Der Übergang von P2 auf P1 kann als Verkauf eines Bewertungsobjekts mit dem Überschuss Z n interpretiert werden. Ohne Berücksichtigung eines Verkaufserlöses sinkt damit der Erwartungsnutzen. Der Grenzpreis, bei dem der Verkauf weder vorteilhaft noch nachteilig ist (der kritische Erlös für den potenziellen Verkäufer) ist gleich dem Sicherheitsäquivalent P1P * des Überschusses Z n bezogen auf die Position P1 ohne diesen Überschuss (ohne das Bewertungsobjekt). Die Darstellungen gelten natürlich analog für den Fall, dass der Punkt P1 eine sichere  Position repräsentiert, also den Ordinatenwert 0 und z.B. den Abszissenwert von SÄ(Z) in Abbildung II.9 aufweist. Die Darstellungen werden in Kapitel XV, Abschnitt 3, auf den Mehrperioden-Fall erweitert.

5.8

Implikationen für die Sicherheitsäquivalent-Methode als Bewertungskonzeption

5.8.1

Bewertung aus Sicht eines potenziellen Käufers

Wie in Kapitel I, Abschnitt 5.3.2, erläutert wurde, erfolgt nach der Sicherheitsäquivalent-Methode die subjektive Bewertung von Unternehmen und anderen Investitionsprojekten durch Diskontierung der subjektiven Sicherheitsäquivalente der zukünftigen Überschüsse mit dem risikolosen Zinssatz r. Im Einperioden-Fall wird das Sicherheitsäquivalent des Überschusses am Ende der Periode diskontiert.15 Analog wird im Mehrperiodenfall verfahren.16 Jedoch versagt diese Methode für den potenziellen Kauf grundsätzlich schon im Einperiodenfall, in dem nur ein Sicherheitsäquivalent zu ermitteln ist. Bei anderen als linearen oder exponentiellen Nutzenfunktionen weicht das mit dem risikolosen Zinssatz diskontierte Sicherheitsäquivalent grundsätzlich von demjenigen Kaufpreis für das Bewertungsobjekt ab, bei dem mit dem Bewertungsobjekt derselbe Nutzenerwartungswert erzielt wird, wie ohne; Sicherheitsäquivalente sind dann als Basis der Bewertung ungeeignet. Zur Erläuterung sei ein Beispiel betrachtet. Der Entscheider habe die Möglichkeit, ein riskantes Investitionsprojekt und nur dieses mit einer Nutzungsdauer von einer Periode zu erwerben. Das Projekt führe am Ende der Periode (dem Zeitpunkt 1) zu einem ungewissen Einzahlungsüberschuss von ~e1p mit dem Erwartungswert E(~e1p ) . Der 15

16

Vgl. BALLWIESER (1981, S. 101; 2001, Sp. 2085); FRANKE/HAX (2004, S. 312); KRUSCHWITZ (2001, S. 2409 und 2411; 2002, S. 12). Zur Analyse entscheidungstheoretischer Anwendungsvoraussetzungen der Sicherheitsäquivalent-Methode im Mehrperioden-Fall, bei denen wie hier von simultaner optimaler Portefeuillebildung zum Hedgen der zu bewertenden Überschüsse abgesehen wird, vgl. KÜRSTEN (2002, S.137-142; 2003, S. 306-310); SCHWETZLER (2002a; 2002b; 2002c); DIEDRICH (2003); WIESE (2003); KRUSCHWITZ (2002, S. 15-16); KRUSCHWITZ/LÖFFLER (2003). Zur expliziten Berücksichtigung optimaler Hedgemaßnahmen vgl. Kapitel IX bis XII für den Einperioden-Fall und Kapitel XV für den MehrperiodenFall.

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

101

Kaufpreis ist zu Beginn der Periode (dem Zeitpunkt 0) zu zahlen. Zu Beginn der Periode verfüge der Entscheider über das Geldvermögen V0. Wird das Projekt nicht erworben, wird V0 auf dem Kapitalmarkt zum risikolosen Zinssatz r angelegt. Weitere Überschüsse bzw. Einkünfte seien nicht bewertungsrelevant. Der Entscheider orientiere sich am Ziel, den Erwartungsnutzen seines Endvermögens (seines Vermögens am Ende der betrachteten Periode) zu maximieren. Der (subjektive) Wert des Projekts ist dann gleich demjenigen subjektiven Grenzpreis GP(~e1p ) , bei dem mit und ohne Kauf dasselbe Sicherheitsäquivalent für das Endvermögen erzielt wird. Es muss also gelten: SÄ{~e1p  (1  r ) ˜ [V0  GP(~e1p )]} (1  r ) ˜ (V0 ) .

Bei linearer oder exponentieller Nutzenfunktion für das Envermögen kann man hierfür schreiben: SÄ (~e1p )  (1  r ) ˜ [V0  GP(~e1p )]

(1  r ) ˜ (V0 ) .

Somit folgt für den subjektiven Grenzpreis: GP(~e1p )

(1  r ) 1 ˜ SÄ (~e1p ) .

Das Projekt ist vorteilhaft, wenn das mit dem risikolosen Zinssatz r diskontierte Sicherheitsäquivalent seines Überschusses größer ist als die Anschaffungsauszahlung. Bei anderen als linearen oder exponentiellen Nutzenfunktionen ist die beschriebene Umformung allenfalls zufällig korrekt; der subjektive Grenzpreis GP(e1p ) weicht vom Barwert des Sicherheitsäquivalents SÄ (~e1p ) ab. Gemäß den Darstellungen in Abschnitt 5.7 ist vielmehr zu prüfen, welche Auszahlung zum Zeitpunkt 1 den Zugang von ~e1p kompensiert. Der Barwert dieses Wertes ist der Grenzpreis bezogen auf den Zeitpunkt 0. Abgesehen davon ergibt sich bei anderen als linearen oder exponentiellen Nutzenfunktionen für die Sicherheitsäquivalent-Methode ein komplexes Zirkularitätsproblem. Einerseits hängt das Sicherheitsäquivalent für ~e1p von der Anschaffungsauszahlung (allgemein dem Reichtum des Investors) ab. Andererseits soll die kritische Obergrenze für die Anschaffungsauszahlung ihrerseits auf der Basis des Sicherheitsäquivalents ermittelt werden. Weitere Bewertungsprobleme ergeben sich, wenn für die Bewertung nicht ausschließlich der riskante Überschuss ~e1p und die Anlage zum risikolosen Zinssatz r maßgeblich sind, sondern die Bewertung vor dem Hintergrund weiterer riskanter Maßnahmen zu erfolgen hat, die bei Kauf des Bewertungsobjekts grundsätzlich auch noch an dessen Überschuss ~e1p angepasst werden, um das Risiko besser zu hedgen. Darauf kommen wir in Abschnitt 6 und in den Kapiteln VIII bis XII zurück. Probleme der Bewertung im Mehrperioden-Fall werden in den Kapiteln XIII, XIV und XV behandelt.

102

Kapitel II

5.8.2

Bewertung aus Sicht eines potenziellen Verkäufers

Wie in Abschnitt 5.6.2 gezeigt wurde, stimmt der subjektive Grenzpreis eines riskanten Überschusses für einen (potenziellen) Verkäufer mit dem Sicherheitsäquivalent dieses Überschusses überein, sofern der Verkaufserlös zu demselben Zeitpunkt erzielt wird wie der Überschuss. Dabei wird das Sicherheitsäquivalent für den Überschuss auf der Basis ohne diesen Überschuss ermittelt. Es ist derjenige sichere Einzahlungsbetrag, bei dem der Investor ausgehend von dieser Basis dieselbe Nutzenänderung erzielt wie für den Fall, dass er den riskanten Überschuss unentgeltlich erhält. Dies impliziert, dass der anschließende Verkauf dieses Überschusses zu einem Preis in Höhe des Sicherheitsäquivalents weder vorteilhaft noch nachteilig ist. Wird der Verkaufserlös schon zum Zeitpunkt 0 erzielt, ist der subjektive Grenzpreis gleich dem mit r ermittelten Barwert des Sicherheitsäquivalents. Zwar sind Sicherheitsäquivalente für die Bewertung bei potenziellem Verkauf (im Gegensatz zum Kauf) prinzipiell geeignet. Das eigentliche Problem ist jedoch deren praktische Ermittlung (vor allem im Mehrperioden-Fall).

6

Verbundeffekte und Koordinationsbedarf bei der Bewertung

Bei der Planung und der Investitionsbewertung (allgemein: bei der Lösung eines Entscheidungsproblems) stellt sich das Problem, Interdependenzen zwischen verschiedenen Teilen oder Bereichen des Entscheidungsfeldes Rechnung zu tragen. Interdependenzen lassen sich stets auf folgende Verbundeffekte zurückführen: Restriktionsverbund, Erfolgsverbund, Risikoverbund und Bewertungsverbund (LAUX/ LIERMANN, 2005). Restriktionsverbund zwischen zwei Entscheidungsbereichen liegt vor, wenn die Aktionsmöglichkeiten mindestens eines dieser Bereiche davon abhängen, welche Aktionen in dem anderen durchgeführt werden. Erfolgsverbund zwischen zwei Entscheidungsbereichen besteht, wenn zumindest für einen Bereich gilt: Wie weit der Gesamterfolg (allgemein: der gesamte Zielgrößenwert) bei Durchführung bestimmter Aktionen in diesem Bereich steigt oder fällt, hängt davon ab, welche Maßnahmen in dem anderen Bereich realisiert werden. Der Gesamterfolg setzt sich also nicht additiv aus den Erfolgen der Einzelmaßnahmen zusammen, sondern wird von der Gesamtheit der Maßnahmen in beiden Bereichen bestimmt. Wenn im Fall sicherer Erwartungen zwischen zwei Bereichen weder Restriktionsverbund noch Erfolgsverbund besteht, ist eine Koordination der Bereichsentscheidungen nicht erforderlich. In Risikosituationen kann sich jedoch – sofern

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

103

nicht Risikoneutralität besteht – die Notwendigkeit der Koordination aufgrund eines Risikoverbundes ergeben. Risikoverbund liegt vor, wenn die Erfolge der verschiedenen Bereiche voneinander stochastisch abhängen. Wie weit die Varianz des Gesamterfolges als Maßstab des Risikos steigt oder sinkt, wenn in einem Bereich riskante Maßnahmen durchgeführt werden, hängt dann davon ab, welche riskanten Entscheidungen in anderen Bereichen getroffen werden und welche stochastischen Beziehungen zwischen den Bereichserfolgen bestehen. Zur Erläuterung des Restriktionsverbundes wird von zwei Bereichen A und B mit den   riskanten Erfolgen G A und G B ausgegangen. Für die Varianz des Gesamterfolges    G G A  G B gilt dann:

~ Var(G )

~ ~ ~ ~ Var(G A )  2 ˜ Kov(G A ; G B )  Var(G B ) ~ ~ ~ ~ Var(G A )  2U ˜ Sta (G A ) ˜ StaG B )  Var(G B ).

Dabei bezeichnet Var( ˜ ) die Varianz und Sta( ˜ ) die Standardabweichung der betreffenden Größe, U den Korrelationskoeffizienten für GA und GB und Kov( ˜ ) die Ko und G  . Bei stochastischer Abhängigkeit (U z 0) hängt der Beitrag des varianz für G A B  Bereichserfolges G A zur Varianz des Gesamterfolges nicht nur von U, sondern auch  ) ab. Das Analoge gilt für den Beitrag des Bereichserfolges G  . U und von Sta( G B B  ) bzw. Sta( G  ) sind jedoch nicht a priori gegeben; sie hängen vielmehr von Sta( G B A den in beiden Bereichen getroffenen Entscheidungen ab. Schließlich kann sich die Notwendigkeit der Koordination aufgrund eines Bewertungsverbundes ergeben. Bewertungsverbund bezüglich riskanter Maßnahmen liegt vor, wenn das Sicherheitsäquivalent bzw. der Wert einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung des Gesamterfolges bei Durchführung einer Aktion in einem Entscheidungsbereich davon abhängt, welche Wahrscheinlichkeitsverteilungen für andere Bereiche maßgeblich sind. Bei Orientierung am (P,V)Prinzip bedeutet Bewertungsverbund: Die Bewertung der Veränderung der (P,V)Kombination bezüglich des Gesamterfolges bei Durchführung von Maßnahmen in einem Bereich hängt davon ab, welche (P,V)-Kombinationen in anderen Bereichen realisiert werden. Bei quadratischer Nutzenfunktion besteht Bewertungsverbund, jedoch wird er analog zu den Darstellungen in Abschnitt 5.4 (Abbildung II.8) nur über den Erwartungswert verursacht. Ob eine Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Zielgröße vorteilhaft ist, hängt dann allein vom Erwartungswert der Zielgröße in der Ausgangssituation und nicht von ihrer Varianz ab. Bei der exponentiellen Nutzenfunktion (II.6) besteht kein Bewertungsverbund. Dies wird anschaulich für den Fall deutlich, dass die Zielgröße normalverteilt ist. Die Indifferenzkurven im (P,V2)-Diagramm verlaufen dann linear mit der Steigung 2/a (Abschnitt 2.3.2.2). Bewertungsunterschiede wie in Abbildung II.8 kön-

104

Kapitel II

nen dann nicht eintreten.

7

Pareto-effiziente Risikoteilung

7.1

Bedeutung

Bei den bisherigen Darstellungen ging es um das Problem, wie ein einzelner Entscheider in Risikosituationen rationale Entscheidungen treffen kann. Dabei wurden bei der Beurteilung bzw. der Bewertung der erwogenen Maßnahmen nur die Präferenzvorstellungen dieses Entscheiders berücksichtigt. In der Realität können jedoch Risiken mit anderen Personen geteilt werden. Im Vordergrund dieser Arbeit stehen Risiken, die aus ungewissen Überschüssen bzw. Erfolgen resultieren (etwa Erfolgen aus einmaligen Geschäften oder Unternehmenserfolgen). Entsprechend impliziert Risikoteilung Erfolgsteilung. Ein Entscheider kann hiermit möglicherweise schon bei gegebenen Objektmaßnahmen einen Vorteil erzielen. Darüber hinaus können finanzielle Vorteile auch realisiert werden, indem zusätzliche riskante Investitionen durchgeführt werden, die ohne Risikoteilung, d.h. ohne Allokation des Risikos bzw. des Erfolges auf verschiedene Personen, für den Entscheider zu riskant gewesen wären. Risikoteilung erfolgt z.B. dann, wenn der Eigentümer eines Unternehmens Gesellschafter aufnimmt, die am Erfolgsrisiko partizipieren. Eine bedeutende Institution zur Teilung von Risiken ist der Kapitalmarkt, auf dem Anwartschaften auf ungewisse Zahlungen gehandelt werden. Ist ein Unternehmen börsennotiert, besteht die Möglichkeit, in einfacher Weise sehr viele Gesellschafter (Anteilseigner) am Unternehmensrisiko zu beteiligen. Darüber hinaus können auch Nichtgesellschafter am Risiko partizipieren. Typische Beispiele sind der Abschluss von Versicherungen und von Termingeschäften. Für die Analyse der prinzipiellen Vorteilhaftigkeit der Risikoteilung und von Einmütigkeit oder von Zielkonflikten zwischen den beteiligten Parteien hat – wie später immer wieder deutlich wird – die Bedingung der pareto-effizienten Teilung grundlegende Bedeutung. Eine Teilungsregel ist bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg (oder eine andere finanzielle Zielgröße) pareto-effizient, wenn es nicht möglich ist, durch Umverteilung der zustandsabhängigen Erfolge den Erwartungsnutzen mindestens eines der Beteiligten zu erhöhen, ohne gleichzeitig den Erwartungsnutzen mindestens eines anderen zu reduzieren. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie pareto-effiziente Teilungsregeln für zwei Entscheider ermittelt werden können und wie sie von ihren Risikoeinstellungen sowie von ihren Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände Ss abhängen. Die Dar-

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

105

stellungen gelten analog für mehr als zwei Personen.17 Sie beruhen auf der Annahme,  ex post kostenlos verifiziert (intersubjektiv überprüft) dass der zu teilende Erfolg G werden kann. Außerdem wird angenommen, dass beide Parteien neben ihrem Anteil an  im privaten Bereich keine riskanten finanzielle Überschüsse beziehen, die stoG  abhängen; es stellt sich somit nicht das Problem, Risiko- und Bewerchastisch von G tungsverbund Rechnung zu tragen.

7.2

Pareto-Programm

Bei gegebenen zustandsabhängigen Erfolgen kann eine pareto-effiziente Teilungsregel ermittelt werden, indem der erwartete Nutzen einer Partei unter der Nebenbedingung maximiert wird, dass der erwartete Nutzen der anderen einen bestimmten Mindestwert nicht unterschreitet (RAIFFA, 1973; BORCH, 1962; DEMSKI, 1976; REES, 1985a). Wenn beide Parteien dieselben Wahrscheinlichkeitsvorstellungen (homogene Erwartungen) über die möglichen Erfolge G haben, kann das Pareto-Programm wie folgt dargestellt werden: (II.55)

~ ~ E( U y [G  B(G )]) o Max ! B( G )

unter der Nebenbedingung (II.56)

~ E( U x [ B(G )]) t U x .

Ux[ ˜ ] bezeichnet die Nutzenfunktion von X und Uy[ ˜ ] die von Y. U x steht für den Mindestwert des erwarteten Nutzens (kurz: für den Mindestnutzen) des Entscheiders X, den er im Rahmen der gesuchten Teilungsregel erzielen soll. Es wird davon ausgegangen, dass für beide Entscheider der Grenznutzen stets positiv ist und dass jede Nutzenfunktion entweder streng konkav oder linear sowie stetig und differenzierbar ist. Da die Nutzenfunktion Uy[ ˜ ] bzw. Ux[ ˜ ] monoton steigend in G  B bzw. in B ist, kann die Zielfunktion (II.55) nur unter der notwendigen Bedingung ein Maximum erreichen, dass die Nebenbedingung (II.56) als Gleichung erfüllt ist. (II.56) kann somit wie folgt dargestellt werden: (II.56a)

~ E( U x [ B(G )])  U x

0.

Man erhält eine Menge pareto-effizienter Teilungsregeln, indem für alternative Ux Werte jeweils die Zielfunktion (II.55) unter der Nebenbedingung (II.56a) maximiert wird. Welche Teilungsregel ausgewählt wird, hängt von dem Mindestnutzen ab, den der Entscheider X letztlich erzielen soll. Dieser Mindestnutzen kann insbesondere davon abhängen, welchen Nutzen X erzielt, wenn er nicht mit Y kooperiert.

17

Probleme pareto-effizienter Risikoteilung werden u.a. eingehend im Rahmen der Versicherungstheorie untersucht. Vgl. hierzu zum Beispiel EECKHOUDT/KIMBALL (1991) und den Überblicksartikel SCHLESINGER/DOHERTY (1991).

106

7.3

Kapitel II

Grundbedingung pareto-effizienter Risikoteilung

Nach dem Ansatz von LAGRANGE liegt der Maximalwert der Funktion (II.55) unter der Nebenbedingung (II.56a) dort, wo die folgende zusammengesetzte Funktion, die sogenannte LAGRANGE-Funktion (II.57)

L

~ ~ ~ E( U y [G  B(G )])  O ˜ {E( U x [B(G )])  U x } .

ihren Maximalwert annimmt. Dafür muss B(G) für jeden möglichen Erfolg G so gewählt werden, dass gilt (notwendige Bedingung): (II.58)

wU y [G  B(G )] wL wU [ B(G )] w (G ) ˜  O ˜ w (G ) ˜ x wB wB wB

w (G ) ˜

dU y [G  B(G )] w[G  B(G )] dU [ B(G )] ˜  O ˜ w (G ) ˜ x d[G  B(G )] B dB w

1

 w (G ) ˜

dU y [G  B(G )] d[G  B(G )]

 O ˜ w (G ) ˜

dU x [ B(G )] 0 dB

mit w(G) der Eintrittswahrscheinlichkeit (bei stetig verteiltem Erfolg: der Dichte)18 des Erfolges G und außerdem (II.59)

wL wO

~ E( U x [ B(G )])  U x

0.

(II.58) ist die gleich 0 gesetzte erste partielle Ableitung der Funktion (II.57) nach B. Die Bedingung (II.59) ist die gleich 0 gesetzte erste partielle Ableitung von (II.57) nach O. Sie ist mit der Nebenbedingung (II.56a) identisch. (II.58) kann nach Division durch w(G) > 0 kurz wie folgt dargestellt werden: (II.58a)

 U 'y > G  B(G) @  O ˜ U 'x > B(G) @ 0

(für jedes G),

wobei U 'y [ ˜ ] den Grenznutzen des (absoluten) Erfolgsanteils von Y bezeichnet und U 'x [ ˜ ] den Grenznutzen des (absoluten) Erfolgsanteils von X. Aus (II.58a) folgt die

18

Diese Wahrscheinlichkeit (oder Dichte) ist in (II.57) zwar nicht explizit enthalten, wohl aber implizit über die beiden Erwartungswertoperatoren.

107

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

Grundbedingung pareto-effizienter Risikoteilung: (II.60)

U 'y > G  B(G)@ U 'x > B(G) @

O

(für jedes G).

Für drei mögliche G-Werte, G1, G2 und G3, lautet diese Bedingung: U 'y ª¬G1  B(G1) º¼

U 'y ª¬G 2  B(G 2 ) º¼

U 'y ª¬G3  B(G3 ) º¼

U 'x ª¬ B(G1) º¼

U'x ª¬ B(G 2 ) º¼

U 'x ª¬ B(G3 ) º¼

O.

Jeder mögliche Erfolg G wird derart aufgeteilt, dass das Verhältnis aus dem Grenznutzen des Entscheiders Y und dem des Entscheiders X gleich einer Konstanten O ist. Wäre das Verhältnis der Grenznutzenwerte nicht für jeden möglichen Erfolg identisch, könnte durch Umverteilung der möglichen Erfolge der Erwartungsnutzen mindestens einer Partei vergrößert werden, ohne dass der der anderen sinken würde. Von besonderer Bedeutung ist, dass bei homogenen Erwartungen der Entscheider eine pareto-effiziente Teilungsregel unabhängig von den Eintrittswahrscheinlichkeiten der möglichen Zustände oder Erfolge ist. Ist eine Teilungsregel paretoeffizient, so gilt dies auch dann, wenn sich die (homogenen) Wahrscheinlichkeitsvorstellungen ändern.

7.4

Gestalt pareto-effizienter Teilungsregeln

In LAUX (2006a, S. 55 ff.) wird gezeigt, dass bei exponentiellen oder quadratischen Nutzenfunktionen (und homogenen Erwartungen) das Risiko linear geteilt wird. Exponentielle oder quadratische Nutzenfunktionen sind allerdings eine hinreichende, jedoch keine notwendige Bedingung für die Linearität pareto-effizienter Teilungsregeln. WILSON (1969, S. 300) und ROSS (1974, S. 223 f.) haben gezeigt, dass eine paretoeffiziente Teilungsregel immer dann linear ist, wenn die Nutzenfunktionen beider Entscheider entweder exponentiell, logarithmisch oder eine Potenzfunktion sind; dabei ist eine quadratische Nutzenfunktion eine der Potenzfunktionen. Die genannten Nutzenfunktionen bilden die sogenannte HARA-Klasse (Hyperbolic Absolute Risk Aversion). Eine HARA-Nutzenfunktion weist lineare Risikotoleranz auf.19 Dass die Nutzenfunktionen der HARA-Klasse angehören ist wiederum eine hinreichende, keine notwendige Bedingung für die Linearität pareto-effizienter Teilungsregeln (HUANG/LITZENBERGER, 1985).

19

Nutzenfunktionen der HARA-Klasse werden insbesondere in der Kapitalmarkttheorie oft zugrunde gelegt. Zur Bedeutung und Gestalt solcher Nutzenfunktionen vgl. VELTHUIS (2004).

108

Kapitel II

Haben die beiden Entscheider verschiedene Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände, ist bei pareto-effizienter Risikoteilung den Unterschieden in den Wahrscheinlichkeiten Rechnung zu tragen. Auch wenn zwei oder mehr Zuständen derselbe Erfolg G entspricht, kann es sinnvoll sein, jeweils unterschiedliche Erfolgsanteile B(G) und G  B(G) zu vereinbaren; die Erfolgsteilung erfolgt dann zustandsabhängig. Bei zustandsabhängiger Teilung ist für die Höhe von B(G) bzw. von G  B(G) nicht nur die Höhe des erzielten Erfolges G maßgeblich, sondern auch der Zustand Ss, in dem er erzielt wird. (II.61) zeigt, wie der Erfolg zustandsabhängig pareto-effizient geteilt werden kann20: (II.61)

U 'y [G s  Bs (G s )] U 'x [Bs (G s )]

w x (Ss ) ˜ O (s = 1, 2, ..., S). w y (Ss )

Dabei wird davon ausgegangen, die Zahl S der möglichen Zustände sei endlich und der eintretende Zustand (kostenlos) verifizierbar. Die Wahrscheinlichkeit, die der Entscheider X bzw. Y dem Zustand Ss (s = 1, 2, ..., S) zuordnet, wird mit wx(Ss) bzw. mit wy(Ss) bezeichnet. Für jeden Zustand Ss gelte wx(Ss) > 0 und wy(Ss) > 0. Für jeden Zustand Ss (s = 1, 2, ...,S) wird nun der Erfolg derart geteilt, dass das Verhältnis aus dem Grenznutzen des Entscheiders Y und dem des Entscheiders X gleich O ˜ wx(Ss) /wy(Ss) ist.

8

Anreizkompatible Risikoteilung

8.1

Bedeutung

Ausgehend von einer pareto-effizienten Erfolgsteilung kann zwar bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg G der Erwartungsnutzen keines Entscheiders erhöht werden, ohne dass der eines anderen sinkt. Bei einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung auf Grund von Investitionen oder anderer Maßnahmen können jedoch bei der betreffenden Teilungsregel alle einen Vorteil oder einen Nachteil erzielen. Möglicherweise erzielen aber auch einige einen Vorteil und andere einen Nachteil. Wenn die Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg durch wen auch immer beeinflusst werden kann, können sich dann Konflikte bezüglich der Durchführung der betreffenden Maßnahmen ergeben. Um Konflikte zwischen Entscheidern zu vermeiden, können sie ein Interesse daran haben, eine anreizkompatible Teilungsregel zu vereinbaren. Eine Teilungsregel erfüllt für zwei Entscheider X und Y die Bedingung der Anreizkompatibilität, wenn sie jeden möglichen Erfolg derart teilt, dass der Erwartungsnutzen des (absoluten) Erfolgsanteils B(G) für X eine monoton steigende Funktion des Erwartungsnutzens des Erfolgsanteils G  B(G) für Y ist. Bei einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg kann dann eine Partei nur einen 20

Vgl. z.B. LAUX (2006a, S. 60).

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

109

finanziellen Vorteil oder Nachteil erzielen, wenn dies zugleich für die andere Partei gilt. Das theoretische Konstrukt „Anreizkompatibilität“ hat für alle Situationen Bedeutung, in denen Personen im Rahmen von Transaktionen mit finanziellen Auswirkungen miteinander kooperieren. Wenn sich die Analyse auf eine Gruppe von Personen bezieht, für die nichtfinanzielle Ziele irrelevant sind, impliziert Anreizkompatibilität zugleich Einmütigkeit. Bezüglich dieser Personengruppe sind „Anreizkompatibilität“ und „Einmütigkeit“ letztlich synonyme Begriffe. Wenn eine Gruppe von Personen betrachtet wird, von denen sich ein Teil auch an nichtfinanziellen Zielen orientiert, garantiert Anreizkompatibilität zwar keine Einmütigkeit. Dies schmälert jedoch nicht die Bedeutung von Anreizkompatibilität. Sie kann dazu beitragen, den Konfliktbereich einzuengen. Wenn zum Beispiel Maßnahmen durchgeführt werden, die für die Beteiligten mit ausschließlich finanziellen Zielen nachteilig sind, erzielt auch jeder, der mit den Maßnahmen einen immateriellen Vorteil erhält, einen finanziellen Nachteil. Wenn jeweils der finanzielle Nachteil den immateriellen Vorteil kompensiert, besteht bezüglich der betreffenden Maßnahmen kein Interessenkonflikt; für alle ist es vorteilhaft, sie zu unterlassen. Inwieweit Konflikte durch Anreizkompatibilität vermieden werden, hängt nicht nur von den Gewichten immaterieller Zielgrößen ab, sondern auch davon, wie hoch die Anteile der Personen mit nichtfinanziellen Zielen an den möglichen Erfolgen sind. Daher ist wichtig, dass es nicht nur eine anreizkompatible Teilungsregel gibt, sondern unendlich viele, bei denen die einzelnen Parteien unterschiedlich stark am Erfolg beteiligt werden (Abschnitt 8.2). Das theoretische Konstrukt der Anreizkompatibilität hat auch für die Analyse der Existenz kollektiver subjektiver Grenzpreise große Bedeutung. Wenn zwischen den Gesellschaftern eines Unternehmens keine Anreizkompatibilität besteht, existiert nicht für ein beliebiges Projekt eine einheitliche Preisobergrenze, bis zu der der Kauf für alle vorteilhaft ist. Unterschiedliche subjektive Grenzpreise können Konflikte bezüglich der Realisation von Projekten verursachen, weil die Anschaffungskosten für einen Teil der Anteilseigner über dem Grenzpreis liegt und für andere darunter. Wenn keine Anreizkompatibilität besteht, kann natürlich auch nicht der Marktwert eines Projekts generell einen kollektiven subjektiven Grenzpreis darstellen. Im Folgenden wird untersucht, wie anreizkompatible Teilungsregeln für zwei Entscheider X und Y ermittelt werden können und welche Gestalt sie aufweisen. Dabei wird wie in Abschnitt 7 davon ausgegangen, der Erfolg sei ex post verifizierbar. Die Darstellungen beruhen zunächst auf den folgenden Grundannahmen:

 der betrachteten Periode. Er hängt von den getroffenen Maß1. Zu teilen ist der Erfolg G nahmen und dem eintretenden Zustand Ss ab.

110

Kapitel II

2. Beide Parteien kennen a priori, d.h. bei Wahl der Teilungsregel, weder die zukünftigen Aktionsmöglichkeiten noch die entsprechenden zustandsabhängigen Erfolge.  für möglich. Sie halten jede beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilung über G

8.2

Strenge Anreizkompatibilität

8.2.1

Bedingungen der (strengen) Anreizkompatibilität

Zunächst wird die Bedingung der strengen Anreizkompatibilität (im Folgenden wird oft auch kurz von „Anreizkompatibilität“ gesprochen) betrachtet,21 die für beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen über den Erfolg G gilt. Sie wird hier unter der Voraussetzung zustandsunabhängiger Nutzenfunktionen für die beiden Erfolgsanteile analysiert. Dies impliziert u.a., dass beide Entscheider außerhalb der betrachteten Kooperation, d.h. im „privaten“ Bereich, keine riskanten finanziellen Überschüsse erzielen, die sto abhängig sind; es stellt sich nicht das Probchastisch von dem zu teilenden Erfolg G lem, einem entsprechenden Risikoverbund Rechnung zu tragen. Außerdem wird davon ausgegangen, dass beide Entscheider homogene Wahrscheinlichkeitsvorstellungen über die entscheidungsrelevanten Zustände Ss bzw. die möglichen Erfolge G haben.22 Diese Annahme mag insbesondere dann als problematisch erscheinen, wenn einer der Entscheider als delegierende „Instanz“ die Entscheidungskompetenz an den anderen Entscheider als „Entscheidungsträger“ übertragen hat. Die Instanz kennt dann grundsätzlich nicht die Wahrscheinlichkeiten, die der Entscheidungsträger bei seinen Entscheidungen den relevanten Zuständen beimisst; es besteht Informationsasymmetrie. Jedoch sind die folgenden Darstellungen für den Fall homogener Erwartungen auch dann gültig, wenn zwar Informationsasymmetrie besteht, jedoch die Instanz davon überzeugt ist, dass ihr eigenes Wahrscheinlichkeitsurteil mit dem des Entscheidungsträgers übereinstimmen würde, wenn sie dessen Informationen hätte. Die Teilungsregel soll dann einen Anreiz schaffen, Entscheidungen zu treffen, die bei den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen des Entscheidungsträgers auch vom Standpunkt der Instanz vorteilhaft sind. Eine Teilungsregel B(G) ist dann (streng) anreizkompatibel, wenn sie der folgenden Bedingung genügt:23 Bedingung II.1 ~  ) für X, E(U [B( G Der Erwartungswert des Nutzens des Erfolgsanteils B( G )]), x ist eine streng monoton steigende Funktion des Erwartungswertes des Nutzens ~ ~   B( G  ) für Y, E(U [ G  B( G )]). des Residuums G y

21 22

23

Zur Bedingung der „partiellen“ Anreizkompatibilität vgl. Abschnitt 8.4. Zur Berücksichtigung heterogener Wahrscheinlichkeitsvorstellungen und/oder zustandsabhängiger Nutzenfunktionen durch zustandsabhängige Erfolgsteilung vgl. LAUX (1998, S. 87 f.). Vgl. zur Bedingung II.1 sowie II.2 WILSON (1968; 1969); ROSS (1973; 1974); LAUX (1972; 1979); VELTHUIS (1998).

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

111

Wird eine anreizkompatible Teilungsregel vereinbart, erzielt bei einer Än der Entscheider X genau dann derung der Wahrscheinlichkeitsverteilung über G einen höheren (niedrigeren) Erwartungsnutzen, wenn der Erwartungsnutzen von Y steigt (sinkt). Es ist zu beachten, dass die Bedingung der Anreizkompatibilität nicht einfach nur for ) eine monoton steigende Funktion des Residuums G  – dert, dass der Erfolgsanteil B( G  B( G ) ist. Dieses einfache Kriterium induziert nur bei sicheren Erfolgen Anreizkompatibilität24. Für Risikosituationen muss die Bedingung der Anreizkompatibilität auf einem Entscheidungskriterium bei Risiko beruhen. In der Bedingung II.1 wird das BERNOULLI-Prinzip zugrunde gelegt; wie noch gezeigt wird, hängen anreizkompatible Teilungsregeln B(G) von den Nutzenfunktionen beider Parteien ab. Da sie bei Vereinbarung einer Teilungsregel noch nicht wissen, in welcher Weise die Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg durch neue Maßnahmen beeinflusst werden kann, wird die Bedingung der Anreizkompatibilität so konkretisiert, dass sie für beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen und nicht nur für bestimmte Verteilungstypen gilt. Es existiert dann auch für beliebige Bewertungsobjekte ein einheitlicher subjektiver Grenzpreis, bis zu dem der Kauf (Verkauf) für alle Beteiligten in finanzieller Hinsicht vorteilhaft (nachteilig) ist. Wie z.B. in LAUX (1998, S. 102 f.) und VELTHUIS (2004) gezeigt wird, kann bei beliebiger Wahrscheinlichkeitsverteilung die Bedingung II.1 nur unter der notwendigen (und hinreichenden) Bedingung erfüllt sein, dass der folgende lineare Zusammenhang besteht, wobei D positiv und E beliebig ist: Bedingung II.2 Der Nutzen von G  B(G) ist eine linear steigende Funktion des Nutzens von B(G):

(II.62)

U y [G  B(G )]

!

D ˜ U x [B(G )]  E

(für alle möglichen G).

Gemäß (II.62) ist die Teilungsregel B(G) nur implizit bestimmt. Sie ist so festzulegen, dass mit steigendem Erfolg G der Nutzen Uy [˜] des Entscheiders Y linear mit dem Nutzen Ux [˜] des Entscheiders X ansteigt. Bei gegebenen Nutzenfunktionen Ux [˜] und U y [˜] können durch Variation von D und/oder E unendlich viele anreizkompatible Teilungsregeln ermittelt werden. Wie noch deutlich wird, können durch Variation von D die Steigungen und durch Variation von E insbesondere das „Fixum“ für X (die Höhe von B(G) an der Stelle G = 0) gesteuert werden.

24

Für den Fall sicherer Erwartungen über den Erfolg kann die Bedingung II.1 wie folgt spezifiziert werden: B(G) ist eine streng monoton steigende Funktion von G – B(G). Anreizkompatibilität besteht hier genau dann, wenn die Teilungsregel so festgelegt wird, dass ihr Steigungsmaß B'(G) durchgehend größer als null und kleiner als 1 ist. In diesem Rahmen kann die Teilungsregel B(G) beliebig linear, konkav oder konvex verlaufen.

112

Kapitel II

Ist die Gleichung (II.62) für jedes mögliche G erfüllt, muss auch der Erwartungswert des Terms auf ihrer linken Seite mit dem auf der rechten übereinstimmen: (II.63)

  B( G  )]) E( U y [G

 )]  E ). E( D ˜ U x [B( G

Dabei liegen wegen der homogenen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen beiden Erwartungswerten dieselben Wahrscheinlichkeiten für die Erfolge zugrunde. Da D und E deterministische Größen sind, kann für (II.63) geschrieben werden: (II.64)

  B( G  )]) D ˜ E( U [B( G  )])  E. E( U y [G x

Unter der Bedingung II.2 (Gleichung (II.62)) ist somit der Erwartungsnutzen von G  B(G) eine linear steigende Funktion des Erwartungsnutzens von B(G). Die Bedingung II.2 ist folglich nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend dafür, dass die Grundbedingung II.1 der Anreizkompatibilität erfüllt ist. Für jedes Parameterpaar (D,E) mit D > 0 existiert genau eine Teilungsregel B(G), die die Bedingung II.2 erfüllt. Im Folgenden wird gezeigt, wie die einem beliebigen Parameterpaar (D,E) entsprechende Teilungsregel ermittelt werden kann und welche Form sie aufweist.

8.2.2

Ermittlung und Gestalt anreizkompatibler Teilungsregeln

Wie erläutert wurde, muss gemäß (II.62) jeder mögliche Erfolg G derart geteilt werden, dass jeweils der Nutzenwert Uy [G  B(G )] mit dem Nutzenwert U*x (B) = D · Ux(B) + E übereinstimmt. Die einer beliebigen (D,E)-Kombination entsprechende Teilungsregel B(G) kann nach dem folgenden „Umsetzungsverfahren“ ermittelt werden: 1. Zunächst werden in einem Koordinatensystem die Nutzenfunktionen U *x (B) = D ˜ Ux(B) + E und Uy(G  B) dargestellt (Abbildung II.10). 2. Die beiden Nutzenkurven werden nun horizontal addiert: Zur Ermittlung desjenigen Punktes P* der aggregierten (gestrichelt dargestellten) Kurve, der den Ordinatenwert H* aufweist, wird eine Parallele zur Abszisse im Abstand von H* gezeichnet. Der Abszissenwert des Punktes P* ergibt sich dann, indem die Abszissenwerte der Schnittpunkte S1 und S2 addiert werden. 3. Dem Punkt P* ist der Erfolg G* zugeordnet, der wie folgt geteilt wird: X erhält den (absoluten) Anteil B(G*) in Höhe des Abszissenwertes des Punktes S1. Y erhält den Betrag G  S 2 P G *  B(G * ) ; aufgrund der Horizontaladdition stimmt die Strecke S2 P mit dem Abszissenwert von S1 überein, der seinerseits mit B(G*) identisch ist. Für die erzielte Zuordnung gilt: Einerseits ist die Summe beider Erfolgsanteile gleich G*, andererseits ist für beide Erfolgsanteile der Nutzen identisch, nämlich H* ( Uy = U*x = H*). 4. Werden analog für alternative Parallelen zur Abszisse der zugehörige Erfolg G und die entsprechende Aufteilung ermittelt, erhält man diejenige Teilungsregel B(G), die den Nutzenfunktionen U*x und Uy entspricht. Da jeder Erfolg derart geteilt wird,

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

113

dass jeweils Uy = U*x gilt, ist die Gleichung (II.62) erfüllt; es besteht Anreizkompatibilität. *

U x ( B) U y ( G  B)

*

U x ( B)

U y ( G  B) *

S1

S2

H

*

*

B( G )

0

*

B( G )

*

*

G  B( G )

P

*

G

G, B, G  B

Abb. II.10: Zur Bestimmung einer anreizkompatiblen Teilungsregel

Die den Nutzenkurven Uy und U*x in Abbildung II.10 entsprechende Teilungsregel ist in Abbildung II.11 dargestellt. Der Ordinatenwert der Kurve B(G) gibt für alternative GWerte den jeweiligen Erfolgsanteil von X an, der senkrechte Abstand zwischen der 45°Linie und der Kurve B(G) bezeichnet den jeweiligen Erfolgsanteil G  B(G) von Y. Der Ordinatenwert der Kurve B(G) an der Stelle G=0 kann als Fixum F interpretiert werden, das X unabhängig von G an Y zu zahlen hat. (Ist der Ordinatenwert positiv, erhält X den betreffenden Betrag von Y.) Die positive bzw. negative Differenz zwischen B(G G z 0) und B(G G 0) kann als der variable Erfolgsanteil von X interpretiert werden. Außer der in Abbildung II.11 dargestellten Teilungsregel existieren unendliche viele andere Teilungsregeln, die ebenfalls anreizkompatibel sind: Ordnet man mindestens einem der Parameter D und E (D > 0) einen anderen Wert zu, ergibt sich nach dem beschriebenen Umsetzungsverfahren eine andere Teilungsregel, die ebenfalls die Gleichung (II.62) und mithin die Grundbedingung II.1 erfüllt. Durch entsprechende positiv lineare Transformation der Nutzenfunktion U x (B) können sowohl Teilungsregeln erzeugt werden, denen hohe B(G)-Werte entsprechen, als auch solche mit niedrigen B(G)Werten. Zudem können Teilungsregeln konstruiert werden, bei denen B(G) mehr oder weniger stark mit G variiert. Werden z.B. ausgehend von einer gegebenen anreizkompatiblen Teilungsregel D und/oder E erhöht, steigt c.p. für jedes G der Term auf der rechten Seite der Gleichung (II.62). Damit sie für alternative G-Werte wieder erfüllt sein kann, muss jeweils Uy[ ˜ ] steigen und Ux[ ˜ ] sinken. Dies impliziert eine Reduktion von B(G) und eine entsprechende Erhöhung von G  % (G).

114

Kapitel II

B( G )

45°-Achse

G  B( G )

* * G  B( G )

B( G ) *

B( G )

0

*

G

F

G

Abb. II.11: Die den Nutzenkurven Uy und U *x in Abbildung II.10 entsprechende anreizkompatible Teilungsregel

In LAUX (2006a, S. 77 ff.) und VELTHUIS (1998, S. 28 ff.) wird näher untersucht, welche Form eine anreizkompatible Teilungsregel hat. Sind beide Parteien risikoneutral, sind nur lineare Teilungsregeln des Typs

B(G )

z˜G  F

(mit 0 < z < 1)

anreizkompatibel. Dabei erhält X den Anteil z am Erfolg und das Fixum F, das auch negativ sein kann. (Bei negativem F zahlt X unabhängig vom Erfolg G den Betrag von F an Y.) Ist Y risikoneutral und X risikoavers, ist eine anreizkompatible Teilungsregel B(G) streng konvex. Interpretation: Für den risikoneutralen Entscheider Y ist der Grenznutzen seines Erfolgsanteils konstant. Für X dagegen ist der Grenznutzen eine fallende Funktion von B(G). Zum Ausgleich dieser Bewertungsunterschiede muss die Funktion B(G) konvex verlaufen. Analog gilt: Ist Y risikoavers und X risikoneutral, erhält Y einen streng konvex steigenden Anteil am Erfolg; die Teilungsregel B(G) ist streng konkav. Sind beide Parteien risikoavers, hängen beider Grenznutzenwerte von der Höhe ihres Anteils am Erfolg ab. Wie sich die Steigung B'(G) einer anreizkompatiblen Teilungsregel B(G) bei Variation von G ändert, hängt dann davon ab, wie sich die entsprechenden Grenznutzenwerte ändern. Eine lineare anreizkompatible Teilungsregel ergibt sich z.B. für den Fall, dass die Nutzenfunktionen U*x (B) und Uy(G  B) identisch sind. Der Erfolg wird dann gleichmäßig auf beide Parteien aufgeteilt (B= 0,5 ˜ G) wobei F gleich null ist.

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

8.3

115

Anreizkompatible versus pareto-effiziente Risikoteilung

Bei den Darstellungen in Abschnitt 8.2 ging es darum, Anreizkompatibilität zu erzeugen. Beide Parteien haben indessen ein Interesse daran, zugleich eine pareto-effiziente Teilung des ungewissen und noch beeinflussbaren Erfolges vorzunehmen. Jedoch besteht im Allgemeinen ein Konflikt zwischen dem Ziel anreizkompatibler Entscheidungssteuerung und dem Ziel pareto-effizienter Risikoteilung (HORST/SCHMIDT/TERBERGER, 1982). Zur Erläuterung wird wieder von homogenen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen und zustandsunabhängigen Nutzenfunktionen ausgegangen; die Teilungsregeln sind dann zustandsunabhängig.25 Der Konflikt zeigt sich anschaulich für den Fall, dass X risikoavers und Y risikoneutral ist. Hier können nur konvexe Teilungsregeln B(G) anreizkompatibel sein, bei denen X am Erfolgsrisiko beteiligt wird. Die pareto-effiziente Teilungsregel besteht dagegen darin, dass X ausschließlich ein Fixum F erhält und Y das gesamte Erfolgsrisiko trägt; X hat dann kein Interesse an einer Verbesserung der Erfolgssituation; es besteht keine Anreizkompatibilität. Wie in ROSS (1973; 1974) und LAUX (2006a, S. 86 ff.) gezeigt wird, gelten folgende Zusammenhänge: 1. Eine anreizkompatible Teilungsregel ist genau dann pareto-effizient, wenn sie linear ist. 2. Eine pareto-effiziente Teilungsregel ist genau dann anreizkompatibel, wenn sie linear ist. 3. Ist eine Teilungsregel nicht linear, kann sie nicht zugleich anreizkompatibel und pareto-effizient sein. 4. Ist eine Teilungsregel pareto-effizient und anreizkompatibel, ist sie linear. 5. Ist eine lineare Teilungsregel nicht pareto-effizient, kann sie nicht anreizkompatibel sein. Wäre sie nämlich anreizkompatibel, müsste sie zwangsläufig auch pareto-effizient sein. Analog: Ist eine lineare Teilungsregel nicht anreizkompatibel, kann sie das Risiko nicht pareto-effizient teilen. Die Zusammenhänge werden in Abbildung II.12 verdeutlicht, wobei L für die Bedingung der Linearität, PE für die der Pareto-Effizienz und AK für die der Anreizkompatibilität steht. Sind zwei beliebige mit einer Strecke verbundenen Bedingungen erfüllt, gilt dies auch für die dritte. Bezüglich einer Teilungsregel sind also nur folgende Fälle möglich: Entweder sind alle drei Bedingungen erfüllt oder nur eine oder gar keine. Ist von zwei mit einer Kante verbundenen Bedingungen genau eine erfüllt, so kann die dritte nicht erfüllt sein; der Fall, dass genau zwei Bedingungen erfüllt sind, ist eben ausgeschlossen. Ist keine der mit einer Kante verbundenen Bedingungen erfüllt, so kann allerdings die dritte Bedingung erfüllt sein, sie muss aber nicht. 25

Zur Erweiterung der Darstellungen auf den Mehrperioden-Fall vgl. VELTHUIS (2004).

116

Kapitel II

Heterogene Erwartungen und/oder zustandsabhängige Nutzenfunktionen führen dazu, dass anreizkompatible bzw. pareto-effiziente Teilungsregeln zustandsabhängig sind, also der Erfolg in Abhängigkeit davon geteilt wird, welcher Zustand Ss eintritt. Wie in LAUX (1998, S. 92 f.) gezeigt wird, können zustandsabhängige Teilungsregeln nicht zugleich pareto-effizient und anreizkompatibel sein. L

z

AK

z

z

PE

Abb. II.12: Zur Beziehung zwischen den Bedingungen PE, AK und L

8.4

Partielle Anreizkompatibilität

8.4.1

Bedingungen der partiellen Anreizkompatibilität

Wie gezeigt, ist eine lineare Teilungsregel genau dann anreizkompatibel im strengen Sinne, d.h. für beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen über den Erfolg, wenn sie den Erfolg pareto-effizient teilt. Da diese Bedingung nur bei homogenen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen und speziellen Nutzenfunktionen erfüllt ist, jedoch lineare Teilungsregeln in der Realität vorherrschen (zum Beispiel werden im Allgemeinen Unternehmenserfolge zwischen den Gesellschaftern entsprechend ihrer Unternehmensanteile proportional geteilt) liegt die Vermutung nahe, dass Interessenkonflikte die Regel sind. Jedoch besteht auch dann Anreizkompatibilität bezüglich erwogener Maßnahmen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind (LAUX, 2006a): Bedingungen „partieller“ Anreizkompatibilität für kleine Erfolgsänderungen:26 1. Pareto-effiziente Risikoteilung in der Ausgangssituation: Die möglichen Erfolge G, die vor den erwogenen Maßnahmen erzielt werden, sind zwischen X und Y pareto-effizient geteilt. 2. Proportionale Teilung der möglichen Erfolgsänderungen: Die möglichen Erfolge der erwogenen Maßnahmen, d.h. die Änderungen 's der bisherigen Erfolge, werden in beliebiger Weise proportional und zustandsunabhängig geteilt; X erhält das z-fache der Änderung und Y das (1  z)-fache (mit 0 < z < 1). 26

Zur Verallgemeinerung des Konzepts der partiellen Anreizkompatibilität vgl. VELTHUIS (2004, Teil II, Kapitel 3).

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

117

3. Konstanz der individuellen Grenznutzenwerte: Die Änderungen 's der Erfolge und entsprechend der individuellen (absoluten) Erfolgsanteile sind so gering, dass sich die zustandsabhängigen Grenznutzenwerte der Parteien nicht spürbar ändern (also quasi-konstant sind). Die Bedingung unveränderlicher zustandsabhängiger Grenznutzenwerte ist natürlich bei Risikoaversion nicht streng erfüllt. Wenn von unveränderlichen Grenznutzenwerten ausgegangen wird, kann es sich nur um eine Näherung handeln. Diese ist tendenziell umso besser, je kleiner die Erfolgsänderungen sind und je größer die Anzahl der Personen ist, zwischen denen die Änderungen geteilt werden. Ist in der Ausgangssituation das Risiko pareto-effizient geteilt, bleibt bei Änderungen der individuellen (absoluten) Erfolgsanteile die Pareto-Effizienz erhalten, wenn sich die zustandsabhängigen Grenznutzenwerte nicht ändern. Die Bedingungen der partiellen Anreizkompatibilität setzen im Gegensatz zur Bedingung II.1 bzw. II.2 der strengen Anreizkompatibilität nicht voraus, dass die Entscheider X und Y im privaten Bereich keine finanziellen Überschüsse erzielen, die sto in der Ausgangssituation abhängen.27 Risikobehaftete Transakchastisch vom Erfolg G tionen im privaten Bereich (insbesondere der Handel mit Wertpapieren) können gerade  zwischen ihnen pareto-effizient geteilt ist. die Ursache dafür sein, dass der Erfolg G  Unterschiedliche Aufteilungen von G sind nicht nur in direkter Weise durch Änderung  möglich. Umverteilungen können auch indirekt erfolgen, inder Teilungsregel für G  entsprechende Transferzahlungen (zum Beidem bei gegebener Teilungsregel für G spiel über Handel mit Wertpapieren) zwischen den Entscheidern vorgenommen werden. Letztlich fordert die Bedingung 1 (der pareto-effizienten Risikoteilung in der Ausgangssituation), dass das riskante Gesamtvermögen beider Parteien zwischen ihnen paretoeffizient über die Zustände Ss geteilt ist. Die Bedingungen der partiellen Anreizkompatibilität setzen auch nicht voraus, dass die Beteiligten homogene Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände Ss und zustandsunabhängige Nutzenfunktionen haben. Der in Abschnitt 8.4.2 geführte Beweis der partiellen Anreizkompatibilität gilt auch für heterogene Wahrscheinlichkeitsvorstellungen und zustandsabhängige Nutzenfunktionen. Für diesen Fall besteht zwar bei einer pareto-effizienten Teilungsregel keine (strenge) Anreizkompatibilität bezüglich beliebiger Änderungen der Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg; immerhin besteht (partielle) Anreizkompatibilität, wenn die Grenznutzenwerte der Beteiligten quasi-konstant sind und die Erfolgsänderungen proportional und zustandsunabhängig geteilt werden.

27

Erzielen sie solche Überschüsse, sind ihre Nutzenfunktionen bezüglich ihrer (absoluten) Anteile am Erfolg zustandsabhängig (Abschnitt 4). Dagegen liegen der Bedingung II.1 bzw. II.2 zustandsunabhängige Nutzenfunktionen zugrunde.

118

8.4.2

Kapitel II

Beweis der partiellen Anreizkompatibilität [*]

Es soll nun die partielle Anreizkompatibilität für die in Abschnitt 8.4.1 dargestellten Bedingungen bewiesen werden: Gegeben sei eine beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilung mit dem Erfolg G*s im Umweltzustand Ss (s=1,2,...,S). Nun werden Maßnahmen erwogen, die im Zustand Ss (s=1,2,...,S) die Erfolgsänderung 's (oder kurz: den Erfolg 's) bieten und somit zum Gesamterfolg G *s  ' s führen. Dabei wird 's wie folgt geteilt: X erhält z˜'s und Y erhält (1z)˜'s (0 < z < 1). Die Maßnahmen sind für X vorteilhaft, wenn damit sein Erwartungsnutzen steigt, also folgende Bedingung erfüllt ist: S

(II.65)

¦ w x (Ss ) ˜ (U xs [Bs (G*s )  z ˜ 's ]  U xs [Bs (G*s )]) ! 0 . s 1

Hierin bezeichnet Bs( G*s ) den Anteil von X am Erfolg G*s in der Ausgangssituation, w x (Ss ) die Wahrscheinlichkeit, die X dem Zustand Ss zuordnet, und U xs [ ˜ ] seine Nutzenfunktion für diesen Zustand. Ist für jeden Zustand Ss (s=1,2,...,S) in dem jeweils relevanten Bereich für z ˜ 's der Grenznutzen U 'xs konstant, kann die Vorteilhaftigkeitsbedingung (II.65) wie folgt dargestellt werden: S

(II.66)

¦ w x (Ss ) ˜ z ˜ 's ˜ U'xs [Bs (G*s )] ! 0 s 1

bzw. (da z > 0) S

(II.67)

¦ w x (Ss ) ˜ 's ˜ U'xs [Bs (G*s )] ! 0 . s 1

Dabei werden die möglichen Änderungen z ˜ 's bzw. 's mit den entsprechenden subjektiven Wahrscheinlichkeiten von X und den zustandsabhängigen Grenznutzenwerten bei seinen bisherigen Erfolgsanteilen Bs( G*s ) gewichtet. Analog sind die Maßnahmen für Y vorteilhaft, wenn gilt: S

(II.68)

¦ w y (Ss ) ˜ (1  z) ˜ 's ˜ U 'ys [G*s  Bs (G*s )] ! 0 s 1

bzw. S

(II.69)

¦ w y (Ss ) ˜ 's ˜ U 'ys [G*s  Bs (G*s )] ! 0 . s 1

Wenn in der Ausgangssituation das Risiko pareto-effizient geteilt ist, muss analog zu (II.61) gelten: U 'ys [G*s  Bs (G*s )]

w x (Ss ) ˜ O ˜ U 'xs [Bs (G*s )] w y (Ss )

(s = 1,2,...,S).

Einsetzen in (II.69) und Division durch O > 0 führt zur Bedingung (II.67). Die Vorteilhaftigkeitsbedingungen (II.67) und (II.69) für X und Y sind somit äquivalent; es besteht Anreizkom-

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

119

patibilität. Der Beweis der Anreizkompatibilität gilt analog auch dann, wenn der Erfolg auf mehr als zwei Personen aufgeteilt wird. Die Darstellungen zur partiellen Anreizkompatibilität haben grundlegende Bedeutung für die Analyse von Einmütigkeit und von Zielkonflikten zwischen den Anteilseignern eines Unternehmens vor dem Hintergrund der Kapitalmarkttheorie (Kapitel V): Wenn im Kapitalmarktgleichgewicht das Risiko pareto-effizient geteilt wird und die Anteilseigner proportional an den Erfolgen eines börsennotierten Unternehmens beteiligt sind, besteht zwischen ihnen Einmütigkeit bezüglich neuer riskanter Investitionsprojekte in diesem Unternehmen, sofern diese Projekte die individuellen (zustandsabhängigen oder -unabhängigen) Grenznutzenwerte nicht verändern. Die Annahme der Konstanz der Grenznutzenwerte ist vor allem dann naheliegend, wenn viele Anteilseigner mit jeweils geringem Anteil am Unternehmen (an den Erfolgen neuer Projekte) beteiligt sind. Wie in späteren Kapiteln immer wieder deutlich wird, ist die Annahme unveränderlicher Grenznutzenwerte charakteristisch für die kapitalmarktorientierte Bewertung der Überschüsse neuer Projekte; die betreffenden Entscheidungs- bzw. Bewertungskalküle sind aus Sicht der einzelnen Anteilseigner Marginalkalküle.

8.4.3

Mögliche Konflikte

Sind die Erfolge G1* , G*2 ,..., G*S nicht pareto-effizient geteilt, besteht auch bei proportionaler Teilung der Erfolgsänderungen ' und unveränderlichen Grenznutzenwerten keine Anreizkompatibilität.28 Werden die Erfolgsänderungen nicht proportional geteilt, können sich auch dann Konflikte ergeben, wenn das Risiko in der Ausgangssituation pareto-effizient geteilt ist (LAUX, 2006a, S. 91 ff.). Bei veränderlichen Grenznutzenwerten sind die Bedingungen der pareto-effizienten Teilung der möglichen Ausgangserfolge G und der proportionalen Teilung von ' nicht hinreichend für Anreizkompatibilität. Jedoch besteht Anreizkompatibilität gemäß  * und ' gemäß derselben den Darstellungen in Abschnitt 8.3 immerhin dann, wenn G linearen und zustandsunabhängigen Teilungsregel geteilt wird und diese zugleich pareto-effizient ist. (Dies impliziert grundsätzlich homogene Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände Ss und zustandsunabhängige Nutzenfunktionen der gleichen HARA-Klasse.) Wenn die am Erfolg beteiligten Parteien keine Wertpapiere halten, muss der Erfolg  * in der Ausgangssituation direkt pareto-effizient geteilt sein, damit bei beliebiger G proportionaler Teilung der Erfolge neuer Maßnahmen und quasi-konstanten Grenznutzenwerten partielle Anreizkompatibilität besteht. Ist die maßgebliche pareto-effiziente Teilungsregel linear, besteht mit ihr sowohl strenge Anreizkompatibilität (für beliebige Änderungen der möglichen Erfolge) als auch partielle (für Änderungen mit quasikonstanten Grenznutzenwerten). Ist sie nichtlinear, und dies ist der Regelfall, kann sie weder streng noch partiell anreizkompatibel sein. Für die Erfolgsänderungen ' ist dann eine spezifische Teilungs28

Es ist zu beachten, dass sich der Begriff „partielle Anreizkompatibilität“ auf beliebige Erfolgsänderungen bezieht, bei denen die Grenznutzenwerte unveränderlich sind. Ist jedoch der Bereich möglicher Erfolgsänderungen beschränkt, kann es auch dann möglich sein, simultan den Erwartungsnutzen aller Beteiligten zu maximieren, wenn die Erfolge G1* , G*2 ,..., G*S nicht pareto-effizient geteilt sind. Vgl. hierzu die Darstellungen zur „Spanning-Bedingung“ in Kapitel V, Abschnitt 6.

120

Kapitel II

regel maßgeblich, damit Anreizkompatibilität besteht: Die möglichen Änderungen ' müssen proportional und zustandsunabhängig geteilt werden. Die Vereinbarung einer  * abweichenden) Teilungsregel kann jedoch eispezifischen (von der für die Erfolge G nen prohibitiv hohen Aufwand verursachen. Abgesehen davon muss der erzielte Gesamterfolg oder Gesamtüberschuss in verifizierbarer Weise den neuen und alten Maßnahmen zurechenbar sein.  und ' zu realiIst es nicht möglich, eine differenzierende Erfolgsteilung für G sieren, kann keine partielle Anreizkompatibilität erzeugt werden: Ist die Teilungs *  ' einheitlich linear, teilt sie (annahmegemäß) regel für den Gesamterfolg G *  den Erfolg G in der Ausgangssituation nicht pareto-effizient. Ist sie nichtlinear,  * pareto-effizient teilen, sie erfüllt aber nicht die Proportionalikann sie zwar G tätsbedingung bezüglich der möglichen Erfolge ' der neuen Maßnahmen.

Die Darstellungen verdeutlichen die Grenzen der Schaffung von Anreizkompatibilität bei Risikoteilung mit anderen Personen. Umverteilungen des Erfolges in Richtung effizienter Risikoteilung können zu erheblichen Interessenkonflikten mit diesen Personen führen; es besteht ein Trade off zwischen effizienter Risikoteilung und Erfolgseinbußen durch Anreiz- und Kontrollprobleme (Corporate Governance-Probleme). Es zeigt sich wieder, dass es für einen Investor sinnvoll sein kann, ein Bewertungsobjekt allein zu erwerben und keine Gesellschafter aufzunehmen, die am Erfolg partizipieren. Für die Bewertung ist dann allein die Nutzenfunktion des Investors relevant.

9

Resümee

1. Die Entscheidung nach dem BERNOULLI-Prinzip wird in zwei Schritten getroffen: Auf der Grundlage relativ einfacher hypothetischer Entscheidungsprobleme wird eine Nutzenfunktion bestimmt, die den möglichen Ergebnissen Nutzenwerte zuordnet. Sodann wird diejenige Alternative ermittelt und gewählt, mit deren möglichen Ergebnissen der höchste Erwartungswert des Nutzens (der höchste Erwartungsnutzen oder auch kurz der höchste Nutzen) erzielt wird. 2. Nach dem (P,V)-Prinzip wird eine Wahrscheinlichkeitsverteilung über eine Zielgröße anhand ihres Erwartungswertes P und ihrer Standardabweichung V beurteilt. Dabei dient die Standardabweichung als Maß für das Risiko. Das (P,V)-Prinzip hat insbesondere auch für Kapitalmarkttheorie und (darauf aufbauend) die Investitionsbewertung große praktische Bedeutung. Es ist allerdings nicht generell kompatibel mit dem BERNOULLI-Prinzip. Falls beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen über die Zielgröße gegeben sein können, folgt das (P,V)-Prinzip dann und nur dann aus dem BERNOULLI-Prinzip, wenn die Nutzenfunktion quadratisch ist. Bei Risikoaversion verläuft die Nutzenfunktion konkav. Ist die Zielgröße normalverteilt, folgt das (μV -Prinzip immer dann aus dem BERNOULLI-Prinzip, wenn die Nutzenfunktion konkav ist. Die Beziehung zwischen Erwartungsnutzen einerseits sowie P und V andererseits ist besonders einfach und anschaulich bei exponentieller Nutzenfunktion.

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

121

3. Für die Analyse von Entscheidungs- und Bewertungsproblemen bei Risiko hat der folgende „Risikoaversionskoeffizient“ große Bedeutung: (II.12)

a(Z) 

U ''(Z) . U '(Z)

Dieser Koeffizient gilt als Maß für die lokale absolute Risikoaversion. Der Kehrwert des Risikoaversionskoeffizienten wird als „Risikotoleranz“ bezeichnet. Bei quadratischer Nutzenfunktion ist der Risikoaversionskoeffizient eine monoton steigende Funktion von Z; es besteht steigende absolute Risikoaversion. Bei exponentieller Nutzenfunktion besteht konstante absolute Risikoaversion. 4. Die Analysen werden oft in der Weise vereinfacht, dass nur ein Teil der Risiken explizit erfasst werden. Es gibt jeweils „Hintergrundrisiken“, die für die Bewertung der betrachteten Risiken zum Beispiel eines Unternehmens von Bedeutung sein können. Wenn sich die Modellanalyse auf einen Teil der Risiken beschränkt, existiert ein „modellexogener“ oder „modellexterner“ Bereich, der für die Bewertung der betrachteten Risiken grundlegende Bedeutung haben kann. Der modellexogene Bereich kann implizit mit Hilfe zustandsabhängiger Nutzenfunktionen berücksichtigt werden. Der Nutzen eines Zielgrößenwertes ist dann nicht nur von dessen Höhe abhängig, sondern auch von dem Zustand, in dem er erzielt wird. Die Nutzenfunktion für eine finanzielle Zielgröße ist nur dann zustandsunabhängig, wenn der Überschuss oder der Vermögenswert des modellexternen Bereichs stochastisch vom Zustand unabhängig ist. 5. Für die Analyse (die Bewertung) riskanter Maßnahmen sind die theoretischen Konstrukte „Sicherheitsäquivalent“ und „Wert“ von grundlegender Bedeutung. Das Sicherheitsäquivalent einer Wahrscheinlichkeitsverteilung über eine einzelne Zielgröße Z ist definiert als  , der dieser Verteilung gleichwertig ist. Von zwei derjenige sichere Zielgrößenwert SÄ(Z) beliebigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen über die Zielgröße ist jene vorzuziehen, der ein höheres Sicherheitsäquivalent entspricht. Bei Orientierung am BERNOULLI-Prinzip stimmt der Nutzenwert des Sicherheitsäquivalents mit dem Erwartungswert des Nutzens der Wahrscheinlichkeitsverteilung überein. Bei Risikoaversion ist das Sicherheitsäquivalent kleiner als der Erwartungswert P der Zielgröße. 6. Wenn eine Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Zielgröße bereits existiert und Maßnahmen zu ihrer Veränderung erwogen werden, kann es sich als zweckmäßig erweisen, das Sicherheitsäquivalent nicht auf die neue Verteilung als Ganzes zu beziehen, sondern nur auf  den den stochastischen Betrag, um den sich die bisherige Verteilung ändert. Bezeichnet Z bisherigen Zielgrößenwert und Z n die potenzielle Änderung, ist das Sicherheitsäquivalent  , die der ungewissen SÄ( Z n ) von Z n gleich derjenigen sicheren Änderung der Zielgröße Z Änderung Z n gleichwertig ist; der Entscheider ist indifferent zwischen dem „Zufluss“ des sicheren Betrages SÄ( Z n ) und dem unsicheren Z n . Das Sicherheitsäquivalent SÄ( Z n ) hängt u.a. von der stochastischen Beziehung zwischen Z n und Z ab. Bei negativer Korrelation kann es auch bei Risikoaversion größer als der Erwartungswert von Z n sein.

7. Fließt dem Entscheider ein Überschuss Z n nicht unentgeltlich zu, sondern muss er ihn kaufen, stellt sich das Problem, ihn zu bewerten. Der Wert WK( Z n ) ist gleich demjenigen Grenzpreis, bei dem im Fall des Kaufs derselbe Nutzenerwartungswert erzielt wird wie mit der Zielgröße Z in der Ausgangssituation. Es muss also gelten !

(II.45)

 E[U(Z)] E(U[Z  Z n  WK(Z n )]) .

122

Kapitel II

Voraussetzung hierbei ist, dass der Preis zu demjenigen Zeitpunkt zu zahlen ist, zu dem Z n zufließt. Bezieht sich die finanzielle Zielkomponente Z n auf einen zukünftigen Zeitpunkt und ist die Anschaffungsauszahlung zu Beginn des Betrachtungszeitraums zu leisten, ergeben sich Zinsprobleme. Wird der Wert WK( Z n ) nach (II.45) mit dem risikolosen Zinssatz r diskontiert, ergibt sich der Wert für den Fall, dass die Anschaffungsauszahlung schon zu Beginn dieses Zeitraums zu leisten ist. Der Wert WK( Z n ) nach (II.45) stimmt nur bei linearer oder exponentieller Nutzenfunktion mit dem Sicherheitsäquivalent SÄ( Z n ) überein; nur bei diesen Nutzenfunktionen besteht konstante absolute Risikoaversion. 8. Verfügt der Entscheider bereits über den Überschuss Z n und erwägt er, ihn zu verkaufen, ist allerdings der subjektive Grenzpreis WK( Z n ) gleich dem Sicherheitsäquivalent SÄ( Z n ), wobei dieses auf den Zielgrößenwert Z , d.h. ohne den Überschuss Z n , bezogen wird. 9. In dieser Arbeit fließt der Erfolg (der Überschuss) oft nicht einem einzigen Entscheider zu. Vielmehr wird er zwischen mehreren Entscheidern geteilt. Für diesen Fall haben für die Bewertung die theoretischen Konstrukte „pareto-effiziente“ und „anreizkompatible“ Risikoteilung grundlegende Bedeutung. Eine Teilungsregel ist bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg dann pareto-effizient, wenn es nicht möglich ist, durch Umverteilung der zustandsabhängigen Erfolge den Erwartungsnutzen mindestens eines der Beteiligten zu erhöhen, ohne gleichzeitig den Erwartungsnutzen mindestens eines anderen zu reduzieren. Die Gestalt einer pareto-effizienten Teilungsregel hängt von den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen der Beteiligten bezüglich der Zustände und ihren Nutzenfunktionen ab. Bei zustandsunabhängigen Nutzenfunktionen und homogenen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen ist sie zustandsunabhängig; bei heterogenen zustandsabhängig. Bei zustandsunabhängigen Nutzenfunktionen der HARA-Klasse sind die pareto-effizienten Teilungsregeln linear. Zu diesen Nutzenfunktionen zählen die quadratischen und exponentiellen, die im Rahmen dieser Arbeit besondere Berücksichtigung finden. 10. Ausgehend von einer pareto-effizienten Erfolgsteilung kann zwar bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg G der Erwartungsnutzen keines Entscheiders erhöht werden, ohne dass der eines anderen sinkt. Bei einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung aufgrund von Investitionen oder anderer Maßnahmen können jedoch bei der betreffenden Teilungsregel einige einen Vorteil und andere einen Nachteil erzielen. Wenn die Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg beeinflusst werden kann, können sich dann Konflikte bezüglich der Durchführung der betreffenden Maßnahmen ergeben. Um Bewertungskonflikte zwischen Entscheidern zu vermeiden, können sie ein Interesse daran haben, eine anreizkompatible Teilungsregel zu vereinbaren. Eine Teilungsregel erfüllt für zwei Entscheider X und Y die Bedingung der Anreizkompatibilität, wenn sie jeden möglichen Erfolg derart teilt, dass der Erwartungsnutzen des (absoluten) Erfolgsanteils B(G) für X eine monoton steigende Funktion des Erwartungsnutzens des Erfolgsanteils G  B(G) für Y ist. Bei einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg kann dann eine Partei nur einen finanziellen Vorteil oder Nachteil erzielen, wenn dies zugleich für die andere Partei der Fall ist. Es gelten folgende Grundzusammenhänge: Eine anreizkompatible Teilungsregel ist genau dann pareto-effizient, wenn sie linear ist. Eine pareto-effiziente Teilungsregel ist genau dann anreizkompatibel, wenn sie linear ist. Ist eine Teilungsregel nicht linear, kann sie nicht zugleich anreizkompatibel und pareto-effizient sein. Ist eine Teilungsregel pareto-effizient und anreizkompatibel, ist sie linear. Dieser Zusammenhang hat für die Analyse von Unternehmenszielen und entsprechender Grenzpreise im Fall A (allgemein: im Kapitalmarktzusammenhang) grundlegende Bedeutung.

Kriterien der subjektiven Bewertung von Risiken und Risikoteilung

123

11. Wie gesagt, ist eine lineare Teilungsregel genau dann anreizkompatibel im strengen Sinne, d.h. für beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen über den Erfolg, wenn sie den Erfolg pareto-effizient teilt. Da diese Voraussetzungen nur bei homogenen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen und speziellen Nutzenfunktionen erfüllt ist, jedoch lineare Teilungsregeln in der Realität vorherrschen, liegt die Vermutung nahe, dass Interessenkonflikte die Regel sind. Jedoch besteht auch dann Anreizkompatibilität bezüglich erwogener Maßnahmen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind (Bedingungen „partieller“ Anreizkompatibilität für kleine Erfolgsänderungen): – –



Pareto-effiziente Risikoteilung in der Ausgangssituation: Die möglichen Erfolge G, die vor den erwogenen Maßnahmen erzielt werden, sind pareto-effizient geteilt. Proportionale Teilung der möglichen Erfolgsänderungen: Die möglichen Erfolge der erwogenen Maßnahmen, d.h. die Änderungen der bisherigen Erfolge, werden in beliebiger Weise proportional und zustandsunabhängig geteilt. Konstanz der individuellen Grenznutzenwerte: Änderungen der Erfolge und entsprechend der individuellen (absoluten) Erfolgsanteile sind so gering, dass sich die zustandsabhängigen Grenznutzenwerte der Parteien nicht (spürbar) ändern (also quasikonstant sind).

Auch die partielle Anreizkompatibilität findet bei späteren Wertanalysen für den Fall A besondere Beachtung.

Kapitel III Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

1

Problemstellung

Das vorliegende Kapitel befasst sich mit Grundzügen der Portefeuille-Theorie.1 Dabei geht es um das Problem, wie für einen einzelnen Investor ein optimales Wertpapierportefeuille für eine Periode ermittelt werden kann, und wie seine Struktur und sein Umfang von den Erwartungen und der Risikoeinstellung des Investors abhängen. Die Portefeuille-Theorie hat große Bedeutung für die theoretische Fundierung und praktische Ermittlung von Preisober- und -untergrenzen von Bewertungsobjekten. Sie liefert nicht nur die theoretische Grundlage für die Analyse optimaler individueller Risikostreuung, sondern auch (was eng damit zusammenhängt) für die Analyse und Erklärung der Gleichgewichtspreise auf dem Kapitalmarkt. Der Grenzpreis eines Bewertungsobjekts hängt aus Sicht eines individuellen Investors davon ab, wie er das aus dem Bewertungsobjekt resultierende Risiko privat durch Portefeuillebildung optimal hedgen kann. Das optimale Portefeuille ist dann mit dem Überschuss des Bewertungsobjekts abzustimmen. Von dieser Problematik soll hier noch abgesehen werden. Es wird davon ausgegangen, dass der Investor keinen exogenen riskanten Überschuss erzielt. Dieser wird erst in den Kapiteln IX und X berücksichtigt. Auf den erweiterten Portefeuillemodellen aufbauend wird in den Kapiteln XI, XII und XV untersucht, wie ein individueller subjektiver Grenzpreis ermittelt werden und wie er sich vom Marktwert des Bewertungsobjekts unterscheiden kann. Die Portefeuilletheorie befasst sich im Kern mit der Ermittlung des optimalen Bestandes riskanter Wertpapiere (Finanztitel) für eine einzelne Periode, wobei dieser Bestand innerhalb der Periode nicht verändert wird. Ein Bestand an riskanten Wertpapieren wird im Folgenden als Portefeuille bezeichnet. Mit der Ermittlung eines optimalen Portefeuilles wird simultan auch der Kapitalbetrag bestimmt, der zum risikolosen Zinssatz r angelegt oder aufgenommen wird; jedoch wird hier dieser Kapitalbetrag definitionsgemäß nicht zum Portefeuille gerechnet. Die Darstellungen im vorliegenden Kapitel sind mit denen in späteren Kapiteln abgestimmt. Zielgröße der Modellanalyse ist nicht – wie in der Literatur üblich – die Rendite, die der Investor auf seinen Kapitaleinsatz erzielt, sondern das Vermögen, über das er 1

Vgl. hierzu ELTON/GRUBER (1991); INGERSOLL (1987, S. 65-113); MARKOWITZ (1952; 1959); TOBIN (1957; 1958); FARRAR (1962); SHARPE (1970); FRANKE/HAX (2004, S. 306-329); RUDOLPH (1979a, S. l-59); BITZ (1981, S. 110-151); SCHMIDT/TERBERGER (1997, S. 309-338); COPELAND/WESTON/ SHASTRI (2008, S. 152-203).

126

Kapitel III

am Ende der Periode verfügt (Endvermögen) bzw. der entsprechende „Residualgewinn“ (Abschnitt 2). Die Darstellungen in absoluten Größen ermöglichen eine relativ einfache und anschauliche Erklärung der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt. Auf den betreffenden Bewertungsfunktionen aufbauend lassen sich auch in einfacher und strukturgleicher Form Marktwerte und subjektive Grenzpreise von Bewertungsobjekten ermitteln und Ursachen für absolute Abweichungen zeigen. In Abschnitt 3 wird das Grundmodell der Portefeuilleplanung dargestellt. Es beruht auf der Annahme, dass sich der Investor am (P,V)-Prinzip orientiert, so dass sich eine explizite Erfassung der möglichen Umweltzustände Ss und der entsprechenden Endvermögenswerte erübrigt. Es wird untersucht, wie „effiziente“ Portefeuilles ermittelt werden können und welche Struktur sie aufweisen. Außerdem wird gezeigt, wie aus der Menge der effizienten Portefeuilles das optimale ausgewählt werden kann. In Abschnitt 4 wird eine vertiefende Analyse der Struktureigenschaften der effizienten Portefeuilles vorgenommen. In Abschnitt 5 wird untersucht, welche Eigenschaften das optimale Portefeuille aufweist (wie es von seinen Determinanten abhängt). Abschnitt 6 befasst sich mit Implikationen eines beschränkten Leerverkaufs und Abschnitt 7 mit der Relevanz von „Hintergrundrisiken“ und Leerverkäufen. In Abschnitt 8 wird die allgemeine Bedeutung von Varianzen und Kovarianzen für die Risikoanalyse gezeigt. Es wird verdeutlicht, dass für die Varianz des Überschusses eines gesamten Wertpapierportefeuilles die zahlreichen Kovarianzen zwischen den Endwerten der verschiedenen Wertpapiere eine erheblich größere Bedeutung haben können als die einzelnen Varianzen dieser Endwerte. Der Anhang 1 am Ende dieser Arbeit befasst sich mit der Ermittlung und Eigenschaften von Varianzen, Kovarianzen und Korrelationskoeffizienten.

2

Residualgewinn als Zielgröße der Portefeuilleplanung Wie erwähnt, dient im Folgenden als Zielgröße für die Portefeuilleplanung nicht die Rendite, sondern das Endvermögen bzw. der „Residualgewinn“ des Portefeuilles. Der Residualgewinn wird definiert als Gewinn nach Abzug kalkulatorischer Zinsen auf das „investierte“ Kapital. Hierbei werden nicht nur Fremdkapitalzinsen erfasst, sondern auch kalkulatorische Zinsen auf das Eigenkapital. Technisch geschieht das in der Weise, dass das investierte Kapital unabhängig von der Kapitalstruktur mit einem einheitlichen Zinssatz multipliziert wird und Fremdkapitalzinsen nicht explizit erfasst werden.

In dem betrachteten Einperioden-Fall wird – wie noch näher erläutert wird – das Portefeuille zu Beginn der Periode gekauft und am Ende der Periode wieder verkauft. Der Residualgewinn des Portefeuilles ergibt sich dann als Verkaufserlös des Portefeuilles einschließlich Zinsen und Dividenden abzüglich der Anschaffungsauszahlung für das Portefeuille und abzüglich der Zinsen auf die Anschaffungsauszahlung als investiertem

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

127

Kapital, die mit dem risikolosen Zinssatz r ermittelt werden. Man kann im EinperiodenFall den Residualgewinn des Portefeuilles auch als Differenz zwischen dem Verkaufserlös und der mit dem Zinssatz r aufgezinsten Anschaffungsauszahlung des Portefeuilles definieren. Das Analoge gilt für den Residualgewinn einer einzelnen Wertpapiereinheit. Der Residualgewinn eines Portefeuilles oder einer Wertpapiereinheit gibt an, wie weit das Endvermögen gegenüber einer Anlage zum Zinssatz r steigt oder fällt, wenn dieses Portefeuille oder diese Wertpapiereinheit erworben wird. Der Residualgewinn wird auch als Übergewinn bezeichnet. Sein Erwartungswert kann als Risikoprämie dafür interpretiert werden, dass das Portefeuille oder die Wertpapiereinheit erworben und der betreffende investierte Kapitalbetrag nicht risikolos angelegt wird (wobei die „Anlage auch darin bestehen kann, dass der betreffende Betrag nicht geliehen wird).

3

Das Modell

3.1

Annahmen und Symbole

Das Modell beruht auf folgenden Annahmen: 1. Der Investor kann zum risikolosen Zinssatz r unbegrenzt Geld anlegen und aufnehmen. Außerdem kann er zu Beginn der betrachteten Periode (dem Zeitpunkt 0) riskante Wertpapiere der Typen 1,2,...,N erwerben, die er erst am Periodenende, dem Zeitpunkt 1, wieder verkaufen kann. Der Investor hat mit seinen Dispositionen keinen Einfluss auf die Wertpapierpreise. Mit dem Kauf und Verkauf von Wertpapieren (einschließlich „Leerverkauf“) sind keine Transaktionskosten verbunden. Alle Wertpapiere sind beliebig teilbar, so dass keine Ganzzahligkeitsbedingungen beachtet werden müssen. 2. Zum Zeitpunkt 0 hat der Investor einen bereits vorhandenen Wertpapierbestand verkauft und verfügt über das Geldvermögen V0 (V0 > 0). Er will nun einen (neuen) optimalen Bestand ermitteln. Die erworbenen Wertpapiere werden zum Zeitpunkt 1, dem Ende der Periode, wieder veräußert. Da mit dem Kauf und Verkauf keine Transaktionskosten verbunden sind, schränkt die Veräußerungsannahme die Allgemeinheit der Problemstellung nicht ein; veräußerte Wertpapiere können kostenlos zurückgekauft werden. Jedoch vereinfacht diese Annahme einige formale Darstellungen. 3. Der Erwerb von Wertpapieren führt zum Zeitpunkt 0 zu Auszahlungen und zum Zeitpunkt 1 zu Einzahlungen in Form von Verkaufserlösen und Dividenden oder Zinsen. Die Anschaffungsauszahlung je Wertpapiereinheit – der Preis des Wertpapiers – ist mit Sicherheit bekannt. Die Einzahlungen zum Zeitpunkt 1 hängen von dem dann eintretenden Zustand Ss ab.

128

Kapitel III

4. Zielgröße des Investors ist das Vermögen, über das er am Ende der Periode verfügt („Endvermögen“). Er ist risikoavers. 5. Der Investor kann Wertpapiere für die betrachtete Periode auch leerverkaufen. Bei Leerverkauf eines Papiers werde dieses zu Beginn der Periode zum Börsenkurs verkauft und am Ende der Periode zu dem dann geltenden Börsenkurs gekauft und an den (Termin-)Käufer geliefert.2 Leerverkauf stellt dann einfach eine Umkehrung der Überschüsse bei Kauf dar. 6. Der Investor verfügt über keine riskanten Vermögenspositionen, die bei der Ermittlung des optimalen Wertpapierbestandes berücksichtigt werden müssen; seine Nutzenfunktion für das aus der Portefeuillebildung resultierende Endvermögen ist zustandsunabhängig. Er orientiert sich am (P,V)-Prinzip, das eine zustandsunabhängige Nutzenfunktion voraussetzt. Symbole x xn ~

WP1

~ V1 P0n ~ ~ P1n (P1m )

Var( ˜ ) Kov( ˜ ) RPp V0

3.2

{ Geldbetrag, der zum Zeitpunkt 0 zum risikolosen Zinssatz r angelegt (x > 0) oder geliehen wird (x < 0), { Zahl der Wertpapiere vom Typ n (n= 1,2,...,N), die zum Zeitpunkt 0 gekauft (xn > 0) oder leerverkauft (xn < 0) werden, { Endwert der Portefeuilles zum Zeitpunkt 1 (einschließlich Dividenden und Zinsen), { Vermögen zum Zeitpunkt 1 (Endvermögen), { Preis des Wertpapiers vom Typ n zum Zeitpunkt 0, { Preis des Wertpapiers vom Typ n (m) zum Zeitpunkt 1 (einschließlich Dividende oder Zinsen), { Varianzoperator, { Kovarianzoperator, { Risikoprämie des Portefeuilles, { Geldvermögen zum Zeitpunkt 0.

Modellstruktur

Annahmegemäß orientiert sich der Investor am (P,V)-Prinzip, wobei P den Erwartungswert und V (V2) die Standardabweichung (Varianz) seines Endvermögens bezeichnet. Das Endvermögen beträgt: (III.1)

 V 1

~

(1  r) ˜ x  WP1

N

(1  r) ˜ x  ¦ x n ˜ P1n . n 1

Für den Erwartungswert des Endvermögens gilt entsprechend: (III.2)

~ P { E ( V1 )

N ~ (1  r ) ˜ x  ¦ x n ˜ E ( P1n ) . n 1

2

Zu genaueren technischen Details praktischer Leerverkäufe vgl. Kapitel IV, Abschnitt 2.2.

129

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

Die Varianz des Endvermögens stimmt mit der Varianz des Endwertes des Portefeuilles überein. Sie errechnet sich nach der folgenden Formel:3 (III.3)

~ Var (V1 )

~

Var ( WP1 ) N

~

N

N

~

~

¦ x 2n ˜ Var(P1n )  ¦ ¦ x n ˜ x m ˜ Kov(P1n ; P1m ) n 1 N

n 1m 1 mzn N

~

~

¦ ¦ x n ˜ x m ˜ Kov(P1n ; P1m ) n 1m 1

~ ~ mit Kov(P1n ; P1n )

~ Var(P1n ) .

~ ~ Dabei erfassen die Kovarianzen Kov(P1n ; P1m ) ( n z m) den Risikoverbund zwischen ~ ~ ~ den Papieren. Für N= 3 kann mit K nm { Kov( P1n ; P1m ) und K nn Var ( P1n ) die Gleichung (III.3) wie folgt dargestellt werden: (III.3a)

~

x12 ˜ K11

Var( WP1 )

 x1 ˜ x 2 ˜ K12

 x 2 ˜ x1 ˜ K 21  x 22 ˜ K 22  x 3 ˜ x1 ˜ K 31  x 3 ˜ x 2 ˜ K 32 3

3

 x1 ˜ x 3 ˜ K13  x 2 ˜ x 3 ˜ K 23  x 32 ˜ K 33 3

¦ x1 ˜ x m ˜ K1m  ¦ x 2 ˜ x m ˜ K 2m  ¦ x 3 ˜ x m ˜ K 3m m 1 3 3

m 1

m 1

¦ ¦ x n ˜ x m ˜ K nm . n 1m 1

Für den Zeitpunkt 0 gilt die Budgetbedingung: N

(III. 4)

x  ¦ x n ˜ P0n

V0 .

n 1

Umformung nach x und Einsetzen in (III.2) führt zu: (III.5)

~ P { E(V1 )

N ~ (1  r ) ˜ V0  ¦ x n ˜ E[P1n  (1  r ) ˜ P0n ] . n 1 { RPp

Interpretation: Wenn der Entscheider ein (weiteres) Papier n erwirbt, muss er die Kapitalanlage (die Kapitalaufnahme) zum Zinssatz r um die Anschaffungsauszahlung P0n reduzieren (erhöhen). Sein Endvermögen ändert sich somit um den ungewissen Residu3

Zur Ermittlung von Erwartungswerten, Varianzen und Kovarianzen vgl. den Anhang 1 zu dieser Arbeit. Sie erfordert die stochastische Prognose der zukünftigen Aktienkurse. Zu Problemen und Grenzen der Prognose vgl. SCHMIDT (1976); SHLEIFER (2000, S. 175 ff.) und die dort diskutierte Literatur.

130

Kapitel III

algewinn P1n  (1  r) ˜ P0n . Der Erwartungswert dieses Residualgewinns kann als Risikoprämie interpretiert werden, die eine Einheit des Papiers n bietet. Analog gilt für die Risikoprämie des gesamten Portefeuilles: (III.6)

N ~ RPp { ¦ x n ˜ E[P1n  (1  r ) ˜ P0n ] . n 1

Diese Risikoprämie bringt zum Ausdruck, wie weit aufgrund der Portefeuillebildung der Erwartungswert des Endvermögens ansteigt. (In Kapitel IV, Abschnitt 5.4.3, wird untersucht, von welchen Determinanten die Risikoprämien der Papiere n abhängen und wie sie praktisch ermittelt werden können.) Das optimale Portefeuille kann wie folgt ermittelt werden: Zunächst wird die Menge der „effizienten“ Portefeuilles bestimmt und dann daraus das optimale ausgewählt; ein ineffizientes Portefeuille kann nicht optimal sein. Ein Portefeuille ist bei Risikoaversion dann effizient, wenn kein anderes existiert, das bei gegebener Risikoprämie eine kleinere Standardabweichung aufweist, oder bei gegebener Standardabweichung eine höhere Risikoprämie bietet, oder bei höherer Risikoprämie eine kleinere Standardabweichung aufweist.

3.3

Strukturgleichheit aller effizienten Portefeuilles

Man erhält (wie in Abschnitt 4 näher erläutert wird) ein effizientes Portefeuille, indem in (III.6) für RPp ein beliebiger fester Wert RPp* ! 0 eingesetzt und unter Berücksichtigung dieser Gleichung als Nebenbedingung die Varianz (III.3) minimiert wird. (Ein riskantes Portefeuille mit nichtpositiver Risikoprämie kann wegen der Risikoaversion des Investors nicht effizient sein.) Dies ist eine relativ einfach zu lösende quadratische Programmierungsaufgabe mit einer linearen Nebenbedingung. Das erzielte (effiziente) Portefeuille wird mit x1* , x *2 ,..., x *N bezeichnet und die zugehörige Varianz mit V*2. Dem effizienten Portefeuille entspricht folgende sichere Anlage zum risikolosen Zinssatz r (ist x* negativ, wird der betreffende Betrag geliehen):

x*

N

V0  ¦ x *n ˜ P0n . n 1

Zunächst wird gezeigt, dass alle effizienten Portefeuilles die gleiche Struktur aufweisen: Die Risikoprämie RPp(k) des Portefeuilles k ˜ x1* , k ˜ x*2 ,..., k ˜ x*N beträgt: N

(III.7)

RPp (k)

¦ k ˜ x*n ˜ E[P1n  (1  r) ˜ P0n ] n 1 N

k ˜ ¦ x*n ˜ E[P1n  (1  r) ˜ P0n ] n 1 Risikoprämie des Portefeuilles x1* ,x*2 ,...,x*N

k ˜ RPp* .

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

131

Die Risikoprämie RPp(k) ist also gleich dem k-fachen der Risikoprämie RPp* des Portefeuilles x1* , x *2 ,..., x *N . Dem Portefeuille k ˜ x1* , k ˜ x*2 , k ˜ x*3 ,..., k ˜ x*N entspricht folgende Varianz V 2 ( k ) : (III.8)

V 2 ( k)

N N

~

~

¦ ¦ k ˜ x n ˜ k ˜ x m ˜ Kov( P1n ; P1m ) n 1m 1 N N ~ ~ k 2 ˜ [ ¦ ¦ x n ˜ x m ˜ Kov( P1n ; P1m )] k 2 ˜ V*2 . n m 1 1 Varianz des Portefeuilles x1 , x 2 , ..., x N

Die Varianz ist somit gleich dem k2-fachen der Varianz V*2 des Portefeuilles x1* , x *2 ,..., x *N . Entsprechend ist die Standardabweichung als positive Wurzel aus der Varianz das k-fache. Da das Portefeuille x1* , x *2 ,..., x *N effizient ist, gilt dies auch für das Portefeuille k ˜ x1* , k ˜ x*2 ,..., k ˜ x*N . Wird somit ausgehend von einem effizienten Portefeuille bei gleicher Struktur der Bestand an Wertpapieren erhöht oder gesenkt, so ergibt sich wieder ein effizientes Portefeuille, wobei sich die Risikoprämie und die Standardabweichung im gleichen Verhältnis ändern wie der Umfang des Portefeuilles. Es gibt somit nur eine effiziente Portefeuillestruktur; die effizienten Portefeuilles unterscheiden sich nur in ihrem Umfang. Beweis: Wie erläutert, entspricht dem Portefeuille k ˜ x1* , k ˜ x*2 ,..., k ˜ x*N die Risikoprämie k ˜ RPp* und die Standardabweichung k ˜V * . Es ist genau dann effizient, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

1. Es existiert kein Portefeuille, das bei gleicher Risikoprämie k ˜ RPp* eine kleinere Standardabweichung als k ˜V * aufweist. 2. Es existiert kein Portefeuille, das bei gleicher Standardabweichung k ˜V * eine höhere Risikoprämie als k ˜ RPp* bietet. 3. Es existiert kein Portefeuille, das bei kleinerer Standardabweichung als k ˜V * eine höhere Risikoprämie als k ˜ RPp* bietet. Hier soll nur gezeigt werden, dass die erste Bedingung erfüllt ist: Würde ein Portefeuille mit der Risikoprämie k ˜ RPp* und der Standardabweichung V < k ˜ V* existieren, könnte durch Realisation dieses Portefeuilles auf dem (1 / k)-fachen Niveau die Risikoprämie (1 / k ) ˜ k ˜ RPp* RPp* und die Standardabweichung (1/ k) ˜ V erzielt werden, wobei dann wegen V < k ˜V* die Relation (1/ k) ˜ V  V* gelten würde. Bei gleicher Risikoprämie RPp* würde sich somit eine Standardabweichung ergeben, die kleiner ist als die des Portefeuilles x1* , x *2 ,..., x *N , so dass dieses gar nicht hätte effizient sein können. Analog kann gezeigt werden, dass auch die beiden anderen Bedingungen erfüllt sind: Wenn das Portefeuille x1* , x *2 ,..., x *N effizient ist, muss das k-fache dieses Portefeuilles ebenfalls

132

Kapitel III

effizient sein; es besteht eine proportionale Beziehung zwischen der Standardabweichung und der Risikoprämie der effizienten Portefeuilles. Ŷ Zur Erläuterung wird die Abbildung III.1 betrachtet. Angenommen der Punkt P* kennzeichne ein effizientes Portefeuille. Dann ist das Portefeuille P**, das bei gleicher Struktur den doppelten Umfang und somit auch die doppelte Standardabweichung und die doppelte Risikoprämie aufweist, ebenfalls effizient. Es kann kein Portefeuille existieren, dem ein Punkt entspricht, der bei gleichem Abszissenwert einen kleineren Ordinatenwert, oder bei gleichem Ordinatenwert einen höheren Abszissenwert oder sowohl einen kleineren Ordinatenwert als auch einen höheren Abszissenwert aufweist als der Punkt P**. Wäre dies der Fall, ergäbe sich ein Widerspruch zu der Aufnahme, dass P* ein effizientes Portefeuille charakterisiert. Würde z.B. das dem Punkt P1 entsprechende Portefeuille existieren, könnte man dieses bei identischer Struktur auf halbem Niveau realisieren und somit bei einer Risikoprämie von RPp* eine Standardabweichung in Höhe des Ordinatenwertes des Punktes P3 erzielen; P* könnte kein effizientes Portefeuille charakterisieren. Würde das dem Punkt P2 entsprechende Portefeuille existieren, könnte man dieses wiederum bei identischer Struktur auf halbem Niveau realisieren und somit bei einer Standardabweichung von V * eine Risikoprämie in Höhe des Abszissenwertes des Punktes P4 erzielen; wiederum könnte P* kein effizientes Portefeuille darstellen. V

P**

V** 2· 2 V* ˜ V*

x

P*

*

V V

x x

0

P4

x

x

P2

xP 1

P3

RPp* RP*

* RPp** = 22·˜ RP RP** RP* p

RP

Abb. III.1: Zur Analyse der Struktureigenschaft effizienter Portefeuilles

Entsprechend kann auch kein Portefeuille existieren, dem ein Punkt rechts unterhalb von P** entspricht. Es besteht somit eine proportionale Beziehung zwischen der Standardabweichung und der Risikoprämie der effizienten Portefeuilles. Unter Berücksichtigung dieser Beziehung kann die Effizienzbedingung vereinfachend wie folgt formuliert werden:

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

133

Ein Portefeuille ist genau dann effizient, wenn kein anderes existiert, für welches das Verhältnis aus Standardabweichung und Risikoprämie kleiner oder das Verhältnis aus Risikoprämie und Standardabweichung (die Risikoprämie je Risikoeinheit) größer ist.

3.4

Auswahl des optimalen Portefeuilles

Die Menge aller effizienten (P,V)- bzw. (P,V2)-Konstellationen für das Endvermögen lässt sich graphisch mit Hilfe einer Effizienzkurve darstellen, die zeigt, welcher minimale V- bzw. V2-Wert alternativen Risikoprämien RPp t 0 des Portefeuilles und somit ~ alternativen Erwartungswerten E(V1 ) t (1  r ) ˜ V0 des Endvermögens entspricht. Die Effizienzkurve beginnt stets beim Abszissenwert (1+r) ˜ V0. Diejenige im (P,V)-Diagramm ergibt sich, indem für eine beliebige Risikoprämie RPp* ! 0 das effiziente Portefeuille x1* , x *2 ,..., x *N ermittelt wird, die entsprechende (P,V)-Kombination für das Endvermögen durch einen Punkt P* dargestellt und ausgehend vom Punkt A auf der Abszisse mit dem Abszissenwert (1+r)˜V0 ein Fahrstrahl durch den Punkt P* gezeichnet wird (Abbildung III.2). ~ Sta ( V1 )

a 1) Sta (WP Effizienzkurve

T

~ Sta ( V1,opt )

(eine) Indifferenzkurve

P* A 0

~ E ( V1,opt )

* RP* RP p

(1  r ) ˜ V0

M b 2c

~ E( V1 ) (P)

RPopt RP p,opt

Abb. III.2: Lineare Effizienzkurve im (P,V)-Diagramm und optimale (P,V)-Kombination bei quadratischer Nutzenfunktion

Die subjektive Risikoeinstellung hat zwar keinen Einfluss auf die Struktur des optimalen Portefeuilles, bestimmt aber dessen Umfang. Bei quadratischer Nutzenfunktion U(V1) und beliebiger Wahrscheinlichkeitsverteilung über das Endvermögen haben die Indifferenzkurven im (P,V)-Diagramm die Gestalt von konzentrischen Halbkreisen, deren Mittelpunkt M auf der Abszisse liegt und den Abszissenwert b / 2c aufweist (Kapi-

134

Kapitel III

tel II, Abschnitt 2.3.2.1). Das optimale Portefeuille wird durch den Tangentialpunkt der Effizienzkurve mit einem dieser Halbkreise bestimmt; vgl. den Punkt T in Abbildung III.2. ~ Dabei bezeichnet E(V1, opt ) dasjenige erwartete Endvermögen, das mit dem optimalen Portefeuille erzielt wird. Die Risikoprämie RPp,opt des optimalen Portefeuilles ist gleich der Differenz der Abszissenwerte der Punkte T und A. Der Quotient q { RPp, opt / RPp* aus der Risikoprämie des optimalen und der Risikoprämie des eingangs ermittelten effizienten Portefeuilles x1* , x *2 ,..., x *N zeigt, wie oft die effiziente Ausgangslösung im optimalen Portefeuille enthalten ist. Entsprechend umfasst das optimale Portefeuille den Wertpapierbestand q˜x1* , q˜x*2 ,..., q˜x*N . Wird jeder Ordinatenwert der Effizienzkurve in Abbildung III.2 quadriert, so ergibt sich die Effizienzkurve im (P,V2)-Diagramm. Sie hat die Gestalt einer Parabel (Abbildung III.3). Bei exponentieller Nutzenfunktion U(V1) und normalverteiltem Endvermögen4 verlaufen die Indifferenzkurven im (P,V2)-Diagramm linear mit der Steigung 2/ a (Kapitel II, Abschnitt 2.3.2.2). Das optimale Portefeuille wird dann durch den Tangentialpunkt der konvexen Effizienzkurve mit einer der linearen Indifferenzkurven bestimmt; vgl. den Punkt T in Abbildung III.3. Effizienzkurve

~ Var ( V1 )

a

Var (WP1 ) T

~ Var ( V1,opt )

(eine) Indifferenzkurve

A 0

(1  r ) ˜ V0

RPopt

~ ~ E( V1,opt ) E ( V1 ) (P)

Abb. III.3: Effizienzkurve als Parabel im (P,V2)-Diagramm und optimale (P,V2)-Kombination bei exponentieller Nutzenfunktion und normalverteiltem Endvermögen

4

Normalverteilung des Endvermögens bzw. des Endwertes des Portefeuilles impliziert, dass auch die Endwerte aller Wertpapiere normalverteilt sind. Der Endwert eines Wertpapiers ist somit weder nach oben noch nach unten beschränkt. Er kann um einen beliebigen Betrag unter null liegen und eine entsprechende Zahlungsverpflichtung des Inhabers auslösen, die er auch erfüllen kann (unbeschränkte Haftung). Es ist klar, dass die Voraussetzung der Normalverteilung nur eine vereinfachende Approximation sein kann.

135

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

Bei quadratischer Nutzenfunktion und beliebiger Wahrscheinlichkeitsverteilung über das Endvermögen verlaufen die Indifferenzkurven im (P,V2)-Diagramm streng konkav. Der Tangentialpunkt der konvexen Effizienzkurve im (P,V2)-Diagramm mit einer dieser Indifferenzkurven repräsentiert bei gegebener quadratischer Nutzenfunktion dasselbe optimale Portefeuille wie der Punkt T in Abbildung III.2.

4

Analyse der Struktureigenschaften der effizienten Portefeuilles

4.1

Grundlegende Struktureigenschaften

Wie in Abschnitt 3.3 gezeigt wurde, haben alle effizienten Portefeuilles dieselbe Struktur. Sie soll im Folgenden näher untersucht und interpretiert werden. Da das optimale Portefeuille effizient ist, gelten die Darstellungen zum Teil unmittelbar auch für dieses Portefeuille. Die Darstellungen bilden u.a. die Grundlage für die Analyse der Höhe der Wertpapierpreise im Gleichgewicht des CAPM (Kapitel IV, Abschnitt 5). Wie erläutert, erhält man ein effizientes Portefeuille, wenn in der Nebenbedingung (III.6) für RPp ein fester Wert RPp* ! 0 eingesetzt und unter Beachtung dieser Nebenbedingung die Varianz (III.3) minimiert wird. Die Nebenbedingung (III.6) mit RPp RPp* kann wie folgt dargestellt werden: N ~ RPp*  ¦ x n ˜ E[P1n  (1  r ) ˜ P0n ]

(III.9)

0.

n 1

Nach dem Ansatz von LAGRANGE liegt der Minimalwert der Funktion (III.3) unter der Nebenbedingung (III.9) dort, wo die folgende zusammengesetzte Funktion L (die sogenannte LAGRANGE-Funktion) (III.10) N

L

N

~

~

­

N

¯

n 1

½

~

¦ ¦ x n ˜ x m ˜ Kov(P1n ; P1m )  O ˜ ®RPp*  ¦ x n ˜ [E(P1n )  (1  r ) ˜ P0n ]¾ n 1m 1

¿

ihren Minimalwert annimmt. Die notwendigen (und hinreichenden) Bedingungen hierfür lauten: (III.11.n)

wL wx n

N

~

~

~

¦ 2 ˜ x m ˜ Kov(P1n ; P1m )  O ˜ [E(P1n )  (1  r ) ˜ P0n ] 0 m 1

(n = 1,2,...,N) und (III.12)

wL wO

N ~ RPp*  ¦ x n ˜ [E(P1n )  (1  r ) ˜ P0n ] n 1

0.

136

Kapitel III

Die Gleichung (III.11.n) stellt die gleich null gesetzte erste partielle Ableitung der Funktion (III.10) nach xn dar. Da jeder Variable x1 , x 2 ,... x N eine solche Gleichung entspricht, gibt es N Gleichungen dieser Art. Der Ausdruck N

~

N

~

~

~

¦ 2 ˜ x m ˜ Kov(P1n ; P1m ) 2 ˜ ¦ x m ˜ Kov(P1n ; P1m ) m 1

m 1

in (III.11.n) gibt an, wie weit die Varianz des Endwertes des Portefeuilles und mithin die des Endvermögens steigt, wenn ausgehend vom Portefeuille x1,x2,...xN eine zusätzliche Einheit des Papiers n erworben wird. Dieser Ausdruck wird als Grenzvarianz des Portefeuilles bezüglich des Papiers n bezeichnet. Zur Erläuterung der Grenzvarianz betrachten wir drei Papiere (N=3), für die mit K nm { Kov(P1n ; P1m ) die Varianz des Portefeuilles wie folgt dargestellt werden kann (Abschnitt 3.2): (III.3a)

~

Var(WP1 )

x12 ˜ K11

 x1 ˜ x 2 ˜ K12

 x1 ˜ x 3 ˜ K13

x 22 ˜ K 22

 x 2 ˜ x 3 ˜ K 23

 x 2 ˜ x1 ˜ K 21   x 3 ˜ x1 ˜ K 31

 x 3 ˜ x 2 ˜ K 32

 x 32 ˜ K 33 .

Für das Papier 1 ergibt sich dann folgende Grenzvarianz:

wV 2 wx1

3

3

2 ˜ x1 ˜ K11  ¦ x m ˜ K1m  ¦ x m ˜ K m1 . m 2

m 2

Der erste Summenausdruck 6 bezieht sich auf die Kovarianzen K12 und K13 und der zweite auf die Kovarianzen K21 und K31. Wegen K1m = Km1 kann man für die Grenzvarianz auch schreiben: wV 2 wx1

3

2 ˜ x1 ˜ K11  2 ˜ ¦ x m ˜ K1m m 2

3

2 ˜ ¦ x m ˜ K1m . m 1

Das Analoge gilt für die Grenzvarianzen bezüglich der Papiere 2 und 3. Die Bedingung (III.12) ist die gleich null gesetzte erste partielle Ableitung von (III.10) nach O; sie ist mit der Nebenbedingung (III.9) identisch. (III.11.n) (n= 1,2,...,N) und (III.12) beschreiben ein System mit N + 1 Gleichungen und N + 1 Variablen ( x1 , x 2 ,..., x N , O ). Sind alle Gleichungen voneinander linear unabhängig, existiert eine eindeutige Lösung. Davon wird im Folgenden stets ausgegangen. Sie wird mit x1* , x*2 ,..., x*N , O* bezeichnet. Hierfür muss gemäß (III.11.n) gelten:

137

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

N ~ ~ ~ 2˜ ¦ x*m ˜Kov( P1n ;P1m) O*˜[ E ( P1n )  (1 r )˜P0 n ]

(III.13.n)

(n = 1,2,...,N).

m 1

Hieraus folgt: N ~ ~ 2 ˜ ¦ x*m ˜ Kov( P1n ; P1m )

O*

m 1

(III.14.n)

~ E( P1n )  (1  r ) ˜ P0n

(n = 1,2,...,N).

Für den Summenausdruck in (III.14.n) gilt:

a Kov(P1n ; ¦ x*m ˜ P1m ) Kov(P1n ;WP1*), m 1

N

N

¦ x*m ˜ Kov(P1n ; P1m )

(III.15.n)

m 1

a

{ WP1* ~

wobei WP1~* den Endwert des effizienten Portefeuilles x1* , x *2 ,..., x *N und ~ ~ Kov(P1n ; WP1* ) die Kovarianz zwischen P1n und diesem Endwert bezeichnet. (III.14.n) lässt sich wie folgt schreiben:

(III.16.n)

a ~ 2 ˜ Kov( P1n ; WP1* ) ~ E( P1n )  (1  r ) ˜ P0n

O*

(n = 1,2,...,N).

~ ~ Interpretation: 2 ˜ Kov(P1n ; WP1* ) gibt an, wie sich die Varianz des Portefeuilles und mithin des Endvermögens ändert, wenn ausgehend vom effizienten Portefeuille x1* , x *2 ,..., x *N eine zusätzliche Einheit des Papiers n erworben wird (Grenzvarianz). Gemäß (III.16.n) ist beim effizienten Portefeuille für jedes Papier n das Verhältnis aus Grenzvarianz und Risikoprämie einer Wertpapiereinheit gleich O*. Die Grenzvarianz für das Papier n kann gemäß (III.15.n) wegen ~ ~ ~ Kov(P1n ; P1n ) Var(P1n ) wie folgt dargestellt werden: ~

2 ˜ Kov(P1n ; WP1* )

N

2 ˜ x*n ˜ Var(P1n )  2 ˜ ¦ x*m ˜ Kov(P1n ; P1m ) . m 1 mzn

~ Die Grenzvarianz resultiert somit aus der Varianz Var(P1n ) und N – 1 „echten“ Kovarianzen Kov(P1n ; P1m ) . Diese können insgesamt für die Grenzvarianz und die Struktur der effizienten Portefeuilles eine erheblich größere Bedeutung haben als die Varianz als einzelne Größe. Darauf kommen wir in Abschnitt 8 zurück. Die Wertpapierrisiken dürfen also nicht isoliert voneinander, sondern nur im gesamten Portefeuilleverbund bewertet werden. Es handelt sich um ein allgemeines Prinzip, nach dem bei Risikomanagement die aus verschiedenen Überschusskomponenten eines

138

Kapitel III

Bewertungsobjekts resultierenden Risiken nicht isoliert voneinander optimal gehedgt werden können, sondern nur (integriert) im Gesamtzusammenhang unter Berücksichtigung der stochastischen Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Überschusskomponenten (Kapitel IX bis XII). Der LAGRANGE-Multiplikator O* bringt zum Ausdruck, wie weit die Varianz des Endwertes des Portefeuilles steigt, wenn ausgehend vom effizienten Portefeuille x1* , x *2 ,..., x *N die Risikoprämie RPp* um eine marginale Einheit erhöht und dabei wieder ein effizientes Portefeuille gebildet wird. O* ist positiv und gleich der Steigung der Effizienzkurve im (P,V2)-Diagramm an der Stelle ~ E(V1 ) (1  r ) ˜ V0  RPp* . ~ Aus O* ! 0 folgt: Ist die Kovarianz zwischen P1n und dem Endwert des Portefeuilles x1* , x *2 ,..., x *N und somit die Grenzvarianz positiv, kann das Papier n nur dann mit einem positiven Bestand in diesem Portefeuille enthalten sein, wenn auch seine Risiko~ prämie E (P1n )  (1  r ) ˜ P0n positiv ist. Die letzte Einheit des Papiers n trägt dann dazu bei, dass die Varianz des Endwertes des Portefeuilles steigt; zum Ausgleich muss die Risikoprämie positiv sein. Bei negativer Kovarianz eines Papiers n kann dieses auch dann mit einem positiven Bestand im Portefeuille x1* , x *2 ,..., x *N enthalten sein, wenn ~ E (P1n )  (1  r ) ˜ P0 n  0 gilt. Die letzte Einheit des Wertpapiers n trägt dann dazu bei, dass die Varianz des Portefeuilles sinkt. Diese „Versicherungswirkung“ des Wertpapiers kann die Inkaufnahme seiner negativen „Risikoprämie“ rechtfertigen.

4.2

Höhe und Interpretation von Ȝ* [*]

Im Folgenden sollen weitere Zusammenhänge gezeigt werden, die vor allem auch für die Analyse der Gleichgewichtspreise im CAPM von Bedeutung sind. Die Effizienzbedingungen (III.16.n) gelten nicht nur für einzelne Wertpapiereinheiten, sondern auch für beliebige Teile des Portefeuilles und das Gesamtportefeuille: (III.17)



Kov(WP1* ; WP1* ) RPp*



Var(WP1* ) RPp*

O* .

Interpretation: Wie erläutert, verläuft die Effizienzkurve im (μ,V)-Diagramm linear. Bezeichnet man ihre Steigung mit x, gilt für die Menge der effizienten Portefeuilles der folgende allgemeine Zusammenhang: ~

Sta(WP1 )

x ˜ RPp

bzw. (III.18)

~

Var(WP1 )

x 2 ˜ RPp2 .

139

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

Aus (III.18) folgt für die Steigung der Effizienzkurve im (P,V2)-Diagramm an der Stelle RPp t 0 : ~

dVar(WP1 ) dRP

(III.19)

2 ˜ x 2 ˜ RPp .

Die Steigung der Effizienzkurve im (P,V2)-Diagramm ist somit eine linear steigende Funktion von RPp; geht RPp gegen null, so gilt dies auch für die Steigung. Aus (III.18) folgt außerdem: ~

Var(WP1 ) RPp

(III.20)

x 2 ˜ RPp .

Ein Vergleich von (III.19) mit (III.20) zeigt, dass die Steigung der Effizienzkurve im (P,V2)Diagramm für eine beliebige Risikoprämie RPp > 0 doppelt so groß ist wie der zugehörige Quo~ tient Var(WP1 ) / RPp . Da diese Steigung mit dem O-Wert für das betreffende Portefeuille übereinstimmt, ist auch dieser O-Wert doppelt so groß wie dieser Quotient. Entsprechend gilt~ für das effiziente Portefeuille x1* , x*2 ,..., x*N mit der Risikoprämie RPp* und der Varianz Var(WP1* ) die Gleichung (III.17). Aus (III.17) folgt in Verbindung mit (III.16.n):

~

(III.21.n)

Kov(P1n ; WP1* ) E(P1n )  (1  r) ˜ P0n

~

Var(WP1* ) RPp*

1 * ˜O 2

(n = 1,2,...,N).

x1* , x*2 ,..., x*N gilt somit: Das Verhältnis zwischen der KoFür das effiziente Portefeuille ~*  varianz Kov(P1n ; WP1 ) und der Risikoprämie einer Einheit des Papiers n ist gleich dem Verhältnis zwischen der Varianz des gesamten Portefeuilles und der Risikoprämie dieses Portefeuilles.

5

Eigenschaften des optimalen Portefeuilles

5.1

Allgemeine Charakteristik

Da das optimale Portefeuille effizient ist, gelten die obigen Darstellungen auch für dieses Portefeuille. Der O-Wert für das Optimum, Oopt, ist gleich der Steigung der Effi~ zienzkurve im (P,V2)-Diagramm beim Abszissenwert E(V1, opt ) (1  r ) ˜ V0  RPp, opt . Da bei diesem Abszissenwert die Effizienzkurve eine Indifferenzkurve tangiert, folgt: Oopt ist gleich der Steigung Stgopt der Indifferenzkurve im Tangentialpunkt. Gemäß (III.21.n) gilt somit:

(III.22.n)

~ ~ Kov(P1n ; WP1, opt ) ~ E(P1n )  (1  r ) ˜ P0n

~

Var ( WP1, opt ) RPp, opt

1 ˜ O opt 2

1 ˜ Stg opt 2 (n = 1,2,…,N).

140

Kapitel III

Die Anschaffungsauszahlung A0,opt des optimalen Portefeuilles x1, opt , x 2,opt , ..., x N ,opt beträgt N

¦ x n , opt ˜ P0n .

A 0, opt

n 1

Ist dieser Betrag niedriger als V0, wird die Differenz V0 – A0,opt zum Zinssatz r angelegt. Ist er höher, wird A0,opt – V0 geliehen.

5.2

Umfang des optimalen Portefeuilles

Da bei exponentieller Nutzenfunktion und Normalverteilung die Indifferenzkurven im (P,V2)-Diagramm linear mit der Steigung 2 / a verlaufen, ist hierbei O opt exogen vorgegeben: O opt 2 / a . Somit gilt gemäß (III.22): ~

Var( WP1, opt ) (III.23)

RPp, opt

1 a.

Bei exponentieller Nutzenfunktion und normalverteilten Endwerten der Papiere ist der Quotient aus Varianz und Risikoprämie des optimalen Portefeuilles eine proportional steigende Funktion der Risikotoleranz 1 / a. Dies impliziert, dass der Umfang des optimalen Portefeuilles ebenfalls eine proportional steigende Funktion der Risikotoleranz ist. Wird z.B. die Risikotoleranz verdoppelt, steigt der Umfang des Portefeuilles (bei gegebener Struktur) ebenfalls auf das Doppelte: Die Varianz steigt auf das Vierfache, die Risikoprämie auf das Doppelte, so dass sich der Quotient ebenfalls verdoppelt. Jedoch ist auf Grund der Linearität der Indifferenzkurven der Umfang des optimalen Portefeuilles unabhängig vom Anfangsvermögen V0. Bei quadratischer Nutzenfunktion U( V1 ) b ˜ V1  c ˜ V12 und beliebig verteilten Endwerten ist der Umfang des optimalen Portefeuilles vom Ausgangsvermögen V0 sowie den Parametern b und c abhängig. Die Zusammenhänge lassen sich anschaulich im (P,V)-Diagramm zeigen, in dem die Effizienzkurve linear verläuft und die Indifferenzkurven die Form konzentrischer Halbkreise haben. Die Verbindungsstrecke TM zwischen dem Tangentialpunkt T einer beliebigen Effizienzkurve mit einer Indifferenzkurve und dem Mittelpunkt M der Indifferenzkurven bildet dann einen rechten Winkel mit der Effizienzkurve. Wenn nun bei gegebener Steigung der Effizienzkurve und bei gegebenen Werten für b und c, d.h. bei gegebenem Mittelpunkt M, der Vermögenswert V0 steigt, wandert der Tangentialpunkt der Effizienzkurve mit einer Indifferenzkurve entlang der Strecke TM

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

141

zum Mittelpunkt M. Die Standardabweichung des Portefeuilles ist somit c.p. eine linear fallende Funktion von V0. Dieser Zusammenhang kann wie folgt interpretiert werden: Eine quadratische Nutzenfunktion impliziert steigende absolute Risikoaversion. Steigt V0, wird der Investor reicher und damit risikoaverser. Somit wird für ihn eine geringere Standardabweichung und folglich auch eine niedrigere Risikoprämie sowie ein geringeres Portefeuillevolumen optimal (Reichtumseffekt). Abbildung III.4 verdeutlicht diesen Zusammenhang für den Übergang von V0 V0* auf V0 V0** . Im Fall V0 V0* hält der Investor dasjenige Portefeuille, das dem Tangentialpunkt T1 entspricht. Bei einem Anstieg von V0 auf V0** hält er dasjenige Portefeuille, das dem Tangentialpunkt T2 entspricht. Da dessen Standardabweichung kleiner ist als die in der Ausgangsposition, hält nun der Investor ein kleineres Portefeuillevolumen; entsprechend sinkt auch seine Risikoprämie.5 ~ Sta ( V1 )

Effizienzkurve 1

Effizienzkurve 2

T1 T2

M

0

(1  r ) ˜ V0*

(1  r ) ˜ V0**

b 2c

~ E ( V1 )

Abb. III.4: Zum Einfluss von V0 auf das optimale Wertpapierportefeuille bei quadratischer Nutzenfunktion

Wenn sich bei gegebenem V0-Wert und gegebener Steigung der Effizienzkurve der Mittelpunkt M der Indifferenzkurven nach rechts bewegt, also die Risikoaversion sinkt, wandert der Tangentialpunkt T der Effizienzkurve mit einer Indifferenzkurve entlang der Effizienzkurve nach rechts oben. Die Standardabweichung des optimalen Por5

Bei exponentieller Nutzenfunktion ist die absolute Risikoaversion vom Endvermögen unabhängig. Entsprechend sind die Steigungen der Indifferenzkurven bei gegebenem V für alle Abszissenwerte identisch (Kapitel II, Abschnitt 2.3.2.2). Wenn V0 steigt und somit sich die Effizienzkurve bei gegebener Steigung nach rechts bewegt, ändert sich der Ordinatenwert ihres Tangentialpunktes mit einer Indifferenzkurve nicht. Daher ändert sich auch nicht das optimale Portefeuille; seine Standardabweichung und seine Risikoprämie sind unveränderlich. Der Vermögenszuwachs wird ausschließlich zum risikolosen Zinssatz r angelegt (was auch heißen kann, dass ein kleinerer Kredit aufgenommen wird).

142

Kapitel III

tefeuilles ist somit c.p. eine linear steigende Funktion des Abszissenwertes von M. Entsprechend steigt auch die Risikoprämie und mithin der Umfang des optimalen Portefeuilles. Abbildung III.5 verdeutlicht diesen Zusammenhang für den Übergang von M* auf M** bzw. den Übergang vom Tangentialpunkt T1 auf T2. Da der Abszissenwert des Mittelpunktes M gleich b / 2c ist, kann der Zusammenhang auch wie folgt formuliert werden: Die Standardabweichung und die Risikoprämie des optimalen Portefeuilles sind c.p. eine linear steigende Funktion von b und eine fallende von c. ~ Sta (V1 )

~ Sta ( V1 )

Effizienzkurve

T2

T1 M*

0 (1  r ) ˜ V0 (1  r ) ˜ V0

M** **

*

b*

bb**

** 22cc**

2 c**

2c

~~ E (EV(V 1 )1 )

Abb. III.5: Zum Einfluss von b/2c auf das optimale Wertpapierportefeuille bei quadratischer Nutzenfunktion

Die in den Abbildungen III.4 und III.5 dargestellten Beziehungen lassen sich wie folgt verallgemeinern: Bei gegebener Steigung der Effizienzkurve sind bei quadratischer Nutzenfunktion U(V1) die Standardabweichung und die Risikoprämie und mithin der Umfang des optimalen Portefeuilles eine proportional steigende Funktion von RTQ { b / 2c  (1 +r) ˜ V0. RTQ bezeichnet die Risikotoleranz bezüglich der Nutzenfunktion U(V1) an der Stelle V1 =(1 + r) ˜ V0. Beweis: Für die quadratische Nutzenfunktion U(V1 ) b ˜ V1  c ˜ V12 beträgt gemäß den Darstellungen in Kapitel II, Abschnitt 3.2, die Risikotoleranz an beliebiger Stelle V1: RTQ (V1 )

1 a (V1 )

b  2c ˜ V1 2c

b  V1 . 2c

Wird für V1 der Betrag (1  r ) ˜ V0 eingesetzt, erhält man die Risikotoleranz an der Stelle (1  r ) ˜ V0 :

143

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

RTQ[(1  r ) ˜ V0 ]

b  (1  r ) ˜ V0 { RTQ . 2c

Ŷ

Führt eine Änderung von V0, b und/oder c dazu, dass RTQ auf das x-fache steigt oder sinkt, ändern sich im gleichem Verhältnis die Risikoprämie und die Standardabweichung des optimalen Portefeuilles. Im gleichen Verhältnis ändert sich damit auch der optimale Bestand an Wertpapieren n (n = 1,2,...,N), also der optimale Umfang des Portefeuilles.

6

Implikationen eines beschränkten Leerverkaufs [*]

Wir sind bisher davon ausgegangen, dass Leerverkäufe ohne weiteres möglich seien. Jedoch existieren in der Realität (enge) Grenzen für Leerverkäufe vor allem durch private Investoren (Kapitel IV, Abschnitt 2.2). Sind Leerverkäufe völlig ausgeschlossen, ist das Grundmodell um die folgenden Nichtnegativitätsbedingungen zu ergänzen: (III.24)

xn t 0

(n = 1,2,…,N).

Ansonsten bleibt das Modell unverändert. Zur Ermittlung eines effizienten Portefeuilles mit der Risikoprämie RPp* ist wieder die Varianz (III.3) zu minimieren, wobei nun zusätzlich zur Nebenbedingung (III.9) die Nichtnegativitätsbedingungen (III.24) zu beachten sind. Nach dem Theorem von KUHN und TUCKER6 stellen nun die Zahlen x1* , x*2 ,..., x*N genau dann eine Lösung des Minimierungsprogramms für die Risikoprämie RPp* dar, wenn es eine Zahl O* gibt und folgende Bedingungen gelten: (III.25.n)

x*n t 0

N

und 2 ˜ ¦ x*m ˜ Kov(P1n ;P1m ) O* ˜ [E(P1n  (1  r) ˜ P0n ] m 1 ~ Kov(P1n ;WP1* )

oder (III.26.n)

x*n

0

N und 2 ˜ ¦ x*m ˜ Kov(P1n ;P1m ) ! O* ˜ [E(P1n  (1  r) ˜ P0n ] m 1

(n = 1,2,…,N) und (III.27)

O*

! 0 

N und ¦ x*m ˜[E(P1n  (1  r) ˜ P0n ] RPp* . m 1

O* gibt an, wie sich die Varianz des Endwertes des Portefeuilles ändert, wenn ausgehend von RPp* die Risikoprämie um eine marginale Einheit erhöht und dabei wieder ein effizientes Portefeuille gebildet wird. 6

Zu den Bedingungen optimaler Lösungen nach dem Theorem von KUHN und TUCKER vgl. KISTNER (2003, S. 129 ff.).

144

Kapitel III

Nach dem Theorem von KUHN und TUCKER könnte O* zwar negativ oder gleich null sein. Da jedoch auch unter Berücksichtigung der Nichtnegativitätsbedingungen eine Erhöhung der Risikoprämie eine Erhöhung der Varianz impliziert, ist O* positiv. Im übrigen ist es auch möglich, dass (wie z.B. im Gleichgewicht des CAPM) die Nichtnegativitätsbedingungen gar keinen Einfluss auf die effizienten Portefeuilles haben, weil Leerverkäufe ohnehin nicht vorteilhaft sind. Die Effizienzbedingungen (III.25.n) und (III.26.n) stimmen dann mit den Bedingungen (III.13.n) (n = 1,2,…,N) überein. Wir betrachten den Fall, dass einige Nichtnegativitätsbedingungen eine nachteilige Änderung des effizienten Portefeuilles mit der Risikoprämie RP* bewirken, sodass die zugehörige Varianz steigt. Analog zu den Darstellungen in Abschnitt 3.3 gilt auch hier: Wird jeder Wert x*n des RPp* entsprechenden effizienten Portefeuilles x1* , x*2 ,..., x*N mit dem Faktor k multipliziert, erhält man wieder ein effizientes Portefeuille und zwar mit der Risikoprämie k ˜ RPp* und der Varianz k 2 ˜ V*2 bzw. der Standardabweichung k ˜ V* ; die Strukturen aller effizienten Portefeuilles sind auch unter Berücksichtigung von Nichtnegativitätsbedingungen identisch. Zwar verläuft die Effizienzkurve im (P,V)-Diagramm wieder wie in Abbildung III.1 linear. Jedoch verläuft sie nun steiler, was bewirken kann, dass das optimale Portefeuille bei kleinerer Risikoprämie eine größere Standardabweichung aufweist. In jedem Fall sinkt bei gegebenem Geldvermögen V0 der Nutzen des Investors. Die Steigung der Effizienzkurve ist umso größer, je mehr die durch die Nichtnegativitätsbedingungen erzwungene Umstrukturierung die minimale Varianz bzw. Standardabweichung eines effizienten Portefeuilles mit beliebiger Risikoprämie steigt. Wie (III.25.n) verdeutlicht, können wegen O* > 0 nur solche Papiere n im effizienten Porte~ feuille enthalten sein ( x*n ! 0 ), für die die Kovarianz Kov(P1n ; WP1* ) und die Risikoprämie E(P1n )  (1  r) ˜ P0n dasselbe Vorzeichen haben. Ist in einem Portefeuille für ein Papier die Kovarianz negativ und die Risikoprämie positiv, ist dieses Portefeuille nicht effizient, da durch Aufnahme weiterer Einheiten dieses Papiers ins Portefeuille die Varianz sinken und die Risikoprämie steigen würde. Es ist auch ausgeschlossen, dass für ein Papier im effizienten Portefeuille die Kovarianz positiv und die Risikoprämie negativ ist; durch Reduktion des Bestandes dieses Papiers könnte die Risikoprämie erhöht und die Varianz reduziert werden. Auch für ein Papier n, das nicht im effizienten Portefeuille enthalten ist ( x*n 0 ), kann die Bedingung (III.25.n) als Gleichung erfüllt sein.7 Jedoch ist eher damit zu rechnen, dass für ein solches Papier die linke Seite von (III.25.n) höher ist, also (III.28)

~ 2 ˜ Kov(P1n ; WP1* ) ! O* ˜ [E(P1n )  (1  r) ˜ P0n ]

~ gilt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Kovarianz Kov(P1n ; WP1* ) positiv und die Risikoprämie E(P1n )  (1  r) ˜ P0n negativ oder gleich null ist. Ausgehend von der effizienten Lösung x1* , x*2 ,..., x*N mit x*n 0 könnte dann (wenn es zulässig wäre) durch Leerverkauf des Papiers n innerhalb gewisser Grenzen die Portefeuillevarianz bei steigender oder konstanter Risikoprämie reduziert werden: Der Ausdruck auf der linken Seite von (III.28) gibt an, wie weit die Varianz des Portefeuilles steigen würde, wenn c.p. eine Einheit des Wertpapiers n ins Portefeuille aufgenommen würde; bei Leerverkauf würde die Varianz entsprechend sinken. ~ Im Fall Kov(P1n ; WP1* ) ! 0 kann auch bei positiver Risikoprämie die Ungleichung (III.28) gelten, wobei wiederum ein Leerverkauf des Papiers vorteilhaft wäre. Würde eine marginale Einheit leerverkauft, so würde die Risikoprämie des Portefeuilles um E(P1n )  (1  r) ˜ P0n und ~ die Varianz um die Grenzvarianz 2 ˜ Kov(P1n ; WP1* ) sinken. Um die Reduktion der Risikoprä7

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Endwerte der betreffenden Papiere durch Linearkombination von Wertpapieren dupliziert werden können, die im Portefeuille enthalten sind. Es besteht dann Mehrfachoptimalität; davon soll im Folgenden abgesehen werden.

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

145

mie zu kompensieren, könnte das Volumen des resultierenden Portefeuilles bei gegebener Struktur entsprechend erhöht werden. Da O angibt, wie weit bei einer Erhöhung der Risikoprämie um eine marginale Einheit die Varianz steigt, würde die Varianz insgesamt um den Betrag der rechten Seite von (III.28) steigen. Das bedeutet, dass (wegen > in III.28) die Umstrukturierung des Portefeuilles bei unveränderter Risikoprämie zu einer kleineren Varianz führen würde, also unabhängig von der Risikoeinstellung des Investors vorteilhaft wäre. Auch bei negativer Risikoprämie und negativer Grenzvarianz könnte ein Leerverkauf vorteilhaft sein. Die Nichtnegativitätsbedingungen (der Ausschluss von Leerverkäufen) haben nicht nur Rückwirkungen bezüglich der Bestände jener Papiere, die ansonsten leerverkauft worden wären, sondern auch auf die Bestände (die Struktur) der in den effizienten Portefeuilles enthaltenen Papiere. Nichtnegativitätsbedingungen, die einen vorteilhaften Leerverkauf verhindern, werden im Folgenden als „streng bindend“ bezeichnet, die übrigen als „schwach bindend“. Da alle effizienten Portefeuilles dieselbe Struktur haben, gilt: Sind Nichtnegativitätsbedingungen für eine beliebige Risikoprämie RPp* streng oder schwach bindend, gilt dies auch für alle anderen Risikoprämien. Die Darstellungen gelten analog, wenn der Ausschluss von Leerverkäufen nur für einen Teil der Papiere gilt. Gegenüber dem Fall, dass dieses Verbot für alle Papiere gilt, verläuft die (lineare) Effizienzkurve im (P,V)-Diagramm möglicherweise flacher. Es ist zu beachten: Wenn für ein Papier eine bisher streng bindende Nichtnegativitätsbedingung entfällt, weil Leerverkauf dieses Papiers zulässig wird, können andere Nichtnegativitätsbedingungen, die bisher streng (schwach) bindend waren, schwach (streng) bindend werden; die Zulässigkeit des Leerverkaufs von Wertpapieren kann bewirken, dass für andere Papiere der Leerverkauf nicht mehr vorteilhaft ist oder vorteilhaft wird.

7

Zur Relevanz von Hintergrundrisiken und Leerverkäufen

Wie in Kapitel II, Abschnitt 4, erläutert, setzt das der Portefeuilleanalyse zugrunde liegende (P,V)-Prinzip Zustandsunabhängigkeit der Nutzenfunktion voraus. Dies impliziert, dass kein modellexogener Überschuss Ü 1 existiert, der stochastisch von Endwerten der Papiere abhängt. Das (P,V)-Prinzip ist zwar vereinbar mit einem stochastisch unabhängigem exogenem Überschuss, jedoch wurde der Einfachheit halber auch hiervon abgesehen. Zunächst wurde davon ausgegangen, dass Leerverkäufe unbeschränkt möglich sind, und dann untersucht, wie sich ein Verbot von Leerverkäufen auswirken kann. Allerdings dürften bei Fehlen eines modellexogenen stochastisch abhängigen Überschusses Leerverkäufe geringe praktische Bedeutung haben. Leerverkauf eines Papiers ist in diesem Fall vor allem dann vorteilhaft, wenn der Investor mit einem relativ geringen Endwert dieses Papiers rechnet und der „Markt“ mit einem hohen, so dass sein gegenwärtiger Marktwert (der Erlös bei Leerverkauf) im Urteil des Investors relativ hoch ist. Im Rahmen des CAPM, in dem sich alle Investoren auf dem Kapitalmarkt am (P,V)-Prinzip orientieren, haben alle homogene Erwartungen über die Endwerte

146

Kapitel III

der Papiere und erzielen im privaten Bereich keine stochastisch abhängigen Überschüsse. Hier halten alle Investoren im Kapitalmarktgleichgewicht einen Anteil am Marktportefeuille, das alle Wertpapiere enthält, wobei Leerverkäufe nachteilig sind. Leerverkäufe können vor allem bei stochastisch abhängigen privaten Überschüssen optimal sein. Sie sind ein bedeutsames Instrument, deren Risiken zu hedgen. Hier können Beschränkungen von Leerverkäufen zu besonderen Nachteilen führen. Insbesondere in den Kapiteln IX und X wird untersucht, wie die Darstellungen zu den Strukturen der effizienten Portefeuilles und der Effizienzkurve zu modifizieren sind, ~ wenn bei gegebenem exogenem Überschuss Ü1 Leerverkaufsmöglichkeiten beschränkt sind. Wie gezeigt wird, hängen dann Umfang und Struktur des optimalen Portefeuilles ~ nicht nur von der Wahrscheinlichkeitsverteilung über Ü1 und den Kapitalmarktbedingungen ab, sondern auch von der Risikoeinstellung des Investors.

8

Bedeutung von Varianzen und Kovarianzen für das Portefeuillerisiko

Für die Risikoanalyse sind nicht allein die Standardabweichungen (die Varianzen) von Bedeutung, sondern auch die Kovarianzen (bzw. die Korrelationskoeffizienten). Wie im Folgenden gezeigt wird, haben die Kovarianzen für die Beurteilung des Risikos sogar tendenziell eine erheblich größere Bedeutung als die Varianzen.8 Dabei wird wieder davon ausgegangen, der Entscheider könne beliebig teilbare Wertpapiere der Typen 1,2,...,N erwerben. Zunächst wird folgende Entscheidungssituation betrachtet: 1. Der Entscheider will (aus welchen Gründen auch immer) genau z> 0 Wertpapiere in seinem Portefeuille halten. 2. Von jedem Wertpapiertyp, den er in seinem Portefeuille hält, erwirbt er die gleiche Anzahl an Einheiten (wobei die Summe aller Einheiten z beträgt). Hält er nur einen einzigen Wertpapiertyp in seinem Portefeuille, erwirbt er z Einheiten dieses Typs. Hält er 2 Wertpapiertypen, erwirbt er von jedem z/2 Einheiten, usw. 3. Hält der Entscheider M d N Wertpapiertypen in seinem Portefeuille, sind dies die Typen 1,2,...,M. Wenn also die Zahl M der Wertpapiertypen von M* auf M** erhöht wird, werden zusätzlich die Typen M*+1, M*+2, ..., M** erworben und die Zahl der Einheiten der Typen 1,2,...,M* entsprechend reduziert (so dass die Summe aller Wertpapiereinheiten wieder z beträgt). ~

~

Es wird untersucht, wie die Varianz Var( WP1 ) des Endwertes WP1 des Portefeuilles von M abhängt. Mit M ist zugleich die Portefeuillestruktur festgelegt. Die alternativen M-Werten entsprechenden Portefeuillestrukturen sind zwar i.d.R. nicht effizient (Ab-

8

Zu einer analogen Betrachtung auf der Basis von Renditen vgl. SCHMIDT/TERBERGER (1997, S. 348 ff.).

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

147

schnitt 4). Jedoch ermöglichen die getroffenen Annahmen eine anschauliche Analyse ~ der prinzipiellen Bedeutung der Varianzen Var(P1n ) und der Kovarianzen ~ ~ ~ Kov(P1n ; P1m ) für die Varianz Var( WP1 ) des gesamten Portefeuilles. ~ ~ Hält der Entscheider nur Wertpapiere des Typs 1, so gilt Var ( WP1 ) z 2 ˜ Var (P1,1 ) . Bildet er ein Portefeuille mit den Wertpapiertypen 1,2,...,M ( M d N ), folgt: (III.29)

~

Var(WP1 )

M § z ·2

M M z z  ˜ ˜ Kov(P1n ; P1m ) . ¸ ˜ Var(P1n )  ¦ ¦ n 1© M ¹ n 1 m 1 M M

¦¨

mzn

Sind die Endwerte aller Papiere voneinander stochastisch unabhängig, so sind alle Kovarianzen gleich null und die Doppelsumme auf der rechten Seite von (III.29) entfällt. Es gilt dann: (III.30)

~

Var ( WP1 )

M § z ·2

~ ¦ ¨ ¸ ˜ Var (P1n ) M © ¹ n 1

~ z 2 M Var (P1n ) ˜ ¦ M n 1 M

z2 ˜ Var . M

~ ~ ~ ~ Var( P1, M ). Um die Varianz des Endwertes des Portefeuilles zu ermitteln, ist dieser Durchschnitt noch einmal durch M zu dividieren. Mit wachsendem M (mit wachsender Zahl von Wertpapiertypen im Portefeuille) wird somit bei gegebener Anzahl z aller Pa~ piere im Portefeuille die Varianz Var ( WP1 ) immer kleiner, sofern die durchschnittliche Varianz Var sinkt, konstant bleibt oder in geringerem Verhältnis ansteigt als M. Sind alle Varianzen identisch, ~ ~ ~ Var( P1,1 ) = Var( P1,2 ) = ... = Var( P1, M ) = Var,

¦M n 1 Var ( P1n ) / M ist der Durchschnitt Var der Varianzen Var( P1,1 ), Var( P1, 2 ), ...,

folgt aus (III.30): (III.31)

~

Var ( WP1 )

z 2 M ˜ Var ˜ M M

z2 ˜ Var. M

Mit wachsendem M wird die Varianz immer kleiner. Für den Fall z= 100 zum Beispiel sinkt sie von 10.000 ˜ Var auf 100 ˜ Var, wenn nicht 100 Wertpapiere eines einzigen Typs (M = 1), sondern von 100 verschiedenen Wertpapiertypen (M = 100) je eine Einheit gehalten wird. Der beschriebene Effekt ergibt sich aus der Kombination von Wertpapieren mit stochastisch unabhängigen Endwerten. Er tritt nicht in gleicher Weise auf, wenn stochastische Abhängigkeiten bestehen, also die Kovarianzen ungleich null sind. Bei positiven Kovarianzen liegt gemäß (III.29) die Varianz des Portefeuilles um einen Betrag über der gewichteten Summe der Varianzen, der sich aus der Addition gewichteter positiver Kovarianzen ergibt. Während (III.29) nur M Varianzen enthält, besteht die Doppelsumme aus M˜(M1) „echten“ Kovarianzen. Die Kovarianzen können daher eine erheblich größere Bedeutung haben als die Varianzen.

148

Kapitel III

Zur Verdeutlichung des Einflusses der Kovarianzen wird die Doppelsumme auf der rechten Seite von (III.29) wie folgt umgeformt: M

(III.32)

¦ n 1

M

z

2

1

M Kov(P  ; P ) 1n 1m

M

§ · ¦ ¨ ¸ ˜ Kov(P1n ; P1m ) z 2 ˜ ˜ ¦ ¦ M n 1 m 1 m 1©M¹ mzn

M

mzn

z2 ˜

~ ~ M  1 M M Kov(P1n ; P1m ) . ˜ ¦ ¦ M n 1 m 1 M ˜ (M  1) mzn

Die untere Doppelsumme enthält M˜(M1) Kovarianzen, von denen jede durch M˜(M 1) dividiert wird. Diese Doppelsumme kann somit als durchschnittliche Kovarianz interpretiert werden. Wird sie mit Kov bezeichnet, kann (III.29) unter Berücksichtigung von (III.30) wie folgt dargestellt werden: (III.33)

~

Var(WP1 )

z2 ˜ Var M Varainzeffekt Portefeuille  varianz bei stochastischer Unabhängigkeit



M 1 z2 ˜ ˜ Kov M

Ko var ianzeffekt Varianzänderung aufgrund der stocha  stischen Abhängigkeiten

oder (III.34)

~

Var(WP1 )

1 M 1 1 1 ˜ Var  ˜ Kov) z 2 ˜ [ ˜ Var  (1  ) ˜ Kov] M M M M 1 z 2 ˜ [Kov  ˜ (Var  Kov)]. M z2 ˜ (

Während mit wachsendem M der erste Summand in der oberen runden Klammer tendenziell gegen null geht, nähert sich der zweite Summand der durchschnittlichen Kovarianz. Obwohl der Varianzeffekt mit steigendem M (tendenziell) gegen null geht, ist es nicht ohne weiteres sinnvoll, M zu maximieren, also möglichst viele Wertpapiertypen in das Portefeuille aufzunehmen. Mit steigendem M sinkt zwar der Varianzeffekt, jedoch wird gemäß (III.34) das Gewicht der durchschnittlichen Kovarianz Kov immer größer. ~ Der funktionale Zusammenhang zwischen Var ( WP1 ) und M hängt davon ab, wie Var und Kov von M abhängen. Die Darstellungen verdeutlichen vor allem die grundsätzliche Bedeutung der Varianzen und Kovarianzen für die Risikoanalyse. Bezeichnet man den Varianzeffekt mit „Varianzrisiko“ und den Kovarianzeffekt mit „Kovarianzrisiko“, kann das folgende Fazit gezogen werden:

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

149

Das Varianzrisiko kann durch weitreichende Diversifikation praktisch eliminiert werden. Es wird daher auch als diversifizierbares oder unsystematisches Risiko bezeichnet. Als besonders beachtenswert für die Schätzung der Portefeuillevarianz erscheint das Kovarianzrisiko, vor allem dann, wenn die Kovarianzen primär positiv sind, sodass die durchschnittliche Kovarianz hoch ist. Die durchschnittliche Kovarianz ist umso höher, je mehr die Endwerte der Papiere von allgemeinen Marktdaten abhängen, die bewirken, dass die Endwerte stark in die gleiche Richtung streuen, was allerdings nicht ausschließt, dass einzelne Endwerte miteinander negativ korreliert sind, so dass auch die betreffenden Kovarianzen negativ sind. Da das Kovarianzrisiko durch Diversifikation nicht eliminiert werden kann, wird es als systematisches Risiko bezeichnet. Wir sind vereinfachend davon ausgegangen, dass von jedem Wertpapiertyp 1,2,...,M dieselbe Zahl an Einheiten (und zwar jeweils z/M) im Portefeuille gehalten wird. Wie jedoch in Abschnitt 4 gezeigt wurde, kann – je nach Höhe der Varianzen und Kovarianzen – mit einer anderen Portefeuille-Struktur (bei gegebener Zahl von Wertpapieren) i.d.R. eine kleinere Varianz erzielt werden. Andererseits ist für eine effiziente Portefeuille-Bildung nicht nur die Varianz des Endwertes des Portefeuilles relevant, sondern auch der Erwartungswert des Endwertes. Jedoch wird im Rahmen stark diversifizierter Portefeuilles das Varianzrisiko auch dann praktisch eliminiert, wenn sie nicht die oben angenommene spezielle Struktur aufweisen. Bei der Portefeuilleplanung (und darauf aufbauend die Erklärung der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt) kommt es also vor allem darauf an, den Kovarianzen Rechnung zu tragen. Die explizite zusätzliche Berücksichtigung auch der Varianzen als solche spielt eher eine untergeordnete Rolle. Das bedeutet freilich nicht, dass die Varianzen generell irrelevant seien. Ihre Quadratwurzeln, die Standardabweichungen, beeinflussen die Beträge der Kovarianzen. Es gilt (Anhang 1): (III.35)

~ ~ Kov(P1n ; P1m )

~ ~ ~ ~ U(P1n ; P1m ) ˜ Sta (P1n ) ˜ Sta (P1m )

~ ~ wobei U( ˜ ) den Korrelationskoeffizienten für P1n und P1m bezeichnet und Sta ( ˜ ) die Standardabweichung. Nur bei einem Korrelationskoeffizienten von null (bei stochastischer Unabhängigkeit) ist die Kovarianz von den Standardabweichungen der beiden Endwerte unabhängig. Bei positiver (negativer) Korrelation ist die Kovarianz eine steigende (fallende, ihr Betrag ebenfalls eine steigende) Funktion der beiden Standardabweichungen. Bei stochastischer Abhängigkeit erzeugen somit die Standardabweichungen auch systematische (Kovarianz-)Risiken. Darüber hinaus bewirken die Standardabweichungen bzw. die Varianzen als solche unsystematische Risiken, die im Rahmen gut gemischter Portefeuilles praktisch eliminiert werden. Ist der Endwert eines Papiers von allen anderen Endwerten stochastisch unabhängig, entspricht ihm ausschließlich unsystematisches Risiko.

150

Kapitel III

Die Möglichkeit, das Varianzrisiko durch Diversifikation praktisch zu beseitigen, resultiert aus der weitgehenden Teilbarkeit der Wertpapiere. Enthält das „Portefeuille“ ein größeres, nicht teilbares Objekt, kann dagegen die Varianz seines Überschusses einen großen Einfluss auf die Varianz des Endvermögens (und den entsprechenden individuellen subjektiven Grenzpreis) haben. Dies hat grundlegende Bedeutung für die Bewertung dieses Objekts.

9

Resümee

1. Die Darstellung des Grundmodells der Portefeuilleplanung sind mit denen in späteren Kapiteln abgestimmt. Zielgröße der Modellanalyse ist nicht – wie in der Literatur üblich – die Rendite, die der Investor auf seinen Kapitaleinsatz erzielt, sondern das Vermögen, über das er am Ende der Periode verfügt (Endvermögen) bzw. der entsprechende „Residualgewinn“. Der Residualgewinn eines Portefeuilles oder einer Wertpapiereinheit gibt an, wie weit das Endvermögen gegenüber einer Anlage zum Zinssatz r steigt oder fällt, wenn dieses Portefeuille oder diese Wertpapiereinheit erworben wird. Der Residualgewinn wird auch als Übergewinn bezeichnet. Sein Erwartungswert kann als Risikoprämie dafür interpretiert werden, dass das Portefeuille oder die Wertpapiereinheit erworben und der betreffende investierte Kapitalbetrag nicht risikolos angelegt wird. Die Darstellungen in absoluten Größen ermöglichen eine relativ einfache und anschauliche Erklärung der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt. Auf den betreffenden Bewertungsfunktionen aufbauend lassen sich in anschaulicher und strukturgleicher Weise Marktwerte und subjektive Grenzpreise von Bewertungsobjekten darstellen und Ursachen für absolute Abweichungen zwischen ihnen analysieren. 2. Das optimale Portefeuille kann wie folgt ermittelt werden: Zunächst wird die Menge der „effizienten“ Portefeuilles bestimmt und dann daraus das optimale ausgewählt; ein ineffizientes Portefeuille kann nicht optimal sein. Ein Portefeuille ist bei Risikoaversion dann effizient, wenn kein anderes existiert, das bei gegebener Risikoprämie eine kleinere Standardabweichung aufweist, oder bei gegebener Standardabweichung eine höhere Risikoprämie bietet, oder bei höherer Risikoprämie eine kleinere Standardabweichung aufweist. 3. Alle effizienten Portefeuilles weisen dieselbe Struktur auf. Wenn das Portefeuille mit den Wertpapierbeständen x1* , x*2 ,..., x*N effizient ist, gilt die auch für das Portefeuille k ˜ x1* , k ˜ x*2 ,..., k ˜ x*N (k ! 0) . Wird also ausgehend von einem effizienten Portefeuille bei gleicher Struktur der Bestand an Wertpapieren erhöht oder gesenkt, ergibt sich wieder ein effizientes Portefeuille, wobei sich die Risikoprämie und die Standardabweichung im gleichen Verhältnis ändern wie der Umfang des Portefeuilles. Es gibt somit nur eine effiziente Portefeuillestruktur; die effizienten Portefeuilles unterscheiden sich nur durch ihren Umfang. 4. Man erhält ein effizientes Portefeuille, indem man eine beliebige positive Risikoprämie vorgibt und die Varianz des Endwertes des Portefeuilles minimiert. (Ein riskantes Portefeuille mit nichtpositiver Risikoprämie kann bei Risikoaversion nicht effizient sein.) 5. Die Menge aller effizienten (P,V)- bzw. (P,V2)-Konstellationen für das Endvermögen lässt sich graphisch mit Hilfe einer Effizienzkurve darstellen, die zeigt, welcher minimale V- bzw. V2-Wert alternativen Risikoprämien des Portefeuilles und somit alternativen Erwartungswerten des Endvermögens entspricht. Die Effizienzkurve beginnt stets beim Abszissenwert (1+r) ˜ V0, wobei V0 das Geldvermögen des Investors vor Portefeuillebildung bezeichnet.

Grundmodell der Portefeuilleplanung (ohne exogenem Überschuss)

151

6. Die subjektive Risikoeinstellung hat zwar keinen Einfluss auf die Struktur des optimalen Portefeuilles, bestimmt aber dessen Umfang. Es wird durch den Tangentialpunkt der Effizienzkurve mit einer Indifferenzkurve bestimmt. Für das optimale Portefeuille gilt: (III.22.n)

~ Kov(P1n ; WP1,opt ) E(P )  (1  r) ˜ P 1n

0n

~

Var(WP1,opt ) RPp,opt

1 ˜ O opt . 2

P0n ( P1n ) bezeichnet den Preis einer Einheit des Papiers n (n = 1,2,…,N) zu Beginn (am Ende) der Planungsperiode, wobei P1n auch Zinsen und Dividenden enthalten kann. ~ WP1,opt (RPp,opt) bezeichnet den Endwert (die Risikoprämie) des optimalen Portefeuilles. Der LAGRANGE-Faktor Oopt gibt an, wie weit die Varianz des Endwertes des Portefeuilles steigt, wenn ausgehend von RPp,opt die Risikoprämie des Portefeuilles um eine marginale Einheit erhöht und dabei wieder die effiziente Portefeuillestruktur realisiert wird. 7. Bei exponentieller Nutzenfunktion ist das optimale Portefeuillevolumen eine fallende Funktion des Risikoaversionskoeffizienten. Es ist vom Geldvermögen V0 unabhängig. Wegen der konstanten absoluten Risikoaversion besteht kein Reichtumseffekt. Bei quadratischer Nutzenfunktion ist das optimale Portefeuillevolumen eine fallende Funktion des Risikoaversionskoeffizienten der Nutzenfunktion für das Endvermögen an der Stelle (1  r) ˜ V0 . Es ist eine fallende Funktion des Geldvermögens V0; wegen der steigenden absoluten Risikoaversion besteht ein „negativer“ Reichtumseffekt in dem Sinne, dass mit steigendem Reichtum die Bereitschaft, Risiko zu tragen, abnimmt; das Portefeuillevolumen sinkt. 8. Bei der Portefeuilleplanung (und darauf aufbauend der Erklärung der Preisbildung im CAPM) kommt es vor allem darauf an, den Kovarianzen zwischen den Preisen (Endwerten) P1n der verschiedenen Papiere Rechnung zu tragen. Die explizite zusätzliche Berücksichtigung auch der Varianzen Var(P1n ) als solche spielt eher eine untergeordnete Rolle. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Varianzen generell irrelevant seien. Ihre Quadratwurzeln, die Standardabweichungen, beeinflussen nämlich die Beträge der Kovarianzen. Darüber hinaus bewirken die Standardabweichungen bzw. die Varianzen als solche unsystematische Risiken, die im Rahmen gut gemischter Portefeuilles praktisch eliminiert werden. Ist der Endwert eines Papiers von allen anderen Endwerten stochastisch unabhängig, entspricht ihm ausschließlich unsystematisches Risiko. 9. Die dargestellten Zusammenhänge sind im Wesentlichen dadurch bedingt, dass das Porte abgestimmt werden muss, der stochastisch feuille nicht mit einem exogenen Überschuss Ü 1 von den Endwerten der Papiere abhängt. Eine derartige Abstimmung ist jedoch dann vorzu aus einem Bewertungsobjekt resultiert, dessen individueller subjektiver nehmen, wenn Ü 1 Grenzpreis ermittelt werden soll.

TEIL C: PREISBILDUNG AUF DEM KAPITALMARKT UND KOLLEKTIVE SUBJEKTIVE GRENZPREISE IM VERGLEICH ZU MARKTWERTEN

Kapitel IV Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

1

Problemstellung

Wie in Kapitel I erläutert, existiert für die Anteilseigner eines börsennotierten Unternehmens genau dann ein einheitlicher (kollektiver) subjektiver Grenzpreis für ein beliebiges Bewertungsobjekt, wenn Anreizkompatibilität zwischen ihnen besteht. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, bestehen grundsätzlich Interessenkonflikte zwischen Anteilseigern, die sich in unterschiedlichen subjektiven Grenzpreisen offenbaren. Für einen Teil der Anteilseigner kann dann der subjektive Grenzpreis höher sein als die Anschaffungsauszahlung, so dass ihr Erwartungsnutzen steigt, wenn das Bewertungsobjekt realisiert wird, und für andere niedriger, so dass sie einen Nachteil erzielen. Das Analoge gilt für den potenziellen Verkauf eines Bewertungsobjekts. Je mehr die individuellen Grenzpreise voneinander abweichen, desto mächtiger ist tendenziell die Menge jener Bewertungsobjekte, für die Interessenkonflikte bestehen. Sind nur Stammaktien im Umlauf, sind alle Anteilseigner gemäß ihren individuellen Wertpapierbständen linear an den Überschüssen des Unternehmens beteiligt. Wie in Kapitel II, Abschnitt 8.3, gezeigt wurde, besteht bei linearen Teilungsregeln strenge oder partielle Anreizkompatibilität genau dann, wenn mit ihnen das Risiko pareto-effizient geteilt ist. Ob dies der Fall ist, hängt von den Eigenschaften des Kapitalmarktes (der Risikoteilung zwischen den Anteilseignern) ab. Die Existenz eines kollektiven subjektiven Grenzpreises ist notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung dafür, dass aus Sicht aller Anteilseigner der Marktwert eines Bewertungsobjekts die Preisober- bzw. Preisuntergrenze darstellt. Ob der Marktwert als Grenzpreis relevant ist, hängt davon ab, wie der „Markt“ riskante Überschüsse bewertet.

154

Kapitel IV

Die Bewertung ist ihrerseits davon abhängig, ob und gegebenenfalls wie das Risiko zwischen den Anteilseignern im Kapitalmarktgleichgewicht geteilt wird. Im vorliegenden Kapitel wird die Preisbildung und die Risikoteilung auf dem Kapitalmarkt analysiert. Für verschiedene Kapitalmarktmodelle wird untersucht, wie die Preisbildung erklärt werden kann, wie das aus allen Wertpapieren resultierende Risiko zwischen den Anteilseignern geteilt wird (welche Portefeuilles sie im Kapitalmarktgleichgewicht halten) und wie sich ihre Risikoeinstellungen und Erwartungen über die zukünftigen Überschüsse und Wertpapierpreise in den gegenwärtigen Wertpapierpreisen niederschlagen. Die Preisbildung hängt u.a. von den Eigenschaften des Kapitalmarktes ab. Oft wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, er sei „vollkommen“. Die betreffenden Voraussetzungen werden in Abschnitt 2 beschrieben. Wesentliche Erkenntnisse über Gleichgewichtspreise lassen sich mit Hilfe einfacher Arbitrageüberlegungen bereits unter der schwachen Annahme gewinnen, dass die Investoren auf dem Kapitalmarkt eine dominante Wahrscheinlichkeitsverteilung über das Endvermögen einer dominierten vorziehen. Damit befasst sich Abschnitt 3. Besondere Beachtung findet dabei die Ermittlung von Duplikationsportefeuilles und der „vollständige“ Kapitalmarkt, der auch in späteren Kapiteln oft zugrunde gelegt wird. Es wird gezeigt, dass im Gleichgewicht (in dem keine gewinnbringenden Arbitragemöglichkeiten bestehen) eines vollständigen Kapitalmarktes Preise Ss für zustandsbedingte Zahlungsansprüche existieren, mit denen die Preise sämtlicher Wertpapiere ermittelt bzw. erklärt werden können. Allerdings ist die Höhe der Preise Ss ihrerseits erklärungsbedürftig. Bei ihrer theoretischen Analyse müssen die Risikopräferenzen und die Wahrscheinlichkeitsvorstellungen der Investoren auf dem Kapitalmarkt bezüglich der Zustände Ss berücksichtigt werden. In dem in Abschnitt 4 vorgestellten State Preference Ansatz (SPA) wird davon ausgegangen, dass der Kapitalmarkt (vollkommen und) vollständig ist. Obwohl keine speziellen Annahmen über die Wahrscheinlichkeitsvorstellungen der Investoren und ihre Nutzenfunktionen getroffen werden, lassen sich – wie gezeigt wird – die Preise S s anschaulich mit Hilfe der Optimalitätsbedingungen für ein beliebiges individuelles Portefeuille erklären. In Abschnitt 5 wird das Capital Asset Pricing Model (CAPM) erläutert, das einschränkende Annahmen über die Erwartungen und Präferenzen der Investoren auf dem Kapitalmarkt macht, aber nicht die Vollständigkeit des Kapitalmarkts voraussetzt. Es beruht auf der Annahme, dass sich alle Investoren am (μ,V)-Prinzip orientieren und ihre Portefeuilles gemäß den Darstellungen in Kapitel III, Abschnitt 3, bilden. Dabei werden die Zustände Ss nicht explizit berücksichtigt, sondern implizit über die Erwartungswerte, Varianzen und Kovarianzen der Endwerte der Papiere. Außerdem wird angenommen, dass alle Investoren bezüglich dieser Größen homogene Erwartungen haben. Im Marktgleichgewicht hält dann jeder Anteilseigner einen proportionalen Anteil am Marktportefeuille, das sämtliche Wertpapiere enthält. Dadurch ist es in einfacher Weise möglich, die Optimumbedingungen für ein individuelles Portefeuille in Gleichgewichts-

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

155

preise für Wertpapiere zu überführen. Es wird untersucht, wie Gleichgewichtspreise ermittelt werden können und wie sie von ihren Determinanten abhängen. Zwar bieten die Prämissen des CAPM (insbesondere die Annahme homogener Erwartungen) Anhaltspunkte für Kritik. Trotzdem soll es ausführlich diskutiert werden. Zum einen findet es – wie in späteren Kapiteln deutlich wird – in der Praxis vielfältige Anwendung. Zum anderen vermittelt es (und dies ist ein wesentlicher Grund für seine weite Verbreitung) in kompakter und anschaulicher Weise wertvolle Erkenntnisse und erleichtert das Verständnis und die Einordnung anderer Modelle der Bewertung riskanter Papiere. Dabei ist zu beachten, dass es sich auch bei den anderen Kapitalmarktmodellen wie bei allen ökonomischen Modellen um vereinfachende und abstrahierende Darstellungen der Realität handelt. Bei Rückschlüssen aus der Modellanalyse auf die wirtschaftliche Wirklichkeit ist daher stets Vorsicht geboten. In Abschnitt 6 wird der „modifizierte“ State Preference Ansatz vorgestellt, in dem der Markt zwar unvollständig ist, jedoch trotzdem die Gleichgewichtspreise riskanter Papiere analog zum SPA ermittelt werden können. Wie in Abschnitt 7 erläutert wird, dienen in nachfolgenden Kapiteln der (modifizierte) SPA bzw. das CAPM oft als theoretische Grundlage für die Analyse praxisrelevanter Probleme der Investitionsplanung und -bewertung. In Abschnitt 8 wird gezeigt, welche Rolle private Überschüsse (Hintergrundrisiken) im Rahmen des CAPM und des (modifizierten) SPA spielen und welche Implikationen für die Preisbildung auf dem Kapitalmarkt aus beschränkten Leerverkaufsmöglichkeiten resultieren können. Bei der Erklärung der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt bleibt zunächst offen, welche Konsequenzen daraus für die Existenz und Ermittlung von kollektiven subjektiven Grenzpreisen gezogen werden können. Auf der Grundlage der diskutierten Modelle wird in den nachfolgenden Kapiteln V, VI, VII und XIV untersucht, ob und gegebenenfalls wie das Risiko im Kapitalmarktgleichgewicht pareto-effizient geteilt wird, wie Bewertungsziele theoretisch fundiert werden können und welche finanzwirtschaftlichen Bewertungskriterien damit im Einklang stehen. Die Modelle der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt dienen auch der konkreten Ermittlung des Unternehmenswertes und der Prognose des Einflusses zusätzlicher Investitionen auf den Marktwert der Aktien des investierenden Unternehmens. Die Darstellungen zur Marktbewertung von Wertpapieren und analog riskanter Überschüsse nehmen einen relativ breiten Raum ein. Sie sollen deutlich machen, warum die betreffenden Bewertungsfunktionen grundsätzlich bei der Ermittlung individueller subjektiver Grenzpreise versagen. Die Marktwerte werden in dieser Arbeit in strukturgleicher Form wie die individuellen subjektiven Grenzpreise dargestellt, so dass sie anschaulich verglichen werden können und Ursachen für absolute Abweichungen zwischen ihnen direkt ersichtlich werden.

156

Kapitel IV

2

Vollkommener und unvollkommener Kapitalmarkt

2.1

Charakteristik des vollkommenen Kapitalmarktes

Im Rahmen der Darstellungen wird von einem „vollkommenen“ Kapitalmarkt ausgegangen, sofern nicht einzelne Prämissen explizit aufgehoben werden. Für den vollkommenen Kapitalmarkt gilt: 1. 2. 3. 4.

Es gibt keine Informationskosten. Es gibt keine Transaktionskosten und keine Steuern. Alle Wertpapiere sind beliebig teilbar. Jeder Kapitalgeber (jeder Investor auf dem Kapitalmarkt) handelt rational im Sinne des BERNOULLI-Prinzips und maximiert seinen finanziellen Nutzen. 5. Es besteht vollkommene Konkurrenz auf dem Kapitalmarkt: Diejenigen Akteure, die Wertpapiere kaufen oder verkaufen, agieren als Mengenanpasser. Jeder handelt so, als habe er keinen Einfluss auf die Wertpapierpreise (genauer: sein Einfluss ist für seine Entscheidungen vernachlässigbar gering). 6. Gleicher Marktzugang: Die Kapitalgeber können auf dem Kapitalmarkt die Transaktionen, die ein Unternehmen durchführen kann, auch privat zu denselben Konditionen durchführen. Jedes Wertpapier, das von einem Unternehmen gehandelt werden kann, kann also auch von jedem individuellen Kapitalgeber zu denselben Bedingungen gekauft und verkauft werden. Die Prämisse gleichen Marktzugangs beinhaltet außerdem, dass jedes Wertpapier (jede Anwartschaft auf stochastische Zahlungen), das von einem Unternehmen emittiert werden kann, von jedem Kapitalgeber auch privat zu denselben Bedingungen auf seinen Namen ausgegeben werden kann. Wertpapiere können unbeschränkt leerverkauft werden. Die Annahme, wonach es keine Transaktionskosten gibt, bezieht sich in der vorliegenden Arbeit ausschließlich auf den Handel mit existierenden Wertpapieren. Es entstehen zum Beispiel keine Kosten für die Suche eines Vertragspartners, den Vertragsabschluß und die Erfüllung des Vertrages (keine Bankspesen und Maklergebühren). Es wird jedoch nicht vorausgesetzt, dass es für alle kostenlos möglich sei, durch Emission bzw. „Produktion“ entsprechender Wertpapiere Risiken bezüglich beliebiger möglicher Ereignisse (auch „privater Ereignisse“) pareto-effizient zu teilen.1 Wesentliche praxisrelevante Grundprobleme der Investitions- und Finanzierungstheorie, die analysiert werden, würden sich dann in der dargestellten Form gar nicht stellen. Zum Beispiel wäre ein vollkommener Kapitalmarkt stets „vollständig“, sofern „Unvollständigkeit“ zu Wohlfahrtsverlusten führen würde. Auch ein wesentlicher Grund für die Existenz zustandsabhängiger Nutzenfunktionen (Kapitel II, Abschnitt 4), mit denen unterschiedliche Por1

Analog können im vollkommenen Produktmarkt zwar Güter und Leistungen kostenlos gehandelt, nicht jedoch kostenlos produziert werden.

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

157

tefeuillestrukturen der Akteure auf dem Kapitalmarkt erklärt werden können, würde entfallen.

2.2

Informationskosten und Beschränkungen von Leerverkäufen als wesentliche Ursache für die Unvollkommenheit des Kapitalmarktes

In dieser Arbeit wird vor allem in der Weise die Vollkommenheitsannahme aufgehoben, dass Informationskosten, die zu heterogenen Erwartungen über zukünftige Überschüsse führen, und Leerverkaufsbeschränkungen berücksichtigt werden. Leerverkäufe wurden bisher vereinfachend wie folgt charakterisiert (vgl. Kapitel III, Abschnitt 3.1): Der Investor verkauft zu Beginn der Periode Papiere, die er nicht besitzt, direkt zum Börsenkurs und kauft sie am Ende der Periode (oder einem anderen vereinbarten Lieferzeitpunkt) zu dem jeweiligen Börsenkurs und liefert sie dem Käufer. Jedoch ist es in der Realität im Allgemeinen schwierig (mit hohen Suchkosten verbunden), einen direkten Vertragspartner für den Leerverkauf zu finden. Andererseits ist ein Verkauf von Wertpapieren an der Börse in der allgemeinen Hoffnung (mit dem vagen Versprechen), sie später irgendwie liefern zu können, in Deutschland (und den USA) nicht zulässig.2 Der Leerverkäufer muss sich im Allgemeinen die Papiere bei einer Bank (einem Fond oder einer Versicherung) leihen. Er verkauft dann die Papiere an der Börse. Bei Ablauf des Vertrages kauft er die Papiere zu den dann maßgeblichen Kursen und gibt sie dem Verleiher zurück. Hierzu verlangen die Banken als Verleiher die Einrichtung eines sogenannten Margin-Accounts, welches das Kreditlimit des Leerverkäufers bei der Bank festlegt. Dabei wird täglich geprüft, ob die leerverkauften Positionen das Limit des Margin-Accounts überschreiten; ist dies der Fall, muss der Leerverkäufer Geld nachschießen, um größere Ausfallrisiken des Verleihers zu verhindern. Der Leerverkäufer erzielt nicht die Rendite der verkauften Papiere, sondern hat diese als Kosten zu tragen. Je größer der Erwartungswert der Rendite, desto höher ist der Erwartungswert der Kosten. Zusätzlich werden Leihgebühren in % des Kurswertes der geliehenen Papiere fällig, so dass Leerverkäufe – vor allem für private Investoren – (prohibitiv) teuer sind.3 Der Erlös aus dem Leerverkauf kann zur Finanzierung von Investitionen (von Bewertungsobjekten) verwendet werden, die sonst vielleicht nicht möglich gewesen wäre. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit dienen jedoch Leerverkäufe vor allem als Instrument, Risiken zu hedgen. Bei Leerverkauf besteht aus Sicht potenzieller Verleiher (oder potenzieller direk2 3

Vgl. zu den folgenden Darstellungen HULL (2001) und SINGLE (2001). Zu Problemen und Grenzen professioneller Arbitrage unter Berücksichtigung von Agency-Problemen vgl. SHLEIFER (2000, S. 89-111).

158

Kapitel IV

ter Käufer) der Papiere vor allem dann die Gefahr, dass der Investor seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, wenn er nur geringe Sicherheiten in Form von Finanz- und Realvermögenswerten bieten kann und seine Verpflichtungen mit zukünftigen Überschüssen riskanter Investitionen zu erfüllen verspricht. Es stellt sich daher das Problem, potenziellen Verleihern der Papiere gehaltvolle und überprüfbare Informationen über diese Überschüsse zu geben, um Leerverkäufe zu ermöglichen. Vor allem bei Unternehmensgründungen zur Verwirklichung innovativer Ideen dürften jedoch informative überprüfbare Indikatoren kaum existieren. Abgesehen davon kann in der Realität – anders als im vollkommenen Kapitalmarkt – die Übermittlung von Informationen prohibitiv hohe (Opportunitäts-) Kosten verursachen.4 Informationsasymmetrien und unterschiedliche Schlussfolgerungen aus Informationen können zu erheblichen Beschränkungen von Leerverkäufen führen, die Rückwirkungen auf Investitionen und individuelle subjektive Bewertungen haben.5 Wie in Kapitel XI, Abschnitt 3.3, gezeigt wird, kann es aufgrund der Informationsproblematik für den Investor auch vorteilhaft sein, auf mögliche Leerverkäufe deshalb zu verzichten, weil sie zu Konflikten mit dem Verleiher (oder dem direkten Käufer) der leerverkauften Papiere führen können, die dem Investor zusätzliche Risiken aufbürden, statt ihm Risiko abzunehmen. Dort wird auch verdeutlicht, warum die Finanzierung durch Aufnahme eines Kredits zum Zinssatz r im Vergleich zur Finanzierung durch Leerverkauf aus Sicht des Investors und eines Geldgebers mit geringerem Risiko verbunden und in größerem Umfang möglich und vorteilhaft sein kann. Im Rahmen späterer Darstellungen wird untersucht, welche Implikationen Leerverkaufsbeschränkungen für die Risikoteilung und die Preisbildung im Kapitalmarkt sowie die Ermittlung und Höhe individueller subjektiver Grenzpreise haben. Bei Berücksichtigung von Leerverkäufen gehen wir davon aus, dass sie – wie annahmegemäß auch die anderen Formen des Wertpapierhandels – keine Transaktionskosten verursachen. Bei Leerverkauf eines Papiers verkaufe es der Investor zu Beginn der Periode ohne es zu besitzen zum Börsenkurs und kaufe es am Ende der Periode wiederum zum Börsenkurs und liefere es dem Käufer; Leihgebühren fallen nicht an. Leerverkauf stellt dann einfach eine Umkehrung der Überschüsse bei Kauf dar.

4

5

In der Praxis werden Leerverkäufe oft in Erwartung fallender Kurse vorgenommen. Fällt der Kurs eines Papiers tatsächlich, wird der Rückkauf zu dem niedrigeren Kurs vorgenommen und ein Gewinn in Höhe der Kursdifferenz abzüglich der Kosten erzielt. Von Leerverkäufen mit dem expliziten Ziel, Spekulationsgewinne zu erzielen, soll in dieser Arbeit abgesehen werden; Leerverkäufe erfolgen primär, um Risiken zu hedgen. Unter dem Aspekt der Risikoallokation kann es sinnvoll sein, bestimmte Papiere auch dann leerzuverkaufen, wenn mit der Tendenz (stark) steigender Kurse gerechnet wird. Zu Grenzen von Leerverkäufen vgl. auch SHLEIFER/VISHNY (1997); SHLEIFER (2000, S. 47 ff.).

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

3

Arbitragefreiheit als notwendige Bedingung für ein Kapitalmarktgleichgewicht und Bewertungsimplikationen

3.1

Prinzip der Arbitragefreiheit

159

Wie in den Abschnitten 4 und 5 für den SPA und das CAPM gezeigt wird, hängen Gleichgewichtspreise für Wertpapiere auf Kapitalmärkten von den Risikopräferenzen und den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen der Marktteilnehmer ab. Grundlegende Erkenntnisse über Preise lassen sich aber auch gewinnen, ohne dass bestimmte Annahmen über Risikoeinstellungen und Wahrscheinlichkeitsvorstellungen getroffen werden, indem man Arbitrageüberlegungen anstellt. Dabei geht es um ein allgemeines Grundprinzip der Bewertung ungewisser Zahlungsströme, das wesentlich zum Verständnis von Eigenschaften eines Marktgleichgewichts beiträgt. Die folgenden Darstellungen beruhen auf den in Abschnitt 2.1 dargestellten Annahmen eines vollkommenen Kapitalmarkts; insbesondere wird angenommen, dass Leerverkäufe ohne weiteres zulässig sind und die Akteure auf dem Kapitalmarkt rational handeln.6 „Im einfachsten Fall einer Arbitrage kauft jemand (der Arbitrageur) ein Gut von einem Geschäftspartner und verkauft es gleichzeitig zu einem höheren Preis an einen anderen. Die Differenz zwischen Ein- und Verkaufspreis ist der Arbitragegewinn. Arbitrage bedeutet gewinnbringendes Ausnutzen von Preisdifferenzen durch simultanen Kauf und Verkauf von Gütern“ (FRANKE/HAX, 2004, S. 368). Erzielt jemand einen Arbitragegewinn, so entstehen für andere entsprechende Verluste. Andernfalls wären „free lunches“ möglich, wobei alle durch Arbitrage ihr Vermögen erhöhen könnten. „Niemand nimmt freiwillig und bewusst einen Arbitrageverlust in Kauf. Unvollkommenheiten des Marktes können zu unbewussten Arbitrageverlusten führen. Zum Beispiel weiß jemand nicht, dass er das Gut anderswo billiger einkaufen kann. Bei vollkommenem Markt ist jedoch jeder Akteur über alles informiert. Daher kann es weder Arbitrageverluste noch -gewinne geben. Folglich kostet das Gut überall gleich viel, es gilt das „Gesetz des Einheitspreises“. Dieser Preis kann sich natürlich im Zeitablauf ändern“ (FRANKE/HAX, 2004, S. 368). Auf dem Kapitalmarkt erfolgt eine Arbitrage durch simultanen Kauf und Verkauf einzelner Wertpapiere oder Portefeuilles von Wertpapieren. Ist der Kapitalmarkt wie angenommen vollkommen, kennen alle Akteure auf dem Kapitalmarkt die Endwerte P1n,s der Wertpapiere (einschließlich Zinsen und Dividenden) in den möglichen Zuständen Ss. Zwar kann bei vollkommenem Kapitalmarkt nur dann ein Gleichgewicht vorliegen, wenn keine gewinnbringenden Arbitragemöglichkeiten mehr gegeben sind, d.h. der Markt „arbitragefrei“ ist. Trotzdem soll hier untersucht werden, unter welchen Bedingungen (gewinnbringende) Arbitragemöglichkeiten überhaupt bestehen. Die Kenntnis dieser Bedingungen ist Voraussetzung dafür, dass Arbitragemöglichkeiten gar nicht erst entstehen oder durch Finanztransaktionen unmittelbar beseitigt werden. Außerdem wird 6

Zur Kritik an der Hypothese arbitragefreier Märkte vgl. SHLEIFER (2000).

160

Kapitel IV

mit diesen Bedingungen untersucht, wie bei Arbitragefreiheit die Preise von Wertpapieren mit Preisen anderer Wertpapiere erklärt werden können, ohne die Wahrscheinlichkeiten für die Zustände und die Nutzenfunktionen der Investoren auf dem Kapitalmarkt explizit berücksichtigen zu müssen. Die Darstellungen haben auch Bedeutung für die Prognose des Marktwertes neuer Wertpapiere oder neuer Investitionsprojekte im Rahmen der Investitions- und Finanzplanung. Es können verschiedene Formen der Arbitrage unterschieden werden, die Differenzarbitrage, die Dominanzarbitrage und Varianten, die Vorteile der Differenz- und der Dominanzarbitrage miteinander verbinden. Bei einer Differenzarbitrage werden in der Weise simultan Papiere gekauft und (leer-) verkauft, dass zum Zeitpunkt 0 ein sicherer Einzahlungsüberschuss bzw. ein sicherer Arbitragegewinn erzielt wird und ohne Berücksichtigung dieses Überschusses das Vermögen am Ende der Periode in jedem Zustand Ss konstant bleibt. (Legt der Arbitrageur den Arbitragegewinn zum Zinssatz r an, steigt sein Endvermögen mit Sicherheit um den aufgezinsten Betrag.) Eine Differenzarbitrage kann im einfachsten Fall darin bestehen, dass Papiere zu relativ niedrigen Preisen gekauft und simultan zu höheren Preisen wieder verkauft werden; die Differenz zwischen Verkaufserlösen und Einstandspreisen ergibt den Arbitragegewinn. Zur Erläuterung von (gewinnbringenden) Möglichkeiten einer Differenzarbitrage wird das Beispiel in Matrix IV.1 betrachtet. Preis zum Zeitpunkt 1 im Zustand Wertpapier n

Preis zum Zeitpunkt 0

S1

S2

1

100

100

90

2

100

0

60

3

0

100

35

Matrix IV.1: Beispiel für eine zum Zeitpunkt 0 gewinnbringende Arbitragemöglichkeit (Differenzarbitrage)

Auf dem Kapitalmarkt werden drei Papiere gehandelt. Das Papier 1 hat zum Zeitpunkt 0 den Preis 90 und am Ende der Periode mit Sicherheit den Preis 100. Die Preise der beiden anderen Papiere zum Zeitpunkt 1 hängen davon ab, welcher der Zustände S1 und S2 eintritt. Will jemand einen Anspruch auf eine Zahlung von 100 GE im Zustand S1 und im Zustand S2 erwerben, also Geld risikolos anlegen, so kann er entweder Papier 1 kaufen oder die Papiere 2 und 3 gemeinsam. Da das Papier 1 90 GE kostet und die Papiere 2 und 3 zusammen 95 GE, zeigt sich eine gewinnbringende Arbitragegelegenheit: Es werden die Papiere 2 und 3 leerverkauft und das Papier 1 gekauft, wobei zum Zeitpunkt 0 ein Einzahlungsüberschuss von (95  90 =) 5 GE erzielt wird. Da der Einzahlungsüberschuss des gesamten Portefeuilles am Ende der Periode in jedem Zustand gleich null ist (die Einzahlung aus dem Papier 1 ist jeweils ebenso groß wie die Auszahlung aus dem Kauf der leerverkauften Papiere 2 und 3), beträgt der sichere Arbitragegewinn 5 GE. Da

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

161

„free lunches“ möglich sind, kann kein Gleichgewicht vorliegen. Ein Gleichgewicht kann nur dann existieren, wenn die Papiere 2 und 3 zusammen ebensoviel kosten wie das Papier 1; es besteht dann Arbitragefreiheit. Allgemein kann der Kapitalmarkt nur dann arbitragefrei sein, wenn zwei beliebige Portefeuilles, die in jedem Zustand Ss (s = 1,2,...,S) denselben Endwert aufweisen, zum Zeitpunkt 0 denselben Marktwert haben. Bei einer Dominanzarbitrage wird zum Zeitpunkt 0 weder ein Arbitragegewinn noch ein -verlust erzielt. Jedoch steigt am Ende der Periode in mindestens einem Zustand Ss das Endvermögen, wobei es in keinem Zustand sinkt. Die Arbitrage ist nach dem Dominanzprinzip vorteilhaft. Zur Erläuterung wird die Matrix IV.2 betrachtet: Preis zum Zeitpunkt 1 im Zustand Wertpapier n

Preis zum Zeitpunkt 0

S1

S2

1

105

50

75

2

80

10

60

3

20

40

15

Matrix IV.2: Beispiel für eine im Zustand S1 gewinnbringende Arbitragemöglichkeit (Dominanzarbitrage)

Hier kann man ohne Einsatz von Kapital 5 GE für den Zustand S1 gewinnen, indem man je eine Einheit der Papiere 2 und 3 leerverkauft und mit dem Erlös eine Einheit des Papiers 1 kauft. Bei Eintreten des Zustands S2 hat die Arbitrage keine Auswirkung. Möglicherweise kann durch Arbitrage schon zum Zeitpunkt 0 ein sicherer Gewinn und in mindestens einem Zustand Ss ein zusätzlicher Gewinn erzielt werden. Im Beispiel der Matrix IV.2 besteht diese Arbitragegelegenheit z.B. dann, wenn der Preis des Papiers 3 nur 14 beträgt. Arbitragefreiheit setzt zwar voraus, dass die Anleger ein höheres Geldvermögen einem niedrigeren vorziehen. Spezifische Entscheidungsprinzipien wie etwa das BERNOULLI-Prinzip werden jedoch für die Analyse der Arbitragefreiheit nicht benötigt. Entsprechend ist Arbitragefreiheit auch nur eine notwendige und keine hinreichende Bedingung für ein Marktgleichgewicht. Auch wenn keine Gelegenheiten für Arbitragegewinne bestehen, können Investoren möglicherweise durch Transaktionen auf dem Kapitalmarkt Vorteile erzielen. Bei Orientierung am BERNOULLI-Prinzip können sich Käufe und Verkäufe von Papieren deshalb als vorteilhaft erweisen, weil die vorliegende Risikoteilung nicht pareto-effizient ist. Das Prinzip der Arbitragefreiheit hat große Bedeutung in Theorie und Praxis. Arbitrageüberlegungen sind erstmals von MODIGLIANI/MILLER (1958) angestellt worden, um die Konsequenzen von Finanzierungsentscheidungen zu analysieren. Ergebnis der Analyse war das sogenannte „Irrelevanztheorem“ der Unternehmensfinanzierung, wonach es

162

Kapitel IV

auf einem vollkommenem Kapitalmarkt gleichgültig ist, in welchem Umfang ein gegebenes Investitionsprogramm eines Unternehmens mit Eigenkapital oder mit Fremdkapital finanziert wird. Die Bedingung der Arbitragefreiheit kann allgemein wie folgt formuliert werden: 1. Wenn der Endwert eines (Papiers oder) Portefeuilles A in jedem Zustand Ss (s = 1,2,...,S) mindestens so hoch ist wie der eines (Papiers oder) Portefeuilles B, ist der Marktwert des Portefeuilles A zum Zeitpunkt 0 mindestens so hoch wie der des Portefeuilles B. 2. Ist der Endwert des Portefeuilles A in jedem Zustand Ss ebenso hoch wie der des Portefeuilles B, stimmt der Marktwert des Portefeuilles A mit dem des Portefeuilles B überein. Bei abweichenden Marktwerten kann eine Differenzarbitrage vorgenommen werden, wobei das Portefeuille mit dem höheren Marktwert (leer) verkauft und das mit dem niedrigeren gekauft wird; dabei entsteht im Zeitpunkt 0 ein sicherer Arbitragegewinn. 3. Ist der Endwert des Portefeuilles A in jedem Zustand Ss mindestens so hoch wie der des Portefeuilles B, jedoch in mindestens einem Zustand höher, ist der Marktwert des Portefeuilles A höher als der des Portefeuilles B. Bei gleichen Marktwerten kann durch (Leer-)Verkauf des Portefeuilles B und Kauf des Portefeuilles A für die Zustände, in denen der Endwert des Portefeuilles A höher ist, ein Arbitragegewinn erzielt werden. Ist der Marktwert des Portefeuilles A niedriger als der des Portefeuilles B, kann darüber hinaus ein sicherer Arbitragegewinn zum Zeitpunkt 0 erzielt werden. Bei Arbitragefreiheit kann der Preis eines beliebigen Papiers mit Hilfe eines Portefeuilles aus anderen Papieren erklärt werden, dessen Endwert in jedem Zustand mit dem des betrachteten Papiers übereinstimmt; der Preis des Papiers ist gleich dem Marktwert des betreffenden Portefeuilles, das als Duplikationsportefeuille bezeichnet wird. Bedingung ist allerdings, dass ein solches Portefeuille überhaupt existiert. Die Papiere, deren Preise als gegeben betrachtet und mit denen die Preise anderer Papiere erklärt werden, werden als Basiswertpapiere bezeichnet. Wie deutlich wurde, spielen für die Erklärung von Arbitragefreiheit Leerverkäufe eine besondere Rolle. Wie in Abschnitt 2.2 erläutert wurde, sind jedoch Leerverkäufe nur in (engen) Grenzen möglich. Außerdem können sie – vor allem für private Investoren – prohibitiv hohe Kosten verursachen. Der Kapitalmarkt ist jedoch auch dann arbitragefrei, wenn institutionelle Investoren Möglichkeiten gewinnbringender Arbitrage wie im vollkommenen Kapitalmarkt nutzen (können). Auf Implikationen von Leerverkaufsbeschränkungen für die Risikoteilung und Preisbildung auf dem Kapitalmarkt und die Bewertung von Investitionsprojekten kommen wir in dieser Arbeit immer wieder zurück. Das theoretische Konstrukt der Arbitragefreiheit setzt allgemein voraus, dass die Akteure auf dem Kapitalmarkt homogene Erwartungen über die zustandsabhängigen End-

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

163

werte der Wertpapiere haben, eine Voraussetzung, die im vollkommenen Kapitalmarkt definitionsgemäß erfüllt ist. In der Realität ist es jedoch äußerst schwierig abzuschätzen, ob verschiedene Portefeuilles (annähernd) gleiche Endwerte aufweisen und, wenn nein, wie sie sich zustandsabhängig unterscheiden. Es ist möglich, dass verschiedene Investoren unterschiedliche Erwartungen haben (FIGLEWSKI, 1979; CAMPBELL/KYLE, 1993; SHLEIFER, 2000), so dass auch unterschiedliche Vorstellungen darüber bestehen können, ob der Kapitalmarkt arbitragefrei ist oder nicht.7 Es ist zu beachten, dass mit reinen Arbitrageüberlegungen nicht generell die absolute Höhe von Gleichgewichtspreisen erklärt werden kann. So wird z.B. das Ergebnis erzielt, dass Portefeuilles mit gleichem Endwert identische Marktwerte aufweisen. Offen bleibt jedoch, um welche Beträge sich die Marktwerte von Papieren aus verschiedenen Risikoklassen unterscheiden. Zur Erklärung von Preisunterschieden müssen die Risikoeinstellungen der Investoren und ihre Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Endwerte der Papiere in die Analyse einbezogen werden. Reine Arbitrageüberlegungen lassen auch offen, welche Portefeuilles die Investoren im Kapitalmarktgleichgewicht halten. Auch die optimalen Portefeuilles (die letztlich die Gleichgewichtspreise bestimmen) hängen von den individuellen Risikoeinstellungen und Erwartungen ab. Aus Arbitrageüberlegungen folgt auch nicht, dass es bei Fehlen von Arbitragefreiheit sinnvoll ist, ein Portefeuille allein deshalb zu erwerben und bis zum Ende der Periode zu halten, weil sein Preis niedriger ist als der eines anderen Portefeuilles mit gleichem Endwert; der Wert eines Portefeuilles ist nicht identisch mit dem niedrigsten Preis, der anderswo für ein gleichartiges Portefeuille zu zahlen wäre. Hier zeigt sich eine Parallele zur Unternehmensbewertung (Kapitel I, Abschnitte 6 und 7.1): Der individuelle subjektive Grenzpreis eines Unternehmens stimmt allenfalls zufällig mit dem Preis überein, der anderswo für Erfolge gleicher Art und Höhe zu zahlen wäre.

3.2

Marktbewertung auf der Basis eines Duplikationsportefeuilles

3.2.1

Konzept

Auf der Basis eines Duplikationsportefeuilles können möglicherweise ex ante die Marktwerte neuer Wertpapiere oder neuer Investitionsprojekte ermittelt werden, sofern diese keine Preisänderungen induzieren. Zur Erläuterung wird davon ausgegangen, dass die Papiere 1 und 2 bereits im Umlauf sind und die Papiere 3 und 4 neu emittiert werden. Die zustandsbedingten Endwerte der alten und neuen Papiere zum Zeitpunkt 1 sind in Matrix IV.3 dargestellt. Sie zeigt außerdem die bereits gegebenen Preise der alten Papiere (1 und 2) für den Zeitpunkt 0.

7

Zu den Risiken bei „Arbitrage“ mit „ähnlichen“ Papieren vgl. SHLEIFER (2000).

164

Kapitel IV

Wertpapier n

Endwert zum Zeitpunkt 1 im Zustand

Preis zum Zeitpunkt 0

S1

S2

S3

1

400

200

100

190

2

200

100

400

270

3

300

150

250

230

4

10

200

400

?

Matrix IV.3: Zur Problematik der Antizipation des Marktwertes neuer Papiere bei unvollständigem Kapitalmarkt

Es wird davon ausgegangen, dass die Emission der neuen Papiere keinen Einfluss auf die Preise der alten hat. Der Endwert des Papiers 3 lässt sich rekonstruieren, indem ein Portefeuille gebildet wird, das aus je einer halben Einheit der Papiere 1 und 2 besteht. Entsprechend kann der Preis des Papiers 3 ohne weiteres prognostiziert werden: 0,5 ˜ 190 + 0,5 ˜ 270 = 230. Dagegen ist der Endwertvektor des Papiers 4 linear unabhängig von den Endwertvektoren der Papiere 1 und 2. Es ist daher nicht möglich, die Endwerte des Papiers 4 durch ein Portefeuille mit den Papieren 1 und 2 zu rekonstruieren. Die Preise (Marktwerte) enthalten hier zu wenig Informationen über die Präferenzen der Anteilseigner, um den Marktwert des Papiers 4 ex ante zu ermitteln. Wird es eingeführt, ist der Markt ohne und mit dem Papier 3 „vollständig“. Mit Hilfe des sich einstellenden Marktwertes für das Papier 4 und den bereits gegebenen Marktwerten der Papiere 1 und 2 können dann bei unveränderlicher Zahl möglicher Zustände die Preise beliebiger zusätzlicher Papiere ermittelt werden.

3.2.2

Ermittlung eines Duplikationsportefeuilles

 zum Zeitpunkt 1 (z.B. eines einzelDas Duplikationsportefeuille für den Überschuss B nen Papiers, eines Portefeuilles, einer einzelnen Investition oder eines ganzen Unternehmens) mit dem Wert Bs im Zustand Ss (s = 1,2,…,S) kann – sofern es existiert – als dasjenige Portefeuille ermittelt werden, welches das Gleichungssystem in Matrix IV.4 erfüllt. Dabei bezeichnet das „Papier“ N + 1 die Anlage von 1 GE zum risikolosen Zinssatz r; für x > 0 werden x Geldeinheiten angelegt und für x < 0 werden | x | Geldeinheiten geliehen. xn bezeichnet die Zahl der Einheiten des Papiers n (n = 1,2,…,N) im Portefeuille und P1n,s den Endwert einer Einheit des Papiers n im Zustand Ss. Eine Lösung x1 , x 2 ,..., x N ; x des Gleichungssystems in Matrix IV.4 stellt ein Duplikationsportefeu dar, wobei Papiere mit x ille für den Überschuss B n 0 nicht in diesem Portefeuille enthalten sind. Für x n  0 erfolgt im Rahmen des Duplikationsportefeuilles ein (Leer-) Verkauf des Papiers n.

165

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

Zustand

Wertpapier n 1

2

3

N

N+1

Endwert des Portefeuilles

S1

x 1 ˜ P11,1

+ x 2 ˜ P12,1

+ x 3 ˜ P13,1

+ … +

x N ˜ P1N,1

x ˜ (1  r )

= B1

S2

x1 ˜ P11,2

+ x 2 ˜ P12,2

+ x 3 ˜ P13,2

+ … +

x N ˜ P1N,2

x ˜ (1  r )

= B2







+ … +

x N ˜ P1N,s*

x ˜ (1  r )

= Bs*









x 3 ˜ P13,S

+ … +

x N ˜ P1N,S

x ˜ (1  r )

= BS





Ss*

x1 ˜ P11,s*





SS

x1 ˜ P11,S





+ x 2 ˜ P12,s* + x 3 ˜ P13,s*  + x 2 ˜ P12,S

+

Matrix IV.4: Zur Ermittlung eines Portefeuilles mit den Endwerten B1,B2,...,BS

Ob eine Lösung des Gleichungssystems in Matrix IV.4 (ein Duplikationsportefeuille für  ) existiert, hängt davon ab, ob der Kapitalmarkt „vollständig“ oder „unvollständig“ ist. B Im unvollständigen Kapitalmarkt ist die Zahl der Endwertvektoren

(IV.1)

­P1n,1, P1n,2 ,..., P1n,S ° ®und °1  r,1  r,...,1  r, ¯

(n = 1,2,...,N)

die voneinander linear unabhängig sind, kleiner als die Zahl S der möglichen Zustände. Die Zahl der Spaltenvektoren

(IV.1a)

§ P1n ,1 · ¨ ¸ ¨ P1n ,2 ¸ ¨  ¸ (n = 1,2,...,N) und ¨ ¸ ¨ P1n , S ¸ © ¹

§1  r · ¸ ¨ ¨1  r ¸ ¨  ¸ ¸ ¨ ¨1  r ¸ ¹ ©

des Gleichungssystems in Matrix IV.4, die voneinander linear unabhängig sind, ist dann kleiner als die Zahl der Gleichungen dieses Systems, so dass nicht für jeden beliebigen Vektor (B1, B2,…,BS) eine Lösung existiert. Für N + 1 < S ist der Kapitalmarkt stets unvollständig. Aber auch für N + 1 t S kann er unvollständig sein; das ist dann der Fall, wenn mehr als N + 1 – S der Endwertvektoren (IV.1) voneinander linear abhängen. Im vollständigen Kapitalmarkt stimmt die Zahl der linear unabhängigen Endwertvektoren (IV.1) mit der Zahl S der möglichen Zustände überein. (Es ist ausgeschlossen, dass die Zahl der linear unabhängigen Endwertvektoren größer ist als S.) Bei Vollständigkeit des Kapitalmarktes sind für den Fall N + 1 = S sämtliche Endwertvektoren (IV.1) voneinander linear unabhängig.8 Es sind dann auch sämtliche Spaltenvektoren (IV.1a) des Gleichungssystems in Matrix IV.4 voneinander linear unab-

8

Es gibt dann S – 1 riskante Wertpapiere (N = S – 1) und außerdem die Anlage und Aufnahme von Kapital zum Zinssatz r.

166

Kapitel IV

hängig, so dass für einen beliebigen Vektor (B1, B2,…,BS) eine eindeutige Lösung dieses Gleichungssystems (ein eindeutiges Duplikationsportefeuille x1 , x 2 ,..., x N ; x ) existiert. Dabei kann – je nach den Elementen des Vektors (B1, B2,…,BS) – ein Teil der xn-Werte negativ sein; die betreffenden Papiere werden (leer-)verkauft. Auch für N + 1 > S sind im vollständigen Kapitalmarkt genau S der Endwertvektoren (IV.1) voneinander linear unabhängig. Folglich sind auch S Spaltenvektoren (IV.1a) des Gleichungssystems in Matrix IV.4 voneinander linear unabhängig, wobei die übrigen Spaltenvektoren von diesen linear abhängen. Es gibt dann beliebig viele Vektoren (x1,x2,...,xN,x) die dieses Gleichungssystem erfüllen. Eine Lösung kann ermittelt werden, indem für N + 1  S der Variablen x1,x2,...,xN,x mit linear abhängigen Spaltenvektoren beliebige Werte vorgegeben werden und dann das Gleichungssystem bezüglich der übrigen Variablen gelöst wird. Im vollständigen Kapitalmarkt ist es stets möglich, durch Portefeuillebildung Wertpapiere zu konstruieren, die in einem Zustand einen positiven Endwert aufweisen und in jedem anderen Zustand einen Endwert von null. Dem Vektor (B1,B2,...,Bs*,...,BS) = (0,0,...,1,...,0) zum Beispiel entspricht ein Portefeuille, das im Zustand Ss* den Endwert 1 bietet. Wird es leerverkauft, gilt Bs* 1 . Es ist also möglich, über Handel mit „normalen“ Papieren einen Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen vorzunehmen. Ist der Markt vollständig, lassen sich die Überschüsse neuer Investitionen stets durch Bildung von Portefeuilles aus vorhandenen Papieren duplizieren. Ist der Markt außerdem auch arbitragefrei und haben die neuen Überschüsse keinen Einfluss auf die Marktwerte der Duplikationsportefeuilles, können die Marktwerte der neuen Investitionen im voraus angegeben werden; sie stimmen mit denen der Duplikationsportefeuilles überein. Dieser Sachverhalt hat große Bedeutung für die Investitionsplanung und die Bewertung von Investitionsprojekten. Ist der Markt unvollständig, ist zwar keine universelle Duplizierbarkeit gegeben, d.h. es existiert nicht für jede beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilung B1,B2,..., BS ein Duplikationsportefeuille, welches das Gleichungssystem in Matrix IV.4 erfüllt. Jedoch kann im konkreten Einzelfall ein Duplikationsportefeuille existieren; möglicherweise kann ein Überschuss mit einem einzigen Wertpapier dupliziert werden.9

9

Kein Duplikationsportefeuille existiert allerdings dann, wenn für die Preise P1n wie im modifizierten State Preference Ansatz (Abschnitt 6) stochastische „Störterme“ („Noise“) wirksam sind. Sie finden bei der Analyse von Abweichungen zwischen individuellen subjektiven Grenzpreisen und Marktwerten von Bewertungsobjekten in den Kapiteln X und XI besondere Beachtung.

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

4

State Preference Ansatz (SPA)

4.1

Charakteristik

167

Wie erläutert, wird bei Arbitrageüberlegungen lediglich vorausgesetzt, dass ein höheres Endvermögen einem niedrigerem vorgezogen wird („Nichtsättigung“). Ob Investoren ihren Erwartungsnutzen oder eine andere Präferenzfunktion maximieren, ist unerheblich, wenn nur gezeigt werden soll, welche Beziehungen zwischen Wertpapierpreisen bestehen müssen, damit keine gewinnbringende Arbitragegelegenheiten existieren. Im Folgenden wird, sofern nicht explizit von dieser Annahme abgewichen wird, davon ausgegangen, der Kapitalmarkt sei arbitragefrei. Arbitragefreiheit ist jedoch nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung für ein Kapitalmarktgleichgewicht. Eine weitergehende Erklärung der Preise setzt konkretere Annahmen über die Risikopräferenzen der Investoren und ihren Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände voraus. Die Kenntnis der eigentlichen Determinanten der Preise bzw. der maßgeblichen (Markt-)Bewertungsfunktionen von Wertpapieren ist insbesondere für folgende Fälle von Bedeutung: 1. Änderungen dieser Preise sollen explizit erklärt oder prognostiziert werden und nicht nur implizit über Preisänderungen anderer Papiere, die ihrerseits erklärt oder prognostiziert werden müssten. 2. Aufgrund einer Unvollständigkeit des Kapitalmarktes können die möglichen Überschüsse eines neuen Papiers oder Investitionsprojekts nicht durch Portefeuillebildung rekonstruiert werden, so dass dessen Marktwert nicht auf den bereits beobachtbaren Marktwert eines Duplikationsportefeuilles zurückgeführt werden kann. 3. Zwar können die Überschüsse durch Portefeuillebildung rekonstruiert werden. Jedoch ist die direkte Anwendung der maßgeblichen Bewertungsfunktionen technisch einfacher als die Ermittlung des (Marktwertes des) Duplikationsportefeuilles. Dieser Aspekt ist vor allem für den Mehrperioden-Fall relevant. Darauf kommen wir in Kapitel XIV zurück. Im State Preference Ansatz (SPA) (HIRSHLEIFER, 1966; ROBICHEK/MYERS, 1965b; MYERS, 1968; COPELAND/WESTON/SHASTRI, 2008, S. 118-149) wird unterstellt, dass der Kapitalmarkt vollkommen ist und außerdem für jeden Zustand Ss (s = 1,2,...,S) unbeschränkt zustandsbedingte Zahlungsansprüche gehandelt (gekauft und verkauft) werden können, so dass der Kapitalmarkt auch vollständig ist. Ein zustandsbedingter Zahlungsanspruch wirft in dem hier betrachteten Einperioden-Fall zum Zeitpunkt 1 genau dann einen bestimmten Geldbetrag ab, wenn der betreffende Zustand eintritt. Ein Anspruch auf eine Geldeinheit (GE) im Zustand Ss* zum Beispiel bringt dem Inhaber bei Eintreten dieses Zustandes eine GE; tritt ein anderer Zustand ein, erhält er aus diesem Anspruch keine Zahlung. Im Rahmen des SPA werden die Prämissen des vollkommenen Kapitalmarktes wie folgt konkretisiert:

168

Kapitel IV

1. Es gibt keine Informationskosten bezüglich des Preises Ss, zu dem im Zeitpunkt 0 Ansprüche auf 1 GE für den Zustand Ss (s = 1,2,...,S) gehandelt werden; er ist allen Akteuren bekannt. Das gleiche gilt für die Preise und die zustandsabhängigen Endwerte aller anderen Wertpapiere. Der eintretende Zustand Ss lässt sich kostenlos verifizieren. 2. Auch die zustandsbedingten Zahlungsansprüche sind beliebig teilbar; z.B. kann man auch Ansprüche auf eine marginale GE kaufen und verkaufen. 3. Die Akteure, die zustandsbedingte Zahlungsansprüche und andere Papiere kaufen oder verkaufen, agieren als Mengenanpasser. 4. Der Preis Ss, zu dem im Zeitpunkt 0 Ansprüche für den Zustand Ss (s = 1,2,...,S) gehandelt werden können, ist für alle Unternehmen und private Investoren identisch. (Die Prämisse gleicher Preise gilt auch für alle anderen Wertpapiere.) Auch der (Leer-)Verkauf zustandsbedingter Zahlungsansprüche ist nicht beschränkt. Der SPA setzt (im Gegensatz zum CAPM, Abschnitt 5) nicht voraus, dass die Investoren auf dem Kapitalmarkt Nutzenfunktionen eines bestimmten Typs haben. Es wird lediglich angenommen, alle Nutzenfunktionen für die Endwerte der Portefeuilles seien konkav, wobei sie auch zustandsabhängig sein können. Die Nutzenfunktion eines Investors ist insbesondere dann zustandsabhängig, wenn er neben den Überschüssen aus seinem Portefeuille ungewisse „externe“ Einkünfte erzielt (z.B. aus selbständiger oder unselbständiger Arbeit oder Privatvermögen), die stochastisch vom Zustand abhängen. Der Nutzen des Endwertes eines Portefeuilles hängt dann nicht nur von dessen Höhe ab, sondern auch davon, in welchem Zustand er erzielt wird (Kapitel II, Abschnitt 4). Da, wie noch gezeigt wird, die Preise Ss von den Grenznutzenwerten der Investoren abhängen, beeinflussen die externen Einkünfte indirekt diese Preise. Im SPA wird (im Gegensatz zum CAPM) nicht vorausgesetzt, dass die Investoren homogene Wahrscheinlichkeitsvorstellungen über die Zustände Ss haben. Heterogene Erwartungen können daraus resultieren, dass sich die individuellen Informationsstände unterscheiden, aber auch daraus, dass aus denselben Informationen unterschiedliche Schlüsse gezogen werden. Unterschiede in den Informationsständen können insbesondere aus unterschiedlichen Informationskosten der Investoren resultieren.10,11

10

11

Die Annahme, dass es keine Informationskosten gibt, bezieht sich nur auf die Preise Ss für zustandsbedingte Zahlungsansprüche, die gegenwärtigen Preise und zustandsabhängigen Endwerte aller anderen Wertpapiere und die Überprüfung bzw. Verifikation des eintretenden Zustandes Ss. Auch wenn die Kosten der Beschaffung von Informationen für die Bildung eines subjektiven Wahrscheinlichkeitsurteils bezüglich der Zustände für alle gleich sind, können Informationsasymmetrien zwischen Investoren bestehen, weil sie Informationen unterschiedliche Werte beimessen; die Beschaffung bestimmter Informationen kann aus Sicht eines Teils der Investoren vorteilhaft sein und aus Sicht der anderen nachteilig. Wie in LAUX (2007, Kapitel XI) gezeigt wird, hängt der Informationswert für einen Entscheider u.a. von seiner Risikoeinstellung ab. Unterschiede in den Risikoeinstellungen können somit auch Unterschiede in den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bewirken und damit auch indirekt die Aktivitäten auf dem Kapitalmarkt beeinflussen.

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

169

Unabhängig von den individuellen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen und Nutzenfunktionen wird im Gleichgewicht des SPA das aus der Gesamtheit aller Investitionen resultierende Risiko zwischen den Investoren auf dem Kapitalmarkt pareto-effizient geteilt. (Eine Teilung ist pareto-effizient, wenn durch Umverteilung der zustandsabhängigen individuellen Endvermögenswerte keine Partei einen höheren Erwartungsnutzen erzielen kann, ohne dass der einer anderen sinkt, Kapitel II, Abschnitt 7.) Aufgrund der angenommenen Vollkommenheit und Vollständigkeit des Kapitalmarktes bestehen im SPA „ideale“ Möglichkeiten, Investitionsrisiken durch Kapitalmarkttransaktionen über die Zustände hinweg umzuverteilen. Die individuellen optimalen Portefeuillestrukturen können sich je nach den individuellen (zustandsabhängigen) Nutzenfunktionen und den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände erheblich unterscheiden. Wenn z.B. ein Investor einem Zustand eine relativ hohe (niedrige) Wahrscheinlichkeit und/oder ein relativ hohen (niedrigen) Grenznutzenwert zuordnet, hält er ein Portefeuille, das in diesem Zustand einen relativ hohen (niedrigen) Endwert aufweist. Die Strukturen der individuellen Portefeuilles im Kapitalmarktgleichgewicht können aufgrund heterogener Wahrscheinlichkeitsvorstellungen und unterschiedlicher zustandsabhängiger Nutzenfunktionen sehr verschieden sein.12 Insbesondere mögen Investoren auch Leerverkäufe von Wertpapieren vornehmen, um externe Risiken zu hedgen.

4.2

Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen im SPA

Wie erläutert, setzt der SPA einen vollständigen Kapitalmarkt voraus. Der Markt ist unabhängig von der Zahl der sonstigen Papiere dann vollständig, wenn für jeden Zustand Ss (s = 1,2,…,S) ein sogenanntes „reines“ Wertpapier existiert, das in genau diesem Zustand eine Einzahlung bietet. (Voraussetzung hierfür ist, dass der eintretende Zustand Ss ex post verifizierbar ist.) Der Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen kann dann explizit bzw. direkt via Kauf und Verkauf reiner Wertpapiere erfolgen. Wenn keine reinen Wertpapiere existieren, ist – wie gezeigt – der Markt dann vollständig, wenn die Zahl der „normalen“ Papiere (einschließlich der Anlage und Aufnahme von Kapital zum Zinssatz r) mindestens so groß ist wie die Zahl S der möglichen Zustände und S der Endwertvektoren dieser Papiere voneinander linear unabhängig sind. Der Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen kann dann implizit bzw. indirekt via Kauf und (Leer-)Verkauf normaler Papiere, also mit entsprechender Portefeuillebildung, erfolgen.

12

Wie in Abschnitt 5.2.1 gezeigt wird, sind dagegen im Rahmen des Capital Asset Pricing Model (CAPM) alle Portefeuillestrukturen identisch.

170

Kapitel IV

4.3

Höhe der Preise Ss für zustandsbedingte Zahlungsansprüche

4.3.1

Arbitrageüberlegungen

Da der Kapitalmarkt annahmegemäß arbitragefrei ist, lassen sich mit gegebenen Preisen Ss (s = 1,2,...,S) für zustandsbedingte Zahlungsansprüche die Preise aller Papiere herleiten. Ein Papier n, das im Zustand Ss (s = 1,2,...,S) den Endwert P1n,s aufweist, kann interpretiert werden als ein Portefeuille aus P1n,1 Ansprüchen auf 1 GE im Zustand S1, P1n,2 Ansprüchen auf 1 GE im Zustand S2, ... und P1n,S Ansprüchen auf 1 GE im Zustand SS. Für den Preis dieses Wertpapiers muss gelten: S

(IV.2)

P0n

¦ S s ˜ P1n , s

(n = 1,2,...,N).

s 1

Wäre P0n ! ¦Ss 1 S s ˜ P1n,s , könnte man das Wertpapier zum Preis P0n verkaufen, gleichzeitig P1n,s Ansprüche auf den Zustand Ss (s = 1,2,...,S) kaufen und hiermit zum Zeitpunkt 0 einen Arbitragegewinn in Höhe von P0n  ¦Ss 1 S s ˜ P1n,s ! 0 erzielen. Wäre P0n  ¦Ss 1 S s ˜ P1n,s , könnte man P1n,s Ansprüche auf den Zustand Ss (s = 1,2,...,S) verkaufen, gleichzeitig das Papier kaufen und damit einen Arbitragegewinn in Höhe von ¦Ss 1 S s ˜ P1n,s  P0n ! 0 erzielen. Werden beide Seiten von (IV.2) mit der Anzahl X n aller umlaufenden Papiere des Typs n multipliziert, erhält man: S

(IV.3)

X n ˜ ¦ Ss ˜ P1n,s

X n ˜ P0n

s 1

M 0n

S

¦ Ss ˜ X n ˜ P1n,s



s 1

M1n,s

bzw. die (Markt-) Bewertungsfunktion: S

(IV.4)

M 0n

¦ S s ˜ M1n,s . s 1

M0n (M1n,s) bezeichnet den Marktwert aller Papiere des Typs n zum Zeitpunkt 0 (zum Zeitpunkt 1 bei Eintreten des Zustandes Ss). Bei der Ermittlung der Preise gemäß (IV.2) und (IV.4) wird auf die Präferenzen der Investoren nicht direkt Bezug genommen. In diesem Sinne werden die Preise „präferenzfrei“ ermittelt. Jedoch hängen die Preise S s ihrerseits von den Nutzenfunktionen und Wahrscheinlichkeitsvorstellungen der Investoren ab, so dass die Präferenzen immerhin implizit berücksichtigt werden. Zunächst wird gezeigt, wie bei einem exogen vorgegebenem risikolosem Zinssatz r mit Hilfe von Arbitrageüberlegungen Grenzen für die Preise S s abgesteckt werden können, wobei den Präferenzen nur insoweit Rechnung getragen wird, dass ein höheres Endvermögen einem kleineren vorgezogen wird. Wird zum Zeitpunkt 0 für jeden Zustand Ss (s = 1,2,...,S) ein Anspruch auf 1 GE gekauft, wird zum Zeitpunkt 1 mit Sicherheit eine Einzahlung von 1 GE erzielt. Dafür ist der Preis ¦Ss 1 S s zu entrichten. Andererseits kann ein sicherer Zahlungsanspruch auf 1

171

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

GE auch dadurch erworben werden, dass (1+ r)1 GE zum risikolosen Zins r angelegt werden. Daher muss im Gleichgewicht S

(IV.5)

¦ Ss (1  r )1 s 1

gelten. Die Summe der Preise Ss ist somit gleich dem Abzinsungs- oder Diskontfaktor für eine Periode auf der Basis des risikolosen Zinssatzes r. Wäre ¦Ss 1 S s ! (1  r ) 1 , könnte man für jeden Zustand Ss (s =1,2,...,S) einen Zahlungsanspruch auf 1 GE verkaufen, den Betrag (1+r)1 GE zum Zinssatz r anlegen und hiermit zum Zeitpunkt 0 einen Arbitragegewinn von ¦Ss 1 S s  (1  r ) 1 ! 0 erzielen. Wäre ¦Ss 1 S s  (1  r ) 1 , könnte man den Betrag (1 +r)1 GE leihen, für jeden Zustand Ss (s =1,2,...,S) einen Zahlungsanspruch auf 1 GE kaufen und einen Arbitragegewinn von (1  r ) 1  ¦Ss 1 S s > 0 erzielen. Da im arbitragefreien Markt alle Preise Ss positiv sind, ist gemäß (IV.5) jeder Preis Ss kleiner als (1  r ) 1 .

4.3.2

Grenznutzenbetrachtung

Die genaue Höhe der Preise Ss kann erklärt werden, indem explizit die Nutzenfunktionen der Anteilseigner und ihre Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände Ss berücksichtigt werden. Im Gleichgewicht des Kapitalmarktes muss für den Investor i (i = 1,2,...,I)13 folgende Optimumbedingung für sein Portefeuille gelten, sofern seine Nutzenfunktion zustandsunabhängig ist (LAUX, 2006a, S. 141): (IV.6)

w i (Ss ) ˜1 ˜ Ui' (V1i,s )

 )] (1  r) ˜ Ss ˜ Ei [Ui' (V 1i

(s 1, 2,...,S) .

w i (Ss ) bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, die der Investor i dem Zustand Ss zuordnet, und Ui seine Nutzenfunktion. V1i,s ist sein Endvermögen im Zustand Ss und Ui' (V1i,s ) der entsprechende Grenznutzen. Der Index i beim Erwartungswertoperator E bringt zum Ausdruck, dass für den betreffenden Erwartungswert die Wahrscheinlichkeitsvorstellungen des Investors i relevant sind. Interpretation von (IV.6): Wird ausgehend vom optimalen Portefeuille ein zusätzlicher Anspruch von 1 GE für den Zustand Ss erworben, wird in diesem Zustand eine Einzahlung von 1 GE erzielt; der entsprechende Zuwachs des Erwartungsnutzens beträgt w i (Ss ) ˜1 ˜ Ui' (V1i,s ) . Andererseits muss zum Zeitpunkt 0 ein Preis von Ss gezahlt werden. Entsprechend sinkt das Endvermögen für jeden möglichen Zustand Ss um (1 + r) ˜ Ss. Dies bewirkt für den Zustand Ss (s= 1,2,...,S) eine Nutzeneinbuße von ~ (1  r) ˜ Ss ˜ Ui' (V1i,s ) . Mithin sinkt der Erwartungsnutzen um (1  r ) ˜ S s ˜ E i [ U i' (V1i )] . Gemäß Bedingung (IV.6) für das optimale Portefeuille muss dieser Betrag mit dem Erwartungsnutzen übereinstimmen, der der Einzahlung von 1 GE im Zustand Ss entspricht. (Ist diese Bedingung nicht erfüllt, kann durch Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen der Nutzenerwartungswert für den Investor i erhöht werden.)

13

I bezeichnet die Zahl der Investoren auf dem Kapitalmarkt.

172

Kapitel IV

(IV.6) kann wie folgt dargestellt werden: (IV.7)

Ss

(1  r) 1 ˜

w i (Ss ) ˜ Ui' (V1i,s )  )] E [U ' (V i

i

(s = 1,2,...,S).

1i

Die Darstellungen lassen offen, wie Gleichgewichtspreise konkret zustande kommen, die Angebot und Nachfrage zum Ausgleich bringen, bei denen also für jeden Zustand Ss (s = 1,2,...,S) die Nachfrage der Investoren nach Zahlungsansprüchen mit dem Endwert aller riskanten Wertpapiere übereinstimmt. Die Gleichgewichtsanalyse stellt ein komplexes Problem dar. Sie kann erheblich vereinfacht werden, „indem man von einem repräsentativen Aktionär ausgeht. Wenn z.B. alle Investoren von denselben Wahrscheinlichkeiten ausgehen, ihre Nutzenfunktion und ihre Anfangsvermögen übereinstimmen, dann stimmen auch ihre optimalen Entscheidungen überein. Ein Investor ist dann repräsentativ für alle Investoren. Aber auch unter schwächeren Voraussetzungen existiert ein repräsentativer Investor. Die meisten Gleichgewichtsmodelle unterstellen die Existenz eines repräsentativen Investors“ (FRANKE/ HAX, 2004, S. 386). Bei identischen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen, Nutzenfunktionen und Anfangsvermögenswerten hält bei I Investoren jeder Investor den Anteil z=1 / I am Bestand aller riskanten Wertpapiere, der als „Marktportefeuille“ bezeichnet wird. Für das Endvermögen V1s eines repräsentativen Investors im Zustand Ss (s = 1,2,...,S) gilt somit V1s z ˜ M1G , s , wobei M1G,s den Endwert des Marktportefeuilles im Zustand Ss bezeichnet. Würde der Investor für einen Zustand einen größeren Teil des Endwertes M1G halten als für andere, so müsste das Umgekehrte für mindestens einen anderen Marktteilnehmer gelten. Der Investor wäre also nicht repräsentativ. Unter Berücksichtigung von V1s z ˜ M1G , s folgt aus (IV.7): (IV.8)

Ss

(1  r ) 1 ˜

w(S s ) ˜ U ' ( z ˜ M 1G ,s ) ~ E[ U ' ( z ˜ M 1G )]

(s = 1,2,...,S).

Interpretation: w(Ss) bezeichnet die für alle Investoren (Anteilseigner) gleiche Wahrscheinlichkeit für den Zustand Ss und U die für alle gleiche Nutzenfunktion. Da der Grenznutzen mit wachsendem Endvermögen sinkt, ist der Preis für einen Anspruch von 1 GE im Zustand Ss c.p. umso niedriger, je höher der Endwert des Marktportefeuilles in diesem Zustand ist. Der Preis ist c.p. umso höher, je höher die Wahrscheinlichkeit des Zustandes Ss ist. (IV.8) bezieht sich auf eine gegebene Marktsituation. Wenn sich auf Grund zusätzlicher Informationen die Wahrscheinlichkeiten für Zustände Ss ändern, ändern sich auch die Preise Ss und gemäß (IV.4) die Marktwerte M0n. Preisänderungen können auch aus Änderungen von zustandsabhängigen Grenznutzenwerten resultieren. Diese können ih-

173

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

rerseits aus veränderten Nutzenfunktionen und/oder aus steigenden bzw. fallenden Endvermögenswerten M1G,s resultieren. Die Annahme eines repräsentativen Investors in dem hier beschriebenen Sinne ermöglicht zwar eine einfache und anschauliche Gleichgewichtsanalyse. Jedoch ist diese Annahme wenig realistisch. Grundsätzlich haben die Anteilseigner weder homogene Wahrscheinlichkeitsvorstellungen noch dieselben Nutzenfunktionen und Ausgangsvermögenswerte. Je größer die Zahl der Investoren ist, desto größer ist die Zahl der Entscheidungsdeterminanten, die die Gleichgewichtspreise bestimmen und desto schwieriger wird die Gleichgewichtsanalyse. (Zur Erweiterung und Vertiefung der Darstellungen vgl. LAUX, 2006a, S. 181 ff. und S. 320 ff.) Wenn keine vereinfachenden Annahmen getroffen werden, stellt zwar die Analyse der Preisbildung unter expliziter Berücksichtigung aller (möglichen) Transaktionen auf dem Kapitalmarkt ein äußerst komplexes Problem dar. Jedoch kann in einfacher Weise gezeigt werden, dass im Gleichgewicht des SPA eine pareto-effiziente Risikoteilung erfolgt (RUBINSTEIN, 1974; INGERSOLL, 1987, S. 190-192; LAUX, 2006a, S. 161 ff.).

4.4

Pareto-effiziente Risikoteilung im SPA [*]

4.4.1

Zustandsunabhängige Nutzenfunktionen

Im Gleichgewicht muss die Optimumbedingung (IV.7) für einen beliebigen Anteilseigner i erfüllt sein. Wird die Bedingung (IV.7) durch die analoge Bedingung

(IV.9)

Ss

(1  r) 1 ˜

w j (Ss ) ˜ U 'j (V1j,s )

(s=1,2,...,S)

 )] E j[U 'j (V 1j

für das Portefeuille eines Anteilseigners j (j z i) dividiert, ergibt sich nach Umformung: (IV.10)

w i (Ss ) ˜ Ui' (V1i,s ) w j (Ss ) ˜ U 'j (V1j,s )

Oij

bzw.

(IV.11)

Ui' (V1i,s )

w j (Ss )

U 'j (V1j,s )

w i (Ss )

˜ Oij mit Oij {

 )] E j[U 'j (V 1j  )] Ei [Ui' (V 1i

(s=1,2,...,S).

Für jeden Zustand Ss (s=1,2,...,S), d.h. für jeden möglichen Endwert M1G des Marktportefeuilles, ist also das Verhältnis aus dem Grenznutzen Ui' ( ˜ ) und dem Grenznutzen U 'j ( ˜ ) zweier beliebiger Anteilseigner i und j gleich Oij ˜wj(Ss)/wi(Ss). Dies ist die Bedingung  ).14 Für einer pareto-effizienten Risikoteilung (einer pareto-effizienten Aufteilung von M 1G wj(Ss) = wi(Ss) (s=1,2,...,S) ist gemäß (IV.11) das Verhältnis der Grenznutzenwerte für jeden Zustand Ss identisch. Je höher dagegen für einen Zustand Ss die Wahrscheinlichkeit wj(Ss) im

14

Vgl. hierzu die Bedingung (II.61) (Kapitel II, Abschnitt 7.4) für die Entscheider X und Y.

174

Kapitel IV

Vergleich zu wi(Ss), desto größer ist c.p. gemäß (IV.11) Ui' ( ˜ ) im Vergleich zu U 'j ( ˜ ) und desto kleiner ist entsprechend V1i,s im Vergleich zu V1j,s.

4.4.2

Zustandsabhängige Nutzenfunktionen (exogene Risiken) und Bedeutung von Leerverkäufen

Die Darstellungen in Abschnitt 4.4.1 gelten analog für zustandsabhängige Nutzenfunktionen. Auch hierbei wird das Risiko zwischen den Investoren auf dem Kapitalmarkt pareto-effizient geteilt. Im Vergleich zu zustandsunabhängigen können bei zustandsabhängigen Nutzenfunktionen Leerverkäufe besondere Bedeutung haben. Zustandsabhängige Nutzenfunktionen sind vor allem dann relevant, wenn die Investoren auf dem Kapitalmarkt im privaten Bereich (exogene) Überschüsse erzielen, die vom Zustand Ss (s = 1,2,…,S) abhängen. Wenn ein Investor in Zuständen einen relativ hohen privaten Überschuss erzielt, nimmt er für diese Zustände Leerverkäufe von bedingten Zahlungsansprüchen vor und kauft Ansprüche für die anderen Zustände. In der Realität gibt es jedoch Beschränkungen von Leerverkäufen, die vor allem bei Existenz riskanter privater Überschüsse bewirken können, dass das Risiko nicht pareto-effizient geteilt wird. (Bei Wegfall von Leerverkaufsbeschränkungen wäre es möglich, das Risiko über den Handel mit Wertpapieren derart umzuverteilen, dass kein Investor einen Nachteil, jedoch mindestens ein Investor einen Vorteil erzielen würde.) Pareto-inferiore Risikoteilung führt zu Interessenkonflikten zwischen den Gesellschaftern eines Unternehmens.

5

Capital Asset Pricing Model (CAPM)

5.1

Charakteristik

Das CAPM ist ein einperiodiges Modell zur Erklärung der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt, dessen Bewertungsfunktionen (im Gegensatz zu denen des SPA) unabhängig davon gelten, ob der Markt vollständig ist oder nicht. Es ermöglicht auch die Bewertung „neuer“ Wertpapiere oder Überschüsse, die nicht mit bereits vorhandenen Wertpapieren repliziert werden können. Das Modell wurde in den grundlegenden Arbeiten von LINTNER (1965a), MOSSIN (1966) und SHARPE (1964; 1970) entwickelt. Es ist auch heute noch das wichtigste Gleichgewichtsmodell. Dies liegt daran, dass es auf Grund strenger Voraussetzungen eine einfache Struktur aufweist. Wie in Kapitel VII, Abschnitt 4.2, verdeutlicht wird, wird in Literatur und Praxis auch bei der Analyse von Entscheidungsund Bewertungsproblemen im Mehrperioden-Fall regelmäßig auf das einperiodige CAPM zurückgegriffen. Im CAPM werden die Prämissen des vollkommenen Kapitalmarktes wie folgt konkretisiert: 1. Die Investoren auf dem Kapitalmarkt haben homogene Vorstellungen über ~ die Erwartungswerte, Varianzen und Kovarianzen der Endwerte P1n aller Wertpapiere zum Zeitpunkt 1. (Zur Erweiterung des (Standard-) CAPM um heterogene Erwartungen vgl. LINTNER, 1969.) 2. Die Investoren orientieren sich bei ihren Portefeuilleentscheidungen wie in Ka-

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

175

pitel III am (μ,V)-Prinzip und sind risikoscheu. (Wie in Kapitel II, Abschnitt 4, erläutert wurde, impliziert die isolierte Portefeuilleplanung nach dem (μ,V)-Prinzip eine zustandsunabhängige Nutzenfunktion; für keinen Investor (Anteilseigner) sind exogene Überschüsse relevant, die stochastisch von ~ Endwerten P1n abhängen. Das impliziert z.B., dass kein Anteilseigner privat Eigentümer eines Unternehmens ist, dessen Portefeuillebildung dazu dient, den Unternehmensüberschuss zu hedgen.15 3. Alle privaten Investoren können ebenso wie die Unternehmen Kapital zum risikolosen Zinssatz r aufnehmen und anlegen.

5.2

Individualportefeuilles im Gleichgewicht

5.2.1

Individualportefeuilles als proportionale Anteile am Marktportefeuille

Da im CAPM sämtliche Investoren homogene Vorstellungen über die Erwartungswerte, Varianzen und Kovarianzen der Endwerte der Papiere haben, sich am (μ,V)-Prinzip orientieren und zu demselben risikolosen Zinssatz r Kapital anlegen und aufnehmen können, muss für alle die Menge der effizienten Portefeuilles riskanter Wertpapiere identisch sein. Die linearen Effizienzkurven im (μ,V)-Diagramm weisen somit für alle Investoren dieselbe Steigung auf. (Jedoch können sie bei verschiedenen Abszissenwerten (1 + r) ˜ V0 ihren Ursprung haben.) Die konvexen Effizienzkurven im (μ,V2)-Diagramm weisen für alle Investoren dieselbe Krümmung auf, wobei jeder Risikoprämie jeweils dieselbe Steigung entspricht. Da die effizienten Portefeuilles aller Investoren dieselbe Struktur haben, gilt dies auch für ihre optimalen Portefeuilles; sie können sich nur in ihrem Umfang unterscheiden. Unterschiede im Umfang optimaler Portefeuilles können aus unterschiedlichen Verläufen der Indifferenzkurven resultieren, bei nicht-exponentiellen Nutzenfunktionen aber auch aus unterschiedlichen Vermögenswerten V0. Da im Marktgleichgewicht alle Papiere des Marktes in den Portefeuilles der Investoren enthalten sein müssen, stellen sich deren Preise zum Zeitpunkt 0 so ein, dass die Struktur jedes individuellen Portefeuilles mit der des Marktportefeuilles übereinstimmt. Da das Marktportefeuille alle Wertpapiere enthält, gilt für seinen Endwert: (IV.12)

~ M1G

N ~

N

~

¦ M1n

¦ X n ˜ P1n .

n 1

n 1

Jeder Marktteilnehmer hält im Marktgleichgewicht einen proportionalen Anteil am Marktportefeuille und mithin an dessen Endwert, wobei die Summe aller Anteile gleich 1 ist.

15

Zur Erfassung privater Risiken im Rahmen der Modellstruktur des CAPM vgl. Kapitel VII, Abschnitt 3.

176

Kapitel IV

Die Steigung einer linearen Effizienzkurve im (μV)-Diagramm bei Vorliegen eines Marktgleichgewichts kann ermittelt werden, indem die Standardabweichung des Endwertes eines beliebigen Anteils z (0  z d 1) am Marktportefeuille durch die Risikoprämie dieses anteiligen Portefeuilles dividiert wird. Als Steigung der Effizienzkurve ergibt sich für jeden Anteilseigner: (IV.13)

~ z ˜ Sta (M1G ) z ˜ RPG

~ Sta (M1G ) , RPG

~ wobei Sta (M1G ) die Standardabweichung des Endwertes und RPG die Risikoprämie des Marktportefeuilles bezeichnet. Dieser Zusammenhang impliziert (für das Marktgleichgewicht):

Es gibt kein Portefeuille, für welches das Verhältnis aus Standardabweichung und Risikoprämie niedriger oder das Verhältnis aus Risikoprämie und Standardabweichung (die Risikoprämie je Risikoeinheit) höher ist als für das Marktportefeuille oder einen beliebigen Anteil daran. Irgendeine Risikoprämie kann mit minimaler Standardabweichung grundsätzlich nur in der Weise realisiert werden, dass ein entsprechender Anteil am Marktportefeuille gehalten wird: Für jedes Portefeuille P, dessen Struktur nicht mit der des Marktportefeuilles übereinstimmt, ist das Verhältnis aus Standardabweichung und Risikoprämie höher als beim Marktportefeuille oder einem Anteil daran; die (P,V)-Position des betreffenden Portefeuilles liegt oberhalb der Effizienzkurve im (P,V)-Diagramm und wird somit dominiert. Wenn allerdings ein Portefeuille P (oder ein einzelnes Papier) existiert, das zufällig in dieselbe Risikoklasse fällt wie das Marktportefeuille, so dass ~ ~ eine proportionale Beziehung zwischen seinem Endwert und M1G bzw. z ˜ M1G besteht, ist das Verhältnis aus Standardabweichung und Risikoprämie auch für dieses Portefeuille so hoch wie für das Marktportefeuille; das betreffende Portefeuille ist dann Duplikationsportefeuille eines Anteils am Marktportefeuille.

5.2.2

Höhe der individuellen Anteile am Marktportefeuille

Wie in Kapitel III, Abschnitt 5.2, gezeigt wurde, ist bei gegebener Menge der effizienten Portefeuilles und quadratischer Nutzenfunktion U(V1) der optimale Wertpapierbestand eines Investors eine proportional steigende Funktion seiner Risikotoleranz RTQ { b / 2c  (1  r) ˜ V0 an der Stelle V1 (1  r ) ˜ V0 . Da die Menge der effizienten Portefeuilles für alle Investoren auf dem Kapitalmarkt identisch ist, folgt: Haben alle Marktteilnehmer eine quadratische Nutzenfunktion, wird das Marktportefeuille im Verhältnis der individuellen Risikotoleranzen RTQ aufgeteilt. Für zwei beliebige Anteilseigner i und j gilt: (IV.14)

zi RTQ i

zj RTQ j

.

177

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

Dabei bezeichnet zi (zj) den Anteil des Investors i (j) am Marktportefeuille und RTQi (RTQj) seine Risikotoleranz. Aus (IV.14) folgt: z i ˜ RTQ j

(IV.15)

z j ˜ RTQ i .

Werden beide Seiten von (IV.15) über alle j (j = 1,2,...,I) addiert, wobei I die Zahl der Investoren auf dem Kapitalmarkt bezeichnet, folgt: I

I

z i ˜ ¦ RTQ j

RTQ i ˜ ¦ z j .

j 1

I

Wegen ¦ z j

j 1

1 folgt hieraus:

j 1

(IV.16)

RTQ i

zi

I

(i = 1,2,...,I).

¦ RTQ j j 1

Da die Risikotoleranz RTQi mit dem Kehrwert des ARROW-PRATT-Risikoaversionskoeffizienten an der Stelle (1+r) ˜V0i übereinstimmt, gilt:

RTQ i

1 . a i [(1  r ) ˜ V0i ]

Das Analoge gilt für RTQj. Mithin kann (IV.16) wie folgt dargestellt werden: (IV.17)

zi

1 a i [(1 r )˜ V0i ] I ¦ a j[(11r )˜V0 j ] j 1

( i 1,2,..., I) .

Der Anteil des Anteilseigners (Investors) i am Marktportefeuille ist gleich dem Verhältnis aus seiner eigenen Risikotoleranz und der Summe aller Risikotoleranzen, wobei bei quadratischen Nutzenfunktionen für jeden Anteilseigner die Risikotoleranz auf dasjenige sichere Endvermögen bezogen wird, über das er verfügt, wenn er keine riskanten Wertpapiere hält. Je geringer die Risikotoleranz des Anteilseigners i im Verhältnis zur Summe der Risikotoleranzen aller Anteilseigner ist, desto kleiner ist gemäß (IV.17) der Anteil zi des Anteilseigners i am Marktportefeuille. Die (homogenen) Wahrscheinlichkeitsvorstellungen der An~ teilseigner über den Endwert M1G des Marktportefeuilles haben keinen direkten Einfluss auf zi (i = 1,2,...,I).

178

Kapitel IV

Bei exponentieller Nutzenfunktion und normalverteiltem Endwert aller Wertpapierportefeuilles ist – wie in Kapitel III, Abschnitt 5.2, erläutert wurde – der optimale Wertpapierbestand eines Investors eine proportional steigende Funktion der Steigung seiner Indifferenzkurven im (μV2)-Diagramm, die mit dem Zweifachen seiner Risikotoleranz, also mit 2/a, übereinstimmt. Haben alle Marktteilnehmer eine exponentielle Nutzenfunktion, wird das Marktportefeuille im Verhältnis der individuellen Indifferenzkurvensteigungen oder der Risikotoleranzen aufgeteilt:

(IV.18) z i

2 ai I

¦ a2 j 1 j

1 ai I

( i 1,2,..., I) .

¦ a1 j 1 j

Gemäß (IV.18) ist der Anteil zi des Anteilseigners i am Marktportefeuille wiederum gleich dem Verhältnis aus seiner Risikotoleranz und der Summe der Risikotoleranzen aller Anteilseigner. Die Bestimmungsgleichung (IV.18) entspricht (IV.17) für den Fall quadratischer Nutzenfunktionen. Da bei exponentiellen Nutzenfunktionen konstante absolute Risikoaversion besteht, sind jedoch in (IV.18) die Risikotoleranzen exogen vorgegeben. Gemäß (IV.17) bzw. (IV.18) ist bei gegebenen Risikotoleranzen der Anteil von i am Marktportefeuille umso kleiner, je größer die Zahl I der Investoren auf dem Kapitalmarkt ist. Die individuellen Anteile am Marktportefeuille sind unabhängig davon, aus welchen Wertpapiertypen es sich zusammensetzt. Auch der Marktwert M0G des Marktportefeuil~ les ist bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung seines Endwertes M1G davon unabhängig. Wenn eine Aktiengesellschaft bei gegebenem Investitionsprogramm alle ihre Aktien einzieht und an deren Stelle mehrere verschiedene Wertpapiertypen emittiert, stimmt deren Marktwert insgesamt mit dem der Aktien in der Ausgangssituation überein. Ein Handel mit Wertpapieren wird nicht ausgelöst; die individuellen Anteile am Marktportefeuille sind gegeben. Dieser Zusammenhang folgt letztlich daraus, dass mit zusätzlichen Wertpapieren die Risikoteilung nicht verbessert werden kann. Aufgrund seiner speziellen Voraussetzungen besteht im CAPM kein Bedarf an Differenzierungsmöglichkeiten bezüglich der individuellen Portefeuilles: Alle Investoren im Kapitalmarkt haben homogene Erwartungen, orientieren sich am (P,V)-Prinzip und erzielen allenfalls solche privaten Überschüsse, die von den Endwerten aller Wertpapiere stochastisch unabhängig sind. ~ Erzielt ein Investor einen privaten Überschuss Ü1 (z.B. aus einem privaten Unternehmen), wäre es für ihn vorteilhaft, wenn der Rahmen des CAPM durch Emission solcher Papiere gesprengt würde, deren Endwerte stochastisch von diesem Überschuss ab-

179

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

hängen, weil dann dieser Überschuss mit den neuen Papieren gehedgt werden könnte (Kapitel IX bis XIII). Allerdings würde dies zu divergierenden Strukturen individueller Portefeuilles führen.

5.3

Marktwerte auf der Basis von Sicherheitsäquivalenten

5.3.1

Ermittlung der Marktwerte

Gemäß (III.22) (Kapitel III, Abschnitt 5.1) gelten für das optimale Portefeuille eines Anteilseigners i (i = 1,2,...,I) die Bedingungen:

(IV.19)

~ ~ Kov( P1n ; WP1i,opt ) ~ E( P1n )  (1  r ) ˜ P0n

~

Var (WP1i,opt ) RPi,opt

(n = 1, 2, ...,N).

Da der Anteilseigner i (i= 1,2,...,I) im Gleichgewicht des CAPM den Anteil zi am ge~ samten Marktportefeuilles hält, gilt WP1i, opt z i ˜ M1G und mithin: (IV.20)

~ ~ Kov(P1n ; WP1i, opt )

(IV.21)

Var (WP1i,opt )

~

~ ~ z i ˜ Kov(P1n ; M1G ) ,

~ zi2 ˜ Var ( M1G )

und (IV.22)

RPi,opt

z i ˜ RPG .

Werden (IV.20), (IV.21) und (IV.22) in (IV.19) eingesetzt, ergibt sich: (IV.23)

~ ~ z i ˜ Kov( P1n ; M1G ) ~ E ( P1n )  (1  r ) ˜ P0n

~ z 2i ˜ Var ( M1G ) zi ˜ RPG

(n = 1,2,...,N).

~ Var ( M1G ) RPG

(n=1,2,...,N).

Hieraus folgt: (IV.24)

~ ~ Kov( P1n ; M1G ) ~ E( P1n )  (1  r ) ˜ P0n

Somit folgt für den Marktwert einer Einheit des Papiers n im Gleichgewicht: (IV.25) P0n

~ (1  r ) 1 ˜ [ E( P1n ) 

RPG ~ ~ ˜ Kov( P1n ; M1G )] . ~ Var ( M1G )

 ) wird als Risikoprämie je Risikoeinheit oder als Der Quotient RPG / Var(M 1G Marktpreis für Risiko bezeichnet (LINTNER, 1969, S. 363). Wie noch erläutert  ) auch RP / Var(M  ) ! 0 . Für wird, gilt RPG > 0 und somit wegen Var(M 1G G 1G

180

Kapitel IV

den Marktwert M0n aller Papiere des Typs n, M0n = Xn ˜ P0n (wobei X n die Zahl ~ ~ dieser Papiere bezeichnet), erhält man mit M1n X n ˜ P1n : (IV.26)

M 0n

(1  r)1 ˜ [X n ˜ E(P1n ) 

RPG  ] ˜ X ˜ Kov(P1n ; M 1G  ) n Var(M 1G

RPG  ] ˜ Kov(X n ˜ P1n ; M (1  r)1 ˜ [E (X n ˜ P1n )   ) Var(M 1G 1G  {M 1n

 ) (1  r)1 ˜ [E(M 1n

 {M 1n

RPG  ;M  ] . ˜ Kov(M 1n 1G  ) Var(M 1G Marktrisikoprämie RPn

aller Papiere n  ) {SÄ(M 1n

Die Differenz in den eckigen Klammern auf der rechten Seite der Bewertungsfunktion ~ ~ (IV.26) kann als Markt-Sicherheitsäquivalent SÄ(M1n ) des riskanten Endwertes M1n interpretiert werden. Dieses Sicherheitsäquivalent ergibt sich als Differenz zwischen ~ dem Erwartungswert von M1n und der Marktrisikoprämie RPn aller Papiere n. Gemäß (IV.26) ist M0n gleich dem mit dem risikolosen Zinssatz r diskontierten Marktsicherheitsäquivalent. Von grundlegender Bedeutung ist, dass es für die Beurteilung bzw. die Messung des Risikos eines Papiers nicht allein auf die Varianz seines Endwertes ankommt, sondern auf dessen Kovarianz mit dem Endwert des gesamten Marktportefeuilles. Für die Bewertung eines Papiers spielen daher nicht nur die Informationen bzw. Erwartungen bezüglich dieses Papiers eine Rolle, sondern auch die bezüglich aller anderen Papiere. ~ Wenn sich M1n um den sicheren Betrag ǻ ändert, ändert sich bei konstanter Risiko~ ~ prämie pro Risikoeinheit, RPG / Var (M1G ) , das Sicherheitsäquivalent SÄ (M1n ) eben1 falls um ǻ, so dass M0n um (1  r ) ˜ ' steigt oder sinkt. ~ Für die Marktrisikoprämie RPn E(M1n )  (1  r ) ˜ M 0n aller Papiere n gilt gemäß (IV.26): (IV.27)

RPn

RPG  ;M  ) ˜ Kov(M 1n 1G  ) Var(M 1G

 ;M  ) Kov(M 1n 1G ˜ RP G  Var(M1G ) (n = 1,2,...,N).

~ ~ Für die Summe aller N Kovarianzen Kov(M1n ; M1G ) (n = 1,2,...,N) gilt: N

(IV.28)

N

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ¦ Kov(M1n ; M1G ) Kov( ¦ M1n ; M1G ) Kov( M1G ; M1G ) Var (M1G ). n 1

n

1 ~ M1G

~ ~ Die Summe aller N Kovarianzen Kov(M1n ; M1G ) ergibt somit die Varianz des Endwer~ ~  tes M 1G des Marktportefeuilles. Folglich kann die Kovarianz Kov( M1n ; M1G ) als Bei-

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

181

trag der Papiere n zu dieser Varianz interpretiert werden. Gemäß (IV.27) wird die Risikoprämie RPG des Marktportefeuilles im Verhältnis der Varianzbeiträge auf die ver~ schiedenen Papiere n (n=1,2,...,N) aufgeteilt. Wird der Quotient RPG / Var (M1G ) , die Risikoprämie je Risikoeinheit, mit dem Varianzbeitrag der Papiere n gewichtet, ergibt sich ~ ~ deren Risikoprämie RPn. Für Kov(M1n ; M1G ) < 0 gilt RPn < 0. Zwar wird in Literatur und Praxis bei der Ermittlung und Erklärung von Marktwerten die Risikozuschlags- der Sicherheitsäquivalent-Methode vorgezogen. Trotzdem wird in der vorliegenden Arbeit Marktsicherheitsäquivalenten und Marktrisikoabschlägen (Marktrisikoprämien) besondere Beachtung gewidmet. Der Vergleich von Marktrisikoprämien und subjektiven Risikoprämien ermöglicht eine einfache und anschauliche Analyse von Abweichungen zwischen Marktwerten und subjektiven Grenzpreisen und ihren Ursachen (Kapitel VIII, XI, XII und XV).

5.3.2

Höhe der Marktwerte

5.3.2.1 Abhängigkeit von der Kovarianz ~ Wegen Var (M1G ) > 0 sind die risikoaversen Anteilseigner nur dann bereit, einen Anteil am Marktportefeuille zu halten, wenn sie eine Risikoprämie erzielen. Folglich muss ~ RPG und mithin auch die Risikoprämie je Risikoeinheit, RPG/ Var (M1G ) , positiv sein. Somit ist gemäß (IV.26) der Marktwert M0n bei gegebener Risikoprämie je Risikoein~ ~ heit eine linear fallende Funktion der Kovarianz Kov(M1n ; M1G ) . Dabei sinkt M0n mit ~ steigender Kovarianz umso mehr, je größer RPG/ Var (M1G ) ist. ~ ~ ~ Für Kov(M1n ; M1G ) = 0 gilt M 0n (1  r ) 1 ˜ E(M1n ) . ~ ~ ~ Ist die Kovarianz Kov(M1n ; M1G ) positiv, ist M0n niedriger als (1  r ) 1 ˜ E(M1n ) . Da bei positiver Kovarianz das Marktsicherheitsäquivalent in (IV.26) kleiner ist als der ~ Erwartungswert E(M1n ) , ergibt sich in diesem Fall M0n auf Grund eines „Marktrisikoabschlages“. ~ ~ Bei negativer Kovarianz Kov(M1n ; M1G ) erfolgt ein „Marktrisikozuschlag“; der Marktwert M 0n ist größer als für den Fall, dass M1n einen sicheren Wert in Höhe von ~ E(M1n ) aufweist. Die Ursache hierfür ist, dass bei negativer Kovarianz die Varianz des Marktportefeuilles und mithin auch die Varianzen der individuellen Portefeuilles aufgrund der Papiere n sinken. Dieser Vorteil kann auch wie folgt ausgedrückt werden: Bei ~ negativer Kovarianz besteht die Tendenz, dass der Endwert M1n gerade dann relativ hoch ist, wenn die Überschüsse aus der Gesamtheit aller Investitionen relativ niedrig und mithin die individuellen Grenznutzenwerte relativ hoch sind. Es gilt der folgende Zusammenhang:

(IV.29)

~ ~ Kov( M1n ; M1G )

~ ~ ~ ~ Kov( M1n ; M1n  M1G  M1n ) ~ ~ ~ ~ ~ Kov( M1n ; M1n )  Kov( M1n ; M1G  M1n ) ~ ~ ~ ~ Var ( M1n )  Kov( M1n ; M1G  M1n ).

~ ~ ~ Interpretation: Da die Kovarianz Kov(M1n ; M1G ) die Varianz Var (M1n ) ! 0 enthält, ~ ~ ~ ~ ~ impliziert Kov(M1n ; M1G ) 0 , dass die Kovarianz Kov(M1n ; M1G  M1n ) zwischen

182

Kapitel IV

~ dem Endwert M1n der Papiere n und der Summe der Endwerte aller anderen Papiere, ~ ~ ~ M1G  M1n , negativ ist. Je größer die Varianz Var (M1n ) , desto mehr muss ~ ~ ~ ~ ~ Kov(M1n ; M1G  M1n ) unter null liegen, damit die Kovarianz Kov(M1n ; M1G ) gleich null sein kann. ~ ~ Wenn M1n von allen Endwerten M1m (m  n) stochastisch unabhängig ist, also je~ ~ weils Kov(M1n ; M1m ) 0 gilt, folgt:

 ;M  M  ) Kov(M 1n 1G 1n

N

 ; ¦ M  ) Kov(M 1n 1m m 1 mzn

N

 ;M  ) 0 ¦ Kov(M 1n 1m m 1 mzn

und gemäß (IV.29): (IV.29a)

~ ~ Kov(M1n ; M1G )

~ Var (M1n ) .

~ Wenn für die Papiere n und m (m z n) dieselbe Kovarianz mit M1G gilt, ~ ~ Kov(M1n ; M1G )

~ ~ Kov(M1m ; M1G ) ,

ist für beide derselbe Marktrisikoabschlag oder -zuschlag maßgeblich. Es gilt dann M 0n  M 0m

~ ~ (1  r ) 1 ˜ [E(M1n )  E(M1m )] .

~ ~ Für den Fall E(M1n ) E(M1m ) folgt M 0n M 0m . Es ist zu beachten, dass die Kova ;M  ) und Kov(M  ;M  ) auch bei unterschiedlichen Wahrscheinrianzen Kov(M 1n 1G ~ ~1m 1G lichkeitsverteilungen von M1n und M1m identisch sein können. Es gilt ganz allgemein: Wenn zwei Portefeuilles in jedem Zustand Ss denselben Endwert aufweisen (also das eine Portefeuille ein Duplikationsportefeuille des anderen ist) sind zwar ihre Kovarian zen mit M 1G identisch. Jedoch sind gleiche zustandsabhängige Endwerte eine hinreichende, keine notwendige Bedingung für gleiche Kovarianzen. 5.3.2.2 Abhängigkeit von der Varianz

Aus (IV.26) und (IV.29) folgt wegen ~ ~ ~ Kov( M1n ; M1G  M1n )

N ~ ~ Kov( M1n ; ¦ M1m ) m 1 mz n

N

~

~

¦ Kov( M1n ; M1m ) m 1 mz n

die Bestimmungsgleichung (IV.30)

M 0n

~ (1 r ) 1˜ {E ( M1n ) 

N RPG ~ ~ ~ ˜ [ Var ( M1n )  ¦ Kov( M1n ;M1m)]}. ~ Var ( M1G ) m 1 mz n

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

183

~ ~ Interpretation: Da der Endwert M1n der Papiere n in M1G enthalten ist, setzt sich ~ ~ ~ Kov(M1n ; M1G ) aus der Varianz Var(M1n ) und N 1 „echten“ Kovarianzen ~ ~ Kov(M1n ; M1m ) (m z n) zusammen. Diese Kovarianzen können insgesamt eine erheb~ lich größere Bedeutung für den Marktwert M0n haben als die Varianz Var(M1n ) als einzelne Größe. Ist diese Varianz niedrig, so kann sie eventuell vernachlässigt und (IV.26) wie folgt dargestellt werden: (IV.31)

~ M 0n | (1  r ) 1 ˜[ E( M1n ) 

RPG ~ ~ ~ ˜ Kov( M1n ; M1G  M1n )] . ~ Var ( M1G )

~ Das Ergebnis, dass das Varianzrisiko Var(M1n ) in (IV.30) im Vergleich zum Kovari~ ~ ~ anzrisiko Kov(M1n ; M1G  M1n ) tendenziell einen vernachlässigbar geringen Einfluss auf den Marktwert M0n hat, entspricht den Darstellungen in Kapitel III, Abschnitt 8, wonach im Rahmen stark diversifizierter Portefeuilles das Varianzrisiko als unsystematisches Risiko praktisch eliminiert werden kann und für das Risiko eines Portefeuilles das Kovarianzrisiko von ausschlaggebender Bedeutung ist. Da im Gleichgewicht des CAPM die Investoren mit ihren Anteilen am Marktportefeuille „ideal“ gehedgte Portefeuilles halten, sind ~ entsprechend die Varianzen Var(M1n ) im Vergleich zu der Vielzahl an Kovarianzen ~ ~ Kov(M1n ; M1m ) von geringer Relevanz für die Preisbildung. Die Unterstellung, dass unsystematische (Varianz-)Risiken keinen Einfluss auf die Wertpapierpreise haben, impliziert letztlich, dass diese Risiken für die Investoren auf dem Kapitalmarkt irrelevant sind. Dementsprechend erhalten sie auch keine Risikoprämien dafür, dass sie diese Risiken „tragen“. Allerdings darf nicht übersehen werden, ~ dass eine Vernachlässigung des Risikos Var(M1n ) in (IV.31) eine vereinfachende Approximation darstellt, die streng genommen fehlerhaft ist, auch wenn der „Fehler“ relativ gering sein mag. Die Tatsache, dass für die Preisbildung im CAPM die Kovarianzen vorrangige Bedeutung haben und auf die explizite zusätzliche Berücksichtigung der Varianzen eher verzichtet werden kann, bedeutet jedoch nicht, dass die Varianzen für die Preisbildung irrelevant seien. Ihre positiven Quadratwurzeln, die Standardabweichungen, beeinflussen die Beträge der Kovarianzen. Es gilt nämlich: ~ ~ Kov(M1n ; M1m )

~ ~ ~ ~ U(M1n ; M1m ) ˜ Sta (M1n ) ˜ Sta (M1m ) .

Nur bei einem Korrelationskoeffizienten von null (bei stochastischer Unabhängigkeit) ist die Kovarianz von beiden Standardabweichungen unabhängig. Bei positiver (negativer) Korrelation ist die Kovarianz eine steigende (fallende, ihr Betrag ebenfalls eine steigende) Funktion der beiden Standardabweichungen. Bei stochastischer Abhängigkeit bewirken also die Standardabweichungen auch systematische (Kovarianz-)Risiken. Darüber hinaus bewirken die Varianzen als solche unsystematische Risiken, die im Rahmen der individuellen Portefeuilles im CAPM praktisch eliminiert werden und bei der Erklärung der Preisbildung vereinfachend vernachlässigt werden können. ~ Wenn sich die Varianz Var(M1n ) ändert, bleibt gemäß (IV.31) der Marktwert M0n konstant, sofern sich die Kovarianz

184

Kapitel IV

~ ~ ~ Kov(M1n ; M1G  M1n )

N

~

~

¦ Kov(M1n ; M1m ) m 1 mzn

~ ~ nicht ändert. Dabei können sich einzelne Kovarianzen Kov(M1n ; M1m ) durchaus ändern, jedoch muss ihre Summe konstant bleiben. ~ ~ Tritt zum Endwert M1n ein von allen Endwerten P1m (m  n) stochastisch unabhän~ ~ ~ giger (Stör-)Term ' hinzu, ändern sich die Kovarianzen Kov(M1n ; M1m ) nicht, so dass sich gemäß (IV.31) M0n um den mit dem risikolosen Zinssatz r diskontierten Er~ ~ wartungswert von ' ändert, und zwar unabhängig davon, welche Varianz der Term ' aufweist. Aus (IV.31) folgt allgemein: ~ M1n | (1  r ) 1 ˜ E (M1n )

~ ~ ~ für Kov(M1n ; M1G  M1n )

0,

so dass die Papiere n eine Risikoprämie von (annähernd) null bieten. Wegen ~ ~ ~ Kov(M1n ; M1G  M1n )

N

~

~

¦ Kov(M1n ; M1m ) m 1 n z1

~ ~ ~ ~ setzt Kov(M1n ; M1G  M1n ) 0 nicht notwendig voraus, das M1n mit allen Endwer~ ten M1m unkorreliert ist, sondern lediglich, dass sich positive und negative Kovarian~ ~ zen Kov(M1n ; M1m ) kompensieren. ~ Es wird gelegentlich behauptet, dass die Varianz Var (M1n ) dann einen vernachläs~ sigbaren Einfluss auf M0n habe, wenn sie im Vergleich zur Varianz Var (M1G ) des Endwertes aller Papiere sehr niedrig sei. Diese Behauptung impliziert, dass die Varianz ~ ~ Var (M1n ) umso eher vernachlässigt werden könne, je größer die Varianz Var (M1G ) ist. Jedoch ist zu beachten, dass in der Bewertungsfunktion (IV.30) – die (IV.26) ent~ ~ spricht – die Varianz Var (M1n ) nicht mit 1/ Var (M1G ) gewichtet wird, sondern mit ~ RPG/ Var (M1G ) . Wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird, beeinflusst die Varianz ~ Var (M1G ) die Risikoprämie RPG im Allgemeinen so, dass die Risikoprämie je Risiko~ ~ ~ einheit, RPG/ Var (M1G ) , von Var (M1G ) unabhängig ist. Die Varianz Var (M1n ) wird ~ ~ somit in (IV.30) unabhängig von Var (M1G ) mit demselben Term RPG/ Var (M1G ) gewichtet. Dieser Term ist jedoch umso niedriger, je größer die Zahl I der Investoren auf dem Kapitalmarkt ist. Je mehr Personen sich also das Marktrisiko teilen (je kleiner ihre Portefeuilles sind), desto eher können Varianzrisiken bei der Erklärung der Wertpapierpreise vernachlässigt werden. 5.3.2.3 Abhängigkeit von der Risikoprämie je Risikoeinheit bzw. den Risikoeinstellungen

~ Gemäß (IV.26) ist der Marktwert M0n bei gegebenem Erwartungswert E(M1n ) und ~ ~ gegebener Kovarianz Kov(M1n ; M1G ) von der Risikoprämie je Risikoeinheit,

185

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

~ ~ ~ RPG/ Var (M1G ) , abhängig: Bei positiver (negativer) Kovarianz Kov(M1n ; M1G ) ist ~ M0n eine linear fallende (steigende) Funktion von RPG/ Var (M1G ) . Für ~ ~ Kov(M1n ; M1G ) = 0 ist M0n gleich dem mit dem risikolosen Zinssatz r diskontierten ~ ~ Erwartungswert E(M1n ) . M0n ist dann von RPG/ Var (M1G ) unabhängig. ~ RPG / Var (M1G ) ist seinerseits von den Nutzenfunktionen (den Risikoeinstellungen) der Anteilseigner abhängig. Somit werden in (IV.26) zwar die Nutzenfunktionen nicht explizit erfasst, wohl aber implizit über die Risikoprämie je Risikoeinheit. Zur Analyse des Zusammenhangs zwischen ihr und den individuellen Nutzenfunktionen wird die Optimumbedingung (III.22) (Kapitel III, Abschnitt 5.1) für ein individuelles Wertpapierportefeuille betrachtet, die für einen Anteilseigner i (i = 1,2,...,I) wie folgt dargestellt werden kann: ~

(IV.32)

Var ( WP1i, opt ) RPpi, opt

1 ˜ O i, opt 2

(i = 1,2,...,I).

Da der Anteilseigner i im Gleichgewicht den Anteil zi am Marktportefeuille hält, gilt   W 1i,opt zi ˜ M1G und RPpi,opt z ˜ RPG , so dass (IV.32) wie folgt dargestellt werden kann: (IV.33)

O i,opt

~ Var ( z i ˜ M1G ) zi ˜ RPG ~ Var ( M1G ) 2 ˜ zi ˜ RPG

~ z 2 ˜ Var ( M1G ) 2˜ i zi ˜ RPG



(i = 1,2,...,I).

Für die Summe aller Oi,opt-Werte gilt: I

I

¦ O i,opt

¦ 2 ˜ zi ˜

i 1

i 1

~ Var ( M1G ) RPG



~ Var ( M1G ) I ˜ ¦ zi RPG i

1



~ Var ( M1G ) . RPG

1

Hieraus folgt für die Risikoprämie je Risikoeinheit: (IV.34)

RPG ~ Var ( M1G )

2

¦ Ii 1 O i,opt

.

Gemäß den Darstellungen in Kapitel III, Abschnitt 4.1, gibt der Lagrange-Faktor Oi,opt im Gleichgewicht an, wie weit die Varianz des Endwertes des Portefeuilles des Investors i steigt, wenn er ausgehend von seinem optimalen Anteil z am Marktportefeuille die Risikoprämie seines Portefeuilles um eine marginale Einheit erhöht, indem er seinen Anteil am Marktportefeuille entsprechend vergrößert. Oi,opt ist identisch mit der Steigung der Effizienzkurve im (μ,V2)-Diagramm bei demjenigen Abszissenwert, der dem optimalen Portefeuille entspricht. Da bei diesem Abszissenwert die Effizienzkurve eine

186

Kapitel IV

Indifferenzkurve tangiert, kann Oi,opt auch durch die entsprechende Indifferenzkurvensteigung ausgedrückt werden. Wird sie mit Stgi,opt bezeichnet, kann (IV.34) wie folgt dargestellt werden: (IV.35)

RPG ~ Var ( M1G )

2

¦ Ii 1Stg i,opt

.

Sind die Endwerte der Portefeuilles normalverteilt und hat der Investor i (i = 1,2,...,I) eine exponentielle Nutzenfunktion, so verlaufen seine Indifferenzkurven im (μ,V2)-Diagramm linear mit der Steigung Stgi = 2 / ai, so dass aus (IV.35) folgt: RPG (IV.36) ~ Var ( M1G )

2

1

¦ Ii 1 a2i

¦ Ii 1 a1i

.

Dabei bezeichnet ai den Risikoaversionskoeffizienten des Anteilseigners i und 1 / ai seine Risikotoleranz. Gemäß (IV.36) ist der Marktpreis des Risikos gleich dem Kehrwert der Summe aller Risikotoleranzen, der als „Marktrisikoaversionskoeffizient“ bezeichnet wird (vgl. LINTNER, 1970, S. 92; RUDOLPH, 1979, S. 79). Der Marktpreis des Risikos ist umso höher, je größer die Risikoaversionskoeffizienten ai sind. ~ Der Erwartungswert und die Varianz des Endwertes M1G des Marktportefeuilles haben bei Normalverteilungen und exponentiellen Nutzenfunktionen gemäß (IV.36) keinen ~ ~ Einfluss auf den Quotienten RPG / Var (M1G ) . Wenn die Varianz Var (M1G ) steigt (sinkt), steigt (sinkt) die Risikoprämie RPG im gleichen Verhältnis, so dass die Risiko~ prämie je Risikoeinheit konstant bleibt.16 Wenn bei gegebener Varianz Var (M1G ) der ~ Erwartungswert E(M1G ) steigt oder sinkt, bleibt RPG konstant; auch hier ändert sich ~ der Quotient RPG / Var (M1G ) nicht.17

(IV.36) gilt im Prinzip auch für quadratische Nutzenfunktionen, bei denen aber die Risikotoleranzen vom Erwartungswert des Endvermögens abhängen. Bei quadratischer Nutzenfunktion verlaufen die Indifferenzkurven im (μ,V2)-Dia~ gramm streng konkav. Zwar weisen für gegebenen Erwartungswert E(V1 ) des Endvermögens alle Indifferenzkurven eines Investors dieselbe Steigung auf. Jedoch ist bei gegebener Varianz die Indifferenzkurvensteigung eine linear fallende Funktion des Erwartungswertes des Endvermögens (Kapitel II, Abschnitt 2.3.2.1). Dies hat folgende Konsequenz:

16

17

 ), Eine steigende bzw. fallende Risikoprämie RPG impliziert bei gegebenem Erwartungswert E(M 1G dass der Marktwert M0G des Marktportefeuilles sinkt bzw. steigt.  ) um ', so ändert sich M um (1  r)1 ˜ ' . Ändert sich E(M 1G 0G

187

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

1. Die Risikoprämie je Risikoeinheit ist eine steigende Funktion des Erwar~ tungswertes E(M1G ) . ~ 2. Die Risikoprämie je Risikoeinheit ist jedoch von der Varianz Var (M1G ) unabhängig, weil die Steigungen der konkaven Indifferenzkurven im (μ,V2)Diagramm von der Varianz des Endvermögens unabhängig sind. ~ Die Risikoprämie je Risikoeinheit ist bei gegebener Varianz von M1G umso niedriger, je größer die Zahl I der Anteilseigner ist, zwischen denen das Marktportefeuille geteilt wird. Dies lässt sich besonders anschaulich für normalverteiltes Endvermögen und exponentielle Nutzenfunktionen verdeutlichen: Je größer die Zahl der Anteilseigner, desto größer ist bei gegebenen Risikoaversionskoeffizienten ai die Summe aller Risikotole~ ranzen 1 / ai und desto kleiner ist gemäß (IV.36) der Quotient RPG / Var (M1G ) und ~ folglich bei gegebener Varianz Var (M1G ) auch die Risikoprämie RPG; geht die Zahl I ~ der Anteilseigner gegen f, so geht RPG / Var (M1G ) gegen null (GILLENKIRCH/VELTHUIS, 1997, S. 127 f.). Je größer also die Zahl der Anteilseigner ist, desto weniger fällt das gesamte Risiko ins Gewicht und desto geringer ist die Marktrisikoprämie bzw. der Risikoabschlag in (IV.26) für den Fall, dass die Papiere n das Gesamtrisiko erhöhen ~ ~ ( Kov(M1n ; M1G ) > 0), bzw. der Marktrisikozuschlag für den Fall, dass sie das Ge~ ~ samtrisiko reduzieren ( Kov(M1n ; M1G ) < 0). Je größer die Zahl der Anteilseigner, desto größer ist der Marktwert von Papieren mit positiver Risikoprämie und desto kleiner ist der Marktwert von Papieren mit negativer. Dieser Zusammenhang gilt auch für quadratische Nutzenfunktionen.

5.3.2.4 Zum Verhältnis zwischen Standardabweichung und Risikoprämie eines Portefeuilles ~

Bezeichnet man den Endwert eines beliebigen Portefeuilles mit WP1 , gilt für dessen Risikoprämie RPP im Gleichgewicht: (IV.37)

RPP

~ RPG ~ ˜ Kov( WP1 ; M1G ) ~ Var (M1G ) ~ ~ RPG ~ ~ ˜ Sta ( WP1 ) ˜ U( WP1 ; M1G ) ˜ Sta (M1G ) ~ Var (M1G ) ~ ~ RPG ~ ˜ Sta ( WP1 ) ˜ U( WP1 ; M1G ) . ~ Sta (M1G )

Entsprechend gilt für das Verhältnis aus Standardabweichung und Risikoprämie eines beliebigen Portefeuilles:

188

Kapitel IV

~

(IV.38)

Sta(WP1 ) RPP

 ) Sta(M 1G ˜ RPG

1 ~

.

 ) U(WP1; M 1G

~ ~ Ist der Korrelationskoeffizient nicht positiv, U( WP1 ; M1G ) d 0 , ist wegen ~  ) ! 0 und RP ! 0 die Risikoprämie RP des PortefeuSta ( WP1 ) ! 0 , Sta(M P 1G G ~ illes ebenfalls nicht positiv. Es ist dann wegen Sta ( WP1 ) ! 0 nachteilig, dieses Portefeuille isoliert von anderen Papieren zu halten. Damit ein Portefeuille effi~ ~ zient sein kann, muss U( WP1 ; M1G ) ! 0 und entsprechend RPP ! 0 gelten. ~  ) ! 0 ist gemäß (IV.38) die Standardabweichung pro RiIm Bereich U(WP1; M 1G sikoprämie des Portefeuilles eine fallende Funktion des Korrelationskoeffizien~ ~ ten U( ˜ ) seines Endwertes WP1 mit dem Endwert M1G des Marktportefeuilles. Die Standardabweichung pro Risikoprämie erreicht ihr Minimum für U( ˜ ) 1 und stimmt dann mit dem Verhältnis aus Standardabweichung und Risikoprämie für das Marktportefeuille, der Steigung einer (linearen) Effizienzkurve im (P,V)Diagramm, überein. Das Portefeuille wird dann durch einen Punkt auf dieser Effizienzkurve repräsentiert. Für U( ˜ )  1 liegt der betreffende Punkt oberhalb der Effizienzkurve, so dass das Portefeuille isoliert von anderen Papieren ineffizient ist. ~ ~ Die Bedingung U( WP1 ; M1G ) 1 ist erfüllt, wenn

~

~ a ˜ M1G

WP1

(a > 0)

gilt.18 Dies ist der Fall, wenn das Portefeuille in einem Anteil am Marktportefeuille besteht oder zwar davon abweicht, aber trotzdem – zufällig – in dieselbe Risikoklasse fällt wie das Marktportefeuille bzw. ein beliebiger Anteil daran. Das Portefeuille ist dann Duplikationsportefeuille eines Anteils am Marktportefeuille. Da sichere Überschüsse keinen Einfluss auf die Standardabweichung und die Risiko~ ~ prämie haben, kann die Bedingung für U( WP1 ; M1G ) 1 wie folgt verallgemeinert werden: ~

~ a ˜ M1G  b

WP1 18

(a > 0 und b beliebig).

Beweis: Es gilt:

 ;M  ) Sta(a ˜ M  ) ˜U(a ˜ M  ;M  ) ˜ Sta(M  ). Kov(a ˜ M 1G 1G 1G 1G 1G 1G

~

WP1

Hieraus folgt:  ;M  ) U(a ˜ M 1G 1G ~

~  ) U(WP1; M 1G

 ;M  ) a ˜ Kov(M 1G 1G  ) ˜ Sta(M  ) | a | ˜Sta(M 1G 1G

 ) Var(M 1G  ) Var(M

1.

1G

WP1

Dabei ist zu beachten, dass wegen a > 0 der Betrag | a | von a mit a übereinstimmt: | a | a .

Ŷ

189

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

~

Dabei ist b (wie a) ein deterministischer Betrag. Für b z 0 fällt nun WP1 zwar in eine ~ ~ andere Risikoklasse als a ˜ M1G bzw. M1G , jedoch ist nun das Portefeuille in Verbindung mit einer sicheren Anlage oder Aufnahme von Kapital zum Zinssatz r Duplikationsportefeuille des Anteils a am Marktportefeuille; im Fall b > 0 wird der Betrag (1  r ) 1 ˜ b geliehen und im Fall b < 0 angelegt. Für alle anderen Portefeuilles ist der Korrelationskoeffizient kleiner als 1 (der maximale Korrelationskoeffizient ist gleich 1), so dass sich zeigt: Für jedes Portefeuille, dessen Struktur nicht mit der des Marktportefeuilles übereinstimmt und auch nicht durch Anlage oder Aufnahme von Kapital zum Zinssatz r darauf zurückgeführt werden kann, ist das Verhältnis aus Standardabweichung und Risikoprämie höher als beim Marktportefeuille oder einem Anteil daran; die (P,V)-Position des betreffenden Portefeuilles liegt oberhalb der Effizienzkurve und wird somit von Punkten auf der Effizienzkurve dominiert; das Portefeuille kann für sich gesehen nicht optimal sein.

5.4

Marktwerte auf der Basis risikoangepasster Zinssätze

5.4.1

Erwartete Renditen von riskanten Wertpapieren

Die bisherigen Darstellungen beruhen auf absoluten Größen. In der Literatur wird jedoch das CAPM im Allgemeinen in Renditeschreibweise dargestellt. Die Rendite des Papiers n ist definiert als: ~r n

~ M1n  M 0n . M 0n

Analog gilt für die Rendite des Marktportefeuilles: ~r G

~ M1G  M 0G . M 0G

Aus diesen Definitionen folgt: (IV.39)

~ E ( M1n )

(IV.40)

RP G

(IV.41)

~ Var ( M1G )

M 0n ˜ [1  E( ~rn )],

M 0G ˜ [ E( ~rG )  r ], Var M 0G ˜ (1  ~rG ) M 20G ˜ Var (1  ~rG ) M 20G ˜ Var ( ~rG )

und (IV.42)

~ ~ Kov( M1n ; M1G )

Kov[(1  ~rn ) ˜ M 0n ;(1  ~rG ) ˜ M 0G ] M 0n ˜ M 0G ˜ Kov[(1  ~rn );(1  ~rG )] M 0n ˜ M 0G ˜ Kov( ~rn ; ~rG ).

190

Kapitel IV

Einsetzen von (IV.39) bis (IV.42) in (IV.26) ergibt: (IV.43)

M ˜[ E( ~rG )  r ] M 0n (1 r ) 1˜{M 0n ˜[1 E( ~rn )] 0G ˜M 0n ˜M 0G ˜Kov( ~rn ;~rG )}. M 20G ˜Var ( ~rG )

Hieraus folgt nach Kürzung und Multiplikation der Gleichung mit (1+r): (IV.44)

1 r

E( ~rG )  r 1  E( ~rn )  ˜ Kov( ~rn ; ~rG ) Var ( ~rG )

bzw. die CAPM-Renditegleichung19: (IV.45) E (~rn )

r

E (~rG )  r ˜ Kov(~rn ; ~rG ) . Var (~rG )

Interpretation: Da das Marktportefeuille riskant ist, sind Investoren nur dann bereit, einen Teil dieses Portefeuilles zu halten, wenn sie eine positive Risikoprämie erzielen. Mithin muss E (~rG )  r ! 0 gelten. Wegen Var(~rG ) ! 0 ist folglich der Quotient auf der rechten Seite von (IV.45), die renditebezogene Risikoprämie je Risikoeinheit, positiv. Somit ist der Erwartungswert E (~rn ) eine linear steigende Funktion von Kov(~rn ; ~rG ) . Für Kov(~rn ; ~rG ) = 0 stimmt E (~rn ) mit dem risikolosen Zinssatz r überein, bei positiver (negativer) Kovarianz ist E (~rn ) höher (niedriger) als r. Bei gegebener Kovarianz Kov(~rn ; ~rG ) z 0 weicht E (~rn ) umso mehr von r ab, je höher die renditebezogene Risikoprämie je Risikoeinheit, [E (~rG )  r ] / Var(~rG ) , ist. Dabei gilt gemäß (IV.45):

(IV.46)

E( rn )

E( rG )

für Kov(~rn ; ~rG )

Var(~rG ) .

Oft wird die Gleichung (IV.45) mit Hilfe des Beta-Faktors En {

Kov( ~rn ; ~rG ) Var ( ~rG )

vereinfachend wie folgt dargestellt: (IV.47) E( ~rn )

19

r  [ E( ~rG )  r ] ˜E n .

Vgl. z.B. FRANKE/HAX (2004, S. 352) und KRUSCHWITZ (1999, S. 173 f.). Dieses Ergebnis wird üblicherweise auf der Grundlage von Portefeuille-Modellen hergeleitet, die auf Renditen und nicht wie in der vorliegenden Arbeit auf Endvermögenswerten (Residualgewinnen) als Zielgrößen beruhen.

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

191

E (~rn ) ist eine linear steigende Funktion des Beta-Faktors En als Risikomaß. Der BetaFaktor hat nicht nur theoretische Bedeutung. Er wird von der Praxis der Finanzanalyse allgemein genutzt. Auch in die Praxis der Investitionsrechnung und der Unternehmensbewertung sind daraus abgeleitete Verfahren der rechnerischen Berücksichtigung des Risikos eingegangen (RUDOLPH, 1979; HACHMEISTER, 2000). In Kapitel VII, Abschnitt 4.2, wird erläutert, wie Beta-Faktoren in der Praxis (von Finanzdienstleistern) ermittelt werden. Wegen

Kov(rn ; rG ) Sta(rn ) ˜U(rn ; rG ) ˜ Sta(rG ) und Var(rG ) Sta(rG ) ˜ Sta(rG ) kann En auch wie folgt dargestellt werden: En

Sta ( ~rn ) U( ~rn ; ~rG ) ˜ . Sta ( ~rG )

Bei gegebenen Standardabweichungen ist En eine linear steigende Funktion des Korrelationskoeffizienten U( ˜ ) für die beiden Renditen.

5.4.2

Marktwertermittlung mit Hilfe eines risikoangepassten Zinssatzes

Aus (IV.39) folgt für den Marktwert M0n: (IV.48) M 0n

~ [1  E ( ~rn )] 1˜ E ( M1n ) .

Der Erwartungswert E (~rn ) kann als risikoangepasster Kalkulationszinsfuß interpretiert ~ werden, mit dem der „Markt“ im Gleichgewicht den Erwartungswert von M1n diskontiert. Er bringt die „Renditeforderung“ der Investoren zum Ausdruck. Geht es um die Bewertung der Aktien eines Unternehmens wird E (~rn ) als Eigenkapitalkostensatz bezeichnet. In Verbindung mit (IV.45) folgt aus (IV.48) für den Marktwert M0n:

(IV.49) M 0n

E ( ~rG )  r ~ [1  r  ˜ Kov( ~rn ; ~rG )]1 ˜ E( M1n ) Var ( ~rG ) E ( ~rn )

oder unter Verwendung des Beta-Faktors: (IV.50) M 0n

~ [1  r  [E(~rG )  r ] ˜ E n ] 1 ˜ E(M1n ) . E ( ~rn )

~ Bei gegebenem Erwartungswert E(M1n ) ist M0n eine fallende Funktion von En. Die Bewertungsfunktion (IV.50) führt zu demselben M0n-Wert wie (IV.26).

192

Kapitel IV

~ Während in (IV.26) das Marktsicherheitsäquivalent von M1n mit dem risikolosen Zinssatz r diskontiert wird (Sicherheitsäquivalent-Methode), wird in (IV.50) ~ der Erwartungswert von M1n mit einem risikoangepassten Zinssatz diskontiert ~ ~ (Risikozuschlags-Methode). Für den Fall Kov(M1n ; M1G ) = 0 gilt ~ ~ Kov( rn ; rG ) = 0 und mithin En = 0, so dass sowohl aus (IV.26) als auch aus (IV.50) die Gleichung ~ (1  r ) 1 ˜ E ( M1n )

(IV.51) M 0n

folgt. In diesem Spezialfall stimmt der „risikoangepasste“ Zinssatz mit dem risikolosen überein. Bei negativer Kovarianz Kov(~rn ; ~rG ) ist der risikoangepasste Zinssatz kleiner als r. Es wird dann also im Kalkulationszinsfuß ein negativer „Risikozuschlag“, also ein Risikoabschlag, vorgenommen. ~ Ist bei gegebenem Erwartungswert E(M1n ) der Gleichgewichtspreis M0n bekannt, so kann natürlich der zugehörige risikoangepasste Kalkulationszinsfuß in einfacher Weise wie folgt ermittelt werden: ~ E ( M1n )  M 0n . M 0n

E ( ~rn )

Wenn aber der Gleichgewichtspreis M0n bereits bekannt ist, ist natürlich E (~rn ) für dessen Ermittlung irrelevant. Risikoangepasste Zinssätze können vor allem dann bewertungsrelevant sein, wenn es darum geht, den Einfluss neuer Investitionsprojekte auf M0n zu prognostizieren. Bei Anwendung von (IV.50) ist dann der Einfluss der Investitionen auf E (~rn ) abzuschätzen.

5.4.3

Ermittlung der Risikoprämie auf der Basis eines risikoangepassten Zinssatzes

Für die (absolute) Risikoprämie aller Papiere des Typs n gilt die allgemeine Definitionsgleichung: (IV.52)

~ RPn { E (M1n )  (1  r ) ˜ M 0n .

~ E(M1n ) kann gemäß (IV.50) wie folgt dargestellt werden: (IV.53)

~ E (M1n )

M 0n ˜ (1  r  [E (~rG )  r ] ˜ E n ) .

Einsetzen in (IV.52) ergibt: (IV.54)

RPn

M 0n ˜ [E(rG )  r] ˜En .

Für die Risikoprämie einer Einheit des Papiers n gilt analog:

193

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

(IV.55)

~ E (P1n )  (1  r ) ˜ P0n

P0n ˜ [E (~rG )  r ] ˜ E n

(n = 1,2,…,N).

Diese Risikoprämien sind von grundlegender Bedeutung für die Portefeuilleplanung (Kapitel III), das optimale Hedgen des mit einem Bewertungsobjekt verbundenen Risikos durch Portefeuillebildung (Kapitel IX und X) und darauf aufbauend die Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises (Kapitel XI, XII und XV). Gemäß (IV.55) kann man die Risikoprämien ermitteln, indem man die gegenwärtigen Börsenkurse P0n mit der erwarteten Überrendite E(rG )  r des Marktportefeuilles und den (von Finanzdienstleistern geschätzten) zugehörigen Beta-Faktoren gewichtet.

5.4.4

~ Bewertung auf der Basis der Kovarianz zwischen M 1n und ~rG

Wie in Kapitel VI, Abschnitt 3.1.2.1, gezeigt wird, können sich bei der Ermittlung der Marktwerte neuer Investitionsprojekte auf der Basis risikoangepasster Zinssätze Bewertungsprobleme ergeben, die vermieden werden können, indem die (Markt-)Sicherheitsäquivalente ihrer Überschüsse mit dem risikolosen Zinssatz r diskontiert werden und dabei die Sicherheitsäquivalente mit Hilfe der Marktrendite rG ermittelt werden. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie auf diese Weise M0n bestimmt werden kann. Es gilt: (IV.56)

~ ~ Kov( M1n ; M1G )

~ Kov[ M1n ;(1  ~rG ) ˜ M 0G ] ~ M 0G ˜ Kov( M1n ; ~rG ).

Einsetzen von (IV.56), (IV.40) und (IV.41) in (IV.26) ergibt:

(IV.57) M 0n

M ˜ [E(~rG )  r ] ~ ~ (1  r ) 1 ˜ [E(M1n )  0G ˜ M 0G ˜ Kov(M1n ; ~rG )] 2 ~ M 0G ˜ Var( rG ) E (~rG )  r ~ ~ (1  r ) 1 ˜ [E(M1n )  ˜ Kov(M1n ; ~rG )] ~ Var( r ) G Marktrisikoprämie aller Papiere n

~ { SÄ ( M 1n )

~ Wie in (IV.26) wird das Marktsicherheitsäquivalent von M1n mit dem risikolosen Zinssatz r diskontiert. Jedoch wird in (IV.57) der Risikoabschlag von ~ E(M1n ) – die Marktrisikoprämie aller Papiere n – auf der Basis der Rendite ~rG des Marktportefeuilles und nicht auf der Basis der absoluten Marktwerte M0G  und M 1G dieses Portefeuilles ermittelt. Der Vorteil von (IV.57) kann insbesondere darin bestehen, dass die hierin enthaltenen Terme einfacher zu schätzen sind als die in (IV.26).

194

Kapitel IV

6

Modifizierter SPA

6.1

Das Modell

Der SPA beruht auf der Annahme eines vollständigen Kapitalmarktes, in dem jedes Wertpapier (jeder Finanztitel) in jedem Zustand Ss (s = 1,2,...,S) jeweils einen deterministischen Endwert aufweist. Jedoch gibt es für zentrale Risiken (z.B. im Absatzbereich) gar keine verifizierbare und unbeeinflussbare Daten, für die spezifische bedingte Zahlungsansprüche gehandelt werden können. Einerseits stellt der SPA einen theoretischen Grenzfall dar, andererseits ist er eine wichtige theoretische Grundlage für die Analyse von Entscheidungsproblemen, mit der der Kapitalmarktzusammenhang in einfacher und anschaulicher Weise berücksichtigt werden kann. Es ist daher interessant, dass sich der SPA unter bestimmten Voraussetzungen derart modifizieren lässt, dass seine Bewertungsfunktionen in strukturgleicher Form auch bei Unvollständigkeit des Kapitalmarktes gelten. Die betreffenden Bewertungsfunktionen lassen sich analog erklären und interpretieren wie die des SPA. Der im Folgenden dargestellte „modifizierte“ SPA hat nicht nur Bedeutung für die Ermittlung eines aus Sicht der Anteilseigner eines börsennotierten Unternehmens optimalen Investitionsprogramms, sondern auch für die subjektive Bewertung von Investitionsprojekten (oder Anteilen daran) vom Standpunkt eines individuellen Investors. Darauf kommen wir in den Kapiteln XI, XII und XV zurück. Der modifizierte SPA beruht auf den folgenden Voraussetzungen: 1. Der Endwert einer Einheit des Papiers n (n= 1,2,...,N) hängt vom eintretenden Zustand Ss und von der Ausprägung eines als „Noise“ bezeichneten wertpapierspezifischen stochastischen Störterms ~Hn ab.20 Für den Endwert bei Eintreten des Zustandes Ss gilt nun: (IV.58)

~ St P1n , s

P1n , s  ~Hn

(s = 1,2,...,S).

P1n , s ist wie im SPA eine deterministische Größe, die nun vom Störterm ~Hn überlagert wird. Der Erwartungswert des stochastischen Störterms H n ist gleich null, so dass gilt: (IV.59)

~ E(P1Stn , s )

P1n , s

(s = 1,2,...,S).

Alle Störterme sind stochastisch unabhängig von den Endwerten aller umlaufenden Papiere. Auch untereinander sind die Störterme stochastisch unabhängig, so dass auch die entsprechenden Kovarianzen bzw. Korrelationskoeffizienten gleich null sind; Kov(H n ; H m ) 0 für alle m  n. Der Störterm ~Hn resultiert aus spezifischen Daten oder Ereignissen, die primär den Endwert des Papiers n beeinflussen. Zum Beispiel kann bei Aktien eines Unternehmens der Störterm aus einer möglichen Krankheit von Mitarbeitern des Unternehmens, aus Diebstahl, Schwund, Feuerschäden, Stö20

Zur Erklärung solcher Störterme vgl. auch V. HEIL (1995); GILLENKIRCH (2004); SHLEIFER (2000); SHLEIFER/SUMMERS (1990).

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

195

rungen des Betriebsablaufs oder Zahlungsunfähigkeit eines Kunden resultieren. Die Zustände Ss (s = 1,2,...,S) sind Kombinationen aus Ausprägungen (kostenlos) überprüfbarer und verifizierbarer Marktdaten, die simultan die Endwerte aller oder mehrerer Papiere beeinflussen, z.B. des Rohölpreises, des Leitzinses der EZB, der durch bestimmte Indikatoren charakterisierten Konjunkturlage oder des Dollarkurses. 2. Für den Zustand Ss (s = 1,2,…,S) können nach wie vor bedingte Zahlungsansprüche zu dem allseits bekannten Preis ʌs gehandelt werden. 3. Das aus dem Störterm ~Hn (n = 1,2,...,N) resultierende Risiko ist idiosynkratisch, d.h. nicht direkt (spezifisch) handelbar, z.B. weil der Störterm nicht oder nur zu prohibitiv hohen Kosten verifizierbar ist. Da der Störterm ~Hn (n = 1,2,...,N) von den Endwerten aller umlaufenden Papiere stochastisch unabhängig ist, kann er auch nicht mit ihnen direkt gehedgt werden. Da jedoch die Störterme für die verschiedenen Wertpapiertypen voneinander stochastisch unabhängig sind, kann das idiosynkratische Risiko durch Bildung gut diversifizierter Portefeuilles für den einzelnen Anteilseigner praktisch eliminiert werden. Für den modifizierten SPA wird angenommen, dass die Anteilseigner solche Portefeuilles halten (es müssen jedoch keine Anteile am Marktportefeuille sein) und dies impliziere: Für den Preis P0n des Papiers n ~ ist es „quasi“ irrelevant, dass dessen Endwert P1Stn im Rahmen eines Zustandes Ss ~ (s = 1,2,…,S) aufgrund des Störterms Hn um seinen bedingten Erwartungswert St E(P1n | Ss ) P1n,s streut. Dies ist allerdings eine vereinfachende Annahme, die bei Risikoaversion der Anteilseigner nur näherungsweise erfüllt sein kann.21 Das aus den wertpapierspezifischen Daten bzw. Ereignissen resultierende störtermbedingte Risiko ist „unsystematisch“, das aus den Zuständen Ss resultierende zustandsbedingte Risiko ist „systematisch“. Bietet ein Wertpapier n in jedem Zustand Ss denselben sicheren Endwert, gibt es bezüglich dieses Papiers weder störtermbedingtes noch zustandsbedingtes Risiko. Besteht bei einem Papier sowohl störtermbedingtes als auch zustandsbedingtes Risiko, ist der Endwert in jedem Zustand Ss ungewiss und der Erwartungswert des Endwertes ist zustandsabhängig. Im Gegensatz zum modifizierten SPA gibt es im SPA (im strengen Sinn) kein idiosynkratisches Risiko; der Endwert jedes Wertpapiers ist eindeutig durch den eintretenden Zustand Ss determiniert. Die Endwerte sind nur von solchen Daten bzw. Ereignissen abhängig, für die explizit oder implizit zustandsbedingte Zahlungsansprüche gehandelt werden können; der Kapitalmarkt im SPA ist im Gegensatz zum modifizierten SPA vollständig. Im SPA können sämtliche Überschüsse dupliziert und das daraus resultierende Risiko durch Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles eliminiert werden. Es gibt keine Störterme, die von den Wertpapierpreisen stochastisch unabhängig sind; Duplizierbarkeit impliziert stochastische Abhängigkeit.

21

Die Annahme impliziert: Der Endwert jedes individuellen Portefeuilles streut in jedem Zustand Ss so wenig, dass im jeweiligen Streubereich der zustandsabhängige Grenznutzenwert quasi-konstant ist. (Jedoch können sich die Grenznutzenwerte von Zustand zu Zustand erheblich unterscheiden.) Der erwartete Nutzen des Endwertes stimmt dann für jeden Zustand Ss jeweils mit dem Nutzenwert eines deterministischen Endwertes in Höhe des bedingten Erwartungswertes überein.

196

Kapitel IV

Das idiosynkratische (störtermbedingte) Risiko ist zwar definitionsgemäß unsystematisch, jedoch ist unsystematisches Risiko nicht unbedingt idiosynkratisch. Da die stochastischen Störterme im Rahmen der gut gemischten individuellen Portefeuilles (annahmegemäß) vernachlässigbar sind, erzielen die Anteilseigner keine Prämien für die Übernahme der störtermbedingten Risiken. Für den Preis einer Einheit des Papiers n (n= 1,2,...,N) zum Zeitpunkt 0 gilt somit im modifizierten SPA: S

(IV.60) P0n

~

¦ S s ˜ E(P1Stn , s )

s 1

S

¦ S s ˜ P1n , s . s 1

Diese Bewertungsfunktion entspricht der Annahme 2, wonach es für P0n irrele~ vant ist, dass der Endwert P1n im Zustand Ss um seinen bedingten Erwartungswert P1n,s streut; P0n ist ebenso hoch wie für den Fall, dass im Zustand Ss ein sicherer Endwert von P1n,s erzielt wird. Die relevanten Erwartungswerte werden mit den Preisen Ss für zustandsbedingte Zahlungsansprüche gewichtet. Damit wird dem zustandsbedingten Risiko Rechnung getragen, also der Tatsache, dass ~ der Erwartungswert des Endwertes P1Stn vom Zustand Ss abhängt. Es ist zu beachten, dass die Annahme, die Störterme seien nicht bewertungsrelevant, eine Vereinfachung darstellt. Auch durch noch so breit gestreute Portefeuillebildung kann das aus den Störtermen resultierende Risiko nicht völlig eliminiert werden. Die übliche Rechtfertigung der Vereinfachung besteht darin, dass das unsystematische Risiko bei entsprechender Portefeuillebildung im Vergleich zum systematischen (Kovarianz-)Risiko ein geringes Gewicht hat. Zur Erläuterung der Auswirkung der Portefeuillemischung auf das unsystematische Risiko gehen wir davon aus, dass jeder Störterm ~Hn die Varianz V2 aufweist: Werden z.B. 1.000 Einheiten desselben Papiers gehalten, ergibt sich eine störtermbedingte Varianz von 1.000.000 ˜ V 2 . Wird das Portefeuille derart gemischt, das von 1.000 Wertpapiertypen je eine Einheit gehalten wird, beträgt die störtermbedingte Varianz nur noch 1.000 ˜ V 2 . Die Störterme können insbesondere dann große Bedeutung haben, wenn es darum geht, das mit einem Bewertungsobjekt verbundene finanzielle Risiko durch einen individuellen Investor zu hedgen. Wie in Kapitel XI, Abschnitt 5.3, gezeigt wird, können Störterme bewirken, dass für ihn der subjektive Grenzpreis (weit) unter dem Marktwert des Bewertungsobjekts liegt. Störterme wie im modifizierten SPA können auch im CAPM existieren. Zum einen setzt das CAPM keinen vollständigen Kapitalmarkt voraus. Zum andern lässt es offen, ~ wie die Wahrscheinlichkeitsverteilungen über die Endwerte P1n der Papiere zustande kommen. Auch im CAPM haben die Störterme streng genommen einen Einfluss auf die Risikoprämien und Gleichgewichtspreise der Papiere. Jedoch mag dieser Einfluss vernachlässigbar gering sein. Die Störterme haben keinen Einfluss auf die Kovarianzen

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

197

~ ~ ~ Kov(P1n ; P1m ) , sondern erhöhen nur die Varianzen Var(P1n ) , die jedoch gemäß den Darstellungen in Abschnitt 5.3.2.2 im Vergleich zu den Kovarianzen einen tendenziell vernachlässigbaren Einfluss auf die Gleichgewichtspreise haben.

6.2

Beschränkte Rationalität als Ursache für Störterme

Störterme können nicht nur aus wertpapierspezifischen objektiven Daten oder Ereignissen resultieren, sondern auch daraus, dass die Investoren auf dem Kapitalmarkt nicht streng rational handeln, sondern in gewissem Umfang stochastische „Bewertungsfehler“ bezüglich der nach dem Zeitpunkt 1 anfallenden Überschüsse von Wertpapieren machen, die sich nicht kompensieren, so dass deren ~ Endwerte P1n nicht wie im SPA eindeutig durch den eintretenden Zustand Ss (d.h. durch entsprechende Konstellation von Ausprägungen der entscheidungsrelevanten Daten) bestimmt wird, sondern um ihre bedingten Erwartungswerte streuen.22 Die Voraussetzung rationaler Bewertungen durch die Investoren auf dem Kapitalmarkt ist im vollkommenen Markt zwar definitionsgemäß erfüllt, jedoch nicht in der wirtschaftlichen Wirklichkeit. Bewertungsbezogene Störterme ergeben sich auch für den Fall, dass die Investoren auf dem Kapitalmarkt zwar bei gegebenen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen über zukünftige Überschüsse gemäß dem BERNOULLI-Prinzip rationale Bewertungen vornehmen, jedoch diese Vorstellungen ihrerseits in gewissem Umfang zufallsabhängig sind und nicht streng rational durch die Entwicklung der Umweltzustände (der Ausprägungen der entscheidungsrelevanten Daten) bestimmt werden. Zum Beispiel hängen die Erwartungen über zukünftige Überschüsse von Informationen ab, die von diesen Überschüssen stochastisch unabhängig sind. (Ein Hedgefonds-Manager hustet zufällig und die Börsenkapitalisierung eines Unternehmens steigt oder fällt.) Oder es werden Nachrichten mit informativem Gehalt von Investoren auf dem Kapitalmarkt verzerrt interpretiert.23 Rationale Portefeuillebildung impliziert grundsätzlich, dass die Anteilseigner in der Lage sind, langfristige Portefeuillestrategien zu ermitteln, mit denen sie den Erwartungswert des Nutzens ihres Konsumstroms maximieren. Dabei sind simultan mit dem Wert-

22

23

Es existieren verschiedene Ansätze, irrationales Marktverhalten zu erklären (HOFFJAN/SIEMES, 1999, S. 452); SHLEIFER (2002). „Millionenpoker mit Gerüchten – Wie ein Flüstern die Börsen erbeben lässt Keiner glaubt niemandem: Die Angst an den Börsen ist inzwischen so groß, dass selbst abstruse Gerüchte mehrstellige Millionensummen vernichten. Händler streuen gezielt Unwahrheiten, um Kasse zu machen. Der Staat hat bisher kaum eine Chance, diese Maschinerie der Manipulation zu stoppen. 20 Minuten sind extrem kurz, aber lang genug, um mehrere Hundert Millionen zu vernichten. Nur so lange dauerte es am Mittwoch, den Aktienkurs der englischen Hypothekenbank HBOS abstürzen zu lassen: 20 Minuten nach Handelsbeginn war die Aktie schon 3,5 Prozent im Minus, eine Stunde später gar um 17 Prozent – ein Wertverlust von rund 3,8 Milliarden Euro […]“ SPIEGEL-ONLINE, 20. März 2008.

198

Kapitel IV

papierbestand für den Zeitpunkt 0 die zustandsabhängigen zukünftigen Portefeuilleänderungen zu planen.24 Ein weiteres Problem tritt hinzu, wenn die Nutzenfunktionen der Anteilseigner nicht „stabil“ sind, sondern sich im Zeitablauf ändern können und dabei die Änderungen bei der Portefeuilleplanung nicht antizipierbar sind. Auch in diesem Fall sind die Wertpapierpreise in den zukünftigen Zuständen nicht eindeutig determiniert, sondern „störtermbehaftet“.25 Störterme für zukünftige Kursentwicklungen können auch aus beschränkter Rationalität staatlicher und unternehmerischer Entscheidungsinstanzen resultieren, die in gewissem Umfang nach dem Zufallsprinzip entscheiden ohne die Folgen ihrer Handlungen beurteilen (zu wollen und) zu können. Auch verfehlte Anreizsysteme können zufallsbedingte Entscheidungen induzieren. In der Realität können bewertungsbezogene Störterme zwar voneinander stochastisch abhängen, z.B. weil sie aus gleichen Bewertungsfehlern resultieren (SHLEIFER, 2000, S. 10 ff. und die dort angegebene Literatur) oder weil sie aus Stimmungswechsel der Anleger, Modetrends unter Managern oder aus übergreifenden politischen Entscheidungen resultieren, die nach dem Zufallsprinzip getroffen wurden. Die betreffenden Störterme hätten einen Einfluss auf die gegenwärtigen Wertpapierpreise P0n, so dass mit ihnen der Rahmen des modifizierten SPA gesprengt würde. Zwar haben in diesem Modell die Störterme keinen Einfluss auf die Preise P0n, da sie als stochastisch unabhängige Größen im Rahmen der gut gemischten Portefeuilles der Anteilseigner praktisch eliminiert werden. Für die individuelle subjektive Bewertung spielen sie jedoch vor allem dann eine Rolle, wenn das Bewertungsobjekt, die Varianzen der Störterme H n und die Risikoaversion des Investors groß sind und der Überschuss des Bewertungsobjekts gegenüber dem eines gut gemischten Portefeuilles stark „strukturverzerrt“ ist. Die Darstellungen gelten indessen „näherungsweise“ auch für stochastisch abhängige Störterme, sofern die Beträge der Korrelationskoeffizienten gleich null sind.

7

CAPM und (modifizierter) SPA als theoretische Grundlage für weitere Analysen

Die Bedeutung des CAPM liegt nicht allein darin, die Preisbildung auf dem Kapitalmarkt zu erklären. Es liefert eine theoretische Grundlage für die Analyse von Grundfragen, die für die Investitionsplanung und -steuerung sowie die Unternehmensbewertung von grundlegender Bedeutung sind: Wie hängen die Gleichgewichtspreise der Wertpapiere von

24

25

Zu den speziellen Voraussetzungen, unter denen ein riskantes Programm (hier Wertpapierportefeuille) einer Periode unabhängig von den riskanten Programmen für andere Perioden optimal bestimmt werden kann vgl. Kapitel XV, Abschnitt 2. Eine eindeutige Abhängigkeit der Wertpapierpreise von den Zuständen setzt jedoch nicht voraus, dass sich die Nutzenfunktionen im Zeitablauf überhaupt nicht ändern dürfen. Sie können – wie in Kapitel II, Abschnitt 4, erläutert wurde – zustandsabhängig sein. Auch zustandsabhängige Nutzenfunktionen gewährleisten (in Verbindung mit rationalem Verhalten) eindeutige Zusammenhänge zwischen Marktwerten und Zuständen.

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

199

den (Risiko-)Präferenzen der Investoren auf dem Kapitalmarkt ab? Wird im Kapitalmarktgleichgewicht das aus allen Wertpapieren resultierende Risiko pareto-effizient geteilt? Wird durch neue Investitionsprojekte, deren Überschüsse noch nicht in den Gleichgewichtspreisen antizipiert worden sind, ein Handel mit Wertpapieren ausgelöst? Besteht Einmütigkeit zwischen den Anteilseignern eines Unternehmens bezüglich neuer Investitionsprojekte? Steht im Fall der Einmütigkeit Marktwertmaximierung im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung? Warum können Zielkonflikte zwischen Anteilseignern eines Unternehmens bestehen und welche Investitionen sind für die verschiedenen Interessengruppen vorteilhaft? Diese Probleme werden nachfolgend analysiert. Bei der Analyse sind die Nutzenfunktionen der Beteiligten zu berücksichtigen. Dabei ist es zweckmäßig, folgende Varianten des CAPM zu unterscheiden, bei denen das (μ,V)-Prinzip im Einklang mit dem BERNOULLI-Prinzip steht: 1. BQ-Variante: Die Endwerte der Wertpapiere und entsprechend der individuellen Portefeuilles sind beliebig verteilt (B) und alle Investoren haben quadratische Nutzenfunktionen (Q).26 2. NE-Variante: Die Endwerte beliebiger Portefeuilles sind normalverteilt (N) und alle Investoren haben exponentielle Nutzenfunktionen (E). Modelle mit dieser Annahmenkombination werden als „Hybrid-Modelle“ bezeichnet (LINTNER, 1965a; MOSSIN, 1966; BAMBERG, 1986). 3. NB-Variante: Die Endwerte sind normalverteilt (N) und die Investoren haben beliebige konkave Nutzenfunktionen (B). Die NE-Variante stellt einen Spezialfall der NB-Variante dar. Der Geltungsbereich der NE-Variante ist in dem Sinne begrenzt, dass sie sowohl einen bestimmten Verteilungstyp als auch einen bestimmten Typ von Nutzenfunktionen voraussetzt. Dadurch lassen sich mit ihrer Hilfe in anschaulicher und relativ einfacher Weise wichtige Grundzusammenhänge zeigen.27 Die BQ-Variante bietet gegenüber der NB-Variante den Vorzug, dass sie keine spezifischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen voraussetzt, jedoch müssen die Nutzenfunktionen quadratisch sein. Quadratische Nutzenfunktionen implizieren steigende absolute Risikoaversion, während in der Realität eher damit zu rechnen ist, dass mit steigendem Reichtum die Risikoaversion sinkt. In der NB-Variante wird dagegen nur unterstellt, dass die Nutzenfunktionen konkav sind. Dies erfordert nun aber einschränkende Voraussetzungen bezüglich der maßgeblichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen; die Endwerte aller riskanten Papiere sind in der NB-Variante wie in der NE-Variante normalverteilt.

26

27

Jedoch dürfen die Verteilungen streng genommen nicht „ganz“ beliebig sein. Sie müssen nach oben beschränkt sein, weil andernfalls bei quadratischer Nutzenfunktion der Grenznutzen eines Investors negativ sein kann. Zum Beispiel sind Normalverteilungen streng genommen ausgeschlossen. Auch ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass die Endwerte der Wertpapiere nicht negativ werden können. Die Annahmekombination exponentieller Nutzenfunktionen und Normalverteilungen wird im CAPM oft verwendet und ist in der neueren Literatur beispielsweise Standard als Grundlage der Analyse von Kapitalmarktgleichgewichten bei heterogenen Erwartungen (bei rationalen Erwartungen der Investoren auf dem Kapitalmarkt und unvollständiger Offenlegung privater Informationen). Vgl. den Überblick in GILLENKIRCH (2004a, Kapitel III).

200

Kapitel IV

Da Normalverteilungen von f bis f reichen, mag die Annahme einer Normalverteilung als verfehlt erscheinen. Insbesondere bei Aktienkursen, die nicht negativ werden können, ist diese Annahme nicht streng erfüllt. Jedoch ist zu bedenken, dass den „extreme(n) Randbereiche(n) [...] im Modell der Normalverteilung ohnehin nur eine verschwindend kleine Wahrscheinlichkeitsmasse zugeordnet“ (KRUSCHWITZ, 2003, S. 334) wird, so dass die Normalverteilung trotzdem zugrunde gelegt werden kann. Vgl. hierzu auch FRANKE/ HAX (2004, S. 306-311). Die aufgeführten Probleme werden später auch vor dem Hintergrund des (modifizierten) SPA untersucht. Dabei ist von Bedeutung, dass kein grundsätzlicher Unterschied zwischen diesem Ansatz und dem CAPM besteht. Wie z.B. in LAUX (2006a, S. 190 ff.) gezeigt wird, folgt bei homogenen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen über die Zustände Ss, homogenen Erwartungen über die zustandsabhängigen Endwerte der Papiere und bei Orientierung aller Investoren am (μ,V)-Prinzip aus dem SPA das CAPM.

8

Relevanz von Leerverkäufen

Im CAPM und im (modifizierten) SPA haben Leerverkäufe unterschiedliche Bedeutung. Da im CAPM-Gleichgewicht alle Investoren auf dem Kapitalmarkt einen Anteil am Marktportefeuille halten (also die individuellen Portefeuillestrukturen identisch sind), erfolgen hier keine Leerverkäufe; wäre ein Leerverkauf für irgend einen Investor optimal, würde dies auch für alle anderen gelten, so dass kein Gleichgewicht vorliegen könnte. Die Gleichheit der Portefeuillestrukturen resultiert u.a. daraus, dass alle Investoren homogene Erwartungen haben und sich am (P,V)-Prinzip orientieren. Die Anwendung dieses Prinzips impliziert, dass die individuellen Nutzenfunktionen zustandsunabhängig sind, d.h. die Investoren im privaten Bereich keine Überschüsse erzielen, die von den Endwerten der Papiere stochastisch abhängig sind. Bei Existenz solcher Überschüsse (z.B. aus einem privaten Unternehmen, aus Vermietung und Verpachtung) unterscheiden sich grundsätzlich die individuellen Portefeuillestrukturen. Im (modifizierten) SPA wird nicht vorausgesetzt, dass die Investoren homogene Wahrscheinlichkeitsvorstellungen haben und keine exogenen Risiken bewertungsrelevant sind. Leerverkäufe haben dann grundlegende Bedeutung für die Risikoallokation. Die im (modifizierten) SPA angenommene Unbeschränktheit von Leerverkäufen gewährleistet erst, dass im Gleichgewicht das Risiko zwischen den Investoren paretoeffizient geteilt wird, was wiederum impliziert, dass bei proportionaler Teilung der Unternehmenserfolge zwischen den Anteilseignern und unveränderlichen Grenznutzenwerten Einmütigkeit hinsichtlich der unternehmerischen Maßnahmen besteht (Kapitel V). Bereits ohne private Risiken werden die Anteilseigner im (modifizierten) SPA aufgrund heterogener Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände Portefeuilles mit unterschiedlichen Strukturen halten. Anteilseiger, die Zuständen relativ hohe (niedrige) Wahrscheinlichkeiten zuordnen, halten Portefeuilles, mit denen sie in diesen Zuständen relativ hohe (niedrige) Überschüsse erzielen. Jedoch dürften Unterschiede in den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen allein kaum Leerverkäufe auslösen; für die Investoren ist es grundsätzlich optimal, Portefeuilles zu halten, deren Endwert in jedem Zu-

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

201

stand positiv ist. Leerverkäufe können vor allem aus unterschiedlichen exogenen Risiken resultieren. Wenn ein Investor in Zuständen relativ hohe private Überschüsse erzielt, wird er tendenziell für diese Zustände Überschüsse leerverkaufen und für die anderen kaufen. Exogene zustandsabhängige Überschüsse werden zwar im (modifizierten) SPA nicht wie im CAPM ausgeschlossen, jedoch müssen sie wegen der Annahme unbeschränkter Leerverkaufsmöglichkeiten auch nicht explizit erfasst werden. Beschränkungen von Leerverkäufen erfordern die Berücksichtigung von Nichtnegativitätsbedingen bei der individuellen Portefeuilleplanung. Es ist dann äußerst schwierig, aus Optimumbedingungen für die individuellen Portefeuilles Gleichgewichtspreise für Wertpapiere herzuleiten. Beschränkungen von Leerverkäufen erschweren nicht nur die Erklärung von Gleichgewichtspreisen auf dem Kapitalmarkt. Sie können auch zu erheblichen Zielkonflikten zwischen den Eigentümern eines Unternehmens führen. Die Konflikte können sich nicht nur auf neue Investitionen beziehen, sondern auch auf ihre Finanzierung. Im CAPM und im (modifizierten) SPA (mit unbeschränktem Leerverkauf) dagegen ist die Art der Finanzierung irrelevant. Probleme der Portefeuilleplanung und der individuellen subjektiven Bewertung von Investitionsprojekten bei beschränkten Leerverkaufsmöglichkeiten werden in den Kapiteln IX bis XII und XV untersucht.

9

Resümee

1. In dieser Arbeit wird auch die Preisbildung auf dem Kapitalmarkt ausführlich untersucht. Dabei wird ersichtlich, warum die Markbewertungsfunktionen für riskante Wertpapiere und Investitionsüberschüsse hinsichtlich der Ermittlung individueller subjektiver Grenzpreise grundsätzlich versagen. Die Marktwerte werden wie auch in LAUX (2006a) in strukturgleicher Weise wie diese Grenzpreise dargestellt. Dadurch werden absolute Unterschiede zwischen ihnen und ihre Ursachen unmittelbar ersichtlich. 2. Vor allem wird in der Weise die Vollkommenheitsannahme des Kapitalmarktes aufgehoben, dass Informationskosten, die zu heterogenen Erwartungen über zukünftige Überschüsse führen, und Leerverkaufsbeschränkungen berücksichtigt werden. 3. Notwendige Bedingung für ein Kapitalmarktgleichgewicht ist Arbitragefreiheit. Es darf nicht die Möglichkeit bestehen, durch Kauf und simultanen Verkauf von Wertpapieren gegenwärtig und/oder in zukünftigen Umweltzuständen ausschließlich positive Überschüsse zu erzielen. Bei Arbitragefreiheit kann der Preis eines Papiers mit Hilfe eines Portefeuilles aus anderen Papieren erklärt werden, dessen Endwert in jedem Zustand mit dem des betrachteten Papiers übereinstimmt; der Preis des Papiers ist gleich dem Marktwert dieses Portefeuilles, das als Duplikationsportefeuille bezeichnet wird. (Bedingung ist allerdings, dass ein solches Portefeuille überhaupt existiert.) 4. Ist der Markt vollständig, lassen sich die Überschüsse neuer Investitionen stets durch Bildung von Portefeuilles aus vorhandenen Papieren duplizieren. Ist der Markt außerdem arbitragefrei und haben die neuen Überschüsse keinen Einfluss auf die Marktwerte der Duplikationsportefeuilles, können die Marktwerte der Investitionen im voraus angegeben werden; sie stimmen mit denen der Duplikationsportefeuilles überein. Ist der Markt unvollständig,

202

Kapitel IV

ist zwar keine universelle Duplizierbarkeit gegeben, d.h. es existiert nicht für jede beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilung ein Duplikationsportefeuille. Jedoch kann im konkreten Einzelfall ein Duplikationsportefeuille existieren. 5. Arbitrageüberlegungen setzen lediglich voraus, dass ein höherer Überschuss einem niedrigeren vorgezogen wird („Nichtsättigung“). Ob Investoren ihren Erwartungsnutzen oder eine andere Präferenzfunktion maximieren, ist unerheblich, wenn nur gezeigt werden soll, welche Beziehungen zwischen Wertpapierpreisen bestehen müssen, damit keine gewinnbringende Arbitragegelegenheiten existieren. Arbitragefreiheit ist jedoch eine notwendige, keine hinreichende Bedingung für ein Kapitalmarktgleichgewicht. Eine weitergehende Erklärung der Preise setzt konkretere Annahmen über die Risikopräferenzen der Investoren und ihren Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände voraus. 6. Im State Preference Ansatz (SPA) wird davon ausgegangen, dass der Kapitalmarkt vollkommen ist und außerdem (im Einperioden-Fall) für jeden zum Zeitpunkt 1 möglichen Zustand Ss (s = 1,2,...,S) direkt oder indirekt durch Portefeuillebildung mit „normalen“ Wertpapieren unbeschränkt zustandsbedingte Zahlungsansprüche gehandelt werden können, so dass der Kapitalmarkt auch vollständig ist. Mit Hilfe der Preise ʌs (s = 1,2,...,S) für die zustandsabhängigen Zahlungsansprüche lassen sich bei Arbitragefreiheit die Marktwerte aller umlaufenden Papiere ermitteln bzw. erklären. Das gleiche gilt für die Marktwerte neuer Investitionsüberschüsse, sofern sie keinen Einfluss auf die Preise ʌs haben. Die Preise ʌs hängen von den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen der Investoren auf dem Kapitalmarkt und ihren Nutzenfunktionen ab. Unveränderliche Preise ʌs bei zusätzlichen Überschüssen implizieren unveränderliche Grenznutzenwerte. 7. Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) ist ein einperiodiges Modell zur Erklärung der Preisbildung auf dem Kapitalmarkt, dessen Bewertungsfunktionen unabhängig davon gelten, ob der Markt vollständig ist oder nicht. Es ermöglicht auch die Bewertung „neuer“ Wertpapiere oder Überschüsse, die nicht mit bereits vorhandenen Papieren dupliziert werden können. Das CAPM beruht u.a. auf folgenden Grundannahmen: Die Investoren auf dem Kapitalmarkt haben homogene Vorstellungen über die Erwartungswerte, Varianzen und Kovarianzen der Endwerte P1n aller Wertpapiere. Die Investoren orientieren sich bei ihren Portefeuilleentscheidungen am (μ,V)-Prinzip und sind risikoscheu. Alle privaten Investoren können praktisch unbegrenzt Kapital zum risikolosen Zinssatz r aufnehmen und anlegen. 8. Unter den Annahmen des CAPM ist für alle Investoren die Menge der effizienten Portefeuilles riskanter Wertpapiere identisch sein. Da die effizienten Portefeuilles dieselbe Struktur haben, gilt dies auch für die optimalen Portefeuilles; sie können sich nur in ihrem Umfang unterscheiden. Unterschiede im Umfang optimaler Portefeuilles verschiedener Investoren können aus unterschiedlichen Verläufen der Indifferenzkurven (aus unterschiedlichen Risikoaversionskoeffizienten) resultieren, bei nicht-exponentiellen Nutzenfunktionen auch aus unterschiedlichen Vermögenswerten V0. Da im Marktgleichgewicht alle Wertpapiere des Marktes in den Portefeuilles der Investoren enthalten sein müssen, stellen sich die Wertpapierpreise zum Zeitpunkt 0 so ein, dass die Struktur jedes individuellen Portefeuilles mit der des Marktportefeuilles, das alle Papiere enthält, übereinstimmt. 9. Für den Marktwert M0n aller Papiere des Typs n zum Zeitpunkt 0 gilt im CAPM: (IV.26)

M 0n

RPG  ;M  ˜ Kov(M 1n 1G ]  ) Var(M 1G Marktrisikoprämie RPn aller Papiere n

 ) (1  r)1 ˜ [E(M 1n

 ) {SÄ(M 1n

Preisbildung und Risikoteilung im Kapitalmarkt

203

 bezeichnet den Marktwert aller Papiere n zum Zeitpunkt 1, M  M 1n 1G den Marktwert des Marktportefeuilles zu diesem Zeitpunkt und RPG die Marktrisikoprämie des Marktportefeuil )  (1  r) ˜ M ). Der Quotient RP / Var(M  ) wird als Risikoprämie les ( RPG E(M 1G 0G G 1G je Risikoeinheit oder auch als Marktpreis des Risikos bezeichnet. Er wird durch die Risikoaversionskoeffizienten der Investoren auf dem Kapitalmarkt bestimmt und ist stets positiv. Die Differenz in der eckigen Klammer auf der rechten Seite der (Markt-)Bewertungs ) des riskanten Endwertes funktion (IV.26) kann als Markt-Sicherheitsäquivalent SÄ(M 1n  M 1n interpretiert werden. Dieses Sicherheitsäquivalent ergibt sich als Differenz zwischen  dem Erwartungswert von M 1n und der Marktrisikoprämie RPn aller Papiere n. Gemäß (IV.26) ist M0n gleich dem mit dem risikolosen Zinssatz r diskontierten Marktsicherheitsäquivalent. Von grundlegender Bedeutung ist, dass es für die Beurteilung bzw. Messung des Risikos eines Papiers nicht allein auf die Varianz seines Endwertes ankommt, sondern auf dessen Kovarianz mit dem Endwert des gesamten Marktportefeuilles. 10. Populärer als (IV.26) ist die folgende völlig äquivalente Bewertungsfunktion: (IV.49)

M 0n

E(rG )  r  ) [1  r  ˜ Kov(rn ; rG )]1 ˜ E(M 1n Var(rG ) E(rn )

oder unter Verwendung des Beta-Faktors En (IV.50)

M 0n

Kov(rn ; rG ) Var(rG )

 ). [1  r  [E(rG )  r] ˜En ]1 ˜ E(M 1n E(rn )

rn ( rG ) bezeichnet die Rendite der Papiere des Typs n (die Rendite des Marktportefeuilles).  ) der gegenwärtige MarktWegen E(rG )  r ! 0 ist bei gegebenem Erwartungswert E(M 1n wert M0n eine fallende Funktion von En. Die Bewertungsfunktion (IV.50) führt zu demsel ben M -Wert wie (IV.26). Während in (IV.26) das Marktsicherheitsäquivalent von M 1n

0n

mit dem risikolosen Zinssatz r diskontiert wird (Sicherheitsäquivalent-Methode), wird in  mit einem risikoangepassten Zinssatz diskontiert (Ri(IV.50) der Erwartungswert von M 1n  ;M  ) = 0 gilt Kov(r ;r ) = 0 und mithin sikozuschlags-Methode). Für den Fall Kov(M 1n 1G n G En = 0, so dass sowohl aus (IV.26) als auch aus (IV.50) die Gleichung (IV.51)

M 0n

 ) (1  r) 1 ˜ E(M 1n

folgt. In diesem Spezialfall stimmt der „risikoangepasste“ Zinssatz mit dem risikolosen überein. Bei negativer Kovarianz Kov(rn ;rG ) ist der risikoangepasste Zinssatz kleiner als r; es wird dann also im Kalkulationszinsfuß ein negativer „Risikozuschlag“, also ein Risikoabschlag, vorgenommen. 11. Der SPA lässt sich unter bestimmten Voraussetzungen derart modifizieren, dass seine Bewertungsfunktionen in strukturgleicher Form auch bei unvollständigem Kapitalmarkt gelten. Der „modifizierte“ SPA hat nicht nur Bedeutung für die Ermittlung eines aus Sicht der Anteilseigner optimalen Investitionsprogramms, sondern auch für die subjektive Bewertung von Investitionsprojekten durch einen individuellen Investor. Im modifizierten SPA hängt der Endwert einer Einheit des Papiers n (n=1,2,...,N) vom eintretenden Zustand Ss und von der Ausprägung eines als „Noise“ bezeichneten wertpapierspezifischen stochastischen Störterms H n ab. Das aus dem Störterm H n (n=1,2,...,N) resultierende Risiko ist idiosynkratisch, d.h. nicht direkt (spezifisch) handelbar. Da die Störterme für die verschiedenen Wertpapiertypen (annahmegemäß) voneinander stochastisch unabhängig sind, kann das idiosynkratische Risiko durch Bildung gut diversifizierter (kleiner) Portefeuilles für den einzel-

204

Kapitel IV

nen Anteilseigner praktisch eliminiert werden. Für den modifizierten SPA wird angenommen, dass die Anteilseigner solche Portefeuilles halten (es müssen jedoch keine Anteile am Marktportefeuille sein) und dies impliziert: Für den Preis P0n des Papiers n (n = 1,2,...,N) ist es „quasi“ irrelevant, dass dessen Endwert im Rahmen eines Zustandes Ss (s = 1,2,…,S) aufgrund des Störterms H n um seinen bedingten Erwartungswert streut; das Papier bietet keine Risikoprämie für die Übernahme des idiosynkratischen Risikos. 12. Die Störterme können nicht nur aus wertpapierspezifischen (unternehmensspezifischen) Daten oder Ereignissen resultieren, sondern u.a. auch daraus, dass die Investoren auf dem Kapitalmarkt nicht streng rational handeln, sondern stochastische „Bewertungsfehler“ machen, die sich nicht kompensieren, so dass deren Endwerte P1n nicht wie im SPA eindeutig durch den eintretenden Zustand Ss (d.h. durch die entsprechende Konstellation von Ausprägungen der entscheidungsrelevanten Daten) bestimmt werden, sondern um ihre bedingten Erwartungswerte streuen. Bewertungsbezogene Störterme ergeben sich auch für den Fall, dass die Investoren auf dem Kapitalmarkt zwar bei gegebenen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen über zukünftige Überschüsse gemäß dem BERNOULLI-Prinzip rationale Bewertungen vornehmen können, jedoch diese Vorstellungen ihrerseits in gewissem Umfang zufallsabhängig sind und nicht streng rational durch die Entwicklung der Umweltzustände (der Ausprägungen der entscheidungsrelevanten Daten) bestimmt werden. Zum Beispiel hängen die Erwartungen über zukünftige Überschüsse von Informationen ab, die von diesen Überschüssen stochastisch unabhängig sind. Oder es werden Nachrichten mit informativem Gehalt verzerrt interpretiert. Störterme aufgrund beschränkter Rationalität der Akteure auf dem Kapitalmarkt bewirken, dass bei rationaler Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises der Abschlag vom Marktwert erhöht wird. 13. Die Störterme können auch aus beschränkter Rationalität der Entscheidungsträger in den Unternehmen und staatlicher bzw. politischer Entscheidungsinstanzen resultieren, die in gewissem Umfang nach Zufallsprozessen entscheiden. Zwar sind die Störterme (annahmegemäß) im Rahmen gut gemischter Wertportefeuilles praktisch nicht spürbar, so dass sie keinen Einfluss auf die Wertpapierpreise haben. Sie können jedoch das Hedgepotenzial eines individuellen Investors erheblich beeinflussen mit der Folge, dass – insbesondere bei großen Bewertungsobjekten und hoher Risikoaversion – der individuelle subjektive Grenzpreis weit unter dem Marktwert liegt (Kapitel X, XI und XII). Je größer außerdem die Varianzen der Störterme H n sind (je mehr der Investor der Rationalität der kursbestimmenden Entscheidungsträger misstraut), desto niedriger ist dieser Grenzpreis.

Kapitel V Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

1

Problemstellung

Aufbauend auf den in Kapitel IV dargestellten Kapitalmarktmodellen wird im vorliegenden Kapitel und in den Kapiteln VI und VII untersucht, unter welchen Bedingungen zwischen den Anteilseignern eines börsennotierten Unternehmens Anreizkompatibilität (Einmütigkeit) besteht, so dass mit der Maximierung des Nutzenerwartungswertes eines beliebigen Anteilseigners simultan auch die Nutzenerwartungswerte aller anderen Anteilseigner maximiert werden und somit für ein beliebiges Bewertungsobjekt ein kollektiver subjektiver Grenzpreis existiert. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Frage gewidmet, ob im Fall der Einmütigkeit die Maximierung des Marktwertes der Aktien des Unternehmens im Einklang mit kollektiver subjektiver Nutzenmaximierung steht und somit der kollektive subjektive Grenzpreis mit dem Marktwert übereinstimmt. In der Literatur wird Einmütigkeit oft damit begründet, dass bei Maximierung des Marktwertes der Aktien des Unternehmens in Verbindung mit privaten Kapitalmarkttransaktionen der Anteilseigner der Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners maximiert werde (Abschnitt 2). Dabei wird ein kompetitiver und vollständiger Kapitalmarkt unterstellt, auf dem für alle relevanten Zustände Ss direkt oder indirekt zu unveränderlichen Preisen Ss bedingte Zahlungsansprüche gehandelt werden können. „Unveränderlich“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Preise Ss nicht nur unabhängig von den Kapitalmarkttransaktionen eines einzelnen Anteilseigners sind, sondern auch von den durchgeführten Investitionsprojekten und den durch sie induzierten Transaktionen aller Anteilseigner. Wie jedoch in Abschnitt 3 in Erweiterung der Darstellungen von Abschnitt 2 gezeigt wird, ist die Annahme unveränderlicher Preise Ss bei Durchführung zusätzlicher Projekte problematisch. In Abschnitt 4 wird gezeigt, dass sich diese Preise allerdings dann nicht ändern, wenn bei Durchführung eines zusätzlichen Projekts die zustandsabhängigen Grenznutzenwerte der Anteilseigner praktisch konstant bleiben. Das Projekt bewirkt dann direkt, dass der Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners steigt bzw. sinkt, sofern der Projekterfolg proportional geteilt wird und der Kapitalmarkt vollständig ist und somit das Risiko im Kapitalmarktgleichgewicht pareto-effizient geteilt wird. Obwohl bei unveränderlichen Grenznutzenwerten kein Handel mit Wertpapieren stattfindet, steht hierbei Marktwert-

206

Kapitel V

maximierung im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung; wenn der Marktwert eines Projekts (nach Anschaffungsauszahlung) bei den gegebenen Preisen Ss positiv (negativ) ist, besteht Einmütigkeit aller Anteilseigner für (gegen) das Projekt. In Abschnitt 5 wird die Bedeutung von Informationen für die Begründung von Einmütigkeit erläutert. In Abschnitt 6 wird gezeigt, dass bei unveränderlichen (zustandsabhängigen) Grenznutzenwerten Marktwertmaximierung auch dann im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung steht, wenn der Kapitalmarkt zwar unvollständig ist, jedoch die Menge der möglichen Investitionen des Unternehmens derart begrenzt ist, dass trotz der Unvollständigkeit des Kapitalmarktes die „Spanning-Bedingung“ erfüllt ist, d.h. für jedes real mögliche Projekt ein Duplikationsportefeuille existiert, dessen Endwert in jedem Zustand Ss mit dem Projektüberschuss übereinstimmt. Wie im Abschnitt 4 führt ein Projekt bei positivem Marktwert direkt dazu, dass der Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners steigt; ein Handel mit Wertpapieren wird wieder nicht ausgelöst. In Abschnitt 7 wird insbesondere erläutert, dass bei Hintergrundrisiken und beschränkten Leerverkaufsmöglichkeiten die beschriebenen Konzepte der Erklärung von Einmütigkeit versagen; es besteht grundsätzlich ein Konflikt zwischen Anteilseignern, so dass Marktwertmaximierung nicht kollektive subjektive Nutzenmaximierung implizieren kann. In Abschnitt 8 wird gezeigt, dass aus dem Ziel der Marktwertmaximierung nicht ohne weiteres das Marktwertkriterium hergeleitet werden kann, wonach ein einzelnes Investitionsprojekt dann vorteilhaft ist, wenn der Marktwert seiner isoliert ermittelten Überschüsse unter Berücksichtigung seiner Anschaffungsauszahlung – also sein isoliert ermittelter Kapitalwert – positiv ist. Erfolgsverbund und/oder Restriktionsverbund erfordern die integrative Planung bzw. Bewertung abhängiger Projekte. Restriktionsverbund kann auch aus einer Unvollkommenheit des Kapitalmarktes resultieren, die bewirkt, dass nicht jedes Projekt mit positivem Kapitalwert realisiert werden kann, sondern unternehmensinterne Kapitalrationierung besteht.

2

Kompatibilität bei Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen zu unveränderlichen Preisen Ss

2.1

Vorüberlegung: Maximierung des Marktwertes des privaten Vermögens eines individuellen Investors

2.1.1

Gestalt der Indifferenzkurven

Im SPA kann ein einzelner Investor auf dem Kapitalmarkt zu gegebenen Preisen Ss (s=1,2,...,S) zustandsbedingte Zahlungsansprüche kaufen und verkaufen. (Genauer: Der Einfluss seiner Kapitalmarkttransaktionen auf die Preise ist vernachlässigbar gering.) Dies impliziert, dass der Investor allenfalls in geringem Umfang Kapitalmarkttransaktionen vornimmt. Diese Transaktionen haben keinen Einfluss auf den Marktwert MV0 seines Vermögens zum Zeitpunkt 0, für den gilt:

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

207

S

(V.1)

MV0

¦ S s ˜ V1s . s 1

V1s bezeichnet das Endvermögen des Investors im Zustand Ss. Er kann den Marktwert MV0 nur erhöhen, indem er privat (Real-)Investitionsprojekte durchführt, deren Marktwert (unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung) positiv ist. Im Folgenden wird gezeigt, dass die Maximierung des Marktwertes MV0 im Einklang steht mit der Maximierung des Erwartungsnutzens des Investors, sofern seine Investitionen keinen Einfluss auf die Preise Ss (s = 1,2,...,S) haben.1 Zunächst wird davon ausgegangen, dass nur zwei Zustände (S1 und S2) relevant sind. Der Investor könne nicht nur direkt mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen für die Zustände S1 und S2 handeln, sondern auch mit anderen Wertpapieren. Darüber hinaus kann er zum risikolosen Zinssatz r Geld anlegen und aufnehmen. Für den Erwartungswert des Nutzens des Endvermögens V1 des Investors gilt: (V.2)

~ E[ U(V1 )]

w (S1 ) ˜ U(V11 )  w (S 2 ) ˜ U(V12 ) .

Die Kombinationen aus V11 und V12, die denselben Erwartungsnutzen stiften, lassen sich in einem (V11,V12)-Diagramm mit Hilfe von Indifferenzkurven darstellen (Abbildung V.1). Einer Indifferenzkurve entspricht ein umso höherer Erwartungsnutzen, je weiter rechts oben sie verläuft. Da eine Bewegung entlang einer Indifferenzkurve den Erwartungsnutzen nicht ändert, muss gemäß (V.2) in einem Punkt P(V11,V12) das totale Differential gelten: (V.3)

~ dE[ U(V1 )]

w (S1 ) ˜ U' (V11 ) ˜ dV11  w (S 2 ) ˜ U' (V12 ) ˜ dV12

0.

Hieraus folgt für die Indifferenzkurvensteigung im Punkt P(V11,V12): (V.4)

dV11 dV12



w (S 2 ) ˜ U' (V12 ) . w (S1 ) ˜ U' (V11 )

Wegen w (S1 ) ! 0 , w (S 2 ) ! 0 und U' ! 0 ist gemäß (V.4) die Indifferenzkurvensteigung negativ. Bei Risikoneutralität des Investors kann seine Nutzenfunktion wie folgt dargestellt werden: U(V1 ) V1 . Es gilt dann U' (V1 ) 1 für jedes V1 so dass aus (V.4) folgt: (V.5)

1

dV11 dV12



w (S 2 ) . w (S1 )

Vgl. hierzu BREUER (1997; 1998, S. 45 ff.); DEANGELO (1981); EWERT/WAGENHOFER (2003, S. 239 ff.); FRANKE/HAX (2004, S. 329 ff.); GROSSMAN/STIGLITZ (1977); RUBINSTEIN (1974); HACHMEISTER (1995, S. 11 ff.); SCHMIDT/TERBERGER (1997, S. 56 f.); WILHELM (1983b).

208

Kapitel V

Die Indifferenzkurven verlaufen dann also linear mit der Steigung w(S2) / w(S1); sie ~ repräsentieren (V11,V12)-Kombinationen mit jeweils demselben Erwartungswert von V1 . V11 ( Zustand S1 ) S2

Steigung  S

1

P1

T3

G p1 T2 T1 V11

0

G p2

P2 V12

V12 ( Zustand S2 )

Abb. V.1: Zur Konformität von Marktwertmaximierung und subjektiver Nutzenmaximierung bei unveränderlichen Preisen für zustandsbedingte Zahlungsansprüche

Bei Risikoaversion gilt (V.5) gemäß (V.4) nur für U'(V11) = U'(V12), d.h. für V11 = V12. Ausgehend von einem Punkt P(V11,V12 = V11) führt eine Bewegung entlang der zugehörigen Indifferenzkurve nach links oben zu einem immer kleineren Grenznutzenwert bezüglich V11 und zu einem immer größeren Grenznutzenwert bezüglich V12; der Betrag der Indifferenzkurvensteigung wird gemäß (V.4) immer größer. Eine Bewegung entlang der Indifferenzkurve nach rechts unten bewirkt dagegen, dass der Betrag der Indifferenzkurvensteigung immer kleiner wird (Abbildung V.1). Sämtliche Indifferenzkurven verlaufen somit bei Risikoaversion streng konvex. Im Fall w(S1) = w(S2) = 0,5 ist gemäß (V.4) die Steigung jeder Indifferenzkurve im Schnittpunkt mit der 45°-Achse (V11 = V12) gleich 1, da für V11 = V12 auch U'(V11) = U'(V12) gilt; jede Indifferenzkurve verläuft dann bezüglich der 45°-Achse streng symmetrisch.

2.1.2

Nutzenmaximierung und Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen

Es wird nun untersucht, wie der Investor in Verbindung mit Kauf und Verkauf zustandsbedingter Zahlungsansprüche seinen Erwartungsnutzen maximieren kann, sofern die Preise Ss von seinen Aktivitäten unabhängig sind. In der Ausgangssituation verfüge

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

209

er über einen Bestand an zustandsbedingten Zahlungsansprüchen von V11 für den Zustand S1 und von V12 für den Zustand S2. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit wird davon ausgegangen, dass er zum Zeitpunkt 0 über keinen Zahlungsmittelbestand verfügt. Da die Aufnahme bzw. Anlage von Kapital zum risikolosen Zinssatz r gegenüber einem Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen keinen Vorteil (aber auch keinen Nachteil) mit sich bringen kann, werden explizit nur Kauf und Verkauf solcher Zahlungsansprüche berücksichtigt.2 Wird die Anzahl an Zahlungsansprüchen auf 1 GE, die für den Zustand Ss (s = 1,2) erworben werden, mit xs bezeichnet, gilt für den Bestand an zustandsbedingten Zahlungsansprüchen nach Kauf bzw. Verkauf: (V.6)

V11

V11  x1

V12

V12  x 2 .

und (V.7)

(V.6) und (V.7) können wie folgt dargestellt werden: (V.6a)

x1

V11  V11

x2

V12  V12 .

und (V.7a)

Für x1 und x2 muss folgende Budgetgleichung erfüllt sein (da der Investor zu Beginn der Periode über keinen Zahlungsmittelbestand verfügt): (V.8)

S1 ˜ x1 + S2 ˜ x2 = 0.

Einsetzen von (V.6a) und (V.7a) in (V.8) ergibt nach Umformung: (V.9)

V11

S V11  2 ˜ (V12  V12 ) . S1

Dies ist die Bestimmungsgleichung einer Marktwertgeraden, die zum Ausdruck bringt, welche (V11,V12)-Positionen durch Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen mit der Ausgangsausstattung V11 , V12 realisiert werden können. Alle Punkte auf dieser 2

Die Aufnahme eines Kredits in Höhe von K GE führt zum Zeitpunkt 0 zu einer Einzahlung von K und zum Zeitpunkt 1 zu einer Auszahlung von (1  r) ˜ K . Verkauft der Anteilseigner jeweils (1  r) ˜ K Zahlungsansprüche für den Zustand S1 und für den Zustand S2, erzielt er zum Zeitpunkt 0 ebenfalls eine Einzahlung in Höhe von (1  r) ˜ K ˜ S1  (1  r) ˜ K ˜ S2

(1  r) ˜ K ˜ (S1  S2 )

K,

(1 r)1

wobei zum Zeitpunkt 1 wiederum eine sichere Auszahlung von (1  r) ˜ K zu leisten ist. Das Umgekehrte gilt für eine Anlage zum Zinssatz r.

210

Kapitel V

Marktwertgeraden repräsentieren (V11,V12)-Kombinationen, die zum Zeitpunkt 0 denselben Marktwert haben wie V11 , V12 . Daneben gibt es unendlich viele andere Marktwertgeraden, die zu ihr parallel verlaufen; jede Marktwertgerade hat die Steigung S2 / S1. Einer Marktwertgeraden entspricht ein umso höherer Marktwert, je weiter rechts oben sie im Koordinatensystem verläuft. Für den Investor ist zunächst diejenige (V11,V12)-Kombination optimal, die dem Tangentialpunkt T1 der Marktwertgeraden für die Position V11 , V12 mit einer Indifferenzkurve entspricht. Mit dieser Position maximiert er seinen Erwartungsnutzen ohne zusätzliche Investitionen.

2.1.3

Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung als äquivalente Ziele bei konstanten Preisen ʌs

Nun biete sich dem Investor privat ein Investitionsprojekt zur Durchführung an, dessen Anschaffungsauszahlung A0p beträgt und das zum Zeitpunkt 1 den Überschuss e1p,1 (e1p,2) erbringt, sofern der Zustand S1 (S2) eintritt. Bei unveränderlichen Preisen Ss beträgt der Marktwert M0p dieses Projekts unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung (der Kapitalwert des Projekts): (V.10)

M 0p

e1p,1 ˜ S1  e1p,2 ˜ S 2  A 0p .

Wegen S1 + S2 = (1+r)1 oder (S1 + S2)˜(1+r) = 1 kann (V.10) wie folgt dargestellt werden: (V.11)

M 0p

e1p,1 ˜ S1  e1p,2 ˜ S 2  A 0p ˜ ( S1  S 2 ) ˜ (1  r ) S1 ˜ e1p,1  (1  r ) ˜ A 0p  S 2 ˜ e1p,2  (1  r ) ˜ A 0p . { G p1

{ G p2

Der Marktwert M0p ist somit gleich der Summe der mit den Preisen S s gewichteten möglichen Residualgewinne. Dabei gibt der Residualgewinn Gp1 (Gp2) an, wie weit bei Durchführung des Projekts das Endvermögen des Investors im Zustand S1 (S2) steigt. Das Projekt ist offensichtlich dann vorteilhaft, wenn mindestens ein möglicher Residualgewinn positiv und der andere nicht negativ ist; es ist nachteilig, wenn mindestens ein Residualgewinn negativ ist und der andere nicht positiv ist. Im Folgenden soll nur der Fall betrachtet werden, dass einer der Residualgewinne positiv und der andere negativ ist. Es sei Gp1 > 0 und Gp2 < 0 (vgl. Abbildung V.1). Gemäß (V.11) gilt dann als Vorteilhaftigkeitsbedingung: (V.12)

M0p > 0, wenn

G p1 G p2

S  2 . S1

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

211

Der Marktwert des Projekts ist also positiv, wenn das Verhältnis Gp1/Gp2 kleiner ist als die Steigung der Marktwertgeraden. Wegen Gp2 < 0 kann die Bedingung (V.12) auch wie folgt dargestellt werden:



G p1 | G p2 |

S  2 S1

bzw.

G p1 | G p2 |

S ! 2. S1

Das Verhältnis aus Gewinn G p1 und Verlust | G p2 | muss also höher als der Betrag der Steigung der Marktwertgeraden sein.3 Bei positivem Marktwert steigt mit der Durchführung des Projekts der Marktwert des Endvermögens des Investors zum Zeitpunkt 0 um M0p > 0, so dass er einen Punkt auf einer „höheren“ Marktwertgeraden erreicht. Im Beispiel der Abbildung V.1 wird die neue Position durch P1 charakterisiert. Obwohl der Marktwert des Projekts positiv ist, ist mit P1 ein niedrigerer Erwartungsnutzen verbunden als mit dem Ausgangspunkt T1. Damit scheint ein Widerspruch zwischen dem Marktwertkriterium und den durch die Indifferenzkurven dargestellten subjektiven Präferenzen des Investors zu bestehen. Dieser Widerspruch löst sich jedoch auf, wenn berücksichtigt wird, dass der Investor das durch die Investition aufgebürdete Risiko hedgen kann. Annahmegemäß kann er ausgehend von der Position P1 durch Kauf und Verkauf zustandsbedingter Ansprüche beliebige andere Positionen mit dem gleichen Marktwert erzielen. Im Beispiel der Abbildung V.1 kauft (verkauft) er Ansprüche auf den Zustand S2 (S1), so dass er den Tangentialpunkt T2 erreicht, dem ein höherer Erwartungsnutzen als dem Tangentialpunkt T1 entspricht; die neue Verteilung dominiert die alte. Besteht die Wahl zwischen zwei einander ausschließenden Projekten, ist jenes mit dem höheren positiven Marktwert optimal. Die Marktwertmaximierung steht somit bei beliebigen Projektüberschüssen im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung, sofern auf dem Markt beliebige Zahlungsansprüche zu unveränderlichen Preisen gekauft und verkauft werden können. Unter dieser Voraussetzung löst sich der Widerspruch zwischen Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung auf. Es ist von grundlegender Bedeutung, dass bei der Ermittlung von Marktwerten die Eintrittswahrscheinlichkeiten für die Zustände aus Sicht des Investors nicht explizit berücksichtigt werden, sondern nur die Preise S s , die allerdings von den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen aller Akteure auf dem Kapitalmarkt abhängen. Beim Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen zur Erreichung des subjektiven Nutzenmaximums

3

Für G p1  0 und G p2 ! 0 muss gelten: | G p1 | G p2



S2 S1

.

212

Kapitel V

wird diesen Wahrscheinlichkeiten jedoch Rechnung getragen; sie beeinflussen die Steigungen der Indifferenzkurven.

2.1.4

Konflikt zwischen Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung bei Leerverkaufsbeschränkungen

Wenn der Investor aufgrund von Marktzugangsbeschränkungen – insbesondere aufgrund begrenzter Leerverkaufsmöglichkeiten – nicht in der Lage ist, ausgehend von P1 eine Position auf der durch T1 verlaufenden Indifferenzkurve oder einer Indifferenzkurve rechts oberhalb davon zu erreichen, ist das Projekt trotz eines positiven Marktwertes für ihn nachteilig. Kann er keine Leerverkäufe vornehmen, ergeben sich unterschiedliche Implikationen, je nachdem, wie der Optimalpunkt T1 (in der Ausgangssituation) interpretiert wird. Angenommen, ihm entspreche ausschließlich ein vorhandener Bestand an zustandsbedingten * Zahlungsansprüchen, den Anspruch V11 für den Zustand S1 (in Höhe des Ordinaten* wertes des Punktes T1) und den Anspruch V12 für den Zustand S2 (in Höhe des Abszis* senwertes von T1). Wenn nun V11 höher ist als die Differenz zwischen den Ordinatenwerten der Punkte P1 und T2, die der Investor für den Zustand S1 verkaufen muss, um den Punkt T2 zu erreichen, ist ein Leerverkauf nicht erforderlich; der Investor verkauft den entsprechenden Anspruch aus seinem Portefeuille. Im Beispiel der Abbildung V.1 * ist allerdings V11 kleiner als die Differenz zwischen den Ordinatenwerten der Punkte P1 und T2. Ohne Leerverkauf kann er bei Durchführung des Projekts bestenfalls denjenigen Punkt auf der durch P1 verlaufenden Marktwertgeraden realisieren, dessen Ordina* tenwert mit dem des Punktes P1 abzüglich V11 übereinstimmt. Resultieren die dem Punkt T1 entsprechenden Endvermögenswerte zum Teil (oder vollständig) aus Realinvestitionen, hält also der Investor in der Ausgangssituation ein relativ kleines (oder überhaupt kein) Portefeuille, wirkt sich ein Verbot von Leerverkäufen noch gravierender aus. Je größer das Projekt im Vergleich zu dem bisherigen Portefeuille des Investors ist, desto eher ist zu erwarten, dass es ohne Leerverkaufsmöglichkeiten für ihn auch dann nachteilig ist, wenn sein Marktwert hoch ist. Allgemein gilt: Wenn der Überschuss ~e1p dupliziert werden kann, ist der individuelle subjektive Grenzpreis nie höher als der Marktwert; es ist irrational, einen Preis für den Überschuss zu zahlen, der höher ist als der Marktwert seines Duplikationsportefeuilles. Wenn man unbeschränkt leerverkaufen kann, ist der Grenzpreis stets mit dem Marktwert identisch. Bei Beschränkungen des Leerverkaufs ist der Grenzpreis im Allgemeinen kleiner als der Marktwert. Beide sind nur dann gleich, wenn es optimal ist, ohne das Projekt das Duplikationsportefeuille zu kaufen (das Duplikationsportefeuille wird dann einfach durch das Projekt ersetzt) oder wenn man in der Ausgangssituation schon ein Portefeuille hält, welches das Duplikationsportefeuille als Teilmenge enthält (es wird dann gar kein Leerverkauf, sondern ein realer Verkauf der betreffenden Papiere

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

213

vorgenommen); ist der Preis des Projekts niedriger als der Marktwert, wird bei dessen Kauf ein Vorteil erzielt. Ist der Leerverkauf unbeschränkt möglich, jedoch der Überschuss ~e1p nicht duplizierbar, ist der individuelle subjektive Grenzpreis ebenfalls grundsätzlich niedriger als der Marktwert. Überhaupt keine Duplizierbarkeit und somit eine relativ hohe Abweichung besteht dann, wenn alle zukünftigen Wertpapierpreise vom Überschuss des Bewertungsobjekts stochastisch unabhängig sind.

2.1.5

Mehr als zwei mögliche Zustände

Zur Rechtfertigung des Ziels der Marktwertmaximierung für mehr als zwei Zustände und unbeschränktem Leerverkauf wird von der Fiktion ausgegangen, dass der Investor bei Durchführung des Projekts zum Zeitpunkt 0 zustandsbedingte Zahlungsansprüche in Höhe des jeweiligen Residualgewinns des Projekts (leer-) verkauft. Da solche Ansprüche zurückgekauft werden können, ist mit dem Verkauf kein Nachteil verbunden. Das Projekt ist vorteilhaft, wenn der Verkaufserlös positiv ist, also (V.13)

S

S

¦ S s ˜ G ps

¦ S s ˜ [e1p,s  (1  r ) ˜ A 0p ] ! 0

s 1

s 1

gilt. Mit diesem Erlös kann der Investor zustandsbedingte Zahlungsansprüche erwerben, so dass sich eine Wahrscheinlichkeitsverteilung über sein Endvermögen ergibt, die jene in der Ausgangssituation (vor dem Projekt) dominiert. Die Vorteilhaftigkeitsbedingung (V.13) kann wegen ¦ Ss 1 S s dargestellt werden: S

(V.14)

S

(1  r ) 1 auch wie folgt

S

¦ S s ˜ G ps ¦ S s ˜ [e1p,s  (1  r ) ˜ A 0p ] ¦ S s ˜ e1p,s  A 0p ! 0 . s 1

s 1

s 1

Das Projekt erhöht also den Erwartungsnutzen, wenn sein Marktwert unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung positiv ist. Somit stimmt für ein beliebiges Bewertungsobjekt der individuelle subjektive Grenzpreis mit dem Marktwert seines Überschusses überein. Von zwei oder mehr einander ausschließenden Projekten ist dasjenige mit dem höchsten positiven Marktwert optimal.4 Für die Begründung der Kompatibilität von Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung haben Leerverkäufe substantielle Bedeutung. Bei Fragen der Unternehmens4

Es wurde vereinfachend davon ausgegangen, dass die Konsumausgabe zum Zeitpunkt 0 ein Datum ist. Wird diese Annahme aufgehoben, steht nach wie vor Marktwertmaximierung im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung. Das Programm mit dem maximalen Marktwert ermöglicht simultan eine dominante Verteilung bezüglich der sicheren Konsumausgabe zum Zeitpunkt 0 und des ungewissen Endvermögens.

214

Kapitel V

bewertung wird oft davon ausgegangen, dass Leerverkäufe ohne weiteres möglich seien. Probleme der Ermittlung eines subjektiven Grenzpreises resultieren jedoch im Kern daraus, dass Leerverkäufe nur in Grenzen zulässig sind und/oder prohibitiv hohe Transaktionskosten verursachen. Die Problematik der Annahme unbegrenzter Leerverkäufe wird deutlich, wenn man diese auf andere Fragestellungen anwendet: Zum Beispiel könnte der Vorstand einer Aktiengesellschaft alle Aktien seiner Gesellschaft kaufen und das Risiko aus alten und neuen Investitionen durch Leerverkauf von Wertpapieren hedgen. Er könnte auf diese Weise für sich ein ideales Anreizsystem schaffen, weil er dann die Kapitalwerte neuer Investitionen nicht mit anderen Anteilseignern teilen müsste.

2.1.6

Fazit: Relevanz von Hedgemaßnahmen für die Bewertung

Wenn das Risiko eines Bewertungsobjekts perfekt gehedgt werden kann, ist der individuelle subjektive Grenzpreis gleich dem (maximalen) Marktwert seines Überschusses. Bei perfekten Hedgemöglichkeiten kann der Grenzpreis ohne Rücksicht auf die Risikoeinstellung des Investors isoliert (separiert) von Hedgemaßnahmen ermittelt werden. Für die Realisation einer optimalen Gesamtlösung sind diese Maßnahmen als Instrument der Risikomischung jedoch von grundlegender Bedeutung. Jedoch kann die Entscheidung darüber nach Kauf des Bewertungsobjekts (ohne „Zeitdruck“) getroffen werden; perfekte Hedgemöglichkeiten müssen nicht im Bewertungskalkül antizipiert werden. Dagegen erfordert die Unvollständigkeit von Hedgemöglichkeiten integriertes Risikomanagement, also eine simultane Ermittlung des individuellen subjektiven Grenzpreises und der optimalen Hedgemaßnahmen; es ist nicht sinnvoll, zunächst die zustandsabhängigen Überschüsse des Bewertungsobjekts mit dem höchsten Marktwert vor Anschaffungsauszahlung zu planen und dann im nächsten Schritt die optimalen Hedgemaßnahmen für diese Überschüsse sowie einen entsprechenden Abschlag vom Marktwert zu ermitteln. Unvollkommene Hedgemöglichkeiten erfordern „perfekt“ integriertes Risikomanagement.5

2.2

Maximierung des Marktwertes der Aktien eines Unternehmens

2.2.1

Konzept

Hält der Investor Aktien eines Unternehmens, ist der Marktwert dieser Aktien zum Zeitpunkt 0 Bestandteil des Marktwertes seines Vermögens gemäß (V.1), wobei sein Endvermögen V1s vom Endwert dieser Aktien im Zustand Ss abhängt. Der Marktwert seines Vermögens zum Zeitpunkt 0 kann dann auch erhöht werden, indem er nicht privat Investitionsprojekte mit positivem Kapitalwert durchführt, sondern das Unternehmen. Hält der Investor als Anteilseigner den Anteil z > 0 der Aktien des Unternehmens,

5

In Kapitel XV wird für den Mehrperioden-Fall gezeigt, wie der individuelle subjektive Grenzpreis simultan mit den optimalen Überschüssen des Bewertungsobjekts und den optimalen Hedgemaßnahmen ermittelt werden kann.

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

215

ändert sich bei Durchführung eines Projekts im Unternehmen der Marktwert seines Vermögens um den mit z gewichteten Marktwert des Projekts unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung (d. h. um den mit z gewichteten Marktwert des Projektgewinns). Bei unveränderlichen Preisen Ss (s = 1,2,...,S) steigt in Verbindung mit den in Abschnitt 2.1 beschriebenen Kapitalmarkttransaktionen der Erwartungsnutzen des Anteilseigners, wenn der Marktwert des Projekts positiv ist. Der Erwartungsnutzen wird maximiert, indem der Marktwert der Aktien des Unternehmens (vor Ausschüttung) maximiert wird; das Marktwertkriterium steht bei unveränderlichen Preisen Ss auch hier in Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung. Um spätere Vergleiche zu erleichtern, wird dieser Zusammenhang mit Hilfe von Abbildung V.2 verdeutlicht. Dabei bezeichnet nun T1 die riskante Vermögensposition des betrachteten Anteilseigners vor Durchführung des Projekts. Bei Durchführung ändert sich zunächst sein Endvermögen im Zustand S1 um z˜Gp1 und im Zustand S2 um z˜Gp2, wobei er wieder eine Position P1 auf einer höheren Marktwertgeraden erreicht. In Verbindung mit Kauf bzw. Verkauf zustandsbedingter Zahlungsansprüche erzielt er denjenigen Erwartungsnutzen, der dem Tangentialpunkt T2 entspricht. V11 ( Zustand S1 ) S2

Steigung  S

1

P1

T3

z ˜ G p1 T2 T1 z ˜ G p2

P2

0

V12 ( Zustand S2 )

Abb. V.2: Zur Konformität von Marktwertmaximierung und subjektiver Nutzenmaximierung bei unveränderlichen Preisen für zustandsbedingte Zahlungsansprüche

Analog zu den Darstellungen in Abschnitt 2.1 ist das Projekt für den Anteilseigner allgemein vorteilhaft, wenn S

(V.15)

S

¦ S s ˜ z ˜ G ps z ˜ ¦ S s ˜ [e1p,s  (1  r ) ˜ A 0p ] ! 0 s 1

s 1

216

Kapitel V

gilt. Wegen z > 0 kann (V.15) in die Vorteilhaftigkeitsbedingung (V.14) überführt werden; das Projekt erhöht den Erwartungsnutzen des Anteilseigners genau dann, wenn sein Marktwert unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung positiv ist. Der Erwartungsnutzen des betrachteten Anteilseigners wird maximiert, indem das Investitionsprogramm mit dem höchsten positiven Marktwert realisiert wird. Das Analoge gilt für jeden anderen Anteilseigner des Unternehmens. Es besteht somit Einmütigkeit zwischen den betreffenden Anteilseignern, so dass für ein beliebiges Bewertungssubjekt der kollektive subjektive Grenzpreis mit dem Marktwert seines Überschusses übereinstimmt. Die Argumentation setzt allerdings voraus, dass alle Anteilseigner über die zustandsabhängigen Erfolge informiert werden, damit sie die maßgeblichen Kapitalmarkttransaktionen durchführen können (Informationsprämisse). Dann steigt der Marktwert der Aktien des Unternehmens um den Marktwert des Investitionsprojekts bzw. -programms. Möglicherweise sind wieder Leerverkäufe erforderlich, um die Anpassungen vorzunehmen. Leerverkäufe erübrigen sich allerdings dann, wenn die individuellen Anteile am Projekt im Vergleich zu den individuellen Portefeuilles gering sind, so dass die Anpassungen durch reale Verkäufe von Wertpapieren vorgenommen werden können. Ein Verbot von Leerverkäufen kann den individuellen subjektiven Wert erheblich mehr beeinträchtigen als den kollektiven subjektiven Wert (Kapitel XI und XII). Hält ein „Anteilseigner“ auf Grund eines Leerverkaufs einen Anteil z < 0 an den Aktien des Unternehmens, ist aus seiner Sicht das Projekt vorteilhaft, wenn sein Kapitalwert M0p negativ ist. Im Fall M0p > 0 sinkt bei Durchführung des Projekts der Marktwert des Portefeuilles des Leerverkäufers um | z | ˜M 0p , so dass er einen Punkt auf einer „niedrigeren“ Marktwertgeraden erreicht. Es besteht somit ein Konflikt zwischen Leerverkäufern und den Anteilseignern mit positiven Beständen an Aktien des Unternehmens. Der Konflikt besteht natürlich auch dann, wenn die Leerverkäufer zwar positive Bestände an Aktien des Unternehmens besitzen, jedoch die leerverkauften Bestände höher sind als diese. Es existiert dann kein kollektiver subjektiver Grenzpreis.

2.2.2

Bewertung und Separierbarkeit

Existiert ein Markt für zustandsbedingte Zahlungsansprüche und haben die realisierten Projekte keinen Einfluss auf die Preise Ss, kann bei proportionaler Teilung der Überschüsse ein für alle Anteilseigner optimales Investitionsprogramm ermittelt werden, ohne ihre Risikoeinstellung (und Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände) explizit zu berücksichtigen („risikopräferenzfreie“ Bewertung). Ausgehend von diesem Programm kann dann jeder Anteilseigner durch Kauf und Verkauf zustandsbedingter Zahlungsansprüche die entsprechende optimale Wahrscheinlichkeitsverteilung über sein Endvermögen realisieren, wobei erst dann die individuellen Nutzenfunktionen und Wahrscheinlichkeitsvorstellungen für die Zustände explizit in die Kalküle einzubeziehen sind.

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

217

Die Tatsache, dass das Ziel der Marktwertmaximierung nicht voraussetzt, dass im Unternehmen die Risiken des Leistungsbereichs gehedgt werden, bedeutet also nicht, dass Maßnahmen der Risikostreuung für die Anteilseigner generell irrelevant sind. Wie erläutert, nehmen sie die optimalen Transformationen privat vor. Im Vergleich dazu können sie keinen Vorteil erzielen, wenn Hedgemaßnahmen unternehmensintern durchgeführt werden. Werden Kapitalmarkttransaktionen nur im Unternehmen (nicht privat) vorgenommen, ergeben sich für einige oder alle Anteilseigner sogar Nachteile, weil dann keine optimalen Differenzierungen gemäß den individuellen Risikoeinstellungen, sondern nur für alle Anteilseigner einheitliche Hedgemaßnahmen realisiert werden können. Es besteht nicht nur Separierbarkeit zwischen den marktwertorientierten Investitionsentscheidungen im Unternehmen einerseits und den der subjektiven Nutzenmaximierung dienenden Transaktionen der Anteilseigner auf dem Kapitalmarkt andererseits, sondern auch bezüglich der Entscheidungen über verschiedene Investitionsprojekte im Unternehmen, sofern weder Erfolgs- noch Restriktionsverbund besteht. Der (Markt-)Wert eines einzelnen Projekts ist dann unabhängig davon, welche Projekte sonst noch durchgeführt werden; eine Simultanplanung erübrigt sich.

2.3

„Competitivity“ und „Spanning“ als Grundbedingungen der Anreizkompatibilität

Die Darstellungen in den Abschnitten 2.1 und 2.2 setzen voraus, dass das erwogene Projekt oder Investitionsprogramm keinen Einfluss auf die Preise zustandsbedingter Zahlungsansprüche hat und dass ein vollständiger Kapitalmarkt existiert, also für alle relevanten Zustände direkt oder indirekt Zahlungsansprüche gehandelt werden können. Die Annahme, dass ein zusätzliches Projekt keinen Einfluss auf die Preise zustandsbedingter Ansprüche hat, wird als „Competitivity Assumption“ bezeichnet (GROSSMAN/ STIGLITZ, 1977, S. 397; DEANGELO, 1981, S. 22); der Kapitalmarkt ist dann „kompetitiv“. Wenn für alle entscheidungsrelevanten Zustände Ss (s = 1,2,...,S) bedingte Zahlungsansprüche gehandelt werden können, können die möglichen Überschüsse, die mit einem beliebigen Projekt am Ende der Periode erzielt werden, durch Kauf und Verkauf vorhandener Papiere rekonstruiert werden: Es kann mit diesen Papieren ein Portefeuille gebildet werden, dessen Endwert in jedem Zustand Ss (s = 1,2,...,S) mit dem Projektüberschuss e1p,s übereinstimmt; der Projektüberschuss ist durch Transaktionen auf dem Kapitalmarkt duplizierbar. Die Möglichkeit, die Überschüsse aller in einem Unternehmen durchführbaren Projekte durch Transaktionen auf dem Kapitalmarkt zu duplizieren, wird als „Spanning Property“ bezeichnet (GROSSMAN/STIGLITZ, 1977, S. 390; MOSSIN, 1977, S. 128). Die erwogenen Projekte mit den von ihnen verursachten möglichen Über-

218

Kapitel V

schüssen werden dann gewissermaßen durch die bereits am Kapitalmarkt gehandelten Zahlungsströme „aufgespannt“ (WILHELM, 1983; BREUER, 1997, S. 224). Im vollständigen Kapitalmarkt ist die Spanning-Bedingung immer erfüllt, es besteht universelle Duplizierbarkeit. Ist die Klasse der möglichen Investitionsprojekte des Unternehmens beschränkt, kann die Spanning-Bedingung aber auch im unvollständigen Kapitalmarkt erfüllt sein. (Die Vollständigkeit des Kapitalmarktes ist somit eine hinreichende, keine notwendige Bedingung für Spanning.) Ist zusätzlich zur Spanning-Bedingung auch die Competitivity-Bedingung erfüllt – hat also das Projekt keinen Einfluss auf die Marktwerte projektunabhängiger Wertpapiere – steht trotz Unvollständigkeit des Kapitalmarktes Marktwertmaximierung im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung. Dies lässt sich einfach begründen: Mit einem zusätzlichen Investitionsprojekt wird einem Anteilseigner ein zusätzliches Risiko aufgebürdet. Unter der Spanning-Voraussetzung kann er ein Portefeuille bilden, das seinen Anteil am Überschuss des Projekts dupliziert, und dieses (leer-)verkaufen (er nimmt damit einen perfekten Hedge seines Erfolgsanteils vor). Wenn der Marktwert des Projekts unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung positiv ist, erzielt er einen Verkaufserlös, der höher ist als der Betrag z ˜ A 0p , d.h. höher als die auf ihn entfallende anteilige Anschaffungsauszahlung. Den Überschuss kann er entsprechend seiner Risikoeinstellung optimal am Kapitalmarkt reinvestieren; sein Erwartungsnutzen steigt. Unter der Spanning-Bedingung ist für jedes mögliche Projekt der Marktwert seines Überschusses kollektiver subjektiver Grenzpreis. Im Vordergrund der folgenden Darstellungen steht zunächst wieder der vollständige Kapitalmarkt. Auf die Bedeutung der Spanning-Bedingung bei unvollständigem Kapitalmarkt kommen wir in Abschnitt 6 zurück.

3

Problematik der Annahme eines Handels zu unveränderlichen Preisen Ss

3.1

Allgemeine Charakteristik

Zwar steht bei vollständigem Kapitalmarkt die Orientierung am Marktwertkriterium generell im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung, sofern sich die Preise Ss mit der Durchführung neuer Projekte nicht ändern. Damit sollte jedoch eine Rechtfertigung des Ziels der Marktwertmaximierung nicht enden; die Bedingung unveränderlicher Preise bedarf ihrerseits einer theoretischen Begründung. Wird – wie in Abschnitt 2.1 – davon ausgegangen, dass ein einzelner privater Investor ein Investitionsprojekt erwägt, kann die Bedingung unveränderlicher Preise damit gerechtfertigt werden, dass im Rahmen des State Preference Ansatzes annahmegemäß ein einzelner Investor (Anteilseigner) auf dem Kapitalmarkt praktisch keinen Einfluss

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

219

auf die Preise Ss hat, was wiederum voraussetzt, dass das Projekt und die entsprechenden Kapitalmarkttransaktionen des Investors einen relativ geringen „Umfang“ haben. Wird jedoch davon ausgegangen, dass in einem Unternehmen mit großer Zahl von Anteilseignern ein entsprechend umfangreiches Investitionsprojekt durchgeführt wird, wird es schwieriger, die Hypothese unveränderlicher Preise Ss sinnvoll zu begründen. Zur Verdeutlichung werden die Abbildungen V.1 und V.2 einander gegenübergestellt. Für das betrachtete Individuum seien hierbei dieselben zustandsabhängigen Vermögensänderungen relevant, unabhängig davon, ob er als „Investor“ ein kleines Projekt (das die Preise Ss nicht verändert) privat durchführt (Abbildung V.1) oder als Anteilseigner mit dem Anteil z am Erfolg eines umfangreichen Programms beteiligt ist, das in einem Unternehmen durchgeführt wird (Abbildung V.2). Würden mit der unternehmerischen Investition nur bei dem betrachteten Anteilseigner Kapitalmarkttransaktionen ausgelöst werden, so wäre die Annahme unveränderlicher Preise ebenso gerechtfertigt wie wenn er eine entsprechend „kleine“ Investition privat durchführt. Nun sind aber zahlreiche Anteilseigner am Projekterfolg beteiligt, die alle die in Abschnitt 2.2.1 beschriebenen Kapitalmarkttransaktionen vornehmen wollen. Die Gesamtheit dieser Kapitalmarkttransaktionen kann durchaus ins Gewicht fallen.

3.2

Problematik in einem Nichthandels-Gleichgewicht

Die Bedingung unveränderlicher Preise Ss kann nur in der Weise sinnvoll analysiert werden, dass die Reaktionen aller Anteilseigner berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung dieser Reaktionen zeigt, dass die Bedingung unveränderlicher Preise z.B. im Rahmen der BQ- und der NE-Variante des CAPM eindeutig verletzt ist. Wie in Kapitel VI, Abschnitt 2.1 gezeigt werden wird, gilt hierfür: Wenn ausgehend von einem Kapitalmarktgleichgewicht ein neues Projekt durchgeführt wird, ändern sich die Preise derart, dass das Gleichgewicht erhalten bleibt (Nichthandels-Gleichgewicht).6 Falls bei den bisherigen (unveränderten) Preisen irgend ein Anteilseigner Papiere kaufen oder verkaufen will, gilt dies auch für jeden anderen, so dass diese Preise keine Gleichgewichtspreise sein können: Die Preise aller riskanten Wertpapiere ändern sich mit dem Projekt in der Weise, dass es für jeden Anteilseigner nachteilig ist, zu kaufen oder zu verkaufen. Entsprechend ist der Argumentation, jeder Anteilseigner könne ausgehend von der durch ein neues Projekt mit positivem Marktwert erreichten Position durch Handel mit zustandsbedingten Ansprüchen eine Position erreichen, deren Erwartungsnutzen höher ist als der in der Ausgangssituation, die theoretische Basis entzogen. Zur graphischen Verdeutlichung (Abbildung V.3) wird davon ausgegangen, dass nur zwei Zustände möglich seien (S = 2). Da dann keine Normalverteilungen gegeben sein können, wird hier die BQ-Variante des CAPM (mit quadratischen Nutzenfunktionen der Anteilseigner) zugrunde gelegt, die für beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen und 6

Dies gilt übrigens nicht nur bei quadratischen und exponentiellen Nutzenfunktionen, sondern allgemein bei Nutzenfunktionen der HARA-Klasse: Die lineare Aufteilung des Marktportefeuilles auf die Anteilseigner ist dann bei (den im CAPM angenommenen) homogenen Erwartungen pareto-effizient, so dass Änderungen dieser Erwartungen ein gegebenes Gleichgewicht nicht beeinflussen.

220

Kapitel V

mithin auch für den Fall nur zweier Zustände gilt. Wird ausgehend von einem Kapitalmarktgleichgewicht ein neues Projekt durchgeführt, ändert sich die Steigung der Marktwertgeraden derart, dass es für jeden Anteilseigner nachteilig ist, zustandsbedingte Zahlungsansprüche zu kaufen oder zu verkaufen. Der in Abschnitt 2.2 für zwei Zustände geführte anschauliche Beweis der Kompatibilität von Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung wird dann bedeutungslos; es besteht ein Konflikt zwischen beiden Zielfunktionen. V11 ( Zustand S1 )

P1

T2 T1

0

V12 (Zustand S2 )

Abb. V.3: Zum Konflikt zwischen Marktwertmaximierung und subjektiver Nutzenmaximierung und veränderliche Preisen für zustandsbedingte Zahlungsansprüche

In der Ausgangssituation sei die (V11,V12)-Position des betrachteten Anteilseigners durch den Tangentialpunkt T1 in Abbildung V.3 charakterisiert. Das erwogene Projekt hat bei den bisherigen Preisen Ss (s = 1,2) einen positiven Marktwert, wobei der Anteilseigner mit dem Projekt die Position P1 erreicht. Würden die Preise Ss (s = 1,2) konstant bleiben, könnte er durch Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen den Tangentialpunkt T2 und folglich einen höheren Erwartungsnutzen erzielen. Jedoch bleiben die Preise nicht konstant; sie ändern sich so, dass die durch P1 verlaufende Indifferenzkurve in P1 eine der neuen Marktwertgeraden tangiert. Ausgehend von diesem Punkt führt die Bewegung entlang der neuen Marktwertgeraden nach links oben oder nach rechts unten zu Indifferenzkurven mit niedrigerem Erwartungsnutzen: Der Anteilseigner erzielt mit dem Projekt einen Erwartungsnutzen, der geringer ist als der in der Ausgangssituation. Der Erwartungsnutzen würde durch Handel

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

221

mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen noch weiter sinken. Analog erzielen auch alle anderen Anteilseigner einen Nachteil, wenn das Projekt durchgeführt wird. Gegen die obige Argumentation könnte eingewendet werden, dass ein einzelner Anteilseigner annahmegemäß gar keinen Einfluss auf die Gleichgewichtspreise habe. Die Preisänderungen resultieren jedoch nicht aus der Reaktion eines Einzelnen, sondern aus den Reaktionen aller. Wenn bei gegebenen Preisen ein Anteilseigner die Struktur seines Portefeuilles ändern möchte, gilt dies in gleiche Richtung auch für alle anderen. Im Gleichgewicht halten alle Anteilseigner einen bestimmten Anteil am Marktportefeuille; das Projekt führt (in einem Nichthandels-Gleichgewicht) nicht dazu, dass irgendein Anteilseigner seinen Marktanteil verändert. Die Annahme unveränderlicher Preise Ss ist auch dann problematisch, wenn die Nutzenfunktionen der Anteilseigner nicht quadratisch sind. Zunächst wird der Fall betrachtet, dass alle Investoren dieselbe Nutzenfunktion und dasselbe Ausgangsvermögen haben und den Zuständen dieselben Wahrscheinlichkeiten zuordnen, so dass alle im Kapitalmarktgleichgewicht dasselbe Portefeuille halten. Dann gilt für alle Investoren, was für einen beliebigen Investor gilt: Ergibt sich für diesen „repräsentativen“ Investor bei Durchführung des Projekts eine Position auf einer Indifferenzkurve mit niedrigerem Nutzenerwartungswert, kann er durch Kauf bzw. Verkauf zustandsbedingter Zahlungsansprüche seine Position nicht verbessern. Würde er kaufen oder verkaufen, so müsste das Umgekehrte für mindestens einen anderen Anteilseigner gelten. Dies ist aber nicht der Fall: Alle anderen Anteilseigner wollen dieselben Ansprüche kaufen und dieselben verkaufen wie der repräsentative. Bei „identischen“ Investoren werden sich die Preise für zustandsbedingte Zahlungsansprüche so ändern, dass kein Anteilseigner die durch das Projekt bewirkte Position im Indifferenzkurvensystem durch Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen ändert. Allgemein kommt es bei Durchführung des Projekts dann nicht zu einem Handel mit Wertpapieren, wenn bei der gegebenen Teilungsregel das Risiko ohne und mit dem Projekt pareto-effizient geteilt wird. Ist die Teilungsregel linear, besteht Einmütigkeit, so dass jeder Anteilseigner repräsentativ für die Interessen aller steht. Wiederum erzielen alle einen Nachteil, wenn das Projekt für einen beliebigen Investor zu einer schlechteren Indifferenzkurvenposition führt; die Preise ändern sich so, dass niemand durch Handel mit Wertpapieren seine Position verbessern kann.

3.3

Problematik in einem Handels-Gleichgewicht

Die Annahme unveränderlicher Preise Ss ist bei konvexen Indifferenzkurven auch dann problematisch, wenn kein repräsentativer Investor existiert. Zur Erläuterung wird wieder Abbildung V.3 betrachtet. In der Ausgangssituation gilt hier für den betrachteten Anteilseigner die durch den Tangentialpunkt T1 beschriebene (V11,V12)-Position. Wie erläutert, ergibt sich für ihn bei Durchführung des Projekts zunächst die Position P1. Bei unveränderlichen Preisen Ss würde der Anteilseigner die Position T2 realisieren; er würde Zahlungsansprüche für den Zustand S2 kaufen und für den Zustand S1 verkaufen. Da jedoch die Indifferenzkurven der anderen Anteilseigner ebenfalls streng konvex verlau-

222

Kapitel V

fen und für sie die gleichen Preise Ss maßgeblich sind, würde für sie das Analoge gelten wie für den betrachteten Anteilseigner: Alle wollen bei konstanten Preisen für den Zustand S2 Ansprüche kaufen und für den Zustand S1 verkaufen. Somit steigt der Preis S2, während S1 sinkt; die Annahme unveränderlicher Preise erscheint wieder als problematisch. Sind wie im CAPM alle Investoren auf dem Kapitalmarkt am Unternehmen beteiligt, so fragt sich überdies, wer denn solche Ansprüche, die alle verkaufen (kaufen) wollen, überhaupt nachfragen (anbieten) sollte. Möglicherweise gibt es jedoch unter anderen Kapitalmarktbedingungen als denen des CAPM Investoren, die bisher nicht am Unternehmen beteiligt waren, an die (von denen) zustandsbedingte Zahlungsansprüche verkauft (gekauft) werden können. Aber auch in diesem Zusammenhang ist die Annahme unveränderlicher Preise Ss nicht unproblematisch.

4

Identität von Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung bei quasi-konstanten Grenznutzenwerten

4.1

Marktwertmaximierung als direkte Nutzenmaximierung ohne dass Wertpapierhandel ausgelöst wird

Wie erläutert, ist es bei streng konkaven Nutzenfunktionen der Anteilseigner nicht möglich, potenzielle Konflikte zwischen Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung generell durch Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen zu unveränderlichen Preisen Ss aufzulösen. Der Widerspruch zwischen Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung kann dagegen dann nicht auftreten, wenn von der Annahme ausgegangen wird, dass sich bei Durchführung eines Projekts die zustandsabhängigen Grenznutzenwerte aller Anteilseigner (praktisch) nicht ändern, also die maßgeblichen Nutzenfunktionen im planungsrelevanten Bereich (quasi-)linear verlaufen. Dann wird – wie im Allgemeinen auch in der Realität – durch das Projekt gar kein Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen ausgelöst, wobei zugleich eine Erklärung dafür gegeben wird, warum sich die Preise Ss und somit die Preise beliebiger Wertpapiere, die nicht an den Überschüssen des Unternehmens partizipieren, nicht ändern. Mit Marktwertmaximierung wird dann direkt der subjektive Nutzen jedes Anteilseigners maximiert, so dass Marktwert- und subjektive Nutzenmaximierung (bei proportionaler Erfolgsbeteiligung) letztlich „identische“ Ziele sind und für jedes Bewertungsobjekt ein kollektiver Grenzpreis existiert, der mit dem Marktwert seines Überschusses übereinstimmt. Zur Erläuterung dient die Abbildung V.4. Der Punkt T1 kennzeichnet die Ausgangsposition (vor Durchführung des Projekts) für den betrachteten Anteilseigner. Da in der Ausgangssituation ein Marktgleichgewicht besteht, muss die dem Punkt T1 entsprechende Indifferenzkurve in diesem Punkt eine Marktwertgerade tangieren. Mithin muss

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

223

die Indifferenzkurvensteigung in T1 gleich S2/S1 sein. Die Annahme (quasi-)konstanter zustandsabhängiger Grenznutzenwerte bei Durchführung eines zusätzlichen Projekts impliziert, dass in dem planungsrelevanten Bereich die Indifferenzkurven (quasi-)linear verlaufen und dieselbe Steigung aufweisen wie in T1, also die Steigung S2/S1. Wenn das Projekt bei den gegebenen Preisen S1 und S2 einen positiven Marktwert aufweist, also zu einer „höheren“ Marktwertgerade für diese Preise führt, führt es direkt auch zu einer Indifferenzkurve mit höherem Nutzenerwartungswert. Im Beispiel der Abbildung V.4 bewirkt das Projekt, dass für den betrachteten Anteilseigner die bessere Position P1 erreicht wird. Das Analoge gilt bei unveränderlichen Grenznutzenwerten im planungsrelevanten Bereich für alle anderen Anteilseigner. V11 ( Zustand S1 )

P2

P1

T2

T1

0

V12 ( Zustand S2 )

Abb. V.4: Zur Äquivalenz von subjektiver Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung bei (quasi-)konstanten Grenznutzenwerten innerhalb des planungsrelevanten Bereichs

Wenn sich die Grenznutzenwerte bzw. die Steigungen der Indifferenzkurven nicht ändern, ist bei unveränderlichen Preisen S1 und S2 (bei unveränderlicher Steigung der Marktwertgeraden) der durch das Projekt induzierte Punkt P1 im Indifferenzkurvensystem wiederum Tangentialpunkt einer Indifferenzkurve mit einer Marktwertgeraden. Es wird kein Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen ausgelöst, so dass die Preise S1 und S2 in der Tat unveränderlich sind. Marktwertmaximierung steht direkt im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung und nicht indirekt über einen Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen. Würde das Projekt einen Übergang von T1 auf P2 bewirken, würde der Bereich quasi-linear verlaufender Indifferenzkurven für den betrachteten Anteilseigner verlassen. Würde das gleiche auch für die anderen Anteilseigner gelten, so behielten die Aussagen des Abschnitts 3 ihre Gültigkeit.

224

4.2

Kapitel V

Implikationen quasi-konstanter Grenznutzenwerte

Es ist zu beachten, dass die Annahme quasi-konstanter Grenznutzenwerte nicht besagt, dass die individuellen Nutzenfunktionen durchgehend linear verlaufen, also „Risikoneutralität“ besteht. Die Grenznutzenwerte können insbesondere auf Grund unterschiedlicher Endvermögenswerte für den einen Zustand hoch und für den anderen niedrig sein. Es wird lediglich vorausgesetzt, dass die Anteile am Projekterfolg in den beiden Zuständen die jeweils maßgeblichen Grenznutzenwerte nicht ändern. Zur Verdeutlichung dient Abbildung V.5, wobei in der Ausgangssituation (vor dem Projekt) der betrachtete * * Anteilseigner im Zustand S1 (S2) über das Endvermögen V11 (V12 ) verfügt. U( V1 )

0 * V11

* V12

( für S1 )

( für S 2 )

V1

Abb. V.5: Zur Annahme unveränderlicher (zustandsabhängiger) Grenznutzenwerte

~ Da das Vermögen V1 zum Zeitpunkt 1 zustandsabhängig ist, gilt dies wegen der Konkavität der Nutzenfunktion U(V1) auch für den Grenznutzenwert; er ist für Zustand S1 höher als für Zustand S2. Die Annahme quasi-konstanter Grenznutzenwerte besagt nun, dass im planungsrelevanten Bereich für den Zustand S1 (S2) derjenige Grenznutzenwert * ( V * ) entspricht. Die betreffenden Grenznutrelevant ist, der dem Vermögenswert V11 12 zenwerte bestimmen die Steigung der Indifferenzkurve im (quasi-)linearen planungsrelevanten Bereich. Die Annahme unveränderlicher Grenznutzenwerte im planungsrelevanten Bereich ist vor allem dann gerechtfertigt, wenn dieser Bereich klein ist. Dies ist tendenziell dann der Fall, wenn das erwogene Projekt einen geringen Umfang hat und viele Anteilseigner mit geringen Anteilen daran beteiligt sind; das Entscheidungskalkül ist dann aus Sicht eines Einzelnen praktisch ein Marginalkalkül. Zwar wird bei der üblichen Rechtfertigung der Marktwertmaximierung unter Berücksichtigung von Käufen und Verkäufen von zustandsbedingten Zahlungsansprüchen ebenfalls betont, dass die Annahme unveränderlicher Preise für zustandsbedingte Zahlungsansprüche vor allem bei Investitionen mit geringem Umfang gerechtfertigt sei (vgl. z.B. BREUER, 1998, S. 48). Bei der obigen Darstellung wurde jedoch ein Schritt weiter gegangen, indem konstante Preise mit (qua-

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

225

si-)konstanten Grenznutzenwerten begründet wurden. Ein Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen ist dann allerdings für die Rechtfertigung des Ziels der Marktwertmaximierung irrelevant; er findet gar nicht statt. Bei gegebener Größe des Projekts ist die Annahme (quasi-)konstanter Grenznutzenwerte umso eher gerechtfertigt, je größer die Zahl der Anteilseigner ist, die sich den Projekterfolg teilen. Für die Vorteilhaftigkeitsbedingung aus Sicht eines individuellen Investors ist die Annahme allenfalls bei sehr kleinen („marginalen“) Projekten hinreichend erfüllt. Bei „großen“ Projekten sind für ihn Marktwertmaximierung und individuelle subjektive Nutzenmaximierung grundsätzlich nur dann äquivalente Ziele, wenn er ohne weiteres Leerverkäufe vornehmen kann; deren Beschränkung impliziert Konflikte zwischen Marktwertmaximierung und individueller subjektiver Nutzenmaximierung, wobei der individuelle subjektive Grenzpreis vom Marktwert abweicht (Kapitel XI und XII).

4.3

Vergleich mit den Darstellungen zur partiellen Anreizkompatibilität

Das Ergebnis der Analyse entspricht dem in Kapitel II, Abschnitt 8.4, erläuterten Theorem, wonach unabhängig von den Nutzenfunktionen und den Wahrscheinlichkeitsvorstellungen der Beteiligten über die Umweltzustände immer dann „partielle“ Anreizkompatibilität bezüglich der Änderung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg besteht, wenn 1. in der Ausgangssituation – d.h. vor dem Projekt – der Erfolg pareto-effizient geteilt ist (dies ist im Rahmen des SPA der Fall), 2. alle Beteiligten proportional und zustandsunabhängig an der Änderung des Erfolges beteiligt werden und 3. der Betrag dieser Änderung so gering ist, dass Änderungen der individuellen (zustandsabhängigen) Grenznutzenwerte vernachlässigbar sind. In Kapitel II, Abschnitt 8.4, wurde vereinfachend davon ausgegangen, dass das Risiko nur von zwei Personen getragen wird. In LAUX (2006a, S. 231 ff.) wird gezeigt, dass das Theorem auch bei mehr als zwei Personen gilt und dass zugleich Marktwertmaximierung eine Implikation subjektiver Nutzenmaximierung ist. Die Darstellungen sind sehr allgemein: Die Nutzenfunktionen der Anteilseigner können zustandsabhängig sein und es können heterogene Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände bestehen. Marktwertmaximierung impliziert, dass das Programm mit dem höchsten Marktwert gewählt wird. Werden die Anteilseigner über die zustandsabhängigen Erfolge (Überschüsse) informiert, steigt entsprechend auch der Marktwert der Aktien des Unternehmens. Dies ist jedoch keine Bedingung dafür, dass mit dem betreffenden Programm der Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners maximiert wird. Er wird z.B. auch dann maxi-

226

Kapitel V

miert, wenn die Anteilseigner gar nicht erfahren, dass sich die Gewinnsituation geändert hat und somit der reale Marktwert der Aktien konstant bleibt. (Es bleibt hier offen, welche Konflikte sich ergeben können, wenn Anteilseigner unterschiedlich über die Projekterfolge informiert werden und es zu einem Handel mit Aktien des Unternehmens zwischen „besser“ und „schlechter“ Informierten kommt.) Die Besonderheit der unternehmerischen Investitionsplanung und Marktbewertung vor dem Hintergrund des vollständigen Kapitalmarktes besteht bei unserer Interpretation darin, dass die Anteilseigner (allgemein: die Investoren auf dem Kapitalmarkt) dem für die Investition zuständigen Entscheidungsträger einen wesentlichen Teil des Bewertungsproblems abnehmen. Sie liefern ihm ein System von Preisen für zustandsbedingte Zahlungsansprüche, mit denen der Marktwert des Unternehmens maximiert werden kann, wobei sich aufgrund rationaler Transaktionen auf dem Kapitalmarkt (rationaler Portefeuillebildung) die Preise und die entsprechenden Grenznutzenwerte so einstellen, dass Marktwertmaximierung bei unveränderlichen Grenznutzenwerten direkt subjektive Nutzenmaximierung impliziert. Das in Abschnitt 4.1 beschriebene Konzept zur Begründung von Anreizkompatibilität wird im Folgenden als „Gleichgewichtsvariante“ bezeichnet, das in Abschnitt 2.2 beschriebene als „Hedgevariante“.

5

Zur Relevanz von Informationen

Die Gleichgewichts- und die Hedgevariante der Erklärung von Einmütigkeit stellen unterschiedliche Anforderungen an die Informationspolitik des Unternehmens. Die Hedgevariante impliziert, dass die Anteilseigner über die zustandsabhängigen Residualgewinne oder Überschüsse neuer Projekte informiert werden, damit sie die zum Nutzenmaximum führenden Kapitalmarkttransaktionen vornehmen können (Informationsprämisse). Bei der Gleichgewichtsvariante wird eine solche Information nicht vorausgesetzt. Sie löst bei (quasi-)konstanten Grenznutzenwerten ohnehin keine Transaktionen aus. Es genügt, die Anteilseigner am Ende der Periode über den tatsächlich erzielten Residualgewinn zu informieren, damit sie sich mit ihren Konsumentscheidungen für die zweite Periode anpassen können. Die (implizite) Informationsprämisse im Rahmen der Hedgevariante ist als Basis für die Begründung von Einmütigkeit problematisch. Zum einen verursachen die betreffenden Informationen hohe Kosten. Zum anderen können sie den Wettbewerbern Rückschlüsse auf geplante Maßnahmen ermöglichen und Reaktionen auslösen, bei denen die angekündigten zustandsabhängigen Erfolge nicht erzielt werden. Die Kompatibilität von Marktwertmaximierung und subjektiver Nutzenmaximierung gilt zwar im Prinzip unabhängig davon, ob die Hedgevariante oder die Gleichgewichtsvariante als Begründungsbasis dient. Jedoch können unterschiedliche Typen von

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

227

Marktwerten relevant sein. Da bei der Hedgevariante die Anteilseigner über die zustandsabhängigen Projektgewinne informiert werden (müssen), damit sie die maßgeblichen Kapitalmarkttransaktionen vornehmen können, ist bei ihr der reale Marktwert der Aktien relevant; bei Durchführung eines (im Börsenkurs nicht antizipierten) zusätzlichen Projekts ändert er sich in Verbindung mit den betreffenden Informationen um den Marktwert des Projekts unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung. Bei der Gleichgewichtsvariante genügt es, den virtuellen Marktwert der Aktien zu maximieren, d.h. denjenigen Marktwert, der sich einstellen würde, wenn die Anteilseigner die Informationen des Entscheidungsträgers im Unternehmen hätten. Wenn ihnen der Entscheidungsträger keine weiteren Informationen gibt, bleibt bei Durchführung eines zusätzlichen Projekts der reale Marktwert unverändert, während sich der virtuelle um den Marktwert des Projekts unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung ändert. Können im Unternehmen unbeschränkt Leerverkäufe vorgenommen werden, kann unternehmensintern der Projektüberschuss ~e1p dupliziert und das Duplikationsportefeuille leerverkauft werde. Damit steigt zum Zeitpunkt 0 das Geldvermögen des Unternehmens um den Marktwert des Projekts unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung. Wenn dieser Betrag zum Zeitpunkt 0 zusätzlich ausgeschüttet wird, so fließt dem betrachteten Anteilseigner derselbe Betrag zu wie für den Fall, dass er seinen Anteil z am Residualgewinn dupliziert und das betreffende Portefeuille privat verkauft. Er muss nun nicht über die zustandsabhängigen Projektgewinne informiert werden.

6

Spanning als Bedingung der Identität von Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung bei unveränderlichen Grenznutzenwerten

6.1

Charakteristik

Ist der Kapitalmarkt unvollständig, ist zwar die Spanning-Bedingung nicht logisch zwingend erfüllt. Bei entsprechender Beschränkung des Aktionsraums des Unternehmens kann sie jedoch erfüllt sein, so dass der Überschuss jedes realisierbaren Investitionsprojekts durch Portefeuillebildung duplizierbar ist. Wie in Anhang 2 gezeigt wird, stehen dann auch bei Unvollständigkeit des Kapitalmarktes die Maximierung des Marktwertes der Aktien des Unternehmens und subjektive Nutzenmaximierung im Einklang miteinander, sofern die Projekterfolge proportional geteilt werden und die Grenznutzenwerte quasi-konstant sind (LAUX, 2001b). Zielkonformität und entsprechend die Identität von kollektivem subjektivem Grenzpreis und Marktwert gilt hierbei auch dann, wenn in der Ausgangssituation das Risiko nicht wie im SPA pareto-effizient geteilt ist. Die Darstellungen beruhen wiederum auf der Annahme eines vollkommenen und arbitragefreien Kapitalmarktes. Interpretation: Im Marktwert des Portefeuilles, mit dem die möglichen Projektüberschüsse dupliziert werden können, kommt zum Ausdruck, wie die Anteilseigner diese Überschüsse bewerten. Ist dieser Marktwert höher als A0p, ist der Wert des Projekts für die Anteilseigner höher als sein Preis. Das Unternehmen kann den Überschuss ~e1p zu

228

Kapitel V

günstigeren Bedingungen generieren als die Anteilseigner auf Grund von Kapitalmarkttransaktionen; ihr Erwartungsnutzen steigt mit dem Projekt.7

6.2

Bedeutung und Grenzen der Spanning-Bedingung

Bei den Darstellungen im Abschnitt 6.1 liegt die primäre Bedeutung der Spanning-Bedingung nicht wie bei der in der Literatur üblichen Interpretation darin, dass sie für jedes mögliche Projekt Kapitalmarkttransaktionen ermöglicht, mit denen bei positivem Kapitalwert ein höherer Nutzenerwartungswert als in der Ausgangssituation erzielt wird; solche Transaktionen werden bei (quasi-)konstanten Grenznutzenwerten nicht vorgenommen. Ist die Spanning-Bedingung erfüllt, sind vielmehr in der Ausgangssituation (zustandsabhängige) Grenznutzenwerte entscheidungsrelevant, bei denen zwischen allen Anteilseignern mit positivem Anteil am Unternehmen Einmütigkeit besteht; ihr Erwartungsnutzen wird direkt maximiert, wenn das Investitionsprogramm mit dem höchsten positiven Marktwert nach Anschaffungsauszahlung durchgeführt wird; ein Handel mit Wertpapieren mit dem Ziel, „oktroyiertes“ (unerwünschtes) Risiko zu hedgen, wird nicht ausgelöst. Da die Spanning-Annahme im vollständigen Kapitalmarkt zwingend erfüllt ist – es besteht universelle Duplizierbarkeit – gewinnt sie erst im unvollständigen Kapitalmarkt eigenständige Bedeutung. Sie impliziert dann allerdings eine Einengung der Menge der im Unternehmen realisierbaren Projekte: Ihre Überschüsse müssen trotz Unvollständigkeit durch Portefeuillebildung duplizierbar sein. Während also bei partieller Anreizkompatibilität Einmütigkeit für beliebige Projekte gilt, impliziert die Spanning-Annahme im unvollständigen Kapitalmarkt Einmütigkeit nur für den Fall einer entsprechenden Beschränkung des Aktionsraums des Unternehmens. Ist die Spanning-Bedingung nicht erfüllt, kann trotzdem für einen Teil der Projekte des Unternehmens Duplikation der Projektüberschüsse möglich sein. Bezüglich dieser Projekte besteht dann zwar Einmütigkeit. Eines dieser Projekte ist für alle Anteilseigner vorteilhaft, wenn sein Marktwert unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung positiv ist; der subjektive Grenzpreis stimmt mit dem Marktwert überein. Jedoch besteht grundsätzlich Konflikt bezüglich der Projekte, bei denen die Duplikation nicht möglich ist. Marktwert- und subjektive Nutzenmaximierung stehen bei ihnen nicht streng im Einklang miteinander. Konflikte ergeben sich auch dann, wenn Projekte einander ausschließen und nur bei einem Teil dieser Projekte die Überschüsse duplizierbar sind. Mit der Möglichkeit des Spanning ist bei unvollständigem Kapitalmarkt umso eher zu rechnen, je größer die Zahl an Wertpapieren mit linear unabhängigen Endwertvektoren ist, je geringer also der „Grad der Unvollständigkeit“ des Kapitalmarktes ist. Auf 7

Es kann gezeigt werden, dass von mehreren einander ausschließenden Projekten dasjenige den Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners maximiert, das unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung den höchsten positiven Marktwert aufweist.

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

229

Grund neuerer Entwicklungen hat sich der Kapitalmarkt immer mehr dem Ideal der Vollständigkeit genähert. „Die Entwicklungen der letzten 15 Jahre im Bereich der Finanzinnovationen und der Telekommunikation haben die Reichhaltigkeit der Anlagemöglichkeiten zweifellos in beträchtlichem Umfang erhöht. Gerade Derivate eröffnen ungeahnte Möglichkeiten zur Vervollständigung von Märkten, weil sogar nur ein einziger originärer Finanztitel (Aktie etc.) schon ausreichen kann, um durch darauf basierte Optionen bereits einen vollständigen Kapitalmarkt zu erhalten! Darüber hinaus lassen sich solche Derivate zu relativ geringen Kosten gestalten, so dass die grundsätzliche Voraussetzungen für einen Markt mit „Spanning“ nicht ungünstig erscheinen“ (EWERT, 1996, S. 547 f.). Jedoch muss beachtet werden, dass für Einmütigkeit nicht nur Spanning (und Konstanz der Grenznutzenwerte), sondern auch die Bedingung der proportionalen Risikoteilung maßgeblich ist. Diese Bedingung kann gerade durch Derivate verletzt werden. Wenn zum Beispiel Anteilseigner auch Kaufoptionen auf Aktien des Unternehmens halten, also konvex am Unternehmensüberschuss beteiligt sind, können für sie Projekte vorteilhaft sein, die aus Sicht derjenigen Anteilseigner, die nur als Stammaktionäre proportional beteiligt sind, zu riskant erscheinen. Marktwertmaximierung ist dann generell nur im Interesse der Anteilseigner mit dem proportionalen Anteil. Eine proportionale Teilung liegt auch dann nicht vor, wenn Anteilseigner Bestände an Aktien des Unternehmens leerverkauft haben, die höher sind als jene, die sie noch besitzen. Bezüglich dieser Gruppe von Anteilseignern und bezüglich der anderen Gruppe von Anteilseignern besteht dann jeweils partielle Anreizkompatibilität, nicht aber einheitlich für beide Gruppen; wieder existiert kein kollektiver subjektiver Grenzpreis.

6.3

Spanning und pareto-effiziente Risikoteilung im Vergleich

Bei unvollständigem Kapitalmarkt können vor allem solche Projekte einen relativ hohen Wert haben, die es ermöglichen, das Risiko besser als bisher zu teilen. Voraussetzung für eine bessere Risikoteilung ist, dass die betreffenden Projektüberschüsse nicht als Linearkombination der Überschüsse bereits vorhandener Papiere dargestellt werden können, dass also die Spanning-Bedingung verletzt ist. Es stellt sich dann aber das Problem, wie die betreffenden Projekte bewertet werden sollen (MOXTER, 1970, S. 143 ff.; BALLWIESER, 1994, S. 1391 ff.). Es ist dann selbst bei unveränderlichen Grenznutzenwerten nicht möglich, bezüglich dieser Projekte simultan den Erwartungsnutzen aller Anteilseigner zu maximieren, so dass wieder kein kollektiver subjektiver Grenzpreis existiert. Man mag einen Ausweg darin sehen, Marktwertmaximierung als „Kompromisszielfunktion“ zu interpretieren und auch jene Projekte danach auszuwählen, die der Bedingung der Duplizierbarkeit nicht genügen. Es fragt sich jedoch, wie deren Marktwerte ermittelt werden sollen. Komplexe Bewertungsprobleme können sich vor allem für Projekte ergeben, mit denen aufgrund einer ermöglichten „besseren“ Risikoteilung Portefeuilleumschichtungen bei Anteilseignern induziert werden, die die individuellen zustandsabhängigen Grenznutzenwerte ändern. Es ändern sich dann das Bewertungssystem für die Wertpapiere

230

Kapitel V

und mithin auch die Marktwerte solcher Papiere, deren Überschüsse von den Projekten unabhängig sind. Um beurteilen zu können, wie sich bei Durchführung eines Projekts der Erwartungsnutzen eines Anteilseigners ändert, müsste u.a. antizipiert werden, wie er sein Portefeuille umschichtet und welche finanziellen Auswirkungen dies für ihn hat. Die Portefeuilleumschichtung und die damit verbundenen Auszahlungen und Erlöse hängen jedoch von den Reaktionen aller Anteilseigner ab, die (ohne Kenntnis individueller Nutzenfunktionen und Wahrscheinlichkeitsvorstellungen) praktisch kaum prognostiziert werden können.

7

Zur Relevanz von Hintergrundrisiken und Leerverkäufen

7.1

Hedge-Konzept

Für beide Konzepte der Begründung der Identität von kollektiver subjektiver Nutzenmaximierung und Maximierung des Marktwertes der Aktien des Unternehmens (und entsprechend der Existenz eines mit dem Marktwert des Bewertungsobjekts übereinstimmenden kollektiven subjektiven Grenzpreises) haben allgemein der Handel mit Papieren und speziell deren Leerverkäufe zentrale Bedeutung. Beim Hedge-Konzept wird letztlich von der Fiktion ausgegangen, dass jeder Anteilseigner bei Durchführung eines neuen Projekts das Duplikationsportefeuille seines Anteils am Überschuss verkauft, wobei er einen Vermögenszuwachs erzielt, wenn sein Anteil an der Anschaffungszahlung niedriger ist als der Verkaufserlös für das anteilige Duplikationsportefeuille oder – was dasselbe besagt – wenn die Anschaffungsauszahlung für das Projekt niedriger ist als der Marktwert seines Überschusses. Im Folgenden soll gezeigt werden, warum dieses Konzept bei Leerverkaufsbeschränkungen versagt und welche Konflikte dann bestehen. Dabei nehmen wir der Einfachheit halber an, dass im Duplikationsportefeuille für das Projekt nur positive Bestände an Wertpapieren enthalten sind. Enthält es negative Bestände, so bedeutet „Leerverkauf“ des Duplikationsportefeuilles den realen Kauf der betreffenden Papiere, so dass eine Leerverkaufsbeschränkung bezüglich dieser Papiere nicht relevant ist. Wenn der Marktwert eines Projekts ohne Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung (der Marktwert des Duplikationsportefeuilles für seinen Überschuss) größer ist als die Anschaffungsauszahlung, ist das Projekt bei Leerverkaufsbeschränkungen ohne weiteres nur dann für einen Anteilseigner vorteilhaft, wenn es für ihn optimal ist, ohne das Projekt das entsprechende anteilige Duplikationsportefeuille im Portefeuille zu halten. Wenn das Projekt realisiert wird, erzielt er einen Vorteil, wenn er das anteilige Duplikationsportefeuille verkauft oder gar nicht erst kauft. Wenn für einen Anteilseigner das anteilige Duplikationsportefeuille nicht Bestandteil seines optimalen Portefeuilles ohne das Projekt ist, ist für ihn der subjektive Grenzpreis bei beschränkten Leerverkaufsmöglichkeiten grundsätzlich niedriger als der Marktwert,

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

231

da er sich nicht des mit dem Projekt verbundenen zusätzlichen, unerwünschten Risikos entledigen kann. Der subjektive Grenzpreis für einen Anteilseigner hängt von seiner Nutzenfunktion, der Struktur und dem Umfang seines ohne das Projekt optimalen Portefeuilles sowie der Gestalt des (anteiligen) Duplikationsportefeuilles für das Projekt ab. Wenn das optimale Portefeuille gar keine Papiere des Duplikationsportefeuilles enthält, wird ihm mit dem Projekt ein besonders hohes Risiko aufgebürdet, dessen er sich nicht durch Leerverkauf entledigen kann.8 Die individuellen Portefeuilles und entsprechend die individuellen subjektiven Grenzpreise können sich nicht nur aufgrund divergierender Wahrscheinlichkeitsvorstellungen bezüglich der Zustände und divergierender Nutzenfunktionen, sondern vor allem auch wegen unterschiedlicher privater Risiken und unterschiedlichem Kapitalmarktzugang unterscheiden. Sind die Strukturen der ohne Projekt optimalen individuellen Portefeuilles aufgrund relativ hoher privater Überschüsse und entsprechender Korrelationen mit den Endwerten der Papiere verzerrt, ist kaum zu erwarten, dass anteilige Duplikationsportefeuilles in diesen Portefeuilles enthalten sind, so dass Leerverkaufsbeschränkungen grundsätzlich optimale Portefeuilleanpassungen begrenzen. Das gilt auch für den Fall, dass zwar die individuellen optimalen Portefeuillestrukturen (annähernd) mit der des Marktportefeuilles übereinstimmen, jedoch die Struktur des Duplikationsportefeuilles im Vergleich dazu verzerrt ist, z.B. weil es eine relativ große Zahl von Papieren eines einzigen Typs enthält.

7.2

Gleichgewichts-Konzept

Im Gleichgewichts-Konzept (Abschnitt 4.1) wird zwar bei Durchführung eines neuen Projekts aufgrund quasi-konstanter Grenznutzenwerte kein Handel mit Wertpapieren ausgelöst; das Projekt führt bei allen Anteilseignern direkt zu einem Nutzenzuwachs, sofern sein Marktwert nach Abzug der Anschaffungsauszahlung positiv ist. Trotzdem haben auch hier Leerverkäufe grundsätzliche Bedeutung für den Beweis. Das Gleichgewicht-Konzept beruht nämlich in seiner Standardform auf der Annahme, dass das Risiko im Status quo (d.h. vor dem Projekt) zwischen den Anteilseignern pareto-effizient geteilt ist, eine Bedingung, die insbesondere bei privaten zustandsabhängigen Überschüssen allgemein nur in Verbindung mit Leerverkäufen erfüllt sein kann. In Abschnitt 6 wurde erläutert, dass Identität von subjektiver Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung bei quasi-konstanten Grenznutzenwerten auch dann besteht, wenn der Kapitalmarkt zwar unvollständig ist, jedoch trotzdem für das Unternehmen die Spanning-Bedingung erfüllt ist. Auch hier steigt bei Realisation eines neuen 8

Möglicherweise kann er jedoch den anteiligen Projektüberschuss durch Kauf von Wertpapieren, deren Endwerte negativ mit diesem Überschuss korreliert sind, wenigstens teilweise hedgen, so dass sich der subjektive Grenzpreis dem Marktwert nähert. In den Kapiteln IX bis XII wird untersucht, wie riskante Überschüsse bei Leerverkaufsbeschränkungen (und beschränkter Duplizierbarkeit) optimal gehedgt werden können und welche Implikationen die betreffenden Hedgemaßnahmen für die Differenz aus Marktwert und subjektivem Grenzpreis haben. Hier soll von Hedgemaßnahmen aufgrund negativer Korrelationen noch abgesehen werden.

232

Kapitel V

Projekts direkt der Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners, sofern der Marktwert seines Überschusses höher ist als die Anschaffungsauszahlung, wobei wiederum durch das Projekt kein Wertpapierhandel und somit auch keine Leerverkäufe ausgelöst werden. Jedoch beruht dieser Beweis auf Optimumbedingungen für die individuellen Portefeuilles vor dem Projekt, die grundsätzlich nur für den Fall gelten, dass Leerverkäufe unbeschränkt möglich sind. Werden die „optimalen“ Portefeuilles durch Leerverkaufsbeschränkungen „verzerrt“, besteht keine Anreizkompatibilität. Der Marktpreis des Duplikationsportefeuilles bringt dann nicht die Bewertung des Projekts durch die Anteilseigner zum Ausdruck.

8

Finanzierung und Relevanz des Marktwertkriteriums für die Bewertung einzelner Investitionsprojekte

Auch wenn das übergeordnete Ziel der Investitionsplanung in der Maximierung des Marktwertes (der Aktien) des gesamten Unternehmens besteht, gilt nicht ohne weiteres das Marktwertkriterium, wonach ein einzelnes Investitionsprojekt dann vorteilhaft ist, wenn der isoliert ermittelte Marktwert seiner Überschüsse nach Abzug seiner Anschaffungsauszahlung (also sein isoliert ermittelter Kapitalwert) positiv ist. Erfolgs- und/oder Restriktionsverbund erfordert die integrierte Planung bzw. Bewertung von Projekten, um den Abhängigkeiten zwischen ihnen Rechnung zu tragen (Kapitel XIII und XIV). Ein Investitionsprojekt mit isoliert ermitteltem positivem Kapitalwert kann deshalb nachteilig sein, weil es positive Kapitalwerte anderer Projekte schmälert oder Projekte mit positiven Kapitalwerten verdrängt. Umgekehrt kann ein Projekt mit negativem Marktwert aufgrund positiver externer Effekte vorteilhaft sein. Restriktionsverbund kann auch aus Unvollkommenheit des Kapitalmarktes resultieren. Typisches Beispiel hierfür sind exogen vorgegebene Finanzierungsobergrenzen, die implizieren, dass nicht alle Investitionsprojekte mit aus Sicht des Investors positivem Kapitalwert realisiert werden können (Kapitalrationierung), sondern Prioritäten gesetzt werden müssen.9 Kapitalrationierung erfordert auch dann die integrierte Planung bzw. Bewertung, wenn ansonsten kein Restriktionsverbund und auch kein Bewertungsverbund existiert (Kapitel XIV, Abschnitt 13) Es ist erstaunlich, dass in der finanzwirtschaftlichen Literatur (vor allem auch in finanzwirtschaftlichen Lehrbüchern) Unvollkommenheiten des Kapitalmarkts allenfalls am Rande behandelt werden. Es wird vielmehr unterstellt, dass die Finanzierung keinen Einfluss auf das optimale Investitionsprogramm hat und dabei jedes Projekt mit positivem Kapitalwert problemlos finanziert werden kann. Wenn auch sonst kein Restriktionsverbund und auch kein Erfolgsverbund besteht, können alle Projekte problemlos 9

Wie in Kapitel XIV, Abschnitt 13, erläutert wird, bedeutet Kapitalrationierung Begrenzung der „normalen“ Fremdfinanzierung, der stochastischen Fremdfinanzierung durch Leerverkauf von Wertpapieren und der Beteiligungsfinanzierung. Entsprechende Grenzen können ihrerseits aus beschränkter Haftung und heterogenen Erwartungen zwischen potenziellen Financiers und dem Investor resultieren. Kapitalrationierung lässt sich auch dann begründen, wenn dem Kapitalmarkt explizit Rechnung getragen wird.

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

233

nach dem Marktwertkriterium beurteilt werden: Projekte mit positivem (negativen) Marktwert nach Anschaffungsauszahlung sind vorteilhaft (nachteilig). Projekte, deren Überschüsse einen Marktwert in Höhe der Anschaffungsauszahlung aufweisen, sind irrelevant. Diese Bewertungskonzeption ist zwar einfach und entsprechend populär. Bei praktischer Anwendung können sich jedoch gravierende Unzulänglichkeiten zeigen. Zum Beispiel ist es nach dem Marktwertkriterium nachteilig, eine Versicherung abzuschließen, deren Prämie (oder Marktwert der Prämien) höher ist als der Marktwert der möglichen Schäden. In der Realität werden jedoch solche Versicherungen im Allgemeinen abgeschlossen. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die betreffenden Entscheidungsträger irrational handeln, stellt sich für die Versicherungslehre das Problem, solche Versicherungen zu erklären. Ein Erklärungsansatz beruht auf der Annahme eines (unvollkommenen) Kapitalmarktes mit Kapitalrationierung. Die Versicherung wird hierbei als Maßnahme bedingter Kapitalbeschaffung interpretiert, wobei der im Schadenfall gezahlte Betrag Investitionen mit positivem Kapitalwert ermöglicht, die sonst nicht finanzierbar gewesen wären (Kapitel XIV, Abschnitt 13). Maximierung des Marktwertes (der Aktien) des Unternehmens als Ganzes steht auch dann im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung, wenn der Kapitalmarkt aus unternehmensinterner Sicht unvollkommen ist. Voraussetzung ist allerdings, dass die Anteilseigner alle ihre Risiken durch unbeschränkten privaten Handel mit zustandsbedingten Zahlungsansprüchen (allgemein: mit Wertpapierhandel) perfekt hedgen können (Abschnitt 7). Ist diese Bedingung nicht erfüllt, versagt das Marktwertkriterium auch dann, wenn für das Unternehmen selbst keine Kapitalrationierung besteht.

9

Resümee

1. Besteht zwischen den Anteilseignern eines börsennotierten Unternehmens Anreizkompatibilität, wird – sofern keine nichtfinanziellen Ziele relevant sind – mit der Maximierung des Nutzenerwartungswertes eines beliebigen Anteilseigners simultan auch die Nutzenerwartungswerte aller anderen maximiert. Es existiert dann für ein beliebiges Bewertungsobjekt ein kollektiver subjektiver Grenzpreis. In der Literatur wird Einmütigkeit oft damit begründet, dass bei Maximierung des Marktwertes der Aktien des Unternehmens in Verbindung mit privaten Kapitalmarkttransaktionen der Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners maximiert werde. Dabei wird ein kompetitiver und vollständiger Kapitalmarkt unterstellt, auf dem für alle relevanten Zustände Ss zu unveränderlichen Preisen Ss bedingte Zahlungsansprüche ohne Leerverkaufsbeschränkungen gehandelt werden können. Wenn Marktwertmaximierung im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung steht, ist der kollektive subjektive Grenzpreis eines beliebigen Bewertungsobjekts gleich dem Marktwert seiner Überschüsse (ohne die Anschaffungsauszahlung). 2. Im SPA kann annahmegemäß ein einzelner Investor auf dem Kapitalmarkt zu gegebenen Preisen Ss (s=1,2,...,S) zustandsbedingte Zahlungsansprüche kaufen und verkaufen. (Genauer: Der Einfluss seiner Kapitalmarkttransaktionen auf die Preise ist vernachlässigbar gering.) Dies impliziert, dass er allenfalls in geringem Umfang Kapitalmarkttransaktionen vornimmt. Hier kann gezeigt werden, dass der individuelle Investor in Verbindung mit einem Handel

234

Kapitel V

mit Wertpapieren seinen Erwartungsnutzen maximiert, indem er den Marktwert seines Investitionsprogramms maximiert. Zur Rechtfertigung des Ziels der Marktwertmaximierung (bei unbeschränktem Leerverkauf) kann von der Fiktion ausgegangen werden, dass der Investor bei Durchführung eines Projekts zum Zeitpunkt 0 das Duplikationsportefeuille für den Überschuss (leer-)verkauft. Da die verkauften Papiere zurückgekauft werden können, ist mit dem Verkauf kein Nachteil verbunden. Das Projekt ist vorteilhaft, wenn der Verkaufserlös für das Duplikationsportefeuille größer ist als die Anschaffungsauszahlung des Projekts. Da der Verkaufserlös des Duplikationsportefeuilles mit dem Marktwert des Projektüberschusses übereinstimmt, folgt: Der individuelle subjektive Grenzpreis ist gleich dem Marktwert des Projektüberschusses. Ist die Anschaffungsauszahlung niedriger als der Grenzpreis, steigt der Marktwert des Vermögens des Investors und simultan sein Erwartungsnutzen. 3. Analog kann für ein börsennotiertes Unternehmen die Kompatibilität von Marktwertmaximierung und subjektiver Nutzenmaximierung für den Fall begründet werden, dass die Anteilseigner proportional an den Projektüberschüssen beteiligt sind und sich die Preise Ss bei Durchführung neuer Projekte nicht ändern. Damit sollte jedoch eine Rechtfertigung des Ziels der Marktwertmaximierung nicht enden; die Bedingung unveränderlicher Preise bedarf nun ihrerseits einer theoretischen Begründung. Wird davon ausgegangen, dass ein einzelner privater Investor ein Investitionsprojekt erwägt, kann zwar die Bedingung unveränderlicher Preise damit gerechtfertigt werden, dass im Rahmen des State Preference Ansatzes annahmegemäß ein einzelner Investor auf dem Kapitalmarkt praktisch keinen Einfluss auf die Preise Ss hat, was wiederum voraussetzt, dass das Projekt und die entsprechenden Kapitalmarkttransaktionen des Investors einen relativ geringen Umfang haben. Wird jedoch davon ausgegangen, dass in einem Unternehmen mit großer Zahl von Anteilseignern ein entsprechend umfangreiches Investitionsprojekt durchgeführt wird, wird es schwieriger, die Hypothese unveränderlicher Preise Ss sinnvoll zu begründen. Die Bedingung unveränderlicher Preise Ss kann nur in der Weise analysiert werden, dass die Reaktionen aller Anteilseigner berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung dieser Reaktionen zeigt, dass die Bedingung unveränderlicher Preise zum Beispiel im Rahmen der BQ- und der NE-Variante des CAPM eindeutig verletzt ist. Es gilt hierfür: Wenn ausgehend von einem Kapitalmarktgleichgewicht ein neues Projekt durchgeführt wird, ändern sich die Preise derart, dass das Gleichgewicht erhalten bleibt (Nichthandels-Gleichgewicht). Die Preise aller riskanten Papiere ändern sich mit dem Projekt in der Weise, dass es für jeden Anteilseigner nachteilig ist, Papiere zu kaufen oder zu verkaufen. Entsprechend ist der Argumentation, jeder Anteilseigner könne ausgehend von der durch ein neues Projekt mit positivem Marktwert erreichten Position durch Handel mit zustandsbedingten Ansprüchen eine Position erreichen, deren Erwartungsnutzen höher ist als der in der Ausgangssituation, die theoretische Basis entzogen. Die Problematik der Annahme unveränderlicher Preise Ss kann auch für andere Bewertungsfunktionen als denen des CAPM gezeigt werden. Für die Begründung der Kompatibilität von Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung sollten andere Ansätze gewählt werden als der Handel mit Wertpapieren zu unveränderlichen Preisen Ss. 4. Die Preise Ss ändern sich dann nicht, wenn bei Durchführung eines zusätzlichen Projekts die zustandsabhängigen Grenznutzenwerte der Anteilseigner praktisch konstant bleiben. Das Projekt bewirkt dann direkt, dass der Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners steigt bzw. sinkt, sofern der Projekterfolg proportional geteilt wird und der Kapitalmarkt vollständig ist und somit das Risiko im Kapitalmarktgleichgewicht pareto-effizient geteilt wird. Obwohl bei unveränderlichen Grenznutzenwerten kein Handel mit Wertpapieren stattfindet, steht hierbei Marktwertmaximierung im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung; wenn der

Kollektive Nutzen- und Marktwertmaximierung bei Duplizierbarkeit und proportionaler Erfolgsteilung

235

Marktwert eines Projekts unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung bei den gegebenen Preisen Ss positiv (negativ) ist, besteht Einmütigkeit aller Anteilseigner für (gegen) das Projekt. 5. Bei unveränderlichen Grenznutzenwerten steht Marktwertmaximierung auch dann im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung, wenn der Kapitalmarkt zwar unvollständig ist, jedoch die Menge der möglichen Investitionen des Unternehmens derart begrenzt ist, dass trotz der Unvollständigkeit des Kapitalmarktes die „Spanning-Bedingung“ erfüllt ist, d.h. für jedes realisierbare Projekt ein Duplikationsportefeuille existiert, dessen Endwert in jedem Zustand Ss mit dem Projektüberschuss übereinstimmt. Ein Projekt führt dann bei positivem Marktwert wieder direkt dazu, dass der Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners steigt; ein Handel mit Wertpapieren wird wieder nicht ausgelöst. 6. Die Annahme unveränderlicher Grenznutzenwerte ist dann gerechtfertigt, wenn viele Anteilseigner mit sehr kleinen Anteilen am Unternehmen und somit am Bewertungsobjekt beteiligt sind, so dass das Bewertungskalkül aus Sicht eines Einzelnen ein Marginalkalkül darstellt. Die Annahme ist jedoch verletzt, wenn die Bewertung aus Sicht eines Individuums vorgenommen wird, der den Überschuss allein erzielt; die Darstellungen lassen sich nicht auf die Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises übertragen. 7. Bei beschränkten Leerverkaufsmöglichkeiten versagen die beschriebenen Konzepte der Erklärung von Einmütigkeit; es bestehen grundsätzlich Konflikte zwischen Anteilseignern, so dass Marktwertmaximierung nicht kollektive subjektive Nutzenmaximierung implizieren kann. Entsprechend ergeben sich auch Konflikte zwischen den Anteilseignern bezüglich der Grenzpreise; es existiert kein kollektiver subjektiver Grenzpreis. 8. Bei unternehmensinterner Kapitalrationierung versagt das Marktwertkriterium auch dann, wenn das übergeordnete Ziel in der Maximierung des Marktwertes (der Aktien) des gesamten Unternehmens besteht: Nicht jedes Projekt, für das der Marktwert seiner Überschüsse nach Abzug seiner Anschaffungsauszahlung positiv ist, ist vorteilhaft (weil nicht finanzierbar); es müssen Prioritäten gesetzt werden.

Kapitel VI Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

1

Problemstellung

In Kapitel V wurde gezeigt, dass der folgende für die praktische Investitionsplanung bedeutende Zusammenhang gilt: Wenn zusätzliche Investitionen keinen Einfluss auf die Preise ʌs für zustandsbedingte Zahlungsansprüche bzw. andere Wertpapiere haben, die keine Ansprüche auf die Überschüsse der Investitionen verbriefen, besteht unter der Spanning-Bedingung Einmütigkeit zwischen den Anteilseignern eines börsennotierten Unternehmens, wobei zugleich die individuelle Marktwertmaximierung – d.h. die Maximierung des Marktwertes der Aktien dieses Unternehmens – im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung steht, so dass für jedes Bewertungsobjekt ein kollektiver subjektiver Grenzpreis existiert, der mit dem Marktwert seines Überschusses übereinstimmt. Die Annahme der Unveränderbarkeit dieser Preise impliziert, dass die zusätzlichen Investitionen praktisch keinen Einfluss auf die zustandsabhängigen Grenznutzenwerte der Anteilseigner haben. Die Annahme quasi-konstanter Grenznutzenwerte erleichtert zwar die Analyse theoretischer Zusammenhänge und die praktische Investitionsbewertung und -planung. Jedoch ist sie keineswegs selbstverständlich und sollte nicht ohne Kenntnis ihrer Implikationen generell zugrunde gelegt werden. Im vorliegenden Kapitel wird gezeigt, dass diese Annahme im Rahmen des CAPM eindeutig verletzt ist; wird sie modellexogen unterstellt, so ergeben sich Widersprüche zu den Bewertungsfunktionen dieses Modells. Die Änderung der Grenznutzenwerte bzw. der Wertpapierpreise hat unterschiedliche Implikationen, je nachdem, ob ein Marktgleichgewicht vorliegt oder sich der Markt im Übergang in ein neues Gleichgewicht befindet. In einer Gleichgewichtssituation besteht zwar bei bestimmten Nutzenfunktionen im CAPM Einmütigkeit zwischen den Anteilseignern, jedoch steht hierbei individuelle Marktwertmaximierung (d.h. Maximierung der Aktien des investierenden Unternehmens) nur „näherungsweise“ im Einklang mit kollektiver subjektiver Nutzenmaximierung. Bei einem Übergang in ein neues Gleichgewicht können sich dagegen erhebliche Konflikte zwischen Anteilseignern ergeben, wobei individuelle Marktwertmaximierung allenfalls für diejenigen Anteilseigner eine geeignete Zielfunktion darstellt, die ihren Anteil am Marktportefeuille nicht (oder relativ wenig) ändern. Im vorliegenden Kapitel wird untersucht, welche Bedeutung die individuelle Marktwertmaximierung für die Investitionsplanung und -bewertung im CAPM hat, sofern das

238

Kapitel VI

übergeordnete Ziel darin besteht, den finanziellen Erwartungsnutzen aller Aktionäre oder (bei Interessenkonflikt) eines Teils der Aktionäre zu maximieren (LAUX, 1971a). In Abschnitt 2 wird gezeigt, dass bei gegebenem Marktgleichgewicht sowohl für die BQ- als auch NE-Variante des CAPM Anreizkompatibilität im strengen Sinn besteht. Die Durchführung neuer Projekte nimmt im Rahmen beider Varianten kein Anteilseigner zum Anlass, seinen Bestand an Aktien und anderen riskanten Papieren zu ändern; die Marktwerte der Papiere ändern sich gerade so, dass für jeden Anteilseigner Kauf und Verkauf wie in der ursprünglichen Gleichgewichtssituation nachteilig ist. Die Unveränderlichkeit der individuellen Anteile am Marktportefeuille resultiert daraus, dass mit diesen Anteilen in beiden Varianten des CAPM unabhängig von der konkreten ~ Wahrscheinlichkeitsverteilung über M1G das Risiko pareto-effizient geteilt wird.1 Jedoch setzen beide Varianten des CAPM Nutzenfunktionen voraus, die nicht unproblematisch sind. Wie verdeutlicht wird, besteht grundsätzlich keine Anreizkompatibilität, wenn im Rahmen der NB-Variante des CAPM (mit Normalverteilungen und beliebigen konkaven Nutzenfunktionen) ausgehend von einem Gleichgewicht neue Projekte erwogen werden, so dass für sie kein kollektiver subjektiver Grenzpreis existiert. Bei Durchführung eines zusätzlichen Projekts ist damit zu rechnen, dass Anteilseigner ihren Anteil am Marktportefeuille erhöhen und andere ihn reduzieren; Informationen an die Anteilseigner und projektinduzierte Marktwertänderungen sind dann nicht mehr irrelevant. Sind in der NB-Variante allerdings für alle Anteilseigner gleiche HARANutzenfunktionen maßgeblich, gilt gemäß dem in Kapitel II, Abschnitt 8.3, dargestellten allgemeinen Prinzip: Die lineare Teilungsregel im CAPM-Gleichgewicht ist paretoeffizient und somit zugleich anreizkompatibel; zusätzliche Projekte lösen wegen der Pareto-Effizienz der Teilungsregel keinen Handel mit Wertpapieren aus (NichthandelsGleichgewicht). In Abschnitt 3 wird untersucht, unter welchen Bedingungen ein zusätzliches Projekt im Rahmen des CAPM den Marktwert der Aktien des Unternehmens, in dem das Projekt durchgeführt werden kann, und die Summe der Marktwerte der Aktien aller Unternehmen erhöht. Die Bedingungen werden so dargestellt, dass ein anschaulicher Vergleich mit Bedingungen subjektiver Nutzenmaximierung vorgenommen werden kann. Dieser Vergleich erfolgt in Abschnitt 4. Zunächst wird der Fall betrachtet, dass bereits ein Marktgleichgewicht existiert, bei dem im Verlauf der betrachteten Planungsperiode kein Anteilseigner seinen Anteil am Marktportefeuille ändert. Die entsprechende Bedingung kollektiver subjektiver Nutzenmaximierung wird mit der Bedingung der individuellen Marktwertmaximierung und mit der Bedingung der Maximierung des Marktwertes aller Aktien (Reichtumsmaximierung) verglichen. Es zeigen sich Konflikte zwischen dem Ziel subjektiver Nutzenmaximierung und den beiden Varianten der Marktwertmaximierung, deren Implikationen diskutiert werden.2 Für die NE- und die BQ1

2

MILGROM/STOKEY (1982, S. 21) weisen allgemein nach, dass der Zugang von Informationen am Kapitalmarkt immer dann keinen Handel mit Wertpapieren auslöst, wenn in der Ausgangssituation pareto-effiziente Risikoteilung besteht und alle Investoren Informationen in der gleichen Weise verarbeiten bzw. interpretieren. Vgl. hierzu auch SAELZLE (1976, S. 153-220); GILLENKIRCH/VELTHUIS (1997); SCHABEL (2004); LAUX (2006a).

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

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Variante des CAPM wird beispielhaft gezeigt, dass die Bedingung subjektiver Nutzenmaximierung immerhin „annähernd“ mit der Bedingung individueller Marktwertmaximierung übereinstimmen kann, wobei dann der für beide Varianten des CAPM existierende kollektive subjektive Grenzpreis eines Bewertungsobjekts „näherungsweise“ mit dem Marktwert seines Überschusses ~e1p übereinstimmt. Beim Ziel der Reichtumsmaximierung ist bei gegebenem Marktgleichgewicht die Gefahr von Fehlbewertungen und Fehlentscheidungen erheblich größer als beim Ziel individueller Marktwertmaximierung. Befindet sich der Markt aufgrund veränderlicher Nutzenfunktionen in einem Übergang in ein neues Gleichgewicht, wollen also Anteilseigner ihren Anteil am Marktportefeuille erhöhen und andere ihn reduzieren, gewinnt der Marktwert M0G der Aktien aller Unternehmen für die Maximierung des Nutzens der betreffenden Anteilseigner eigenständige Bedeutung, da von M0G der Verkaufserlös bzw. der Kaufpreis abhängt. In Abschnitt 4.4 wird für die NE-Variante des CAPM gezeigt, unter welcher Bedingung bei Durchführung eines Projekts der Erwartungsnutzen eines Anteilseigners steigt. Dabei zeigt sich, dass für verschiedene Anteilseigner genau dann dasselbe Vorteilhaftigkeitskriterium relevant ist, wenn sie ihren Anteil am Marktportefeuille im gleichen Verhältnis ändern. Ist dies nicht der Fall, können (erhebliche) Konflikte zwischen ihnen bezüglich der Durchführung neuer Projekte bestehen. Die Darstellungen zeigen, dass das Ziel individueller Marktwertmaximierung bei einem Übergang in ein neues Gleichgewicht völlig anders beurteilt werden muss als bei gegebenem Kapitalmarktgleichgewicht. Zudem wird allgemein deutlich, dass durch die in der Literatur vorherrschende einseitige Konzentration auf den Zustand des Marktgleichgewichts ein tieferes Verständnis finanzwirtschaftlicher Entscheidungskriterien verhindert wird. Die Darstellungen haben nicht nur theoretische, sondern auch unmittelbare praktische Bedeutung. Es geht unter anderem um Grundfragen des „Shareholder Value-Ansatzes“, der in der unternehmerischen Praxis mit großem Erfolg vermarktet wird.3 Der Ansatz trug dazu bei, dass das Ziel individueller Marktwertmaximierung unter dem Schlagwort „Shareholder Value“ weite Verbreitung gefunden hat. Die Popularität des Ansatzes dürfte vor allem daraus resultieren, dass zum einen das Ziel individueller Marktwertmaximierung als eine für alle Anteilseigner vorteilhafte Zielsetzung propagiert wird4 und zum anderen eine relativ einfache Bewertungskonzeption für die Ermittlung des Marktwertes empfohlen wird.5 Dabei wird vom einperiodigen CAPM ausgegangen

3

Zum Shareholder Value Ansatz vgl. insbesondere Kapitel XIV der vorliegenden Arbeit und COPE(1993; 1994); RAPPAPORT (1986). Kritische Auseinandersetzungen mit dem Shareholder Value Ansatz und mit Arbeiten hierzu finden sich in BALLWIESER (1994); HACHMEISTER (1997); SCHMIDT/SPINDLER (1997); SCHMIDT/ MAßMANN (1999); VELTHUIS (2004). In einer Praxis, in der das Ziel individueller Marktwertmaximierung weitgehend als unproblematisch angesehen wird, dürfte allerdings ein Unternehmensberater kaum seinen eigenen Markwert maximieren, wenn er dieses Ziel (gewissermaßen als „Spielverderber“) kritisch hinterfragt. Die Neigung hierzu dürfte auch an solchen wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereichen oder Business Schools, die „mainstream“ sein wollen (oder müssen, weil Studenten hierfür hohe Studiengebühren zahlen), eher gering sein. Diese Bewertungskonzeption hat auch weite Verbreitung bei der Fundierung von risikoangepassten Kennzahlen für das wertorientierte Management gefunden (EWERT/WAGENHOFER, 2000). LAND/KOLLER/MURRIN

4

5

240

Kapitel VI

und ein hierfür maßgeblicher risikoangepasster Zinssatz auch bei der Diskontierung der erwarteten Überschüsse späterer Perioden zugrunde gelegt.6 Wie im Folgenden gezeigt wird, ist gerade bei Gültigkeit der Bewertungsfunktionen des CAPM individuelle Marktwertmaximierung keine überlegene Zielfunktion, auch wenn sie in Literatur und Praxis kaum hinterfragt wird.7 Bei den folgenden Analysen werden die Bewertungsfunktionen des CAPM konsequent angewendet; das Ziel der Marktwertmaximierung wird hier nicht mit der modellexogenen, im Rahmen des CAPM widersprüchlichen Annahme unveränderlicher Preise Ss begründet. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit gehen wir zur Erleichterung einiger Interpretationen davon aus, die Wertpapiere n (n = 1,2,…,N) verkörperten Aktien des Unternehmens n.

2

Nutzenmaximierung und CAPM-Gleichgewicht

2.1

Unveränderliche Anteile am Marktportefeuille bei Änderung der homogenen Erwartungen

Ändern sich ausgehend von einem Marktgleichgewicht die (homogenen) Vorstellungen der Anteilseigner über den Erwartungswert und/oder die Varianz des ~ Endwertes M1G des Marktportefeuilles, bleibt – wie im Folgenden gezeigt wird – sowohl in der NE- als auch in der BQ-Variante des CAPM der optimale Anteil jedes Anteilseigners am Marktportefeuille konstant. Dies gilt unabhängig davon, ~ ~ um welche Beträge sich E(M1G ) und Var (M1G ) ändern. Es ist auch unerheblich, aus welchen Gründen sich die Erwartungen ändern. Den Anteilseignern mögen bei gegebenen Investitionsprogrammen aller Unternehmen Informationen ~ zugehen, die einen probabilistischen Rückschluss auf M1G zulassen. Es ist aber auch möglich, dass in einem Unternehmen ein zusätzliches Projekt ins Programm aufgenommen wird, dessen Überschüsse bisher in den Wertpapierkursen nicht antizipiert worden sind, und die Anteilseigner (in gleicher Weise) mehr oder weniger detailliert über die Überschüsse informiert werden. Wie in Kapitel IV, Abschnitt 5.2.2, gezeigt wurde, gilt bei normalverteilten Endwerten der Papiere und exponentiellen Nutzenfunktionen aller Anteilseigner für den optimalen Anteil zi des Anteilseigners i am Marktportefeuille:

6 7

Zur Problematik dieses Vorgehens vgl. Kapitel VII, Abschnitt 4.2, und Kapitel XIV. Vgl. stellvertretend COPELAND/KOLLER/MURRIN (1994); FISCHER (1996, S. 122 ff.); FRANKE/ HAX (2004, S. 351-358); KRUSCHWITZ (1999, S. 243-262) und RAPPAPORT (1986), wo bei der Bewertung neuer Investitionsprojekte vor dem Hintergrund des CAPM ohne nähere (modellspezifische) Begründung vom Ziel individueller Marktwertmaximierung ausgegangen wird.

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

(IV.18)

zi

1 ai I

241

(i = 1,2,...,I).

¦ a1j

j 1

Da bei exponentiellen Nutzenfunktionen konstante absolute Risikoaversion besteht, ändern sich die Risikoaversionskoeffizienten der Anteilseigner bei einer Änderung von ~ ~ E(M1G ) und/oder von Var (M1G ) nicht. Folglich ändern sich auch nicht ihre optimalen Anteile am Marktportefeuille; es werden weder Wertpapiere gekauft noch verkauft. Die Preise der Wertpapiere verändern sich in der Weise, dass es für jeden Anteilseigner nachteilig ist, seinen Anteil am Marktportefeuille zu ändern; es besteht ein Nichthandels-Gleichgewicht.8 Die Anteile am Marktportefeuille werden auch bei beliebig verteilten Endwerten der Wertpapiere und quadratischen Nutzenfunktionen nicht verändert; wieder besteht ein Nichthandels-Gleichgewicht (LAUX, 2006a, S. 200 ff.). Sind in der NB-Variante weder exponentielle, quadratische noch andere gleiche Nutzenfunktionen der HARA-Klasse relevant, wird selbst in einem CAPM-Gleichgewicht grundsätzlich das Risiko nicht pareto-effizient geteilt. Änderungen der homogenen Erwartungen der Investoren auf dem Kapitalmarkt führen dann im Allgemeinen dazu, dass sich individuelle Anteile am Marktportefeuille ändern. Laufende Änderungen der Erwartungen bewirken fortlaufende Kapitalmarktanpassungen; möglicherweise existiert zu keinem Zeitpunkt ein Gleichgewicht. Ein Gleichgewicht kann unabhängig von dem Typ der individuellen Nutzenfunktion und den Erwartungen natürlich grundsätzlich auch dann nicht vorliegen, wenn sich die Nutzenfunktionen bzw. die Risikoaversionskoeffizienten einiger oder aller Investoren ändern. Die Implikationen solcher Änderungen für die Investitionsplanung und -bewertung werden in Abschnitt 4.4 untersucht.

2.2

Änderung der Erwartungen aufgrund von Investitionen

2.2.1

Entscheidungssituation

Aufbauend auf den Darstellungen in Abschnitt 2.1 werden nun Grundprobleme der Investitionsplanung untersucht. Dabei wird davon ausgegangen, dass in einem Unternehmen n ein zusätzliches einperiodiges Investitionsprojekt (oder -programm) entdeckt 8

Man kann sich vorstellen, dass ein Auktionator die neuen Gleichgewichtspreise wie folgt bestimmt: Er legt ein vorläufiges Preissystem fest und nimmt Kauf- und Verkaufsaufträge entgegen. Wenn bei diesen Preisen ein Anteilseigner die Struktur seines Portefeuilles ändern möchte, ist dies auch für alle anderen der Fall, da bei jedem Preissystem die Strukturen der optimalen individuellen Portefeuilles identisch sind; es kann dann kein Gleichgewicht bestehen. Der Auktionator erhöht nun die Preise der nachgefragten Wertpapiere und senkt die Preise der angebotenen. Wenn wieder ein Anteilseigner sein Portefeuille verändern möchte, gilt dies bei unveränderlichen Risikotoleranzen im gleichen Verhältnis auch für alle anderen. Wieder kann kein Gleichgewicht vorliegen. Wenn schließlich nach weiteren Preisänderungen weder Angebot noch Nachfrage besteht, stehen die Gleichgewichtspreise fest. Die Preisänderungen gegenüber dem Status quo resultieren also nicht aus einem Handel mit Wertpapieren, sondern daraus, dass die Preise so festgelegt werden, dass er gar nicht stattfindet.

242

Kapitel VI

wird, dessen potenzielle Überschüsse in den Marktwerten der Wertpapiere noch nicht antizipiert worden sind. Es stelle sich das Problem, ob dieses „neue“ Projekt durchgeführt werden soll. Wie gezeigt wird, gelten die Darstellungen auch für den Fall mehrerer einander ausschließender Projekte. Es wird angenommen, dass in der Ausgangssituation (ohne das neue Projekt) ein Marktgleichgewicht existiert, in dem kein Anteilseigner in der betrachteten Periode Wertpapiere kaufen oder verkaufen will. Käufe oder Verkäufe finden frühestens am Ende der Periode statt, nachdem das Projekt, sofern es durchgeführt wird, abgeschlossen ist und keine Überschüsse mehr abwirft. Wie in Abschnitt 2.1 erläutert wurde, ändern die Anteilseigner im Rahmen der NE- und der BQ-Variante ihre Anteile am Marktportefeuille auch dann nicht, wenn ausgehend von einem Marktgleichgewicht ein zusätzliches Projekt realisiert wird und die Anteilseigner in beliebiger (jedoch gleicher) Weise darüber informiert werden; das Marktgleichgewicht bleibt erhalten. Für die Projektbeurteilung aus Sicht der Anteilseigner sind somit Anteile am Marktportefeuille relevant, die für die betrachtete Periode unveränderlich sind. Hierdurch wird das Entscheidungskalkül erheblich vereinfacht; es müssen keine Konsequenzen aus projektinduzierten Portefeuilleänderungen berücksichtigt werden. Bei den Darstellungen werden ohne Einschränkung der Allgemeinheit nur folgende Grundformen der Finanzierung erfasst, die miteinander kombiniert werden können: Aufnahme von Fremdkapital zum risikolosen Zinssatz r (Fremdfinanzierung), Reduktion eines im Unternehmen zum Zinssatz r angelegten Kapitalbetrages, Reduktion der Ausschüttung zum Zeitpunkt 0 an die Anteilseigner oder Kapitalerhöhung, bei der kein Anteilseigner seinen Anteil am Gesamtbestand an Aktien des Unternehmens ändert. Bei Durchführung des Projekts ändert sich unabhängig von der Finanzierung der Erwartungswert des Endvermögens aller Anteilseigner um den Erwartungswert des Residualgewinns, P p E(~e1p )  (1  r ) ˜ A 0p , wobei ~e1p den Einzahlungsüberschuss des Projekts zum Zeitpunkt 1 und A0p die sichere Anschaffungsauszahlung bezeichnet. Die Varianz des Endwertes des Marktportefeuilles ändert sich um 'V2p  ) . Es gilt nämlich: Var(e1p )  2 ˜ Kov(e1p ; M 1G 'V 2p

~ ~ Var ( ~e1p  M1G )  Var ( M1G ) ~ ~ ~ Var ( ~e1p )  2 ˜ Kov( ~e1p ; M1G )  Var ( M1G )  Var ( M1G ) ~ Var ( ~e1p )  2 ˜ Kov( ~e1p ; M 1G ).

2.2.2

Kollektive Nutzenmaximierung

2.2.2.1 NE- und BQ-Variante

Da bei Durchführung des Projekts der Anteil zi des Anteilseigners i am Marktportefeuille konstant bleibt, ändert sich der Erwartungswert seines Endvermögens um zi ˜ μp und dessen Varianz um z i2 ˜ 'V 2p . In der NE-Variante des CAPM (Normalverteilungen und exponentielle Nutzenfunktionen) misst der Anteilseigner i seinem Anteil zi am Re-

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

243

sidualgewinn des Projekts ein Sicherheitsäquivalent (einen äquivalenten sicheren Vermögenszuwachs zum Zeitpunkt 1) von zi ˜P p 

ai 2

˜ zi2 ˜ 'V2p

bei. Das Projekt ist für den Anteilseigner i vorteilhaft, wenn dieses Sicherheitsäquivalent positiv ist, also folgende Bedingung erfüllt ist: (VI.1)

zi ˜P p 

ai 2

˜ zi2 ˜ 'V2p ! 0 .

Ist diese Bedingung erfüllt, steigt mit dem Projekt der Erwartungsnutzen des Anteilseigners i. Wegen zi > 0 kann die Vorteilhaftigkeitsbedingung (VI.1) wie folgt dargestellt werden: (VI.2)

Pp !

ai 2

zi

1 ai I

˜ zi ˜ 'V2p .

Wegen

(VI.3)

¦ a1 j 1 j (Kapitel IV, Abschnitt 5.2.2) folgt aus (VI.2) die Vorteilhaftigkeitsbedingung: (VI.4)

Pp !

1 I

˜ 'V 2p .

2 ˜ ¦ a1 j 1 j Diese Vorteilhaftigkeitsbedingung gilt auch für jeden Anteilseigner jz i, der den zj-ten Anteil am Marktportefeuille hält. Es besteht Anreizkompatibilität (LAUX, 1971a; GILLENKIRCH/VELTHUIS, 1997): Wenn mit dem Projekt der Erwartungsnutzen eines Anteilseigners erhöht oder reduziert wird, gilt dies zugleich auch für alle anderen. Entsprechend existiert ein kollektiver subjektiver Grenzpreis für ein beliebiges Projekt, bei dem die Nutzenerwartungswerte aller Anteilseigner konstant bleiben, wenn es erworben wird (Kapitel VII, Abschnitt 2.2.1). Wie in LAUX (2006a, S. 204 ff.) gezeigt wird, gelten analoge Zusammenhänge auch für die BQ-Variante des CAPM: Bei Durchführung des Projekts ändern sich die Preise der Wertpapiere und entsprechend die individuellen Effizienzkurven so, dass kein Anteilseigner seinen Anteil am Marktportefeuille ändert. Wenn das Projekt den Erwartungs-

244

Kapitel VI

nutzen des Anteilseigners i erhöht bzw. verringert, gilt dies zugleich für jeden anderen Anteilseigner; es existiert Anreizkompatibilität (Einmütigkeit) und entsprechend ein kollektiver subjektiver Grenzpreis, wie hoch auch immer der Umfang des Projekts im Vergleich zu dem der Gesamtheit aller Investitionen sein mag. 2.2.2.2 Verallgemeinerung

Das dem CAPM zugrunde liegende (μ,V)-Prinzip steht nicht nur bei beliebiger Wahrscheinlichkeitsverteilung und quadratischer Nutzenfunktion (BQ-Variante) bzw. bei Normalverteilung und exponentieller Nutzenfunktion (NE-Variante) im Einklang mit dem BERNOULLI-Prinzip. Bei Normalverteilung folgt es immer dann aus dem BERNOULLI-Prinzip, wenn die Nutzenfunktion konkav ist (NB-Variante). Sind die Nutzenfunktionen der Anteilseigner zwar weder quadratisch noch exponentiell, gehören sie jedoch trotzdem zu einem einheitlichen Typ der HARA-Klasse, ist die pareto-effiziente Risikoteilung ebenfalls linear. Die im CAPM-Gleichgewicht maßgebliche lineare Tei lungsregel für den Endwert M 1G des Marktportefeuilles ist dann pareto-effizient, da sonst die Möglichkeit bestünde, durch Umverteilung der proportionalen Anteile am Marktportefeuille den Erwartungsnutzen mindestens eines Anteilseigners zu erhöhen, ohne dass der eines anderen sinken würde. Mit der betreffenden linearen pareto-effizienten Teilungsregel besteht Anreizkompatibilität. Wegen der Pareto-Effizienz der Teilungsregel wird bei Durchführung eines neuen Projekts kein Handel mit Wertpapieren ausgelöst; das Gleichgewicht (die Aufteilung des Marktportefeuilles) bleibt erhalten.

2.3

Zielkonflikte in der NB-Variante

Jedoch ist nicht bei allen konkaven Nutzenfunktionen gewährleistet, dass die lineare Risikoteilung im Rahmen eines CAPM-Gleichgewichts pareto-effizient ist. Wie in Kapitel II, Abschnitt 8.3, gezeigt wurde, kann eine lineare Teilungsregel, die das Risiko nicht pareto-effizient teilt, nicht anreizkompatibel im strengen Sinn sein. Mit der Maximierung des Erwartungsnutzens eines Anteilseigners wird dann allenfalls zufällig auch der Erwartungsnutzen jedes anderen Anteilseigners maximiert, so dass grundsätzlich kein kollektiver subjektiver Grenzpreis existiert. Wenn Nutzenfunktionen maßgeblich sind, bei denen mit der linearen Teilungsregel im CAPM das Risiko nicht pareto-effizient geteilt wird, ist außerdem zu erwarten, dass ein Handels-Gleichgewicht besteht, d.h. Anteilseigner ihren Anteil am Marktportefeuille ändern, wenn ein neues Projekt realisiert wird, das in den Kursen bisher nicht antizipiert worden ist. Die entsprechenden Transferzahlungen zwischen Anteilseignern können eine eigenständige Ursache für Zielkonflikte darstellen; da diese Transferzahlungen vom Marktwert M0G abhängen, gewinnt nun dieser eigenständige Bedeutung für die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit eines Projekts.

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

3

Kriterien der Marktwertmaximierung im Überblick

3.1

Individuelle Marktwertmaximierung

3.1.1

Bewertung auf der Basis eines Sicherheitsäquivalents (Variante 1)

245

3.1.1.1 Das allgemeine Konzept

Für den Marktwert M0n der Aktien des Unternehmens n zum Zeitpunkt 0 unmittelbar nach der Ausschüttung D0n gilt in der Ausgangssituation (vgl. Kapitel IV, Abschnitt 5.3.1): (VI.5)

M 0n

~ (1  r ) 1 ˜ [ E( M1n ) 

RPG ~ ~ ˜ Kov( M1n ; M1G )] . ~ Var ( M1G ) { MR

Nun biete sich dem Unternehmen n zum Zeitpunkt 0 ein neu entdecktes, in den Kursen nicht antizipiertes Projekt (Programm) mit der Anschaffungsauszahlung A0p und dem ungewissen Einzahlungsüberschuss ~e1p zur Durchführung an. Das Projekt habe keinen Einfluss auf die Überschüsse anderer Unternehmen; zwischen dem Unternehmen n und den anderen bestehe technische Unabhängigkeit (DEANGELO, 1981, S.82), also weder Restriktions- noch Erfolgsverbund. Im Rahmen der NE-Variante des CAPM, also bei normalverteilten Endwerten der Papiere und exponentiellen Nutzenfunktionen, bleibt bei Durchführung des neuen Pro~ jekts die Risikoprämie je Risikoeinheit, MR { RPG / Var (M1G ) , konstant, wie hoch der Umfang des Projekts auch sein mag. Dies liegt daran, dass bei exponentiellen Nutzenfunktionen konstante absolute Risikoaversion und somit kein Bewertungsverbund besteht. Da bei jeder anderen nichtlinearen Nutzenfunktion die absolute Risikoaversion veränderlich ist, ändert sich grundsätzlich in der NB-Variante des CAPM auch MR (und zwar je nach Gestalt der maßgeblichen Nutzenfunktionen). In der BQ-Variante, also bei beliebig verteilten Endwerten und quadratischen Nutzenfunktionen, steigt (sinkt) MR ~ genau dann, wenn mit dem Projekt der Erwartungswert E(M1G ) steigt (sinkt). Ist allerdings der Betrag des erwarteten Projektgewinns P E(~e1p )  (1  r ) ˜ A 0p niedrig, wird sich MR nicht spürbar ändern (LAUX, 1998, S. 279 f.), so dass vereinfachend angenommen werden kann, MR bliebe bei Durchführung des Projekts konstant, wobei dann also wieder kein Bewertungsverbund relevant ist. Im Folgenden wird davon ausgegangen, die Ausschüttung D0n sei unabhängig von der Durchführung des Projekts. Dadurch wird die Darstellung der relevanten Bewertungsfunktionen erleichtert. Die Unabhängigkeitsbedingung impliziert zwar Fremdfinanzierung des Projekts oder Reduktion eines im Unternehmen zum Zinssatz r angelegten Betrages, jedoch gelten die Ergebnisse unmittelbar auch bei Selbstfinanzierung und Finanzierung durch Kapitalerhöhung. Diese bewirken zwar eine Erhöhung von M0n, jedoch ändert sich der Marktwert M0n + D0n gegenüber den explizit zugrunde gelegten Finanzierungsformen nicht. Bei Durchführung des Projekts ändert sich der Marktwert des Unternehmens n zum Zeitpunkt 1 um den Betrag ~e1p  (1  r ) ˜ A 0p . Somit kommt es bei Konstanz von MR

246

Kapitel VI

und r analog zu (VI.5) für den Zeitpunkt 0 zu dem folgenden Marktwert M 0neu n (ex Dividende): (VI.6)

neu M 0n

  e  (1  r) ˜ A ] (1  r)1 ˜{E[M 1n 1p 0p   e ; M   e )}.  MR ˜ Kov(M 1n 1p 1G 1p

~ ~ Dabei bezeichnet M1n ( M1G ) den Marktwert der Aktien des Unternehmens n (des Marktportefeuilles) zum Zeitpunkt 1 ohne das Projekt. Für die Kovarianz in (VI.6) gilt:   e ; M   e ) Kov(M 1n 1p 1G 1p

 ;M  )  Kov(M  ;e ) Kov(M 1n 1G 1n 1p  )  Var(e ).  Kov(e1p ; M 1G 1p

Wird diese Kovarianz in (VI.6) eingesetzt und hiervon (VI.5) subtrahiert, ergibt sich die Änderung des Marktwertes der Aktien des Unternehmens n zum Zeitpunkt 0: (VI.7)

neu M 0n  M 0n { 'M 0n

(1  r) 1 ˜{E[e1p  (1  r) ˜ A 0p ] {P p

 )  Kov(e ;M   MR ˜ [Var(e1p )  Kov(e1p ;M 1n 1p 1G )]}.

Das Projekt ist bei individueller Marktwertmaximierung vorteilhaft, wenn 'M0n > 0 gilt. Diese Bedingung kann wegen (1  r ) 1 ! 0 wie folgt dargestellt werden: (VI.8)

E(e )  (1 r) ˜ A

1p 0p {Pp

 )  Kov(e ;M   ! MR ˜[Var(e1p )  2 ˜ Kov(e1p;M 1n 1p 1G  M1n )].  ) { 'Var(M 1n

Das Projekt ist also vorteilhaft, wenn der Erwartungswert μp seines Residualgewinns größer ist als der mit dem Marktpreis des Risikos (MR) gewichtete Term (VI.9)

 )  Kov (e ; M  M  ). Var (e1p )  2 ˜ Kov (e1p ; M 1n 1p 1G 1n  ) {'Var (M 1n

Interpretation: Ist der Term (VI.9) positiv, gilt dies auch die kritische Untergrenze für μp . Sie ist dann umso höher, je größer der Marktpreis des Risikos, ~ MR { RPG / Var (M1G ) , ist. Ist der Term (VI.9) negativ, gilt dies auch die kritische Untergrenze für Pp ; sie ist umso niedriger, je höher MR ist. Wie in Kapitel IV, Abschnitt 5.3.2.3, gezeigt wurde, ist RPG und mithin MR c.p. umso kleiner, je größer die Zahl der Anteilseigner I ist. Folglich ist bei positivem (negativem) Term (VI.9) die kri-

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

247

tische Untergrenze für Pp umso niedriger (höher), je größer I ist. Da der Term (VI.9) im Allgemeinen positiv sein dürfte, besteht folgende Tendenz: Je größer die Zahl der Anteilseigner, desto größer ist die Zahl der für sie vorteilhaften Projekte. Der Term (VI.9) bzw. (VI.8) erfasst grundsätzlich nur einen Teil der Auswirkung des Projekts auf das „Gesamtrisiko“. Bei Durchführung ändert sich die Varianz des Endwertes des Marktportefeuilles nicht um (VI.9), sondern um: (VI.10)

~ ~ 'V 2p { Var (M1G  ~e1p )  Var ( M1G ) ~ Var (~e )  2 ˜ Kov(~e ; M ) 1p

1p

1G

~ ~ ~ Var (~e1p )  2 ˜ Kov(~e1p ; M1n )  2 ˜ Kov(~e1p ; M1G  M1n ). ~ ~ Der Term 2 ˜ Kov(~e1p ; M1G  M1n ) wird in (VI.9) und in (VI.8) nur zur Hälfte erfasst. Wie in Abschnitt 3.2 gezeigt werden wird, bewirkt die andere Hälfte dieses Terms eine Änderung des Marktwertes M0G  M0n der Aktien aller Unternehmen mz n. Der Varianzänderung (VI.10) wird dagegen vollständig Rechnung getragen, wenn nicht der Marktwert der Aktien des Unternehmens n, sondern der aller N Unternehmen maximiert wird (Reichtumsmaximierung). 3.1.1.2 Bewertung mit den Bewertungsfunktionen im Status quo

Es ist bemerkenswert, dass (VI.8) nicht besagt, dass das Projekt dann vorteilhaft ist, wenn der nach dem bisher geltenden Bewertungssystem ermittelte Marktwert seines Projektüberschusses höher ist als die Anschaffungsauszahlung. Dieses vereinfachte Kriterium ergibt sich jedoch dann, wenn man bei der Ermittlung der Kovarianz in (VI.6) vernachlässigt, dass der Projektüberschuss ~e1p den Endwert des Marktportefeuilles be~ ~ einflusst, also von der Fiktion M1G  ~e1p M1G ausgeht9 und statt der tatsächlichen ~ ~ Kovarianz Kov( M1n  ~e1p ; M1G  ~e1p ) die „unvollständige“ Kovarianz ~ ~ Kov( M1n  ~e1p ; M1G )

~ ~ ~ Kov( M1n ; M1G )  Kov( ~e1p ; M1G )

zugrunde legt. Wird statt der tatsächlichen die „unvollständige“ Kovarianz in (VI.6) eingesetzt und hiervon (VI.5) subtrahiert, ergibt sich analog zu (VI.7): (VI.7a)

'M 0n

~ (1  r ) 1 ˜ {E[~e1p  (1  r ) ˜ A 0p ]  MR ˜ [Kov(~e1p ; M1G )]} .

Hieraus folgt die Vorteilhaftigkeitsbedingung für das Projekt bei Zugrundelegung der Bewertungsfunktionen des Status quo:

9

Diese Fiktion impliziert, dass sich die zustandsabhängigen Grenznutzenwerte der Anteilseigner nicht ändern.

248

Kapitel VI

(VI.11)

~ M 0 ( ~e1p ) (1 r) 1˜ [ E (~e1p )  MR˜Kov(~e1p ;M1G ) ] ! A 0p . SÄ ( ~e1p )

Das Projekt erscheint nun beim Ziel individueller Marktwertmaximierung als vorteilhaft, wenn der Marktwert M 0 (~e1p ) seines Überschusses ~e1p zum Zeitpunkt 0 höher ist als die Anschaffungsauszahlung A0p, wobei der Marktwert von ~e1p nach demselben Bewertungsfunktional ermittelt wird wie die Marktwerte der Papiere im Status quo, also vor dem Projekt; die Bewertung erfolgt im Prinzip so, als ob das Projekt schon im CAPM-Gleichgewicht enthalten ist und nicht neu aufgenommen wird. Analog zu (VI.8) kann die Vorteilhaftigkeitsbedingung (VI.11) wie folgt dargestellt werden: ~ (VI.12) E ( ~ e1p )  (1  r ) ˜ A 0p ! MR ˜ Kov( ~e1p; M1G ).

(VI.12) vernachlässigt die in (VI.8) enthaltene Wertkomponente ~ MR ˜ [ Var ( ~e1p )  Kov( ~e1p ; M1n )] . Die für (VI.12) maßgebliche „Vereinfachung“ wird in gleicher oder analoger Weise in Literatur und Praxis oft vorgenommen. Eine analoge Vereinfachung erfolgt vor allem auch bei der Bewertung mit Hilfe eines risikoangepassten Zinssatzes10 oder mit Preisen für zustandsbedingte Zahlungsansprüche. Es fragt sich allerdings, warum eine solche „Vereinfachung“ überhaupt relevant sein sollte. Bei praktischer Anwendung werden oh~ nehin keine Kovarianzen „ausgerechnet“. Die Schätzung der Kovarianz Kov(~e1p ; M1G ) in (VI.12) stellt keine geringeren Anforderungen als die Schätzung des Terms in der eckigen Klammer auf der rechten Seite von (VI.8), der für die theoretisch richtige Vorteilhaftigkeitsprüfung gemäß dem Ziel individueller Marktwertmaximierung maßgeblich ist. Abgesehen davon geht es hier um das allgemeine Verständnis bewertungsrelevanter Grundzusammenhänge. Allgemein sollten Vereinfachungen erst dann empfohlen werden, wenn Vorstellungen über deren Implikationen (Ausmaß der Reduktion des Planungsaufwandes im Vergleich zur Gefahr von Fehlentscheidungen) sinnvoll begründbar sind. Auf diese Implikationen kommen wir in Abschnitt 4.2 zurück.

10

Wie gezeigt wurde, resultiert die Vereinfachung daraus, dass bei der Ermittlung der Kovarianz von   e  der Fiktion ausgegangen wird, es gelte M 1G 1p M1G . Analog wird bei der Bewertung mit Hilfe eines risikoangepassten Zinssatzes im Allgemeinen davon ausgegangen, das Projekt habe keinen Einfluss auf die Rendite des Marktportefeuilles (Abschnitt 3.1.2.1).

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

3.1.2

249

Bewertung mit einem risikoangepassten Kalkulationszinsfuß

3.1.2.1 Konzept

Der Marktwert M 0 (~e1p ) des Projektüberschusses kann auch mit Hilfe eines risikoangepassten Kalkulationszinsfußes kp ermittelt werden (Risikozuschlags-Methode). Zur Erläuterung dienen folgende Symbole: ~e 1p ~r  1 { (Markt-)Rendite des Projekts bzw. des Überschusses ~e1p , p M 0 (~e1p ) Kov(~r ; ~r ) { Kovarianz zwischen ~r und der Rendite des Marktportefeuilles. p G

p

Analog zu (IV.49) bzw. zu (IV.50) (Kapitel IV, Abschnitt 5.4.2) gilt die implizite Bestimmungsgleichung für den Marktwert des Projekts: E( ~rG )  r (VI.13) M 0 ( ~e1p ) [1  r  ˜ Kov( ~rp ; ~rG )]1 ˜ E( ~e1p ) Var ( ~rG ) { kp

oder (VI.13a) M 0 ( ~e1p ) [1  r  [ E( ~rG )  r ] ˜ E p ]1 ˜ E( ~e1p ) { kp

mit E p

Kov( ~rp ; ~rG ) . Var ( ~r ) G

Der Marktwert des Überschusses ~e1p ergibt sich also, indem dessen Erwartungswert mit dem risikoangepassten Zinssatz kp diskontiert wird. Für die Bewertung von ~e1p ist der projektspezifische Beta-Faktor relevant und nicht der Beta-Faktor für das Unternehmen als Ganzes. Bei der Bewertung des Projekts darf somit der für das Unternehmen relevante risikoangepasste Zinsfuß nur dann ~ zugrunde gelegt werden, wenn ~e1p und M1n das gleiche Beta-Risiko aufwei11 sen. Es ist zu beachten, dass sich der E-Faktor in (VI.13) oder (VI.13a) auf die Rendite des gesamten Marktwertes des Projekts bezieht. Es wird nicht nach den Renditen einzelner Finanztitel gefragt, die zur Finanzierung von A0 herangezogen werden. Dies impliziert, dass – wie angenommen – die Finanzierung keinen Einfluss auf den Marktwert hat, eine Bedingung, die im CAPM erfüllt ist. Zur exakten Ermittlung von M 0 (~e1p ) müsste u.a. geprüft werden, ob und wie das Projekt E(~rG ) und Var(~rG ) beeinflusst. Die beiden Bewertungsfunktionen (VI.13) und (VI.13a) lassen offen, wie dieses Problem gelöst werden kann. In der Literatur wird im Allgemeinen vereinfachend davon ausgegangen, dass der Projektumfang so gering ist, dass ein Einfluss auf E(~rG ) und Var(~rG ) vernachlässigt werden kann (vgl. stellvertre11

Zu den Bedingungen eines einheitlichen Kalkulationszinsfußes vgl. Kapitel XIV, Abschnitt 6.

250

Kapitel VI

tend FRANKE/HAX, 2004, S. 355 ff.). Diese Annahme impliziert letztlich, dass sich bei Durchführung des Projekts die Wahrscheinlichkeitsverteilung über die Rendite des Marktportefeuilles nicht ändert. Dann ändert sich auch nicht die Kovarianz ~ ~ Kov(M1m ; ~rG ) zwischen dem Marktwert M1m der Aktien eines Unternehmens mz n und der Marktrendite, so dass gemäß Bewertungsfunktion (IV.49) (Kapitel IV, Abschnitt 5.4.2) – die analog für das Unternehmen mz n gilt – auch der Marktwert M0m konstant bleibt (wobei zu beachten ist, dass das Projekt annahmegemäß keinen Einfluss ~ auf M1m hat). Außerdem ändert sich nicht der Marktwert der bisherigen Überschüsse des betrachteten Unternehmens n, so dass bei Durchführung des Projekts der Marktwert dieses Unternehmens genau dann steigt, wenn M 0 (e~1p ) [1  r  [ E ( ~rG )  r ] ˜ E p ]1 ˜ E( ~e1p ) ! A 0p

gilt, also der isoliert ermittelte Marktwert des Projekts unter Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung positiv ist. Maximierung des isoliert ermittelten Marktwertes eines Investitionsprogramms ist dann konsistent mit individueller Marktwertmaximierung (Maximierung des Marktwertes der Aktien) des Unternehmens.12 Ein Bewertungsproblem resultiert daraus, dass für die Ermittlung von M 0 (~e1p ) die Kovarianz Kov(~rp ; ~rG ) bekannt sein muss. Dies wiederum setzt bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über ~rG die Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Rendite ~r p

~e 1p 1 M 0 ( ~e1p )

voraus. Diese hängt vom Marktwert M 0 (~e1p ) ab, der gerade ermittelt werden soll („Zirkularitätsproblem“). Möglicherweise kann jedoch die Kovarianz Kov(~rp ; ~rG ) hinreichend gut geschätzt werden, auch wenn M 0 (~e1p ) zunächst nicht genau bekannt ist. Andernfalls kann versucht werden, M 0 (~e1p ) iterativ zu ermitteln: Es wird ein Marktwert M 0 (~e1p ) angenommen, die entsprechende Kovarianz Kov(~rp ; ~rG ) geschätzt und der zugehörige Marktwert nach (VI.13) ermittelt. Ist er mit dem angenommenen identisch, ist die Bewertung abgeschlossen. Ist er z.B. höher als der angenommene, wird auf der Basis eines höheren Marktwertes (mit niedrigerer Marktrendite ~rp ) erneut die Kovarianz Kov(~rp ; ~rG ) geschätzt und der zugehörige Marktwert gemäß (VI.13) ermittelt, usw. Die Iteration endet, wenn schließlich der angenommene mit dem aus (VI.13) resultierenden Marktwert übereinstimmt.

12

Wie jedoch in Abschnitt 3.3 gezeigt wird, ist die Bedingung eines unveränderlichen Marktwertes M0m grundsätzlich nicht erfüllt. Auch wenn die Änderung der Rendite des Marktportefeuilles als vernachlässigbar gering erscheinen mag, kann ihr eine Änderung des Marktwertes aller Wertpapiere m z n entsprechen, deren Betrag höher ist als der Kapitalwert des Projekts.

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

251

3.1.2.2 Risikoangepasster Kalkulationszinsfuß, Risikoklasse und Risikoprämie

~ ~ Wenn zwei Überschüsse Ü1* und Ü1** (etwa die Überschüsse zweier Projekte oder der Überschuss eines Projekts und der des Unternehmens als Ganzes) in dieselbe Risikoklasse fallen, ist für sie derselbe risikoangepasste Kalkulationszinsfuß bewertungsrelevant. Beide Überschüsse fallen in dieselbe Risikoklasse, wenn zwischen ihnen eine proportionale Beziehung besteht, also: ~ Ü1**

~ a ˜ Ü1*

(a > 0)

gilt. Es gilt dann bei Arbitragefreiheit ~ M 0 ( Ü1** )

~ M 0 (a ˜ Ü1* )

~ a ˜ M 0 ( Ü1* )

und für die Marktrenditen ~ Ü1** 1 ~ M 0 ( Ü1** )

~ a ˜ Ü1* ~ 1 a ˜ M 0 ( Ü1* )

~ Ü1* ~ 1. M 0 ( Ü1* )

~ ~ Die Marktrenditen für Ü1** und Ü1* sind dann also für beliebiges a (a > 0) identisch. Somit sind auch ihre Betas identisch, was identische risikoangepasste Zinssätze impliziert. Gleiche Risikoklasse heißt nicht, dass beide Überschüsse mit 1 korreliert sind. Ihr Korrelationskoeffizient ist dann gleich 1, wenn (VI.14)

~ Ü1**

~ a ˜ Ü1*  b

(a > 0 und b beliebig)

~ ~ gilt. Jetzt sind für Ü1** und Ü1* verschiedene risikoangepasste Zinssätze relevant. Be~* ~ zeichnet man den für Ü1 mit k* und den für Ü1** mit k**, gilt: (VI.15)

~ M 0 ( Ü1* )

~ (1  k * ) 1 ˜ E( Ü1* )

und (VI.16)

~ M 0 ( Ü1** )

~ (1  k ** ) 1 ˜ E( Ü1** ) ~ (1  k ** ) 1 ˜ [a ˜ E( Ü1* )  b] ~ (1  k ** ) 1 ˜ a ˜ E( Ü1* )  (1  k ** ) 1 ˜ b .

~ ~ Wird M 0 ( Ü1** ) mit demselben Zinssatz k* ermittelt wie M 0 ( Ü1* ) , macht man für k*  r einen Bewertungsfehler. Man kommt mit diesem Zinssatz nur dann zu dem rich~ ~ tigen Marktwert M 0 ( Ü1** ) , wenn man damit nur a ˜ E( Ü1* ) diskontiert und b mit dem sicheren Zinssatz r und die Summe bildet: (VI.17)

~ M 0 ( Ü1** )

~ (1  k * ) 1 ˜ a ˜ E( Ü1* )  (1  r ) 1 ˜ b .

252

Kapitel VI

~ ~ Nur die Komponente a ˜ Ü1* fällt in dieselbe Risikoklasse wie Ü1* , so dass nur hierfür ~ derselbe risikoangepasste Zinssatz k* maßgeblich ist wie für Ü1* . Für k* > r und b > 0 ~ ist für die durchschnittliche Bewertung von M 0 ( Ü1** ) gemäß (VI.16) ein Zinssatz ~ k** < k* maßgeblich (es kann gezeigt werden, dass entsprechend auch für a ˜ Ü1* + b ein ~* kleineres Beta relevant ist als für Ü1 ). Je kleiner a und je größer b, desto mehr liegt ~ ~ k** unter k*. Dagegen gilt für die Marktrisikoprämien RP( Ü1* ) und RP( Ü1** ) : ~ RP( Ü1** )

~ a ˜ RP( Ü1* ) .

Die sichere Komponente b hat keinen Einfluss auf die Marktrisikoprämie. Dies ist ein wichtiger Grund dafür, dass wir bei späteren Analysen von Marktwerten und subjektiven Grenzpreisen absolute Risikoprämien zugrunde legen und nicht risikoangepasste Zinssätze.

3.1.3

Bewertung auf der Basis eines Sicherheitsäquivalents (Variante 2)

Das in Abschnitt 3.1.2.1 beschriebene „Zirkularitätsproblem“ kann aufgelöst (und der Bewertungsaufwand verringert) werden, indem man den Marktwert M 0 (~e1p ) analog zur Bewertungsfunktion (IV.57) (Kapitel IV, Abschnitt 5.4.4) nach der Bewertungsfunktion (VI.18)

M 0 (~e1p )

E(~rG )  r (1  r ) 1 ˜ [E(~e1p )  ˜ Kov(~e1p ; ~rG )] Var(~rG ) { SÄ ( ~e1p )

ermittelt und dabei wieder davon ausgeht, dass das Projekt keinen Einfluss auf ~rG hat. Da ~e1p im Gegensatz zu ~rp eine exogen vorgegebene Größe ist, kann nun die maßgebliche Kovarianz direkt geschätzt werden, ohne dass ein iteratives Vorgehen erforderlich ist. Unter der Annahme, dass das Projekt keinen Einfluss auf ~rG hat, lassen sich nach (VI.18) relativ einfache Bewertungen vornehmen. Ist der Projektüberschuss ~e1p stochastisch unabhängig von ~rG , gilt unabhängig von seiner Varianz die Beziehung M 0 ( ~e1p )

(1  r ) 1 ˜ E ( ~e1p ) .

Bewertungsrelevantes Risiko ist nur für Kov(~e1p ; ~rG ) z 0 gegeben; M 0 (~e1p ) ist eine fallende Funktion dieser Kovarianz.

3.2

Maximierung des Marktwertes aller Aktien

Bei Durchführung des Projekts P im Unternehmen n ergibt sich analog zu (VI.6) für ein Unternehmen m (mz n) zum Zeitpunkt 0 ein Marktwert der Aktien von:

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

253

(VI.19) M 0neu m

~ ~ ~ (1  r ) 1 ˜ E( M1m )  MR ˜ Kov( M1m ; M1G  ~e1p ) ~ ~ ~ ~ (1 r) 1 ˜ E ( M1m)  MR˜Kov(M1m ;M1G )  (1 r ) 1˜MR˜Kov(M1m ;~e1p ). 'M 0 m

M 0m

M0m ändert sich somit um: (VI.20)

M 0neu m  M 0m { 'M 0m

~ (1  r ) 1 ˜ MR ˜ Kov( M1m ; ~e1p ).

~ ~ Analog ändert sich der Marktwert M 0 (M1n ) des bisherigen Endwertes M1n des Unternehmens n (der Marktwert seiner bisherigen Überschüsse) zum Zeitpunkt 0 um:

(VI.20a)

~ 'M 0 ( M1n )

~ (1  r ) 1 ˜ MR ˜ Kov( M1n ; ~e1p ).

Der Marktwert der Aktien aller Unternehmen mz n ändert sich gemäß (VI.20) wie folgt: N

¦ 'M 0m 'M 0G  'M 0n { ' ( M 0G  M 0n )

(VI.21)

m 1 mz n N

~ (1  r ) 1 ˜ MR ˜ ¦ Kov( M1m ; ~e1p ) m 1 mz n

~ ~ (1  r ) 1 ˜ MR ˜ Kov( ~e1p ; M1G  M1n ). Bei Realisation des Projekts im Unternehmen n ändert sich somit gemäß (VI.7) und (VI.21) der Marktwert sämtlicher Unternehmen (einschließlich des Unternehmens n) um: (VI.22) N

'M 0G { ¦ 'M 0m

(1  r ) 1 ˜ {E[ ~e1p  (1  r ) ˜ A 0p ]

m 1

~ ~ ~ ~  MR ˜[ Var ( ~e1p )  Kov( ~e1p ;M1n )  Kov( ~e1p ;M1G )  Kov( ~e1p ;M1G  M1n )]} ~ ~ ~ oder wegen Kov( ~e1p ; M1n )  Kov( ~e1p ;M1G  M1n ) (VI.23)

'M 0G

~ Kov( ~e1p ;M1G ):

(1  r)1 ˜ {E[e1p  (1  r) ˜ A 0p ]  ) ]}.  MR ˜ [ Var(e1p )  2 ˜ Kov(e1p ; M 1G ='V2p

254

Kapitel VI

Bei Orientierung am Marktwert M0G erscheint das Projekt dann als vorteilhaft, wenn (VI.23) positiv ist. Diese Bedingung kann wegen (1 +r)1 >0 wie folgt dargestellt werden: (VI.24)

~ E ( ~e1p )  (1 r ) ˜A 0p ! MR ˜ [ Var ( ~e1p )  2˜Kov( ~e1p ;M1G )] . {P p

{ 'V 2p

Interpretation: Der Ausdruck in der eckigen Klammer gibt an, wie sich die Varianz des Endwertes aller Aktien bei Durchführung des Projekts ändert. Wird diese Änderung mit der Risikoprämie je Risikoeinheit, MR, multipliziert, ergibt sich die für das Projekt geforderte Risikoprämie. Das Projekt ist beim Ziel der Maximierung des Marktwertes M0G aller Aktien vorteilhaft, wenn der Erwartungswert μp seines Residualgewinns höher ist als diese. Im Fall 'V 2p 0 ist das Projekt vorteilhaft, wenn μp > 0 gilt. Im Fall 'V 2p ! 0 ist die kritische Untergrenze für Pp positiv und umso höher, je größer 'V 2p ~ und MR { RPG / Var (M1G ) sind. Im Fall 'V 2p  0 ist die kritische Untergrenze negativ. Die Differenz zwischen dem Ausdruck in der eckigen Klammer auf der rechten Seite von (VI.24) und dem auf der rechten Seite der Bedingung (VI.8) (die dem Ziel der Maximierung von M0n entspricht) beträgt:

(VI.25)

~ ~  Kov( ~e1p ; M1n )  Kov( ~e1p ; M1G )

~ ~ Kov( ~e1p ; M1G  M1n ).

~ ~ Gilt Kov(~e1p ; M1G  M1n ) ! 0 , besteht die Tendenz, dass bei Orientierung am Marktwert M0G aller Aktien Projekte abgelehnt werden, die bei Orientierung am Marktwert M0n (d.h. bei individueller Marktwertmaximierung) noch als vorteilhaft erscheinen. Der Unterschied in der Beurteilung resultiert aus der unterschiedlichen Berücksichtigung des Einflusses des Projekts auf die Varianz des Endwertes des Marktportefeuilles. Während die Varianzänderung 'V 2p in der Bewertungsfunktion (VI.23) für 'M0G vollständig erfasst wird, wird sie in der Bewertungsfunktion (VI.7) für 'M0n und entsprechend in der Vorteilhaftigkeitsbedingung (VI.8) beim Ziel individueller Marktwertma~ ~ ximierung nur zum Teil berücksichtigt; der Term Kov(~e1p ; M1G  M1n ) wird nicht zweifach, sondern nur einfach erfasst.

3.3

Problematik einer Vernachlässigung des Einflusses neuer Projekte auf die Marktwerte der Aktien anderer Unternehmen

Es stellt sich das Problem, mit welchem Gewicht die Marktwerte der Aktien der anderen Unternehmen bei der Planung im „eigenen“ Unternehmen n berücksichtigt werden sollen. Da die Anteilseigner dieses Unternehmens im gleichen Verhältnis auch an allen anderen Unternehmen m  n beteiligt sind und mithin ihr Vermögen von M0G (und ~ nicht nur von M1n ) abhängt, ist es nicht sinnvoll, Änderungen der Marktwerte dieser Unternehmungen ohne theoretische Fundierung a priori zu vernachlässigen. Das Problem der Berücksichtigung dieser Änderungen wird aufgelöst, jedoch nicht gelöst, wenn unterstellt wird, dass die Investitionen im Unternehmen n keinen Einfluss auf die

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

255

Marktwerte der Aktien der anderen Unternehmen haben, also '(M0G  M0n) = 0 gilt. Diese Annahme wird bei der theoretischen Begründung des Ziels individueller Marktwertmaximierung (auch für das CAPM) in der Literatur oft zugrunde gelegt. Sie impli~ ~ ziert jedoch gemäß (VI.21), dass die Kovarianz Kov(~e1p ; M1G  M1n ) gleich null ist. Das für die individuelle Marktwertmaximierung relevante Vorteilhaftigkeitskriterium (VI.8) lautet für diesen Fall: (VI.8a)

~ P p ! MR ˜ [Var (~e1p )  2 ˜ Kov(~e1p ; M1n )]

~ MR ˜ 'Var(M1n ) .

Die Annahme '(M0G  M0n) = 0 impliziert somit, dass für die Bewertung des Projekts nur ~ die Varianzänderung 'Var(M1n ) relevant ist. Dagegen wird in der Literatur immer wieder hervorgehoben, dass für die Bewertung gemäß dem Ziel individueller Marktwert~ maximierung die Kovarianz Kov(~e1p ; M1G ) ein erheblich größeres Gewicht haben ~ ~ kann als die Varianz Var ( e1p ) bzw. die Varianzänderung 'Var(M1n ) , die eher vernachlässigbar gering sei. Wegen ~ Kov( ~e1p ; M1G )

~ ~ ~ Kov( ~e1p ; M1G  M1n )  Var ( M1n )

kann dieses Argument auch so formuliert werden: Insbesondere sollte die Kovarianz ~ ~ Kov(~e1p ; M1G  M1n ) berücksichtigt werden, während die Varianz Var (~e1p ) bzw. die ~ Varianzänderung 'Var(M1n ) eher vernachlässigt werden könne. Nun erscheint aber in ~ ~ (VI.8a) gerade diese Varianzänderung und nicht die Kovarianz Kov(~e1p ; M1G  M1n ) . ~ ~ Ist der Betrag der Kovarianz Kov(~e1p ; M1G  M1n ) so hoch, dass man es als besonders wichtig erachtet, ihn bei der Maximierung von M0n zu berücksichtigen, darf bei der Begründung der individuellen Marktwertmaximierung nicht davon ausgegangen werden, das Projekt hätte keinen Einfluss auf die Marktwerte der anderen Unternehmen. Die Unveränderlichkeit von M0m bei Durchführung des Projekts im Unternehmen n ~ impliziert, dass sein Überschuss ~e1p den Endwert M1G des Marktportefeuilles nicht ~ ~ beeinflusst, also gilt: M1G  ~e1p M1G . Die Fiktion eines unveränderlichen Endwertes des Marktportefeuilles impliziert wiederum, dass sich die zustandsabhängigen Grenznutzenwerte der Anteilseigner bei Durchführung des Projekts nicht ändern; unveränderlichen Grenznutzenwerten entsprechen unveränderliche Preise M0m. Der Einfluss des Projekts auf die Marktwerte M0m ( m z n) wird vor allem auch bei der in der Literatur üblichen Renditebetrachtung verschleiert. M0m kann wie folgt dargestellt werden: (VI.26)

M 0m

[1  r 

E( ~rG )  r ~ ˜ Kov( ~rm ; ~rG )]1 ˜ E ( M1m ). Var ( ~rG )

Wie erläutert, wird in der Literatur im Allgemeinen davon ausgegangen, dass das Projekt keinen (bewertungsrelevanten) Einfluss auf die Rendite ~rG des Marktportefeuilles hat. Es ändern sich dann auch nicht die Terme E(~rG ) , Var(~rG ) und Kov(~rm ; ~rG ) , so dass gemäß (VI.26) auch M0m (m z n) als unveränderlich erscheint.

256

Kapitel VI

Die Unterstellung einer unveränderlichen Wahrscheinlichkeitsverteilung über ~rG kann zwar akzeptabel sein, wenn es ausschließlich um die vereinfachende Analyse des (Markt-)Wertes eines neuen Projekts P geht, dessen Umfang relativ gering ist. Der Umfang des Portefeuilles aus den Aktien aller Unternehmen m z n ist dagegen sehr viel größer, so dass bezüglich des Marktwertes dieses Portefeuilles die Unterstellung einer unveränderlichen Wahrscheinlichkeitsverteilung über ~rG wesentlich problematischer sein kann. Es stellt sich generell das Problem, inwieweit diesem Einfluss bei der Entscheidung über das Projekt bzw. bei der Ermittlung seines kollektiven Grenzpreises Rechnung getragen werden soll; die Maximierung des Marktwertes M0n der Aktien des „eigenen“ Unternehmens, die individuelle Marktwertmaximierung, ist keine selbstverständliche Zielfunktion für die Investitionsplanung und -bewertung. In Abschnitt 4.2 wird gezeigt, dass individuelle Marktwertmaximierung immerhin „näherungsweise“ im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung stehen kann, wenn ein Marktgleichgewicht existiert. Dagegen kann sich die Maximierung des Marktwertes aller Aktien als besonders problematisch erweisen (Abschnitt 4.3). Wenn sich jedoch der Markt in einem Übergang in ein neues Gleichgewicht befindet, gewinnen die Marktwerte der Aktien der anderen Unternehmen für die Geschäftspolitik im „eigenen“ Unternehmen n grundlegende Bedeutung (Abschnitt 4.4).

4

Marktwertmaximierung im Licht subjektiver Nutzenmaximierung

4.1

Nutzenmaximierung als Referenzziel

Im Abschnitt 2.2.2.1 wurde für exponentielle Nutzenfunktionen und Normalverteilung gezeigt, unter welcher Bedingung bei gegebenem Kapitalmarktgleichgewicht mit einem Projekt der Erwartungswert des Endvermögensnutzens jedes Anteilseigners erhöht wird. Darauf soll im Folgenden aufgebaut werden. Bei exponentiellen Nutzenfunktionen und normalverteiltem Endvermögen steigt bei Durchführung des Projekts der Nutzenerwartungswert jedes Anteilseigners, wenn folgende notwendige und hinreichende Bedingung erfüllt ist: (VI.4)

Pp !

1 I

2 ˜ ¦ a1 j

˜ 'V 2p .

j 1

'V 2p bezeichnet die Änderung der Varianz des Endwertes des Marktportefeuilles bei Durchführung des Projekts. In Verbindung mit (IV.36) (Kapitel IV, Abschnitt 5.3.2.3) bzw. mit

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

(VI.27)

MR {

RPG ~ Var ( M1G )

1 I

¦ a1i

i 1

{ I

257

1

¦ a1 j 1 j

folgt aus (VI.4) die Vorteilhaftigkeitsbedingung: (VI.28)

Pp !

MR ˜ 'V 2p 2

oder (VI.29)

MR ~ E( ~e1p )  (1  r ) ˜ A 0p ! ˜ [ Var ( ~e1p )  2 ˜ Kov( ~e1p ; M1G )]. 2 {P p

{ ' V 2p

Bei Nutzenmaximierung wird das volle zusätzliche Risiko 'V 2p mit dem halben Marktpreis des Risikos MR / 2 gewichtet. Die Bedingung (VI.29) dafür, dass mit dem Projekt der Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners steigt, berücksichtigt nur Marktgrößen und nicht direkt die Risikoeinstellungen oder die Nutzenfunktionen der Anteilseigner. Subjektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung unterscheiden sich somit nicht dadurch, dass im ersten Fall explizit subjektive Präferenzen und im zweiten Fall Marktgrößen bewertungsrelevant sind. Der Unterschied zwischen den betreffenden Zielfunktionen besteht ausschließlich in der unterschiedlichen Gewichtung eines Teils der Marktgrößen. Das Ziel subjektiver Nutzenmaximierung ist somit gleichermaßen operational wie das der individuellen Marktwertmaximierung und der Maximierung des Marktwertes aller Aktien.13 Da es außerdem (modellendogen) theoretisch fundiert ist, kann es, wie im Folgenden gezeigt wird, als Referenzziel für die Beurteilung der beiden Varianten der Marktwertmaximierung zugrunde gelegt werden.

4.2

Individuelle Marktwertmaximierung

4.2.1

Exaktes Entscheidungskriterium

Wie erläutert, gibt das Kriterium (VI.8) an, unter welcher Bedingung das Projekt den Marktwert M0n erhöht. Dieses Kriterium erfasst im Gegensatz zum (Nutzen-) Kriterium (VI.29) das zusätzliche Risiko 'V 2p nicht in vollem Umfang, sondern annähernd nur zur Hälfte.14 Andererseits wird in (VI.8) das betreffende Risikomaß mit MR multipli13

14

In der Literatur ist die Vorstellung weit verbreitet, dass die kollektive Nutzenmaximierung deshalb allgemein auf Probleme stößt, weil die Präferenzen der Anteilseigner unterschiedlich und zudem nicht bekannt sind, während die Marktwertmaximierung deshalb als Entscheidungskriterium geeignet sei, weil sie keine direkte Bezugnahme auf die Präferenzen der Anteilseigner erfordere. Vgl. z.B. FRANKE/ HAX (2004, S. 57); HAX/HARTMANN-WENDELS/V. HINTEN (1988, S. 693); BREUER (1997, S. 222). Das Risikomaß in der eckigen Klammer auf der rechten Seite von (VI.8) kann wie folgt dargestellt werden:

258

Kapitel VI

ziert und nicht wie bei subjektiver Nutzenmaximierung mit MR/ 2, so dass der Fehler bei der Erfassung des zusätzlichen Risikos in (VI.8) mehr oder weniger kompensiert wird (GILLENKIRCH/VELTHUIS, 1997, S. 135 ff.). Der Unterschied zwischen den Kriterien (VI.8) und (VI.29) resultiert letztlich daraus, dass für die dem (Markt-)Kriterium (VI.8) zugrunde liegenden Marktwerte M 0neu n und M0n Grenznutzenwerte relevant sind, während bei subjektiver Nutzenmaximierung die Änderung des Erwartungsnutzens über die Änderung des Sicherheitsäquivalents für das Endvermögen direkt und vollständig berücksichtigt wird. Die Differenz zwischen dem Term auf der rechten Seite von (VI.8) und dem auf der rechten Seite von (VI.29) beträgt: RPG 1 1  )]  ). (VI.30) MR ˜[ ˜ Var(e1p )  Kov(e1p ; M ˜ ˜'Var(M 1n 1n  ) 2 2 Var(M 1G 1 ˜'Var(M  ) 1n 2

{ MR

Der Betrag dieses „Fehlerterms“ ist umso größer, je größer MR ist, je geringer also die Zahl der Akteure auf dem Kapitalmarkt und je größer deren Risikoaver~ sion ist. Für Kov(~e1p ; M1p ) t 0 ist der Fehlerterm positiv. Die rechte Seite der Bedingung (VI.8) ist dann größer als die der Bedingung (VI.29). Es ist dann möglich, dass das Projekt bei Orientierung am Marktwert M0n abgelehnt wird, obwohl es den Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners erhöhen würde. Im Fall ~ Kov(~e1p ; M1n )  0 kann der Fehlerterm (VI.30) negativ sein. Es ist dann möglich, dass das Projekt bei individueller Marktwertmaximierung angenommen wird, obwohl es den Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners reduziert. Jedoch kann der Fehler dann als irrelevant erscheinen, wenn die halbe Varianzänderung beim investierenden Unternehmen und mithin auch der Betrag des Terms (VI.30) sehr gering ist. Individuelle Marktwertmaximierung steht dann „annähernd“ im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung. Dies bedeutet, dass der (für alle Anteilseigner identische) subjektive Grenzpreis annähernd mit dem Marktwert des Überschusses übereinstimmt; wird das Projekt zu diesem Marktwert erworben, bleiben die individuellen Nutzenerwartungswerte annähernd konstant (Kapitel VII). Es ist zu beachten, dass hier die (näherungsweise) Übereinstimmung von individueller Marktwertmaximierung und subjektiver Nutzenmaximierung modellendogen gezeigt wurde und nicht unter der widersprüchlichen Annahme, das Projekt habe keinen Ein )  Kov(e ;M  Var(e1p )  Kov(e1p ; M 1n 1p 1G ) Dagegen gilt: 2

'V p

 ). Var(e1p )  2 ˜Kov(e1p ; M 1G

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

259

fluss auf die Marktwerte M0m ( m z n) . Diese Annahme hat weder Bedeutung für das Kriterium (VI.8) noch für (VI.29). Es liegt die Vermutung nahe, dass der Term (VI.30) dann vernachlässigbar ist, wenn ~  ) im Vergleich zur Varianz Var (M 'Var(M 1G ) klein ist oder das Projekt im Ver1n gleich zum Investitionsvolumen des Gesamtmarktes nur einen geringen Umfang hat.15 ~ Dieses Argument suggeriert, dass Var (M1G ) für die Vorteilhaftigkeitsbeurteilung über ) wird in (VI.30) nehaupt von Bedeutung ist. Das ist jedoch nicht der Fall; 'Var(M 1n ~ ben 0,5 mit dem Faktor MR { RPG / Var (M1G ) gewichtet, der seinerseits in der hier ~ betrachteten NE-Variante des CAPM von Var (M1G ) völlig unabhängig ist. MR hängt ausschließlich von den Risikoaversionskoeffizienten ai der Anteilseigner ab; je größer deren Risikoaversion, desto größer ist MR. Das Argument, dass der Term (VI.30) ver~  ) im Vergleich zur Varianz Var (M nachlässigt werden könne, wenn 'Var(M 1G ) 1n niedrig sei, hat die gleiche Qualität wie das Argument, die Risikoprämie μp des Projekts könne vernachlässigt werden, wenn sie im Vergleich zur Risikoprämie RPG des Marktportefeuilles gering sei. Auch wenn bei Orientierung am Ziel der individuellen Marktwertmaximierung die Gefahr oder die Konsequenzen von Fehlentscheidungen gering sein mögen, ist die Orientierung an diesem Ziel und die entsprechende Ermittlung kollektiver Grenzpreise nicht unproblematisch. Man kann sie allenfalls mit dem Argument rechtfertigen, dass dann der Planungsaufwand geringer sei als bei expliziter Orientierung am Ziel der Nutzenmaximierung. Das Kriterium (VI.29) ist jedoch nicht komplexer als (VI.8).

4.2.2

Vereinfachtes Entscheidungskriterium

Wie in Abschnitt 3.1.1.2 erläutert, folgt für die individuelle Marktwertmaximierung die Vorteilhaftigkeitsbedingung (VI.12), sofern der Marktwert von ~e1p vereinfachend nach denselben Bewertungsfunktionen ermittelt wird wie die Marktwerte der Papiere im Status quo. Die Differenz zwischen dem Term auf der rechten Seite von (VI.12) und dem auf der rechten Seite von (VI.29) beträgt: (VI.31)

1  MR ˜ ˜ Var (~e1p ). 2

Wegen MR > 0 und Var (~e1p ) ! 0 ist dieser Fehlerterm negativ; die kritische Untergrenze für die Risikoprämie ist bei dem vereinfachten Marktwertkriterium niedriger als bei subjektiver Nutzenmaximierung. Es ist möglich, dass das Projekt bei vereinfachter Marktbewertung durchgeführt wird, obwohl damit der Nutzenerwartungswert der Anteilseigner (wenn auch nur geringfügig) sinkt. Der Betrag des Fehlerterms (VI.31) kann ~ je nach der Höhe von Kov(~e1p ; M1n ) kleiner oder größer sein als der gemäß (VI.30). Ob die vereinfachte Marktbewertung gegenüber der exakten zu einer Annäherung an das Kriterium subjektiver Nutzenmaximierung führt, kann nicht generell, sondern nur für den konkreten Einzelfall festgestellt werden. 15

Vgl. hierzu HACHMEISTER (1995, S. 174 f.) und die dort zitierte Literatur.

260

Kapitel VI

4.3

Maximierung des Marktwertes aller Aktien

In der Bedingung (VI.24) dafür, dass das Projekt den Marktwert M0G der Aktien aller Unternehmen erhöht, wird zwar wie bei subjektiver Nutzenmaximierung das volle Risiko 'V 2p berücksichtigt, jedoch wird es mit MR gewichtet statt mit dem Faktor MR/ 2, der für die Bedingung (VI.29) subjektiver Nutzenmaximierung maßgeblich ist. Wie bei individueller Marktwertmaximierung wird der Risikoabschlag nicht korrekt erfasst. Der Ausdruck auf der rechten Seite von (VI.24) unterscheidet sich von dem auf der rechten Seite des (Nutzen-) Kriteriums (VI.29) durch den Fehlerterm (VI.32)

MR ~ ~ ˜ [ Var ( ~e1p )  2 ˜ Kov(~e1p ;M1G )] MR ˜ [ 21 ˜ Var ( ~e1p )  Kov( ~e1p ;M1G )]. 2 1 2 ˜'V p 2

~ Da der Betrag der Kovarianz Kov(~e1p ; M1G ) erheblich größer sein kann als der ~ der Kovarianz Kov(~e1p ; M1n ) , ist die Gefahr von Fehlentscheidungen bei Orientierung am Marktwert M0G aller Aktien erheblich größer als bei Orientierung am individuellen Marktwert M0n, für die der Fehlerterm (VI.30) relevant ist. Ist der Ausdruck (VI.33)

~ 1 ˜ Var ( ~ e1p )  Kov( ~e1p ; M1G ) 2

im Fehlerterm (VI.32) positiv (negativ), ist der Grenzwert für μp bei Orientierung am Marktwert M0G entsprechend höher (niedriger) als bei Maximierung des erwarteten Nutzens. Es besteht dann bei Maximierung von M0G die Tendenz zur Unterinvestition (Überinvestition). Fazit: Die Tatsache, dass die individuelle Marktwertmaximierung eher als Unternehmensziel relevant ist als die Maximierung des Marktwertes der Aktien aller Unternehmen, folgt daraus, dass der Fehlerterm (VI.30) tendenziell erheblich geringer ist als (VI.32) und nicht daraus, dass der Projektüberschuss e1p keinen Einfluss auf die Marktwerte M0m (m z n) hat.

4.4

Marktwertmaximierung im Licht subjektiver Nutzenmaximierung bei einem Übergang in ein neues Marktgleichgewicht [*]

4.4.1

Konflikte bei Investitionsentscheidungen

Wenn kein Kapitalmarktgleichgewicht gegeben ist, besteht keine Einmütigkeit im strengen Sinne. Wenn es nicht möglich ist, simultan den Erwartungsnutzen aller Anteilseigner zu maximieren, kann Marktwertmaximierung nicht generell im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung stehen. In LAUX (2006a, S. 288 ff.) wird der Konflikt gezeigt und untersucht, unter wel-

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

261

chen Bedingungen ein Projekt für einen Anteilseigner oder eine „homogene“ Gruppe von Anteilseignern vorteilhaft ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass zu Beginn der Periode (Zeitpunkt 0) aufgrund von Änderungen der Risikoeinstellungen (der Risikoaversionskoeffizienten), Anteilseigner ihren Anteil am Marktportefeuille erhöhen und andere ihn reduzieren. Für den Anteil zni des Anteilseigners i (i = 1,2,...,I) am Marktportefeuille im neuen Gleichgewicht gilt: (VI.34)

zn i

1 I 1 /¦ . ai j 1 a j

Dabei bezeichnen jetzt a1, a2, ..., aI die „neuen“ Risikoaversionskoeffizienten, die für die betrachtete Periode relevant (und im Verlauf dieser Periode unveränderlich) sind. Der Anteil, den ein Anteilseigner im neuen Gleichgewicht am Marktportefeuille hält, ist (bei den unterstellten exponentiellen Nutzenfunktionen) unabhängig davon, ob das Projekt durchgeführt wird. Jedoch beeinflusst das Projekt grundsätzlich den Erlös (die zu leistende Zahlung) eines Anteilseigners für den Fall, dass er beim Übergang auf das neue Gleichgewicht seinen Anteil am Marktportefeuille reduziert (erhöht). Die Projektabhängigkeit der Transferzahlungen ist die eigentliche Ursache des Interessenkonflikts. Der Anteil am Marktportefeuille, den der Anteilseigner i (i = 1,2,...,I) in der Ausgangssituation (d. h. vor dem neuen Gleichgewicht) hält, wird nun mit zai bezeichnet. Im Fall zni = zai ändert er seinen Anteil nicht. Im Fall zni > zai (zni < zai) erhöht (reduziert) er ihn. Dies ist genau dann der Fall, wenn das Verhältnis aus seiner eigenen Risikotoleranz und der Summe aller Risikotoleranzen steigt (sinkt). Ein Anteilseigner i mag z.B. deshalb seinen Anteil am Marktportefeuille ändern, weil sich bei Konstanz der Risikoaversionskoeffizienten der anderen sein eigener Risikoaversionskoeffizient ai gegenüber der Vorperiode geändert hat oder weil sich bei konstantem ai die Risikoaversionskoeffizienten anderer Anteilseigner geändert haben. Die Risikoaversion eines Anteilseigners kann sich z.B. auf Grund von Ereignissen wie Krankheit, Heirat oder Geburt eines Kindes ändern. Der Anteilseigner i hat nur dann keinen Anlass, seinen Anteil am Marktportefeuille zu ändern, wenn

zn i

1 ai I

¦ j 1

za i

1 aj

gilt, also die Risikoaversionskoeffizienten sich derart ändern, dass die neue relevante Relation für den Anteilseigner i mit der ursprünglichen übereinstimmt. Da er dann weder Anteile kauft noch verkauft, sind für ihn die Marktwerte zum Zeitpunkt 0 ohne direkte Bedeutung. Für ihn ist dasselbe Aktionsprogramm optimal wie für den Fall, dass kein Anteilseigner seinen Anteil am Marktportefeuille ändert. Da dann individuelle Marktwertmaximierung näherungsweise im Einklang mit subjektiver Nutzenmaximierung steht, sofern der Betrag des Fehlerterms (VI.30) niedrig ist, gilt dies für den Anteilseigner i auch bei einem Übergang in ein neues Gleichgewicht. Will er zum Zeitpunkt 0 (fast) seinen gesamten Anteil am Marktportefeuille verkaufen, ist also zni (annähernd) null, wird sein Nutzen maximiert, indem sein Verkaufserlös zum Zeitpunkt 0 maximiert wird. Für ihn ist dann nicht allein der Marktwert M0n relevant, sondern der Marktwert M0G aller Aktien; je höher dieser Marktwert, desto höher ist sein Verkaufserlös und mithin

262

Kapitel VI

der zum Zinssatz r anlegbare Betrag und sein Endvermögen. Die Maximierung des Marktwertes aller Aktien ist dann kompatibel mit dem Ziel der Maximierung des Nutzens des Anteilseigners i. Allgemein steht das folgende Kriterium näherungsweise im Einklang mit dem Ziel der Maximierung des subjektiven Nutzens des Anteilseigners i (LAUX, 2006a, S. 295): (VI.35)

zn i zn ˜ 'M 0n +(1  i ) ˜ 'M 0G ! 0. za i za i

Das Projekt ist vorteilhaft, wenn die gewichtete Summe aus der Änderung des Marktwertes M0n und der Änderung des Marktwertes M0G bei Durchführung des Projekts positiv ist. Bei gegebenem zai ist das Gewicht von 'M0G umso höher und das von 'M0n umso niedriger, je kleiner zni ist, je weniger also der Anteilseigner i im neuen Gleichgewicht am Marktportefeuille beteiligt ist; für zni < zai ist das Gewicht von 'M0G positiv, für zni > zai ist es negativ. Für zni = zai folgt aus (VI.35) für den Anteilseigner i die Vorteilhaftigkeitsbedingung 'M0n > 0, die dem Ziel individueller Marktwertmaximierung entspricht. Für zni | 0 folgt für ihn die Vorteilhaftigkeitsbedingung 'M0G > 0; das Projekt ist vorteilhaft, wenn es den Marktwert der Aktien aller Unternehmen erhöht. Das Projekt kann auch dann vorteilhaft sein, wenn bei seiner Durchführung M 0n sinkt. Es wird ersichtlich, dass das Ziel individueller Marktwertmaximierung bei Fehlen eines Kapitalmarktgleichgewichts völlig anders zu beurteilen ist als bei Existenz eines Gleichgewichts. Da die Vorteilhaftigkeitsbedingungen (VI.35) analog für einen beliebigen Anteilseigner j gilt, ermöglicht sie eine anschauliche Analyse potenzieller Konflikte für zn j /za j z zn i /za i . Ein Projekt, das den (Erwartungs-)Nutzen eines Anteilseigners erhöht, kann für einen anderen von erheblichem Nachteil sein. Will z.B. der Anteilseigner i seinen Anteil am Marktportefeuille erhöhen und j ihn reduzieren, ist gemäß (VI.35) das Gewicht für 'M 0G ( 'M 0n ) vom Standpunkt des Anteilseigners i niedriger (höher) als für den Anteilseigners j; das Projekt kann je nach seinem Einfluss auf M0n und M0G für i vorteilhaft und für j nachteilig sein oder umgekehrt. Der Nutzen kann grundsätzlich immer nur für eine „homogene“ Gruppe von Anteilseignern maximiert werden, für die der Quotient zni/zai identisch ist; es existiert kein kollektiver subjektiver Grenzpreis. Die Darstellungen haben Bedeutung für die Entscheidung über den Kauf eines nicht börsennotierten Unternehmens. Wenn individuelle Marktwertmaximierung nicht im Interesse aller Anteilseigner steht, kann das Marktwertkriterium auch nicht ohne weiteres für die Bewertung dieses Unternehmens herangezogen werden. Bei einem Übergang in ein neues Gleichgewicht können sich erhebliche (Bewertungs-)Konflikte zwischen Anteilseignern ergeben, wobei – wie erläutert – individuelle Marktwertmaximierung allenfalls für diejenigen Anteilseigner eine geeignete Zielfunktion darstellt, die ihren Anteil am Marktportefeuille nicht (oder relativ wenig) ändern.

4.4.2

Konflikte bei Information der Anteilseigner

Der Anteil zni, den der Anteilseigner i im neuen Gleichgewicht am Marktportefeuille hält, hängt allein von seinem für die betrachtete Periode maßgeblichen Risikoaversionskoeffizienten ai sowie den Risikoaversionskoeffizienten der anderen Anteilseigner ab. Somit ist zni bei homogenen Erwartungen unabhängig davon, welche homogenen (öffentlichen) Informationen die Anteilseigner erhalten; homogene Informationen, aus denen alle die gleichen Schlüsse ziehen, lösen keine Kauf- und Verkaufentscheidungen aus. Jedoch beeinflussen die Informationen die Transferzahlungen beim Übergang in das neue Gleichgewicht. Im Fall zni > zai (zni < zai) ist es für den Anteilseigner i vorteilhaft, wenn Informationen gegeben werden, bei denen der Markt-

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

263

wert M0G aller Aktien sinkt (steigt). Der reale Marktwert hat nun gegenüber dem virtuellen grundlegende Bedeutung. Es kann das folgende Fazit gezogen werden: Ist individuelle Marktwertmaximierung (näherungsweise) mit Nutzenmaximierung kompatibel (gegebenes Marktgleichgewicht), erübrigt sich die Information der Anteilseigner über die zukünftigen Überschüsse neuer Projekte. Die Information wird erst dann relevant, wenn aufgrund eines Übergangs in ein neues Gleichgewicht ein Konflikt zwischen individueller Marktwertmaximierung und Nutzenmaximierung besteht. In diesem Fall ergeben sich Konflikte zwischen den Anteilseignern und zwar sowohl bezüglich der Projektauswahl als auch der Informationspolitik des Unternehmens; es stellt sich das Problem, an welcher Interessengruppe sich die Informationspolitik ausrichten soll.

5

Resümee

1. Ändern sich ausgehend von einem Marktgleichgewicht die (homogenen) Vorstellungen der  Anteilseigner über den Erwartungswert und/oder die Varianz des Endwertes M 1G des Marktportefeuilles, bleibt sowohl in der NE- als auch in der BQ-Variante des CAPM der optimale Anteil jedes Anteilseigners am Marktportefeuille konstant. Es ist unerheblich, aus welchen Gründen sich die Erwartungen ändern. Den Anteilseignern mögen bei gegebenen Investitionsprogrammen aller Unternehmen Informationen zugehen, die einen probabili stischen Rückschluss auf M 1G zulassen. Es ist aber auch möglich, dass in einem Unternehmen ein zusätzliches Projekt ins Programm aufgenommen wird, dessen Überschuss bisher in den Wertpapierkursen nicht antizipiert worden ist, und die Anteilseigner (in gleicher Weise) mehr oder weniger detailliert darüber informiert werden. Sind in der NB-Variante weder exponentielle, quadratische noch andere Nutzenfunktionen der HARA-Klasse relevant, wird selbst in einem CAPM-Gleichgewicht grundsätzlich das Risiko nicht pareto-effizient geteilt. Änderungen der homogenen Erwartungen der Investoren auf dem Kapitalmarkt führen dann im Allgemeinen dazu, dass sich individuelle Anteile am Marktportefeuille ändern. Laufende Änderungen der Erwartungen bewirken fortlaufende Kapitalmarktanpassungen und Bewertungskonflikte zwischen Anteilseignern. 2. Ein Projekt P, mit dem Überschuss e1p und der Anschaffungsauszahlung A0p, ist bei individueller Marktwertmaximierung (d.h. bei Maximierung des Marktwertes der Aktien des investierenden Unternehmens n) vorteilhaft, wenn folgende Bedingung gilt: (VI.8)

 )  Kov(e ;M   E(e1p )  (1 r) ˜ A 0p ! MR ˜[Var(e1p )  2 ˜ Kov(e1p;M 1n 1p 1G  M1n )]. {P p

 ) 'Var(M 1n

Das Projekt ist also vorteilhaft, wenn der Erwartungswert μp seines Residualgewinns größer ist als der mit dem Marktpreis des Risikos (MR) gewichtete Term (VI.9)

 )  Kov (e ;M   Var (e1p )  2 ˜ Kov (e1p ;M 1n 1p 1G  M1n ) .  ) 'Var (M 1n

Ist der Term (VI.9) positiv, gilt dies wegen MR > 0 auch für die kritische Untergrenze für  ), μp . Sie ist dann umso höher, je größer der Marktpreis des Risikos, MR { RPG / Var(M 1G ist. Ist der Term (VI.9) negativ, gilt dies auch für die kritische Untergrenze für Pp ; sie ist umso niedriger, je höher MR ist. RPG und mithin MR sind c.p. umso kleiner, je größer die Zahl der Anteilseigner I ist. Folglich ist bei positivem (negativem) Term (VI.9) die kritische Untergrenze für Pp umso niedriger (höher), je größer I ist. Da der Term (VI.9) im Allgemei-

264

Kapitel VI

nen positiv sein dürfte, besteht folgende Tendenz: Je größer die Zahl der Anteilseigner, desto größer ist die Zahl der für sie vorteilhaften Projekte. 3. Wird das Projekt P im Unternehmen n durchgeführt, ändert sich ohne Restriktions- und Erfolgsverbund der Marktwert aller Unternehmen m z n wie folgt: N

(VI.21)

1   ¦ 'M 0m (1  r) ˜ MR ˜ Kov(e1p ;M 1G  M1n ) m 1 mzn

Es stellt sich das Problem, mit welchem Gewicht die Marktwerte der Aktien der anderen Unternehmen bei der Planung im „eigenen“ Unternehmen n berücksichtigt werden sollen. Da die Anteilseigner dieses Unternehmens im CAPM im gleichen Verhältnis auch an allen anderen Unternehmen beteiligt sind und mithin ihr Vermögen von M0G (und nicht allein von M0n) abhängt, ist es nicht sinnvoll, Änderungen der Marktwerte der anderen Unternehmungen ohne theoretische Fundierung zu vernachlässigen. Das Problem der Berücksichtigung dieser Änderungen wird aufgelöst, jedoch nicht gelöst, wenn – wie in der Literatur üblich – unterstellt wird, dass die Investitionen keinen Einfluss auf die Marktwerte der Aktien der anderen Unternehmen haben, also '(M0G  M0n) = 0 gilt. Diese Annahme impli  ziert jedoch gemäß (VI.21), dass die Kovarianz Kov(e1p ;M 1G  M1n ) gleich null ist. Das für die individuelle Marktwertmaximierung relevante Vorteilhaftigkeitskriterium (VI.8) lautet für diesen Fall: (VI.8a)

 )] MR ˜ 'Var(M  ). P p ! MR ˜ [Var(e1p )  2 ˜ Kov(e1p ;M 1n 1n

Die Annahme '(M0G  M0n) = 0 impliziert somit, dass für die Bewertung des Projekts nur  ) relevant ist. Dagegen wird in der Literatur immer wieder die Varianzänderung 'Var(M 1n hervorgehoben, dass für die Bewertung gemäß dem Ziel individueller Marktwertmaximierung die Kovarianz ein erheblich größeres Gewicht haben kann als die Varianz bzw. die Varianzänderung, die eher vernachlässigbar gering sei. 4. Für die Beurteilung des Ziels individueller Marktwertmaximierung ist eine modellendogene Analyse geboten, bei der der Einfluss des Projekts auf die Marktwerte aller Papiere konsequent erfasst wird. Als Referenzziel dient in dieser Arbeit das Ziel subjektiver Nutzenmaximierung. Bei Durchführung des Projekts P steigt der Nutzenerwartungswert jedes Anteilseigners, wenn folgende Bedingung erfüllt ist: (VI.29)

MR  )]. ˜ [Var(e1p )  2 ˜ Kov(e1p ;M E(e1p )  (1  r) ˜ A 0p ! 1G 2 {P p

{ ' V2p

Bei Nutzenmaximierung wird das volle aus dem Projekt resultierende zusätzliche Risiko 'V 2p mit dem halben Marktpreis des Risikos MR/2 gewichtet. 5. Das Kriterium (VI.8), das angibt, unter welcher Bedingung das Projekt den Marktwert M0n erhöht, erfasst im Gegensatz zum (Nutzen-)Kriterium (VI.29) das zusätzliche Risiko 'V 2p nicht in vollem Umfang, sondern annähernd nur zur Hälfte. Andererseits wird in (VI.8) das betreffende Risikomaß mit MR multipliziert und nicht wie bei subjektiver Nutzenmaximierung mit MR/2, so dass der Fehler bei der Erfassung des zusätzlichen Risikos in (VI.8) mehr oder weniger kompensiert wird. Die Differenz zwischen dem Term auf der rechten Seite von (VI.8) und dem auf der rechten Seite von (VI.29) ist umso größer, je größer MR ist, je geringer also die Zahl der Akteure auf dem Kapitalmarkt und je größer ihre Risikoaversion ist.

Kollektive Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung im CAPM

265

6. Beim Ziel der Maximierung des Marktwertes M0G der Aktien aller Unternehmen (Reichtumsmaximierung) erscheint das Projekt P dann als vorteilhaft, wenn folgende Bedingung gilt: (VI.24)

 )] . E(e1p )  (1 r) ˜A0p ! MR ˜ [Var(e1p )  2˜Kov(e1p ;M 1G {P p

{'V2p

Der Ausdruck in der eckigen Klammer gibt an, wie sich die Varianz des Endwertes aller Aktien bei Durchführung des Projekts ändert. Wird diese Änderung mit der Risikoprämie je Risikoeinheit, MR, multipliziert, ergibt sich die für das Projekt geforderte Risikoprämie. Das Projekt ist beim Ziel der Maximierung des Marktwertes M0G aller Aktien vorteilhaft, wenn der Erwartungswert μp des Residualgewinns höher ist als diese Risikoprämie. In der Bedingung (VI.24) wird zwar wie bei subjektiver Nutzenmaximierung das volle Risiko 'V2p berücksichtigt, jedoch wird es mit MR gewichtet statt mit dem Faktor MR/2, der für die Bedingung (VI.29) subjektiver Nutzenmaximierung maßgeblich ist. Wie bei individueller Marktwertmaximierung wird die Risikoprämie (bzw. der Risikoabschlag) nicht kor ) in (VI.29) erheblich größer sein rekt erfasst. Da der Betrag der Kovarianz Kov(e1p ;M 1G  ) in (VI.24), ist die Gefahr von Fehlentscheikann als der der Kovarianz Kov(e1p ;M 1n dungen bei Orientierung am Marktwert M0G aller Aktien erheblich größer als bei Orientierung am individuellen Marktwert M0n. 7. Befindet sich der Markt aufgrund veränderlicher Nutzenfunktionen in einem Übergang in ein neues Gleichgewicht, wollen also Anteilseigner ihren Anteil am Marktportefeuille erhöhen und andere ihn reduzieren, gewinnt der Marktwert M0G der Aktien aller Unternehmen für die Maximierung des Nutzens dieser Anteilseigner eigenständige Bedeutung, da von M0G der Verkaufserlös bzw. der Kaufpreis abhängt. Allgemein steht das folgende Kriterium näherungsweise im Einklang mit der Maximierung des subjektiven Nutzens des Anteilseigners i: (VI.35)

zn i zn ˜ 'M 0n +(1  i ) ˜ 'M 0G ! 0 . za i za i

zn i (za i ) bezeichnet den neuen (alten) Anteil des Anteilseigners i am Marktportefeuille. Das Projekt ist vorteilhaft, wenn die gewichtete Summe aus der Änderung des Marktwertes M0n und der Änderung des Marktwertes M0G bei Durchführung des Projekts positiv ist. Bei gegebenem zai ist das Gewicht von 'M0G umso höher und das von 'M0n umso niedriger, je kleiner zni ist, d.h. je weniger der Anteilseigner i im neuen Gleichgewicht am Marktportefeuille beteiligt ist; für zni < zai ist das Gewicht von 'M0G positiv, für zni > zai ist es negativ. Für verschiedene Anteilseigner ist genau dann dasselbe Vorteilhaftigkeitskriterium relevant, wenn sie ihren Anteil am Marktportefeuille im gleichen Verhältnis ändern. Ist dies nicht der Fall, können (erhebliche) Konflikte zwischen ihnen bezüglich der Bewertung und Durchführung neuer Projekte bestehen; es existiert kein kollektiver subjektiver Grenzpreis.

Kapitel VII Kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte im Vergleich

1

Problemstellung

In den Kapiteln V und VI wurde untersucht, unter welchen Bedingungen Anreizkompatibilität (d.h. bei Fehlen nichtfinanzieller Ziele Einmütigkeit) zwischen den Anteilseignern eines börsennotierten Unternehmens besteht. Anreizkompatibilität ist Voraussetzung für die Existenz eines kollektiven subjektiven Grenzpreises. Bei Interessenkonflikten unterscheiden sich die subjektiven Grenzpreise. Der Grenzpreis für einen einzelnen Anteilseigner oder eine homogene Gruppe von Anteilseignern stimmt dann allenfalls zufällig mit dem Marktwert eines Bewertungsobjekts überein. Bisher wurde nur am Rande gezeigt, welche konkreten Konsequenzen sich aus den Darstellungen für die Bewertung ergeben. Damit befasst sich das vorliegende Kapitel. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit wird von einem potenziellen Kauf des Bewertungsobjekts ausgegangen. Theoretische Grundlagen sind der SPA und das CAPM, wobei vor allem Konflikte zwischen Anteilseignern oder (was eng damit zusammenhängt) zwischen subjektiver Nutzenmaximierung und Marktwertmaximierung bei Existenz von privaten Risiken und beschränkten Leerverkäufen gezeigt werden. In Abschnitt 2 werden am Beispiel eines ganzen Unternehmens Bewertungsprobleme für unterschiedliche Kapitalmarktzusammenhänge diskutiert. Es wird gezeigt, dass bei pareto-effizienter Risikoteilung der Unternehmenswert als Marktwert ermittelt werden kann. In diesem Fall kann aber bei homogenen Erwartungen über die Überschüsse nur bei Restriktions- und Erfolgsverbund eine Übertragung des Unternehmens vom Verkäufer auf den Käufer nutzensteigernd sein. In Abschnitt 3 wird untersucht, welche Bedeutung private (Hintergrund-)Risiken und Leerverkäufe für den SPA und das CAPM haben und welche Konflikte zwischen den Anteilseignern aus privaten Risiken und beschränkten Leerverkaufsmöglichkeiten resultieren können. Da im Konfliktfall kein kollektiver subjektiver Grenzpreis existiert, kann der Marktwert allenfalls für eine bestimmte Gruppe von Anteilseignern als subjektiver Grenzpreis relevant sein. Subjektive Grenzpreise als Preisobergrenze werden häufig abgelehnt, weil sie im Gegensatz zu Marktwerten nicht intersubjektiv überprüfbar seien. Aber auch virtuelle Marktwerte lassen sich nicht „objektiv“ richtig ermitteln. Wie in Abschnitt 4 gezeigt wird, sind auch bei ihrer Ermittlung subjektive Ermessensentscheidungen geboten, so dass auch hier eine Objektivierung nur in engen Grenzen möglich ist.

268

Kapitel VII

Im Vordergrund der folgenden Darstellungen steht die Ermittlung virtueller Marktwerte. Es bleibt offen, wie Anteilseigner über die Entscheidungen informiert werden sollen und wie der Marktwert der Aktien des Unternehmens (kurzfristig) auf die Investitionsentscheidungen reagiert.

2

Der kollektive subjektive Grenzpreis eines Unternehmens

2.1

Kauf eines börsennotierten Unternehmens

Im Folgenden sollen Implikationen kapitalmarkttheoretischer Zusammenhänge für die Bewertung eines ganzen Unternehmens U aus Sicht eines börsennotierten Unternehmens n untersucht werden. Das Bewertungsobjekt U biete zum Zeitpunkt 1 den Über~ schuss Ü1 . Zunächst wird davon ausgegangen, er sei unabhängig davon, ob es gekauft wird oder nicht. ~ Ist das Unternehmen U börsennotiert, ist dessen Marktwert M 0 ( Ü1 ) bereits ge~ geben, wobei der Überschuss Ü1 mit der Ausschüttung zum Zeitpunkt 1 übereinstimmt. Im SPA gilt: (VII.1)

~ M 0 ( Ü1 )

S

¦ S s ˜ Ü1s s 1

und im CAPM: (VII.2)

~ M 0 ( Ü1 )

~ ~ E(~rG )  r ˜ Kov( Ü1 ; ~rG )] (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 )  ~ Var ( rG ) ~ (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 ) 

~ ~ RPG ˜ Kov( Ü1 ; M1G )] . ~ Var (M1G ) MR

Wenn das Unternehmen U bei gegebenen Investitionsprogrammen vom Unternehmen n mit dem bisherigen Marktwert der Aktien M0n gekauft wird, ergibt sich ohne Berücksichtigung des Kaufpreises als Marktwert des Unternehmens n: (VII.3)

M 0neu n

~ M 0 n  M 0 ( Ü1 ) .

Der Marktwert ergibt sich also additiv aus beiden Marktwerten. Wenn das Unternehmen ~ n für die Übernahme des Unternehmens U den Marktwert M 0 ( Ü1 ) an die Anteilseigner des Unternehmens U zahlt, ändert sich sein Marktwert nicht ( M 0neu M 0n ). Ein n Marktwertzuwachs kann dann nur in Verbindung mit zusätzlichen Investitionen erzielt werden.

269

Kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte im Vergleich

Da im Gleichgewicht des CAPM alle Anteilseigner einen Anteil am Marktportefeuille halten, gibt es in diesem Modell keinen kritischen Preis, von dem an die Übernahme des börsennotierten Unternehmens U durch das Unternehmen n für sie nachteilig wird. ~ Wenn das Unternehmen n einen höheren Preis als den Marktwert M 0 ( Ü1 ) zahlt, sinkt zwar sein Marktwert M0n. Trotzdem entsteht für die Anteilseigner des Unternehmens n kein Nachteil. Der Kaufpreis fließt ihnen als Erlös für den Verkauf ihrer Anteile am Unternehmen U in dem gleichen Verhältnis zu, mit dem sie am Unternehmen n beteiligt sind. Der Vorgang kann interpretiert werden als Kauf des Unternehmens U zum Markt~ wert M 0 ( Ü1 ) bei simultaner Erhöhung der Ausschüttung des Unternehmens n zum Zeitpunkt 0 in Höhe der Differenz aus der tatsächlichen Anschaffungsauszahlung und ~ Marktwert M 0 ( Ü1 ) . Im Rahmen des SPA können dagegen die Portefeuillestrukturen der Anteilseigner sehr verschieden sein. Bei Kauf des Unternehmens U zu einem höheren Preis als ~ M 0 ( Ü1 ) ergibt sich für diejenigen Anteilseigner ein Nachteil, die relativ stark am Unternehmen n und wenig am Unternehmen U beteiligt sind; sie erzielen keinen kompensierenden Vorteil aus dem Verkauf ihrer Anteile am Unternehmen U.

2.2

Potenzieller Kauf eines nicht börsennotierten Unternehmens

2.2.1

CAPM als Bewertungsgrundlage

Ist das Unternehmen U nicht börsennotiert (und auch nicht Teil eines börsennotierten Unternehmens), wird es bei Kauf durch das börsennotierte Unternehmen n neuer Bestandteil des Marktportefeuilles. Zur Erläuterung von Implikationen gehen wir zunächst davon aus, dass das Unternehmen U einem privaten Eigentümer gehört, der keine Wertpapiere hält und somit auch nicht Anteilseigner des Unternehmens n ist. Die Annahme, dass er keine Wertpapiere hält, impliziert, dass er den Unternehmensüberschuss nicht privat gehedgt hat. Unter den Voraussetzungen der NE-Variante des CAPM steigt dann mit dem Kauf analog zu (VI.29) (Kapitel VI, Abschnitt 4.1) der Nutzenerwartungswert jedes Anteilseigners des Unternehmens n, wenn für die Anschaffungskosten A0 des Unternehmens U gilt. (VII.4)

~ ~ ~ ~ MR E( Ü1 )  (1  r ) ˜ A 0 ! ˜ [Var( Ü1 )  2 ˜ Kov( Ü1 ; M1G )] 2 (mit MR {

RPG ). ~ Var(M1G )

Voraussetzung ist, dass sich der Kapitalmarkt im Gleichgewicht befindet. Entsprechend gilt für den ~ Grenzpreis GPN( Ü1 ) beim Ziel kollektiver Nutzenmaximierung, bei dem der Kauf des Unternehmens U für die Anteilseigner des Unternehmens n weder vorteilhaft noch nachteilig ist:

270

Kapitel VII

(VII.5)

 )  (1  r) ˜ GP (Ü  E(Ü 1 N 1)

1  )  Kov(Ü  ;M  MR ˜ [ ˜ Var(Ü 1 1 1G )] 2

oder (VII.6)  ) (1  r)1 ˜{E(Ü  )  MR ˜ [ 1 ˜ Var(Ü  )  Kov(Ü  ;M  GPN (Ü 1 1 1 1 1G )]} . 2 Unter dem Ziel der Maximierung des Marktwertes des Unternehmens n ergibt ~ ~ sich ein anderer Grenzpreis, GPM ( Ü1 ) { M 0 ( Ü1 ) .

Bei exakter Marktbewertung wird analog zu den Darstellungen in Kapitel VI, Abschnitt 3.1.1.1, berücksichtigt, dass sich mit dem Kauf des Unternehmens U der Endwert des ~ ~ Marktportefeuilles um den Überschuss Ü1 dieses Unternehmens ändert (aus M1G wird ~ ~ M1G  Ü1 ). Gemäß (VI.8) (Kapitel VI, Abschnitt 3.1.1.1) steigt bei Kauf der Marktwert des Unternehmens n, wenn für die Anschaffungsauszahlung A0 gilt: (VII.7)  )  (1  r) ˜ A ! E(Ü 1 0

 )  2 ˜ Kov(Ü  ;M  ;M  )  Kov(Ü   MR ˜ [Var(Ü 1 1 1n 1 1G  M1n )]     )  Kov(Ü ; M  )] . MR ˜ [Var(Ü )  Kov(Ü ; M 1

1

1n

1

1G

Hieraus folgt für den ~ Grenzpreis GPM ( Ü1 ) , bei dem der Kauf des Unternehmens U beim Ziel der Maximierung des Marktwertes der Aktien des Unternehmens n weder vorteilhaft noch nachteilig ist:

(VII.8)  ) (1  r) 1 ˜ { E(Ü  )  MR ˜ [Var(Ü  )  Kov(Ü  ;M    GPM (Ü 1 1 1 1 1n )  Kov(Ü1; M1G )]}. In Verbindung mit (VII.6) folgt: (VII.9)

 )  GP (Ü  GPM (Ü 1 N 1)

1  )  Kov(Ü  ;M  (1  r)1 ˜ MR ˜ [ ˜ Var(Ü 1 1 1n )] . 2

Für ~ ~ ~ ~ ~ ~ 1 1 ˜ Var( Ü1 )  Kov( Ü1 ; M1n ) ! 0 bzw. Kov( Ü1 ; M1n ) !  ˜ Var ( Ü1 ) 2 2 ist der Grenzpreis bei Marktwertmaximierung niedriger als bei Nutzenmaximierung; es ist möglich, dass das Unternehmen U bei Marktwertmaximierung nicht erworben wird, obwohl bei Kauf der Nutzenerwartungswert aller Anteilseigner des

Kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte im Vergleich

271

~ ~ ~ Unternehmens n steigen würde. Für Kov( Ü1 ; M1n )  (1 / 2) ˜ Var ( Ü1 ) gilt ~ ~ GPM ( Ü1 )  GPN ( Ü1 ) ; es ist möglich, dass das Unternehmen U bei Marktwertmaximierung gekauft wird, obwohl die Nutzenerwartungswerte aller Anteilseigner des Unternehmens n sinken.

Wird der Marktwert des Unternehmens vereinfachend gemäß den Bewertungsfunktio~  den Endwert M nen des Status quo ermittelt, d.h. nicht berücksichtigt, dass Ü 1G ver1 ändert, ergibt sich bei Marktwertmaximierung als Grenzpreis: * ~ GPM ( Ü1 )

(VII.10)

~ ~ ~ (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 )  MR ˜ Kov( Ü1 ; M1G )] .

In Verbindung mit (VII.6) folgt: (VII.11)

*   ) (1  r)1 ˜ MR ˜ 1 ˜ Var(Ü  ) !0. GPM (Ü1 )  GPN (Ü 1 1 2

Der Grenzpreis bei vereinfachter Marktbewertung ist höher als der kollektive subjektive Grenzpreis. Es ist möglich, dass das Unternehmen bei Marktwertmaximierung gekauft wird und damit die Nutzenerwartungswerte sinken. Der Fehlerterm (VII.11), dessen Betrag niedriger aber auch höher sein kann als der in (VII.9), mag zwar gering sein. Ande~ rerseits kann er einfach ermittelt oder geschätzt werden. GPN ( Ü1 ) kann bestimmt wer* gemäß (VII.10) (oder mit einem risikoangepassten den, indem der Grenzpreis GPM  ) subtrahiert wird. Zinssatz) ermittelt und hiervon (1  r)1 ˜ MR ˜ 1 ˜ Var(Ü 1 2

2.2.2

SPA als Bewertungsgrundlage

Bei der Bewertung auf der Basis des SPA mit unveränderlichen Preisen Ss für zustandsbedingte Zahlungsansprüche gilt für den Grenzpreis des Unternehmens U: ~ (VII.12) GPN ( Ü1 )

~ GPM ( Ü1 )

S

¦ Ss ˜ Ü1s . s 1

Der Marktwert des Unternehmens U ist im SPA der kollektive subjektive Grenzpreis, bis zu dem bei Kauf dieses Unternehmens simultan mit dem Marktwert des Unternehmens n auch der Erwartungsnutzen aller Anteilseigner des Unternehmens n steigt. Ist der Markt (anders als im SPA) zwar nicht vollständig, kann der Überschuss ~ Ü1 jedoch trotzdem dupliziert werden, ist der Grenzpreis ebenfalls gleich dem Marktwert des Überschusses (dem Marktwert seines Duplikationsportefeuilles). Die Kompatibilität von Marktwertmaximierung und subjektiver Nutzenmaximierung wurde in Kapitel V, Abschnitt 4, mit der Annahme unveränderlicher Grenznutzenwerte

272

Kapitel VII

der Anteilseigner begründet. Das bedeutet im vorliegenden Fall: Der Kauf des Unternehmens U bewirkt keinen Handel mit Wertpapieren. Wenn der Kaufpreis niedriger ist ~ als der Marktwert des Überschusses Ü1 steigt direkt der Erwartungsnutzen jedes Anteilseigners; ein Handel mit Wertpapieren, um das Risiko zu hedgen, wird nicht ausgelöst.

2.2.3

Bewertung eines Unternehmens, dessen Inhaber das Risiko durch private Kapitalmarkttransaktionen optimal gehedgt hat

In den Abschnitten 2.2.1 und 2.2.2 wurde davon ausgegangen, dass der private Eigentümer des Unternehmens U nicht Investor auf dem Kapitalmarkt ist. Bei Kauf des Unternehmens durch das börsennotierte Unternehmen n wird es neu in den Kapitalmarktzusammenhang aufgenommen, so dass die Anteilseigner ein zusätzliches Risiko tragen. Wenn aber der Eigentümer des Unternehmens U das Risiko gehedgt hat, ist dieses Unternehmen in gewissem Umfang bereits „börsengehandelt“, so dass es bei Kauf durch das Unternehmen n nicht völlig neu in den Kapitalmarkt aufgenommen wird. Zum Beispiel haben Leerverkäufe im Rahmen seiner Hedgemaßnahmen dieselbe Wir~ kung, wie wenn er bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über Ü1 entsprechende Wertpapiere kreiert, die Ansprüche darauf verbriefen, und diese auf dem Kapitalmarkt verkauft. ~ Wenn der Überschuss Ü1 duplizierbar ist, Leerverkäufe unbeschränkt möglich sind und der Eigentümer des Unternehmens U durch Handel mit umlaufenden Papieren den ~ Überschuss Ü1 optimal gehedgt bzw. mit den Anteilseignern pareto-effizient geteilt hat, folgt (sofern die Anteilseigner und der Eigentümer des Unternehmens U homogene ~ Erwartungen hinsichtlich Ü1 haben): Wird das Unternehmen U bei gegebener Wahr~ scheinlichkeitsverteilung über Ü1 von dem börsennotierten Unternehmen n zum Marktwert (des Duplikationsportefeuilles) gekauft, erzielt bei gegebenem Überschuss niemand einen Vorteil oder einen Nachteil. Da sich das gesamte Endvermögen nicht ändert und außerdem das Risiko vor und nach Kauf des Unternehmens in gleicher Weise geteilt werden kann, ändern sich aufgrund entsprechender Kapitalmarkttransaktionen auch nicht die individuellen zustandsabhängigen Endvermögens- und Grenznutzenwerte; mit dem Unternehmenskauf wird nun keiner Gruppe von Investoren ein zusätzliches Risiko aufgebürdet. Wertpapierhandel bewirkt, dass jeder dieselbe Risikoposition hält wie vor Kauf. Dass sich bei Kauf die individuellen Grenznutzenwerte nicht ändern, muss dann nicht angenommen werden. Die Annahme unveränderlicher Grenznutzenwerte wird jedoch dann wieder für die Begründung der Kompatibilität von Marktwert- und subjektiver Nutzenmaximierung relevant, wenn bei dem Unternehmenskauf zusätzliche Investitionen durchgeführt werden, die neu in den Kapitalmarktzusammenhang eintreten. Wenn Risiken über Kapitalmarkttransaktionen pareto-effizient geteilt werden können, ist sowohl aus Sicht eines (potenziellen) Käufers als auch aus Sicht eines (potenziellen) Verkäufers der Unternehmenswert als virtuellen Marktwert zu ermitteln. Da dann die Bewertung nicht explizit mit optimalen Hedgemaßnahmen abgestimmt werden

Kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte im Vergleich

273

muss, ist sie zwar relativ einfach, jedoch gibt es keinen Grund, das Unternehmen zu übertragen, wenn für Käufer und Verkäufer der Wert ohnehin identisch ist. Wenn der Kapitalmarkt es ermöglicht, das Risiko pareto-effizient zu teilen, kann (bei homogenen Erwartungen) eine Übertragung nur dann Vorteile mit sich bringen, wenn hierdurch aufgrund von Restriktions- und/oder Erfolgsverbund (durch „Synergieeffekte“) im Unternehmen n zusätzliche Kapitalwerte generiert werden können; Risiko- und Bewertungsverbund sind irrelevant. In der Praxis können jedoch gerade Fragen der besseren Risikoteilung im Vordergrund stehen, wenn erwogen wird ein Unternehmen zu transferieren.

3

Bedeutung von privaten Risiken und Leerverkäufen für die Bewertung

3.1

Vollständiger Kapitalmarkt und unbeschränkter Leerverkauf

Erzielen die Investoren auf dem Kapitalmarkt neben den Wertpapieren riskante private Überschüsse (etwa aus selbständiger oder unselbständiger Arbeit, privatem Hausbesitz und/oder anderen Vermögenswerten), sind diese grundsätzlich bei der Portefeuilleplanung zu erfassen. Zur Erläuterung der Implikationen privater Risiken gehen wir davon aus, dass bisher keine privaten Überschüsse existieren, und fragen nach Anpassungen auf dem Kapitalmarkt, wenn nicht antizipierte private Überschüsse anfallen. Werden diese durch zusätzliche Wertpapiere verbrieft und auf dem Kapitalmarkt gehandelt, lassen sich deren Preise und die der alten Papiere im neuen Gleichgewicht in gleicher Weise erklären wie die Preise der alten Papiere im alten Gleichgewicht. Im SPA sind für die neue Bewertung die neuen Preise Ss für zustandsbedingte Zahlungsansprüche relevant, im CAPM u.a. die Kovarianzen der Endwerte der Papiere mit dem Endwert des neuen Marktportefeuilles. Dieser unterscheidet sich vom Endwert des bisherigen Marktportefeuilles um den Endwert der neuen Papiere, der mit der Summe aller privaten Überschüsse übereinstimmt. Der explizite Verkauf privater Überschüsse durch Emission neuer Papiere wird jedoch grundsätzlich daran scheitern, dass diese Überschüsse nicht oder nur zu prohibitiv hohen Kosten verifizierbar sind und/oder die Emittenten nicht mehr motiviert sind, sie zu erzielen (Moral Hazard). Abgesehen davon kann die private Emission neuer Papiere (zu) hohe Kosten verursachen. Ist der Kapitalmarkt mit den bereits umlaufenden Papieren auch unter Berücksichtigung der privaten Überschüsse vollständig1 und sind Leerverkäufe unbeschränkt möglich, ist der explizite Verkauf der privaten Überschüsse allerdings gar nicht erforderlich. Diese Überschüsse sind dann mit bereits umlaufenden Papieren duplizierbar, so dass sie über Kauf und (Leer-)Verkauf solcher Papiere gehandelt werden können; es existieren auch ohne Emission neuer Papiere ideale Bedingungen der Risikotransformation.

1

Es ist zu beachten, dass sich aufgrund der zusätzlichen privaten Überschüsse die Menge der möglichen Zustände erweitern kann.

274

Kapitel VII

Der private Überschuss eines Investors kann zum Zeitpunkt 0 „verkauft“ werden, indem sein Duplikationsportefeuille leerverkauft wird. Wenn der Investor die betreffenden Papiere bereits in seinem Portefeuille hält, kann er natürlich auch einen „normalen“ Verkauf vornehmen; Leerverkauf gewinnt erst Bedeutung, wenn von einem Papier im Duplikationsportefeuille mehr Einheiten enthalten sind als der Investor bereits besitzt. Jedoch kann ohne Einschränkung der Allgemeinheit vereinfachend davon ausgegangen werden, dass in jedem Fall das Duplikationsportefeuille leerverkauft wird. Am Ende der Periode kann der Investor mit seinem privaten Überschuss dieses Portefeuille am Kapitalmarkt (zurück-)kaufen und dem Käufer (oder Verleiher) liefern. Der Investor erzielt dann zum Zeitpunkt 0 denselben Erlös und zum Zeitpunkt 1 dasselbe Endvermögen wie für den Fall, dass er privat Wertpapiere emittiert, die einen Anspruch auf den privaten Überschuss verbriefen. Der (Leer-)Verkauf des Duplikationsportefeuilles führt zu derselben Risikoallokation wie die Neuemission der betreffenden Papiere. Bei Leerverkauf tritt an die Stelle des Marktwertes der nicht emittierten Papiere der Marktwert der leerverkauften Papiere. Voraussetzung ist allerdings, dass die privaten Überschüsse unabhängig davon sind, ob das Duplikationsportefeuille leerverkauft wird oder neue Papiere emittiert werden und die Käufer der neuen Papiere die gleichen Erwartungen über die privaten Überschüsse haben wie die Emittenten. Im CAPM sind annahmegemäß private Überschüsse von den Endwerten der umlaufenden Papiere stochastisch unabhängig, so dass sie nicht mit solchen Papieren dupliziert werden können. Mit der Annahme der Duplizierbarkeit wird somit streng genommen der Rahmen des CAPM gesprengt. Haben alle Investoren auf dem Kapitalmarkt homogene Erwartungen sowohl über die Endwerte der umlaufenden Papiere als auch über die privaten Überschüsse und orientieren sie sich wiederum am (P,V)-Prinzip, sprechen wir unter Berücksichtigung der privaten stochastisch abhängigen Überschüsse von einem „erweiterten“ CAPM. Wie bei explizitem Handel mit Zahlungsansprüchen auf die privaten Überschüsse durch Emission neuer Papiere sind in diesem Modell die Investoren im neuen Kapitalmarktgleichgewicht unter Berücksichtigung von Duplikation und Leerverkäufen proportional am End~ ~ ~ vermögen M1G  GÜ1 beteiligt, wobei GÜ1 die Summe aller privaten Überschüsse be zeichnet. Entsprechend ergeben sich im erweiterten CAPM die Marktwerte M 0n ~ ~ Kov(M1n ; M1G ) , sondern den Kovarian(n = 1,2,…,N) nicht gemäß den Kovarianzen ~ ~ ~ zen Kov(M1n ; M1G  GÜ1 ) . Natürlich ist es schwierig, bei der Schätzung der bewertungsrelevanten Kovarianzen private Risiken zu erfassen. Diese im Sinne einer Objektivierung generell zu vernachlässigen, ist aber auch nicht zielführend. Wie in Abschnitt 4.2 erläutert wird, werden in der Praxis die risikoangepassten Zinssätze zur Bewertung von Wertpapieren ausschließlich unter Berücksichtigung von Wertpapierrisiken empirisch ermittelt. Dieses Verfahren ist allenfalls dann sinnvoll, wenn nur wenige Investoren existieren, die ihre Portefeuilles mit privaten Risiken abgestimmt haben, so dass ihr Einfluss auf die Wertpapierpreise vernachlässigbar ist. In dem durch private Überschüsse erweiterten CAPM besteht grundsätzlich keine strenge Anreizkompatibilität für ein Unternehmen n. Zwar wird im Kapitalmarktgleich~ ~ gewicht das Endvermögen M1G  GÜ1 linear und damit z.B. bei quadratischen oder

Kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte im Vergleich

275

exponentiellen Nutzenfunktionen auch pareto-effizient geteilt, jedoch ist die betreffende Teilungsregel aufgrund des Hedgens privater Überschüsse mit umlaufenden Papieren grundsätzlich nicht zugleich für den Erfolg des Unternehmens n (bzw. die Erfolge hierin durchgeführter neuer Projekte) maßgeblich,2 so dass die Bedingung der strengen Anreizkompatibilität verletzt ist. Da dann zwischen den Anteilseignern Konflikte bezüglich neuer Projekte bestehen, können für sie keine kollektiven subjektiven Grenzpreise existieren. Konflikte können insbesondere dann auftreten, wenn es optimal ist, die privaten Risiken derart zu hedgen, dass ein Teil der Anteilseigner des Unternehmens n Leerverkäufe von Aktien dieses Unternehmens vorgenommen haben, die größer sind als die Bestände, die sie von diesen Unternehmen besitzen. Solche Leerverkäufe ermöglichen zwar im vollständigen Kapitalmarkt pareto-effiziente Risikoteilung. Jedoch besteht dann keine proportionale Erfolgsteilung zwischen allen Anteilseignern des Unternehmens n, so dass trotzdem keine partielle Anreizkompatibilität bestehen kann.

3.2

Unvollständiger Kapitalmarkt und beschränkter Leerverkauf

Ist der Kapitalmarkt unter Berücksichtigung der privaten Überschüsse unvollständig, ist es allenfalls zufällig möglich, diese Überschüsse durch bereits umlaufende Papiere zu duplizieren. (Die Emission neuer Papiere könnte hier die Risikoallokation verbessern.) Dies gilt nicht nur für die private Emission durch die Investoren, sondern auch für die Emission durch Unternehmen. Die Hedgemöglichkeiten verbessern sich z.B. dann, wenn die Aktien eines einzelnen Unternehmens eingezogen und an deren Stelle neue Wertpapiertypen mit linear unabhängigen Endwerten emittiert werden. Die Implikationen einer Unvollständigkeit des Kapitalmarktes hängen von den stochastischen Beziehungen zwischen den Endwerten der umlaufenden Papiere und den privaten Überschüssen ab. Bei stochastischer Unabhängigkeit können die privaten Überschüsse überhaupt nicht gehedgt werden. Bei homogenen Erwartungen über diese Endwerte und Orientierung am (P,V)-Prinzip hält dann jeder Investor einen Anteil am Marktportefeuille; Leerverkäufe sind irrelevant.3 Im Rahmen der BQ- und der NE-Variante des CAPM besteht aufgrund stochasti~ scher Unabhängigkeit zwischen den Endwerten P1n und den privaten Überschüssen Einmütigkeit zwischen den Anteilseignern, wobei der kollektive subjektive Grenzwert eines Bewertungsobjekts näherungsweise mit seinem Marktwert übereinstimmt. Bei sto~ chastischen Abhängigkeiten zwischen Endwerten P1n und den privaten Überschüssen sind die Portefeuilles an die privaten Risiken anzupassen (Kapitel IX und X). Die Portefeuillestrukturen der Investoren unterscheiden sich dann, so dass kein kollektiver subjektiver Grenzpreis existiert (Kapitel XI und XII).

2

3

~

  GÜ stimmt allenfalls zufällig mit seinem Anteil an Der Anteil eines Investors am Endwert M 1G 1 den Aktien des Unternehmens n überein. Jedoch können private Überschüsse (private Risiken) einen Einfluss auf die individuellen Anteile sowie den Marktpreis des Risikos und die Gleichgewichtspreise P0n haben.

276

Kapitel VII

Die zu Konflikten führenden Bewertungsunterschiede bei neuen Projekten resultieren vor allem aus Unterschieden in den Korellationskoeffizienten zwischen den Projektüberschüssen und den Endvermögenswerten der Anteilseigner, d.h. den privaten Überschüssen zuzüglich der Endwerte der Portefeuilles, mit denen sie die privaten Überschüsse hedgen. Vom Standpunkt eines Anteilseigners z.B., der privat ein Untenehmen besitzt und relativ wenig Wertpapiere hält, sind die Kovarianzen zwischen den Projektüberschüssen und dem Unternehmensüberschuss in besonderem Maße bewertungsrelevant (Kapitel XI, XII und XV). Für Anteilseigner mit relativ geringen privaten Überschüssen und breit gestreuten Portefeuilles sind primär die Kovarianzen mit diesen Portefeuilles relevant; aus ihrer Sicht ist es naheliegend, gemäß den Bewertungsfunktionen des CAPM über neue Projekte zu entscheiden. Sind Leerverkäufe ausgeschlossen oder eingeschränkt, wird selbst~im vollständigen ~ Kapitalmarkt mit universeller Duplizierbarkeit das aus M1G und GÜ1 resultierende Gesamtrisiko nicht pareto-effizient geteilt. Es besteht dann weder strenge noch partielle Anreizkompatibilität und somit auch kein kollektiver subjektiver Grenzpreis. Je mehr sich die individuellen subjektiven Grenzpreise unterscheiden, desto größer ist der Konfliktbereich zwischen den Anteilseignern bezüglich neuer Projekte. Der Konfliktbereich wird tendenziell verstärkt, wenn auch die Duplikationsmöglichkeiten der privaten (exogenen) Überschüsse beschränkt sind. In den Kapiteln IX und X wird gezeigt, welche Eigenschaften ein mit einem exogenen (privaten) Überschuss abgestimmtes Portefeuille für alternative Duplikations- und Leerverkaufsmöglichkeiten in Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeitsverteilung des Überschusses und der Risikoeinstellung eines Investors hat. Darauf aufbauend wird in Kapitel XII untersucht, welche Höhe der subjektive Grenzpreis eines im Unternehmen n realisierbaren Bewertungsobjekts für einen Anteilseigner dieses Unternehmens hat, der zugleich privat Eigentümer eines Unternehmens ist. Es wird gezeigt, dass dieser Grenzpreis erheblich vom Marktwert abweichen kann. Noch problematischer erweist sich der Marktwert als Grenzpreis für den Fall, dass ein Investor ein ganzes Bewertungsobjekt privat ohne Risikoteilung mit anderen Investoren zu kaufen erwägt.

4

Subjektive Ermessensentscheidungen bei der Ermittlung von virtuellen Marktwerten

4.1

Prognose der Überschüsse

Subjektive Grenzpreise werden häufig mit dem Argument abgelehnt, dass sie nicht intersubjektiv überprüfbar seien, und für die Orientierung an Marktwerten plädiert. Wenn jedoch ein Bewertungsobjekt nicht bereits explizit am Markt gehandelt wird (weil es völlig neu ist oder von einem privaten Eigentümer zum Kauf angeboten wird) existiert hierfür gar kein realer Marktwert. Bewertungsrelevant zum Zeitpunkt der Entscheidung ist dann allenfalls der virtuelle Marktwert im Licht der Informationen und Schlussfolgerungen des potenziellen Käufers. Auch der virtuelle Marktwert ist subjektiv. Andere Bewerter mögen aufgrund anderer Informationen und/oder anderer Schlussfolgerungen

Kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte im Vergleich

277

aus denselben Informationen dem Bewertungsobjekt einen anderen Marktwert beimessen. Abgesehen davon werden sich Wertänderungen grundsätzlich auch daraus ergeben, dass bei dessen Kauf aufgrund veränderter Pläne (z.B. weil es in ein kaufendes Unternehmen integriert wird) neue Risikoklassen von Überschüssen relevant werden. Marktbewertungsfunktionen bringen zwar zum Ausdruck, wie die Bewertung im Prinzip vorgenommen werden kann. Es bestehen jedoch weite Ermessensspielräume bei ihrer konkreten Anwendung; virtuelle Marktwerte sind (im Gegensatz zu realen) keine objektiven Größen. In der Praxis werden im Allgemeinen die zukünftigen erwarteten Cashflows eines Unternehmens als Bewertungsobjekt auf der Basis historischer Daten in Verbindung mit der Unternehmensplanung geschätzt.4 Oft werden z.B. die Jahresabschlüsse der letzten fünf Jahre betrachtet und diese um außergewöhnliche Ereignisse (wie Feuer oder Gerichtsverfahren) bereinigt. Vergangenheitsdaten haben jedoch für die Bewertung eines Unternehmens geringe Bedeutung, wenn mit dessen Kauf das Ziel verfolgt wird, die Unternehmensstrategie grundlegend zu ändern. Bei der Bewertung von ganzen Unternehmen, von Investitionsprogrammen oder von einzelnen Investitionsprojekten auf der Basis von Sicherheitsäquivalenten oder eines risikoangepassten Zinssatzes genügt es nicht, nur die Erwartungswerte der betreffenden Überschüsse zu schätzen. Auch deren Risikostruktur ist zu beurteilen, um die Sicherheitsäquivalente oder den risikoangepassten Zinssatz ermitteln zu können. Im Fall divergierender Risikostrukturen müsste bei der Investitionsplanung und möglicherweise auch bei der Unternehmensbewertung ein risikoangepasster Zinssatz projektspezifisch oder zumindest spezifisch für verschiedene Unternehmensbereiche ermittelt werden. In der Literatur zur Unternehmensbewertung und in der Praxis wird der Ermittlung eines risikoangepassten Kalkulationszinsfußes erheblich mehr Beachtung gewidmet als der Prognose der zukünftigen Überschüsse. Jedoch können Prognosefehler wesentlich stärker den ermittelten Wert verfälschen als Fehler bei der Schätzung des Kalkulationszinsfußes. Oft werden die stochastischen Überschüsse (bzw. ihre Erwartungswerte) als gegeben angenommen und nur noch der zugehörige risikoangepasste Kalkulationszinsfuß untersucht. Da dieser aber von der Risikostruktur der Überschüsse abhängt, wird die Qualität seiner Ermittlung wesentlich durch die Qualität der Schätzung der möglichen Überschüsse bzw. ihrer Risikostruktur bestimmt. Wird der Kalkulationszinsfuß auf der Basis eines ß-Faktors ermittelt, der aus vergangenen Kursentwicklungen resultiert, wird das Problem der Prognose grundsätzlich nicht gelöst, sondern aufgelöst: Die Risikostrukturen der zukünftigen Überschüsse können erheblich von denen in der Vergangenheit abweichen. Die zukünftigen Überschüsse des Unternehmens oder eines Unternehmensbereichs hängen von den möglichen Umweltentwicklungen (Entwicklungen der relevanten Zustände) und den Maßnahmen ab, die jeweils ergriffen werden. Zukünftige Maßnahmen sind aber zum großen Teil allenfalls in Form von Globalplänen festgelegt, wodurch die Schätzung der zukünftigen Überschüsse erheblich erschwert wird. Darüber hinaus ist im 4

Vgl. IDW (2000, S. 18-21). Zur Planung und Prognose zukünftiger Zahlungsüberschüsse siehe BRETZKE (1975); ROLLBERG (2002); KUHNER/MALTRY (2006, S. 93-126); PENMAN (2007).

278

Kapitel VII

(Markt-)Wert des Unternehmens dasjenige Erfolgspotenzial zu erfassen, das aus Überschüssen solcher Projekte resultiert, die möglicherweise in Zukunft entdeckt oder „erfunden“ und in das Programm aufgenommen werden. Sowohl die Schätzung der Eintrittswahrscheinlichkeiten für alternative Umweltentwicklungen als auch die Schätzung der zugehörigen Überschüsse des Unternehmens ist subjektiv und daher nicht manipulationsfrei. Selbst die Prognose der Überschüsse eines konkreten Investitionsprojekts ist stark von Subjektivismen abhängig. Die Prognose zukünftiger Überschüsse eines Unternehmens beruht zwar im Allgemeinen auf den Ausprägungen beobachtbarer (Wert-) Indikatoren, wie z.B. von realisierten Überschüssen, Deckungsbeiträgen, Absatzmengen, Kundenstamm, Marktanteilen, Bekanntheitsgrad und Qualität der Produkte, technischer Stand der Produktionsanlagen und Kostenstrukturen. Aber die Rückschlüsse, die daraus gezogen werden, sind subjektiv; auch wenn verschiedene Personen dieselben Indikatoren zugrunde legen, können ihre Prognosen erheblich voneinander abweichen. Da die genauere Schätzung der zustandsabhängigen Überschüsse vor allem bei mehrperiodigem Planungszeitraum einen hohen Aufwand verursacht, stellt sich das Problem der Vereinfachung. Wie erläutert, wird im Shareholder Value-Ansatz im Allgemeinen vereinfachend davon ausgegangen, dass die verschiedenen Überschüsse des Leistungsbereichs eines Unternehmens derselben Risikoklasse angehören, so dass ein einheitlicher risikoangepasster Zinssatz maßgeblich ist. (Die Darstellungen gelten analog für den Fall, dass Unternehmensbereiche mit unterschiedlichen Risikoklassen und risikoangepassten Zinssätzen zugrunde gelegt werden.) Bei a priori gegebener Risikoklasse mit exogen vorgegebenem risikoangepasstem Zinssatz müssen die zukünftigen Projektüberschüsse nicht explizit zustandsabhängig prognostiziert werden. Es genügt, deren Erwartungswerte zu schätzen. Aber selbst hier können verschiedene Schätzer zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

4.2

Ermittlung des Kalkulationszinsfußes kn

Wie erläutert, wird beim Entity- oder Brutto-Ansatz der Marktwert eines Unternehmens im Allgemeinen ermittelt, indem die Überschüsse des Leistungsbereichs mit einem risikoangepassten (Markt-)Zinssatz diskontiert werden, hierzu der Marktwert des Finanzbereichs (vor Fremdkapital) sowie der mehr oder weniger pauschal ermittelte Marktwert des neutralen Bereichs addiert werden. Indem das Fremdkapital subtrahiert wird, erhält man den Marktwert der Aktien (den Marktwert des Eigenkapitals). Der grundlegende Vorteil der Diskontierung der erwarteten Überschüsse des Leistungsbereichs statt der erwarteten Ausschüttungen besteht darin, dass der für den Leistungsbereich maßgebliche Kalkulationszinsfuß unabhängig davon ist, welche Risiken für den neutralen Bereich und den Finanzbereich maßgeblich sind und wie zukünftige Überschüsse über Anlagen oder Aufnahmen von Kapital zum risikolosen Zinssatz und/oder andere Kapitalmarkttransaktionen in Ausschüttungen transformiert werden. Da diese Transformationen unter den getroffenen Voraussetzungen, die die Irrelevanz der Ausschüttungspolitik

Kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte im Vergleich

279

implizieren, den Marktwert der Aktien des Unternehmens nicht beeinflussen, müssen sie auch nicht explizit berücksichtigt werden. Dagegen wird beim Equity-Ansatz der Marktwert der Aktien direkt ermittelt, indem die zukünftigen erwarteten Ausschüttungen des Unternehmens mit einem risikoangepassten Kalkulationszinsfuß diskontiert werden. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die Risikostruktur des Ausschüttungsstromes nicht nur von den Risikostrukturen der Überschüsse des Leistungsbereichs, des Finanzbereichs und des neutralen Bereichs, sondern auch von der Ausschüttungspolitik abhängt. Entsprechend ist auch der Ausschüttungspolitik Rechnung zu tragen, um den risikoadäquaten Zinssatz schätzen zu können (Kapitel XIV). Grundsätzlich ist (insbesondere bei einheitlicher Risikoklasse der Überschüsse des Leistungsbereichs) der Equity-Ansatz komplexer und mithin anfälliger für Fehlbewertungen als der Entity-Ansatz. In der Praxis wird ein einheitlicher risikoangepasster Zinssatz kn für die Überschüsse des Leistungsbereichs im Allgemeinen als gewogener Durchschnitt aus dem „Eigenkapitalkostensatz“ k en { E( ~rn ) und dem „Fremdkapitalkostensatz“ r ermittelt, wobei sich beide Gewichte zu 1 addieren. Wenn die Gläubiger nicht am Erfolgsrisiko partizipieren (und Steuern wieder ausgeblendet werden), gilt:5

(VII.13) k n

M 0n FK 0n ˜ k en  ˜ r. M 0n  FK 0n M 0n  FK 0n

kn wird als durchschnittlicher gewogener Kapitalkostensatz für das Gesamtkapital (oder als Weighted Average Cost of Capital, kurz: WACC) bezeichnet. Bei Risikobeteiligung der Gläubiger ist nicht nur die „Renditeforderung“ der Anteilseigner, sondern auch die der Gläubiger durch einen risikoangepassten Zinssatz auszudrücken; dieser Zinssatz tritt dann an die Stelle des risikolosen, r. Wie erläutert, soll der für (VII.13) maßgebliche Eigenkapitalkostensatz k en { E(~rn ) in Anlehnung an das einperiodige CAPM gemäß (IV.45) oder (IV.46) (Kapitel IV, Abschnitt 5.4.1) ermittelt werden. Dabei wird im Sinne einer „Objektivierung“ empfohlen, sich bei der Schätzung der Risikoprämie E(~rG )  r und des Beta-Faktors En an Vergangenheitswerten für die Renditen rn und rG zu orientieren, insbesondere auch, um Nachprüfbarkeit zu gewährleisten und Ermessensmissbrauch oder unbewusste Fehler bei der 5

Jedoch ist die getrennte Erfassung der Eigenkapital- und Fremdkapitalkosten gerade aus steuerlichen Gesichtspunkten populär geworden. Unter Berücksichtigung von Ertragsteuern ist die Fremdfinanzierung in gewissem Umfang gegenüber der Eigenfinanzierung vorteilhaft. Dieser Vorteil wird in Literatur und Praxis oft in der Weise erfasst, dass der Fremdkapitalkostensatz mit einem Korrekturfaktor (1 – s) gewichtet und bei der Bewertung statt (VII.13) der folgende Kapitalkostensatz zugrunde gelegt wird: (VII.13a)

kn

M 0n FK 0n ˜ k en  ˜ (1  s) ˜ r . M 0n  FK 0n M 0n  FK 0n

Dabei bezeichnet s den Steuersatz. Da es in dieser Arbeit um die Fundierung allgemeiner theoretischer Grundzusammenhänge geht, sollen der Einfachheit halber steuerliche Aspekte vernachlässigt werden.

280

Kapitel VII

Unternehmensbewertung und der Investitionsplanung in engen Grenzen zu halten.6 So empfehlen z.B. COPELAND/KOLLER/MURRIN (1993, S. 210) „für US-amerikanische Unternehmen eine Risikoprämie von 5 bis 6 Prozent anzusetzen. Das ergibt sich aus dem langfristigen geometrischen Mittel der Risikoprämie für die Rendite der S&P 500Aktien im Vergleich zur Rendite langfristiger Staatsanleihen zwischen 1926 und 1988 [...]“. Bei börsennotierten Unternehmen soll man bei der Beta-Schätzung auf Schätzwerte von Finanzdienstleistern zurückgreifen, die im Allgemeinen auf Grund von Regressionsanalysen aus historischen Renditeentwicklungen der Aktien des Unternehmens und des Marktportefeuilles hergeleitet werden. Bei starken Abweichungen zwischen den Schätzwerten verschiedener Finanzdienstleister sollen Schätzwerte für Branchen-Betas zugrunde gelegt werden (COPELAND/KOLLER/MURRIN, 1993, S. 214; 1994, S. 264 f.).7 Bei der empirischen Ermittlung der Risikoprämie E(~rG )  r und des Beta-Faktors En aus Vergangenheitswerten ergibt sich das allgemeine Problem, dass das Marktportefeuille letztlich nicht beobachtbar ist und somit das CAPM streng genommen nicht empirisch überprüft werden kann (ROLL, 1977). Bei praktischer Ermittlung wird daher nicht von einem umfassenden „Marktportefeuille“ ausgegangen, sondern ein „repräsentativer“ Aktienindex (etwa der DAX) zugrunde gelegt. Dieses Konzept ist vor allem dann problematisch, wenn für die Bewertung von Risiken bzw. die Preisbildung auf dem Kapitalmarkt Hintergrundrisiken relevant sind; davon soll im Folgenden abgesehen werden. Es stellt sich allgemein das folgende statistische Grundproblem: Beruht das Zufallsexperiment „Ermittlung des Beta-Faktors“ nur auf wenigen Beobachtungen von Periodenrenditen, kann dieser Faktor stark durch Zufälligkeiten verzerrt werden. Je größer jedoch die Zahl der Beobachtungen und je größer damit der Zeitraum ist, für den das Zufallsexperiment durchgeführt wurde, desto eher ist zu erwarten, dass sich der Ursachenkomplex des Zufallsexperiments geändert hat und somit die Daten nicht mehr aktuell sind. Dann kann der Beta-Faktor, der früheren Renditen entspricht, generell kein geeignetes Maß für den der laufenden Periode sein.8 In vielen Entscheidungssituationen sind Handlungsalternativen und/oder Ereignisse relevant, die das erste Mal vorliegen oder gar einmalig sind. Zum Beispiel kann die Aufnahme neuer Produkte ins Produktionsprogramm oder der Kauf von Unternehmen Änderungen der Geschäftspolitik und der Risikostruktur der Überschüsse bewirken, die den Beta-Faktor stark verändern. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Bewertung eines ganzen Unternehmens insbesondere auch dazu dienen soll, grundle-

6

7

8

Zur empirischen Ermittlung von Beta-Faktoren mit Hilfe von Regressionsanalysen vgl. BREALEY/ MYERS (1991, S. 181 ff.). Für nichtbörsengehandelte Unternehmen oder für Unternehmen, die aus mehreren Geschäftsbereichen mit unterschiedlichen Risikostrukturen bestehen, stellt sich das Problem der Schätzung eines risikoangepassten Kalkulationszinsfußes als komplexer dar (COPELAND/KOLLER/MURRIN, 1994, S. 315-345). Zum Vorgehen bei der empirischen Ermittlung des Beta-Faktors in der Praxis vgl. auch TAETZNER (2000, S. 92 ff.). Zur Problematik der empirischen Ermittlung des Eigenkapitalkostensatzes auf Grund empirischer Erhebungen vgl. KRUSCHWITZ (1999, S. 203 ff.); SPREMANN (1991, S. 475-482); SCHMIDT/ TERBERGER (1997, S. 354); TAETZNER (2000, S. 127-136). Zu den Möglichkeiten und Grenzen einer Ermittlung von Eigenkapitalkostensätzen ohne Rückgriff auf historische Renditen und insbesondere zur zukunftsorientierten Schätzung des Beta-Faktors vgl. RAUSCH (2008, S. 104 ff.).

Kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte im Vergleich

281

gende Strategieänderungen zu fundieren und zu bewerten. Es besteht folgende Tendenz: Gerade dann, wenn Beta-Faktoren für die Bewertung besondere Bedeutung haben, können sie nicht aus Vergangenheitswerten abgeleitet werden. Der Aussagegehalt empirisch ermittelter Beta-Faktoren und Risikoprämien E(~rG )  r wird auch dadurch eingeschränkt, dass je nach der angewendeten Untersuchungsmethode sehr verschiedene Resultate erzielt werden können. So wurde in der Literatur gezeigt, dass die Vergangenheitswerte für E(~rG )  r relativ anfällig bezüglich der Betrachtungszeiträume, der Meßmethoden und der Mittelwertbildung sind (CARLETON/ LAKONISHOK, 1985; BALLWIESER, 1994, S. 1398; GEBHARDT/DASKE, 2004). Weitere Probleme ergeben sich für den Fall, dass Kapitalkosten für nicht börsennotierte Unternehmen oder für verschiedene Geschäftsbereiche eines börsennotierten Unternehmens mit unterschiedlichen Risikostrukturen ermittelt werden sollen, für die keine historischen Kurs- bzw. Renditeentwicklungen für die Regressionsschätzung gegeben sind (COPELAND/KOLLER/MURRIN, 1994, S. 315-345).9 „Eine Möglichkeit, in diesem Fall zu EFaktoren zu kommen, besteht darin, am Kapitalmarkt ein dem jeweiligen Geschäftsbereich vergleichbares Unternehmen zu finden, dessen Anteile gehandelt werden und für das mithin ein E-Faktor ermittelt werden kann. Ein Problem besteht freilich darin, entsprechende Vergleichsunternehmen zu finden. Selbst wenn Unternehmen vorhanden sein sollten, die eine ähnliche Struktur und Ausrichtung wie ein betrachteter Geschäftsbereich haben, so hängt deren E doch von deren konkreter „Mischung“ der Aktivitäten inklusive der im Unternehmen getätigten Kapitalmarktanlagen ab. Zur Messung operativer Risiken eines Geschäftsbereichs müssen streng genommen auch diese Aspekte herausgerechnet werden“ (EWERT/ WAGENHOFER, 2000, S. 34).10 Der Nachprüfbarkeit der Qualität von Investitionsentscheidungen (die „Objektivierung“ der Entscheidungen) durch Vergangenheitsorientierung sind schon bei einperiodigen Investitionen enge Grenzen gesetzt. Im Mehrperioden-Fall gilt dies in noch stärkerem Maße. Selbst wenn der empirisch ermittelte Kalkulationszinsfuß für die Bewertung im Einperioden-Fall geeignet ist, kann er für zukünftige Perioden äußerst problematisch sein. Wie in Kapitel XIV, Abschnitt 7.2, gezeigt wird, erfüllt ein risikoangepasster Kalkulationszinsfuß kn nur bei speziellen stochastischen Zusammenhängen zwischen dem Überschuss für den Zeitpunkt 1 und den nachfolgenden Überschüssen die Bedingung der „Periodeneinheitlichkeit“. Da nicht objektiv festgestellt werden kann, ob diese Zusammenhänge gegeben sind, besteht auch ein Ermessensspielraum darüber, ob der Zinssatz für den Einperioden-Fall auf den Mehrperioden-Fall übertragen werden darf oder ob Modifikationen vorgenommen werden sollen. Die objektive Bindung an einen ungeeigneten Kalkulationszinsfuß kann wesentlich problematischer sein als der Versuch, nicht nur bei der Prognose der zukünftigen Überschüsse, sondern auch bei der Ermittlung des Kalkulationszinsfußes subjektive Erfahrungen und Informationen einzubringen. Der Entscheider – oder seine Berater – sollte dann allerdings mit den bewer-

9

10

Zwar stimmt der Beta-Faktor für das ganze Unternehmen mit der gewichteten Summe der Beta-Werte für die verschiedenen Unternehmensbereiche überein. Trotzdem kann aus einem Unternehmens-Beta nicht auf Bereichs-Betas geschlossen werden, sofern keine einheitliche Risikoklasse maßgeblich ist. Vgl. auch FULLER/KERR (1981).

282

Kapitel VII

tungsrelevanten Grundlagen vertraut sein und nicht nur wissen, welche Finanzdienstleister preisgünstig Beta-Faktoren verkaufen.

4.3

Virtueller Marktwert des Bewertungsobjekts als Marktwert eines Duplikationsportefeuilles

Auch die Ermittlung des virtuellen Marktwerts eines Bewertungsobjekts als Marktwert seines Duplikationsportefeuilles ist grundsätzlich nicht frei von Ermessensentscheidungen. Damit überhaupt ein Duplikationsportefeuille bestimmt werden kann, muss man sich zunächst wieder ein fundiertes Urteil über die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der zukünftigen Überschüsse des Bewertungsobjekts bilden. Hierbei sind analoge Ermessensentscheidungen zu treffen wie für den Fall, dass der virtuelle Marktwert durch Diskontierung der Erwartungswerte mit einem risikoangepassten Zinssatz ermittelt wird. An die Stelle von Ermessensentscheidungen bei der Schätzung dieses Zinssatzes treten nun Ermessensentscheidungen bei der Ermittlung des Duplikationsportefeuilles. Um überhaupt beurteilen zu können, welche Papiere für das Duplikationsportefeuille in Betracht kommen, muss man analog zu den Überschüssen des Bewertungsobjekts die zukünftige Entwicklung der Marktwerte (einschließlich der Dividenden und anderer laufender Überschüsse) von Papieren prognostizieren. Auch diese Prognose ist in starkem Maße subjektiv (FIGLEWSKI, 1979; CAMPBELL/KYLE, 1993; SHLEIFER, 2000). Sie hängt ab vom subjektiven Informationsstand des Investors und seinen subjektiven Schlussfolgerungen aus Informationen. Andere Personen (etwa Wertpapieranalysten) mögen andere Vorstellungen über angemessene Duplikationsportefeuilles vertreten, wobei der Bewerter deshalb deren Urteile nicht übernehmen mag, weil sie untereinander sehr verschieden sind. Die Darstellungen verdeutlichen Probleme der praktischen Umsetzung der theoretischen Bewertungskonzepte. Diese Konzepte geben zwar wertvolle Orientierung bei der Ermittlung von Marktwerten, sie führen jedoch nicht zu eindeutigen, „objektiv richtigen“ Resultaten.

5

Resümee

1. Kann ein börsennotiertes Unternehmen n ein börsennotiertes Unternehmen U kaufen, existiert im CAPM beim Ziel subjektiver Nutzenmaximierung kein Grenzpreis. Da im Gleichgewicht des CAPM alle Anteilseigner einen Anteil am Marktportefeuille halten, kann es keinen kritischen Preis geben, von dem an die Übernahme des Unternehmens U durch n für sie nachteilig wird. Wenn das Unternehmen n für die Übernahme einen höheren Preis als den Marktwert der Aktien des Unternehmens U zahlt, sinkt zwar sein Marktwert M0n. Trotzdem entsteht für die Anteilseigner des Unternehmens n kein Nachteil. Der Kaufpreis fließt ihnen als Erlös für den Verkauf ihrer Anteile am Unternehmen U in dem gleichen Verhältnis zu, mit dem sie am Unternehmen n beteiligt sind. Im Rahmen des SPA können dagegen die Portefeuillestrukturen der Anteilseigner sehr verschieden sein. Bei Kauf des Unternehmens U zu einem höheren Preis als dem Marktwert seiner Aktien ergibt sich für diejenigen Anteilseigner ein Nachteil, die relativ stark am Unternehmen n und wenig am

283

Kollektive subjektive Grenzpreise und Marktwerte im Vergleich

Unternehmen U beteiligt sind; sie erzielen keinen kompensierenden Vorteil aus dem Verkauf ihrer Anteile am Unternehmen U. 2. Ist das Unternehmen U bisher nicht börsennotiert (und auch nicht Teil eines börsennotierten Unternehmens), wird es bei Kauf durch das Unternehmen n neuer Bestandteil des Marktportefeuilles. Wenn das Unternehmen U einem privaten Eigentümer gehört, der keine Wertpapiere hält und somit auch nicht Anteilseigner des Unternehmens n ist, steigt mit dem Kauf analog zu (VI.29) der Nutzenerwartungswert jedes Anteilseigners des Unternehmens n, wenn für die Anschaffungskosten A0 des Unternehmens U gilt. (VII.4)

 )  (1  r) ˜ A ! MR ˜ [Var(Ü  )  2 ˜ Kov(Ü  ;M  )] E(Ü 1 0 1 1 1G 2

(mit MR {

RPG ).  ) Var(M 1G

 bezeichnet den Überschuss des Unternehmens U. Entsprechend gilt für den Grenzpreis Ü 1  ) beim Ziel kollektiver Nutzenmaximierung: GPN( Ü 1 (VII.6)

 ) (1  r) 1 ˜ [E(Ü  )  MR ˜ Var(Ü  )  MR ˜ Kov(Ü  ;M  )] . GPN (Ü 1 1 1 1 1G 2

3. Für den Grenzpreis beim Ziel der Maximierung des Marktwertes der Aktien des Unternehmens n gilt: (VII.8)  ) (1  r) 1 ˜ {E(Ü  )  MR ˜ [Var(Ü  )  Kov(Ü  ;M  ;M  )  Kov(Ü  )]} . GPM (Ü 1 1 1 1 1n 1 1G Hieraus folgt in Verbindung mit (VII.6): 1  )  GP (Ü     GPM (Ü 1 N 1 )  MR ˜ [ ˜ Var(Ü1 )  Kov(Ü1;M1n )] . 2  )  Kov(Ü  ;M  ;M  ) ist der  ) ! 0 bzw. Kov(Ü  ) ! (1/ 2) ˜ Var(Ü Für (1/ 2) ˜ Var(Ü 1 1 1n 1 1n 1 Grenzpreis bei Marktwertmaximierung niedriger als bei Nutzenmaximierung; es ist möglich, dass das Unternehmen U bei Marktwertmaximierung nicht erworben wird, obwohl bei Kauf der Nutzenerwartungswert aller Anteilseigner des Unternehmens n steigen würde. Für   ;M  ) gilt GP (Ü   )  (1/ 2) ˜ Var(Ü Kov(Ü 1 1n 1 M 1 )  GPN (Ü1 ) ; es ist möglich, dass das Unternehmen gekauft wird, obwohl die Nutzenerwartungswerte aller Anteilseigner des Unternehmens n sinken.

(VII.9)

4. Private (Hintergrund-)Risiken und beschränkte Leerverkaufsmöglichkeiten können zu Bewertungskonflikten zwischen den Anteilseignern des Unternehmens n führen. Da im Konfliktfall kein kollektiver subjektiver Grenzpreis existiert, kann der Marktwert allenfalls für eine bestimmte Gruppe von Anteilseignern als subjektiver Grenzpreis relevant sein. 5. Subjektive Grenzpreise werden häufig mit dem Argument abgelehnt, dass sie nicht intersubjektiv überprüfbar seien, und für die Orientierung an Marktwerten plädiert. Wenn jedoch ein Bewertungsobjekt nicht bereits explizit am Markt gehandelt wird (weil es völlig neu ist oder von einem privaten Eigentümer zum Kauf angeboten wird) existiert hierfür gar kein realer Marktwert. Bewertungsrelevant zum Zeitpunkt der Entscheidung ist dann allenfalls der virtuelle Marktwert im Licht der Informationen und Schlussfolgerungen des potenziellen Käufers. Auch der virtuelle Marktwert ist subjektiv und lässt sich nicht objektiv (richtig) ermitteln.

284

Kapitel VII

6. In der Literatur zur Unternehmensbewertung und der Praxis wird der Ermittlung eines risikoangepassten Kalkulationszinsfußes erheblich mehr Beachtung gewidmet als der Prognose der zukünftigen Überschüsse. Jedoch können Prognosefehler wesentlich stärker den ermittelten Wert verfälschen als Fehler bei der Schätzung des Kalkulationszinsfußes. Oft werden die stochastischen Überschüsse als gegeben angenommen und nur noch der zugehörige risikoangepasste Kalkulationszinsfuß untersucht. Da dieser aber von der Risikostruktur der Überschüsse abhängt, wird die Qualität seiner Ermittlung wesentlich durch die Qualität der Schätzung der möglichen Überschüsse bestimmt. Wird der Kalkulationszinsfuß in Anlehnung an das CAPM auf der Basis eines ß-Faktors ermittelt, der aus vergangenen Kursentwicklungen resultiert, wird das Problem der Prognose grundsätzlich nicht gelöst, sondern aufgelöst: Die Risikostrukturen der zukünftigen Überschüsse können erheblich von denen in der Vergangenheit abweichen. Erhebliche Ermessensprobleme ergeben sich bereits für die Bewertung einperiodiger Objekte. Sie werden für den Mehrperioden-Fall noch gravierender; nur bei sehr speziellen stochastischen Zusammenhängen bezüglich der Überschüsse für verschiedene Zeitpunkte ist der risikoangepasste Zinssatz nach dem einperiodigen CAPM auch für mehrperiodige Objekte bewertungsrelevant.

TEIL D: OPTIMALE PORTEFEUILLEBILDUNG UND INDIVIDUELLE SUBJEKTIVE GRENZPREISE IM VERGLEICH ZU MARKTWERTEN

Kapitel VIII Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

1

Problemstellung

Im vorliegenden und in nachfolgenden Kapiteln wird untersucht, wie der subjektive Grenzpreis (der subjektive Wert) eines Bewertungsobjekts aus Sicht eines individuellen Investors (der individuelle subjektive Grenzpreis) ermittelt werden kann und wie er von seinen Determinanten (insbesondere der Risikoeinstellung des Investors, der Größe des Bewertungsobjekts und den Kapitalmarkteigenschaften) abhängt. Entweder erwägt der Investor das Bewertungsobjekt (allein, ohne direkte Beteiligung anderer Personen am Überschuss) zu kaufen oder er besitzt es bereits und erwägt, es zu verkaufen. Bei potenziellem Kauf ist der individuelle subjektive Grenzpreis gleich derjenigen Preisobergrenze, von der an bei Kauf der Erwartungsnutzen des Investors sinkt. Bei potenziellem Verkauf ist der individuelle subjektive Grenzpreis gleich derjenigen Preisuntergrenze, von der an bei Verkauf der Erwartungsnutzen steigt. Für beide Fälle wird angenommen, dass der Preis zu Beginn der Periode, dem Zeitpunkt 0, zu zahlen ist. Wenn der Investor das Bewertungsobjekt kauft bzw. nicht verkauft, wird er es bis ~ zum Ende der betrachteten Periode nutzen. Er erzielt dann den Überschuss Ü1 , der auch einen Verkaufserlös als Marktwert des Bewertungsobjekts zum Zeitpunkt 1 enthalten kann. Die Annahme, dass der Investor bei Kauf das Bewertungsobjekt bis zum Zeitpunkt 1 nutzt, schließt eine vorteilhafte Arbitrage auf dem Realgütermarkt aus; der Investor hat nicht die Möglichkeit, das Bewertungsobjekt im Zeitpunkt 0 zu einem bekannten Preis wieder zu verkaufen, der höher ist als der Grenzpreis bei Nutzung bis zum Zeitpunkt 1. Würde ein solcher Wiederveräußerungspreis existieren, wäre er die Preisobergrenze.

286

Kapitel VIII

Direkte Formen der Risikoteilung (wie Versicherungen, Warentermingeschäfte) werden nicht explizit betrachtet. Jedoch mögen solche Formen bei der Planung der ~ möglichen Überschüsse Ü1 und ihrer Wahrscheinlichkeiten ex ante festgelegt worden ~ sein und die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Ü1 beeinflusst haben.1 Wenn der Investor das Bewertungsobjekt kauft bzw. nicht verkauft, hedgt er im vor~ liegenden Kapitel das aus dem Überschuss Ü1 resultierende Risiko (auch) nicht durch Portefeuillebildung. Ein Portefeuille riskanter Wertpapiere hält er allenfalls dann, wenn er das Bewertungsobjekt nicht kauft bzw. es verkauft. Wie in Kapitel XI und XII ge~ zeigt wird, steigt zwar grundsätzlich der Grenzpreis, wenn das mit Ü1 verbundene Risiko gehedgt wird. Trotzdem haben die Darstellungen im vorliegenden Kapitel Bedeutung: Zum einen wird auf ihnen aufbauend in Kapitel XI und XII untersucht, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang der subjektive Grenzpreis durch Portefeuillebildung gesteigert werden kann. Zum anderen kann auch der unter Vernachlässigung eines Hedgeportefeuilles ermittelte Grenzpreis entscheidungsrelevant sein. Wenn er höher ist als der für das Bewertungsobjekt geforderte Preis, erweist sich der Kauf bereits als vorteilhaft. Ist er niedriger, kann geprüft werden, ob der Grenzpreis in Verbindung mit einem bestimmten (nicht notwendig optimalen) Portefeuille höher ist als der geforderte Preis. Wenn ja, erweist sich nun der Kauf als vorteilhaft, auch wenn der „richtige“ Grenzpreis immer noch nicht bekannt ist. Das optimale Hedgeportefeuille kann dann nach Kauf ermittelt werden. Analog gilt für den erwogenen Verkauf des Bewertungsob~ jekts: Wenn der ohne Hedgeportefeuille für den Überschuss Ü1 ermittelte Grenzpreis höher ist als der gebotene Preis, erweist sich der Verkauf bereits als nachteilig. Darüber hinaus zeigen die Darstellungen in Verbindung mit Kapitel XI und XII, welche grundsätzlichen Bewertungsfehler (Kunstfehler) gemacht werden, wenn Portefeuilleeffekte vernachlässigt werden. In Abschnitt 2 erfolgt ein allgemeiner Vergleich von Marktwert und individuellem subjektivem Grenzpreis des Bewertungsobjekts. In Abschnitt 3 wird gezeigt, wie der (individuelle) subjektive Grenzpreis für den Fall ermittelt werden kann, dass weder mit noch ohne Bewertungsobjekt Wertpapiere gehalten werden, sondern vorhandenes Geldvermögen ausschließlich zum risikolosen Zinssatz r angelegt wird. Darauf aufbauend wird untersucht, wie der Grenzpreis von seinen Einflussgrößen abhängt und wie er vom Marktwert des Bewertungsobjekts abweichen kann. Die Vernachlässigung jeglicher Portefeuillebildung entspricht der Konzeption der sogenannten „semi-subjektiven“ Bewertung (KRUSCHWITZ/LÖFFLER, 2003). Auch sonst wird im Allgemeinen in der Literatur bei der Diskussion von (Ertragswerten als) subjektiven Grenzpreisen von Portefeuillebildung abgesehen. In Abschnitt 4 erfolgt die Ermittlung und Analyse des subjektiven Grenzpreises für den Fall, dass der Investor zwar bei Verzicht auf Kauf bzw. bei Verkauf des Bewertungsobjekts einen optimalen Wertpapierbestand realisiert, in Verbindung mit dem Bewertungsobjekt jedoch keine Papiere hält. (Wie in Kapitel XI gezeigt wird, kann dieses 1

In den Kapiteln XIII, XIV und XV wird der Fall betrachtet, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung  nicht exogen gegeben ist, sondern vom Investor beeinflusst werden kann. Es wird untersucht, über Ü 1 wie explizit jene Maßnahmen ermittelt werden können, bei denen der Wert maximiert wird.

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

287

Verhalten durchaus optimal sein.) Die Portefeuillebildung bewirkt, dass der subjektive Grenzpreis bei potenziellem Kauf und bei potenziellem Verkauf sinkt; die für die Bewertung maßgebliche Vergleichsbasis verbessert sich eben, wenn ohne das Bewertungsobjekt statt einer ausschließlichen Anlage zum risikolosen Zinssatz ein optimales Portefeuille gehalten wird. Wir gehen wieder davon aus, dass sich der Investor am (P,V)-Prinzip orientiert. Dadurch lassen sich wesentliche Zusammenhänge anschaulich graphisch darstellen. Sie gelten jedoch im Prinzip auch dann, wenn dieses Kriterium bezüglich der Nutzenfunktion des Investors nicht im Einklang mit dem BERNOULLI-Prinzip steht und somit der Bewertung explizit der Erwartungswert des Nutzens seines Endvermögens zugrunde gelegt wird. Die Darstellungen zum Einperioden-Fall gelten bei speziellen Nutzenfunktionen z.T. auch für Ströme von Überschüssen im Mehrperioden-Fall (Kapitel XV).

2

Marktrisikoprämie und subjektive Risikoprämie bzw. Marktwert und subjektiver Grenzpreis im Vergleich

~ Im Folgenden wird gezeigt, wie der subjektive Grenzpreis GPS ( Ü1 ) auf der Basis der zugehörigen subjektiven Risikoprämie ermittelt werden kann, also der Risikoprämie, die das Bewertungsobjekt bieten muss, damit sein Kauf für den individuellen Investor weder vorteilhaft noch nachteilig ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Anschaffungsauszahlung zum Zeitpunkt 0 zu zahlen ist. ~ Die (subjektive) Risikoprämie RPS ( Ü1 ) ist wie folgt definiert: ~ (VIII.1) RPS ( Ü1 )

~ ~ E( Ü1 )  (1  r ) ˜ GPS ( Ü1 ) .

Daraus folgt:

~ (VIII.2) GPS ( Ü1 )

~ ~ (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 )  RPS ( Ü1 )] .

~ Analog gilt für den Marktwert M 0 ( Ü1 ) des Bewertungsobjekts: ~ (VIII.3) M 0 ( Ü1 )

~ ~ (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 )  RPM ( Ü1 )] ,

~  ) die Marktrisikoprämie des Überschusses Ü wobei RPM (Ü 1 bezeichnet. 1 Aus (VIII.3) und (VIII.2) folgt:

~ ~ (VIII.4) M 0 ( Ü1 )  GPS ( Ü1 )

~ ~ (1  r ) 1 ˜ [RPS ( Ü1 )  RPM ( Ü1 )] .

Man kann somit die Differenz zwischen Marktwert und subjektivem Grenzpreis aus den entsprechenden Risikoprämien herleiten. Sie stehen im Folgenden im Vordergrund der Analyse.

288

Kapitel VIII

Wie noch gezeigt wird, unterscheidet sich der (individuelle) subjektive Grenzpreis grundsätzlich vom (virtuellen) Marktwert. Die Abweichung hängt u.a. von der Wahr~ scheinlichkeitsverteilung des Überschusses Ü1 ab. Enthält er einen Liquidationserlös, dann stellt sich das Problem, diesen im Bewertungszeitpunkt 0 zu schätzen. Anhaltspunkte hierfür können gegenwärtige Marktpreise für Objekte bieten, die dieselben Qualitätseigenschaften aufweisen wie voraussichtlich das Bewertungsobjekt am Ende der Periode. Da dann gegenwärtige Preise Rückschlüsse auf den Liquidationserlös und ent~ sprechend den Überschuss Ü1 ermöglichen, beeinflussen sie indirekt den (virtuellen) Marktwert und den (individuellen) subjektiven Grenzpreis. Kann aus gegenwärtigen Preisen ein sicherer Rückschluss auf den Liquidationserlös gezogen werden, steigen gegenüber einem Liquidationserlös von null der Marktwert und der subjektive Grenzpreis um den mit dem risikolosen Zinssatz r ermittelten Barwert des Liquidationserlöses; die Abweichung zwischen ihnen ändert sich nicht. Ist der Erlös mit einem beobachteten gegenwärtigen Preis identisch, ist der Wertzuwachs jeweils gleich dem Barwert dieses Preises. Lassen gegenwärtige Preise nur probabilistische Rückschlüsse auf den Liquidationserlös zu (z.B. weil der Zustand des Bewertungsobjekts zum Zeitpunkt 1 noch unsicher ist), kann nur auf dessen Erwartungswert – etwa als Durchschnittswert gegenwärtiger Preise – geschlossen werden. Wie weit dann der Marktwert (der subjektive Grenzpreis) steigt, hängt vom Marktrisikoabschlag (vom subjektiven Risikoabschlag) ab. Da beide Abschläge verschieden sein können, können die gegenwärtigen Preise den Marktwert und den subjektiven Grenzpreis in unterschiedlicher Weis beeinflussen. Gegenwärtige Preise als Determinanten des Marktwertes und des subjektiven Grenzpreises spielen vor allem für solche Bewertungsobjekte eine Rolle, für die ein funktionsfähiger Gebrauchsgütermarkt existiert, etwa für Kraftfahrzeuge oder andere Standardgüter mit vielen potenziellen Verwendern. Für Spezialobjekte ist der Einfluss eines Liquidationserlöses auf den Wert eher gering. Für ein Bewertungsobjekt „Untenehmen“ als Ganzes besteht ebenfalls kein Gebrauchsgütermarkt. Trotzdem können gezahlte Preise für „vergleichbare“ Unternehmen bekannt sein, aus denen probabilistische Rückschlüsse auf den Verkaufserlös am Ende der Periode gezogen werden können, so dass diese Preise den Marktwert und den subjektiven Grenzpreis indirekt beeinflussen. Der „Verkauf“ des Unternehmens zum Ende der Periode könnte auch in Form eines Börsengangs erfolgen; das Unternehmen wird an den „Markt“ verkauft. Gegenwärtige Marktwerte von Unternehmen der gleichen Risikoklasse können dann in dem Sinn bewertungsrelevant sein, dass sie als Indikatoren für den Verkaufserlös dienen.

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

3

Bewertung ohne jegliche Portefeuillebildung

3.1

Bewertung aus Sicht eines potenziellen Käufers

3.1.1

Ermittlung des Wertes

289

Zunächst wird der (individuelle) subjektive Wert für den Fall analysiert, dass der Investor weder bei Kauf des Bewertungsobjekts noch bei Verzicht auf Kauf riskante Wertpapiere hält; Kapital wird nur zum risikolosen Zinssatz r angelegt oder aufgenommen.  des Ohne riskante Wertpapiere ist für die Bewertung nur das aus dem Überschuss Ü 1 Bewertungsobjekts resultierende Risiko relevant. Von der Voraussetzung, dass der Investor keine riskanten Wertpapiere hält, gehen z.B. auch KRUSCHWITZ/LÖFFLER (2003) bei ihrer Analyse von Problemen der Ermittlung des subjektiven Grenzpreises eines Unternehmens aus. Sie kennzeichnen ihr Bewertungskonzept als „semi-subjektiv“, um deutlich zu machen, dass es sich von dem „rein“ individualistischen Ansatz von KÜRSTEN (2002) unterscheidet, der unterstellt, dass vom Investor „weder sichere noch unsichere finanzielle Assets gehandelt“ werden (KRUSCHWITZ/LÖFFLER, 2003, S. 1336). Probleme der Bewertung unter völliger Vernachlässigung des Kapitalmarktes sollen in der vorliegenden Arbeit nicht untersucht werden. Die „semi-subjektive“ Bewertung dient hier vor allem als Ausgangsbasis für den in nachfolgenden Kapiteln behandelten realistischeren Bewertungsfall, dass das Risiko des Bewertungsobjekts durch Portefeuillebildung optimal gehedgt wird.2 In der Ausgangssituation verfüge der Investor ausschließlich über das Geldvermögen V0. Bei Verzicht auf Kauf legt er es zum risikolosen Zinssatz an, so dass er über ein sicheres Endvermögen von (1  r ) ˜ V0 verfügt. Bei Kauf des Bewertungsobjekts über~ nimmt er ein Risiko in Höhe von Sta ( Ü1 ) . Der subjektive Grenzpreis ist hier als derjenige Preis zu bestimmen, bei dem der ~ Investor in Verbindung mit dem Risiko Sta ( Ü1 ) des Bewertungsobjekts einen Nutzenerwartungswert erzielt, der mit dem Nutzen des sicheren Endvermögens (1  r ) ˜ V0 übereinstimmt. Er muss eine Risikoprämie (einen Zuwachs des erwarteten Endvermögens im Vergleich zur sicheren Anlage) erzielen, bei der er eine (P,V)-Position auf derjenigen Indifferenzkurve erreicht, die beim Abszissenwert (1  r ) ˜ V0 beginnt. Im Beispiel der Abbildung VIII.1 ist die (geforderte) subjektive Risikoprämie gleich der Strecke AB , wobei der Abszissenwert des Punktes A mit (1  r ) ˜ V0 übereinstimmt.  ) explizit Bei dieser Grafik wird die Risikoprämie und nicht der Erwartungswert E(Ü 1

2

Zur Diskussion von Bewertungsfragen nach der Sicherheitsäquivalent-Methode im Mehrperioden-Fall bei Vernachlässigung von (optimalen) Hedgemaßnahmen vgl. KÜRSTEN (2002, S.137-142; 2003, S. 306-310); SCHWETZLER (2002a; 2002b; 2002c); DIEDRICH (2003); WIESE (2003); KRUSCHWITZ (2002, S. 15-16); KRUSCHWITZ/LÖFFLER (2003).

290

Kapitel VIII

betrachtet. Aus der Risikoprämie kann jedoch in einfacher Weise der zugehörige sub~ jektive Grenzpreis GPS ( Ü1 ) hergeleitet werden: (VIII.5)

~ GPS ( Ü1 )

~ ~ (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 )  RPS ( Ü1 )] ~ (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 )  AB] .

In Abschnitt 3.2 werden in analoger Weise Bewertungsprobleme untersucht, bei denen ~ ~ in der Graphik der Erwartungswert E( Ü1 ) explizit erfasst wird. Wenn E( Ü1 ) kleiner ist als AB , ist gemäß (VIII.5) der Grenzpreis negativ. ~ Sta (V1 )

~ Sta ( Ü1 )

A

B z

z

0

(1  r ) ˜ V0

z

z

b / 2c

~ E (V1 )

 ) ohne Portefeuillebildung Abb. VIII.1: Zur Ermittlung des subjektiven Grenzpreises GPS (Ü 1 aus Sicht eines potenziellen Käufers bei quadratischer Nutzenfunktion

Der Abbildung VIII.1 liegt eine quadratische Nutzenfunktion U(V1 ) b ˜ V1  c ˜ V12 zugrunde, bei der die Indifferenzkurven die Gestalt konzentrischer Halbkreise haben, deren Mittelpunkt auf der Abszisse liegt und den Abszissenwert b/2c aufweist. Wie in Kapitel II, Abschnitt 2.3.2.1, erläutert wurde, verstößt das (P,V)-Prinzip bei quadratischer Nutzenfunktion gegen das Dominanzprinzip. Es ist daher möglich, dass keine Risikoprämie existiert, bei der der Nutzenerwartungswert bei Kauf des Unternehmens mit dem Nutzenwert U[(1  r ) ˜ V0 ] übereinstimmt. Dies ist dann der Fall, wenn die Stan~ dardabweichung Sta ( Ü1 ) höher ist als der maximale Ordinatenwert der beim Abszissenwert (1  r ) ˜ V0 beginnenden Indifferenzkurve in Abbildung VIII.1. Für jede Risikoprämie (für jeden Preis des Bewertungsobjekts) erreicht dann der Investor eine Indifferenzkurve mit größerem Radius, was jeweils gegenüber dem Verzicht auf Kauf eine Nutzeneinbuße bedeutet. ~ Bei normalverteiltem Ü1 und exponentieller Nutzenfunktion verlaufen die Indifferenzkurven im (P,V)-Diagramm zwar ebenfalls konkav, jedoch sind die Steigungen im~ mer positiv, wobei unabhängig von Sta ( Ü1 ) stets ein subjektiver Grenzpreis existiert (Abbildung VIII.2).

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

291

~ Sta(V1 )

~ Sta(Ü1 )

A

B z

z

z

0

(1  r) ˜ V0

~ E(V1 )

 ) ohne Portefeuillebildung Abb. VIII.2: Zur Ermittlung des subjektiven Grenzpreises GPS (Ü 1 aus Sicht eines potenziellen Käufers bei exponentieller Nutzenfunktion und nor~ malverteiltem Ü 1

3.1.2

Zur Höhe des Wertes

3.1.2.1 Abhängigkeit vom Erwartungswert des Einzahlungsüberschusses

Gemäß der Darstellungen in Abschnitt 3.1.1 ist zwar die für die Ermittlung des subjek~  ) unabhängig tiven Grenzpreises GPS ( Ü1 ) maßgebliche kritische Risikoprämie RPS (Ü 1 ~ ~ vom Erwartungswert E( Ü1 ) . Trotzdem hängt natürlich GPS ( Ü1 ) von diesem Erwar~ tungswert ab. Gemäß (VIII.2) ist GPS ( Ü1 ) bei gegebener Risikoprämie eine linear stei~ ~ gende Funktion von E( Ü1 ) . Wenn E( Ü1 ) um den sicheren Betrag ' steigt, bleibt die ~  ) konstant, während gemäß (VIII.2) GP ( Ü subjektive Risikoprämie RPS (Ü S 1 ) um den 1 Barwert (1  r ) 1 ˜ ' steigt; wenn der Investor diesen Betrag zusätzlich zahlt, ändert sich bei Kauf des Bewertungsobjekts sein Nutzenerwartungswert wie auch in der Ausgangssituation nicht. ~  ) von Sta ( Ü Wie im Folgenden gezeigt wird, hängt die Risikoprämie RPS (Ü 1 ) , der 1 Risikoeinstellung des Investors und bei quadratischer Nutzenfunktion (allgemein: bei variabler absoluter Risikoaversion) auch von V0 ab. 3.1.2.2 Abhängigkeit von der Standardabweichung des Einzahlungsüberschusses

Wie die Abbildung VIII.1 verdeutlicht, ist die für den subjektiven Grenzpreis maßgebliche Risikoprämie (der entsprechende Risikoabschlag) wegen der Konkavität der Indif~ ferenzkurve eine konvex steigende Funktion von Sta ( Ü1 ) ; der waagrechte Abstand der durch A verlaufenden Parallelen zur Ordinate und der in (1  r ) ˜ V0 beginnenden Indif~ ferenzkurve wird mit steigender Standardabweichung Sta ( Ü1 ) immer größer. Wie erläutert, existiert allerdings bei quadratischer Nutzenfunktion ab einer bestimmten Stan-

292

Kapitel VIII

dardabweichung keine subjektive Risikoprämie mehr, so dass auch kein subjektiver Grenzpreis existiert. Dieser Aspekt soll im Folgenden nicht weiter berücksichtigt werden. ~ Wenn bei gegebenem oder fallendem Erwartungswert von Ü1 dessen Standardabweichung und mithin die subjektive Risikoprämie steigt, sinkt gemäß (VIII.2) der subjektive Grenzpreis. Er wird mit steigender Standardabweichung nur dann größer, wenn ~ simultan der Erwartungswert von Ü1 stärker steigt als die subjektive Risikoprämie. 3.1.2.3 Abhängigkeit vom Vermögen V0 vor Kauf

Bei normalverteiltem Endvermögen und exponentieller Nutzenfunktion ist die Risikoprämie und mithin auch der subjektive Grenzpreis unabhängig von V0. Bei exponentieller Nutzenfunktion besteht konstante absolute Risikoaversion, so dass die Bewertung riskanter Positionen unabhängig von einem sicheren Vermögen ist (es besteht kein Reichtumseffekt). Die Abbildungen VIII.3 zeigt dies für die Vermögenswerte V0* und V0** : ~ Sta (V1 )

~ Sta ( Ü1 )

A* z

B* z

z

0

(1  r ) ˜ V0*

z

A**

B** z

z

z

(1  r ) ˜ V0**

~ E (V1 )

Abb. VIII.3: Unabhängigkeit der subjektiven Risikoprämie von V0 bei exponentieller Nutzen~ funktion und normalverteiltem Ü 1

~ Bei der gegebenen Standardabweichung Sta ( Ü1 ) ist für V0 V0* die kritische Risikoprämie gleich A * B * und für V0 V0** gleich A * *B * * . Da die V0** entsprechende Indifferenzkurve aus einer Rechtsverschiebung der anderen hervorgeht, gilt A * B * A * *B * * ; die kritische Risikoprämie ist für alternative Standardabweichun~ gen Sta ( Ü1 ) für V0* und V0** jeweils identisch, so dass für die Bewertung kein Reichtumseffekt relevant ist; der subjektive Grenzpreis ist unabhängig von V0. Dies ist bei quadratischer Nutzenfunktion anders. Hier besteht steigende absolute Risikoaversion, wobei ein Anstieg von V0 bewirkt, dass die subjektive Risikoprämie steigt und der subjektive Grenzpreis sinkt; es besteht ein (negativer) Reichtumseffekt. Zur Verdeutlichung dient die Abbildung VIII.4:

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

293

~ Sta (V1 )

~ Sta ( Ü1 )

A*

B* z

z

A**

B**

z

z

S3

z

z

S1 z

S2 M z

0

(1  r ) ˜ V0*

z

(1  r ) ˜ V0**

z

b / 2c

~ E(V1 )

Abb. VIII.4: Abhängigkeit der subjektiven Risikoprämie von V0 bei quadratischer Nutzenfunktion

Die durch (1  r ) ˜ V0** verlaufende Indifferenzkurve (mit dem kleineren Radius) weist für jeden Ordinatenwert, der nicht größer ist als der maximale Ordinatenwert dieser Indifferenzkurve, eine geringere Steigung auf als die andere Indifferenzkurve. Sie verläuft somit im relevanten Bereich flacher.3 Dies impliziert A * *B * * ! A * B * und folglich, dass die subjektive Risikoprämie für V0 V0** höher und der subjektive Grenzpreis niedriger ist als für V0 V0* . Dabei ist der Unterschied umso größer, je größer die ~ Standardabweichung des Überschusses Ü1 ist. 3.1.2.4 Abhängigkeit von der Risikoeinstellung ~ ~ Bei gegebenen Werten für E( Ü1 ) , Sta ( Ü1 ) und V0 ist die subjektive Risikoprämie umso höher und der subjektive Grenzpreis umso niedriger, je höher die Risikoaversion des ~ Investors ist. Zunächst wird von normalverteiltem Ü1 und exponentieller Nutzenfunktion ausgegangen. Gemäß der Darstellungen in Kapitel II, Abschnitt 2.3.2.2, ist dann für jeden Ordinatenwert (für jede Standardabweichung) die Steigung der Indifferenzkurven eine fallende Funktion des Risikoaversionskoeffizienten a; je größer die Risikoaversion, desto „flacher“ verlaufen die Indifferenzkurven. Abbildung VIII.5 zeigt zwei für (1  r ) ˜ V0 maßgebliche Indifferenzkurven mit a ** ! a * .

3

Zum Beweis betrachten wir den durch den Mittelpunkt M verlaufenden Fahrstrahl in Abbildung VIII.4. In seinen Schnittpunkten S1 und S2 mit den beiden halbkreisförmigen Indifferenzkurven haben diese dieselbe Steigung. Da die Indifferenzkurven konkav verlaufen, ist die Indifferenzkurvensteigung im Punkt S3 kleiner als im Punkt S2 und somit auch kleiner als im Punkt S1, der denselben Ordinatenwert wie S3 aufweist. Analog kann gezeigt werden, dass im relevanten Bereich die Indifferenzkurve mit dem kleineren Radius auch für jeden anderen Ordinatenwert (für jede andere Standardabweichung) eine kleinere Steigung aufweist. Sie verläuft daher flacher als die andere, so dass der waagrechte Abstand zwischen beiden Indifferenzkurven mit steigendem Ordinatenwert monoton steigt.

294

Kapitel VIII

~ Sta (V1 ) für a für a

~ Sta ( Ü1 )

B*

A z

z

a **

B** z

z

0

a*

~ E(V1 )

(1  r ) ˜ V0

~ Abb. VIII.5: Zur Abhängigkeit der subjektiven Risikoprämie für den Überschuss Ü 1 vom Risikoaversionskoeffizienten a bei exponentieller Nutzenfunktion und ~ normalverteiltem Ü 1

Da die a a ** entsprechende Indifferenzkurve flacher verläuft, gilt AB * * ! AB * ; für den höheren Risikoaversionskoeffizienten ist die subjektive Risikoprämie höher. Allgemein gilt: Je höher a, desto größer ist für alternative Standardabweichungen  ) ! 0 die subjektive Risikoprämie und desto niedriger ist jeweils der subjektive Sta(Ü 1 Grenzpreis. Dabei bewirkt eine Erhöhung von a einen umso größeren Zuwachs bezüg~ lich der subjektiven Risikoprämie, je größer Sta ( Ü1 ) ist. ~ Sta (V1 )

~ Sta ( Ü1 )

0

B*

A z

B** z

z

z

z

z

(1  r ) ˜ V0

b**

b*

**

*

2c

2c

~ E(V1 )

~ Abb. VIII.6: Zur Abhängigkeit der subjektiven Risikoprämie für den Überschuss Ü 1 vom Quotienten b/2c bei quadratischer Nutzenfunktion

Auch bei quadratischer Nutzenfunktion ist die subjektive Risikoprämie (im relevanten Bereich) eine steigende Funktion der Risikoaversion. Die Risikoaversion ist bei quadra-

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

295

tischer Nutzenfunktion umso größer, je kleiner der Abszissenwert b/2c des Mittelpunktes M der Indifferenzkurven ist. Abbildung VIII.6 verdeutlicht den Zusammenhang. Beide bewertungsrelevanten Indifferenzkurven beginnen auf der Abszisse beim Abszissenwert (1  r ) ˜ V0 . Da wegen b** /2c**  b* /2c* der Radius der Indifferenzkurve für b** /2c** kleiner ist als für b* /2c* , verläuft die Indifferenzkurve für die Parameter b** und c** im Bereich rechts von (1  r ) ˜ V0 unterhalb der für die Parameter b* und c*. Folglich liegt der Punkt B** rechts von B*. Die subjektive Risikoprämie ist für die Parameter b** und c** um B*B** höher. Allgemein gilt: Je niedriger b/2c, je größer also die Risikoaversion, desto größer ist die subjektive Risikoprämie und desto kleiner ist der subjektive Grenzpreis. 3.1.2.5 Abweichungen vom (virtuellen) Marktwert (a) Marktwert auf Basis des CAPM

Im Folgenden sollen Abweichungen zwischen dem (individuellen) subjektiven Grenz~ ~ ~ preis und dem Marktwert M 0 ( Ü1 ) des Überschusses Ü1 betrachtet werden. M 0 ( Ü1 ) bezeichnet den virtuellen Marktwert beim Informationsstand (und den Schlussfolgerun~ gen) des Investors bezüglich Ü1 . Er ermittelt ihn auf der Basis seiner eigenen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen über diesen Überschuss, die natürlich davon abhängen können, wie andere Personen (etwa Gutachter) die möglichen Überschüsse einschätzen. Dabei wendet er die Bewertungsfunktionen des CAPM an oder er ermittelt den Markt~ ~ wert von Ü1 als Marktwert desjenigen Portefeuilles, mit dem er den Überschuss Ü1 duplizieren kann. Personen mit anderen Erwartungen mögen dem Objekt einen anderen Marktwert beimessen. Somit kann der Investor das Bewertungsobjekt nicht ohne weiteres zum Marktwert verkaufen, auch nicht in der Weise, dass er es als Unternehmen an die Börse bringt; der „Markt“ kann aufgrund von Informationsasymmetrien andere Erwartungen hegen als der Investor. Abgesehen davon, kann bei Verkauf der Marktwert auch deshalb sinken, weil der Investor besonders qualifiziert und als Alleineigentümer besonders motiviert ist, mit dem Bewertungsobjekt Überschüsse zu erzielen. Die Kenntnis möglicher Abweichungen zwischen dem virtuellen Marktwert und dem subjektiven Grenzpreis und ihrer Determinanten ist deshalb besonders wichtig, weil oft Marktwerte als geeignete Grenzpreise angesehen werden. Auch in der Praxis pflegt man subjektive Unternehmenswerte als virtuelle Marktwerte zu ermitteln. Zunächst gehen wir von demjenigen Marktwert aus, der sich gemäß den Bewertungsfunktionen des CAPM (Kapitel IV, Abschnitt 5.3) ergibt: (VIII.6)

~ M 0 ( Ü1 )

~ (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 ) 

~ ~ RPG ˜ Kov( Ü1 ; M1G )] . ~ Var(M1G )

Der Unterschied zwischen dem subjektiven Grenzpreis und diesem Marktwert ~ lässt sich anschaulich zeigen, indem man die subjektive Risikoprämie RPS ( Ü1 )

296

Kapitel VIII

mit der Marktrisikoprämie ~ (VIII.7) RPM ( Ü1 )

~ ~ RPG ˜ Kov( Ü1 ; M1G ) ~ Var(M1G )

vergleicht. Wenn die subjektive Risikoprämie um D höher (niedriger) ist als die Marktrisikoprämie, ist gemäß (VIII.4) der Marktwert um (1  r ) 1 ˜ D höher (niedriger) als der subjektive Grenzpreis. Wie erläutert, hängt die subjektive Risikoprämie von der Standardabweichung ~ Sta ( Ü1 ) , der Risikoeinstellung des Investors und bei quadratischer Nutzenfunktion (allgemein: bei nicht konstanter absoluter Risikoaversion) von seinem Ver~ mögen V0 ab. Dagegen hängt die Marktrisikoprämie für Ü1 von den Risikoeinstellungen aller Akteure auf dem Kapitalmarkt ab, die ihren Niederschlag in dem ~ in (VIII.7) enthaltenen Quotienten RPG / Var (M1G ) finden. Außerdem ist für ~ ~ RPM ( Ü1 ) nicht die Standardabweichung bzw. Varianz von Ü1 relevant, son~ ~ dern die Kovarianz Kov( Ü1 ; M1G ) , die erheblich davon abweichen kann. Insbesondere kann die Kovarianz auch gleich null oder negativ sein. Im CAPM erfolgt ~ eben die Bewertung von Ü1 nicht aus Sicht eines Individuums, das keine weiteren Wertpapiere hält, sondern aus Sicht vieler Investoren, die einen Anteil am Marktportefeuille halten. Aus diesem Grund darf es nicht verwundern, dass die subjektive Risikoprämie grundsätzlich von der Marktrisikoprämie abweicht. ~ Wenn der Investor den Überschuss Ü1 zum Marktwert kauft, steigt der Erwartungswert ~ seines Endvermögens um die Marktrisikoprämie RPM ( Ü1 ) . Wenn diese (zufällige) mit ~ der subjektiven Risikoprämie RPS ( Ü1 ) übereinstimmt, erzielt er weder einen Vorteil noch einen Nachteil; der Marktwert ist gleich dem subjektiven Grenzpreis. Ist die Marktrisikoprämie höher (niedriger) als die subjektive, erzielt er einen Vorteil (Nachteil). ~ Sta (V1 )

~ Sta ( Ü1 )

P1 z

P2 P3 P4 z z

z

0

(1  r ) ˜ V0

z

P5 z

~ E(V1 )

Abb. VIII.7: Zum Vergleich der subjektiven Risikoprämie mit alternativen Marktrisikoprämien

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

297

In Abbildung VIII.7 sind Positionen P dargestellt, die der Investor bei gegebener Stan~ ~ dardabweichung Sta ( Ü1 ) für alternative (Markt-)Risikoprämien RPM ( Ü1 ) erzielt, wenn er das Bewertungsobjekt zum Marktwert kauft. Für den Punkt P4 stimmt (zufällig) die Marktrisikoprämie mit der subjektiven Risikoprämie überein. Für P5 ist sie höher, so dass der Investor einen Vorteil erzielt. Beide Fälle dürften aber kaum bewer~ tungsrelevant sein, wenn man bedenkt, dass die Marktrisikoprämie RPM ( Ü1 ) für den ~ Fall gilt, dass Ü1 bzw. das entsprechende Risiko auf viele Anteilseigner verteilt ist. ~ Der Zusammenhang zeigt sich anschaulich für normalverteilte Endwerte P1n und exponentielle Nutzenfunktionen der Investoren auf dem Kapitalmarkt, für die gilt: RPG ~ Var (M1G )

(VIII.8)

1 I

,

¦ a1 i 1 i

so dass aus (VIII.7) folgt:

~ RPM ( Ü1 )

(VIII.9)

~ ~ ˜ Kov( Ü1 ; M1G )] .

1 I

¦ a1

i 1

i

Der Betrag der Marktrisikoprämie ist c.p. umso kleiner, je größer die Zahl I der Investoren auf dem Kapitalmarkt ist und je größer deren Risikotoleranzen 1/ai sind. Dagegen gilt gemäß (II.37) (Kapitel II, Abschnitt 5.3.2) für die subjektive Risikoprämie aus Sicht des betrachteten Investors bei exponentieller Nutzenfunktion: (VIII.10)

~ RPS ( Ü1 )

~ a ˜ Var ( Ü1 ) 2

~ 1 1 ˜ ˜ Var ( Ü1 ) . 1 2 a

Hier ist der mit 1/2 gewichtete Kehrwert der Risikotoleranz 1/a des Investors maßgeb~ lich, während für die Marktrisikoprämie RPM ( Ü1 ) der Marktrisikoaversionskoeffizient 1 / ¦ iI 1 1 relevant ist. Andererseits ist im Allgemeinen die Kovarianz ai

(VIII.11)

~ ~ Kov( Ü1 ; M1G )

~ N ~ Kov( Ü1 ; ¦ M1n ) n 1

N

~

~

¦ Kov( Ü1 ; M1n ) n 1

~ ~ ~ bei positiven Kovarianzen Kov( Ü1 ; M1n ) viel höher als die Varianz Var ( Ü1 ) . Die Ko~ ~ varianz Kov( Ü1 ; M1G ) kann allerdings auch negativ oder gleich null sein, während die ~ Varianz (bzw. Standardabweichung) von Ü1 stets positiv ist. Dem Punkt P1 in Abbildung VIII.7 entspricht eine negative Kovarianz ~ ~ ~ Kov( Ü1 ; M1G ) , so dass auch die Marktrisikoprämie RPM ( Ü1 ) negativ ist. Dem Punkt P2 (mit dem Abszissenwert (1  r ) ˜ V0 ) entspricht eine Kovarianz und entsprechend ei~ ne Marktrisikoprämie von null (das aus Ü1 resultierende Risiko ist hier unsystematisch). Dem Punkt P3 entspricht eine positive Marktrisikoprämie, die allerdings kleiner ist als die subjektive Risikoprämie. Der Investor erzielt jeweils einen Nachteil, wenn er

298

Kapitel VIII

das Bewertungsobjekt zum Marktwert kauft; der Marktwert ist höher als der subjektive Grenzpreis. Für den Punkt Pp (p = 1,2,3) ist der Marktwert um seinen mit r abgezinsten waagrechten Abstand von P4 höher als der subjektive Grenzpreis; je geringer die Kovarianz ~ ~ Kov( Ü1 ; M1G ) , desto mehr muss der Marktwert reduziert werden, um auf den subjektiven Grenzpreis zu kommen. Bei gegebener Position des Punktes Pp (bei gegebener ~ ~ Marktrisikoprämie oder Kovarianz Kov( Ü1 ; M1G ) ) ist der Korrekturbetrag umso größer, je flacher die in (1  r ) ˜ V0 beginnende Indifferenzkurve verläuft, je größer also die Risikoaversion des Investors und entsprechend der Abszissenwert des Punktes P4 ist. (b) Abhängigkeit der Abweichung zwischen Marktwert und subjektivem Grenzpreis von der Größe des Bewertungsobjekts

Im Folgenden wird im Rahmen komparativ statischer Analysen für quadratische Nutzenfunktionen untersucht, wie die Abweichung zwischen Marktwert und subjektivem Grenzpreis bei gegebener Risikoklasse von der „Größe“ des Bewertungsobjekts abhängt, d.h. wie sich diese Abweichung ändert, wenn der Überschuss des Bewertungsob~ ~ jekts von Ü1 auf z ˜ Ü1 steigt (z > 1) oder sinkt (z < 1). z bezeichnen wir als Niveauparameter für den Überschuss. Dabei werden nur positive z-Werte betrachtet. ~ Ist die Marktrisikoprämie von Ü1 negativ oder gleich null, ist der subjektive Grenz ) z ˜ M (Ü  preis für jedes z (z > 0) kleiner als der Marktwert M 0 (z ˜ Ü 1 0 1 ) , wobei die Differenz eine monoton steigende Funktion von z ist. Hier soll nur der Fall positiver Marktrisikoprämie näher betrachtet werden. Es existiert dann stets ein Niveauparameter ~ z, für den der Marktwert z ˜ M 0 ( Ü1 ) mit dem subjektiven Grenzpreis übereinstimmt. Zur Verdeutlichung dient die Abbildung VIII.8. ~ Sta (V1 )

P1

~ Sta ( Ü1 )

z z

z

P3 0

z

(1  r ) ˜ V0

z

P2 S

T

~ E(V1 )

Abb. VIII.8: Zur Ermittlung des z-Wertes, für den der subjektive Grenzpreis gleich dem Marktpreis ist

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

299

~ Wenn das Bewertungsobjekt den Überschuss Ü1 (mit z = 1) aufweist und der Investor ~ es zum Marktwert M 0 ( Ü1 ) erwirbt, gelange er zur Position P1. Er erzielt dann eine (Markt-)Risikoprämie in Höhe des Abszissenwertes des Punktes P1 abzüglich (1  r ) ˜ V0 . Jedoch ist die subjektive Risikoprämie um die Differenz zwischen den Abszissenwerten der Punkte P2 und P1 höher, so dass der Investor bei Kauf des Bewertungsobjekts zum Marktwert eine Nutzeneinbuße erfahren würde. Wenn er den Über~  ) z ˜ M (Ü  schuss z ˜ Ü1 mit dem Niveauparameter z z 1 zum Marktwert M 0 (z ˜ Ü 1 0 1) erwirbt, erzielt er die z-fache Risikoprämie mit der z-fachen Standardabweichung. Die betreffende (P,V)-Position liegt auf dem Fahrstrahl P3 P1 . Wenn ausgehend von P1 (mit z = 1) der Niveauparameter z immer kleiner wird, wandert die maßgebliche (P,V)-Konstellation entlang dieses Fahrstrahls zum Punkt P3, wobei zunächst Indifferenzkurven mit höheren Nutzenwerten erreicht werden. Im Schnittpunkt S (Abbildung VIII.8) erzielt der Investor denselben Nutzenwert wie bei Verzicht auf Kauf; für den betreffenden Niveauparameter z* ist die subjektive Risikoprämie gleich der Marktrisikoprämie und somit der subjektive Grenzpreis gleich dem Marktwert des Bewertungsobjekts. Für jeden Niveauparameter z (0 < z < z*) ist die Marktrisikoprämie größer als die subjektive Risikoprämie, so dass der Investor bei Kauf ~ des Überschusses z ˜ Ü1 zum Marktwert einen Vorteil erzielt. Er maximiert seinen subjektiven Nutzen bei demjenigen Niveauparameter (von etwa 0,4), der dem Tangentialpunkt T des Fahrstrahls P3 P1 mit einer Indifferenzkurve entspricht. ~ Wenn der Überschuss Ü1 einen Marktwert aufweist, bei dem der Investor bei Kauf statt P1 den Punkt P2 in Abbildung VIII.8 erreicht, stimmt die Marktrisikoprämie mit der subjektiven Risikoprämie überein; der Kauf zum Marktwert ist hier weder vorteilhaft noch nachteilig. Dagegen erzielt der Investor für jeden Niveauparameter z ~ (0 < z < 1) einen Vorteil, wenn er den Überschuss z ˜ Ü1 zum jeweiligen Marktwert ~ z ˜ M 0 ( Ü1 ) erwirbt. ~ Sta (V1 ) S

z

P1

~ Sta ( Ü1 )

z

Tz

P3 z

0

(1  r ) ˜ V0

~ E(V1 )

Abb. VIII.9: Zur Abweichung zwischen der Marktrisikoprämie und der subjektiven  ) Risikoprämie für das Bewertungsobjekt (den Überschuss z ˜ Ü 1

300

Kapitel VIII

~ Bei Kauf des Überschusses Ü1 zum Marktpreis ergebe sich nun der Punkt P1 in Abbildung VIII.9, wobei die Marktrisikoprämie höher ist als die subjektive Risikoprämie. Hier würde der Investor bei Kauf des Bewertungsobjekts zum Marktpreis einen Vor~ teil erzielen. Das würde bei Kauf zum Marktwert z ˜ M 0 ( Ü1 ) auch für jeden Niveauparameter z (0 < z < 1) gelten. Bei demjenigen z-Wert, der dem Tangentialpunkt T ent~ spricht, würde er seinen Nutzen maximieren. Wenn der Investor den Überschuss z ˜ Ü1 ~ (z > 1) zum Marktwert z ˜ M 0 ( Ü1 ) erwirbt, erzielt er bis zu einem bestimmten kritischen Wert von z ebenfalls einen Vorteil. Für denjenigen z-Wert (von annähernd 1,4) bei dem die Verlängerung der Strecke P3 P1 die durch (1  r ) ˜ V0 verlaufende Indifferenzkurve schneidet (Punkt S), stimmt die Marktrisikoprämie wieder mit der subjektiven Risikoprämie überein; Grenzpreis und Marktwert des Bewertungsobjekts sind dann identisch.

(c) Fazit

Die Darstellungen verdeutlichen einen für die Bewertung bedeutsamen Zusammenhang zwischen dem Marktwert eines Bewertungsobjekts und dem subjektiven Grenzpreis:  ) z ˜ M (Ü  Nur der Marktwert M 0 (z ˜ Ü 1 0 1 ) ist eine linear steigende Funktion des Niveauparameters z. Man kann diesen Zusammenhang damit begründen, dass für die Marktbewertung zahlreiche Investoren mit (sehr) kleinen Anteilen ~ am Überschuss z ˜ Ü1 relevant sind, deren Grenznutzenwerte sich praktisch nicht ändern, wenn sich der Niveauparameter z ändert. Wenn es jedoch darum geht, subjektive Grenzpreise für einen einzelnen Investor zu ermitteln, ist die Annahme unveränderlicher Grenznutzenwerte nicht zu rechtfertigen. Veränderliche Grenznutzenwerte führen dazu, dass der individuelle subjektive Grenzpreis eine konkave Funktion des Niveauparameters z ist. ~ Der konkave Verlauf wird deutlich, wenn man (VIII.4) auf den Überschuss z ˜ Ü1 anwendet:

(VIII.4a)

~ ~ M 0 (z ˜ Ü1 )  GPS (z ˜ Ü1 )

~ ~ (1  r ) 1 ˜ [RPS (z ˜ Ü1 )  RPM (z ˜ Ü1 )] .

Hierfür kann man schreiben: (VIII.4b)

~ GPS (z ˜ Ü1 )

~ ~ ~ z ˜ M 0 ( Ü1 )  (1  r ) 1 ˜ [RPS (z ˜ Ü1 )  RPM (z ˜ Ü1 )] .

Die Differenz in der eckigen Klammer auf der rechten Seite von (VIII.4b) ist für alternative z-Werte gleich dem Betrag des jeweiligen waagrechten Abstandes des Fahrstrahls P3 P1 von der bei (1  r ) ˜ V0 beginnenden Indifferenzkurve (Abbildungen VIII.8 und VIII.9). Da diese Indifferenzkurve konkav verläuft, ist auch dieser Betrag eine konkave Funktion von z, so dass gemäß (VIII.4b) auch der subjektive Grenzpreis des Über~ schusses z ˜ Ü1 eine konkave Funktion von z ist.

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

~ M 0 (z ˜ Ü1 ) ~ GPs (z ˜ Ü1 )

~ M 0 (z ˜ Ü1 )

301

~ z ˜ M 0 ( Ü1 )

z

~ GPs (z ˜ Ü1 )

z

0

z

z*

z'

z

~ Abb. VIII.10: Zum Vergleich des subjektiven Grenzpreises und des Marktwertes von z ˜ Ü 1 in

Abhängigkeit von z

Die Abbildung VIII.10 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen dem subjektiven ~ Grenzpreis und dem Marktwert von z ˜ Ü1 in Abhängigkeit von z. Sie beruht – wie die Abbildungen VIII.8 und VIII.9 – auf der Annahme, dass die Marktrisikoprämie  ) positiv ist. (Wie erläutert, ist andernfalls der subjektive Grenzpreis für jedes RPM (Ü 1 z > 0 kleiner als der Marktwert.) Für z = z* stimmt der subjektive Grenzpreis mit dem Marktwert überein. Für die Abbildungen VIII.8 oder VIII.9 ist es derjenige z-Wert, der dem Punkt S entspricht. Vom kritischen z-Wert z' an sinkt der subjektive Grenzpreis mit steigendem z. Es zeigen sich wieder Probleme für den Fall, dass der (individuelle) subjektive ~ Grenzpreis für Ü1 aus dem Preis (dem Marktwert) einer realen Vergleichsinvestition derselben Risikoklasse hergeleitet werden soll. Auch wenn man den Preis eines Vergleichs~ objekts mit dem Überschuss z ˜ Ü1 kennt, ist für die Ermittlung des subjektiven Grenz~ preises für Ü1 wenig (um nicht zu sagen: so gut wie nichts) gewonnen. Selbst wenn der ~ Preis des Überschusses z ˜ Ü1 mit dessen subjektivem Wert übereinstimmen sollte, bliebe ~ offen, wie hoch der subjektive Grenzpreis des Überschusses Ü1 ist, sofern z z 1 gilt; er ~ kann nicht einfach ermittelt werden, indem man den Preis für z ˜ Ü1 mit 1/z multipliziert. Man kann zwar die Abweichung zwischen dem subjektiven Grenzpreis und dem Marktpreis entscheidungstheoretisch ermitteln. Jedoch kann ebenso einfach der subjektive Grenzpreis direkt bestimmt werden. ~ Die Darstellungen für z < 1 gelten auch für den Fall, dass der Überschuss Ü1 zwar gegeben ist, der Investor jedoch beliebige Anteile z (z < 1) am Bewertungsobjekt – etwa einem Unternehmen – zum anteiligen Marktwert ~ ~ M 0 (z ˜ Ü1 ) z ˜ M 0 ( Ü1 ) erwerben kann. Es zeigt sich, warum es sinnvoll sein kann, einen kleinen Anteil z an einem Unternehmen zum anteiligen Marktwert zu kaufen. Die Tatsache, dass der (individuelle) subjektive Grenzpreis eine konkave

302

Kapitel VIII

Funktion des Unternehmensanteils ist, mag im Widerspruch zu der Erfahrung stehen, dass in der Praxis oft für größere Anteile an einem (börsennotierten) Unternehmen ein Zuschlag zum anteiligen Marktwert gezahlt wird. Dieser „Paketzuschlag“ kann damit begründet werden, dass größere Anteile größeren Einfluss ~ auf den Unternehmensüberschuss Ü1 ermöglichen. Dagegen wurde in unserer ~ Analyse die Wahrscheinlichkeitsverteilung über Ü1 als gegeben angenommen.

3.1.3

Problematik der Sicherheitsäquivalent-Methode

~ Wie erläutert, ergibt sich der subjektive Grenzpreis, indem vom Erwartungswert E( Ü1 ) die (kritische) subjektive Risikoprämie abgezogen und die Differenz mit dem risikolosen Zinssatz r diskontiert wird. Die Differenz weicht grundsätzlich vom Marktsicherheitsäquivalent ab. Ist die Nutzenfunktion weder linear noch exponentiell (ist also keine konstante absolute Risikoaversion maßgeblich), stimmt die Differenz auch nicht mit einem ~ subjektiven Sicherheitsäquivalent für Ü1 überein (vgl. auch Kapitel II, Abschnitt 5.6). Zur Verdeutlichung wird die Abbildung VIII.11 für eine quadratische Nutzenfunktion bzw. halbkreisförmige Indifferenzkurven betrachtet. Es ist nun zweckmäßig, in der ~ graphischen Darstellung den Erwartungswert E( Ü1 ) explizit zu er fassen. Der Punkt P in Abbildung VIII.11 kennzeichne die (P,V)-Position, die sich bei Kauf des Bewertungsobjekts vor Berücksichtigung der Anschaffungsauszahlung ergebe: ~ Sta (V1 ) IK1

~ Sta ( Ü1 )

A

~ E( Ü1 ) z

z

B

C

z

IK 2 z

P

~ SÄ S ( Ü1 )

z

0

(1  r ) ˜ V0

z

~ E(V1 )

Abb. VIII.11: Zur Abweichung zwischen dem Barwert des subjektiven Sicherheitsäquivalents ~ und dem subjektiven Grenzpreis des Überschusses Ü 1

~  ) des Überschusses Ü Das subjektive Sicherheitsäquivalent SÄS (Ü als 1 ist definiert ~ 1 diejenige sichere Einzahlung zum Zeitpunkt 1, die denselben Nutzen stiftet, wie Ü1 ~ (vgl. Kapitel II, Abschnitt 5): Die sichere Vermögensposition (1  r) ˜ V0  SÄ S (Ü1 ) muss somit auf derselben Indifferenzkurve liegen wie die riskante Position P. Wenn der  ), Investor zum Zeitpunkt 0 den Barwert des Sicherheitsäquivalents, (1  r) 1 ˜ SÄS (Ü 1

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

303

~ für Ü1 zahlt, sinkt ausgehend von Punkt P sein Endvermögen um den sicheren Betrag  ) SÄ (Ü  (1  r) ˜ (1  r)1 ˜ SÄS (Ü S 1 ) , so dass der Punkt C in Abbildung VIII.11 erzielt 1 wird. Da der waagrechte Abstand zwischen den dargestellten Indifferenzkurven mit steigendem Ordinatenwert immer größer wird, liegt C rechts von B. Der Investor erzielt ~ somit einen Vorteil, wenn er den Preis (1  r) -1 ˜ SÄ S (Ü1 ) zahlt; die Bewertung auf Ba ) führt zur Unterbewertung. Der Wert ist um sis des Sicherheitsäquivalents SÄ(Ü 1 1 (1  r ) ˜ BC höher als der Barwert des Sicherheitsäquivalents. BC ist seinerseits umso ~ höher, je größer Sta ( Ü1 ) ist. Bei exponentieller Nutzenfunktion für das Endvermögen ist der waagrechte Abstand zwischen zwei beliebigen Indifferenzkurven unabhängig vom Ordinatenwert, so dass ~ die Strecken BP und CP SÄ ( Ü1 ) identisch sind; das Sicherheitsäquivalent als Bewertungsgrundlage ist bei exponentieller Nutzenfunktion (und bei Risikoaversion nur bei ihr) zielführend.

3.2

Bewertung aus Sicht eines potenziellen Verkäufers

Im Folgenden soll der subjektive Grenzpreis eines Bewertungsobjekts aus Sicht eines potenziellen Verkäufers betrachtet werden, also jener Preis, bei dem der Verkauf weder vorteilhaft noch nachteilig ist. In der Ausgangssituation verfüge der Investor neben dem ~ Überschuss Ü1 über das Geldvermögen V0, so dass er ein erwartetes Endvermögen von ~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )

~ E(V1 )

erzielt. Diese Position entspreche dem Punkt P in Abbildung VIII.12. ~ Sta (V1 )

~ Sta ( Ü1 )

~ E ( Ü1 ) z

z

z

0

P

z

(1  r ) ˜ V0

(1  r ) ˜ G 0

z

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )

~ E(V1 )

~ SÄ S ( Ü1 )

~ Abb. VIII.12: Zur Ermittlung des subjektiven Grenzpreises GPS( Ü 1 ) ohne Portefeuillebildung aus Sicht eines potenziellen Verkäufers

304

Kapitel VIII

Der subjektive Grenzpreis GPS des Bewertungsobjekts ist der Verkaufserlös, mit dem gemeinsam mit V0 bei Anlage zum risikolosen Zins r das Endvermögen (1  r ) ˜ G 0 erzielt wird. Dabei ist (1  r ) ˜ G 0 der Abszissenwert des Punktes, in dem die durch P verlaufende Indifferenzkurve beginnt. Es gilt also: (VIII.12)

~ (1  r ) ˜ V0  (1  r ) ˜ GPS ( Ü1 )

(1  r ) ˜ G 0

bzw. (VIII.13)

~ GPS ( Ü1 )

G 0  V0 .

Da der Investor indifferent ist zwischen dem unentgeltlichen Zufluss des Über~ schusses Ü1 und dem sicheren Endvermögenszuwachs (1  r ) ˜ G 0  (1  r ) ˜ V0 zum Zeitpunkt 1 gilt: ~ (VIII.14) SÄ S ( Ü1 ) (1  r ) ˜ (G 0  V0 ) . Hieraus folgt in Verbindung mit (VIII.13): (VIII.14a)

~ GPS ( Ü1 )

~ (1  r ) 1 ˜ SÄ S ( Ü1 ) .

Der potenzielle Verkäufer kann somit die Bewertung vornehmen, indem er das ~ ~ Sicherheitsäquivalent SÄ S ( Ü1 ) auf der Basis von V0 (ohne den Überschuss Ü1 ) ermittelt und dieses mit dem risikolosen Zinssatz diskontiert. Da die Basis V0 den Status quo eines potenziellen Käufers darstellt, scheint dieses Bewertungskonzept gerade für ihn geeignet zu sein. Jedoch ist für einen potenziellen Käufer nur bei linearer oder exponentieller Nutzenfunktion der subjektive Wert gleich dem Bar~ wert des Sicherheitsäquivalents von Ü1 (Abschnitt 3.1.3). Bei jeder anderen Nutzenfunktion besteht ein Reichtumseffekt, so dass Wert und Barwert des Sicherheitsäquivalents voneinander abweichen; bei steigender absoluter Risikoaversion ist der Wert größer. Analog zum Fall des potenziellen Kaufs kann gezeigt werden, dass der subjektive ~ Grenzpreis für Ü1 allenfalls zufällig mit dem Marktwert übereinstimmt. Es bestehen folgende Tendenzen: ~ 1. Wenn c.p. die Standardabweichung Sta ( Ü1 ) steigt, sinkt der (subjektive) Grenzpreis. ~ 2. Wenn sich c.p. der Erwartungswert E ( Ü1 ) um ǻ ändert, ändert sich der Grenzpreis um (1  r ) 1 ˜ ' . 3. Der Grenzpreis ist eine fallende Funktion der Risikoaversion.

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

4

Bewertung bei ex ante optimaler Portefeuillebildung ohne das Bewertungsobjekt

4.1

Bewertung aus Sicht eines potenziellen Käufers

4.1.1

Ermittlung des subjektiven Wertes

305

Wie in Kapitel XI gezeigt wird, kann es zwar durchaus optimal sein, in Verbindung mit einem Bewertungsobjekt keine riskanten Wertpapiere zu halten. Jedoch ist die Annahme, dass der Investor auch ohne Bewertungsobjekt keine riskanten Papiere hält, unrealistisch. Ein Investor, der prinzipiell bereit ist, Risiko in Form des Kaufs des Bewertungsobjekts einzugehen, wird nicht das Risiko völlig meiden, wenn er es nicht kauft. Das „semi-subjektive“ Bewertungskonzept, das von dieser Voraussetzung ausgeht, vergleicht den Kauf oder Verkauf des Bewertungsobjekts mit einer irrelevanten Anlagealternative und führt zu Fehlbewertungen. ~ Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der Investor zwar den Überschuss Ü1 nicht durch Portefeuillebildung hedgt, jedoch ein optimales Portefeuille hält, wenn er das Bewertungsobjekt nicht kauft oder es verkauft. Im Fall des Kaufs verzichtet er auf ein optimales Portefeuille, im Fall des Verkaufs bildet er es (Abbildung VIII.13). ~ Sta (V1 )

Basisparallele

Basiseffizienzkurve (Referenzlinie)

~ RPS ( Ü1 ) ~ Sta ( Ü1 ) ~ Sta ( Ü1 )*

z

z

A

z

~ RPS' ( Ü1 )

z

0

(1  r ) ˜ V0

z

Basisindifferenzkurve z

C

B T

z

~ E(V1 )

~ Abb. VIII.13: Zur Ermittlung des subjektiven Grenzpreises GPS( Ü 1 ) aus Sicht eines potenziellen Käufers mit optimaler Portefeuillebildung bei Verzicht auf Kauf des Bewertungsobjekts

Es wird wieder nach dem (individuellen) subjektiven Grenzpreis gefragt, bei dem der Kauf bzw. Verkauf weder vorteilhaft noch nachteilig ist. Die Darstellungen dienen als Vorüberlegung zum komplexeren Fall, in dem der Investor auch dann einen optimalen

306

Kapitel VIII

Wertpapierbestand hält, wenn er das Bewertungsobjekt kauft bzw. nicht verkauft. Die ~ Portefeuillebildung dient dann jeweils dazu, den Überschuss Ü1 optimal zu hedgen. Zunächst wird der subjektive Grenzpreis aus Sicht eines potenziellen Käufers betrachtet. In der Ausgangssituation verfüge er wieder über das Geldvermögen V0. Wenn er das Bewertungsobjekt nicht kauft, erwirbt er dasjenige Portefeuille, bei dem die Effizienzkurve bei reiner Portefeuillebildung (Kapitel III) eine Indifferenzkurve tangiert (Punkt T in Abbildung VIII.13). Die betreffende Effizienzkurve bezeichnen wir als „Basiseffizienzkurve“ oder als „Referenzkurve“ (im (P,V)-Diagramm als „Referenzlinie“, weil sie hierin linear verläuft). Die von ihr tangierte Indifferenzkurve nennen wir „Basisindifferenzkurve“. ~ Der subjektive Grenzpreis ist nun als derjenige Preis GPS ( Ü1 ) zu bestimmen, bei dem der Investor mit dem Bewertungsobjekt denselben Nutzenerwartungswert erzielt wie ohne und optimaler Portefeuillebildung. Er muss also mit dem ~ Bewertungsobjekt eine Risikoprämie RPS ( Ü1 ) erzielen, mit der er die Position ~ B mit dem Ordinatenwert Sta ( Ü1 ) auf der durch den Tangentialpunkt T verlau~ fenden (Basis-)Indifferenzkurve realisiert. Für GPS ( Ü1 ) muss somit gelten: ~ ~ ~ ! (VIII.15) RPS (Ü1 ) E(Ü1 )  (1  r) ˜ GPS (Ü1 ) AB .

Hieraus folgt: (VIII.16)

~ GPS (Ü1 )

~ (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 )  AB] .

Da die Basisindifferenzkurve rechts von der beim Abszissenwert (1  r ) ˜ V0 be ) AC ginnenden Indifferenzkurve verläuft (Abbildung VIII.13), ist RPS (Ü 1 ' ~ größer als die (geforderte) subjektive Risikoprämie RPS ( Ü1 ) für den Fall, dass der Investor bei Verzicht auf Kauf des Bewertungsobjekts kein Portefeuille hält, also das sichere Endvermögen (1  r ) ˜ V0 erzielt. Die Differenz  )  RP ' (Ü  RPS (Ü 1 S 1 ) CB kann als Opportunitätskosten für den Verzicht auf Portefeuillebildung bei Kauf des Bewertungsobjekts interpretiert werden. Da bei exponentieller Nutzenfunktion der waagrechte Abstand zwischen zwei ~ beliebigen Indifferenzkurven unabhängig von der Standardabweichung Sta ( Ü1 ) ist, ist bei dieser Nutzenfunktion (und nur bei ihr oder bei Risikoneutralität) die Differenz zwischen den subjektiven Grenzpreisen mit und ohne Portefeuillebildung bei Verzicht auf Kauf unabhängig von dieser Standardabweichung. Bei ~ quadratischer Nutzenfunktion z.B. ist sie eine steigende Funktion von Sta ( Ü1 ) .

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

4.1.2

307

Vergleich des subjektiven Wertes mit dem Marktwert

4.1.2.1 Das Bewertungsobjekt fällt in dieselbe Risikoklasse wie das Marktportefeuille

Der subjektive Grenzpreis des Bewertungsobjekts weicht grundsätzlich von dessen ~ Marktwert M 0 ( Ü1 ) ab. Zur Erläuterung gehen wir von den Bewertungsfunktionen des CAPM aus. Unter den Voraussetzungen dieses Modells stellen die der Basiseffizienzkurve entsprechenden Portefeuilles Anteile am Marktportefeuille dar. Zunächst betrach~ ten wir den Fall, dass der Überschuss Ü1 in dieselbe Risikoklasse fällt wie der Endwert ~ M1G dieses Portefeuilles und somit auch die Endwerte der effizienten Portefeuilles. Für ~ ~ den Fall Sta ( Ü1 ) Sta ( Ü1 )* (Abbildung VIII.13) stimmt dann der Überschuss des Bewertungsobjekts mit dem Endwert des optimalen Portefeuilles bei Verzicht auf Kauf ~ ~  * überein. Der Marktwert M 0 ( Ü1 ) des Überschusses Ü1 ( Ü 1 Ü1 ) ist dann gleich dem Marktwert dieses (optimalen) Portefeuilles, der seinerseits mit dem subjektiven Grenzpreis dieses Portefeuilles übereinstimmt. Wenn der Investor das Bewertungsobjekt zum Marktwert kauft, gelangt er wie mit dem optimalen Portefeuille zu dem Punkt T. Dieses Portefeuille wird dann einfach durch das Bewertungsobjekt substituiert. Da dieses Por~ tefeuille Duplikationsportefeuille für Ü1 ist, gilt: Der subjektive Grenzpreis ist gleich dem Marktwert des Duplikationsportefeuilles. ~ Für jede andere Standardabweichung für Ü1 ist der subjektive Grenzpreis niedriger als der Marktwert. Dabei ist zu beachten, dass sich bei gegebener Risikoklasse mit einer Veränderung der Standardabweichung das Objektvolumen und im gleichen Verhältnis auch ~ der Erwartungswert E ( Ü1 ) , der Marktwert und die Marktrisikoprämie des Bewertungs~ objekts ändern. Wenn ausgehend vom Punkt T die Standardabweichung Sta ( Ü1 ) sinkt, ~ sinkt im gleichen Verhältnis die Marktrisikoprämie des Überschusses Ü1 , so dass der In~ vestor bei Kauf des Bewertungsobjekts zum Marktwert M 0 ( Ü1 ) einen Punkt auf der Basiseffizienzkurve links von T erreicht. Da er damit einen Nachteil erzielt, ist nun der subjektive Grenzpreis niedriger als der Marktwert. Da mit fallender Standardabweichung (mit sinkendem Objektvolumen) der waagrechte Abstand zwischen der Basiseffizienzkurve und der durch T verlaufenden Indifferenzkurve immer größer wird, sinkt mit fallender Standardabweichung der subjektive Grenzpreis immer mehr unter den Marktwert. Das Analoge gilt für den Fall, dass ausgehend von T die Standardabweichung von ~ Ü1 (das Objektvolumen) steigt. Je größer das Bewertungsobjekt und je größer die Risi~ koaversion des Investors, je kleiner also sein optimales Portefeuille im Vergleich zu Ü1 ist, desto mehr liegt der subjektive Grenzpreis unter dem Marktwert. Vor allem bei Kauf eines Unternehmens ist zu vermuten, dass dessen Standardabweichung größer ist als die des optimalen Portefeuilles. Es zeigt sich wieder die Bedeutung von Kapitalmarkttransaktionen zum Hedgen des ~ Überschusses Ü1 . Wenn das Bewertungsobjekt kleiner ist als das T entsprechende Portefeuille ist mit Wertpapierhandel der Grenzpreis gleich dem Marktwert des Bewertungsobjekts: Bei Kauf zum Marktwert gelangt der Investor zunächst zu einem Punkt auf der Basiseffizienzkurve links unterhalb von T. Durch Kauf eines entsprechenden Anteils am Marktportefeuille kommt er wieder zum Punkt T, so dass er weder einen

308

Kapitel VIII

Vorteil noch einen Nachteil erzielt; bei Kauf des Bewertungsobjekts wird es durch einen Teil des sonst gebildeten Portefeuilles ersetzt. Kann der Investor Anteile am Marktportefeuille leerverkaufen, stimmt der subjektive Grenzpreis des Bewertungsobjekts auch dann mit seinem Marktwert überein, wenn es größer ist als das dem Punkt T entsprechende optimale Portefeuille; nun kann der Investor durch Leerverkauf eines Anteils am Marktportefeuille den Punkt T erreichen. 4.1.2.2 Das Bewertungsobjekt fällt in eine andere Risikoklasse als das Marktportefeuille (a) Der subjektive Grenzpreis ist stets niedriger als der Marktwert des Überschusses Ü1

Das Bewertungsobjekt fällt jedoch grundsätzlich nicht in die gleiche Risikoklas~ se wie das Marktportefeuille. Wenn die Risikostruktur des Überschusses Ü1 von der des Marktportefeuilles abweicht, ist sein Verhältnis aus Standardabweichung und Marktrisikoprämie höher als die Steigung der Basiseffizienzkurve. Wird das Bewertungsobjekt zum Marktwert gekauft, kommt man somit zu einem Punkt P im (P,V)-Diagramm oberhalb der Basiseffizienzkurve (Kapitel IV, Abschnitt 5.3.2.4). Entsprechend ist der subjektive Grenzpreis des Bewertungsobjekts stets niedriger als sein Marktwert. ~ Das gilt auch dann, wenn die Standardabweichung des Überschusses Ü1 mit der des ~ ~ Endwertes des optimalen Portefeuilles übereinstimmt, also Sta ( Ü1 ) Sta ( Ü1 )* gilt. Zur Erläuterung dient die Abbildung VIII.14. ~ Sta (V1 )

Basisparallele

Basiseffizienzkurve (Referenzlinie)

Basisindifferenzkurve

~ ~ Sta ( Ü1 ) Sta ( Ü1 )*

P

D* z

z

T

P*

~ ~ Sta ( Ü1 ) Sta ( Ü1 )**

z

z

A z

0

(1  r ) ˜ V0

Abb. VIII.14: Zur Höhe des subjektiven Grenzpreises aus Sicht eines potenziellen Käufers im Vergleich zum Marktwert

~ E(V1 )

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

309

Wenn der Investor das Bewertungsobjekt zum Marktwert kauft, erziele er eine Risikoprämie in Höhe der Differenz zwischen dem Abszissenwert des Punktes P und (1  r ) ˜ V0 . Bei Verzicht auf Kauf würde er eine um die Differenz D* der Abszissenwerte der Punkte T und P höhere Risikoprämie erzielen: Der Kauf des Bewertungsobjekts zum Marktwert führt zu einer Nutzeneinbuße. Sein subjektiver Grenzpreis liegt um den Korrekturterm (1  r ) 1 ˜ D* unter dem Marktwert. Der subjektive Grenzpreis könnte sogar negativ sein. ~ ~ Der Korrekturterm ist bei gegebener Standardabweichung Sta ( Ü1 ) Sta ( Ü1 )* umso ~ höher, je geringer die Marktrisikoprämie von Ü1 ist. Diese ist ihrerseits umso niedriger, ~ ~ ~ je geringer die Kovarianz Kov( Ü1 ; M1G ) bzw. Kov( Ü1 ; ~r1G ) ist. Ist sie negativ, ist auch die Marktrisikoprämie negativ und der Abszissenwert des Punktes P ist kleiner als (1  r ) ˜ V0 . (b) Abhängigkeit der Abweichung zwischen Marktwert und subjektivem Wert von der Größe des Bewertungsobjekts

Im Folgenden wird untersucht, wie sich der Grenzpreis im Vergleich zum Marktwert ~ ändert, wenn statt des riskanten Überschusses Ü1 , der dem Punkt P in Abbildung ~ VIII.14 entspricht, der Überschuss z ˜ Ü1 (z z 1) maßgeblich ist. Für jeden Niveauparameter z (für jede Größe des Bewertungsobjekts) ergibt sich eine (P,V)-Position auf dem Fahrstrahl AP . Wenn ausgehend vom Punkt P in Abbildung VIII.14 (mit z = 1) der Niveauparameter z steigt, wandert P entlang dieses Strahls nach rechts oben. Damit wird sein waagrechter Abstand von der durch T verlaufenden Indifferenzkurve immer größer, so dass der subjektive Grenzpreis immer mehr unter den mit z proportional steigenden Marktwert des Bewertungsobjekts sinkt. Wenn ausgehend von Punkt P in Abbildung VIII.14 der Niveauparameter z sinkt, wird der Abstand von P zu der durch T verlaufenden Indifferenzkurve zunächst kleiner, so dass sich zunächst der subjektive Grenzpreis dem mit z fallenden Marktwert nähert. Die Differenz erreicht im Punkt P*, in dem der Fahrstrahl AP dieselbe Steigung aufweist wie die durch T verlaufende Indifferenzkurve, ihr Minimum und steigt dann mit weiter fallendem z wieder an. Für keinen z-Wert stimmt der subjektive Grenzpreis mit dem Marktwert überein. Die Abweichung zwischen dem subjektiven Grenzpreis und dem Marktwert hängt ~ bei gegebener Standardabweichung und Marktrisikoprämie für Ü1 von der Risikoaversion des Investors ab. Wie in Kapitel III, Abschnitt 5.2, gezeigt wurde, ist bei quadratischer Nutzenfunktion der Abszissenwert des Tangentialpunktes der Basiseffizienzkurve mit einer Indifferenzkurve umso größer, je größer der Abszissenwert b/2c des Mittelpunktes M der Indifferenzkurven ist, je geringer also die Risikoaversion des Investors ist. Bei „geringer“ Risikoaversion hält er ohne Bewertungsobjekt einen „großen“ Anteil am Marktportefeuille. Wenn das Bewertungsobjekt im Vergleich dazu „klein“ ist, erzielt er bei Kauf des Bewertungsobjekts zum Marktwert schon dann einen Nachteil, wenn es in dieselbe Risikoklasse fällt wie das Marktportefeuille. Es ergibt sich derselbe Nachteil wie für den Fall, dass er statt des optimalen Anteils einen entsprechend kleinen

310

Kapitel VIII

Anteil am Marktportefeuille hält. Wenn der Überschuss in eine andere Risikoklasse fällt als das Marktportefeuille, erzielt er bei gegebener Standardabweichung eine noch kleinere Risikoprämie, wenn er das Bewertungsobjekt zum Marktwert kauft, so dass der subjektive Grenzpreis noch niedriger ist. Das Analoge gilt für den Fall, dass die Risikoaversion des Investors hoch ist und er somit ohne das Bewertungsobjekt einen kleinen Anteil am Marktportefeuille hält und im Vergleich dazu das Bewertungsobjekt groß ist. Allgemein gilt folgende Tendenz: Je mehr die (P,V)-Position T des optimalen Anteils am Marktportefeuille bei Verzicht auf Kauf von der (P,V)-Position P bei Kauf zum Marktwert abweicht, desto mehr liegt der subjektive Grenzpreis unter dem Marktwert. Mit dem risikoangepassten Zinssatz einer Vergleichsinvestition derselben Risikoklasse kann zwar der Marktwert des Bewertungsobjekts ermittelt werden, jedoch allenfalls zufällig dessen subjektiver Grenzpreis.

4.2

Bewertung aus Sicht eines potenziellen Verkäufers

Wir betrachten nun die Bewertung aus Sicht eines potenziellen Verkäufers. Wenn er das Objekt verkauft, legt er den Erlös nicht wie in Abschnitt 3.2 zum risikolosen Zinssatz r an, sondern realisiert den optimalen Anteil am Marktportefeuille. Der Verkaufserlös muss nun so hoch sein, dass er damit einen Nutzenerwartungswert erzielt, der mit demjenigen in der Ausgangssituation (d.h. mit dem Bewertungsobjekt) übereinstimmt. Die Ausgangssituation werde durch den Punkt P in Abbildung VIII.15 gekennzeichnet. Der Abszissenwert dieses Punktes ist gleich dem aufgezinsten Geldvermögen V0 zuzüg~ ~ lich des Erwartungswertes E ( Ü1 ) , also (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) . Damit der Investor bei Verkauf denselben Nutzenerwartungswert erzielt wie mit dem Bewertungsobjekt, muss er denjenigen Erlös erzielen, mit dem er gemeinsam mit V0 über dasjenige Geldvermögen G 0 verfügt, dem diejenige Basiseffizienzkurve entspricht, welche die durch P verlaufende Indifferenzkurve tangiert. Bei diesem Erlös erzielt er in Verbindung mit dem zugehörigen optimalen Anteil am Marktportefeuille (Tangentialpunkt T) denselben Nutzenerwartungswert wie im Ausgangspunkt P. Ohne Portefeuillebildung würde er dagegen einen Preis verlangen, bei dem er mit gemeinsamer Anlage von V0 zum risikolosen Zinssatz r ein Endvermögen in Höhe des Abszissenwertes des Ausgangspunktes E der durch P verlaufenden Indifferenzkurve erzielt; der subjektive Grenzpreis mit Portefeuillebildung ist niedriger als ohne Portefeuillebildung. Dem Geldbetrag G 0 entspricht der folgende subjektive Grenzpreis: (VIII.17)

~ GPS ( Ü1 )

G 0  V0 .

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

311

Ist die Steigung der Basiseffizienzkurve entsprechend gering, gilt (1+r) ˜ G 0  (1+r) ˜ V0 und mithin G 0  V0 , so dass der subjektive Grenzpreis negativ ist. Davon soll hier abgesehen werden. Aus (VIII.17) folgt in Verbindung mit (VIII.1): (VIII.18)

~ RPS (Ü1 )

~ E(Ü1 )  (1  r) ˜ (G 0  V0 ) . ~ GPS ( Ü 1 )

Wie Abbildung VIII.15 zeigt, beträgt die subjektive Risikoprämie, auf die der Investor bei Verkauf zum Grenzpreis verzichtet: (VIII.19)

~ RPS ( Ü1 )

Abszissenwert des Punktes P  (1  r) ˜ G 0 .

Hieraus folgt in Verbindung mit (VIII.18): (VIII.20)

~ GPS ( Ü1 )

G 0  V0

~ ~ (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 )  RPS ( Ü1 )] . ~ (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 )  (Abszissenwert des Punktes P  (1  r ) ˜ G 0 )] .

~ Sta (V1 ) ~ RPS ( Ü1 )

Basiseffizienzkurve P

~ Sta ( Ü1 )

z

z

T

D

A

z

z

z

E z

z

0

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) (1  r ) ˜ V0

Basisindifferenzkurve

~ E(V1 )

(1  r ) ˜ G 0

~ E ( Ü1 )

Abb. VIII.15: Zur Ermittlung und Höhe des subjektiven Grenzpreises aus Sicht eines potenziellen Verkäufers mit optimaler Portefeuillebildung bei Verkauf

312

Kapitel VIII

Die Höhe des subjektiven Grenzpreises kann analog untersucht werden wie bei erwogenem Kauf. Insbesondere gilt wieder, dass der Marktwert des Bewertungsobjekts, der von den Präferenzen des Investors unabhängig ist, grundsätzlich höher (in keinem Fall niedriger) ist als der subjektive Grenzpreis.

4.3

Der subjektive Wert bei potenziellem Kauf bzw. Verkauf des Bewertungsobjekts im Vergleich [*]

Für das Verständnis der Höhe des subjektiven Grenzpreises für den potenziellen Verkauf ist es hilfreich, den prinzipiellen Unterschied zum Grenzpreis für den potenziellen Kauf zu erkennen. Er wird in Abbildung VIII.16 unter der Annahme gezeigt, dass derselbe Investor erwägt, das  ) und dem Erwartungswert E(Ü  ) des Bewertungsobjekt mit der Standardabweichung Sta(Ü 1 1 Überschusses zu kaufen bzw. zu verkaufen, wobei für beide Fälle dasselbe Geldvermögen V0 maßgeblich sei. ~ Sta (V1 )

T2 z

z

T1

RPSV ~ Sta ( Ü1 )

A z

B z

z

C

z

P

RPSK M z

0

z

(1  r ) ˜ G 0

z

b/2c

~ E(V1 )

(1  r ) ˜ V0 ~ E ( Ü1 )

Abb. VIII.16: Subjektive Risikoprämie bei potenziellem Kauf bzw. Verkauf des Bewertungsobjekts im Vergleich

Der Vergleich der beiden Grenzpreise kann in der Weise erfolgen, dass die (kritischen) subjektiven Risikoprämien verglichen werden. Für den Fall des potenziellen Kaufs ist die maßgebliche Risikoprämie gleich der Strecke AC . Mit dieser Risikoprämie gelangt der Investor bei Kauf  ) aufweist und auf derselben Indifferenzkurve liegt zum Punkt C, der den Ordinatenwert Sta(Ü 1

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

313

wie der Punkt T2, der dem optimalen Portefeuille bei Verzicht auf Kauf entspricht. Für den potenziellen Verkauf ist P Ausgangspunkt der Betrachtung. Die (kritische) subjektive Risikoprämie ist dann gleich der Strecke BP . Wenn der Investor zum entsprechenden Grenzpreis  ) G  V verkauft, kommt er zum Geldvermögen G und in Verbindung mit dem GPS (Ü 1 0 0 0 Erwerb des optimalen Anteils am Marktportefeuille zum Punkt T1, der auf derselben Indifferenzkurve wie P liegt. Der Unterschied in der Bewertung resultiert zum einen aus der asymmetrischen Kapitalmarktrelevanz: Wenn der Investor das Bewertungsobjekt kauft, verzichtet er auf Portefeuillebildung, wenn er es verkauft, realisiert er seinen optimalen Anteil am Marktportefeuille. Zum anderen resultiert im Beispiel der Abbildung VIII.16 (mit quadratischer Nutzenfunktion) der Bewertungsunterschied aus einem Reichtumseffekt. Bei potenziellem Kauf erzielt der Investor in der Ausgangssituation ein sicheres Endvermögen von (1  r) ˜ V0 und bei potenziellem Verkauf  ) . Ein Reichtumseffekt erüber ein Erwartungswert des Endvermögens von (1  r) ˜ V0  E(Ü 1 gibt sich immer dann, wenn die Nutzenfunktion weder linear noch exponentiell verläuft.

5

Resümee

1. Zunächst wird der subjektive Wert für den Fall analysiert, dass der Investor weder bei Kauf des Bewertungsobjekts noch bei Verzicht darauf riskante Wertpapiere hält. Ohne Wertpapiere ist für die Bewertung nur das aus dem Überschuss Ü1 des Bewertungsobjekts resultierende Risiko relevant. In der Ausgangssituation verfügt der Investor ausschließlich über das Geldvermögen V0. Bei Verzicht auf Kauf legt er es zum risikolosen Zinssatz r an, so dass er über ein sicheres Endvermögen von (1  r) ˜ V0 verfügt. Bei Kauf des Bewertungsob ) . Der subjektive Grenzpreis ist hier als jekts übernimmt er ein Risiko in Höhe von Sta(Ü 1 derjenige Preis zu bestimmen, bei dem der Investor in Verbindung mit diesem Risiko einen Nutzenerwartungswert erzielt, der mit dem Nutzen des sicheren Endvermögens (1  r) ˜ V0 übereinstimmt.  ) um den sicheren Betrag ' steigt, bleibt die (kritische) subjektive Risikoprä2. Wenn E(Ü 1  ) für das Bewertungsobjekt konstant, während der subjektive Grenzpreis mie RPS (Ü 1  ) um (1  r) 1 ˜ ' steigt. Wenn bei gegebenem oder fallendem Erwartungswert von GPS (Ü 1  dessen Standardabweichung und somit die subjektive Risikoprämie steigt, sinkt der subÜ 1

jektive Grenzpreis. Er wird mit steigender Standardabweichung nur dann größer, wenn si stärker steigt als die subjektive Risikoprämie. multan der Erwartungswert von Ü 1 3. Bei normalverteiltem Endvermögen und exponentieller Nutzenfunktion ist die subjektive Risikoprämie und mithin auch der subjektive Grenzpreis unabhängig von V0. Bei exponentieller Nutzenfunktion besteht konstante absolute Risikoaversion, so dass die Bewertung riskanter Positionen unabhängig von einem sicheren Vermögen ist. Bei quadratischer Nutzenfunktion besteht steigende absolute Risikoaversion, wobei ein Anstieg von V0 bewirkt, dass c.p. die subjektive Risikoprämie steigt und der subjektive Grenzpreis sinkt; es besteht ein (negativer) Reichtumseffekt.  ) , Sta(Ü  ) und V ist die subjektive Risikoprämie umso Bei gegebenen Werten für E(Ü 1 1 0 höher und der subjektive Grenzpreis umso niedriger, je höher die Risikoaversion des Investors ist. 4. Der individuelle subjektive Grenzpreis kann größer oder kleiner als der Marktwert des Bewertungsobjekts sein oder zufällig damit übereinstimmen. Für den subjektiven Grenzpreis gilt:

314

Kapitel VIII

(VIII.2)

 ) (1  r)1 ˜ [E(Ü  )  RP (Ü  GPS (Ü 1 1 S 1 )]

 ) die (geforderte oder kritische) subjektive Risikoprämie bezeichnet. Nach wobei RPS (Ü 1 dem CAPM ergibt sich der folgende Marktwert: (VIII.6)

 ) (1  r)1 ˜ [E(Ü  ) M 0 (Ü 1 1

RPG  ;M  )] . ˜ Kov(Ü 1 1G  ) Var(M 1G

Der Unterschied zwischen dem subjektiven Grenzpreis und dem Marktwert lässt sich an ) mit der Marktrisikoschaulich zeigen, indem man die subjektive Risikoprämie RPS (Ü 1 prämie (VIII.7)

 ) RPM (Ü 1

RPG  ;M  ) ˜ Kov(Ü 1 1G  ) Var(M 1G

vergleicht. Wenn die subjektive Risikoprämie um D höher (niedriger) ist als die Marktrisikoprämie, ist der Marktwert um (1  r) 1 ˜ D höher (niedriger) als der subjektive Grenzpreis.  ) , der RisikoeinstelDie subjektive Risikoprämie hängt von der Standardabweichung Sta(Ü 1 lung des Investors und bei quadratischer Nutzenfunktion von seinem Vermögen V0 ab. Da von den Risikoeinstellungen algegen hängt die Marktrisikoprämie für den Überschuss Ü 1 ler Investoren auf dem Kapitalmarkt ab, die ihren Niederschlag in dem in (VIII.7) enthalte  ) finden. Außerdem ist für RP (Ü nen Quotienten RPG / Var(M 1G M 1 ) nicht die Standard  ;M  ) , die erabweichung bzw. Varianz von Ü1 relevant, sondern die Kovarianz Kov(Ü 1 1G heblich davon abweichen kann. Insbesondere kann die Kovarianz auch gleich null oder ne nicht aus Sicht eines Indivigativ sein. Im CAPM erfolgt eben die Bewertung von Ü 1 duums, das keine weiteren Papiere hält, sondern aus Sicht vieler Anteilseigner, die einen Anteil am Marktportefeuille halten. Aus diesem Grund darf es nicht verwundern, dass die subjektive Risikoprämie grundsätzlich von der Marktrisikoprämie abweicht. 5. Der Zusammenhang zeigt sich anschaulich für normalverteilte Endwerte P1n und exponentielle Nutzenfunktionen der Investoren auf dem Kapitalmarkt. Es gilt dann: (VIII.8)

RPG  ) Var(M 1G

1 I

,

¦ a1i

i 1

so dass aus (VIII.7) folgt: (VIII.9)

 ) RPM (Ü 1

1 I

¦ i 1

 ;M  ). ˜ Kov(Ü 1 1G

1 ai

Der Betrag der Marktrisikoprämie ist c.p. umso kleiner, je größer die Zahl I der Investoren auf dem Kapitalmarkt und je größer deren Risikotoleranzen 1/ai sind. Dagegen gilt für die (individuelle) subjektive Risikoprämie aus Sicht des betrachteten Investors bei exponentieller Nutzenfunktion: (VIII.10)

 ) RPS (Ü 1

a  ) ˜ Var(Ü 1 2

1 1  ). ˜ ˜ Var(Ü 1 2 1 a

Hier ist der mit 1/2 gewichtete Kehrwert der Risikotoleranz 1/a des Investors maßgeblich, wäh ) der Marktrisikoaversionskoeffizient 1/ I 1 relerend für die Marktrisikoprämie RPM (Ü ¦i 1 ai 1  ;M  ) in (VIII.9) bei positiven Kovarianzen vant ist. Andererseits ist die Kovarianz Kov(Ü 1 1G  ;M  ) in (VIII.10) als einzelne  ) (n = 1,2,...,N) viel höher als die Varianz Var(Ü Kov(Ü 1 1n 1

Individuelle subjektive Bewertung ohne Hedgen des Überschusses des Bewertungsobjekts

315

 ;M  ) kann allerdings auch negativ oder gleich null sein, Größe. Die Kovarianz Kov(Ü 1 1G  während die Varianz von stets Ü1 positiv ist. 6. Wenn der Überschuss des Bewertungsobjekts von Ü auf z ˜ Ü1 steigt (z > 1) oder sinkt  ) z ˜ M (Ü  (z < 1), ergibt sich der Marktwert M 0 (z ˜ Ü 1 0 1 ) für das Bewertungsobjekt. Er ist eine linear steigende Funktion des Niveauparameters z. Man kann diesen Zusammenhang damit begründen, dass für die Marktbewertung zahlreiche Investoren mit sehr kleinen An relevant sind, deren Grenznutzenwerte sich praktisch nicht änteilen am Überschuss z ˜ Ü 1 dern, wenn sich der Niveauparameter z ändert. Wenn es jedoch darum geht, subjektive Grenzpreise für einen individuellen Investor zu ermitteln, ist die Annahme unveränderlicher Grenznutzenwerte nicht zu rechtfertigen. Veränderliche Grenznutzenwerte führen dazu, dass der (individuelle) subjektive Grenzpreis eine konkave Funktion des Niveauparameters  ) positiv, existiert ein kritischer z-Wert z*, für den z ist. Ist die Marktrisikoprämie RPM (Ü 1 der subjektive Grenzpreis mit dem Marktwert übereinstimmt. Für z < z* (z > z*) ist der Grenzpreis größer (kleiner) als der Marktwert. Ab einem bestimmten Wert für z fällt der subjektive Grenzpreis sogar mit steigendem z.  aus dem Es zeigen sich auch hier wieder Probleme für den Fall, dass der Grenzpreis für Ü 1 Preis (dem Marktwert) einer realen Vergleichsinvestition derselben Risikoklasse hergeleitet  werden soll. Auch wenn man den Preis eines Vergleichsobjekts mit dem Überschuss z ˜ Ü 1  kennt, ist für die Ermittlung des subjektiven Grenzpreises für Ü1 wenig gewonnen. Selbst  mit dessen subjektivem Wert übereinstimmen wenn der Marktwert des Überschusses z ˜ Ü 1  ist, sofern sollte, bliebe offen, wie hoch der subjektive Grenzpreis des Überschusses Ü 1 z z 1 gilt; er kann nicht ermittelt werden, indem man den subjektiven Grenzpreis bzw. den  mit 1/z multipliziert. Marktwert für z ˜ Ü 1  nicht durch Portefeuillebildung hedgt, jedoch 7. Wenn der Investor zwar den Überschuss Ü 1

ein optimales Portefeuille hält, falls er das Bewertungsobjekt nicht kauft, ist der individuelle  ) zu bestimmen, bei dem der Investor mit subjektive Grenzpreis als derjenige Preis GPS (Ü 1 dem Bewertungsobjekt denselben Nutzenerwartungswert erzielt wie mit dem optimalen Portefeuille bei Verzicht auf Kauf. Die (kritische) subjektive Risikoprämie ist größer als die für den Fall, dass der Investor auch bei Verzicht auf Kauf kein Portefeuille hält, also das sichere Endvermögen (1  r) ˜ V0 erzielt. Die Differenz beider Risikoprämien kann als Opportunitätskosten für den Verzicht auf Portefeuillebildung bei Kauf interpretiert werden. Entsprechend ist der subjektive Grenzpreis für den Fall, dass der Investor nur bei Verzicht auf Kauf des Bewertungsobjekts keine Wertpapiere hält, niedriger als für den Fall, dass er in jedem Fall keine Papiere hält. 8. Unter den Voraussetzungen des CAPM hält der Investor ohne das Bewertungsobjekt einen Anteil am Marktportefeuille. Der individuelle subjektive Grenzpreis stimmt dann mit dem  ) überein, wenn der Überschuss Ü mit dem Endwert desjenigen PorteMarktwert M 0 (Ü 1 1 feuilles übereinstimmt, das ohne das Bewertungsobjekt für den Investor optimal ist. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, ist der Grenzpreis niedriger als der Marktwert. Die Abweichung ist tendenziell umso größer, je größer das Bewertungsobjekt sowie die Risikoaversion des Investors sind und je mehr die Risikoklasse des Überschusses Ü1 gegenüber der des Marktportefeuilles verzerrt ist.

Kapitel IX Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

1

Problemstellung

In Kapitel VIII wurde der individuelle subjektive Grenzpreis unter der vereinfachenden Annahme betrachtet, dass der Investor überhaupt keine oder nur in Verbindung mit dem Bewertungsobjekt keine Wertpapiere hält. Der individuelle subjektive Grenzpreis hängt jedoch grundsätzlich auch davon ab, wie der Überschuss des Bewertungsobjekts durch Portefeuillebildung mit originären Finanztiteln und Derivaten, die sich darauf beziehen, optimal gehedgt wird. Die Hedgemöglichkeiten hängen ihrerseits davon ab, inwieweit der Überschuss des Bewertungsobjekts dupliziert werden kann und welche Möglichkeiten des Leerverkaufs von Wertpapieren bestehen. Im vorliegenden und dem nachfolgenden Kapitel wird gezeigt, wie unter Berücksich~ tigung eines exogenen Überschusses Ü1 ein optimales Portefeuille ermittelt werden kann, wie es unter verschiedenen Kapitalmarktbedingungen von seinen Determinanten abhängt und wie es von demjenigen Portefeuille abweicht, das ohne den exogenen Über~ schuss Ü1 optimal ist (LAUX/SCHABEL, 2006; 2007). Im vorliegenden Kapitel wird davon ausgegangen, dass der exogene Überschuss durch Portefeuillebildung (vollständig) duplizierbar ist. Im nachfolgenden Kapitel wird der komplexere Fall beschränkter Duplizierbarkeit betrachtet, wobei allenfalls einzelne Komponenten des Überschusses (etwa bestimmte Auszahlungen) duplizierbar sind.1 Der Investor orientiere sich am (P,V)-Prinzip. Zwar wird nicht generell angenommen, dass sich die Wertpapierpreise gemäß den Bewertungsfunktionen des CAPM bilden. Jedoch werden gelegentlich Konkretisierungen vorgenommen, indem diese Bewertungsfunktionen zugrunde gelegt werden. Wir gehen wieder davon aus, dass der Investor keinen Einfluss auf die Wertpapierpreise hat und der Handel mit Wertpapieren (einschließlich Leerverkauf) keine Transaktionskosten verursacht. Im Vordergrund der Darstellungen, die auf dem in Kapitel III, Abschnitt 3, beschriebenen Grundmodell aufbauen, steht die „modifizierte“ Effizienzkurve, die für die Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises und die Analyse seiner Höhe von zentraler Bedeutung ist. Sie gibt an, wie unter Berücksichtigung des exogenen Über~ schusses Ü1 die minimale Varianz oder Standardabweichung des Endvermögens von 1

Aufbauend auf den Darstellungen wird in den Kapiteln XI und XII untersucht, wie der individuelle subjektive Grenzpreis bei optimaler Portefeuillebildung sowohl ohne als auch mit dem Bewertungsobjekt ermittelt werden kann und welche Höhe er aufweist. In Kapitel XV wird untersucht, wie die Darstellungen auf den Mehrperioden-Fall erweitert werden können.

318

Kapitel IX

dessen Erwartungswert abhängt. Ihr Tangentialpunkt mit einer Indifferenzkurve kenn~ zeichnet das optimale Portefeuille mit dem Überschuss Ü1 . In Abschnitt 2 wird die optimale Portefeuillebildung für den Fall betrachtet, dass das Duplikationsportefeuille unbeschränkt leerverkauft werden kann. Es bestehen dann ide~ ale Bedingungen, das aus dem exogenen Überschuss Ü1 resultierende Risiko zu eliminieren. Die modifizierte Effizienzkurve verläuft dann linear. In Abschnitt 3 wird untersucht, wie die modifizierte Effizienzkurve für den Fall ermittelt werden kann, dass überhaupt keine Leerverkäufe vorgenommen werden können, und die Gestalt dieser Kurve in Vergleich zur Basiseffizienzkurve untersucht. Darauf aufbauend werden Implikationen für die optimale Portefeuillebildung gezeigt. In Abschnitt 4 werden die Untersuchungen auf den Fall erweitert, dass immerhin ein Teil der Papiere des Duplikationsportefeuilles und eventuell auch Papiere außerhalb dieses Portefeuilles leerverkauft werden können. Die Darstellungen im vorliegenden und dem nachfolgenden Kapitel zeigen, wie schwierig es ist, die modifizierte Effizienzkurve und den entsprechenden individuellen subjektiven Grenzpreis „exakt“ zu ermitteln. Jedoch muss der „exakte“ Grenzpreis oft gar nicht bekannt sein, um eine vorteilhafte Entscheidung über Kauf oder Verkauf eines Bewertungsobjekts treffen zu können. Zum Beispiel erweist sich der Kauf bei gegebenem Verhandlungspreis bereits dann als vorteilhaft, wenn ein Portefeuille identifiziert werden kann, bei dem der darauf bezogene „relative Wert“ höher ist als dieser Preis (Kapitel XI, Abschnitt 6). Die Darstellungen im vorliegenden und dem nachfolgenden Kapitel, die allgemein zeigen, welche Implikationen die Portefeuillebildung hat, liefern auch die theoretische Grundlage für die Ermittlung relativer Werte. Nach Kauf kann dann immer noch versucht werden, das Risiko des Bewertungsobjekts durch Portefeuillebildung besser (oder optimal) zu hedgen.

2

Portefeuilleplanung bei unbeschränktem Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles

Zunächst wird untersucht, wie das Grundmodell der Portefeuilleplanung zu modifizie~ ren ist, wenn der Überschuss Ü1 nicht direkt verkauft werden kann oder soll. Dabei ~ wird davon ausgegangen, dass der Investor neben dem Überschuss Ü1 nur über das Geldvermögen V0 zum Zeitpunkt 0 verfügt. Wenn er keine Wertpapiere hält, erzielt er ~ ~ ein Endvermögen mit dem Erwartungswert E(V1 ) (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) und der Stan~ dardabweichung Sta ( Ü1 ) . Die betreffende Position entspreche dem Punkt P in Abbildung IX.1.

319

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

~ Sta (V1 ) Basiseffizienzkurve (Referenzlinie)

~ E ( Ü1 )

T

~ Sta ( Ü1 ) z

z

P

z

M 0

z

z

(1  r ) ˜ V0

(1  r ) ˜ G 0

(1  r ) ˜ MWDP

z

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )

z

b/2c

E(V1 )

RPDP

Abb. IX.1: Optimales Portefeuille bei Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles

Wenn – wie angenommen – der Überschuss duplizierbar ist und außerdem das Duplikationsportefeuille ohne weiteres leerverkauft werden kann, ist für die Portefeuilleplanung direkt das Grundmodell (Kapitel III, Abschnitt 3) maßgeblich: Da verkaufte Papiere (ohne Transaktionskosten) zurückgekauft werden können, kann ohne Einschränkung der Allgemeinheit von der Fiktion ausgegangen wer~ den, dass der Leerverkauf vorgenommen und damit das aus Ü1 resultierende Ri~ siko perfekt gehedgt wird. Der exogene Überschuss Ü1 hat dann letztlich nur die Bedeutung, dass er das Geldvermögen beeinflusst, über das der Investor zum Zeitpunkt null verfügt. Für das Geldvermögen G0 nach Leerverkauf gilt: (IX.1)

G0

V0  MWDP ~ V0  (1  r ) 1 ˜ [E ( Ü1 )  RPDP ] . MWDP

Dabei bezeichnet MWDP den Marktwert und RPDP die (Markt-)Risikoprämie des Dup~ likationsportefeuilles. Sie stimmt mit der Marktrisikoprämie RPM ( Ü1 ) des Überschus~ ses Ü1 überein. G0 ist ebenso groß wie für den Fall, dass der Investor den Überschuss ~ Ü1 direkt zum Marktwert verkauft. Bei Anlage des Betrages G0 zum risikolosen Zinssatz r erzielt er gemäß (IX.1) das sichere Endvermögen: (IX.1a)

(1  r ) ˜ G 0

~ (1  r ) ˜ V0  [E ( Ü1 )  RPDP ] . (1 r ) ˜ MWDP

320

Kapitel IX

Dieser Betrag bestimmt den Ausgangspunkt der (linearen) Effizienzkurve im ( P, V )~ Diagramm. Sie kann wie im Grundmodell (ohne den exogenen Überschuss Ü1 ) ermittelt werden. Die für den Fall des unbeschränkten Leerverkaufs maßgebliche modifizierte Effizienzkurve bezeichnen wir wieder als „Basiseffizienzkurve“ oder als „Referenzkurve“ (für das ( P, V )-Diagramm auch als Referenzlinie, weil sie hierin linear verläuft). Es ist zu beachten, dass in der Basiseffizienzkurve explizit nur diejenigen Portefeuilles berücksichtigt werden, die nach Leerverkauf gebildet werden. Die Portefeuilles als Ganzes umfassen auch das leerverkaufte Duplikationsportefeuille, so dass deren Strukturen gegenüber der Struktur der Portefeuilles, die der Basiseffizienzkurve entsprechen, „ver~ zerrt“ sind. Zählt man jedoch zum „Portefeuille“ auch noch den Überschuss Ü1 , der durch Leerverkauf seines Duplikationsportefeuilles eliminiert wird, kommt man jeweils zum Endwert desjenigen Portefeuilles, das nach Leerverkauf erworben wird. Da der Punkt P in Abbildung IX.1 oberhalb der Basiseffizienzkurve liegt, ist das Du~ plikationsportefeuille für Ü1 ineffizient. Sein Risiko pro Einheit Risikoprämie ist höher (und entsprechend seine Risikoprämie pro Risikoeinheit niedriger) als bei den effizienten Portefeuilles gemäß der Basiseffizienzkurve. Optimal ist dasjenige Portefeuille, bei dem diese Kurve eine Indifferenzkurve (die sogenannte Basisindifferenzkurve) tangiert. Es wird hier der Anschaulichkeit halber von quadratischer Nutzenfunktion für das Endvermögen V1 ausgegangen, so dass die Indifferenzkurven die Gestalt konzentrischer Halbkreise haben. Bei gegebener Position von P in Abbildung IX.1 ist (1  r ) ˜ G 0 umso größer, je geringer die Risikoprämie RPDP des Duplikationsportefeuilles ist. Wie die Abbildung III.4 (Kapitel III, Abschnitt 5.2) verdeutlicht, impliziert eine Erhöhung von G0 bzw. von (1  r ) ˜ G 0 in Verbindung mit einer entsprechenden Verschiebung der Basiseffizienzkurve parallel nach rechts, dass die Standardabweichung und somit auch der Umfang des optimalen Portefeuilles (bei quadratischer Nutzenfunktion) sinkt. ~ Wenn sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung für Ü1 ändert, ändert sich grundsätzlich auch die Position des Punktes P, die Höhe von G0 und der Umfang des optimalen Portefeuilles.

3

Portefeuilleplanung ohne Leerverkauf von Wertpapieren

3.1

Möglichkeiten und Grenzen für das Hedgen des exogenen Risikos durch Handel mit Wertpapieren ohne Leerverkauf

Im Folgenden untersuchen wir die Portefeuilleplanung ohne explizite Leerverkäufe von Wertpapieren. Entweder kann sie der Investor nicht vornehmen oder er will nicht, z.B. weil sie prohibitiv hohe Kosten in Form von Ausgaben und/oder durch Einsatz von Arbeit und Zeit verursachen. Wie in Kapitel XI, Abschnitt 3.3, verdeutlicht wird, kann es auch deshalb gerechtfertigt sein, mögliche Leerverkäufe ex ante auszuschließen, weil sie zu Konflikten mit Verleihern (oder den direkten Käufern) der leerverkauften Papiere

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

321

führen können, die dem Investor zusätzliche Risiken aufbürden, statt ihm Risiko abzunehmen. Wenn keine Papiere leerverkauft werden können, bedeutet dies nicht notwendig, dass das Duplikationsportefeuille überhaupt nicht durch „Leerverkäufe“ modifiziert werden kann. Im Duplikationsportefeuille können Papiere mit negativen Beständen enthalten sein, deren „Leerverkauf“ einen Kauf der betreffenden Papiere bedeutet. Für ein Wertpapier n kann der Bestand im Duplikationsportefeuil~ le x1, x 2 ,..., x N selbst dann negativ sein ( x n < 0), wenn der Überschuss Ü1 in jedem Fall positiv ist. ~ Zur Verdeutlichung dient die Matrix IX.1, die zeige, wie der Überschuss Ü1 und die Endwerte zweier Papiere 1 und 2 vom Umweltzustand abhängen: S1

S2

S3

Ü1

1000 (11000)

18000 (22000)

24000 (26000)

P11

120

400

500

P12

50

20

10

Matrix IX.1: Zur Duplikation nichtnegativer Überschüsse mit Portefeuilles mit negativen Wertpapierbeständen

Das Duplikationsportefeuille lautet hier: x1

50 ; x 2

100 . Es gilt nämlich:

50 ˜120  100 ˜ 50 1000, 50 ˜ 400  100 ˜ 20 18000, 50 ˜ 500  100 ˜10

24000 .

Bei Leerverkauf des Portefeuilles kehrt sich das Vorzeichen der Bestände um, so dass gilt: x1 = –50; x2 = 100. Beim Papier 2 erfolgt also kein Leerverkauf, sondern der Kauf von 100 Einheiten; nur das Papier 1, das mit einem positiven Bestand im Duplikationsportefeuille enthalten ist, wird im strengen Sinn leerverkauft. Werden 50 Wertpapiere 1 ~ leerverkauft und 100 Wertpapiere 2 gekauft, wird der Überschuss Ü1 für jeden Zustand kompensiert und der Investor erzielt zum Zeitpunkt 0 den Erlös 50 ˜ P01  100 ˜ P02 . ~ Sind in Matrix IX.1 die in den Klammern angegebenen möglichen Überschüsse Ü1 relevant, lautet das Duplikationsportefeuille: x1 50 ; x 2 100 . Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles impliziert jetzt, dass beide Papiere leerverkauft werden. Wären die in Klammer angegebenen Überschüsse negativ, würde für das Duplikationsportefeuille x1 50 ; x 2 100 gelten. „Leerverkauf“ würde dann den entsprechenden Kauf bedeuten; ein Leerverkaufsverbot hätte keine Relevanz.

322

Kapitel IX

~ Wenn der Überschuss Ü1 in jedem Zustand um einen sicheren Betrag ' steigt (sinkt), ist zur Duplikation zusätzlich die Anlage (Aufnahme) des Betrages x (1  r ) 1 ˜ ' zum risikolosen Zinssatz erforderlich. Leerverkauf bedeutet dann, dass der betreffende Betrag geliehen (angelegt) wird. ~ ~ Ergibt sich der Überschuss Ü1 als Differenz zwischen einer Einzahlung E1 und ei~ ~ ~ ~ ner Auszahlung A1 ( Ü1 E1  A1 ), kann es zweckmäßig sein, zur Analyse der Vorzeichen der Bestände im Duplikationsportefeuille als Ganzes die Duplikationsportefeu~ ~ ~ illes für E1 und A1 getrennt zu betrachten. Wenn z.B. E1 (mit E1 > 0) sicher und A1 unsicher ist, besteht das Duplikationsportefeuille als Ganzes aus einer Anlage des Betrages x (1  r ) 1 ˜ E1 zum risikolosen Zinssatz r und einem Duplikationsportefeuilles ~ für A1 . „Leerverkauf“ des gesamten Duplikationsportefeuilles bedeutet dann, dass ein Kredit in Höhe des Betrages von x aufgenommen wird und die negativen (positiven) ~ Bestände an Papieren des Duplikationsportefeuilles für A1 gekauft (leerverkauft) werden. Wenn dieses Duplikationsportefeuille nur Bestände x n d 0 enthält, ist das Leer~ ~ ~ verkaufsverbot für die Duplikation des Überschusses Ü1 E1  A1 irrelevant, jedoch muss immerhin die Möglichkeit einer entsprechenden Kreditaufnahme bestehen. ~ Wenn E1 ungewiss und A1 (A1 > 0) sicher ist, bedeutet Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles als Ganzes die Anlage des Betrages x (1  r ) 1 ˜ A1 zum Zinssatz r ~ und Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles für E1 . Bei möglichen positiven Einzahlungen muss dieses Portefeuille notwendig positive Wertpapierbestände enthalten, so dass eine Leerverkaufsbeschränkung der Eliminierung des Risikos entgegensteht. ~ ~ Sind sowohl E1 als auch A1 ungewiss, sind in beiden Duplikationsportefeuilles ris~ kante Papiere n enthalten. Bezeichnet man das Duplikationsportefeuille für E1 mit ~ E E A A A A x1E , x E 2 ,..., x N ; x und das für A1 mit x1 , x 2 ,..., x N ; x , gilt für das DuplikationsE A portefeuille als Ganzes: x n x n  x n (n = 1,2,…,N) und x x E  x A . Wenn x n d 0 (n = 1,2,…,N) gilt, bedeutet „Leerverkauf“ des Duplikationsportefeuilles, dass die Bestände x n ! 0 gekauft werden; wieder erfolgt kein „echter“ Leerverkauf. Wenn für ein A Papier x n x E n  x n ! 0 gilt, sind x n Einheiten streng leerzuverkaufen. Bei entsprechenden Endwertvektoren der Papiere gibt es unter Umständen unendlich ~ ~ ~ ~ ~ viele Möglichkeiten E1 und/oder A1 (und mithin Ü1 E1  A1 ) zu duplizieren. Bei beschränktem Leerverkauf ist es dann nicht gleichgültig, welches Duplikationsportefeu~ ~ ille gewählt wird. E1 und A1 sollten möglichst so dupliziert werden, dass das aus dem ~ Überschuss Ü1 resultierende Risiko durch Kauf von riskanten Wertpapieren gehedgt werden kann.

3.2

Ermittlung effizienter Portefeuilles durch Modifikation des Grundmodells

Im Folgenden wird untersucht, wie die modifizierte Effizienzkurve ohne (echte) Leerverkäufe ermittelt werden kann. Auf den Darstellungen aufbauend wird in Abschnitt 4 der Fall betrachtet, dass bei einzelnen Papieren (echte) Leerverkäufe vorgenommen werden können. Ohne Einschränkung der Allgemeinheit nehmen wir stets an, dass ~ sämtliche Risikoprämien E (P1n )  (1  r ) ˜ P0n positiv sind. Dies bedeutet, dass für jedes

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

323

Papier n (n = 1,2,…,N) der Erwartungswert der Rendite, d.h. der risikoangepasste Zins~ satz, mit dem E(P1n ) vom „Markt“ diskontiert wird, höher als r ist.2 Definitionsgemäß gibt die modifizierte Effizienzkurve an, wie unter Berücksichti~ gung des exogenen Überschusses Ü1 die minimale Varianz bzw. Standardabweichung des Endvermögens von dessen Erwartungswert abhängt; ihr Tangentialpunkt mit einer Indifferenzkurve charakterisiert das optimale Portefeuille mit diesem Überschuss. Die modifizierte Effizienzkurve im (P,V2)-Diagramm ist bei gegebener Wahrschein~ ~ lichkeitsverteilung für Ü1 zu ermitteln, indem für alternative Erwartungswerte E(V1 ) ~ dasjenige Portefeuille bestimmt wird, das unter Berücksichtigung von Ü1 die geringste ~ Varianz Var(V1 ) für das Endvermögen aufweist. Wenn der Investor keine Wertpapiere ~ ~ ~ ~ hält, gilt E(V1 ) (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) und Var (V1 ) Var ( Ü1 ) . Da annahmegemäß alle Risikoprämien positiv sind, kann für die Ermittlung der modifizierten Effizienzkurve ~ ~ ohne Leerverkäufe nur der Bereich E(V1 ) t (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) in Betracht kommen. Zieht man aus jeder Varianz die positive Wurzel, erhält man jeweils die Standardabweichung des Endvermögens und die entsprechende modifizierte Effizienzkurve im (P,V)-Diagramm. Wie noch gezeigt wird, kann die minimale Varianz zunächst sinken, wenn ausgehend ~ ~ von (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) der Erwartungswert E(V1 ) durch Portefeuillehaltung sukzessive erhöht wird. Die modifizierte Effizienzkurve für das (P,V2)-Diagramm (bzw. (P,V)~ Diagramm) beginnt dann erst bei jenem Wert für E(V1 ) , von dem an mit steigendem ~ ~ E(V1 ) die Varianz (die Standardabweichung) von V1 wieder steigt. Wie noch gezeigt wird, kann dann die modifizierte Effizienzkurve ermittelt werden, indem das Portefeuille mit der absolut kleinsten Varianz bestimmt wird und dann nur noch für jene Erwar~ tungswerte E(V1 ) jeweils das Portefeuille mit der kleinsten Varianz bestimmt wird, die höher sind als der Erwartungswert für das Portefeuille mit der absolut kleinsten Varianz. Von dieser technischen Vereinfachungsmöglichkeit soll zunächst abgesehen werden. ~ ~ Man erhält das einem Erwartungswert E(V1 )* t (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) des Endvermögens entsprechende Portefeuille mit minimaler Varianz, indem die Varianz (IX.2)  ) Var(V 1

N

N

N

¦ ¦ x n ˜ x m ˜ Kov(P1n ; P1m )  2 ˜ Kov(Ü 1; ¦ x n ˜ P1n )  Var(Ü 1) n 1 m 1

2

n 1

Positive Risikoprämien implizieren im CAPM, dass für jedes Papier n (n = 1,2,…,N) die Kovarianz  ) zwischen P und dem Endwert M  Kov(P1n ; M 1G 1n 1G des Marktportefeuilles positiv ist. Trotzdem können einzelne Kovarianzen Kov(P1n ; P1m ) negativ sein, was von Bedeutung für das Hedgen des  resultierenden Risikos ist. Gemäß den Darstellungen in Kapitel IV, Abschnitt 5.3.2.1, gilt aus Ü 1  ) Kov(P1n ; M 1G

Var(P1n ) ,

wenn sämtliche Kovarianzen Kov(P1n ; P1m ) ( m z n ) gleich null sind. Wenn der Endwert des Papiers n von den Endwerten aller anderen Papieren stochastisch unabhängig ist, ist seine Risikoprämie zwar positiv, jedoch sie kann vernachlässigbar gering sein.

324

Kapitel IX

 ) Var(V 1

N

N

N

¦ ¦ x n ˜ x m ˜ Kov(P1n ; P1m )  2 ˜ ¦ x n ˜ Kov(Ü 1; P1n )  Var(Ü 1 ) n 1 m 1

n 1

unter den Nebenbedingungen3 (IX.3)

N ~ ~ (1  r ) ˜ V0  E ( Ü1 )  ¦ x n ˜ [E(P1n  (1  r ) ˜ P0 ]

~ E(V1 )*

n 1

 )  )* t (1  r) ˜ V  E(Ü mit E(V 1 0 1 und (IX.4)

xn t 0

(n = 1,2,…,N)

minimiert wird. ~ ~ Dieser Ansatz erfordert zusätzlich zu den Kovarianzen Kov(P1n ; P1m ) die Schätzung ~ ~ ~ der Kovarianzen Kov( Ü1 ; P1n ) sowie der Varianz Var ( Ü1 ) . Diese Schätzungen kön~ nen umgangen werden, indem an Stelle des Überschusses Ü1 dessen Duplikationsportefeuille x1, x 2 ,..., x N (ohne Berücksichtigung von x , d.h. einer Anlage oder Aufnahme von Kapital zum risikolosen Zinssatz im Rahmen dieses Portefeuilles4) explizit in die Portefeuilleplanung einbezogen wird. Dabei wird von der Fiktion ausgegangen, das Duplikationsportefeuille werde leerverkauft und dann ein Portefeuille gebildet, in dem vom Papier n (n = 1,2,…,N) mindestens der Bestand x n enthalten ist. Im Rahmen der Portefeuilleplanung wird also der fiktive Leerverkauf wieder rückgängig gemacht. ~ Statt des Überschusses Ü1 in Verbindung mit Ergänzungsportefeuilles werden nun explizit äquivalente Portefeuilles bestehend aus dem Duplikationsportefeuille als Repräsentant dieses Überschusses und wiederum den Ergänzungsportefeuilles betrachtet. Zu minimieren ist nun statt (IX.2) die Varianz (III.3)

(III.3)

~ Var(V1 )

~

Var ( WP1 ) N

N

~

~

¦ ¦ x n ˜ x m ˜ Kov(P1n ; P1m ) n 1m 1

(Kapitel III, Abschnitt 3.2) des Endwertes des Portefeuilles, wobei jetzt an die Stelle von (IX.3) und (IX.4) die Nebenbedingungen (IX.5)

N ~ (1  r ) ˜ G 0  ¦ x n ˜ [E(P1n )  (1  r ) ˜ P0n ]

~ E(V1 )*

n 1 3

4

Zur Ermittlung der Risikoprämien E(P1n )  (1  r) ˜ P0n auf der Basis der Bewertungsfunktionen des CAPM, vgl. Kapitel IV, Abschnitt 5.4.3. Diese Anlage oder Aufnahme kann deshalb ohne Einschränkung der Allgemeinheit vernachlässigt werden, weil sie keine Risikoprämie bietet.

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

325

~ ~ mit E(V1 )* t (1  r ) ˜ V0  E ( Ü1 ) und (IX.6)

xn t xn

(n = 1,2,…,N)

treten. G0 bezeichnet das Geldvermögen, über das der Investor nach fiktivem Verkauf des Duplikationsportefeuilles verfügt: G0

V0  MWDP

~ V0  (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 )  RPDP ] .

Um den Vergleich mit den Darstellungen in Kapitel III zu erleichtern, wird die Nebenbedingung (IX.5) durch folgende äquivalente Bedingung ersetzt: N

(IX.7)

~

¦ x n ˜ [E(P1n )  (1  r ) ˜ P0n ] RPp*

mit RPp* t RPDP .

n 1

Hier werden für die Ermittlung effizienter Portefeuilles alternative Risikoprämien für das Portefeuille vorgegeben. ~ Da jedes Portefeuille das Duplikationsportefeuille für Ü1 als Teilmenge enthalten muss und alle Papiere positive Risikoprämien bieten, ist es nicht möglich, eine PortefeuilleRisikoprämie zu realisieren, die kleiner ist als die des Duplikationsportefeuilles. Effiziente Portefeuilles sind daher nur für den Bereich RPp* t RPDP definiert. Für RPp* RPDP führt das Modell zum Duplikationsportefeuille, womit der Erwartungs~ wert (1  r ) ˜ V0  E ( Ü1 ) des Endvermögens in der Ausgangssituation erzielt wird. Für RPp* ! RPDP ergibt sich ein Portefeuille mit zusätzlichen Papieren. Die Ermittlung eines effizienten Portefeuilles ist eine relativ einfache quadratische Programmierungsaufgabe mit linearen Nebenbedingungen. Im Folgenden sollen allgemeine Struktureigenschaften effizienter Portefeuilles und Implikationen für den Verlauf der modifizierten Effizienzkurve untersucht werden.

3.3

Struktureigenschaften effizienter Portefeuilles [*]

3.3.1

Die Effizienzbedingungen

Analog zu (III.25), (III.26) und (III.27) (Kapitel III. Abschnitt 6) stellen nach dem Theorem von KUHN und TUCKER (KISTNER, 2003, S. 129 ff.) die Zahlen x1* , x*2 ,..., x*N genau dann eine optimale Lösung des Optimierungsprogramms (III.3), (IX.6) und (IX.7) dar, wenn es eine Zahl O* gibt und folgende Bedingungen gelten: (IX.8.n)

N x*n t x n und 2 ˜ ¦ x*m ˜ Kov(P1n ;P1m ) O* ˜ [E(P1n )  (1  r) ˜ P0n ] m 1

oder

326

Kapitel IX

N

x n und 2 ˜ ¦ x*m ˜ Kov(P1n ;P1m ) ! O* ˜ [E(P1n )  (1  r) ˜ P0n ]

x*n

(IX.9.n)

m 1

(n = 1,2,…,N) und N ! O*  0 und ¦ x*m ˜[E(P1n )  (1  r) ˜ P0n ] RPp* .

(IX.10)

m 1

Der Faktor O* gibt wieder an, wie sich die minimale Varianz ändert, wenn ausgehend von der Risikoprämie RPp* bzw. vom Portefeuille x1* , x*2 ,..., x*N die Risikoprämie um eine marginale Einheit erhöht und dabei wieder ein Portefeuille mit minimaler Varianz bestimmt wird. Falls die minimale Varianz zunächst sinkt, wenn das Duplikationsportefeuille um Wertpapiere erweitert wird, ist der Faktor O* zunächst negativ, er wird dann gleich null und anschließend positiv. Die Varianz eines Portefeuilles, das gegenüber dem Duplikationsportefeuille (als Rep ) zusätzliche Papiere enthält, kann allerdings nur dann räsentant des exogenen Überschusses Ü 1  ), wenn die kleiner sein als die Varianz des Duplikationsportefeuilles (d.h. die Varianz von Ü 1 Endwerte einiger oder aller zusätzlichen Papiere negativ mit dem Endwert des Duplikationspor ) korreliert sind. tefeuilles (dem Überschuss Ü 1 Zur Erläuterung der alternativen O-Werten entsprechenden effizienten Portefeuillebeständen wird die Menge der Papiere, für die die Untergrenze x n streng bindend ist (d.h. durch Leerverkauf eine bessere (P,V)-Kombination erreicht werden könnte) mit Msb bezeichnet: Für die betreffenden Papiere gilt N

(IX.11.n)

2 ˜ ¦ x*m ˜ Kov(P1n ;P1m ) ! O* ˜ [E(P1m )  (1  r) ˜ P0m ]

(für alle n  Msb)

m 1

und für alle anderen: N

(IX.12.n)

2 ˜ ¦ x*m ˜ Kov(P1n ;P1m ) O* ˜ [E(P1m )  (1  r) ˜ P0m ]

(für alle n  Msb).

m 1

(IX.11) und (IX.12) bezeichnen ein System aus insgesamt N Gleichungen oder Ungleichungen.

3.3.2

Fall O* < 0

Im Fall O*  0 bzw. | O* | ! 0 muss für die Papiere n, bei denen die Untergrenze x n nicht streng bindend ist, gemäß (IX.12.n) gelten: (IX.13.n)

N 2 ˜ ¦ x*m ˜ Kov(P1n ;P1m )  | O* | ˜[E(P1n )  (1  r) ˜ P0n ]

(n  Msb).

m 1

Für die Papiere, für die die Untergrenze streng bindend ist, gilt gemäß (IX.11.n): (IX.14.n)

N 2 ˜ ¦ x*m ˜ Kov(P1n ;P1m ) !  | O* | ˜[E(P1n )  (1  r) ˜ P0n ] m 1

(n  Msb).

327

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

Da annahmegemäß sämtliche Risikoprämien positiv sind, muss gemäß (IX.13.n) für alle Papiere n, für die x*n ! x n gilt, die Grenzvarianz negativ sein. Sind alle Kovarianzen positiv, kann im  ) kein Portefeuille existieren, für das die minimale Varianz kleiner ist als  ) ! E(Ü Bereich E(V 1 1  ) ). die Varianz ohne Portefeuillebildung (also die Varianz Var(Ü 1

3.3.3

Fall O* = 0

Für O* 0 gilt gemäß (IX.12.n) für die Papiere n, bei denen die Untergrenze x n nicht streng bindend ist: N

(IX.15.n)

¦ x*m ˜ Kov(P1n ;P1m ) 0

(n  Msb).

m 1

Für alle Papiere n mit strenger Bindung der Untergrenze gilt gemäß (IX.11.n): N

(IX.16.n)

¦ x*m ˜ Kov(P1n ;P1m ) ! 0

(n  Msb).

m 1

Im Portefeuille sind jetzt nur solche Papiere mit einem Bestand x*n ! x n enthalten, für die die Grenzvarianz gleich null ist. Für Papiere mit strenger Bindung der Untergrenze ist die Grenzvarianz positiv; hier könnte durch Leerverkauf die Varianz verkleinert werden. Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass im Fall O* 0 für die Struktureigenschaft des effizienten Portefeuilles die Risikoprämien E(P1n )  (1  r) ˜ P0n keine Rolle spielen. Es ist jedoch zu beachten, dass für O* 0 das Portefeuille x1* , x*2 ,..., x*N die absolut kleinste Varianz aufweist. Dieses Portefeuille kann ermittelt werden, indem die Varianz (IX.3) des Portefeuilles  ) unter Berücksichtigung von (IX.6) minimiert wird. Da hierbei kein exogener Wert für E(V 1 bzw. die Risikoprämie RPp vorgegeben wird (es soll eben das Portefeuille mit der absolut kleinsten Varianz ermittelt werden), entfällt die Nebenbedingung (IX.5) bzw. (IX.7), so dass die Risikoprämien irrelevant sind. (Bei beliebigen Leerverkaufsmöglichkeiten wäre die absolut kleinste Varianz gleich null).5 Wenn alle Kovarianzen Kov(P1n ;P1m ) positiv sind, ist das Portefeuille mit der absolut kleinsten Varianz das Duplikationsportefeuille; nur durch Leerverkäufe könnte demgegenüber die Varianz verkleinert werden. Für jedes Papier n gilt dann die Bedingung (IX.16.n). Sind einige Kovarianzen Kov(P1n ;P1m ) negativ, enthält das Portefeuille mit der absolut kleinsten Varianz von einem Teil der Wertpapiere mehr als x n Einheiten. Für die betreffenden Papiere gilt die Gleichung (IX.15.n).

3.3.4

Fall O* > 0

Wird ausgehend von dem Portefeuille mit der absolut kleinsten Varianz der Erwartungswert  ) bzw. die Risikoprämie sukzessive erhöht, steigt die Varianz des Endvermögens. Für jeE(V 1

des dieser (effizienten) Portefeuilles ist O* positiv und umso größer, je größer die angestrebte

5

Die Darstellungen setzten voraus, dass genau ein Portefeuille mit absolut kleinster Varianz existiert. Gibt es mehrere solcher Portefeuilles, ist dasjenige effizient, das die höchste Risikoprämie bietet, so dass dann die Risikoprämien für die Ermittlung des Punktes auf der Effizienzkurve mit der kleinsten Varianz doch eine Rolle spielen. Es ist zu beachten, dass (IX.15.n) und (IX.16.n) notwendige Bedingungen dafür sind, dass einem Portefeuille die kleinste Varianz entspricht, dass sie aber nicht hinreichend für die Effizienz dieses Portefeuilles sind.

328

Kapitel IX

Risikoprämie ist. Für den betreffenden Bereich lassen sich die Bedingungen (IX.8.n), (IX.9.n) und (IX.10) analog interpretieren wie für den in Kapitel III, Abschnitt 6, betrachteten Fall, dass alle Untergrenzen x n gleich null sind. Bei den folgenden graphischen Analysen wird davon ausgegangen, dass im Duplikationspor nur solche riskanten Papiere mit positivem Bestand x ! 0 enthalten sind, die tefeuille für Ü 1 n  effizient sind. Es gilt mit positiven Beständen auch in jene Portefeuilles eingehen, die ohne Ü 1 dann: Ab einer bestimmten Risikoprämie enthalten diese Portefeuilles das Duplikationsporte als Teilmenge, so dass ab dieser Risikoprämie keine der Untergrenzen x ! 0 feuille für Ü 1 n mehr streng bindend ist. Es wird sich zeigen: Wenn die Risikoprämie ausgehend von RPDP sukzessive erhöht wird, nähert sich die Struktur des effizienten Portefeuilles unter Berücksichtigung des Überschusses  bzw. seines Duplikationsportefeuilles immer mehr der ohne Ü  effizienten PortefeuilleÜ 1 1 struktur, bis sie schließlich ab einer kritischen Risikoprämie damit übereinstimmt; Leerverkäufe verlieren tendenziell immer mehr an Gewicht.

3.4

Analyse der modifizierten Effizienzkurve

3.4.1

Vorüberlegungen: Konvexkombinationen von riskanten Portefeuilles als Basiselemente der Ermittlung von Effizienzkurven

Es werden nun Eigenschaften der modifizierten Effizienzkurve untersucht. Dabei wird ~ gezeigt, welche Papiere für alternativ angestrebte Erwartungswerte E(V1 ) bzw. Risiko~ prämien jeweils relativ gut geeignet sind, das mit Ü1 verbundene Risiko zu hedgen. Wenn man die Zusammenhänge kennt, kann man das Modell der Portefeuilleplanung vereinfachen, indem man Papiere vernachlässigt, die wenig zur Effizienzverbesserung beitragen. Da die modifizierte Effizienzkurve gemeinsam mit der Risikoeinstellung des Investors den subjektiven Grenzpreis determiniert, geben die Darstellungen auch Orientierung für Vereinfachungen bei dessen Ermittlung oder Schätzung. Zur Analyse des Verlaufs der modifizierten Effizienzkurve werden zunächst einige Vorüberlegungen angestellt: Der Entscheider habe die Wahl zwischen zwei riskanten Portefeuilles A und B oder zwei riskanten Positionen P(P A ; V 2A ) und P(P B ; V 2B ) , die (wie noch näher erläutert wird) beliebig miteinander konvex kombiniert werden können. ~ Dabei bezeichnet PA ( V 2A ) den Erwartungswert (die Varianz) des Endvermögens V1 bei alleiniger Realisation der Position P(P A ; V 2A ) . Das Entsprechende gilt für PB ( V 2B ). Ohne Einschränkung der Allgemeinheit wird davon ausgegangen, es gelte P B ! P A . (Die Darstellungen gelten für P A ! P B analog.) Das Endvermögen bei alleiniger Realisation der Portefeuilles A (der Position ~ P(P A ; V 2A ) ) wird im Folgenden mit V1A bezeichnet, das Endvermögen bei alleiniger ~ Realisation des Portefeuilles B (der Position P(P B ; V 2B ) ) mit V1B . Es gilt somit: PA PB

~ E(V1A ), V 2A ~ E(V1B ), V 2B

~ Var(V1A ), ~ Var(V1B ).

Eine Konvexkombination der beiden Positionen besteht nun darin, dass von beiden Positionen ein nichtnegativer Teil realisiert wird, wobei sich beide Teile zu eins addieren.

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

329

Zum Beispiel werden von der Position P(P A ; V 2A ) ein Drittel und von der Position P(P B ; V 2B ) zwei Drittel ins Programm aufgenommen. Wird der Teil der riskanten Position P(P B ; V 2B ) , der in der Konvexkombination enthalten ist, mit z ( 0 d z d 1 ) bezeichnet, gilt für den Erwartungswert des Endvermögens: (IX.17)

~ E(V1 )

(1  z) ˜ P A  z ˜ P B

P A  z ˜ (P B  P A ) .

(1  z) gibt an, welcher Teil der Position P(P A ; V 2A ) realisiert wird. Da annahmegemäß ~ PB > PA gilt, ist E(V1 ) eine linear steigende Funktion von z. Für die Varianz des Endvermögens der Konvexkombination gilt: (IX.18)

~ Var(V1 )

(1  z) 2 ˜ V 2A  2U ˜ (1  z) ˜ z ˜ V A ˜ V B  z 2 ˜ V 2B ,

~ ~ wobei U den Korrelationskoeffizienten zwischen V1A und V1B bezeichnet. Die Varianz ist für 0 < z < 1 eine linear steigende Funktion von U. Für die erste Ableitung von (IX.18) nach z gilt: (IX.19)

~ dVar(V1 ) dz

(2 ˜ z  2) ˜ V 2A  2 ˜ U ˜ (1  2 ˜ z) ˜ V A ˜ V B  2 ˜ z ˜ V 2B .

Hieraus folgt: (IX.20)

~ dVar(V1 ) dz

2 ˜ z ˜ (V 2A  2 ˜ U ˜ V A ˜ V B  V 2B )  2 ˜ V A ˜ (U ˜ V B  V A ) .

In der ersten Klammer auf der rechten Seite von (IX.20) steht die Varianz der Differenz ~ ~ V1A  V1B . Diese Varianz ist eine fallende Funktion von U, jedoch stets positiv (wenn ~ U > –1). Somit ist dVar(V1 ) / dz eine linear steigende Funktion von z; die Kurve, die ~ angibt wie Var(V1 ) von z abhängt, verläuft konvex in der Gestalt einer Parabel. An der Stelle z = 0 gilt gemäß (IX.20) für die Steigung: (IX.21)

~ dVar(V1 ) dz

2 ˜ V A ˜ (U ˜ V B  V A ) .

Sie ist umso höher, je höher U ist. Für U V A / V B ist sie gleich null, für U  V A / V B ist sie negativ und für U ! V A / V B positiv. Die Abbildung IX.2 verdeutlicht mögliche ~ Verläufe für die aus Konvexkombinationen resultierenden Varianzen Var(V1 ) des Endvermögens.

330

Kapitel IX

~ Var(V1 ) P (P B ; V 2B )

z

U ! VA / VB U

VA / VB

P(P A ; V 2A ) z U  VA / VB

0 z

z

z

z

PA

~ E (V1 )*

PB

0

z 1

~ E (V1 ) z

Abb. IX.2: Zur Bildung effizienter (P,V2)-Kombinationen durch Konvexkombinationen zweier riskanter Positionen P( P A ;V A2 ) und P( P B ;V B2 )

~ ~ Wie gezeigt, ist E(V1 ) eine linear steigende Funktion von z. Für E(V1 ) P A gilt ge~ ~ ~ * mäß (IX.17) z = 0, für E(V1 ) P B gilt z = 1 und für E(V1 ) E(V1 ) gilt: z

~ E (V1 )*  P A . PB  PA

Für die Standardabweichung des Endvermögens gilt: (IX.18.a)

 ) Sta(V 1

2 2 .  (1  z) 2 ˜ VA  2 ˜U ˜ (1  z) ˜ z ˜ VA ˜ VB  z 2 ˜ VB

Für jedes z (0 < z < 1) ist die Standardabweichung der Konvexkombination wie ihre Varianz eine steigende Funktion des Korrelationskoeffizienten U (Abbildung IX.3). Für U = 1 folgt aus (IX.18.a): (IX.22)

~ Sta (V1 )

(1  z) ˜ V A  z ˜ V B

V A  z ˜ (V B  V A ) ! 0 .

~ Gilt – wie in Abbildung IX.3 – die Relation V B ! V A , ist Sta (V1 ) für U = 1 eine linear ~ steigende Funktion von z. Da auch E(V1 ) eine linear steigende Funktion von z ist, folgt ~ ~ unmittelbar: Sta (V1 ) ist eine linear steigende Funktion von E(V1 ) . In Abbildung IX.3 wird die Menge der effizienten (P,V)-Kombinationen für U = 1 durch die Strecke P( P A ; V A ) P( P B; V B ) dargestellt. ~ Gilt V A ! V B (und weiterhin PB > PA), ist für U =1 die Standardabweichung Sta (V1 ) ~ eine linear fallende Funktion von E(V1 ) . Effizient ist dann nur die „reine“ Position 6 P( P B; V B ) (mit z = 1). 6

Im Fall V A ! V B ist der Ordinatenwert des Punktes P(P B ; V B ) niedriger als der des Punktes P(P A ; V A ) . Die Steigung der Strecke P(P A ; VA )P(P B ; VB ) ist dann negativ. Da für U = 1 nur (P,V)-Konstellationen auf dieser Strecke realisierbar sind, kann nur der Punkt P(P B ; V B ) eine effi-

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

~ Sta (V1 )

331

P(P B ; V B ) z

U 1

P(P A ; V A ) z

U1 U2 U3

z

0

PA (z

0)

U3  U 2  U1  U

z

PB (z 1)

~ E(V1 ) (z)

Abb. IX.3: Zur Bildung effizienter (P,V)-Konstellationen durch Konvexkombinationen zweier riskanter Positionen, P(PA;V$) und P(PB;V%)

In Abbildung IX.4 sind drei riskante Positionen (PA,PB und PC) dargestellt, aus denen beliebige Konvexkombinationen gebildet werden können. Der Anteil der riskanten Position PA (PB bzw. PC) an der Konvexkombination wird mit zA (zB bzw. zC) bezeichnet. Dabei gilt: zA + zB + zC = 1 und zA t 0, zB t 0 und zC t 0. Die Kurve PAPB in Abbildung IX.4 bringt zum Ausdruck, welche (P,V)-Konstellationen durch Konvexkombination der „reinen“ Positionen PA und PB realisierbar sind (dabei gilt jeweils yC = 0). Das Analoge gilt für die Kurven PAPC (mit zB = 0) und PBPC (mit zA = 0). Auch Konvexkombinationen aus reinen Positionen können miteinander konvex kombiniert werden. Die Kurve P1PC z.B. zeigt, welche (P,V)-Positionen erreicht werden können, indem die dem Punkt P1 entsprechende Konvexkombination mit der reinen Position PC kombiniert wird. Die Kurve P2P3 bringt zum Ausdruck, welche (P,V)Positionen durch Konvexkombination derjenigen Konvexkombinationen erreichbar sind, die den Punkten P2 und P3 entsprechen. Bei Ausnutzung aller Kombinationsmöglichkeiten ergibt sich eine konvexe „Umhüllende“, die zeigt, welche mini~ male Standardabweichung für die möglichen E(V1 ) -Werte durch Konvexkombination der Positionen PA, PB und PC letztlich erzielbar ist. (Vgl. die gestrichelte Kurve in Abbildung IX.4.)

ziente Position darstellen; bei Punkten auf der Strecke P(P A ; VA )P(P B ; VB ) links von P(P B ; V B ) ist der Erwartungswert niedriger und die Standardabweichung höher. (Es ist zu beachten, dass hier nur Konvexkombinationen betrachtet werden, für die 0 d z d 1 gilt.)

332

Kapitel IX

~ Sta (V1 ) PB PA

z

P1

z

z

P2z

PC z

P4 Ümhüllende

P3

P5

z

z

z

z

P6

~ E (V1 )

0

Abb. IX.4: Zur Ermittlung effizienter Portefeuilles

Hat der Entscheider keine anderen Aktionsmöglichkeiten, stimmt die Effizienzkurve mit demjenigen Teil der Umhüllenden überein, der rechts von ihrem Minimum verläuft.

3.4.2

Allgemeine Gestalt der modifizierten Effizienzkurve

3.4.2.1 Konvexkombinationen zwischen Portefeuilles als Elemente der modifizierten Effizienzkurve

Aufbauend auf den Darstellungen in Abschnitt 3.4.1 lässt sich anschaulich die prinzipielle Gestalt der modifizierten Effizienzkurve (unter Berücksichtigung des Überschus~ ses Ü1 ) im (P,V)-Diagramm für den Fall analysieren, dass dieser Überschuss duplizier~ bar ist und entsprechend umfangreiche effiziente Portefeuilles ohne den Überschuss Ü1 dessen Duplikationsportefeuille als Teilmenge enthalten. Zunächst gehen wir davon aus, Leerverkäufe seien ausgeschlossen. Zwar kann dann das Duplikationsportefeuille nicht leerverkauft werden. Trotzdem vergleichen wir die modifizierte Effizienzkurve mit der Basiseffizienzkurve (als Referenzlinie), die sich ergäbe, wenn der Investor das Duplikationsportefeuille vollständig ~ leerverkaufte oder – was auf dasselbe hinausläuft – den Überschuss Ü1 direkt zum virtuellen Marktwert verkaufte. Dieser Vergleich ist vor allem auch für die Analyse von Abweichungen zwischen dem Marktwert eines Bewertungsobjekts mit dem Überschuss ~ Ü1 und seinem individuellem subjektivem Grenzpreis bei potenziellem Kauf oder Verkauf von Bedeutung (Kapitel XI und XII). Ohne Leerverkäufe sind für die Ermittlung der modifizierten Effizienzkurve nur ~ das Duplikationsportefeuille DP für Ü1 (als Repräsentant dieses Überschusses) und Portefeuilles relevant, die neben dem Duplikationsportefeuille eine Menge MZW zusätzlicher Papiere enthalten. Dabei enthält eine Konvexkombination solcher Portefeuilles wiederum zwangsläufig das Duplikationsportefeuille DP, was deshalb von Bedeutung ist, weil das Duplikationsportefeuille oder Teile davon nicht leerverkauft werden dürfen.

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

333

Zur Verdeutlichung werden die Portefeuilles A und B mit den Mengen MZWA und MZWB zusätzlicher Papiere konvex kombiniert. Es gilt: (1  z) ˜ (DP  MZWA )  z ˜ (DP  MZWB )

DP  (1  z) ˜ MZWA  z ˜ MZWB .

Die Konvexkombination besteht also aus dem Duplikationsportefeuille DP und einer Konvexkombination der beiden Mengen zusätzlicher Papiere. 3.4.2.2 Modifizierte Effizienzkurve bei ausschließlich nichtnegativen Kovarianzen (a) Allgemeine Charakteristik

Bei der graphischen Analyse des Verlaufs der modifizierten Effizienzkurve ohne Leerverkauf wird ohne Einschränkung der Allgemeinheit angenommen, dass das Duplikati~ onsportefeuille für Ü1 nur nichtnegative Bestände an riskanten Papieren enthält: x1 t 0 , x 2 t 0 ,…, x N t 0 . Da alle Papiere n eine positive Risikoprämie E(P1n )  (1  r) ˜ P0n bieten, ist folglich die Risikoprämie RPDP des Duplikationsportefeuilles positiv. ~ ~ Sind alle Kovarianzen Kov(P1n ; P1m ) bzw. Korrelationen U(P1n ; P1m ) nichtnegativ, ist dann für jedes Portefeuille, welches das Duplikationsportefeuille als echte Teilmenge ~ enthält, die Standardabweichung des Endvermögens höher als Sta ( Ü1 ) und (da annahmegemäß die Risikoprämien aller Papiere positiv sind) der Erwartungswert des End~ vermögens höher als (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) .  ) beträgt: Interpretation: Die Kovarianz Kov(P1n ; Ü 1 (IX.23)

 ) Kov(P1n ; Ü 1

N

Kov(P1n ; ¦ x m ˜ P1m ) m 1

N

¦ x m ˜Kov(P1n ; P1m ) . m 1

 ) t 0 , wenn – wie angenommen – alle Kovarianzen Somit gilt Kov(P1n ; Ü 1 ~ ~ Kov(P1n ; P1m ) nichtnegativ sind und im Duplikationsportefeuille nur nichtnegative Bestände an riskanten Papieren enthalten sind. Ist x n positiv, gilt wegen  ) ! 0 , andernfalls bereits dann, Kov(P1n ; P1n ) Var(P1n ) ! 0 die Relation Kov(P1n ; Ü 1 ~ ~ wenn für ein einziges Papier m  n mit x m ! 0 die Kovarianz Kov(P1n ; P1m ) positiv ist. Im Folgenden wird realistischerweise davon ausgegangen, es gelte  ) ! 0 für jedes n (n = 1,2,…,N).7 Kov(P1n ; Ü 1 Die Steigung der modifizierten Effizienzkurve im Punkt P in Abbildung IX.5, der ~ dem reinen Duplikationsportefeuille (bzw. dem Überschuss Ü1 ) entspricht, ist dann positiv.

7

Diese Bedingung kann gemäß (IX.23) auch bei negativen Kovarianzen gelten, sofern im Duplikationsportefeuille negative Wertpapierbestände – also entsprechende Leerverkäufe – enthalten sind. Mit dem Einfluss von Leerverkäufen einzelner Papiere auf die modifizierte Effizienzkurve befasst sich Abschnitt 4.

334

Kapitel IX

~ Sta (V1 )

modifizierte Effizienzkurve

z

T

P

~ Sta ( Ü1 ) z

z

Basiseffizienzkurve (Referenzlinie) z

0

z

(1  r ) ˜ G 0

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )

~ E(V1 )

RPDP

Abb. IX.5: Modifizierte Effizienzkurve bei ausschließlich nichtnegativen Kovarianzen bzw. nichtnegativen Korrelationen ohne Leerverkauf von Papieren

G0 bezeichnet wieder das Geldvermögen, über das der Investor bei Verkauf des Duplikationsportefeuilles zum Marktwert verfügen würde. Entsprechend stellt die gestrichelte, durch (1  r ) ˜ G 0 verlaufende Gerade diejenige (Basis-)Effizienzkurve dar, die relevant wäre, wenn der Investor zum Zeitpunkt 0 das Duplikationsportefeuille verkaufen würde. Wie erwähnt, dient sie als Referenzlinie für die Analyse der modifizierten Effizienzkurve mit dem nicht leerverkaufbaren Duplikationsportefeuille (als Repräsentant ~ des Überschusses Ü1 ). Die Referenzlinie wird unter Berücksichtigung von Nichtnegativitätsbedingungen ermittelt, die berücksichtigen, dass keine Leerverkäufe zulässig sind. Unter bestimmten Voraussetzungen (wie denen des CAPM) sind diese Bedingun~ gen allerdings deshalb überflüssig, weil ohne den Überschuss Ü1 Leerverkäufe ohnehin nachteilig sind. Es gilt: G0

V0  MWDP

~ V0  (1  r ) 1 ˜ [E( Ü1 )  RPDP ] .

Und entsprechend (IX.24)

(1  r ) ˜ G 0

~ (1  r ) ˜ V0  [E( Ü1 )  RPDP ]

bzw. (IX.25)

(1  r ) ˜ G 0  RPDP

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) .

Die Annahme, dass der Punkt P in Abbildung IX.5 oberhalb der Referenzlinie ~ liegt, impliziert, dass das Duplikationsportefeuille für Ü1 isoliert gesehen ineffi-

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

335

zient ist; wäre es effizient, läge P auf der Referenzlinie. Die modifizierte Effizienzkurve kann in keinem Bereich unterhalb der Referenzlinie verlaufen. Sie trifft jedoch die Referenzlinie im Punkt T und stimmt dann mit ihr überein. T kennzeichnet das Portefeuille mit dem kleinsten Erwartungswert und der kleinsten Standardabweichung aus der Menge derjenigen Portefeuilles, die sich ohne ~ (explizite Berücksichtigung) von Ü1 als effizient erweisen und das Duplikati~ onsportefeuille für Ü1 als Teilmenge enthalten. Wenn ausgehend von T der Er~ wartungswert E(V1 ) sukzessive erhöht wird, wird der Umfang des effizienten ~ Portefeuilles ohne Ü1 bei gegebener Struktur immer größer, wobei das Duplika~ tionsportefeuille für Ü1 stets als echte Teilmenge in diesem Portefeuille enthal~ ten ist. In dem Bereich rechts von T hat Ü1 keinen Einfluss auf die effiziente ~ Portefeuillestruktur als Ganzes: Man kommt jeweils von einem ohne Ü1 effi~ zienten Portefeuille zu dem äquivalenten Portefeuille mit Ü1 , indem man sein ~ Duplikationsportefeuille durch Ü1 substituiert; es ändert sich weder der Erwartungswert noch die Standardabweichung des Endvermögens. Die Existenz des Punktes T setzt allerdings voraus, dass das Duplikationsportefeuille keine positiven Bestände an Papieren enthält, die nicht Bestandteil derjenigen Portefeu~ ~ illes sind, die ohne Ü1 effizient sind. Wenn der Investor ohne Ü1 wie im CAPM einen Anteil am Marktportefeuille hält, bezeichnet der Punkt T den kleinsten Anteil an diesem Portefeuille, der das Duplikationsportefeuille als Teilmenge enthält; rechts von T stimmt die modifizierte Effizienzkurve mit der Referenzlinie überein, links von T verläuft sie oberhalb dieser Linie. ~ Interpretation: Ist der angestrebte Erwartungswert E(V1 ) des Endvermögens mindestens so groß ist wie der Abszissenwert des Punktes T, werden die Untergrenzen (IX.6) (also der explizite Ausschluss von Leerverkäufen) bedeutungslos. Es erweist sich dann auch ohne diese Untergrenzen als effizient, nach (fiktivem) Leerverkauf ein Portefeuille x1* , x *2 ,..., x *N zu bilden, welches das Duplikationsportefeuille x1 , x 2 ,..., x N als Teilmenge enthält, für das also x *n t x n (n = 1,2,…,N) gilt. Der Investor erzielt dasselbe Endvermögen, wenn er auf den Leerverkauf verzichtet und das „Ergänzungsportefeuille“ ~ x1*  x1 , x *2  x 2 ,..., x *N  x N bildet; unter Berücksichtigung des Überschusses Ü1 er* * * gibt sich ein „Gesamtportefeuille“, das den Endwert des Portefeuilles x1 , x 2 ,..., x N bietet. Ist die betreffende Position optimal, wird sie auch dann realisiert, wenn ein Leerver~ kauf nicht möglich ist. Der Wert des Überschusses Ü1 resultiert dann daraus, dass er den Kauf seines Duplikationsportefeuilles erspart. (b) Zur Konvexitätseigenschaft der modifizierten Effizienzkurve und deren Implikationen

Analog zu den Darstellungen in Abschnitt 3.4.1 verläuft die modifizierte Effizienzkurve im Bereich links von T streng konvex, wobei rechts von P die Standardabweichung stets ~ größer sein muss als Sta ( Ü1 ) , so dass die Steigung der modifizierten Effizienzkurve im Punkt P positiv ist. Der konvexe Verlauf impliziert:

336

Kapitel IX

1. Die modifizierte Effizienzkurve ist im Bereich zwischen P und T (und nicht ~ nur rechts von T) eine monoton steigende Funktion von E(V1 ) . 2. Die Steigung der modifizierten Effizienzkurve ist in einem beliebigen Punkt links von T kleiner als die der Referenzlinie. Wäre sie größer oder ebenso hoch, könnte sie wegen ihrer Konvexitätseigenschaft den Punkt T nicht erreichen. Würde sie wie in Abbildung IX.6 in einem Bereich sinken, ergäbe sich ein Widerspruch. Man könnte z.B. die Positionen PA und PB miteinander konvex kombinieren, wobei sich durch Variation von z eine Kurve wie die gestrichelte ergeben würde. Analog könnten Punkte auf der neuen Kurve PPAPBT konvex kombiniert werden usw., so dass sich durchgehend eine konvexe modifizierte Effizienzkurve ergibt. ~ Sta (V1 ) z

PB

T

z

PA P

z

z

z

0

~ E(V1 )

Abb. IX.6: Zum Beweis der Konvexitätseigenschaft der modifizierten Effizienzkurve

Die Tatsache, dass die Steigung der modifizierten Effizienzkurve bis zum Punkt T kleiner ist als die der Referenzlinie impliziert, dass der senkrechte Abstand zwischen beiden und somit auch der waagrechte Abstand bis zum Punkt T immer kleiner wird. Die fehlende Leerverkaufsmöglichkeit des Duplikationsportefeuilles wirkt sich ~ mit zunehmendem E(V1 ) (mit zunehmendem Umfang des effizienten Portefeuilles) immer weniger restriktiv aus; die Portefeuillestruktur (unter Einschluss des ~ Duplikationsportefeuilles oder des hiermit repräsentierten Überschusses Ü1 ) nähert sich immer mehr derjenigen Struktur, die der Referenzlinie entspricht, wobei die Standardabweichung pro Risikoprämie immer kleiner bzw. die Risikoprämie pro Risikoeinheit immer größer wird, bis sie schließlich im Punkt T die der Refe~ renzportefeuilles (der Portefeuilles ohne den Überschuss Ü1 ) erreichen. Da die modifizierte Effizienzkurve bereits im Punkt P eine positive Steigung aufweist, ist es nicht ohne weiteres optimal, ausgehend von diesem Punkt durch Portefeuillebildung den Erwartungswert des Endvermögens zu erhöhen.

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

337

Es ist zu beachten, dass die modifizierte Effizienzkurve im Bereich zwischen P und T nicht einfach aus unterschiedlichen Konvexkombinationen zwischen dem Duplikationsportefeuille DP und demjenigen effizienten Portefeuille hervorgeht, das dem Punkt T entspricht. Bezeichnet man die Menge der in diesem Portefeuille gegenüber dem Duplikationsportefeuille zusätzlich enthaltenen Papiere mit MZWT, ergibt sich für einen beliebigen z-Wert (0 < z < 1) folgende Konvexkombination: (1  z) ˜ DP  z ˜ (DP  MZWT )

DP  z ˜ MZWT .

Die Punkte auf der modifizierten Effizienzkurve zwischen P und T würden sich somit nur dadurch unterscheiden, dass das Zusatzportefeuille MZWT bei gegebener Struktur auf unterschiedlichem Niveau z realisiert wird. Dies ist aber nicht der Fall; die Struktur ~ der Ergänzungsportefeuilles hängt von dem Erwartungswert E(V1 ) ab, für den das Portefeuille ermittelt wird. (c) Zu den Eigenschaften des dem Punkt T entsprechenden Portefeuilles [*] Das dem Punkt T entsprechende Portefeuille hängt vom Duplikationsportefeuille x1 , x 2 ,..., x N  ab. Man kann den Punkt T ermitteln, sowie der Struktur der effizienten Portefeuilles ohne Ü 1  bestimmt, das dieselbe (Markt-) indem man zunächst dasjenige effiziente Portefeuille ohne Ü 1 Risikoprämie bietet wie das Duplikationsportefeuille und somit durch denjenigen Punkt auf der Referenzlinie gekennzeichnet wird, dessen Abszissenwert mit dem von P übereinstimmt. Wir bezeichnen dieses Portefeuille mit x1P , x P2 ,..., x PN . Nun wird für jedes Papier n (n = 1,2,…,N) der P Quotient x n / x nP bestimmt. Der maximale Quotient, max n (x n / x n ) , gibt an, wie oft das effizienP P P te Portefeuille x1 , x 2 ,..., x N in dem T entsprechenden Portefeuille enthalten ist. Entsprechend P ist die Standardabweichung dieses Portefeuilles gleich dem max n (x n ; x n ) -fachen der StandardP P P P abweichung des Portefeuilles x1 , x 2 ,..., x N und die Risikoprämie gleich dem max n (x n ; x n ) P fachen der Risikoprämie RPDP . Die Größe max bezeichnen wir als Niveauparameter. (x ; x ) n n n Zu seiner Erläuterung dient das Beispiel in Matrix IX.2 (mit N = 4): Papier

1

2

3

4

xn

7

3

40

2

x Pn

35

6

8

4

x n / x Pn

1/5

½

5

½

Matrix IX.2: Zur Ermittlung des dem Punkt T entsprechenden effizienten Portefeuilles

Der Niveauparameter (der größte Quotient x n / x nP ) beträgt hier 5, so dass das kleinste effiziente Portefeuille auf der Referenzlinie, welches das Duplikationsportefeuille als Teilmenge enthält, folgendermaßen aussieht: x1 = 165; x2 = 30; x3 = 40; x4 = 20. Ist für ein Papier n x n positiv und x Pn gleich null, so geht der Quotient x n / x Pn gegen unendlich, so dass der Punkt T nicht existiert; es existiert kein effizientes Portefeuille auf der Refe-

338

Kapitel IX

renzlinie, welches das Duplikationsportefeuille als Teilmengen enthält. Unter den Voraussetzungen des CAPM besteht jedoch das Portefeuille x1P , x P2 ,..., x PN aus einem Anteil am Marktportefeuille, so dass jedes x Pn positiv ist.8 Wenn sich bei gegebenen Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Endwerte P1n (und somit bei  effizienten Portefeuilles) die Wahrscheinlichkeitsverteilung gegebener Struktur der ohne Ü 1  und somit sein Duplikationsportefeuille ändert, ändern sich grundsätzlich des Überschusses Ü 1 auch die Position des Punktes P, die Risikoprämie des Duplikationsportefeuilles und der Umfang des effizienten Portefeuilles x1P , x P2 ,..., x PN auf der Referenzlinie, das diese Risikoprämie bietet. Man kommt zum Ordinatenwert des neuen Punktes T, indem man die Standardabweichung des neuen Portefeuilles x1P , x P2 ,..., x PN mit dem neuen Niveauparameter multipliziert. Den Abszissenwert des neuen Punktes T erhält man, indem zum neuen Abszissenwert (1  r) ˜ G 0 die mit dem neuen Niveauparameter gewichtete Risikoprämie des neuen Portefeuilles x1P , x P2 ,..., x PN (bzw. die damit übereinstimmende Risikoprämie des neuen Duplikationsportefeuilles) addiert wird. Zur Erläuterung möglicher Änderungen des Niveauparameters wird die Matrix IX.2 betrach derart, dass sich die Risikoprämie tet. Ändert sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung für Ü 1 seines Duplikationsportefeuilles verdoppelt, verdoppelt sich auch das zugehörige auf der Referenzlinie liegende effiziente Portefeuille auf x1P 70; x P2 12; x 3P 16; x P4 8 . Der neue Niveauparameter hängt von der Struktur des neuen Duplikationsportefeuilles ab. Steigt der Über z.B. auf das Doppelte, so verdoppelt sich auch das Duplikationsportefeuille (es lautet schuss Ü 1 dann: x1 14; x 2 6; x 3 80; x 4 4 ). Der Niveauparameter ändert sich dann nicht.  die Risikoprämie des DupliBleibt bei Änderung der Wahrscheinlichkeitsverteilung für Ü 1 kationsportefeuilles konstant, ändert sich auch das zugehörige auf der Referenzlinie liegende effiziente Portefeuille nicht. Wenn dabei die Zahl der im Duplikationsportefeuille enthaltenen Papiere des Typs 3 sinkt und die Bestände anderer Papiere steigen, sinkt der Niveauparameter so lange, bis schließlich ein Papier n  3 diesen Parameter bestimmt. Wenn sich die Struktur des  annähert, sinkt tendenziell Duplikationsportefeuilles jener der effizienten Portefeuilles ohne Ü 1 der Strukturparameter. Er ist gleich 1, wenn die Strukturen identisch sind. Der neue Punkt P liegt dann auf der Referenzlinie, die demjenigen Abszissenwert (1  r) ˜ G 0 zugeordnet ist, der  entspricht. dem neuen Überschuss Ü 1 Die Varianzen, Kovarianzen und Risikoprämien der Papiere haben zwar keinen direkten Einfluss auf den Niveauparameter. Jedoch sind die Strukturen des Duplikationsportefeuilles und  relevant, wobei die Struktur der effizienten Portefeuilles des effizienten Portefeuilles ohne Ü 1  ohne Ü1 von den Varianzen, Kovarianzen und Risikoprämien abhängt.

3.4.2.3 Modifizierte Effizienzkurve bei teilweise negativen Kovarianzen

~ ~ Ist ein Teil der Kovarianzen Kov(P1n ; P1m ) bzw. der Korrelationen U(P1n ; P1m ) der Papiere im Duplikationsportefeuille mit anderen Papieren negativ, kann mög~ licherweise die Varianz und somit auch die Standardabweichung Sta (V1 ) des Endvermögens reduziert werden, indem zusätzlich zum Duplikationsportefeuille

8

Sind im Duplikationsportefeuille einzelne negative Wertpapierbestände (Leerverkäufe) enthalten, wird der Niveauparameter nach wie vor durch den größeren (positiven) Quotienten x n / x Pn bestimmt. Sind im Duplikationsportefeuille ausschließlich negative Wertpapierbestände, kann dieses Portefeuille vollständig „leerverkauft“ werden, indem es gekauft wird. Leerverkaufsbeschränkungen spielen dann keine Rolle. Die „modifizierte“ Effizienzkurve stimmt dann vollständig mit der Referenzlinie überein, so dass der Punkt T nicht definiert ist.

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

339

~ (als Repräsentant des Überschusses Ü1 ) Papiere ins Portefeuille genommen werden. Die Kurve, die den Zusammenhang zwischen minimaler Standardab~ ~ weichung Sta (V1 ) und dem Erwartungswert E(V1 ) zum Ausdruck bringt, sinkt dann zunächst bis zu einem Minimum M und steigt anschließend wieder, bis sie schließlich in einem Punkt T die Referenzlinie erreicht. Nur rechts von M verläuft die modifizierte Effizienzkurve (Abbildung IX.7). ~ Sta (V1 ) modifizierte Effizienzkurve

z

T P

~ Sta ( Ü1 ) z

z

M z

Basiseffizienzkurve (Referenzlinie) z

0

z

(1  r ) ˜ G 0

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )

~ E(V1 )

RPDP

Abb. IX.7: Modifizierte Effizienzkurve bei teilweise negativen Kovarianzen bzw. Korrelationen ohne Leerverkauf von Wertpapieren

Da der Punkt P nicht auf der modifizierten Effizienzkurve liegt, kann er keine optimale (P,V)-Kombination repräsentieren; unabhängig von seiner Risikoaversion ist es für den ~ Investor optimal, das aus Ü1 resultierende Risiko zu hedgen. Es ist zu beachten, dass ~ ~ bei negativen Kovarianzen Kov(P1n ; P1m ) die Referenzlinie eine geringere Steigung haben kann als bei ausschließlich positiven Kovarianzen. Auch die Risikoprämie RPDP des Duplikationsportefeuilles und die Position des Punktes T ändern sich grundsätzlich, ~ ~ wenn ein Teil der Kovarianzen Kov(P1n ; P1m ) der Papiere im Duplikationsportefeuille mit anderen Papieren negativ wird. (Zum Einfluss der Kovarianzen auf die Preise und Risikoprämien der Papiere im CAPM-Gleichgewicht vgl. Kapitel IV, Abschnitt 5.3.2.1.) Jedoch verläuft die modifizierte Effizienzkurve im Bereich links von T wie bei ausschließlich positiven Kovarianzen konvex, wobei ihr senkrechter und waagrechter ~ Abstand von der Referenzlinie mit steigendem Erwartungswert E(V1 ) immer kleiner werden. ~ Wenn ausgehend vom Punkt P der Erwartungswert E(V1 ) durch Portefeuillebildung sukzessive erhöht wird, steht zunächst der Gesichtspunkt der Risikominimierung im Vordergrund. Es werden vor allem solche Papiere erworben, die mit

340

Kapitel IX

~ dem Überschuss Ü1 (mit Papieren des Duplikationsportefeuilles) negativ korre~ liert sind. Mit steigendem E(V1 ) nähert sich die Portefeuillestruktur unter Be~ rücksichtigung des Duplikationsportefeuilles (bzw. des Überschusses Ü1 ) immer mehr der Struktur der Referenzportefeuilles, bis schließlich ab dem Punkt T der ~ Überschuss Ü1 zuzüglich des ergänzenden Portefeuilles in dieselbe Risikoklasse fällt wie jene der Portefeuilles, die der Referenzlinie zugrunde liegen.

Der Verlauf der modifizierten Effizienzkurve hängt bei gegebenen Kovarianzen und Ri~ sikoprämien der Papiere von der Standardabweichung und dem Erwartungswert von Ü1 sowie der Struktur des Duplikationsportefeuilles ab. Diese Abhängigkeit und die Implikationen für den individuellen subjektiven Grenzpreis werden in Kapitel XI untersucht.

3.5

Eigenschaften des optimalen Portefeuilles

~ Das optimale Portefeuille unter Berücksichtigung des Überschusses Ü1 wird durch den Tangentialpunkt der modifizierten Effizienzkurve mit einer Indifferenzkurve bestimmt. Umfang und Struktur des optimalen Portefeuilles hängen vom Verlauf der modifizierten Effizienzkurve und der Risikoeinstellung des Investors ab.

 ) positiv, beginnt die Sind wie in Abschnitt 3.4.2.2 sämtliche Kovarianzen Kov(P1n ; Ü 1 modifizierte Effizienzkurve wie in Abbildung IX.5 im Punkt P und weist dort eine positive Steigung auf. Bei entsprechend hoher Risikoaversion ist im Punkt P die Steigung der hierdurch verlaufenden Indifferenzkurve kleiner als die der modifizierten Effizienzkurve (oder zufällig gleich). Es ist dann optimal, keine Papiere zu halten. Wenn die Steigung der Indifferenzkurve höher ist, liegt der Tangentialpunkt der modifizierten Effizienzkurve mit einer Indifferenzkurve rechts von P; der Investor hält zusätzlich zum ~ Überschuss Ü1 ein Ergänzungsportefeuille. Mit fallender Risikoaversion wandert der Tangentialpunkt immer mehr nach rechts, so dass der Umfang des Ergänzungsportefeuilles (etwa gemessen durch seine Risikoprämie) immer größer wird. Zugleich nähert ~ sich die Struktur des Gesamtportefeuilles (d.h. des Überschusses Ü1 zuzüglich des Er~ gänzungsportefeuilles) immer mehr der Struktur der ohne Ü1 effizienten Portefeuilles. Bei entsprechend geringer Risikoaversion stimmt der Tangentialpunkt der modifizierten Effizienzkurve mit einer Indifferenzkurve mit T überein oder er liegt rechts davon, also in dem Bereich, in dem die modifizierte Effizienzkurve mit der Referenzlinie übereinstimmt. Die Struktur des optimalen Gesamtportefeuilles stimmt dann mit der der effi~ zienten Portefeuilles ohne Ü1 überein. Das optimale Portefeuille mit und ohne Über~ schuss Ü1 unterscheidet sich jeweils allein dadurch, dass im ersten Portefeuille der Über~ schuss Ü1 und im zweiten sein Duplikationsportefeuille enthalten ist. Sind die Kovarianzen wie in Abschnitt 3.4.2.3 teilweise negativ, beginnt die modifizierte Effizienzkurve wie in Abbildung IX.7 in einem Punkt M rechts unterhalb von P.

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

341

Unabhängig von seiner Risikoeinstellung hält hier der Investor ein Ergänzungsportefeu~ ille zum Hedgen des Überschusses Ü1 . Da die Steigung der modifizierten Effizienzkurve im Punkt M gleich null ist, muss ihr Tangentialpunkt mit einer Indifferenzkurve rechts davon liegen. Mit fallender Risikoaversion wandert der Tangentialpunkt nach ~ rechts, wobei sich wiederum die Struktur des optimalen Portefeuilles mit Ü1 immer ~ mehr der der effizienten Portefeuilles ohne Ü1 nähert, bis sie schließlich damit übereinstimmt.

4

Portefeuilleplanung mit Leerverkauf einzelner Papiere

4.1

Ermittlung effizienter Portefeuilles durch Modifikation des Grundmodells

Wir betrachten nun den Fall, dass ein Teil der im Duplikationsportefeuille enthaltenen Papiere leerverkauft werden kann. Möglicherweise können auch solche Papiere n leerverkauft werden, die nicht Bestandteil des Duplikationsportefeuilles sind (für die ~ x n 0 gilt). Auch mit solchen Papieren kann das aus dem Überschuss Ü1 resultieren~ ~ de Risiko durch Leerverkauf gehedgt werden, wenn ihr Endwert P1n mit Ü1 positiv korreliert ist. Können dagegen – anders als angenommen – alle Papiere des Duplikationsportefeuilles leerverkauft werden, kann durch dessen Leerverkauf eine sichere Vermögensposition realisiert werden. Wenn dagegen die Leerverkaufsmöglichkeit des Duplikationsportefeuilles beschränkt ist, gewinnen Leerverkaufsmöglichkeiten für Papiere außerhalb dieses Portefeuilles analog zum Kauf von Papieren mit negativer Kovarianz ~ für das Hedgen von Ü1 grundlegende Bedeutung. Der Einfachheit halber werden im Folgenden für die leerverkaufbaren Papiere keine Obergrenzen des Leerverkaufs berücksichtigt. Solche Obergrenzen können dagegen in der Realität besondere Bedeutung haben. Insbesondere kann die Bedingung gelten, dass nur solche Kombinationen an Leerverkaufsmengen zulässig sind, für die hinreichende Sicherheiten für die Erfüllung der Verpflichtungen aus den Leerverkäufen gestellt werden können. Im Vordergrund der Darstellungen steht das Problem, welche prinzipiellen Vorteile Leerverkäufe bieten können und welche Papiere bei Wahlmöglichkeiten leerverkauft werden sollten. Dabei nehmen wir an, dass Leerverkäufe – wie auch die anderen Formen des Wertpapierhandels – keine Transaktionskosten verursachen. Bei Leerverkauf eines Papiers verkaufe es der Investor zu Beginn der Periode ohne es zu besitzen zum Börsenkurs und kaufe es am Ende der Periode zum Börsenkurs, um es dem Käufer zu liefern; Leihgebühren fallen dabei nicht an. Leerverkauf stellt dann einfach eine Umkehrung der Überschüsse bei Kauf dar. ~ Bei gegebener Wahrscheinlichkeitsverteilung über Ü1 (also bei gegebener Position von P und gegebener Risikoprämie des Duplikationsportefeuilles) haben Leerverkäufe einzelner Papiere des Duplikationsportefeuilles keinen Einfluss auf den Abszissenwert (1  r ) ˜ G 0 , in dem die Referenzlinie beginnt. Sie beruht ohnehin auf der Fiktion, dass ~ das gesamte Duplikationsportefeuille leerverkauft wird. Wenn die ohne Ü1 effizienten

342

Kapitel IX

Portefeuilles (wie unter den Voraussetzungen des CAPM) auch dann keine Leerverkäufe enthalten, wenn sie zulässig sind, hat die nun betrachtete Möglichkeit von Leerverkäufen auch keinen Einfluss auf die Steigung der Referenzlinie; davon soll im Folgenden ausgegangen werden. Könnten alle im Duplikationsportefeuille enthaltenen Papiere leerverkauft werden, wäre – wie in Abschnitt 3 gezeigt wurde – die „modifizierte“ Effizienzkurve mit der Referenzlinie identisch. Die Tatsache, dass nur ein Teil dieser Papiere leerverkauft werden kann, bewirkt grundsätzlich, dass die modifizierte Effizienzkurve zunächst (wieder) oberhalb der Referenzlinie verläuft. Der Punkt, in dem sie beginnt, kann nun wegen der Leerverkaufsmöglichkeit eines Teils der im Duplikationsportefeuille enthaltenen und gegebenenfalls auch zusätzlicher Papiere links unterhalb von P liegen. Wenn a priori nicht bekannt ist, in welchem Punkt die modifizierte Effizienzkurve beginnt, ergeben sich hinsichtlich ihrer Ermittlung keine besonderen Probleme. Wie in Abschnitt 3.2 erläutert, wird zunächst das Portefeuille mit der absolut kleinsten Varianz bestimmt. Da die Effizienzkurve nur rechts von dem zugehörigen Erwartungswert ~ E(V1 ) verlaufen kann, wird anschließend für alternative Erwartungswerte in diesem Bereich das jeweilige Portefeuille mit minimaler Varianz ermittelt. Dabei kann analog zum Fall, dass überhaupt kein Leerverkauf zulässig ist, von der Fiktion ausgegangen werden, dass das gesamte Duplikationsportefeuille zum Marktwert leerverkauft und dann ein Portefeuille gebildet wird, für das gilt: (IX.26)

xn t xn

für n  M kl und x n z 0

xn t 0

für n  M kl und x n

und (IX.27)

0.

Hierin bezeichnet Mkl die Menge der Papiere, die nicht leerverkauft werden dürfen. Für die Papiere n, die mit einem positiven oder negativen Bestand im Duplikationsportefeuille enthalten sind ( x n z 0 ) gilt die Untergrenze x n z 0 . Für die Papiere n, die nicht im Duplikationsportefeuille enthalten sind und nicht leerverkauft werden dürfen, gilt x n 0 als Untergrenze. Für alle Papiere, die leerverkauft werden dürfen, existiert keine Untergrenze. Die Kurve im (P,V)-Diagramm, die angibt, welche Standardabweichung alternativen ~ Erwartungswerten E(V1 ) entspricht, stimmt auch hier wieder ab einem Punkt T mit der Referenzlinie überein. Links davon verläuft sie wie ohne Leerverkauf streng konvex.

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

4.2

Analyse der modifizierten Effizienzkurve

4.2.1

Bedeutung von Leerverkäufen im Vergleich zu Käufen

343

4.2.1.1 Ein einziges leerverkaufbares Hedgeportefeuilles als Basis der modifizierten Effizienzkurve (a) Grenzvarianz und minimale Varianz des Endvermögens

Zur Analyse des Verlaufs der modifizierten Effizienzkurve soll zunächst gezeigt werden, unter welchen Bedingungen Leerverkäufe überhaupt effizient sind und wie sich die Implikationen von Leerverkäufen von denen von Käufen unterscheiden. Dabei ist es nun zweckmäßig, die graphischen Darstellungen auf das (P,V2)-Diagramm zu beziehen. Die folgenden Darstellungen haben auch Bedeutung für den Fall, dass der Überschuss ~ Ü1 nicht duplizierbar ist und Leerverkäufe unbeschränkt möglich sind. Für die Varianz des Endvermögens gilt, sofern y Einheiten eines (Hedge-)Porte~ feuilles WP mit dem Endwert W1p erworben (y > 0) oder leerverkauft (y < 0) werden: ~ (IX.28) Var (V1 )

~ ~ ~ ~ Var ( Ü1 )  2 ˜ y ˜ Kov( Ü1 ; W1P )  y 2 ˜ Var ( W1P ) ~ ~ ~ ~ Var ( Ü1 )  2 ˜ U P ˜ y ˜ Sta ( Ü1 ) ˜ Sta ( W1P )  y 2 ˜ Var ( W1P ).

Dabei kann das (Hedge-)Portefeuille auch nur aus einem einzigen Wertpapiertyp ~ ~ bestehen. U P bezeichnet den Korrelationskoeffizienten zwischen W1p und Ü1 ~ (oder dem Endwert des Duplikationsportefeuilles von Ü1 ). Wird die erste Ableitung von (IX.28) nach y gebildet, erhält man die Grenzvarianz, die angibt, wie ~ sich die Varianz Var(V1 ) des Endvermögens ändert, wenn das Portefeuilleniveau um eine marginale Einheit erhöht wird: (IX.29)

~ dVar (V1 ) dy

~ ~ ~ 2 ˜ U P ˜ Sta ( Ü1 ) ˜ Sta ( W1P )  2 ˜ y ˜ Var ( W1P ) ~ ~ 2 ˜ Kov( Ü 1 ; W1P )

~ ~ ~ 2 ˜ Sta ( W1P ) ˜ [U P ˜ Sta ( Ü1 )  y ˜ Sta ( W1P )] . Wird die erste Ableitung gleich null gesetzt, erhält man nach Umformung für den varianzminimierenden y-Wert: (IX.30)

y*



~ Sta ( Ü1 ) ˜ UP . ~ Sta ( W1P )

y* hat das entgegengesetzte Vorzeichen wie der Korrelationskoeffizient UP und ist betragsmäßig eine linear steigende Funktion dieses Koeffizienten. Für UP = 0 ist y* gleich null; es gibt keine Möglichkeit, durch Portefeuillebildung das aus Ü1 resultierende Risi-

344

Kapitel IX

ko zu reduzieren. Wenn der Korrelationskoeffizient positiv ist, kann durch Leerverkauf die Varianz reduziert (bzw. minimiert) werden. Einsetzen von y* gemäß (IX.30) in (IX.28) führt zu dem minimalen Varianzwert ~ Var(V1 ) Min : ~ ~ ~ Sta ( Ü1 ) ~ ~ Var ( V ) Var ( Ü )  2 ˜ (IX.31) ~ ˜ U p ˜ U p ˜ Sta ( Ü1 ) ˜ Sta ( W1p ) 1 Min 1 Sta ( W1 ) ~ Var ( Ü1 ) ~  ˜ U 2p ˜ Var ( W1p ) ~ Var ( W1p ) ~ ~ ~ Var ( Ü1 )  2 ˜ Var ( Ü1 ) ˜ U 2p  Var ( Ü1 ) ˜ U 2p ~ Var ( Ü1 ) ˜ (1  U 2p ) .

Je größer der Betrag des Korrelationskoeffizienten, desto niedriger ist gemäß (IX.31) die minimale Varianz. Für das Duplikationsportefeuille ist dieser Koeffizient gleich 1; könnte es leerverkauft werden, würde sich eine Varianz von null ergeben. Allgemein gilt für die Grenzvarianz (IX.29): ~ 1. Wegen Sta ( W1P ) > 0 ist sie eine linear steigende Funktion von y. Entsprechend hat die (P,V2)-Kurve die Gestalt einer nach oben offenen Parabel mit dem Minimum an der Stelle y = y*. Das Vorzeichen der Grenzvarianz an der Stelle y = 0 stimmt mit dem des Korrelationskoeffizienten U P überein. 2. Für U P  0 ist die Grenzvarianz an der Stelle y = 0 negativ und ihr Betrag umso hö~ ~ her, je größer die Standardabweichungen Sta ( Ü1 ) und Sta ( W1P ) sind. Für gegebenen Korrelationskoeffizienten U P ( U P  0 ) und gegebene Standardabweichung ~ ~ Sta ( Ü1 ) liegt die Grenzvarianz für y = 0 umso mehr unter null, je größer Sta ( W1P ) ist. Je größer diese Standardabweichung, desto mehr steigt (sinkt) die Grenzvarianz, wenn ausgehend von null y steigt (aufgrund eines Leerverkaufs sinkt). 3. Für U P ! 0 ist die Grenzvarianz an der Stelle y positiv und umso höher, je größer ~ ~ die Standardabweichungen Sta ( Ü1 ) und Sta ( W1P ) sind. Für gegebenen Korrelati~ onskoeffizienten U P ( U P ! 0 ) und gegebene Standardabweichung Sta ( Ü1 ) ist die ~ Grenzvarianz für y = 0 umso niedriger, je niedriger Sta ( W1P ) ist; je niedriger ~ Sta ( W1P ) , desto weniger steigt (sinkt) die Grenzvarianz, wenn ausgehend von null y steigt (aufgrund eines Leerverkaufs sinkt). (b) Abhängigkeit der Varianz des Endvermögens von dessen Erwartungswert

Abbildung IX.8 zeigt die entsprechenden (P,V2)-Kurven für einen positiven Korrelationskoeffizienten (durchgezogene Kurve) und einen negativen Korrelationskoeffizienten (gestrichelte Kurve), wobei für beide Fälle der Betrag des Korrelationskoeffizienten als

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

345

gleich angenommen wird. Jede (P,V2)-Kurve verläuft symmetrisch um ihre minimale Varianz, die für beide Fälle identisch ist. ~ Var(V1 )

~ Var( Ü1 ) Up ! 0

Up  0

z z

z

M1

M2

0

Abb. IX.8:

y

Varianz des Endvermögens in Abhängigkeit von Kauf bzw. Leerverkauf eines gegebenen Hedgeportefeuilles auf dem Niveau y

Der symmetrische Verlauf folgt daraus, dass die Grenzvarianz gemäß (IX.29) eine linear steigende Funktion von y ist. Im Minimum M der (P,V2)-Kurve ist sie gleich null, für Abszissenwerte M1 – ǻ und M1 + ǻ sowie für M2 – ǻ und M2 + ǻ sind die Grenzvarianzen (die Steigungen der jeweiligen (P,V2)-Kurve) betragsmäßig gleich. Wie die Ab~ bildung IX.8 verdeutlicht, kann in beiden Fällen die Varianz gegenüber Var ( Ü1 ) in gleicher Weise reduziert werden. Jedoch besteht der folgende grundlegende Unterschied: Da die Risikoprämien aller Papiere annahmegemäß positiv sind, steigt mit Kauf der y* Einheiten des Portefeuilles WP (bei negativer Korrelation Up ) der Erwartungswert, während er mit Leerverkauf von | y* | Einheiten dieses Portefeuilles (bei positiver Korrelation) um denselben Betrag sinkt. Dabei erfüllt y* die Bedingung (IX.30). Für die weitere Darstellung gehen wir davon aus, dass das betrachtete (Hedge-)Portefeuille WP keine Leerverkäufe enthält und so normiert ist, dass ihm eine Risikoprämie von 1 entspricht. Bietet das Portefeuille zunächst eine Risikoprämie von rp z 1, ist (1/rp)-tel davon als Einheit zu definieren. Wegen rp > 0 gilt auch 1/rp > 0; der Normierungsfaktor ist positiv. Durch die Normierung ändert sich der Korrelationskoeffizient ~ mit Ü1 nicht9, jedoch ändern sich die Risikoprämie und die Standardabweichung auf (1/rp)-tel und die Varianz auf (1/rp2)-tel. 9

Es gilt allgemein: Gewichtet man die stochastischen Größen x und y mit den (deterministischen) Faktoren a > 0 und b > 0, so ändert sich der Korrelationskoeffizient U nicht: U

 ˜ Sta(b ˜ y)  Sta(a ˜ x)  b ˜ y)  Kov(a ˜ x;

 ˜ b ˜ Sta(y)  a ˜ Sta(x)  y)  a ˜ b ˜ Kov(x;

 ˜ Sta(y)  Sta(x) ;  y)  Kov(x;

346

Kapitel IX

Der Ausschluss von Leerverkäufen in Hedgeportefeuilles bedeutet hier keine Einschränkung der Allgemeinheit. Zum einen werden auch Leerverkäufe solcher Portefeuilles explizit betrachtet. Zum anderen stellen Konvexkombinationen aus leerverkauften Portefeuilles und gekauften Portefeuilles grundsätzlich Portefeuilles dar, in denen ein Teil der Papiere leerverkauft wird (Abschnitt 4.2.1.2 (b)). Aufgrund der Normierung ist die Risikoprämie des Hedgeportefeuilles gleich der Zahl y der darin enthaltenen Einheiten, so dass das erwartete Endvermögens wie folgt dargestellt werden kann: ~ E(V1 )

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )  y .

Somit kann – wie im Folgenden deutlich wird – der Zusammenhang zwischen der Varianz gemäß (IX.28) bzw. der Grenzvarianz gemäß (IX.29) einerseits und dem erwarteten Endvermögen andererseits anschaulich gezeigt werden. In den Abbildungen IX.9a und VIII.9b sind charakteristische Zusammenhänge dargestellt. Für den Punkt P auf der (P,V2)-Kurve, die angibt, wie die minimale Varianz ~  ) des Endvermögens von E(V Var(V 1) abhängt, gilt der Abszissenwert 1 ~ E(V1 )

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )

mit y = 0,

so dass die (P,V2)-Kurve gemäß (IX.29) im Punkt P folgende Steigung STP aufweist: (IX.32)

STP

~ ~ 2 ˜ U P ˜ Sta ( Ü1 ) ˜ Sta ( W1P )

~ ~ 2 ˜ Kov( Ü1 ; W1P ) .

~ W1p bezeichnet jetzt den Endwert einer Einheit des normierten Portefeuilles. Im Fall ~ U P  0 ( U P ! 0 ) ist die Steigung im Punkt P negativ (positiv). Je größer Sta ( Ü1 ) , ~ Sta ( W1P ) und der Betrag von U P sind, desto mehr kann die Varianz zunächst reduziert werden, wenn ausgehend vom Punkt P für U P  0 (für U P ! 0 ) Einheiten des Portefeuilles gekauft (leerverkauft) werden. Die gestrichelte Hilfslinie tangiert in P die (P,V2)Kurve und hat ebenfalls die Steigung gemäß (IX.32). Sie gibt an, welche Höhe die Va~ rianz Var (V1 ) des Endvermögens gemäß (IX.28) vor Berücksichtigung des Terms ~ y 2 ˜ Var ( W1P ) für alternative y-Werte bzw. alternative erwartete Endvermögenswerte ~ E(V1 )

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )  y

 ) ! 0 zum Ordinatenwert der gestrichelten Hilfslinie aufweist. Wird jeweils y 2 ˜ Var(W 1P ~ addiert, erhält man den exakten Wert von Var (V1 ) . Wenn ausgehend von y = 0 (also ausgehend vom Punkt P) y sukzessive steigt oder sinkt, steigt wegen der Gewichtung ~ ~ mit y2 der Einfluss der Varianz Var ( W1P ) auf die Varianz Var (V1 ) progressiv an (Abbildungen IX.9a und IX.9b); das Gewicht der Standardabweichung wird mit steigendem Betrag von y im Vergleich zum Korrelationskoeffizienten immer größer.

der Korrelationskoeffizient ist von der Gewichtung unabhängig.

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

347

~ Var(V1 )

~ y 2 ˜ Var( W1P )

~ Var( Ü1 )

Varianz ~ Var(V1 )

P z

z

M z

*

P !0 z

0

z

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) y 0

~ E(V1 )

~ (1  r ) ˜ V0  E ( Ü1 )  y

Abb. IX.9a: Varianz des Endvermögens in Abhängigkeit von seinem Erwartungswert E(V 1 ) bei negativem Korrelationskoeffizienten UP (0 > UP > –1) ~ Var(V1 )

~ y 2 ˜ Var ( W1P )

Varianz ~ Var (V1 )

~ Var( Ü1 )

P z

M z

z

z

0

P * 0

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) y 0

~ E(V ) ~ 1 (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )  y

Abb. IX.9b: Varianz des Endvermögens in Abhängigkeit von seinem Erwartungswert E(V 1 ) bei positivem Korrelationskoeffizienten UP (0 < UP < 1)

In Abbildung IX.9a (mit Up  0 ) sinkt die Varianz zunächst, wenn die Zahl der Portefeuilleeinheiten und mithin die Risikoprämie sukzessive steigt. Im Punkt M, in dem sie ihr Minimum aufweist, beginnt die Effizienzkurve. Der Abszissenwert von M beträgt ~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )  y* , wobei y* die Bedingung (IX.30) erfüllt.

348

Kapitel IX

In Abbildung IX.9b (mit Up ! 0 ) liegt der Ausgangspunkt M der Effizienzkurve links von P; ein Leerverkauf über den Punkt M hinaus, würde nicht nur die Risikoprämie reduzieren, sondern zugleich auch die Varianz erhöhen; die Effizienzkurve liegt wieder in dem Bereich rechts von M. ~ Könnte mit dem betrachteten Hedgeportefeuille der Überschuss Ü1 dupliziert werden, würde Up 1 gelten und sich der in Abbildung IX.9c dargestellte Zusammenhang ergeben: ~ Var(V1 )

~ y 2 ˜ Var( W1p )

z

P

M z

z

0

(1  r ) ˜ G 0

~ E(V1 )

*

y 0 | y* |

RPDP

Abb. IX.9c: Varianz des Endvermögens in Abhängigkeit von seinem Erwartungswert beim Korrelationskoeffizienten UP = 1

Da das Hedgeportefeuille auf die Risikoprämie 1 normiert ist, könnte mit dem Leerver~ kauf von y* = RPDP Einheiten dieses Portefeuilles das aus Ü1 resultierende Risiko eliminiert werden. Der Verkauf dieser Einheiten entspricht dem expliziten Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles. 4.2.1.2 Mehrere leerverkaufbare Hedgeportefeuilles als Basis der modifizierten Effizienzkurve (a) Ohne Konvexkombination zwischen den betrachteten Portefeuilles (aa) Nur negative Korrelationskoeffizienten

Im Folgenden werden mehrere Hedgeportefeuilles berücksichtigt, wobei die Portefeuilleeinheiten wieder auf die Risikoprämie 1 normiert seien. Sie unterscheiden sich nur durch die Standardabweichung (Varianz) ihres Endwertes und dessen Korrelation mit ~ Ü1 . Jede Portefeuilleeinheit kann auf unterschiedlichem Niveau y realisiert werden. (Ein Portefeuille kann auch nur aus einem einzigen Wertpapiertyp bestehen.)

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

349

~ Für die Möglichkeit, mit den betrachteten Portefeuilles das aus Ü1 resultierende Ri~ siko zu hedgen, haben neben den Korrelationen mit Ü1 die Standardabweichungen der Endwerte der Portefeuilleeinheiten entscheidende Bedeutung. Weisen vor Normierung zwei Portefeuilles X und Y zwar dieselbe Standardabweichung, jedoch unterschiedliche Risikoprämien auf, ergeben sich mit der Normierung unterschiedliche Standardabweichungen. Ist z.B. für das Portefeuille X die Kovarianz zwischen seinem Endwert und dem Endwert bzw. der Rendite des Marktportefeuilles in der Ausgangssituation höher als für das Portefeuille Y, ist auch die Risikoprämie für das Portefeuille X zunächst (d.h. in der Ausgangssituation) höher. Die Normierung auf die Risikoprämie 1 führt dann da~ zu, dass bei unveränderlichen Korrelationen mit Ü1 dem Portefeuille X eine kleinere Standardabweichung entspricht als dem Portefeuille Y. Ist die Risikoprämie des Portefeuilles X zunächst größer als die des Portefeuilles Y, kann nach Normierung dem Portefeuille X auch dann eine niedrigere Standardabweichung als dem Portefeuille Y entsprechen, wenn seine Standardabweichung zunächst höher ist als die von Y. Wenn die folgende Analyse zeigt, dass von zwei normierten Portefeuilles mit glei~ chem Korrelationskoeffizienten bezüglich Ü1 dasjenige mit der kleineren (größeren) Standardabweichung besser zum Hedgen geeignet ist, sollte von zwei beliebigen Ausgangsportefeuilles mit gleichem Korrelationskoeffizienten dasjenige mit dem kleineren (größeren) Verhältnis aus Standardabweichung und Risikoprämie zum Hedgen herangezogen werden. Da die Risikoprämie eines Portefeuilles von der Kovarianz seines Endwertes mit dem Endwert (der Rendite) des Marktportefeuilles abhängt, haben diese Kovarianzen mittelbare Bedeutung für das Hedgen des Risikos, auch wenn sie bei der folgenden Analyse nicht explizit betrachtet werden. ~ Var(V1 )

für Portefeuille A P

~ Var( Ü1 )

z

für Portefeuille B

S z

MA 0

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) y

z

z

MB ~ E(V1 )

~ (1  r ) ˜ V0  E ( Ü1 )  y

0

Abb. IX.10: Zur Analyse der Effizienzkurve ohne Konvexkombinationen der betrachteten Hedgeportefeuilles

Von Konvexkombinationen zwischen verschiedenen Portefeuilles wird zunächst abgesehen. Als Erstes betrachten wir den Fall ausschließlich negativer Korrelationskoeffi-

350

Kapitel IX

~ ~ zienten zwischen den Endwerten W1p der betrachteten Hedgeportefeuilles und Ü1 . Gemäß (IX.31) kann die Varianz mit demjenigen Portefeuille minimiert werden, für das der Betrag des (negativen) Korrelationskoeffizienten U P am größten ist. Von zwei Portefeuilles A und B mit gleichem Korrelationskoeffizienten ( U PA U PB ) ist zwar die minimale Varianz dieselbe, jedoch entspricht gemäß (IX.30) demjenigen Portefeuille der höhere (positive) P*-Wert und somit gemäß der zugrunde gelegten Normierung ~ auch die höhere Risikoprämie, das die kleinere Standardabweichung Sta ( W1P ) aufweist. Wie die Abbildung IX.10 verdeutlicht, kann das Portefeuille mit der höheren Standardabweichung (ohne Konvexkombinationen) nicht effizient sein, wobei davon ausgegangen wird, dass das Portefeuille A die höhere Standardabweichung aufweist. Die (P,V2)-Kurve für das Portefeuille A kann isoliert gesehen nur im Bereich rechts von ihrem Minimum MA als Effizienzkurve relevant sein. Jedoch kann bei Zugrundelegung des Portefeuilles B bei gleicher minimaler Varianz ein Erwartungswert des Endvermögens in Höhe des Abszissenwertes des Punktes MB erzielt werden, so dass der Punkt MA durch MB dominiert wird. Da die Standardabweichung des Portefeuilles A größer ist als die von B muss wegen U PA U PB gemäß (IX.29) im Bereich rechts von MA die Grenzvarianz für das Portefeuille A für jeden Abszissenwert größer sein als für das Portefeuille B, so dass die (P,V2)-Kurve für Portefeuille A die für B in einem Punkt S links von MB schneidet. Die (P,V2)-Kurve für Portefeuille A kann somit nicht Effizienzkurve sein. Maßgeblich für die Effizienzkurve ist das Portefeuille B (mit der kleineren Standardabweichung). Zwar entspricht dem Portefeuille A im Bereich zwischen ~ den Punkten P und S für alternative E(V1 ) -Werte eine kleinere Varianz als dem Portefeuille B. Dies ist aber deshalb nicht relevant, weil dieser Bereich ineffiziente (P,V2)Positionen beschreibt.

Von mehreren Portefeuilles mit gleichem (negativem) Korrelationskoeffizienten ist ohne Konvexkombinationen nur dasjenige Portefeuille für die Effizienzkurve relevant, deren Standardabweichung nach Normierung am kleinsten ist; die anderen Portefeuilles werden dominiert. Analog kann gezeigt werden: Wenn das Portefeuille A nach Normierung nicht nur eine größere Standardabweichung aufweist, sondern auch einen höheren ~ Korrelationskoeffizienten mit Ü1 (d.h. einen kleineren Betrag des negativen Korrelationskoeffizienten), wird es ebenfalls vom Portefeuille B dominiert und kann für die Effizienzkurve nicht in Betracht kommen. Damit ein Portefeuille mit höherer Standardabweichung nicht dominiert wird, muss es ~ einen kleineren Korrelationskoeffizienten mit Ü1 aufweisen. Die Implikationen verdeutlicht die Abbildung IX.11. Hier besitzt das Portefeuille A wieder die höhere Stan~ dardabweichung, nun aber den kleineren Korrelationskoeffizienten mit Ü1 (d.h. den größeren Betrag des negativen Korrelationskoeffizienten). Aufgrund des kleineren Korrelationskoeffizienten ist jetzt gemäß (IX.31) die minimale Varianz für das Portefeuille A kleiner als für das Portefeuille B. Die Annahme, dass MA links von MB liegt, impli-

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

351

 ) für ziert nun gemäß (IX.30), dass der Betrag des (negativen) Quotienten UP / Sta(W 1P das Portefeuille A kleiner ist als für das Portefeuille B. Da das (negative) Produkt ~ U P ˜ Sta ( W1P ) für das Portefeuille A kleiner ist als für das Portefeuille B, ist nach (IX.29) an der Stelle y = 0, d.h. für den Punkt P, die Steigung der (P,V2)-Kurve für Portefeuille A kleiner als für B. Jedoch wächst wegen der höheren Standardabweichung für das Portefeuille A gemäß (IX.29) die Steigung der (P,V2)-Kurve für dieses Portefeuille mit steigendem P stärker als die für das Portefeuille B, so dass der senkrechte Abstand zwischen beiden (P,V2)-Kurven immer kleiner wird, bis schließlich ab dem Schnittpunkt S die (P,V2)-Kurve für Portefeuille A oberhalb der für B verläuft. Für die modifizierte Effizienzkurve sind nun beide Portefeuilles relevant. ~ Var(V1 )

für Portefeuille A

~ Var( Ü1 )

z

für Portefeuille B

P

MB z

z

S z

MA z

0

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) y

~ E(V1 )

~ (1  r ) ˜ V0  E ( Ü1 )  y

0

Abb. IX.11: Zur Analyse der Effizienzkurve ohne Konvexkombinationen der betrachteten Hedgeportefeuilles

Ohne Berücksichtigung von Konvexkombinationen beginnt die modifizierte Effizienzkurve im Punkt MA und stimmt zunächst mit der (P,V2)-Kurve für das Portefeuille A überein, ab dem Punkt S mit der für das Portefeuille B. Es zeigt sich auch hier, dass das ~ für das Hedgen des aus Ü1 resultierenden Risikos maßgebliche Portefeuille von der Risikoaversion des Investors abhängt. Ist sie hoch, so dass der Investor einen geringen ~ Erwartungswert E(V1 ) anstrebt, ist das Portefeuille A mit der niedrigeren Korrelation relevant, weil er damit in dem betreffenden Bereich das Risiko besonders gut reduzieren kann. Für hohe angestrebte Erwartungswerte gibt die kleinere Standardabweichung des Portefeuilles B den Ausschlag. Analoge Zusammenhänge gelten für den Fall, dass mehr als zwei Portefeuilles be~ rücksichtigt werden: Mit steigendem E(V1 ) gewinnt die Standardabweichung im Vergleich zum Korrelationskoeffizienten immer größeres Gewicht.

352

Kapitel IX

(ab) Nur positive Korrelationskoeffizienten ~ Es wird nun den Fall positiver Korrelationskoeffizienten mit Ü1 betrachtet (möglicher~ weise existiert gar kein Portefeuille mit negativer Korrelation mit Ü1 ). Für den Bereich ~ ~ y t 0 oder E(V1 ) t (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) gelten hierfür die gleichen Zusammenhänge wie für U d 0 : Eine höhere Korrelation eines normierten Portefeuilles kann nur in Verbindung mit einer niedrigeren Standardabweichung für die Effizienzkurve relevant sein. ~ Interessanter bei positiven Korrelationskoeffizienten mit Ü1 ist allerdings der Be~ ~ reich E(V1 )  (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) mit negativen Risikoprämien. Bei positivem Korrela~ tionskoeffizienten wird mit einem Portefeuille gemäß (IX.30) die Varianz Var(V1 ) bei negativem y*-Wert minimiert, also bei Leerverkauf. Dabei ist nach (IX.31) die minima~ le Varianz Var (V1 ) Min eine fallende Funktion von UP. Bei gegebenem UP ist nach (IX.30) der Betrag von y* und entsprechend auch der Betrag der zugehörigen (negati~ ven) Risikoprämie umso niedriger, je höher Sta ( W1P ) ist. Bei gleichem Korrelationskoeffizienten weisen somit zwei (normierte) Portefeuilles zwar dieselbe minimale Varianz auf, jedoch ist die zugehörige (negative) Risikoprämie für das Portefeuille mit der höheren Standardabweichung höher (betragsmäßig geringer), wie die Abbildung IX.12 verdeutlicht: ~ Var(V1 )

für Portefeuille B

für Portefeuille A

P

~ Var( Ü1 )

z

z

MA 0

z

MB ~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) y

~ E(V1 )

~ (1  r ) ˜ V0  E ( Ü1 )  y

0

Abb. IX.12: Zur Analyse der Effizienzkurve ohne Konvexkombinationen der betrachteten Hedgeportefeuilles

~ ~ Die (P,V2)-Kurve für das Portefeuille A kann im Bereich E(V1 )  (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) oder y  0 nicht effizient sein. In diesem Bereich kann jede mögliche Varianz mit ei~ nem höheren Erwartungswert E(V1 ) realisiert werden, wenn statt A das Portefeuille B ~ ~ zugrunde gelegt wird. Umgekehrt wird im Bereich E(V1 ) ! (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) oder y > 0 die (P,V2)-Kurve für Portefeuille B von der für A dominiert. Ohne Berücksichtigung von Konvexkombinationen beginnt die Effizienzkurve im Punkt MB. Rechts von P wird sie durch die (P,V2)-Kurve für das Portefeuille A bestimmt.

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

353

Wenn ein (normiertes) Portefeuille eine höhere Standardabweichung aufweist als ein anderes (normiertes), muss es eine kleinere (positive) Korrelation aufweisen, damit es ~ ~ im Bereich E(V1 ) d (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) Basis für die Effizienzkurve sein kann. Es gilt der folgende allgemeine Zusammenhang: Wenn die Risikoaversion des Investors hoch ist, geht es ihm primär darum, das exogene Risiko zu hedgen. Es gelingt tendenziell am besten, die Varianz zu reduzieren, wenn bei gegebener Standardabweichung das Portefeuille mit dem höchsten Betrag des Korrelations~ koeffizienten mit Ü1 zugrunde gelegt wird. Ist die Korrelation positiv, wird ein Leerverkauf vorgenommen; dabei wird eine negative Risikoprämie in Kauf ge~ ~ nommen, so dass E(V1 ) unter (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) sinkt. ~ Je höher der angestrebte Erwartungswert E(V1 ) – je größer die Risikotoleranz des Investors – desto mehr gewinnt in (IX.28) die mit y2 gewichtete Varianz ~ Var( W1P ) im Vergleich zum Korrelationskoeffizienten UP an Gewicht. Bei ~  )t sukzessiver Erhöhung von E(V1 ) bzw. von y wird im Bereich E(V 1  (1  r) ˜ V0  E(Ü1 ) eine immer größere Korrelation in Kauf genommen, um den ~ Vorteil einer kleineren Varianz Var( W1P ) realisieren zu können. Von Bedeutung ist dabei, dass dasjenige Portefeuille mit der Risikoprämie 1 die kleinste ~ (Standardabweichung bzw.) Varianz Var( W1P ) aufweist, das in einem Anteil am Marktportefeuille besteht. Bisher wurde nur gezeigt, welche (P,V2)-Kurven als Basiselemente der Effizienzkurve überhaupt in Betracht kommen können. Zur theoretisch genauen Interpretation der Effizienzkurve sollten möglichst viele Korrelationskoeffizienten berücksichtigt werden. Sind Leerverkäufe ausgeschlossen, ist für jeden Korrelationskoeffizienten nur das Portefeuille mit der kleinsten Standardabweichung relevant. Wenn ab einem bestimmten ~ UP-Wert eine Erhöhung von UP nur in Verbindung mit einer Erhöhung von Sta ( W1P ) möglich ist, sind die betreffenden Portefeuilles für die Effizienzkurve irrelevant. Sind Leerverkäufe zulässig, kann damit auf der Basis von Portefeuilles mit positivem Korrelationskoeffizienten die Varianz reduziert werden. Für jede positive Korrelation ist ~ jetzt allerdings die größte Standardabweichung Sta ( W1P ) relevant. (b) Mit Konvexkombination zwischen den betrachteten Portefeuilles

Werden viele Portefeuilles mit unterschiedlichen Korrelationskoeffizienten mit ~ Ü1 und Standardabweichungen berücksichtigt, wird die Effizienzkurve grundsätzlich durch viele (P,V2)-Kurven bestimmt. Jede von ihnen ist dann für einen (kleinen) Abszissenbereich mit der modifizierten Effizienzkurve identisch. Jedoch kann vereinfacht werden, indem relativ wenige Portefeuilles explizit berücksichtigt und dann zusätzlich Konvexkombinationen zwischen Positionen auf ihnen betrachtet werden. Dabei sollten diese Portefeuilles den gesamten Bereich realisierbarer Korrelationskoeffizienten überspannen, um einen weiten Spielraum

354

Kapitel IX

für Anpassungen durch Konvexkombinationen zu ermöglichen. Konvexkombinationen haben für unsere Analyse auch aus folgendem Grund Bedeutung: Wir haben nur Portefeuilles betrachtet, in denen keine Leerverkäufe (also nur nichtnegative Wertpapierbestände) enthalten sind. Um zu Portefeuilles mit positiven und negativen Beständen zu kommen, sind daher Konvexkombinationen aus Käufen und (zulässigen) Leerverkäufen solcher Portefeuilles zu bilden. Existiert ein Portefeuille ~ mit negativer Korrelation mit Ü1 , kann durch alternative Konvexkombinationen aus Käufen von Einheiten dieses Portefeuilles und Leerverkäufen von Einheiten eines Porte~ feuilles mit positiver Korrelation mit Ü1 ausgehend von P die Varianz des Endvermögens reduziert werden, ohne dass sich dessen Erwartungswert ändert. Die Risikoprämien der betreffenden Portefeuilles sind dabei gleich null.

4.2.2

Allgemeine Charakteristik der modifizierten Effizienzkurve

Im Folgenden soll gezeigt werden, wie sich Leerverkaufsmöglichkeiten auf den Verlauf der modifizierten Effizienzkurve auswirken können. Dabei beziehen sich die graphischen Darstellungen wieder auf das (P,V)-Diagramm; die Basiseffizienzkurve als Referenzlinie verläuft dann linear. ~ Sind (wie unter den Voraussetzungen des CAPM) ohne den Überschuss Ü1 Leerverkäufe nicht effizient, haben Leerverkaufsmöglichkeiten keinen Einfluss ~ auf die Referenzlinie. Wenn unter Berücksichtigung von Ü1 Leerverkäufe effizient sind, beginnt die modifizierte Effizienzkurve links unterhalb des Punktes P.10 Sie verläuft analog zum Fall ohne Leerverkauf (Abbildung IX.7) zunächst streng konvex, wobei sowohl ihr senkrechter als auch ihr waagrechter Abstand von der Basiseffizienzkurve (der Referenzlinie) mit steigendem Erwartungswert des Endvermögens immer kleiner werden, bis sie schließlich in einem (nicht eingezeichneten) Punkt Tl die Basiseffizienzkurve trifft. Dieser Punkt liegt tendenziell links von demjenigen Treffpunkt T, der für die modifizierte Effizienzkurve ohne Leerverkauf maßgeblich ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Punkt Tl dem kleinsten effizienten Portefeuille auf der Referenzlinie entspricht, das statt des gesamten Duplikationsportefeuilles nur noch denjenigen Teil dieses Portefeuilles enthält, der nicht leerverkauft werden kann. Die modifizierte Effizienzkurve mit Leerverkauf verläuft dann bis zum ursprünglichen Punkt T (ohne Leerverkauf) unter der ohne Leerverkauf.

10

Bei unbeschränktem Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles würde die modifizierte Effizienzkurve mit der Referenzlinie übereinstimmen.

355

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

Die Abbildungen IX.13 und IX.14 verdeutlichen, wie die modifizierte Effizienzkurve ohne Leerverkauf im Prinzip durch Leerverkäufe und Konvexkombinationen daraus resultierender (P,V)-Positionen verbessert werden kann. Die Abbildung IX.13 beruht wie Abbildung IX.5, Abschnitt 3.4.2.2 (a), auf der An~ nahme, dass alle Korrelationskoeffizienten zwischen den Endwerten P1n und dem Über~ schuss Ü1 positiv sind, so dass die modifizierte Effizienzkurve ohne Leerverkauf im Punkt P beginnt und dort bereits eine positive Steigung aufweist. Wenn nun ein leerverkaufbares Portefeuille (oder ein einzelnes leerverkaufbares Papier) existiert, dessen ~ Endwert mit Ü1 positiv korreliert ist, kann ausgehend von P durch Leerverkauf das Risiko in gewissem Umfang reduziert werden, im Beispiel der Abbildung IX.13 entlang der durch P verlaufenden Kurve bis zum Ordinatenwert des Punktes M1. Allerdings impliziert die Risikoreduktion, dass der Erwartungswert des Endvermögens sinkt. (Annahmegemäß sind die Risikoprämien aller Papiere positiv.) Durch Kauf von Einheiten des gleichen Portefeuilles könnten auch Positionen auf der durch P verlaufenden gestrichelten Kurve rechts oberhalb von P realisiert werden. Diese Positionen sind jedoch ineffizient. modifizierte Effizienzkurve ohne Leerverkauf

~ Sta (V1 )

T z

P*

P

~ Sta ( Ü1 ) z

z

z

z

z

z

M1

Referenzlinie

M2 RP*

z

0

z

(1  r) ˜ G 0

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )

z

~ E(V1 )

RPDP

Abb. IX.13: Zum Verlauf der Effizienzkurve bei Leerverkauf einzelner Papiere

Beim Punkt P* auf der modifizierten Effizienzkurve ohne Leerverkauf wird zusätzlich ~ zum Überschuss Ü1 ein Ergänzungsportefeuille gehalten, das ausschließlich nichtnegative Bestände an Papieren enthält. Dieses Portefeuille ist ohne Leerverkaufsmöglichkeiten effizient. Das Ergänzungsportefeuille enthält grundsätzlich zwei Typen von Papieren: Papiere, für die die Untergrenze x n (ohne Leerverkaufsmöglichkeiten) streng bindend ist und Papiere, für die das nicht der Fall ist. Für ein Papier n mit strenger Bindung der Untergrenze gilt gemäß den Darstellungen in Abschnitt 3.3.1, dass der Kauf zusätz-

356

Kapitel IX

licher Einheiten bei ansonsten unverändertem Portefeuille ineffizient ist, jedoch bei nun zulässigem Leerverkauf ein Vorteil erzielt werden kann. Allgemein kann ausgehend vom Punkt P* c.p. durch Leerverkauf eines Portefeuilles innerhalb gewisser Grenzen die Varianz (die Standardabweichung) reduziert werden, ~ wenn dessen Endwert positiv mit dem Überschuss Ü1 zuzüglich des Endwertes des Ergänzungsportefeuilles korreliert ist. Im Beispiel der Abbildung IX.13 ergibt sich als minimale Varianz der Ordinatenwert des Punktes M2. Die Darstellungen zum Punkt P ~ (dem Überschuss Ü1 ohne Ergänzungsportefeuille) gelten für P* analog. Durch Konvexkombination der den Punkten M1 und M2 entsprechenden Portefeuilles können die Positionen auf der gestrichelten konvexen Verbindungskurve zwischen diesen Punkten realisiert werden. Weitere Modifikationen durch Leerverkäufe und Konvexkombinationen können zusätzliche (P,V)-Kurven erzeugen, so dass schließlich die modifizierte Effizienzkurve mit Leerverkäufen analog zur Abbildung IX.4 als Umhüllende dargestellt werden kann. Je größer der Abszissenwert des Punktes P* auf der modifizierten Effizienzkurve ohne Leerverkauf (je größer der angestrebte Erwartungswert des Endvermögens) ist, desto weniger Papiere mit strenger Bindung der Untergrenze x n sind in dem P* zugehörigen effizienten Portefeuille enthalten und desto weniger kann tendenziell die Position durch Leerverkäufe verbessert werden. Wenn P* mit P (Abbildung IX.13) übereinstimmt oder nur wenig rechts davon liegt, verbessert sich die Effizienzkurve tendenziell relativ stark, wenn solche Papiere leerverkauft werden ~ (können), für die die Kovarianz mit dem Überschuss Ü1 bzw. dem Endwert seines Duplikationsportefeuilles hoch ist. ~ Sta (V1 )

modifizierte Effizienzkurve ohne Leerverkauf z

P

~ Sta ( Ü1 ) z

T

z

M

P1

z

M2

z

M1

z

0

(1  r) ˜ G 0

z

z

z

z

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )

Referenzlinie

~ E(V1 )

Abb. IX.14: Zum Verlauf der Effizienzkurve bei Leerverkauf einzelner Papiere

Die Abbildung IX.14 zeigt analoge Zusammenhänge für den Fall, dass aufgrund negati~ ~ ver Kovarianzen bzw. Korrelationen zwischen Endwerten P1n und Ü1 bzw. zwischen ~ Endwerten P1n und P1m die modifizierte Effizienzkurve ohne Leerverkauf im Punkt M rechts unterhalb von P beginnt. Daneben können auch solche Papiere mit positiver Korrelation existieren, mit denen durch Leerverkauf das Risiko reduziert werden kann. Im

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

357

Beispiel der Abbildung IX.14 kann ausgehend von Punkt P (P1) die M1 (M2) entsprechende Standardabweichung erreicht werden. Durch Konvexkombinationen können außerdem (P,V)-Kombinationen auf der konvexen Verbindungskurve zwischen M1 und M2 realisiert werden, usw.

4.3

Eigenschaften des optimalen Portefeuilles

Das optimale Portefeuille wird durch den Tangentialpunkt der modifizierten Effizienzkurve mit Leerverkauf mit einer Indifferenzkurve bestimmt. Bei gegebenem Verlauf dieser Effizienzkurve sind die Risikoprämie des optimalen Portefeuilles und der ent~ sprechende Erwartungswert E(V1 ) umso größer, je geringer die Risikoaversion des Investors ist, d.h. je größer bei quadratischer Nutzenfunktion der Abszissenwert b/2c des Mittelpunktes M der konzentrischen Halbkreise ist, die im (P,V)-Diagramm seine Indifferenzkurve bestimmen. Daraus folgt in Verbindung mit den Darstellungen zu den Abbildungen IX.6 und IX.7 folgende Tendenz: Je geringer die Risikoaversion, desto mehr ~ stimmt die Struktur des mit Ü1 optimalen Portefeuilles mit der jener Portefeuilles über~ ein, die der Referenzlinie entsprechen, also ohne Ü1 effizient sind. (Unter den Voraussetzungen des CAPM stellen diese Portefeuilles alternative Anteile am Marktportefeuille dar.) Wenn die Risikoaversion so gering ist, dass die modifizierte Effizienzkurve ohne Leerverkauf in dem Bereich rechts von T eine Indifferenzkurve tangiert, dann hält der Investor ohne Leerverkauf dasselbe Portefeuille wie für den Fall, dass er das Duplikationsportefeuille vollständig leerverkaufen kann. Da es in diesem Bereich effizient ist, das Duplikationsportefeuille „zurückzukaufen“ bzw. nicht erst zu verkaufen, spielt hier der Ausschluss von Leerverkäufen keine Rolle; der Investor erzielt denselben Nutzenerwartungswert wie bei unbeschränkter Leerverkaufsmöglichkeit. Ist der Entscheidungsträger entsprechend risikoavers, liegt der Tangentialpunkt der modifizierten Effizienzkurve ohne Leerverkauf mit einer Indifferenzkurve oberhalb der Referenzlinie. Der Investor erzielt hier durch Ausschluss von Leerverkäufen eine Nutzeneinbuße, die vor allem dann groß ist, wenn überhaupt kein Leerverkauf möglich ist ~ ~ und wie für Abbildung IX.5 nur positive Kovarianzen Kov(P1n ; P1m ) relevant sind. Negative Kovarianzen und Leerverkaufsmöglichkeiten können allgemein vor allem dann Vorteile mit sich bringen, wenn der Investor eine hohe Risikoaversion hat und es für ihn also nicht optimal ist, ein Portefeuille mit hoher Risikoprämie zu realisieren.

5

Resümee

 des Bewer1. Der individuelle subjektive Grenzpreis hängt davon ab, wie der Überschuss Ü 1 tungsobjekts durch Portefeuillebildung optimal gehedgt wird. Die Hedgemöglichkeiten hängen davon ab, inwieweit der Überschuss dupliziert werden kann und welche Möglichkeiten des Leerverkaufs von Papieren bestehen. Im vorliegenden und dem nachfolgenden Kapitel  ein optimales wird gezeigt, wie unter Berücksichtigung eines exogenen Überschusses Ü 1 Portefeuille ermittelt werden kann, wie es unter verschiedenen Kapitalmarktbedingungen

358

Kapitel IX

von seinen Determinanten abhängt und wie es von demjenigen Portefeuille abweicht, das oh optimal ist. Im vorliegenden Kapitel wird davon ausgegangen, dass dieser Überschuss ne Ü 1 durch Portefeuillebildung duplizierbar ist. Im Vordergrund der Darstellungen steht die „modifizierte“ Effizienzkurve, die für die Ermittlung eines individuellen subjektiven Grenzpreises und die Analyse seiner Höhe von zentraler Bedeutung ist. Sie gibt an, wie unter Berück die minimale Varianz oder Standardabweichung des Endsichtigung des Überschusses Ü 1 vermögens von dessen Erwartungswert abhängt. Ihr Tangentialpunkt mit einer Indifferenz . Es wird davon ausgegangen, dass der kurve kennzeichnet das optimale Portefeuille mit Ü 1  Investor neben dem Überschuss Ü1 nur über das Geldvermögen V0 zum Zeitpunkt 0 verfügt. Wenn er keine Wertpapiere hält, erzielt er ein Endvermögen mit dem Erwartungswert  ) und der Standardabweichung Sta(Ü  ).  ) (1  r) ˜ V  E(Ü E(V 1 0 1 1 2. Wenn das Duplikationsportefeuille (vollständig) leerverkauft werden kann, ist für die Portefeuilleplanung direkt das Grundmodell der Portefeuilleplanung (Kapitel III) maßgeblich: Da verkaufte Papiere (ohne Transaktionskosten) zurückgekauft werden können, kann ohne Einschränkung der Allgemeinheit von der Fiktion ausgegangen werden, dass der Leerverkauf  hat dann nur die Bedeutung, dass er das vorgenommen wird. Der exogene Überschuss Ü 1 Geldvermögen beeinflusst, über das der Investor zum Zeitpunkt null verfügt. Die Effizienzkurve verläuft dann im (P,V)-Diagramm so wie ohne den exogenen Überschuss linear. Die Effizienzkurve bei unbeschränktem Leerverkauf (oder direktem Verkauf des Überschusses  zum Marktwert) wird als Basiseffizienzkurve bezeichnet. Sie dient als Referenzkurve Ü 1 (im (P,V)-Diagramm als Referenzlinie) für die Analyse des Verlaufs der modifizierten Effizienzkurve. 3. Anschließend wird der Fall betrachtet, dass überhaupt kein Leerverkauf vorgenommen werden (soll bzw.) darf, also nur nichtnegative Wertpapierbestände xn (n = 1,2,…,N) gehalten werden dürfen. Bei der Ermittlung der modifizierten Effizienzkurve stellt sich das Problem,  unter expliziter Berücksichtigung von Ü für alternative Erwartungswerte 1    E(V1 ) t (1  r)V0  E(Ü1 ) des Endvermögens V1 dasjenige Portefeuille mit der kleinsten Varianz (bzw. Standardabweichung) zu ermitteln. Es wurde gezeigt, wie dieses Problem gelöst werden kann.  bzw. dem ihn repräsentierenden 4. Dem Geldvermögen V und dem exogenen Überschuss Ü 0

1

Duplikationsportefeuille entspricht der Punkt P im (P,V)-Diagramm. Dies ist der Ausgangspunkt der Analyse der modifizierten Effizienzkurve. P kann nicht unterhalb der Referenzli von der des nie liegen. Er liegt darüber, sofern die Risikoklasse des Überschusses Ü 1 Marktportefeuilles abweicht, wovon bei der Analyse der modifizierten Effizienzkurve ausgegangen wurde. Diese kann in keinem Bereich unterhalb der Referenzlinie verlaufen. Sie trifft jedoch die Referenzlinie in einem Punkt T. Er kennzeichnet das ohne den Überschuss  effiziente Portefeuille mit dem kleinsten Erwartungswert und der kleinsten StandardabÜ 1 weichung (bzw. dem kleinsten Anteil am Marktportefeuille), welches das Duplikationsportefeuille als Teilmenge enthält. Links von T verläuft die modifizierte Effizienzkurve oberhalb der Referenzlinie und streng konvex. Der senkrechte und der waagrechte Abstand zwischen ihr und der Referenzlinie werden bis zum Punkt T immer kleiner: Die fehlende Leer ) (mit verkaufsmöglichkeit des Duplikationsportefeuilles wirkt sich mit zunehmendem E(V 1 zunehmendem Umfang des effizienten Portefeuilles) immer weniger restriktiv aus; die Portefeuillestruktur (unter Einschluss des Duplikationsportefeuilles bzw. des hiermit repräsen ) nähert sich immer mehr derjenigen Struktur, die der Referenzlinie tierten Überschusses Ü 1 entspricht (annahmegemäß der Struktur des Marktportefeuilles). 5. Ist ein Teil der Kovarianzen Kov(P1n ;P1m ) der Papiere im Duplikationsportefeuille (als  ) mit anderen Papieren negativ, kann möglicherweise die Repräsentant des Überschusses Ü 1

Portefeuilleplanung mit vollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

359

Standardabweichung des Endvermögens reduziert werden, indem zusätzlich zum Duplikati Papiere ins Portefeuille onsportefeuille bzw. dem hierdurch repräsentierten Überschuss Ü 1 genommen werden. Die Kurve, die den Zusammenhang zwischen minimaler Standardab ) und dem Erwartungswert E(V  ) zum Ausdruck bringt, sinkt dann zuweichung Sta(V 1 1 nächst bis zu einem Minimum M und steigt anschließend wieder, bis sie schließlich in einem Punkt T die Referenzlinie erreicht. Nur rechts von M verläuft die modifizierte Effizienzkurve. 6. Die Möglichkeit, einzelne Papiere leer zu verkaufen, verbessert die Hedgemöglichkeiten  mit der Folge, dass sich die modifizierte Effizienzkurve der Referenzdes Überschusses Ü 1 linie nähert. (Bei unbeschränktem Leerverkauf sind beide Kurven identisch.) Der Leerver positiv korreliert sind, hat bezüglich der Varianz des Endkauf von Papieren, die mit Ü 1 vermögens denselben Effekt wie der Kauf von Papieren mit betragsmäßig gleicher negativer Korrelation.  Leerverkäufe nicht effizient, 7. Sind (wie unter den Voraussetzungen des CAPM) ohne Ü 1

haben Leerverkaufsmöglichkeiten keinen Einfluss auf die Referenzlinie. Wenn unter Be zulässige Leerverkäufe effizient sind, beginnt die modifizierte Effirücksichtigung von Ü 1 zienzkurve links unterhalb des Punktes P. Sie verläuft analog zum Fall ohne Leerverkauf zunächst streng konvex, wobei ihr senkrechter und ihr waagrechter Abstand von der Referenzlinie mit steigendem Erwartungswert des Endvermögens immer kleiner werden, bis sie schließlich in einem Punkt Tl die Referenzlinie trifft. Dieser Punkt liegt tendenziell links von demjenigen Treffpunkt T, der ohne Leerverkauf maßgeblich ist. Die modifizierte Effizienzkurve mit Leerverkauf verläuft dann bis zum ursprünglichen Treffpunkt T unter der alten. 8. Das optimale Portefeuille wird durch den Tangentialpunkt der modifizierten Effizienzkurve mit einer Indifferenzkurve bestimmt. Bei gegebenem Verlauf dieser Effizienzkurve sind die  ) Risikoprämie des optimalen Portefeuilles und der entsprechende Erwartungswert E(V 1 umso größer, je geringer die Risikoaversion des Investors ist. Daraus ergibt sich folgende  optiTendenz: Je geringer die Risikoaversion, desto mehr stimmt die Struktur des mit Ü 1 malen Portefeuilles mit der jener Portefeuilles überein, die der Referenzlinie zugrunde lie effizient sind. gen und ohne Ü 1 Wenn die Risikoaversion so gering ist, dass die ohne Leerverkauf maßgebliche modifizierte Effizienzkurve in dem Bereich rechts von T eine Indifferenzkurve tangiert, hält der Investor bei Leerverkaufsbeschränkungen letztlich dasselbe Portefeuille wie für den Fall, dass er das Duplikationsportefeuille vollständig leerverkaufen kann. Da es in diesem Bereich effizient ist, das Duplikationsportefeuille „zurückzukaufen“ bzw. nicht erst zu verkaufen, spielt hier der Ausschluss von Leerverkäufen keine Rolle; der Investor erzielt denselben Nutzenerwartungswert wie bei unbeschränkter Leerverkaufsmöglichkeit. Ist der Investor entsprechend risikoavers, liegt der Tangentialpunkt der modifizierten Effizienzkurve ohne Leerverkauf mit einer Indifferenzkurve links von T oberhalb der Referenzlinie. Der Investor erzielt hier durch Ausschluss von Leerverkäufen eine Nutzeneinbuße, die vor allem dann groß ist, wenn überhaupt kein Leerverkauf möglich ist und nur positive Kovarianzen Kov(P1n ;P1m ) relevant sind. Leerverkaufsmöglichkeiten können vor allem dann Vorteile mit sich bringen, wenn der Investor eine hohe Risikoaversion hat und keine negativen Korrelationskoeffizienten gegeben sind.

Kapitel X Portefeuilleplanung mit unvollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

1

Problemstellung

Im vorliegenden Kapitel werden die Darstellungen des vorhergehenden Kapitels für den Fall modifiziert, dass der exogene Überschuss nur unvollständig (bzw. „beschränkt“) duplizierbar ist, d.h. allenfalls einzelne Einzahlungen und/oder Auszahlungen (einzelne Überschusskomponenten) dupliziert werden können. Insbesondere wird untersucht, welche prinzipielle Bedeutung unvollständige Duplizierbarkeit für die Gestalt der modifizierten Effizienzkurve hat. Diese Kurve bestimmt gemeinsam mit den Indifferenzkurven ~ jenes Portefeuille, das unter Berücksichtigung des exogenen Überschusses Ü1 optimal ist, sowie den Nutzenzuwachs, der sich ergäbe, wenn der exogene Überschuss zum (virtuellen) Marktwert veräußerbar wäre. Im Vordergrund der Darstellungen steht der Fall, dass Leerverkäufe unbeschränkt möglich sind. Es wird sich zeigen, dass beschränkte Duplizierbarkeit bei unbeschränktem Leerverkauf im Prinzip dieselben Implikationen hat wie beschränkter Leerverkauf bei vollständiger Duplizierbarkeit. Beschränkungen der Duplizierbarkeit haben deshalb ähnliche Auswirkungen wie Beschränkungen von Leerverkäufen, weil sie die Möglich~ keiten begrenzen, das mit Ü1 verbundene Risiko durch Portefeuillebildung zu hedgen. Auf den folgenden Darstellungen aufbauend können die Implikationen von Leerverkaufsbeschränkungen analog analysiert werden wie in Kapitel IX. In Abschnitt 2 werden allgemeine Implikationen unvollständiger Duplizierbarkeit für den Fall unbeschränkter Leerverkaufsmöglichkeiten betrachtet. Um die Varianz des ~ ~ Endvermögens V1 (unter Berücksichtigung des Überschusses Ü1 ) zu minimieren, ist dasjenige Portefeuille heranzuziehen, für das der Betrag der Korrelation seines Endwer~ ~ tes mit Ü1 am größten ist. (Bei stochastischer Unabhängigkeit kann das aus Ü1 resultierende Risiko nicht gehedgt werden; Portefeuillebildung erhöht die Varianz.) Ist der betreffende Korrelationskoeffizient positiv (negativ), werden Einheiten dieses Portefeuilles leerverkauft (gekauft). Die Möglichkeit der vollständigen Duplikation stellt einen ~ Idealfall dar: Der Korrelationskoeffizient seines Endwertes mit dem Überschuss Ü1 ist hier entweder +1 oder –1. In Abschnitt 3 wird ein Modell der Portefeuilleplanung für unbeschränkten Leerverkauf von Wertpapieren dargestellt und die Bedingungen effizienter Portefeuilles interpretiert.

362

Kapitel X

Darauf aufbauend wird in Abschnitt 4 allgemein die Gestalt der modifizierten Effizienzkurve untersucht. Besondere Beachtung finden dabei die Implikationen beschränkter Duplizierbarkeit. In Abschnitt 5 werden die Darstellungen für den Fall konkretisiert, dass Beschrän~ kungen der Duplizierbarkeit aus Störtermen für den Überschuss Ü1 und/oder die Endwerte P1n der Wertpapiere resultieren, die nicht direkt gehedgt werden können (die nicht handelbar, also idiosynkratisch sind). Dabei gehen wir vereinfachend davon aus, ~ dass der Störterm für Ü1 keinen Einfluss auf dessen Marktwert hat und Störterme für die Papiere n (wie im modifizierten SPA) keinen Einfluss auf deren Preise P0n und Risikoprämien E(P1n )  (1  r) ˜ P0n haben.

2

Implikationen unvollständiger Duplizierbarkeit

Zunächst wird der Fall betrachtet, dass Leerverkäufe unbeschränkt möglich sind. Könn~ te der Überschuss Ü1 (vollständig) dupliziert werden, könnte das daraus resultierende Risiko durch Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles völlig beseitigt werden. ~ Da nun Ü1 nicht duplizierbar ist, bestehen selbst bei unbeschränkten Leerverkaufsmöglichkeiten keine idealen Möglichkeiten, das exogene Risiko zu hedgen. Welche Kon~ ~ sequenzen sich ergeben, hängt von den Kovarianzen Kov(P1n ; Ü1 ) (n = 1,2,…, N) ab. ~ Zur Erläuterung wird wieder ein Hedgeportefeuille WP mit dem Endwert W1p betrachtet. Werden y Einheiten dieses Portefeuilles erworben (im Fall y < 0 erfolgt ein Leerverkauf), ergibt sich folgende Varianz des Endvermögens: (X.1)

~ Var(V1 )

~ ~ ~ ~ Var( Ü1 )  2 ˜ y ˜ U p ˜ Sta ( Ü1 ) ˜ Sta ( W1p )  y 2 ˜ Var( W1p ) .

~ ~ Dabei bezeichnet Up den Korrelationskoeffizient für Ü1 und W1p . Für den y-Wert, mit ~ dem die Varianz Var(V1 ) minimiert wird, gilt (Kapitel IX, Abschnitt 4.2.1.1):

(X.2)

y*



~ Sta ( Ü1 ) ˜ Up . ~ Sta ( W1p )

~ Der Betrag von y* ist umso größer, je größer die Standardabweichung Sta ( Ü1 ) und der Betrag der Korrelationskoeffizienten Up sind und je kleiner die Standardabweichung ~ Sta ( W1p ) ist. Für die y* entsprechende minimale Varianz (das „Basisrisiko“) gilt (Kapitel IX, Abschnitt 4.2.1.1):

(X.3)

~ Var (V1 ) Min

~ Var ( Ü1 ) ˜ (1  U 2p ) .

~ Für die Grenzfälle Up = 1 und Up = –1 ist die minimale Varianz gleich null. Das mit Ü1 verbundene Risiko wird völlig beseitigt (perfekt gehedgt), wenn das Portefeuille WP

Portefeuilleplanung mit unvollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

363

~ mit dem Endwert W1p auf dem Niveau y* gemäß (X.2) realisiert wird. Im Fall Up = 1 erfolgt ein Leerverkauf, im Fall Up = –1 ein Kauf auf diesem Niveau. Die beiden Grenzfälle implizieren den folgenden linearen Zusammenhang, wobei a und b deterministische Größe sind: (X.4)

~ Ü1

~ a ˜ W1p  b

(a  0 und b beliebig).

~ Der Überschuss Ü1 besteht also aus einer stochastischen Komponente, die mit a Einheiten des Portefeuilles WP übereinstimmt, und einem deterministischen Betrag b. Gemäß (X.4) gilt für Up:

(X.5)

Up

 ;W  Kov(Ü 1 1p )  ) ˜ Sta(W  ) Sta(Ü 1 1p

  b; W  ) Kov(a ˜ W 1p 1p   b) ˜ Sta(W  ) Sta(a ˜ W 1p 1p

 ;W  ) a ˜ Kov(W 1p 1p   ) | a | ˜Sta(W1p ) ˜ Sta(W 1p

 ) a ˜ Var(W 1p  ) | a | ˜Var(W 1p

a . |a|

Da wegen a z 0 der Betrag von a, | a | , positiv ist, folgt: Up = –1 für a < 0 und Up = 1 für a > 0. Für a > 0 (d.h. für Up = 1) folgt aus (X.2): (X.6)

y*



 ) Sta(Ü 1  Sta(W1p )



 ) a ˜ Sta(W 1p  Sta(W )

a .

1p

Es werden also a Einheiten des Portefeuilles leerverkauft. Unter Berücksichtigung von (X.4) ergibt sich die Position: (X.7)

 a˜W  Ü 1 1p

  ba˜W  a˜W 1p 1p

b.

Somit wird am Ende der Periode der sichere Überschuss b erzielt, wenn a Einheiten des ~ Portefeuilles mit dem Überschuss W1p leerverkauft werden. (Am Anfang der Periode wird der Leerverkaufserlös erzielt.) Das Risiko wird eliminiert. Für a < 0 (d.h. für Up = –1) werden gemäß (X.2) (X.8)

y

*

~ Sta ( Ü1 )  ˜ (1) ~ Sta ( W1p )

~ | a | ˜Sta ( W1p ) ~ Sta ( W1p )

|a|

Einheiten des Portefeuilles gekauft. Unter Berücksichtigung von (X.4) ergibt sich die Position: (X.9)

  | a | ˜W  Ü 1 1p

  b  | a | ˜W  a˜W 1p 1p

b.

364

Kapitel X

Interpretation: Wegen a < 0 gilt a  | a | , so dass sich am Ende der Periode der sichere Überschuss b ergibt, indem y* = | a | Einheiten des Portefeuilles gekauft werden. Am Anfang der Periode ist der Kaufpreis für das Portefeuille zu zahlen. Wieder wird das Risiko eliminiert. ~ ~ Für a > 0 kann gemäß (X.4) die riskante Komponente von Ü1 (d.h. a ˜ W1p ) durch Kauf von a Einheiten des Portefeuilles WP dupliziert werden. Der für a > 0 maßgebliche Leerverkauf der betreffenden Papiere kann somit als Leerverkauf des Duplikations~ portefeuilles für a ˜ W1p interpretiert werden. Für a < 0 besteht das Duplikationsporte~ ~ feuille für die riskante Komponente von Ü1 (d.h. für a ˜ W1p ) darin, dass das Duplikationsportefeuille für den Fall a > 0 leerverkauft wird, so dass der für a < 0 maßgebliche Kauf von | a | Einheiten des Portefeuilles WP wiederum als Leerverkauf des Duplikationsportefeuilles interpretiert werden kann. Es zeigt sich, dass sowohl für U = +1 als auch für U = –1 die Risikoelimination in einem Leerverkauf des Duplikationsportefeuil~ les für die riskante Überschusskomponente von Ü1 besteht; dieser Überschuss wird in einen sicheren Überschuss zum Zeitpunkt 0 transformiert. ~ ~ Duplikation und Leerverkauf des gesamten Überschusses Ü1 a ˜ W1p  b erfolgen in der Weise, dass im Fall b > 0 zusätzlich ein Kredit von (1  r ) 1 ˜ b aufgenommen und im Fall b < 0 der betreffende Kapitalbetrag zum risikolosen Zinssatz r angelegt wird. ~ Wenn der Überschuss Ü1 nicht dupliziert werden kann, ist es nicht möglich, ihn perfekt zu hedgen. Jedoch kann eine gute Annäherung an eine vollständige Duplikation gelingen, wenn ein Portefeuille existiert, für das der Betrag des Korrela~ tionskoeffizienten mit Ü1 hoch ist. Die Varianz des Endvermögens wird minimiert, wenn das Portefeuille mit dem betragsmäßig höchsten Korrelationskoeffizienten zugrunde gelegt wird und von diesem y* Einheiten gemäß (X.2) leerverkauft werden, wenn Up > 0, oder gekauft werden, wenn Up < 0 gilt. Man kann den Betrag des Korrelationskoeffizienten zwischen dem Endwert eines Portefeu~ illes und Ü1 als „Duplikationsgrad“ dieses Portefeuilles interpretieren. Ist er gleich 1 oder –1, besteht vollständige Duplizierbarkeit. Für Up = 0 besteht überhaupt keine Duplizierbarkeit; man kann mit dem betreffenden Portefeuille weder durch Kauf noch Leerverkauf das Risiko reduzieren (sondern nur erhöhen).

Es wird ersichtlich, dass a priori keine allgemeingültigen Aussagen über die Implikationen fehlender Duplizierbarkeit gemacht werden können. Wenn kein Duplikationsportefeuille existiert, kann zwar das Risiko nicht vollständig beseitigt werden. Ob es dann mehr oder weniger gut reduziert werden kann, hängt davon ab, in welcher Weise ein Duplikationsportefeuille durch ein anderes Portefeuille mit maximalem Betrag des Korrelationskoeffizienten approximiert werden kann. Bei unvollständiger Duplizierbarkeit kann die Portefeuilleplanung auch dann nicht ~ unabhängig vom Überschuss Ü1 erfolgen, wenn Leerverkäufe unbeschränkt möglich sind.

365

Portefeuilleplanung mit unvollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

3

Portefeuilleplanung mit exogenem Überschuss

~ Da nun der Überschuss Ü1 nicht duplizierbar ist, muss er bei der Ermittlung und Analyse effizienter Portefeuilles stets explizit berücksichtigt werden; er kann nicht durch ein Duplikationsportefeuille repräsentiert werden. Zunächst wird bis auf weiteres von unbeschränktem Leerverkauf ausgegangen. Man erhält dann den Ausgangspunkt M der modifizierten Effizienzkurve (mit der kleinsten Varianz), indem ohne Berücksichtigung von Nebenbedingungen (ohne Nichtnegativitätsbedingungen für die Variablen xn und ohne exogen vorgegebenen Erwartungswert für das Endvermögen) folgende Varianz minimiert wird:

(X.10) ~ Var (V1 )

N

N

~

~

N

~ ~

~

¦ ¦ x n ˜ x m ˜ Kov(P1n ; P1m )  ¦ 2 ˜ x n ˜ Kov( Ü1 ; P1n )  Var( Ü1 ) . n 1m 1

n 1

Für das betreffende Portefeuille x1 , x 2 ,..., x N gelten die Effizienzbedingungen: (X.11.n)

N ~ ~ ~ ~ 2 ˜ ¦ x *m ˜ Kov(P1n ; P1m )  2 ˜ Kov( Ü1 ; P1n )

0

(n = 1,2,…,N).

m 1

Dem Portefeuille entspricht ein O* -Wert von null. Es ist so strukturiert, dass für das Papier n (n = 1,2,…,N) die Grenzvarianz gemäß (X.11n) gleich null ist. Die Grenzvarianz für das Papier n wird nun allerdings unter Berücksichtigung der Kovarianz ~ ~ Kov( Ü1 ; P1n ) ermittelt. Rechts vom Punkt M mit der minimalen Varianz ist O* positiv ~ und umso größer, je höher der zugehörige Erwartungswert E(V1 ) ist. Bei unbeschränktem Leerverkauf erhält man das einem exogen vorgegebenem O* Wert ( O* ! 0 ) entsprechende effiziente Portefeuille, indem das folgende Gleichungssystem gelöst wird (mit N Variablen und N Gleichungen): (X.12.n)

N ~ ~ ~ ~ 2 ˜ ¦ x *m ˜ Kov(P1n ; P1m )  2 ˜ Kov( Ü1 ; P1n )

~ O* ˜ [E(P1n )  (1  r ) ˜ P0n ]

m 1

(n = 1,2,…,N). ~ ~ Wären alle Kovarianzen Kov( Ü1 ; P1n ) gleich null, stimmten für jedes O* die Effizienzbedingungen (X.12.n) mit (III.13.n) (Kapitel III, Abschnitt 4.1) überein; der Über~ schuss Ü1 hätte keinen Einfluss auf die effiziente Portefeuillestruktur. (X.12.n) kann wie folgt umgestellt werden:

(X.13.n)

N  ; P ) 2 ˜ ¦ x*m ˜ Kov(P1n ; P1m ) O* ˜ [E(P1n )  (1  r) ˜ P0n ]  2 ˜ Kov(Ü 1 1n m 1

(n = 1,2,…,N). ~ ~ Die Terme 2 ˜ Kov( Ü1 ; P1n ) im Gleichungssystem wirken sich im Prinzip so aus, als ob ~ ~ sich die Risikoprämien änderten. Je kleiner O* , desto größer sind für Kov( Ü1 ; P1n ) z 0

366

Kapitel X

die Beträge der Korrekturterme im Vergleich zu der mit O* gewichteten Risikoprämie und desto größer ist ihr Einfluss auf die effiziente Portefeuillestruktur.

4

Allgemeine Analyse der modifizierten Effizienzkurve

4.1

Charakteristik

Im Folgenden untersuchen wir Implikationen fehlender Duplizierbarkeit für die Gestalt der modifizierten Effizienzkurve im (P,V)-Diagramm. Fehlende Duplizierbarkeit wirkt sich sehr unterschiedlich auf den Verlauf dieser Kurve aus, je nachdem, auf welche Papiere zurückgegriffen werden kann, um eine Approximation des Duplikationsportefeuilles ~ für Ü1 zu erzielen. Die Möglichkeiten, ausgehend vom Punkt P (mit dem Erwartungswert des Endver~ ~ ~ mögens (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) und der Varianz Var (V1 ) Var ( Ü1 ) ) durch Portefeuillebildung den Erwartungswert und die Varianz des Endvermögens zu verändern, können bei unvollständiger Duplizierbarkeit und unbeschränktem Leerverkauf wie bei vollständiger Duplizierbarkeit und beschränktem Leerverkauf analysiert werden (Kapitel IX, Abschnitt 4.2). Es soll nun wieder die modifizierte Effizienzkurve mit derjenigen Basiseffizienzkurve (Referenzlinie) verglichen werden, die sich für den Fall ergäbe, dass der Investor den ~ Überschuss Ü1 zum virtuellen Marktwert verkaufte. Dieser Vergleich ist auch für die Analyse der Abweichung zwischen dem individuellen subjektiven Grenzpreis und dem ~ ~ Marktwert des Überschusses Ü1 relevant (Kapitel XI). Da Ü1 nicht duplizierbar ist, kann nun die Referenzlinie nicht erklärt werden, indem von einem fiktiven Leerverkauf eines Duplikationsportefeuilles ausgegangen wird. Wir beziehen daher die Referenzlinie ~ auf den fiktiven direkten Verkauf des Überschusses Ü1 zum (virtuellen) Marktwert ~ M 0 ( Ü1 ) gemäß den Bewertungsfunktionen des CAPM, die keine Duplizierbarkeit voraussetzen.1 Effizient seien für den Fall des Verkaufs des Überschusses nur solche Portefeuilles, die einen Anteil am Marktportefeuille darstellen; entsprechend resultiert die Referenzlinie daraus, dass alternative Anteile am Marktportefeuille gehalten werden. Wird der Anteil z am Marktportefeuille gehalten, ergibt sich das folgende Verhältnis aus Standardabweichung und Risikoprämie:

~ z ˜ Sta (M1G ) z ˜ RPG

~ Sta (M1G ) . RPG

Dies ist die Steigung der Referenzlinie im (P,V)-Diagramm. Gemäß (IV.41) (Kapitel IV, ~ Abschnitt 5.4.1) gilt Sta (M1G ) M 0 ˜ Sta (~rG ) . Somit kann unter Berücksichtigung von (IV.40) die Steigung wie folgt dargestellt werden: 1

 nicht von den Endwerten aller Wertpapiere stochastisch unabhängig ist, wird Da der Überschuss Ü 1 streng genommen die Modellwelt des CAPM verlassen, in der stochastische Unabhängigkeit besteht. Trotzdem sollen hier deren Bewertungsfunktionen herangezogen werden, da man sie auch bei praktischer (Unternehmens-)Bewertung anzuwenden pflegt (obwohl die Voraussetzungen des CAPM auch in der Praxis nicht erfüllt sind).

Portefeuilleplanung mit unvollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

~ Sta (M1G ) RPG

M 0 ˜ Sta (~rG ) M 0 ˜ [E(~rG )  r ]

367

Sta (~rG ) . E(~rG )  r

Die Steigung kann also als Quotient der Standardabweichung der Rendite ~rG und der Überrendite des Marktportefeuilles ermittelt werden. Die modifizierte Effizienzkurve verläuft wie bei vollständiger Duplizierbarkeit und beschränkten Leerverkaufsmöglichkeiten ausgehend von ihrem Minimum konvex steigend. Jedoch existiert nun streng genommen kein Punkt, von dem an sie mit der Referenzlinie übereinstimmt; sie verläuft stets oberhalb dieser Linie. ~ Dies mag zunächst als unplausibel erscheinen. Da der Überschuss Ü1 nicht duplizierbar ist, fällt er in eine Risikoklasse, die durch reine Portefeuillebildung nicht realisierbar ist, so dass die Vermutung nahe liegt, dass er die Möglichkeiten eröffnen kann, bessere (P,V)-Positionen zu erzielen als mit reiner Portefeuillebildung gemäß der Referenzlinie. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist dies jedoch nicht der Fall.

4.2

Zur Position des Ausgangspunktes P ohne Portefeuillebildung

Ausgangspunkt der Betrachtung ist – wie üblich – der Punkt P (Abbildung X.1) mit dem ~ ~ Ordinatenwert Sta ( Ü1 ) und dem Abszissenwert (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 ) . Dieser Punkt kennzeichnet die (P,V)-Position ohne Portefeuillebildung. ~ Sta (V1 )

P

~ Sta ( Ü1 ) z

z

0

Referenzlinie

z

z

(1  r ) ˜ G 0

~ (1  r ) ˜ V0  E( Ü1 )

~ E(V1 )

~ RPM ( Ü1 )

Abb. X.1: Allgemeiner Verlauf der Referenzlinie

~ ~ Wir gehen davon aus, dass die Marktrisikoprämie RPM ( Ü1 ) des Überschusses Ü1 (wie die aller Papiere n) positiv ist, so dass der Ausgangspunkt (1  r ) ˜ G 0 der Refe-

368

Kapitel X

renzlinie auf der Abszisse einen kleineren Abszissenwert als der Punkt P aufweist. Für die Risikoprämie gilt also: (X.14)

~ RPM ( Ü1 )

~ ~ E ( Ü1 )  (1  r ) ˜ M 0 ( Ü1 ) ! 0 .

Die positive Risikoprämie impliziert, dass der risikoangepasste Zinssatz für den Über~ ~ ~  schuss Ü1 größer ist als der risikolose Zinssatz r; Ü1 ist mit M 1G bzw. mit rG positiv korreliert. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist bei fehlender Duplizierbarkeit das Verhältnis aus ~ der Standardabweichung des Überschusses Ü1 und dessen Marktrisikoprämie  ) stets größer als die Steigung der Referenzlinie, RPM (Ü 1 ~ Sta (M1G ) RPG

Sta (~rG ) , E(~rG )  r

so dass der Punkt P zwangsläufig wie in Abbildung X.1 oberhalb der Referenzlinie ~ liegt. Für die Marktrisikoprämie des Überschusses Ü1 gilt analog zu (IV.27): (X.15)

~ RPM ( Ü1 )

~ ~ RPG ˜ Kov( Ü1 ; M1G ) ~ Var (M1G ) ~ ~ ~ RPG ~ ˜ Sta ( Ü1 ) ˜ U( Ü1 ; M1G ) ˜ Sta (M1G ) ~ Var (M1G ) ~ ~ ~ RPG ˜ Sta ( Ü1 ) ˜ U( Ü1 ; M1G ) . ~ Sta (M1G )

Hieraus folgt für das Verhältnis aus Standardabweichung und Marktrisikoprämie ~ des Überschusses Ü1 : (X.16)

~ Sta ( Ü1 ) ~ RPM ( Ü1 )

~ Sta (M1G ) 1 ˜ ~ ~ . RPG U( Ü1 ; M1G )

~ Für M1G gilt

(X.17)

~ M1G

(1  ~rG ) ˜ M 0G

M 0G  ~rG ˜ M 0G ,

wobei M0G den Marktwert des Marktportefeuilles zum Zeitpunkt 0 bezeichnet. Da er deterministisch ist, folgt:

Portefeuilleplanung mit unvollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

(X.18)

369

 ;M  ; r ˜ M )  Kov(Ü Kov(Ü 1 1G ) 1 G 0G    ) Sta(Ü ) ˜ Sta(r ˜ M ) Sta(Ü1 ) ˜ Sta(M 1G 1 G 0G   M 0G ˜ Kov(Ü1; rG )  ) ˜ Sta(r ) M 0G ˜ Sta(Ü 1 G  ; r ) . U(Ü

 ;M  U(Ü 1 1G )

1 G

Somit kann (X.16) wie folgt dargestellt werden: (X.19)

~ Sta ( Ü1 ) ~ RPM ( Ü1 )

~ Sta (M1G ) 1 ˜ ~ . RPG U( Ü1 ; ~rG )

~ ~  ) positiv ist und folglich U( Ü Da annahmegemäß RPM (Ü 1 ; rG ) ! 0 gilt, ist ge1 mäß (X.19) die Standardabweichung pro Marktrisikoprämie des Überschusses  ; r ) Ü1 positiv und eine fallende Funktion seines Korrelationskoeffizienten U(Ü 1 G mit der Rendite des Marktportefeuilles. Sie erreicht ihr Minimum für U( ˜ ) 1 und stimmt dann mit dem Verhältnis aus Standardabweichung und Risikoprämie für das Marktportefeuille, d.h. der Steigung der Referenzlinie, überein. Die Bedingung U( ˜ ) 1 ist erfüllt, wenn zwei deterministische Faktoren a (a > 0) und b ! ( b  0 ) existieren, so dass gilt: (X.20)

~ Ü1

a ˜ ~rG  b

a ˜ (1  ~rG )  b  a .

~ Dies bedeutet, dass Ü1 mit der Anlage des Geldbetrages a im Marktportefeuille und einer Anlage bzw. Aufnahme von (1  r ) 1 ˜ (b  a ) Geldeinheiten zum risikolosen Zins~ satz r duplizierbar ist. Annahmegemäß ist aber Ü1 überhaupt nicht duplizierbar. Der ~ Korrelationskoeffizient des Überschusses Ü1 mit ~rG ist daher kleiner als 1, so dass der Punkt P oberhalb der Referenzlinie liegen muss.

4.3

Vergleich der modifizierten Effizienzkurve mit der Referenzlinie

Wir untersuchen nun den Verlauf der modifizierten Effizienzkurve im Vergleich zur Referenzlinie. Dabei gehen wir davon aus, dass nur Portefeuilles, die gemeinsam mit ~ Ü1 eine positive Marktrisikoprämie bieten, auf der modifizierten Effizienzkurve liegen. Sie beginnt somit bei einem Abszissenwert, der höher ist als derjenige (1  r ) ˜ G 0 , bei dem die Referenzlinie beginnt. Bei möglichen Leerverkäufen wird jedoch der Beginn der modifizierten Effizienzkurve (ihr Minimalpunkt M) grundsätzlich links von Punkt P ~ liegen. Es gilt nun: Auch in Verbindung mit Portefeuillebildung kann mit Ü1 kein Punkt auf oder unterhalb der Referenzlinie erreicht werden.

370

Kapitel X

Beweis~: Bezeichnet man den Endwert eines beliebigen Ergänzungsportefeuilles für ~ Ü1 mit PÜ1 , gilt analog zu (X.16):

(X.21)

~ ~ Sta ( Ü1  PÜ1 ) ~ ~ RPM ( Ü1  PÜ1 )

~ Sta (M1G ) ˜ RPG

1 ~ ~ ~ U( Ü1  PÜ1 ; M1G )

bzw. analog zu (X.19):

(X.22)

~ ~ Sta ( Ü1  PÜ1 ) ~ ~ RPM ( Ü1  PÜ1 )

~ Sta (M1G ) ˜ RPG

1 . ~ ~ ~ U( Ü1  PÜ1 ; rG )

~ ~ Da annahmegemäß die Marktrisikoprämie~ RPM ( Ü1  PÜ1 ) positiv ist, gilt dies auch   PÜ ; r ) . Die Standardabweichung pro Marktfür den Korrelationskoeffizienten U(Ü ~ 1 ~ 1 G risikoprämie für den Überschuss Ü1  PÜ1 ist somit gemäß (X.22) eine fallende FunkU( ˜ ) und erreicht ihr Minimum für U( ˜ ) 1 . tion dieses Korrelationskoeffizienten ~ ~ Wenn der Überschuss Ü1  PÜ1 und ~rG mit 1 korreliert wären, läge die entsprechende (P,V)-Position auf der Referenzlinie. Diese Bedingung ist aber bei fehlender Duplizierbarkeit nicht erfüllt. Eine Korrelation von 1 impliziert nämlich, dass zwei determi! nistische Faktoren a (a > 0) und b ( b  0 ) existieren, so dass gilt:

(X.23)

~ ~ Ü1  PÜ1

a ˜ ~rG  b

a ˜ (1  ~rG )  b  a .

Hieraus folgt: (X.24)

~ Ü1

~

a ˜ (1  ~rG )  b  a  PÜ1 .

~ Somit wäre der Überschuss Ü1 entgegen der getroffenen Annahme duplizierbar und zwar mit der Anlage des Geldbetrages a im Marktportefeuille, der Anlage bzw. Aufnahme von (1  r ) 1 ˜ (b  a ) Geldeinheiten zum Zinssatz r und dem Leerverkauf des Ergän~ zungsportefeuilles mit dem Überschuss PÜ1 ; wegen der fehlenden Duplizierbarkeit verläuft die (modifizierte) Effizienzkurve durchgehend oberhalb der Referenzlinie. Ŷ Wird ausgehend von einem Punkt auf der modifizierten Effizienzkurve durch zusätz~ liche Portefeuillebildung der Erwartungswert von E(V1 ) sukzessive erhöht und dabei ~ das Portefeuille derart mit Ü1 abgestimmt, dass jeweils die Varianz (die Standardab~ weichung) des Endvermögens minimiert wird, verliert der Überschuss Ü1 im Rahmen ~ des Gesamtportefeuilles (bestehend aus Ü1 und dem Ergänzungsportefeuille) immer mehr an Gewicht, so dass der Korrelationskoeffizient zwischen dem Endwert dieses Portefeuilles und ~rG immer größer wird und sich das Verhältnis aus Standardabweichung und Risikoprämie dieses Portefeuilles immer mehr der Steigung der Referenzlinie nähert. Entsprechend ist die Steigung des Fahrstrahls vom Ausgangspunkt A der Referenzlinie durch einen Punkt B auf der modifizierten Effizienzkurve eine fallende Funk-

Portefeuilleplanung mit unvollständig duplizierbarem exogenem Überschuss

371

tion des Abszissenwertes dieses Punktes (Abbildung X.2). Das kann (muss aber bei fehlender Duplizierbarkeit nicht) bewirken, dass der senkrechte Abstand zwischen der mo~ difizierten Effizienzkurve und der Referenzlinie mit steigendem Erwartungswert E(V1 ) immer kleiner wird. ~ Sta (V1 )

modifizierte Effizienzkurve

P

~ Sta ( Ü1 ) z

z

M

B z

Referenzlinie

z

Risiko mit Ü1 A 0

z

z

(1  r ) ˜ G 0

~ E(V1 )

Risikoprämie

Abb. X.2: Fallendes Verhältnis aus Risiko und Risikoprämie mit steigender Risikoprämie (bzw. mit steigendem Abszissenwert des Punktes B)

Konkretere Aussagen über den Verlauf der modifizierten Effizienzkurve können getroffen werden, wenn die Ursachen der fehlenden Duplizierbarkeit näher spezifiziert werden (Ab