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German Pages 281 Year 2006
Marc Brunner StrategischesNachhaltigkeits-Management in der Automobilindustrie
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Marc Brunner
Strategisches NachhaltigkeitsManagement in der Automobilindustrie Eine empirische Untersuchung
Miteinem Geleitwort von Prof. Dr. Ulrich Steger
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.
Dissertation Technische Universitat Berlin, 2006 u.d.I: Brunner, Marc, Strategisches Nachhaltigkeits-Management in der Automobilindustrie - Eine empirische Untersuchung iiber die strategischen Implikationen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf global agierende Automobilunternehmen. D83
1.AuflageOktober2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Ingrid Walther Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschijtzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0507-3 ISBN-13 978-3-8350-0507-5
GELEITWORT Es gibt in Nord- und West-Europa wohl kaum ein Untemehmen oder einen Wirtschaftsverband, der nicht seine „Nachhaltigkeit" in - in jeder Hinsicht - glanzenden Berichtsformaten dokumentiert. Aber was ist dabei PR verschiedener Qualitat und was beeinflusst wirklich die Untemehmensstrategie? Wo ist die okonomische Logik fiir das, was die Untemehmen im sozialen und okologischen Bereich tun? Die Automobilindustrie gehort dabei zu den bedeutendsten, aber auch risikoexponiertesten Branchen: Sicherung der Mobilitat, insbesondere die Uberlastung der Verkehrsinfrastruktur in Agglomerationen, Energie (Abhangigkeit vom 01), Umweltbelastungen durch Larm, Abgase und Flachenverbrauch sowie Verkehrssicherheit sind wohl die wichtigsten Themen, mit denen sich Automobiluntemehmen auseinandersetzen miissen. Aber wie geschieht das konkret und welche Relevanz hat das ftir Untemehmen, insbesondere wie beeinflusst dies die Untemehmensstrategie? Diese Fragen empirisch solide zu beantworten, war Hauptzweck der hier vorgelegten Dissertation von Marc Bmnner. Der besondere Wert liegt hierbei in der prazisen Identifiziemng der „Issues" (Aspekte der Nachhaltigkeit) fur die Untemehmen und darin, wie diese auf deren strategische Wertetreiber wirken, das heiBt, welche okonomische Relevanz diese fiir die Untemehmen haben. Jenseits der politischen Rhetorik iiberrascht es wenig, dass diese Themen fiir die AutomobilUntemehmen nur zweitrangig sind. Zum einen ist der Dmck von Kunden, Regiemngen oder auch Umweltgmppen schwach bis nicht existent, zum anderen sind viele Themen langfristiger Natur und mit einer hohen Unsicherheit beziiglich der weiteren Entwicklung behaftet - und oft liegt es gar nicht in der Macht eines einzelnen Untemehmens, hier etwas zu andem. Sie konnen also immer nur so weit gehen, wie es fiir sie einen „Business Case for Sustainability" gibt. Dieser reicht nicht sehr weit, wie der Autor herausfand, und selbst dieser wird von den Unternehmen nicht ausgeschopft. Im Sinne des pragmatischen Wissenschaflsziels entwickelt Marc Bmnner daher ein empirisch getestetes Diagnostic- und Management-Tool, das es einzelnen Untemehmen erlaubt, ihren spezifischen „Business Case for Sustainability" zu identifizieren und damit - hoffentlich - vollstandiger zu nutzen.
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Weil die Arbeit Klarheit verschafft, wo die Automobilindustrie in Sachen Nachhaltigkeit steht (und stehen kann) und praktikable Verbesserungs-Instmmente entwickelt, ist dem Buch eine breite und aufmerksame Leserschaft innerhalb und auBerhalb der Automobilindustrie zu wiinschen.
Prof. Dr. Ulrich Steger
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VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2005/2006 von der Fakultat VIII (Wirtschaft und Management) der Technischen Universitat Berlin als Dissertationsschrift angenommen. GoBter Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Ulrich Steger, der die vorliegende Arbeit iiberhaupt erst ermoglicht und kritisch-konstruktiv begleitet hat. Seine inhaltlichen Impulse haben dazu beigetragen, den wissenschaftlichen Wert der Dissertation entscheidend zu erhohen. Fur die permanente Unterstiitzung und Forderung und die lehrreiche Zusammenarbeit bin ich ihm sehr dankbar. Flir die Bereitschaft zur Ubemahme des Zweitgutachtens und die ermoglichte ziigige Abwicklung des Promotionsverfahrens bin ich Herm Prof. Dr. Eberhard Kuhlmann zu groBem Dank verpflichtet. Ebenso danke ich Herm Prof. Dr. Axel Hunscha fiir die Ubemahme des Vorsitzes des Prufungsausschusses. Das empirische Fundament konnte nur durch die Unterstutzung der Automobiluntemehmen und weiterer Stakeholder-Organisationen gewonnen werden. Bei alien Interviewpartnem mochte ich mich fiir ihre Bereitschaft zum Dialog, ihre Zeit - auch bei terminlichen Engpassen - und ihre Offenheit bedanken. Besonderer Dank gilt dem Referenzuntemehmen DaimlerChrysler AG. Herm Dr. Ulrich Miiller personlich danke ich einerseits fiir die Betreuung des Forschungsprojekts auf Unternehmensseite und die Ermoglichung des Zugangs zu Fuhmngskraften im gesamten Unternehmen. Andererseits leisteten seine personlichen Einsichten und Hinweise einen wesentlichen Beitrag zur Fokussiemng der empirischen Studie. Besonderer Dank gebiihrt auch Herm Masanobu Wada von Nissan Motor Corporation, Tokyo, fur seine inhaltlichen Beitrage, aber auch fiir die Ermoglichung von zahlreichen Interviews vor Ort in Japan, welche dem Forschungsprojekt eine intemationale Perspektive gegeben haben. Das Forschungsprojekt „Building a robust Business Case for Sustainability" diente als Basis zur Erarbeitung der empirischen Erkenntnisse fiir die vorliegende Arbeit. Mein groBer Dank gilt daher den Institutionen und den Mitarbeitem des Intemational Institute for Managament Development (IMD), Lausanne, und dem dort angesiedelten Fomm for Corporate Sustaina-
VIII
bility Management (CSM), welche durch ihr hervorragendes Netzwerk, ihre fachliche Kompetenz und ihre GroBziigigkeit ein ideales Umfeld fiir die Forschung zur Verfiigung gestellt haben. Neben dem Leiter des CSM, Prof. Dr. Ulrich Steger, danke ich auch den weiteren Mitgliedem des CSM-Teams, insbesondere der Projektleiterin Aileen lonescuSomers und Kay Richiger fur ihren unablassigen Support. Allen meinen Freunden danke ich fur den Anspom und die Ermunterung uber den gesamten Zeitraum der Promotion. Weiterhin bin ich den Mitarbeitem unseres Untemehmens dankbar, die mich in der Zeit der Doppelbelastung von Beruf und Promotion hervorragend unterstiitzt und mir den notwendigen Freiraum fur den Abschluss der Arbeit ermoglicht haben. AllergroBter Dank gilt meiner Familie, als immerwahrende Quelle flir Kraft, Motivation und Identifikation. Meinen Geschwistem Tina und Philip und insbesondere meinen Eltem, die diese Promotion uberhaupt erst ermoglicht haben, danke ich herzlich fur den Rtickhalt und den moralischen Beistand, ohne die ich die vielfaltigen Herausforderungen der Dissertation kaum hatte meistem konnen. Ich hoffe, das zuruckgeben zu konnen, was mir zuteil wurde. Herzlichst danken mochte ich schlieBlich meinem guten Freund Dr. Oliver Eckelmann fur die konstruktive Zusammenarbeit, fiir die stetige Begleitung und Motivation durch alle Hohen und Tiefen der Dissertation und vor allem fur seine Freundschaft, die weit liber dieses Projekt hinausreicht. Ich freue mich auf die gemeinsamen Abenteuer, die noch vor uns liegen.
Marc Brunner
IX
INHALTSUBERSICHT Geleitwort Vorwort Inhaltsubersicht Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abkiirzungsverzeichnis 1 2 3 4 5 6
Einleitung Grundlagen Der Einfluss des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf die Werttreiber in der Automobilindustrie Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung im strategischen Management der Automobilindustrie Instrumente fiir ein strategisches Nachhaltigkeits-Management in der Automobilindustrie Schlussbetrachtung
V VII IX XI XVII XIX XXI 1 15 71 137 187 209
Anhang 1 Das Forschungsprojekt „Building a Robust Business Case for Sustainability" 2 Verzeichnis der Interview-Partner 3 Interviewleitfaden Unternehmen 4 Fragebogen der schriftlichen Befragung 5 Erganzungen zu den Instrumenten fur strategisches NachhaltigkeitsManagement in der Automobilindustrie
214 215 219 221 231
Literaturverzeichnis
245
241
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INHALTSVERZEICHNIS Geleitwort Vorwort
V VII
Inhaltsubersicht Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abkiirzungsverzeichnis 1
2
IX XI XVII XIX XXI
Einleitung 1.1 Die strategische Relevanz des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung fur die Automobilindustrie 1.2 Forschungsfrage und Zielsetzung 1.3 Beitrag zum Stand der Nachhaltigkeitsforschung 1.4 Forschungsmethodik 1.4.1 Forschungsdesign der empirischen Untersuchung 1.4.2 Die empirische Datenbasis 1.4.3 Methodische Anmerkungen 1.5 Gang der Untersuchung 1.6 Abgrenzung der Arbeit
1 2 2 3 3 5 11 12 13
Grundlagen 2.1 Konzepte und Definitionen 2.1.1 Von nachhaltiger Entwicklung zu nachhaltiger Untemehmensfuhrung 2.1.1.1 Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung 2.1.1.2 Nachhaltige Untemehmensfuhrung 2.1.1.2.1 Arbeitsdefinition nachhaltige Untemehmensfuhrung 2.1.1.2.2 Verschiedene Konzepte nachhaltiger Untemehmensfuhmng
15 15 15 15 18 18 19
2.1.1.2.3
Abgrenzung zum Konzept der Untemehmensethik
2.1.2 Uberblick uber das strategische Management 2.1.2.1 2.1.2.2 2.1.2.3
Einordnung des strategischen Managements in der Wissenschaft Historische Entwicklung des strategischen Managements Uberblick iiber unterschiedliche Ansatze im strategischen Management
1
21 23 23 23 25
XII
2.1.2.4 2.1.2.5
Begriffliche Abgrenzung Markt-, ressourcen- und wertorientierte Konzepte strategischer Fiihrung als inhaltsbezogener Teilbereich der Strategieforschung 2.1.2.5.1 Die drei Grundrichtungen strategischer Fiihrung 2.1.2.5.2 Marktorientierter Ansatz 2.1.2.5.3 Ressourcenorientierte Ansatze 2.1.2.5.4 Wertorientierte Ansatze 2.1.2.5.5 Strategiearten 2.1.2.6 Strategische Planung als prozessbezogener Teilbereich der Strategieforschung 2.2 Ein iJberblick iiber die Automobilindustrie 2.2.1 Wirtschaftliche Bedeutung der Automobilindustrie 2.2.2 Branchenstrukturanalyse der Automobilindustrie 2.2.2.1 Wettbewerbssituation - Der Grad der Rivalitat unter den bestehenden Wettbewerbem 2.2.2.2 Verhandlungsmacht der Zulieferer 2.2.2.3 Verhandlungsmacht der Abnehmer 2.2.2.4 Gefahr des Markteintritts neuer Wettbewerber 2.2.2.5 Druckdurch Substitutionsprodukte 2.2.3 Finanzwirtschaftliche Perspektive der Automobilindustrie 2.2.4 Werttreiber in der Automobilindustrie 2.2.5 Fazit zur wirtschaftlichen Ausgangslage der Automobilhersteller Der Einfluss des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf die Werttreiber in der Automobilindustrie 3.1 Vorbemerkungen 3.2
Nachhaltigkeitsaspekte der Automobilindustrie und ihre okonomische Relevanz
3.2.1 Soziale und okologische Relevanz der Automobilindustrie 3.2.2 Historic und aktuelle Entwicklung der Nachhaltigkeitsthematik in der Automobilindustrie 3.2.3 NachhaltigkeitsaspektMobilitat 3.2.3.1 Die okologischen und sozialen Herausforderungen automobiler Mobilitat 3.2.3.2 Die Aktivitaten der Automobilindustrie im Bereich nachhaltiger Mobilitat
27 29 29 30 31 34 40 41 45 45 48 48 54 56 59 60 61 62 68
71 71 72 72 74 79 79 86
XIII
3.2.3.3 3.2.3.4
Die okonomische Relevanz der Mobilitatsdiskussion fur die Automobilindustrie Fazit zum Themenbereich nachhaltige Mobilitat
3.2.4 Nachhaltigkeitsaspekt Energie 3.2.4.1 Die okologischen, sozialen und okonomischen Herausforderungen des Themas Energie 3.2.4.2 Die Aktivitaten der Automobilindustrie im Bereich Energie 3.2.4.3 Die okonomische Relevanz der Energiediskussion fur die Automobilindustrie 3.2.5 Nachhaltigkeitsaspekt Emissionen 3.2.5.1 Die okologischen, sozialen und okonomischen Herausforderungen des Themas Emissionen 3.2.5.2 Die Aktivitaten der Automobilindustrie im Bereich Emissionen 3.2.5.3 Die okonomische Relevanz des Themas Emissionen fur die Automobilindustrie 3.2.6 Nachhaltigkeitsaspekt Ressourcenverbrauch bei der Produktion und Verwertung von Fahrzeugen 3.2.6.1 Die okologischen, sozialen und okonomischen Herausforderungen des Themas Ressourcenverbrauch 3.2.6.2 Die Aktivitaten der Automobilindustrie beim Nachhaltigkeitsaspekt Ressourcenverbrauch 3.2.6.3 Die okonomische Relevanz des Themas Ressourcenverbrauch fur die Automobilindustrie 3.2.7 Nachhaltigkeitsaspekt Verkehrssicherheit 3.2.7.1 Die sozialen und okonomischen Herausforderungen des Themas Verkehrssicherheit 3.2.7.2 Die Aktivitaten der Automobilindustrie im Bereich Verkehrssicherheit 3.2.7.3 Die okonomische Relevanz des Themas Verkehrssicherheit fur die Automobilindustrie 3.2.8 Ausblick auf die zukiinftige Entwicklung der Nachhaltigkeitsaspekte in der Automobilindustrie 3.3
Das Zusammenspiel von Untemehmen und Stakeholdem im Rahmen der
3.4
Nachhaltigkeitsdiskussion The Business Case for Corporate Sustainability
91 93 94 94 99 102 104 104 109 Ill 113 113 115 116 118 118 120 122 123 125 127
XIV
4
5
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung im strategischen Management der Automobilindustrie 4.1 Einleitung 4.2 Nachhaltigkeit in der Phase der strategischen Zielplanung 4.2.1 Untemehmungspolitik und Leitbild 4.2.2 Strategische Zielplanung 4.3 Nachhaltigkeit in der Phase der strategischen Analyse und Prognose 4.3.1 Analyse der Untemehmensumwelt 4.3.2 Analyse der Untemehmung 4.3.3 Prognose und strategische Fruhaufklarung 4.4 Nachhaltigkeit in der Phase der Strategieformulierung und -bewertung 4.4.1 Die Formulierung von Strategien in der Automobilindustrie 4.4.1.1 Die aktuelle strategische Ausgangslage in der Automobilindustrie 4.4.1.2 Gesamtuntemehmensstrategien 4.4.1.3 Geschaftsbereichsstrategien 4.4.1.4 Funktionsbereichsstrategien 4.4.2 Strategiebewertung und -auswahl 4.4.3 Nachhaltigkeitsstrategien in der Automobilindustrie - Zusammenfassung undProbleme 4.5 Nachhaltigkeit in der Phase der Strategieimplementierung 4.5.1 Erfolgsfaktor Organisation 4.5.1.1 Die organisationale Gestaltung von Nachhaltigkeits-Management in der Automobilindustrie 4.5.1.2 Vermeidung und Umgang mit Krisen als Beispiel eines problembehafteten interdisziplinaren Prozesses in der Automobilindustrie 4.5.2 Erfolgsfaktor Untemehmenskultur 4.6 Fazit zum Stand des Nachhaltigkeits-Managements in der Automobilindustrie Instrumente fiir ein strategisches Nachhaltigkeits-Management in der Automobilindustrie 5.1 Einleitung 5.2 Untemehmenskultur 5.2.1 Charakteristiken einer nachhaltigen Untemehmenskultur 5.2.2 Wandel der Untemehmenskultur hin zu einer starkeren Nachhaltigkeitsorientiemng 5.2.3 Unterstiitzung durch das Top-Management
137 137 137 137 140 143 143 146 148 151 151 151 152 153 155 158 158 163 165 165 170 175 .. 180
187 187 188 188 190 194
XV
5.3
Eine nachhaltigkeitsorientierte strategische Gesamtkonzeption fiir die Automobilindustrie 5.4 Issue-Management 5.4.1 Issue-Tracking 5.4.2 Issue-Evaluation 5.4.3 Entwicklung von Issue-Strategien 5.4.4 Implementierung der Issue-Strategien
6
Schlussbetrachtung
195 197 199 201 202 206 209
Anhang 1 Das Forschungsprojekt „Building a Robust Business Case for Sustainability" 1.1 Das „Forum for Corporate Sustainability Management" 1.2 Zielsetzungen des Forschungsprojekts 1.3 Forschungsergebnisse 2 Verzeichnis der Interview-Partner 3 Interviewleitfaden Unternehmen 4 Fragebogen der schriftlichen Befragung 5 Erganzungen zu den Instrumenten fiir strategisches NachhaltigkeitsManagement in der Automobilindustrie 5.1 Beispiel einer Issue-Map 5.2 Beispiel eines Schemas fiir die Issue-Bewertung und -Priorisierung
214
241 241 242
Literaturverzeichnis
245
215 215 215 216 219 221 231
XVII
ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Methodisches Vorgehen
5
Abbildung 2: Inhaltlicher Uberblick iiber die Arbeit Abbildung 3: Shareholder-Value-Netzwerk Abbildung 4: Strategiearten nach den organisatorischen Geltungsbereichen Abbildung 5: Konzeption des strategischen Managements Abbildung 6: Der Trend der Konsolidierung in der Automobilindustrie Abbildung 7: Herstellerverflechtung in der Automobilindustrie Abbildung 8: Ziele und Reformansatze der GVO 1400/2002 Abbildung 9: Die Werttreiberhierarchie der Automobilindustrie Abbildung 10: Nachhaltigkeitsapekte in der Automobilindustrie Abbildung 11: Anteil unterschiedlicher Transportmittel im globalen Personenverkehr Abbildung 12: Anteil unterschiedlicher Transportmittel im Gtiterverkehr (weltweit)
12 38 40 44 50 51 57 67 79 80 80
Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
81 81 90
13: Wachstumsprognose des weltweiten Personenverkehrs nach Regionen 14: Wachstumsprognose des weltweiten Giiterverkehrs nach Regionen 15: Entwicklung des relativen PKW-Bestands nach Regionen (weltweit) 16: Uberblick iiber Kombinationsmoglichkeiten von Energiequellen, Energietragem, Infrastrukturen und Antriebssystemen Abbildung 17: Verursacher von C02-Emissionen Abbildung 18: Prognose von Treibhausgasemissionen im Transportsektor nach Regionen. Abbildung 19: Das Zusammenspiel von Untemehmen und Stakeholdem im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion Abbildung 20: Ursachen von Imageschaden bei Automobiluntemehmen in den letzten 3 Jahren Abbildung 21: Der Einfluss der Nachhaltigkeitsaspekte auf die Werttreiber in der Automobilindustrie Abbildung 22: Nachhaltigkeitsstrategien im Kontext der strategischen Gesamtkonzeption. Abbildung 23: Aufgabenbereiche der Strategieimplementierung Abbildung 24: Prozess des Wandels der Untemehmenskultur Abbildung 25: Nachhaltigkeitsorientierte strategische Gesamtkonzeption Abbildung 26: Der Issue-Management-Prozess Abbildung 27: Entwicklung der Reaktionsmoglichkeiten des Untemehmens in Abhangigkeit von der Relevanz eines Issues Abbildung 28: Entwicklung eines Issues bei fruhzeitigem Handeln des Untemehmens Abbildung 29: Uberblick iiber den Issue-Evaluations-Prozess
97 105 106 127 130 131 160 164 191 196 198 199 200 202
XVIII
Abbildung 30: Uberblick iiber den Prozess der Issue-Strategie-Entwicklung Abbildung 31: Implikationen der Issue-Strategie fiir das Untemehmen Abbildung 32: Beispiel einer Issue-Map Abbildung 33: Beispiel eines Issue-Bewertungs- und -Priorisierungs-Schemas
203 206 241 242
XIX
TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Teilnehmende Automobiluntemehmen Tabelle 2: Teilnehmende exteme Stakeholder-Organisationen Tabelle 3: Themenbereiche der Interviews mit Untemehmensvertretem Tabelle 4: Themenbereiche des schriftlichen Fragebogens (General Managers)
7 7 8 10
Tabelle 5: „10 Schools of Thought"
26
Tabelle 6: Werttreiber des betrieblichen Cash-Flows Tabelle 7: Beeinflussbare Werttreiber der Kapitalkosten Tabelle 8: Weltweite Kraftfahrzeugproduktion Tabelle 9: VolkswirtschaftHche Bedeutung der deutschen Automobilindustrie Tabelle 10: Verkehrsleistung im Personen- und Guterverkehr in Deutschland Tabelle 11: Die grofiten Automobilhersteller 2004 Tabelle 12: Strukturelle Determinanten hoher Wettbewerbsintensitat Tabelle 13: Operationale Werttreiber in der Automobilindustrie Tabelle 14: Exteme Effekte, verursacht durch die Automobilindustrie Tabelle 15: Historische Entwicklung der Nachhaltigkeitsthematik in der
37 38 46 47 47 52 54 64 73
Automobilindustrie Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle
16: Aktuelle Nachhaltigkeitsaspekte in der Automobilbranche 17: Negative Extemalitaten des PKW- und LKW-Verkehrs nach Verkehrsart 18: Fragestellungen und Entwicklungen zum Thema nachhaltige Mobilitat 19: Uberblick liber Ansatze zur Reduzierung, Verlagemng und Verbesserung von Individualverkehr Tabelle 20: Projekte zum Thema nachhaltige Mobilitat und Verkehr Tabelle 21: Auswirkungen der Nachhaltigkeitsaspekte im Themenbereich Mobilitat auf die Nachfrage nach Neufahrzeugen Tabelle 22: Negative Extemalitaten der Verwendung fossiler Brennstoffe Tabelle 23: Fragestellungen zur Bewertung altemativer Energiequellen Tabelle 24: Altemative Antriebskonzepte Tabelle 25: Emissionen (gasformig) und ihre okologischen und sozialen Auswirkungen.... Tabelle 26: Mogliche Reduktion der C02-Emissionen durch unterschiedliche Energiequellen und Antriebskonzepte Tabelle 27: Ressourcenverbrauch von PKW in unterschiedlichen Produktlebenszyklusphasen Tabelle 28: Technologische Moglichkeiten im Bereich Recycling
75 77 82 83 84 87 92 96 98 100 107 108 113 115
XX
Tabelle 29: Okonomische Auswirkungen von technologischen Moglichkeiten im Bereich Recycling 118 Tabelle 30: Sicherheitsausstattungen von Fahrzeugen 121 Tabelle 31: Wertbeeinflussungspotential und Wirkungsweise der strategischen Nachhaltigkeitsaspekte in der Automobilindustrie 134 Tabelle 32: Ansatzpunkte fur Nachhaltigkeitsaspekte in der Wertkette unter Beriicksichtigung von Kemkompetenzen 146 Tabelle 33: Nachhaltigkeitsorientierung bei Zielplanung und Strategiewahl 160 Tabelle 34: Die organisational Integration der Nachhaltigkeitsthematik in der Automobilindustrie 166 Tabelle 35: Die Aufgaben der Sustainability Officers in der Automobilindustrie 167 Tabelle 36: Positionen und Aufgabengebiete im Nachhaltigkeits-Management unterschiedlicher Funktionsbereiche in Automobiluntemehmen aus Sicht der Sustainability Officers 169 Tabelle 37: Krisen der Automobilhersteller 171 Tabelle 38: Untemehmensinteme Barrieren fur Fortschritte im Bereich des Nachhaltigkeits-Managements 176 Tabelle 39: Charakteristiken einer nachhaltigkeitsorientierten Untemehmenskultur 189 Tabelle 40: Detaillierte Vorgehensweise fur den Wandel der Untemehmenskultur 191 Tabelle 41: Ubersicht zur Schaffung von Untersttitzung durch das Top-Management 194 Tabelle 42: Elemente einer nachhaltigkeitsorientierten strategischen Gesamtkonzeption.... 196 Tabelle 43: tJberblick zu Issue-Tracking 200 Tabelle 44: Schritte der Issue-Strategie-Entwicklung 204 Tabelle 45: Checkliste zur Uberpriifung der Ubereinstimmung von Issue-Strategien mit der existierenden Organisation des Untemehmens 207 Tabelle 46: Industriefokus des Forschungsprojekts 216
XXI
ABKURZUNGSVERZEICHNIS
ABS
Anti-B lockier- System
ACEA
Association des Constmcteurs Europeens d'Automobiles
AFS
Advanced-Front-Lightning-System
AIDS
Acquired Immunodeficiency Syndrome
BCS
Business Case for Sustainability
BCSD
Business Council on Sustainable Development
BMBF
Bundesministerium fiir Bildung & Forschung
BMW
Bayrische Motoren Werke
BP
British Petroleum
bzw.
beziehungsweise
c.a.
circa
CEO
Chief Executive Officer
CI
Compression Ignitioin
CNG
Compressed Natural Gas
CO
Kohlenmonoxid
CO2
Kohlendioxid
CSM
Forum for Corporate Sustainability Management
CFROI
Cash-Flow-Retum-On-Investment
CSR
Corporate Social Responsibility
CVP
Customer-Value-Proposition
DCF
Discounted-Cash-Flow
DfR
Design-for-Recycling
d.h.
das heifit
DIN ISO
Deutsche Industrie Norm International Standardization Organization
DJSI
Dow Jones Sustainability Index
DME
Di-Methyl Ether
XXII
EAS
Early Awareness System
EBIT
Earnings before Interest & Taxes
EHS
Environment Health & Safety
EK
Eigenkapital
ELV
End-of-Life-Vehicle
EMAS
Eco-Managemet and Audit Scheme
engl.
englisch
ESP
Elektronisches Stabilitats Programm
etal.
und andere
etc.
et cetera
EU
Europaische Union
EUR
Euro
EVA
Economic Value Added
EVP
Employee-Value-Proposition
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FCKW
Flour-Chlor-Kohlen-Wasserstoffe
F&E
Forschung & Entwicklung
FK
Fremdkapital
FT-Diesel / Gasoline
Fischer-Tropsch-Diesel / Benzin
g GDP
Gramm
GM
General Motors
GRI
Global Reporting Initiative
GVO
Gruppenfreistellungsverordnung
GVP
Government-Value-Proposition
HIV
Human Immunodeficiency Virus
HK
Herstellkosten
HR
Human Resources
ICE
Internal Combustion Engine
Gross Domestic Product
XXIII
IMD
International Institute for Management Development
INVENT
Intelligenter Verkehr & nutzergerechte Technik
IT
Informationstechnologie
JAMA
Japan Automobile Manufacturer Association
JPY
Japanische Yen
KBA
Kraftfahrtbundesamt
KFZ
Kraftfahrzeug
km
Kilometer
LCA
Life Cycle Assessment
LPG
Liquified Petroleum Gas
LKW
Lastkraftwagen
M&A
Mergers & Acquistions
m.E.
meines Erachtens
MIT
Massachusettes Institute for Technology
Mio.
Millionen
Mrd.
Milliarden
NAFTA
North American Free Trade Organization
NECAR
New Electric Car
NH
Nachhaltigkeit
NGO
Non-Govemmental-Organization
NOx
Nitrogen Oxide
o.a.
oben angefahrt
OECD
Organization of Economic Cooperation and Development
OEM
Orginial Equipment Manufacturer
OPNV
Offentlicher Personennahverkehr
o.g.
oben genannt
OICA
Organisation Internationale des Constructeurs d'Automobiles
XXIV
o.S.
ohne Seite
p.a.
per annum
PEM-BSZ
Proton Exchange Membrane-Brennstoffzelle
PKW
Personenkraftwagen
PNGV
Partnership for a New Generation of Vehicles
PR
Public Relations
PVP
Public-Value-Proposition
S.
Seite
SAM
Sustainability Asset Management
SI
Spark Ignition
sog.
sogenannt
SUV
Sports-Utility-Vehicle
SWOT
Strength-Weaknesses-Opportunities-Threats
u.a.
unter anderem
UN
United Nations
UNCED
United Nations Conference on Environment & Development
UNEP
United Nations Environment Programme
USA
United States of America
USD
United States Dollar
USDEO
United States Department of Energy
UV
ultraviolett
v.a.
vor allem
VDA
Verband deutscher Automobiluntemehmen
vgl.
vergleiche
WACC
Weighted-Average-Cost-of-Capital
WBCSD
World Business Council for Sustainable Development
WCED
World Council on Environment & Development
WRI
World Resources Institute
WWF
World Wildlife Fund
XXV
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
1.1 Die strategische Relevanz des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung fur die Automobilindustrie
1
1
EiNLEITUNG
1.1
DIE STRATEGISCHE RELEVANZ DES KONZEPTS DER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG FUR DIE AUTOMOBILINDUSTRIE
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung^ das den Ausgleich zwischen okonomischem Wachstum, okologischer Balance und sozialem Fortschritt sucht, hat sich seit Ende der 1980er Jahre zu einem weltweit viel diskutierten Leitbild ftir die Entwicklung von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft etabliert. ^ ^ Die Automobilindustrie steht hierbei haufig im Mittelpunkt der Diskussion. Einerseits ist sie in vielen entwickelten Landem eine der volkswirtschaftlich bedeutendsten Branchen und wird dies auch fiir Schwellen- sowie Entwicklungslander in naher Zukunft werden."^ Andererseits verursacht diese Industrie durch ihre Produktion, aber insbesondere durch die Nutzung ihrer Produkte, weit reichende okologische und soziale Extemalitaten.^ Als die damit verbundenen wichtigsten Nachhaltigkeitsaspekte seien an dieser Stelle bereits genannt: Mobilitat, Energie, Emissionen, Verkehrssicherheit, Ressourcenverbrauch bei der Fahrzeugproduktion und -verwertung.^ Wahrend sich in theoretischen Debatten iiber die soziale und okologische Verantwortung von Untemehmen in der Gesellschaft streiten lasst, zeigt allein der steigende offentliche und regulatorische Druck auf Automobiluntemehmen, dass diese sich der Thematik zwangslaufig annehmen mlissen/ Gleichzeitig steht die Branche wirtschaftlich an einem entscheidenden Punkt ihrer Entwicklung: Nachfrageriickgange bei Uberkapazitaten fuhren zu Preisverfall, fortschreitender Konzentration und, sowohl im Vergleich zu anderen Branchen als auch historisch gesehen, unterdurchschnittlicher fmanzieller Performance.^
Die gelaufigste Definition von nachhaltiger Entwiclclung (Sustainable Development) stammt aus dem Brundtland-Report der UN-World Comission on Environment and Development (WCED) aus dem Jahre 1987. Dabei handelt es sich um eine „Entwicklung, die die Bediirfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daB kiinftige Generationen ihre eigenen Bediirfnisse nicht befriedigen konnen", vgl. Hauff (1987), S. 46. Fiir eine detaillierte Definition und Historie des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung vgl. Kapitel 2.1.1. Zum Thema Nachhaltigkeit als neues Entwicklungsparadigma vgl. Steger (1993), S. 41-45; Huber (1995); O'Riordan (1993). Zur Diskussion der Bedeutung von nachhaltiger Entv^icklung auf gesamt- und einzelwirtschaftlicher Ebene vgl. z.B. Welford (1995); Minsch et al. (1996), Magretta (1997). So definiert der World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) das Nachhaltigkeitsleitbild iiber die "Triple bottom line: People - Planet - Profit", siehe auch die Ausfuhrungen zu Konzepten und Definitionen nachhaltiger Entwicklung wie oben angegeben. Zur volkswirtschaftlichen Relevanz der Automobilindustrie siehe Kapitel 2.2.1. Fiir eine Definition „extemer Effekte" siehe Kapitel 3.2.1. Fur eine ausfahrliche Erlauterung der okonomischen Theorie extemer Effekte vgl. z.B. Fees (1997), S. 497-558. Ein iJberblick iiber die sozialen und okologischen Einfliisse der Automobilwirtschaft wird in Kapitel 3.2.1 gegeben. Vgl. Nieuwenhuis/Wells (1997), S. 6-12; Steger (1994b), S. 128-132. Vgl. Nieuwenhuis/Wells (1997), S. 28-37. Fiir eine detaiUierte Branchenstrukturanalyse der Automobilindustrie siehe Kapitel 2.2.2.
1 Einleitung
Nachhaltige Entwicklung oder Sustainable Development in dem umfassenden Verstandnis der Triple Bottom Line (der Balance wirtschaftlicher, okologischer und sozialer Belange) ist also eine zentrale Herausforderung fur die Automobilindustrie am Beginn dieses Jahrhunderts.^ Dieser Situation tragt die vorliegende Arbeit Rechnung mit dem Ziel, die strategische Relevanz des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung fiir die Automobilindustrie zu analysieren und mogliche strategische Handlungsoptionen fur Automobilhersteller herauszuarbeiten. 1.2
FORSCHUNGSFRAGE UND ZlELSETZUNG
Das Hauptanliegen der Arbeit besteht in dem Versuch, den Einfluss des Konzepts der Nachhaltigkeit auf die Entwicklung und die Inhalte von Untemehmensstrategien globaler Automobiluntemehmen empirisch zu analysieren und Ansatzpunkte fur ein strategisches Nachhaltigkeits-Management zu entwickeln. Der Arbeit liegen folgende zentrale Fragestellungen zugrunde: • Welchen Einfluss hat das Konzept der nachhaltigen Entwicklung auf den Untemehmenswert von Automobilherstellem aus der Sicht von Verantwortungstragem in den Untemehmen? • Inwieweit wird das Konzept der nachhaltigen Entwicklung heute im strategischen Management der Automobilhersteller beriicksichtigt und wo liegen die aktuellen Herausforderungen fur eine noch starkere Nachhaltigkeitsorientierung der strategischen Entscheidungen und ihrer Umsetzung in den Untemehmen? Daruber hinaus ist es Ziel dieser Arbeit, auf Basis der aus der empirischen Analyse gewonnenen Erkenntnisse von einem wissenschafllich fundierten Standpunkt aus Instrumente flir ein strategisches Management zu entwickeln, das sich starker als bislang am Konzept der Nachhaltigkeit ausrichtet. 1.3
BEITRAG ZUM STAND DER NACHHALTIGKEITSFORSCHUNG
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung kann aufgrund seiner Komplexitat in unterschiedlichen wissenschaftlichen Forschungsbereichen thematisiert werden. Diese Arbeit will die far Untemehmen relevanten Fragestellungen des im Urspmng gesellschaftspolitischen Konzepts der nachhaltigen Entwicklung im Rahmen der Betriebswirtschaft und hier innerhalb des Teilbereichs des strategischen Managements untersuchen. Dabei geht es vor allem um eine Darstellung der Untemehmensperspektive auf dieses Konzept, um die Frage also, wie die Verantwortungstrager selbst die Bedeutung von Nachhaltigkeit fiir ihr Untemehmen Vgl. hierzu Steger (2004a), S. 52f.
1.4 Forschungsmethodik
bewerten. Zu diesem Zweck soil eine empirische Untersuchung die Einschatzung der Entscheidungstrager zur Werthaltigkeit des Nachhaltigkeitskonzepts, zu den Aktivitaten im Nachhaltigkeitsbereich und zur Berticksichtigung dieses Konzepts im strategischen Management ihrer Untemehmen erfassen und hinterfragen. Auf dieser Grundlage wiederum soUen abschlieBend mogliche Losungsansatze fiir die aktuellen Herausforderungen im strategischen Nachhaltigkeits-Management der Automobilhersteller prasentiert werden. Somit verfolgt diese Arbeit in ihrer Gesamtheit ein sowohl deskriptives als auch pragmatisches Wissenschaftsziel.'^ Sie versucht sowohl zu einem besseren Verstandnis der Herausforderungen von strategischem Nachhaltigkeits-Management am Beispiel einer bestimmten Branche beizutragen als auch insbesondere die Verantwortungstrager aus der Automobil-industrie zu verantwortungsvoUerem Handeln im Sinne der nachhaltigen Entwicklung anzuregen. 1.4
FORSCHUNGSMETHODIK
1.4.1
Forschungsdesign der empirischen Untersuchung
Der Forschungsgegenstand „strategisches Nachhaltigkeits-Management in der Automobilindustrie" beinhaltet eine branchenspezifische Abgrenzung, die sich aus verschiedenen Grtinden als sinnvoU erweist. Die Nachhaltigkeitsaspekte und ihre Implikationen fur Unternehmen sind, bedingt durch vergleichbare Wertschopfiingsketten, Technologien und letztlich Markte, in hohem MaBe abhangig von der jeweiligen Branche.'^ '^ Zugleich sind die Reaktionen der Untemehmen auf exteme Einflussfaktoren (wie z.B. Regularien, welche sich aus der Nachhaltigkeitsthematik ergeben) aufgrund bestehender Wettbewerbskrafte innerhalb einer Branche relativ ahnlich. Fur bestimmte Teilbereiche der Nachhaltigkeitsthematik, wie z.B. das Problem globaler Umweltprobleme, empfiehlt sich allerdings auch eine brancheniibergreifende, ggf. gesamtgesellschaftliche Perspektive. Daruber hinaus sind mogliche lander- und kultur-, sowie untemehmensspezifische Besonderheitenzubeachten.^^
10
Vgl. Bea/Haas (2001), S. 21-23. Vgl. Steger(2004b),S. 5. Zur Definition und Abgrenzung von Branchen vgl. z.B. Porter (1999), S. 67f. Fiir einen Uberblick iiber die industrieiibergreifenden Ergebnisse des Forschungsprojekts „Building a Robust Business Case for Sustainability" vgl. Steger (2004b), S. 3-73.
4
1 Einleitung
Das Forschungsdesign folgt dem Konzept der Aktionsforschung.^"^ Dieses qualifiziert sich innerhalb der Betriebswirtschaftslehre, die als angewandte Wissenschaft gilt, als Methode mit einer hohen Praxisnahe.'^ In einem mehrstufigen, iterativen Prozess werden dabei Losungsansatze fiir sowohl eine wissenschaftliche Fragestellung als auch eine praktische Problemstellung gesucht. Als vorrangiges Instrument der empirischen Datenerhebung wurden hierbei - sog. offene, problemzentrierte - Interviews mit Verantwortungstragem unterschiedlicher Untemehmens- und Funktionsbereiche bei den sechs weltweit fiihrenden Automobilherstellem und bei Untemehmen verwandter Branchen sowie mit extemen Stakeholdem gewahlt. Eine breit angelegte, parallel durchgefuhrte schriftliche Standardbefragung sowie der Riickgriff auf weitere empirische Daten auf Basis der einschlagigen Literatur dient der Erganzung und Uberpriifung der durch die Interviews erzielten Forschungsergebnisse. Detailliertere Beschreibungen des Untersuchungsdesigns fmden sich im nachfolgenden Kapitel zum Forschungsprojekt „Building a Robust Business Case for Sustainability", in dessen Kontext die empirischen Daten fiir diese Untersuchung erhoben wurden.
Als Begriinder der Aktionsforschung gilt Kurt Levin. Vgl. u.a. Levin (1946); Levin (1963). Aktionsforschung ist die „[...] Anwendung wissenschaftlicher Ermittlung von Tatsachen und des wissenschaftlichen Experimentierens auf praktische Probleme [...]", mit der Zielsetzung, unter „[....] Zusammenarbeit und Mitwirken von Wissenschaftlem, Praktikem und Laien LosungsmaBnahmen [...] zu entwickeln". Vgl. French/Bell (1973), S. 110. Vgl. French/Bell (1973), S. 1 lOf.
1.4 Forschungsmethodik
Abbildung 1: Methodisches Vorgehen'^ Literaturrecherche
i
Konzeption Interviewleitfaden
1
Abstimmungsgesprache / initiale Interviews Referenzunternehmen
1
1 Uberarbeitung Interviewleitfaden i
\ Kontaktaufnahme mit Interviewpartnern
I
L
Konzeption Fragebogen
/
Durchfuhrung der Interviews
Versand der Fragebogen
Auswertung der Interviewergebnisse
Auswertung der Fragebogen
1
(——) Forschungsprojekt "Building a Business Case for Sustainability"
1
i
ZusammenfiJhrung und Abgleich der erhobenen Daten
i
Dokumentation der Forschungsergebnisse
\
1.4.2
r
\
Integration der
Prasentation der
Dissertation
e in den Lnterneh nen
Die empirische Datenbasis
Das Forschungsprojekt „Building a Robust Business Case for Sustainability" Die vorliegende Arbeit basiert auf empirischen Daten, die der Autor im Rahmen des Forschungsprojekts „Building a Robust Business Case for Sustainability" gewonnen hat. Dieses Projekt wurde vom Forum for Corporate Sustainability Management (CSM)^^ am IMD International, Lausanne, im Forschungszyklus 2002/2003 von Mai 2002 bis Oktober 2003 durchgefuhrt'^ mit dem Ziel, in neun Branchen das Wertschopfungspotential von Nachhaltig-
Eigene Darstellung. Das Forum for Corporate Sustainability Management ist eine Forschungsinitiative mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeits-Management. Sie ist angesiedelt am International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne, Schweiz. Unter der Leitung von Prof. Steger erforscht das CSM das gesamte Spektrum des Nachhaltigkeits-Managements und unterstiitzt international agierende Untemehmen unterschiedlicher Branchen bei ihren Aktivitaten in diesem Bereich. Vgl. auch Anhang 1.1. Eine ausfiihrliche Beschreibung des Forschungsprojekts befmdet sich im Anhang zu dieser Arbeit.
1 Einleitung
keits-Management und dessen heutige Erschliefiung durch die Untemehmen zu untersuchen sowie den Entwicklungsstand zwischen den Branchen zu vergleichen. Der Fokus der Untersuchung lag auf global agierenden Konzemen. Die empirische Datenbasis fiir das Gesamtprojekt wurde durch breit angelegte personliche Interviews mit Verantwortungstragem in den jeweiligen Industrien und Stakeholdem sowie durch schriftliche Standardbefragungen von Managem aus den Industrien ermittelt. Insgesamt wurden 418 Interviews in 16 Landem mit 104 unterschiedlichen Untemehmen und Organisationen durchgefuhrt. Insgesamt wurden 1068 Fragebogen von Entscheidungstragem in den Untemehmen bearbeitet. Die Ergebnisse des Projekts wurden in der Form von branchenspezifischen Industry Reports und Strategic Toolsets als IMD Working Papers und als ein gemeinsames Buch mit dem Titel „The Business of Sustainability" publiziert.'^ Die fmalen Forschungsergebnisse wurden im Rahmen einer intemationalen Konferenz im Oktober 2003 der wissenschaftlichen Fachwelt und den Untemehmen prasentiert. Der Autor dieser Arbeit war innerhalb des Projekts fur die Untersuchung der Automobilbranche verantwortlich. Teilnehmende Untemehmen und Organisationen Die Zusammenarbeit mit dem Referenzuntemehmen DaimlerChrysler AG ermoglichte sowohl in der Konzeptions- als auch in der Durchfiihmngsphase die umfassende Analyse eines Untemehmens in seinen verschiedenen Bereichen. Das gewahlte Untemehmen kann aufgmnd seiner Eigenschaften (GroBe, geographische Prasenz, Marktaktivitaten, Finanzsituation, Verhalten in Umwelt- und Sozialfragen, etc.) als typisch fur die Automobilindustrie bezeichnet werden. Die Erkenntnisse iiber das Referenzuntemehmen bilden den Schwerpunkt der Primarerhebung. Insgesamt konnten sechs Automobilhersteller far eine Zusammenarbeit im Rahmen des Dissertations- und Forschungsprojekts gewonnen werden. Diese Untemehmen bilden hinsichtlich GroBe, Herkunftsland und Aktionsradius eine representative Auswahl innerhalb der global agierenden Automobilindustrie.
Vgl. Steger (2004b).
1.4 Forschungsmethodik
Tabelle 1: Teilnehmende Automobilunternehmen Unternehmen (Konzernzugehorigkeit)
Herkunftsland
Adam Opel AG (General Motors)
Deutschland (USA)
DaimlerChrysler AG
Deutschland / USA
Ford of Europe GmbH
USA
Nissan Motor Corporation (Renault)
Japan (Frankreich)
Toyota Motor Corporation
Japan
Volkswagen AG
Deutschland
Erganzende Interviews wurden mit Unternehmen verwandter Branchen, der Automobilzuliefererindustrie und weiteren extemen Stakeholdem gefiihrt.
Tabelle 2: Teilnehmende externe Stakeholder-Organisationen Organisation
Beschreibung
Herkunftsland
Bombardier Transportation
Hersteller von Schienenfahrzeugen, Freizeitmobilen, Flugzeugen
Kanada
Magna International
Automobilzulieferer
Kanada / Osterreich
Akasol TU-Darmstadt
Forschungsprojekt 1-Liter-Auto
Deutschland
Greenpeace
Umweltschutzorganisation
Deutschland / international
Deutsche Umwelthilfe
Umweltschutzorganisation
Deutschland
Bundesumweltamt
Umweltschutzbehorde
Deutschland
E-Square
Beratungsgesellschaft fur Nachhaltige Untemehmensfiihrung
Japan
Heike Leitschuh-Fecht
Joumalistin / Moderatorin / Beraterin fur Umweltangelegenheiten, Schwerpunkt Verkehr
Deutschland
Problemzentrierte Interviews Die Interviews mit Untemehmensvertretem und Stakeholdem bilden den Kern der empirischen Datenbasis fiir die vorliegende Arbeit. Bei diesen sog. problemzentrierten Interviews fuhrt der Interviewer, unter Zuhilfenahme eines Interviewleitfadens mit offenen Fragen, den Befragten an die Fragestellung heran und stellt je nach Bedarf und Interesse weitere vertiefende Fragen. Im Gegensatz zu Interviews mit standardisierten, geschlossenen Fragen ermoglicht diese Art der Erhebung einen breiteren Informationsfluss und erlaubt es, mit den unterschiedlichen Gesprachspartnem, je nach individuellem Wissensstand, bestimmte
8
1 Einleitung
Fragestellungen eingehender zu behandeln, was sich vor dem Hintergrund der Komplexitat des vorliegenden Forschungsgegenstands als sinnvoll erwiesen hat.^^ Fur diese Arbeit wurden 32 Interviews mit Verantwortungstragem aus unterschiedlichen Untemehmens- und Funktionsbereichen deutscher, amerikanischer und japanischer Automobilhersteller gefiihrt. Das Interviewverzeichnis im Anhang zeigt sowohl in Bezug auf Funktionsbereiche als auch Hierarchieebenen die groBe Bandbreite an unterschiedlichen Gesprachspartnem.^^ Die Befragungen wurden vom Autor fast ausschlieBlich personlich - an europaischen Standorten ebenso wie in Japan -, in Einzelfallen auch telefonisch gefiihrt, und zwar im Zeitraum zwischen Juli 2002 und August 2003. Als Interviewleitfaden diente ein Fragebogen, der folgende Themenbereiche umfasst:^^
Tabelle 3: Themenbereiche der Interviews mit Unternehmensvertretern^^ Themenbereich
Fragestellungen
Personlicher Hintergrund des Befragten
• • • •
Angaben zur Person, Aufgabenbereich etc. Verstandnis des Nachhaltigkeitskonzepts Nachhaltigkeitsaspekte fiir die Industrie und das Untemehmen Personliche Meinung und Einstellung gegeniiber der Nachhaltigkeitsthematik
Nachhaltigkeit im Untemehmen
• •
Verstandnis und Herangehensweise Aktivitaten im Nachhaltigkeitsbereich
Nachhaltigkeit in der Industrie
• •
Nachhaltigkeitsaspekte Aktivitaten der Industrie und Wettbewerber
Landerspezifische Einfliisse
• •
Gesetzgebung / Regulierung Kultur
Einflussfaktoren auf Nachhaltigkeits-Management
• •
Promotoren und Barrieren Interne Einflussfaktoren o Untemehmensstruktur, -kultur und interne Kommunikation o Prozesse und Instrumente o Einstellung und Verhalten der Fiihrungskrafte o Wissensunterschiede o Untemehmensidentitat Exteme Einflussfaktoren o exteme Stakeholder o Anfordemngen des Kapitalmarkts o Regulatoren / Normgeber
•
Okonomische Betrachtung der Nachhaltigkeitsthematik
• • •
Werttreiber Chancen und Risiken Ertrage und Kosten
Zur Methodik der problemzentrierten Interviews vgl. Witzel (1989), S. 227-255; Mayring (1996); Flick (1995). Vgl. Anhang 2: Verzeichnis der Interviews. Die letzte Version des Interviewleitfadens befmdet sich im Anhang 0. Eigene Darstellung.
1.4 Forschungsmethodik
9
Neben der Aufteilung in die genannten Themenbereiche wurde der Fragebogen je nach Gesprachspartner individualisiert und beispielsweise um Fragen zum Untemehmen, dem Funktionsbereich oder der Hierarchiestufe erganzt. Im Laufe der Datenerhebung wurde der Fragebogen mehrfach uberarbeitet, um den zum jeweiligen Zeitpunkt bereits gewonnenen Kenntnisstand zu berlicksichtigen. Dariiber hinaus wurden neun erganzende Interviews mit Stakeholdem gefiihrt. Sie dienten vor allem dazu, die Nachhaltigkeitsthematik aus einer weiteren Perspektive heraus zu beleuchten und die Aussagen der Untemehmensvertreter kritisch zu hinterfragen. Auch diese Interviews wurden anhand individuell erstellter Interviewleitfaden durchgeftihrt. Die Antworten der Interviewpartner wurden als Ergebnisprotokolle dokumentiert. Sie liegen beim Autor als handschriftliche Dokumente, sortiert nach Firmen/Organisationen vor. Die gewonnenen Aussagen der Erhebung wurden im Rahmen einer qualitativen Analyse ausgewertet und bilden die Grundlage fur die in den folgenden Kapiteln prasentierten empirischen Erkenntnisse. Diese finden sich jeweils durch Verweise auf die betreffenden Interviews belegt. Fine tabellarische Ubersicht beinhaltet die Zuordnung zwischen den im Folgenden verwendeten Interviewcodes und den Interviews.^'* Schriftliche Standardbefragung Als weitere empirische Datenquelle wurden die Ergebnisse einer schriftlichen Umfrage herangezogen, die im Rahmen des Forschungsprojekts gemeinsam mit dem CSM durchgeftihrt wurde. Ziel dieser Umfrage war es, die Interviewergebnisse anhand der quantitativen Ergebnisse unterlegen und zugleich iiberpriifen zu konnen. Des Weiteren dienten die mittels des fiir alle Branchen einheitlichen Fragebogens erhobenen Ergebnisse zur Erarbeitung eines Branchenvergleichs.^^ Die Themenbereiche des Fragebogens entsprechen teilweise denen des Interviewleitfadens, sind jedoch nicht branchenspezifisch:
Vgl. Anhang 2. Vgl. hierzu Steger (2004b), S. 11-60.
10
1 Einleitung
Tabelle 4: Themenbereiche des schriftlichen Fragebogens (General Managers) * Status Quo des Nachhaltigkeits-Managements im Untemehmen Personliche Einschatzung der Nachhaltigkeitsthematik Zukiinftige Entwicklungen im Nachhaltigkeitsbereich und geplante Unteraehmensaktivitaten Forderliche und behinderade Faktoren fiir die Umsetzung von Nachhaltigkeits-Management in den Untemehmen Instrumente der nachhaltigen Unteraehmensfuhrung
Die Durchfuhrung der Befragung erfolgte durch schriftliche oder elektronische Fragebogen in den teilnehmenden Automobiluntemehmen, des Weiteren im Rahmen von Lehrveranstaltungen des IMD und erganzend dazu anhand eines Online-Fragebogens auf der Intemetseite des CSM. Insgesamt konnten fiir das Forschungsprojekt 945 verwertbare Fragebogen von General Managers erhoben werden, darunter 65 aus dem Automobilsektor. Die Verteilung der Standardbefragung auf Untemehmensbereiche, Hierarchieebenen und Regionen weist dabei eine groBe Bandbreite auf.^^ Die ermittelten Rohdaten wurden elektronisch erfasst und statistisch ausgewertet. Diese Rohdaten und deren Auswertungen liegen in Form von Microsoft Excel Dateien und in grafischer Form, abgespeichert auf einer CD-ROM, beim Autor vor. Aufgrund der geringen Rticklaufquote (Gesamtprojekt n= 135; Automobilindustrie n= 10) werden die Ergebnisse der schriftlichen Befragung der Sustainability Officers (Verantwortungstrager im Bereich Nachhaltigkeits-Management) im Rahmen dieser Arbeit nicht verwendet. Die tiberwiegend quantitativen Ergebnisse der Standardbefragung fmden sich in den folgenden Ausfiihrungen an entsprechender Stelle beriicksichtigt und dienen vorrangig der Erganzung und Uberpriifting der Interviews. Literaturquellen Erganzend zu den selbstandig erhobenen empirischen Daten werden auch wissenschaftliche Erkenntnisse aus Monographien, Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften und Forschungsberichten als Datenquellen herangezogen. Insbesondere Fallstudien und andere
^^ Der schriftliche Fragebogen ist dem Anhang 4 zu entnehmen. ^^ Vgl, Ergebnisse der schriftlichen Standardbefi-agung.
1.4 Forschungsmethodik
11
empirische Studien dienen dazu, die ermittelten Ergebnisse zu uberpriifen oder weiter zu komplettieren. Als besonders geeignete Sekundarquellen zur Ermittlung des Status Quo im Bereich der nachhaltigen Untemehmensfuhrung in der Automobilindustrie haben sich Geschafts- und Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsberichte der Untemehmen erwiesen, mit Hilfe derer die Aussagen der Interviewpartner tiberpruft, hinterfragt oder erganzt werden konnten. 1.4.3
Methodische Anmerkungen
Die Auswertung der erhobenen empirischen Daten lieB deutlich werden, dass die verschiedenen Akteure die Problemstellungen einer nachhaltigen Entwicklung von ihrem jeweils individuellen Standpunkt aus interpretieren und teilweise zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Aufgrund der hohen Komplexitat der Nachhaltigkeitsthematik und der mit ihr verbundenen ethischen Fragestellungen kann es auch gar keine objektive und im streng wissenschaftlichen Sinne alleingiiltige Wahrheit in diesem Bereich geben. Ziel dieser Arbeit ist es daher, die Bandbreite an unterschiedlichen Meinungen und Interpretationen zu prasentieren und diese kritisch zu hinterfragen. Von besonderem Interesse fur die Themenstellung dieser Arbeit ist die Untemehmensperspektive. Hierbei ist zum Teil zwischen der offiziellen Position eines Untemehmens in der extemen Kommunikation und der intemen Position sowie der personlichen Meinung der Fuhrungskrafte zu unterscheiden. MaBgeblich fiir die Aktivitaten der Untemehmen sind dabei die Entscheidungen der Verantwortungstrager aufgrund personlicher Einschatzungen sowie die interne Position des Untemehmens hinsichtlich der jeweiligen Thematik. In Erganzung zur Untemehmensperspektive werden auch die Positionen ausgewahlter Stakeholder prasentiert. Zu ihnen zahlen u.a. Nichtregiemngsorganisationen, Regulatoren, Kapitalmarkte und Verbraucher. Dariiber hinaus werden an geeigneter Stelle naturwissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema nachhaltiger Entwicklung diskutiert. Diese Vorgehensweise dient dazu, die einzelnen Perspektiven in Relation zueinander zu setzen und mogliche Argumentationsllicken aufzudecken. Es kann und soil jedoch nicht die Absicht sein, die individuelle Urteilsfmdung durch den Leser zu ersetzen.
12
1.5
1 Einleitung
GANG DER UNTERSUCHUNG
Die folgende Abbildung gibt einen schematischen Uberblick iiber die Inhalte der Arbeit und den Gang der Untersuchung:
Abbildung 2: Inhaltlicher tJberblick uber die Arbeit^* Teil 1: Einleitung Teil2: Grundlagen Konzepte und Definitionen o
Von nachhaltiger Entwicklung zu nachhaltiger Untemehmensfiihrung
o
Ein tJberblick iiber das strategische Management
Ein Uberblick iiber die Automobilindustrie Teil 3: Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung als Werttreiber in der Automobilindustrie Nachhaltigkeitsaspekte in der Automobilindustrie und ihre okonomische Relevanz The Business Case for Corporate Sustainability Teil 4: Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung im strategischen Management der Automobilindustrie Nachhaltigkeit in der Phase der strategischen Zielplanung Nachhaltigkeit in der Phase der strategischen Analyse und Prognose Nachhaltigkeit in der Phase der Strategieformulierung und -bewertung Nachhaltigkeit in der Phase der Strategieimplementierung Teil 5: Instrumente fur ein strategisches Nachhaltigkeits-Management in der Automobilindustrie Untemehmenskultur Eine nachhaltigkeitsorientierte strategische Gesamtkonzeption Issue Management Teil 6: Schlussbetrachtung
Im Anschluss an diese einleitenden Einfuhrungen werden im nachfolgenden zweiten Teil der Arbeit zunachst die fur die Untersuchung grundlegenden Konzepte, insbesondere nachhaltige Entwicklung, wertorientierte Untemehmensfuhrung und strategisches Management, erlautert. Daruber hinaus wird ein Uberblick uber aktuelle Entwicklungen in der Automobilbranche gegeben, welcher als Ausgangspunkt fiir die weiterfuhrenden Diskussionen des Nachhaltigkeitskonzepts in den folgenden Kapiteln dient. Der dritte Teil der Arbeit uberpruft, inwieweit das Konzept der nachhaltigen Entwicklung einen Einfluss auf die Entwicklung des Untemehmenswerts von Automobiluntemehmen hat.
^ Eigene Darstellung.
1.6 Abgrenzung der Arbeit
Hierzu werden die Nachhaltigkeitsaspekte okologischer und sozialer Art in der Automobilbranche zunachst identifiziert und dann auf ihre okonomische Relevanz hin untersucht. Dies erfolgt unter der Zuhilfenahme von Werttreibem, welche aus Sicht der Verantwortungstrager der Automobiluntemehmen durch die Nachhaltigkeitsaspekte beeinflusst werden und somit Wertschopfungs- oder Wertvemichtungspotential haben. Im vierten Teil der Arbeit erfolgt eine Analyse des Status Quo des strategischen Nachhaltigkeits-Managements in der Automobilindustrie. Anhand der vier Phasen des strategischen Managementprozesses wird untersucht, inwiefem das Konzept der nachhaltigen Entwicklung schon heute im strategischen Management der Automobilhersteller berucksichtigt wird und welches die diesbeziiglichen aktuellen Problemfelder und ihre Ursachen sind. Im funften Teil der Arbeit werden mogliche praxisorientierte Losungsansatze fur die wesentlichen Herausforderungen im strategischen Nachhaltigkeits-Management der Automobilindustrie prasentiert. Es werden vom Autor im Rahmen des Forschungsprojekts entwickelte, konzeptionelle Instrumente fur die Automobilhersteller vorgestellt, die den Entscheidungstragem in den Untemehmen dazu dienen sollen, den aktuellen Herausforderungen im Hinblick auf ihren strategischen Gesamtzusammenhang zu begegnen. Der letzte Teil der Arbeit geht nochmals auf die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit ein, gibt einen Ausblick iiber die mogliche weitere Entwicklung der Nachhaltigkeitsthematik in der Automobilindustrie und nennt weiteres Forschungspotential. 1.6
ABGRENZUNG DER ARBEIT
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung ist vielfaltig und komplex und kann in unterschiedlichen wissenschaftlichen Forschungsbereichen thematisiert werden. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der betriebswirtschaftlichen Ebene. Volkswirtschaftliche oder politikwissenschaftliche Aspekte sind nicht Inhalt der Arbeit. Innerhalb der Betriebswirtschaflslehre liegt der Schwerpunkt im Bereich des strategischen Managements. Nachhaltigkeitsaspekte werden folglich aus einer strategischen, im Gegensatz zu einer operativen Perspektive, betrachtet. In diesem Kontext werden Nachhaltigkeitsaspekte ganzheitlich und integrativ auf ihren moglichen Einfluss auf Untemehmensstrategien untersucht. Insbesondere ingenieurwissenschaftliche Fragestellungen (z.B. aus dem Bereich der Fahrzeugtechnik) werden ausgeklammert bzw. nur auf ihre kaufmannische Relevanz hin untersucht. Andere Themenbereiche der Betriebswirtschaftslehre, wie Organisation und Personal, werden nur insoweit diskutiert, als sie fur strategisches Nachhaltigkeits-Management Relevanz haben.
14
1 Einleitung
Das wesentliche Kriterium zur Eingrenzung des Forschungsgebiets „Automobilindustrie" liegt in der UntemehmensgroBe. Aufgmnd der fortgeschrittenen Konsolidierung der Branche und vielfaltiger Eigentumsverflechtungen richtet sich die Untersuchung auf die sechs groBten und global agierenden Untemehmensgruppen der Automobilindustrie: General Motors, Ford, Toyota, Volkswagen, Renault-Nissan und DaimlerChrysler.^^ Diese Konzemuntemehmen dominieren den Markt der Kraftfahrzeuge mit ca. 80 % Umsatzanteil.^^ Sie produzieren und verkaufen in alien Markten.^^ Aufgmnd ihrer Ressourcenausstattung besitzen sie das groBte Einflusspotential, die weitere Entwicklung der Branche zu definieren.^^ Dariiber hinaus werden durch sie alle Regionen der Triade USA, Europa und Japan abgedeckt. Bei einer weiteren Konsolidierung der Branche ist davon auszugehen, dass die o.g. Untemehmen aufgmnd ihrer GroBe und ihres Finanziemngspotentials zu den maBgeblichen Akteuren zahlen werden. Der Fokus liegt femer auf dem Bereich der Personenkraftwagen. Hier werden ca. 85 % des Umsatzes der Automobilindustrie realisiert.^^ Jedoch sind die diskutierten Ergebnisse in vielen Bereichen auf den Nutzfahrzeugmarkt iibertragbar, v.a. auch weil die beriicksichtigten Untemehmen gleichzeitig zu den groBten Produzenten von Nutzfahrzeugen gehoren.^'*
Siehe Ubersicht iiber die weltgrofiten Automobilhersteller, S. 52. Vgl. Steger (2004a), S. 50. Vgl. Geschaftsberichte der Hersteller: General Motors (2004); Ford (2004); DaimlerChrysler (2004); Toyota (2003); Volkswagen (2004); Renault (2005); Nissan (2003). Vgl. Steger (2004a), S. 50. Vgl. VDA (2003), S. 22; JAMA (2004), S. 6. Vgl. hierzu z.B. Coppens (2004), S. 162.
2.1 Konzepte und Definitionen
15
2
GRUNDLAGEN
2.1
KONZEPTE UND DEFINITIONEN
2.1.1
Von nachhaltiger Entwicklung zu nachhaltiger Unternehmensfuhrung
In diesem Abschnitt erfolgt eine Einfuhrung in das Konzept der nachhaltigen Unternehmensfuhrung mit dem Ziel, moglichst knapp, aber hinreichend umfassend nur dessen flir die Arbeit relevanten Bereiche zu erlautem. Eine entscheidende Bedeutung kommt hier der Operationalisierbarkeit des Nachhaltigkeitsbegriffs fur die betriebliche Praxis zu, insbesondere vor dem Hintergrund einer in Wissenschaft, Untemehmen und PoHtik teilweise kontrovers gefuhrten Diskussion uber das Verstandnis und die Definition von nachhaltiger Entwicklung.^^ 2.1.1.1
Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung
Der Begriff Nachhaltigkeit^^ geht auf die Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts zuriick. In diesem Kontext forderte das Konzept einen Verbrauch an regenerativen Ressourcen (Holzeinschlag) nur in dem MaBe, wie der Bestand an Ressourcen dauerhaft erhalten blieb.^^ Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung wurde im Zeitraum von 1972 bis 1992 gepragt. Der in diesem Zusammenhang maBgebende Bericht „Limits to Growth" basiert auf der von der Wissenschaftlergruppe Club of Rome initiierten und unterstiitzten Meadows-Studie am MIT im Jahre 1972.^^ Ausgehend von einer systemdynamischen Analyse forderten die Autoren eine anschlieBend kontrovers diskutierte Nullwachstumsgesellschafl zur Vermeidung eines okologischen Kollapses der Erde.^^
Fiir eine umfassende Darstellung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung, insbesondere seiner zahlreichen Definitionen und Interpretationen, vgl. Vomholz (1993), S. 110-126. Fiir eine Auswahl unterschiedlicher Definitionen nachhaltiger Entwicklung vgl. auch Fees-Dorr/Steger/Weihrauch (1993), S. 113-117. Die Begriffe Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung (ebenso ihre englischen Ubersetzungen sustainability und sustainable development) werden in der Literatur und Diskussion synonym verwendet. Vgl. Steger (1993), S. 42; Vomholz (1993), S. 111. Vgl. Meadows et al. (1972); Im Jahr 1992 wurde eine zweite Meadows-Studie mit dem Titel „Beyond the Limits" durchgefiihrt. Vgl. Meadows/Meadows/Randers (1992). Die Nullwachstumsgesellschaft bedeutet einen Ubergang von Wachstum zum Gleichgewicht (Stagnationswirtschaft) durch kein weiteres Bevolkerungswachstum (Geburtenkontrolle), konstantes ProKopf-Einkommen, Stop des technischen Fortschritts. Die Umwelt-Revolution erfolgt durch die Vermeidung von Umweltverschmutzung, die Erhohung der Effektivitat der Ressourcennutzung, die Erhaltung der nutzbaren Boden, die Verbesserung des Gesundheitswesens und die Verbesserung des Recyclings. Vgl. Barbian (2001), S. 16; Steger (1993), S. 41.
16
2 Grundlagen
Der 1987 vom World Council on Environment and Development (WCED) veroffentlichte Bericht „Our common fliture"^^ nahm eine weniger pessimistische Haltung ein. Weltweites Wirtschaftswachstum wird hier als Grundvoraussetzung fiir die Bewaltigung der okologischen, aber auch sozialen Herausfordemngen (wie z.B. Ressourcenknappheit, Wachstum der Weltbevolkerung, Umweltzerstorung, „Nord-Sud-Konflikt") der Menschheit gesehen."^' Wahrend der Fokus im Bericht des Club of Rome noch auf den Bereich der intergenerationellen Gerechtigkeit beschrankt war, wurde im sog. Brundtlandt-Report auch die intragenerationelle Gerechtigkeit (insbesondere die Gleichberechtigung der Menschen in den entwickelten und unterentwickelten Landem) zum Bestandteil der intemationalen Diskussion."^^ Der Brundtland-Report gibt die heute wohl gelaufigste Definition des Begriffs Sustainable Development: „ Sustainable Development is development that meets the needs of the present without compromising the ability offuture generations to meet their own needs. ... a process of change, in which the exploitation of resources, the direction of investments, the orientation of technological development and institutional change are all in harmony and enhance both current andfuture potential to meet human needs and aspirations. ""^ Der Gedanke der intragenerationellen Gerechtigkeit wurde im Rahmen der United Nations Conference on Environment and Development (UNCED), 3. bis 14. Juni 1992 in Rio, Brasilien, aufgegriffen und weitergefuhrt. Auf dieser Konferenz trafen sich Vertreter aus 172 Staaten, um iiber die Zukunfl des Planeten zu beraten. Die intemationale Staatengemeinschaft kam dabei zu dem Ergebnis, dass ein Erhalt der natiirlichen Lebensgrundlagen nur in gemeinsamer Anstrengung aller Lander erreicht werden konne. Mit der Agenda 21 wurde ein weltweites Entwicklungs- und Umwelt-Aktionsprogramm entwickelt, welches zur Umsetzung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung im 21. Jahrhundert fiihren soU."^"^ Erstmals wurden hier mit der okologischen, der sozialen und der wirtschaftlichen Dimension die „drei Dimensionen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung" zusammenhangend betrachtet."^^ Die Auch bekannt unter dem Namen Brundtland-Report, benannt nach der Vorsitzenden des WCED, Gro Harlem Brundtland, ehem. norwegische Ministerprasidentin. Vgl. Hauff (1998). Vgl.Hubner(2002),S.274f. Vgl. Steger (1993), S. 42; Vomholz (1993), S. 112, 123; Feess-Dorr/Steger/Weihrauch (1993), S. 96. CED(1987),S.48. Vgl. United Nations (1992). Fiir einen Uberblick iiber die Ergebnisse der Rio-Konferenz vgl. Keating (1993), Sihler (1992) und Bundesministerium fur Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (1992). Die vier wesentlichen Handlungsfelder der Agenda 21 umfassen: soziale und wirtschaftlich Aspekte (Armutsbekampfung, Anderung der Konsumgewohnheiten), Umweltaspekte, Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen und NGOs an Umwelt- und Entwicklungspolitik, Instrumente der Umsetzung. Vgl. United Nations (1992), S. 17-246; Barbian (2001), S. 20. Vgl. United Nations (1992), S. 9-11.
2.1 Konzepte und Definitionen
17
Erkenntnis, dass in diesem Prozess die Untemehmen, neben der Politik und Nichtregierungsorganisationen, eine bedeutende Rolle spielen, wird durch die Einrichtung des Business Council for Sustainable Development (BCSD) unter der Leitung des schweizerischen Unternehmers Stephan Schmidheiny dokumentiert.'^^ Seit der Umweltkonferenz 1992, auch „Weltgipfel" genannt, wird das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung von den einzelnen Akteuren im politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich allerdings nurmehr meist ohne disziplineniibergreifende Interaktion behandelt. Der zweite Umweltgipfel in Johannesburg im Jahr 2002 verdeutlichte, wie schwer die tatsachliche Umsetzung des Konzepts vor dem Hintergrund divergierender Interessen zu realisieren ist. Ein solcher Befund ist jedoch sehr bedenklich, da sich die Problemfelder derart umfassend gestalten, dass sie nur interdisziplinar, d.h. im Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteure, losbar sind."^^ Die intemationale Politik, welche das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung maBgeblich und vor allem ganzheitlich und umfassend gepragt und international etabliert hat, lasst sich als anschauliches Beispiel heranziehen, um zu zeigen, mit welchen Hindemissen die Umsetzung des Konzepts verbunden ist. So hat es mehr als zehn Jahre seit dem Umweltgipfel in Rio gedauert, bis nationale Nachhaltigkeitsstrategien uberhaupt ratifiziert wurden, von deren Umsetzung ganz zu schweigen."^^ Insbesondere bei divergierenden okologischen und wirtschaftlichen Interessen sind Fortschritte auf globaler Ebene nur schwer zu erreichen, wie etwa die Diskussion um die weltweite C02-Reduktion und die Umsetzung des KyotoProtokoUs deutlich macht. Auf den aktuellen Diskussionsstand des Nachhaltigkeitskonzepts bei Akteuren wie Unternehmen, NGOs und Offentlichkeit wird im Verlauf der Arbeit an geeigneter Stelle detailliert einzugehen sein.
Vgl. Steger(1993), S.42. Vgl. Drechsler (2002), S. Bl; FAZ (2002); S. 1; Aberle/Schafers (2002), S. 3; United Nations (2002). UN Commission on Sustainable Development (2003a), (2003b) Nationale Nachhaltiglceitsstrategien wurden u.a. von Finnland (1998), Schweden (1997), dem Vereinigten Konigreich (1994 & 1999), Belgien (2000) und Luxemburg (1999) vorgelegt. Vgl. Coenen (2001), S. 60.
18
2 Grundlagen
2.1.1.2
Nachhaltige Unternehmensfuhrung
Die Anwendung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf den Bereich der Unternehmen - in dieser Arbeit als nachhaltige Unternehmensfuhrung'^^ bezeichnet - ist von zahlreichen, teils kontraren Ansatzen gepragt. An dieser Stelle werden die wesentlichen dieser Ansatze vorgestellt und hinsichtHch ihrer Relevanz ftir die vorliegende Arbeit bewertet. 2.1.1.2.1
ArbeitsdeHnition nachhaltige Unternehmensfuhrung
Ausgehend vom umfassenden und integrativen Verstandnis der nachhaltigen Entwicklung^^ definiert der World Business Council for Sustainable Development (WBCSDf^ das Nachhaltigkeitsleitbild wie folgt: "The triple bottom line: People - Planet - Profit defines sustainable development via the three pillars of • economic growth, • ecological balance, and • social progress. "^^ Dieser Definition folgt auch das Forum for Corporate Sustainability Management (CSM) . Der Bezug zur Untemehmensperspektive wird vom CiSM iiber den Begriff des „Business Case for Corporate Sustainability" prazisiert: "The business case for corporate sustainability is the systematic formulation of a strategy by a corporation • that takes account of and deals with social and environmental issues responsibly, • thus contributing to the welfare of communities and society it operates in, • while pursuing its legitimate business interests as an economic entity. "^^ Diese Definition beschreibt das Grundverstandnis von nachhaltiger Unternehmensfuhrung des CSM.
In der englischen Sprache wird nachhaltige Unternehmensfuhrung als Corporate Sustainability bezeichnet. Bin ganzheitlich-integratives Verstandnis von nachhaltiger Entwicklung schlieBt die drei Dimension Okonomie, Okologie und Soziales ein. Vgl. Barbian (2001). "The World Business Council for Sustainable Development (WBSCD) is a coalition of 170 international companies united by a shared commitment to sustainable development via the three pillars of economic growth, ecological balance and social progress." Siehe WBCSD (2004b), S. 1. Lehni(1998),S.2. Fur nahere Informationen zum CSM, vgl. auch Anhang 1.1. CSM (2002a), S.l.
2.1 Konzepte und Definitionen
19
Die Untemehmenspraxis, bestatigt durch die empirische Forschung, zeigt, dass Untemehmen okologische und soziale Belange nur insoweit beriicksichtigen konnen und werden, als ihnen diese Aktivitaten langfristig Wettbewerbs- und damit Wertschopfungsvorteile verschaffen Oder zumindest daraus resultierende Wettbewerbsnachteile ausgeschlossen werden konnen. Dieses Verstandnis impliziert eine eindeutige Orientierung am Konzept des Shareholder Value, welches in der Fuhrung globaler Untemehmen die unumstrittene Messlatte aller Untemehmensentscheidungen, insbesondere der strategischen, darstellt. Konzepte nachhaltiger Untemehmensflihrung, welche die Eigentlimer-Wert-Perspektive negieren oder innerhalb der Untemehmenszieldefmition degradieren, werden als realitatsfem betrachtet und konnen somit auch keinen wirklichen Beitrag zum Fortschritt in der Untemehmenspraxis
Dieser Begriff nachhaltiger Untemehmensfuhmng war auch die Gmndlage fur das Forschungsprojekt „Biiilding a Robust Business Case for Sustainability". Da dieses Projekt die empirische Basis fur die vorliegende Dissertation darstellt, soil das dort formulierte Verstandnis auch hier zugmnde gelegt werden. 2.1.1.2.2
Verschiedene Konzepte nachhaltiger Unternehmensfiihrung
Umweltmanagement Umweltorientierte Untemehmensfuhmng bedeutet eine Integration des Umweltschutzes als eigenstandiges Ziel in das Zielsystem des Untemehmens. „Umweltmanagement sind demzufolge alle daraus abgeleiteten Planungs- und ImplementiemngsmaBnahmen, um dieses neue Ziel zu erreichen."^^ Das Spannungsfeld okonomischer und okologischer Ziele, welches sich aus diesem Verstandnis ergibt, wird in der wissenschaftlichen und offentlichen Diskussion unter den Begriffen Oko-Effizienz^^ und Oko-Effektivitat diskutiert.^^ „Geht es bei der OkoEffizienz um relative Verbessemngen der durch wirtschaftliche Tatigkeiten vemrsachten Umweltbelastung, so stehen bei der okologisch weitergehenden Oko-Effektivitat absolute Entlastungen der Okosphare im Vordergmnd."^^ In jedem Fall aber setzt sich Umweltmanagement lediglich mit der okonomischen und der okologischen, nicht jedoch mit der
Vgl. Steger (2004b), S. 3f. SieheSteger(1993), S.66. Der Begriff geht auf den Business Council for Sustainable Development (BCSD) zuriick und bezeichnet sowohl die okonomische als auch die okologische Effizienz. Vgl. Rauschenberger (2002), S. 9. Vgl. Rauschenberger (2002), S. 9-11 und die dort angegebenen Quellen. Vgl. Schaltegger/Dyllick (2002), S. 31.
20
2 Grundlagen
sozialen Dimension des Nachhaltigkeitskonzepts auseinander^^ und kann insofem als ein Teil, jedoch nicht als Aquivalent nachhaltiger Untemehmensfuhrung gelten. Corporate Social Responsibility Das in den USA schon in den 1950er Jahren entstandene Konzept der Corporate Social Responsibility hat mit der Zeit cine dynamische Weiterentwicklung erfahren.^^ Ursprunglich auf humanitare Motive (Philantropie) beschrankt, umfasst es mittlerweile samtliche Bereiche gesellschaftspolitischer Verantwortungsubemahme durch Untemehmen. Hierzu zahlen soziale Problemfelder (z.B. Armutsbekampfung und Arbeitnehmerrechte), Umweltaspekte, Unternehmensethik bis hin zu Themen der Corporate Govemance.^^ Es ist daher weitgehend mit dem Konzept der nachhaltigen Untemehmensfuhrung vergleichbar, geht in Teilen sogar dariiber hinaus. Untemehmen aus dem europaischen Raum verwenden den Begriff Corporate Social Responsibility teilweise fur die soziale Dimension des Nachhaltigkeitskonzepts. Stakeholder-Management Das in den USA aus Kritik an der mangelnden AuBenorientiemng des Managements^^ entstandene Stakeholder Management hat sich weltweit als eigenstandiges Konzept etabliert.^'* Freeman, der das Konzept mitbegrundet hat, defmiert wie folgt: „ 'Stakeholder Management' as a concept, refers to the necessity for an organization to manage the relationships with its specific stakeholder groups in an action-oriented way. The very definition of 'stakeholder' as 'any group or individual who can affect or is affected by the achievement of an organization's purpose' gives rise to the needfor processes and techniques to enhance the strategic management capability of the organization. "^' In der wissenschafllichen und praktischen Diskussion wurde das Konzept in den letzten Jahren verstarkt aufgegriffen, auch in immer wieder unterschiedlichen Auslegungen.^^ Als unumstritten gilt jedoch mittlerweile eine notwendige Beriicksichtigung der extemen
Vgl. Rauschenberger (2002), S. 11. Vgl. Brink (2002). S. 27-31. Im Zuge der Weiterentwicklung wird teilweise von der Corporate Social Responsiveness gesprochen, welche als ein aktiver, antizipativer und praventiver Prozess im Sinne einer strategischen Reaktion auf eine sich verandemde Umwelt verstanden wird. Vgl. Brink (2002), S. 34f. Vgl. Freeman (1984), S. 38; Brink (2002), S. 26-47. Vgl. Freeman (1984), S. 26f; Post/Preston/Sachs (2002), S. 16-21. Vgl. Bea/Haas (2001), S. 86, 101-104; Bohi (1995), S. 24f. Freeman (1984), S. 53. Fiir einen Uberblick iiber die unterschiedlichen Stakeholder-Management-Ansatze vgl. z.B. Bohi (1995).
2.1 Konzepte und Definitionen
21
Anspruchsgruppen im untemehmerischen Entscheidungsprozess.^^ Welchen Stellenwert allerdings die Stakeholder-Interessen im Zielsystem des Untemehmens einnehmen sollen, wird intensiv diskutiert.^^ Inwieweit das Stakeholder Management einen Teilbereich oder sogar ein Aquivalent des Konzepts der nachhaltigen Untemehmensfiihrung darstellt, bleibt offen. Die Stakeholder-Interessen sollen im Rahmen dieser Arbeit umfassende Berucksichtigung fmden. Hierbei vertritt der Autor die Auffassung, dass sich die primare Orientierung an den Eigenttimer-Interessen (Shareholder Value) und die Berucksichtigung von Interessen weiterer Anspruchsgruppen nicht grundsatzlich widersprechen, sondem unter bestimmten Bedingungen durchaus komplementar sein konnen.^^ Unter welchen Voraussetzungen Nachhaltigkeitsorientierung in der Automobilindustrie nicht etwa Untemehmenswertvemichtend, sondem wertneutral oder sogar wertschaffend wirken kann, wird im Fortgang der Arbeit (insbesondere in Kapitel 3: „Der Einfluss des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf die Werttreiber in der Automobilindustrie") noch zu explizieren sein. 2.1.1.2.3
Abgrenzung zum Konzept der Unternehmensethik
Untemehmen sehen sich zunehmend Forderungen nach auBerokonomischen Begriindungen ihres Handelns ausgesetzt. Fiir Begriindungen dieser Art gibt es aber bisher keinen konsensfahigen MaBstab.^^ Ein solcher MaBstab konnte eine viel diskutierte Unternehmensethik sein, hier defmiert als „ 'Normen mit guten Griinden', gewonnen durch vemunftbestimmte und methodische Reflexion von Moral".^^ Die Forderung nach einem durch ethische Prinzipien gesteuerten Verhahen von Untemehmen ist nach Meinung wissenschaftlicher Experten aus unterschiedlichen Griinden jedoch nicht erfiillbar. So lehnen einige Autoren eine „wertende" Betriebswirtschaftslehre, die sich primare (echte) Werturteile erlaubt, kategorisch ab.^ Andere Autoren fiihren praktische Griinde fiir die Ablehnung einer Untemehmensethik an: • mangelnde Handlungs- und Entscheidungsautonomie in den Untemehmen, • Abstraktionsgrad ethischer Konzeptionen, insbesondere fiir globale, vemetzte und sich dynamisch entwickelnde Organisationen, • fehlende Verbindlichkeit der Ethik und daraus entstehende Zielkonflikte, • unklare Vereinbarkeit mit anderen Gmndrechtsnormen.^^
Vgl. Bea/Haas (2001), S. 86, lOlf; MuUer-Stewens/Lechner (2001), S. 99; Winter/Steger (1998). Vgl. z.B. Muller-Stewens/Lechner (2001), S. 182-187; Wohe, S. 95-103. Derselben Meinung ist z.B. Welge/Al-Laham (2004), S. 178. In einigen Stakeholder-Value-Ansatzen werden die Eigentumer-Interessen allerdings zugunsten der Interessen anderer Anspruchsgruppen herabgesetzt bzw. diesen gleichgesteUt. Vgl. Steger(1993), S.48. Steger(1993), S.46. Zur Problematik der Werturteile in der Betriebswirtschaftslehre vgl. Wohe (2002), S. 52-55. Vgl. Steger (1993), S.46f.
22
2 Grundlagen
Anstelle einer Untemehmensethik entwirft Steger daher das Konzept der leistbaren Verantwortung. Es bedeutet, „von Untemehmen zu verlangen, dass sie im langfristigen Eigeninteresse und zu ihrer Uberlebensfahigkeit das zur Problemlosung (okologischer und sozialer Herausforderungen) beitragen, das ohne Verletzung von Kemzielen ihrer Organisation erwartet werden kann".^"^ Neben Markt- und Ertragsziele treten somit auch Leistungsziele^^, um langfristig die Existenzfahigkeit und Autonomie der Untemehmen zu sichem. Hierbei handelt es sich um eine „Vereinbarkeitsstrategie okonomischer, sozialer und okologischer Interessen"^^, der die Annahme zugrunde liegt, dass der bestehende Zielkonflikt zwischen okonomischen Zielen einerseits und sozialen und okologischen Zielen andererseits aufgelost werden kann/^ Dies deckt sich mit der hier zugrunde liegenden Definition nachhaltiger Entwicklung. Bezogen auf die Diskussion iiber Untemehmensethik erreicht das „Prinzip Verantwortung"^^, „dass die Okonomie ihr eigenes Defizit in der Analyse von Normen, ihren Funktionen, ihren Begrundungen und Implikationen fiir wirtschaftliche Entscheidungen beseitigt, ohne einer 'Re-Normatisiemng' der Wissenschaft das Wort zu reden"^^. Aus Sicht des Autors verschafft diese Konzeption den Untemehmen eine nicht nur theoretische, sondem auch in der Untemehmensrealitat umsetzbare Perspektive, der Idee einer nachhaltigen Entwicklung zu folgen. Dies ist insbesondere deshalb moglich, weil das Konzept der leistbaren Verantwortung es den Untemehmen erlaubt, im Rahmen des existierenden kapitalistischen Wirtschaftssystems das Ziel der Gewinnmaximiemng (oder der ShareholderValue-Orientiemng) zu verfolgen und somit den Fortbestand der Untemehmen und der Industrie zu sichem. Aus diesen Griinden wird in der vorliegenden Arbeit das Konzept der Untemehmensethik ausgegrenzt.
Steger (1993), S. 50. „Leistungsziele sind solche Ziele, deren Erfullung von Dritten, der Gesellschaft, der Politik, den Abnehmem usw. erwartet wird. Ihre Nicht-Beachtung wiirde langfristig das Existenzsicherungsziel gefahrden, weil bei dauerhafter Verletzung von Interessen Dritter die Handlungsautonomie der Untemehmen eingeschrankt wird. Die Erreichung dieser Ziele dient also der Sichemng der Legitimation der Untemehmensautonomie, die deshalb von der Gesellschaft gewahrt wird, weil damit gesamtgesellschaftliche Aufgaben und Ziele besser und effizienter erfiillt werden als mit anderen Steuerungsmechanismen." Steger (1993), S. 189. Vgl. Wohe (2002), S. 98. Vgl. ebenda. Vgl. Steger (1992), S. 9-19. Steger (1993), S. 52.
2.1 Konzepte und Definitionen
2.1.2
Uberblick uber das strategische Management
2.1.2.1
Einordnung des strategischen Managements in der Wissenschaft
23
Das strategische Management zeichnet sich durch das Fehlen eines zentralen Forschungsparadigmas aus. Dies wird an der Vielzahl unterschiedlicher Forschungsansatze deutlich, welche zudem verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen entspringen, beispielsweise der Planungstheorie, okonomischen Wettbewerbstheorie, Finanztheorie, Organisationstheorie, verhaltensorientierten Theorie, Spieltheorie bis hin zur Chaos-Theorie, den Kriegslehren und RechtswissenschaftenT Als eigenstandige Disziplin innerhalb der speziellen Betriebswirtschaftslehre^^ etablierte sich das strategische Management erst seit ca. 30 bis 40 Jahren.^^ 2.1.2.2
Historische Entwicklung des strategischen Managements
Etymologisch lasst sich der Strategiebegriff auf das Griechische zuruckftihren, wo er die Kunst der Heerfiihrung bezeichnet (stratos = Heer, agos = Fiihrer). Erst Mitte des 20. Jahrhunderts wird er in die Wirtschaftstheorie eingefiihrt, z.B. von Neumann/Morgenstem vor einem mathematisch-spieltheoretischen Hintergrund.^"* Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs voUzog sich innerhalb der Untemehmungen eine Entwicklung von der Planung zum strategischen Management^^ Zunehmende Dynamik und Komplexitat der Umweltveranderungen^^ fuhrten zu einer grofieren Abhangigkeit der Untemehmen von ihrer Umwelt. Die dadurch bedingte starkere AuBenorientierung^^ forderte im Gegenzug auch Veranderungen in der Binnenstruktur^^ der Untemehmen. Nach Bea/Haas lassen sich hierbei vier Entwicklungsphasen des Wandlungsprozesses von der Planung zum strategischen Management unterscheiden.^^
Vgl. Welge/Al-Laham (2003), S. 20. Im Gegensatz zur allgemeinen Betriebswirtschaftslehre; Wohe (2002), S. 92. Vgl. Muller-Stewens/Lechner (2001), S. 7; Knyphausen-Aufsess (1995), S. 15. Vgl. Welge/Al-Laham (2003), S. 12. Vgl. Muller-Stewens/Lechner (2001), S. 7. Strategisches Management (im Englischen Strategic Management) wird in dieser Arbeit synonym zu strategischer Untemehmensfiihrung verwendet. Vgl. Knyphausen-Aufsess (1995), S. 15. Beispiele der Veranderungen sind z.B. Globalisierung, Technologisierung, Veranderungen der Kaufkraft. Vgl. Bea/Haas (2001), S. 6-9. Aui3enorientierung lasst sich z.B. durch folgende Faktoren beschreiben: Umweltsensibilitat, Offenheit, Marktnahe, Kundenorientierung. Vgl. Bea/Haas (2001), S. 9f. Die Veranderungen der Binnenstruktur zeigt sich in hoherer Flexibilitat, Kreativitat, Innovationsfahigkeit, was sich in leistungsstarkeren Ressourcen, Potentialen, Kompetenzen niederschlagen soil. Vgl. Bea/Haas (2001), S. 10. Vgl. Bea/Haas (2001), S. 11-14. Henzler nimmt in seiner Rekonstruktion der Entwicklung des strategischen Managements durch McKinsey eine vergleichbare Einteilung in vier Phasen vor. Vgl, Knyphausen-Aufsess (1995), S. 19. Vgl. auch Welge/Al-Laham (2001), S. 8-11.
24
2 Gnindlagen
In der sog. Phase der Planung (1945-1960) liegt der Schwerpunkt auf der Finanzplanung und steuerung und der Entscheidungsoptimierung im Bereich der Leistungserstellung. Die nachfolgende Phase der langfristigen Planung (1960-1973) ist gepragt durch den Versuch der langfristig orientierten Untemehmenssteuerung und -kontrolle auf der Basis von Extrapolationen bisheriger Entwicklungen. Die mangelnde Genauigkeit der modellbasierten Prognosen vor dem Hintergrund einer zunehmend dynamischeren Umwelt fuhrte zur Forderung nach einer Neuorientierung. In der Phase der strategischen Planung (1973-1980) greifen Forscher diesen wesentlichen Kritikpunkt auf und entwickeln, zum Ende dieser Phase hin auch empirischdeskriptiv, neue Ansatze. Diese befassen sich verstarkt mit der Untemehmensumwelt und ihren Chancen und Risiken sowie in der Konsequenz mit dem Untemehmensinneren und seinen eigenen Starken und Schwachen. Zu Beginn der 80er Jahre entwickelt sich das Konzept dann zu einer eigenen wissenschaftlichen Disziplin, wobei sich die Forschung zunehmend an einem empirisch-deduktiven Forschungsansatz orientiert. Die Phase des strategischen Managements^^ (seit 1980) zeichnet sich durch eine starke Differenzierung des Theorienspektrums aus. „Statt Analyse und Planung riickt die Steuerung der Untemehmensentwicklung immer mehr ins Blickfeld."^^ Dies geschieht durch eine sorgfaltigere Verbindung der strategischen Planung mit der Ebene operativer Entscheidungen.^^ Grundsatzlich lassen sich dabei zwei Forschungsstrange unterscheiden: Die Prozessforschung setzt sich mit der Formulierung und Implementierung^^ von Strategien auseinander, wohingegen die Inhaltsforschung den „Zusammenhang zwischen Strategien und ihren Performance-Implikationen"^"* thematisiert.^^ In den 1980er Jahren dominiert der auf der Industrieokonomik basierte Marktorientierte Ansatz die Diskussion.^^ Danach konnen Untemehmen abhangig von den jeweiligen Branchenstrukturen durch die Auswahl generischer Strategien Wettbewerbsvorteile erzielen.^^ Als Gegenbewegung entwickelt sich zu Beginn der 1990er Jahre der Ressourcen-orientierte Ansatz, welcher den Ursprung von Wettbewerbsvorteilen in der Qualitat der Ressourcen-Ausstattung der einzelnen Untemehmen sieht.^^
Der Begriff strategisches Management wird schon seit den 1970er Jahren verwendet. „Richtig herausgestellt und akzeptiert" wird er aber erst seit Ende der 1970er. Vgl. Knyphausen-Aufsess (1995), S. 15. Vgl. Knyphausen-Aufsess (1995), S. 20. Vgl. Knyphausen-Aufsess (1995), S. 20. V.a. im Laufe der 1980er Jahre stieg das Interesse an der Strategieimplementierung als Folge der von Enttauschungen gepragten Strategieumsetzungsversuche in der Untemehmenspraxis. Vgl. KnyphausenAufsess (1995), S. 27. Siehe Muller-Stewens/Lechner (2001), S. 11. Vgl. Welge/AI-Laham (2001), S. 73; Knyphausen-Aufsess (1995), S. 37. Als bekannster Vertreter dieser Theorierichtung gilt Porter. Vgl. Welge/Al-Laham (2001), S. 35. Vgl. Porter (1999), S. 21-29. Vgl. Knyphausen-Aufsess (1995), S. 82.
2.1 Konzepte und Defmitionen
2.1.2.3
25
Uberblick iiber unterschiedliche Ansatze im strategischen Management
Die Entwicklung des strategischen Managements hat eine Vielzahl von Ansatzen hervorgebracht, welche auf unterschiedlichen Forschungstraditionen grtinden.^^ Mintzberg etwa unterscheidet zehn wichtige „Schools of Thought". Auch wenn derartige Klassifiziemngen in der Literatur teilweise auf Kritik stoBen, besteht doch weitgehende Einigkeit uber den wertvollen Beitrag, den insbesondere Mintzbergs Arbeit zur umfassenden Darstellung dieser weit verzweigten Disziplin leistet.'^^
Vgl. Welge/Al-Laham (2001), S. 20; Knyphausen-Aufsess (1995), S. 50. Vgl. Knyphausen-Aufsess (1995), S. 26; Welge/Al-Laham (2001), S. 21.
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85 %, ab 2015 > 95 % fur Neuwagen vorschreibt, einzuhalten. Daruber hinaus besteht eine Rticknahmeverpflichtung fur Neufahrzeuge ab 2002 und fur Altfahrzeuge ab 2007 ."^^^ Amerikanische Hersteller zeigen sich in dieser Hinsicht als am wenigsten fortschrittlich. Sie beschranken sich auf die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen, die bisher jedoch nicht dem Anforderungsniveau der japanischen oder europaischen Vorschriften entsprechen. Aus europaischer oder japanischer Perspektive spiegelt sich darin auch die in den USA noch starker ausgepragte Konsumkultur wider."^^^ Aufgrund der Verflechtung der Markte und der globalen Tatigkeit aller Hersteller wird es nach Auffassung des Autors in den nachsten Jahren zu einer diesbeziiglichen Angleichung der Aktivitaten hin zu europaischen und japanischen Standards kommen. 3.2.6.3
Die okonomische Relevanz des Themas Ressourcenverbrauch fiir die Automobilindustrie
Das Thema des Ressourcenverbrauchs kann sich auf unterschiedliche Weise auf die okonomische Situation der Automobiluntemehmen auswirken. Fiir den Fall, dass diese sich der Thematik nicht starker annehmen, drohen negative okonomische Konsequenzen in verschiedenen Bereichen. Angesichts der Aufmerksamkeit, die das Thema Recycling in der offent-
Vgl. Interviews A17, A18, A19, A22, A23, A24. Vgl. Toyota (2004a), S. 122. Vgl. Interviews A7, A8, A13, A30. Vgl. Angermaier/Fischhaber (2002), S. 26-28; Franke (2000), S. 28-30; Fried/Scheucher (2000), S. 31-35; Wohrl/Schenk (2000), S. 36-40; Lucas/Schwartze (2001), S. 25-27; Volkswagen (2004), S. 34f, 88. Vgl. Interviews A8, A19, A24, A30.
3.2 Nachhaltigkeitsaspekte der Automobilindustrie und ihre okonomische Relevanz
117
lichen Diskussion erfahrt, mussen Untemehmen, die sie sich dem gegeniiber indifferent zeigen, mit einem Imageverlust rechnen. Dies konnte sich insbesondere dann auf die Absatzmengen auswirken, wenn es einzelne Wettbewerber gabe, die sich iiber okologische Aspekte in besonders auffalliger Weise hinwegsetzen. Dariiber hinaus konnte der anhaltende Verbrauch von nicht-emeuerbaren Rohstoffen langfristig zu einer Verteuerung dieser Rohstoffe fuhren, die, wenn sie nicht in vollem Umfang an die Kunden weitergegeben werden kann, sich unter Umstanden negativ auf die Gewinnsituation auswirkt. Weitere Kostensteigerungen erwachsen moglicherweise aus strengeren gesetzgeberischen Vorschriften (z.B. Rucknahmeverpflichtungen flir Altautos). Auch konnten die Regulatoren Verkaufsverbote oder Strafen flir wenig recyclingfahige Fahrzeuge aussprechen. Da aber die Losung der Recycling-Problematik Investitionen in neue Verfahren erfordert, insbesondere in der Entwicklung und Produktion, hatte dies wiederum erhohte Kosten am Produkt zur Folge.'^^'^ Andererseits erkennen die Interviewpartner im Bereich des Ressourcenverbrauchs aber auch Chancen. Hier werden v.a. der mogUche Imagegewinn durch pro-aktives Verhahen und die Vermeidung scharferer Vorschriften durch Selbstverpflichtung angefiihrt. Dariiber hinaus werden in innovativen, leichteren MateriaUen (z.B. NaturfaserverbundmateriaUen) auch Moglichkeiten gesehen, sowohl die okologische Performance der Produkte zu verbessem als auch Kosten einzusparen.'*^^ Die okologischen Verbesserungs- und Kosteneinspamngspotentiale in der Optimierung der Produktion betrachten die Verantwortungstrager jedoch als nahezu ausgeschopft."^^^
Vgl. Interviews A7, A8, A13, A15, A18, A20, A24, A30. Vgl. z.B. Angermaier/Fischhaber (2002), S. 26-28. Vgl. Interviews A7, A13, A15, A18, A20, A24.
3 Der Einfluss des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf die Werttreiber in der Automobilindustrie
Tabelle 29: Okonomische Auswirkungen von technologischen Moglichkeiten im Bereich Recycling Okonomische Auswirkungen
Technologische Moglichkeiten Positiv
Negativ
Bei der Produktenwieklung und Produktion Life-Cycle-Assessment (LCA
•
bessere Einschatzung von okologischen Risiken bei Neuentwicklungen
Design for Recycling (DfR)
•
Geringe Kosten durch Komplexitats-Reduktion
Verwendung nachwachsender Rohstoffe
•
Kosteneinsparung durch dauerhaft • niedrige Rohstoffpreise
Entwicklungskosten
Verwendung leichterer Materialien
•
geringere Verbrauchswerte als Verkaufsargument
•
Entwicklungskosten
Verbesserung der Produktionsprozesse
•
Kosteneinsparungen
Rohstoffriickgewinnung
•
Einsparungen durch Wiederverwendung von Rohstoffen
•
Kosten fiir Recycling-Prozess
Wiederverwendung von rtickgewonnenen Teilen und Komponenten (Ersatzteile)
•
Weiterverkauf als Ersatzteile
•
Kosten fur Prozesse
Umbau und Wiederverkauf von Gebrauchtfahrzeugen
•
Ertrage aus Weiterverkauf
•
Kosten fiir Organisation und Produktion Kannibalisierung des Neufahrzeug-geschafts
•
hohere Entwicklungs-Aufwendungen
Am Ende des Produktlebenszyklus
•
3.2.7
Nachhaltigkeitsaspekt Verkehrssicherheit
3.2.7.1
Die sozialen und okonomischen Herausforderungen des Themas Verkehrssicherheit
Sicherheit im StraBenverkehr gilt als wichtiger sozialer Nachhaltigkeitsaspekt. Unfalle im StraBenverkehr verursachen bedeutende Extemalitaten, wovon die entscheidende sicherlich das menschliche Leid durch Verletzung oder gar Tod ist. Im Jahr 2000 starben geschatzte 1,2 Millionen Menschen an den Folgen von Verkehrsunfallen, ca. 7,8 Millionen wurden schwer verletzt."^^^ Aber nicht nur das Leid der unmittelbar Betroffenen, auch die volkswirtschaftlichen Belastungen durch Unfalle sind signifikant.^^^ So entstehen durch Unfalle auf deutschen StraBen jahrlich Kosten von iiber 20 Mrd. Euro, die im Wesentlichen aus Bergung Eigene Darstellung. Quellen vgl. UNEP/ACEA (2001), S. 29; WBCSD (2004a), S. 81-83; Sullivan/CobasFlores (2001), S. 109-114; Abrassart/Teulon (2001), S. 483-489; Schmidt (2003), S. 167-174; Lucas/Schwartze (2001); Toyota (2004b), S. 23-25, 27-33, 36-39; Honda (2004b), S. 32; Volkswagen (2003), S. 57; DaimlerChrysler (2005b), S. 55. Vgl. WBCSD (2004), S. 42. ' Vgl. WBCSD (2004a), S. 42-45.
3.2 Nachhaltigkeitsaspekte der Automobilindustrie und ihre okonomische Relevanz
119
und Heilung sowie der Verursachung von Verkehrsstaus resultieren.'^^^ Andere Schatzungen gehen davon aus, dass die durch Verkehrsunfallen verursachten Kosten zwischen 1-3 % des GDP in den entwickelten Landem betragen.'^''' Als Hauptursache fiir Unfalle im StraBenverkehr gilt menschliches Versagen. So sind ca. 90 % der Unfalle auf fehlerhaftes Verhalten der Verkehrsteilnehmer zuriickfuhren.'*^^ Griinde hierfiir liegen in mangelnder Aufmerksamkeit, Fehleinschatzungen der Verkehrssituation und Strafienverhaltnisse, Nicht-Beachtung der Verkehrsordnung (insbesondere Geschwindigkeitsuberschreitungen und Alkohol am Steuer) sowie mangelnder Ausbildung zur sicheren Fahrzeugfuhrung und Rucksichtslosigkeit.'^^'^ Weniger haufig sind Unfalle auf Mangel an Fahrzeugen zuruckzufiihren, z.B. auf Fehlfunktionen oder mangelnde Sicherheitsausstattungen. Dennoch bieten sich weitere Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung von Fahrzeugen mit dem Ziel, die Verkehrssicherheit zu erhohen. Die Verbesserungsmoglichkeiten lassen sich in die Bereiche Unfallvermeidung und Linderung von Unfallfolgen einteilen. Dariiber hinaus kann zwischen Insassensicherheit und Sicherheit von anderen Verkehrsteilnehmem unterschieden werden. Aufgrund der hohen Zahl an verletzten und getoteten FuBgangem ist der Schutz von anderen Verkehrsteilnehmem in den Mittelpunkt des offentlichen Interesses geruckt. Vor diesem Hintergrund wird verstarkt iiber die Unfall-Kompatibilitat von Fahrzeugen diskutiert, d.h. dariiber, inwieweit sich Unfallfolgen (speziell fiir FuBganger) durch Aufprallschutz am Fahrzeug mindem lassen. Bin weiterer, fahrzeugunabhangiger, Ansatzpunkt liegt in der noch starkeren Trennung der Verkehrswege far die verschiedenen Verkehrsteilnehmer (z.B. Radund Gehwege). Die Sicherheit im StraBenverkehr hat sich in den letzten Jahrzehnten, insbesondere durch bessere Sicherheitsausstattungen bei den Fahrzeugen, erheblich erhoht. So konnte die Zahl der Verletzten und Toten im Zeitraum von 1900 bis 2000 in Europa um 25 % und in den USA um 30 % verringert werden, obwohl im gleichen Zeitraum die Fahrleistung weiter gestiegen ist.^^"^
Fur das Jahr 1999 wurden 19,4 Mio. € errechnet. Vgl. Bundesanstalt fiir Strafienwesen, nach DaimlerChrysler (2002), S. 35 (D&F). Vgl.WBCSD(2001), S. 3/9. Vgl. DaimlerChrysler (2002), S. 36. Vgl. WBCSD (2001), S. 4/11. Vgl. DaimlerChrysler (2002), S. 36; WBCSD (2001), S. 3/19; UNEP/ACEA (2001), S. 26f; ACEA (2004), S. 10-13.
120
3 Der Einfluss des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf die Werttreiber in der Automobilindustrie
Schatzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Verkehrstoten in den entwickelten Landem noch weiter zuriickgehen wird, sowohl bezogen auf die Gesamtzahl an Opfem als auch relativ bezogen auf die Zahl pro 10.000 Fahrzeuge/^^ Besorgniserregender allerdings stellt sich die Situation in den Entwicklungs- und Schwellenlandem dar, wo Unfalle die haufigste Todesursache in der Altersgruppe der 15- bis 30Jahrigen ausmachen.'^'^^ Fiir diese Lander wird prognostiziert, dass zwar die Zahl der Unfallopfer pro 10.000 Fahrzeuge zuriickgehen wird, die Zahl der insgesamt zu verzeichnenden Todesfalle in den nachsten 15 Jahren aufgrund des wachsenden Verkehrsaufkommens jedoch noch signifikant ansteigen wird.^^^ 3.2.7.2
Die Aktivitaten der Automobilindustrie im Bereich Verkehrssicherheit
Im Bereich Verkehrssicherheit legen die Automobilhersteller den Fokus der Anstrengungen auf produktbezogene Verbesserungen. Hierunter fallen, wie oben beschrieben, die Neu- und Weiterentwicklung von Sicherheitssystemen und -dienstleistungen. Neben dem Beitrag zur Verbesserung ihrer sozialen Performance im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung betrachten die Untemehmen auch die Sicherheitsausstattung von Fahrzeugen als lukrative Ertragsquelle. Die Aktivitaten einzelner Untemehmen werden durch industrieweite Sicherheitsprogramme erganzt. So schlugen die europaischen Automobilhersteller in ihrer „Freiwilligen Selbstverpflichtung zum Schutz von nicht automobilen Verkehrsteilnehmem" der Europaischen Kommission ein Biindel von scharferen Vorschriften und Grenzwerten fur Neufahrzeuge vor, die nun in eine EU-Direktive umgesetzt wurde."^^^ Uber die produktbezogenen Initiativen hinaus engagieren sich die Hersteller auch in der Verkehrserziehung, z.B. durch die Anleitung von Kindem zu sicherem Verhalten im StraBenverkehr."^^^ Fahrsicherheitsprogramme fur die Kunden wurden mit dem gleichen Ziel verfolgt, wobei hier der Gedanke der Kundenbindung eine entscheidende Rolle spielt.
Vgl. WBCSD (2004a), S. 42f. ' Vgl.WBCSD(2001), S. 3/9. Vgl. WBCSD (2004a), S. 42f. ' Vgl. ACEA (2004), S.lOf. ' Vgl. BMW (2003), S. 26; DaimlerChrysler (2002), S. 36 (D&F), 48 (M); General Motors (2004), S. 4/22f; Toyota (2004), S. 69.
3.2 Nachhaltigkeitsaspekte der Automobilindustrie und ihre okonomische Relevanz
121
Tabelle 30: Sicherheitsausstattungen von Fahrzeugen Sicherheitsfeature
Eriauterung
aktive Sicherheit
Vermeidung von Unfallen
ABS
•
Antiblockiersystem (Vericilrzung des Bremswegs, Lenkbarkeit des Fahrzeugs wahrend des Bremsvorgangs oder des Ausweichens)
ESP
•
Elektronische Stabilitats Programme (Verhinderung von Schleudern des Fahrzeugs durch Eingriff in Antriebs- / Bremssystem)
Fahrer-Assistenz
•
Aufmerksamkeit (Einschlafschutz), Geschwindigkeitswamung- / begrenzung, Abstandshalter, Spurwechsel, Uberwachung gefahrlicher Kreuzungen
Kurvenlicht / Advanced Front Lightning System (AFS)
•
Lichtkegel folgt StraBenverlauf (bessere Ausleuchtung von Kurven)
Nachtsicht
•
zur besseren Erkennung von Hindemissen bei Dammerung / Dunkelheit
Passive Sicherheit
Minderung von Unfallfolgen
SOS Alarmierung / Notrufassistent
•
automatische Auslosung eines Notrufs bei einem Unfall
Airbag und Rucidialtesysteme
•
zum Schutz der Insassen
Aufprallschutz
•
durch verbesserte Karrosseriesteifigkeit
Kindersicherheit
•
einheitliche Kinderruckhaltesysteme (ISOFIX)
Schutz anderer Verkehrsteilnehmer Vermeidung von Unfallen und Minderung von Unfallfolgen Wamsysteme
•
im Automobil zur besseren Erkennung von gefahrdeten Verkehrsteilnehmern
Fahrzeugkompatibilitat
•
defmierte Aufprallzonen bei Unfallen mit anderen Fahrzeugen (Auto-Auto; Auto-LKW)
Aufprallzonen
•
„weichere" Aufprallzonen zum Schutz von FuBgangem und Zweiradfahrem
So sehr die Automobilindustrie in den oben genannten Bereichen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragt, so intensiv ist sie allerdings auch bemiiht, Einschrankungen des Autoverkehrs zur Steigerung der Verkehrssicherheit aus Furcht vor Absatzriickgangen zu bekampfen. So ist es z.B. der deutschen Autoindustrie durch politisches Lobbying bislang gelungen, die Einfiihrung eines generellen Tempolimits auf deutschen Autobahnen und autofreier Zonen in den Innenstadten zu verhindem, wofur sie offentlich immer wieder heftig in Kritikgeratenist."^^' Den Herausforderungen in den Entwicklungslandem versucht die AutomobiUndustrie mit den gleichen Konzepten wie in den entwickelten Landem zu begegnen. Auch hier Uegt der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Sicherheitsausstattung der Fahrzeuge. Signifikantes Verbessemngspotential lage jedoch in Infrastruktur- und FahrausbildungsmaBnahmen. Aus
Vgl. WBCSD (2004a), S. 84f; VDA (2003), S. 179-205; DaimlerChrysler (2005b), S. 70f; PSA (2005), S. 86-89; Honda (2003), S. 29f; General Motors (2004), S. 4/21-28; Toyota (2004), S. 68f. Vgl. Interviews Al 1, A12, A28.
122
3 Der Einfluss des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf die Werttreiber in der Automobilindustrie
Sicht einiger selbstkritischer Automobilmanager bestunden im letztgenannten Bereich durchaus Handlungsmoglichkeiten, die jedoch aufgrund mangelnden Ertragspotentials nicht wahrgenommen werden."^^^ 3.2.7.3
Die okonomische Relevanz des Themas Verkehrssicherheit fur die Automobilindustrie
Okonomisch betrachtet liegen im Themenkomplex Sicherheit fur Automobiluntemehmen unterschiedliche Chancen und Risiken. Der Verkauf von immer anspmchsvolleren Sicherheitssystemen und -dienstleistungen bietet den Untemehmen aus Sicht der Interviewpartner zusatzliches Absatzpotential. Der Kostenanteil der Sicherheitsausstattungen am Fahrzeuggesamtpreis hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhoht. Die technologischen Entwicklungen sind mit teilweise hohen Investitionskosten verbunden, jedoch bieten sie den Untemehmen auch die Moglichkeit, sich gegeniiber den Wettbewerbem zu differenzieren."^^^ Als Beispiel far ein Fahrzeug, dessen Positionierung im Wettbewerbsumfeld stark auf dem Thema Sicherheit beruht, kann die neue Mercedes S-Klasse angefiihrt werden."'" Negative okonomische Konsequenzen drohen den Untemehmen, wenn sie sich Defizite im Bereich der Fahrzeugsicherheit erlauben. Die Verantwortungstrager rechnen fiir diese Falle mit einem Imageverlust und Wettbewerbsnachteilen im Vergleich zu ihren „sichereren" Konkurrenten.^^^ Sollten Einschrankungen der Fahrzeugsicherheit (z.B. durch Qualitats- oder Konstmktionsmangel) zu Unfallen fahren, miissen Untemehmen, insbesondere in den USA, mit Schadensersatzfordemngen in immenser Hohe seitens der geschadigten Personen rechnen. Daruber hinaus konnte steigender Dmck der Offentlichkeit im Bereich Verkehrssicherheit zu strikteren Regularien fuhren. SoUten sich diese auf eine sicherere Fahrzeugausstattung beziehen, wurde das zu erhebUch hoheren Investitionskosten fiir neue Technologien fiihren. Inwieweit sich nicht-fahrzeugbezogene MaBnahmen der Gesetzgeber, wie z.B. Geschwindigkeitsbegrenzungen oder die Einrichtung autofreier Zonen in Innenstadten, auf den Automobilabsatz auswirken, ist aus Sicht der Automobilmanager nur schwer abzuschatzen. Sie sind jedoch allgemein der Auffassung, dass die Verbessemngen der Verkehrssicherheit aus
Vgl. Interviews A5, A8. Vgl. Interviews A7, A8, A 13, A15, A17, A19, A26, A31. Vgl. Leyrer (2005), S. 32-36. Bsp. Elchtests bei der Markteinflihrung der Mercedes A-Klasse. Vgl. z.B. Spiegel Online (2001), S. 1, (2002), S.l.
3.2 Nachhaltigkeitsaspekte der Automobilindustrie und ihre okonomische Relevanz
123
heutiger Sicht eher von den technologischen Moglichkeiten der Hersteller als von gesetzgeberischen Initiativen getrieben werden.^^^ Alle zu diesem Thema befragten Manager sahen in der Fahrzeugsicherheit einen eindeutigen Business Case. So bieten verbesserte Technologien in diesem Bereich die Moglichkeit, sowohl die soziale Performance der Fahrzeuge zu optimieren als auch im Wettbewerb Vorteile und bei den Kunden hohere Preise zu erzielen."^^^ 3.2.8
Ausblick auf die zukiinftige Entwicklung der Nachhaltigkeitsaspekte in der Automobilindustrie
Die Erhebung unter Vertretem der Automobiluntemehmen ergab, dass die Nachhaltigkeitsaspekte Mobilitat, Energie und Emissionen als die wichtigsten Themenbereiche gesehen werden."^^^ Dieser Einschatzung schlieBen sich die Vertreter der NGOs iiberwiegend an.'*^^ Der Grund hierfiir liegt in dem hohen okologischen, sozialen, aber auch okonomischen Einflusspotential, welches diese Aspekte in sich vereinen. Die Diskussion hat auch gezeigt, dass die Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung in den genannten Themenbereichen in hohem MaBe interdependent sind. Dies gilt insbesondere fur die Aspekte Energie und Emissionen. Dariiber hinaus wurde deutlich, dass die Automobilindustrie alleine, geschweige denn einzelne Untemehmen, nicht in der Lage sind, eine Losung der Probleme herbeizufiihren. Vielmehr bedarf es einer Zusammenarbeit der unterschiedlichen Stakeholder. Die Interviewpartner gehen davon aus, dass Mobilitat, Energie und Emissionen auf lange Sicht die bedeutendsten Nachhaltigkeitsaspekte fiir die Autoindustrie bleiben werden.'*^^ Uber die weitere Entwicklung in den genannten Bereichen und den Zeithorizont far eine Losung der dringendsten Herausforderungen konnen aus heutiger Sicht Aussagen jedoch nur sehr bedingt getroffen werden."^^' Der Nachhaltigkeitsaspekt der Mobilitat wird von den Unternehmen als Bereich gesehen, in dem die Automobilhersteller selbst nur einen begrenzten Beitrag leisten konnen. Entsprechend vage auBem sie sich hinsichtlich der zukiinftigen Entwicklung nachhahiger Mobilitat. Als unbestritten gilt, dass das weltweite automobile Verkehrsaufkommen weiter ansteigen wird und damit die genannten Probleme far Mensch und Umwelt zunehmen werden. Eine Anderung des automobilen Geschaftsmodells wird von den Managem nicht fur wahrscheinlich gehalten. Im Bereich Energie und Emissionen gehen
^^"^ Vgl. Interviews A5, A7, A8, Al 1, A12, A13, A15, A17, A19 A26, A27, A28, A29, A30, A31. ^^^ Vgl. Interviews Al 1, A12, A26, A27, A28, A29, A30. ^^^ Vgl. Interviews Al, A3, A4, A5, A7, AS, A9, AlO, A l l , A12, A13, A14, A15, A17, A18, A19, A25, A26, A27,A28,A29,A30,A31. •^^^ Vgl. Interviews B6, B7, B8, B9. ^'^^ Vgl. Interviews Al, A3, A4, A5, A7, A8, A9, A l l , A12, A13, A14, A15, A17, A18, A19, A25, A26, A27, A28,A29,A30,A31. ^^' Vgl. ebenda.
124
3 Der Einfluss des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf die Werttreiber in der Automobilindustrie
die Untemehmensvertreter allerdings davon aus, dass die bereits begonnene Verbreitung verschiedener Hybridtechnologien fortschreiten wird und schlieBlich in femer Zukunft (friihestens ab dem Jahre 2020) die Brennstoffzellentechnologie an Bedeutung gewinnen
Ftir die Bereiche Ressourcenverbrauch und Verkehrssicherheit sind aus Sicht der Gesprachspartner in den nachsten Jahren weitere Fortschritte zu erwarten. Aufgrund der im Vergleich zu o.g. Aspekten uberschaubaren technologischen Herausforderungen und der Moglichkeit, sich durch pro-aktives Verhalten vom Wettbewerb zu differenzieren, ist hier auch mit VorstoBen von einzelnen Untemehmen oder Gruppen von Herstellem zu rechnen. Der Nachhaltigkeitsaspekt Verkehrssicherheit wird hierbei als besonders wichtig eingestuft, da sich Investitionen in neue Technologien direkt in hohere Verkaufspreise fur Sicherheitsausstattungen umsetzen lassen.'*^-^ Dariiber hinaus werden derzeit keine weiteren groBen industriespezifischen Themenbereiche wahrgenommen. Insgesamt aber sehen sich die Automobilhersteller als Teil der weltweit agierenden Untemehmen zunehmend in der Verantwortung, sich der sozialen und okologischen Herausforderungen der Globalisierung fiir die Entwicklungs- und Schwellenlander anzunehmen.'^^'^ Internationale Institutionen und NGOs fordem die Global Player verstarkt auf, verantwortungsvoll auf globalen Markten zu handeln und den Wohlstand der Entwicklungslander zu fordem. Gerade als supranational Organisationen sind diese Untemehmen im Besitz der notwendigen Einflussmoglichkeiten (z.B. durch Produktionsverlagemngen, fmanzielle Mittel ftir Gesundheitsversorgung von Mitarbeitem), die den betroffenen Landem teilweise nicht zur Verfugung stehen."^^^ Als positives Beispiel fiir eine Verantwortungsiibemahme durch intemational agierende Untemehmen wird der von UN-Generalsekretar Kofi Annan initiierte „Global Compact" angefuhrt."^^^ Die teilnehmenden Global Player verpflichten sich darin, zu Frieden und Wohlstand beizutragen, indem sie fur ihre Untemehmen weltweit ein MindestmaB an Sozialund Umweltstandards garantieren. Hierzu zahlen der Schutz der Menschenrechte, die '^^^ Vgl. Interviews A l , A3, A4, A5, A7, A8, A13, A15, A17, A19, A29, A31. "^'^ Vgl. Interviews Al, A5, A7, A8, A13, A15, A17, A19, A26, A29, A31. ^'^^ Vgl. Interviews A l , A8, A14, A15, A16, A18, A21, A29, A31 und Untemehmenspublikationen, z.B. Ford (2005), S. 9, 26-37; DaimlerChrysler (2005b), S. 20-23; Volkswagen (2003), S. 68-73; Toyota (2004), S. 7274. ^^-' Vgl. Interviews B6, B7. ^'^^ Vgl. Interviews A8, A l l , A14, A16. Der Einhaltung der Prinzipien des Global Compact haben sich u.a. folgende Automobilhersteller verpflichtet: Volkswagen, DaimlerChrysler, Volvo, BMW, Ford, Fiat, Honda, Nissan, PSA, Renault.
3.3 Das Zusammenspiel von Untemehmen und Stakeholdem im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion
125
Akzeptanz von Arbeitsnormen (z.B. Versammlungsfreiheit fiir Arbeitnehmer, Verzicht auf Kinder- und Zwangsarbeit sowie Diskriminierungen) sowie lokaler Umweltschutz (durch Forderung von Umweltbewusstsein, Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien). Unabhangig vom Global Compact setzen sich die Untemehmen fur die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter in den Entwicklungs- und Schwellenlandem ein. Insbesondere die Eindammung der Immunschwachekrankheit HIV/AIDS wird von einigen Automobilherstellem aktiv vorangetrieben.^^^ Neben der humanitaren Komponente hat das Engagement in diesen Bereichen auch okonomische Hintergrunde. Von dem offentlichen Image eines verantwortungsvollen Untemehmens erwarten sich die Hersteller Vorteile auch fiir ihre nationale Lobbyarbeit, eine stabile Basis fiir die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitem vor Ort und Reputationsvorteile bei den wachsenden Kundenkreisen in den Entwicklungs- und Schwellenlandem. Im Bereich der Gesundheitsfordemng geht es daruber hinaus auch um den Erhah einer leistungsfahigen und kostengiinstigen Mitarbeiterschaft in den lokalen Produktionsstatten."^^^ 3.3
DAS ZUSAMMENSPIEL VON UNTERNEHMEN UND STAKEHOLDERN IM RAHMEN DER NACHHALTIGKEITSDISKUSSION
Im Anschluss an die Diskussion einzelner Nachhaltigkeitsaspekte wird an dieser Stelle der Versuch untemommen, die Wechselbeziehung von Automobiluntemehmen und ihren bedeutendsten Stakeholdem zusammenzufassend darzustellen und die in dieser Hinsicht wichtigsten Ergebnisse zu formulieren. Typischerweise werden Nachhaltigkeitsthemen von NGOs oder anderen Interessengmppen in die offentliche Diskussion eingebracht."^^^ Hierbei ist zu beobachten, dass haufig Themen aufgegriffen werden, die einem bestimmten Untemehmen (oder einer Gmppe von Unternehmen) zuzuordnen sind und bei denen relativ kurzfristige Losungen und greifbare Erfolge erreichbar scheinen. Durch unterschiedliche MaBnahmen wird versucht, im Interesse der angestrebten Verandemng Dmck auf die Untemehmen auszuiiben. Dies geschieht zum einen durch offentlich wahmehmbare Kampagnen und zum anderen durch den Versuch, die Gesetzgeber zu beeinflussen.^^^
Vgl. Nachhaltigkeitsberichte der Untemehmen, z.B. DaimlerChrysler (2005b), S. 67; Volkswagen (2003), S. 70f; Toyota (2004), S. 73; BMW (2003), S. 29. Vgl. Interviews A8, Al 1, A14, A16, A29, A31. Vgl. Interviews Al, A5, A7, A8, A15, A17, A20, A31. Vgl. auch Nieuwenhuis/Wells (1997), S. 6-12. Vgl. Interviews B5, B6, B7, B9.
126
3 Der Einfluss des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf die Werttreiber in der Automobilindustrie
Die Gesetzgeber selbst, ganz gleich, ob auf regionaler, nationaler oder supranationaler Ebene, konnen mit wenigen Ausnahmen nicht als treibende Krafte fur eine nachhaltige Entwicklung
Die zwiespaltige Haltung der Konsumenten wiederum, die zwar generell eine okologische und soziale Orientierung der Industrie fur wiinschenswert halten, aber selbst wenig Bereitschafl zeigen, das eigene Konsumverhalten zu andem oder zusatzliche Kosten fiir okologisch und sozial sinnvollere Produkte und Dienstleistungen zu tragen, stellt aus Sicht der Unternehmen eine substantielle Hiirde auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung in der Automobilindustrie dar.^^^ Doch auch die Nachhaltigkeitsorientierung der Untemehmen selbst ist insgesamt nicht sehr stark ausgepragt. Nachhaltigkeitsbezogene Interessen extemer Stakeholder werden im Sinne des Shareholder Value vor allem an den daraus resultierenden okonomischen Chancen und Risiken bemessen. Hierbei unterliegen die Untemehmen dem Anspruch kurzfristiger Gewinnoptimierung seitens der Kapitalmarkte, dessen Erfullungsgrad wiederum die Aktienperformance maBgeblich beeinfluBt. Wenn ein Nachhaltigkeitsaspekt mehrere Untemehmen oder die gesamte Automobilindustrie betrifft, erfolgt eine Abstimmung mit anderen Herstellem oder den Verbanden, um ggf gemeinsam auf Fordemngen der weiteren Stakeholder zu reagieren. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich folgendes gelaufiges Handlungsmuster der Automobilhersteller: Ohne offentlichen Dmck werden die Untemehmen im Allgemeinen nicht selbst aktiv, sondem handeln lediglich gesetzeskonform. Wo keine Gesetze oder Regularien bestehen, haben im Allgemeinen rein okonomische Interessen Vorrang. Aktivitaten iiber die gesetzlichen Anfordemngen hinaus werden gewohnlich nur dann vollzogen, wenn der offentliche Dmck groB genug ist, die Verscharfung gesetzlicher Bestimmungen droht oder die Untemehmen Moglichkeiten zur Ertragssteigemng oder Kostenreduktion sehen^^^
'"' Vgl. Interviews A l , A5, A7, A l l , A12, A15, A17, A20 , A25, A27, A28, A30 sowie B6, B7, B9. Vgl. auch Steger (1994b), S. 129; Nieuwenhuis/Wells (1997), S. 15f, 70. ^°^ Vgl. Interviews A l , A5, A7, A13, A26. Vgl. auch Steger (1994b), S. 128-132. ^°^ Vgl. Interviews Al, A5, A7, AS, A15, A17, A20, A31 sowie B3, Bl, B4, B5, B6, B7, B9. Vgl. auch Nieuwenhuis/Wells (2003), S. 12-15.
3.4 The Business Case for Corporate Sustainability
127
Abbildung 19: Das Zusammenspiel von Unternehmen und Stakeholdern im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion^""^
3.4
THE BUSINESS CASE FOR CORPORATE SUSTAINABILITY
Im Anschluss an die Diskussion der einzelnen Nachhaltigkeitsaspekte und ihrer okonomischen Relevanz sollen an dieser Stelle zusammenfassende Ergebnisse zum Wertbeeinflussungspotential der Nachhaltigkeitsaspekte in der Automobilindustrie prasentiert werden. Die vorangegangene Analyse hat gezeigt, dass Nachhaltigkeitsaspekte aus Sicht der befragten Untemehmensvertreter tiber verschiedene Ursache-Wirkungszusammenhange einen Einfluss auf die strategischen Werttreiber^^^ der Automobilhersteller ausiiben konnen. Dieses Wertbeeinflussungspotential der als strategisch relevant identifizierten Aspekte kann sich sowohl in positiver - wertschaffender - als auch in negativer - wertvemichtemder - Weise auf den Untemehmenswert auswirken. Des Weiteren ergaben die Interviews, dass die Unternehmen selbst Einfluss auf die Entwicklung der Nachhaltigkeitsaspekte und somit auch auf das von ihnen ausgehende Wertschopfungs- bzw. Wertvemichtungspotential nehmen
Eigene Darstellung. Vgl. Interviews Al, A5, A7, A8, A l l , A12, A13, A15, A17, A20, A25, A26, A27, A28, A30, A31 sowie B3, Bl, B4, B5, B6, B7, B9. Als strategische Werttreiber werden nach dem Konzept von Rappaport die finanziellen (Makro-)Werttreiber verstanden. Vgl. Rappaport (1999), S. 202.
128
3 Der Einfluss des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf die Werttreiber in der Automobilindustrie
konnen. Die Existenz des sog. „Business Case for Corporate Sustainability" ist aus der Sicht der Untemehmensvertreter somit nachgewiesen.^^^ Inwieweit auch die Vermeidung negativer Einfllisse auf die wirtschaftliche Situation der Untemehmen (z.B. Vermeidung von Krisen zum Schutz der Reputation des Untemehmens in der offentlichen Wahmehmung) schon unter den Begriff der Wertschopfung bzw. des Business Case fallt, wurde in den Interviews unterschiedlich bewertet. Jedoch wurde von keinem Gesprachspartner das Wertbeeinflussungspotential von Nachhaltigkeitsaspekten auf konkrete Nachfrage hin negiert.^^^ Im Folgenden werden die im Rahmen der Interviews identifizierten Wirkungszusammenhange und Mechanismen, uber die die Nachhaltigkeitsaspekte auf die strategischen Werttreiber einwirken, zusammengefasst. Die starkste Wertbeeinflussung konnen die Nachhaltigkeitsaspekte iiber das durch sie beeinflusste Kundenverhalten entfalten. Die Kunden entscheiden durch ihr Nachfrageverhalten iiber Absatzmengen und Preise und somit tiber die Umsatzentwicklung der Automobiluntemehmen. Ihr Verhalten richtet sich u.a. nach okonomischen und emotionalen Erwagungen. Erstere konnen maBgeblich durch die Gesetzgebung verandert werden. Die emotionalen Aspekte einer Kaufentscheidung wiederum hangen u.a. vom Image eines Untemehmens ab. Da Nachhaltigkeitsaspekte, wie erlautert, zum einen im Zentrum gesetzgeberischer Initiativen stehen und zum anderen uber die offentliche Diskussion einen Teil des Untemehmensimages pragen konnen, wirken sie auch auf das Kundenverhalten und somit auf die Werttreiber. Dies gih besonders fiir die Aspekte Energie und Emissionen sowie Sicherheit, da die damit verbundenen Folgen flir die Kunden unmittelbar, und zwar nicht nur fmanziell, spurbar sind.^^^ Eine zweite maBgebliche Ursache-Wirkungsbeziehung sehen die Untemehmen in dem Einfluss der Nachhaltigkeitsaspekte - auch vermitteh iiber das Image der Automobilbranche in der Offentlichkeit - auf gesetzgeberische Initiativen. Gesetze und Regularien konnen nicht nur iiber die o.g. Beeinflussung des Kundenverhahens ihre Wirkung auf den Untemehmenswert entfalten, sondem sich auch direkt auf die strategischen Werttreiber Investitionen und Kosten auswirken. Dies gilt insbesondere far Normen (z.B. beziiglich der okologischen Performance oder der Fahrzeugsicherheit), deren Einhaltung der Entwicklung und des Einsatzes neuer Technologien bedarf Diese erfordem z.T. bedeutende Investitionen oder
Fiir die Definition siehe Kap 2.2.1,2.1. Vgl. Gesamtheit der Interviews mit Untemehmensvertretem. Toyota errechnet zum Beispiel, dass seine Kunden im Geschaftsjahr durch den Kauf energiesparenderer Fahrzeuge Treibstoffkosten in Hohe von 1,8 Mrd. Yen gespart haben. Vgl. Toyota (2004b), S. 16.
3.4 The Business Case for Corporate Sustainability
129
fuhren zu hoheren Produktionskosten. Dieses Einflusspotential kommt aus Sicht der befragten Manager bei alien Nachhaltigkeitsaspekten, wenn auch mit unterschiedlicher Relevanz, zum Tragen. Einen maximalen Einfluss konnten die Nachhaltigkeitsaspekte Mobilitat, Energie und Emissionen dann austiben, wenn die mit ihnen verbundenen Probleme ein AusmaB annehmen wtirden, das aus Sicht der Offentlichkeit und des Gesetzgebers nicht mehr hinnehmbar ware. Einen derartigen Fall wtirde man als den Verlust der Existenzberechtigung der Automobiluntemehmen oder der sog. Licence to Operate bezeichnen. Aus den o.g. Zusammenhangen ergibt sich als dritte wesentliche Ursache-Wirkungsrelation der Einfluss der Nachhaltigkeitsaspekte auf das Zusammenspiel von offentlicher Meinung, Image der Branche oder einzelner Untemehmen und der Licence to Operate. Die Nachhaltigkeitsaspekte sind Gegenstand der offentlichen Diskussion und beeinflussen das Image und die Einschatzung der Licence to Operate der Untemehmen oder der Branche. Diese wiederum wirken liber die Kunden oder Gesetzgeber auf die strategischen Werttreiber. Dieser Mechanismus gilt aus Sicht der Untemehmen ftir alle Nachhaltigkeitsaspekte. Jedoch treten die einzelnen Themen in der Offentlichkeit zu unterschiedlichen Zeitpunkten in verschiedener Intensitat auf Oft ergibt sich eine Situation, in der einzelne Themen fur einen gewissen Zeitraum im Mittelpunkt der Diskussion stehen und dann wieder von anderen Themen abgelost werden. Die schriflliche Umfrage hat gezeigt, dass der uberwiegende Teil (59 von 65) der befragten Manager die Reputation ihres Untemehmens als „wichtig" oder „sehr wichtig" erachten. Etwa ein Drittel (19 von 63) der Befragten gaben an, dass es in den vergangenen 3 Jahren zu Ereignissen kam, die das Image des Untemehmens „schwer" oder „bedeutsam" beschadigt haben. Immerhin ein Funftel der Befragten (13 von 63) gestanden „leichte" Imageschaden ein. Die folgende Grafik zeigt, dass Pressekampagnen, Konflikte mit Regulatoren oder Gesetzgebem und Konsumentenboykotte die bedeutendsten Ursachen fur die besagten Reputationsverluste waren.
130
3 Der Einfluss des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung auf die Werttreiber in der Automobilindustrie
Abbildung 20: Ursachen von Imageschaden bei Automobilunternehmen in den letzten 3 Jahren^"'
Eine andere Art der Wertbeeinflussung sehen die Interviewpartner in der Wirkung der Nachhaltigkeitsaspekte auf die Finanzierungsseite (Kapitalkosten, Zugang zu Kapital). Danach messen die Kapitalmarktakteure den Aspekten Energie und Emissionen die groBte Bedeutung bei, sofem deren besonders unsichere mittel- bis langfristige Entwicklung (z.B. hinsichtlich der Entwicklung der Kraftstoffpreise oder der drohenden Verscharfiing gesetzlicher Bestimmung bei Emmissionswerten) ein hohes okonomisches Risiko beinhaltet.^^^ Bei genauerer Nachfrage wurde diese Aussage allerdings dahingehend revidiert, dass die aus den Nachhaltigkeitsaspekten erwachsenden Risiken als nicht so signifikant erachtet wtirden, als dass sie die Kapitalkosten direkt beeinflussen konnten (z.B. durch eine Erhohung der individuellen Risikopramien auf das Eigenkapital). Vielmehr flieBen die Risiken durch eine Anpassung der Prognosen flir Mengen-, Preis- und Kostenentwicklung in die Untemehmensbewertung der Kapitalmarktakteure ein. Sie nehmen somit Einfluss auf die Einschatzung der Automobilunternehmen seitens der Analysten und durch deren Meinungsmacht am Kapitalmarkt wiederum auf den Untemehmenswert an den Borsen.^^^ Das folgende Werttreibermodell gibt einen Uberblick uber die einzelnen Zusammenhange zwischen den Nachhaltigkeitsaspekten und den Werttreibem.^^^ Vgl. Ergebnisse der schriftlichen Standardbefragung, Nr. 9b. ^^° Vgl. Gesamtheit der Interviews mit Untemehmensvertretem. ^" Vgl. z.B. Interviews A l , A7,A9, AlO, A17, A20, A31. ^'^ Die Abbildung gibt einen schematischen Uberblick iiber die Wirkungszusammenhange zwischen den Nachhaltigkeitsaspekten und den operationalen und strategischen Werttreibem. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen strategischen und operationalen Werttreibem sei auf das einfuhrende Kapitel 2.2.4 „Werttreiber in der Automobilindustrie" verwiesen. Aus Griinden der Ubersichtlichkeit sind nur die aus Sicht der Untemehmensvertreter wichtigsten Zusammenhange abgebildet. Aus gleichen Griinden wurde auch auf eine Darstellung der Richtung und Intensitat des Wertbeeinflussungspotentials verzichtet. Hierzu sei auf die nachfolgende Tabelle 31 verwiesen.
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