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German Pages 210 Year 2008
Dieter Specht (Hrsg.) Strategische Bedeutung der Produktion
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Beiträge zur Produktionswirtschaft Herausgegeben von Professor Dr.-Ing. habil. Dieter Specht
Die Reihe enthält Forschungsarbeiten und praxisrelevante Schriften zu aktuellen Themenstellungen in der Produktion. Sie unterstützen Management und Forschung bei der Aufgabe, die Produktion in Planung, Organisation, Prozessen und Logistik zu optimieren und weiter zu entwickeln. Behandelt werden sowohl das Management des Betriebes als auch methodische und betriebswirtschaftliche Fragestellungen einschließlich der Schnittstelle zur Technik. Die Schriftenreihe ist als offene Plattform für hervorragende Arbeiten in den genannten Gebieten konzipiert.
Dieter Specht (Hrsg.)
Strategische Bedeutung der Produktion Tagungsband der Herbsttagung 2006 der Wissenschaftlichen Kommission Produktionswirtschaft im VHB
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage Oktober 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Nicole Schweitzer Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0932-5
Vorwort V _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Vorwort Während im Tagesgeschäft operative Aufgaben in der Abwicklung der Produktion im Vordergrund stehen, erfordert eine Vielzahl von Entscheidungen langfristige und damit strategische Festlegungen. Als Beispiele können etwa der Aufbau von Betrieben, die Auswahl ihrer Ausstattung mit Maschinen und Anlagen sowie die Festlegung von Produktionsprogrammen genannt werden. Die Verknüpfung von Aufgaben der strategischen Planung mit der Produktion und die Ableitung von Lösungen, die beiden Anforderungen gerecht werden, ist ein Thema, das während der Tagung der Kommission für Produktionswirtschaft im Verband für Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre im Jahr 2006 in Cottbus analysiert wurde. Das vorliegende Buch enthält die schriftlichen Fassungen der Vorträge während der Sitzung der Wissenschaftlichen Kommission Produktionswirtschaft im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre e. V. in Cottbus. In den Beiträgen werden Themen behandelt, die aus der Verknüpfung von strategischen Fragestellungen mit der Produktion entstehen. Das Buch bietet sowohl Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung als auch Anregungen für die praktische Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse in der täglichen Praxis. Allen Kollegen und Autoren, die an der Erstellung der Beiträge beteiligt waren, danke ich für ihr nachhaltiges Engagement und die Anfertigung der Beiträge.
Dieter Specht
Inhaltsverzeichnis VII _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Inhaltsverzeichnis Hans-Christian Krcal Konsequenzen der Strategiedebatte für die Produktion....................................................1 Jörn-Henrik Thun Eine empirische Analyse von Fertigungsstrategien.........................................................23 Wolfgang Kersten, Philipp Hohrath Supply Chain Risk Management als Element der Produktionsstrategie........................43 Dieter Specht, Christian M. F. Gruß Revenue Management – eine Strategie für die Produktion in der Automobilindustrie?..............................................................................................................61 Andreas Größler System Dynamics zur Strategiesimulation im Produktionsmanagement.......................73 Horst Wildemann Führungsverantwortung in Unternehmen.........................................................................89 Christian Mieke Beitrag von Servicebereichen zum Innovationsmanagement.......................................111 Evi Hartmann, Aiko Entchelmeier, Michael Henke, Christopher Jahns A Theory-Based Framework for Integrated Supply Performance Measurement.......129 Norbert Gronau, Marcus Lindemann Ableitung von IT-Strategien für die Produktion.............................................................147 Kai-Ingo Voigt, Lothar Czaja Notwendigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten eines Qualitätsfrühwarnsystems für die Automobilindustrie.................................................................................................163 Bernd H. Kortschak Von der Massenfertigung zur Variantenvielfalt – Was sagen Gutenberg und Heinen dazu?................................................................................................................181
Konsequenzen für die Produktion 1 ________________________der ______Strategiedebatte _________________________________________________________________________________________________________________________
Konsequenzen der Strategiedebatte für die Produktion Hans-Christian Krcal
Eine These zur anhaltenden Strategiedebatte Seit der Grieche Onasander 49/59 n. Chr. sein Lehrbuch „Strategos“ („der in der Feldherrnkunst Erfahrene“) verfasste1 haben sich viele Fürsten, Politiker und Militärs Gedanken über das Wesen der Strategie gemacht. Ein Zitat des preußischen Generalstabschefs Helmut von Moltke dem Älteren (1800-1891) führt in eine Richtung, die auch für den Bereich der Produktion bereits als charakteristisch gelten könnte: „Die Strategie ist ein System der Aushilfen. Sie ist mehr als Wissenschaft, ist die Übertragung des Wissens auf das praktische Leben, die Fortbildung des ursprünglich leitenden Gedankens entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen, ist die Kunst des Handelns unter dem Druck der schwierigen Bedingungen.“2 Mit diesem Verständnis ist eine Position erkennbar, die von der Vorstellung einer dominanten Plangebundenheit der Strategie durchaus abweicht. Bei vielen anderen Varianten und Betonungen steht häufig im Zentrum des Strategieverständnisses die rationale Beziehung eines Ziel-Mittel-Einsatzes.3 Auch eine derartige Beziehung kennt der Produktionsbereich gut. Die Behandlung strategischer Themen ist sehr alt und steht nicht im Verdacht einer Mode nachzuhängen. Für die Betriebswirtschaftslehre allerdings ist sie als eigenständiges Paradigma erst sehr spät aufgegriffen worden. Mit dem Erscheinen des Werkes von Hofer/Schendel „Strategy Formulation: Analytical Concepts“ 1978 und seit der Gründung der Fachzeitschrift „Strategic Management Journal“ im Jahr 1980 ist das Thema „Strategisches Management“ in der Betriebswirtschaftslehre als Paradigma fest verankert.4 Eine Strategie ist, so eine gängige Vorstellung, für die Objekte zuständig, die das wirtschaftliche Überleben der Unternehmung gewährleisten, vornehmste Aufgabe der obersten Führungskräfte und auf einen langen Zeitraum bezogen. Strategie ist jedoch kein, wie in der öffentlichen Diskussion häufig zu hörender, ausschließlich synonymer Begriff für strategisch relevante Themenfelder, wie etwa „die Bewältigung der Globalisierung“ oder „die Vermeidung der Abhängigkeit vom Öl“. 1 2 3 4
Vgl. Stahel, (2003), S.3. Stahel (2003), S. 5. Vgl. Stahel (2003), S.3. Vgl. Hofer/Schendel (1978).
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Der 2005 im Strategic Management Journal erschienene Artikel von Boyd/Finkelstein/Gore5 geht der Frage nach: „How advanced is the strategy paradigm?“ Bei der Analyse der Forschungsergebnisse müssen die Autoren nach eigener Einschätzung feststellen, dass das Strategische Management viele Attribute einer nicht ausgereiften Disziplin, wie einen schwachen Konsens unter Fachvertretern (Particularism [Sonderbestrebungen] ), aber auch Attribute einer entwickelten Wissenschaftsdiziplin, wie Zitationen von Artikeln (universalism [Universalismus] ), aufweist. Die Rolle des Strategischen in der Unternehmung ist also nicht abschließend und eindeutig bewertet; die Aussprache (Debatte) darüber führt die Wissenschaft überwiegend im Bereich der Theorien zum Strategischen Management.6 (A) Das unmittelbare Strategieverständnis (Funktion der Strategie/Strategieinhalte): Was ist eine Strategie? Interpretationsvarianten: System der Aushilfen, Kunst des Handelns, rationaler Ziel-Mittel-Einsatz, (Handlungs-)Plan, Muster konsistenter Handlugen/Entscheidun-gen, Position im Wettbewerb, Perspektive, dominante Logik (B) Das mittelbare Strategieverständnis (Funktion des Strategischen im Management): Wann und wie wirkt eine Strategie im Managementkontext? Ansatzpunkte: Wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der Unternehmung, langfristiger Bezugszeitraum, Initiativrecht der oberen/obersten Führungskräfte, Strategieprozesse (Strategiefindung, -realisierung, und -kontrolle) (C) Das erweiterte Strategieverständnis (Die „Relativierung“ des Strategischen): Strategie als kreative Heuristik aus systemtheoretisch/konstruktivistischer und konstruktivistisch/postmoderner Perspektive Ansatzpunkte: Stärkere Betonung anderer Managementfunktionen (u.a. der Organisation), Interventionsebene von Sprache und Kommunikation, Spannungsverhältnis von objektiver und konstruierter Wirklichkeit Tab. 1: Aspekte der Strategiedebatte
Die Strategiedebatte lässt sich in drei Hauptfelder klassifizieren (siehe Tabelle 1): das unmittelbare Strategieverständnis betont den Strategieinhalt, das mittelbare beruht auf dem Strategieprozess und das erweiterte relativiert die Bedeutung des Strategischen hinsichtlich Inhalt und Prozess. Die Relativierung des Strategischen be5 6
Vgl. Boyd/Finkelstein/Gove (2005), S. 841-854, S. 852. Vgl. Welge/Al-Laham (2004); Hungenberg (2004); Macharzina/Wolf (2005); Mintzberg (1995); Mintzberg (1994); Mintzberg (1978); Mintzberg/Wates (1985), S. 257-272.
Konsequenzen für die Produktion 3 ________________________der ______Strategiedebatte _________________________________________________________________________________________________________________________
deutet nicht seine Abschwächung, sondern eine Verbreiterung des Bezugs- und Entstehungsrahmens in vertikaler (Detaillierung, Auswahl der Themenstellung) und horizontaler (Stärkung anderer Managementfunktionen) Weise. Schwerpunkt der folgenden Ausführungen ist das Feld des erweiterten Strategieverständnisses. Der Funktionsbereich Produktion kennt Strategien z.B. • in Bezug auf die Produktionsprogrammplanung oder die Strategische Produktionstiefenbestimmung (Stichwort: Make or Buy) • als oberste Planungsebene in der Hierarchisierung der Produktionssteuerungsabläufe • in der Kapazitätsplanung und Anlagenwirtschaft • im Rahmen der Auswahl der Produktionsstruktur von der Spartenorganisation über die Fertigungssegmentierung bis zu virtuellen weltweiten Produktionsnetzwerken. Gemeinsam ist diesen Feldern ihr deterministischer Charakter. Erzeugnisstruktur, Produktionsprogramm und Ablaufprozesse sind durch einen schriftlichen Plan bzw. eine eindeutige Ordnung ex ante vorgegeben. Das Stichwort Plan als Strategieelement verweist auf den Zusammenhang zum Strategischen Management, das als Funktion neben Organisation, Personaleinsatz, Kontrolle, eben Planung als Element für die Unternehmensführung aufweist. In jüngster Zeit erfolgt in der Literatur zum Strategischen Management eine Betonung des Nicht-Deterministischen im Planungsverständnis.7 These des Beitrags ist, dass in der Produktion Organisationsformen auf Gruppenebene, wie Qualitätszirkel, Lernstatt und Projektteams das erweiterte Strategieverständnis konstruktivistischer und postmoderner Ansätze im Strategischen Management, das nicht den plandeterministischen Aspekt von Strategie betont, in besonderer Weise berücksichtigen. Arbeitsgruppen tangieren aufgrund ihrer Handlungsspielräume Aspekte der aktuellen Strategiedebatte. Wenn die aufgeführten Gruppenstrukturen stärker in die Primärorganisation integriert werden, ist zudem im Rahmen der Strategieprozesse eine höhere Gewichtung des Produktionsbereiches in der Gesamtunternehmung denkbar.
7
Vgl. Schreyögg (2004); Schreyögg (1991); Wolf (2005).
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Strukturelle Herausforderungen an die Strategiefindung Die Zuständigkeit für strategische Steuerungsfragen Der plandeterministische Aspekt des Strategieprozesses behandelt im Kern die Steuerungsmöglichkeiten der Entscheidungsträger nach dem Hierarchieprinzip. Zusätzlich führen die begrenzte Rationalität Einzelner und die Anforderungen der Steuerungsrationalität des Strategieprozesses zu einer Behandlung kognitiv/konstruktivistischer Perspektiven und Rückwirkungen auf Organisationsstrukturen, wie die Produktion durch die Erweiterung der Entscheidungsbeteiligung auf dezentrale, kollektive Struktureinheiten (Gruppe, Team). Strategische Entscheidungen gelten als vornehme Planungs- und Realisierungsaufgabe der obersten Führungskräfte. Strategieausübung ist danach zentralisiert. Erich Gutenberg hat 1962 die Entscheidungshierarchie unterstrichen, als er von „echten Führungsentscheidungen“ der obersten Führungsebene sprach, die wegen der weitreichenden Konsequenzen für den Bestand der Unternehmung nicht delegiert werden dürften.8 Dazu zählen neben Feldern, wie der Beseitigung außergewöhnlicher Betriebsstörungen und der Durchführung von geschäftlichen Maßnahmen mit immenser Betriebsbedeutung, die Festlegung der Unternehmenspolitik, die Koordination der betrieblichen Funktionsbereiche und die Besetzung der Führungsstellen. Das strategische Entscheidungsobjekt ist damit sowohl durch die hierarchisch legitimierte Entscheidungszuständigkeit der oberen Führungsebenen des Unternehmens und zum anderen durch die fachbereichsübergreifende Beschaffenheit der Entscheidungsfelder, gekennzeichnet. Die Strategie ist in der Planungshierarchie als oberste Planungsebene verortet. Pluralistische Modelle (konstruktivistischer, postmoderner Prägung) sehen in der Frage der Planungszuständigkeit, hingegen grundsätzlich mit gewissen Einschränkungen in allen Mitarbeitern oder Organisationsmitgliedern potenzielle Planungsträger. Mit der Betonung des logischen Inkrementalismus und der Emergenz von Strategien ist in der Literatur eine Abkehr vom linearen Strategieplanungs- bzw. Steuerungsmodell erfolgt.9 In Konsequenz kommen den Subsystemen der Unternehmung, wie dem Produktionsbereich, u.a. stärkere Initiativrechte bei der Strategieformulierung zu. Al-
8 9
Vgl. Gutenberg (1962); Gutenberg (1983); von Werder (1997), S. 901-922; Schreyögg (2004), Sp. 1523. Vgl. Lindblom (1965); Lindblom (1959), S.79-88; Mintzberg/Wates (1985), S. 257-272; Quinn (1980).
Konsequenzen für die Produktion 5 ________________________der ______Strategiedebatte _________________________________________________________________________________________________________________________
lerdings muss geklärt werden, wo die Grenzen von sogenannten „Strategieaktivisten“,10 zu denen jeder Mitarbeiter in den Subsystemen zählt, liegen. Die Beschaffenheit der Planung an sich erschwert eine eindeutige, totale Abgrenzung der Planungsebenen, und damit der Planungsträger, ja sie macht sie eigentlich unmöglich: eine Überlappung und Verschachtelung strategischer, taktischer und operativer Ebenen wird bereits durch die rollierende Planung, d.h. die zunehmend detailliertere Fassung von Grobplänen verstärkt. Auch das Gegenstromprinzip der Planung sieht zwar in der Top-Down Richtung den Initiativpunkt für die Strategiefindung beim Top-Management, aber in der praktischen Realisierung von betrieblichen Anforderungen geht es nicht ohne die engagierte Bottom-Up Planungsbeteiligung der operativen Bereiche.11 Ist Strategiefindung nur rational, wenn sie Angelegenheit des Top-Managements bleibt? Zweifel an der Stringenz einer rationalen Beziehung des Ziel-Mittel-Einsatzes, die eine Strategie darstellen soll, bleiben auch im Falle des Top-Managements bestehen, denn die Rationalität jeglicher Entscheider ist begrenzt. Gutenberg hat dazu bemerkt: „Dennoch finden sich in jeder Anordnung, in jeder Entscheidung, die die Geschäftsleitung trifft, Momente, die aus der Individualität derjenigen stammen, die zu entscheiden haben.“12 Hiller/Hambrick haben einmal mehr gezeigt, welchen Einfluss individuelle Persönlichkeitsmerkmale auf Einscheidungsabläufe im Unternehmen nehmen.13 Basierend auf dem psychologischen Konzept der Core self-evaluation (CSE), das sich aus den Persönlichkeitsmerkmalen (1) Selbstachtung (self-esteem); (2) Selbstwirkung (selfefficacy); (3) Kontrollort (locus of control) und (4) Emotionale Festigkeit (emotional stability) zusammensetzt, werden die Auswirkungen des Arbeitsverhaltens von Managern mit sehr großer Selbsteinschätzung und sehr großem Selbstvertrauen speziell auf den strategischen Entscheidungsprozess, die strategische Wahl und das organisatorische Leistungsergebnis untersucht. Die Ergebnisse zeigen: dass, je stärker das Selbstbewusstsein eines CEO’s ausfällt, umso individueller verläuft der strategische Entscheidungsprozess in der Unternehmung, d.h. um so weniger haben kollektive Strukturen Anteil an der Entscheidungsfindung. Ein stark individuell geprägter Entscheidungsprozess bringt extremere Ergebnisse in Form großer Gewinne oder großer Verluste gegenüber Situationen hervor, in denen der Einfluss kollektiver Strukturen auf den Entscheidungsprozess stärker ist.
10 11 12 13
Vgl. Müller-Stewens/Lechner (2005), S. 121f. Vgl. Pfohl/Stölzle (1997), S. 234ff. Gutenberg (1983), S. 131. Vgl. Hiller/Hambrick (2005), S. 297-319; Hiller/Hambrick stützten sich auf die Auswertung 19 verschiedener Studien zu den einzelnen Bestandteilen der Core self-evaluations, die in den Jahren 1978-2003 entstanden sind.
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Vor diesem Hintergrund ist das Primat der obersten Führungsebene in der Unternehmung für die Strategiefindung und –bewertung im Sinne eines rationalen ZweckMittel-Einsatzes kritisch zu bewerten.
Dynamik, Prozessorientierung und Emergenz als strukturelle Einflussgrößen des Strategieprozesses Neben dem Beteiligungsgrad diverser Unternehmensmitglieder an der Strategiefindung und der damit einhergehenden Betonung der Dezentralisierung gegenüber der Zentralisierung, stehen weitere Forderungen exemplarisch für den Wandel im Strategieverständnis des Strategischen Management: Dynamisierung organisationaler Kompetenzen statt statischer Ressourcenorientierung, Prozessorientierung statt Funktionsorientierung oder der verstärkte Einbezug emergenter Strategien im Sinne Mintzbergs, die dem plandeterministischen Strategieverständnis nach Ansoff und der Intentionalität von Strategien entgegenstehen.14 Der Plandeterminismus sieht Linearität, Konsistenz und Transitivität vor.15 Dem steht eine mehrdimensionale Steuerungslogik entgegen. Die Managementfunktionen gelten als gleichberechtigt, das Primat der Planung und damit der Strategie tritt in den Hintergrund. Gründe dafür sind u.a. die Komplexität/Dynamik von Umwelt bzw. Unternehmen, das KontingenzPrinzip16 oder die Betonung der Lernfähigkeit von Organisationen. Nur ausschnittsweise ist die Komplexität von Unternehmen beschreibbar. Eine angenommene Planstabilität kann nicht alleinige Ausgangsbasis betrieblichen Handelns sein.17
Beispiele postmoderner Strukturanforderungen Flankiert werden diese Forderungen durch das Postmoderne Organisationsverständnis als Antwort auf die Prämissen der modernen Organisationstheorie, deren Annahme der Einheit vor allem kritisiert wird.18 Unter dem strukturellen Aspekt sind Postmoderne Organisationsformen um einen technologischen Kern herum organisiert, wobei neben einem höheren Grad an Informalität im Gegensatz zu modernen Organisationsformen auch die Qualifikation und das Commitment der Mitarbeiter stärker betont wird.19
14 15 16 17 18 19
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Ansoff (1965); Ansoff (1991), S. 449-461. Schreyögg (2004), S. 1525,1529. Luhmann (1992). D’Aveni (1994). Cooper/Burell (1988), S. 91-112; Power (1990), S. 109-124. Clegg (1990); Heydebrand (1989), S. 323-357.
Konsequenzen für die Produktion 7 ________________________der ______Strategiedebatte _________________________________________________________________________________________________________________________
Zu den theoretischen-konzeptionellen Vertretern der Postmoderne zählen Foucault, Lyotard und Derrida. Konzepte zur Dekonstruktion (Derrida entwickelte das Ursprungskonzept) sehen in ihrer Grundlogik erstens das Denken in Differenzen vor, zweitens die Annahme von irreduziblen, aber aufeinander bezogenen Prinzipien (z.B. Regel/Regelabweichung), drittens die Oszillation zwischen Differenzen (z.B. Kontrolle und Autonomie) und viertens die implizite Hierarchisierung von Differenzen (z.B. Formalität und Informalität).20
Zwischenfazit für die Produktion In der Strategiedebatte der Managementtheorie aber auch in der Postmodernen Organisationstheorie geht es also zunächst um Prinzipien, die in praktischen Strategiekonzepten oder Plänen konkret umgesetzt werden müssen. Die Integration dieser Prinzipien ist mit steigenden Anforderungen an die Steuerungs- u. Koordinationsfähigkeiten der Organisationsstruktur verbunden. Die Just-in-Time-Montage oder die Entwicklung von K.O.-Teilen beispielsweise erlauben keine metatheoretischen Diskussionen, sondern konkrete Problemlösungen. Welche Konsequenzen ergeben sich also aus der Strategiedebatte für den Produktionsbereich? Auf den ersten Blick scheint der Produktionsbereich wenig geeignet zu sein für Postmoderne Perspektiven, aber ist die Produktion tatsächlich eine Entscheidungsarena mit wenig Spielräumen? Gibt es für nicht-standardisiertes Verhalten keine zeitliche Flexibilität und keinen Raum für Experimente? Im Gegenteil, bei einer eingehenderen Analyse zeigt sich, dass gerade traditionelle Formen die unterschiedlichen Anforderungen der Strategiedebatte reflektieren. Die seit langem bekannten Qualitätszirkel, Lernstätten, und Projektteams, auf die noch ausführlich eingegangen wird, zählen zu den Strukturen in der Produktion, die Spielräume, Flexibilität und Raum für Experimente zulassen.
Konstruktivistisch/systemtheoretische Bezüge der Produktion und systemisches Interventionsverständnis Nachdem die Frage der Zuständigkeit strategischer Entscheidungsträger bereits angesprochen wurde, geht es nun um die Erkenntnis – oder besser gesagt – um die Art und Weise, wie strategische Entscheidungsträger zu ihren strategischen Überzeugungen gelangen. Daran schließt sich die Frage nach den Einwirkungsmöglichkeiten auf das System Unternehmen an. Mit der konstruktivistischen Perspektive der betrieblichen Realität steht die gedankliche Wirklichkeitskonstruktion im Vordergrund. Das Spektrum kogni20
Vgl. Derrida (1986), S. 33-51; Bauer (1999), S. 29-83; Knyphausen-Aufseß (1999), S. 127155; Ortmann (1999), S. 157-196; Ortmann (2003); Weik (1996), S. 379-397; Weik/Lang (2001); Koch (2004), Sp. 1164-1174, Sp. 1170.
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tiv/konstruktivistischer Ausfassungen reicht von der Strategiefindung als „radikaler Subjektivierung“ der strategischen Problemstellung (Position des radikalen Konstruktivismus) über Instrumente der strategischen Planung als reine „Redeinstrumente“ (Wirklichkeit schaffen durch Kommunikation?), bis hin zu einer nachträglichen Sinnverleihung strategischer Entscheidungen (emergente Strategien erhalten eine Zweckzuschreibung).21 Wie kommt es zu einer derartigen Vielfalt an Wirklichkeitskonstruktionen? Kognitive Prozesse und Wertvorstellungen von Führungskräften gelten als maßgeblich für die Gestaltung der Organisation.22 Der Konstruktivismus setzt sich aus unterschiedlichen Ansätzen zusammen, denen jedoch die Absage an eine positivistische Epistemologie gemeinsam ist.23 Zum einen besteht die Auffassung, wonach die Wirklichkeitskonstruktion in der subjektiven Erfahrung individueller Akteure begründet ist und zum anderen in der Erkenntnis, dass Wirklichkeitskonstruktionen in den Interaktionen mit Anderen entstehen.24 Diese beiden Richtungen sind mit den Begriffen Radikaler Konstruktivismus und Sozialkonstruktivismus umschrieben. Nach dem radikalen Konstruktivismus gilt: Kognitionen und Wahrnehmungen bilden die Wirklichkeit nicht ab, sondern „erfinden“ oder „erschaffen“ sie. Das Sinnesempfindungen verarbeitende Gehirn repräsentiere nicht die äußere Realität, sondern „konstruiere“ sie.25 Die zugrundliegende Geschlossenheit des Systems bereitet Probleme bei einer Übertragung auf die Situation von Planungs- und Entscheidungsprozessen in Unternehmen, denn eine „Außenleitung“ ist danach nicht möglich. Dem Beobachter von Bereichsegoismen erscheint die Annahme der „Geschlossenheit“ von Systemen häufig jedoch nicht so abwegig, denn bestimmte Unternehmensbereiche erscheinen „abgeschlossen“, d.h. nicht zugänglich für Anregungen von außen, zu sein.26 Beispiele für kognitive Wirklichkeitskonstruktionen in der Produktion sind beispielsweise das kostenrechnerische Abschreiben von Sachinvestitionen, obwohl sie weiterhin in der Produktion physisch präsent sind, oder das Verhalten von Abteilungs- und Bereichsleitern, die ihre Sicht der „Wahrheit“ kommunizieren und daraus Maßnahmen ableiten, diese legitimieren und damit Fakten schaffen. 21 22 23 24 25 26
Vgl. Schreyögg (1999), S. 387-407; Scherer (1995), S. 293; Lüer (1998). Vgl. Weick (1985). Vgl. Elbe (2002), S. 127ff. Vgl. Eberle (2000), S. 288. Vgl. Harbach (2004), S. 3. Vgl. Harbach (2004), S. 25, 55f., 97. Die Erkenntnistheorie des radikalen Konstruktivismus lehnt im Grunde „monistische“ Wissenschaftskonzeptionen ab, weil damit ein Verlust an Pluralismus verbunden sei. Luhmanns Systemtheorie gilt als besondere Form des radikalen Konstruktivismus.
Konsequenzen für die Produktion 9 ________________________der ______Strategiedebatte _________________________________________________________________________________________________________________________
In sozialen Systemen, wie dem Produktionsbereich, steht der Sozialkonstruktivismus im Vordergrund. Die Wirklichkeitskonstruktion aus der Interaktion mit anderen Individuen passiert im sozialen System durch Kommunikation. In der betrieblichen Sprache, bestehend aus Abkürzungen, Fachsprache, technischen Bezeichnungen, Umgangssprache, wird das Verstehen der Wirklichkeitsauffassungen des Gegenübers zum Erfolgsfaktor. Dabei auftretenden Tautologien und Paradoxien kommt in der konstruktivistischen Erkenntnistheorie ein hoher Stellenwert zu.27 Die Behandlung derartiger Themenfelder ist auch für die Produktion von Relevanz: So wird z.B. die Verlagerung der Fertigung aus dem heimischen an einen neuen, ausländischen Produktionsstandort für die Mitarbeiter des heimischen Standortes, die beim Aufbau und laufenden Betrieb des neuen ausländischen Standortes eingesetzt werden, leicht zum Paradoxon. Kommunikation und Beobachtung sind nach systemtheoretisch/ konstruktivistischer Auffassung auch Ausgangsbasis für bestimmte Interventionsmethoden, durch die ein System Unternehmung bzw. Subsystem Produktionsbereich verändert werden kann. Dazu zählen: 28 • Zirkuläres Fragen in Systemgesprächen, d.h. ein in Beziehung setzen zum Bezugssystem des Mitarbeiters beruht auf der Beobachtung 2. Ordnung, also der Beobachtung des Vorgesetzten, wie der Mitarbeiter betriebliche Sachverhalte beobachtet.29 • Reframing als eine Umdeutung bisherigen Denkens und Anleitung zu einer alternativen Interpretation der Wirklichkeit über die Macht der Sprache als Mittel der Wirklichkeitskonstruktion. Das führt u.a. zur Betonung des narrativen Wissens. • Die Arbeit mit Metaphern um Sachverhalte zu beschreiben; beabsichtigt ist eine Verstörung (in Sinne von Irritation) des inneren Systems (Perturbationen). Der Einsatz von Kreativitätstechniken in QZ und Projektteams verwendet die Verfremdung und Wiederannäherung an die Problemstellung als Instrument. • Ein Reflecting-team, das eine Beobachtung 2. Ordnung eines Arbeitsvorganges vornimmt.30 Oder die • Selbstorganisation als Gedanke des Konstruktivismus, die sich auf Maturanas Postulat der operationalen Geschlossenheit, die eine Determiniertheit des Systems von außen ausschließt, gründet.31 27 28 29 30 31
Vgl. Harbach (2004), S.130. Vgl. Groth/Wimmer (2004), S. 224-244, S. 233. Vgl. Simon (2004), S. 205-223, 207f., 213f., 219ff. Als Beispiel für eine Beobachtung 2. Ordnung dient der Fall der Hawthorne Experimente von Elton Mayo in den General Electric Werken 1933. Vgl. Maturana (1985).
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Die genannten Interventionsmethoden gehen von der Annahme eines humanistischen Menschenbildes bzw. einer Ressourcenorientierung aus, welche die für Problemlösungen notwendigen Ressourcen- und Lösungspotenziale des Menschen als gegeben ansehen.32 Übersetzt für die Produktion heißt das in der Sprache eines systemischen Interventionsverständnisses (siehe Tabelle 2): Für externe Steuerung bleibt bei einem autopoietischen System nur Kommunikation als Interventionsmechanismus.33 Es ist eher das Feedback der Mitarbeiter aus Gruppenstrukturen wie QZ, Lernstatt, Projektteams, als das Vorwissen der Führungskräfte, das Informationen über das weitere Vorgehen im Sinne der doppelten Kontingenz bietet, denn das Führungskräftehandeln hängt vom Verhalten der Mitarbeiter ab, die mit ihren Festlegungen wiederum das zukünftige Verhalten der Führungskräfte beeinflussen. Kommunikation als Interventionsmechanismus setzt die Lernfähigkeit der Systemmitglieder voraus. Der Lernprozess ist ein Prozess, in dem die Differenzenbildung zwischen Selbst- bzw. Fremdbeschreibung stattfindet. Der systemische Beobachter praktiziert das Lernen des Lernens34, wenn er Erfahrungen und Wissen zur Veränderung von Erfahrungen und Wissen einsetzt. Die Bestimmung zur Selbstbestimmung nach dem konstruktivistisch/systemischen Interventionsverständnis bleibt selbst eine Paradoxie: Jede Veränderung muss Selbständerung sein; Interventionen (durch Kommunikation) sind Irritationen, die beim Mitarbeiter Änderungen auslösen sollen; dem Mitarbeiter bleibt es überlassen den Zustand beizubehalten oder zu verändern.35 Aber zum Umgang mit Paradoxien fordert ja gerade das Postmoderne strategische Management auf.
32 33 34 35
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Simon (2004), S. 208. Groth/Wimmer (2004), S. 230. Groth/Wimmer (2004), S. 233. Willke (1999).
Konsequenzen für die Produktion 11 ________________________der ______Strategiedebatte _________________________________________________________________________________________________________________________ Strategieperspektiven aufnehmende Gruppenstrukturen in der Produktion • Qualitätszirkel, Lernstatt (Freiwilligkeit der Zusammenkunft, Initiative der Mitglieder) • Projektteam (Bearbeitung von Nicht-RoutineTätigkeiten; z.B. KVPTeam)
Strategieperspektiven reflektierende Erfahrungswirklichkeit der Produktion
Systemtheoretischisch/konstruktivistische Perspektiven der Strategiedebatte
Differenzierte Organisationsstrukturen, Meinungen, Dynamik u. Stabilität, Entscheidungs-,Verhaltens-u. Ergebnisraum, etc.
Basis der Erkenntnis und Entscheidungsgrundlage: Unternehmen als System, Wirklichkeitskonstruktionen/Kognitionen Systembezogene Basisaspekte: Kontingenz, Emergenz, etc. Betriebliches Vorschlagssen/Ideen- Als Konsequenz Betonung von: Lernfähigmanagement, Fertigungssegmentie- keit, Dezentralisierung, Dynamisierung rung, Gegenstromplanung (Beteili- organisationaler Kompetenzen, Prozessen, gung der Funktionsbereiche), KVP- Inkrementalismus, Gleichberechtigung der Managementfunktionen (Primat der StrateProjektteam, etc. gie/Planung erodiert) Kreativitätstechniken, Ist-Analyse, Systemisch/konstruktivistische InterventiHeuristiken für Soll-Konzeptionen, onsmethoden: Selbstbestimmung/ Selbstorganisation, Beobachtung 2. Ordnung (Beetc. obachtung der Beobachtung), Reframing, Kommunikation mit Metaphern, zirkuläre Fragen, etc. Individuum und Kollektiv, IuKKonsequenzen der systemisch/konstruktiTechnologie, Gespräch, etc. vistischen Perspektiven für die Steuerung: Organisatorische Filter (Strukturen), die mittels Heuristiken kognitive Verzerrungen der Organisationsmitglieder abbauen, Betonung der Kommunikation
Tab. 2: Bezugspunkte der Produktion zum systemtheoretisch/konstruktivistischen Schwerpunkt der Strategiedebatte
Im Zusammenhang der Wirklichkeitskonstruktion wird auch die Gefahr von kognitiven Verzerrungen akut. Kognitive Verzerrungen sind nicht abgeglichene Wirklichkeitskonstruktionen zwischen den strategischen Entscheidungsträgern, die zu Missverständnissen in den betrieblichen Entscheidungen und Maßnahmen führen. Ansatzpunkte für kognitive Verzerrungen im Produktionsbereich sind beispielweise die Einschätzung der Kapazitäten und Abläufe, die Einschätzung der Fakten, die von Dritter Seite stammen (kommunizierte Pläne), die Beobachtung praktizierter Verhaltensweisen oder Prognosen. Eine Form der Rationalitätserzielung ist das Abarbeiten kognitiver Verzerrungen durch Heuristiken. Unternehmer benutzen häufiger individuelle Heuristiken als Manager, die zu unorthodoxen Erklärungsmustern betrieblicher Problemstellungen führen. Die kognitive Fähigkeit des Unternehmers liegt gerade, wie Alvarez/Busenitz betonen, im Erkennen von Gelegenheiten und in der Organisation von Expertenwissen
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begründet.36 „Organisatorische Filter“ sind zu implementieren, die eine Begrenzung kognitiver Verzerrungen der betrieblichen Entscheidungsträger in Bezug auf die betriebliche Zweckorientierung ermöglichen. Organisatorische Filter sind Strukturformen und Ablaufprozesse, die neue wertschöpfende Lösungsansätze für erkannte Problemstellungen aus dem laufenden Betrieb heraus generieren. Solche Heuristiken fördern die seit langem in der Produktion bekannten Strukturformen Qualitätszirkel, Lernstätten und Projektteams.
Die Erfüllung strategischer Anforderungen durch traditionelle Gruppenstrukturen der Produktion Strukturen, die Heuristiken anwenden und fördern, gibt es in der Produktion viele. Steuerungsheuristiken, wie sie ein Just-in-Time Leitstand in der Montage praktiziert, sind dafür nur ein Beispiel. Fragen der Gruppen- bzw. Teamentwicklung (Kennenlernen, Aushandeln der sozialen Struktur, Herausbildung von Verhaltens- u. Leistungsnormen, Leistungsphase, Auflösung) oder Effektivität (Fertigkeiten, Zusammensetzung der Gruppe) interessieren an dieser Stelle weniger. Zu zeigen ist, wie Elemente der skizzierten Strategiedebatte in den nicht zur regulären Primärorganisation bzw. Arbeitsorganisation der Produktion gerechneten Strukturformen QZ, Lernstatt und Projektteam zum Tragen kommen: Qualitätszirkel, Lernstätten stehen für das Prinzip der Freiwilligkeit der Zusammenkunft, Projektteams für die Bearbeitung einmaliger Problemstellungen und KVP-Teams für die permanente Vermeidung von Ressourcenverschwendung. Überlappungen dieser Formen sind möglich, wenn KVP-Teams als Variante der QZ oder Projektteams betrachtet werden.37
Lernstatt Am Beispiel der Lernstatt als Form der Gruppenarbeit lässt sich der Bezug zur Strategiedebatte konkret nachvollziehen. Was kennzeichnet zunächst diese Gruppenstrukturen der Produktion? Erstmals in den 70er Jahren bei BMW als Modellversuch von Mitarbeitern der Kommunikationsfirma Metaplan38 eingesetzt, später dann bei 36 37
38
Vgl. Alvarez/Busenitz (2001), S. 755-775, S. 766. Gemeinsame Planung und ein Coaching als Teamentwicklungsmaßnahme fördern offensichtlich die Entwicklung gemeinsamer mentaler Modelle bezüglich der Arbeitsaufgabe, der –beziehungen, und –situation; vgl. Tschan, Semmer (2001), S. 217-235; die Entwicklung der Gruppenkonzepte profitiert von der Beteiligung der Mitarbeiter und Führungskräfte; Antoni (2000); Antoni (2003), S. 410-420, S. 411, 414ff. Vgl. Kunstek (1986), S.1.
Konsequenzen für die Produktion 13 ________________________der ______Strategiedebatte _________________________________________________________________________________________________________________________
Bosch und MAN praktiziert39, ist die Lernstatt eine Form der Gruppenarbeit, die den Lernprozess betont. Der Erwerb sozialer Kompetenzen, die (Eigen-)Qualifizierung (Anlass war die Beschäftigung ausländischer Arbeiter mit Sprachschwierigkeiten bei der Hoechst AG/Chemieindustrie40) und die Förderung der Eigeninitiative im Rahmen der Organisationsentwicklung gehören zu den inhaltlichen Schwerpunkten, die auf die Beseitigung sozialer Probleme in der Produktion abzielen.41 Die dabei praktizierten Lehrmethoden sind vom „Lernen im Dialog“ inspiriert42 und vor allem im Zusammenhang mit der Metaplan-Gesprächstechnik oder dem Rollenspiel43 bekannt geworden. Die Realisierung von Vorschlägen, die die eigene Arbeitsumgebung betreffen, kann durch die Lernstattmitglieder selbst durchgeführt werden.
Qualitätszirkel Der Übergang zu Qualitätszirkeln ist fließend; obwohl die Lernstatt an einem früheren Punkt ansetzt als der Qualitätszirkel, der sich tendenziell eher mit Qualitätsfragen vorhandener Produkte und Prozesse beschäftigt, werden beide Formen der Gruppenstruktur gleichermaßen zu den Quality Circle-Varianten gerechnet.44 Die Unterscheidung der Quality Circle-Varianten45, zu denen, neben Lernstatt und Qualitätszirkel auch Gesprächsgruppen oder Werkstattkreise gehören, ergibt sich nach dem Gruppenbestand (wechselnde Gruppenmitglieder ja/nein), der Gruppenzusammensetzung (aus einheitlichem oder unterschiedlichen Arbeitsbereichen), dem Zeitablauf der Gruppenarbeit (regelmäßig und zeitlich begrenzt) und der Vorgabemodalität der Themen (selbständig oder von außen vorgegeben). Zu den verwandten Konzepten der Qualitätszirkel gehört neben der Teamentwicklung, teilautonomen Arbeitsgruppen und Werkstattzirkeln auch das Projektteam (task force).46 Projektteams und Qualitätszirkel sind in ihrer Charakterisierung damit durchaus nicht redundanzfrei. Mit den Qualitätszirkeln anerkennt das Management, dass Mitarbeiter „Experten ihrer Arbeit“ sind.47 Zu den Zielen des Qualitätszirkel-Konzeptes48 zählen vor allem höhere Produktqualität und Produktivität. Daneben bestehen aber auch mitarbeiterbe39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
Vgl. Einsiedler (1986), S. 74. Vgl. Riegger (1983), S. 3, 26. Vgl. Einsiedler (1986), S. 73; Riegger (1983), S. IV; Kunstek (1986), S. 2. Vgl. Riegger (1983), S. 40, 42. Vgl. Gebhardt/Heitmeyer (1985), S. 13ff. Vgl. Gebhardt/Heitmeyer (1985), S. 5. Vgl. Einsiedler (1986), S. 79. Vgl. Einsiedler (1986), S. 86-88. Ritter (1992), S. 37-50, S. 43; Staal (1987), S. 8; der Zusammenhang zum Ideenmanagement ist gegeben. Vgl. Cuhls (1993), S. 17.
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zogene Ziele im Bereich der Personalentwicklung, in denen der ursprüngliche japanische Einfluss auf die QZ zum Ausdruck kommt. Die Wertschätzung des Mitarbeiters als Jinzai, d.h. Menschenmaterial i.S.v. Talent, Fähigkeit und Leistung, unterstreicht die Bedeutung der „Human Resource“. Die Freiwilligkeit der Teilnahme, die Regelmäßigkeit der Treffen und die Initiative zur Themenauswahl variieren.49 Gemeinsam ist allen Formen, trotz kultureller Unterschiede, die Wandlungsfähigkeit des Zirkels in eine Projektgruppe, wenn von Führungskräften Themen vorgegeben werden. Der Bezug von Lernstatt und Qualitätszirkel zur Strategiedebatte zeigt sich zum einen in den hier beschriebenen Merkmalen der Gruppenstruktur als auch in der die Strategieperspektiven reflektierenden Erfahrungswirklichkeit der Produktion (siehe Tabelle 2 und 3): • Die Lernstatt/der Qualitätszirkel ist Ausdruck einer Lernstrategie und Bestandteil des organisationalen Lernens, das dynamische organisationale Kompetenzen erschließt. • In der freiwilligen Teilnahme, Themenauswahl und –bearbeitung in Lernstatt und im Qualitätszirkel kommt die Selbstorganisation zum Ausdruck. • Die Lernstatt ist ein Ort der Initiative für Gruppentreffen, die von der Lernstattzentrale oder den Mitarbeitern ausgeht. Die Möglichkeit zu Mitarbeiterinitiativen betont besonders den Aspekt der Dezentralität. • Lernstatt und QZ fördern die Fähigkeit kreativen, divergenten Denkens50, die Konfrontation mit ungewohnten Situationen, das kommunikative und kooperative Verhalten in Gruppen und die Erprobung von Methoden der Ideenfindung – alle diese Aspekte fördern die betriebliche Reflexion, die Auseinandersetzung mit Differenzen, Paradoxien und Dilemmata, wie sie die Postmoderne Organisationstheorie betont. • Bezogen auf das Postmoderne Konzept der Dekonstruktion lassen Lernstatt und QZ sprachlich/thematisch: - das Denken in Differenzen allgemein (QZ/Lernstatt [Sekundärstruktur] Abteilung [Primärstruktur]) oder in Bezug auf die Gruppenzusammensetzung (QZ, Lernstatt-Mitglieder aus einem oder unterschiedlichen Arbeitsbereichen), bereits bei ihrer Organisationsstruktur erkennen.
49 50
Vgl. Cuhls (1993), S. 10. Vgl. Gebhardt/Heitmeyer (1985), S. 37.
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Nicht voneinander ableitbare, aber aufeinander bezogene Prinzipien sind in Effekten, wie social loafing51 (Faulenzen), Risikoschub durch die Gruppe52, Gruppendenken53 oder Entrapment54 (Festhalten an Fehlentscheidungen, wenn Nachteile bekannt sind), wiederzufinden. Die Oszillation zwischen Differenzen ist mit dem Fall von Zwang und Freiwilligkeit der Gruppenteilnahme gegeben. Die implizite Hierarchisierung von Differenzen zeigt sich in der Möglichkeit der Themenvorgabe durch den Vorgesetzten oder die Mitarbeiter.
Was bedeuten derartige Bezüge der QZ/Lernstatt zur Strategiedebatte für den operativen Produktionsbereich? Der durch die Strategiedebatte verstärkt vorgetragene Hinweis auf die zunehmende Komplexität der Unternehmensführung lässt die Frage nach geeigneten Instrumenten der Komplexitätsbewältigung aufkommen. Dafür stehen die aus der Systemtheorie bekannten Möglichkeiten der Herausbildung einer erforderlichen Binnenvarietät durch die Bildung von Strukturstellen, der erforderlichen Selektivität von Themen und Mitarbeitern, der Akzeptanz eines Grades an Unbestimmtheit bei jeder bewusst getroffenen Entscheidung (Kontingenz) oder die bewusste Schaffung von Komplexitätsgefällen durch organisatorische Substrukturen zur Verfügung. Eine Konsequenz daraus ist die Forderung nach einer verstärkten Integration von Gruppenstrukturen in die Primärstruktur der Organisation. Organisationsformen wie die Lernstatt dürfen dabei, in den Worten von Kunstek ausgedrückt, jedoch nicht „als systemerhaltende Scheinpartizipation der Beschäftigten“ 55 missverstanden werden. Ansonsten besteht die Gefahr eines ineffizienten Einsatzes der Ressource „Mitarbeiter“ in der Produktion. Wie kann folglich eine derartige Integration gelingen? Über die Verteilung umfangreicher Entscheidungsbefugnisse an Gruppen, d.h. die Partizipation, bietet sich eine Lösung an. Besonders wichtig ist die Partizipation bei der Neu- oder Umgestaltung der Arbeitsabläufe von betroffenen Mitarbeitern.56 Kontinuierliche Verbesserungsprozesse beispielsweise sind ohne selbständiges, zweckgebundenes Handeln einzelner Mitarbeiter, eingebunden in besondere dezentrale Strukturformen nicht denkbar. Das bedeutet für die Mitarbeiter eine ausdrückliche Teilhabe an Entscheidungen und Verantwortungsübernahme. Die Wahl des Partizipationsgrades – nach Thom: „das Ausmaß der Beteiligung von Mitarbeitern an den aufgaben- und personenbezogenen Entscheidungen eines 51 52 53 54 55 56
Vgl. Feuchter/Funke (2004), S. 328-349. Vgl. Stoner (1961). Vgl. Janis (1982). Vgl. Brockner (1992), S. 39-61; Royer (2003), S. 49-56. Kunstek (1986), S. 17. Vgl. Grochla (1982), S. 269.
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hierarchisch höher eingeordneten Aktionsträgers“57 – ist dabei variabel. Das Konstrukt Partizipation kennt als Dimensionen den Einfluss (höchste Stufe), die Interaktion (durch Zusammenarbeit Übereinstimmung erzielen) und den Informationsaustausch (niedrigste Stufe).58 Partizipation ist also bereits durch direkte Interaktion von Mitarbeitern und Führungskräften erreichbar. Strategieperspektiven aufnehmende Gruppenstrukturen in der Produktion • Qualitätszirkel, Lernstatt (Freiwilligkeit der Zusammenkunft, Initiative der Mitglieder) • Projektteam (Bearbeitung von Nicht-Routine-Tätigkeiten; z.B. KVP-Team)
Strategieperspektiven reflektierende Erfahrungswirklichkeit der Produktion: Center-Strukturen, Polyzentrismus bei der Produktgestaltung, Standortschließung trotz Rentabilität, Mikropolitik, Motivation, Inhouse Seminare, virtuelle Fabrik, etc. autoritäre, paternalistische Führungskraft, etc. Erzeugnisstrukturdarstellung über zwei Dimensionen in Matrizen, etc. Erfolgsdarstellungen in Dokumenten (z.B. Bereichspläne), etc.
vor- und nachgelagerte Prozesse, etc. Produktionsschwankungen in Abweichung vom Produktionsprogramm, etc. Management by Objectives, etc. Normalbetrieb und Störung, etc.
Postmoderne Strategie-u. Organisationsperspektiven der Strategiedebatte
Themen: Betonung der Pluralität vor der Einheit, Tautologien, Paradoxien und Dilemmata, Informalität, Qualifikation u. Commitment der Mitarbeiter, Strukturen (Flexibilität um technologischen Kern)
Strategiefindung als: • Radikale Subjektivierung der strategischen Problemstellung • Instrumente der strategischen Planung als reine Redeinstrumente • Nachträgliche Sinnverleihung strategischer Entscheidungen Dekonstruktion in Sprache und strategischem Denken/strategischer Perspektive: • Denken in Differenzen • Nicht ableitbare, aber aufeinander bezogene Prinzipien (z.B. Regel/Regelabweichung) • Oszillation zw. Differenzen (z.B. Kontrolle und Autonomie) • Hierarchisierung von Differenzen (z.B. Formalität und Informalität)
Tab. 3: Bezugspunkte der Produktion zum konstruktivistisch/postmodernen Schwerpunkt der Strategiedebatte
Bei zu weitreichender Delegation droht jedoch die Gefahr einer Überforderung der Mitarbeiter durch Barrieren des Nicht-Wollens oder –Könnens, bei weitgehender 57 58
Thom (1980), S. 343. Vgl. Einsiedler (1986), S. 32f.
Konsequenzen für die Produktion 17 ________________________der ______Strategiedebatte _________________________________________________________________________________________________________________________
Entscheidungszentralisation die Gefahr, dass die Systemkomplexität und –dynamik der Organisation nicht bewältigt wird. Grenzen einer weitgehenden Partizipation belegen empirische Hinweise in Bezug auf Wirtschaftlichkeit, Produktivität, Zeitbedarf der kooperativen Entscheidungsprozesse, oder negative Gruppeneffekte.59 Hinzu kommt, dass zu den personalen Voraussetzungen der Partizipation die Partizipationsfähigkeit und –bereitschaft der Mitarbeiter zählen, die man durch das anspruchsvolle Menschenbild des social und complex man grundsätzlich vorausgesetzt, aber nicht immer bestätigt findet .60 Die Betonung der strategisch wirksamen Rolle von QZ, Lernstätten und Projektteams führt allerdings auch einen kritischen Punkt vor Augen: der Einsatz von Gruppenstrukturen kann zu zunehmender struktureller Verfestigung, der Pfadabhängigkeit, führen. Eine solche „Erstarrung“ oder „Verfestigung“ will der Postmoderne Anspruch gerade nicht aufkommen lassen. Wenngleich die Herausbildung von Pfaden emergenter und nur eingeschränkt intentionaler Natur ist, kann die Durchführung von QZ, Lernstätten und Projektgruppen einen Pfad der Reflexion, der Beobachtung und Problemlösung begründen, wenn damit positive Rückkoppelungen („increasing returns“) verbunden sind. Zu diesen zählen Skalenerträge und Erfahrungseffekte, direkte und indirekte Netzexternalitäten und eine wachsende Abhängigkeit/Gewöhnung von bewährten Routinen.61 Die Gefahr von Rigiditäten und einer „dysfunktionaler Wende“62 nimmt entsprechend zu. Eine strukturelle Verfestigung erscheint allerdings weniger bedenklich, wenn sie zu Ist-Beobachtungen, kritischer Reflexion, nachhaltiger Abwägung bei Entscheidungen und zweckorientierten Prozessanpassungen führt.
Fazit: Strategy follows structure – QZ, Lernstätten und Projektteams als Basis für Produktionsstrategien? Wie steht es um die Verbindung der Mitarbeiter als „Strategieaktivisten“ in Gruppenstrukturen auf der einen Seite und dem Primat der Strategiefindung durch die Unternehmensspitze auf der anderen Seite? Sind Gruppenstrukturen grundsätzlich zu Strategieinitiativen in der Lage? Chandler formulierte 1962 das Postulat “Structure follows strategy”, wofür in der Folgezeit auch empirische Belege herangezogen wurden. Aber auch das Gegenteil 59 60 61 62
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Antoni (1999), S. 569-583. Möllering (2002), S. 81-88. Schreyögg/Sydow/Koch (2003), S. 257-294, S. 262ff; Katz/Shapiro (1985), S. 424-440. Leonard-Barton (1992), S. 111-126.
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konnte nicht zuletzt durch die Untersuchungen von Schewe (1998) oder Wolf (2000), belegt werden.63 Wenn also Strategie aus der Struktur folgt, können aus den Strukturformen Qualitätszirkeln, Lernstätten und Projektteams Strategien bzw. Strategieimpulse entstehen? Mintzberg kennzeichnet Strategien durch (Handlungs-)Pläne, Muster konsistenter Handlungen, die Position im Wettbewerb und als Perspektive, quasi als „dominante Logik“. Ein Primat der Unternehmensleitung ist sicher die Initiative zu Plänen, bei deren Erstellung die Fachbereiche i.d.R. jedoch beteiligt sind. Die Position im Wettbewerb ergibt sich aufgrund komplexer Kausalitäten, wobei Unternehmensspitze und Fachbereiche ihren Anteil haben. Zudem findet ein Strategiewettbewerb zwischen den Funktionsbereichen um den stärksten Einfluss auf die Unternehmensstrategie statt. Über die in der Kommunikation ausgehandelten Wirklichkeitskonstruktionen ergibt sich für QZ, Lernstätten und Projektteams die Möglichkeit „Muster konsistenter Handlungen“ mit Marktbezug herzustellen, z.B. im Fall von durch Gruppenarbeit erreichten Ressourceneinsparungen an Material, Zeit oder innovative Produkt- und Prozessentwicklungen. Eine stärkere Berücksichtigung von Erkenntnissen aus der neuen Strategieforschung im Produktionsbereich führt zu einer stärkeren Vernetzung von Unternehmens- und Produktionsebene im Sinne des Strategischen Management. Die Folge ist die zunehmende strategische Bedeutung der Produktion für die Unternehmensführung. Die eingangs erwähnte Aussage von Moltke: „Die Strategie ist ein System der Aushilfen“ schwächt die Vorstellung vom Primat eines dominanten Strategieplans durchaus ab. Der strategische Erfolg eines Unternehmens ergibt sich allerdings nicht allein nur als Folge eines Plans, sondern als Gesamtheit von „Aushilfen“, wie sie der Leiter des Bereichs Produktionstechnologie von Toyota Miura beschreibt: „Unser Erfolg liegt in der Organisation der Arbeitsabläufe, in der Qualität und in der Motivation der Mitarbeiter“.64 Qualitätszirkel, Lernstätten und Projektteams sind traditionelle Strukturformen vor allem der Produktion, die aktuell und permanent der Strategiedebatte in diesem Sinne standhalten.
63 64
Vgl. Chandler (1962); Schewe (1998); Wolf (2000). Koehler (2006), S. 36-42, S.38.
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Eine von Fertigungsstrategien 23 _________empirische _________________Analyse _____________________________________________________________________________________________________________________________
Eine empirische Analyse von Fertigungsstrategien Jörn-Henrik Thun
Betriebswirtschaftliche Relevanz von Fertigungsstrategien Seit Skinner seinen berühmten Artikel über die strategische Bedeutung der Produktion im Jahre 1969 veröffentlichte, ist die Fertigungsstrategie zu einem der wichtigsten Disziplinen des Operations Management geworden.1 Im Zeitalter hoher Wettbewerbsintensität sind produzierende Unternehmen dazu gezwungen, sich von ihren Konkurrenten abzuheben. Die erforderliche Abgrenzung,2 sei es durch eine Differenzierung z.B. aufgrund kundenindividueller Leistungserstellung oder durch eine vorteilhafte Kostenposition im Sinne Porters,3 kann durch eine strategische Ausgestaltung der Produktion die intendierte Wettbewerbsstrategie unterstützt werden. Die Generierung strategischer Potenziale kann jedoch auch aus der Produktion aufgrund besonderer Eigenschaften wie z.B. strategischer Ressourcen4 oder Kernkompetenzen5 erfolgen. Durch die Formulierung einer Fertigungsstrategie kann das strategische Potenzial der Produktion realisiert und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden.6 Obwohl das Thema in der wissenschaftlichen Literatur – die Forschung in den U.S.A. ist hier speziell hervorzuheben – große Beachtung und Eingang in die wissenschaftliche Diskussion gefunden hat, besteht nach wie vor ein Forschungsdefizit auf diesem Gebiet, da einige Fragen, insbesondere in empirischem Hinsicht, weiterhin unbeantwortet sind. Insbesondere hinsichtlich der Implementierung von Fertigungsstrategie besteht Bedarf an weiterer Forschung, gerade in Bezug auf verschiedene Arten von Fertigungsstrategien. Dementsprechend soll die vorliegende Arbeit die Frage klären, welche Arten von Fertigungsstrategien von industriellen Unternehmen eingesetzt werden und wie diese sich auf die Wettbewerbsfähigkeit, dargestellt durch 1 2 3 4 5 6
Vgl. Skinner (1969), S. 136–145. Hill spricht in diesem Zusammenhang von “order winner” im Gegensatz zu “order qualifiern”. Vgl. Hill (1993), S. 44. Als generische Wettbewerbsstrategien schlägt Porter die Differenzierung bzw. die Kostenführerschaft vor. Vgl. Porter (1980). Vgl. Barney (1991), S. 99–120. Vgl. Prahalad/Hamel (1990), S. 79–91. Vgl. Wheelwright/Hayes (1985), S. 99–109; Skinner (1969), S. 136–145. In der Literatur findet sich neben der Fertigungsstrategie auch der Begriff Produktionsstrategie. Aufgrund des üblicherweise synonymen Gebrauchs wird in diesem Beitrag stellvertretend der Begriff Fertigungsstrategie verwendet.
24 Jörn-Henrik Thun _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
ausgewählte Leistungskriterien, auswirken. Ob die Fertigungsstrategie überwiegend auf Marktgegebenheiten fokussiert ist und eine entsprechende Unternehmensstrategie berücksichtigt, ob sie auf den zugrunde liegenden Fertigungsressourcen gemäß des ressourcenorientierten Ansatzes basiert oder ob beide Arten integriert werden und somit simultan Marktanforderungen sowie Ressourcen berücksichtigt werden, sind weitere Forschungsfragen dieses Artikels.
Betrachtung von Fertigungsstrategien in der wissenschaftlichen Literatur In der Literatur finden sich zahlreiche Artikel, die sich mit dem Ansatz der Fertigungsstrategie beschäftigen. Zurückzuführen sind die Gedanken, die der Fertigungsstrategie zu Grunde liegen, auf die Arbeiten von Skinner, der damit den Grundstein für die Diskussion dieses bedeutsamen Aspekts im Bereich des Operations Managements legte und als erster den Fokus auf die Relevanz der Abstimmung von Fertigungsstrategie und Unternehmensstrategie richtete.7 Basierend auf dem grundlegenden Postulat, dass die Produktion eine strategische Rolle bei der Generierung von Wettbewerbsvorteilen spielen sollte, stellten Hayes and Wheelwright mit der Produkt-Prozess-Matrix und den Stufen der Fertigungsstrategie zwei zentral Ansätze zur Fertigungsstrategie vor.8 Die Produkt-Prozess-Matrix zeigt die Wechselwirkung zwischen Produkten und den ihnen zugrunde liegenden Prozessen im Produkt- bzw. Prozesslebenszyklus auf;9 die vier Stufen beschreiben, welche strategische Rolle die Fertigung einnehmen kann.10 Kotha und Orne entwickeln ein auf Porters generischen Strategien basierendes und aus der Produkt-Prozess-Matrix abgeleitetes Konzept generischer Fertigungsstrategien.11 Neben den hier angesprochenen Beiträgen beschäftigen sich noch weitere Arbeiten in konzeptioneller Herangehensweise mit dem Thema, die hier jedoch nicht im Detail dargestellt werden sollen.12 Im Folgenden werden empirische Arbeiten überblicksartig diskutiert, um den status quo bisheriger Forschung im Kontext der Fertigungsstrategie aufzuzeigen. Der Literaturüberblick konzentriert sich dabei auf Aufsätze, die auf den Daten des „World Class Manufacturing“-Projektes basieren, das als Vorgängerprojekt der den Analysen dieses Aufsatzes zugrunde liegenden Datenerhebung des „High Performance Manu7 8 9 10 11 12
Vgl. Skinner (1969), S. 136–145. Vgl. Hayes/Wheelwright (1979), S. 127–136; Wheelwright/Hayes (1985), S. 99–109. Vgl. Hayes/Wheelwright (1979), S. 127–136; Hayes/Wheelwright (1984). Vgl. Wheelwright/Hayes (1985), S. 99–109. Vgl. Kotha/Orne (1989), S. 211–231; Porter (1980); Porter (1985). Verwiesen sei beispielhaft auf die Arbeit von De Toni et al., die als konzeptioneller Vorläufer von empirischen Arbeiten des „World Class Manufacturing“-Projektes gesehen werden kann. Vgl. De Toni/Filippini/Forza (1992), S. 7–18.
Eine von Fertigungsstrategien 25 _________empirische _________________Analyse _____________________________________________________________________________________________________________________________
facturing“-Projektes zu sehen ist. Eine der ersten empirischen Untersuchungen des „World Class Manufacturing“-Projektes wurde von Bates et al. durchgeführt.13 Sie analysieren die Beziehung zwischen der Fertigungsstrategie und der Organisationskultur. Morita und Flynn untersuchen die Verbindung zwischen Charakteristika der Produktion und der Fertigungsstrategie und rücken damit von einer reinen marktseitigen Betrachtung der Fertigungsstrategie ab.14 Schroeder et al. führen eine empirische Validierung der Produkt-Prozessmatrix von Hayes und Wheelwright durch.15 Devaraj et al. vergleichen auf empirischer Basis den Ansatz von Hayes und Wheelwright sowie das Konzept der generischen Fertigungsstrategie von Kotha und Orne.16 Eine ressourcenbasierte Sichtweise der Fertigungsstrategie und die Verbindung zu Leistungskennzahlen werden von Schroeder et al. analysiert.17 Devaraj et al. untersuchen die Verbindung zwischen den am Markt ausgerichteten, generischen Fertigungsstrategien und der Leistungsfähigkeit von Fertigungsbetrieben.18 Es ist zu beachten, dass dieser Literaturüberblick ausschließlich Arbeiten berücksichtigt, die auf dem „World Class Manufacturing“- Projekt basieren. Darüber hinaus bestehen noch weitere Arbeiten; beispielhaft sei auf den Beitrag von Cagliano et al. hingewiesen, die verschiedene Arten von Fertigungsstrategien anhand der Daten des IMSS-Projektes, das sich inhaltlich ausschließlich mit diesem Themengebiet befasst, untersuchen.19 Insgesamt zeigt der Literaturüberblick, dass Fertigungsstrategien ein prominentes Thema der wissenschaftlichen Diskussion darstellen. Die hier behandelte Fragestellung zur Fertigungsstrategie bleibt jedoch, insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung der Intensität des Wettbewerbs, weitestgehend unbeantwortet.
Implementierung von generellen und fokussierten Fertigungsstrategien Generelle Implementierung von Fertigungsstrategien Im Folgenden wird der theoretische Rahmen für die empirische Studie basierend auf der Literatur zur Fertigungsstrategie entwickelt. Zunächst werden dafür in einem ersten Schritt generelle Aspekte bei der Implementierung einer Fertigungsstrategie 13 14 15 16 17 18 19
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Bates/Amundson/Morris/Schroeder (1995), S. 1565–1580. Morita/Flynn (1997), S. 967–993; Morita/Flynn (1996), S. 459–464. Schroeder/Flynn/Flynn (1997). Devaraj/Hollingworth/Schroeder (2001), S. 427–452. Schroeder/Bates/Junttila (2002), S. 105–117. Devaraj/Hollingworth/Schroeder (2004), S. 313–333. Cagliano/Acur/Boer (2005), S. 701–718.
26 Jörn-Henrik Thun _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
beschrieben, um dann in einem zweiten Schritt die Fokussierung von Fertigungsstrategien genauer zu diskutieren. Ziel ist u. a. eine Unterscheidung zwischen den strategischen Hauptausrichtungen, dem marktbasierten und dem ressourcenbasierten Ansatz, sowie deren Implikationen für die Fertigungsstrategie. Die generelle Implementierung einer Fertigungsstrategie umfasst drei Schritte, die nachstehend basierend auf der zugrunde liegenden Literatur diskutiert werden sollen. In einem ersten Schritt, der das Fundament der Fertigungsstrategie bildet, ist die Fertigung explizit als Quelle für Wettbewerbsvorteile anzuerkennen. Laut Skinner sollte die Fertigung nicht mehr als „Klotz am Bein“ angesehen werden.20 Eine derartige Auffassung der Fertigung im strategischen Kontext eines Unternehmens bezeichnet Skinner als nicht mehr zeitgemäß,21 wobei die Erkenntnis, dass die Produktion Relevanz für die Wettbewerbsfähigkeit besitzt, eigentlich nichts vollkommen Neues darstellt, wie auch von Skinner betont wird: „The idea of developing and using the manufacturing function as a competitive resource is as old as manufacturing itself.“22 Die Produktion schien allerdings im Zuge von Akzentverschiebungen ihre Bedeutung vorübergehend an andere Funktionen der Wertkette23 verloren zu haben und musste dementsprechend als Erfolgsfaktor im Sinne einer strategischen Renaissance wiederentdeckt werden.24 Diese strategische Rolle der Fertigung wird u. a. von Hayes und Wheelwright betont. Sie sehen in einer herausragenden Fertigungskompetenz eine Geheimwaffe gegenüber Konkurrenten25 und fordern die Einbindung der Fertigung in den Strategiebildungsprozess: „We argue ... that manufacturing should take a more proactive role in defining the competitive advantage that is to be persued.”26 Wenn der Fertigung jedoch eine strategische Relevanz beigemessen wird, so kann eine Fertigungsstrategie aufgrund der durch sie intendierten strategischen Ausrichtung der Produktion dazu beitragen, einen Wettbewerbsvorteil zu generieren, wobei unter einer Fertigungsstrategie in Anlehnung an Skinner ein Bündel von Maßnahmen zur Implementierung einer strategischen Fokussierung der Fertigung zu verstehen ist.27 Durch die Abkehr von einer passiven Sichtweise der Fertigung im Sinne einer reinen Erfüllungsfunktion erfolgt ein Übergang der Fertigung zur „competitive weapon“.28 20 21 22 23 24 25 26 27 28
Skinner spricht hier vom “corporate millstone” im Gegensatz zum “competitive weapon”. Vgl. Skinner (1969), S. 136–145. Skinner verwendet diesbezüglich den Begriff der anachronistischen Fertigung. Skinner (1985), S. 25ff. Skinner (1995), S. 4. Vgl. zur Wertkette Porter (1985), S. 45ff. Vgl. Hayes/Wheelwright (1984), S. 41. Vgl. Wheelwright/Hayes (1985), S. 99. Hayes/Wheelwright (1984), S. 41. Vgl. Skinner (1969), S. 136ff. Skinner (1985), S. 53.
Eine von Fertigungsstrategien 27 _________empirische _________________Analyse _____________________________________________________________________________________________________________________________
In einem zweiten Schritt hat eine Abstimmung der Fertigungsstrategie mit anderen Strategien der Unternehmung zu erfolgen, um eine gegenseitige Unterstützung der voneinander abhängigen Strategien zu erreichen. Sich widersprechende Beziehungen sollten weitestgehend neutralisiert oder bestenfalls in Komplementaritäten überführt werden. Einerseits ist dabei die bestehende Interdependenz zwischen Fertigung und Unternehmensstrategie zu berücksichtigen, da sich beide gegenseitig beeinflussen: „Manufacturing affects corporate strategy, and corporate strategy affects manufacturing.“29 Für eine geeignete Formulierung der Fertigungsstrategie erscheint es daher sinnvoll, diese im Kontext der Unternehmensstrategie zu betrachten.30 Andererseits muss eine Abstimmung der Fertigungsstrategie mit anderen Funktionalstrategien erfolgen, um durch eine entsprechende Integration strategische Potenziale bestmöglich realisieren zu können. Schließlich muss die Fertigungsstrategie im dritten Schritt in einem formalen strategischen Planungsprozess manifestiert werden, der auch innerhalb der Organisation zu kommunizieren ist. Derart kann das Problem bloßer Lippenbekenntnisse zur Fertigungsstrategie vermieden werden und es herrscht Klarheit über fertigungsstrategische Ziele. Wie in Abbildung 1 dargestellt, bilden diese drei Schritte die Bausteine für eine generelle Implementierung einer Fertigungsstrategie. Implementierung der Fertigungsstrategie Strategische Relevanz der Fertigung (GIFS1)
Funktionale Integration der Fertigung (GIFS2)
Formale strategische Planung der Fertigungsstrategie (GIFS3)
Abb. 1: Generelle Implementierung einer Fertigungsstrategie
Fokussierte Fertigungsstrategien Im Folgenden werden zwei spezifische Strategieperspektiven von Fertigungsstrategien besprochen. In der Literatur zum strategischen Management werden grundsätzlich zwei Hauptperspektiven unterschieden, namentlich der marktbasierte
29 30
Skinner (1969), S. 137; Skinner (1985), S. 54f. Vgl. Skinner (1969), S. 136ff.; Skinner: Manufacturing Strategy on the “S”-Curve, S. 4. Für eine empirische Analyse der Bedeutung von Strategiekonsistenzen vgl. Hasenpusch (2001), S. 69ff.
28 Jörn-Henrik Thun _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Ansatz und der ressourcenbasierte Ansatz. Oftmals werden beide strategischen Ansätze dichotomisch gegenübergestellt. Die Wurzeln des marktbasierten Ansatzes können im „structure-conductperformance“-Paradigma gesehen werden, demzufolge die Strategie bzw. die Leistungsfähigkeit durch die Marktstruktur determiniert wird.31 Basierend auf diesem Paradigma liefert Porter mit dem Modell der fünf Wettbewerbskräfte und der Wertkette einen Rahmen zur Analyse der strategischen Positionierung eines Unternehmens.32 Kotha und Orne übertragen diese strategischen Aspekte auf Fertigungsthemen.33 Sie leiten von Porters generischen Wettbewerbsstrategien generische Fertigungsstrategien ab. Dementsprechend muss eine Fertigungsstrategie als Derivat der Unternehmensstrategie auf der Fertigungsebene gesehen werden. Dies wird auch von Skinner betont: „What is needed is a manufacturing strategy that links manufacturing to the corporate strategy.“34 Im Gegensatz zum marktbasierten Ansatz wird beim ressourcenbasierten Ansatz eine andere Sichtweise eingenommen.35 Im Sinne des ressourcenbasierten Ansatzes wird ein Unternehmen aus einer inneren Perspektive gesehen. Selznick formuliert mit seinen “Theories of Distinctive Competence” die ersten Gedanken zu diesem Thema.36 Penrose definiert den Begriff Unternehmen über den Begriff der Ressourcen. Nach Penrose ist eine Firma eine „…collection of productive resources … and from this point of view, the size of the firm is best gauged by some measure of the productive resources it employs.”37 Mitte der 1980er Jahre griff Wernerfeld die grundlegenden Gedanken von Selznick und Penrose wieder auf und subsumierte sie unter dem Begriff des „Resource-based View“.38 Der Aspekt der Ressourcenorientierung findet sich auch in Hayes und Wheelwrights Definition der Fertigungsstrategie wieder: „A manufacturing strategy consists of a sequence of decisions that, over time, enables a business unit to achieve a desired manufacturing structure, infrastructure, and set of specific capabilities.”39 Der Dominanz der Marktbezogenheit wird die Betonung interner Aspekte wie Ressourcen oder Kompetenzen gegenübergestellt. In den 1990er Jahren brachten Hamel und Prahalad ihren Ansatz in die akademische Diskussion ein, nach dem Kernkompetenzen als Bündel von Technologien und Fertigkeiten definiert werden. In Anlehnung an 31 32 33 34 35 36 37 38 39
Vgl. Mason (1939), S. 61–74; Vgl. Bain (1959). Vgl. Porter (1980); Vgl. Porter (1985). Vgl. Kotha/Orne (1989), S. 211–231. Vgl. Skinner (1969), S. 136–145. Vgl. Wernerfelt (1984), S. 171–181. Vgl. Selznick (1957). Vgl. Penrose (1959). Vgl. Wernerfelt (1984), S. 171–181. Vgl. Hayes/Wheelwright (1984).
Eine von Fertigungsstrategien 29 _________empirische _________________Analyse _____________________________________________________________________________________________________________________________
Hamel und Prahalad muss die Integration dieser strategischen Sachverhalte als “hallmark of a core competence“ gesehen werden.40 Barney bietet ein Instrument für die Identifikation strategischer Ressourcen an, welches als VRIO-Ansatz bezeichnet wird.41 Im Hinblick auf Fertigung definieren Slack und Lewis Fertigungsstrategie als „… the total pattern of decisions which shape the long-term capabilities of an operation and their contribution to overall strategy.“42 Bates et al. beschreiben Fertigungsstrategie als „… a design or blueprint for the manufacturing function that frames the acquisition, development and elimination of manufacturing capabilities far into the future.”43 Aus ressourcenbasierter Sicht ist eine Fertigungsstrategie die Aggregation der strategischen Ressourcen der Fertigung, d.h. ihrer strategischen Ressourcen und Fähigkeiten. Es bleibt die Frage zu klären, ob eine Fertigungsstrategie eine der besprochenen Perspektiven verfolgen muss, oder ob sie marktbasierte Anforderungen und ressourcenbasierte Aspekte zu einer einzigen Fertigungsstrategie integrieren kann, die beide strategischen Perspektiven berücksichtigt. Ein solcher Ansatz wird hier als integrierte Fertigungsstrategie bezeichnet. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die verschiedenen Formen von Fertigungsstrategien.
hoch
Marktbasierte Fertigungsstrategie (MBFS)
Integrierte Fertigungsstrategie (Integratoren)
Erfüllungsfunktion der Fertigung (,Ignoranten‘)
Ressourcenbasierte Fertigungsstrategie (RBFS)
gering
hoch
Marktorientierung gering
Ressourcenorientierung
Abb. 2: Implementierung fokussierter Fertigungsstrategien
40 41 42 43
Vgl. Prahalad/Hamel (1994). Vgl. Barney (1991), S. 99–120. Vgl. Slack/Lewis (2002). Vgl. Bates/Amundson/Morris/Schroeder (1995), S. 1565–1580.
30 Jörn-Henrik Thun _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Hypothesen Basierend auf der theoretischen Diskussion werden folgende Hypothesen im Rahmen der empirischen Analyse untersucht: H1 1: Die generelle Implementierung einer Fertigungsstrategie unterstützt die Implementierung einer fokussierten Fertigungsstrategie. Werke, die eine Fertigungsstrategie implementiert haben, weisen eine H1 2: höhere Leistungsfähigkeit auf als Werke ohne Fertigungsstrategie. Es existieren Unterschiede bei den fokussierten Fertigungsstrategien im H1 3: Hinblick auf die Wettbewerbsintensität. Diese Hypothesen werden im Folgenden anhand der Datenbank des „High Performance Manufacturing“-Projektes empirisch getestet.
Empirische Analyse von Fertigungsstrategien Das „High Performance Manufacturing”-Projekt Die Daten für die statistische Analyse entstammen dem empirischen Forschungsprojekt „High Performance Manufacturing”, einer Kooperation von Forschern aus den USA, Japan, Deutschland, Schweden, Finnland und Südkorea. Das Ziel des Projektes ist die Identifikation von Erfolgsfaktoren im Operations Management.44 Die im Rahmen der Erhebung befragten Werke gehören der Automobil-, Elektronikund Maschinenbaubranche an. Neben anderen Bereichen umfasst das Projekt zahlreiche Fragen zum Themengebiet der Fertigungsstrategie, womit die Datenbank die Möglichkeit für verschiedene Arten von empirischen Analysen bietet. Basierend auf der Datenbank können somit statistische Konstrukte gebildet werden, welche die verschiedenen Aspekte der Fertigungsstrategie abbilden.
Methodische Vorgehensweise Die ursprüngliche Datenbank besteht aus 189 Werken, wobei aufgrund fehlender Werte vier Datensätze nicht berücksichtigt werden können. Die Werke wurden zufällig aus einer Liste von Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern ausgewählt und um ihre Teilnahme gebeten. In jedem partizipierenden Werk wurden 23 Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen und Funktionsbereiche gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Dies ergibt ein transversales Bild der Werke, wodurch gleichzeitig dem
44
Siehe für eine Beschreibung des ursprünglichen Forschungsprojektes Flynn/Schroeder/Sakakibara/Flynn/Bates (1997), S. 671–685.
Eine von Fertigungsstrategien 31 _________empirische _________________Analyse _____________________________________________________________________________________________________________________________
so genannten key informants bias vorgebeugt wird.45 Die Datenbasis beinhaltet neben mehreren Fragen zur Fertigungsstrategie auch Indikatoren zur Leistungsfähigkeit der Werke. Zur Beantwortung der Fragen bezüglich der Fertigungsstrategie wurden der Werksleiter, der Verfahrenstechniker und der Fertigungsleiter ausgewählt, da diese Personen am ehesten Auskunft über die Aspekte zur Fertigungsstrategie geben können. Die Umfrage wurde auf einer internationalen Basis erhoben, das heißt, jede nationale Forschungsgruppe befragte etwa 30 Werke der Automobil-, Elektro- und Maschinenbaubranche. Die Datensätze jeder einzelnen Forschungsgruppe wurden dann zu einer internationalen Datenbank zusammengefügt. Diese Datenbank enthält sowohl qualitative als auch quantitative Informationen. Die qualitativen Fragen wurden mithilfe einer 7-stufigen Likert-Skala mit den Extrema „ich stimme überhaupt nicht zu“ (1 Punkt) und „ich stimme voll zu“ (7 Punkte) beantwortet. Außerdem wurden die einzelnen Fragen im Fragebogen gemischt, um eine zu offensichtliche Skalenzugehörigkeit zu vermeiden. Die Items für die Fertigungsstrategie werden für die Berechnung eines Strukturgleichungsmodells verwendet, wie es im Folgenden beschrieben wird. Folgende Tabelle gibt die Originalfragen der Erhebung wieder. Faktor
Items
Strategische Relevanz der Fertigung (GIFS1)
We have a manufacturing strategy that is actively pursued. Decisions about materials, systems and services sourced from outside our company are screened for consistency with our manufacturing strategy. Manufacturing is actively involved in make-versus-buy decisions for new products.
Funktionale Integra- The marketing and finance areas know a great deal about manufaction der Fertigung turing. (GIFS2) The functions in our plant are well integrated. The functions in our plant work well together. Our plant’s functions coordinate their activities. Formale strategische Our plant has a formal strategic planning process, which results in a written mission, long-range goals and strategies for implementatiPlanung der Fertion. gungsstrategie (GIFS3) Plant management routinely reviews and updates a long-range strategic plan. This plan has a strategic plan, which is put in writing. The plant has an informal strategy, which is not very well defined. (RI) Markt-basierte Ferti- Our business strategy is translated into manufacturing terms. gungsstraegie (MBFS) Potential manufacturing investments are screened for consistency with our business strategy. At our plant, manufacturing is kept in step with our business strategy. 45
Vgl. Sakakibara/Flynn/Schroeder/Morris (1997), S. 1246–1257.
32 Jörn-Henrik Thun _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Corporate decisions are often made without consideration of the manufacturing strategy. Ressourcen-basierte Fertigungsstraegie (RBFS)
Proprietary equipment helps us gain a competitive advantage. We actively develop proprietary equipment. We frequently modify equipment to meet our specific needs.
Tab. 1: Fragen zur generellen und fokussierten Fertigungsstrategie
Ein Strukturgleichungsmodell zu Fertigungsstrategien Für die Analyse der Zusammenhänge zwischen allgemeinen und fokussierten Fertigungsstrategien wird ein lineares Strukturgleichungsmodell entwickelt. Zur Beurteilung der Güte des Modells wird ein Prüfkatalog für das Messmodell und das Strukturmodell herangezogen, wie er von Homburg und Baumgartner vorgeschlagen wird.46 Dementsprechend sind für die jeweiligen Prüfkriterien Grenzwerte zu definieren.47 Nachstehend sind tabellarisch die berücksichtigten Gütekriterien für das Strukturmodell, die so genannten globalen Anpassungsmaße, aufgeführt. Globales Anpassungsmaß 2
/df Root Mean Square Error of Approximation RMSEA Normed Fit Index NFI Comparative Fit Index CFI Root Mean Square Residual RMSR Goodness of Fit Index GFI [0,1] Adjusted Goodness of Fit Index AGFI
Grenzwert x x x x x x x
< < > > < > >
3,0 0,1 0,9 0,9 0,1 0,9 0,9
Modellwert 2,03 0,075 0,97 1,00 0,057 0,98 0,97
Tab. 2: Globale Anpassungsmaße
Wie der Tabelle zu entnehmen ist, erfüllt das Modell die gestellten Anforderungen der Gütekriterien, da die Grenzwerte der globalen Anpassungsmaße nicht überschritten werden. In einem weiteren Schritt ist das dem Strukturgleichungsmodell zugrunde liegende Messmodell auf seine Reliabilität und Validität hin zu untersuchen. Als lokale Anpassungsmaße für die Reliabilität kann die Indikatorreliabilität als normiertes Maß für die Beziehungsstärke zwischen der beobachteten Indikatorvariablen und der 46 47
Vgl. Homburg/Baumgartner (1995), S. 162ff. Es sei angemerkt, dass die Nichterfüllung eines Gütekriteriums nicht automatisch zur vollständigen Verwerfung des Gesamtmodells führt, da die Erfüllung der großen Vielzahl existierender Gütekriterien zu hohe Anforderungen stellen würde. Vgl. Homburg/Baumgartner (1995), S. 162ff.
Eine von Fertigungsstrategien 33 _________empirische _________________Analyse _____________________________________________________________________________________________________________________________
latenten Variablen betrachtet werden.48 Als weiteres Maß für die Reliabilität wird Cronbachs Alpha als Maß für die interne Konsistenz eines Faktors herangezogen.49 Globales Anpassungsmaß
Alpha
GIFS1 GIFS2 GIFS3 MBFS RBFS
0,653 0,778 0,738 0,704 0,693
Tab. 3: Cronbachs Alpha
Im Folgenden ist die Validität des Messmodells zu untersuchen. Die so genannte Konstruktvalidität kann neben der Diskiminanzvalidität über die Konvergenzvalidität überprüft werden.50 Für die Konvergenzvalidität werden zum einen die Faktorreliabilität (FR) und zum anderen die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) betrachtet. Für die Faktorreliabilität gilt ein Grenzwert von mindestens 0,6 als akzeptabel, für die durchschnittlich erfasste Varianz ist ein Wert von mindestens 0,4 zu erreichen. Nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht der Werte des Messmodells.51 Lokale Anpassungsmaße GIFS1 GIFS2 GIFS3 MBFS RBFS
FR
DEV
0,613 0,738 0,838 0,788 0,673
0,362 0,548 0,566 0,489 0,416
Tab. 4: Konvergenzvalidität
Insgesamt kann festgehalten werden, dass das Strukturmodell und das Messmodell grundsätzlich die gestellten Anforderungen erfüllen und als Grundlage für weite48 49
50 51
Als ausreichend wird für die Indikatorreliabilität ein Wert von x > 0,4 gesehen. Vgl. ebd., S. 170. Als Untergrenze für das Alpha schlägt Nunnally einen Wert von 0,7 vor. Sakakibara et al. relativieren diesen Wert für neu kreierte Faktoren und schlagen vor, dass ein Wert von 0,6 noch akzeptiert werden kann. Vgl. Nunnally (1978), S. 245; Vgl. Sakakibara/Flynn/Schroeder (1993), S. 186. Vgl. Van de Veen/Ferry (1980), S. 76-78. Der Tabelle ist zu entnehmen, dass bis auf einen Wert die Kriterien der Konvergenzvalidität erfüllt werden.
34 Jörn-Henrik Thun _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
re Analysen herangezogen werden können. Folgende Abbildung zeigt die Ergebnisse des Strukturmodells. GIFS1
0.55** 0.17
MBFS 0.23**
GIFS2 0.23**
RBFS
GIFS3
0.27**
** p < 0.01
-0.06
Abb. 3: Strukturgleichungsmodell
Da alle drei Faktoren der allgemeinen Implementierung der Fertigungsstrategie zumindest auf einen der beiden Faktoren der speziellen Implementierung bei hohem Signifikanzniveau wirken, kann Hypothese H11 angenommen werden.
Analysen zur allgemeinen Fertigungsstrategie Zur Überprüfung von Hypothese H12 werden die Werke nach ihrem Implementierungsgrad gruppiert. Um diejenigen Werke zu identifizieren, die grundsätzlich eine Fertigungsstrategie implementiert haben, wird eine Clusteranalyse basierend auf den Faktoren der allgemeinen Fertigungsstrategie durchgeführt. Hierzu wird die Ward-Methode mit quadriertem euklidischen Abstand benutzt. Eine Diskriminanzanalyse ordnet die Betriebe überwiegend korrekt (94,6%) den durch die Clusteranalyse ermittelten Gruppen zu, was darauf hindeutet, dass die Clusteranalyse die Werke sinnvoll nach ihrem Implementierungsgrad gruppiert hat. Die Clusteranalyse trennt demnach die Werke in Gruppen hoher, mittlerer und niedriger Implementierung. Ein Vergleich der Mittelwerte zwischen den drei Clustern zeigt Unterschiede bezüglich verschiedener Leistungsmaße. Der Großteil der T-Tests ist auf einem signifikant hohen Niveau (p4
8% 12% 10%
Lieferantenseiten (Ø: 2 Ebenen)
20%
30%
40%
Kundenseite (Ø: 1,8 Ebenen)
Fehlende bis 100% mit der Antwort „Keine Auskunft“
Abb. 7: Sichtweite der befragten Unternehmen entlang ihrer Supply Chains
Zusätzlich erschwert mangelnde Transparenz den Aufbau von Vertrauen unter den Supply Chain Partnern. Wie Christopher und Lee mit ihrer Risikospirale darstellen, führen mangelnde Transparenz und geringe Sichtweiten der Unternehmen zu einem geringen Vertrauen innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerkes.35 Die Folge ist, dass 34 35
Vgl. Svensson (2004); Jüttner (2005). Vgl. Christopher/Lee (2004).
56 Wolfgang Kersten, Philipp Hohrath _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
viele Unternehmen Sicherheitsbestände aufbauen, die die Transparenz innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerkes weiter einschränken. Der Mangel an Transparenz verstärkt sich auf diese Weise selbst und führt zu einem überhöhten Bestandsniveau innerhalb des gesamten Netzwerkes. Das interorganisatorische Risikomanagement befindet sich im Bereich der Bestände damit in einem Spannungsfeld zwischen der Produktionsstrategie eines Unternehmens und dem Supply Chain Management. Defizite des Supply Chain Management, wie mangelndes Vertrauen, führen, wie von Christopher und Lee gezeigt, zu einer Erhöhung der Bestände. Diese Reaktion ist aus Sicht eines einzelnen Unternehmens verständlich, sie reduziert die Verwundbarkeit dieses Unternehmens. Gleichzeitig behindert sie aber auch das interorganisatorische Risikomanagement, bei dessen Funktionieren eine solche Reaktion wiederum überflüssig wäre. Für die Produktionsstrategie ergibt sich daraus, dass ähnlich der Austrocknung des Sees der Bestände36 auf Unternehmensebene, die Gesamtbestände der Supply Chain reduziert werden müssen, um Probleme offenzulegen und Transparenz zu schaffen. Entscheidungen zur Produktionsstrategie haben damit nicht nur einen direkten Einfluss auf die Risikosituation eines Unternehmens, sondern auch auf seine Fähigkeit zum interorganisatorischen Risikomanagement.
Fazit Das Supply Chain Risk Management und die Produktionsstrategie sind eng mit dem Konzept des Supply Chain Managements und der Supply Chain Strategie verknüpft. Das Supply Chain Risk Management wurde als Baustein in das Supply Chain Management eingefügt, um neuen Risiken und der steigenden Verwundbarkeit der Unternehmen, die mit der zunehmenden Integration in Supply Chain Management Ansätze entsteht, zu begegnen. Besonders schlanke Wertschöpfungsnetzwerke, mit einer auf Effizienz ausgerichteten Supply Chain Strategie, sind anfällig gegenüber solchen Störungen. Die Produktionsstrategie kann in vielen Bereichen als Umsetzung der übergeordneten Supply Chain Strategie auf betrieblicher Ebene betrachtet werden. In der Supply Chain Strategie wird die grundsätzliche Ausrichtung eines Wertschöpfungsnetzwerkes für möglichst alle Partner festgelegt. Diese Ausrichtung gibt den Rahmen für die Formulierung der Produktionsstrategie vor. Die Entscheidungsfelder der Produktionsstrategie beeinflussen auch das Risiko, dem ein Unternehmen ausgesetzt ist. Auch ist dieser Einfluss durch die steigende Verwundbarkeit der Wertschöpfungsnetzwerke nicht auf ein Unternehmen begrenzt. Vielmehr werden durch die Gestaltung des Produktionssystems in einem Unternehmen auch die Versorgungs- bzw. Nachfragerisiken seiner Supply Chain Partner de36
Vgl. Suzaki (1993).
Supply als Element der Produktionsstrategie 57 ____________Chain __________Risk ________Management _________________________________________________________________________________________________________________________
terminiert. Doch gerade die Versorgungs- bzw. Nachfragerisiken stellen die gefährlichsten Risiken für Unternehmen dar. Damit haben Entscheidungen zur Produktionsstrategie einen Einfluss auf Risiken entlang der gesamten Supply Chain. Die Integration eines gemeinsamen, unternehmensübergreifenden Risikomanagements in die Produktionsstrategien der einzelnen Unternehmen scheint also sinnvoll. Allerdings können bei der bisherigen Umsetzung des Supply Chain Risk Managements Defizite festgestellt werden, obwohl die meisten Unternehmen die prinzipielle Relevanz des Konzeptes erkannt haben. Auslöser hierfür ist unter anderem die mangelnde Transparenz innerhalb der Wertschöpfungsnetzwerke. Diese wird durch Faktoren verursacht, die in den Entscheidungsfeldern der Produktionsstrategie liegen. Mangelnde Transparenz ist zudem Auslöser für mangelndes Vertrauen unter den Supply Chain Partnern, was ein weiteres Hindernis des Supply Chain Risk Managements darstellt. Die Produktionsstrategie beeinflusst damit also nicht nur die Risikosituation eines Unternehmens, sondern schafft auch die Voraussetzung für ein wirksames Supply Chain Risk Management. Bei der Formulierung der Produktionsstrategie sollten stets Aspekte des Supply Chain Risk Managements berücksichtigt werden. Direkt kann dieses über die Aufnahme des Supply Chain Risikos im Zielsystem der Produktionsstrategie erfolgen. Indirekt kann eine Minimierung des Supply Chain Risikos durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für ein überbetriebliches Risikomanagement erreicht werden. So sollten auch die Schaffung von Transparenz und der Aufbau von Vertrauen als Ziele der Produktionsstrategie angesehen werden.
58 Wolfgang Kersten, Philipp Hohrath _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
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Revenue eine Strategie für die Produktion in der Automobilindustrie? 61 _______________Management ____________________–____________________________________________________________________________________________________________________
Revenue Management – eine Strategie für die Produktion in der Automobilindustrie? Dieter Specht, Christian M. F. Gruß Als Folge der Deregulierung des US-amerikanischen Luftverkehrmarktes entwickelte sich in den späten 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Optimierungskonzept namens „Yield-Management“. Später wurde es in Theorie und Praxis auch als „Revenue Management“ bekannt. Im deutschsprachigen Raum existieren dafür Termini wie Preis-Mengen-Steuerung, Umsatz- oder Ertragsmanagement oder Erlösmanagement.1 Eine einheitliche Begriffsdefinition gibt es in der internationalen Forschergemeinschaft nicht. Während die etablierten Airlines Hub-and-Spoke Netzwerke aufbauten um so zusätzliche Märkte zu erschließen, drängten zur gleichen Zeit neue Low-Cost- und Charter-Airlines, so zum Beispiel PeopleExpress, auf den Markt. Dieser begann sich aufzuteilen: „Freizeitflieger“ setzten auf die neuen Billigflieger, während Geschäftsleute nach wie vor die etablierten Fluglinien wählten. Diese flogen häufiger, zu mehr Zielen und hatten ein besseres Image. Es zeigte sich, dass der Luftverkehr sehr preiselastisch war. Als Reaktion wurden preisgünstige Tickets von den etablierten Fluglinien angeboten, die jedoch viele Tage im Voraus gebucht werden mussten, vom Umtausch ausgeschlossen waren und den Rückflug erst einige Tage nach dem Hinflug ermöglichten. Dies sollte verhindern, dass Geschäftskunden bei großen Airlines zu billigen Ticketpreisen fliegen konnten. Die Billigtickets waren jedoch streng limitiert. Durch die Kombination der Kontingentierung (Kapazitätsbeschränkung) mit den Restriktionen der Nutzung, konnten „Freizeitflieger“ zurückgewonnen werden, ohne die Einnahmen aus Buchungen von Geschäftsreisenden zu schmälern. Der optimale Quotient von Discounttickets zu Standardtickets war aufwändig zu berechnen und hing von zusätzlichen Faktoren wie Wochentag, Flugziel und Jahreszeit ab. Es wurde erkannt, dass es ein System zu entwickeln galt, das die Zielfunktion „Umsatzmaximierung“ mit all den identifizierten Nebenbedingungen optimieren kann. DINAMO (Dynamic Inventory Allocation and Maintenance Optimizer) wurde entwickelt, ein komplexes Revenue Management System, das 1985 implementiert und zur integrierten Preis- und Kapazitätssteuerung eingesetzt wurde.2 1 2
Vgl. zum Beispiel Corsten/Stuhlmann (1998), S. 4; Friege (1996), S. 616; Ihde (1993), S. 111; Kimms/Klein (2005), S. 3; Zehle (1991), S. 484. Vgl. zum Beispiel Klein (2001), S. 246; McGill/van Ryzin (1999), S.233f.; Talluri/van Ryzin (2004), S. 6ff.; Tscheulin/Lindenmeier (2003), S. 630.
62 Dieter Specht, Christian Gruß _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Da sich das Revenue Management aus der Praxis heraus entwickelte, existieren mehrere kontextbezogene Definitionen.3 Besonders umfassend und neutral gegenüber Kontextbezügen sind die Festlegungen der Autoren Klein und Corsten/Stuhlmann: „Revenue Management umfaßt eine Reihe von quantitativen Methoden zur Entscheidung über Annahme oder Ablehnung unsicherer zeitlich verteilt eintreffender Nachfrage unterschiedlicher Wertigkeit. Dabei wird das Ziel verfolgt, die in einem begrenzten Zeitraum verfügbare, unflexible Kapazität möglichst effizient zu nutzen.“4 „Yield Management ist ein Ansatz zur integrierten Preis- und Kapazitätssteuerung, mit dem Ziel, eine gegebene Gesamtkapazität so in Teilkapazitäten aufzuteilen und hierzu Preisklassen zu bilden, daß eine Ertrags- oder Umsatzmaximierung erreicht wird. Zur Realisation dieses Anspruchs dient der Aufbau und die Nutzung einer umfassenden Informationsbasis.“5
Kontingentierungsproblematik Zentrale Instrumentarien der Kapazitätssteuerung im Revenue-Management sind neben den Überbuchungstechniken die Kontingentierung begrenzter Kapazitäten.6 Die Entscheidungsträger einer Unternehmung stehen bei der Anwendung sogenannter Independent Demand Modelle bei einer eintreffenden Reservierungsanfrage vor der Entscheidung diese anzunehmen oder abzulehnen.7 Erschwerend wirken der stochastische Buchungsverlauf und die aus konkurrierenden Nachfragesegmenten eintreffenden Anfragen. Die Entscheidungsträger, beziehungsweise –systeme müssen zwischen möglichen Umsatzverlusten und Umsatzverdrängungen abwägen. In zeitlicher Reihenfolge haben sich drei Lösungsansätze herausgebildet: Buchungslimits, geschachtelte Buchungslimits und so genannte Bid-Preise. Die einfachste Möglichkeit zu entscheiden, ob ein Auftrag oder eine Reservierung angenommen werden soll besteht darin, den gebildeten Preisklassen Maximalkapazitäten zuzuweisen – einfache Buchungslimits. So kann nur die zugewiesene Kapazität pro Preisklasse verkauft werden. Wird eine neue Anfrage gestellt, ist lediglich die Restkapazität pro Klasse zu prüfen, um eine Entscheidung bezüglich Annahme oder 3 4 5 6 7
Vgl. Spengler/Rehkopf (2005), S. 125. Vgl. Klein (2001), S. 248. Vgl. Corsten/Stuhlmann (1998), S. 7. Vgl. Tscheulin/Lindenmeier (2003), S. 633. Bei den sogenannten Customer Choice Modellen, die derzeit vermehrt Aufmerksamkeit erfahren, wird darauf abgestellt den potenziellen Kunden Kaufalternativen anzubieten. Entscheidet sich ein Kunde für eine Alternative, kann eine Anfrage nach dieser Alternative nicht mehr abgelehnt werden.
Revenue eine Strategie für die Produktion in der Automobilindustrie? 63 _______________Management ____________________–____________________________________________________________________________________________________________________
Ablehnung zu fällen. Dieses Modell bringt jedoch einen großen Nachteil mit sich. Wurde die zugewiesene Maximalkapazität zu gering gewählt – also die Nachfrage falsch eingeschätzt – wird ein Auftrag der höherwertigen Preisklasse abgelehnt, obwohl eventuell in billigeren Preisklassen noch Kapazitäten zur Verfügung stünden. Diesen Mangel behebt das Modell der geschachtelten Buchungslimits (englisch: nested booking limits). Hierbei können höherwertige Preisklassen auf Kapazitäten von niederwertigen Klassen zugreifen, wohingegen die Umkehrung nicht möglich ist. Um bei den geschachtelten Buchungslimits eine Entscheidung bezüglich Annahme oder Ablehnung für einen Auftrag einer bestimmten Preisklasse zu treffen, muss zuerst geprüft werden, ob Kapazitäten – egal welcher Klassen – verfügbar sind. Ist dieser Abgleich positiv, gilt es im nächsten Schritt zu prüfen, ob die bis dato akzeptierte Anzahl an Aufträgen das geschachtelte Buchungslimit der angefragten Preisklasse übersteigt. Ist diese Anzahl kleiner, kann die Anfrage akzeptiert werden. Eine andere Entscheidungsregel basiert auf so genannten Protection-Levels. Dabei bleibt das Prinzip der geschachtelten Buchungslimits unverändert, lediglich der Blickwinkel wird verändert. Ein Protection-Level spezifiziert eine Menge an Kapazität, die für eine bestimmte Klasse, oder mehrere Klassen, reserviert – beziehungsweise geschützt – werden soll. Folgende Abbildung verdeutlicht diese Problematik:
Ertrag pro Auftrag
Klasse 1
Klasse 2
Klasse 3
100
60
30
18
22
10
b1=50 y1=18
b2=32 y2=40
b3=10
y3=50 b j = geschachteltes Buchungslimit yj = geschachtelte Protection-Levels
Abb. 1: Buchungslimits, geschachtelte Buchungslimits und geschachtelte Protection-Level (nach Talluri/van Ryzin 2004, S. 29)
64 Dieter Specht, Christian Gruß _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Die aktuellste Entwicklung ist unter der Bezeichnung Bid-Preise in die Literatur eingegangen. Der Bid-Preis stellt das dynamische Minimum dar, zu dem eine Unternehmung bereit ist eine Leistung zu erstellen. Vor allem für Probleme vernetzter Leistungserstellung ist die Methode des Bid-Preises besonders geeignet.8 Die Entscheidungsregel zur Annahme oder Ablehnung einer Auftragsanfrage ist dabei trivial: Jede Anfrage, die einen höheren Preis als den Bid-Preis bereit ist zu zahlen, wird angenommen. Alle anderen Anfragen werden abgelehnt. Nun taucht allerdings wieder die Problematik der einfachen Buchungslimits auf: höherwertige Preisklassen können nicht vor dem Zugriff niederwertiger Preisklassen geschützt werden. Durch möglichst kurze Zeitintervalle der erneuten Berechnung des Bid-Preises – im Idealfall nach jedem Abverkauf einer Kapazitätseinheit und/oder im zeitlichen Verlauf bis hin zur Leistungserstellung – kann dieses Problem jedoch beherrscht werden.
Revenue Management System der Ford Company In der Dienstleistungsbranche hat sich das Revenue Management Konzept gut bewährt und erreicht laut Cross Ertragssteigerungen von 3 - 7% bei relativ geringen Mehrkosten.9 Bertsimas spricht von 4% - 10%10 und Krüger nennt je nach Brache eine mögliche Steigerung des Erlöses von bis zu 10 %.11 Die Lufthansa AG bezifferte für das Jahr 1996 eine Ertragssteigerung in Höhe von etwa 485 Mio. Euro und für das Folgejahr 1997 einen erzielten Mehrerlös von etwa 715 Mio. Euro.12 Es stellt sich daher die Frage, ob diese Vorgehensweise auch auf das produzierende Gewerbe und speziell die Automobilbranche anwendbar ist. Die systematische Untersuchung von Kundenpräferenzen ist heutzutage Standard in der Automobilindustrie. Jedoch ist lediglich von der Ford Motor Company bekannt, dass sie ein Revenue Management System einsetzt und diesem einen hohen Stellenwert beimisst. Dies ist vor allem Lloyd Hansen zu verdanken, dem ehemaligen Vizepräsidenten von Ford und Vorstand der Geschäftseinheit „Revenue Management“.13 Die folgenden Informationen über dieses System sind aus der Literatur entnommen. Ford-interne Informationen konnten nicht eingesehen werden. Vor Einführung des Revenue Managements versuchte Ford die Anzahl der verkauften Fahrzeuge zu erhöhen, ohne auf deren Margen zu achten. Fahrzeuge mit geringeren Margen erfuhren eine erhöhte Verkaufsförderung im Gegensatz zu Modellen 8 9 10 11 12 13
Tscheulin/Lindenmeier (2003), S. 639. Vgl. Cross (1997). Vgl. Bertsimas/Popescu (2003), S. 257. Vgl. Krüger (1990), S. 241. Vgl. Klophaus (1998), S. 150. Vgl. White (2002).
Revenue eine Strategie für die Produktion in der Automobilindustrie? 65 _______________Management ____________________–____________________________________________________________________________________________________________________
mit höheren Margen, die zumeist teuerer waren. Durch den Verkauf geringwertiger Fahrzeuge konnten Händler leichter ihre Verkaufsquote einhalten. Damit ließ sich das Ziel einer Erhöhung der Stückzahlen erreichen. Durch die Einführung eines Revenue Management Systems erreichte Ford ein Umdenken. Die Entwicklung dieses Systems begann bereits 1995. Drei Jahre später wurde es in fünf von 18 Verkaufsregionen in Nordamerika eingesetzt. Während diese Regionen ihre Verkaufserlöse um circa 1 Milliarde Dollar übertrafen, verfehlten die anderen 13 Regionen das Ziel um rund 250 Millionen Dollar.14 Das von Ford eingesetzte System bedient sich dabei dreier Werkzeuge.15 Das erste Werkzeug („Package Optimizer“) definiert das Fahrzeug mit den für einen spezifischen Absatzmarkt optimalen Ausstattungspaketen. Die Kundenwünsche sollen mit der höchst möglichen Wahrscheinlichkeit erfüllt werden. Das zweite Instrument ist eine Pricing Software. Diese identifiziert optimale Anreizprogramme für jedes Fahrzeug und jeden spezifischen Markt. Bei dieser Analyse wurde festgestellt, dass „Ford Explorer“ Kunden mit günstigen Finanzierungsangeboten besser angesprochen wurden als durch Geld-Rabatte. Ganz im Gegensatz zu „Ford Focus“ Kunden, die mit Preisnachlässe besser angesprochen wurden als durch günstige Finanzierungsmöglichkeiten. Das dritte Unterstützungssystem dient vor allem den Ford Händlern. Ein web-basiertes System gibt ihnen Hinweise, welche Fahrzeuge sie mit welcher Ausstattung zu welcher Zeit bestellen sollen, um ihren Lagerbestand zu reduzieren und die Umschlagshäufigkeit zu erhöhen. Durch nachfolgende Darstellung soll das beschriebene System veranschaulicht werden.
14 15
Vgl. Coy (2000), S. 69. Vgl. Banham (2003).
66 Dieter Specht, Christian Gruß _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Ford Motor Company Ausstattungspaket I Daten Absatzmarkt I
Tool I
Ausstattungspaket II
Absatzmarkt I
Ausstattungspaket III
Daten Absatzmarkt II
Incentiveprogramm I Tool II Incentiveprogramm II
Absatzmarkt II
Händler I Daten Absatzmarkt III
Tool III
Händler II
Absatzmarkt III
Händler III
Abb. 2: Revenue Management System der Ford Motor Company16
Die eingesetzten Tools greifen auf Daten der Absatzmärkte zu. Die gesammelten Daten werden in geeigneter Weise verarbeitet und ein Output bezüglich Ausstattungspaketen, Anreizprogrammen und Hinweisen für Händler generiert. Die Systemergebnisse der ersten beiden Tools werden dabei für jeden spezifischen Absatzmarkt erzeugt. So könnte zum Beispiel festgestellt werden, dass ein Ausstattungspaket nur für die Absatzmärkte II und III sinnvoll erscheint, wohingegen ein anderes Paket nur für Markt I in Frage kommt. Wird das Vorgehen der Ford Motor Company mit dem Ablauf eines typischen Revenue Management Prozesses der Dienstleistungsbranche verglichen, lässt sich vermuten, dass Ford ein Revenue Management System zur Ertragssteigerung einsetzt. Die Daten zu Preisinformationen, Produktinformationen und Käuferverhalten generiert Ford aus den Absatzmärkten. Die oben beschriebenen Tools führen vermutlich die Prozessschritte Datensammlung, Prognose und Optimierung durch.
16
Darstellung wurde auf Basis von zur Verfügung stehenden, öffentlichen Unterlagen erstellt. Ford-interne Unterlagen standen nicht zur Verfügung.
Revenue eine Strategie für die Produktion in der Automobilindustrie? 67 _______________Management ____________________–____________________________________________________________________________________________________________________ Preisinformation
Produktinformation
Datensammlung
Prognosen
Optimierung
Kontrolle
Käuferverhalten
Abb. 3: Revenue Management Prozess (vgl. Talluri/van Ryzin 2004, S. 19)
Der Konzern fragt mit dem System die Kundenwünsche systematisch ab und produziert daraufhin sehr nah an den Bedürfnissen des Marktes. Inwieweit jedoch eine Kapazitätsoptimierung in den Automobilwerken mit diesen Tools vorgenommen und nach welchen Modellen das Gesamtsystem optimiert wird, lässt sich leider nicht abschätzen. Die zur Beurteilung benötigten internen Daten liegen nicht vor. Die gezeigten Instrumente deuten eher auf den Einsatz eines preisbasierten Revenue Management Systems hin, als auf ein kapazitätsbasiertes, wie es in vielen Dienstleistungsunternehmen der Fall ist. Wie das Beispiel der Ford Motor Company zeigt, scheint es grundsätzlich möglich zu sein, ein Revenue Management System in der Automobilindustrie einzusetzen.
Anforderungen an ein Automobil Revenue Management System OEMs bedienen sich seit 1997 sogenannter „Car-Konfiguratoren“.17 Diese ermöglichen dem Kunden lediglich ihr Wunschauto zusammenzustellen, bieten jedoch keine weitere Kommunikation beziehungsweise Interaktion mit dem OEM. Sie besitzen derzeit nur informativen Charakter. Die Flugzeugindustrie bietet ihren Kunden mehr Möglichkeiten. Produktalternativen bezüglich des Leistungserstellungszeitpunktes (Abflugtermine) in Kombination mit Preisen werden übersichtlich dargestellt. Ein Kunde hat nun die Möglichkeit seinen ursprünglichen Wunschtermin zu überdenken, um gegebenenfalls eine Preisreduktion zu realisieren, indem er eine andere Alternative auswählt. Das Kundeninterface eines Automobil Revenue Management Systems ist im Aufbau dem eines Car-Konfigurators ähnlich. Die Kunden geben ihre Wünsche bezüg17
Vgl. Schiemer (2004), S. 540.
68 Dieter Specht, Christian Gruß _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
lich Modell, Außenfarbe, Innenfarbe, Schaltung, Fahrwerk, Sonderausstattung oder Wunschliefertermin in das System ein. Für den Wunschliefertermin werden den potenziellen Kunden im Anschluss Produktalternativen zur Auswahl gestellt. Diese Alternativen stellen im Sinne der Gewinnmaximierung für den Automobilhersteller ein sogenanntes „effizientes Set“ von Möglichkeiten dar, die den Kunden angeboten werden können. Entscheidet sich ein Kunde für ein mögliches Fahrzeugmodell, soll es in einem Automobil Revenue Management System für den Hersteller nicht möglich sein, die Anfrage abzulehnen. Diese Bedingungen erfordern den Einsatz sogenannter Customer Choice Modelle. Das Modell basiert auf einer Nachfragemodellierung, welche Kundenpräferenzen berücksichtigt. Neben Preis, Lieferzeit und Ausstattungspaketen werden auch die Verfügbarkeit von Konkurrenzprodukten oder das Markenimage einem Fahrzeug mittels Attributen zugeordnet.18 Auch temporäre Probleme in der Supply Chain können durch Attribute modelliert und somit entschärft werden. Einem interessierten Kunden werden Produktalternativen je nach den Ausprägungen der Attribute angeboten. Liegt ein temporärer Engpass an einer Stelle der SupplyChain vor, können bestimmte Produkte aus dem sogenannten „effizienten Set“ herausfallen und kurzfristig nicht mehr als Wahlalternative zur Verfügung stehen. Erst bei einer kundenseitigen Akzeptanz einer längeren Lieferzeit werden solche Fahrzeuge wieder in die Alternativenliste aufgenommen. In einer empirischen Untersuchung von potenziellen Neufahrzeugkunden im Rahmen des ForLog Forschungsverbundes konnte gezeigt werden, dass eine Mehrheit der Kunden eine deutliche Verlängerung der Lieferzeit akzeptiert, wenn dadurch eine Preisreduktion erreicht werden kann.19 Es gilt zu klären, ob die Produktion von kundenindividuellen Fahrzeugen tatsächlich hinsichtlich des Liefertermins verändert werden kann, wenn ein Kunde bereit ist, mehr für sein Fahrzeug zu bezahlen. Wird die derzeitige Produktionspraxis der europäischen und nordamerikanischen Fahrzeughersteller untersucht, kann diese Frage bejaht werden. Denn Aufträge werden nicht selten bei den Fahrzeugherstellern in Pools gesammelt, um in Anschluss möglichst produktionsoptimal zu fertigen. Lediglich 48% der Fahrzeuge werden in Europa nach dem Build-to-order Prinzip hergestellt.20 Die BMW Group stellt seit der Einführung des „KOVP“ – Kundenorientierter Vertriebs- und Produktionsprozesses – eine positive Ausnahme dar.21 In einer Fahrzeugproduktion existieren unter anderem Farbpuffer, die eine möglichst optimale Lackierreihenfolge sicherstellen sollen. Dies bietet Ansatzpunkte, um eine Flexibilisierung hinsichtlich des Liefertermins zu realisieren. Wie viel ist eine der18 19 20 21
Zur detaillierteren Erläuterung sei auf Hofer (2003), S. 91f., 113ff. und van Ryzin/Liu (2004) hingewiesen. Vgl. Voigt (2006). Vgl. Holweg/Pil (2004), S. 12. Vgl. Reithofer (2005), S. 270ff.
Revenue eine Strategie für die Produktion in der Automobilindustrie? 69 _______________Management ____________________–____________________________________________________________________________________________________________________
artige Änderungsflexibilität für den Kunden wert?22 Die Forschung analysiert weiter, wie die Produktstrukturen zu modifizieren und Logistikkonzepte und -prozesse zu verbessern sind, um weiteres Flexibilisierungspotenzial der Automobilindustrie bereitzustellen.23 Die technische Realisierung eines komplexen Revenue Management Systems stellt die Forschung vor große Herausforderungen. Der Einsatz eines Modells zur Optimierung mehrstufiger Produktionen erscheint notwendig. Single-Ressource Modelle können die Anforderungen nicht erfüllen. Bei den Flugpreisen entsteht eine solche Aufgabe, wenn mehrere Teilflugstrecken zu einer Gesamtflugstrecke kombiniert und optimiert werden muss. In die Literatur ist dieses Optimierungsproblem unter dem Terminus „O&D Control“ (origin-destination) eingegangen. Die simultane Optimierung mehrerer Ressourcen erfordert die Berücksichtigung von Abhängigkeiten zwischen Ressourcen und erhöht die Komplexität eines Netzwerk Revenue Management Modells erheblich. Im Vergleich zu einem Single-resource Revenue Management Modell müssen im Netzwerk (multiple-resource) Revenue Management sehr viel mehr Daten gesammelt, gespeichert und verarbeitet werden. Diese Anforderung verteuert das benötigte Daten- und Informationssystem deutlich und erhöht dessen Komplexität.24 In einem Automobil Revenue Management System müssen über den Leistungserstellungszeitpunkt hinaus sowohl beständige Ressourcen, wie die Bauteile eines Autos, als auch nicht beständige Ressourcen, wie die Produktionskapazitäten, berücksichtigt werden. Die Lieferzeit stellt einen weiteren Freiheitsgrad dar. Die Modellierung mit einem generischen Algorithmus ist denkbar, jedoch kann mit großer Wahrscheinlichkeit damit kein Realtime-System betrieben werden. Für eine exakte Lösung ist das Problem derzeit zu komplex und die Entwicklung einer Heuristik muss stufenweise erfolgen. In der weiteren Forschung scheint zunächst eine Balance zwischen qualitativ hochwertigen approximiativen Verfahren und effizienten Algorithmen gefunden werden zu müssen. Ein Customer Choice Netzwerk Revenue Management System ist besonders geeignet, um die Anforderungen eines Automobil Revenue Management Systems abbilden zu können. Erste Forschungsarbeiten für die Dienstleistungsbranche existieren bereits.25
22 23 24 25
Vgl. dazu die aktuellen Forschungsarbeiten von Voigt/Staatmann/Schorr (2007), S. 1073. Siehe „ILIPT“ – Intelligent Logistics for Innovative Product Technologies. http://www.ilipt.org Vgl. Talluri/van Ryzin (2004). Siehe zum Beispiel folgende Artikel: Gallego/Iyengar/Phillips/Dubey (2004); Kimms/MüllerBungart (2006), S. 434ff.; van Ryzin/Liu (2004); Talluri/van Ryzin (2004); Xu/Hopp (2004); Zhang/Cooper (2005).
70 Dieter Specht, Christian Gruß _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Werden die Schwierigkeiten der Modellierung gelöst, kann eine weitere Zukunftsvision, der Autokauf des Endkunden mittels Internet direkt beim OEM, ohne Zwischenhändler, möglich werden. Frühere Konzepte, die das Internet stärker zum Direktverkauf von Fahrzeugen nutzten wollten, scheiterten. Nach einer eingehenden Schwachstellenanalyse früherer Konzepte sind neue Vorgehensmodelle zu entwickeln, die ein neues und funktionsfähiges Verkaufskonzept für die Automobilindustrie aufzeigen – besonders die modifizierte Gruppenfreistellungsverordnung aus dem Jahr 2002 beziehungsweise 200526 motiviert Automobilhersteller, über eine mögliche Veränderung im Vertriebssystem nachzudenken. Die Vision des Internetverkaufs zählt zu den Konzepten der ferneren Zukunft. Die Entwicklung eines Customer Choice Netzwerk Revenue Management Systems für die Automobilindustrie stellt in der längerfristigen Perspektive eine wirksame Strategie für die Produktion dar. Der Bestellprozess eines Automobilherstellers kann bis hin zur Produktionseinplanung verbessert und die Produktions- und Nachfrage-anforderungen können bei gleichzeitiger Gewinnmaximierung harmonisiert werden.
26
Vgl. Europäische Kommission (2002), S. 30ff.
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System im Produktionsmanagement 73 _____________Dynamics ________________zur ______Strategiesimulation ____________________________________________________________________________________________________________________
System Dynamics zur Strategiesimulation im Produktionsmanagement Andreas Größler Das Management industrieller Produktion befasst sich mit einem komplexen und dynamischen Sachverhalt der Unternehmensführung. System Dynamics stellt eine Methode zur Abbildung, Modellierung und Simulation solch dynamischer Systeme dar. Dabei wird Wert auf eine aggregierte und langfristige Perspektive auf die zu behandelnden Probleme gelegt, weswegen sich System Dynamics insbesondere für strategische Fragestellungen eignet. Daneben ist System Dynamics aber auch eine strukturelle Theorie darüber, wie sozio-ökonomische Systeme aufgebaut sind und wie diese funktionieren. In diesem Sinne stellen formale Modelle konstruiert nach dem System-Dynamics-Ansatz Inhaltstheorien der abgebildeten Realweltausschnitte dar. Der Zweck des Beitrags ist die Diskussion und Demonstration, wie die SystemDynamics-Methode und spezifische System-Dynamics-Modelle in der Lage sind, Fragestellungen aus dem Bereich des strategischen Produktionsmanagements zu erklären. Ausgehend von einem Verständnis der Produktion als charakterisiert durch Rückkopplungsbeziehungen und Ressourcenakkumulation werden prinzipielle Einsichten in das Design der Produktionsfunktion industrieller Unternehmen abgeleitet. Dabei kommen insbesondere strategische Aspekte des Produktionsmanagements zur Sprache. Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut. Zunächst wird der Bezug von System Dynamics zum Produktionsmanagement diskutiert. Dabei werden Rückkopplungsbeziehungen, Ressourcenakkumulation und Verzögerungen als allgegenwärtig im Produktionsmanagement identifiziert und daraus die prinzipielle Eignung von System Dynamics für strategische Probleme im Produktionsbereich gefolgert. Weitere Merkmale der System-Dynamics-Methode und das Theorieverständnis von System Dynamics werden danach besprochen. Dabei sollen auch Anmerkungen zur betrieblichen Anwendung von System Dynamics erwähnt werden. Der Beitrag schließt mit einer exemplarischen Auflistung relevanter System-Dynamics-Studien im Produktionsmanagement und einer Diskussion der Möglichkeiten der Kombination von System Dynamics mit anderen Methoden zur Theoriegenerierung im Produktionsmanagement.
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Rückkopplung, Akkumulation und Verzögerungen als Eigenschaften von Produktionssystemen Wie noch zu zeigen sein wird, handelt es sich bei System Dynamics um eine Theorie über die Struktur (und das sich ergebende Verhalten) von sozialen Systemen; gleichzeitig ist System Dynamics aber auch eine Methode, um die Struktur sozialer Systeme in Form von Diagrammen und mathematischen Gleichungen darzustellen. Ursprünglich wurde System Dynamics von Forrester1 zur Analyse von Industrieunternehmen entworfen. Heute findet System Dynamics für vielerlei Problemstellungen Anwendung, die durch sich im Zeitverlauf verändernde Prozesse gekennzeichnet sind, speziell im sozio-ökonomischen Systeme.2 System Dynamics ist eine Erweiterung der Steuer- und Regelungstechnik.3 Für gewöhnlich umfassen SystemDynamics-Projekte zwei Phasen: Konzeptualisierung/Modellbildung und Simulation/Experimente. Um dynamische Systeme darzustellen, existiert eine graphische Notation, mit der Fluss- und Zustands-Variablen in so genannten Level-Raten-Diagrammen unterschieden und kombiniert werden können.4 Die graphische Darstellung von Systemen mit dem Gebrauch dieser Syntax erweist sich als wertvolles Instrument, um komplexe Sachverhalte zu verstehen. Unterstützt wird der Prozess der Modellbildung und Simulation durch im Handel erhältliche Software-Pakete (z. B. Vensim, Powersim, oder iThink). Mit der Quantifizierung von Variablen und Verknüpfungen zwischen den Variablen wird ein System von Differential-Gleichungen erzeugt, das mit Hilfe von numerischen Algorithmen simuliert werden kann.5 Es existiert eine Vielzahl an Tests, um die Validität der Modelle zu untermauern, wobei die Validität immer in Relation zur Zielsetzung des Modellierungsprojektes zu sehen ist.6 Darüber hinaus gibt es Modulbibliotheken, die Komponenten zur Wiederverwendung enthalten.7 Schließlich stützen prototypische Prozessmodelle die Vorgehensweise in System-DynamicsProjekten;8 viele Autoren betonen die Bedeutung des Modellbildungsprozesses (nicht nur des daraus resultierenden Modells) zur Gewinnung von Einsichten in die Problemstellung.9 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Siehe Forrester (1961); Forrester (1958). Siehe Sterman (2000); zur Geschichte von System Dynamics Vgl. Lane (1999); Forrester (1989). Siehe Richardson (1991). Siehe Lane (2000); Forrester (1968), Kap. 5. Siehe Sterman (2000), S. 903 ff.. Vgl. Sterman (2000, S. 843 ff.); Forrester/Senge (1980); Barlas/Carpenter (1990); Barlas (1989). Vgl. Wolstenholme (2004); Liehr (2004); Hines (2000); Lane/Smart (1996). Vgl. Maani/Cavana (2000); Forrester (1994); Richardson/Pugh (1983). Vgl. Lane (1995); Sterman (1988); Forrester (1985).
System im Produktionsmanagement 75 _____________Dynamics ________________zur ______Strategiesimulation ____________________________________________________________________________________________________________________
Das zentrale Axiom von System Dynamics ist, dass Rückkopplungsschleifen die Bausteine aller sozialen Systeme bilden.10 Dies bedeutet, dass jeglicher Vorgang letztendlich eine Rückwirkung auf das Element des Systems hat, das den Vorgang originär in Gang gesetzt hat. Die Folgerungen aus dieser Definition sind, dass Handlungen nicht ohne Reaktion auftreten, dass Nebeneffekte in sozialen Systemen unumgänglich sind und dass Entscheidungen Wirkungen hervorrufen, die entfernt bezüglich Zeit und Raum liegen. Rückkopplungsschleifen werden durch kausale Verknüpfungen zwischen Elementen der Realität gebildet. System-Dynamics-Modelle bieten die kausale Beschreibung einer Systemstruktur (die aus Rückkopplungsschleifen besteht) und des Verhaltens, das sich aus dieser Struktur ergibt (die besonders durch Rückkopplungsschleifen beeinflusst wird). Es existieren zwei Arten von Rückkopplungsschleifen, so genannte negative (zielsuchende) und positive (selbst-verstärkende) Rückkopplungsschleifen. Beispiele aus dem Produktionsmanagement für die Existenz von negativen Rückkopplungsschleifen sind Bestands- oder Kapazitätsanpassungssysteme: wann immer tatsächlicher Bestand oder tatsächliche Kapazität einen festgelegten Richtwert unterschreiten, werden Anpassungen vorgenommen, indem Werkstoffe eingelagert werden oder in zusätzliche Maschinen und Personal investiert wird. Ein Beispiel für eine selbstverstärkende Rückkopplungsschleife ergibt sich, wenn sich durch ein Verbesserungsprogramm, das in der Fertigung eingesetzt wird, gestiegene Gewinne ergeben, die zu der Möglichkeit der Durchführung weiterer Verbesserungsprogramms führen, usw. Selbstverständlich sind diese Beispiele insofern vereinfacht, dass in realen Systemen wie in System-Dynamics-Modellen gewöhnlich mehr als nur eine Rückkopplungsschleife existiert. Beispielsweise kann für die eben beschriebene positive Rückkopplungsschleife angenommen werden, dass es auch eine daran gekoppelten zielsuchenden Rückkopplungskreis gibt (z. B. die Gesamt-Marktnachfrage- oder Kapazitätsbeschränkungen der zugrunde liegenden Mittel), denn andernfalls würde ein unbegrenzter Wachstumsprozess entstehen.11 Das Konzept der Rückkopplung ist so wichtig für System Dynamics, dass es ebenso verwendet wird, um die Grenze zu analysierender Sachverhalte zu definieren: alle Rückkopplungsschleifen, die eine erhebliche Auswirkung auf das Verhalten von sozialen Systemen haben, müssen in eine System-Dynamics-Untersuchung miteinbezogen werden.12 Wie allgemeine systemtheoretische Ansätze legt System Dynamics eine ganzheitliche Sichtweise nahe13 und versucht all die Faktoren als endogene Größen in die Modelle zu integrieren, die für das spezifische Problem relevant sind.14 10 11 12 13 14
Siehe Forrester (1961). Vgl. die “limits-to-growth”-Struktur bei Meadows (1982). Vgl. Forrester (1968), Kap. 4. Vgl. Senge (1990). Für ein Beispiel siehe Gonçalves et al. (2003).
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In der Tradition von System Dynamics werden Rückkopplungsschleifen als das strukturelle Hauptelement von sozialen Systemen betrachtet, so dass die anderen beiden Eigenschaften, welche die Relevanz von System Dynamics für das Produktionsmanagement ausmachen – Akkumulation und Verzögerungen –, lediglich als Ableitung aus der Existenz von Rückkopplungsschleifen betrachtet werden. Dennoch mehren sich in letzter Zeit die Stimmen, die das Konzept der Akkumulation für System Dynamics sogar bedeutender als Rückkopplungsschleifen angeben.15 Jede Rückkopplungsschleife enthält mindestens eine Variable, die den Zustand des Systems bewahrt und als Anfangswert zur Berechnung des simulierten Verhaltens genutzt werden kann. Diese Bestands-Variablen sind unabhängig von dem gewählten Beobachtungsintervall definiert; sie stellen den zeitlich Pfad eines Systems dar: sie verkörpern die Geschichte und legen gleichzeitig die Zukunft eines Systems fest. Beispiele aus dem Produktionsmanagement für das verbreitete Vorkommen von Akkumulationsprozessen sind das Anwachsen und Abbauen von Rohstoffen, Modulen und Fertigprodukten in der Abfolge von Produktionsstufen und Lagern;16 kumulativ aufeinander aufbauende strategische Fähigkeiten in der Produktion;17 und die Anhäufung von Erfahrung in der Produktion.18 Mit den Konzepten der Rückkopplungsschleifen und Akkumulation eng verbunden ist die Idee, dass Verzögerungen in sozialen Systemen allgegenwärtig sind. Kein betrieblicher Prozess kann instantan ablaufen. Entscheidungen führen zu Wirkungen, die zeitlich und räumlich scheinbar losgelöst von den ursächlichen Effekten sind. Mit Hilfe der Simulation verkürzt System Dynamics solche Verzögerungen, um ihre Wirkungen innerhalb eines akzeptablen Zeitrahmens analysierbar zu machen.19 In System Dynamics werden dabei zwei Hauptarten von Verzögerungen unterschieden: konservierende (Material-)Verzögerungen und nicht-konservierende (Informations-) Verzögerungen.20 Beispiele aus dem Produktionsmanagement sind Verzögerungen in Zusammenhang mit der Effektivität von Verbesserungsprogrammen; die benötigte Zeit, bis neue Arbeitskräfte vollkommen produktiv sind; Verzögerungen, die im Berichtswesen und bei Kontrollprozessen auftreten. Die resultierenden Verhaltensweisen von verzögerten Prozessen sind oft oszillierende Prozesse, die mit Hilfe von System Dynamics in unterschiedlichen Formen analysiert wurden, z.B. Geschäftszyklen21 und Kondratieff-Zyklen.22 15 16 17 18 19 20 21 22
Siehe Warren (2002). Vgl. Slack et al. (2004), Kap. 12. Vgl. Größler (2007); Ferdows/De Meyer (1990). Vgl. Henderson (1984). Siehe Kim/Senge (1994). Siehe Sterman (2000), S. 409 ff. Für Beispiele siehe Meadows (1970); Forrester (1976); Lorenz (1992); Liehr et al. (2001). Beispielsweise in Sterman (1985); Ryzhenkov (2000).
System im Produktionsmanagement 77 _____________Dynamics ________________zur ______Strategiesimulation ____________________________________________________________________________________________________________________
System Dynamics als Strukturtheorie System Dynamics ist eine Strukturtheorie dynamischer Systeme,23 die auf der Primärhypothese basiert, dass die Struktur von sozialen Systemen durch Rückkopplungsschleifen, Akkumulationsprozessen und Verzögerungen zwischen Ursache und Wirkung gekennzeichnet ist. Der Begriff „Strukturtheorie“ betont dabei, dass System Dynamics per se keine inhaltlichen Aussagen über die Elemente und Prozesse in sozialen Systemen bietet. Zudem stellt System Dynamics als solches keine Inhaltstheorie spezifischer sozialer Systeme dar, beispielsweise über die Struktur von Zulieferern in der Automobilindustrie. Als Strukturtheorie trifft System Dynamics Aussagen über die prinzipiellen Interdependenzen von Elementen in sozialen Systemen: System Dynamics postuliert, dass dynamische Prozesse in sozialen Systemen in Rückkopplungsschleifen erfolgen und dass die Geschichte der Systeme in den Zustandsgrößen enthalten ist. Darüber hinaus beeinflusst seine Geschichte die zukünftige Entwicklung eines Systems – ein Prozess, der oft von Zeitverzögerungen geprägt ist. Das „Produkt“ der Anwendung von System Dynamics als Strukturtheorie sind Modelle. System-Dynamics-Modelle sind Inhaltstheorien jener Systeme, welche sie repräsentieren: alle Variablen in System-Dynamics-Modellen symbolisieren reale Objekte; das Modell beinhaltet außerdem Verknüpfungen zwischen den Objekten, wie sie in der Realität existieren. Jedoch sind Modelle immer durch eine bestimmte Perspektive gekennzeichnet und verkörpern nicht das System als Ganzes und mit allen Details. So ist ein System-Dynamics-Modell eine Inhaltstheorie eines konkreten empirischen Sachverhalts.24 Das Modell bietet so einen Beobachtungspunkt, um das abgebildete System zu analysieren und zu verstehen; es ist jedoch keine Beschreibung des gesamten Systems oder gar aller sozialen Systeme. Amundson schlägt vier Kriterien vor, die verwendet werden sollten, um zu beurteilen, ob eine Theorie für das Produktionsmanagement von Relevanz ist:25 (1) übereinstimmende Sachverhalte, (2) aussagefähige Konzepte, (3) Erklärungsgehalt und (4) übereinstimmende grundlegende Annahmen. Obwohl diese Kriterien ursprünglich mit Inhaltstheorien in Zusammenhang gebracht werden (Amundson verwendet die Transaktionskosten-Theorie und den ressourcenbasierten Strategieansatz als Beispiele), können sie ebenso angewendet werden, um System Dynamics als Strukturtheorie zu beurteilen. (1) Übereinstimmende Sachverhalte: Die Phänomene, die in System Dynamics untersucht werden, sind komplexe und dynamische Systeme. Diese Charakterisierung stimmt mit Produktionsmanagement-Szenarien überein. Produktionssyste23 24 25
Siehe Lane (1999). Vgl. Barlas/Carpenter (1990); Clarkson/Simon (1960); McKelvey (1999); Sutton/Staw (1995). Vgl. zur Beziehung zwischen Modellen und Theorien Meredith (1993). Siehe Amundson (1998), S. 353.
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me können als die „Verknüpfung von Systemen, Menschen, Prozessen und Vorgängen“26 betrachtet werden, wobei Wert geschaffen wird – entweder in der Organisation oder innerhalb der zugehörigen Wertschöpfungskette. Vor diesem Hintergrund muss sich das Produktionsmanagement mit der Änderung von Anforderungen und Ressourcen befassen. (2) Aussagefähige Konzepte: Die hauptsächlichen Konzepte, die in System Dynamics verwendet werden sind (a) Rückkopplungsschleifen, (b) Akkumulationsprozesse und (c) Verzögerungen zwischen Ursache und Wirkung. Diese Konzepte sind, wie im ersten Abschnitt gezeigt, in vielen Situationen des Produktionsmanagements von Relevanz. Beispielsweise kann die Implementierung eines Verbesserungsprogramms durch eine Rückkopplungsschleife charakterisiert werden: das Verbesserungsprogramm hat Auswirkungen auf die Motivation der Arbeitskräfte und schließlich zurück auf das Verbesserungsprogramm, wenn sich die Motivation der Arbeitskräfte, aufgrund der Furcht mit einem erfolgreich Programm arbeitslos zu werden, verringert (a). Ein Beispiel für Akkumulationen ist die Dynamik von wachsenden und abnehmenden Beständen innerhalb einer Supply Chain (b). Der Wechsel einer Fertigungsstrategie vom NischenProduzent hin zu einem Massenproduzenten ist durch eine erhebliche Zeitverzögerung gekennzeichnet, die beispielsweise durch die benötigte Zeit, um Kapazitäten und Kundenansehen aufzubauen, entsteht (c). (3) Erklärungsgehalt: Die Konzepte von Rückkopplung, Akkumulation und Verzögerung erlauben verschiedene Phänomene des Produktionsmanagements zu erklären, wie in den Beispielen mehrfach aufgezeigt wurde. Im Allgemeinen liefern System-Dynamics-Modelle Erklärungen für bestimmte Sachverhalte, weil sie aus eine Reihe von kausalen Hypothesen zwischen Systemelementen bestehen. (4) Übereinstimmende grundlegende Annahmen: Grundlegende Annahmen über System Dynamics sind die Vorstellungen von Systemen und Kausalität. Beide Konzepte finden sich auch im Produktionsmanagement. Beispielsweise wird ein Produktionsprozess oft als ein Sub-System des übergeordneten Systems „Unternehmen“ aufgefasst, wobei es sich um eine Anwendung systemtheoretischer Terminologie und Ideen handelt. Zudem basieren Untersuchungen im Produktionsmanagement häufig auf der Annahme über quasi-gesetzhafte Ursache und Wirkungsbeziehungen, wenn beispielsweise die Wirkung eines Qualitätsprogramms auf die Fertigungsleistung ermittelt wird. Die Strukturtheorie System Dynamics fokussiert auf die Phänomene Rückkopplung, Akkumulation und Verzögerung. Dadurch liefert sie neue und ergänzende Einblicke in wohl bekannte Sachverhalte des Produktionsmanagements. Beispielsweise zeigen Gonçalves et al. wie die Betrachtung von Rückkopplungsbeziehungen zwi26
Siehe Hill et al. (1999), S. 148.
System im Produktionsmanagement 79 _____________Dynamics ________________zur ______Strategiesimulation ____________________________________________________________________________________________________________________
schen Produktverfügbarkeit und Kundennachfrage scheinbar unumstößliche Auffassungen vom Nutzen schlanker Bestände und dem Einsatz von schnell verfügbaren Kapazitäten widerlegt.27 Als weiteres Beispiel veranschaulicht eine Studie von Anderson et al., dass die Reduzierung von Durchlaufzeiten nicht unbedingt zu einer Dämpfung des Bullwhip-Effektes führen muss, sondern ihn im Gegenteil verstärken kann, wenn sie nicht mit Maßnahmen zur Kapazitätsanpassung koordiniert wird.28 Trotz des Nutzens von System Dynamics für das Produktionsmanagement und die vielfältigen Beispiele zur Anwendung von System Dynamics auf diesem Gebiet, hat System Dynamics wie alle Theorien „blinde Flecken“. Es existieren Eigenschaften der Realität, die System Dynamics nicht oder nur in geringem Maße in Betracht zieht, z. B. singuläre Ereignisse, die Unteilbarkeit bestimmter Objekte (System Dynamics erzeugt oft nicht-ganzzahlige Ergebnisse) und das Verhalten einzelner Agenten innerhalb eines Systems. Diese liegen nicht im Zentrum des Interesses, wenn es um die Anwendung der System Dynamics geht. System Dynamics bietet eine kontinuierliche Perspektive auf Systeme, die von relativ stabilen Vorgängen und Prozessen gekennzeichnet sind, und nicht von einer Reihe besonderer Ereignisse. Zudem lässt System Dynamics die Verhaltensanalyse von einzelnen Agenten oder Objekten (MikroVerhalten) nicht zu. Stattdessen werden in System Dynamics gleichartige Einheiten gruppiert, um das Verhalten solcher Bestände an Einheiten zu untersuchen (MakroVerhalten). Diese Eigenschaften von System Dynamics sind auch der Grund dafür, warum es gewöhnlich für strategische Belange eingesetzt wird, wenn die Betonung auf dem Verständnis der allgemeinen Dynamik einer Situation liegt und wenn es nicht notwendig oder möglich ist, das Verhalten aller einzelnen Agenten und Objekte eines Systems zu beschreiben. Wenn beispielsweise der Fokus der Analyse auf der Verfolgung eines unfertigen Produktes in einem Produktionsprozess liegt, ist eine Ereignisbasierte Simulation angemessener und leistungsstärker; wenn jedoch das Untersuchungsobjekt die Menge an unfertigen Erzeugnissen darstellt, die sich im Umlauf der Produktion befindet, ist System Dynamics geeigneter. Im Allgemeinen, wenn Ereignisse oder die Analyse einzelner Einheiten für die Beschreibung und die Handhabung eines Systems besonders bedeutend sind, können andere Ansätze der Modellbildung angebrachter verwendet werden (z. B. Ereignis-basierte Simulation, Warteschlangentheorie oder Agenten-basierte Simulation), die in diesem Artikel nicht berücksichtigt werden. Werden strategische Gesichtspunkte behandelt, ist es allerdings oft möglich, Aggregationen zu schaffen, die in einer vereinfachten, aber adäquaten Weise das allgemeine Verhalten eines in sich höchst komplex ablaufendem Systems beschreiben, ohne dieses komplexe System im Detail zu modellieren.29 27 28 29
Siehe Gonçalves et al. (2003). Siehe Anderson et al. (2003). Siehe Akkermans/Bertrand (1997), S. 953.
80 Andreas Größler _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Auf keinen Fall impliziert dies jedoch die prinzipielle Überlegenheit eines Modellierungs-Ansatzes gegenüber anderen. In der Praxis verwendet System Dynamics Instrumente und Konzepte von anderen Ansätzen. Zwar geht man in System Dynamics davon aus, dass die meisten realistischen Systeme mit beachtlicher Komplexität nicht tatsächlich optimiert werden können (im Sinne des Findens einer besten Lösung). Dennoch machen moderne System-Dynamics-Anwendungen von OptimierungsAlgorithmen Gebrauch, die zur Ermittlung von robusten Lösungen für Parameter und Entscheidungsregeln eingesetzt werden.30 Obwohl System Dynamics von der nichtlinearen Natur komplexer Systemen ausgeht (ausgelöst durch Rückkopplungsschleifen und Akkumulation), wird Linearisierung als eine wichtige Heuristik für Kontrollsysteme anerkannt.31
Anwendungen von System Dynamics im Produktionsmanagement Bertrand und Fransoo unterscheiden modellbasierte Artikel im Produktionsmanagement entlang zweier Dimensionen:32 „empirisch“ versus „axiomatisch“ und „deskriptiv“ versus „normativ“. Bezüglich dieser Klassifizierung können SystemDynamics-Studien als empirisch eingeordnet werden: im Gegensatz zu axiomatischen Studien werden System-Dynamics-Modelle auf Grundlage der Empirie erstellt, nicht basierend auf abstrakten Konzepten. In Bezug auf die andere Dimension hat System Dynamics nicht vordergründig die Aufgabe ein analytisch lösbares Modell abzuleiten, sondern ein System mit seiner entsprechenden Komplexität zu untersuchen.33 System-Dynamics-Modelle sind daher eher deskriptiv als normativ. Dennoch ist die Verbesserung von realen Systemen ein Ziel von System Dynamics, ohne einer optimalen Lösung nachzugehen. Optimalität lässt sich nur in entweder weniger komplexen, künstlichen Situationen oder wenn Agenten vollständige Rationalität aufweisen erzielen. Beide Annahmen gelten im Allgemeinen nicht für System-Dynamics-Projekte und für typische Fragestellungen des Produktionsmanagements, mit dem gewöhnlichen Ziel “to compromise rather than optimise.”34 Es können fünf Hauptanwendungsbereiche von System Dynamics im Produktionsmanagement unterschieden werden:
30 31 32 33 34
Vgl. z. B. Coyle (1985); Graham/Ariza (2003). Vgl. beispielsweise Özveren/Sterman (1989). Siehe Bertrand/Fransoo (2002). Siehe Akkermans (1993). Hill et al. (1999), S. 142.
System im Produktionsmanagement 81 _____________Dynamics ________________zur ______Strategiesimulation ____________________________________________________________________________________________________________________
1) Beiträge, die sich mit Produktionsfluss und Supply Chain Management befassen,35 2) Artikel, die Verbesserungsprogramme in Produktionssystemen behandeln,36 3) Autoren, die auf Sachverhalte des Projektmanagements eingehen,37 4) eine Anzahl von Schriften zur Produktneuentwicklung, Innovation und Diffusion,38 und 5) Studien über die Wirkungen von verschiedenen Produktionstechnologien.39 Trotz der Vielzahl erfolgreicher Anwendungen werden im Produktionsmanagement Modellbildung und Simulation meist als eine “rationalistische” und rein “deduktive” Vorgehensweise zur Generierung von neuem Wissen betrachtet.40 Die Grundlage für diese Perspektive bilden Operations-Research-Modelle und die sich aus ihnen ergebenden Theorien (beispielsweise die Warteschlangentheorie). Wie Swamidass feststellt, sind unklare und komplexe Sachverhalte (wie etwa fertigungsstrategische Fragestellungen) für solcherart deduktive Forschung nicht geeignet.41 Dieser Beitrag argumentiert, dass dies nicht zu bedeuten hat, dass Modellbildung und Simulation generell nicht für strategische Sachverhalte im Produktionsmanagement angewendet werden können. So handelt es sich bei System Dynamics um eine Strukturtheorie und Modellierungsmethode, bei der die gebildeten Modelle auf empirischen Beobachtungen fundiert sind. Des Weiteren sind System-Dynamics-Modelle eher deskriptiv als normativ. Sie werden zur Analyse von komplexen und ungeordneten Konzepten verwendet (auch im strategischen Bereich). Jedoch hat dies zum Nachteil, dass die mathematische Eleganz der analytischen Herleitung von optimalen Lösungen verloren geht und man sich oft mit „nur“ stabilen Lösungen begnügen muss. Die Validität von System-Dynamics-Modellen zeigt sich in der Transferierbarkeit von Einsichten, die durch die Modelle für die Realität gewonnen werden.42 Beginnend mit Forrester’s Industrial Dynamics Modell wurden die Ergebnisse von System-Dynamics-Studien in realen Systemen implementiert und führten auch zu Verbesserungen dieser Systeme. Die Informationsbasis der System-Dynamics35
36 37 38 39 40 41 42
Siehe beispielsweise Forrester (1958); Towill (1982); Morecroft (1983); Sterman (1989); Gupta/Gupta (1989); Wikner et al. (1991); Towill (1996); Fowler (1999); Anderson et al. (2000); Akkermans/Vos (2003); Spengler/Schröter (2003); Akkermans/Dellaert (2005). Siehe z. B. Sterman et al. (1997); Burgess (1998); Keating et al. (1999); Jambekar (2000); Repenning/Sterman (2001); Salge/Milling (2006); Thun (2006). Siehe beispielhaft Abdel-Hamid/Madnick (1991); Ford/Sterman (1998). Siehe exemplarisch Milling (1996); Milling/Maier (1996); Maier (1998); Repenning (2002); Stumpfe (2003). Siehe als Beispiele Ebrahimpour/Fathi (1984); Zahn et al. (1987); Zahn et al. (1998). Vgl. Meredith (1998); Swamidass (1991). Siehe Swamidass (1991). Vgl. auch Hill et al. (1999). Vgl. Hill et al. (1999).
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Modellbildung stellen dabei empirische Analysen wie Befragungen, Erhebungen und Beobachtungen dar.43 Zudem sind für die Erstellung von Simulationsmodellen qualitative Methoden zur Wissensgenerierung – wie Fallstudien und Interviews44 – angebracht und nützlich, wobei dabei beispielsweise einem „grounded theory“-Ansatz gefolgt werden kann.45 Eine Kombination aus einer Fallstudie mit einem SystemDynamics-Modell, um unerwünschte Wirkungen von Total Quality Management darzustellen, liefert ein prototypisches Beispiel für diese Art von Arbeiten.46 Um eine „deduktive-induktive Balance“ zu erreichen, begnügen sich SystemDynamics-Studien weder nur mit empirischen Analysen noch nur mit abstakten Modellen. Vielmehr verlaufen empirische Arbeit und Modellbildung iterativ: die Empirie führt zu einem Simulationsmodell, das wiederum einen zusätzlichen Bedarf an gezielten empirischen Untersuchungen aufzeigt etc. Simulationen können als Experimente verstanden werden und dienen zusammen mit Feldstudien als Instrumente der Theorieprüfung.47 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass System Dynamics eine Strukturtheorie sozialer Systeme darstellt, die im Kontext des Produktionsmanagements erfolgreich eingesetzt werden kann. Seine Haupteigenschaften als Strukturtheorie sind die Konzentration auf Rückkopplungsschleifen, Akkumulationsprozesse und Verzögerungen. System-Dynamics-Modelle sind Inhaltstheorien sozialer Szenarien, beispielsweise eben von Sachverhalten aus dem Produktionsmanagement. Die Entwicklung von Simulationsmodellen (und damit die Entwicklung einer Inhaltstheorie) ist ein Prozess, in dem Modellbildung und empirische Arbeit in Iterationen verläuft. Modellsimulationen sind eine Form des Experimentierens, in der die Theorie (dargestellt mit Hilfe des Modells) evaluiert wird, wenn die Überprüfung in der realen Welt nicht möglich oder angemessen ist.
43 44 45 46 47
Vgl. Rungtusanatham et al. (2003); Scudder/Hill (1998). Vgl. Hill et al. (1999); Meredith (1998). Siehe Glaser/Strauss (1967); Yin (1994). Siehe Oliva/Sterman (2001). Vgl. Phelan/Wigan (1995).
System im Produktionsmanagement 83 _____________Dynamics ________________zur ______Strategiesimulation ____________________________________________________________________________________________________________________
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Führungsverantwortung in Unternehmen 89 _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Führungsverantwortung in Unternehmen Horst Wildemann
Was bedeutet es, die Verantwortung für ein Unternehmen zu übernehmen? Man kann es sich einfach machen: Geld soll das Maß aller Dinge sein. Mehr ist gut, weniger ist schlecht. Wenn ein Management es nicht schafft, im Quartalsrhythmus die Gewinne zu steigern, dann muss es weg. In Krisenzeiten rollen dann die Köpfe. In Europa, so haben vergleichende Untersuchungen ergeben, kann sich ein Vorstandschef heute im Durchschnitt nur noch 6,5 Jahre im Amt halten. In den USA, dem Heimatland des Shareholder Value, sind es immerhin noch 9,5 Jahre. Die Ursache dafür ist die wirtschaftliche Misere auf dem alten Kontinent. In der Krise wird gefeuert, weil die Ergebnisse nicht mehr wachsen. Die Frage, ob das richtig sein kann, muss heute mit Nachdruck gestellt werden. Wollen wir tatsächlich eine unternehmerische Elite, die nur am Gewinn gemessen wird? Wollen wir tatsächlich eine Elite, die nur noch in mehr Geld denkt und durch mehr Geld zu motivieren ist? Oder wollen wir etwas anderes? Warum sollten wir überhaupt etwas anderes wollen? Wir sollten unbedingt etwas anderes wollen. Denn die Konsequenz der reinen Lehre vom Mehr führt in eine Sackgasse: Wenn der Kapitalismus für nichts anderes mehr da ist, als ununterbrochen mehr Kapital zu produzieren, dann wird das Geld zum zentralen Selbstzweck der Unternehmen, des Managements – und der ganzen Gesellschaft. Habgier als zentraler Wert einer Gemeinschaft kann nur im Zusammenbruch der gesellschaftlichen Ordnung enden. Hier hilft auch kein Trick. Die Trennung von Unternehmen und Gesellschaft in dem Sinne, dass im Unternehmen andere Werte gelten sollen als in der Freizeit, kann heute nicht mehr gelingen. Das Arbeitsleben, das Einkommen, der soziale Halt in der Firma und schließlich der gesamte Wertekatalog der Menschen – von den Lebenszielen über die Rente bis zur Position in der Gemeinschaft – sind untrennbar mit dem Zusammenhalt der Gesellschaft verknüpft. Das Ökonomische steht im Zentrum der zeitgenössischen sozialen Strukturen und Werteordnung. Die Gesellschaft bezieht ihre Werte immer stärker aus der Welt der Wirtschaft. In dieser Situation rückt die Wertorientierung der Führungskräfte an eine zentrale Stelle: Sie bestimmen, nach welchen Regeln das ökonomische Alltagsleben der Menschen abläuft, sie geben vor, welche Ziele verfolgt werden sollen und sie dienen als gesellschaftliche Vorbilder. Sie tragen damit eine Verantwortung, die weit über die Gewinn- und Verlustrechnung hinausgeht.
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Weil es so ist, macht die Frage nach der Führungsverantwortung von Managern Schlagzeilen in den Medien. Das Thema ist heiß. Die Bilanzskandale einiger Weltkonzerne, undurchsichtige Börsengeschäfte deutscher Manager, die Ablösung vieler Manager, das Missmanagement sowie die Hilflosigkeit der aktiven Manager als gesellschaftliche Leitfiguren nähren den Verdacht, dass es mit der Führungsverantwortung auf der Topetage oft nicht weit her ist. Wenn es so ist, liegt das nicht zuletzt daran, dass es keinen verbindlichen Wertekanon gibt. Gleichzeitig stehen Wirtschaft und insbesondere ihre handelnden Personen im Mittelpunkt eines öffentlichen Interesses, das beständig zunimmt. Wirtschaftsnachrichten, Konjunkturberichte und Wachstumsprognosen werden begierig aufgenommen. Die Höhe der Arbeitslosigkeit ist ein Wahlkampfthema. Das Bewusstsein der Bürger, mehr von der Ökonomie abzuhängen als von der gewählten Regierung, ist nicht zu Unrecht weit verbreitet. Die Politik zieht sich immer mehr auf eine Verwaltung der wirtschaftlichen Ressourcen zurück. Sie ist aber nicht in der Lage, eigene gesellschaftlich relevante Ziele zu setzen. So bleibt wieder einmal nur die Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Aufschwung, der mit einem Schlag alle Probleme der Arbeitslosigkeit und der Finanzierung der sozialen Netze lösen kann. Die Fixierung auf das ökonomische System legt die Verantwortung für das Wohlergehen der Gesellschaft in einem nie gekannten Ausmaß dem Management von kleinen und großen Unternehmen in die Hände. Der Beruf, der Job, die Rente und das Geldverdienen sind zum Brennpunkt einer Gesellschaft von Ich-orientierten Individualisten geworden. Durch die Aufwertung des Lebensbereichs Wirtschaft in den Wertvorstellungen der Bürger werden völlig neue Anforderungen an das Management der Unternehmen herangetragen – ob sie danach gefragt haben oder nicht. Durch zusätzliche Gesetze, durch neue Anforderungen der Konsumenten, der Kapitaleigner und Anleger, durch neue Wünsche der Kreditwirtschaft und der Börsen wird das Umfeld Wirtschaft einem wahren Veränderungsstress ausgesetzt. Doch so tumultuös die Veränderungen auch sind, von einer Führungskraft wird ununterbrochen die Erfüllung aller Normen und Moden erwartet. Nachhaltigkeit, Korrektheit in jeder Hinsicht, soziale Verantwortung und Innovation sind noch die geringsten Anforderungen. Jede Interessengruppe konfrontiert die Wirtschaft mit ihren Forderungen. Wer als Manager nicht schnell genug mitschwimmt, ist genau s o schnell von gestern. Er wird rücksichtslos ausgemustert. Ausreden gibt es da nicht. Auch wenn keine Führungskraft mit Sicherheit sagen kann, welche Werte in ihrer Verantwortung eigentlich gepflegt werden müssen. Wir müssen mit Klarheit erkennen, dass wir auf diesem Gebiet bisher versagt haben. Wir können nämlich keine Verantwortung verlangen, wenn wir gar nicht wissen, wofür und auf welche Weise ein Manager Verantwortung empfinden und tragen soll. Das heißt, die Frage nach der Führungsverantwortung des Managements muss systematisch angegangen werden. In der hektischen Entwicklung der vergangenen Jahre wechselten und wuchsen die
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Anforderungen an die Unternehmensführung mit hohem Tempo. Die Forderung nach Neugestaltung der sozialen Netze, Globalisierung, Umweltschutz, Dritte-Welt-Hilfe, der Abbau der Hierarchien, der Aufstieg des Outsourcing- und InternetManagements sowie die Entwicklung vernetzter Strukturen mit verteilter Führungsverantwortung sind nur ein Teil der Konzepte, mit denen sich die Unternehmensführung auseinandersetzen muss. Es ist eine der großen Aufgaben – und sie wird nicht nur von den Managern selbst zu bewältigen sein – herauszufinden, wo die Schwerpunkte liegen sollen und welche Grundbestandteile zu einer richtig verstandenen Führungsverantwortung gehören.
Welche Strategien forcieren Führungsverantwortung? Leitlinien der Führungsverantwortung nach innen Gelebte Führungsverantwortung als Kernkompetenz des Unternehmens Führungsverantwortung ist nicht imitierbar Führungsverantwortung muss von der Unternehmensführung vorgelebt werden und überträgt sich dann auf das gesamte Unternehmen. Dabei können Werte, Verhaltensweisen und Regeln erst dann vermittelt werden, wenn sie glaubhaft auf allen Ebenen vertreten werden und die Führung dabei eine für alle erkennbare Vorreiterrolle übernimmt. Führungsverantwortung stellt somit das erworbene Vertrauen in das Management dar, das nicht per Beschluss von heute auf morgen eingeführt werden kann, sondern das erarbeitet werden muss. Gerade dadurch ist es für die Konkurrenz besonders schwer, kurzfristig ein solches Vertrauen aufzubauen, da ihr die Historie für die Glaubhaftigkeit fehlt. Die Führungsverantwortung wird in der Regel durch Personen wahrgenommen, die wiederum nach ihrem persönlichen Verhalten hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit beurteilt werden. Um dieses Vertrauen nicht mit jeder neuen Person erneut aufbauen zu müssen, obliegt der Auswahl beziehungsweise der Entwicklung von Führungskräften eine besondere Aufgabe. Sie müssen neben den im Unternehmenslebenszyklus notwendigen Veränderungen ebenso glaubhaft die Werte eines Unternehmens vertreten, so dass ein für Konkurrenten nur schwer nachzuahmender Wettbewerbsvorteil erzielt werden kann. Gerade Unternehmen, die ein solches Wertesystem pflegen, haben die Chance, Verantwortung an Mitarbeiter zu delegieren oder in Krisenzeiten unpopuläre Maßnahmen durchzuführen, ohne das Vertrauen der Mitarbeiter zu verlieren.
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Führungsverantwortung bietet Differenzierungspotenzial gegenüber dem Wettbewerb Obwohl Führungsverantwortung nicht vom Kunden als Nutzen empfunden werden kann, sind Informationen über das unternehmerische Handeln für die Interessengruppen eines Unternehmens jederzeit offen verfügbar. Dabei kann eine verantwortungsvolle Unternehmensführung in Bereichen wie dem Umweltschutz und dem sozialen oder kulturellen Engagement dazu beitragen, das Image des Unternehmens in der Öffentlichkeit nachhaltig zu stärken. Das bedeutet, dass gegenüber dem Wettbewerber ein Differenzierungspotenzial besteht. Denn obwohl der reine Produktnutzen sich eventuell von dem der Konkurrenzprodukte nicht unterscheidet, so unterstützt der Kunde durch den Kauf des Produktes die Werte, für die das Unternehmen steht. Dieser Zusatznutzen kann durch eine gelebte Führungsverantwortung in den Gedanken der Konsumenten verankert werden. Entgegen dem Trend der Arbeitsverlagerung in Billiglohnländer produziert der Hersteller von Sport- und Freizeitkleidung Trigema nur in Deutschland. Dabei ist das Unternehmen weder unrentabel noch setzt es sich über die hiesigen sozialen oder ökologischen Standards hinweg, sondern es kann durch sein couragiertes Eintreten für den Standort Deutschland sich in einer sehr hart umkämpften Branche erfolgreich behaupten. Gerade durch solch ein Engagement kann für ein Unternehmen die Führungsverantwortung zu einem Differenzierungskriterium gegenüber dem Wettbewerber werden. Als Beispiel für Unternehmen kann auch Volkswagen angeführt werden, in dessen Unternehmensleitbild die „Nachhaltige Entwicklung“ einen wesentlichen Bestandteil ausmacht. Unternehmerisches Handeln basiert im Konzern auf einer sozialen, ökonomischen und ökologischen Orientierung, was das Unternehmen dazu qualifiziert, in den Dow Jones Sustainability World Index und den britischen FTSE4Good Europe 50 aufgenommen zu werden. Führungsverantwortung bietet Zugang zu neuen Märkten Die Chancen für den Zugang zu neuen Märkten liegen nicht nur in innovativen Produkten und der Erforschung aktueller Technologien, sondern liegen auch in der Erschließung von geographisch weiter entfernten Absatzmärkten. Dabei stoßen Unternehmen aber sehr oft an kulturelle Barrieren, für die wenig Sensibilität aufgebracht wird. Anstatt die im eigenen Heimatmarkt erfolgreich umgesetzten Geschäftsstrategien dem fremden Markt aufzuoktroyieren, wird ein an die kulturellen Unterschiede angepasstes Vorgehen notwendig. Gerade durch das besondere Eingehen auf länderspezifische Geschäftsgebaren und auf differenzierte Kundenanforderungen kann eine Expansion in eine globale Ökonomie gemeistert werden.
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Das Verständnis von anderen Märkten und Kulturen kann von einzelnen Personen allerdings nur bedingt erlernt werden. Dies wird zur Folge haben müssen, dass in deutschen Unternehmen verstärkt Führungskräfte mit internationaler Erfahrung oder Herkunft gefördert werden. Der Führungsverantwortung obliegt es, diese speziellen Fähigkeiten und Kompetenzen im eigenen Unternehmen zu fördern. In der internationalen Ausrichtung des Managements liegt eine besondere Herausforderung, die durch die Integration von internationalen Führungskräften gemeistert werden kann. Im Prinzip bedeutet es, dass in deutschen Unternehmen Führungskräfte in das Management einziehen, die nicht zwingend in Deutschland geboren und ausgebildet wurden. Die Deutsche Bank hat zu diesem Zwecke ein international besetztes Group Executive Committee installiert, in dem die einzelnen Geschäftsbereiche durch eigene Vertreter repräsentiert werden und somit potenziellen Veränderungen des Geschäftsmodells ein besonderes Forum bietet. Die Führungsverantwortung erfüllt somit alle vier Kriterien, die an eine Kernkompetenz gestellt werden und stellt eine der Grundvoraussetzungen für eine nachhaltig profitable Unternehmensführung dar. Kontinuierliche Selbsterneuerung Veränderungen zu initiieren und zu begleiten, liegt in der Verantwortung der Unternehmensführung. Aktives Denken und Handeln sind kennzeichnend für eine erfolgreiche Führung. Die bloße Ankündigung einer Veränderung durch das Topmanagement reicht nicht aus, um notwendige Veränderungen herbeizuführen. Wohl aber reagiert die Börse sofort, nach dem Prinzip „Hoffnung und Erwartung“, auf derartige Ankündigungen des Managements. Um die Änderungen auszulösen, ist die Kraft, die im Inneren eines Motors erzeugt wird, auf die Straße zu bringen, das heißt, die Mitarbeiter zu motivieren und in den Change-Prozess aktiv einzubinden. Trotz umfangreicher Erfahrungen liegt das Fehlschlagrisiko bei größeren Veränderungsvorhaben zwischen 50% und 75%. Daher benötigt der Change das Topmanagement als „Sponsor“, der das Projekt begleitet, Türen öffnet, notwendige Entscheidungen und deren Durchsetzung unterstützt. Meist beginnt die Veränderung mit einer gemeinsamen Begeisterung für das Neue. Das Management stellt sich hinter den Veränderungsprozess und hebt die Bedeutung für das Unternehmen hervor, unterstützt durch ein Kommunikationskonzept. Mit Elan erarbeitet ein hoch motiviertes Team ein Sollkonzept, das tragfähig scheint. Probleme treten bei der Umsetzung auf, wenn die ersten Eingriffe in die Aufgabengebiete und damit in die persönlichen „Fürstentümer“ erfolgen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor, dem entgegenzuwirken, ist die Konzentration auf die Sachebene. Erfahrene Veränderungsmanager beherrschen auf der Sachebene des Wandels Methoden aus dem Projektmanagement. Eine Zielformulierung und eine umfangreiche Sinngebungskommunikation sind Instrumente, um den Veränderungsprozess auf der Verhaltensebene zu unterstützen. Die Einbindung der Betroffenen,
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die breite Information des Vorhabens an alle Mitarbeiter und das sichtbare Controlling des Fortschritts mit Hilfe von Meilensteinen und definierten Fortschrittsgraden sind weitere Eckpfeiler des Erfolgs. Von großer Tragweite ist die zügige Realisierung von sichtbaren Sofortmaßnahmen. Erreicht werden diese durch die Fragmentierung des Gesamtprozesses in überschaubare Teilprojekte. Mit Hilfe der GENESISMethode, die in mehreren hundert Projekten erfolgreich angewandt wurde, lassen sich derartige Erfolge schnell erzielen. Derartige Ziele sind nur bedingt zu quantifizieren. Dennoch lassen sich auch qualitative Ziele über Indikatoren messbar machen. Das Fundament des Erfolgs bildet eine kritische Anzahl von Mitarbeitern, die die Techniken des Projektmanagements beherrschen, den Dialog mit den Betroffenen suchen und gemeinsam mögliche Alternativen erarbeiten, diskutieren und implementieren. Die Mitarbeiter müssen die Möglichkeit erhalten, Dinge auszuprobieren. Bei klein- und mittelständischen Betrieben bietet sich durch die Überschaubarkeit der Organisation eher die Chance, über die Persönlichkeitsebene den Mitarbeitern Sicherheit zu geben und über die Identifikation der Mitarbeiter mit der Unternehmung eine gezielte Verhaltensänderung zu bewirken. Getrieben wird diese Veränderung häufig durch eine starke Unternehmerpersönlichkeit. In Großunternehmen ist das Vermitteln zukünftiger Rollenerwartungen schwieriger. Hier greift eine Personalentwicklungsstrategie auch zu kurz, da Führungskräfte häufig selbst großen Unsicherheiten ausgesetzt sind. Ein aktives Mitwirken an der Veränderung erhöht die Chance, die Veränderung auch aufgrund der eigenen Ziele mitzuorganisieren.
Leitlinien der Führungsverantwortung nach außen Corporate Governance: Kodex und gesetzliche Bestimmungen sind lediglich Leitplanken für eine verantwortungsvolle Führung Die anhaltende Häufung von Insolvenzen und Unternehmenskrisen in der deutschen Wirtschaft seit den 90er Jahren, von denen auch namhafte Großunternehmen wie die Philipp Holzmann AG, Enron und Worldcom nicht verschont geblieben sind, hat in Fachkreisen und der Öffentlichkeit zu einer regen Diskussion des Themas „Corporate Governance“ und der dualistischen Unternehmensstruktur (Vorstand und Aufsichtsrat) geführt. Hierunter versteht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine „Struktur von Beziehungen und entsprechenden Verantwortlichkeiten in einer aus Aktionären, Board-Mitgliedern und Managern bestehenden Kerngruppe zur bestmöglichen Förderung der nötigen Wettbewerbsleistungen, um das Hauptziel eines Unternehmens verwirklichen zu können“. Damit gemeint ist das System und die speziellen Rahmenbedingungen interner und auch externer Leistungs-, Kontroll- und Überwachungsmechanismen der Unterneh-
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mung hinsichtlich der Organisation der Unternehmensführung, Fragen der Mitbestimmung von Arbeitnehmern, Kapital- und Eigentumsverhältnissen und der Zusammensetzung der Kontroll- und Leitungsgremien. Viele Kritiker kommen zu einem offensichtlichen Ergebnis: Corporate GovernanceSysteme in der BRD und auch in anderen Ländern seien rechtlich und institutionell nicht ausreichend ausgeprägt, um die Konsequenzen betrügerischer und fahrlässiger Manager zu verhindern. So wurde von der OECD 1996 eine Initiative gestartet, die im Mai 1999 zu der Veröffentlichung eines Katalogs mit Grundsätzen führte. Der erste Schritt einer Anpassung der deutschen „Corporate Governance“ wurde im Mai 1998 durch eine Modifizierung von aktien- und handelsrechtlichen Vorschriften vorgenommen. Im Rahmen der Verabschiedung des Gesetzes „zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ – kurz KonTraG – wurden eine Verpflichtung zur Errichtung eines Überwachungssystems (Risikomanagementsystems) durch gesetzliche Vertreter, eine Erweiterung der Berichterstattungspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat, eine engere Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer und eine Prüfung des Überwachungssystems durch den Wirtschaftsprüfer vorgeschrieben. Die mit dem KonTraG verabschiedeten Bestimmungen zur Reform von Führungsund Verhaltensvorschriften wurden von Verbänden und der Öffentlichkeit als ein notwendiger erster, aber nicht hinreichender Schritt verstanden. Aufbauend auf den OECD-Grundsätzen und dem KonTraG entwickelte die Grundsatzkommission – der „Frankfurter Initiativ Kreis“ – einen „Code of Best Practice“, der von der Deutschen Vereinigung für Finanzanalysten und Asset Management (DVFA) in eine Balanced Scorecard integriert wurde. Im gleichen Zeitraum wurden ähnliche Richtlinien und Thesenpapiere vom „Berliner-Initiativkreis“ und der Schmalenbach-Gesellschaft / Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft erarbeitet. Das Institut der deutschen Wirtschaftsprüfer (IDW) veröffentlichte darüber hinaus sogar eine Empfehlung für ein KonTraG Teil II. Die vom Bundeskanzler beauftragte Regierungskommission hat in ihrem Bericht ‚Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts‘ Verhaltensregeln für die Führung und Kontrolle börsennotierter Unternehmen in Deutschland erarbeitet. Die im Kodex enthaltenen „international und national anerkannten Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung“ gelten für Vorstände und Aufsichtsräte und beinhalten zusätzlich „Informationspflichten“ gegenüber Aktionären. Gleichzeitig wurde die Rolle des Abschlussprüfers praxisnah festgelegt und durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz wurden wichtige Corporate Governance-Richtlinien umgesetzt. Zielsetzung des Kodex ist, das deutsche Corporate Governance-System transparent und nachvollziehbar zu machen, um das Vertrauen von nationalen und internationalen Anlegern, Kunden, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung
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börsennotierter deutscher Aktiengesellschaften zu fördern. Hierbei hat die Kommission keine Anregungen oder Empfehlungen übernommen, die zu einer Änderung der derzeit geltenden Gesetze geführt hätten, was den Ausschluss einer Vielzahl notwendiger Vorschläge zur Folge hatte. Die von der Bundesregierung verabschiedeten Gesetze und Richtlinien für eine Corporate Governance stellen so Leitplanken und Wegweiser für ein verantwortungsvolles Führungsverhalten von Managern und Aufsichtsorganen dar. Die verabschiedeten Gesetze beziehen sich jedoch vorwiegend auf börsennotierte Kapitalgesellschaften und gelten damit für den Großteil deutscher Unternehmen nur in ihrer Ausstrahlungswirkung. Die Institutionalisierung von Systemen zur Gewährleistung verantwortungsvoller Führung muss folglich über die Bestimmungen eines rechtlichen Corporate Governance-Konstrukts hinausgehen. Hier sei der Aufbau einer rechtlich unanfechtbaren Organisation genannt. Zur Vermeidung von Haftungsansprüchen wird eine nachweisbar festgelegte Aufbau- und Ablauforganisation gefordert, die Transparenz der Verantwortung, der Kompetenzen und der Delegation von Aufgaben gewährleistet. Die rechtlich einwandfreie Organisation beinhaltet die eindeutige Zuordnung und Darstellung von Schnittstellen in der Verantwortungskette von Arbeits- und betrieblichen Abläufen und hat sicherzustellen, dass die Pflichten zur Organisationsverantwortung durch die Unternehmensleitung sowie Vorgesetzte (d. h. der Anweisung, Auswahl und Überwachung) wahrgenommen wird. Die Maßnahmen sind dabei s o auszurichten, dass durch die Unternehmensaktivitäten keine Gefährdung oder Schädigung von Personen, Vermögens- / Sachwerten und Umwelt erfolgt. Corporate Identity und personenbezogenes Marketing zur Profilierung des Unternehmens Insbesondere bei fusionierten Unternehmen, wie DaimlerChrysler, EON oder Sanofi-Aventis geht es darum, gezielt bestimmte Werte des bisherigen Images in das neue zu übernehmen und gleichzeitig eine dem neuen Unternehmen angepasste und umfassende Identität zu entwickeln. Für das Profilieren eines Unternehmens intern wie extern wird deshalb in jüngster Zeit wieder stärker auf das CI-Konzept zurückgegriffen: Corporate Identity soll dem Unternehmen eine einzigartige Identität verleihen und zu einer starken Wettbewerbsposition führen. Corporate Identity ist das Erkennen, Gestalten und Verwirklichen des Identitätsimages eines Unternehmens. Unternehmen mit einer starken Coporate Identity beeinflussen Lebensgefühl und -stil ihrer Kunden-Zielgruppen, die Attraktivität als Arbeitgeber, das Vertrauen der Shareholder und die Verbundenheit und Motivation der eigenen Mitarbeiter. Ein Beispiel für ein Unternehmen, dem es gelang, den Lebensstil seiner Kunden zu prägen, war das Unternehmen Nike. Die Attraktivität als Arbeitgeber wurde dadurch
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gesteigert, indem die Mitarbeiter für das Image von Internationalität, Elite und Avantgarde arbeiten konnten. Die Wirksamkeit einer entwickelten CI entscheidet sich vor allem an der Authentizität und Glaubwürdigkeit des nach außen dargestellten Bildes. Die kommunizierte CI ist ein Versprechen, dessen langfristiger Wert von der Erfüllung abhängt. Für die Gestaltung der CI sollte deshalb gelten: „Was im Innern wahr ist, das gestaltet sich im Äußeren.“ (Laotse). Für eine authentische Realisierung spielen unterschiedliche Identitäten eine Rolle. Die tatsächliche Identität wird durch die aktuellen Merkmale des Unternehmens gebildet. Dabei spielen sowohl die Aspekte des Managementstils, der Organisation, der Produkte, der Marktposition und der Shareholder eine Rolle. Die kommunizierte Identität ist durch das Management mit allen Maßnahmen der Corporate Communication direkt beeinfluss- und gestaltbar. Die wahrgenommene Identität drückt sich dadurch aus, dass jede Interessengruppe im Unternehmen oder im Umfeld eine spezifische Wahrnehmung der CI besitzt – beschrieben als Image, Reputation oder Markenbild. Das Management hat zu entscheiden, welche Personengruppe dabei von Interesse ist. Die ideale Identität ist Ausdruck der optimalen Positionierung am Markt aufgrund strategischer Überlegungen. Die gewünschte Identität verdeutlicht, dass jeder Manager persönliche, meist nicht reflektierte Idealvorstellungen „seines“ Unternehmens besitzt, die mehr persönlichen Idealen und Wünschen entsprechen als nüchternen strategischen Überlegungen. Meist bestehen Dissonanzen zwischen den Identitäten. Führungsverantwortung nach außen drückt sich auch dadurch aus, mit den Diskrepanzen umgehen zu können. Das kann zu erheblichen Problemen führen, da sich die Wahrnehmung der Öffentlichkeit und der Mitarbeiter auf die tatsächliche und die kommunizierte Identität stützt. Eine Diskrepanz kann dazu führen, dass die kommunizierte CI in Zweifel gezogen wird und die Glaubhaftigkeit und Durchsetzungsfähigkeit des Managements in Frage gestellt wird. So stellte sich die Telekom in der Vergangenheit gern als international geprägtes Unternehmen dar. Tatsächlich war jedoch der Anteil internationaler Aktivitäten aufgrund der fehlgeschlagenen Internationalisierungsstrategie eher gering, was die Öffentlichkeit folglich als Unvermögen des Managements auslegte. Der Umgang mit Führungsverantwortung zeigt sich im Können, Charakter und Charisma. So ist es nicht verwunderlich, dass die Führungspersönlichkeit und die zu vermittelnde Botschaft zusammenpassen müssen. Der Führungswechsel bei der deutschen Telekom und bei Bertelsmann beruhte unter anderem auch darauf, dass die strategische Neuorientierung dieser Unternehmen nicht glaubhaft von den bisherigen Führungspersönlichkeiten kommuniziert werden konnte. Und dabei spielen weniger die verbalen Äußerungen eine Rolle, sondern das persönliche Verhalten und die sichtbaren Eindrücke, die die Adressaten erreichen. Dieser Aspekt wird mit einem personifizierten Marketing von Unternehmensaktivitäten verknüpft.
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Das personenbezogene Marketing konzentriert sich auf die Verkaufswirkung der Persönlichkeit des Unternehmensvertreters. An dieser Stelle ist zu nennen, dass der Unternehmensvertreter nicht zwingend die Funktion des Unternehmensleiters innehaben muss. Erfolgreiche Projekte können ebenso durch die Person des Projektleiters umsatzsteigernd vermarktet werden. Ausschlaggebend ist die absatzfördernde Wirkung der Persönlichkeit. In der Öffentlichkeit stehende Personen mit einem zum Produkt und Unternehmen passenden Image übertragen ihr Ansehen in der Marketingkampagne auf das gewünschte Objekt. Sie stellen somit Repräsentanten des Unternehmens dar und verkörpern Führungsverantwortung. Über das erzeugte Image, also das Persönlichkeitsbild, das andere Personen von jemandem haben, lässt sich Vertrauen in das Produkt oder die Dienstleistung des Unternehmens ableiten. Eine ideale Verbindung stellt das Zusammenspiel von Produkt und einer starken und eigenständigen Persönlichkeit dar. Als aktuelle Beispiele sind Namen wie Meister Proper, Herr Kaiser oder die Gottschalks für die Post zu nennen. Die Merkmale einer starken Persönlichkeit dienen der Vermittlung von Vertrauen und Kompetenz. Ein wesentliches Merkmal einer starken Persönlichkeit besteht darin, eine persönliche Identität durch die Beziehung zu anderen Menschen zu formen und durch intensiven Austausch ein Annähern von Selbstbild und Fremdbild zu schaffen. Zweites Merkmal ist die Kontinuität des Markenleitbildes. Mit Konstanz soll nicht das Festhalten an alten Konzepten verstanden werden. Auch eine Weiterentwicklung im Sinne einer Modernisierung und Anpassung wird für eine starke Persönlichkeit von Zeit zu Zeit relevant. Die Elemente einer Person müssen eine stimmige Unternehmens- und Markenpersönlichkeit vermitteln, um das dritte Merkmal, die Konsistenz zu erfüllen. Die Individualität stellt das vierte Merkmal dar. Ein einzigartiges, sich von der Konkurrenz abhebendes Produkt in Verbindung mit einer starken Persönlichkeit ist unabdingbar für den Erfolg des Produkts. Zwei hervorzuhebende Beispiele für die Übernahme von Führungsverantwortung in Form von personifiziertem Marketing von Unternehmensaktivitäten sind die langjährigen Unternehmensleiter der amerikanischen General Electric und der deutschen BMW AG. Jack Welch und Eberhard von Kuenheim haben beide mehr als 20 Jahre an der Spitze dieser erfolgreichen Konzerne gestanden und diese durch ihre starke Persönlichkeit geprägt. Fairness, gemeinsame Verantwortung und gegenseitiges Vertrauen bestimmen Kundenbeziehungen und partnerschaftliche Zusammenarbeit Es reicht nicht aus, Verantwortung nur auf Geschehenes zu begrenzen: Verantwortung ist als vorausschauende Verpflichtung zu betrachten. Um diese wahrnehmen zu können und damit die Verantwortungsfähigkeit zu ermöglichen, ist der nötige Zugriffs- und Einflussbereich sicherzustellen. Beziehungen weisen vernetzte, langfristige Strukturen auf und ermöglichen eine Wissensbasis für den Aufbau von Ver-
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antwortungsfähigkeit. Handlungsfolgen betreffen die Bewertung der Ergebnisse von Unternehmensentscheidungen. Als Maßstab der Bewertung der Folgen von Entscheidungen und Handlungen dient der Nutzen, der ein Hauptmotiv dafür darstellt, dass Beziehungen eingegangen werden. Nutzen beinhaltet dabei nicht nur ökonomische Komponenten, sondern auch psychologische oder soziale. Beziehungspartner orientieren ihr Handeln an Kosten-Nutzen-Überlegungen; Interaktionen basieren auf entsprechend geprägten Verhaltensannahmen, die auf vergangene Erfahrungen mit Austauschpartnern in einer Beziehung zurückgreifen. Eine Beurteilung einer Beziehung erfolgt nicht für jede Interaktion isoliert, sondern langfristig über die Gesamtdauer der Beziehung oder Zusammenarbeit hinweg und ermöglicht den Ausgleich eines aktuell wahrgenommenen Ungleichgewichts in späteren Interaktionen. Es ist davon auszugehen, dass kein Beziehungspartner ein dauerhaftes Nutzenungleichgewicht hinnimmt, so dass eine Win-Win-Situation eine stabilisierende Wirkung auf Beziehungen zeigt. Dabei stehen Prinzipien wie die Interaktionen mit Kunden, Individualisierung von Kundenbeziehungen innerhalb eines Lebenszyklus, Investition in selektierte Kundenbeziehungen sowie Integration des Kunden im Vordergrund. Kundenbeziehungen unterstützen die Verantwortungsfähigkeit für Handlungsfolgen, die sich an der Generierung von Kundennutzen messen lassen. Die Führung aller daran Beteiligten, insbesondere der Mitarbeiter an der Kundenschnittstelle, verlangt eine beziehungsorientierte Gestaltung, die Organisation, Rollengestaltung, Anreizsysteme und Unternehmenskultur beinhaltet. Wesentliche Leitlinien für das Kundenbeziehungsmanagement zur Wahrnehmung von Führungsverantwortung sind somit: Kunden entdecken, in Kundenkenntnisse investieren, Kundenbedürfnisse erkennen und gemeinsam am Kundennutzen arbeiten. Besonders ausgeprägt sind die Folgen nicht wahrgenommener Führungsverantwortung in Kundenbeziehungen beispielsweise in der Automobilindustrie. Somit ist die Notwendigkeit, dass der Lieferant Verantwortung wahrnimmt, von besonderer Bedeutung. Die Kundenbedürfnisse liegen dabei vor allem in einer hohen Lieferzuverlässigkeit, die sich in Mengen- und Termintreue sowie in einer hohen Teilequalität ausdrückt. Dies gilt besonders, wenn es sich um Teile handelt, die bei NichtVerfügbarkeit zu einem Bandstillstand führen, wie es häufig bei Just-in-time-Teilen der Fall ist. Trotz aller vertraglichen Absicherungen wird ein Hersteller solche Beziehungen nur eingehen, wenn Vertrauen, und damit eine ausgeprägte Beziehungsqualität vorliegt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Hersteller beim Lieferanten eine ausgeprägte Führungsverantwortung vermutet. Mit diesem Beispiel wird deutlich, dass die Beziehung zum Lieferanten – zum Geschäftspartner – eine entscheidende Rolle spielt. Viele Unternehmen haben mittlerweile festgestellt, dass eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von großem Erfolg gekrönt sein kann. Es wird ein partnerschaftliches Miteinander angestrebt, was nach dem Vorbild japanischer Unternehmen bereits seit längerem von Unternehmen bei-
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spielsweise aus der Automobilindustrie wie Audi und BWM adaptiert wird. Die größte Schwierigkeit liegt jedoch bei der Führung und Gestaltung der Zusammenarbeit darin, eine Win-Win-Situation zu erreichen, was durch die Wahl geeigneter Methoden unterstützt wird. Wesentliche Voraussetzung für die Schaffung einer solchen Win-Win-Situation ist die systematische Auswahl geeigneter Partnerunternehmen. Dabei spielen unter anderem die Kernkompetenzen, das Know-how, der strategische und kulturelle Fit im Sinne von Zielkonformität, das Image, die Chancen für eine faire Zusammenarbeit und die Mentalität, die Marktposition, die Ausschlusskriterien und die Erfahrungswerte aus vorhergehenden Projekten eine entscheidende Rolle. Zusätzlich haben die Unternehmen meist umfangreiche und detaillierte Handbücher zur Lieferantenbewertung, die die Kriterien der Partnerwahl auflisten, definieren und Gewichtungen festlegen. Diese Handbücher haben nicht nur die Automobilhersteller wie beispielsweise DaimlerChrysler und Opel, sondern auch die Zulieferunternehmen wie Freudenberg, Hella und Johnson Controls erstellt. Bei genauer Betrachtung der Gestaltungsparameter und Auswahlkriterien partnerschaftlicher Zusammenarbeit fällt der Begriff „gemeinsam“. Eine gemeinsame Gestaltung der Zusammenarbeit setzt Verantwortlichkeiten beider Parteien – insbesondere der Unternehmensführung – voraus. Dabei liegt die Verantwortung beim stärkeren Unternehmen darin, den Partner nicht zu übervorteilen und an seine finanziellen Grenzen zu treiben. Dies wird unterstützt durch ein gemeinsames Projekt-, Vertrags- und Risikomanagement. Zusätzlich sind ein gut strukturiertes Lieferantenmanagement und optimalerweise auch ein Sublieferantenmanagement zielführend. Seitens des Partners besteht die Verantwortung in der Lieferung einwandfreier Qualität. Das intellektuelle und innovative Kapital des Partners ist jeweils zu schützen und man sollte sich verpflichten, es nicht an Dritte weiterzugeben. Vertrauen und Fairness im Umgang miteinander erlauben, die geforderte Kosten- und Prozesstransparenz zu realisieren und Führungsverantwortung in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit umzusetzen.
Strategieportfolio einer ganzheitlichen Führungsverantwortung Führungsverantwortung bedeutet die Berücksichtigung aller StakeholderInteressen Die umfassende Berücksichtigung der Interessen aller anspruchsberechtigten Personen, Institutionen, Verbände und Behörden ist Bestandteil jeder Wertgenerierung von Unternehmen. Der Shareholder Value-Ansatz verfolgt in seiner strategischen Ausrichtung das Ziel der Erhöhung des Wertes des Eigenkapitals und stellt nach Rappaport den Total Return, die Summe aus Kursgewinnen, Dividenden und Bezugsrechten, in den Vordergrund. Das Zielsystem hat die Vorgabe, Geschäftsstrategien
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nach Maßgabe der Renditen für die Anteilseigner zu schaffen und zu beurteilen. Dieser Ansatz ist eindimensional und auf die Interessen der Aktionäre ausgerichtet. Typische Unternehmen, die nach diesem Ansatz geführt werden, sind Coca-Cola, DaimlerChrysler, General Electric und die Siemens AG. Der Stakeholder Value-Ansatz bezieht die Interessen weiterer Anspruchsgruppen mit ein und kann somit als eine Erweiterung und Fortentwicklung des Shareholder Value-Ansatzes betrachtet werden. Kunden, Mitarbeiter, Gewerkschaften, Topmanagement, Lieferanten, Fremdkapitalgeber und Behörden repräsentieren typische Vertreter der Stakeholder. Transparenz und Nachhaltigkeit der Aktivitäten für die Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden ermöglichen eine profitable, lang anhaltende Zusammenarbeit, die die Zufriedenheit der Kapitalgeber, Gewerkschaften und weiterer externer Referenzgruppen sicherstellen. So ist ein Wandel in der Beziehung zwischen den Unternehmen und deren Lieferanten festzustellen. In der Vergangenheit standen die Preisverhandlungen im Vordergrund aller Lieferantengespräche. Heute steht der Aufbau einer Partnerschaft mit den Hauptlieferanten im Vordergrund der Beziehungsgestaltung. Ganze Programme werden von der Unternehmensführung initiiert, um partnerschaftliche Beziehungen zu den Lieferanten aufzubauen. Die Einkaufspotenzialanalyse und Advanced Purchasing sind klassische Beispiele, die die Basis für solche Programme schaffen. Durch die Reduzierung der Materialkosten kann die Ertragslage eines Unternehmens signifikant verbessert werden. Wer die Einsparpotenziale im Einkauf erkennt, gewinnt gegenüber der Konkurrenz einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Zusammen mit den Lieferanten können Ansatzpunkte zur Materialkostenreduzierung durch die Nutzung des Know-hows der Lieferanten zur Kostengestaltung, die aktive Einflussnahme des Unternehmens auf die Leistungsfähigkeit des Lieferanten und die frühzeitige Einbindung der Lieferanten in die Entwicklung und Produktgestaltung entwickelt werden. Die Bemühungen der Unternehmensführung, den Shareholder Value durch die Verfolgung des Stakeholder Value-Ansatzes zu erhöhen, müssen den Investoren kommuniziert werden. Dem Investor Relationship kommt eine Schlüsselrolle zu, da es die zentrale Schnittstelle zwischen dem Unternehmen und der „Financial Community“ bildet. Folglich bedarf es einer abgestimmten Kommunikationspolitik, um die Investoren an das Unternehmen zu binden. Investoren sind jedoch nicht die einzigen externen Stakeholder, von denen das Unternehmen lebt. Vielmehr bedarf es einer holistischen Definition des Begriffs, die auch die Kunden, Lieferanten, andere Unternehmen in der Wertschöpfungskette und die Öffentlichkeit des Unternehmens umfasst. Ziel muss es sein, all diese externen Stakeholder dauerhaft an das Unternehmen zu binden. Diese Zielsetzung kann durch die Gestaltung einer Corporate Identity und einer gemeinsamen Unternehmenskultur für die nachhaltige Unternehmensentwicklung
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realisiert werden. Ziel der Corporate Identity ist die Schaffung eines einheitlichen Auftritts des Unternehmens gegenüber anderen Referenzgruppen. Am Beispiel von Amazon.com lässt sich sehr deutlich ein Werttreiber identifizieren, der über das Umsatzwachstum den betrieblichen Cash Flow und damit den Shareholder Value enorm beeinflusst. Amazon.com wies 1998 einen Verlust von 74 Millionen Dollar aus, der 1999 auf 390 Millionen Dollar stieg, während sich der Umsatz des weltgrößten Online-Einzelhändlers 1999 um 169 Prozent auf 1,64 Milliarden Dollar erhöht hat. Dieses Verhältnis von Umsatz und Gewinn respektive Verlust führt das Unternehmen weitgehend auf die Intensivierung des Marketing, die Kundenwerbung, kurz: die Marken- und Kommunikationspolitik zurück. Letztendlich lässt sich durch die Investition nicht in Kapital- und Anlagevermögen, sondern in die „@awareness“ und in immaterielles Vermögen ein immenses Marktkapital erzielen. Zur Steigerung des Umsatzes liegt der Kapitalbedarf nicht überwiegend im Anlagevermögen, sondern in der Investition in Mitarbeiter, die den Markterfolg, und damit die Wertsteigerung des Unternehmens beeinflussen. Mit anderen Worten: Es ist von elementarer Bedeutung, die gesamten Interessen aller Anspruchsberechtigten zu vertreten, um die Unternehmensprofitlabilität zu gewährleisten. Diese Bindung an das Unternehmen kann bei externen Anteilseignern durch die Gestaltung einer Corporate Identity und Unternehmenskultur und bei internen Anteilseignern durch die Implementierung von materiellen und immateriellen Anreizsystemen realisiert werden. Leadership als umfassende, auf die Zukunft gerichtete Führungsverantwortung Verwalter, Veränderer und Führende sind die Typen von Führungskräften, die in jedem Unternehmen zu finden sind. Der Verwalter als Führungskraft passt sich nicht an geänderte Situationen an. Der Veränderungsmanager versucht, vereinbarte Ziele kreativ und innovativ zu erreichen. Nicht immer ist die Zuordnung klar zu treffen. Insbesondere in Zeiten einer unsicheren, sich schnell verändernden Wirtschaft sichert jedoch ein Veränderungsmanager dem Unternehmen das Überleben. Ein Führender – so lauten Meinungen – ist visionär, entdeckt neue Möglichkeiten und setzt den Fokus auf zukünftige Entwicklungen. Im Erfolg des Unternehmens Microsoft spiegelt sich die visionäre Strategie von Bill Gates wider, stets in neuen und zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern Innovationen auf den Markt zu bringen und einen Standard zu setzen. Jedoch stellt sich die Frage, ob visionäres Handeln in allen Branchen langfristig das Überleben des Unternehmens sichert. Gibt es nicht vielmehr auch Unternehmen, wie in der Pharmaindustrie, die durch die Konzentration auf altbewährte Produkte erfolgreich am Markt agieren? Der Begriff Leadership weist verschiedene Facetten auf und kann nicht nur auf visionäres Handeln begrenzt werden. Eine wesentliche Aufgabe der Führungskräfte und Mitarbeiter ist die Erhöhung des Kundenwertes. Insbesondere in stagnierenden oder schrumpfenden Märkten gilt es, Wettbewerbs-
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vorteile zu erzielen und dem Kunden einen Zusatznutzen zu bieten, denn Kundenzufriedenheit erhöht die Chance, dass der Kunde dem Unternehmen treu bleibt. Treue Kunden sichern einerseits den Erfolg des Unternehmens und stellen andererseits Referenzen für die Akquisition neuer Kunden dar. Jedoch kann es in der heutigen Zeit nicht mehr in der alleinigen Verantwortung der Führungskräfte liegen, diese Trends zu erkennen. Vielmehr sind zunehmend die Mitarbeiter gefordert, sich aktiv an der Wertsteigerung des Unternehmens zu beteiligen. Die „Selbst-GmbH“ (www.selbst-gmbh.de), an der zahlreiche Unternehmen wie DaimlerChrysler, Deutsche Bank AG, Deutsche Lufthansa AG und BASF beteiligt sind, ist eine Initiative, deren Ziel es ist, die Eigenverantwortung und Gestaltungsfreude der Mitarbeiter zu erhöhen. Eine Kernthese lautet „Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung statt passiver Ergebenheit“. Die Mitglieder der Initiative gehen davon aus, dass Selbst-UnternehmerInnen sich durch Eigenständigkeit, EigenBestimmtheit, Eigenverantwortung und Eigeninitiative sowie durch die Bereitschaft wie die Fähigkeit auszeichnen, den Geschäftserfolg für ihre Selbst-GmbHs zu maximieren. Der größtmögliche Geschäftserfolg des Unternehmens, für das sie arbeiten, liegt in ihrem eigenen (Geschäfts)-Interesse. Dies geht einher mit den Zielen des Leadership, neben der Kundenzufriedenheit und der Zufriedenheit der Mitarbeiter für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung zu sorgen. Die Übertragung von Verantwortung an den Mitarbeiter sollte daher mit Anreizsystemen in der Lohngestaltung bis hin zu Organisationsformen, die den Mitarbeiter am Unternehmenserfolg beteiligen, gekoppelt werden. Führungsverantwortung von Topmanagern manifestiert sich in der Aussage „besser werden als der Konkurrent“ (Heinrich von Pierer, Siemens). Wesentlich ist, dass diese Aussage von einer Person getroffen wird, die das Unternehmen repräsentiert und Vertrauen in der Öffentlichkeit genießt. Zudem handelt es sich um eine Persönlichkeit, die im Unternehmen anerkannt ist, so dass sich die Mitarbeiter mit dem vorgegebenen Ziel identifizieren und bereit sind, an der Zielerreichung zu arbeiten. Die Führungsverantwortung des Leaders besteht darin, Unternehmensziele vorzugeben und diese sowohl im Unternehmen als auch nach außen Dritten gegenüber zu vertreten. Für die Umsetzung der Ziele wird Beurteilungskompetenz durch den adäquaten Einsatz von Methoden- und Fachwissen vorausgesetzt. Daneben spielt, auch vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen am Neuen Markt, zunehmend die persönliche Qualität der Führungskräfte eine Rolle. Dies unterstreicht die Aussage von Richard Osswald, ehemaliger Personalvorstand Daimler-Benz-AG: „Wir haben durch Fachwissen Milliarden erwirtschaftet, dasselbe haben wir wieder durch fehlende Personalkompetenz verloren.“ Die Erfüllung der Führungsverantwortung kann an den drei Größen Kundenzufriedenheit, Zufriedenheit der Mitarbeiter sowie an finanziellen Kennzahlen gemessen werden. Die Kundenzufriedenheit manifestiert sich wiederum in einem wachsenden Marktanteil, die Zufriedenheit der Mitarbeiter wirkt sich
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auf die Kreativität, Produktivität und Qualität aus und ein positives Finanzergebnis sichert die Zukunft des Unternehmens. Innovationsgetriebene Führungsverantwortung vereint Kreativität und Effizienz Die zu starke Ausrichtung von Unternehmen auf schrittweise Innovationen, die mit standardisierten Prozessen immer wieder neue Generationen von Produkten auf den Markt bringen, kann für ein Unternehmen genauso schädlich sein, wie eine Überbetonung von Kreativität und visionären Produktneuheiten, die vom Markt nicht angenommen werden. Erst eine ausgewogene Balance zwischen beiden Extremen zeugt von einer nachhaltigen Führungsverantwortung. Experten schätzen, dass das Problemlösungspotenzial der Mitarbeiter in den Unternehmen in etwa zu 30 – 40% genutzt wird. Umfragen zeigen, dass Kreativitätstechniken und Methoden der Ideenfindung in der praktischen Anwendung nur sehr zögerlich umgesetzt werden. Dabei bietet der konsequente Einsatz dieser Methoden die Chance, die Erzeugung hochwertiger Innovationen zu verstetigen und zu beschleunigen. Neben der methodischen Unterstützung müssen auch die organisatorischen Voraussetzungen für die Entfaltung der Kreativität geschaffen werden. So ist insbesondere eine optimale Vernetzung der beteiligten Mitarbeiter sicherzustellen. Kreativitätsfördernd wirken interdisziplinäre und multikulturell zusammengesetzte Teams. Ebenso ist eine standortdezentrale Verteilung der involvierten Mitarbeiter hilfreich, um lokale Trends erkennen zu können und Scheuklappendenken zu überwinden. Um Inkubatoren für die Entstehung neuer Ideen zu schaffen, gründen viele Unternehmen Forschungszentren, die von anderen Unternehmensfunktionen räumlich getrennt sind und in denen eigene Spielregeln gelten. Auf diesen „Spielwiesen“ werden die optimalen Bedingungen für die Entwicklung kreativer Ideen und radikaler Produktneuerungen geschaffen. Die entwickelten Ideen müssen dann aber auch in F&EProjekte übersetzt und schnell in wettbewerbsfähige Produkte umgesetzt werden. Die Selektion der Erfolg versprechenden Projekte stellt dabei eine wesentliche Führungsaufgabe dar. Zur Führungsaufgabe zählt auch, dass Mitarbeiter kontinuierlich geschult und weiterqualifiziert werden. Dies allein aber reicht nicht aus, um auf Dauer ein hohes Kreativitätspotenzial aufrecht zu halten. Die Mitarbeiter müssen ständig vor neue Herausforderungen gestellt und in die strategische Entscheidungsfindung eingebunden werden. Durch eine Aufwertung der F&E-Projektleiter durch entsprechende organisatorische Verankerung kann ihre Motivation gesteigert und gleichzeitig die unternehmerische Bedeutung von F&E-Projekten unterstrichen werden. Eine innovationsfreundliche Organisation allein reicht aber noch nicht aus, um das Innovationspotenzial der Mitarbeiter vollständig zu nutzen. Auch die Unternehmenskultur muss Innovationen fördern und dabei auch eine gewisse Fehlertoleranz gegenüber gescheiterten Innovationsprojekten aufweisen. Wenn jedes gescheiterte Innovationsprojekt
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als negatives Beispiel dargestellt wird, sind weniger Mitarbeiter bereit, neue Ideen zu äußern und in Projekte umzusetzen. Innovationsgetriebene Führung gibt den F&E-Aktivitäten im Unternehmen die richtige Richtung. Idealvorstellungen über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens und über neue Produkte geben den Mitarbeitern Orientierung und bestimmen die Suchfelder für die Entwicklung neuer Produktideen. Dabei sollen die Visionen die Mitarbeiter begeistern und zu kreativen neuen Wegen ermuntern. Als Beispiel kann die Vision des Microsoft-Gründers Bill Gates gesehen werden, jeden Haushalt mit einem Computer auszustatten. Die Vision, die einleuchtend und jedem Mitarbeiter geläufig sein muss, muss dann in klare strategische Ziele übersetzt werden. Diese wiederum müssen in Form von messbaren Kenngrößen aufgeschlüsselt werden, um Ziele für die einzelnen Funktionseinheiten setzen und kontrollieren zu können.
Fazit: Führungsverantwortung zu übernehmen, ist eine der größten – wenn auch erfüllbaren – Herausforderungen der Zukunft Betrachtet man die Perspektiven der Führungsverantwortung, so wird deutlich, dass kein Patentrezept vorhanden ist. Verschiedene Annäherungen zeigen, dass in Unternehmen Skizzen eines neuen Führungsverständnisses vorhanden sind oder notwendig werden. Freiräume öffnen, Integration gewährleisten, die Suche nach diagnostischen und moderativen Kompetenzen und das Spannungsfeld von Verantwortung, Vertrauen und Führen geben Impulse für die Entwicklung eines unternehmensindividuellen Weges, um Führungsverantwortung zu übernehmen, zu tragen und eine prozessbasierte Identitätsstiftung für das Unternehmen zu gewährleisten. Auf die Frage: „Welches sind die richtigen Strategien zur Forcierung von Führungsverantwortung?“ lässt sich in Analogie der Gegenwartskunst eine Antwort finden. Ein plastisches Beispiel können die Arbeiten der österreichischen Künstlerin Valie Export sein. Das Prinzip der „medialen Anagramme“, das sie für unterschiedliche Themen nutzt, basiert auf Dekonstruktion und anschließender Rekonstruktion. Zunächst wird die empfundene Wirklichkeit – die Erfahrung mit bewährten Strategien – in ihre Einzelteile zerlegt („split reality“) und diese werden daraufhin andersartig – vergleichbar einem Recycling – zusammengeführt, wodurch letztlich veränderte Wahrnehmungen – innovative Strategieprofile - möglich werden.1 Neue Arten des Sehens – auch des Sehens von Führung und Führungsverantwortung – resultiert zu erheblichen Teilen aus dem Umfeld des Unternehmens. Die Beobachtungsfähigkeit des Unternehmens und das Ausdehnen von Komplexität scheint hierfür die Lösung vieler Probleme zu sein, nicht deren Ursache. Weick macht als Or1
Vgl. Müller-Stewens/Scholl (1997), S. 129.
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ganisationspsychologe deutlich, dass nur die Organisationen zukunftsfähig sind, die sowohl an ihre Fähigkeiten glauben als sie auch bezweifeln. Prozesse des Zweifelns stellen die dem Glauben - „nothing fails like success“ - entgegengesetzte zweite Seite für die Erhaltung einer dauerhaften Zukunftsfähigkeit von Organisationen dar und ermöglichen, Führungsverantwortung zu übernehmen.
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Beitrag zum Innovationsmanagement 111 ___________von ______Servicebereichen ______________________________________________________________________________________________________________________________________
Beitrag von Servicebereichen zum Innovationsmanagement Christian Mieke
Einleitung Vielfach wollen Unternehmen einem als hoch dynamisch empfundenen Umfeld mit zunehmenden Innovationen begegnen. Im Mittelpunkt der Innovationsaktivitäten stehen neue Produkte und Produkttechnologien. Teilweise liegt der Innovationsfokus auch auf Prozessen. Dabei werden vornehmlich in der organisatorischen und der sozialen Dimension von Prozessen Neuerungen hervorgebracht. Gerade in der technologischen Komponente von Produktionsprozessen, also den Produktionstechnologien, sind erhebliche Differenzierungspotentiale zu erwarten. Es ist zu untersuchen, welche betrieblichen Funktionen derartige Potenziale erarbeiten können. Sind es die Produktionsbereiche selbst oder wirken andere Bereiche daran mit? Gerade innerbetriebliche Serviceabteilungen erbringen vielfältige Dienstleistungen in Unternehmen und verfügen über Spezialwissen. Derartige Abteilungen werden durch OutsourcingAktivitäten oftmals ausgelagert, um eine Variabilisierung von Fixkosten zu erreichen. Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, ob derartige innerbetriebliche Serviceabteilungen wertvolle Beiträge zum Innovationsmanagement leisten können, in welcher Weise Realisierungsmöglichkeiten bestehen und welche Forschungsfragen daraus abgeleitet werden können.
Abgrenzung betrieblicher Serviceabteilungen Der Begriff betrieblicher Serviceabteilungen wird in der wissenschaftlichen Literatur nicht einheitlich gebraucht. Häufig werden Kundendienstabteilungen als Servicebereiche deklariert, weil sie keine Produkte sondern Services an Kunden verkaufen. Im Folgenden sollen ausschließlich Abteilungen betrachtet werden, die nicht einem unternehmensexternen Akteur gegenüber sondern unternehmensintern Serviceleistungen erbringen. Services können als Unterstützungsleistungen für andere Unternehmensbereiche verstanden werden. Das Konzept der Wertkette nach Porter1 bietet Anhaltspunkte zur Abgrenzung. An dieser Stelle werden primäre Aktivitäten mit Wertschöpfungscharakter von unterstützenden Aktivitäten unterschieden. Als unterstützende Funktionen werden Unternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, 1
Vgl. Porter (1996), S. 62.
112 Christian Mieke _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Technologieentwicklung und Beschaffung benannt. Diese Systematik dient als Orientierungsrahmen und ist aber nicht zwingend fix, sie erlaubt die Anpassung an die spezifischen Unternehmensverhältnisse.2 Die Ableitung von alternativen Zuordnungsregeln einzelner Abteilungen zum Bereich primärer oder sekundärer Aktivitäten bleibt jedoch intuitiv. Oelsnitz unterscheidet ebenfalls in primäre und sekundäre Funktionen.3 Als Aufgabe der primären Funktionen wird die Versorgung des Marktes genannt. Aufgabe der sekundären Funktionen sei die Versorgung des Unternehmens. Somit liefern die sekundären Bereiche den geistig-strukturellen Input und versetzen das Unternehmen in die Lage, wertschöpfend tätig zu werden. Werden Unternehmen nicht nach Strukturen sondern nach Prozessen gegliedert und aus den Prozessen eine Struktursicht abgeleitet, wie etwa bei Picot/Dietl/Frank, dann kann die Zerlegung in Kernprozesse, Steuerungsprozesse und sekundäre Prozesse beziehungsweise Unterstützungsprozesse4 erfolgen. Aus den verschiedenen Systematisierungsmöglichkeiten wird abgeleitet, dass Forschung und Entwicklung, Auftragsmanagement, Beschaffung, Produktion, Vertrieb und Ersatzteilmanagement Kernfunktionen des Unternehmens darstellen.5 Sie weisen einen starken Wertschöpfungsbezug auf. Marketing, Disposition, Controlling, Revision und Personalwesen stellen Steuerungsfunktionen dar. Sie stellen Daten und Strategien im planerisch-administrativen Bereich bereit, um die Effektivität der wertschöpfenden Bereiche zu erhöhen. Unterstützungsfunktionen erbringen Dienstleistungen, um anderen Abteilungen die Aufgabenerfüllung zu ermöglichen. Diese Funktionen sollen im Folgenden als Servicefunktionen betrachtet werden. Wie in Abb. 1 dargestellt, kann ihr Aufgabenschwerpunkt auf die Unterstützung der Steuerungsoder auf die Unterstützung von Kernfunktionen ausgerichtet sein.
2 3 4 5
Vgl. Steinmann/Schreyögg (2000), S. 183. Vgl. Oelsnitz (2000), S. 125. Vgl. etwa Picot/Dietl/Franck (2005), S. 285. ähnlich bei Hungenberg/Wulf (2006), S. 184.
Beitrag zum Innovationsmanagement 113 _____________von _______Servicebereichen ___________________________________________________________________________________________________________________________________
Auftragsmanagement Beschaffung
Unternehmenskommunikation
Marketing
Umweltmanagement
Disposition
Informationstechnik
Instandhaltung
Vertrieb
Logistik Material- / Lagerwirtschaft
Revision funktionen
Produktion
Ersatzteilmanagement
Controlling
Qualitätsmanagement
Steuerungsfunktionen
Kernfunktionen
F&E
Unterstützungs-
Unternehmen
Personalwesen
Abb. 1: Abgrenzung von Unternehmensfunktionen
Die Produktion nimmt auf Grund ihres Potenzials zur Gestaltung des betrieblichen Wertschöpfungsergebnisses eine strategische Position im Unternehmen ein. So ermöglicht sie etwa durch die Sicherstellung hoher Qualität der erzeugten Güter oder Einhaltung der definierten Fertigstellungstermine die Wettbewerbsstrategie der Differenzierung. Durch effiziente Fertigungsprozesse gestattet sie die Anwendung der Wettbewerbsstrategie der Kostenführerschaft. Ihre Aufgaben umfassen dabei die Produktionsprogrammgestaltung, die Potenzialgestaltung und die Prozessgestaltung.6 Im Rahmen eines auf Leistungsfähigkeit in dynamischen Umfeldern ausgelegten Unternehmens kommt der Potenzialgestaltung eine zentrale Bedeutung zu. Die Gesamtheit • der menschlichen Arbeitsleistung, • der Betriebsmittel und • der Materialwirtschaft müssen so ausgelegt sein, dass sie wandelnden Kontexten sowie intensiven Wettbewerbssituationen sinnvoll begegnen können. Zur Steigerung der Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter wurden in der Vergangenheit viele Konzepte, wie Gruppenarbeit, autonome Teams, Selbstverantwortung, Motivations- und Incentivierungsinstrumente erarbeitet und zur Anwendung gebracht. Im Rahmen der Materialwirtschaft wurden insbesondere Optimierungen durch den Einsatz von Hochregallagern, Just-in-time-Belieferungen, Konsignationslager und dezentrale Lagerung angestrebt. Im Bereich der Betriebsmittel ist auf technologische 6
Vgl. Corsten (2004), S. 2, 26f.; Kern (1992), S. 83.
114 Christian Mieke _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Innovationspotenziale abzuzielen. Hier wurden einige Ansätze, wie kundenindividuelle Massenfertigung, Klein- und Mittelserienfertigung sowie Wandlungsfähigkeit, entwickelt. Beschreibungen, wie Innovationen im Bereich der Produktionstechnologien organisiert werden können, fanden bisher kaum Eingang in die wissenschaftliche Diskussion. Auf Grund der erheblichen Bedeutung von technologischen Aspekten innerhalb der Produktion soll im Folgenden darauf abgestellt werden, wie derartige technologische Innovationen im Bereich der Produktionstechnologien zu erreichen sind.
Innovationsorientiertes Ideenmanagement Hauschildt/Walter verstehen Innovationen als Überwindung von Komplexität in den Dimensionen unbekannte Strukturen, Ungewissheit und Konflikte.7 Demnach kann Innovationsmanagement als Planung, Organisation und Kontrolle von Neuerungsprozessen verstanden werden. Es stehen die Ermittlung, Schaffung und Nutzung von Rahmenbedingungen zur Förderung des Innovationsgeschehens im Vordergrund. Ergänzend sind Methoden und Instrumente des Kognitions- und Konfliktmanagements anzuwenden, um alle Aktivitäten auf das Erzeugen und Verwerten von Neuerungen auszurichten. Die Weiterentwicklung des technologischen Systems der Unternehmung kann als innovativer Prozess mit den in Abb. 2 dargestellten Phasen verstanden werden.8
Planung, Umsetzung neuer Technologien Ideengenerierung
Ideenakzeptierung
Ideenrealisierung
Ausschöpfung bestehender technologischer Potenziale Abb. 2: Ideenbasierter Innovationsprozess
7 8
Vgl. Hauschildt/Walther (2003), S. 12. Vgl. Pleschak/Sabisch (1996), S. 44.
Beitrag zum Innovationsmanagement 115 _____________von _______Servicebereichen ___________________________________________________________________________________________________________________________________
Um Innovationsprozesse zu initiieren und nachhaltig zu implementieren, bedarf es begünstigender Bedingungen. Die Erfolgsfaktorenforschung nennt als dominante Kriterien für technologische Innovationen: • technologisches Wissen und technologisches Potenzial, • marktbezogenes Wissen, • Netzwerk von Kooperationspartnern.9 Die Weiterentwicklung der technologischen Basis gelingt demnach besonders gut, wenn Ressourcen, Humankapital und Managementsystem auf Innovation hin ausgerichtet werden und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit angestrebt wird. Die Veränderung der Technologieposition kann durch Veränderung der Marktmacht oder Kooperationen unterstützt werden.10 Um den Bereich der zu entwickelnden Ansätze abzugrenzen, werden im Folgenden Innovationen nach ihrem Inhalt sowie nach ihrem Neuheitsgrad klassifiziert (siehe Abb. 3).11 Wie schon in den vorherigen Kapitln dargelegt, befassen sich viele Konzepte mit Produkt- und Sozialen Innovationen. Diese sollen im Folgenden keine Berücksichtigung finden. Im verbleibenden Bereich der prozesstechnologischen Innovationen, der wesentlich das künftige Produktionspotenzial eines Unternehmens bestimmt, haben sich für den Komplex der radikalen Innovationen insbesondere die Instrumente der Technologiefrühaufklärung und –planung sowie des F&EManagements als Unterstützungsinstrumente etabliert. Dabei dominieren Techniken wie die Szenariotechnik und das Technologie-Roadmapping12 die Anwendung. Sie unterstützen das frühzeitige Erkennen neuer technologischer Wirkprinzipien sowie deren Entwicklung und Überführung in die praktische Anwendung. Inkrementelle Innovationen an in der Anwendung befindlichen technologischen Artefakten fanden insbesondere in den Konzepten des Vorschlagwesens sowie des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) Berücksichtigung.13 Das Vorschlagwesen zielt auf die Unterstützung des Einbringens spontaner Innovationsideen. KVP bezweckt ein gelenktes Vorgehen zur Erreichung inkrementeller Innovation.
9 10 11 12 13
Vgl. Walther (2004), S. 46ff. Vgl. Zotter (2003), S. 82ff. Vgl. Neubauer (2002), S. 94. Vgl. etwa Behrens (2003), S. 51; Mieke (2006), S. 197. Etwa als konkrete Ausprägung das Konzept der Ideenkreise, vgl. Hornung/Schat (2006), S. 46ff.
116 Christian Mieke _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Methoden des: Vorschlagwesens und des KVP Innovationsinhalte Innovationsgrad Inkrementelle Innovation Bedeutende Innovation radikale Innovation
unterstützen Produktinnovation
Prozessinnovation
Soziale Innovation
spontanes
und
gelenktes
Vorgehen
etabliert Vorschlagwesen, KVP (Produktion) Potenziale offen
Einbindung technologisch versierter Experten
Der Bereich ist wenig organisatorisch und methodisch ausgestaltet
etabliert F&E
Instrumente der Technologiefrühaufklärung, und –planung sowie des F&E-Managements schaffen zukunftsfähige Lösungen
Abb. 3: Mehrdimensionalität des Innovationsbegriffes
Für den Bereich „bedeutender Innovationen“, welche den hohen Neuigkeitsgrad von radikalen Innovationen nicht erreichen, jedoch sowohl hinsichtlich des technologischen Anpassungsbedarfes als auch der erzielten Verbesserung erheblich über inkrementelle Innovationen hinausgehen, sind bislang keine passgenauen Methoden und Organisationsformen entwickelt worden. Durch die mittlere Reichweite derartiger Innovationen können sie auch dem taktischen Innovationsmanagement zugeordnet werden. Amelingmeyer/Harland/Specht betonen drei Dimensionen des Innovationsmanagements, die ergebnisbezogenen Aspekte, die prozessbezogenen Aspekte und die potenzialbezogenen Aspekte.14 Gerade die potenzialbezogene Sichtweise bietet geeignete Hinweise zur Gestaltung eines auf bedeutende prozesstechnologische Innovationen zielenden Handlungsrahmens. Als wesentliche Aufgaben werden identifiziert: • Gestaltung des Innovationspotenzials der Unternehmung - Identifikation und Festlegung von Kernkompetenzen - Aufbau und Erhalt des Wissens- und Technologiepools • Gestaltung der Innovationsfähigkeit der Unternehmung - Abbau von personellen, materiellen und organisatorischen Innovationsbarrieren - Aufbau von Innovationsanreizen 14
Vgl. Amelingmeyer/Harland/Specht (2002), S. 110.
Beitrag zum Innovationsmanagement 117 _____________von _______Servicebereichen ___________________________________________________________________________________________________________________________________
Beiträge innerbetrieblicher Serviceabteilungen zum Innovationsmanagement Produktionsabteilungen dienen dem Zweck, die betriebliche Leistungserstellung zu organisieren und zu realisieren. Dabei werden sie in der Regel an der Erreichung von produktionswirtschaftlichen Zielgrößen gemessen.15 Derartige Ziele sind etwa eine hohe Arbeits- und Maschinenproduktivität, hohe Wirtschaftlichkeit und Rentabilität sowie kurze Durchlaufzeiten. Aus diesen Zielen ergeben sich Forderungen nach geringen Ausfallzeiten und hohen Ausbringungsmengen sowie wenig Input bezüglich Material und personeller Ressourcen. Die konkreten Ausprägungen der Zielgrößen sind im Zeitablauf dynamisch und etwa durch Innovationen erreichbar. Innerbetriebliche Servicebereiche können gegebenenfalls einen Beitrag zu den geforderten Innovationen leisten. Beispielhaft wird der produktionsnahe Servicebereich Instandhaltung betrachtet. Der Instandhaltung sind Aufgaben im Rahmen der Planung, Realisierung und Kontrolle von Maßnahmen zur Erhaltung, Wiederherstellung und Erhöhung der Funktionstüchtigkeit und Leistungsfähigkeit von Betriebsmitteln zugewiesen. Sie bedient sich dazu der Diagnose, Wartung, Reparatur und Modernisierung.16 Im praktischen Betriebsgeschehen zeigt sich häufig, dass die Arbeitsschwerpunkte auf die Felder Diagnose, Wartung und Reparatur gerichtet sind. Modernisierung ist nur von geringer Bedeutung beziehungsweise wird verstanden, als Maßnahmen zur Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit.17 Eine technische Weiterentwicklung im Sinne der Ermöglichung einer höheren Produktivität oder Verbesserung weiterer produktionswissenschaftlicher Kenngrößen wird nicht avisiert. Dennoch bestehen dazu auf Grund der vorliegenden Informationen und des Kompetenzprofils von Instandhaltungsabteilungen erhebliche Möglichkeiten produktionswirtschaftlich relevante Größen, etwa Prozesskosten in der Produktion, zu beeinflussen (siehe Abb. 4).
15 16 17
Vgl. Corsten (2004), S. 43f.; Günther/Tempelmeier (2005), S. 3. Vgl. etwa Beckmann/Marx (1994), S. 16ff.; Hoitsch (1993), S. 102; Specht/Mieke (2005a), S. 791. Vgl. Alcalde Rasch (2000), S. 76ff. zur Dominanz der Verfügbarkeit bei Zieldefinitionen der Instandhaltung.
118 Christian Mieke _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Instandsetzungsbedingten Materialkosten
Instandsetzungsbedingten Lohnkosten
Instandsetzungsbedingten Stillstandskosten
Prozesskosten durch ineffizienten Anlagenbetrieb
Störanfälligkeit
x
x
x
-
Instandhaltungsbedarf
x
x
o
-
Handhabungskomplexität
-
o
x
x
x = hoch
o = mittel
- = gering
Kostensenkung bei Reduktion von
Legende:
Abb. 4: Mittel-Wirkungs-Beziehung von innovationsorientierten Instandhaltungsmaßnahmen
Die Instandhaltung verfügt oftmals exklusiv über Wartungsprotokolle, Inspektionsberichte, Reparaturaufträge und technische Detaildokumentationen der bestehenden Maschinen und Anlagen. Diese Anlagenkenntnis versetzt sie in die Lage: • Verbesserungsbedarfe zu erkennen, • innovative Ideen inklusive der technologischen Lösungsansätze zu generieren und zu strukturieren sowie • innerhalb kurzer Regelkreise auch in die Anwendung zu überführen. Die Ideenfindung wird insbesondere durch die Erfahrungen des Instandhaltungspersonals, die detaillierte Anlagenkenntnis sowie durch strukturierte Auswertung der vorliegenden Daten gestützt. Die Möglichkeiten der Organisation von integrierten Stillstandsplanungen sowie die Herstellung einer Anreizkompatibilität fördern eine Innovationsumsetzung. Die Erfolgskontrolle kann im Rahmen des Routineaufgabenspektrums realisiert werden und sich auf die Dimensionen Maßnahmenerfolg und Erfolg des Vorgehens beziehen. Somit werden kurze Regelungswege erreicht. Eine Methodik zur Erkennung von Schwachstellen, welche etwa in Form von Störungen, niedrigen Komponentenstandzeiten oder negativen Leistungsdifferenzen auftreten können,18 bildet die Schwachstellenanalytik. Sie führt in einem mehrstufigen Prozess, wie in Abb. 5 dargestellt, Informationen auch standortübergreifend zusammen, strukturiert diese, weist prioritäre Schwachstellen aus und bildet die Grundlage für den Entwurf technologischer Innovationen.19
18 19
Vgl. Specht/Mieke/Lutz (2004), S. 615. Vgl. Specht/Lutz/Mieke (2005), S. 274.
Beitrag zum Innovationsmanagement 119 _____________von _______Servicebereichen ___________________________________________________________________________________________________________________________________ 1
Datenerfassung • Definition zu erfassender Daten • Erfassung der Daten • Definition von Ursachenkategorien • Zuweisung zu Abweichungsursachen
5
2
Erarbeitung Verbesserungspotenziale • Erarbeitung von Verbesserungspotenzialen (Innovationen,Durchsetzung organisatorischer Regelungen) • Integration in betriebliche Planungsbereiche
4
Weiterführende Bewertung • inhaltlich geprägte, detaillierte Bewertung von Schwachstellen und Ursachen • Feststellung einer Rangfolge der Schwachstellen
Datenaufbereitung • Zusammenführung der Daten • Vereinheitlichung der Beschreibungsformate • Anreicherung um monetäre Größen
3
Analyse/ Priorisierung • Festlegung von Priorisierungskriterien • Bildung von Schwachstellenclustern • Zusammenführung unternehmensweit vorhandener Informationen
Abb. 5: Schwachstellenanalytik als Instrument des Innovationsmanagements
Ein häufiges Ziel, insbesondere bei der Kostenführerschaftsstrategie20 aber auch bei anderen Strategietypen wie den Outpacing-Ansätzen,21 stellen Kostensenkungen dar. Derartige Kostensenkungen können etwa durch: • die Reduktion von kostenintensiven Ressourcen oder • den Einsatz effizienter Produktionstechnologien erreicht werden.22 Zur Realisierung des ersten Weges werden vermehrt Outsourcing-Projekte durchgeführt,23 um etwa Fixkosten zu variabilisieren. Dies trifft in besonderem Maße innerbetriebliche Serviceabteilungen.24 Der Einsatz effizienterer Produktionstechnologien kann beispielsweise durch das Einbringen innovativer Lösungen erreicht werden. 20 21 22 23 24
Vgl. Porter (1996), S. 62ff. Vgl. Gilbert/Strebel (1987). Vgl. Specht/Mieke (2005b), S. 412. Vgl. Kinkel/Lay/Maloca (2004), S. 15; Wildemann (2005), S. 28. Vgl. etwa Bund (2000), S. 44ff.; Bloss (1995), S. 126ff.
120 Christian Mieke _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Grundsätzlich schließen sich beide Lösungswege nicht aus. Dennoch kann die Innovationsfähigkeit des Unternehmens durch Outsourcing-Aktivitäten beeinträchtigt werden (siehe Abb. 6).25 Zielstellungen
• Variabilisierung von Fixkosten; Kostensenkung • Nutzung von unternehmensexternem Know-how • Konzentration auf Kernkompetenzen • Insbesondere bei unterstützenden, produktionsnahen Prozessen/Bereichen, wie Instandhaltung, ist Fremdbezug von steigender Bedeutung
Gefahren
• Verlust der Wissensbasis • Fehlende Urteilskraft auf Grund mangelnder Bewertungsfähigkeit • Abhängigkeit vom Anbieter • Strategischer Kontrollverlust • Qualitätseinbußen
• Aber auch Bereitstellung/Eigenerstellung und Ausmusterung von Produktionsanlagen zunehmend von Externen abhängig
Abb. 6: Bewertung des Outsourcing
Insbesondere die Verengung der Wissensbasis und die damit einhergehende Verringerung der Urteilskraft vermindert die Fähigkeit des Erkennens von Schwachstellen, des Generierens und Bewertens von Ideen sowie des effizienten Umsetzens der Neuerungen. Dieser Verlust von technischem Know-how geht häufig einher mit „schlanken“ Produktionsabteilungen, welche: • lediglich über ein bezüglich der produktionstechnologischen Innovationsprozesse beschränktes Ausbildungs- und Kenntnisniveau verfügen, • nur auf unzureichende Informationen über den Anlagenzustand zurückgreifen können, • stark im operativen „Tagesgeschäft“ eingebunden sind und ihre Kapazität ausgeschöpft haben. Somit sind wesentliche Bereiche des potenzialbezogenen Innovationsmanagements26 nicht verfügbar. Im Umfeld der Produktion fehlt es durch die schlanke Ausrichtung der Produktionsabteilungen und die Auslagerung produktionsnaher Servicebereiche an Organizational Slack. Als Organizational Slack wird die positive Differenz aus erforderlichen und vorhandenen Ressourcen verstanden.27 Derartige überschüssige Ressourcen 25 26 27
Vgl. etwa Schott (1997), S 157-158. Vgl. Ende von Kapitel Innovationsorientiertes Ideenmanagement. Vgl. Cyert/March (1963), S. 6ff.; Oelsnitz/Hahmann (2003), S. 67.
Beitrag zum Innovationsmanagement 121 _____________von _______Servicebereichen ___________________________________________________________________________________________________________________________________
unterstützen jedoch das Erreichen höherer Leistungsstufen28 und bilden damit einen wesentlichen Bestandteil des produktionstechnologischen Innovationswesens. Folglich sind Möglichkeiten abzuleiten, in welcher Form derartige Kapazitäten für Innovationszwecke bereitgestellt werden können.
Organisationale Handlungsoptionen Zur Bereitstellung von Innovations-Know-how lassen sich grundsätzlich zwei Wege einschlagen. Entweder wird ausgelagertes Wissen wieder im Unternehmen bereitgestellt oder es wird extern verfügbares Wissen zur Gestaltung der Innovationstätigkeit genutzt. Die erste Variante korrespondiert mit der organisatorischen Vorgehensweise der Re-Insourcing. Die zweite Möglichkeit kann etwa durch die Errichtung von Ideen-Netzwerken gelingen. Innerhalb beider Konzepte sind die im Abschnitt „Innovationsorientiertes Ideenmanagment“ formulierten Aufgaben des taktisch ausgerichteten Innovations- und Ideenmanagements, wie Berücksichtigung spezieller Kompetenzen, Zugriff auf exklusive Wissens- und Technologiepools sowie geringe Innovationsbarrieren und hohe Innovationsanreize zu berücksichtigen.
Re-Insourcing Re-Insourcing beschreibt ein Vorgehen, welches vormals durch das Unternehmen ausgelagerte Bereiche wieder in das Unternehmen integriert.29 Diese Bereiche zeichnen sich in der Regel durch Spezialistenwissen und besonderes technologisches Know-how aus. Ihre Integration soll den Zugriffsbarrieren auf diese Ressourcen absenken und die Anreizdefinition erleichtern. Der Ablauf kann in vier Phasen untergliedert werden, welche in Abb. 7a dargestellt sind. Abb. 7b zeigt Ansatzpunkte für weitere Forschungsüberlegungen. InsourcingProzesse sind wissenschaftlich kaum beschrieben und werden demnach hinsichtlich verschiedener Dimensionen zu diskutieren sein.
28 29
Vgl. Neumann (2000), S. 353f.; Probst/Büchel (1998), S. 50ff. Vgl. Specht/Mieke (2005b), S 413.
122 Christian Mieke _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________ a)
b) 1.
2.
3.
4.
Vorteilhaftigkeitsprüfung des Re-Insourcing-Vorhabens (Kosten, Innovation)
Erfassung langfristiger Innovationswirkungen
Bestimmung des Re-Insourcing-Grades
Messung und Festlegung des Wiedereingliederungsumfanges
Festlegung der Re-Insourcing-Art
Alternativenbeschreibung und Bewertung
Eingliederung in die Unternehmensorganisation (Struktur, Prozesse, Kultur, ...)
Möglichkeiten und Vorgehen
Abb. 7: Re-Insourcing-Prozess und potenzielle Forschungsschwerpunkte
Zur Beurteilung der grundsätzlichen Eignung eines Arbeitsbereiches für das ReInsourcing sind etwa Kosten und zu erwartende Innovationswirkungen zu spezifizieren. Hierbei bestehen Prognose- und Quantifizierungsprobleme für die benannten Größen. Gegebenenfalls können Schätzverfahren die Sensibilität bezüglich zu erwartender Effekte erhöhen. Die Entscheidung zum Grad des Re-Insourcing adressiert die Dimension des Ausmaßes der wieder einzugliedernden Aufgabenfelder. Müssen Aufgabenbereiche vollständig intern ausgeführt werden oder genügt eine teilweise Re-Integration? Es sind Bewertungsgrößen zu benennen, Messvorschriften bereitzustellen und Ausprägungshöhen für die verschiedenen Kriterien zu definieren, welche eine Entscheidung unterstützen. Mögliche Bewertungsgrößen und eine erste Entscheidungsregel finden sich Abb. 8.
Beitrag zum Innovationsmanagement 123 _____________von _______Servicebereichen ___________________________________________________________________________________________________________________________________ Potenzial zum Wissensaufbau für Re-Insourcing geeignete Arbeitsbereiche h für Re-Insourcing nicht geeignete Arbeitsbereiche n Innovationsfähigkeit
h
n
n
h
Bedeutung für Produktivität
n
h
h = hoch n = niedrig
effiziente Instandhaltung
Abb. 8: Bewertung der Re-Insourcing-Eignung einzelner Arbeitsbereiche zur Bestimmung des ReInsourcing-Grades
Die Definition der Art des Re-Insourcing zielt darauf ab, in welcher Weise das Unternehmen in die Lage versetzt werden soll, die definierten Arbeitsbereiche wieder eigenständig zu realisieren. Dies kann etwa durch: • Eigenaufbau von Kompetenz, • Integration von Tochtergesellschaften oder • Kauf (von Teilen) eines Dienstleisters erfolgen. Für diese Entscheidung sind etwa der angestrebte Zeithorizont, im Unternehmen vorhandene Ressourcen, die Möglichkeit der Veräußerung nicht benötigter Kapazitäten sowie Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Integration „fremder“ Abteilungen zu berücksichtigen. Für eine erfolgreiche Integration müssen die sachgerechte Eingliederung in die Unternehmensorganisation, die innere Strukturierung, die Definition von Prozessen und Verantwortlichkeiten, die Vermittlung der Unternehmenskultur sowie die Schaffung zieladäquater Beurteilungs- und Anreizsysteme geplant und umgesetzt werden.
Ideennetzwerke Ideenetzwerke folgen der Logik, auch strategisch bedeutende Bereiche des Innovationsgeschehens wesentlich durch externe Impulse und Realisierungsunterstützung beeinflussen zu lassen. Extern vorhandenes technologisches Wissen soll der unter-
124 Christian Mieke _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
nehmensinternen Verwendung zugänglich gemacht werden. Verbünden sich verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Informationskanälen, Bewertungsschemata und Kompetenzbereichen so können sie gemeinsam einen größeren Bereich ihres Umfeldes erfassen, erklären und beeinflussen.30 Der Zuwachs an Deutungs- und Handlungsmacht kommt im Idealfall jedem Partner zu gute. Im Falle der Einbindung externer Dienstleister in den Innovationsprozess müssen die auswärtigen Partner dazu motiviert werden, Innovationsanstöße zu geben und aufzubereiten. Bestehende Barrieren durch Unternehmensgrenzen, verschiedene Innovationskulturen und differierende Zielstrukturen sollen reduziert werden. Das Zusammenwirken der Akteure lässt sich in mehrere Kernaktivitäten aufgliedern, welche in Abb. 9 dargestellt sind. Produzierendes Unternehmen (Auftraggeber)
Externer Dienstleister (Auftragnehmer) Definition und Anfrage Servicedienstleistungen
{Integration von Innovationszielen}
Angebot Servicedienstleistungen
{Befähigung zu Innovation (Daten)}
Auftrag Servicedienstleistungen
{Honorieren von Innovationsleistung}
Durchführung Servicedienstleistungen Kontrolle Servicedienstleistungen
{Innovationskooperation}
{Messung von Innovationsbeiträgen}
Abb. 9: Zusammenwirken zwischen Auftraggeber und Dienstleister
Im Zusammenhang mit jeder Kernaktivität können Forschungsfragen formuliert werden, etwa: • Wie werden Innovationsziele gesetzt? • Wie werden die Dienstleister zur Innovationstätigkeit befähigt? • Wie werden Innovationsleistungen honoriert? • Welche organisationale Form der Innovationskooperation ist zu wählen? • Wie werden Innovationserfolge gemessen? Diese Frage sollen im weiteren Verlauf der Untersuchungen zukünftig betrachtet werden.
30
Vgl. Ahn/Meyer (2000), S. 34, sowie Ergebnisse der empirischen Erfolgsfaktorenforschung aus Kapitel 0.
Beitrag zum Innovationsmanagement 125 _____________von _______Servicebereichen ___________________________________________________________________________________________________________________________________
Des Weiteren benötigen Ideennetzwerke ein effizientes Schnittstellenmanagement zur engen Vernetzung der Partner. In Abhängigkeit der Netzwerkkonstellation sind die wirksamsten Instrumente aus den Bereichen des hierarchieneutralen, –ergänzenden und –ersetzenden Schnittstellenmanagements auszuwählen31. Vielfach werden Anreizsysteme, Schnittstellenmanager und Pläne von Bedeutung sein. Ferner ist schon bei der Definition eines Ideennetzwerkes, also bei der Auswahl von externenen Dienstleistern, die explizit auch Innovationsaufgaben übernehmen sollen, als auch im Verlauf der Kooperation auf kulturelle Passfähigkeit der Akteure zu achten.32 Diese äußert sich etwa in kompatiblen Merkmalsausprägungen in den Dimensionen Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Erkenntnissen und Technologien, Verhalten gegenüber anderen Akteuren, Umgang mit Entscheidungssituationen und Verbindlichkeit eigener Aussagen.
Fazit Betriebliche Serviceabteilungen können die Innovationsfähigkeit insbesondere im Bereich von Produktionstechnologien unterstützen. Jedoch müssen sie vielfach erst auf diese Innovationsziele hin ausgerichtet werden. Am Beispiel der Instandhaltung wurde das Innovationspotenzial von Serviceabteilungen gezeigt. Sie verfügen nahezu exklusiv über bedeutende Daten, Wissen und Know-how im produktionstechnologischen Bereich. Instrumente und Organisationsformen zur Gestaltung eines wesentlich durch Servicebereiche getragenen und auf Produktionstechnologien fokussierenden Innovationsmanagements liegen bislang nur ansatzweise vor und sind im Weiteren darauf hin auszulegen. Re-Insourcung und Ideennetzwerke wurden als Handlungsmöglichkeiten zur Abschöpfung von Innovationsideen aus ausgelagerten Servicebereichen vorgestellt. Die Konzepte sind durch die Beantwortung der gestellten Forschungsfragen weiter auszugestalten.
31 32
Vgl. etwa Hauschildt (1997), S. 110. Vgl. Mieke (2006), S. 96.
126 Christian Mieke _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
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A Theory-Based for Integrated Supply Performance Measurement 129 ______ _________________Framework ___________________________________________________________________________ _____________________________________________________
A Theory-Based Framework for Integrated Supply Performance Measurement Evi Hartmann, Aiko Entchelmeier, Michael Henke, Christopher Jahns
Summary Due to the reduction of the degree of value added within many companies, purchasing and supply management has been acknowledged as an important lever for corporate performance enhancement. Recent research has shown that the installation of performance measurement systems in purchasing and supply management is a decisive management tool for purchasing and supply management. Based on the old saying “you can’t manage what you can’t measure” companies must have decisive metrics that translate supply strategy into action and drive company performance. The paper applies selected management theories to the research field and suggests a framework for the design, implementation and enablement of performance measurement in purchasing and supply management.
Introduction The rise of global competition has enhanced the pressure on companies to improve corporate performance. To increase competitiveness, more and more companies focus on core competencies and strive to outsource non-core business activities.1 Companies start to integrate suppliers into their value chain by procuring goods and services from other firms rather than producing them internally. Accordingly, a shift from generating total value added within the firm to generating total value added within value chain networks can be observed. Recent surveys have shown that, on average, companies have reduced their degree of value added to less than 50 % in many industries.2 Therefore, purchasing’s strategic relevance has intensified due to the large impact external spend has on operating profit.3 Today, purchasing’s ability to impact strategic planning has already increased in a number of firms.4 Purchasing’s objective can no longer be seen as entirely adminis1 2 3 4
Prahalad/Hamel (1990). Jahns (2005), S. 32-39. Ellram/Liu (2002), S. 30-37. Carter/Narasimhan (1996), S. 20-27.
130 ___________________________________________________________________________________________ Evi Hartmann, Aiko Entchelmeier, Michael Henke, Christopher Jahns _______ _____________________________________________________
trative. Paradigms alter as the role of purchasing shifts from an operative to a strategic and from an administrative to a management function. Purchasing is evolving into supply management. It becomes responsible for the holistic, integrated planning, controlling and monitoring of the procurement aspects of the internal and external value chain.5 As a consequence of these shifting paradigms, it can be considered vitally important for companies to implement supply strategy into the organization. Recent research has shown that the installation of performance measurement systems facilitates the coordination and alignment of purchasing and supply management activities with the corporate strategy.6 Accordingly, performance measurement in purchasing and supply management can be considered a critical element in translating supply strategy into action.
A Review of the Performance Measurement Literature Research on performance measurement for purchasing and supply management is closely related to developments in general performance measurement research. Accordingly, this literature review first refers to general developments in performance measurement and then continues with a review of research in performance measurement for the functional level of purchasing and supply management.
General Developments in Performance Measurement The demand for the measurement of internal performance (“general performance measurement”) can be traced back to the development of the first large corporations at the beginning of the nineteenth century, when the need for information for internal planning and control purposes arose due to increased organizational complexity.7 Companies, such as the DuPont Corporation and General Motors, started to introduce financial-oriented measures, i.e. Return on Investment (RoI), to plan and control performance results at a corporate level. In the late 1970s and 1980s, an intensive discussion in management research and management practice began. Existing performance measures were criticized and authors expressed a general dissatisfaction with traditional accounting based performance measurement systems8 because these systems (1) were too historical and based on the past,9 (2) encouraged short-term think-
5 6 7 8 9
Jahns (2005). Cousins/Spekman (2003); Carter/Monczka et al. (2005). Kaplan (1984), S. 391. Bourne et al. (2000), S. 754. e.g., Dixon et al. (1990).
A Theory-Based for Integrated Supply Performance Measurement 131 ______ _________________Framework ___________________________________________________________________________ _____________________________________________________
ing and thus lead to incorrect behavior10 and (3) were rarely integrated with one another or aligned with the business process.11 As a result of their dissatisfaction with existing performance measurement systems, researchers and practitioners started to develop new metrics to overcome perceived weaknesses of existing measures. Many companies began using financial and nonfinancial measures simultaneously. Kaplan and Norton state that “Managers should not have to choose between financial and operational measures […] no single measure can provide a clear performance target or focus attention on the critical areas of the business. Managers want balanced presentations of both financial and operational measures.”12 Consequently, balanced and multidimensional frameworks and methodologies, such as the balanced scorecard,13 the performance pyramid14 and the performance prism15 were developed to enable the integration of future-oriented, non-financial metrics, as well as traditional measures, as a comprehensive performance measurement system. Ambitions to redesign performance measurement systems, literally a “performance measurement revolution”,16 has not only occurred at the corporate level17 and in the field of manufacturing.18 In recent years, research has also been conducted for several functional approaches of performance measurement, e.g. in marketing,19 research & development,20 and for supply chain management.21
Performance Measurement for Purchasing and Supply Management Performance measurement research in purchasing and supply management has recently been focused upon as researchers and practitioners have become aware of the strategic importance of the business function itself. In order to make the term “performance measurement in purchasing and supply management” more manageable, we introduce the term “supply performance measurement” as a synonym. For a definition, we refer to well known scholarly literature on corporate performance measurement.22 Accordingly, the following definition will be used for this paper: 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
e.g., Hayes/Abernathy (1980). e.g., Lynch/Cross (1995). Kaplan/Norton (1992), S. 71. Kaplan/Norton (1992). Lynch/Cross (1995) Neely et al. (2003). Eccles (1991). e.g., Simons/Dávila (1998). e.g., Nanni et al. (1992). e.g., Reinecke (2004). e.g., Nixon (1998). e.g., Beamon (1999). Neely et al. (1995); Gleich (2001).
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Supply Performance Measurement means translating the efficiency and effectiveness of purchasing and supply management throughout all organizational levels (e.g. corporate supply management, category management, buyer, supplier) in financial and non-financial goals and metrics (e.g. cost, time, quality, innovation potential, supplier responsiveness) by integrating indicators of past and future performance. Many different sources for supply performance measurement exist. An analysis of all streams of literature contributions would fill an entire book.23 Therefore, our literature review is limited to the most relevant contributions for this paper. Among all functional approaches, the evaluation of purchasing and supply management performance is one of the more difficult areas.24 The need for supply performance measurement, however, was emphasized early on in two Harvard Business Review articles.25 Since then, several scholars have investigated different aspects of supply performance measurement, such as the use of budgets to measure performance,26 which metrics have to be used for the buyer-level,27 how to compare product prices to indicators,28 how to market the performance of the purchasing function,29 how to introduce purchasing balanced scorecards successfully,30 how to measure the strategic value of suppliers for the company,31 how metrics can be used for the measurement of cost savings,32 and which metrics have been proven useful in company practice.33
Setting the Research Agenda There are two reasons for an increasing interest in supply performance measurement presently. On the one hand, the search for the right metrics in purchasing and supply management has been revitalized since academics and practitioners began to express their dissatisfaction with existing performance metrics in purchasing and supply management.34 On the other hand, the performance impact of purchasing and supply management has been disclosed with the evolution of purchasing from an 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34
van Weele (1984), S. 55. Easton et al. 2002, S. 123. Lewis (1932); Lewis (1936). Paperman/Shell (1977). Hendrick/Ruch (1988). Dobson/Shorrock (1980). Cavinato (1987), S. 16. Wagner/Kaufmann (2004). Eßig (2003). Smeltzer/Manship (2003); Buchholz (2002). Monczka et al. (1979); Fearon/Bales (1997); Carter et al. (2005). Monczka/Morgan (1994), S. 26.
A Theory-Based for Integrated Supply Performance Measurement 133 ______ _________________Framework ___________________________________________________________________________ _____________________________________________________
administrative to a strategic business function.35 As a strategic business function, supply performance measurement constitutes a decisive element for strategy alignment.36 Without the implementation of an integrated supply performance measurement system, there is a missing link between supply strategy and the utilization of skills and competences of a firm’s human resources; strategic goals cannot be translated efficiently and effectively into firm performance. Desired Level of Strategic Attainment Corporate Strategy Supply Strategy Supply Performance Measurement Skills and Competences Actual Level of Strategic Attainment
Abb. 1: Strategic alignment model (adapted from Cousins/Spekman 2003, S. 22)
The alignment of corporate strategy and supply strategy is well noted in purchasing and supply management literature.37 As illustrated above, several scholars have also conducted research in supply performance measurement. However, much of the research does not take into consideration that metrics have to be aligned to supply strategy.38 In general, research tends to emphasize the question which metrics have to be selected to manage and to control purchasing and supply management effectively and efficiently (design of supply performance measurement). Overall, there has been little research on the question of how strategic alignment can be realized 35 36 37 38
David et al. (1999). Cousins/Spekman (2003). Narasimhan/Carter (1998); Ellram/Carr (1994); Watts et al. (1992). Carter et al. (2005) as an exception.
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through the design, implementation and enablement of supply performance measurement. Accordingly, further research should focus on how such integrated supply performance measurement systems should be designed to transform supply strategy into action and thus drive firm performance.
Theoretical Analysis In management, research theories make the phenomena of social reality explainable and controllable in a common and criticizable manner.39 Popper40 describes the nature of theory metaphorically as "the net which we throw out in order to catch the world – to rationalize, explain, and dominate it". Commonly accepted theoretical foundation is considered as the basis for scientific work. Theories have an explanatory function; they offer explanations to “why-questions”.41 Accordingly, management theory can contribute to the explanation of supply performance measurement. For this reason, the authors derive their theoretical framework from selected management theories, such as system theory and cybernetics, as well as principal agent theory.
System Theory and Cybernetics Thinking in interacting systems can be traced back to general systems theory developed by Bertalanffy.42 Systems theory is characterized by a holistic and comprehensive view of problems, to give consideration to complexity, and to avoid a limited analysis on singular aspects.43 Systems are considered as structured relationship constructs that try to choose certain environmental opportunities and try to ignore others.44 Structures exist within systems to reduce the complexity of the corporate environment. A system is only able to handle environmental complexity when it itself is complex enough. External complexity, however, can only be managed through the design of a less complex internal complexity.45 Complexity reduction for the management of complex systems can be reached by differentiation of a system into subsystems. Accordingly, supply performance measurement can be seen as a subsystem of supply management that in turn also has subsystems.
39 40 41 42 43 44 45
Kieser/Kubicek (1978), S. 14. Popper (1994), S. 31. Kieser/Kubicek (1978), S. 20. Bertalanffy (1968). Eschenbach/Hermann (1996), S. 308. Knyphausen-Aufseß (1995), S. 328. Schreyögg/Steinmann (1985), S. 281.
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Metasystem
...
System
Subsystem
...
Abb. 2: Differentiation of a (meta-) system into subsystems (adapted from Daenzer 1985, S. 23; Horváth 2003, S. 131)
In system theory cybernetics is a research stream that can contribute to the explanation of supply performance measurement. Cybernetics has mainly been influenced by the American mathematician Norbert Wiener46 and the British psychiatrist William Ross Ashby47 and describes systems as feedback control loops. In cybernetics, systems are modeled as dynamic, not as static.48 Through internal regulation within its subsystems, cybernetic feedback control loops strive to adapt themselves to their systemic environment. From a cybernetic perspective supply performance measurement systems can be interpreted as feedback control models within the management process.49 Through the installation of a supply performance measurement, system changes within the supply management system are registered, interpreted and possible interactions considered.50 From the perspective of system theory, supply performance measurement can be dismantled into cybernetic subsystems. These cybernetic subsystems assume control of different tasks within the feedback control loop. Through continuous improvement of the meta-system “supply management”, firm performance can be enhanced. 46 47 48 49 50
Wiener (1948). Ashby (1956). Green/Welsh (1979), S. 289. Oeller (1979), S. 111. Oeller (1979), S. 142.
136 ___________________________________________________________________________________________ Evi Hartmann, Aiko Entchelmeier, Michael Henke, Christopher Jahns _______ _____________________________________________________
deviation
Planning goals
Control
deviation
actual
Regulation instruction
Control Path
Abb. 3: The cybernetic control process
The cybernetic subsystems of supply performance measurement cause different reactions within the supply performance measurement system and outside the system by sending pilot pulses. The supply planning subsystem deploys supply strategy from corporate strategy and breaks it down into individual goals. In performance measurement, these goals are communicated through their translation into key performance indicators (KPIs).51 The regulation subsystem receives the pilot pulses that have been sent out by the supply planning system and transforms the key performance indicator targets into instructions that are translated into action (control path), in order to continuously improve the supply management meta-system. Within the control subsystem, targets are compared to actual values or to internal and external benchmarks. Deviations are registered and sent as pilot pulses to the regulation subsystem (‘feedback’, reactive control) to review the instructions for the management system and to achieve the targets that have been set by the supply planning subsystem. Deviations are also sent to the supply planning subsystem (‘feedforward’, anticipatory control) to review plans and to adapt them to the changing business environment.52 In order to facilitate the communication through pilot pulses within the different (sub-) systems in supply performance measurement, user-oriented reporting systems based on management information systems are used. Since the subsystem 51 52
Carter et al. (2005), S. 5. Otley et al. (1995), S. 31.
A Theory-Based for Integrated Supply Performance Measurement 137 ______ _________________Framework ___________________________________________________________________________ _____________________________________________________
transactions are based on human behavior, the dynamic process of continuous improvement within the supply performance measurement system can also be accelerated through the implementation of reward and incentive systems to support the adjustment of the controlled system to plans.
Principal Agent Theory In addition to system theory and cybernetics, principal agent theory can contribute to the explanation of supply performance measurement. Together with property rights theory53 and transaction cost theory,54 principal agent theory55 can be seen as one of the pillars of new institutional economics.56 Focusing the institution of the contract and its role in exchange relationships between principals and agents,57 principal agent theory is derived from the assumption that the information between two parties is incomplete and unequally distributed. The existence of this asymmetric distribution of information can be utilized by the agent for opportunistic behavior and gives him leeway to pursue his individual goals. From the point of view of supply management, principal agent theory can contribute to three groups of relationships: • Inter-company relationships between supplier (agent) and the supply management department (principal). • Intra-company relationships within the organization between the supply management professional (agent) and the CPO as employer (principal). • Relationships between the supply management department (agent) and the company’s shareholders and investors (principal). The principal agent relationship is characterized by information asymmetry. The agent has more transparency of his activities than the principal. The supplier, the supply management professional, as well as the supply management function are better informed about their work than the principal himself. Supply performance measurement’s role from the agency perspective is to deliver information to control the agent’s opportunism.58 Information can either be generated constantly (behaviorbased control) or output oriented (output-based control). With the latter, the individual goals of the agent have to be tied to the goals of the principal by implementing appropriate incentive systems.
53 54 55 56 57 58
Alchian (1967); Demsetz (1967). e.g., Coase (1937). Jensen/Meckling (1976). Williamson (1975). Ebers/Gotsch (2002), S. 209. Eisenhardt (1989), S. 64.
138 ___________________________________________________________________________________________ Evi Hartmann, Aiko Entchelmeier, Michael Henke, Christopher Jahns _______ _____________________________________________________
By applying principal agent theory to supply performance measurement, the following elements of an integrated supply performance measurement approach can support the compensation of information asymmetries: • Definition of a performance standard for the opportunistic actors through derivation of a supply strategy from corporate strategy and itemization of the supply strategy into individual goals. • Definition of relevant key performance indicators to enable the measurement of the agent’s performance. • Enablement of knowledge flow through the installation of reliable information systems. • Implementation of user-oriented reporting systems to deliver the necessary information to the principal. • Implementation of performance-induced incentive-systems for all organizational levels to align the agent’s goals with the principal’s goals.
Resource-based View An explanation for supply performance measurement can also be provided by the resource-based-view (RBV). In contrast to environmental models of strategy theory that analyze external conditions as a driver for firm performance,59 RBV focuses on how a firm’s internal assets can generate firm performance through sustainable competitive advantage.60 The central construct in this theory is that above average performance of corporations can be achieved through to the development and the utilization of firm resources.61 A firm resource in this context generates sustainable competitive advantage, when the resource is valuable, rare, imperfectly imitable, and has no strategically equivalent substitutes.62 Firm resources are usually categorized by their physical nature. Two types of assets are mentioned in classical RBV literature: tangible resources and intangible resources. A third type is taken into account through consideration of firm capabilities.63 Tangible resources have a physical existence, such as cash, equipment and real estate. Intangible assets possess an economical value that results from the rights, privileges and benefits of ownership and control they confer on their beholder, such as knowledge, trade contacts, information, and reputation.64 Capabilities refer to a firm’s capacity to deploy the resources. They are information-based tangi59 60 61 62 63 64
e.g., Porter (1998). Barney (1991), S. 101; Dierickx/Cool (1989), S. 1504. Barney (2001), S. 625. Barney (1991), S. 105. Amit/Schoemaker (1993); Prahalad/Hamel (1990). Wild/Bernstein et al. (2001), S. 321.
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ble or intangible processes that are firm-specific and are developed over time through complex interactions among the firm’s resources.65 When considering RBV, supply performance measurement can be explained as a capability of supply management that is responsible for the design and the implementation of key performance indicators in order to translate supply strategy into firm performance. In this context, it is based on different resources that enable the design and implementation process. On the one hand, human resources have to have the knowledge that is necessary to design and to implement the supply performance measurement system. On the other hand, information technology has to be available to provide the data for the generation of key performance indicators. This theoretical analysis demonstrates that management theories are able to explain the need for supply performance measurement within the firm. Supply performance measurement is able to generate system performance by constituting a cybernetic feedback control loop. From the point of view of principal agent theory, supply performance measurement enables the improvement of contractual performance between the principal and the agent. The resource-based view explains the existence of different resources that enable the design and the implementation of supply performance measurement systems and convert the supply performance measurement system into a valuable capability for supply management. 1.1 System Theory & Cybernetics •
Supply performance measurement is a subsystem of supply management
•
Supply performance measurement can be seen as a feedback control loop that strives for continuous improvement within the supply management organization
1.2 Principal Agent Theory •
•
Supply performance measurement enhances the transparency of the agent’s (supplier, supply manager) work and reduces information asymmetries accordingly Opportunistic behavior can be reduced by implementing supply performance measurement
1.3 Resource Based View • Supply performance measurement can be seen as a capability that translates supply strategy into firm performance • Enablers (e.g., human resources, information technology) can be explained as resources for the design and implementation of supply performance measurement systems
Tab. 1: Summary of the contributions of management theories to supply performance measurement
Development of an Integrated Framework Based on the described theories, the authors’ intention is to develop an integrated framework for supply performance measurement. This framework systematizes the key areas that are important for the success of supply performance measurement. The 65
Amit/Schoemaker (1993), S. 35.
140 ___________________________________________________________________________________________ Evi Hartmann, Aiko Entchelmeier, Michael Henke, Christopher Jahns _______ _____________________________________________________
modular structure of the framework is designed to enable management research and management practice to gain a comprehensive view of supply performance measurement. It is proposed here that the framework for integrated supply performance measurement explains supply performance measurement as a management process that requires different enablers as a basis. Conceptually, the framework integrates aspects of existing modular frameworks in performance measurement.66 The modular structure of the framework is founded on theoretical explanations discussed in the previous chapter. Our integrated framework consists of seven modules that have been allocated according to their significance for the supply performance measurement process. The five modules in the upper part of the framework are described as performance modules. The performance modules describe supply performance measurement as a management process.67 In the lower part of the framework, enabling modules are described. Enabling modules are supportive activities and resources that have to be available to put the management process into operation. The five modules in the upper part of the framework have been divided into two main subdivisions: The first focuses on the design of supply performance measurement, the second subdivision comprises the modules that take the responsibility for the implementation of supply performance measurement into the organization. The design of supply performance measurement addresses the question what a well designed measure constitutes to avoid dysfunctional behavior.68 The first module Supply Strategy Deployment addresses the alignment of strategy for purchasing and supply management. Supply strategy has to be derived from corporate strategy, and has to be broken down to critical tasks with action plans for all organizational levels.69 In the second module Supply KPI Development and Target Setting decisive metrics (key performance indicators) are developed on the basis of the supply strategy deployment process and targets are defined.
66 67 68 69
Hoffmann (2002), S. 88; Gleich (2001), S. 196; Bourne et al. (2000), S. 757. Rüegg-Stürm (2002), S. 69. Neely et al. (2000), S. 1130. e.g., Bitici et al. (1997), S. 697.
A Theory-Based for Integrated Supply Performance Measurement 141 ______ _________________Framework ___________________________________________________________________________ _____________________________________________________
Enabling Modules
Performance Modules
Design
Supply Strategy Deployment
Implementation
Supply KPI Development and Target Setting
Internal Supply Reporting
Supply Incentive Systems
Supply Value Reporting
Supply Information Systems Human Resources
Abb. 4: A framework for integrated supply performance measurement
As Neely et al.70 state “The real challenges for managers come once they have designed their robust measurement systems, for then they must implement the measures”. The implementation of supply performance measurement is the second step in the management process. The first two modules are closely juxtapositioned. Designed key performance indicators have to be made available by Internal Supply Reporting. Management reports have to be designed to address the cognitive information needs of the management personnel and the executives, and to enable them to efficiently and effectively coordinate supply management’s tasks. Key performance indicators can be used to enlarge accounting-based financial reporting to a comprehensive Supply Value Reporting. Thus, they result in higher trust of the capital market (i.e. investors and shareholders) in the securities of a firm through the consistent disclosure of additional information on the performance.71 As recent studies show that the implementation of KPI-based reward systems improves performance,72 the fifth module focuses on the implementation of key performance measures through the design of reward systems and the control of supply management actors through management by objectives (Supply Incentive Systems). Two enabling modules form the lower part of the framework. The enablers constitute the necessary prerequisites for the functionality of the management process (upper part of the framework). The first module focuses on Supply Information Systems. Supply information systems, such as a spend management system as well as a workflow management system, have to be available to deliver data to generate the key performance metrics. The second module addresses Human Resources. Overall, the integrated framework for supply performance measurement is thought to address management research as well as management practice. The comprehensive modular design of important aspects of supply 70 71 72
Neely et al. (2000), S. 1142. e.g., Hebeler/Wurl (2002); Entchelmeier (2006). Banker et al. (2000).
142 ___________________________________________________________________________________________ Evi Hartmann, Aiko Entchelmeier, Michael Henke, Christopher Jahns _______ _____________________________________________________
performance measurement can be used as a roadmap to further investigate the topic and to design and to implement supply performance measurement systems in companies.
Conclusion: Need for Further Research in Supply Performance Measurement Performance measurement for purchasing and supply management is an interesting research topic both for management accounting researchers as well as for supply management researchers, as the strategic importance of supply management rises and methods of management control have to be adapted for the increasingly important functional unit. The proposed theory-based integrated framework seems to be a good starting point for management research to further develop comprehensive guidelines for the design, implementation and enablement of supply performance measurement. To get a full picture and a deeper understanding on the impact of integrated supply performance measurement, the integrated framework will be tested in a broader empirical analysis. Through empirical substantiation important issues of supply performance measurement for the value creation of the firms will be analyzed and recommendations for company practice will be derived from the analysis. Additional research will also be conducted by collecting case study data from large to medium-sized companies in German-speaking Europe.
A Theory-Based for Integrated Supply Performance Measurement 143 ______ _________________Framework ___________________________________________________________________________ _____________________________________________________
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Ableitung für die Produktion 147 _________________von _______IT-Strategien _______________________________________________________________________________________________________________________________
Ableitung von IT-Strategien für die Produktion Norbert Gronau, Marcus Lindemann Entscheidungen über die Einführung bzw. Ablösung betrieblicher Anwendungssysteme werden vornehmlich auf Basis funktionaler Anforderungen und finanzwirtschaftlicher Kennzahlen getroffen. Dabei werden jedoch ausschließlich gegenwärtige oder vorhersehbare Bedarfe betrachtet. In einem dynamischen Umfeld sind betriebliche Anwendungssysteme häufig wesentlich länger im Einsatz, als die einmal definierten Anforderungen gültig sind. Die Zukunftsfähigkeit von IT-Systemen in der Produktion wird demnach maßgeblich von der Fähigkeit bestimmt, Umweltturbulenzen mit wandlungsfähigen Informationssystemarchitekturen zu begegnen und dabei die Wirtschaftlichkeit dieser Systeme nicht außer Acht zu lassen.
Von der Turbulenzanalyse zur IT-Strategie Unternehmen unterliegen in der Regel einer ganzen Reihe dynamischer Einflüsse aus dem unternehmensspezifischen Umfeld. Infolge einer turbulenten Umwelt ist der Unternehmenswandel vielfach zu einem Dauerzustand avanciert. Neben einer beständigen Anpassung der individuellen Geschäfts- und Produktionsprozesse betrifft der notwendige Wandel auch die zugrunde liegenden Strukturen. Informationssysteme bilden heute vielfach das Rückrat betrieblicher Strukturen und Prozesse. Die Wandlungsfähigkeit dieser Systeme als notwendige Vorraussetzung für die Bewältigung der Turbulenzen aus dem Umfeld wird damit zu entscheidenden Faktor für den langfristigen Erfolg und die Existenz des Unternehmens.
Turbulenzanalyse Die notwendige Wandlungsfähigkeit betrieblicher Anwendungssysteme richtet sich nach der Anfälligkeit des Unternehmens für Turbulenzen im Unternehmensumfeld. Für die Turbulenzanalyse wird das Unternehmen selbst als evolvierendes System in einem turbulenten Umfeld betrachtet. Turbulenzkriterien werden in diesem Zusammenhang als äußere Einflüsse aufgefasst, die eine Veränderung am Zustand des Systems Unternehmen bewirken. Für die eigene Handlungsfähigkeit muss das System Unternehmen ein Abbild seiner Umwelt besitzen und überdies in der Lage sein, handlungsrelevante Teile und Aspekte zu identifizieren. Konzepte der Organisationstheorie unterscheiden auf in-
148 Norbert Gronau, Marcus Lindemann _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
haltlicher Ebene in eine Aufgabenumwelt und die globale Umwelt. Die Aufgabenumwelt charakterisiert das direkte Wettbewerbsumfeld, welches nach Porter den folgenden fünf Kräften unterliegt: • • • • •
Rivalität unter den bestehenden Anbietern (Wettbewerbsfaktor) Potentielle Neuanbieter (Konkurrenzfaktor) Substitutionsprodukte (Ersatzfaktor) Abnehmer (Verhandlungsfaktor) Lieferanten (Verhandlungsfaktor)
Exogene Kräfte hingegen beschreiben die globale Umwelt. Relevante Einflussfaktoren sind: • • • • •
Technologische Umwelt Politisch-rechtliche Umwelt Arbeitsmarkt Geld- und Kapitalmarkt Ökologische Umwelt
Mit Hilfe dieser 10 Faktoren kann die für die Wandlungsfähigkeit relevante Turbulenz des Unternehmensumfelds bestimmz werden. Die unterschiedliche Gewichtung der Einflussfaktoren ermöglicht die individuelle Abstimmung ihrer Relevanz für das Unternehmen. Ausgehend vom Ist-Zustand werden die einzelnen Faktoren mit der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens bewertet. Basierend auf dieser Bewertung der Einzelfaktoren wird die Anfälligkeit des Unternehmens gegenüber Umfeldfaktoren in einem Turbulenzindex zusammengeführt.
Wandlungsfähigkeit Wandlungsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit eines Systems, sich selbst effizient und schnell an veränderte Anforderungen anpassen zu können. Während Flexibilität als Eigenschaft lediglich einen von außen erkannten Änderungsbedarf mit einem von außen zur Verfügung gestellten Änderungspotenzial begegnet, setzt Adaptivität bereits die Fähigkeit des selbständigen Erkennens des Veränderungsbedarfs voraus. Bei der Wandlungsfähigkeit als höchste Entwicklungsstufe wird nicht nur der Veränderungsbedarf erkannt, sondern es werden auch selbst geeignete Alternativen zu seiner Befriedigung aus dem System heraus generiert. Die Bewertung der Wandlungsfähigkeit von Informationssystemen erfolgt auf Basis definierter Indikatoren. Diese beschreiben wandlungsfähigkeitsrelevante Eigenschaften einzelner Elemente von Informationssystemarchitekturen bzw. deren Zusammenwirken. Für die Definition der Indikatoren wurden einerseits Faktoren für die
Ableitung für die Produktion 149 _________________von _______IT-Strategien _______________________________________________________________________________________________________________________________
Gestaltung wandlungsfähiger Fertigungs- bzw. Montagessysteme aus der Fabrikplanung auf Informationssystemarchitekturen übertragen, zum anderen werden wesentliche Eigenschaften autopoietischer Systeme verwendet, da diese sich als überaus anpassungsfähig im Sinne der Wandlungsfähigkeit erweisen. Skalierbarkeit, Modularität, Verfügbarkeit, Unabhängigkeit und Interoperabilität entstammen als Indikatoren der Fabrikplanung. Die Untersuchung autopoietischer Systeme liefert die Indikatoren der Selbstorganisation, Selbstähnlichkeit und Redundanz. Vervollständigt werden die Betrachtungen durch die Einbeziehung des Wissens der Mitarbeiter. Skalierbarkeit Skalierbarkeit von Informationssystemen fordert die effiziente Anpassung der Kapazitäten an veränderte Mengen der zu verarbeitenden Informationen. Dies betrifft neben der Software auch die Hardwarearchitektur und sollte sowohl nach oben als auch nach unten erfolgen. Modularität Modularisierung beschreibt die Strukturierung des Systems in kleine teilautonome Subsysteme bzw. Module. Mittels entsprechend zu spezifizierende Schnittestellen können Module aufwandsarm entfernt, ersetzt oder einem System hinzugefügt und damit der Funktions- und Leistungsumfang den jeweiligen Anforderungen angepasst werden. Modularität schafft die Vorraussetzung für die effiziente Kombination, Wiederverwendung und schnelle Änderung von Informationsanwendungen. Verfügbarkeit Das Kriterium der Verfügbarkeit zielt auf den zeitlich und räumlich unbegrenzten Zugriff auf die Funktionen und Daten eines Informationssystems ab. Das System sollte zu jeder Zeit von jedem Ort aus über beliebige Medien wie z.B. Web-Browser, Terminal Server oder Virtual Private Network (VPN) nutzbar sein. Unabhängigkeit Unhabhängigkeit bedeutet keine Restriktionen in Bezug auf verwendete Hardware, Betriebssysteme, notwendige Datenbanken und Application Server. Ferner beinhaltet dieses Kriterium die Autonomie des Systems. So bleibt der Ausfall eines Systems ohne Auswirkungen auf die Verfügbarkeit anderer Systeme. Interoperabilität Interoperabilität bezeichnet die Fähigkeit von Anwendungen, unabhängig von Hardware, Betriebssystemen, Netzwerktechnologie und Realisierung der jeweiligen Anwendung miteinander kommunizieren zu können. Sie ermöglicht die Kooperation
150 Norbert Gronau, Marcus Lindemann _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
mehrerer Anwendungssysteme zur Abbildung von Geschäftsprozessen. Kompatibilität und Standardisierung auf Daten-, Objekt- und Prozessebene erweisen sich in diesem Zusammenhang als zentrale Vorraussetzungen. Selbstorganisation Selbstorganisation (Autopoiesis) stellt die Fähigkeit eines Systems dar, die Systemstruktur durch selbstregulierende und –lenkende Mechanismen aus den eigenen Leistungsprozessen heraus festzulegen. Die Elemente bzw. Subsysteme erzeugen dabei eine eigene Ordnung, indem sie Informationen zu Umwelt und Wechselwirkung aufnehmen, zu einem Modell verdichten und in der realen Welt nach diesem Schema handeln. Die internen Schemata autopoietischer Systeme ändern sich bei Modifikation der Umwelt. Selbstorganisierende Informationssysteme sind in der Lage, über ihre innere Struktur bzw. Architektur ganz oder zumindest teilweise zu bestimmen. Eines der bekanntesten autopoietischen Systeme ist das Internet. Selbstähnlichkeit Die Selbstähnlichkeit ermöglicht, durch Zusammenlegen oder Aufteilen im Wesentlichen immer wieder gleiche Muster und Strukturen auf einer anderen Größenskala zu erhalten. Viele natürliche Objekte und chaotische Systeme weisen selbstähnliche Eigenschaften auf. Erst eine derartige Skaleninvarianz ermöglicht oft die Analyse komplexer dynamischer Systeme. Vorteile selbstähnlicher Informationssysteme liegen beispielsweise in der leichteren Erlernbar- und Bedienbarkeit durch wiederkehrende Strukturen. Redundanz Redundanz fordert die Verfügbarkeit ähnlicher Ressourcen auch über den Bedarf für die aktuelle Leistungserstellung hinaus. Die erzeugte Dezentralität wirkt positiv auf die Wandlungsfähigkeit, allerdings geht die Bereitstellung von Ressourcen, deren Bedarf nicht sicher vorher gesagt werden kann, auch mit zusätzlichen Kosten einher. Erträge werden erst dann generiert, wenn eintretenden Umfeldturbulenzen mit wandlungsfähigen Systemen begegnet wird. Wissen Wissen über die Informationssystemarchitektur umfasst sowohl explizites als auch stillschweigendes Wissen. Explizites Wissen liegt beispielsweise in Form von Prozessbeschreibungen, Regeln, Richtlinien, Modellen, definierten Verantwortlichkeiten und Kommunikationskanälen vor. Stillschweigendes Wissen hingegen bezeichnet die Erfahrungen der Mitarbeiter aus der Gestaltung und Nutzung von Informationssystemen und beispielsweise die Fähigkeit, neue Prozesse abzubilden oder Anwendungen zu integrieren.
Ableitung für die Produktion 151 _________________von _______IT-Strategien _______________________________________________________________________________________________________________________________
Ableitung zukünftiger IT-Strategien Die Empfehlungen für die Gestaltung zukünftiger IT-Strategien basieren auf einer branchespezifischen Klassifizierung von Unternehmen und Umweltfaktoren. Aufbauend auf der Analyse genereller Einflussfaktoren in einem Industriezweig wird die Sensibilität des Unternehmens bzgl. dieser Einflussfaktoren bewertet und der Turbulenzindex (Ty) errechnet. In der nächsten Analysephase wird die Ausprägung der definierten Wandlungsfähigkeitsindikatoren bei den vorhandenen IT-Systemen des Unternehmens ermittelt und im aggregierten Wandlungsfähigkeitsindex (Wx) zusammengeführt.
Betrachtungsbereich festlegen Gesamte ISA Entlang eines Prozesses Einzelnes Anwendungssystem
Auswahl des Untersuchungsbereiches Hilfsmittel: Referenzmodell betrieblicher Anwendungssysteme
Systembezogene Kriterien anwenden
Geschäftsspezifische Kriterien anwenden
Umweltturbulenzen einschätzen
Skalierbarkeit, Modularität, Mobilität, Interoperabilität, Selbstorganisation, Redundanz, Wissen
Strukturanalogie überprüfen Geplante Redundanz ermitteln
Wettbewerbskräfte, Technologie, Politik, Recht, Arbeitskräfte, Kapital, Ökologie
Technische Wandlungsfähigkeit Zwischenergebnis
Gesamthafte Wandlungsfähigkeit der ISA im Istzustand
Turbulenzindex ermitteln des Unternehmens in der Zukunft
In Portfolio einordnen
IT-Strategie ableiten
Vergleich der Istsituation mit dem durch Turbulenzen hervorgerufenen Bedarf
Wandlungsfähigkeit erhöhen Kostenreduktion vornehmen Effizienz erhöhen
Abb. 1: Vorgehensmodell zur Bewertung von Informationssystemarchitekturen (ISA) (Gronau, 2005)
Die letzte Phase beinhaltet die Abbildung der Position des Unternehmens im Turbulenz-Wandlungsfähigkeits-Portfolio. Aus der aktuellen Zuordnung des Unternehmens zu einem der vier Quadranten und dem angestrebten Soll-Zustand werden Handlungsempfehlungen zur Gestaltung der zukünftigen IT-Strategie abgeleitet.
152 Norbert Gronau, Marcus Lindemann _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
2 hoch
Kritische Zone
1
Ideale Zone
Turbulenzfaktor
3 niedrig
5
Neutrale Zone
Transferzone
4 6
niedrig
hoch
ERP-Wandlungsfähigkeit
Abb. 2: Ableitung der IT-Strategie aus dem Portfolio (Andresen/Gronau/Schmid, 2005)
1. Befindet sich ein Unternehmen in der kritischen Zone muss die zukünftige ITStrategie auf eine signifikante Erhöhung der Wandlungsfähigkeit der Informationssysteme ausgelegt werden, um drohenden Umweltturbulenzen zeitnah und adäquat begegnen zu können. 2. Das Unternehmen befindet sich in der idealen Zone. Die regelmäßige Situationsprüfung anhand der definierten Kriterien ermöglicht die frühzeitige Erkennung von Abweichungen und die Einleitung korrigierender Maßnahmen, um dynamische Umfeldeinflüsse auch langfristig beherrschen zu können. 3. Trotz niedriger Wandlungsfähigkeit der Informationssysteme befindet sich das Unternehmen aufgrund einer geringen Dynamik im Umfeld in der neutralen Zone. Die zukünftige Strategie sollte auf eine Reduktion der IT-Kosten ausgelegt werden.
Ableitung für die Produktion 153 _________________von _______IT-Strategien _______________________________________________________________________________________________________________________________
4. Eine auf vorsichtigen Ausbau der Wandlungsfähigkeit vorhandener Systeme ausgelegte IT-Strategie kann zu einem Übergang von der neutralen in die Transferzone führen. 5. In der Transferzone übersteigt die Wandlungsfähigkeit der Informationssysteme die aus Turbulenzen im Umfeld resultierenden Anforderungen. Ziel muss es sein, die Effizienz der vorhandenen Systeme zu erhöhen, um langfristig Kostensenkungspotenziale bei gleichzeitiger Beibehaltung der aktuellen Wandlungsfähigkeit zu realisieren. 6. Eine weitere Strategie in der Transferzone kann die Anpassung der IT-Systeme auf ein für die Beherrschung vorhandener Umweltturbulenzen notwendiges Maß an Wandlungsfähigkeit sein. Nach Prüfung der Auswirkungen einer verminderten Wandlungsfähigkeit auf die Unternehmensprozesse kann Outsoucing von IT-Leistungen eine Option darstellen. Eine derartige Anpassung der IT an die aus der aktuellen Turbulenzlage abgeleiteten Minimalanforderungen in Bezug auf die Wandlungsfähigkeit zielt demnach vornehmlich auf eine Reduktion der IT-Kosten ab. Mit Hinblick auf die Minimierung zukünftiger Risiken ist jedoch eine Optimierung der Wandlungsfähigkeit zu bevorzugen, um kommenden Umfeldveränderungen proaktiv begegnen zu können.1
Von der Strategie zum Anwendungssystem Alle vorgestellten Strategien können als Maßnahmen den Einsatz neuer Systeme bzw. neuer Standardsoftware enthalten. Abseits strategischer Überlegungen sind Investitionen in betriebliche Anwendungssysteme im Management heute ausschließlich unter Wirtschaftlichkeitsgesichtpunkten zustimmungsfähig. Anwendungssysteme für die Produktion stellen in diesem Zusammenhang keine Ausnahme dar. Im Folgenden wird daher ein inzwischen erfolgreich in der Praxis eingesetzter Ansatz einer effizienten und fundierten Wirtschaftlichkeitsbewertung betrieblicher Anwendungssysteme am Beispiel der Entscheidung über die Einführung eines Manufacturing Execution Systems vorgestellt.
Wirtschaftlichkeit als strategischer Faktor Aus ökonomischer Sicht beschreibt Wirtschaftlichkeit das Verhältnis von monetär quantifizierbaren Kosten zur gemessenen Leistung. Ähnlich wie für das Gesamtunternehmen erweist sich die Wirtschaftlichkeit auch als erfolgskritischer Faktor für die Einführung eines MES. Während die Kosten eines MES-Projekts verhältnismäßig
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Andresen/Gronau/Schmid (2005).
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leicht gemessen werden können, gestaltet sich die Abschätzung des realisierbaren Nutzens dagegen erheblich schwieriger. Global betrachtet repräsentiert die Fertigung nur einen kleinen Ausschnitt der Supply Chain, unter Wertschöpfungsgesichtspunkten stellt sie jedoch das Zentrum der unternehmerischen Tätigkeit dar. Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied und so muss auch in der Fertigung den kundenseitigen Anforderungen durch entsprechend formulierte und operationalisierte Zielsetzungen Rechnung getragen werden. Bezogen auf den einzelnen Fertigungsauftrag beschreiben Durchlaufzeit, Termintreue und Flexibilität die im Wesentlichen durch Kundenanforderungen getriebene Zielgrößen in der Fertigung. Neben qualitativ hochwertigen Produkten erwarten Kunden jedoch zunehmend auch die permanente Auskunftsfähigkeit bezüglich des individuellen Produktionsauftrags. Mit der in diesem Zusammenhang geforderten hohen Transparenz der Fertigungsprozesse lassen sich auch Planungsqualität und Reaktionsgeschwindigkeit dauerhaft positiv beeinflussen. Unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten steht die effiziente Nutzung der vorhandenen Kapazitäten im Mittelpunkt des Interesses. Aus Unternehmenssicht erheben hohe Lohnkosten und teure Maschinen Produktivität und Auslastung der Ressourcen zu zentralen Zielgrößen der Fertigung. Klar formulierte Ziele und der aktuelle Grad der Zielerreichung bilden auch den Ausgangspunkt für die Quantifizierung des Nutzens einer MES-Einführung. Im Rahmen der Investitionsentscheidung ist also die Frage zu beantworten, inwieweit sich die Einführung eines MES positiv auf den Grad der Erreichung der einzelnen Ziele auswirkt bzw. welche relativen Verbesserungen der verschiedenen Zielgrößen sich realisieren lassen. Produktionsfaktor Information Zunehmende Kundenorientierung und mehrdimensionale Zielsetzungen in teilweise konträren Ausprägungen stellen beständig wachsende Anforderungen an die Planung und Steuerung der Fertigungsprozesse. Essentiell in diesem Zusammenhang ist die Bereitstellung der im jeweiligen Kontext benötigten Informationen in hinreichender Aktualität und Qualität. Das Spektrum reicht von Mengen- und Termininformationen zu den einzelnen Fertigungsaufträgen über aktuelle Maschinen- und Prozessdaten bis hin zur konkreten Arbeitsanweisung für den jeweiligen Werker. Informationsmanagement wird damit zu einem wesentlichen Bestandteil des Produktionsmanagements. Mittels signifikanter Verbesserungen im Informationsmanagement eröffnet die Einführung eines MES Potenziale für eine effizientere Gestaltung der Fertigungsprozesse. Für den Nutzen eines MES bei der Beschaffung, Verarbeitung und Bereitstellung von Informationen lassen sich verschiedene Dimensionen identifizieren. So wirkt die durch die Einführung eines MES mögliche automatisierte Bereitstellung bislang ma-
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nuell erhobener und aufbereiteter Informationen unmittelbar und nachhaltig positiv auf die Personaleffizienz. Das Gleiche gilt für die Nutzung entsprechender MESFunktionen anstelle von zuvor manuell durchgeführten Planungs- und Koordinationsaktivitäten. Der Nutzen eines MES kann sich jedoch auch in Form der Bereitstellung von Informationen darstellen, die aufgrund eines zu hohen manuellen Aufwands oder fehlender technischer Möglichkeiten bislang überhaupt nicht erhoben wurden. Ähnlich verhält es sich Bereitstellung von Funktionen, die unter den bisherigen ITinfrastrukturellen Gegebenheiten nicht realisierbar waren. Neben Potenzialen im Bereich der klassischen Zielgrößen wie Durchlaufzeit, Produktivität und Auslastung ergeben sich positive Auswirkungen auf Transparenz und Planungsqualität. Zudem eröffnen sich hier Möglichkeiten zur Erfüllung externer Anforderungen wie beispielsweise die Realisierung einer Chargenverfolgung. Oberhalb der Fertigungsebene verfügen moderne Unternehmen heute oftmals über gut organisierte ERP-Strukturen mit einer kommerziell dominierten Sicht auf Bereiche wie Vertrieb, Personal, Materialwirtschaft, Finanzen oder die Fertigung. Andererseits verfügen moderne Produktionsanlagen vielfach über eine anspruchsvolle Automatisierungshardware, intelligente Steuerungssoftware und eine Netzwerkanbindung. Alle diese Systeme generieren eine Vielzahl von Informationen, sowohl zur Unternehmensplanung als auch zum Produktionsprozess. Es entstehen unzählige Informationsinseln. Die fehlende Synchronisation von Planungen und Aktivitäten verursacht dabei enorme Effizienzverluste. Ähnlich verhält es sich mit dem parallelen Betrieb einzelner Insellösungen für das Fertigungsmanagement. Manuelle Versuche, die isoliert und oftmals auch redundant abgelegten Daten zu verknüpfen, verursachen einen immensen zeitlichen Aufwand. Die fehlende Aktualität der Daten macht eine schnelle und flexible Reaktion auf unvorhergesehene Entwicklungen nahezu unmöglich. MES verbinden die einzelnen Systeme für das Fertigungsmanagement zu einer aus einer zentralen Datenbasis gespeisten horizontal integrierten Gesamtlösung. Gleichzeitig ermöglichen sie als vertikales Bindeglied zwischen den transaktionsorientierten ERP-Systemen und der Automatisierungsebene die Synchronisation unternehmerischer Plandaten mit aktuellen Rückmeldungen aus der Fertigung. Der Nutzen eines MES liegt also vor allem in der effizienten Beschaffung, Aufbereitung und Bereitstellung der für eine bestmögliche Planung und Steuerung der Fertigungsprozesse benötigten Informationen. Die hohe Aktualität und Qualität der bereitgestellten Informationen garantiert Transparenz, Flexibilität und eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit. Zudem erhöht die systemseitige Abbildung ausgewählter Workflows die Prozesssicherheit.
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Operationalisierung der Potenziale Operationalisierung beschreibt die Messbarmachung der durch den Einsatz eines MES realisierbaren Potenziale. Investitionsentscheidungen werden von den Verantwortlichen mehrheitlich auf Basis finanzwirtschaftlicher Kennzahlen getroffen und s o gilt es im Folgenden, einen Ansatz zur monetären Bewertung des im Rahmen einer Potenzialanalyse identifizierbaren Nutzens einer MES-Einführung zu entwickeln. Die aus verschiedenen Anwendungsbereichen unter dem allgemeinen Begriff des magischen Dreiecks bekannten Zielgrößen Zeit, Qualität und Kosten bilden einen geeigneten Ausgangspunkt für die Operationalisierung des Nutzens. Zeit- und Kostenkomponenten sind direkt messbar, während Qualität über den Weg der für die Behebung der Folgen von Nichtqualität notwendigen Aufwendungen bewertet werden kann. Diese lassen sich wiederum als Zeit- und Kostenanteile ausdrücken. Die Verwendung von Zeiten und Kosten als Messgrößen für die Quantifizierung der Potenziale birgt mehrere Vorteile. Zum einen handelt es sich dabei nicht um ein theoretisches Konstrukt, sondern um direkt beobachtbare und fassbare Größen, was die Akzeptanz beim Anwender entscheidend begünstigt. Zum anderen lässt sich die Mehrzahl der klassischen Zielgrößen der Fertigung wie Durchlaufzeit, Produktivität oder die Auslastung der benötigten Ressourcen auf diese direkt messbaren
Qualität
Das Magische Dreieck
Zeit
Kosten
Eingangsgrößen zurückführen. Abb. 3: Das Magische Dreieck
Zentrale Aufgabe aller Planungs- und Steuerungsaktivitäten in der Fertigung ist die bestmögliche Zuweisung von Aufträgen zur Bearbeitung mit Hilfe der vorhande-
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nen Ressourcen. So bilden Fertigungsaufträge einerseits und die Bindung der Ressourcen andererseits die geeigneten Bezugsobjekte für die Bewertung der identifizierten Zeitpotenziale. Die Erfassung auftragsbezogener Zeitanteile zielt in erster Linie auf die Ermittlung von Verbesserungspotenzialen bei der wichtigen Zielgröße Durchlaufzeit ab. Die Möglichkeiten einer sinnvollen monetären Bewertung kürzerer Durchlaufzeiten mit Bezug auf den einzelnen Fertigungsauftrag beschränken sich aufgrund der fehlenden Schnittstellen zum Kunden auf Kostenersparnisse durch eine geringere Kapitalbindung in Umlaufbeständen sowie durch eine Verringerung der für die Pufferung bzw. Lagerung der Umlaufbestände benötigten Flächen. Die Erfassung von Zeitanteilen bezogen auf die Nutzung der einzelnen Ressourcen erlaubt eine monetäre Bewertung der Ressourcenbindung. Dabei sind grundsätzlich unterschiedlich zu bewertende Anteile von Nutzung bzw. Nichtnutzung der zu betrachtenden Ressourcen zu unterscheiden. Diese können über entsprechend festzusetzende Stundensätze für Nutzung bzw. Nichtnutzung maschineller und personeller Ressourcen in Euro und Cent bewertet werden. Ferner ist es möglich, auf Basis dieser detailliert erfassten Zeitanteile fundierte Aussagen über Verbesserungspotenziale bei Produktivitäts- und Auslastungskennziffern zu generieren. Als zweite direkt erfassbare Größe sind Einsparungen bei den nicht zeitabhängigen Kosten von Interesse. In dieser Kategorie werden beispielsweise Potenziale im Bereich der Materialkosten, der Kosten für Betriebsmittel oder auch der Aufwendungen für Vertragsstrafen erfasst. Neben diesen nicht zeitabhängigen Kosten, die z.B. für den Druck von Fertigungspapieren und Etiketten entstehen, sind als weitere Komponente kalkulatorische Kosten zu berücksichtigen, wie sie z.B. aus der Bindung finanzieller Ressourcen in hohen Umlaufbeständen hervorgerufen werden. Neben diesen plausibel monetär quantifizierbaren Potenzialen einer MESEinführung wurden zuvor eine Reihe weiterer Nutzendimensionen wie Transparenz, Flexibilität oder aber die Möglichkeit der Erfüllung externer Anforderungen identifiziert. Oftmals entfalten diese Potenziale ihre Wirkung nur mittelbar, teilweise in Kombination mit anderen Nutzendimensionen, oder sie begünstigen einfach nur die Erschließung anderer Potenziale. Vielschichtige Randbedingungen und komplexe Wirkzusammenhänge lassen es daher weder praktikabel noch seriös erscheinen, diese Nutzendimensionen mittels methodisch zumindest angreifbarer Ansätze in Euro und Cent zu beziffern. Aufgrund des Fehlens fundierter Methoden zur Überführung dieser Potenziale in belastbare und sinnvoll interpretierbare Ergebnisse sollte in diesem Fall einer rein qualitativen Bewertung, z.B. mittels additiver Scoringmodelle, der Vorzug gegeben werden.2
2
Gronau (2007).
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Toolgestützte Wirtschaftlichkeitsanalyse Unter der Maßgabe der Durchführbarkeit einer solchen Analyse mit vertretbarem Aufwand und der Notwendigkeit der Generierung verlässlicher Ergebnisse wurde der hier vorgestellte Ansatz der Wirtschaftlichkeitsanalyse in Form eines Softwaretools umgesetzt. Methodisch baut das Werkzeug auf den Ausführungen des vorherigen Abschnitts auf, d.h. in der monetären Bewertung liegt der Fokus klar auf den direkt messbaren Basisgrößen Zeit und Kosten, während nur unzureichend quantifizierbare Potenziale wie beispielsweise die Erfüllung externer Anforderungen, das systematische Aufdecken von Fehlerquellen oder Verbesserungen in der Transparenz der Fertigungsprozesse in der Regel eine qualitative Bewertung erfahren. Szenario Untersuchungsgebiet Auswahl von Zielgrößen
Spezifikation von Erhebung Stammdaten und Gewichtungsfaktoren Fragebogengestützte Ermittlung der
TCO Anfangsinvestition
Ermittlung der Systemkosten
Potenziale
Erhebung der Investitionskosten
Wirtschaftlichkeit Anwendungssystem Auswahl der Module
Modulspezifische Einsparpotenziale
Verbesserung bzgl. der Ziele Monetäre Bewertung der Potenziale mit Kostensätzen
Abb. 4: Vorgehensmodell der toolgestützten Wirtschaftlichkeitsanalyse
Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse startet zunächst mit der Spezifikation des Untersuchungsbereichs. Erfahrungen aus der Beratungspraxis weisen dabei eine zielorientierte Vorgehensweise als sinnvoll aus. Zudem werden dem Nutzer die in der VDIRichtlinie 5600 definierten Aufgaben eines MES zur Auswahl gestellt, was einerseits dem nicht vollends mit dem MES-Thema vertrauten Nutzer die Orientierung erleichtert, anderseits die Akzeptanz beim Anwender fördert. Die Abgrenzung des Untersuchungsbereichs erfolgt demnach über die Auswahl der zu betrachtenden Ziele wie z.B. Durchlaufzeit, Produktivität und Maschinenauslastung oder die Selektion spezifischer MES-Aufgaben wie beispielsweise Feinplanung, Betriebsmittelmanagement und Datenerfassung oder als Kombination aus Beidem. Entsprechend der hier getrof-
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fenen Auswahl wird für die nachfolgende Analyse automatisch ein Fragebogen mit auf den Untersuchungsbereich abgestimmten Indikatorfragen zusammengestellt. Ziel der Analyse ist es, durch sehr spezifisch formulierte und auf die jeweilige MES-Funktion und den entsprechenden Anwendungsfall in der Fertigung abgestimmte Fragestellungen, möglichst präzise Aussagen zu den realisierbaren Potenzialen zu generieren. Dieser mehrstufige Prozess setzt eine umfassende Kenntnis der unternehmensspezifischen Fertigungsprozesse und ihrer Schwachstellen voraus. Eine Analyse der Potenziale einer MES-Einführungen basiert somit in erster Linie auf dem Wissen der Mitarbeiter des einführenden Unternehmens. Gegebenenfalls empfiehlt es sich, externe Berater oder Experten des Anbieters hinzuzuziehen und die Potenzialermittlung als kooperativen Prozess durchzuführen. Bezugsobjekt für die Ermittlung zeitinduzierter Potenziale sind zum einen Fertigungsaufträge, zum anderen die für die Bearbeitung der Aufträge benötigten Ressourcen. Für das Bezugsobjekt Fertigungsauftrag wird bei der Erfassung zwischen Bearbeitungszeit, Wartezeit und Liegezeit unterschieden. So ist im Rahmen der Potenzialanalyse beispielsweise die folgende Fragestellung zu beantworten: • Wie viel Wartezeit im Auftragsdurchlauf lässt sich durch die Möglichkeit der Werkerselbstprüfung an Prüfstationen bzw. den Maschinenterminals und die elektronische Bereitstellung der Prüfdokumente vermeiden? Potenziale in der Nutzung bzw. Nichtnutzung maschineller Ressourcen durch Bearbeitung, Rüsten, Stillstand oder Ausfall werden ebenfalls durch detaillierte Erfassung der entsprechenden Zeitanteile erhoben. Eine Frage aus diesem Bereich wäre: • Wie viel Stillstandszeit bei Maschinen und Anlagen kann durch eine automatische Maschinenbelegung unter Anwendung definierbarer Planungsstrategien und Prioritätsregeln vermieden werden? In einer personalintensiven Fertigung wird die Effizienz der eingesetzten Mitarbeiter in erster Linie durch den Anteil der wertschöpfenden Zeit an der insgesamt verfügbaren Personalzeit bestimmt. Wertschöpfende Zeit beschreibt im Kontext der Fertigung diejenige Zeit, die der Werker mit Aktivitäten zur physischen Bearbeitung der Fertigungsaufträge beschäftigt ist. Als nicht wertschöpfende Zeitanteile werden koordinierende und dispositive Tätigkeiten, sowie alle Aktivitäten, die nicht der unmittelbaren Wertschöpfung dienen, klassifiziert. Dies betrifft beispielsweise Such- und Rechercheaufwand oder Zeiten für das Zurücklegen von Wegen. Neben diesen Zeitanteilen werden im Rahmen der Potenzialanalyse auch Zwangspausen, also Zeiten in denen der Werker auf den nächsten Auftrag oder die Verfügbarkeit einer benötigten Ressource wartet, sowie Ausfallzeiten und Überstunden erfasst. Eine typische Fra-
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gestellung zur Quantifizierung der Potenziale im Bereich der Personalzeitanteile ist beispielsweise: • Wie viel Zwangspausenzeit lässt sich durch die simulative Einplanung von Aufträgen vermeiden? (Durchführung von what-if-Analysen) Neben den zeitinduzierten Potenzialen können sich durch den Einsatz eines MES auch Verbesserungen bei den nicht zeitabhängigen Kosten bzw. den kalkulatorischen Kosten realisiert werden. Für die Ermittlung derartiger Potenziale ist z.B. folgende Fragestellung zu beantworten: • Wie viel Kosten, z.B. für Vertragsstrafen, können durch die automatische Überwachung der Termintreue vermieden werden? Zusätzlich zu den bei den operativen Fertigungsprozessen realisierbaren Verbesserungen müssen als weitere Nutzendimension im Sinne des Total Benefits of Ownership Ansatzes auch die aus dem Betrieb einer integrierten Gesamtlösung mit moderner Architektur im Vergleich zur Nutzung mehrerer herkömmlicher Insellösungen resultierenden Potenziale im IT-Bereich mit in die Bewertung der MES-Investition einfließen. Eine entsprechende Frage wäre: • Welche Kosten, z.B. für den Betrieb mehrerer Datenbanken, können durch die zentrale Datenhaltung innerhalb eines MES-Systems eingespart werden? Die innerhalb der Potenzialanalyse abgefragten Funktionen sollten bezüglich des spezifischen Anwendungsfalls auch einer qualitativen Bewertung unterzogen werden. Die Bewertung der Relevanz einer Funktion ermöglicht beispielsweise die folgende Fragestellung: • Wie wichtig ist eine automatische Ermittlung der IST-Leistungsgrößen (Nutzgrad, Wirkungsgrad, OEE etc.)? Die Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Gegebenheiten in der Analyse erfolgt durch eine entsprechende Parametrisierung des Werkzeugs. Im Bereich Stammdaten sind dazu einige einfache Eingaben zu Aufträgen, Personal sowie Maschinen und Anlagen erforderlich. Auf diese Weise können verschiedene Anwendungsfälle und Szenarien, wie z.B. die Betrachtung einzelner Anlagen, Fertigungsbereiche oder ganzer Werke, abgebildet werden. Da nicht zwingend davon ausgegangen werden kann, dass beispielsweise zeitliche Einsparungen für Planung und Koordination zu einhundert Prozent in unternehmeri-
Ableitung für die Produktion 161 _________________von _______IT-Strategien _______________________________________________________________________________________________________________________________
sche Wertschöpfung transformiert werden, ermöglichen spezielle Korrekturfaktoren eine entsprechende Justierung und Gewichtung bei der monetären Bewertung der Zeitanteile. Aufbauend auf den mittels der zu beantwortenden Fragen erhobenen Einzelpotenzialen, den angegebenen Stammdaten und den individuell angepassten Korrekturfaktoren wird durch das Softwaretool eine automatische Berechnung und Bewertung der durch die Einführung eines MES erzielbaren positiven Nutzeneffekte durchgeführt. Neben den nunmehr monetär in Euro und Cent ausweisbaren Potenzialen werden auch realisierbare Verbesserungen bezüglich des Grads der Zielerreichung ausgewählter Zielgrößen wie Durchlaufzeit, Produktivität und Auslastung der betrachteten Ressourcen aufgezeigt. Sämtliche Analyseergebnisse werden sowohl auf der Ebene des Gesamtsystems als auch auf Modulebene ausgewiesen, so dass im Rahmen der MES-Einführung beispielsweise diejenigen Module mit dem größten zu erwartenden Nutzen priorisiert werden können. In der automatischen Analyse werden den Potenzialen neben den Investitionskosten im Sinne des TCO-Ansatzes auch die laufenden Kosten für den Betrieb eines MES für die geplante Nutzungsdauer des Systems gegenübergestellt. Dies beinhaltet u. a. Kosten für Support, Qualifizierung und Wartung für Software und Hardware. Ergebnis der Analyse ist ein Investitionsreport, der neben den potenziellen Ersparnissen auch die klassischen Kennzahlen wie Return on Investment, Kapitalwert, internen Zinsfuss und Amortisationsdauer für die Bewertung der Vorteilhaftigkeit der MES-Einführung ausweist. Neben den im Rahmen der Potenzialanalyse identifizierten möglichen Verbesserungen der operativen Abläufe in Bezug auf die spezifischen Zielgrößen der Fertigung liefern die im Zuge der Wirtschaftlichkeitsbewertung generierten finanzwirtschaftlichen Kennzahlen eine fundierte Grundlage für die letztendlich zu treffende Entscheidung über die Einführung eines MES.
Zusammenfassung und Ausblick Die Zukunftsfähigkeit von IT-Systemen in der Produktion wird maßgeblich durch die Fähigkeit der Beherrschung von Umfeldturbulenzen durch wandlungsfähige Informationssystemarchitekturen bestimmt. Neben der Wandlungsfähigkeit erweist sich vor allem die Wirtschaftlichkeit der eingesetzten Informationssysteme als strategischer Erfolgsfaktor. Die hier vorgestellten Ansätze und Werkzeuge zur Analyse und Bewertung von Informationssystemarchitekturen und zur Ableitung entsprechender IT-Strategien sind das Ergebnis universitärer Forschungsprojekte. Aufgrund ihrer großen praktischen Relevanz werden ihre Entwicklung und zugehörige Beratungsleistungen zukünftig in Form eines universitären Spin-off professionell weitergeführt.
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Literatur Andresen, K.; Gronau, N.; Schmid, S. (2005): Ableitung von IT-Strategien durch Bestimmung der notwendigen Wandlungsfähigkeit von Informationssystemarchitekturen, in: Ferstl, O. K.; Sinz, E. J.; Eckert, S.; Isselhorst, T. (Hrsg.): Wirtschaftsinformatik 2005. Heidelberg 2005. Gronau, N. (2005): Ermittlung der Zukunftsfähigkeit unternehmensweiter Anwendungssysteme, in: ERP Management 1 (2005) Nr. 2, S. 26-29. Gronau, N. (2007): Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und RoI-Analyse, in: Kletti, J. (Hrsg.): Konzeption und Einführung von MES-Systemen. Berlin, Heidelberg 2007.
Qualitätsfrühwarnsystem in der Automobilindustrie 163 _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Notwendigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten eines Qualitätsfrühwarnsystems für die Automobilindustrie Kai-Ingo Voigt, Lothar Czaja Stabile und beherrschbare Prozesse sind zur Erzielung einer zeit-, mengen- und qualitätsgerechten Erfüllung der Kundenwünsche erforderlich. Neben der Verringerung der Durchlaufzeiten von Kundenaufträgen gewinnt auch die Reduzierung von Entwicklungs- und Markteinführungszeiten für neue Produkte zunehmend an Bedeutung.1 Die Leistungserstellung ist dabei aber nicht nur von unternehmensinternen Faktoren abhängig, sondern wird, aufgrund der Konzentration auf Kernkompetenzen und der damit verbundenen internationalen Arbeitsteilung, in zunehmendem Maße von Unternehmen der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen beeinflusst.2 So standen im Juni 1998 beispielsweise die Fließbänder bei Ford für drei Tage still, weil ein wichtiger Lieferant wegen Qualitätsproblemen keine Türschlösser mehr liefern konnte. In vergleichbarem Ausmaß hatte Toyota Probleme mit der Materialversorgung und musste die Produktion in einigen Teilbereichen anhalten, weil kritische Fertigungsanlagen eines bedeutsamen Lieferanten durch einen Werksbrand vollständig zerstört worden waren.3 Damit eine Erfüllung der Kundenwünsche trotz eingetretener Schwierigkeiten dennoch erreicht werden kann, ist eine frühzeitige Wahrnehmung solcher negativen Entwicklungen entlang der gesamten Supply Chain erforderlich und verdeutlicht die Notwendigkeit unternehmensbezogener sowie unternehmensübergreifender Frühinformationssysteme, denn nur wer sich rechtzeitig mit den tagtäglichen Herausforderungen auseinandersetzt, kann die Zukunft aktiv mitgestalten.4 Um nicht mehr nur reagieren, sondern auch proaktiv agieren zu können, wird ein zweckmäßiges Instrumentarium benötigt, das ein frühzeitiges Erkennen von Gefahrenquellen entlang der Supply Chain ermöglicht. Ein auf die Supply Chain ausgerichtetes Frühwarnsystem besitzt das Potenzial, eine solche zukunftsgerichtete Informationsversorgung des Managements zur proaktiven Risikenabwehr wahrzunehmen. Neben einem Überblick über den gegenwärtigen Stand von Frühwarnsystemen in der Literatur, sind die folgenden Ausführungen als Ausgangspunkt für weiterführende Überlegungen sowie als Anreiz zur wissenschaftlichen Diskussion zu verstehen. 1 2 3 4
Vgl. Voigt (1998), S. 1. Vgl. Bacher (2004), S. 1f. Vgl. Kajüter (2003), S. 109. Vgl. Weigand/Buchner (2000), S. 4.
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Frühwarnung in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur Die Notwendigkeit von Frühwarnsystemen für die gesamte Wertschöpfungskette wird auch in der einschlägigen Literatur intensiv diskutiert. So weist BOVET auf die Dringlichkeit eines Frühwarnsystems für die Supply Chain hin: „(…) to squeeze risk out of the global supply chain (…), the astute manager will proactively address risk, as part of any new initiative, by: (…) building an early warning system to monitor critical developments.”5 Um möglichst frühzeitig signifikante Entwicklungen aufdecken zu können, fordert auch HILLMAN ein permanentes Monitoring von Frühindikatoren für die Supply Chain.6 Dass Frühwarnsysteme ein geeignetes Instrumentarium für das Supply Chain Risk Management sein können, stellt KAJÜTER fest und weist gleichzeitig auf die (noch) fehlende Konzeption bzw. theoretische Modellierung eines solchen Frühwarnsystems für die Supply Chain hin.7 Ende der 70er Jahre entstand auf Basis systemtheoretischer Ansätze von HAHN und KRYSTEK eine erste grobe Konzeption für betriebswirtschaftliche Frühinformationssysteme.8 Als das Management unterstützende Instrumente mit bestimmten charakteristischen Eigenschaften lassen sich diese unter dem Systembegriff subsumieren, womit Frühinformationssysteme als „(…) reale, komplexe und offene Systeme [zu] kennzeichnen [sind], die insbesondere durch ihre Elemente und Beziehungen näher charakterisiert werden können.“9 Dabei kann eine solche Charakterisierung hinsichtlich der „(…) Anzahl und Art der Subsysteme und Systemelemente bzw. durch die Art und Intensität der Beziehungen zwischen den verschiedenen Subsystemen und Elementen (…)“10 erfolgen. Damit unterscheiden sich Frühinformationssysteme deutlich von anderen Systemen wie etwa Planungs- und Kontrollsystemen. Abbildung 1 zeigt den grundlegenden Aufbau eines Frühinformationssystems. Menschen, Maschinen bzw. Kombinationen zwischen Mensch und Maschine sind die zentralen Elemente von Frühinformationssystemen, die in systemindividuell bestimmbaren Beziehungen zueinander stehen, um Daten aufzunehmen, zu analysieren und zu interpretieren sowie als Frühwarninformationen weiterzuleiten.11 Chancen und Risiken resultieren in der Regel aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die sich wechselseitig beeinflussen. Werden solche Interdependenzen durch eine isolierte Betrachtung ignoriert, steigt die Gefahr falscher Rückschlüsse.12 5 6 7 8 9 10 11 12
Bovet (2006), S. 10. Vgl. Hillman (2006), S. 12. Vgl. Kajüter (2003), S. 118. Vgl. Hahn/Klausmann (1979), S. 9-12. Hahn/Krystek (1979), S. 77. Hammer (1998), S. 183. Hahn/Krystek (1979), S. 78. Vgl. Simon (1986), S. 47; Voigt (1992), S. 572f.
Qualitätsfrühwarnsystem in der Automobilindustrie 165 _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Informationsflüsse bestehen zwischen den Trägern und den Benutzern eines solchen Systems, wobei unter Trägern sämtliche Personen und Institutionen, die den Betrieb von Informationssystemen ermöglichen und aufrechterhalten, und unter Benutzern diejenigen Personen oder Institutionen zu verstehen sind, die die Ergebnisse und Informationen der Frühinformationssysteme erhalten und zielgerichtet weiterverwerten.
Zentrale
Zentral-Elemente
Subsystem-Grenzen
Peripher-Elemente
Daten aus dem Umsystem
Abb. 1: Elemente, Subsysteme und Beziehungen eines Frühinformationssystems (Quelle: in Anlehnung an Hahn/Klausmann (1979), S. 9)
Peripher- und Zentralelemente lassen sich nach deren spezifischen Informationsverarbeitungsprozessen differenzieren:13 Während es die Aufgabe der Peripherelemente (in der Literatur häufig auch als Sensoren oder Rezeptoren bezeichnet) ist, vorab definierte Umsystemelemente (Beobachtungsbereiche) nach Indikatoren und Signalen zu „scannen“, um Anzeichen für latente Bedrohungen wahrzunehmen und mit Hilfe vorgegebener Analysemethoden und -ziele zu evaluieren, überprüfen und ver13
Vgl. Löhneysen (1982), S. 52.
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dichten die Zentralelemente die empfangenen Informationen und übermitteln diese, gegebenenfalls in komprimierter und entsprechend den Bedürfnissen der Benutzer angepasster Form, als Frühinformationen an die installierten Zuständigkeits- bzw. Verantwortungsbereiche.14 Je nach unternehmensindividuellen Gegebenheiten ist die Zweckmäßigkeit einer lediglich zentralen Informationsverarbeitungsstelle fallweise zu überprüfen. Unter bestimmten Voraussetzungen erscheint eine dezentrale Auswertung von Frühwarninformationen die effizientere Vorgehensweise zu sein.15 Aus der Erkenntnis, dass der Austausch von Informationen das charakteristische Merkmal von Frühinformationssystemen ist,16 zieht HAHN folgende Schlussfolgerungen: • Die Ausgestaltung von Frühinformationssystemen ist im hohen Maße abhängig von den individuellen Zielsetzungen der Benutzer. • Frühinformationssysteme sind Instrumente der Frühwarnung und sind als solche konzipiert worden, um latente Gefahren anhand im Vorfeld wahrnehmbarer Signale, so genannter Indikatoren, festzustellen. • Dabei ist die Identifizierung leistungsfähiger Frühwarnindikatoren das zentrale Problem eines jeden Frühinformationssystems.17
Frühinformationssysteme und Risikomanagement Im Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin des Chancen- und Riskomanagements geht es darum, Alternativen zur Erzielung eines Nutzens oder zum Ausgleich und zur Vermeidung eines Nachteils aufzuzeigen, die mit den jeweiligen Alternativen verknüpften Risiken zu determinieren und zu quantifizieren sowie diejenige Alternative hervorzuheben, bei welcher der zu erzielende Nutzen am höchsten bzw. das einzugehende Risiko am niedrigsten ist.18 Somit beinhaltet das Risikomanagement einerseits eine Klassifizierung von Risiken, andererseits erfolgt im Rahmen des Risikomanagements auch eine Quantifizierung und Bewertung von Risiken, die Aussagen zur Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit erlaubt.19 Das Risikomanagement ist als kontinuierlicher Prozess in jeden Teilbereich, Unternehmensprozess und jede Hierarchieebene des Unternehmens zu integrieren, um sich anbahnen-
14 15 16 17 18 19
Vgl. Hahn/Krystek (1979), S. 78. Vgl. Löhneysen (1982), S. 53; Dolata (1987), S. 39, Hahn/Krystek (1979), S. 78. Vgl. Krystek (1987), S. 168. Vgl. Hahn/Klausmann (1979), S. 10. Vgl. Grams (2001), S. 84. Vgl. Töpfer (1999), S. 5.
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de Risiken möglichst frühzeitig antizipieren und gegebenenfalls gegensteuern zu können.20 Die Ansätze der strategischen Frühinformation sind maßgeblich von ANSOFFS Theorie der Schwachen Signale sowie der damit eng verknüpften Diffusionstheorie geprägt. Frühinformationssysteme sind auf die Gesamtunternehmung oder einzelne Teilbereiche ausgerichtet und langfristig angelegt. Im Gegensatz zu operativen Frühinformationssystemen berücksichtigen sie auch die Konsequenzen von Ereignissen.21 Darüber hinaus greifen strategische Frühinformationssysteme nur selten auf quantitative Daten zurück, sondern ziehen heuristische und kreative Methoden zur Auswertung von Signalen und Informationen heran. Da die strategische Frühinformation die für den Planungsprozess relevanten Daten festlegt und auswertet, besteht auch eine enge Verbindung zu strategischen Planungsansätzen.22 Somit liegt das zentrale Anliegen strategischer Frühinformationen in der Identifikation langfristiger Erfolgspotenziale und der Vermeidung oder der Abschwächung potenzieller Gefahrensituationen bzw. der Wahrnehmung von Chancen.
Die deutsche Automobilindustrie als Betrachtungsgegenstand Die Automobilindustrie zählt nach wie vor zu den Schlüsselindustrien der deutschen Wirtschaft. So betrug der Umsatz im Jahr 2005 insgesamt 236 Mrd. Euro, was einem Anteil von 19 Prozent aller Industriezweige in Deutschland entspricht. Aufgrund des technisch geprägten Produktes wird die Qualität, gerade in der Automobilindustrie, als zentrale Erfolgsdeterminante wahrgenommen.23 Die bestehende hohe Wettbewerbsintensität auf dem Automobilmarkt resultiert dabei nicht zuletzt aus einer Vielzahl an Herausforderungen und Entwicklungen, mit denen sich Automobilhersteller, aber auch Automobilzulieferer konfrontiert sehen. So führte die wachsende Bedeutung der Auslandsmärkte für deutsche Automobilhersteller bis heute zu einem starken Exportanstieg. Noch deutlicher zeigt sich das Ausmaß der Globalisierung bei Betrachtung der Produktionsverlagerungen. Während die Inlandsproduktion in den Jahren von 1994 bis 2004 lediglich um 27 Prozent anstieg, verzeichnete die Auslandsproduktion ein Wachstum von 149 Prozent.24 Aufgrund der Stagnation in den Triade-Märkten versuchen Automobilhersteller nun vermehrt, sich auf die so genannten Emerging Markets zu konzentrieren und investieren insbesondere in neue Standorte in Asien und Osteuropa, um Markt- und 20 21 22 23 24
Vgl. Keitsch (2004), S. 2. Vgl. Wiedmann (1984), S. 93f. Vgl. Kloss (1984), S. 37. Vgl. VDA (2005), S. 2. Vgl. Müller (2005), S. 11.
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Absatzpotenziale zu erschließen sowie Wertschöpfungsaktivitäten lokal zu verankern. Darüber hinaus lautet das erklärte Ziel der Errichtung weltweiter Produktionsstätten, näher an den Konsumenten heranzutreten, vor Ort Präsenz zu zeigen, um über den Aufbau direkter Kundenkontakte gesteckte Absatzziele zu erreichen, die mit einer reinen Exportstrategie nicht realisierbar sind.25 Die Umsetzung der weltweiten Präsenz erkaufen sich die Automobilhersteller über Kooperationen, strategische Allianzen, Joint-Ventures sowie Unternehmenskäufe und -zusammenschlüsse, um das erforderliche Know-how für Markteintritt und Marktbearbeitung zu erlangen.26 Die durch die Ölkrisen in den 1970er Jahren bedingten Rezessionen sowie die Nachfrageschwächen in den Jahren 1993 und 2000 erhöhten den Kostendruck in der Automobilindustrie deutlich und zeigen, dass der Automobilmarkt zyklischen Schwankungen und einer gewissen Konjunkturanfälligkeit unterliegt.27
Qualitätsprobleme und Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie Eine Vielzahl an Entwicklungen im Bereich der Fahrzeugelektronik und -elektrik führten in den letzten Jahren zu enormen Problemen hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Fahrzeuge. Auch wenn sich die Anzahl der Fahrzeugpannen in den letzten Jahren nur leicht erhöhte, so stieg doch die Anzahl der Defekte, die auf Elektronik- und Elektrikschäden zurückzuführen war, überproportional an.28 Weil es aufgrund des vorherrschenden Kostendrucks und des großen Wettbewerbsangebots sowie der hohen Preissensibilität der Kunden nicht möglich ist, den Mehrwert an Fahrzeugelektronik29 sowie die dafür anfallenden Kosten für Entwicklungs- und Produktionsleistungen direkt auf den Kaufpreis umzuwälzen, müssen Automobilhersteller zwangsläufig Einsparungen vornehmen und gewisse Kompromisse eingehen,30 was sich langfristig in einem sinkenden Qualitätsniveau der angebotenen Leistungen bemerkbar macht. Um das am Markt geforderte Qualitätsniveau von Sach- und Dienstleistungen anbieten zu können, verlassen sich Automobilhersteller wie auch –zulieferer auf leistungsfähige Qualitätsmanagementsysteme. Diese besitzen insbesondere bei komplexen und technologischen Produkten, die aus einer Vielzahl von Zulieferkomponenten entstehen, eine hohe Bedeutung, da eine abschließende Kontrolle aufgrund der 25 26 27 28 29 30
Vgl. Nieschlag et al. (1997), S. 117. Vgl. Mattes et al. (2004), S. 17. Vgl. Diez (2006), S. 22. Vgl. Ebel et al. (2004), S. 9. Vgl. Beger (1997), S. 78. Vgl. Mattes et al. (2004), S. 16.
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Komplexität der einzelnen Komponenten nur noch mit großem Kostenaufwand möglich ist.31 Qualitätsmanagementsysteme, die als ganzheitliches Unternehmensmanagementkonzept die Wertsteigerung von Produkten und Dienstleistungen anstreben, um die Erfolgsziele des Unternehmens zu verwirklichen,32 beruhen auf den Prinzipien der Ganzheitlichkeit, Kunden-, Mitarbeiter- und Prozessorientierung sowie der beständigen Qualitätsverbesserung und -messung33 und etablierten sich insbesondere durch Einführung der DIN EN ISO-Normen 9000-9004 und deren Zertifizierung. Nach DIN EN ISO 9000:2000 umfassen Qualitätsmanagementsysteme „aufeinander abgestimmte Tätigkeiten zum Leiten und Lenken einer Organisation bezüglich Qualität“34 und umfassen die Bestandteile Qualitätsplanung, -lenkung, -sicherung und -verbesserung. Während die Qualitätsplanung Ziele, Ausführungsprozesse und Ressourcen zur Erfüllung der Qualitätsziele festlegt und die Qualitätslenkung die Erfüllung der Qualitätsanforderungen verfolgt, ist die Qualitätssicherung, die sich in der unternehmerischen Praxis allerdings unter dem Begriff der Qualitätsprüfung manifestiert hat, als das Vertrauen darauf definiert, dass die Qualitätsanforderungen auch tatsächlich im Leistungserstellungsprozess erfüllt werden, was sich in einer nachgelagerten Qualitätskontrolle jedoch erst noch zeigen muss. Die Qualitätsverbesserung zielt schließlich auf die permanente Erhöhung der Fähigkeit der Organisation zur Qualitätssteigerung ab.35 Im Rahmen der Qualitätsplanung werden Anforderungen in Form von Kennzahlen definiert, die für die Umsetzung in der Qualitätslenkungsphase benötigt werden. Anschließend vergleicht die Qualitätsprüfung die Erfüllung der Anforderungen in Rückkopplung mit der Qualitätsplanung und nimmt mögliche Anpassungen vor. Darüber hinaus wird permanent nach Verbesserungspotenzialen im laufenden Prozess gesucht, um kontinuierlich das Qualitätsniveau, sowohl des Leistungserstellungsprozesses, als auch der Produkte selbst, zu erhöhen bzw. weiter zu verbessern.36 Da die Qualitätsplanung große Auswirkungen auf den späteren Markterfolg eines Produktes besitzt, gilt sie als zentrale Phase des Qualitätsmanagements. Werden in der Qualitätsplanung die Bedürfnisse der Kunden irrtümlich erfasst bzw. fehlerhaft eingeschätzt, so ist dieser Fehler später schwer oder gar nicht korrigier- bzw. revidierbar.37
31 32 33 34 35 36 37
Vgl. Herzog (1997), S. 148. Vgl. Specht/Schmelzer (1991), S. 1. Vgl. Schmitz (1996), S. 73. DIN EN ISO (Qualitätsmanagementsysteme 9000:2000), S. 21. Vgl. DIN EN ISO (Qualitätsmanagementsysteme 9000:2000), S. 21. Vgl. Schwarze (2003), S. 10. Vgl. Juran (1990), S. 26.
170 Kai-Ingo Voigt, Lothar Czaja _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Nutzenpotenziale von Frühinformationssystemen Aufgrund der hohen zeitlichen Eignung der von Frühwarnsystemen bereitgestellten Informationen lassen sich die vielfältigsten Nutzenpotenziale identifizieren:38 • Frühinformationssysteme verlängern Handlungszeiträume und ermöglichen auf diese Weise eine Berücksichtigung langfristiger Maßnahmen (vgl. Abbildung 2). • Für die Unternehmung relevante Geschehnisse werden früher erkannt, sodass sich Planungszeiträume verlängern und Planungsprozesse deutlich an Qualität gewinnen. • Auch wenn die generierten Frühinformationen nur geringe Prognosequalität aufweisen, so erweitern sie doch die herkömmliche Maßnahmenmenge und führen damit zu einer Verbesserung der Handlungsergebnisse. Positive Abweichungen + Prognoseabweichungen ohne Frühinformationssystem
Prognoseabweichungen mit Frühinformationssystem
0
t
Planungs- und Handlungszeitraum ohne Frühinformationen
tolerable PrognoseAbweichungen
zusätzlicher Planungs- und Handlungszeitraum aufgrund von Frühinformationen
Planungs- und Handlungszeitraum mit Frühinformationen
Negative Abweichungen
Abb. 2: Planungs- und Handlungsspielräume durch Frühinformationen (Quelle: Schröder et al. (2003), S. 9)
38
Vgl. Schröder et al. (2003), S. 9.
Qualitätsfrühwarnsystem in der Automobilindustrie 171 _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Aufbau und Funktionsweise eines Frühwarnsystems Phase 1: Festlegung der Ziele und Ermittlung der Beobachtungsbereiche Zunächst sind die Ziele festzulegen, die mit der Frühwarnung verfolgt werden. Dabei sind die Ziele präzise, vollständig und operational zu formulieren. Demnach kann eine wirkungsvolle Frühwarnung nur dann realisiert werden, wenn alle beteiligten Mitarbeiter die gleiche Zielvorstellung besitzen und ihre Handlungen danach ausrichten.39 Die Festlegung der Beobachtungsbereiche, die zum Ausgangspunkt von Chancen und Bedrohungen für das Unternehmen werden können,40 erfolgt schrittweise und untersucht insbesondere, wie der Frühwarnprozess in das unternehmerische Umfeld eingebettet ist. Zur besseren Handhabung der Komplexität empfiehlt es sich, Beobachtungsbereiche in abgestufter Form zu überwachen.41 Der Prozess mit den größten Beeinflussungsmöglichkeiten für das Unternehmen wird genauer untersucht. Hierfür stellt die Prozessanalyse ein geeignetes Instrumentarium dar, wobei der Gesamtprozess in die zeitlich aufeinander folgenden Teilprozesse und Aktivitäten unterteilt wird.42 Auf diese Weise wird verhindert, dass einzelne Funktionsbereiche isoliert voneinander betrachtet werden und kritische Schnittstellen unberücksichtigt bleiben. Ferner lassen sich durch eine Orientierung an Prozessen auch solche kritischen Risiken- und Chancenquellen identifizieren, die sich erst aus dem funktionsund unternehmensübergreifenden Zusammenwirken der Aktivitäten ergeben. Um den Mitarbeitern ein interdisziplinäres Verständnis für das gesamte Unternehmensgeschehen zu ermöglichen, sollte der Prozess im weiteren Fortgang dokumentiert und visualisiert werden.43 Basierend auf den identifizierten und abgegrenzten Beobachtungsbereichen sowie der Einigung auf ein einheitliches Prozessverständnisses44 können in der sich anschließenden Phase relevante Frühwarnindikatoren ermittelt werden.
Phase 2: Suche nach Frühindikatoren und Visualisierung im Netzwerk Die Identifikation von Frühwarnindikatoren, die in den jeweiligen Beobachtungsbereichen möglichst frühzeitig für das Unternehmensgeschehen bedeutsame Entwick39 40
41 42 43 44
Vgl. Ulrich/Probst (1995), S. 122. Zur Abgrenzung relevanter Beobachtungsbereiche kann der so genannte Auflösungskegel als Hilfsmittel herangezogen werden. Zur weiteren Vertiefung hierzu vgl. Gomez/Probst (1997), S. 82-85 sowie Zimmermann (1992), S. 108. Vgl. Klee (1999), S. 326. Vgl. Schmelzer/Sesselmann (2004), S. 84. Vgl. Scholz/Vrohlings (1994), S. 38. Vgl. Beamon/Ware (1998), S. 709.
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lungen anzeigen, ist Aufgabe der zweiten Phase.45 Neben theoretischen Erkenntnissen eignen sich in der Unternehmenspraxis insbesondere Kreativitätstechniken für eine zielgerichtete Suche nach Frühindikatoren, wobei insbesondere auch deren Visualisierung in Form von Netzwerken von Bedeutung ist,46 um von Anfang an die vielfältigen Zusammenhänge zwischen den Indikatoren zu berücksichtigen. Darüber hinaus lassen sich tiefer liegende Ursache-Wirkungs-Beziehungen durch diese vernetzte Denkweise erkennen.47 Aus der Vielzahl existierender Kreativitätstechniken zur Unterstützung der kreativen Suche haben sich nach BIETHAHN U.A. insbesondere die Kreativitätstechniken für die Gruppenarbeit bewährt, die in logische und intuitive Methoden unterteilt werden.48 Zur Identifizierung leistungsfähiger Frühindikatoren und deren Abbildung in Netzwerken eignet sich insbesondere die intuitive Methode der Metaplan-Technik, da sie gleichzeitig die Visualisierung der generierten Ideen verfolgt.49 Aus den Einzelbeiträgen der Gruppe, die sich als interdisziplinäres Team50 idealerweise aus Mitarbeitern der einzelnen Prozessschritte zusammensetzt, werden anschließend systematisch Indikatorennetzwerke gebildet. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit berücksichtigt die verschiedenen Sichtweisen und Interessen der einzelnen Gruppenmitglieder und fördert das funktionsübergreifende Denken von Anfang an. Da sich die Motivation und Akzeptanz deutlich erhöht, wenn die späteren Anwender des Frühwarnsystems bereits in der Entwicklungsphase ihre eigenen Ideen in die Gestaltung des Frühwarnsystems einbringen können, sollte bei der Teambildung darauf geachtet werden, dass diejenigen Mitarbeiter aktiv an der Umsetzung der Frühwarnung mitwirken, die später auch die Nutzer des Frühwarnsystems sein werden.51
Phase 3: Auswahl relevanter Frühindikatoren zur laufenden Überwachung Die Auswahl der wichtigsten Frühindikatoren aus dem Indikatornetzwerk erfolgt in der dritten Phase und legt fest, welche Indikatoren zukünftig laufend überwacht werden sollen. Zum einen ist dies wegen der begrenzten Informationsverarbeitungskapazitäten der Benutzer erforderlich, da nicht alle gefundenen Indikatoren laufend überwacht und interpretiert werden können, zum anderen scheint ein solch selektives Verfahren auch aus Kosten-Nutzen-Überlegungen geboten.52 Aufgrund dieser Ein45 46 47 48 49 50 51 52
Vgl. Hahn/Krystek (1979), S. 81. Vgl. Krystek/Müller-Stewens (1993), S. 99. Vgl. Wiedmann (1984), S. 75. Vgl. Biethahn et al. (1990), S. 155-157. Vgl. Trux et al. (1985), S. 247. Vgl. Röttger (2005), S. 143. Vgl. King (1981), S. 76. Vgl. Hahn/Krystek (1979), S. 88.
Qualitätsfrühwarnsystem in der Automobilindustrie 173 _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
schränkung ist es zwingend notwendig, die getroffene Auswahl an Frühindikatoren laufend zu überprüfen und gegebenenfalls an veränderte Rahmenbedingungen zu adaptieren. Damit das System eine entsprechende Frühwarnmeldung bei Über- oder Unterschreitung bestimmter, a priori festgelegter Toleranzgrenzen ausgeben kann, sind Soll-Werte, die sich an den vorgegebenen Unternehmenszielen orientieren,53 als Zielvorgaben für die Frühindikatoren vorab zu definieren.54 Sind die Indikatorenwerte nicht auf einer Kardinalskala (z.B. in Zeit- oder Mengeneinheiten) abbildbar, so sind geeignete Nominal- oder Ordinalskalen für die Indikatorenausprägungen zu definieren, um auch qualitative Indikatoren berücksichtigen zu können.55 Neben der Bestimmung entsprechender Soll-Werte und Toleranzgrenzen für jeden Frühindikator sind immer auch die Regelmäßigkeit der Überprüfung festzulegen56 sowie die verantwortlichen Mitarbeiter zu bestimmen, die die Indikatorenwerte fortwährend verfolgen.57
Phase 4: Soll-Ist-Vergleich und Beurteilung der Abweichungsermittlung Die vierte Phase sieht vor, die ermittelten Indikatorenwerte mit ihren Zielvorgaben in regelmäßigen Zeitabständen zu vergleichen, um bei einer festgestellten Abweichung vom Soll-Wert bzw. bei Unter- oder Überschreitung der Toleranzgrenze ein Frühwarnsignal auszulösen.58 Dabei sind die einzelnen Frühwarnsignale zunächst auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen,59 um sie anschließend hinsichtlich ihrer Ursachen zu analysieren und bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Unternehmensziele zu bewerten.60 Ferner sollten sowohl das Ausmaß der Wirkungen, als auch deren zeitliche Entwicklung sowie die verbleibende Reaktionszeit erfasst werden, um der Situation angemessene Gegenmaßnahmen einleiten bzw. auch tatsächlich durchführen zu können.61 Weil Chancen und Gefahren darüber hinaus häufig erst aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren entstehen,62 dürfen angezeignete Abweichungen der Frühindikatoren auch nicht isoliert voneinander bewertet werden, sondern erfordern eine holistische Betrachtung aller Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Indikatoren innerhalb des aufgezeigten Netzwerks. Bei Anzeichen erfolgskritischer Abwei53 54 55 56 57 58 59 60 61 62
Vgl. Hahn/Krystek (1979), S. 82. Vgl. Mißlbeck (1993), S. 62. Vgl. Krystek/Müller-Stewens (1993), S. 109; Vgl. Meyer (2006), S. 17f. Vgl. Mißlbeck (1993), S. 62. Vgl. Krystek (2000), S. 156. Vgl. Kloss (1984), S. 187. Vgl. Geißler (1995), S. 154. Vgl. Kloss (1984), S. 191. Vgl. Kloss (1984), S. 198. Vgl. Wagner (1977), S. 494.
174 Kai-Ingo Voigt, Lothar Czaja _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
chungen sind in einem nächsten Schritt Maßnahmen zur Gegensteuerung zu entwickeln.
Abweichung
Momentaufnahme überwachter Faktor Soll/ aktueller Wert
Abweichung
nein
einmalige Störung
ja
nein
erwartete zukünftige Auswirkung auf Unternehmenspolitik
Ende
ja Frühwarnsignal
zukunftsorientierte Auswertung Ursachen der Abweichung ermitteln erwartete weitere Entwicklung des Frühwarnsignals/ ursprünglicher Sollwert
ja im Realisierungsprozess korrigierbar
unternehmenspolitische Ziele beeinträchtigt
ja
Planziele beeinträchtigt nein
nein unternehmenspolitische Reaktion
nein
Reaktion im Realisierungsprozess
Ende
Abb. 3: Ablaufschema von Frühwarnsystemen (Quelle: Kloss (1984), S. 186)
Phase 5: Suche und Bewertung alternativer Maßnahmen Aus den in der vorhergehenden Phase ermittelten Risiken- und Chancenquellen sind nun geeignete Handlungsprogramme zu erarbeiten, um das tatsächliche Eintreten einer Risikosituation zu vermeiden bzw. die Ausnutzung einer Chance zu ermöglichen. Basierend auf den festgestellten Abweichungen sowie deren Ursachen und Auswirkungen sind alternative Maßnahmen zu erarbeiten,63 die in einem sich unmittelbar anschließenden Bewertungsprozess hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile sowie ihrer voraussichtlichen Wirkungen unter Berücksichtigung der Umfeldentwicklungen evaluiert werden.64 Auch hier gilt es, den Netzwerkgedanken aufzugreifen, um möglichst alle Auswirkungen der untersuchten Maßnahme auf die Gesamtsituation prog63 64
Vgl. Kloss (1984), S. 205. Vgl. Ulrich/Probst (1995), S. 207.
Qualitätsfrühwarnsystem in der Automobilindustrie 175 _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
nostizieren zu können. Die Bildung einer Rangfolge über alle generierten Alternativen entscheidet darüber, welche Maßnahme als zieladäquateste auszuwählen ist.65
Phase 6: Umsetzung der Maßnahme Frühwarninformationen sind erst dann von Nutzen, wenn auf bestimmte Umweltsituationen tatsächlich auch mit konkreten Maßnahmen reagiert wird.66 Um das Treffen ökonomischer Entscheidungen zu gewährleisten, sind neben dem zeitlichen Ablauf auch die benötigten Ressourcen und Verantwortlichkeiten festzustellen.67 Die gewählte Maßnahme ist dann laufend hinsichtlich erzielter Fortschritte und Zielerreichungsgrad zu überwachen, um bei etwaigen Fehlentwicklungen zeitnah gegensteuern zu können.68 Die Frage, ob eine realisierte Maßnahme erfolgreich war, ist dann zu bejahen, wenn es gelang, die entstandene Lücke zwischen den Ist- und Soll-Werten zu schließen. Somit kann die Erfolgsmessung der realisierten Maßnahmen über Frühindikatoren erfolgen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass jede ergriffene Maßnahme immer auch einen Eingriff in die aktuelle Situation darstellt, sodass unter Umständen Beobachtungsbereiche angepasst oder weitere Frühindikatoren in das Netzwerk aufgenommen werden müssen. Somit steht jede der hier vorgestellten Phasen in unmittelbarer Wechselwirkung mit allen anderen Phasen, sodass der Frühwarnprozess nicht in einer starr festgelegten Reihenfolge, sondern stets dynamisch iterativ erfolgt.
Weiterführende Forschungsfragen: Das vorgestellte Phasenablaufschema ist zunächst als allgemeiner Ansatz zu verstehen, der auf die jeweilige Unternehmens- und Umweltsituation, insbesondere auf die Besonderheiten des Qualitätsmanagements in der Automobilindustrie angepasst werden muss, um die mit Frühwarnsystemen verbundenen Erwartungen bestmöglich zu erfüllen und die gezeigten Nutzenpotenziale zu realisieren. Unter besonderer Berücksichtigung der Charakteristika der Automobilindustrie, die sich in einer hohen Komplexität, sowohl des Produkts „Automobil“ selbst als auch des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks, auszeichnet, ist insbesondere den Fragen nachzugehen, welche Indikatoren sich als geeignet erweisen, relevante Entwicklungen im Qualitätsbereich frühzeitig anzuzeigen bzw. welcher Partner im automobilen Wertschöpfungsnetzwerk wann, wo und auf welche Weise Qualitätsinformationen erhebt, auswertet 65 66 67 68
Vgl. Fahey/Narayanan (1983), S. 5. Vgl. Kloss (1984), S. 256. Vgl. Gomez/Probst (1997), S. 220. Vgl. Otto (2002), S. 79.
176 Kai-Ingo Voigt, Lothar Czaja _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
und weiterleitet. Darüber hinaus ist zu prüfen, wer im Wertschöpfungsnetzwerk dafür verantwortlich zeichnet, entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten sowie deren Zielerreichung überwacht (zentrale vs. dezentrale Instanz?). Dabei bleibt jedoch festzuhalten, dass trotz aller vermeintlichen Nutzenpotenziale Frühwarnsysteme nicht als Allheilmittel verstanden werden dürfen. Mit ihnen ist immer die Gefahr verbunden, Indikatoren bzw. schwache Signale falsch zu interpretieren und auf deren Grundlage Maßnahmen zu ergreifen, die zur Verschwendung knapper Budgets führen. Die Kunst von Gestaltung und Betrieb eines Frühwarnsystems liegt vielmehr in der Realisierung der aufgezeigten Nutzenpotenziale bei gleichzeitiger Vermeidung des Risikos, auf sich nicht erhärtende schwache Signale unangemessen zu reagieren.69
69
Vgl. Schröder et al. (2003), S. 9f.
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Von zur Variantenvielfalt 181 ________der ______Massenfertigung _________________________________________________________________________________________________________________________________________
Von der Massenfertigung zur Variantenvielfalt – was sagen Gutenberg und Heinen dazu? Bernd H. Kortschak
Abstract Von den vier Bestimmungsgrößen, die den Wert eines Gutes bestimmen, Art, Raum, Zeit und Menge, werden Art, Raum und Zeit für die kurzfristige Optimierung der Produktion in der Betriebswirtschaftslehre konstant gesetzt. Obwohl Gutenberg bei seiner Modellbildung zur Optimierung der Produktion alle ihm bekannten Einflussgrößen auf Produktivitätssteigerungen zurückführt, die in der Technikbestimmtheit der Betriebswirtschaftslehre ihren Ausdruck finden, ist er sich doch der umfassenden Einflussgrößen zur Gestaltung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung in der Produktion bewusst. Der nachfolgende Beitrag will dies aufzeigen, um zu demonstrieren, dass es keiner Rezeption angloamerikanischen Gedankengutes Bedarf, um unter den heutigen Marktbedingungen fußend auf den Arbeiten Gutenbergs und Heinens eine wirtschaftliche Betriebsführung zu erreichen.
Einleitung Die Plausibilität der Gutenbergschen Produktions- und Kostentheorie im Kontext der Zeit ihrer Entstehung. Die Betriebswirtschaftslehre erhebt den Anspruch, eine anwendungsbezogene Wissenschaft zu sein. Theorie- und Modellbildung werden daher auch an ihrer umsetzungsbezogenen Relevanz, an ihrer Plausibilität oder Brauchbarkeit für die betriebliche Praxis gemessen. Gerade die Reduzierung der komplexen betrieblichen Realität auf einfache, handhabbare Steuerungsgrößen zur Umsetzung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips zur Gewinnmaximierung - auch für den nicht ausgebildeten Betriebswirt - macht die Mächtigkeit und die Bedeutung Gutenbergs für die Betriebswirtschaftslehre aus, in-
182 Bernd H. Kortschak _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
dem er alle Einflüsse, die diesem Gebot widersprechen könnten, konsequent aus seiner Modellbildung ausgeschlossen hat.1 Während Gutenberg sein Gedankengebäude aus Theorie- und Modellbildung beim System produktiver Faktoren und der Produktions- und Kostentheorie2 „aus einem Guß“3 explizit ausführt, sind die zugrundeliegenden Annahmen für die Optimierung nicht auf den ersten Blick hervortretend: Da ist z.B. die Rezeption des mikroökonomischen Gedankengebäudes mit der Betonung der kurzfristigen Optimierung der Wirtschaftlichkeit über den Marktmechanismus. Die Modellvorstellung des „vollkommenen Marktes“ liefert solange für die Betriebswirtschaftslehre plausible Ergebnisse, als Verkäufermärkte vorherrschen, bei denen der Anbieter einer Leistung Liefer- und Zahlungsbedingungen gegenüber dem Nachfrager bestimmen kann. Aber genau diese Verkäufermarktbedingungen waren für industriell hergestellte Güter in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts typisch, als Gutenberg für die Leistungserstellung in der Betriebswirtschaftslehre die Produktionstheorie formulierte. Die zweite Säule, worauf die Modellbildung für die Optimierung Gutenbergs beruhte, war die deutsche Realverfassung der Wirtschaft, die über entsprechende Lieferverträge sorgte, dass nur solche industriell hergestellte Waren in Deutschland auf den Markt kamen, für die die deutsche Industrie auch wettbewerbsfähige Produkte selbst anbieten konnte. Damit war die Wiedergewinnung des eingesetzten Kapitals durch spätere Erlöse sichergestellt. Damit war die statische Grundkonzeption der Theorie Gutenbergs auch nicht aus der Dynamik der Praxis heraus infrage zustellen, die externen Rahmenbedingungen, die den Handlungsspielraum für die Unternehmen sicherstellten, sorgten dafür, dass der Apparat der statischen Produktionstheorie ausreichte. Auch die Wahl des „typischen“ Betriebes für die Betriebswirtschaftslehre erwies sich als plausibel: Eine Werkzeugmaschinenfabrik, damals jene Branche mit der höchsten Wertschöpfung und dem höchsten Devisenpotenzial. In der Werkzeugmaschinenfabrik erkannte Gutenberg die Teilefertigung als den knappheitsbestimmenden Engpass und reduzierte demanch für die Optimierung der Fertigung die Produktion auf einen einstufigen,4 limitationalen Prozess. Zwischen der Teilefertigung und
1
2 3 4
So wurde z.B. Schumpeters Ansicht über das „Neue“, was die entscheidenste Form des Wettbewerbs darstellt, zugunsten der Produktivitätssteigerung explizit ausgeschlossen. Vgl. Gutenberg (1955), S. 5. Zu Ansätzen einer Produktions- und Kostentheorie bei Dienstleistungen, siehe Altenburger (1980), S.50f.; zur Anwendung in der Logistik vgl. Isermann (1999), S.68. Albach (1962), S.140. Erst Kilger entwickelte die Produktionsfunktion vom Typ B von Gutenberg für mehrstufige Produkte weiter. Vgl. Stein (1965), S. 24 mwH.; was von Gutenberg in späteren Auflagen seiner Werke berüksichtigt wurde.
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dem Absatzmarkt entfaltete sich ein hochintegriertes Unternehmen mit seiner komplexe Organisation als institutioneller Klammer. Um die Teilefertigung als engpassbestimmenden Faktor für die Leistungserstellung errichtete Gutenberg sein System produktiver Faktoren aufgrund der Produktionsfunktion vom Typ B für industrielle Produktionsweise, die er von der Produktionsweise der Landwirtschaft (Typ A) unterschied.5 Im System produktiver Faktoren wirken die Elementarfaktoren zusammen: Objektbezogene menschliche Arbeitsleistung, durch hervorragende Facharbeiter erbracht, das jeweilige Aggregat als Betriebsmittel und Werkstoffe. Ihre Kombination erfolgte durch die jeweilige Addition fixer und variabler Kosten zu einer Gesamtkostenfunktion, deren Minimum infolge der Gegenläufigkeit der Kostenverläufe immer zu ermitteln war. Im Kostenminimum wurde die Minimalkostenkombination realisiert, deren Mengenwert die „optimale Menge“ darstellte. Die „Addition“ der Teilefertigung(en) innerhalb der durch die Ausstattung mit Betriebsmitteln technisch vorgegebene Arbeitsteiligkeit ermöglichte die autonome (Funktions-)Optimierung jeder einzelnen Elementarfaktorkombination nach diesem Prinzip und die Summe der jeweils ermittelten Einzelkostenminima ergaben dann anwendungsbezogen das Gesamtkostenminium.6 Plausibel für die betriebliche Praxis war dieser Ansatz aus zweierlei Hinsicht: Denn die statische Grundkonzeption der Theorie7 sicherte den vollen Handlungsspielraum für dynamische Produktivitätssteigerungen in der Praxis – bezogen auf den einzelnen Arbeitsplatz zum wirtschaftlichen Nutzen des gesamten Unternehmens: Durch den Nachfrageüberhang auf Verkäufermärkten bedingt bedeutete jede Produktivitätssteigerung einerseits ein „Mehr“ an Teilen, die in ein „Mehr“ an Erlösen durch den Absatz von Fertigprodukten. Andererseits ergab aber jedes „Mehr“ an Absatz von Fertigprodukten auch ein „Mehr“ an Kostenträgern, die für die Verteilung der Fixkosten infrage kamen. Und dieses „Mehr“ an Absatz bei gleichzeitiger Fixkostendegression weitete die Gewinnspanne aus, selbst wenn auf realen Märkten ein „Mehr“ an Absatz auch mit (kleineren) Preiszugeständnissen erkauft werden musste. D.h. die „statische Produktions- und Kostentheorie aus einem Guss“ mit der ihr eigenen Modellvorstellung der Optimierung sicherte den notwendigen Handlungsspielraum, um die Gewinnmaximierung nicht nur in der Theorie sondern auch in der Praxis kurzfristig umzusetzen. Langfristig wirkten Rationalisierungsinvestitionen, d.h. durch Substitution von Arbeit durch Kapital, einem vermehrten Einsatz von Maschinen in die gleiche Richtung. Auch der technische Fortschritt wird bei Gutenberg auf die Frage der 5
6 7
Die Entwicklung produktionstheoretischer Erklärungsmodelle hat bisher zur Formulierung von zwei Arten der Produktionsfunktion geführt. Im Anschluss an Gutenberg als ‚Produktionsfunktion vom Typ A‘ (Ertragsgesetz) und als ‚Produktionsfunktion vom Typ B‘ bezeichnet. Heinen (1965), S.168. Vgl. Kortschak (2006), S. 513. Bei der statischen Betrachtung „sind entweder alle Größen auf den gleichen Zeitpunkt oder die gleiche Periode bezogen.“ Stein (1965), S. 24.
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mengenmäßigen Gütererzeugung reduziert: „Eine technische Neuerung besteht, betriebswirtschaftlich gesehen, in einem Mehr oder Weniger an hergestellten Gütern und diese Quanten sind es, um welche betriebswirtschaftliches Denken im engen Sinne kreist und die eigentliche Domäne der Betriebswirtschaftslehre bilden. Es ist deshalb ein wesentliches methodisches Hilfsmittel, den mengenmäßigen Veränderungen in der Betriebswirtschaft nachzukommen, wenn der Produktionsapparat, also die Produktionskoeffizienten der Gütererzeugung in einem Betrieb als konstant angenommen werden. ... Die Einführung neuer Fertigungsmethoden würde die Kostenverläufe, wie sie mit Hilfe von konstanten (besser relativ konstanten) Produktionskoeffizienten aufgedeckt sind, völlig alterieren können. Eine technische Änderung des Produktionspaparates schafft ganz neue Bedingungen der Gütererzeugung. Nimmt man nun eine solche Änderung der Produktionsmethoden in theoretischen Überlegungen an, so können wiederum nicht die technischen Details der Neuerungen, sondern lediglich die mengenmäßigen Verschiebungen in der Betriebswirtschaft und ihre Rückwirkungen z.B. auf Einkauf und Verkauf den Gegenstand theoretischer Untersuchungen bilden. Die qualitative Beschaffenheit der Güter wird also keineswegs vergewaltigt, sondern lediglich aus methodischen Gründen eine Desinteressiertheit an dem „Wie“ der technischen Änderungen gezeigt und der Blick auf die mengenmäßigen Verschiebungen in der Betriebswirtschaft gelenkt.“8 Diese Modellbildung reduzierte die Optimierungsaufgabe auf die Ermittlung des Kostenminimums. Da die Kosten in Abhängigkeit von der Ausbringungsmenge definiert waren, ergab sich auf der x-Achse dadurch die „optimale“ herzustellende Menge, die aufgrund der Marktbedingungen auch absetzbar war und aufgrund der Technikbestimmtheit der Betriebswirtschaftslehre erhielt man ein exaktes Mengengerüst unter Eliminierung der Faktorpreise, welche Produktionsfaktoren in welcher Menge einzusetzen waren, um das gewünschte betriebswirtschaftliche Ergebnis zu erzielen.
Der Wandel der Verkäufer- in Käufermärkte und die Individualisierung der Leistungserstellung Mit der Zunehmenden Sättigung der Märkte in den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts wandelten sich die Verkäufermärkte für Massenerzeugnisse in Käufermärkte, die durch die zunehmende marktwirksame Individualisierung der Bedarfe gekennzeichnet sind. Diese manifestierten sich zunächst in einer steigenden Bedeutung des Lieferservices. Der Kunde konnte Lieferzeitpräferenzen am Markt durchsetzen. Unternehmen, die dieser Kundenanforderung nicht nachkamen, sahen sich mit obsoletem Bestandsaufwuchs in Marktnähe konfrontiert, welcher existenzbedrohende 8
Gutenberg (1929), S. 37f.
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Formen annehmen konnte.9 Die zur Erfüllung eines kundenindividuelleren Lieferservice geschaffenen Instrumente zur präziseren Ansteuerung kundenindividueller Aufträge in der Logistik erlaubten den Unternehmen, die diese Herausforderung erfolgreich meisterten, eine Bestandsabsenkung, die in Verbindung mit computergestützten Fertigungs- und Montagevorgängen aber auch die Möglichkeit bot, die Individualisierung in der Produktgestaltung selbst voranzutreiben und damit die Variantenvielfalt stark ansteigen ließ.10 Auf so eine Fertigungsstruktur mit individueller Ansteuerbarkeit von Kundenaufträgen konnte aber Gutenberg seinerzeit bei der Formulierung seines Theoriegebäudes noch nicht zurückgreifen.
Die Trennung von Theoriegebäude und Optimierungsansatz, um den Apparat der statischen Produktionstheorie auch für heutige Marktanforderungen industrieller Produktion nutzbar zu machen. Das „inverse Transistormodell“ Gutenbergs System Produktiver Faktoren kennt die Elementarfaktoren objektbezogene menschliche Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe. Zusammen mit dem Disposi9
10
Gemeint ist der unter Wettbewerbsbedingungen zu beklagende Liquiditätsverlust, wenn dem zusätzlichen Finanzierungsbedarf für obsoleten Bestandaufwuchs im eigenen Unternehmen der in der gleichen Periode dem Mitbewerber zugewachsene zusätzliche Umsatz- bzw. Erlösanteil in Beziehung gebracht wird. Vgl. Kortschak (1992), S.125 mwH. Dieses Phänomen war insbesondere Anlass für amerikanische Autoren, unter Rückgriff auf das Konzept von Porter die Prozessoptimierung auf der Basis der „direct costs“ für einzelne Prozesse für die kurzfristige Optimierung der Produktion zu nutzen: „Take for example, two fast-food restaurants. If one restaurant can deliver a quarter-pound hamburger to the customer for $.50 in direct costs and a second restaurant costs $.75, no matter what the second restaurant does, it will loose $.25 in profit for every hamburger it sells compared to the first restaurant.“ Vgl. Chase et al. (2004) S. 8; Darin ist noch nicht die mengenmäßige Verschiebung der Nachfrage enthalten, die sich einstellt, wenn der überlegene Mitbewerber diesen Kostenvorteil dazu nutzt, Nachfragevolumen vom Mitbewerber nachhaltig abzuziehen. Vgl. zu dieser dynamischeren Form des Zeitwettbewerbs Kortschak (1992), S. 72f. mwH. Um eine absetzbare Leistung zu erhalten, muss eine viel größere Komplexität auf der Mengenseite (Variantenvielfalt) bewältigt werden, um die noch individuellere Leistung (im Wettbewerb) zu erstellen. Aus der Frage: Wie bewältige ich die Massenproduktion wurde ein: Wie bewältige ich die Variantenvielfalt unter Zeitrestriktion. Die Zeitrestriktion äußert sich dabei mindestens auf die beiden folgenden Arten: Erstens ist die Zeitspanne, bis zu der die Marktleistung zu erbringen ist, unter Käufermarktbedingungen unter dynamische Zeitrestriktion gesetzt, diese Zeitspanne wird immer kürzer. Diese Zeitspanne ist mit auftragsbezogene Durchlaufzeit oder „Time to Customer“ zu beschreiben. Zweitens wird die Zeitspanne, die zur Verfügung steht, um eine technische oder wirtschaftliche Innovation am Produkt oder Prozess („Time to Market“) marktwirksam werden zu lassen, immer kürzer bzw. die Ein- und Ausschleusung von Teilen, Komponenten, Modulen immer komplexer, während das dafür zur Verfügung stehende Prozesszeitbudget immer mehr sinkt. Zu einem anwendungsbezogenen Beispiel vgl. Graf/Putzlocher (2004), S. 57f.
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tiven Faktor, der Betriebs- und Geschäftsleitung bilden sie die originären Produktionsfaktoren. Vom Dispositiven Faktor abgeleitet werden Planung und Organisation. Zur Visualisierung der Zusammenhänge hat sich das „inverse Transistormodell“11 bewährt. Das inverse Transistormodell gibt darüber hinaus an, wie das System Produktiver Faktoren zusammenwirkt, um eine Optimierung im betriebswirtschaftlichen Sinne zu erreichen, nämlich über Produktivitätssteigerungen zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit zu gelangen. Hierzu wird in der statischen Betrachung eine eindeutige, technisch bestimmte Mengenbeziehung zwischen den von Gutenberg geschaffenen Verbrauchsfunktionen für die Elementarfaktoren als Input und der Ausbringungsmenge als Output hergestellt. Multipliziert man auf der Inputseite die Faktoreinsatzmengen mit den jeweiligen Faktorpreisen und summiert die dadurch erhaltenen Kosten auf erhält man die Gesamtkosten, die ihrerseits dem Produkt aus Ausbringungsmenge mal Marktpreis des Outputs zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit gegenübergestellt werden. Dispositiver Faktor KOSTEN
Faktorpreise
Ausbringungsmenge
Verbrauchsfunktionen
=
x
Objektbezogene menschliche Arbeit
=
x
Betriebsmittel
=
x
Werkstoffe
Organisation
ERLÖSE
Marktpreis
Planung
x
=
PRODUKTIVITÄT Technisch eindeutig bestimmte Mengenrelationen W I R T S C H A F T L I C H K E I T
Abb. 1: Die Darstellung des Systems der Produktiven Faktoren nach Gutenberg im „inversen Transistormodell“
11
Vgl. Kortschak (2006), S. 513.
Von zur Variantenvielfalt 187 ________der ______Massenfertigung _________________________________________________________________________________________________________________________________________
Für die kurzfristige Optimierung der Wirtschaftlichkeit12 gilt nun, dass die Marktpreise durch die Rezeption der mikroökonomischen Vorstellung des „Vollkommenen Marktes“ für die einzelnen Marktteilnehmer als unbeeinflussbar und konstant angesehen werden. Das gilt für die Outputseite, aber auch für die Potentialfaktoren auf der Inputseite: Auf der Inputseite sorgen branchenbezogen Kollektiv- bzw. Tarifverträge mit einer Regellaufzeit von einem Jahr, dass sich über dieses Jahr gesehen die Kosten des Faktors objektbezogene menschliche Arbeit nicht ändern, daher für die unterperiodische kurzfristige Optimierung als nicht veränderbar, als konstant anzusehen sind. Für Betriebsmittel gilt, dass ihr Anschaffungswert bekannt ist. Ferner wird für die Optimierung bei Gutenberg unterstellt, dass bei der Anschaffungsentscheidung die Nutzungsdauer des Betriebsmittels betriebswirtschaftlich rational bestimmt wurde,13 d.h. die „optimale“ Einsatzdauer zugrundegelegt wurde, sodass periodisch oder unterperiodisch entsprechende Abschreibungsquoten zeit- und/oder nutzungsabhängig bestimmt werden können. Werkstoffe werden in ihren Preisen als stabil angenommen und die Transportkosten zur Beschaffung sind für die kurzfristige Optimierung stabil, da die Verkehrsmärkte erst in der Folge der Umsetzung des Binnenmarktkonzepts in Europa dereguliert wurden, bis dahin gab es durch die Tarifbindung politisch festgesetzte Preise.
12
13
Gutenberg unterscheidet kurze und lange Perioden. Von einer kurzen Periode spricht Gutenberg, „wenn der Zeitraum, der den Unternehmen .. zur Verfügung steht, zu kurz ist, um grundlegende Änderungen, insbesondere der Betriebsgröße, durchzuführen.“ Gutenberg I, S.307 Das bedeutet, das sich der Betrieb an Änderung seiner Beschäftigung (Auftragslage) ohne Änderung der Betriebsgröße (Verfügbare Kapazität der Betriebsmittel) anpasst. Vgl. Gutenberg I, S.306. Bei Heinen gilt die Ausstattung als langfristig und die Prozesse als kurzfristig variierbar. Vgl. Heinen (1965), S. 100. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass Marshall bereits darauf hingewiesen hat, dass „kurzfristige intensitätsmäßige Anpassungen der Leistungserstellung die Preisbildung am Markt unberührt lässt, langfristig mutativ wirkende Anpassungen, wie z.B. Kapazitätserweiterungen, hingegen schon verändernd wirken. Vgl. Opie (1931), S. 200. „Entspricht (beispielsweise, Einf.) die Leistung, die eine Drehbank .. erbringen soll, der Durchschnittsleistung, auf der die Bestimmung der Totalkapazität aufbaut, so kann man eine Aussage über den Umfang der Maschinenabnutzung .. machen. Diese Aussage ist allerdings erst unter Verwendung der Belastungsfunktion des Typs (62) [durchschn. Leistung = f(Kombinationszeit), Einf.] möglich, die die Beziehung zwischen der durchschnittlichen technischen Leistung und Kombinationsleistung herstellt. Genaue Angaben über das Ausmaß des Verzehrs, wie sie über die ‚exakte‘ Belastungsfunktion (65) gewonnen würden, sind immer noch nicht möglich. ...“ Nicht berücksichtigt wird darüber hinaus, „dass sich die technische Funktionsfähigkeit einer Maschine und damit auch deren Totalkapazität in der Mehrzahl der Fälle durch entsprechende Instandhaltungsmaßnahmen beinahe beliebig verlängern (lässt, Einf.).“ Heinen (1965), S. 253. Heinen geht demnach grundsätzlich von der Variabilität der Kombinationszeit aus (Vgl. Stein (1965), S. 47), sie ist jedoch in einer Elementarkombination gebunden, womit ihre Dauer im Wiederholungsrhythmus nicht mehr infrage gestellt wird. Vgl. Heinen (1965), S. 297. Weiter unten präzisiert Heinen, dass die Dauer für den Vollzug einer Elementarfaktorkombination („Kombinationszeit“) technisch vorgegeben sei, weil er die einer Produktionsstufe zugehörigen E-Kombinationen als homogen bezeichnet, was er aber nur in einer Fußnote erwähnt. Vgl. Heinen (1965), S. 276, Fußnote 174.
188 Bernd H. Kortschak _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Daraus ergibt sich für die kurzfristige Optimierung der Wirtschaftlichkeit bei Gutenberg, dass das Zusammenwirken von objektbezogener Arbeit14 und Betriebsmittel die Kapazität, das Leistungsvermögen technisch und wirtschaftlich in Bezug auf die kurzfristige Optimierung der Wirtschaftlichkeit konstant gesetzt sind.15 Der technische Fortschritt und fertigungstechnische Elastizität sind in der vorhandenen Betriebsmittelausstattung gebunden, die Normalarbeitszeit, gemessen in Stunden, ist ebenfalls vertraglich i.d.R. für die Dauer eines Wirtschaftsjahres festgelegt. So ergibt sich dann abzüglich der ebenfalls vertraglich bindend geregelten Pausenzeiten die Kapazität, das Leistungsvermögen in Bezug auf die Zeiteinheit Schichtleistung mit 100 % (ohne Überstunden).
Die Konkretisierung der Mengensteuerung über die klassische Organisation „Jede industrielle Unternehmung ist mit dem Problem der richtigen Ausstattung mit maschinellen Anlagen und der räumlichen Anordnung von Maschinen und Arbeitsplätzen konfrontiert. Im Vordergrund der Ausstattungsgestaltung steht das generelle Ziel, die Produktion des gewünschten Erzeugnisprogramms in der erforderlichen Menge und Qualität bei geringstmöglichen Kosten technisch zu gewährleisten“.16 Dazu muss man wiederum wissen, dass Gutenberg folgende vertikale Organisationsstruktur17 für die Bewältigung dieser Aufgabe zugrundelegt:
14 15
16 17
Hier ist zu betonen, dass nicht der Mensch als Objekt betrachtet wird, sondern nur die erbrachte Arbeitsleistung, die in Verbrauchsfunktionen zu messen versucht wird. „Jeder Modellanalyse (liegen, Einf.) eine Reihe von Prämissen zugrunde. Für die produktionstheoretische Modellanalyse ist charakteristisch, daß bei der Ableitung der Erklärungs(un)gleichungen in der Regel die Annahme eines konstanten Bestandes an Potentialfaktoren, d.h. einer gegebenen Ausstattung, gesetzt wird. Variierbar sind somit lediglich die Repetierfaktormengen.“ Stein (1965), S. 12. Heinen (1972), S. 252f. Die Organisationslehre betrachtet nur die formale, geplante, an der Sachaufgabe der Unternehmung orientierte Hierarchie der Dienstwege als Organisation... Die Tätigkeit des Organisierens ist nicht die entscheidende und gestaltende Kraft des betrieblichen Geschehens, sondern der ‚verlängerte Arm‘ der Betriebs- und Geschäftsleitung. Die Organisation hat folglich rein instrumentalen Charakter. ... Die Weisungsrechte ermöglichen es, Regelungen für den betrieblichen Aufbau und den Prozeßablauf zu treffen.“ Heinen (1972), S. 148f.
Von zur Variantenvielfalt 189 ________der ______Massenfertigung _________________________________________________________________________________________________________________________________________
Betriebs- und Geschäftsleitung Finan zierung Technik
Faktormärkte
Betriebswirtschaft
FAKTORPREISE
Ergebnis:
Werkstätten
Meisterbereich I
Absatzmärkte MARKTPREISE
M E N G E N G E R Ü S T Anzahl Güter in best. Qualität (Gutteile)
Meisterbereich II
Meisterbereich III
Abb. 2: Die Organisationsstruktur im „typischen“ Betrieb der Betriebswirtschaftslehre
Alle Entscheidungen laufen innerhalb dieser Organisationsstruktur ab. Die Fertigungsentscheidungen betreffen die „‚Fabrikplanung und Planung des Fertigungsablaufes‘, ‚Global- ‘ und ‚Feinsteuerung des Fertigungsprozesses‘.“18 Bei der „Gesamtplanung einer neuen Fabrik (muss zunächst entschieden werden, Einf.), welche Produktarten herzustellen und mit welcher Nachfragemenge in etwa am Markt zu rechnen ist. Dann bedarf es der Festlegungen, welche Operationen zur Herstellung des Produkts technologisch notwendig sind, in welcher Reihenfolge diese ausgeführt werden und wie die maschinelle Ausstattung räumlich anzuordnen und 18
Vgl. Heinen (1972), S. 249f. Auch Heinen sieht die Aufgabe der Prozessgestaltung als eine „technologische“ Aufgabe an, auch wenn sie wichtige „betriebswirtschaftliche Aspekte“ beinhaltet: „Die Aufgabe der Prozeßgestaltung als Teil des fertigungswirtschaftlichen Entscheidungssystems ist es, die Arten und die Reihenfolge der erforderlichen Arbeitsgänge zu bestimmen. ... Ausgangsinformationen für die Prozeßgestaltung stellen Informationen über die Eigenschaften des herzustellenden Produktes dar. Diese Informationen gelangen in der Regel von der Entwicklungs- und Konstruktiosnabteilung zu dem für die Prozeßanalyse verantwortlichen Planungsträgern (z.B. industrial engineers (fett; d. Autor)). Während ein Erzeugnis durch Zeichnungen in technischer Hinsicht festgelegt wird, ist die Stückliste die Ausdrucksform, die verwaltungstechnischen und betriebsorganisatorischen Anforderungen gerecht wird.“ Vgl. Heinen (1972), S. 260f.
190 Bernd H. Kortschak _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
das Fabrikgebäude zu gestalten ist. Die Kenntnis des zu erwartenden Absatzes sowie die Kenntnis der zur Verfügung stehenden Kapazität der maschinellen Ausrüstung sind Voraussetzung für die Entwicklung eines ersten Produktionsplans für diese Planungsperiode. Zeigt sich, daß die Kapazität nicht ausreicht, so müssen Anpassungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden, wie etwa die Planung von Überstunden, die Einführung weiterer Schichten und die Vergabe von Fertigungsaufträgen nach außen. Ergibt sich, daß einige Maschinen oder Maschinengruppen trotz der Anpassungsmaßnahmen die gewünschte Kapazität nicht erreichen, so erhebt sich die Frage der Beschaffung und Installation zusätzlicher Anlagen. Damit mündet dieses Problem erneut in den Bereich der Investitions- und Finanzplanung ein. Die (bereits, Einf. statt anderer Formulierung) gewonnenen Informationen, wie z.B. die Art und technische Beschaffenheit sowie die Eignung der Maschinen für die Struktur des Fertigungsablaufs, werden für die Investitionsentscheidung benötigt, deren Planungshorizont sich über mehrere Jahre erstreckt. Nun kann der Produktionsplan auf der Grundlage der neuen Kapazitätslage revidiert werden. Unter Berücksichtigung der gewünschten Lagerhaltung am Ende des Planungsjahres werden Mengen- und Zeitdimension des Fertigungsprogramms über die Planungsperiode bestimmt. Diese Grobplanung wird in einem weiteren Schritt verfeinert, d.h. für kürzere Zeiträume (z.B. Monate und Wochen) vorgesehenen Fertigungsmengen werden in einzelne Fertigungsaufträge verwandelt. In dieser Phase werden die Losgrößen und die Maschinenbelegungen geplant. Im Rahmen der Feinplanung kann sich z.B. zeigen, daß sich ein bestimmter Auftrag unter den gegebenen Kapazitätsvoraussetzungen nicht termingerecht abwickeln lässt. Die Ursache hierfür kann ein Ausfall einer bestimmten Maschine sein – eine Tatsache, die im Rahmen der Grobplanung unberücksichtigt geblieben war. Diese Situation kann zu neuen Anpassungsmaßnahmen im Rahmen der Planung des Fertigungsablaufes führen und letztlich eine Investitionsentscheidung auslösen.“19 „Eine zeitliche Abstimmung der Arbeitsgänge in den verschiedenen Bearbeitungsstufen eines Produkts, .. die Festlegung der Reihenfolge der Bearbeitung von Aufträgen und die Terminplanung sind gerade in der Werkstattfertigung laufend im Rahmen der Feinsteuerung des Fertigungsprozesses zu bewältigen. Es gilt dabei vor allem, die Wartezeiten zu minimieren und zugleich eine gleichmäßige Ausnutzung aller Maschinen und Arbeitsplätze zu erreichen.“20 Diese Beschreibung Heinens zeigt gerade im letzten Absatz sehr deutlich, dass die modelltheoretischen Festlegungen für die Optimierung, die übergreifend in Bezug auf die individualisierte kundenspezifisch zu erbringende Marktleistung zu erbringen wä-
19 20
Heinen (1972), S. 251. Heinen (1972), S. 256.
Von zur Variantenvielfalt 191 ________der ______Massenfertigung _________________________________________________________________________________________________________________________________________
ren, im Kontext Gutenbergs und Heinens entweder den Technikern21 überlassen werden oder vor dem übergeordneten Erfordernis der Verbesserung der Auslastung zur Herstellung der Kostenwirtschaftlichkeit im Rahmen der Feinsteuerung jeder Werkstatt (Einzeloptimierung) gelöst werden, womit aber heute bei individualisierter Leistungserstellung unabgestimmte Kapazitäten und das Aufschaukeln von Bedarfsschwankungen bis hin zum „Peitschenschlagsyndrom“22 hervorgerufen werden. Und das, obwohl eine prozessuale Sichtweise des betrieblichen Geschehens bereits bei Gutenberg explizit ausformuliert worden war: „Den Inhalt des Rationalprinzips (machen, Einf.) weder Geldbeträge (Kapital) noch Gütermengen als solche aus, sondern daß dieser Inhalt im eigentlichen Sinne ein Umwandlungsprozeß von Geld in Güter und von Gütern in Geld ist. Dasjenige also, was den Charakter von Mitteln zu einem betriebswirtschaftlichen Endzweck (Geldertrag) trägt, ist nicht die Geldsumme Kapital, auch sind es nicht die konkreten Güter, sondern es ist ihr Umwandlungsprozeß von der einen Form in die andere. Dieser Umwandlungsprozeß ist rein betriebswirtschaftlich von größter Bedeutung. Folgende Überlegung mag das erläutern. Angenommen, ein Produktionsunternehmen stelle ein bestimmtes Fabrikat her. In den Preisen für seine Fabrikate erhalte es genau seine Kosten zurückerstattet. Vom Gewinn sei einmal abgesehen. Der Preis des Fabrikates ist also gleich der Summe der Preise der Aufwandsgüter. Dieses Unternehmen arbeite mit einem bestimmten Beschäftigungsgrade. Von dem Augenblick nun, in welchem sich eine Größe in den Aufgaben ändert, wird sich diese Änderung auf das ganze Unternehmen auswirken. Wenn z.B. die Absatzgröße zurückgeht, trotz gleichbleibender Preise, so wird das zur Folge haben, dass zunächst die Bestände anwachsen. Die Debitoren werden möglicherweise abnehmen, die Kreditoren gleichbleiben oder sich auch irgendwie ändern. Es vollzieht sich also eine Verschiebung in den Verhältnisse dieser Kapitalquoten zueinander. Des weiteren muß sich diese Änderung der Absatzgröße aber auch auf die beim Einkauf zu bewilligenden Preise auswirken und auch wiederum auf die Preise, zu welchen das Unternehmen seine Fabrikate verkauft. Auch das Verhältnis von stehendem Kapital zu umlaufenden Kapital ändert sich. Läßt man nun diese stimulierende Veränderung von den Beschaffungspreisen ausgehen oder von den Veränderungen im Produktionsprozeß, so wird sich stets zeigen, daß das Verhältnis der Kapitalquoten zueinander und damit der Umwandlungsprozeß G-W-G alteriert wird. So gesehen kann man die Unternehmung als einen Komplex von Quantitäten bezeichnen, die in gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnissen voneinander stehen und Quoten an einem Kapitale darstellen, das an aeiner Stelle im gesamtwirtschaftlichen Pro-
21
22
Siehe Fußnote (18) oben und die dort enthaltenen Verweise auf die „industrial engineers“ bzw. Heinens Verweis auf die „engineering production function“. Vgl. Heinen (1965), S. 483, Fußnote 278. Vgl. Forrester (1958), S. 43.
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zeß eingesetzt ist.“23 und weiter: „Der Ablauf des betrieblichen Geschehens in den güterwirtschaftlichen Bereichen eines .. Unternehmens vollzieht sich in einer Vielzahl von Prozessen, die zeitlich unterschiedlich angeordnet sein können. ... Die Prozeßgeschwindigkeit, verstanden als Prozeßzeit oder Zeitbedarf je Prozeß, bildet eine zweite Hauptdeterminante des Kapitalbedarfs“.24 Nimmt man den Kapitalbedarf als Bezugsgröße, lässt sich auch die kurzfristige Verbesserung der Wirtschaftlichkeit an Hand folgender bekannter Rendite-Formel Ertragto/t+1 - Aufwandto/t+1 Rto/t+1 = --------------------------------------------Anlage-to /t+1+ Umlaufvermögento/t+1 im Vergleich “Vorher(to)-Nachher(t+1)” ermitteln. Die bei Gutenberg ausgeblendeten “Zeitindices für Zwischenlagerungen”25 werden dann aber explizit bei der Betrachtung der (Puffer-)bestände (Umlaufvermögen) für die Wertschöpfungsmaximierung (mit-) genutzt. Im bisherigen Kontext Gutenbergs führt die Optimierung von Eigenfertigung und Fremdbezug bei freien eigenen Kapazitäten in der Regel zur Entscheidung für mehr Eigenfertigung. Freie eigene Kapazitäten aus logistischer Sicht sind hingegen ein Thema für Outsourcing von Anlagevermögen, auch kurzfristig ereignisorientiert. Dass Gutenberg sich der Möglichkeit der prozessorientierten Beschreibung für sein Erklärungsmodell hätte bedienen können, zeigt auch dieses Zitat: „Wichtiger erscheint die Frage, welche Teilprozesse jeweils im güter- und finanzwirtschaftlichen Bereich der Unternehmung von der Änderung des Zeitbedarfs der Prozesse betroffen werden, und ob die Datenänderung parallele, entgegengesetzte oder mit unterschiedlicher Beschleunigung oder Verzögerung verlaufende Geschwindigkeitsänderungen der Betriebsprozesse zur Folge hat”.26 Sowohl die Prozesssicht in ihrer dynamischen Bedeutung für das betriebliche Geschehen und das Phänomen des ungeplanten Bestandsaufwuchses ist Gutenberg daher bewusst. Problematisch wird seine Sichtweise für die heutigen Rahmenbedingungen deshalb, weil Gutenberg zur Problemlösung aber nicht die Prozessabfolge ändern möchte – die Umwandlungsprozesse der Güter in der Fertigung sind für ihn tabu - sondern erst bei ihrer Abbildung in der finanziellen Sphäre, bei ihren Auswir23 24 25 26
Gutenberg (1980), S. 43f. Gutenberg (1980), S. 13. Vgl. Gutenberg (1980), S. 10. Gutenberg (1980), S. 13.
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kungen auf das finanzielle Gleichgewicht ansetzen und von dort her gegensteuern will: „Nicht bereits die Tatsache als solche, daß auf mehr oder weniger lange Zeit die Kosten die Verkaufspreise übersteigen, führt zur Elimination von Unternehmungen aus dem gesamtwirtschaftlichen Prozeß, sondern die Unmöglichkeit, die Termine der Zahlungseingänge und der Zahlungsverpflichtungen in Einklang zu bringen, also die Unmöglichkeit, das gestörte finanzielle Gleichgewicht wiederherzustellen.“ sowohl bei Gutenberg27 – zurückgehend auf Nicklisch28 – als auch Heinen ausdrücklich als betriebswirtschaftlich relevant erkannt worden: Als Kosteneinflussgrößen auf Grundlage seiner Produktionsfunktion vom Typ C nennt Heinen 1. den Kostenwert, 2. das Fertigungsprogramm, 3. das produktionswirtschaftliche Instrumentarium, 4. die Ausstattung und 5. den Prozeß.29 „Nachdem die Ausstattung als eine Kosteneinflusgröße dargestellt wurde, deren Variation zum Übergang auf eine neue Produktionsfunktion führt, ist nun auf diejenigen Einflußfaktoren einzugehen, die in der Produktionsfunktion vom Typ C selbst als Parameter enthalten sind. Sie werden als Kosteneinflußgrößen des Prozesses bezeichnet.“30 Beispielsweise werden folgende Kosteneinflussgrößen genannt: Die Verteilung des Arbeitsvolumens auf einer bestimmten Fertigungsstufe auf die vorhandenen Arbeitskräfte, die Maschinenbelegung (kursiv dort), die Auswahl der Werkstoffe, aber auch Entscheidungen über die Lohnfertigung (heute als Subcontracting bezeichnet), die Fertigungstiefe (heute unter Outsourcing-Gesichtspunkten behandelt) und der Lagerhaltung (heute in der Logistik zur Bestandsminimierung angewendet), Entscheidungen über Auflagengrößen, die Rüst- und Anlaufvorgänge bestimmen, das Outputniveau der Elementarfaktorkombinationen, z.B. relevant in der Chargenfertigung der chemischen Industrie oder im Transport, wenn unterschiedliche Mengen während einer Tour befördert werden, weiteres nennt Heinen Intensitäten, die aus der Zeitdauer für die einzelnen Elementarfaktorkombinationen resultieren.31 Bedeutsam wird diese Unterscheidung Heinens, weil sie über die quantitative, zeitliche und intensitätsmäßige Anpassung Gutenbergs hinausgeht.32 Nur bei der intensitätsmäßigen Anpassung findet eine Veränderung der „Kombinationszeit“ statt, wird also von Gutenberg die Zeit implizit berücksichtigt.33 27
28 29 30 31 32 33
Gutenberg (1980), S. 62. Diese die Betriebswirtschaftslehre bis heute prägende Sichtweise führt auch zu dem vergeblichen Versuch, mit Controlling-Instrumenten Logistikanforderungen erfüllen zu wollen. Vergleiche zur Problematik solcher Versuche Kortschak (2001), S. 662ff. Vgl. Nicklisch (1932), S. 506ff. Vgl. Heinen (1965), S. 486. Heinen (1965), S. 490. Vgl. Heinen (1965), S. 490ff., S. 397ff. Vgl. Heinen (1965), S. 491. Vgl. Stein (1965), S. 35.
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Darüber hinaus betont Heinen in Bezug auf die Fristigkeit die kurzfristige Variierbarkeit der Prozesse als Kosteneinflussgröße. „Bei den einzelnen kurzfristig beeinflußbaren Prozeßvariablen (Intensität, Arbeitsverteilung, usw.) tritt das Fertigungsprogramm als zusätzlicher Begrenzungsfaktor auf. Der Variationsspielraum wird also von der Ausstattung über das Fertigungsprogramm zu den einzelnenen Prozeßvariablen durch die jeweils vorausgehende Entscheidung in zunehmendem Maße eingeschränkt.“34 Darüber hinaus unterstellt Heinen für den Wiederholungscharakter der primären Elementarfaktorkombinationen auf der jeweiligen Produktionsstufe Homogenität. Wird dieser Argumentation Heinens insgesamt gefolgt, verbleibt als einzige tatsächliche Variable für die kurzfristige Optimierung auch bei Heinen die Mengenvariation – in der Erscheinungsform der Anzahl der durchzuführenden Wiederholungen zur Erreichung der geforderten Anzahl an Fertigproduktmengen.35 Die bei Gutenberg genannten Kosteneinflussgrößen Beschäftigung, Betriebsgröße oder Faktorqualitäten lehnt Heinen ab, weil sie kein produktionstheoretisches Pendant aufweisen, d.h. keinen Koeffizienten oder Parameter, der z.B. als Beschäftigung interpretiert werden könnte, Zeitaspekte36 sowohl bei Gutenberg aber auch Heinen explizit erwähnt und ihre Bedeutung betriebswirtschaftlich grundsätzlich anerkannt werden, dann aber für die konkrete Optimierung verworfen werden, um sich auf die Produktivitätssteigerung als Optimierungsziel für die Leistungserstellung zu konzentrieren. Obwohl die mehrstufige Produktion, die durch die Einrichtung von Zwischenlägern (Werkstattfertigung) unterbrochen wird, nach entsprechenden modelltheoretischen Anpassungen in zeitlicher Hinsicht zur Optimierung zu verlangen scheint, entspricht Gutenberg diesem Postulat im ersten Schritt dadurch, indem er die Mengenangaben mit Zeitindices versieht und dafür jeweils Teilperioden aufmacht. Für den modelltheoretischen Ansatz zur Optimierung ändert sich für Gutenberg die Struktur der Produktion durch die zeitliche Verschiebung um Zwischenlagerstufen aber nicht, daher kann er sie weglassen. Und das, obwohl nach Gutenberg der zeitlichen Abfolge durchaus ökonomische Relevanz für den Materialfluss zukommt, wie aus den folgenden Ausführungen erkennbar ist: „Die zeitliche Abfolge des betrieblichen Leistungsvollzuges wird durch die Grundsätze rationeller Betriebsgestaltung im Beschaffungs-, Leistungserstellungs- und Leistungsverwertungsbereich bestimmt. Diese Grundsätze sind darauf gerichtet, die Anlieferungstermine für das Material, den Beginn und das Ende der manuellen und maschinellen Arbeitsoperationen und der Dienstleistungen, den Abschluss der Entwicklungsarbeiten, die Lagerdauer der Erzeugnisse und den Ver34 35 36
Heinen (1965), S. 500. Vgl. Heinen (1965), S.285; Vgl. Stein (1965), S. 12. Eine aktuelle Übersicht über betriebswirtschaftlich relevante Zeitaspekte gibt Lücke (2006), S. 441ff.
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lauf des Absatzprozesses zeitlich möglichst günstig zu gestalten. Damit soll der betrieblichen Prozedur in allen ihren Sachbereichen ein Höchstmaß an Reibungslosigkeit und Wirtschaftlichkeit verliehen werden.“37 und: „Die zeitliche Abfolge der Beschaffungs-, Produktions- und Arbeitsvorgänge ist von der zeitlichen Abfolge der Ein- und Auszahlungen, die den Leistungsvorgängen zugehören, in hohem Maße unabhängig. (Zur Abstimmung der güterwirtschaftlichen und finanziellen Sphäre, Einf.) bedarf es eines operativen Spielraumes, der auch die Einflußnahme auf die güterwirtschaftlichen Vorgänge mit umfaßt.“38 Heinen, der – wie wir oben gesehen haben – die Dynamik des Entscheidungsverhaltens im Industriebetrieb in Bezug auf die wirtschaftliche Gestaltung der Fertigung stärker ausdifferenziert als Gutenberg, bleibt aber ebenso wie Gutenberg letztlich Produktivitätssteigerungen aufgrund einer limitationalen Input-Output Beziehung verhaftet,39 wenn auch im Erklärungsmodell Heinens wesentlich mehr Einflussgrößen Beachtung finden.
Die Zeitbestimmtheit im System produktiver Faktoren „Die Trennung von rationalem Prinzip und betroffenem Material (Sach- und Leistungsgüter resp. Der Umwandlungsprozeß Geld – Ware – Geld) ist für die vorstehenden Zwecke von entscheidender Bedeutung. .. Vor allem ist auf folgende Eigenart der Güter als Kapitalquoten hinzuweisen. Aus der ‚Kapitalbezogenheit‘ der Güter ergibt sich .. , daß nämlich die Güter die auf sie entfallenden Kapitalquoten auf verschieden lange Zeit binden. Denn die Kapitelbeträge werden erst nach der zweiten Phase der Umwandlung der Güter in Geld wieder frei. Das heißt aber: Der Begriff der ‚Kapitalbindung‘ enthält den Faktor ‚Zeit‘, der damit in die theoretische Betriebswirtschaftslehre eingeführt wird.“40 Analog zu Stein wird hier die grundsätzliche Hypothese vertreten, dass „eine kontinuierliche Zeitablaufbetrachtung in der Produktionstheorie über eine Weiterentwicklung der bestehenden statischen Modellansätze zu erreichen ist.“41 D.h., dass das System produktiver Faktoren nach Gutenberg und Heinen grundsätzlich weiter als gültig betrachtet wird. Für die Optimierung unter den heutigen Rahmenbedingun37 38 39
40 41
Gutenberg (1980), S. 10f. Gutenberg (1980), S. 12. Modelltheoretisch unterscheidet Heinen 1. outputfixe, limitationale Elementarkombinationen 2. outputvariable, limitationale Elementarkombinationen 3. outputfixe, substitutionale Elementarkombinationen 4. outputvariable, substitutionale Elementarkombinationen. Vgl. Heinen (1965), S. 237; analog für Produktionsfunktionen Heinen (1965), S. 305. Gutenberg (1929), S. 29. Vgl. Stein (1965), S.19.
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gen müssen jedoch einige Modifikationen vorgenommen werden, weil sich der knappheitsbestimmende Engpass von der angebotsseitigen Teilefertigung (mengenbestimmt) auf die Nachfrageseite verlagert hat, wo die konkrete Nachfrage nach einer bestimmten Art von Produkt zunehmend flüchtiger und damit zeitbestimmt wird: Sowohl die Zeitspanne, während der ein Produkt abgesetzt werden kann, ist beschränkt, als auch der Zeitpunkt, an dem ein bestimmter Kundenauftrag vor Ort erfüllt werden muss, damit die Gegenleistung, das Entgelt, in voller Höhe erstattet wird. Damit steht die Leistungsseite sowohl von der Produktion als auch der Distribution zusätzlich noch unter Zeitrestriktion, welche heute den dominierenden Engpass für die Leistungserstellung darstellt. Darüber hinaus verlangt die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit nach Outsourcing schlecht ausgelasteter Kapazitäten, die nicht Kernkompetenzen des Unternehmens darstellen, was dislozierte Fertigungsstätten zur Folge hat, die durch globale Versorgungsketten verbunden sind, die ihrerseits miteinander in Wettbewerb um den Endkunden stehen.42 Wie sieht nun in diesem Kontext die Optimierung im System der produktiven Faktoren aus? INDIVIDUALISIERTE LEISTUNGSERSTELLUNG UND LIEFERSERVICE
TEILE Einstandspreis Verfügbarkeit
KOSTEN
=
x
Objektbezogene menschliche Arbeit
=
x
Betriebsmittel
=
x
Dispositiver Faktor ERLÖSE
Individualisiertes Produkt Verkaufspreis
x
=
Werkstoffe Einzelteile, Systembauteile Module
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Abb. 3: Die Zeitbestimmtheit im System produktiver Faktoren schließt die Durchführung von Produktivitätssteigerungen innerhalb der Zeitbestimmtheit nicht aus.
Die in der Betriebswirtschaftslehre grundlegende Abfolge der Umwandlung von Geld in Sachvermögen und wieder zurück in Geld gewinnt für die betriebswirtschaftliche Optimierung der Produktion an Gewicht. „Wie das Kapital im Preise und damit, 42
Vgl. Kortschak (2006), S. 516.
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weil diese Preise Gütern zugeordnet sind, in Güter aufgelöst werden kann, ebenso ist es auch möglich, von den konkreten Gütern auszugehen und diese auf dem Wege über die Preise als Kapitalquoten zu definieren.“43 „Der Umsatz der einzelnen Kapitalteile verläuft in den Unternehmen in gewissen Zeitspannen.“44 Nicht die technischen Details einer Konstruktion, sondern das, was sie kostet und was sie zu leisten vermag, steht betriebswirtschaftlich im Mittelpunkte.45 Das heißt also wieder, es sind aufzuwendende Kapitalbeträge (Gütermengen mal Preise) und zurückerhaltende Kapitalbeträge (Gütermengen mal Preise), die die Elemente der betriebswirtschaftlichen Überlegungen bilden.46 D.h. also nichts anderes, dass die bereits bei Gutenberg beschriebene Zeitspanne zwischen der Umwandlung von Geld in Sachgüter und der Umwandlung von Sachgütern in Geld jetzt operative Bedeutung für die Gestaltung der Produktion zu kommt, denn sie stellt somit die maßgebliche „Teilperiode“ dar, die aber nicht eine Abfolge gleichlanger Zeitspannen in der Form von Intervallen bildet, sondern vielmehr Ausgangspunkt für weitere Optimierungsüberlegungen darstellt: Denn im heutigen Kontext wird danach gestrebt, diese Zeitspanne zu verkürzen: „Alles, was wir tun, ist, den Zeithorizont nicht aus den Augen zu verlieren: Von dem Augenblick an, in dem wir einen Kundenauftrag erhalten, bis zu dem Moment, in dem wir das Geld kassieren. Und wir verkürzen diesen Zeithorizont, indem wir alles Überflüssige beseitigen.”47 Hier wird diese Zeitspanne auf die Gesamtdurchlaufzeit eines Auftrages von der ersten Anfrage bis zu seiner Erfüllung erstreckt gesehen. Damit ist die Betrachtung der Zeitspannen um die Dauer der Auftragsklärung bis zur Auftragserteilung zu verlängern und nach Auftragserteilung bis zum Beginn des Fertigungsprozesses, dem aber möglicherweise parallel vorgenommene Beschaffungsvorgänge zuzuordnen sind. Hinzu kommt die auftragsbezogene Durchlaufzeit durch die einzelnen Fertigungsstufen einschließlich anfallender Verweil-, Warte- und Transportzeitspannen. Zu guter Letzt muss noch die Dauer für die Distribution an den Ort der Marktentnahme mit seinen Zeitspannen für Transport-, Umschlags- und Lagerungsprozesse hinzu addiert werden. Zur Analyse dieser zeitlichen Abhängigkeiten wird auf die System43 44 45
46 47
Gutenberg (1929), S. 43. Gutenberg (1929), S. 36. Dass diesen Zusammenhängen heute eine Vorrangstellung bei der betriebswirtschaftlichen Optimierung dislozierter Fertigungsstätten, die in globalen Versorgungsketten zusammenwirken, gegenüber der Produktivitätssteigerung in hochintegrierten Industriebetrieben an einem Standort zukommt, möge das folgende Beispiel verdeutlichen: „Degussa produziert in China und Deutschland dieselbe Spezialchemikalie in derselben Qualität und Menge, nur dass in China die Maschinen etwas altmodischer sind. Dort werden für den gleichen Produktionsausstoß 150 Mitarbeiter gebraucht, hierzulande (in Deutschland, Einf. d. Autor) nur 15, was man den Kosten an der Produktion aber nicht anmerkt: Die Herstellung der Spezialchemikalie beträgt in China nur den halben Preis.“ Steingart (2006), S. 60. Gutenberg (1929), S. 37. Ohno zit. nach Bodek in Ohno (1993), S. 15.
198 Bernd H. Kortschak _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
theorie zurückgegriffen. Analysiert man den produktionsseitigen Anteil genauer, stellt man fest, dass zur Auftragserfüllung durch die Produktion eine bestimmte Zeitspanne gegeben ist, die aber vom dispositiven Faktor unter Berücksichtigung der (Zeit)wettbewerbssituation festzulegen ist. Ebenfalls Aufgabe des Dispositiven Faktors ist es, zu bestimmen, wann eine Änderung der Zeitmuster zwecks Einsteuerung einer Produkt- oder Prozessinnovation stattfinden soll. Zum Zwecke der wirtschaftlichen Optimierung muss ein Wiederholungscharakter gegeben sein. Gutenberg stellte ihn über das „Regelwerk“ der Organisation sicher. Bei Heinen war dieser Wiederholungscharakter durch die Anzahl der Durchführungen der Elementarkombinationen gegeben. Im Gegensatz dazu wollen wir uns von der Technikbestimmtheit48 nach Gutenberg und auch der Elementarkombination in der von Heinen i.d.R. angenommenen Form lösen und Produkte und Prozesse zur Leistungserstellung einmal prinzipiell entkoppeln. Im Ausgangszustand ist die gesamte Zeitspanne bekannt, die die Durchlaufzeit des Auftrages durch die Fertigung erfordert, auch die Zeitspannen für den Informationsfluss sowie die Zeitspannen (Zykluszeiten,49 „Kombinationszeiten“(Heinen)), die für die Produktion insgesamt, aber auch den einzelnen Fertigungsvorgang zur Verfügung stehen. Aggregate werden aber jetzt nicht über identische Produktmengen, sondern über über Wiederholungsmuster gebildet. Anders als bei der Funktionsoptimierung, wo nicht benötigte Materialien gelagert und verwaltet werden müssen und damit die Durchlaufzeit insgesamt steigt, obwohl die Wertschöpfungszeit kurz bleibt, gilt für die Einführung des taktgebundenen Einzelstückfluss der Grundsatz: „Bei neuen Produktionssystemen geht es u.a. darum, dass ein Prozess nur das herstellt, was der nächste Prozess benötigt, und erst dann, wenn er es benötigt.“50 Ausgangspunkt der Überlegungen bildet der Kundentakt, wieviel verschiedene Varianten eines Produkts pro Tag an den Kunden geliefert werden sollen. Davon wird dann die Taktzeit in der Form abgeleitet, dass sie die Zeitspanne angibt, in der ein Produkt entsprechend den Verkaufszahlen fertiggestellt werden soll, um dem Kundenbedarf zu entsprechen.51
Taktzeit =
48 49
50 51
Verfügbare Betriebszeit pro Schicht vom Kunden abgenommene Produktionsmenge pro Schicht
Für die Logistik forderten dies bereits Weber/Kummer. Vgl. Weber/Kummer (1990), S. 775f. Unter Zykluszeit versteht man die Zeitspanne ohne Produktionsunterbrechung zwischen der Fertigstellung der kleinsten Einheit eines Gutes (Teiles) am betrachteten Bearbeitungsvorgang und der Fertigstellung der nächsten derartigen Einheit, die auch artverschieden sein kann. Rohter/Shook (2004), S. 39. Vgl. Rother/Shook (2004), S. 40.
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Trotz der sich dabei ergebenden Sekundenwerte muss noch berücksichtigt werden, dass ausreichend Reaktionszeit bei Auftreten von Problemen bleibt, insbesondere um Ursachen ungeplanter Stillstandszeiten zu eliminieren und die Rüstdauer bei Montageprozessen weitgehend zu eliminieren. Doch bei Kenntnis der Zykluszeiten, die anfallen, wenn ein zu fertigendes Produkt verschiedene Produktionsstufen durchläuft, lässt sich ein taktgebundener Einzelstückfluss für die Fertigung als Sollgröße aufstellen. Im Idealfall wird ein Teil produziert und geht direkt zur nächsten Fertigungsstufe weiter ohne dazwischen anzuhalten.52 Die Möglichkeit der Einrichtung einer solch kontinuierlichen Fließfertigung stößt dort an ihre Grenzen, wo Prozesse mit unterschiedlicher Zykluszeit aufeinander treffen, weit entfernte Lieferanten müssen über Transportketten liefern, die zeitlich nicht mit Sicherheit angesteuert werden können oder die Prozesszuverlässigkeit bei Reduzierung der Zykluszeit ist noch nicht ausreichend, um mit anderen Prozessen gekoppelt zu werden. In diesem Fall muss ein definierter Puffer zum Ausgleich der zeitlichen Disparitäten geschaffen werden. Wichtig dabei ist, dass der Puffer nicht durch ungeplanten Bestandsaufwuchs über seine definierte Größe hinaus anwächst, da dies die Weitergabe des Entnahmeimpulses in der Fertigung unterbrechen und somit wieder eine klassische Produktionsplanung und –steuerung (PPS-System) erfordern würde. Denn mit der Einführung einer kontinuierlichen Fließfertigung zur Realisierung des taktgebundenen Einzelstückflusses ist auch der Entfall der aufwändigen terminsteuernden PPSSysteme und Organisationen verbunden. Mit der kontinuierlichen Fließfertigung entfällt die Notwendigkeit, den nachgelagerten Bedarf vorhersagen zu müssen und den vorgelagerten Prozess zu planen und aufgrund dessen Bestände zu verwalten. Produktionsplanung setzt nur am taktgebundenen Produktionsprozess an, im Idealfall ist es der Produktionsprozess, der als nächstes durch die externen Kundenaufträge gesteuert wird, (z.B. Verpackung, Versandfertigmachung, Montage, etc.).53 Belastungsspitzen in der Produktion stehen einem taktgebundenen Einzelstückfluss entgegen. Hier müssen Belastungsspitzen durch ein entsprechendes Produktionsmix ausgeglichen werden. Das Produktionsmix ausgleichen heißt, die Produktion verschiedener Produkte gleichmäßig über einen bestimmten Zeitraum zu verteilen, was bedeutet, die Zeitspanne bis zur „Wiederproduktion“ des gleichen Teiles so kurz wie möglich zu halten und eine vorgefundene Bestandsreichweite an Teilen zu verkürzen. Hier spricht man auch von der Verkürzung des „Wiederproduktionsintervalls“. Im Idealfall wird jedes Teil für jeden gewünschten Liefertermin produziert.54
52 53 54
Vgl. Rother/Shook (2004), S. 40. Vgl. Rother/Shook (2004), S. 40. Vgl. Rother/Shook (2004), S. 50.
200 Bernd H. Kortschak _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Neben diesem Produktmix-Ausgleich muss auch ein Volumensausgleich dergestalt erreicht werden, dass häufig kleine Arbeitsportionen der Produktion entnommen werden können, die taktgebundene Entnahme an Teilen oder Fertigprodukten. Angesteuert wird die taktgebundene Entnahme über den „Pitch“ als Produkt von Taktzeit x Fassungsvermögen des Behälters in Stück. Pitch bedeutet ein Vielfaches der Taktzeit, hochgerechnet auf die Transfermenge und fungiert als Basiseinheit für die Produktionsplanung. Also nicht mehr die Kalenderwoche oder den Tag als Bezugsgröße, sondern der zykluszeitgebundene „Pitch“. Damit ist aber die klassische Losgrößenoder Bereitstellungsplanung entbehrlich geworden.55 Da der Intervall, der für die Produktion zur Verfügung steht nur temporär stabilisiert wird und unter ständigem Verkürzungsdruck steht, müssen auch die Arbeitspläne für den Mitarbeitereinsatz auf taktgebundenen Einzelstückfluss umgestellt werden. Dabei muss zunächst analysiert werden, welchen Anteil an der Taktzeit wertschöpfende Mitarbeiteraktivitäten haben, die nicht durch einfache, robuste Vorrichtungen automatisiert werden können. Danach werden die Wertschöpfungsaktivitäten aufaddiert und durch die Taktzeit dividiert. Danach wird getrachtet, jedem Mitarbeiter gerade s o viele wertschöpfende Aktivitäten aufzuerlegen, dass seine zeitliche Belastung damit unterhalb der Taktzeit bleibt. Damit diese Umstellung funktioniert, muss der Mitarbeiter frei von nichtwertschöpfenden Tätigkeiten gehalten werden – so gesehen können auch die Trennung zwischen dispositiver und ausführender Tätigkeit im ‚PensumSystem‘ bei F.W. Taylor56 als ein Versuch in die gleiche Richtung verstanden werden – und eine Entkopplung zwischen der Materialbereitstellung am Arbeitsplatz und der Bearbeitung erfolgen.57 Doch die Entkopplung von Produkterstellung und Prozessgestaltung („Einfache robuste Prozesse mit hoher Wiederholhäufigkeit für kundenindividuell gefertigte Produkte“) führt auch zu einem neuen Layout,58 da die heute in der Fertigung verwendeten Maschinen einen hohen Anteil automatisiert ablaufender Bearbeitungsschritte aufweisen, bei der die objektbezogene Arbeitsleistung des Mitarbeiters ruht. Mit der räumlich verdichteten Anordnung von Arbeitsstationen mit kurzen Wegen dazwischen, einer weitgehend automatisierten Beschickung können auch diese Wartezeiten des Mitarbeiters eliminiert und durch wertschöpfende Aktivitäten an einem anderen Aggregat genutzt werden. Um den Mitarbeiter bestmöglich mit wertschöpfenden Aktivitäten auslasten zu können, empfiehlt es sich ferner, den Fertigungsfluss U-förmig anzuordnen und das Material ergonomisch sinnvoll bereitzu55 56 57 58
Vgl. Rother/Shook (2004), S. 47. Vgl. Taylor (1913), S. 44 ff.; Vgl. Domschke et al. (1996), S. 1467. Vgl. Kortschak (2006), S. 519. Vgl. dazu die Ausführungen zu den Ford-Werken in Köln (Lemoine (2005), S. 63ff. (1. Preis nach dem Harbour Report für das produktivste Automobilwerk Europas 2004)) sowie BMW in Leipzig (Bauer (2005), S. 1ff.) sowie Kortschak (2006), S. 520ff.
Von zur Variantenvielfalt 201 ________der ______Massenfertigung _________________________________________________________________________________________________________________________________________
stellen. Dies kann die Entwicklung eigener, arbeitsplatzspezifischer Ladungsträger erfordern, die aber durch die hohe Umlaufgeschwindigkeit vom Befüllungsort zum Arbeitsplatz wirtschaftlich gerechtfertigt werden können. Damit können die Wege zwischen den einzelnen Arbeitsstationen kurz, der Platzbedarf für die Produktion reduziert werden, aber gleichzeitig können dadurch gezielt Flächenreserven für die gezielte Kapazitätserweiterung, wenn kurzfristig erforderlich, geschaffen werden. Eine weitere konstruktionsbedingte Steigerung der Wertschöpfung ist möglich, wenn die Anzahl der Fertigungsvorgänge am Arbeitsplatz zur Herstellung des Produkts durch konsequente Realisierung des Modulbau-Gedankens und der weitestgehenden Hierarchisierung von Komplexbauteilen reduziert wird. Damit wird nicht nur die Anzahl der Fertigungsprozesse reduziert, sondern auch die Anzahl der Zeitspannen für die Produkterstellung minimiert. Eine andere konstruktionsbedingte Möglichkeit besteht darin, marktrelevante kundenspezifische Fertigungsvorgänge nach Möglichkeit an das Ende des Fertigungs- bzw. Montagevorganges zu legen („Postponement-Strategie“)59 und am Beginn des Fertigungsvorganges nur mehrfachnutzbare Komplexbauteile zu fertigen bzw. zu montieren, die den sog. „Order-PenetrationPoint“60 markieren, von wo ab kundenauftragsbezogen gefertigt und montiert wird. Je besser die Fertigungssegmentierung nach diesem Prinzip gelingt, desto geringer ist die Gefahr des Aufbaus möglicherweise obsolet werdender Zwischenlagerbestände. Beide Prinzipien realisieren aber den Wertschöpfungsmaximierungsgedanken insofern, als sie dazu beitragen, im Erfordernisfall innovative Produkt- und Prozessänderungen im Fertigungsablauf, das sog. „Time to Market“, „reaktionsschnell“61 zu realisieren. Damit wird auf allen Ebenen, von der Feinsteuerung, wo die Arbeitsinhalte mit Wertschöpfungsvorgängen angereichert werden, über die Grobplanung wo Produktionsmix und pitch Beachtung finden bis hin zur Produktentwicklung und Konstruktion mit der Synchronisation des Anlaufmanagements mit dem Markt- und Lebenszyklus der Produkte, der Wertschöpfungsmaximierungsgedanke62 umgesetzt werden. Das bisher gültige Optimierungskriterium für die Produktion, die auf Gutenberg rückführbare Minimalkostenkombination wird durch die Wertschöpfungsmaximierung in der Produktion ersetzt.
59 60 61 62
Siehe näher zur Postponement-Strategie Ihde (2001), S. 292f. Siehe näher zum Order-Penetration-Point Sharman (1984), S. 71. Zur Reaktionsschnelligkeit in Verbindung mit Rechtzeitigkeit und Schnelligkeit im Handeln vgl. Kortschak (1992), S. 67. Zur Wertschöpfungsmaximierung siehe Kortschak (1992), S. 99ff.
202 Bernd H. Kortschak _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________ INDIVIDUALISIERTE LEISTUNGSERSTELLUNG UND LIEFERSERVICE Dispositiver Faktor Einstandspreis Verfügbarkeit
KOSTEN
Individualisiertes Produkt Verkaufspreis
=
x
Objektbezogene menschliche Arbeit
=
x
Betriebsmittel
=
x
Werkstoffe Einzelteile Komponenten Temporäre Stabilisierung zur Vornahme der technischen Prozesse Module
ERLÖSE
Supply Chain Management
x
=
Z E I T B E S T I M M T H E I T W I R T S C H A F T L I C H K E I T
Abb. 4: Das Supply Chain Management stabilisiert die technischen Prozesse, indem es die Vornahme der technischen Prozesse mit dem Materialfluss auf allen Unternehmensebenen synchronisiert.
Da die geschilderte Fertigung auf global verteilte Produktionsstätten zurückgreift, um die weltweit verteilten Faktoren bestmöglich wirtschaftlich zu nützen, werden die operativen Aufgaben, die die bisher vom dispositiven Faktor abgeleiteten Produktionsfaktoren Planung und Organisation wahrgenommen haben, durch das betriebsund unternehmensübergreifende Supply Chain Management ersetzt. Damit soll proaktiv auf drohende Störungen in der Bereitstellung von Werkstoffen und in der Produktion reagiert werden können, sodass nicht nur obsoleter Bestandsaufwuchs unterbleibt, sondern durch simultane Informationsweitergabe an alle Lieferanten in der Versorgungskette die Reaktionszeit auf Marktänderungen von zuvor 3 Monaten bezogen auf den Lieferanten im 7. Glied63 auf eine „logische Sekunde“ verkürzt werden. Die Aufgabe des Organisierens wandelt sich von der Mengenkonkretisierung hin zur Synchronisation von temporär stabilisierten Zeitspannen zum ordnungsgemäßen Ablauf der Fertigung der Produkte. Innerhalb der durch die temporäre Stabilisierung der Zeitspannen gegebenen Zeitintervalle64 können weiterhin kurzfristig Produktivitätssteigerungen zur Wertzuwachsminimierung genutzt werden, aber nur dann, wenn 63 64
Vgl. Graf/Putzlocher (2004), S. 65ff. Wir sprechen von Zeitspannen als dem neutralen Überbegriff im Unterschied zu Zeitpunkten. Zeitintervalle stellen Zeitspannen von gleicher Dauer dar, die auch zur rhythmischen Wiederholung genützt werden können. Zeitspannen bei Marshall werden als Prozesszeitbudgets (engl. „operational time“) bezeichnet. Zum Bezug auch ereignisorientiert gestaltbarer Zeitspannen mit der Kalenderzeit oder Periode vgl. Lücke (2006), S. 441 ff.
Von zur Variantenvielfalt 203 ________der ______Massenfertigung _________________________________________________________________________________________________________________________________________
dadurch nicht an anderer Stelle in der Versorgungskette Engpässe auftreten.65 Hier ist insbesondere bei der Prozessoptimierung aufgrund des SCOR©-Modells66 und der Direct-CostingMethode darauf zu achten, dass eine kurzfristig wirksame operative Steigerung der Arbeitsproduktivität und Wertanteilerhöung der Arbeitsleistung in einem Teil der Versorgungskette nicht teure Investitionen an einem anderen Ausschnitt der Versorgungskette hervorruft. Zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe bedarf es nämlich nicht nur eines Prozesses, sondern auch einer arbeitsteiligen Struktur. Diese ist aber bei der Prozessoptimierung nach amerikanischem Muster zumeist ausgeblendet. Aber erst die Struktur ermöglicht dann die Vornahme von Prozessen, die auch kurzfristig als operative Kosteneinflussgrößen in Erscheinung treten können.67 Wenn aber zum Beispiel die Anreicherung des Wertschöpfungsanteiles in der Vormontage eines Produkts nur dann durchgeführt werden kann, wenn anderswo das automatische Kleinteilelager neu aufgestellt wird, dann steht die erreichte Kostenersparnis in keinem Verhältnis zum dadurch hervorgerufenen Investitionserfordernis. Hier hilft nur eine flache Organisationshierarchie mit schnellen Entscheidungswegen, bei der nahe am Materialfluss bereichsübergreifend arbeitende Teams selbstorganisierend tätig werden. Dass prozess- oder flussorientiertes Denken in der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre auch sonst verankert ist, zeigen u.a. die Ausführungen von Delfmann über „flußorientierte Ansätze zur Unternehmensführung.“68 Die jeweils zu produzierenden Mengen können dann ohne Zwischenlagerung auf den Kundenbedarf ausgerichtet werden. Ein Supply Chain Management sorgt dann unternehmensübergreifend durch Synchronisation von Beständen und Kapazitäten für die Einhaltung der Zeitvorgaben „Time to Market“ und „Time to Customer“. Innerhalb dieser Zeitspannen ist dann ein taktgebundener Einstückfluss gemäß Kundentakt einzurichten. Die dadurch vorgegebenen Zeitintervalle für die Vornahme der einzelnen technischen Produktionsvorgänge (Prozesse) bestimmen den Mengenausstoß sowie den Handlungsspielraum für Produktivitätssteigerungen. Eine spezielle Mengenvariation ist in diesem Kontext nicht mehr erforderlich, der Mengenausstoß ist vom Kundenbedarf und der davon abzuarbeitenden Stückliste determiniert. „Optimale“ Losgrößen und Bestellmengen als Ergebnis betriebswirtschaftlicher Optimie65
66 67
68
Vgl. dazu die berühmten Regeln 4. und 5. für die Produktionssteuerung: „4. An hour lost at a bottleneck is an hour lost for the total system. 5. An hour saved at a non-bottleneck is just a mirage.“ Goldratt/Fox (1986), S. 189 oder kurz: An hour gained in a bottleneck-situation is of value; an hour gained in a non-bottleneck-situation is a waste of ressources. Supply Chain Operations Reference Modell des Supply Chain Council. Vgl. nochmals Heinen (1965), S. 490; in der Logistik hingegen wurde von Anfang an darauf geachtet, cost-trade-offs über die ganze logistische Kette im Auge zu behalten, damit ein Optimierungsschritt in einem Abschnitt der Kette nicht einen überkompensierenden Kostenansieg in einem anderen Abschnitt der Versorgungskette hervorruft. Vgl. Heskett et al. (1964); S. 452; Vgl. auch die Kritik von Seicht an Fehlentscheidungen, die durch die übliche Anwendung der Prozesskostenrechnung hervorgerufen werden. Vgl. Seicht (2001), S. 562ff. Vgl. Delfmann (1989), S. 93ff.
204 Bernd H. Kortschak _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
rung der Produktion werden durch Wiederbeschaffungszeitintervalle, Zykluszeitintervalle und Wiederproduktionsintervalle ersetzt. Alle diese Intervalle sind nur temporär, d.h. zeitlich begrenzt stabilisiert und bei Auftreten von Zeitwettbewerb auch kurzfristig ereignisorientiert infrage zu stellen. Die traditionell von den abgeleiteten Produktionsfaktoren Organisation und Planung vorgenommenen Aufgaben innerhalb einer hochintegrierten Industrieunternehmung werden bereichs- und unternehmensübergreifend zur proaktiven Störungsabwehr vom Supply Chain Management, einer Konkretisierung des Logistikmanagements,69 übernommen.
Zusammenfassung und Ausblick Obige Ausführungen haben gezeigt, dass es auch im Kontext der statischen Produktionstheorie möglich ist, zu Aussagen über die wirtschaftliche Gestaltung der Produktion auf dynamischen Käufermärkten unter den Bedingungen des Zeitwettbewerbs mit seiner Variantenvielfalt zu gelangen. Methodisch wurde der Weg über die Zeit gewählt, da ein Mehr an Vielfalt innerhalb des gleichen Systems ceteris paribus zu einer Durchlaufzeitverlängerung führt. Da aber gleichzeitig durch den Übergang von Verkäufer- auf Käufermärkte für viele industriell hergestellte Waren die betriebliche Leistungserstellung überhaupt unter Zeitrestriktion gestellt wird, rückt die Bedeutung von Zeitintervallen für die Produktionssteuerung in den Fokus der Betrachtung. Betrachtet man die von Gutenberg entwickelte Begrifflichkeit für die Betriebswirtschaftslehre insgesamt, so stellt man fest, dass wenn man nur ein Element der Theorie Gutenbergs, die „Technikbestimmtheit der Betriebswirtschaftslehre“ durch die „Zeitbestimmtheit“ ersetzt (Vergleich der Abbildungen 1 und 4), man den Apparat der statischen Produktionstheorie nicht aufgeben, sondern nur ergänzen70 muss, um unter den heutigen Rahmenbedingungen Gültigkeit beanspruchen zu können. Dies erfordert aber, strikt zwischen dem System der produktiven Faktoren und den Ansätzen zu ihrer Optimierung zu unterscheiden. Denn eine genaue Analyse zeigt, dass schon bei Gutenberg 1929 jene zeit- und prozessorientierte Betrachtungsweise zu finden ist, die er aber selbst für die betriebswirtschaftliche Optimierung nicht weiter verfolgt, für die man aber heute bei der aktuellen Behandlung produktionswirtschaftlicher Fragestellungen aber gerne auf japanische und amerikanische Autoren und deren Darstellungen zurückgreift.
69 70
Schon 1964 schrieben Heskett et al.: ‚Logistics‘ solutions which have no effect on organisations .. are either ineffective or illusory.“ Heskett et al. (1964), S. 453. zu weiteren Ansätzen für eine Neukonzeption der Produktionstheorie vgl. Dyckhoff (2003), S. 15ff.; Behrens/Houtmann (2005), S. 200ff.; siehe auch die Aufstellung bei Steven (1998), S. 251ff.
Von zur Variantenvielfalt 205 ________der ______Massenfertigung _________________________________________________________________________________________________________________________________________
Die dort vorzufindende prozessorientierte Sichtweise ist aber vergleichsweise gegenüber Gutenberg unvollständig, wie an Hand der Prozessoptimierung gezeigt wurde. Erst wenn sich der Fokus in der Produktionstheorie weg von den technisch geprägten Prozessen hin zu Zeitspannen verlagert, wird der Betriebswirtschaftslehre die Loslösung von ihrer bisherigen „Technikbestimmtheit“ gelingen. Dann kommt der Betriebswirtschaft auch eine für die Technik wichtige Funktion zu, nämlich die temporäre Stabilisierung der technischen Prozesse zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit! Allerdings ist dem Autor nur ein größerer Industriebetrieb bekannt, wo der Leiter der Produktion ein Betriebswirt war, der die oben geschilderte Neuorientierung in der Produktionstheorie schon heute in der Praxis zum Nutzen seines Unternehmens, seiner Kunden aber auch seiner Partner in der Versorgungskette umsetzt.
206 Bernd H. Kortschak _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
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Autorenverzeichnis 209 _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Zu den Autoren Dipl.-Kfm. Lothar Czaja ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Industriebetriebslehre der Universität Erlangen-Nürnberg. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Aiko Entchelmeier ist Doktorand am SVI-Stiftungslehrstuhl für Einkauf, Logistik und Supply Chain Management der ebs European Business School und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Supply Management Institute SMI™, Wiesbaden. Prof. Dr. Michael Henke ist der Inhaber des Lehrstuhls für Financial Supply Management an der ebs European Business School. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Norbert Gronau ist der Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Electronic Goverment an der Universität Potsdam. Assoc. Prof. Dr. Andreas Größler ist Associate Professor an der Nijmengen School of Management der Radboud University in Nijmegen/Niederlande. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christian Gruß ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Produktionswirtschaft der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Prof. Dr. Evi Hartmann ist Juniorprofessorin und Research Director für Einkauf und Supply Management der European Business School und am Supply Management Institute. Dipl.-Ing. oec. Philipp Hohrath ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Logistik und Unternehmensführung der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Univ.-Prof. Dr. Christopher Jahns ist der Inhaber des SVI – Stiftungslehrstuhls für Einkauf, Logistik und Rektor der European Business School sowie Executive Director des Supply Management Institute. Prof. Dr. Wolfgang Kersten ist der Leiter am Institut für Logistik und Unternehmensführung der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Prof. Dr. Dr. Bernd H. Kortschak ist der Inhaber des Lehrstuhls Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Logistik an der Fachhochschule Erfurt. PD Dr. Hans-Christian Krcal ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre I der Universität Heidelberg. Dipl.-Ing. Marcus Lindemann ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Unternehmensarchitekturen am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Electronic Goverment an der Universität Potsdam. Dr.-Ing. Christian Mieke ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Produktionswirtschaft der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus.
210 Autorenverzeichnis _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Prof. Dr.-Ing. habil. Dieter Specht ist der Leiter des Lehrstuhls für Produktionswirtschaft der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Dr. Jörn-Henrik Thun ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Industrie I der Universität Mannheim. Prof. Dr. Kai-Ingo Voigt ist der Inhaber des Lehrstuhls Industriebetriebslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Wildemann ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Logistik an der Technischen Universität München.