Sozial orientiertes Konsumentenverhalten im Lebensmittelhandel : Ein Vergleich junger Deutscher mit gleichaltrigen Deutschtürken
 9783835009714, 3835009710, 9783834996473, 3834996475 [PDF]

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Zitiervorschau

Markus Anzengruber Sozial orientiertes Konsumentenverhalten im Lebensmittelhandel

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Markus Anzengruber

Sozial orientiertes Konsumentenverhalten im Lebensmittelhandel Ein Vergleich junger Deutscher mit gleichaltrigen Deutschtürken

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Helmut Giegler

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation, Universität Augsburg 2007

1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Claudia Jeske Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0971-4

Geleitwort Markus Anzengruber widmet sich mit seiner Arbeit einer gesellschaftlich und wirtschaftlich hoch aktuellen Themenstellung, zu der der gegenwärtige – insbesondere deutsche – Forschungsstand noch sehr zu wünschen übrig lässt. Mit der Durchführung dieser empirischen Studie hat er diese Forschungslücke nicht nur erkannt, sondern trägt dazu bei, diese mit einer in mehrfacher Hinsicht hervorragenden Arbeit aufzufüllen. Der Verfasser lässt zwar an keiner Stelle seiner Dissertation einen Zweifel an seiner Identität als Betriebswirt aufkommen, gleichwohl – oder vielleicht gerade deswegen – hat er die Notwendigkeit erkannt, zur Lösung vieler einschlägiger höchst praktischer Probleme den Blick auch einmal über den Tellerrand der „klassischen“ Betriebswirtschaftlehre hinauszurichten. Wenn er in seinen Ausführungen sehr starke Anleihen bei den Sozialwissenschaften macht, dann deswegen, weil diese ihm Denkansätze bereitstellen, die ihm geeigneter erscheinen, sein Forschungsproblem – spezielle Aspekte des Kaufverhaltens – zu lösen als rein „ökonomische“ Ansätze. Gerade weil ein derartiges fachübergreifendes Unterfangen fachdisziplinär erfahrungsgemäß eher bestraft denn belohnt wird, gilt es, den daraus sprechenden wissenschaftlichen Mut besonders zu würdigen. Insbesondere der dritte Abschnitt trägt den Charakter eines umfassenden eigenständigen Sammelreferats, aus dem sich entsprechende weiterführende Studien hinfort trefflich bedienen können. Gerade für eine nicht in erster Linie theoretisch, sondern empirisch ausgerichtete Dissertation ist das nicht selbstverständlich. Der empirische Teil ist sowohl von der Erhebung als auch von der statistischen Auswertung und vor allem von der nicht überspezialisierten prägnanten Weise der Präsentation der Ergebnisse her gesehen sehr anspruchsvoll ausgearbeitet. Außer Frage steht der, auch für wirtschaftswissenschaftliche Dissertationen oftmals keineswegs gegebene, betriebswirtschaftlich-praktische Ertrag der Studie in Form von in die Zukunft weisenden konkreten und durchaus realisierbaren Marketingempfehlungen für den Lebensmittelhandel und die Lebensmittelindustrie. Dieses Buch richtet sich somit an Wissenschaftler, Studierende und Praktiker, die einen Einstieg zur Klärung interdisziplinär ausgerichteter Fragestellungen zum heutigen Konsumverhalten der jungen Deutschen und Deutschtürken finden möchten.

Prof. Dr. Helmut Giegler

Augsburg, im Dezember 2007

V

Vorwort

Der Titel dieser Studie „Sozial orientiertes Konsumverhalten im Lebensmittelhandel“ liest sich zunächst ein wenig abstrakt. Während der Entstehungsphase dieses Werks traf ich öfters auf den einen oder anderen zweifelnden Blick, als ich meinem Gegenüber den Titel der Studie näher brachte. Als ich jedoch diesen Menschen das Ziel dieser Studie und zudem den Status Quo zu den bisher zu dieser Thematik existierenden Forschungsansätzen in Deutschland erklärte, war die Resonanz durchweg positiv. Zunächst ist sicherlich die Frage berechtigt, ob es überhaupt eine Orientierung an anderen Personen beim Kauf von eher „banalen“ Produkten des täglichen Bedarfs gibt. Meine Überprüfung der bisher in Deutschland vorliegenden öffentlichen Studien zeigte mir, dass sich hier weder in den Wirtschaftswissenschaften noch in der Soziologie detaillierte Gedanken gemacht wurde.

So standen zu Beginn meiner Arbeit Fragen im Raum, die ich mit Hilfe von bereits bestehender Untersuchungen nicht beantworten konnte: „Findet eine soziale Orientierung beim Kauf alltäglicher Gebrauchsgüter statt?“, „Gibt es Gruppen, die sich besonders intensiv an anderen Personen orientieren?“ und nicht zuletzt „Gibt es Unterschiede beim Kauf von alltäglichen Gebrauchgütern zwischen den Deutschen und anderen in Deutschland lebenden ethnischen Gruppen wie z.B. den Deutschtürken?“. Dass die Deutschtürken im Allgemeinen markenbewusster sind, wurde bereits mehrfach nachgewiesen – warum dies so ist, ist allerdings bis dato noch im Verborgenen geblieben.

Diese Studie soll einen Überblick über die Hintergründe von Verhaltensweisen beim Konsum geben, die wir zwar täglich beobachten können, jedoch aus wissenschaftlicher, insbesondere aus soziologischer Sicht kaum hinterfragt werden. Diese Studie soll dazu beitragen, dass scheinbar einfache Handlungen wie der Konsum täglicher Gebrauchsgüter aus einer anderen, kritischeren Perspektive hinterfragt werden und das Kaufverhalten einzelner Gruppen aus der motivationsorientierten Perspektive besser verstanden wird.

Das Buch ist in sieben Kapitel aufgeteilt. Der erste und zweite Abschnitt geben eine Übersicht über die allgemeine Problemstellung sowie über die zum Verständnis der nachfolgenden Ausführungen relevanten Grundlagen. Im Rahmen der theoretischen Überlegungen im dritten Kapitel wird zunächst das Modell als Basis der Studie gebildet. Im Anschluss wird auf die einzelnen Bestandteile dieses Modells näher eingegangen. Im vierten Abschnitt folgt ein Überblick von bereits durchgeführten Studien, die für diese empirische Arbeit eine wichtige Basis darstellten. Kapitel fünf leitet mit den messtheoretischen Überlegungen auf den praktischen

VII

Teil im sechsten Abschnitt über. Das siebte Kapitel schließt dieses Buch mit Hinweisen zur Anwendung der Studienergebnisse in der Praxis ab.

Die Unterstützung aus meinem Umfeld hat mir geholfen, die nötige Hingabe zur Durchführung dieser Studie zu entwickeln. Bedanken möchte ich mich zunächst bei meinen Eltern und meiner Freundin Elisabeth, bei denen ich auch in den schwereren Phasen die nötige Kraft tanken konnte. Besonderer Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Helmut Giegler, der mich über die Jahre hervorragend bei der Erstellung dieser Arbeit betreut hat und mich in den vielen Gesprächen immer wieder neu inspiriert hat. Ebenso vielen Dank an das gesamte Team des Lehrstuhls für Soziologie und empirische Sozialforschung der Universität Augsburg, das mich durch die eine oder andere Diskussion auf neue Ideen gebracht hat.

Markus Anzengruber

VIII

Frankfurt, im Dezember 2007

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ..............................................................................................................1 1.1. Konsumentenverhalten in der modernen Gesellschaft ................................................1 1.2. Struktur der deutschen Gesellschaft ...........................................................................5 1.3. Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland.............................................................8 1.4. Ziele und Aufbau der Arbeit ......................................................................................15

2. Grundlagen .........................................................................................................19 2.1. Theoretische Grundlagen zur sozialen Integration ....................................................19 2.2. Theoretische Grundlagen zum Konsumentenverhalten.............................................33 2.2.1. Die Entwicklung des modernen Konsumentenverhaltens in Europa ...................33 2.2.2. Das Konsumentenverhalten aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht..................37 2.2.3. Das Konsumentenverhalten aus sozialwissenschaftlicher Sicht .........................39 2.2.3.1. Grundlegende sozialwissenschaftliche Theorien .........................................39 2.2.3.2. Soziologische Interpretationen des Konsumentenverhaltens ......................45 2.2.4. Das Konsumentenverhalten der Türken in Deutschland .....................................48

3. Erklärende Theorie und Wirkungszusammenhänge .......................................53 3.1. Grundlegende Modelle zum Konsumentenverhalten .................................................53 3.2. Theoretische Erklärungsansätze zu den relevanten Größen .....................................63 3.2.1. Theorien zur Wirkung demographischer Variablen .............................................63 3.2.1.1. Die Bestimmungsfaktoren der sozialen Schicht...........................................63 3.2.1.1.1. Einkommen und soziale Schicht als Verhaltensdeterminanten ..............65 3.2.1.1.2. Bildung als Determinante der sozialen Schicht und des Verhaltens.......70 3.2.1.2. Die natürlichen Bedarfsfaktoren ..................................................................72 3.2.1.2.1. Der Lebenszyklus als Einflussgröße ......................................................72 3.2.1.2.2. Das Geschlecht .....................................................................................76 3.2.1.3. Die Wirkung von ethnischer Zugehörigkeit ..................................................77 3.2.1.4. Theoretische Zusammenfassung zur Wirkung demographischer Variablen 81 3.2.2. Theorien zur Wirkung psychographischer Variablen ...........................................83 3.2.2.1. Vorgänge im Inneren des Konsumenten .....................................................84 3.2.2.2. Abgrenzung der theoretischen Begriffe „Werte“ und „Einstellungen“ ...........85 3.2.2.3. Moderierende psychographische Variablen ................................................88

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3.2.2.3.1. Das Selbstkonzept aus mehrdimensionaler Sicht ..................................88 3.2.2.3.2. Die Selbstkonzepttheorie.......................................................................89 3.2.2.3.3. Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein ...............................................95 3.2.2.3.4. Selbstverwirklichung..............................................................................98 3.2.2.3.5. Selbstkonzepttheorie und ethnische Selbstbestätigung .......................100 3.2.2.4. Die Wirkung von Ethnozentrismus auf das Verhalten................................102 3.2.2.5. Theorien zum Einfluss des Lebensstils auf den Konsum...........................107 3.2.2.6. Die Wirkung psychographischer Variablen im Rahmen der Studie............116 3.2.3. Produkteigenschaften und ihr Einfluss auf das Entscheidungsverhalten...........117 3.2.3.1. Die Wirkung des Preises ...........................................................................120 3.2.3.2. Die Wirkung der Marke .............................................................................126 3.2.3.2.1. Das Kaufverhalten bei Markenprodukten .............................................126 3.2.3.2.2. Der Zusammenhang zwischen Marke und Einstellung zum Produkt....130 3.2.3.2.3. Semantische Betrachtung: die wahrgenommene Produktsymbolik ......134 3.2.3.3. Dimensionen der Leistungstransparenz ....................................................137 3.2.3.3.1. Testurteile bei Lebensmittelprodukten .................................................138 3.2.3.3.2. Die Markierung „Wellness-“ oder „Bioprodukte“ ...................................140 3.2.3.3.3. Das Herkunftsland von Produkten .......................................................143 3.2.3.4. Der Einfluss von Produkteigenschaften im Rahmen der Studie.................145 3.2.4. Weitere Einflussvariablen bei Kaufentscheidungen ..........................................146 3.2.4.1. Das Involvement .......................................................................................146 3.2.4.1.1. Motivation und Kaufrisiko.....................................................................147 3.2.4.1.2. Persönliche Relevanz und Selbstidentifikation.....................................149 3.2.4.2. Das Involvement im Rahmen der Studie ...................................................150 3.3. Die abhängigen Größen..........................................................................................152 3.3.1. Das Kaufverhalten ............................................................................................152 3.3.2. Die Einkaufsstättenwahl ...................................................................................154

4. Messtheoretische Überlegungen ....................................................................161 4.1. Methodenspektrum der empirischen Erhebung .......................................................161 4.2. Qualitative Forschung .............................................................................................165 4.3. Quantitative Forschung ...........................................................................................166 4.3.1. Verwendung von Skalen im standardisierten Interview .....................................166 4.3.2. Das „semantische Differential“..........................................................................168 4.4. Messung der psychographischen Dimensionen ......................................................169

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4.4.1. Grundlagen zur Messung von Werten und Einstellungen .................................170 4.4.2. Messung des Selbstkonzepts ...........................................................................172 4.4.3. Messung der Einstellung zu Produkteigenschaften...........................................176 4.5. Messung von demographischen Variablen..............................................................177 4.6. Messung der abhängigen Variablen........................................................................179 4.7. Die Bildung von Konsumentensegmenten...............................................................182 4.8. Gütekriterien des Messinstruments .........................................................................188

5. Ergebnisse bisheriger Forschungen ..............................................................191 5.1. Studienergebnisse zum Einfluss demographischer Faktoren ..................................191 5.2. Studienergebnisse zum sozial orientierten Konsum ................................................199 5.3. Studienergebnisse zum Konsumverhalten ethnischer Minderheiten........................206 5.4. Studienergebnisse zur Wirkung von Marke und Preis .............................................212 5.5. Forschungsstand zur Konsumentensegmentierung ................................................218

6. Empirischer Teil................................................................................................228 6.1. Gestaltung des Fragebogens ..................................................................................228 6.1.1. Operationalisierung und Durchführung des Pretests.........................................228 6.1.2. Ergebnisse der Pretests ...................................................................................232 6.2. Operationalisierung und Datenerhebung.................................................................240 6.2.1. Das Erhebungsinstrument in der Hauptuntersuchung.......................................240 6.2.2. Mögliche Probleme im Vorfeld der Untersuchung .............................................244 6.3. Die Hauptbefragung................................................................................................246 6.3.1. Erhebungsmethodik..........................................................................................246 6.3.2. Rechtfertigung der Online-Befragung ...............................................................247 6.4. Durchführung der Befragung...................................................................................250 6.4.1. Quotierung der Befragten .................................................................................250 6.4.2. Erhebungsverlauf .............................................................................................253 6.4.3. Screening und Stichprobenstruktur...................................................................255 6.5. Analyse der Wirkungszusammenhänge ..................................................................258 6.5.1. Konfirmative Überprüfung der Faktoren............................................................258 6.5.2. Die zu überprüfenden Zusammenhänge im Überblick ......................................261 6.5.3. Operationalisierung des Schichtkonzepts im Rahmen der Studie .....................263 6.5.4. Die soziale Orientierung ...................................................................................271

XI

6.5.5. Der demonstrative Konsum ..............................................................................276 6.5.6. Die Markenrelevanz bei Lebensmittelprodukten ...............................................281 6.5.7. Der Preis bei Lebensmittelprodukten ................................................................287 6.5.8. Die Leistungstransparenz mit Fokus auf Gesundheit und Umwelt ....................292 6.5.9. Das Herkunftsland von Lebensmittelprodukten.................................................295 6.6. Die Analyse der Einkaufsstättenwahl ......................................................................299 6.6.1. Anforderungsprofile an den Lebensmittelhandel ...............................................299 6.6.2. Besuchshäufigkeiten im Lebensmittelhandel ....................................................306 6.6.3. Das demographische Profil der LEH-Kundentypen...........................................313 6.6.4. Psychographische Beschreibung der LEH-Kundentypen..................................317 6.7. Kaufverhalten in ausgewählten Produktbereichen...................................................325 6.8. Segmentierung des Konsumenten im Lebensmittelhandel......................................329 6.8.1. Der deutsche Konsument .................................................................................329 6.8.2. Der deutschtürkische Konsument .....................................................................338 6.8.3. Segmentvergleich der Deutschen mit den Deutschtürken.................................346

7. Fazit ...................................................................................................................348 7.1. Kritische Würdigung der Studie...............................................................................348 7.2. Praxisrelevanz für Industrie und Handel..................................................................351

Literaturverzeichnis .............................................................................................357

Anhang I: ..............................................................................................................383 Modelle zum Konsumentenverhalten Beispiele zur Werbeansprache der Deutschtürken

Anhang II: .............................................................................................................391 Erhebungsinstrument

XII

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:

Altersstruktur der deutschen Bevölkerung (vgl. Statistisches Bundesamt, in: Siemes/Gerling, 2004, S. 14)...............................................5

Abb. 2:

Verfügbares Einkommen und Sparen der privaten Haushalte (vgl. Sachverständigenrat/Statistisches Bundesamt, in: Siemes/Gerling, 2004, S. 11) ............6

Abb. 3:

Ethnische Minderheiten in Deutschland (vgl. Statistisches Bundesamt, 2005) .........................7

Abb. 4:

Anzahl Lebensmittelgeschäfte nach Vertriebstypen (vgl. Trade Dimensions 2005) .................9

Abb. 5:

Umsatzanteil der Discounter am Konsumgüterhandel (links) und Umsatzentwicklung Lidl in Mrd. Euro (rechts) (vgl. GfK Consumerscan, in: Capital 18 & 22/2005) .......................11

Abb. 6:

Sortimentsbreite nach Lebensmittelhandeltyp (vgl. Trade Dimensions 2005, Focus 15/2006) ........................................................................12

Abb. 7:

Top 10 Gesamtumsatz (brutto in Mio. Euro) und Umsatzverteilung im LEH 2005 (vgl. Trade Dimensions 2005, S. V, 3) .....................................................................................13

Abb. 8:

Übersicht zum Studienverlauf ..................................................................................................18

Abb. 9:

Zusammenhang zwischen Kultur und Verhalten (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 543) .............................................................................25

Abb. 10: Mögliche Ausrichtung des auffälligen Konsums (siehe dazu Mason, 1981, S. 23 ff.) .............27 Abb. 11: Multikulturelle Gesellschaft aus der Mikro- und Makroperspektive (vgl. Berry, 1986, S. 37) ...........................................................................................................29 Abb. 12: ABX-System nach Newcomb (vgl. Newcomb, 1961, S. 9) ......................................................30 Abb. 13: Hybrides Konsumentenverhalten zu Beginn des 21. Jahrhunderts (vgl. GIM argo, 2004)......37 Abb. 14: Aufteilung der Deutschtürken in fünf Lifestyle-Segmente (vgl. Lab One; GIM, in: Kraus-Weyser/8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 67) ................................50 Abb. 15: Neobehavioristisches Modell im Rahmen der Studie (eigene Darstellung in Anlehnung an Blackwell et al., 2001, S. 81; Carman, 1978, S. 405) .........................................................58 Abb. 16: Die Einflussvariablen der sozialen Schicht im Rahmen der Studie (eigene Darstellung)........64 Abb. 17: Schichtspezifische Merkmale (vgl. Wiswede, 1972, S. 147) ...................................................65 Abb. 18: Projektion der Markenwahl in Abhängigkeit des Berufs nach Levy (1999, S. 135) .................67 Abb. 19: Lebenszyklus und Einkaufsstättenwahl (vgl. Müller-Hagedorn, 1993, S. 103 ff.)....................73 Abb. 20: Marktsegmentierung nach biographischen Lebenswelten (in Prozent) (vgl. GfK Indivdualpanels, deutsche Bev. ab zehn Jahre (2001), in: GfK, 2002) ....................75 Abb. 21: Zugehörigkeitsgefühl und tatsächliches Verhalten beim Kauf eines Produkts (vgl. Stayman/Deshpande 1989, S. 363) .................................................................................79 Abb. 22: Kaufmotivation in Abhängigkeit von der Selbst-Produktimage-Kongruenz (vgl. Sirgy, 1982, S. 291)..........................................................................................................92 Abb. 23: Matrix der beeinflussenden Variablen des Kaufentscheidungsprozesses (vgl. Brody/Cunningham, 1968, S. 52) .....................................................................................96

XIII

Abb. 24: Facetten der Selbsterhaltung (vgl. Haubl, 1998, S. 16) ...........................................................99 Abb. 25: Die „relative group worth“-Theorie (vgl. Horowitz, 1985, S. 140 ff.; Hermann, 2001)............101 Abb. 26: Lebensstil im Konsum (vgl. Solomon et al., 2001, S. 461) ....................................................112 Abb. 27: Der Einfluss des Lebensstils auf das Konsumentenverhalten (vgl. Engel et al., 1978, S. 175)..............................................................................................115 Abb. 28: Die Wahrnehmung von Produktattributen bei der Produktwahl im Rahmen der Studie ........118 Abb. 29: Attribute Inference Model (vgl. Hansen/Zinkhan, 1983, S. 187) ............................................119 Abb. 30: Durchschnittlicher Marktanteil von Marken (vgl. GfK, 2005, S. 15) .......................................127 Abb. 31: Entwicklung des Markenbewusstseins (vgl. AWA 1997 bis AWA 2003) ...............................128 Abb. 32: Einstellungskomponenten einer Marke (vgl. Hupp/Powaga, 2004, S. 227) ..........................131 Abb. 33: Die Kernaufgaben der Marke im zweidimensionalen Raum ..................................................132 Abb. 34: Bedeutungsinhalte der Marke (vgl. Schütz, 2001, S. 230) ....................................................133 Abb. 35: Dreistufiges Modell der Semiose nach Gottdiener (1985, S. 996).........................................135 Abb. 36: Einflussfaktoren des subjektiv empfundenen Kaufrisikos (vgl. Diller, 1977, S. 221) .............148 Abb. 37: Involvement als Determinante des Informationsverhaltens (siehe dazu Schmitz/Kölzer, 1996, S. 99)..............................................................................151 Abb. 38: Prozess der Einkaufsstättenwahl nach Heinemann (vgl. Heinemann, 1976, S. 111) ...........156 Abb. 39: Übersicht der Einflussfaktoren des Einkaufsstättenwahlprozesses nach Beck (2003) .........158 Abb. 40: Empirische Erhebungsmethoden (vgl. Salcher, 1995, S. 23) ................................................162 Abb. 41: Beispiel für unipolare (oben) und bipolare (unten) Messung .................................................167 Abb. 42: Hypothetisches Beispiel eines Kausalmodells (vgl. Fritz, 1984, S. 271) ...............................177 Abb. 43: Klassifizierung der Clustermethoden (vgl. Wedel/Kamakura, 2000, S. 42) ...........................187 Abb. 44: Generisches Modell zur Segmentierung des Lebensmittelkäufers (vgl. Elsevier Food International, in: Siemes/Gerling, 2004, S. 27) .......................................220 Abb. 45: Der deutsche Konsument im Lebensmittelhandel nach Segmenten (vgl. McKinsey & Company, 2005, S. 23) ..............................................................................222 Abb. 46: Einkaufsstättenwahl der „Anuga-Food“-Typen (vgl. GfK Consumerscan, in: Pech-Lopatta, 2005, S. 43)......................................................225 Abb. 47: Käuferstruktur nach Produktbereichen (vgl. GfK Consumerindex 1999, in: GfK Shopper-Typen, 2000)............................................231 Abb. 48: Quotierungsvorgaben zur schulischen Ausbildung................................................................251 Abb. 49: Quotierungsvorgaben zur beruflichen Ausbildung .................................................................251 Abb. 50: Quotierungsvorgaben zum Nettoeinkommen ........................................................................252 Abb. 51: Zugehörigkeitsgefühl der deutschtürkischen Befragten.........................................................257 Abb. 52: Subjektive Schichtzuordnung der deutschen Bevölkerung (vgl. ALLBUS)............................264 Abb. 53: Schema zum Vergleich zweier Kulturen (vgl. Mennicken, 2000, S. 145) ..............................267

XIV

Abb. 54: Anforderungsprofile – Deutsche vs. Deutschtürken...............................................................300 Abb. 55: Anforderungsprofile im Schichtvergleich................................................................................302 Abb. 56: Anforderungsprofile der LEH-Kundentypen ...........................................................................303 Abb. 57: LEH-Kundentypen – Deutsche vs. Deutschtürken.................................................................314 Abb. 58: Die Einkaufsstätten im psychographischen Raum – Schaubild 1..........................................318 Abb. 59: Entwicklung der Einkaufsstättentypen (vgl. GfK, in: Focus 40/2006, S. 184)........................321 Abb. 60: Die Einkaufsstätten im psychographischen Raum – Schaubild 2..........................................322 Abb. 61: Aufteilung der Segmente in der deutschen Basisgruppe.......................................................330 Abb. 62: Anspruchsniveau der Segmente (deutsche Konsumenten) ..................................................331 Abb. 63: Aufteilung der Segmente in der deutschtürkischen Basisgruppe (n= 247)............................338 Abb. 64: Anspruchsniveau der Segmente (deutschtürkische Konsumenten) ......................................339

XV

Tabellenverzeichnis

Tab. 1:

Die Metaphern des Konsums (vgl. Holt, 1995, S. 3)................................................................19

Tab. 2:

Arten von Sanktionen (vgl. Parsons, 1967, S. 283/ S. 364; Lepsius, 1970, S. 58; Bänsch, 1996, S. 97) ..................22

Tab. 3:

Hypothetische Kombination von Referenz- und Mitgliedschaftsgruppen (vgl. Babad et al., 1983, S. 214)...............................................................................................28

Tab. 4:

Handlungsoptionen bei Eintritt in eine dominante Kultur (vgl. Berry, 1980; Mehta/Belk, 1991, S. 400) ...........................................................................29

Tab. 5:

Generationenvergleich bei Deutschtürken (vgl. Tulay und Kollegen; Lab One, 2001, in: Kraus-WeyssHU8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 46; Kielmann, 2004, S. 35) ..............................49

Tab. 6:

Aspekte des Markennutzens aus Nachfragersicht ( vgl. Caspar et al., 2002, S. 14; Fischer et al. 2002, S. 11) ....................................................129

Tab. 7:

Determinanten des Kaufverhaltens und ihre Wirkung auf die Anforderung an den Handel (siehe dazu Schmitz/Kölzer, 1996, S. 121)............................................................................159

Tab. 8:

Segmentierungskriterien und ihre Wirksamkeit (vgl. Wedel/Kamakura, 2000, S. 16) ...........184

Tab. 9:

Dimensionen der Schichtbildung nach Form und Stone........................................................191

Tab. 10: Symbolische Kriterien der schichtbezogenen Einordnung nach Form und Stone.................192 Tab. 11: Soziodemographie von Handelsmarkenkäufern (vgl. Bauer et al. 2005, S. 19) ....................195 Tab. 12: Studien zu Zusammenhängen von Konsumentenverhalten und Demographie ....................198 Tab. 13: Studien zum sozial orientierten Konsum................................................................................205 Tab. 14: Einkaufsstättenwahl der Deutschtürken (vgl. Studie des Zentrums für Türkeistudien, in: Kraus-:H\VVHU8÷XUGHPLU-Brincks 2002, S. 55) ...................................................................206 Tab. 15: Konsumverhalten der Türken in Deutschland (vgl. TID 1996, in: Kraus-:H\VVHU8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 56) ....................................207 Tab. 16: Türken mit hohem Markenbewusstsein (vgl. VuMA (2004) in Kooperation mit Data4U (05/04), in: Bücker, 2005, S. 88) ..................207 Tab. 17: Studien zum Konsumverhalten ethnischer Minderheiten.......................................................212 Tab. 18: Gründe für Preisbewusstsein (vgl. Dickson/Sawyer, 1990) ...................................................214 Tab. 19: Studien zur Wirkung von Marke und Preis.............................................................................217 Tab. 20: Aufteilung der Stichprobe im Pretest nach Geschlecht .........................................................232 Tab. 21: Involvement und sozialer Konsum im Produktvergleich ........................................................233 Tab. 22: Stichprobenstruktur der Hauptbefragung ...............................................................................256 Tab. 23: Güte der Faktoren ..................................................................................................................259 Tab. 24: Überblick der zu überprüfenden Zusammenhänge im Rahmen der empirischen Studie ......262 Tab. 25: Berechnungsgrundlage für den Schichtindex ........................................................................266

XVI

Tab. 26: Struktur der Basisgruppen .....................................................................................................268 Tab. 27: Schichtverteilung der 18- bis 29-jährigen Deutschen in der Basisgruppe (n= 250) ..............269 Tab. 28: Schichtverteilung der 18- bis 29-jährigen Deutschtürken in der Basisgruppe (n= 250) ........269 Tab. 29: Aufteilung der Schichtzugehörigkeit in der Gesamtstichprobe (n= 746)................................270 Tab. 30: Abgleich der subjektiven mit der objektiven Schichtzuordnung (n= 746) ..............................270 Tab. 31: Normative und informative Orientierung der ethnischen Gruppen ........................................271 Tab. 32: Normative und informative Orientierung der Schichten .........................................................272 Tab. 33: Unsicherheit der ethnischen Gruppen ................................................................................... 272 Tab. 34: Unsicherheit im Schichtvergleich ...........................................................................................272 Tab. 35: Auswirkung der Selbstbild/Fremdbild Diskrepanz auf die soziale Orientierung und die Selbstsicherheit (n= 746) .......................................................................................................274 Tab. 36: Demonstrativer Konsum – Deutsche vs. Deutschtürken .......................................................276 Tab. 37: Selbstverwirklichung bei Lebensmittelprodukten – Deutsche vs. Deutschtürken..................276 Tab. 38: Der demonstrative Konsum im Schichtvergleich ...................................................................277 Tab. 39: Das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung im Schichtvergleich..............................................277 Tab. 40: Markenrelevanz – Deutsche vs. Deutschtürken ....................................................................281 Tab. 41: Marke und Qualität – Deutsche vs. Deutschtürken................................................................281 Tab. 42: Marke und Prestige – Deutsche vs. Deutschtürken...............................................................282 Tab. 43: Dimensionen der Markenrelevanz – Ergebnisse der Regressionsanalyse ...........................282 Tab. 44: Marke und Qualität im Schichtvergleich.................................................................................282 Tab. 45: Marke und Prestige im Schichtvergleich ................................................................................283 Tab. 46: Sparsamkeit – Deutsche vs. Deutschtürken ..........................................................................287 Tab. 47: Preis als Qualitätsindikator – Deutsche vs. Deutschtürken ...................................................287 Tab. 48: Sparsamkeit im Schichtvergleich ...........................................................................................288 Tab. 49: Preis-Qualitätsempfinden im Schichtvergleich.......................................................................289 Tab. 50: Gesundheits- und Umweltorientierung – Deutsche vs. Deutschtürken .................................292 Tab. 51: Gesundheitsorientiertes Informationsverhalten im Schichtvergleich .....................................292 Tab. 52: Umweltorientiertes Informationsverhalten im Schichtvergleich .............................................293 Tab. 53: Bindung an die eigene ethnische Gruppe – Deutsche vs. Deutschtürken.............................295 Tab. 54: Anteil an Personen, der Wert auf das Herkunftsland legt – Deutsche vs. Deutschtürken.....295 Tab. 55: Ethnische Bindung in Abhängigkeit der Wichtigkeit des Herkunftslands...............................296 Tab. 56: Die bevorzugten Herkunftsländer der Deutschen und Deutschtürken...................................296 Tab. 57: Ethnozentrismus bei Deutschtürken, die Wert auf türkische Produkte legen ........................297

XVII

Tab. 58: Wichtigkeit des Produktherkunftslands und Sparsamkeit ......................................................297 Tab. 59: Anforderungen an den LEH in der Gesamtstichprobe ...........................................................299 Tab. 60: Besuchshäufigkeiten – Deutsche vs. Deutschtürken.............................................................306 Tab. 61: Besuchshäufigkeiten der Schichten im Vergleich ..................................................................307 Tab. 62: Psychographische Einflussfaktoren des Besuchs im Discounter ..........................................309 Tab. 63: Psychographische Einflussfaktoren des Besuchs im Supermarkt.........................................310 Tab. 64: Psychographische Einflussfaktoren des Besuchs im Fach- und Spezialitätengeschäft........311 Tab. 65: Psychographische Einflussfaktoren des Besuchs im Biohandel ...........................................312 Tab. 66: Einkaufsstättenwahl in Abhängigkeit von der Schichtzugehörigkeit ......................................315 Tab. 67: Klassifizierung der LEH-Kundentypen ...................................................................................320 Tab. 68: Anteil der Käufer in Abhängigkeit von der Produktkategorie .................................................325 Tab. 69: Käuferanteil nach Produktkategorie – Deutsche vs. Deutschtürken......................................326 Tab. 70: Markenrelevanz nach Produktkategorie – Deutsche vs. Deutschtürken ...............................326 Tab. 71: Einstellungsdimensionen nach Produktkategorie – Deutsche vs. Deutschtürken.................327 Tab. 72: Psychographische Dimensionsausprägung der Segmente bei den Deutschen ....................330 Tab. 73: Psychographische Dimensionsausprägung der Segmente bei den Deutschtürken..............339 Tab. 74: Gegenüberstellung der Segmente – Deutsche vs. Deutschtürken........................................346

XVIII

Abkürzungsverzeichnis A AB AIO Bi CrA CoO-Effekt D DC Dg DT EH Ek FH IfD k. A. Kv L LEH LEH-Typen Ms Mtg MW OOS Os p P POS Ps Ppt. Rzg S Sb SG Sk S-O-R-Modelle Us V VM WH

Alter Arbeitsblatt Activities, Interests, Opinions Bildung Cronbachs Alpha Country of Origin Effekt Deutsche Discounter Demographie Deutschtürken Einzelhandel Einkommen Fachhandel Institut für Demoskopie Keine Angabe Konsumverhalten Leistungstransparenz Lebensmittelhandel Lebensmittelhandel-Typen (Einkaufsstättentypen) Mittelschicht Mitgliedschaftsgruppe Mittelwert Out of Stock Oberschicht Irrtumswahrscheinlichkeit Preis Point of Sale Psychographie Prozentpunkte Referenzgruppe Soziale Schicht Selbstbewusstsein Spezialitätengeschäft Selbstkonzept Stimulus-Organism-Response-Modelle Unterschicht Verhalten Verbrauchermarkt Warenhaus

XIX

1. Einleitung 1.1. Konsumentenverhalten in der modernen Gesellschaft

In den letzten Jahren zeigte der deutsche Einzelhandel unter insgesamt ungünstigen konjunkturellen Rahmenbedingungen eine unerfreuliche Entwicklung. Im Jahr 2005 stagnierte der Konsum im zwölften Jahr und die Binnenkonjunktur lahmte weiterhin (vgl. Haller/Twardawa, 2005, S. 34). Gründe hierfür sind zum einen die zunehmende Kaufzurückhaltung, zum anderen die im europäischen Vergleich überdurchschnittlich preissensiblen Konsumenten in Deutschland (vgl. Siemes/Gerling, 2004, S. 5; Harms/Schommer, 2004). In einem von Stagnation und rezessiven Tendenzen geprägten volkswirtschaftlichen Umfeld hat die Preissensibilität nicht zuletzt durch die Einführung des Euro einen weiteren Schub erfahren. Im Zuge dessen sind die Preise für Lebensmittel teilweise über 50% gestiegen und eben jene Güter haben sich besonders verteuert, die der deutsche Konsument bar bezahlt (vgl. Focus 25/2005). Begleitet wird diese Entwicklung von einer zunehmenden Marktmacht der Discounter, was in den letzten Jahren zu einer Rekordzahl an Insolvenzen im Lebensmittelhandel führte. Unter dem zunehmenden Druck durch die rasante Verbreitung der Discounter versucht sich der deutsche Lebensmitteleinzelhandel seit den 90er-Jahren im steigenden Maße über den Preis zu profilieren (vgl. Esch, 2005, S. 455). Der Service- und Qualitätsgedanke bleibt dabei oftmals auf der Strecke. Während die Zielgruppen der Schnäppchenjäger und der Handelsmarkenkäufer im Rahmen dieser Entwicklungen verstärkt angesprochen werden, vernachlässigt der Lebensmitteleinzelhandel andere kaufkräftige Zielgruppen wie Qualitätskäufer, Smart-Shopper oder auch die in Deutschland lebenden ethnischen Subkulturen. Da der deutsche Markt durch einen intensiven Preis-, Margen- und Kundenwettbewerb gekennzeichnet ist, muss die Einzigartigkeit der eigenen Leistung durch den individuellen Händler wirksam kommuniziert werden. Dies findet zum einen über die Preiskommunikation statt, die auf die „Geiz ist geil“-Mentalität vieler deutscher Konsumenten eingeht (vgl. Sälzer, 2003, S. 10). Zum anderen stehen neben der Preisführerschaft andere Strategien zur Verfügung, mit der die Bedürfnisse von Kunden, die über die Preisorientierung hinausgehen, gezielt angesprochen werden. Die Wünsche und Motive der Konsumenten werden zunehmend vielschichtiger und auch die Bestimmung von Lebensstilen wird in einer zur Individualität tendierenden multikulturellen Gesellschaft schwieriger. Hier muss der Lebensmittelhandel, der sich nicht über den Preis positionieren kann, Profilierungssortimente entwickeln, wozu sich erklärungsbedürftige Produkte, Frischeprodukte, Produkte aus bestimmten Herkunftsländern und auch Bio-Produkte anbieten. Insbesondere bei diesen Gütern des täglichen Bedarfs, den sogenannten Fast Moving Consumer Goods, die zugleich dazu beitragen, den

1

Lebensstil der Konsumenten zu symbolisieren, versucht der Kunde den aus seiner Sicht optimalen Mix zwischen Lifestyle-Kommunikation und preisbewusstem Handeln zu erreichen (vgl. Holt, 1997, S. 329). „Die Stärkung der eigenen Wettbewerbsposition durch selektive und innovative Sortimentierung im Verbund mit einer zielgruppenadäquaten Warenpräsentation und arrondierenden Serviceleistungen müssen in der Profilierung gegenüber dem Kunden die entsprechenden Antworten des Fachhandels auf die Discountwelle sein.“ (Siemes/Gerling, 2004, S. 8). Die Leistungen des Handels können aber erst dann zielorientiert gestaltet werden, wenn bekannt ist, welche Anforderungen der Kunde an die Einkaufsstätte und die dort käuflichen Produkte hat. Nur wenn die Erwartungen an den Handel mit einer Erfüllung einhergehen, wird der Konsument die Einkaufsstätte wieder aufsuchen. Die Ausrichtung des Sortiments muss also dahingehend erfolgen, dass eine möglichst große Anzahl von Personen die Erfüllung ihrer Erwartungen innerhalb der Einkaufsstätte erlebt (siehe dazu LZ|Net, 04.07.2006). Da die beeinflussenden Determinanten der Erwartungshaltungen und Anforderungen an den Einzelhandel so vielschichtig sind, ist dies wohl eine der schwierigsten Aufgaben, denen sich dieser stellen muss. Diese bestehen zum einen in der Bestimmung der Determinanten des Kaufentscheidungsprozesses und noch viel mehr in der Untersuchung der unterschiedlichen Motivationen verschiedener Käufersegmente. Das Konsumentenverhalten kann damit nicht nur als bloßes Käuferverhalten im Sinne der Interaktion zwischen Käufer und Verkäufer verstanden werden, sondern als die Aneinanderreihung verschiedener kontinuierlicher Prozesse (vgl. Solomon et al., 2001, S. 23). Letztendlich haben alle Produkte bei den Konsumenten einen bestimmten Stellenwert, den sie in ihrem Leben einnehmen. Individuen entscheiden sich für ein bestimmtes Produkt, weil sie das Image, das sie damit verbinden, anziehend finden oder bestimmte Eigenschaften des Produkts etwas mit der eigenen Persönlichkeit gemeinsam haben (vgl. ebd., 2001, S. 21). Produkte haben folglich eine soziale Bedeutung, die dazu dient, Eigenschaften von bestimmten sozialen Gruppen wie z. B. Schicht oder ethnische Zugehörigkeit darzustellen (vgl. Holt, 1997, S. 328). Der häufig unterstellte proportionale Zusammenhang zwischen dem verfügbaren Einkommen und dem Preisniveau der gekauften Güter ist dabei ein zu trivialer Ansatz zur Erklärung des sozialen Verhaltens beim Konsum und wird auch durch statistische Werte nur selten bestätigt (vgl. Schmitz, 1996, S. 64). Insbesondere bei Produkten des täglichen Bedarfs müssen nicht unbedingt diejenigen Personen die billigsten Produkte kaufen, die den geringsten monetären Spielraum haben. Einige Discounter haben diesen Trend erkannt und führen in ihrem Sortiment neben den bekannten Handelsmarken „Premium-Produkte“1 ein, um zusätzliche Zielgruppen für sich zu gewinnen und den Fachmärkten mit weiterem aggressiven Verdrängungswettbewerb entgegenzutreten. Im Gegenzug haben Verbrauchermarktketten ein begrenztes Sortiment an Eigenmarken und ethnischen Produkten in das 1

Unter Premium-Produkten versteht man Produkte, deren Preis das durchschnittliche Niveau um mindestens 150 Prozent überbietet (vgl. LZ Spezial 03/2005).

2

Angebot übernommen (vgl. Aygün, 2005). Handelsunternehmen, die es in den Zeiten der Konsumzurückhaltung nicht schaffen, ihr Sortiment optimal auf die Bedürfnisse der Konsumenten oder auf möglichst viele Segmente auszurichten, können nicht überleben. Ein aktuelles Beispiel ist hier die Warenhauskette Karstadt. Bei dem Angebot von billigen Produkten hat man hier die Entwicklung verpasst: „Besonders für die preissensiblen Deutschen ist das Warenhaus schon lange keine Ort der Freude mehr“ (Trade Dimensions 2004, S. IV, 2). Während der Deutsche in den 80er-Jahren bereit war, für Produkte auch einen höheren Preis zu zahlen, trifft man seit Mitte der 90er-Jahre auf ein immer größeres Preisbewusstsein. Jedoch kann eine einseitige Ausrichtung der Preispolitik auf Hochpreis- oder Niedrigpreiskäufer nicht für den gesamten Lebensmitteleinzelhandel eine probate Strategie der Konsumentenansprache sein. Als treibendes Moment steht bei diesem der zunehmende Drang nach Individualität. Der Kunde möchte nicht, wie dies bei vielen Marktsegmentierungsansätzen der Fall ist, in ein bestimmtes Raster gedrängt werden. Er zeigt ein Verhalten, welches nur noch schwer nachvollziehbar ist. Die herkömmliche Segmentierung des Marktes mit Fokus auf den vier Ps – Produkt, Preis, Platzierung, Promotion – genügt nicht mehr allein, um den Markt in homogene Verbrauchergruppen einzuteilen. Neue strategische Ansätze gehen einen Schritt weiter und nutzen zudem das Drei-W-Modell, d. h. in diesen Ansätzen werden zusätzlich die Fragen gestellt: „Wen spricht das Unternehmen an?“, „Was bietet das Unternehmen an?“ und „Wie wird das Versprochene umgesetzt?“ (Financial Times, 15.08.2005). Ebenso müssen traditionelle soziologische Ansätze zur Erklärung des Konsumentenverhaltens, wie die von Veblen und Bourdieu, kritisch hinterfragt werden und auf ihre Gültigkeit im 21. Jahrhundert überprüft werden. In einer in allen sozialen Schichten nach Individualität strebenden Gesellschaft lassen sich auch hier pauschale Aussagen nur noch schwer aufrechterhalten (vgl. Miller, 1987, S. 156). Im „modernen“ Deutschland ist es durchaus nicht mehr gegeben, dass sich hohe soziale Schichten in allen Bereichen durch Konsum von niedrigeren Schichten abheben wollen. Vielmehr ist das heutige Konsumentenverhalten auch innerhalb der Schichten durch eine zunehmende Differenzierung der Konsumwünsche gekennzeichnet (vgl. Meffert, 1992, S. 75). So wird eine Vielzahl von Produktbereichen im täglichen Leben herangezogen, um sich in der Gesellschaft zu positionieren. „And it seems that we can symbollically acquire it from our everyday consumption.” (Wattanasuwan, 2005, S. 179).

Eine pragmatische Lösung der beschriebenen Problematik aus Sicht von Industrie und Handel wäre es, Industriemarken oder auch Nischenprodukte auf ein ähnlich niedriges Preisniveau wie die Handelsmarken zu senken, wie dies bereits einige Discounter in Kooperation mit der Industrie handhaben (vgl. Focus 25/2005). Diese Strategie ist jedoch auf Dauer ruinös und kann bei Premium-Produkten nicht umgesetzt werden (vgl. Esch, 2005, S. 455).

3

Auch eine zunehmende Sortimentsbreite und -tiefe fördert die Attraktivität der Händler, belastet aber tatsächlich deren Kostenstruktur erheblich (vgl. Harms/Schommer, 2004). Deshalb behelfen sich zur Lösung der oben genannten Probleme viele Handelsketten mit neuen technischen Lösungen, wie Warenwirtschaftssystemen und Kundenkarten, um die Bedürfnisstruktur der Konsumenten zu erheben (vgl. Esch, 2005, S. 51; media&marketing, 05/2006, S. 59). Allerdings genügen diese Methoden nicht, um Kundensegmente zu identifizieren und gezielt bearbeiten zu können. Vielmehr ist die Erforschung sozialer Konsummuster ein probates Mittel, um einzelne Marktsegmente ausfindig zu machen und deren Bedürfnisse mit einer ausgeklügelten Sortimentspolitik anzusprechen (vgl. Vinson et al., 1977, S. 49; Holt, 1997, S. 326; Richter, 2004, S. 19). Dass dies zum Status quo von Industrie und Handel nur stiefmütterlich durchgeführt wird, zeigt die Statistik. So sind 70 Prozent aller neu eingeführten Produkte im Bereich der alltäglichen Gebrauchsgüter ein Flop, zum großen Teil aufgrund mangelnder Innovativität, schlechtem Preis-Leistungs-Verhältnis, falsch abgestimmter Zielgruppenstruktur oder Markenpolitik (vgl. Heinemann, 1976, S. 21; media&marketing, 05/2006, S. 59). Trotz dieser hohen Flopquote muss man mit Erstaunen feststellen, dass die Nachfrage nach einer genauen Kundenanalyse und einer Definition des Kundenkreises im Lebensmittelhandel weiterhin gering ist (siehe dazu KPMG, 2006). „Die Existenz informeller Entscheidungsstrukturen und irrationaler Entscheidungskriterien wird nicht geleugnet, sie findet aber mangels empirischer Belege kaum weitergehende Berücksichtigung.“ (Schröter, 1993, S. 333).

Letztendlich können die Bestimmungsgründe des Kaufentscheids nur erforscht werden, indem auf die einzelne Branche übertragene Modelle durch detaillierte statistische Verfahren und qualitative Erhebungen empirisch überprüft werden (vgl. Sauermann, 1980, S. 10; Novak/MacEnvoy, 1990, S. 105 f.). Neben Soziodemographie und Psychographie muss dabei der Konsument nach einer zusätzlichen dritten Dimension beschrieben werden, und zwar nach dem konkreten Einkaufsverhalten (vgl. Haller/Twardawa, 2005, S. 35). So dient das Erwerben von Lebensmittelprodukten nicht nur der Sättigung, sondern unterliegt einer Reihe weiterer Einflussfaktoren. Dies ist zum einen die wachsende Nachfrage nach Convenience, Genuss und Wellness (vgl. GfK 2005, S. 7). Zum anderen können tiefgründigere Motive das Kaufverhalten im Lebensmittelbereich beeinflussen, wie das Bedürfnis der Akzeptanz innerhalb des sozialen Umfelds durch den Kauf adäquater Marken. „[…] consumers structure fundamental categorizations about food, making symbolic distinctions among them to express identities by gender, maturity, social status, and concomitant psychological qualities.“ (Levy, 1999, S. 391). Aufgrund der beschriebenen Entwicklungen muss es für den Handel und die Industrie von zentralem Interesse sein, die entscheidenden Treiber der Nachfrage aufzudecken und zu nutzen (vgl. Esch, 2005, S. 40). Nur auf diesem Weg ist es möglich, Kernkom-

4

petenzen aufzubauen, um auf die speziellen Bedürfnisse der Kunden, die nicht allein durch Preisführerschaft gewonnen werden können, einzugehen und diese für bestimmte Produkte und Einkaufsstätten zu sensibilisieren (siehe dazu Schmitz/Kölzer, 1996, S. 55; KPMG, 2006). Die vorliegende Forschungsarbeit soll einen Beitrag dazu leisten, die Verhalten determinierenden Faktoren des Konsumenten im Lebensmittelhandel zu identifizieren.

1.2. Struktur der deutschen Gesellschaft

Die zentrale und sich in den nächsten Jahren zunehmend verschärfende Herausforderung für Politik und Wirtschaft ist die Überalterung der Bevölkerung. Während dieser Trend schon Ende des 20. Jahrhunderts sichtbar war, wird im Jahr 2050 jeder Dritte der deutschen Bevölkerung älter als 60 Jahre alt sein. In Prozent

4,6

7,3 14,9

16,6

25,4

25,9

16,6 20,6

Altersspanne

33,6

>65 45 - 65

38,4

21 - 45 9,4

36,6

35,3

5,5

15 - 18

4,7

< 15

5,2 34,3 23,8

1871

1939

18 - 21

1991

3,8 3,0

3,5 3,3

16,2

15,5

2000

Abb. 1: Altersstruktur der deutschen Bevölkerung (vgl. Statistisches Bundesamt, in: Siemes/Gerling, 2004, S. 14)

Trotz stetiger Abnahme ist die Gruppe der 21- bis 45-Jährigen als kaufkräftige Zielgruppe weitgehend konstant geblieben. Betrachtet man allerdings das Segment der unter 15Jährigen, so wird die Bedrohung durch die zunehmende Überalterung bewusst. In diesem Zusammenhang sind sich 60 Prozent der deutschen Bevölkerung (ab 16 Jahre) darüber bewusst, dass in Zukunft die Renten niedriger sein werden (vgl. Allensbacher Archiv) und dass ihnen immer weniger Geld zur freien Verfügung stehen wird. Diese Unsicherheit führt zu ei5

ner zunehmenden Konsumzurückhaltung bei der Bevölkerung. Konnten 1991 nur 13 Prozent der Befragten die Aussage „Geiz ist geil“ bestätigen, waren es 2003 bereits 35 Prozent (vgl. Allensbacher Archiv). Dennoch ist eine Entwicklung im Kontext der volks- und betriebswirtschaftlichen Probleme Deutschlands erstaunlich: die steigende Höhe der Konsumsausgaben und des verfügbaren Einkommens der Deutschen (siehe dazu Abb. 2). Entscheidend ist dabei die Verwendung des verfügbaren Einkommens, welches in Deutschland mit zunehmender Tendenz in Reisen und Wohnen investiert wird. Während die Konsumausgaben von 1995 bis 2002 real um nahezu 10 Prozent gestiegen sind, sank der Umsatz im Einzelhandel real um 0,7 Prozent (vgl. Harms/Schommer, 2004, S. 8). Die insgesamt positive Entwicklung der privaten Konsumausgaben der Deutschen, die sich auch aus der unten stehenden Abbildung ableiten lässt, wirkt sich mit anderen Worten nicht auf den Einzelhandel aus (vgl. McKinsey & Company, 2005, S. 15). 1.600

14,0 12,3

Einkommen in Mrd. €

1.400 1.200 1.000

971

1.270 11,6 1.1431.172 1.196 1.227 11,2 10,8 1.107 10,4 10,3 1.039 1.077 9,8

1.312

1.363 1.373 1.390 12,0 10,2 10,5 10,7

9,7

10,0 8,0

800 6,0 600

Sparquote in %

13,0 13,0

4,0

400

2,0

200 0

0,0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Verfügbares Einkommen

Sparquote

Abb. 2: Verfügbares Einkommen und Sparen der privaten Haushalte (vgl. Sachverständigenrat/Statistisches Bundesamt, in: Siemes/Gerling, 2004, S. 11)

Wie bereits in den einleitenden Sätzen dieser Studie angemerkt, befindet sich die deutsche Gesellschaft in einer Phase mit einer zunehmenden Tendenz zur Individualität und einer wachsenden Anzahl ethnischer Minderheiten mit eigenen Bedürfnissen und Werten.2 In Deutschland leben gegenwärtig rund 6,7 Millionen Ausländer. Diese können nach Herkunftsländern folgendermaßen aufgeteilt werden:

2

In der Soziologie wird häufig der Terminus „Subkultur“ zur Beschreibung von ethnischen Minderheiten verwendet (vgl. Hall/ Neitz, 1993, S. 229).

6

EUStaaten

12,4%

…davon

Europa

3,1% 4,2%

Afrika Amerika Asien

2.108.010 Italien

315.989

Polen

292.109

Europa …davon

548.194

Griechenland

3.232.334 Türkei

1.764.318

Ehem. Jugoslawien

381.563

Kroatien

229.172

Afrika Amerika Asien

276.973 202.925 826.504

80,3%

Abb. 3: Ethnische Minderheiten in Deutschland (vgl. Statistisches Bundesamt, 2005)

Rund 20 Prozent der 6,7 Millionen Ausländer sind in Deutschland geboren, weitere 2 Millionen sind bereits in Deutschland eingebürgert. Die größte ethnische Minderheit mit einer Anzahl von rund 1,7 Millionen Mitgliedern sind die Türken, gefolgt von den Italienern.3 Die größte türkische Hauptstadt außerhalb der Türkei ist mit ca. 180.000 Türken die Stadt Berlin, gefolgt von Köln, Hamburg, Duisburg und München (vgl. Kraus-:H\VVHU8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 33). Die Gruppe der ethnischen Minderheiten ist durch eine relativ junge Altersstruktur gekennzeichnet. So entspricht z. B. die Gruppe der 21- bis 35-jährigen türkischen Mitbürger einem Anteil von 30,1 Prozent dieser Zielgruppe (vgl. Kraus-Weysser/8÷XUGHPLUBrincks, 2002, S. 15). Die Kaufkraft und die Konsumausgaben der ethnischen Minderheiten in Deutschland werden gegenwärtig häufig unterschätzt. Sie spielen nicht nur in der heutigen Zeit, sondern auch für die zukünftige Entwicklung der Märkte und Einkaufsstätten eine entscheidende Rolle. Bevölkerungsstatistiker schätzen, dass im Jahr 2010 mehr als 9,5 Millionen ausländische Mitbürger in Deutschland zu Hause sind und die Zahl der Deutschtürken bis auf 3 Millionen ansteigt (vgl. Bücker, 2005, S. 90). Diese Menschen haben nicht nur andere Konsumgewohnheiten als die Deutschen, sie stellen auch einen beachtlichen Teil der Vertriebsinfrastruktur, mit vornehmlich kleinen Lebensmittelläden, die auch von den deutschen Verbrauchern gerne aufgesucht werden (vgl. Aygün, 2005, S. 22). Interessant erscheint auch die Bildungsstruktur der größten ethnischen Minderheit in Deutschland: Nur 4 Prozent der Deutschtürken haben Abitur oder Studium, 75 Prozent besuchen die Hauptschule oder haben diese besucht. Ungefähr ein Drittel behauptet von sich selbst, besser ihre

3

Von den rund 1.764.318 Deutschtürken sind 613.951 in Deutschland geboren (siehe dazu Statistisches Bundesamt, 2005).

7

eigene Sprache als Deutsch zu sprechen; dies spiegelt sich auch in der Alltagskommunikation wieder. Das monatliche Haushaltsnettoeinkommen der Deutschtürken ist zudem um rund 460 Euro geringer als das der Deutschen (vgl. Bücker, 2005, S. 91).4

Die oben dargestellten Aspekte zeigen, dass trotz der aktuellen Konsumzurückhaltung in Deutschland ein sehr kaufkräftiger und nicht zuletzt durch den nicht zu vernachlässigenden Anteil an ethnischen Minderheiten sehr diversifizierter Markt vorhanden ist. „Für die anbietende Unternehmung gilt es, die von den nationalen und regionalen Gemeinschaften anerkannten besonderen Werte zu respektieren und soweit als möglich in ihre Markttätigkeiten aufzunehmen.“ (Angehm, 1986, S. 205). Gleichwohl werden die ethnischen Minderheiten hierzulande noch immer von Handel und Industrie vernachlässigt. Zudem wird die Schere zwischen Armen und Reichen in Deutschland immer größer und der Trend zur Zweiklassengesellschaft ist ungebrochen. Während 25 Prozent der Deutschen von sich behaupten, dass sie sich fast nichts mehr leisten können, sagen weitere 25 Prozent aus, sie können sich fast alles kaufen (vgl. Haller/Twardawa, 2005, S. 34). Die Arbeitslosenquote in Deutschland erreicht Höchststände und einige Regionen in den neuen Bundesländern bilden aufgrund ihrer Strukturschwäche im europäischen Vergleich das Schlusslicht.

1.3. Der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland

Der Einzelhandel in Deutschland kämpft seit Jahren mit einer schwachen Umsatzentwicklung – bei gleichzeitig stetig wachsender Verkaufsfläche (vgl. Harms/Schommer, 2004, S. 9). Diese mäßige Entwicklung hat dazu geführt, dass der Einzelhandel insbesondere im FoodBereich nicht mehr mit der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung Schritt halten kann. Der Lebensmittelhandel in Deutschland zeichnet sich durch eine hohe Konzentration aus, die durch einen stetigen Abschmelzungsprozess tausender Selbstbedienungsgeschäfte unterstützt wird (vgl. Gothe, 2002, S. 8; Trade Dimensions 2005). Die ohnehin bereits stark rückläufige Zahl an selbstständigen Betrieben ist durch diesen Schrumpfungsprozess besonders betroffen, da auch durch staatliche Neuregelungen wie der Basel-II-Novelle genau diesen Händlern zusätzliche Barrieren geschaffen werden.5 Eine Benachteiligung bei der Kreditvergabe ist die Folge und wichtige Investitionen, die nicht durch Eigenkapital gedeckt werden

4

Zu den höheren Haushaltseinkommensschichten mit mehr als 3.000 Euro Einkommen zählen 8 Prozent der Deutschtürken (vs. 16 Prozent der Deutschen) (siehe dazu Aygün, 2005, S. 48). 5 Unter Basel II ist die Gesamtheit der Eigenkapitalvorschriften zu verstehen, die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgeschlagen werden. Die Regeln treten offiziell am 1. Januar 2008 in der Europäischen Union in Kraft, finden aber in der täglichen Praxis bereits Anwendung. Basel II besteht aus den drei Säulen: Mindesteigenkapitalanforderungen, bankaufsichtlicher Überprüfungsprozess und erweiterte Offenlegung (vgl. www.wikipedia.org).

8

können, bleiben auf der Strecke. Gegenwärtig lässt sich die Struktur des Lebensmitteleinzelhandels folgendermaßen darstellen:

1.780; 3,2% 2.502; 4,4% 4.014; 7,1% Selbständige Einzelhändler 19.196; 34,0%

Drogeriemärkte Discounter Große Supermärkte, Supermärkte, SB-Geschäfte

14.722; 26,1%

Verbrauchermärkte, SB Warenhäuser Sonstige Lebensmittelgeschäfte 14.245; 25,2%

Abb. 4: Anzahl Lebensmittelgeschäfte nach Vertriebstypen (vgl. Trade Dimensions 2005)

Die Gesamtanzahl der Lebensmittelgeschäfte betrug im Jahr 2005 56.459 Vertriebsstellen. Der dabei am stärksten gewachsene Vertriebstyp ist der Discounter mit einer Steigerung von 2,2 Prozent in 2005 gegenüber 2004. Immer längere Öffnungszeiten und die damit verbundenen Kosten sowie die auf harten Verdrängungswettbewerb ausgerichteten DiscountKetten erschweren die Bedingungen für den selbstständigen Bereich erheblich. „Die Betreiber von Discountgeschäften und Drogeriemärkten kompensieren Umsatzrückgänge bestehender Flächen durch eine weiter schreitende Ausbreitung und Verdichtung ihrer Netze.“ (Trade Dimensions 2004, S. IV, 2). Wie bereits in Abb. 4 ersichtlich, kann der Lebensmitteleinzelhandel grundsätzlich in vier Vertriebstypen aufgeteilt werden. Diese können auf folgende Weise definiert werden: •

Hypermärkte (Verbrauchermärkte): Großflächige Märkte mit einer Verkaufsfläche über 1.500m². Diese Märkte definieren sich durch ein breites Produktangebot, das sich in erster Linie aus Markenprodukten zusammensetzt. Aufgrund der Größe und der Verhandlungsstärke gegenüber Lieferanten können Markenprodukte oftmals zu moderaten Preisen angeboten werden. Die Verbrauchermärkte haben insbesondere in den 80er- und 90er-Jahren in Deutschland expandiert. Von 1980 bis 2000 kann hier ein Wachstum von +242,2 Prozent verzeichnet werden (vgl. Siemes/Gerling, 2004, S. 25). 9



Supermärkte: Märkte mit einer Fläche von bis zu 1.500m². Dieser Vertriebstyp hat es in Deutschland besonders schwer. Beim Warenangebot liegt der Fokus zum einen auf Markenprodukten, die häufig nur zu überproportionalen Preisen angeboten werden können, und zum anderen auf dem Frischwarenbereich, der meist im Vergleich zu Fachgeschäften Qualitätsdefizite aufweist. Dieser Vertriebstyp ist zudem durch einen hohen Anteil selbstständiger Einzelhändler gekennzeichnet (vgl. Spiller, 2005, S. 6). Durch Schließungen, Bereinigungen und Aufgaben gehen diesem Segment jährlich einige hundert Filialen verloren. Der Rückgang der Supermärkte kann zudem darauf zurückgeführt werden, dass ihre Funktion als Nahversorgung der Verbraucher inzwischen teilweise durch die Lebensmitteldiscounter übernommen wurde. Zudem haben es viele Einzelhändler in dieser Kategorie die letzten Jahre versäumt, sich über Produkte und Service zu profilieren (vgl. KPMG, 2006, S. 52).



Discounter: Dieser Vertriebstyp ist das Segment mit den stärksten Zuwachsraten (vgl. Harms/Schommer, 2004; Abbildung unten). Ein auf schnellen Umschlag ausgerichtetes, eng begrenztes Produktangebot und der Fokus auf Eigenmarken (Handelsmarken) sowie günstige Produktpreise kennzeichnen den Discounter (vgl. Gothe, 2002, S. 8). Die Anzahl an Verkaufsstellen ist seit 1991 von 8.600 auf 14.400 gestiegen, ein Wachstum von über 67 Prozent. Es muss bezweifelt werden, dass dies allein mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation in Deutschland begründet werden kann, denn die Einführung von „No Name“-Produkten bzw. Handelsmarken in einzelnen Warensegmenten, besonders auf dem Lebensmittelsektor, erhöhte schon ab Mitte der 70er-Jahre die Konkurrenzsituation und begann das bis dahin relativ stabile Preis- und Distributionsgefüge aufzubrechen. Im Zuge dessen sind die Discounterketten entstanden und gewachsen. In den 90er-Jahren, einem Jahrzehnt, das durch wirtschaftliche Prosperität gekennzeichnet war, erlebte schließlich die Expansion der Discounter ihren Höhepunkt. Die beiden führenden Discounterketten in Deutschland sind Lidl und Aldi als Marktführer, die in einem harten Konkurrenzkampf zueinander stehen (vgl. Trade Dimensions 2005; Capital 18/2005):

10

Umsatzanteil in Prozent

32

34

2000

2001

Umsatz in Mrd. Euro

37

38

40

2002

2003

2004

41

2005 (Prog.)

10,2

11,5

2002

2003

12,3

2004

13,0

2005 (Prog.)

Abb. 5: Umsatzanteil der Discounter am Konsumgüterhandel (links) und Umsatzentwicklung Lidl in Mrd. Euro (rechts) (vgl. GfK Consumerscan, in: Capital 18 & 22/2005)



Der in oben stehender Abbildung gezeigte positive Trend des Umsatzanteils der Discounter ist dadurch bedingt, dass die Discounter mit ihrem sehr begrenzten Sortiment und ihrer deutlich günstigeren Kostenstruktur einen klaren Vorteil gegenüber anderen Einzelhandelstypen haben. Lidl schließt dabei mit einer neuen Strategie zunehmend auf den Branchenprimus Aldi auf. Während insbesondere Aldi Süd standhaft auf dem alleinigen Angebot von Eigenmarken beharrt, nimmt Lidl in jüngster Zeit auch Markenprodukte aus dem Premium-Bereich in sein Produktportfolio auf (vgl. McKinsey & Company, 2005, S. 57). Diese Strategie scheint Erfolg versprechend, wie die Zahlen belegen (vgl.



Abb. 5).



Traditionelle Fachgeschäfte: Diese Kategorie des Lebensmitteleinzelhandels leidet ähnlich wie der Supermarkt unter einer schrumpfenden Anzahl von Outlets. Facheinzelhändler agieren entweder als Warengruppenspezialisten (z. B. Metzger, Fischhändler) oder als Spezialitätengeschäfte („Speciality-Stores“), die sich auf einen bestimmten Lebensmittelbereich, wie dem Angebot regionaler Produkte oder Erzeugnisse aus kontrolliert biologischer Produktion, spezialisiert haben (vgl. Spiller, 2005, S. 3). Aufgrund höherer Kostenstrukturen sind diese meist gezwungen, höhere Preise für ihre Produkte zu verlangen (vgl. ebd., S. 4). Dennoch werden die Renditen in dem Bereich immer schlechter, und viele Betreiber können mit den verlängerten Öffnungszeiten der Verbrauchermärkte und Discounter nicht mithalten. Dies hat zur Aufgabe von zahlreichen Geschäften in den letzten Jahren geführt (siehe dazu auch KPMG, 2006). Die Stärke dieses Einzelhandeltyps liegt insbesondere in der angebotenen Beratung (vgl. Beck, 2003, S. 109). Mit der Frische der Produkte und gutem Service stellt er eine Nische dar, die sich auch in

11

Zukunft neben den oben beschriebenen Handelstypen behaupten kann, denn insbesondere bei Frischeprodukten sind die deutschen Lebensmittelketten im internationalen Vergleich schlecht aufgestellt (vgl. Trade Dimensions 2004, S. IV, 6).6 Auch der ethnische Handel kann dieser Kategorie zugeordnet werden. Dieser bietet meist ausschließlich Produkte aus dem Heimatland an und verzichtet weitgehend auf das Angebot deutscher Produkte (vgl. Aygün, 2005, S. 22). Der Servicegedanke kann dabei in dem Sinn verstanden werden, dass ethnische Minderheiten auf Verkäufer bzw. Servicemitarbeiter treffen, die der Muttersprache dieser Gruppe mächtig sind und dem Kunden ein kulturelles Verständnis als Zeichen der Wertschätzung entgegenbringen (vgl. Berg, 1995, S. 86; Wilken, 2004, S. 62; Bücker, 2005, S. 91). „Türken würden dasselbe Produkt auch unter schlechteren Bedingungen und notfalls zu einem höheren Preis kaufen, wenn sie Vertrauen zum Händler gefasst haben.“ (KrausWeysser/8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 36). Zudem gehört für diese Konsumentengruppe das Feilschen oder die Tasse Tee, die vom Verkäufer gereicht wird, oftmals zum Kauf dazu, denn auch dies ist Teil ihrer Kultur.“ (vgl. Benad, 1975, S. 30) Eine zusammenfassende Übersicht zur Sortimentsbreite in den oben dargestellten Lebensmittelhandeltypen soll nachfolgende Graphik liefern:

Sortimentsbreite in Tausend Real Walmart

Verbrauchermärkte

Marktkauf Edeka Center

Verbraucher- / Supermärkte

Kartstadt Feinkost

Spezialitätengeschäft

Konsum Dresden

Supermärkte

Minimal Plus

Discounter

Lidl Aldi 0

10

20

30

40

50

60

70

80

Abb. 6: Sortimentsbreite nach Lebensmittelhandeltyp (vgl. Trade Dimensions 2005, Focus 15/2006)

6

Ein Zeichen für die zunehmende Gesundheitsorientierung in Deutschland ist die Zunahme der BioSupermärkte. Allein im Jahr 2005 erhöhte sich die Anzahl in diesem Bereich um 50 Geschäfte (vgl. KPMG, 2006, S. 55).

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Abb. 6 visualisiert anhand ausgewählter Handelsketten die Unterscheidung der oben dargestellten Lebensmittelhandeltypen anhand der Sortimentsbreite. Während sich bei den Typen Verbrauchermarkt, Supermarkt und Discounter eine eindeutige Unterscheidung anhand dieses Kriteriums erkennen lässt, ist dies bei der Rubrik der Spezialitätengeschäfte nur schwer möglich. Hier reicht die Spannweite von einem breiten, aber sehr zielgerichteten Warenangebot, wie bei Bio-Märkten und Feinkostmärkten (Karstadt), bis zu einem sehr speziellen Angebot, welches bei den Fachgeschäften (z. B. Metzger etc.) anzutreffen ist. Das Ausmaß der Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel lässt sich anschaulich durch die Umsatzkonzentration belegen. 2004 erreichten die fünf größten Handelsunternehmen mit einem Umsatz von knapp 144,8 Mrd. EUR einen Marktanteil von 68,9 Prozent (vgl. Trade Dimensions 2005, S. IV, 3). Begleitet wird diese Erscheinung durch eine steigende Anzahl von Insolvenzen im Handel und einer drohenden weiteren Konsolidierung in den kommenden Jahren (vgl. Harms/Schommer, 2004, S. 38).

37.025

1. Edeka-Gruppe 33.680

2. Metro-Gruppe 31.321

3. Rewe-Gruppe 4, Schwarz-Gruppe

22.800 21.500

5. Aldi-Gruppe 6. TengelmannGruppe

13.680

7. Lekkerland

6.389

8. Karstadt

5.900

9. Schlecker

30.346; 14,4% TOP 10 Übrige

5.250

10. Globus 3.533

181.078; 85,6%

Abb. 7: Top 10 Gesamtumsatz (brutto in Mio. Euro) und Umsatzverteilung im LEH 2005 (vgl. Trade Dimensions 2005, S. V, 3)

Die Graphik zeigt, dass die Top 10 der Firmengruppen im Lebensmittelbereich rund 85 Prozent des Umsatzes für sich behaupten und somit von einem Oligopol-Markt gesprochen werden kann. Der Spitzenreiter ist die Edeka-Gruppe, die 2005 mit der Übernahme der SPAR AG und des Discounters Schels ein sehr erfolgreiches Jahr verzeichnen konnte. Die Gruppe hat sich somit vor Metro und Rewe als größtes Handelsunternehmen in Deutschland etabliert (vgl. Trade Dimensions 2005, S. IV, 24). Erwähnenswert ist zudem die Schwarz13

Gruppe, die sich in 2005 mit ihrem Zugpferd, der Discounterkette „Lidl“, noch vor der AldiGruppe, auf Platz 4 in der Einzelhandelslandschaft aufstellen konnte. Einhergehend mit dem rapiden Wachstum der Discounter ist der Marktanteil der Handelsmarken seit 2001 rapide gestiegen. 81 Prozent des Handelsmarkenumsatzes werden über diesen Einzelhandelstyp erwirtschaftet (vgl. GfK Consumerscan; 2001). Über 80 Prozent des Zuwachses dieser Produkte sind nachweislich auf den verstärkten Einkauf in dieser Vertriebsschiene zurückzuführen. Ursache hierfür ist, dass Markenprodukten der Zugang in die Verkaufsregale der Discounter oftmals verwehrt bleibt. Der Konsument wäre sogar dazu bereit, für einige Produktkategorien mehr zu bezahlen, will aber den Weg vom Discounter zu anderen Einzelhändlern nicht in Kauf nehmen. Zudem sind die gestiegene Preissensibilität und das in den letzten Jahren gesunkene Markenbewusstsein der deutschen Bevölkerung weitere Gründe (vgl. Sälzer, 2003, S. 8). Der Preis kann hingegen bei den sogenannten Bio-Märkten nicht als Kaufkriterium gesehen werden. Vielmehr ist es hier die Erfüllung ideologischer Bedürfnisse, die im Zuge der zunehmenden Individualisierung und des gestiegenen Gesundheitsbewusstseins in der deutschen Bevölkerung immer mehr im Vordergrund steht. Aus diesem Grund bietet sich insbesondere in Deutschland, das im internationalen Vergleich in diesem Bereich unterentwickelt ist, eine Nische an, die noch zum großen Teil nicht ausgeschöpft ist (vgl. Siemes/Gerling, 2004, S. 51). Der Schrumpfungsprozess im Bereich der Supermärkte und der traditionellen Fachgeschäfte könnte hier durch ausgeklügelte Konzepte zumindest gebremst werden. Letztendlich werden nur die Händler im Bereich der „Speciality-Stores“ überleben, denen es am besten gelingt, den Zielgruppen, die bereit sind, mehr Geld für bestimmte Güter des täglichen Bedarfs auszugeben, Werte im Sinne von Glaubwürdigkeit und Service zu bieten. Neuen Erkenntnissen zufolge beginnt sich in Deutschland wieder ein Trend zu entwickeln, der auf diese Weise für diesen Einzelhandelsbereich neue Perspektiven bietet. Gemäß einer Studie der Allensbacher Meinungsforscher gewinnt der Bedarf an qualitativ hochwertigen Premium-Produkten an Boden (vgl. Capital 17/ 2005). 50 Prozent der Frauen und ca. 35 Prozent der Männer sind bereit, im Lebensmittelbereich für Qualität wieder mehr Geld auszugeben: „Der Markt differenziert sich. Die Kunden suchen die richtige Balance zwischen günstigen Eigenmarken und bekannten Markenartikeln.“ (Zitat Procter& Gamble, in: Capital 22/ 2005).7 So ist ein großer Teil der Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel auf der Suche nach einem klaren Profil, das auch eine Differenzierung vom Niedrigpreis-Segment ermöglicht. Eine denkbare Reaktion der Nicht-Discounter ist hier die Eliminierung von Markenprodukten aus dem eigenen Angebot, die vergünstigt in dem Sortiment von Discountern zu 7

Eigenmarken sind hier jene „Waren- und Firmenzeichen, mit denen eine Handelsunternehmung oder Verbundgruppe Waren markiert oder markieren lässt, um die so gekennzeichneten Waren exklusiv und im Allgemeinen nur in den Verkaufsstätten zu vertreiben“(Ausschuss für Begriffsdefinition aus der Handel- und Absatzwirtschaft 1995). Dies sind Marken wie z. B. „ja“ bei REWE oder „Tandil“ bei ALDI, die gegenüber den Marken der Industrie einen Preisvorteil haben.

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finden sind (vgl. LZ|Net, 09.02.2006). Des Weiteren müssen sich die Händler darüber bewusst sein, dass sie ihre Kostenstruktur optimieren müssen, um langfristig am Markt überleben zu können (vgl. Harms/Schommer, 2004, S. 10).

1.4. Ziele und Aufbau der Arbeit

Die Eingliederung der Konsumenten in verschiedene Segmente, um optimal auf die Bedürfnisse der Konsumenten eingehen zu können, ist eine Anwendung, die bereits in der Praxis betrieben wird. Allerdings scheint diese Eingliederung oftmals oberflächlich. Eine grobe Einteilung der Gesellschaft in „Besitzende“ und „Nichtbesitzende“ reicht hier sicherlich nicht mehr aus (vgl. Solomon et al., 2001, S. 383). Die Muster sozialen Käuferverhaltens dienen im Marketing vielfach als Basis dafür, Käufersegmente zu identifizieren. Zu den bisherigen Ansätzen zur Erklärung dieses Verhaltens im Allgemeinen und des Konsums von Individuen im Lebensmitteleinzelhandel im Speziellen sind folgende Anmerkungen zu machen (vgl. Mason, 1981, S. 125; Novak/MacEvoy, 1990, S. 109): •

Analysen zur Bildung von Käufersegment behandeln nur sehr vereinzelt ethnische Minderheiten und im Folgeschritt die ethnische Zugehörigkeit als Einflussvariable des Käuferverhaltens.



Es wird nur auf die inneren Werte der Käufersegmente eingegangen und die soziale Schicht bzw. der Einfluss des Kollektivs auf den Einzelnen taucht hingegen nur als Randerscheinung auf.



Viele Modelle zur Käufersegmentierung beschränken sich allein auf die Abbildung demographischer Daten.



Ein großer Teil der Forschungsansätze beschränkt sich im Rahmen der Käufersegmentierung auf den Aspekt Einkaufsstättenwahl oder Produktwahl. Wenige Studien untersuchen die Kombination dieser beiden abhängigen Variablen.



Empirische Forschungen zum Käuferverhalten im Lebensmittelhandel wurden in Deutschland bis dato nur vereinzelt durchgeführt. Viele der Studien werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit von den Handelsketten in Eigenregie durchgeführt.



Der Preis als einer der zentralen Einflussfaktoren der Produktwahl wird meist im Rahmen von Studien zu Preisschwellen, zur Wirkung von Rabattaktionen und zu seiner Funktion als Qualitätsindikator untersucht. Der Signalwirkung des Preises im Sinne der Darstellung von Prestige und sozialem Status wird hingegen nur geringe Beachtung geschenkt, obwohl auch dieser Zusammenhang nicht vernachlässigt werden darf (vgl. Veblen, 1899). Die Studie im Rahmen dieser Abhandlung soll auch diesen

15

Wirkungszusammenhang berücksichtigen, da Statusgüter im Rahmen der sozialen Integration von Individuen eine entscheidende Rolle spielen.

Die Erforschung des Konsumentenverhaltens mit Fokus auf das Verhalten ethnischer Minderheiten am Beispiel der Deutschtürken soll die oben dargestellten Aspekte berücksichtigen und wichtige soziologische und betriebswirtschaftliche Erkenntnisse liefern. Es sollen Anhaltspunkte dafür gegeben werden, wie durch gezielte Konsumentenansprache ein Mehrwert für Industrie und Handel erbracht und letztendlich auch ein volkswirtschaftlicher Gewinn geschaffen werden kann.

In diesem ersten Kapitel ist eine allgemeine Übersicht über die Problemstellung im Rahmen dieser Arbeit gegeben worden. Mit der Darstellung der ethnischen Minderheiten in Deutschland soll ein Eindruck vermittelt werden, welch einen bedeutenden Anteil diese Gruppe in Deutschland einnimmt. Eine Vernachlässigung dieser kaufkräftigen Zielgruppe kann nur als fahrlässig bezeichnet werden. Abschnitt 1.3 stellt die Struktur des Lebensmittelhandels in Deutschland dar. Zudem werden die Stärken und Schwächen und die daraus resultierenden Entwicklungstendenzen der Vertriebstypen aufgezeigt.

In Kapitel zwei trifft der Leser auf die Erläuterung grundlegender Elemente, die ihm das Verständnis der Inhalte im weiteren Verlauf der Arbeit erleichtern sollen. So sollen grundlegende Aspekte zum Gruppenverhalten und zur sozialen Integration aufgezeigt werden. Außerdem setzt dieser Abschnitt seinen Fokus auf die Darstellung der verschiedenen Dimensionen des Konsumentenverhaltens. Sowohl die wirtschaftswissenschaftliche als auch die soziologische Sicht werden dargestellt. Des Weiteren wird mit dem Einblick in zwei ausgesuchte Werke von Veblen und Bourdieu eine Grundlage für das Verständnis der Theorien zum Käuferverhalten in der Neuzeit geliefert. Die Darstellungen werden mit einem Einblick in den geschichtlichen Hintergrund des Konsumentenverhaltens abgerundet.

In Abschnitt drei wird eine erklärende Übersicht über die Wirkungszusammenhänge gegeben. Ein Modell in Anlehnung an Engel et al. und Carman wird weiterentwickelt und stellt die Grundlage für weitere theoretische Überlegungen im Rahmen dieser Arbeit dar. Um die Wirkung von Motiven und Einstellungen der Menschen deuten zu können, sollen Konzepte zum Einfluss der Psychographie auf das Verhalten erläutert werden. Hier stellt das Streben nach Individualität einen bedeutenden Teil des Lebensstils und des Selbstkonzepts vieler Menschen dar. So beleuchtet das dritte Kapitel die Erkenntnisse und Theorien zu diesen psychographischen Konstrukten. Neben der Psychographie ist die Demographie des Menschen ein Komplex von Einflussvariablen, deren Einflüsse auf das Kaufverhalten theoretisch beschrie-

16

ben werden. Im dritten Teil dieses Abschnitts werden schließlich die theoretischen Überlegungen zur Wirkung der psychographischen und demographischen Faktoren verlassen und der Einfluss von wesentlichen Produktattributen wie Marke, Preis oder Leistungstransparenz (am Beispiel von Bio- und Wellnessprodukten) beleuchtet. Dabei wird der Fokus auf die Kausalitätszusammenhänge hinsichtlich der Qualitäts- und Prestigewirkung gesetzt.

Im vierten Kapitel sollen messtheoretische Überlegungen angestellt werden, die zur Erhebung der in den vorhergehenden theoretischen Erläuterungen dargestellten Größen herangezogen werden können. Dabei wird die Vorteilhaftigkeit einzelner Erhebungsmethoden abgewogen und eine Begründung für die Verwendung bestimmter Methoden zur Messung der relevanten Konstrukte geliefert.

Kapitel fünf soll einen Überblick über Studien liefern, die im Rahmen der zu untersuchenden Aspekte interessante Impulse liefern sollen. Eine tabellarische Zusammenfassung vermittelt auszugsweise einen Überblick über die in vergangenen Forschungsansätzen gewonnenen Erkenntnisse.

Im sechsten Kapitel wird die empirische Studie präsentiert und die thematische Herangehensweise zur Klärung der Fragestellungen aus den theoretischen Überlegungen dargestellt. Dies beinhaltet die Erläuterungen zur Operationalisierung des Erhebungsinstruments, der Auswahl der Befragten und der Befragungsmethodik. Der Analyseteil beinhaltet die Erforschung allgemeiner Zusammenhänge zwischen den demographischen und den psychographischen Variablen. Des Weiteren sollen die LEH-Typen gemäß ihrer Konsumentenstruktur untersucht werden und eine Segmentierung der Konsumenten durchgeführt werden. Der Fokus bei diesen Analysen liegt auf dem Vergleich des Konsumverhaltens der Deutschen mit den Deutschtürken.

Das siebte Kapitel soll die Ergebnisse der empirischen Erhebung nochmals kritisch beleuchten. Zudem sollen konkrete Schlussfolgerungen für den Einzelhandel und deren strategische Sortimentsausrichtung abgeleitet werden.

Einen zusammenfassenden Überblick über die Vorgehensweise im Rahmen der Studie gibt nachfolgende Übersicht:

17

Problemstellung und Auftrag der Forschungsarbeit

Strukturelle Rahmenbedingungen in Deutschland

Grundlage der Studie

Grundlegende Theorien zum Konsumentenverhalten

Sozialwissenschaftliche Perspektive

Wirtschaftswissenschaftliche Perspektive

Theoretische Überlegungen Konsumentenebene: Modelltheoretischer Ansatz der Studie

Produktebene:

Einfluss der Demographie

Selbstkonzepttheorie

Einfluss der Psychographie

Lebensstiltheorie

Marke Preis Leistungstransparenz

Qualität Prestige

Forschungsstand Konsumentenebene

Produktebene

Selbstkonzepttheorie Lebensstiltheorie

Marke

Segmentierungsansätze

Preis

Leistungstransparenz

Messtheorie

Qualitative Ansätze Segmentierungsansätze Quantitative Ansätze

Messung der Einstellung zu den theoretischen Konstrukten

Empirie Deutschtürken

Deutsche Segmentierung Lebensstil

Lebensstil

Selbstkonzept

Selbstkonzept

Einstellung/Verhalten Produktebene

Vergleich

Einstellung/Verhalten Einkaufsstätte

Einstellung/Verhalten Produktebene Einstellung/Verhalten Einkaufsstätte

Schichtindex

Fazit Kritische Würdigung der Ergebnisse und Praxisrelevanz

Wirtschaftswissenschaftliche Perspektive

Abb. 8: Übersicht zum Studienverlauf

18

Sozialwissenschaftliche Perspektive

2. Grundlagen Die folgenden Ausführungen haben das Ziel, ein grundsätzliches Verständnis für das Konsumentenverhalten im Rahmen dieser Studie zu schaffen. Aus der wirtschaftlichen Perspektive können Produkte als ein Bündel von nutzenbringenden Eigenschaften gesehen werden, während aus der symbolischen Sichtweise heraus Güter in der Form betrachtet werden, indem sie eine Reihe von Bedeutungen innerhalb bestimmter Gruppen vermitteln (vgl. Holt, 1995, S. 1). Die unterschiedlichen Beweggründe des Konsums können in Anlehnung an bestehende Forschungsrichtungen folgendermaßen dargestellt werden:

Purpose of Action

Object Actions

Structure of Action

Autotelic Actions

Instrumental Actions

Consuming as experience

Consuming as inte8 gration

Consuming as play

Consuming as classification

Interpersonal Actions

Tab. 1: Die Metaphern des Konsums (vgl. Holt, 1995, S. 3)

Ausgehend von dieser Typologie interessiert in dieser Studie der Konsum zur Klassifizierung von Individuen („Consuming as classification“). Hierbei ist der Integration der eigenen Person in bestimmte gesellschaftliche Gruppen durch den Besitz und die offene „Zurschaustellung“ von bestimmten Produkten gemeint. Da ein Schwerpunkt dieser Studie auf der Verwendung von Produkten zur sozialen Abgrenzung und Eingliederung liegt, soll im Rahmen der Grundlagen ein grundsätzliches Verständnis für die Hintergründe der sozialen Integration gegeben werden. Des Weiteren soll das zweite Kapitel das Konsumentenverhalten aus wirtschaftswissenschaftlicher wie auch aus soziologischer Perspektive beleuchten.

2.1. Theoretische Grundlagen zur sozialen Integration

Wenn ein Individuum mit anderen Menschen zusammentrifft, versucht es meist, Informationen über diese zu erhalten. Die nachgefragten Informationen betreffen in erster Linie den allgemeinen wirtschaftlichen oder sozialen Status, das Bild von sich selbst, seine Fähigkeiten 8

„Konsum als Integration“ bezieht sich hier auf die Integration der Objektwelt in die eigene Welt und darf nicht verwechselt werden mit dem Prozess der „sozialen Integration“. Das dritte Kapitel wird auf diese Metapher der Selbstkonzepttheorie detaillierter eingehen.

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und seine Einstellung zu diesen. Sie tragen dazu bei, Situationen zu definieren und geben den Menschen Hinweise aus dem sozialen Umfeld, wie diese sich verhalten müssen, um beim Einzelnen die gewünschten Reaktionen hervorzurufen (vgl. Goffmann, 1983, S. 5). Die Bestimmung des Verhaltens in einer sozialen Gesellschaft läuft meist nach einem standardisierten Schema ab (vgl. Hollingshead, 1949, S. 74): 1. Individuen erkennen die Existenz bestimmter sozialer Gruppen bzw. Klassen. 2. Sie messen diesen einen gewissen sozialen Status und Prestige zu. Dabei sind drei verschiedene Arten von Status zu unterscheiden. So gibt es den zugewiesenen Status wie z. B. Adel, den Status aufgrund von persönlich Erreichtem und den Status, der durch Konsum erlangt wird (siehe dazu auch Eastman et al., 1999, S. 42). 3. Sie identifizieren die Personen, die Mitglieder in den Klassen sind. 4. Den Klassen werden weitere Eigenschaften zugeordnet. 5. Die Individuen platzieren sich selbst gedanklich in Gruppen. 6. Abschließend werden gewisse Verhaltensweisen mit den identifizierten sozialen Gruppen in Verbindung gebracht. Gesellschaften können dabei nicht mit (National-)Staaten gleichgesetzt werden. Sie haben sich als historische und organisatorische Form einer sozialen Gemeinschaft entwickelt, was die Folgerung zulässt, dass das Konzept einer gemeinsamen Kultur eher für Gesellschaften als für Staaten heranzuziehen ist (vgl. Hofstede, 1993, S. 26). In einer sozialen Gesellschaft hat der Einzelne gewöhnlich das Ziel, sich gegenüber anderen so zu verhalten, dass er bei diesen einen Eindruck vermittelt, der auch gewünscht ist. „Die Intensität der sozialen Verankerung prägt das menschliche Handeln in praktisch allen Lebenslagen, […]“(Berg, 1995, S. 105). Individuen wählen somit täglich zwischen Handlungsalternativen und entscheiden sich schließlich aufgrund bereits gemachter Erfahrungen und anderen Bedingungen, die nachfolgend detaillierter beleuchtet werden, welche dieser Alternativen die beste ist. Eine Person kann in verschiedenen Situationen unterschiedliche Rollen einnehmen, je nachdem welche persönliche Wertschätzung der Rolle in einer bestimmten Situation zugeordnet wird. Die Rückschlüsse des sozialen Vergleichs hängen schließlich auch davon ab, mit welchen Zielgruppen dieser Vergleich angestellt wird (vgl. Yardley/Honess, 1987, S. 58). Neben dem Verhalten, welches situationsspezifisch und nach individuellen Zielsetzungen angepasst werden kann, besitzt der Mensch Ausdrucksträger, wie z. B. rassische Merkmale, Alter oder Geschlecht, die im starken Maß fixiert sind und sich nicht von Situation zu Situation ändern können (vgl. Goffmann, 1983, S. 25; Babad et al., 1983, S. 56).9 Personen werden sich in ihrer Selbstdarstellung bemühen, die offiziell anerkannten Werte der Gesellschaft zu verkörpern und ihre Identität der sozialen Einheit anzupassen, in der sie sich gerade befinden bzw. 9

Sind diese objektiven Kriterien in einer homogenen Gesellschaft nicht sichtbar, so definieren sich die Interessengruppen in erster Linie über die soziale Klasse (vgl. Babad et al., 1983, S. 100).

20

befinden möchten (siehe dazu Stryker, 1987, S. 90). Der Einfluss, der dabei auf die Individuen wirkt, kann in vier Ebenen klassifiziert werden: der politische Einfluss, der Einfluss, der auf Vertrauen gegenüber ausgesuchten Gruppen aus dem sozialen Umfeld beruht, Einfluss durch Loyalität gegenüber bestimmten Gruppen und der Einfluss, der auf der Interpretation bestimmter Normen basiert (vgl. Parsons, 1967, S. 371; Horowitz, 1985, S. 167). Die zentrale Funktion der Normen ist, den Menschen in bestimmten Bereichen des Lebens eine integrative Hilfestellung in dem gegenwärtigen Umfeld zu liefern. Dieser Sozialisation bedarf es eines ständigen Lernprozesses. Moschis und Churchill haben hier den Begriff „socialization agent“ geprägt, dessen Aufgabe es ist, die Sozialisation durch die Überprüfung der Normeneinhaltung zu steuern (vgl. Moschis/Churchill, 1987, S. 600). Die sozialen Normen definieren sich durch die Erwartungen der Untergebenen hinsichtlich der Forderungen der aus ihrer Sicht sozial positionierten Übergeordneten (vgl. Blau, 1964, S. 22; Douglas, 2002, S. 519). Neben politischen und ökonomischen Strukturen sind es in erster Linie normative Standards, die die Möglichkeiten des erlaubten Verhaltens aufzeigen und somit eine notwendige Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft bilden. Oftmals steht hier das Leben im Einklang mit rituellen Verhaltensweisen wie z. B. das tägliche Gebet vor dem Essen oder einfach auch das Anstellen in einer Warteschlange und die Verwendung von Symbolen (vgl. Becker/Arnold, 1986, S. 40; Rook, 1983, S. 283). Symbole sind interpretationsbedürftige Zeichen und gewinnen erst an Bedeutung, indem die Mitglieder einer Kultur ihnen eine Bedeutung zuweisen (vgl. Wilken, 2004, S. 34). Ohne diese Gesetzmäßigkeiten könnte der soziale Austausch nicht als ein sich selbst regulierender Mechanismus funktionieren. „Social norms are necessary to prohibit actions through which individuals can gain advantages at the expense of the common interests.” (vgl. Blau, 1964, S. 257). Die Wirkung von Normen10 kann auch auf das Käuferverhalten als eine Facette des sozialen Verhaltens übertragen werden, wobei stets die individuelle Interpretation der Normen eine Rolle spielt (vgl. Blau, 1964, S. 255; Parsons, 1967, S. 378; O'Shaughnessy, 1992, S. 154). Ohne soziale Normen würde das Vertrauen in den sozialen Austausch nicht nur gefährdet werden, der selbst regulierende Mechanismus könnte vielmehr nicht funktionieren (vgl. Parsons, 1967, S. 280). Normen sollen vermeiden, dass sich Individuen auf Kosten der anderen Mitglieder innerhalb einer Gesellschaft bereichern. Die Reaktionen des sozialen Umfelds auf die Einhaltung bzw. die Nichteinhaltung von Normen sind Sanktionen (vgl. Lepsius, 1970, S. 54; Leven, 1979, S. 19). Sanktionen sind notwendig, um Individuen zu entmutigen, von den Gesetzmäßigkeiten innerhalb einer bestimmten Gesellschaft abzuweichen und auf der anderen Seite diejenigen moralisch zu stärken, die diese befolgen. Des Weiteren bedingen Sanktionen einen ständigen sozialen Vergleich, damit die Konsequenzen bestimmter Hand10

Nach dem Grad der Verbindlichkeit können normative Standards in die Muss-Normen, die SollNormen und die Kann-Normen eingeteilt werden. Die Ausführungen gehen hier nicht im Detail auf diese Einteilung ein und es sei auf Kroeber-Riel/Weinberg (1996, S. 481) verwiesen.

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lungen beurteilt werden können (vgl. Moschis, 1976, S. 237). Sie können sowohl positiv als auch negativ sein und dienen dazu, in einer Gesellschaft Stabilität zu erreichen. In der nachfolgenden Tabelle ist eine Übersicht möglicher Sanktionen gegeben:

Positive Sanktionen

Negative Sanktionen

Bewunderung

Bemitleidung

Schaffung von Selbstachtung

Schaffung von Schuldgefühlen

Einfluss

Einfluss empfangen

Akzeptanz

Ablehnung

Zustimmung

Missbilligung

Lob

Tadel

Anerkennung

Strafe

Aufnahme in einer Gruppe

Verweigerung des Eintritts in eine Gruppe

Tab. 2: Arten von Sanktionen (vgl. Parsons, 1967, S. 283/ S. 364; Lepsius, 1970, S. 58; Bänsch, 1996, S. 97)

Durch die Etablierung von sozialen Normen wird dem Individuum das tägliche Leben vereinfacht und ihm sein Verhaltensspielraum aufgezeigt. Indem es die Normen in seine Wertordnung und in sein tägliches (Kauf-)Verhalten integriert, vereinfacht es Entscheidungsprozesse. Das Teilen von gemeinsamen Werten als menschliche Zielvorstellungen und als grundlegendes Leitmotiv für das Verhalten schafft integrative Bündnisse und Solidarität zwischen den Menschen in einer Gesellschaft, wobei sich in einer Vielzahl dieser Gemeinschaften die Mitglieder nicht einmal persönlich kennen. Soziale Werte dienen als Basis, um die Möglichkeiten sozialer Transaktionen über die Grenzen des direkten sozialen Kontakts auszudehnen und Strukturen im Hintergrund zu liefern. „Wenn wir soziale Rolle als die Ausübung von Rechten und Pflichten definieren, die mit einem bestimmten Status verknüpft sind, dann können wir sagen, dass eine soziale Rolle eine oder mehrere Teilrollen umfasst und dass jede dieser verschiedenen Rollen von dem Darsteller bei einer Reihe von Gelegenheiten vor gleichartigem Publikum oder vor dem gleichen Publikum dargestellt werden kann.“ (Goffmann, 1983, S. 18). Die Werte in Form von Rechten und Pflichten können in verschiedene Typen aufgeteilt werden (vgl. Blau, 1964, S. 265): •

Eigene Werte als Mittel der sozialen Integration und der Solidarität. Diese Werte dienen auch dazu, selbst gesetzte Grenzen zwischen Sub-Gruppen zu etablieren.



Universelle Werte als eine Methode des sozialen Austauschs und der Unterscheidung. Finanzieller Erfolg wie auch Erfolg im Allgemeinen sind Beispiele für die Dar-

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stellung dieser Werteart und der damit einhergehenden Kommunikation des sozialen Status. Diese Werte dienen als Basis für die eigenen Werte (siehe oben) und bilden zugleich die Grundlage für die Entstehung statusbedingter sozialer Schichten. •

Rechtfertigende Werte sind das Mittel der Organisation und der Rechtfertigung von Autorität. Ziel dieser Werte ist es, dass sich die Mitglieder im Rahmen sozialer Gegebenheiten gefällig verhalten.

Ein Individuum erlernt die Werte innerhalb seiner Kultur durch den Prozess der Sozialisation. Neben der allgemeinen Kultur, der sich Menschen gegenüber sehen, stehen diese unter dem Einfluss von Subkulturen, denen sie nicht unbedingt zugehörig sein müssen (vgl. Mason, 1981, S. 21). Die oben dargestellten Werte und Normen dienen in einer Gruppe dazu, die grundlegenden Bedingungen für Individuen auszudrücken, die in dieser bestehen wollen. Innerhalb der vielen Einzelsysteme in der Gesellschaft können dabei die Prozesse der Integration, der Unterscheidung und der Organisation erheblich variieren. Die sich überschneidenden Einflüsse der Subkulturen auf das individuelle Verhalten haben zur Folge, dass es eine Flut von Werten und Normen innerhalb der Subgruppen gibt. Die Bildung von Gruppen beinhaltet die Etablierung von Bündnissen, die Individuen in eine zusammenhängende Gemeinschaft integrieren. Je größer die Anziehung der Individuen untereinander und zur Gruppe ist, desto größer ist auch der Zusammenhalt innerhalb dieser, insbesondere wenn die intrinsische Anziehung eine gemeinsame Identifikation bedingt (vgl. Blau, 1964, S. 33). Die Anziehung zu einer Gruppe treibt ein Individuum an, Mitglied dieser Gruppe zu sein, dabei muss es selbst in gewisser Form für die Zielgruppe anziehend wirken, damit es soziale Akzeptanz in dieser Gemeinschaft erlangt. Eine Person A fühlt sich von einem anderen Individuum B angezogen, wenn sie aus der Gemeinschaft mit diesem einen zumindest subjektiv empfundenen Nutzen ziehen kann. Im Gegenzug muss die Person A überzeugend wirken, dass die Gemeinschaft mit A nutzenbringend ist. „For this purpose, he will seek to impress them and show that he has qualities that make associating with him rewarding.” (Blau, 1964, S. 34). Eine Vielzahl von sozialen Gemeinschaften schafft einen Nutzen, der entweder intrinsisch oder extrinsisch bedingt sein kann. Extrinsischer Nutzen wird dabei als Form objektiver Kriterien verstanden, die bestimmen sollen, ob Rationalität vorliegt. Die Methoden, bestimmten Gruppen zu imponieren, unterscheiden sich personenindividuell. Die Taktik des Beeindruckens hängt davon ab, bei welchen Gruppen bzw. Individuen soziale Akzeptanz und Respekt geschaffen werden soll. Dabei können diese Taktiken auch Risiken beinhalten. Die Gefahr besteht, prahlerisch zu wirken, mit extremen Meinungen andere zu überrumpeln und schließlich von der Zielgruppe zurückgewiesen zu werden (vgl. Blau, 1964, S. 39). Außerdem können beeindruckende Eigenschaften einer Person dazu führen, dass sie auf bestimmte Personen nicht nur attraktiv, sondern auch abstoßend wirkt, weil diese Menschen Zurückweisung und Herabstufung ihres eigenen Status fürchten. So erwarten Men-

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schen einerseits einen positiven Nutzen, indem sie sich mit beeindruckenden Personen umgeben, andererseits stehen sie jedoch in sozialer Abhängigkeit und unter dessen Kontrolle. Bei der Bemühung, höheren Status zu erreichen und sich bei der Zielgruppe Akzeptanz zu verschaffen, geht es zunächst nicht um den eigenen Status, sondern in erster Linie um die Bildung gegenseitiger Bündnisse. Neben den Individuen, die stetig nach gesellschaftlichem Aufstieg bemüht sind, gibt es Personen, die in bestimmten Gruppen einen sicheren sozialen Status haben. Diese können Tendenzen hervorbringen, ihre eigenen Qualitäten herabzusetzen, da ihre Überlegenheit offensichtlich ist und somit kein Bedarf besteht, diese zusätzlich zu betonen (vgl. Scheuch/Daheim, 1970, S. 83). Außerdem ist dies eine gebräuchliche Methode, um Neid und Feindseligkeit von anderen Individuen zu vermeiden. „The double strategy of appearing both impressive and self-depreciating in order to win social acceptance reflects the paradox of social integration.” (Blau, 1964, S. 56).

Spricht man von sozialen Gruppen, die das Verhalten ihrer Mitglieder beeinflussen, so kann zwischen einer näheren und eine weiteren Umwelt unterschieden werden. Diese dürfen nicht getrennt betrachtet werden, da sie zu einem komplexen sozialen Umweltsystem verknüpft sind (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 430). Eine Gruppe ist in diesem Sinne als eine Mehrzahl von Personen zu verstehen, die in wiederholten und nicht zufälligen Wechselbeziehungen zueinander stehen (vgl. ebd, S. 443). Während eine Person zu ihrer näheren sozialen Umwelt meist direkte Kontakte pflegt, hat sie zu ihrer weiteren Umwelt keine persönlichen Beziehungen. Dies sind soziale Hintergrundsysteme wie die Kultur bzw. die Subkultur oder auch große soziale Organisationen. In soziologischen Ansätzen wird häufig ein enger Zusammenhang zwischen den sozialen Gruppen und Kultur unterstellt (vgl. Hall/Neitz, 1993, S. 114; vgl. Gans, 1999, S. 100 ff.). Eine der wohl am häufigsten zitierten Definitionen von Kultur geben Kroeber und Kluckhohn. „Kultur besteht aus expliziten und impliziten Denk- und Verhaltensmustern, die durch Symbole erworben und weitergegeben werden und eine spezifische, abgrenzbare Errungenschaft menschlicher Gruppen bilden. […] Kernstücke einer jeden Kultur sind die durch die Tradition weitergegebenen Ideen […] insbesondere Werte. Kulturelle Systeme können einerseits als das Ergebnis von Handlungen, andererseits als bedingte Elemente für weitere zukünftige Handlungen gesehen werden“ (Kroeber/Kluckhohn, 1952, S. 181, i. d. Übersetzung von Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 541). Somit bedingt die Kultur die umgebende Welt von Individuen auf zweifache Weise. Zum einen ist sie der Filter, durch den das Individuum die umgebenden Methoden und Eigenschaften wahrnimmt und über den die eigene Verhaltensweise abgestimmt wird. Zum anderen ist die Kultur die Kopie der menschlichen Aktivitäten, die die Koordinaten der sozialen Handlung, des Verhaltens und der akzeptierten Objekte festlegen (vgl. McCracken, 1986, S. 72). Die Kultur und nachgeordnet die Bildung von sozialen Kategorien kann dabei von den drei interdependenten

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Komponenten „mentale“, „soziale “ und „materielle“ Kultur abhängen (vgl. Mennicken, 2000, S. 68/S. 133). Während sich die mentale Kultur insbesondere aus der Werte- und Motivstruktur zusammensetzt, bezieht sich die soziale Kultur auf die ethnische Zugehörigkeit, Bräuche, Religion und die sozialen Verhaltensweisen (vgl. McCracken, 1986, S. 72; Mennicken, 2000, S. 68). Die dritte kulturelle Ausprägung ist materieller Natur und wird unter anderem durch die Konsumgüter bedingt (vgl. Mennicken, 2000, S. 68). Hierzu zählen Güter, denen in einer (Sub-)Kultur eine Bedeutung anhaftet, beispielsweise wenn diese im Zusammenhang mit der Religion (z. B. Vermeidung von Schweinefleisch bei Moslems) oder religiösen Feiertagen stehen (vgl. Hall/Neitz, 1993, S. 219). Besonders einfach stellt sich auch die soziale Gruppierung mithilfe von objektiv einfach wahrnehmbaren Kriterien wie Geschlecht oder Hautfarbe dar (vgl. Blau, 1964, S. 285; Becker/Arnold, 1986, S. 46). Eine Abgrenzung zwischen sozialen Kategorien und Subkulturen wird in der Literatur ungenau vorgenommen (siehe dazu Mennicken, 2000, S. 67). Häufig werden soziale Kategorien als Subkulturen verstanden, wozu auch die soziale Schicht hinzugezählt werden kann (vgl. Geißler, 2002, S. 111). Der Zusammenhang zwischen Kultur und dem eigentlichen Verhalten kann in Anlehnung an Kroeber-Riel/Weinberg folgendermaßen dargestellt werden:

Kultur Muster des Denkens, Fühlens, Handelns

vermittelt durch

Erfahrungsumwelt

Medienumwelt beeinflusst

emotionales Verhalten

kognitives Verhalten

beobachtbares Verhalten

Abb. 9: Zusammenhang zwischen Kultur und Verhalten (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 543)

Im Zusammenhang mit der Beeinflussung eines Individuums durch die Umwelt spricht man auch von Primär- bzw. Sekundärgruppen. Unter den Primärgruppen ist das nähere Umfeld von Menschen zu verstehen, das sich besonders durch seine emotionale Bindung auszeichnet. Primärgruppen sind meist von geringer Größe und weisen eine gewisse Stabilität auf (vgl. Bänsch, 1996, S. 99; Felser, 2001, S. 240). In diese Gruppe fallen insbesondere die Familie, aber auch Freundschaftsgruppen und solche Gruppen, die auf das Wertesystem des Individuums zentralen Einfluss haben (vgl. Moschis/Churchill, 1978, S. 601). Die Sekun-

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därgruppe steht in einer entfernteren Beziehung zum Individuum als die Primärgruppe. Die Bindung erfolgt hier nicht durch emotionale, sondern vielmehr durch rationale, formale oder distanzierte Beziehungen. Beispielsweise stellen Gemeinden oder ethnische Gruppen – insbesondere als Minderheit in einer fremden Kultur – diese Art der sozialen Gruppe dar. Bei Gemeinschaften dieser Größe ist es unwahrscheinlich, dass eine direkte Interaktion aller Mitglieder vorhanden ist. Obwohl diese Beziehung mehr auf rationalen Komponenten beruht, ist diese besonders dazu geeignet, sozialen Druck auf den Konsumenten auszuüben (vgl. Felser, 2001, S. 241). Hauptsächlich in Gruppen, in denen die Mitglieder nicht direkt miteinander kommunizieren, spielen institutionalisierte Normen eine wichtige Rolle, um eine gewisse Struktur in dieser Gemeinschaft aufrechtzuerhalten (vgl. Blau, 1964, S. 253). Auch die soziale Schicht kann mit der Sekundärgruppe gleichgesetzt werden (vgl. KroeberRiel/Weinberg, 1996, S. 434).

Über die Primär- und Sekundärgruppen hinaus kann eine weitere Aufteilung des sozialen Umfelds in die Mitgliedschaftsgruppe und die Referenzgruppe vorgenommen werden.11 Personen existieren als Teile von Mitgliedschaftsgruppen, ohne dass diese alle ihre Mitglieder kennen müssen.12 Die Mitgliedschaftsgruppen legen die Normen fest, an denen sich das Verhalten ihrer Mitglieder orientieren muss (vgl. Mason, 1981, S. 24). So hat diese Gruppenart auch Einfluss auf das Käuferverhalten des Einzelnen, indem sich dieser an bestimmten Regeln beim Kauf von Produkten orientieren muss. Beispielsweise könnte in einer deutschtürkischen Großfamilie eine Regel existieren, nur Produkte aus der ehemaligen Heimat zu kaufen. Anders ist dies bei den Referenzgruppen (Bezugsgruppen). Hier muss das Individuum nicht unbedingt Mitglied dieser Gruppe sein. Dennoch kann sich ein Individuum mit dieser Gruppe identifizieren und sich im Zuge dessen im Verhalten bzw. im Käuferverhalten beeinflussen lassen (vgl. Howard/Sheth, 1969, S. 295). So ist ein großer Teil des ökonomischen und sozialen Verhaltens an den individuellen Referenzgruppen ausgerichtet (vgl. Stafford, 1966, S. 97; Mason, 1981, S. 24). Letztendlich bestimmt die Referenzgruppe, wie das Individuum seine Umwelt und sich selbst wahrnimmt, und sie bildet die Normen für dessen Verhalten (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 470). Sie liefert somit auch einen sozialen Anker für das Konsumentenverhalten und für die Beurteilung von Produkten. Im Unterschied zur Existenz in einer Mitgliedschaftsgruppe kann ein Individuum selber entscheiden, an welchen Referenzgruppen es sich orientieren möchte und von welchen es Aufmerksamkeit durch Einhaltung ihrer Normen erlangen will (vgl. Mason, 1981, S. 24). Ziel ist es, durch 11

In der Literatur wird anstelle von „Referenzgruppe“ auch häufig der Terminus „Bezugsgruppe“ verwendet (die Ausführungen von Stafford 1966 stellen hier ein Beispiel dar). 12 Eine weitere Unterteilung dieser Gruppenart in die dauerhafte und die temporäre Mitgliedschaftsgruppe kann durchgeführt werden (siehe dazu Babad et. al, 1983, S. 109). Zu der erstgenannten Kategorie zählen Kriterien wie die ethnische Zugehörigkeit. Auf diese feine Unterteilung soll allerdings nicht weiter eingegangen werden.

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Nachahmung der Verhaltensmuster, insbesondere im Konsum, Teil dieser Referenzgruppen zu werden. „Die Konsumenten, motiviert durch die allgemein verbreitete gesellschaftliche Wertschätzung eines hohen Lebensstandards, vergleichen sich mit solchen Bezugspersonen, die einen höheren Lebensstandard haben.“ (Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 480). Indem Personen ihre Konsumausgaben erhöhen und dem Lebensstandard der Referenzgruppe folgen, wird der soziale Vergleich eine wichtige Determinante des Konsumentenverhaltens (vgl. Stafford, 1966, S. 97). Die Trickle-Down-Theorie besagt, dass der Prozess der Imitation einen Nachfolgecharakter hat. Dies bedeutet, dass eine übergeordnete Gruppe einer über mehrere Ebenen untergeordneten Gruppe bis zu dem Zeitpunkt keine Referenzgruppe ist, bis sich der (Lebens-)Stil dieser Gruppe bis zur nächstübergeordneten Gruppe durchgesetzt hat (vgl. Veblen, 1899, S. 52; Grasmann, 1983, S. 129; McCracken, 1988, S. 93).

Der auffällige Konsum ist nicht nur, wie oben beschrieben, vertikal gerichtet. Die horizontale Ausrichtung ist eine weitere Methode, den Konsum zielgerichtet nach außen zu tragen.

Status

X = Individuum Referenzgruppe

2

X 1

Mitgliedschaftsgruppe

Lebensstil

Abb. 10: Mögliche Ausrichtung des auffälligen Konsums (siehe dazu Mason, 1981, S. 23 ff.)

Abb. 10 zeigt, in welche Richtung der auffällige Konsum ausgerichtet sein kann. Es kann dabei davon ausgegangen werden, dass Konsummuster grundsätzlich gewissen (kulturellen) Orientierungen unterliegen (siehe dazu auch Mennicken, 2000, S. 153). Das Individuum X befindet sich exemplarisch in einer Mitgliedschaftsgruppe. Fall 1 tritt ein, wenn X die soziale Lage, in der es sich befindet, akzeptiert oder keine Möglichkeiten des Aufstiegs in eine höhere soziale Position vorhanden sind. Durch das Verhalten, insbesondere im Konsum, wird in solchen Situationen versucht, innerhalb der eigenen Gruppe (Mitgliedschaftsgruppe) einen individuellen oder sogar einen übergeordneten Stand zu erlangen. Die Bewegung findet in dem oben genannten Fall horizontal statt, wobei beim dem Versuch, in der Mitgliedschaftsgruppe eine übergeordnete Position zu erlangen, verstärkt vertikale Elemente integriert sein 27

können (vgl. Mason, 1981, S. 25). Die horizontale Bewegung liefert die Begründung, warum der sichtbare Konsum signifikant zwischen Individuen variieren kann, die sich in vergleichbaren sozialen Bedingungen befinden. Ursache hierfür sind die unterschiedlichen Motiv- und Bedürfnisstrukturen der Menschen, die sich auf das Verhalten auswirken. Der zweite Fall tritt ein, wenn der sichtbare Konsum durch die eigene soziale Gruppe bestätigt wird, aber das Individuum den Drang zu einem Aufstieg in eine höhere soziale Schicht hat. Durch ein Verhalten, welches nicht mehr an den Werten der Mitgliedschaftsgruppe, sondern an denen der Referenzgruppe orientiert ist, hofft es, in dieser letztendlich auch akzeptiert zu werden (vgl. Bearden/Etzel, 1982, S. 183). Hier wird ersichtlich, dass eine Bezugsgruppe auf zweifache Weise Einfluss ausüben kann. Sie erfüllt eine normative Funktion, indem sie bestimmte Normen setzt, und eine komparative Funktion, indem sie als Orientierungsmaßstab dient (vgl. Cocanougher/Bruce, 1971, S. 379; Grasmann, 1983, S. 130 f.). In den meisten Situationen erfolgt dabei eine Orientierung an Referenzgruppen, zu denen die soziale Distanz überwindbar erscheint (vgl. Moschis, 1976, S. 237; Grasmann, 1983, S. 129). Die Orientierung an Gruppen und deren Mitgliedern, die einer Person stark übergeordnet sind, ist jedoch eher unwahrscheinlich (siehe oben: Trickle-Down-Theorie). Die Bewegung kann nicht nur aufwärts gerichtet sein, denn eine Ablehnung des sichtbaren Konsums in der aktuellen Schicht führt dazu, dass sich ein Individuum auf einer niedrigeren sozialen Ebene platzieren muss, um von seinem Umfeld akzeptiert zu werden. Die Akzeptanz in der Gruppe verläuft aber auch in diesem Fall nicht automatisch, denn das Individuum muss sich in seinem Verhalten den Mitgliedern in dieser Gruppe anpassen. Der Wechsel einer Person zwischen in der Hierarchie unterschiedlich angeordneten sozialen Gruppen wird als vertikale Bewegung bezeichnet. Die Über- bzw. Unterordnung muss dabei nicht alleine auf der Basis des sozialen Status geschehen. Es genügen oft Ähnlichkeiten, wie Geschlecht, Alter oder ethnische Zugehörigkeit, damit die Gruppe als nächstliegende Referenzgruppe angesehen wird (vgl. Babad et al., 1983, S. 22). Die oben dargestellten Grundlagen können in Anlehnung an Babad et al. auf folgende Weise zusammengefasst werden: Nonmembership Group

Membership Group

Reference Group

Wish

Harmony

Nonreference Group

Alienation

Involuntary Membership

Tab. 3: Hypothetische Kombination von Referenz- und Mitgliedschaftsgruppen (vgl. Babad et al., 1983, S. 214)

Die Tabelle bekräftigt die Erkenntnis, dass Individuen die Korrektheit und Angemessenheit des eigenen Verhaltens zum einen an Personen der eigenen Gruppe messen, sich aber zum anderen auch außerhalb der Gruppe orientieren, was bedeutet, dass Primär- und Sekundär-

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gruppen nicht allein die Referenzgruppen einer Person darstellen müssen. Die Zusammenhänge innerhalb einer multikulturellen Gesellschaft stellt nachfolgendes Schaubild auf der Mikro- und auf der Makroebene dar: Mikroebene

Makroebene Ethnische Gruppen Mainstream Gesellschaft

Sekundärgruppe

Mitgliedschaftsgruppe

Referenzgruppe Primärgruppe

I N D I V I D U U M

o o

Immigranten Abb. 11: Multikulturelle Gesellschaft aus der Mikro- und Makroperspektive (vgl. Berry, 1986, S. 37)

Abb. 11 bildet vereinfacht die pluralistische soziale Struktur in einer modernen Gesellschaft ab. In dieser existiert eine Vielzahl mehr oder weniger voneinander abhängiger Gruppen, in denen ein Individuum Mitglied sein kann (vgl. Parsons, 1967, S. 285; Hörning, 1970, S. 111). In Übertragung auf die Existenz von ethnischen Minderheiten bedeutet dies, dass die Mitglieder dieser Gruppen sich kulturell ihrer eigenen Ethnie zugehörig fühlen, aber auch unter dem Einfluss anderer Gruppen stehen (vgl. Horowitz, 1985, S. 143). Ethnische Minderheiten stellen in einer multikulturellen Gesellschaft somit Gruppen an den Schnittpunkten zwischen der dominanten Kultur des Landes und der eigenen traditionellen Kultur dar, d. h. sie werden oftmals weder assimiliert noch separiert (vgl. Wilken, 2004, S. 18). Berry zeigt in einer Übersicht die Handlungsoptionen von ethnischen Minderheiten in fremden Kulturen: Considered value to maintain cultural identity?

Considered of value to maintain relations with dominant culture?

Yes No

Yes Integration Separation

No Assimilation Marginalization

Tab. 4: Handlungsoptionen bei Eintritt in eine dominante Kultur (vgl. Berry, 1980; Mehta/Belk, 1991, S. 400)

13

13

Assimilation kann als eine Art von kultureller Integration interpretiert werden, die dann entsteht, wenn ein Mitglied einer ethnischen Minderheit diese verlässt, um sich in eine andere Gesellschaft zu begeben (vgl. Berry, 1980, S. 13). Die Marginalisation bedeutet hingegen, dass sich ein Individuum von der „Gastgeberkultur“ abgelehnt fühlt und zudem die eigene Kultur verlassen möchte (vgl. Mennicken, 2000, S. 82).

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Die Werte der dominanten Kultur können in Konflikt mit den Werten der Subkulturen stehen, in denen das Individuum Mitglied ist. „The individual in any community is therefore faced with the problem of needing to conform to the expectations and norms of his cultural and social membership groups whilst at the same time seeking to achieve recognition from other (aspirant) groups through which he may hope to establish status gains.“ (Mason, 1981, S. 26). Die Referenzgruppe ist das soziale Umfeld des Menschen, an dem sich dieser in seinem täglichen Handeln orientiert. Je besser sich ein Individuum mit einer bestimmten Gruppe identifizieren kann, desto größer ist das Bedürfnis, sich in dieser Gruppe zu integrieren (vgl. Stafford, 1966, S. 98). Die Referenzgruppe muss dabei weder Teil der Primär- bzw. Sekundärgruppe sein, damit von dieser Einfluss ausgeübt werden kann. Hat ein Konsument das Bedürfnis, als Nichtmitglied einer Referenzgruppe in dieser Bestandteil zu werden, so wird er versuchen, durch ein bestimmtes Verhalten Akzeptanz und Mitgliedschaft in der gewünschten Gruppe zu erhalten (vgl. Blau, 1964, S. 21). Dieses Verhaltens wird als „antizipatorische Sozialisation“ bezeichnet (vgl. Bänsch, 1996, S. 100). Newcomb beschreibt in seiner Balance-Theorie, wie die zwischenmenschliche Anziehung mit den gemeinsamen Einstellungen in Zusammenhang gebracht werden kann. Diese Konsistenztheorie wird häufig als die ABX-Theorie der Anziehung bezeichnet (vgl. Newcomb, 1961, S. 8 ff.):14

+

+ A +

B +

+

X Zustand der Balance

A +

B +

-

X

+ = positive Einstellung - = negative Einstellung

Zustand der Imbalance

Abb. 12: ABX-System nach Newcomb (vgl. Newcomb, 1961, S. 9)

Das oben gezeigte Schaubild stellt das einfachste Beispiel einer sozialen Interaktion dar: eine Dyade. Eine Dyade ist dadurch gekennzeichnet, dass die Aktionen des einen unter Berücksichtigung der Reaktionen des anderen nicht zufällig sind. Je ähnlicher dabei die Einstellungsstrukturen der beiden interagierenden Personen sind, desto stärker ist die Dyade (vgl. Csikszentmihalyi/Rochberg-Halton, 1981, S. 3). Ein Balance-Zustand herrscht vor, wenn die Personen A und B gegenüber den Objekten (X) ihrer Umwelt die gleiche, im oben gezeigten Fall positive, Einstellung haben. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass nicht die tatsächlichen Einstellungen der Person B gemeint sind, sondern die von der Person A wahrgenommenen und vermuteten Einstellungen des B. Bei den Mitgliedern von

14

Das Modell nach Newcomb stellt eine Weiterentwicklung der Theorie der kognitiven Konsistenz nach Heider (1946) dar.

30

Referenzgruppen nimmt die Person, die sich an deren Verhalten orientiert, an, dass hinsichtlich verschiedener Aspekte Einstellungsähnlichkeit besteht (vgl. Moschis, 1976, S. 238). Grundsätzlich kann zudem davon ausgegangen werden, dass sich in bestimmten Dimensionen Mitglieder innerhalb einer Gruppe ähnlich sind (vgl. Babad et al., 1982, S. 183). Liegt keine Einstellungsähnlichkeit vor, so ist das System nicht ausbalanciert. Die Reaktion auf den Zustand der Imbalance kann auf vier verschiedene Möglichkeiten erfolgen (vgl. Secord/Backmann, 1997, S. 253 f.): •

A könnte bemerken, dass er B fälschlicherweise negative Einstellungen zugeschrieben hat. Grund hierfür könnten durch andere Faktoren hervorgerufene Wahrnehmungsverzerrungen sein. Die ursprünglich angenommenen negativen Einstellungen des B werden durch positive ersetzt.



A überzeugt B, dass dieser sich im Irrtum befindet.



A passt sich den Haltungen des B gegenüber X an und entwickelt die gleichen Einstellungen.



Die gegenteiligen Einstellungen bleiben bestehen. Die Anziehung des B gegenüber A lässt nach und der Zustand der Imbalance bleibt bestehen.

Je bedeutender die Einstellungen gegenüber bestimmten Objekten für A sind, desto stärker wirkt sich Einstellungsähnlichkeit auf die interpersonelle Attraktion aus (vgl. Secord/Backmann, 1997). Da viele der Einstellungen, die mit der Zugehörigkeit zu bestimmten (ethnischen) Gruppen verbunden sind, einen zentralen Status haben, sind Auswirkungen der Gruppenzugehörigkeit auf die interpersonelle Attraktion anzunehmen. Dabei gilt eine hohe interpersonelle Attraktion als ein zentrales Merkmal von Personen wie z. B. Meinungsführern, die aus Sicht des Empfängers einen starken Einfluss auf die Einstellung und das Verhalten anderer Individuen haben (vgl. Piontkowski, 1976, S. 152). Einstellungsähnlichkeit bei Produkten hat einen umso stärkeren Effekt, je größer der soziale Signalwert des Objekts ist. Diese Objekte werden vielfach als Symbole bezeichnet. Der Vorteil solcher symbolträchtigen Objekte ist ihre Stabilität. Teilweise kann die Bedeutung von Produkten über mehrere Generationen unverändert bleiben (vgl. Csikszentmihalyi/Rochberg-Halton, 1981, S. 14). Dies ist insbesondere bei exklusiven oder seltenen Produkten der Fall. Da die Referenzgruppe in erster Linie der weiteren Umwelt des Konsumenten zugeordnet wird, geschieht auch deren Einfluss häufig nicht bewusst (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 430). Dies kann auch der Grund dafür sein, dass diese Einflüsse in der Vergangenheit nur wenig erforscht worden sind (vgl. ebd., S. 430). Eine vereinfachte Art und Weise, um den Einfluss der Referenzgruppen widerzuspiegeln, ist die Erforschung des Lebensstils, der die Einstellung zum Produktumfeld des Konsumenten ausdrückt (vgl. ebd., S. 430). Grundsätzlich ist der Einfluss von Referenzgruppen unter folgenden Bedingungen wahrscheinlich (vgl. O'Shaughnessy, 1992, S. 161): 31



Häufiger Kontakt mit der Gruppe, obwohl der Konsument in seiner momentanen Situation nicht zwangsläufig zu der Gruppe gehören muss.



Es liegt Unzufriedenheit mit der aktuellen Gruppenzugehörigkeit vor.



Es sind Vermutungen von positiven Effekten bei Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe vorhanden.



Es liegt ein Verständnis der Normen vor, die in der Referenzgruppe befolgt werden.

Bei steigendem sozialen Status sinkt das Bedürfnis der antizipatorischen Sozialisation und folglich die Orientierung an Gruppennormen anderer potenzieller Referenzgruppen (vgl. Bänsch, 1996, S. 101). Kelman unterscheidet folgende soziale Einflussarten (vgl. Kelman, 1961, S. 62 ff.): •

Compliance (Nachgiebigkeit): Diese erfolgt, wenn sich ein Individuum in einer gewissen Art und Weise verhält, von der es erwartet, dass die beeinflussende(n) Person(en) positiv reagiert(en). Die Verhaltensweise wird beendet, wenn sie nicht mehr als der optimale Weg zur Erreichung positiver Resonanz gesehen wird.



Identification: Es besteht eine Rollenbeziehung zwischen den beeinflussenden Personen und der Empfängerperson, die einen Teil des Selbstimages formt. Auf der Verhaltensebene übernimmt ein Individuum das Verhalten einer anderen Person oder einer anderen Gruppe, wenn dies eine gewollte Form der Selbstdarstellung ist.



Internalization: Diese entsteht, wenn die Empfängerperson die Beeinflussung akzeptiert, weil das Verhalten mit dem Wertesystem kongruent ist. Das Individuum übernimmt das Verhalten in der Erwartung, dass es zur eigenen Zielorientierung beitragen wird.

Bei den oben dargestellten Prozessen muss betont werden, dass diese nur in den seltensten Fällen in Reinform auftreten. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass in der Realität häufig eine der drei beschriebenen Einflussvarianten individuell und in Abhängigkeit von der Situation am stärksten erfolgt (vgl. Kelman, 1961, S. 66).

Dieser Abschnitt hat die theoretischen Grundlagen geliefert, die zum Verständnis der inneren Prozesse des Menschen beim Umgang mit seinem sozialen Umfeld beitragen sollen. Es wurde gezeigt, wie sich Normen auf das Verhalten von Konsumenten auswirken, in welchem Ausmaß und unter welchen Bedingungen das soziale Umfeld Einfluss nimmt und wie das Individuum auf diese Einflüsse reagieren kann. Dabei wurde berücksichtigt, dass Güter nicht nur zur sozialen Integration, sondern auch zur Abgrenzung von anderen Gruppen herangezogen werden. Diese haben in Form von Symbolen die Qualitäten und Fähigkeiten zur Abgrenzung und Profilierung gegenüber dem sozialen Umfeld und zur Darstellung von Gemeinsamkeiten wie Religion, ethnische Herkunft oder Lebensstil (vgl. Csikszentmihalyi/Rochberg-Halton, 1981, S. 38). Die Ausführungen haben hier beschrieben, dass die Mit32

gliedschaft in einer Gruppe bedeutet, ähnlichen Motivationskräften unterworfen und für ähnliche Anforderungen der Umwelt empfänglich zu sein. Dies spielt nicht nur bei der Verwendung unserer frei verfügbaren Kaufkraft eine Rolle, sondern auch bei der Bestimmung dessen, welche Produkte und Dienstleitungen als (lebens-)notwendig angesehen werden (vgl. Sauermann, 1980, S. 27).

2.2. Theoretische Grundlagen zum Konsumentenverhalten

Bereits seit Jahrzehnten setzen sich Wissenschaftler mit dem Konsumentenverhalten auseinander, indem sie diesen Teilbereich des menschlichen Verhaltens aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchten. Um ein Verständnis für den empirischen Ansatz in dieser Arbeit zu schaffen, sollen die bedeutendsten Sichtweisen beschrieben werden. Beginnend mit der Entwicklungsgeschichte des Konsumentenverhaltens in Europa soll im Anschluss eine wirtschaftswissenschaftliche Definition des Käuferverhaltens gegeben werden. Im Anschluss erfolgt eine Einführung in die soziologischen Theorien, die diese Dimension des menschlichen Verhaltens beleuchten. Mit der Beschreibung der Ansätze von Veblen und Bourdieu wird ein Einblick in zwei Theorien zum Konsum in der Neuzeit geschaffen, die für eine Vielzahl weiterer theoretischer Ansätzen im 20. Jahrhundert maßgeblich waren. Besondere Beachtung wird abschließend den Konsumgewohnheiten von ethnischen Minderheiten in Deutschland geschenkt.

2.2.1. Die Entwicklung des modernen Konsumentenverhaltens in Europa

Im Folgenden soll ein Überblick über die Evolution des europäischen Konsumentenverhaltens erfolgen, unter besonderer Berücksichtigung der Existenz wie auch der Denk- und Verhaltensweisen von ethnischen Subkulturen innerhalb von fremden Kulturen. Folgendes Zitat spiegelt die gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre treffend wider: „And while cultures overlap, they do differ nonetheless and subcultures – based, say on racial and ethnic groups, social classes, and geographic location – flourish.“ (vgl. O'Shaughnessy, 1992, S. 166).

Die Entwicklung des modernen Konsumentenverhaltens kann in Anlehnung an McCracken (1988, S. 11 ff.) und Hall/Neitz (1993, S. 90 ff.) in drei Perioden unterteil werden. Die erste Periode spiegelt den Konsumboom wider, der im 16. und 17. Jahrhundert von England ausging (vgl. Miller, 1987, S. 135; vgl. McCracken, 1988, S. 11). Der Besitz von Neuheiten und

33

Kleidung etablierte sich in dieser Zeit als symbolträchtiger Statusindikator und diente auch zur Darstellung von politischer Macht. Es war hauptsächlich den Aristokraten vorbehalten, mit Kleidung und bestimmten Speisen verschwenderisch umzugehen (vgl. Belk, 1983, S. 757). Auffallender Konsum war in dieser Epoche hauptsächlich horizontal gerichtet. Es fand eine sozialer Wettkampf zwischen den Adligen unter der Herrschaft von Königin Elizabeth statt, denn diese fürchteten, den sozialen Status innerhalb der obersten Schicht zu verlieren. Dieser Konsumboom hatte schließlich Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen im Allgemeinen und auf die Produkte im Speziellen (vgl. McCracken, 1988, S. 13): •

Der Familienbund veränderte sich, d. h. die Adligen verwendeten, getrieben von der Angst des Statusverlusts, mehr Zeit für sich selbst.



Das Entscheidungsverhalten beim Konsum änderte sich.



Die Natur und die Dynamik des Konsums änderten sich.



Die Eigenschaften von Konsumgütern änderten sich. Haltbarkeit wurde durch Außenwirkung abgelöst.

Die Konsequenz aus diesen Änderungen war eine Spaltung der Gesellschaft in zwei Schichten: den Über- und den Untergeordneten. Das Konsumverhalten und der Lebensstil zwischen diesen beiden Parteien unterschieden sich fundamental, was eine weitere Entfernung der grundlegenden Einstellungen sowie eine Verringerung der gegenseitigen Interaktion zur Folge hatte. Die Wirkung der Übergeordneten als Referenzgruppe auf die Untergeordneten verschwand durch diese zunehmende Entfremdung. Am Ende des 17. Jahrhunderts wurde schließlich ein Effekt erkannt, dem zuvor keine Beachtung geschenkt wurde. Die Gesellschaft erkannte die positiven volkswirtschaftlichen Effekte, die der gestiegene Bedarf an Luxusgütern hervorgebracht hatte, wie z. B. die Schaffung neuer Arbeitsplätze (vgl. Mason, 1981, S. 2). Die Entwicklung des Massenkonsums seit dem 18. Jahrhundert spiegelt die zweite Etappe wider. Bereits in dieser Zeit gab es erste Ansätze des Strebens nach Individualität. Durch die zunehmende Abwanderung aus ländlichen Gebieten in die Städte, mit der damit verbundenen Anonymität, nahm die starke Familienbindung ab und die Tendenz zu großen Familien sank. Im Zuge dessen entdeckte der Verbraucher den Konsum als ein Mittel der Selbstdarstellung. Die Veränderungen, die noch im 16. und 17. Jahrhundert den Übergeordneten vorbehalten waren, waren nun auch in der breiten Gesellschaft etabliert (siehe oben; vgl. McCracken, 1988, S. 17). Im Zuge dieser Entwicklung erkannte man zunehmend den Preis als zentrales Steuerungsinstrument der Nachfrage und die Korrelation dieser beiden Komponenten (vgl. Mason, 1981, S. 2). So stellte das 18. Jahrhundert einen wichtigen Meilenstein in der Evolution des Konsumentenverhaltens dar, denn ab dieser Zeit konnte ein großer Teil der Gesellschaft an der Revolution des Konsums mitwirken. Um ihren sozialen Status zu bewahren, versuchte sich die Oberschicht dennoch von der breiten Masse abzuheben. Güter 34

wurden nur gekauft, weil sie teuer waren und somit nicht durch den gewöhnlichen Konsumenten erworben werden konnten. Während in dieser Etappe insbesondere der Mittelstand versuchte, die Oberschicht nachzuahmen, entwickelten sich in der dritten Periode, ab dem 19. Jahrhundert, verschiedene Stile, sich zu profilieren und soziale Identität zu schaffen. Dabei stand nicht mehr allein der Ausdruck des sozialen Status im Vordergrund. In Frankreich diente der Konsum z. B. dazu, die Meinung gegenüber der Bourgois-Gesellschaft zu kommunizieren. Die Güter, die zur Verfügung standen, trugen Nachrichten mit sich, was zur Folge hatte, dass der Konsum im zunehmenden Maß zum sozialen Verhalten wurde. In dieser Epoche wurden erste Warenhäuser in den europäischen Großstädten erbaut, die eine Fülle an Gütern anboten, welche über die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen hinausging. Die große Verfügbarkeit wurde unterstützt durch erste Ansätze der Konsumentenansprache und der Beeinflussung durch zusätzliche Produktinformationen. Soziale Inhalte wurden zunehmend in Konsumprodukte integriert, was zur Folge hatte, dass sich verschiedene Lebensstile entwickelten. Der Aufbau von Warenhäusern hatte neben der Angebotsvielfalt und den ersten Ansätzen des Marketings wie z. B. der Produktdarstellung weitere Folgen. Güter waren nicht wie in vergangener Zeit dem Tauschprozess unterzogen, sondern sie hatten einen Preis. Da sie folglich nur durch Geld erworben werden konnten, musste sich der Konsument mit neuen Entscheidungsprozessen anfreunden, d. h. er musste bewerten, ob ein Produkt den monetären Aufwand wert war. Im Zuge dessen etablierte sich die Serviceleistung der Warenhäuser, Kredite zu gewähren, die den Kauf von Waren ermöglichten. Produkte, die in der Vergangenheit für die Mittel- und Unterschicht unerreichbar erschienen, konnten durch einfache Kreditaufnahme erworben werden. In dieser Etappe wurden somit wichtige Grundlagen etabliert, die den Konsum der heutigen Zeit widerspiegeln.

Obwohl in den oben genannten Quellen nur die drei beschriebenen Etappen als Entwicklungsperioden des modernen Konsumentenverhaltens gesehen werden, sollte das 20. Jahrhundert als weitere Etappe definiert werden. Die ersten Impulse aus dem 19. Jahrhundert wurden weiter ausgebaut, dazu zählten insbesondere der Ausbau von Warenhäusern zu Handelsketten, die Forcierung von Werbeansprachen, die Erweiterung des Angebots von günstigen Produkten durch Rationalisierung und eine Effizienzsteigerung in der Zulieferkette (vgl. Hall/Neitz, 1993, S. 99). Die günstigeren Preise konnten an den Konsumenten weitergegeben werden, was insbesondere der Arbeiterklasse ermöglichte, die Produkte der Mittelklasse zu erwerben (vgl. ebd., S. 100). Durch die Entwicklung neuer Vertriebsformen und die fortschreitende Handelskonzentration verlagerte sich die Angebotsmacht zur Nachfragemacht (vgl. Maucher, 2003, S. 62). Diese Evolution hat dazu geführt, dass bis heute das übermäßige Angebot von Produkten suggeriert, dass diese für jedermann verfügbar seien. In Wirklichkeit sind sie jedoch nur für

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diejenigen erhältlich, die die geeigneten (monetären) Ressourcen hierfür besitzen. Folglich wurden Neid, Missgunst und Begehren insbesondere bei denjenigen geschürt, die sich trotz des breiten Warenangebots nur eine beschränkte Anzahl Güter leisten konnten. Aufgrund dieser Entwicklung steht das moderne Konsumentenverhalten des 21. Jahrhunderts unter zahlreichen Einflussfaktoren, von denen immer noch das Streben nach dem gewünschten sozialen Status, nach Individualität und nach Selbstdarstellung als Hauptgrößen gesehen werden können. Die Moderne erlaubt im Vergleich zur traditionellen Gesellschaft eine ausgeprägtere soziale Mobilität. Es ist leichter für Individuen, sich in verschiedenen sozialen Gruppen zu bewegen. Auffälliger Konsum kann daher in allen sozialen Schichten auftreten, die Art dieses Konsums kann allerdings auch innerhalb dieser variieren (vgl. Schouten, 1991, S. 412). Eine weitere Entwicklung im 20. Jahrhundert stellt die internationale Angleichung des Konsumentenverhaltens dar. Allerdings muss bei diesem Impuls das Käuferverhalten der europäischen Konsumenten in zwei Gruppen unterschieden werden (vgl. Solomon et al., 2001, S. 30): •

Konsum, der über verschiedene Kulturkreise bzw. Landesgrenzen hinaus gleich ist.



Spezifischer Konsum, der einer kulturellen Gruppe zuzuordnen ist.

Für einige Tendenzen lassen sich nach Solomon et al. (2001) Gemeinsamkeiten innerhalb der westeuropäischen Märkte erkennen. Diese Aspekte finden auch für den deutschen Markt ihre Anwendung: •

Tendenz zu ungleichmäßig verteiltem Einkommen



Steigende Anzahl von alten Menschen



Kleiner werdende Haushalte mit zunehmender Tendenz zur Individualisierung



Zunehmende Multikulturalität der Länder, unter anderem durch Zunahme von ethnischen Minderheiten in den Ländern

Zusammenfassend lässt sich der Gesellschaftstrend im deutschen Lebensmitteleinzelhandel zu Beginn des 21. Jahrhunderts folgendermaßen darstellen:

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Struktur

Lebenswelten

Ökonomische Entwicklung: - Anhaltende Wirtschaftskrise - Steigende Arbeitslosigkeit - Anhaltende Rationalisierung - Wachsende Aufspaltung des Marktes in Discount- und LuxusSegment

Soziologische Sicht: - Wachsende Sparquote - Sorgen um die eigene finanzielle Absicherung - Angst vor sozialem Abstieg - „Geiz“ und Schnäppchenjagd als Konsummuster

Wunsch nach preisgünstigen Lebensmitteln: Aldisierung Kompensation der „Sparwut“ mit gezielten Luxuskäufen

Abb. 13: Hybrides Konsumentenverhalten zu Beginn des 21. Jahrhunderts (vgl. GIM argo, 2004)

Zu den unterschiedlichen Forschungsansätzen und Studien zum Verhalten von Konsumenten, sowohl in den europäischen Ländern wie auch auf der ganzen Welt, sei schon hier angemerkt, dass die Ansätze stark unterschiedlicher Natur sind und dies bei der Interpretation der Ergebnisse dieser Arbeiten berücksichtigt werden sollte. Abbildung 5 hat bereits darauf hingewiesen, dass zwischen zwei grundsätzlichen Sichtweisen zur Beschreibung des Konsumentenverhaltens unterschieden werden kann, der ökonomischen und der soziologischen Sicht. Diese sollen in den nachfolgenden Darstellungen erläutert werden.

2.2.2. Das Konsumentenverhalten aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht

Die wirtschaftswissenschaftliche Erklärung des Konsumentenverhaltens muss zunächst nach dem Rationalprinzip erfolgen, das in diesem Kontext zum ökonomischen Prinzip spezialisiert wird (vgl. Petermann, 1963, S. 51). Diesem Prinzip zufolge setzt der Mensch seine Mittel optimal zur Erreichung eines angestrebten Ziels ein. Ein stets nach diesem Grundsatz handelnder homo oeconomicus ist jedoch eine von der Volkswirtschaft erfundene Kunstfigur (vgl. Bertelsmann Lexikon, 1995, S. 7258). Der rationale Mensch würde zur Befriedigung seiner stofflichen Bedürfnisse stets das günstige Produkt wählen. Dies ist jedoch in der realen Welt unrealistisch. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass sich der Mensch bei seinen Entscheidungen irrational verhält. Mit den inneren Beweggründen des Menschen befasst sich intensiv die sozialwissenschaftliche Literatur (siehe dazu Kapitel 2.2.3). Aus Sicht der produzierenden und vertreibenden Unternehmen galt es, sich ab Mitte

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des 20. Jahrhunderts mit dem Konsumentenverhalten auseinanderzusetzen. Der Verkäufermarkt wandelte sich in dieser Zeit zum Käufermarkt, was zur Folge hatte, dass man sich mit der Gestaltung von Produkten im zunehmenden Maß an den Wünschen der Konsumenten orientieren musste (vgl. Kapitel 2.2.1, S. 35). Somit wurde das Konsumentenverhalten zur Grundlage für die Strategie der produzierenden Unternehmen wie auch des Handels (vgl. Sauermann, 1980, S. 6). Die Möglichkeiten der Beeinflussung des Konsumentenverhaltens können grob in vier Bereiche eingeteilt werden (vgl. Sauermann, 1980, S. 10; Gierl, 1995, S. 25; Kotler/Bliemel, 2001, S. 324): •

Produktgestaltung: Dieser Bereich befasst sich mit der Klärung der Frage, wie ein Produkt optimal auf die Bedürfnisse der Konsumenten ausgerichtet wird. Ein Aspekt der Produktgestaltung ist die Schaffung von Innovationen, um noch besser auf die Anforderungen der Konsumenten einzugehen.



Preisgestaltung: Bei der Preisgestaltung ist es ein zentrales betriebswirtschaftliches Kriterium, einen ausreichenden Deckungsbeitrag und einen Umschlagnutzen für den Handel zu schaffen. Dabei ist es eine schwierige Aufgabe, Preisschwellen auszuloten, bei denen der Konsument noch bereit ist, das Produkt zu kaufen. Andere Kriterien wie Marke und Qualität spielen eine große Rolle bei der Festlegung dieser Schwellen.



Kommunikation- bzw. Werbegestaltung: Aufgabe dieses Bereichs ist es, mit ausgewählten Werbemitteln ein wünschenswertes Verhalten des Konsumenten zu veranlassen und dessen Einstellung zu beeinflussen.



Distribution: Durch die Distribution erfolgen die Auswahl und die Realisierung der physischen Präsenz von Leistungen an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten, insbesondere auch die Entscheidung, welche Handelswege und Einkaufsstätten realisiert werden.

Durch einen geeigneten Marketing-Mix versuchen Handel und Industrie, den Kaufentscheidungsprozess einer möglichst großen Anzahl von Konsumenten zu beeinflussen. Dieser beginnt damit, dass er motiviert ist, sich ein Produkt zu kaufen und beschließt, aus den verfügbaren Angeboten eine Marke auszuwählen. Der Teilbereich der Markenvielfalt, der die genannten Erwartungen erfüllt, wird als „evoked set“ bezeichnet (vgl. Howard/Sheth, 1969, S. 98; Gierl, 1995, S. 36).15 Dieser „evoked set“ ist abhängig von den Marketing-Stimuli, die soeben dargestellt worden sind. Aus diesem wählt der Konsument jenes Produkt, von welchem er ausgehen kann, dass dieses am besten seine Bedürfnisse erfüllt. Taucht der gleiche Mix aus Motiven und Auswahlkriterien bei der gleichen Produktklasse wiederholt auf, so wird er Käufer die Komplexität seiner Entscheidung reduzieren und eine gewisse Routine in 15

Der „evoked set“ ist eine Teilmenge an Produkten/Marken, die ein Individuum als Kaufalternativen in Betracht zieht. Die Tatsache, dass eine Vielzahl von Produkten am POS vorhanden ist, bedeutet somit nicht, dass die Konsumenten auch alle Marken in Erwägung ziehen (vgl. Feider, 1985, S. 105).

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sein Kaufverhalten integrieren. Je nach Produktbereich und Motivstruktur des Konsumenten wird neben dieser Art des Käuferverhaltens zudem in das extensive und eingeschränkte bzw. limitierte Entscheidungsverhalten unterteilt (vgl. Howard/Sheth, 1969, S. 27; Weinberg, 1981, S. 65). Bei dem letztgenannten Verfahren versucht der Konsument, die Menge an verfügbaren Informationen aus Gründen der Entlastung auf eine kleine zentrale Teilmenge zu reduzieren, die letztendlich den auslösenden Kaufimpuls liefert. So nutzt dieser auch Entscheidungsmethoden, die sich in der Vergangenheit bereits bewährt haben und greift beim Produktkauf stets auf die gleichen Informationen zurück (vgl. Babad et al., 1983, S. 53). Diese Variante des Käuferverhaltens kommt meist dann zum Einsatz, wenn das Individuum in einem bestimmten Produktbereich wenig Erfahrung hat bzw. kein evoked set existiert. Zur Erklärung des Kaufverhaltens sind in der Literatur eine Vielzahl von Modellen zu finden (vgl. Howard/Sheth, 1969; Heinemann, 1976, S. 43 ff.; Weinberg, 1981, S. 70 ff.). Diese lassen sich grundsätzlich in behavioristische (sogenannte Black-Box-Modelle) und neobehavioristische Verhaltensmodelle einteilen (vgl. Müller-Hagedorn, 1986, S. 74; Felser, 2001, S. 14 f.). Während sich die erstgenannte Variante nur auf beobachtbare Variablen bezieht, berücksichtigen die neobehavioristischen Modelle das Innere des Konsumenten. Da der Fokus dieser Arbeit auf der Erklärung der inneren Motivstruktur des Konsumenten liegt, sind BlackBox-Modelle für die Aufgabenstellung dieser Studie nicht zielführend (siehe dazu Nieschlag et al., 2002, S. 589). Diese Modelle werden daher aus den weiterführenden theoretischen Überlegungen ausgeschlossen, denn gerade das Wirkungsgeflecht an Motiven und Auswahlkriterien ist Bestandteile der Kaufentscheidung für ein bestimmtes Produkt (vgl. Howard/Sheth, 1969, S. 26). Während aus wirtschaftlicher Sicht besonders der materielle Nutzen wie Funktionalität und Preis-Leistungs-Verhältnis im Vordergrund steht, ist aus sozialwissenschaftlicher

Sicht

besonders

die

Außenwirkung

von

Produkten

interessant

(vgl. Trommsdorff, 1998, S. 124). Dieser Sicht widmet sich das folgende Kapitel.

2.2.3. Das Konsumentenverhalten aus sozialwissenschaftlicher Sicht

2.2.3.1. Grundlegende sozialwissenschaftliche Theorien

Die verschiedenen Aspekte des Konsumentenverhaltens sind von zentraler Bedeutung für das Verständnis der sozialen und ökonomischen Funktionsweise von Gesellschaften. Zwei der wohl bedeutendsten Wegbereiter, die mit ihren Werken das menschliche Konsumverhalten beschrieben haben, sind die Soziologen Veblen und Bourdieu16. Wenn sich auch die Erkenntnisse dieser beiden Werke in vielen Aspekten unterscheiden und Bourdieu den Er16

An dieser Stelle sind die Werke „The Theory of the Leisure Class“ von Thorstein Veblen und „La distinction. Critique sociale du jugement“ von Pierre Bourdieu gemeint.

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kenntnissen von Veblen keine Beachtung schenkt, teilen die beiden Werke viele grundlegende Annahmen. Da diese eine breite Basis für die Interpretation des Konsumentenverhaltens liefern, soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit der soziologische Grundgedanke der beiden Werke erläutert werden. Dem Leser soll somit das Verständnis der theoretischen Überlegungen und der bisherigen Forschungen in diesem Bereich erleichtert werden.

Thorstein Veblen Veblen gehört zu jenen Theoretikern, die bei ihren Beobachtungen die Chance hatten, die Geburt des Massenkonsums mitzuerleben. Dieser war zum Zeitpunkt von Bourdieus Untersuchungen bereits seit Jahrzehnten in der Gesellschaft etabliert (siehe unten). Veblen interessierte insbesondere die „Leisure Class“ und die Gruppe der Neureichen, die sich in einer Industriegesellschaft durch Arbeit Reichtum geschaffen haben. Wichtiges Anliegen dieser höheren sozialen Schicht ist es, sich von der sozialen Schicht, aus der sie ehemals stammten, abzuheben und somit ihre soziale Herkunft zu verbergen. Der Besitz von Gütern wird als Indikator für Effizienz, Fleiß und insbesondere von Erfolg gesehen. Zentrale Strategie ist es hier, durch ausgiebigen Konsum und sogar durch Verschwendung zu zeigen, dass man etwas erreicht hat und somit den höheren Schichten zugeordnet werden kann (vgl. Veblen, 1899, S. 53). Die Motivation, die hinter dieser Strategie steckt, ist das Erlangen von Status und Prestige, welches durch die Zurschaustellung von Besitz und Reichtum erreicht werden kann. Veblen stellt dabei in einer übertriebenen Art und Weise das Vergnügungs- und Konsumverhalten dieser Gesellschaftsgruppen in Amerika am Ende des 19. Jahrhunderts dar. Im Zentrum seiner Überlegungen steht die „Emulation Theory“, in der das Wetteifern der Schlüssel der Konsumentennachfrage ist (siehe dazu auch Petermann, 1963, S. 20; Campbell, 1990, S. 30). Die Konsumenten kaufen Produkte, weil der Konsument ihnen unterstellt, dass sie deren soziale Position verbessern. Für dieses wetteifernde Verhalten liegen nach Veblen mehrere Gründe vor (vgl. Veblen, 1899, S. 20 f.): •

Schutz oder Steigerung der persönlichen Wertschätzung. Die eigene Wertschätzung ist dabei abhängig von der Wertschätzung anderer Personen. Diese hängt wiederum von dem monetären Vermögen ab, welches dieser Person unterstellt wird. Um eine gesteigerte Wertschätzung zu erreichen, versucht der Konsument, diese monetäre Stärke nach außen darzustellen.



Genugtuung als Effekt, der auftritt, wenn man selbst mehr besitzt als ein anderes Individuum.



Erlangen von Zufriedenheit durch Vergrößerung der sichtbaren monetären Potenz und folglicher Distanzierung von Personen, die sich selbst auf der gleichen sozialen Ebene einordnen.

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Das Motiv der Selbsterhaltung, welches ein grundlegender Verhaltenszug des Menschen ist und die stärkste, wenn auch nicht immer bewusste Antriebskraft darstellt.

Status wird von Veblen als eine Eigenschaft des Kollektivs bezeichnet und der Besitz bestimmter Güter mit symbolhaftem Charakter ist vielmehr eine Gruppeneigenschaft als ein individuelles Attribut. Ein Ergebnis der oben dargestellten kontinuierlichen Prozesse ist ein stetiger Anstieg des allgemeinen Standards. Dieser hat den negativen Effekt, dass ehemals besondere Güter sehr schnell ihren „exklusiven“ Status verlieren und im Besitz vieler anderer Gesellschaftsgruppen gelangen (vgl. Veblen, 1899, S. 45). Der Teufelskreis endet damit, dass die Konsumenten schnell frustriert sind und wieder beginnen, neue Güter zu erwerben, die außergewöhnlich sind und als prestigeträchtige Symbole dienen. Dieser Kreislauf wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Individuen nicht nur den Status anderer erreichen, sondern diesen übertreffen wollen. Veblen argumentiert zudem, dass die Anhäufung von Statussymbolen und die damit verbundene Darstellung von Reichtum nicht ausreicht, um sich die gewünschte soziale Position in der Gesellschaft zu sichern. Der Soziologe zeigt hier zwei Wege auf, wie die Überlegenheit des Güterbesitzes effizient vermittelt werden kann. Zum einen ist dies mithilfe eines ausschweifenden Lebensstils möglich, der durch auffallenden Feizeitkonsum und durch nach außen getragene Vergnügungssucht („conspicuous leisure“) symbolisiert wird (vgl. Veblen 1899, S. 23 ff.). Zum anderen kann dies mittels eines ausschweifenden Konsums von Gütern geschehen, der nicht nur auf der Befriedigung von Grundbedürfnissen beruht („conspicuous consumption“). Hier kommt es nicht auf die Qualität des Produkts an, sondern es sind vielmehr die Kosten, meist verbunden mit einer gewissen Exklusivität, eines Produkts, der dem Statussuchenden einen Nutzen bringt. Die wirksamste Methode, Reichtum zu kommunizieren und sich eine soziale Stellung zu sichern, ist es, Produkte zu kaufen oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, denen durch die Gesellschaft höchste Qualität beigemessen wird und die somit das Image von Hochpreisigkeit innehaben (vgl. Veblen, 1899, S. 44). Die offensichtliche Zufriedenheit, die scheinbar mit dem Besitz eines schönen oder geschmackvollen Produkts in Zusammenhang gebracht werden kann, genügt, dass andere die damit unterstellten hohen Kosten wahrnehmen und den Besitzer bewundern, was wiederum erst zur eigentlichen Zufriedenheit des Besitzers führt (vgl. ebd., S. 45). Die beiden dargestellten Wege haben erst dann den optimalen Nutzen, wenn die Schwelle zur Verschwendung bereits überschritten ist. Sie werden als angestrebte Methoden in allen Gesellschaftsgruppen gesehen, wobei den einzelnen Einheiten ökonomische Grenzen gesetzt sind: Die Mitglieder der Gruppen können nur in dem Ausmaß die beiden Wege bestreiten, den ihr monetärer Spielraum erlaubt. Wenn die individuellen finanziellen Möglichkeiten verschwinden, beginnt der ausschweifende Konsum defensiver Natur zu werden. Es wird nicht mehr der Versuch initiiert, sozial aufzusteigen, sondern den momentanen Status in den Mitgliedschaftsgruppen abzusichern.

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Veblens Darstellungen dienten lange Zeit als Grundlage zur soziologischen Analyse des Konsumentenverhaltens. Die Erkenntnisse von Veblen – der sogenannte Veblen-Effect – wurden lange Zeit nicht bestritten, obwohl viele seiner Annahmen nicht auf empirischen Erkenntnissen beruhen. Zudem wurden in den Folgejahren keine empirischen Studien zur Bestätigung oder Widerlegung von Veblens Erfahrungen durchgeführt (vgl. Mason, 1981, S. 12).

Pierre Bourdieu Die Inhalte in Bourdieus wie auch die in Veblens Werk basieren auf Theorien, im Unterschied zu Veblen findet bei Bourdieu hingegen auch ein empirischer Bezug – der empirische Gegenstand ist die Ethnographie Frankreichs – statt. Bourdieu setzt seinen Fokus direkt auf die Beziehung zwischen Gruppenidentität als Lebensstil und dem Konsumentenverhalten (Strategie). Dabei ist bei ihm dieses Verhalten nicht im Sinne des „Nacheiferns“ wie bei Veblen zu verstehen, sondern er unterstellt einen Konkurrenzkampf sozialer Gruppen um die Gewinnung von kulturellem Kapital. „Each of these groups is engaged in a process of selfidentification in competition with other groups. Each of these also displays objective tendencies to specific lifestyles, which are, in Bourdieu´s theory, the product of class specific habitus.” (Friedman, 1994, S. 9). Jede Gruppe in der Gesellschaft versucht nach Bourdieu ihre eigenen Interessen bzw. ihr eigenes Kapital als die eigentliche Quelle für Ansehen und Status zu projizieren. Identitätsstiftung geht hier einher mit Distinktion. Da die Ausführungen von Bourdieu umfangreich sind, sollen hier besonders jene Aspekte seines Werks hervorgehoben werden, die sich auf den Konsum von Nahrungsmitteln beziehen.

Dem Soziologen gelang es in seinen Forschungen nachzuweisen, dass bei dem Konsum von Kultur Klassenunterschiede vorhanden sind. Der grundlegende Lebensstil „Habitus“ wird nach Bourdieu durch das Familienleben beeinflusst, das sich aus den drei Komponenten Einkaufsverhalten (insbesondere für Nahrung), Sozialisation und Bildung zusammensetzt. Habitus ist als Mittler zwischen den materiellen Bedingungen und den beobachtbaren Verhaltensgewohnheiten von sozialen Gruppen zu verstehen (vgl. Bourdieu, 1987, S. 299).17 Individuen versuchen hier, wie bereits Veblens Beobachtungen bestätigen, Akzeptanz der eigenen Werte durch die anderen zu erfahren. Im Zentrum des Verhaltens von Individuen steht das Kapital, welches in das kulturelle, wirtschaftliche (Reichtum) und das soziale Kapital (Netzwerke) unterteilt werden kann. Unter kulturellem Kapital versteht Bourdieu die Fähigkeit, sich gegenüber anderen Wertschätzungen behaupten zu können, d. h. in der Lage

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Im Zusammenhang mit schichttypischen Verhaltensweisen spricht Bourdieu auch von „Klassenhabitus“ (siehe dazu auch Geißler, 2002, S. 111). Habitus ist ein zentraler Begriff Bourdieus, der die Gesamtheit der Orientierungen, Einstellungen, Wahrnehmungs-, Denk- und Beurteilungsschemata zusammenfasst (vgl. ebd., S. 135).

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zu sein, sich einen akzeptierten Platz innerhalb der Gesellschaft und den sozialen Gruppen anzueignen. Das kulturelle Kapital wird wiederum beeinflusst durch den familiären Hintergrund und die Bildung. Die Folge ist, dass die Bildung die Unterscheidung zwischen sozialen Gruppen fördert, wobei in Bourdieus Augen die selber angeeignete Bildung einen höheren Stellenwert besitzt als die Bildung, die ein Individuum aufgrund der Geburt in eine hohe soziale Schicht und dem damit verbundenen sozialen Hintergrund erfährt (vgl. Bourdieu, 1987, S. 18). Dennoch geht eine hohe Ausprägung an kulturellem Kapital häufig Hand in Hand mit einer Anhäufung an wirtschaftlichem Kapital. Eine gegenteilige Ausprägung ist zu erkennen bei Individuen mit geringem wirtschaftlichen Kapital. Insbesondere bei jenen sozialen Schichten, die im Mittelfeld angesiedelt sind, besteht kein Zusammenhang zwischen diesen beiden Arten des Kapitals. Personen können hier auf wirtschaftliches Kapital verzichten, um sich kulturelles Kapital anzueignen und umgekehrt, was zur Folge hat, dass dieses Kapital vernachlässigt und der Schwerpunkt auf materielle Werte gelegt wird. Um das Vorhandensein des kulturellen Kapitals dem Umfeld sichtbar zu machen, kann das Individuum auch hier nicht auf soziale Symbole – einem System distinktiver Zeichen – verzichten, wie z. B. die Aneignung eines sozial korrekten Autos (vgl. Bourdieu, 1987, S. 287; Hall/Neitz,1993, S. 120). Obwohl das kulturelle Kapital dazu dient, sich von anderen Gruppen abzugrenzen, kann eine Zunahme des kulturellen Kapitals innerhalb von bestimmten Klassen zu einer Aufwertung des Selbstbewusstseins der Mitglieder innerhalb dieser Klasse führen. Dabei sind diese Klassen durch eine unbewusste Einheit von Habitus markiert (vgl. Bourdieu, 1987, S. 277/279). Bourdieu kritisiert in seiner Theorie den Ansatz, den Nahrungsmittelkonsum allein in Abhängigkeit vom Einkommen zu setzen. „Eine wirkliche Erklärung der Variationen, und nicht bloß, wie mit dem Engelschen Gesetz, deren Registrierung, hat die Gesamtheit der Charakteristika der sozialen Lage zu berücksichtigen, die von frühester Kindheit an (statistisch) mit dem Besitz eines mehr oder weniger hohen Einkommens verknüpft und derart beschaffen sind, dass sie den jeweiligen Verhältnissen entsprechende Geschmacksrichtungen ausbilden.“ (Bourdieu, 1987, S. 289). Bourdieu sieht die wirklichen Ursachen der Unterschiede im Gegensatz zwischen dem aus Luxus und dem aus Notwendigkeit geborenen Geschmack. Die Unterschicht grenzt sich in ihrer Esskultur dabei von den anderen Schichten besonders ab. Während bei zunehmender Schichtzugehörigkeit eine Mäßigung des Nahrungskonsums mit dem Ziel der Schlankheit stattfindet, widerspricht dies der Moral des guten Lebens aus Sicht der Unterschicht (vgl. Bourdieu, 1987, S. 292). So sind es hier fette und reichhaltige Mahlzeiten, die diese Moral in der Schicht repräsentieren, die zudem in Teilen auch bereit ist, mehr für Lebensmittel auszugeben als höhere Schichten (ebd. S. 293). Der unterschiedliche Bezug zur Nahrung beruht außerdem auf den Erwartungen gegenüber der Zukunft. Der reichhaltige Nahrungskonsum entspringt in der Unterschicht dabei der Einstellung, die günstigen

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Augenblicke auszunutzen und die Zeit so zu nehmen, wie sie kommt (ebd. S. 297). Die oberen Schichten, die bei Bourdieu auch den Titel „herrschende Klasse“ trägt, versucht ihre freie Zeit in erster Linie der Erziehung der Kinder sowie der Vermittlung kulturellen Kapitals zu widmen. Bei der Zubereitung von Speisen wird hier das Ziel der Arbeits- und Zeitersparnis bei der Zubereitung von Mahlzeiten mit dem Bedürfnis der leichten und kalorienarmen Ernährung kombiniert. Die nach diesen Kriterien zubereiteten Speisen stehen im diametralen Gegensatz zur Esskultur – hier nimmt das Kochen viel Zeit in Anspruch – der Unterschicht (vgl. Bourdieu, 1987, S. 304). Diese hält nach billigen und zugleich nahrhaften Produkten Ausschau, ganz im Gegensatz zu den höheren Schichten, bei denen, wie oben beschrieben, leichte und gesundheitsfördernde Produkte im Vordergrund stehen (vgl. ebd., S. 307).

Bourdieu setzt in seinen Überlegungen den Schwerpunkt bei der Unterscheidung von sozialen Klassen auf das kulturelle Kapital. In der oben dargestellten Zusammenfassung wurde ein Aspekt hervorgehoben: der Unterschied im Nahrungsmittelkonsum zwischen den sozialen Schichten. Während die Arbeiterklasse den Überfluss an Essen und einen vollen Tisch bevorzugt, wird das Essen mit steigendem sozialen Status exquisit und soll weniger dem Ziel der Sättigung als des Genusses folgen. Andere Soziologen wie Gans sehen Dimensionen wie Alter, ethnische Zugehörigkeit und Geschlecht als relevante Kriterien, die Einstellung und Verhalten beeinflussen. Dies zeigt, dass je nach Sichtwiese eine Vielzahl von Kriterien bei der sozialen Struktur der Gesellschaft eine Rolle spielt, die bei Bourdieu in der Gesamtheit nicht berücksichtig wird. Zudem muss einschränkend seinen Theorien hinzugefügt werden, dass Kultur nicht zwangsläufig durch wirtschaftliche Kriterien bestimmt wird und dass Schichtzugehörigkeit nicht ausreicht, um die Unterschiede im Streben nach Vergnügen und im Konsum festzustellen, “[…], gender or ethnicity or status group culture may provide an alternative basis of cultural solidarity that cuts across class distinctions“ (Hall/Neitz,1993, S. 126). Insbesondere in einer immer komplexer und individueller werdenden Gesellschaft genügt der Ansatz von Bourdieu nicht, denn in multikulturellen Situationen müssen auch andere Kriterien zur Unterscheidung von Gruppen und zur Schaffung von Solidarität, von Identität und sozialer Stellung innerhalb dieser herangezogen werden. Grundsätzlich stellt sich bei den Ausführungen von Veblen und Bourdieu die Frage, ob diese in einer modernen Gesellschaft mit steigendem Wohlstand und Massenkonsum, in der frühere Staussymbole ihre unterscheidende Kraft verloren haben, noch ihre Gültigkeit besitzen (vgl. Geißler, 2002, S. 136). Zudem kann aufgrund einer zunehmend von Individualitätstreben beeinflussten Konsumkultur angezweifelt werden, ob sich die Schichtzugehörigkeit im Konsumverhalten in der Form widerspiegelt, wie diese in den oben dargestellten Werken beschrieben wird. Zur Klärung dieser Fragen soll die Studie beitragen.

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2.2.3.2. Soziologische Interpretationen des Konsumentenverhaltens

Stellen die wirtschaftswissenschaftlichen Definitionen vielfach das Käuferverhalten als isolierte Handlung dar, so beziehen sich die soziologischen Ansätze vielmehr auf die Begründung des Käuferverhaltens (siehe dazu auch Petermann, 1963, S. 16). „Selbst wenn der Konsument als Einzelkäufer (also ohne Begleitung) auftritt, darf man ihn prinzipiell nicht als „sozial isoliert“ verstehen.“ (Bänsch, 1996, S. 96). Durch den Erwerb und den offensichtlichen Gebrauch bestimmter Güter wollen Konsumenten ihr gewünschtes Selbstimage darstellen, sich präsentieren, wie sie sich fühlen, und zugleich die sozialen Beziehungen zu ihrem Umfeld festigen (vgl. Eastman et al.; 1999, S. 42). Eine Person befindet sich nie in einer isolierten oder statischen Situation, denn jede Handlung in einem sozialen Umfeld hat eine Reaktion dieses Umfelds zur Folge. Nicht nur persönliche Merkmale sind also für das Kaufverhalten maßgebend, sondern ebenso das soziokulturelle Umfeld, wie die Familie, Freunde und Referenzgruppen (vgl. Howard/Sheth, 1969, S. 45; Kapitel 2.1, S. 26). Die Motive des Käuferverhaltens sind also nicht allein durch die Eigenschaften des Käufers bedingt, sondern werden zudem durch sein soziales Umfeld beeinflusst (vgl. Holt, 1997, S. 333). Eine dieser Einflussvariablen, die sich auf das individuelle Verhalten auswirkt, ist die Menge an kulturellen Werten, die in einer Gemeinschaft vorhanden sind (vgl. Mason, 1981, S. 20). Diese haben innerhalb einer Kultur sowohl soziale als auch ästhetische Dimensionen, die sich auf die Erwartungshaltung an Produkte auswirken (vgl. Gans, 1999, S. 92). In der Soziologie stehen dabei nicht die objektiven Beschaffenheiten des Produkts im Vordergrund, sondern die Verbrauchervorstellung und die Produktsymbolik, die letztendlich die eigentlichen Motive der Produktwahl darstellen (vgl. Blumer, 1969, S. 5). Der Konsument richtet sich an bestimmten Gruppen und an deren Normen aus und versucht durch den Kauf bestimmter Artikel zum einen Teil des sozialen Umfelds zu sein und zum anderen einen gewünschten sozialen Status zu erreichen. Durch diesen Status-Konsum, im Sinne eines imitierenden Verhaltens, will er sich ein Gefühl des Dazugehörens erkaufen, was einem Empfinden innerer Zufriedenheit gleichzusetzen ist (vgl. Eastman et al., 1999, S. 43). In Anlehnung an Eastman et al. ist Status-Konsum definiert als ein Prozess, durch den sich Individuen mit symbolhaften Produkten ihren Status gegenüber Einzelnen sowie gegenüber dem gesamten sozialen Umfeld darstellen wollen (vgl. Eastman et al.; 1999, S. 42). Produkte haben als Symbole eine MediatorFunktion innerhalb der sozialen Interaktion (vgl. Parsons, 1967, S. 360). Wie bereits dargestellt wurde, kann zwischen sozialen Einflüssen der näheren Umwelt und der weiteren Umwelt unterschieden werden (vgl. Kapitel 2.1, S. 24). Während die nähere Umwelt hauptsächlich Familie und Freunde darstellen, zählt zur weiteren Umwelt das sonstige Umfeld, in dem sich das Individuum aufhält (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 443 f.; Moschis/Churchill, 1978, S. 605).

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Schmitz unterscheidet zwei Formen des Einflusses von Bezugsgruppen auf die Kaufentscheidung (vgl. Schmitz, 1996, S. 66): •

Direkte Einflüsse sozialer Gruppen. Da die Bezugsgruppe das Verhalten des Konsumenten beeinflusst, hat sie im Folgeschritt auch Einfluss auf die Anforderungen an den Handel.



Auswirkungen sozialer Gruppen auf das Selbstbild und nachfolgend Konsequenzen für das Einkaufsverhalten.

Besonders Menschen mit geringem Selbstbewusstsein verbringen einen großen Teil ihrer Zeit mit der Nachahmung von Bezugspersonen, um Anerkennung in der Gruppe zu gewinnen (vgl. Scitovsky, 1977, S. 101; Bourdieu, 1987). Im Zusammenhang mit dem Konsum spricht man hier von Statusdenken, also dem Antrieb, durch materielle Güter den Einstieg in eine bestimmte soziale Schicht zu erlangen. Häufig wird der Besitz von Gütern gleichgesetzt mit den Leistungen, die ein Individuum vollbringt. Diesem Zusammenhang kann man auch den Folgeschluss entnehmen, dass Personen, die immaterielle Eigenschaften tragen, die Leistung symbolisieren (z. B. Titel), ein geringes Bestreben haben, ihren sozialen Status durch materielle Güter darzustellen (vgl. Belk, 1983, S. 755). Im Gegensatz dazu nutzen Personen, die diese Möglichkeit nicht haben, materielle Güter als ein Substitut für Erfolg (vgl. Chinoy, 1952, S. 459). Dieses Verhalten kann mit dem Schlagwort „kompensatorischer Konsum“ beschrieben werden (vgl. Chinoy, 1952, Belk, 1983, S. 755).

Die Wirkung von Normen auf das Einkaufsverhalten kann nicht grundsätzlich bestätigt werden. So kann auch die subjektive Interpretation der Bedeutung von Produkten ein bestimmtes Konsummuster hervorrufen (vgl. O'Shaughnessy, 1992, S. 165). Dieses Verständnis der beeinflussenden Faktoren des Konsumentenverhaltens würde somit auch bedeuten, dass das Käuferverhalten nicht durch die sozialen Milieus, sondern einzig von der individuellen geistigen Haltung beeinflusst wird. Ein vollkommen individuelles und von dem gesellschaftlichen Umfeld abgekoppeltes Konsumentenverhalten erscheint jedoch zum einen höchst unrealistisch, zum anderen wäre jede gesellschaftliche Ordnung nichtig (vgl. O'Shaughnessy, 1992, S. 166). Die symbolischen Unterschiede der Konsummuster sollen vielmehr als Methode der Abgrenzung gegenüber anderen sozialen Gruppen dienen, die die Zuordnung zu bestimmten Gruppen im Gegenzug unterstützt und soziale Positionen stärkt. Diese Abgrenzung ist in Anlehnung an Holt (1997) aus zwei Gründen von zentraler Bedeutung: •

Lebensstile werden gestützt durch gemeinsame Konsummuster (siehe dazu Kapitel 3.2.2.5, S. 107 ff.).



Konsummuster unterscheiden sich in dem Grad, wie sie die Aufstellung von symbolischen Grenzen unterstützen. Einige Muster sind ein zentrales Medium zur Darstel-

46

lung der Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Gruppen (ethnische Zugehörigkeiten, Geschlecht etc.).

Als eine Form der Zusammenfassung der oben genannten soziologischen Aspekte kann eine an die „Exchange Theorie“ von Peter M. Blau (1964, S. 88 ff.) angelehnte Umschreibung des Käuferverhaltens herangezogen werden. So sind hier die wichtigsten Aspekte dieser Umschreibung aufgeführt (vgl. O'Shaughnessy, 1992, S. 157)18: •

Konsumenten kaufen die Marken, die für die geringsten Kosten die größte Belohnung einbringen.



Konsumenten kaufen unter gleichbleibenden Bedingungen wiederholt die Produkte, die einen positiven Effekt hervorgebracht haben.



Das Einkaufen in den gleichen Einkaufsstätten, die einen positiven Effekt hervorgebracht haben, bringt ein dem Einkaufen in der Vergangenheit ähnliches Konsumentenverhalten hervor.



Wiederholungskäufe werden nur getätigt, wenn diese positive Effekte herbeiführen.



Der Konsument zeigt Emotionen, wenn in Einkaufsstätten die Marke, die in der Vergangenheit einen positiven Effekt hervorgebracht hat, nicht auffindbar ist (Out-ofStock-Situation).



Je größer die Anzahl an Konkurrenzprodukten, desto geringer die Markentreue.



Je weniger der Konsument mit einer Marke zufrieden ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Konkurrenzprodukte erwirbt.

Eine Art des Konsums, der bei den oben genannten Formen auftreten kann, ist der demonstrative Konsum (siehe dazu Kapitel 2.2.3.1, S. 40 ff.). Die Familie als das nähere Umfeld des Konsumenten hat zwar einen starken Einfluss auf das Kaufverhalten, allerdings ist der demonstrative Konsum hier eher zu vernachlässigen. Anders ist dies bei Peer Groups, die zwar außerhalb des Familienkreises angesiedelt sind, aber dennoch dem näheren Umfeld des Individuums zugeordnet werden können. Moschis und Churchill konnten nachweisen, dass Peer Groups insbesondere soziale Motivationen und materialistische Hintergründe von Individuen beeinflussen (vgl. Moschis/Churchill, 1978, S. 604). Folglich ist bei der Kommunikation mit diesen Gruppen der symbolische Hintergrund von Produkten zentraler Produktbestandteil. Besonders Personen, die ein sehr unsicheres Selbstbild haben, orientieren sich gerne an Peer Groups. Individuen versuchen in der Gesellschaft einen bestimmten Platz einzunehmen und haben oftmals den Drang, in höherliegende soziale Schichten einzudringen (vgl. Kapitel 2.1, S. 27).

18

Der englische Begriff „Reward“ wurde hier mit „positiver Effekt“ übersetzt.

47

2.2.4. Das Konsumentenverhalten der Türken in Deutschland

Während in den USA die Vielzahl der dort sesshaften ethnischen Gruppen schon in den 70er-Jahren in Werbeansprachen berücksichtigt wurde, steckt die Erforschung des Konsumentenverhaltens von ethnischen Minderheiten in Deutschland noch in den Kinderschuhen (vgl. Kazim, 2006). Dabei ist das Konsumpotenzial dieser Subkulturen in Deutschland enorm hoch. Nahezu 7 Millionen Ausländer leben in Deutschland, die größte ethnische Minderheit sind die Deutschtürken. Sie bilden eine kaufkräftige Zielgruppe, was von den meisten deutschen Unternehmen viel zu spät oder noch gar nicht erkannt worden ist. Von den 15,5 Milliarden Haushaltseinkommen der Deutschtürken entfallen 12,3 Milliarden Euro auf den Konsum (vgl. Kraus-:H\VHU8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 8). Umfragen zufolge kauft diese Gruppe zudem größere Mengen ein. Dies lässt sich durch die Haushaltsgröße begründen: während ein durchschnittlicher deutscher Haushalt aus 2,2 Personen besteht, leben in einem deutschtürkischen Haushalt 3,4 Personen (vgl. Valiente/Yetgin, 2006, S. 63). Auch wenn Ausländer teilweise schon in der dritten Generation in Deutschland leben und sich ihre Werte und die Konsumeinstellung dem deutschen Standard angepasst haben, bleibt vielfach noch ein gewisser Stolz über Nationalität und Herkunft zurück.19 Somit befindet sich diese ethnische Minderheit in Deutschland häufig an den Schnittpunkten zwischen der eigenen dominanten Kultur des Landes und der eigenen traditionellen Gruppenkultur (vgl. Hofstede, 1993, S. 30). Studien haben gezeigt, dass das Konsummuster von ethnischen Minderheiten, unabhängig von der sozialen Schicht, der sie angehören, von denen anderer Gemeinschaften abweichen kann (vgl. Hall/Neitz, 1993, S. 220). Dabei kann besonders die Gruppe der Deutschtürken nicht als homogene Gesamtheit gesehen werden. Das Konsumentenverhalten dieser Zielgruppe hängt oft von der Generation ab, was Tab. 5 veranschaulicht. Obwohl sich diese Darstellung auf die deutschtürkische Zielgruppe bezieht, kann eine Abgrenzung der grundsätzlichen Motive und des Verhaltens aufgrund der Aufenthaltsdauer in einem aus ihrer Sicht fremden Land durchaus auf andere Subkulturen in Deutschland übertragen werden.

19

Gemäß der Studie „Türken in Deutschland II“ fühlen sich dabei immer noch 69 Prozent der Türken in Deutschland als Bürger zweiter Klasse. So sind diese zwar mit dem Leben überwiegend zufrieden, dennoch herrscht die Überzeugung vor, zu einer benachteiligten Bevölkerungsgruppe zu gehören (vgl. Wilamowitz-Moellendorff, 2002, S. 8).

48

Alter Anteil an Deutschtürken Integration Bildung Einstellung Familienbildung Türkeibindung Konsumverhalten Kommunikationsverhalten Einstellung zur Werbung

1. Generation

2. Generation

3. Generation

> 45 Jahre

20-40 Jahre

1-20 Jahre

ca. 30%

ca. 40%

ca. 30%

niedrig

hoch

hoch

niedrig

hoch

hoch

konservativ, traditionell

liberal, zielgerichtet oder konservativ

individualistisch 50% konservativ 50%

niedrig

hoch

hoch

hoch

mittel

gering

sparsam, familienbezogen

stark kritisch, familienbezogen

konsumfreudig

konservativ

Tendenz zur Mobilität

offen für Trends

positiv, kritisch

positiv, kritisch

positiv, kritisch

Tab. 5: Generationenvergleich bei Deutschtürken (vgl. Tulay und Kollegen; Lab One, 2001, in: Kraus-Weysser/8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 46; Kielmann, 2004, S. 35)

Bei den Deutschtürken der zweiten und dritten Generation ist bereits eine sehr hohe Integration zu erkennen. Da sich die kulturelle Assimilation bei ethnischen Minderheiten auf das Konsumentenverhalten auswirkt, ändern diese oftmals in Abhängigkeit von der Aufenthaltsdauer ihre Konsummuster (vgl. Reilly/Wallendorf, 1983, S. 735). Allerdings ist auch die Familienbindung bei diesen beiden Gruppen groß (vgl. Aygün, 2005, S. 43). Diese Kombination erschwert eine Pauschalisierung ihres Verhaltens im Konsum. Zum einen werden die soziale Einheit betreffende Ziele wichtiger erachtet als die persönliche Selbstentfaltung, zum anderen schwanken besonders die jüngeren Deutschtürken der dritten Generation in ihrer Verhaltens- und Werteorientierung zwischen den beiden Polen Individualismus und Familienorientierung (ebd., S. 77 f.). Übertragen auf den Konsum kann dies ein Pendeln zwischen einem individualorientierten Bezug zu Markenprodukten und einem konservativen Konsumverhalten mit Orientierung an der eigenen sozialen Einheit bedeuten. Während in einigen Bereichen die lokalen Konsummuster aufgenommen werden, wird hingegen in anderen Kategorien mit Produkten aus dem Heimatland die Herkunft der Familie betont. Teilweise kann hier sogar von einer „Überidentifikation“ bzw. einer „Hyperidentifikation“ gesprochen werden (vgl. Mehta/Belk, 1991, S. 409). Eine Einschränkung des Konsumentenverhaltens von ethnischen Minderheiten auf Basis soziodemographischer Daten hat nur eine eingeschränkte Aussagefähigkeit. Eine repräsen-

49

tative Grundlagenstudie von Lab One und der GIM20 teilt aus diesem Grund die Deutschtürken in fünf Lifestyle-Typen ein:

Skeptiker; 15%

Konservative; 21%

Intellektuelle; 10%

Bikulturelle; 26%

Materialisten; 28%

Abb. 14: Aufteilung der Deutschtürken in fünf Lifestyle-Segmente (vgl. Lab One; GIM, in: Kraus-:H\VHU8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 67)

Die in Abbildung dargestellten fünf Lifestyle-Segmente können folgendermaßen definiert werden: Konservative: Diese Gruppe führt ein sehr familienorientiertes, bescheidenes Leben. Sehr hohe türkische Identität mit Betonung bewährter Sitten und des Ehrgefühls. Skeptiker:

Freundschaft hat einen hohen Stellewert. „Fun“-orientierte, markenbewusste Gruppe, die jedoch eher intolerant und unangepasst ist, sich aber dennoch keiner Nationalität eindeutig zugeordnet fühlt.

Bikulturelle:

Markenbewusste Gruppe, die sozial tolerant ist und sich durch eine hohe Integrationsbereitschaft auszeichnet. Liberales und geistig offenes Segment.

Materialisten: Sehr status- und besitzorientierte, markenbewusste Zielgruppe. Obwohl eine hohe Anpassungsbereitschaft vorliegt, wird Wert auf die türkische Identität gelegt. Zum Teil streng gläubige Muslime sind in diesem Segment zu finden. Intellektuelle: Geistig offen und sehr nach Individualität strebendes Segment, das sich durch geringen Patriotismus zur Türkei und einem hohen Gesundheitsbewusstsein auszeichnet. Betrachtet man die Gruppen der markenbewussten Deutschtürken, so spricht man mit der Zusammenfassung der Skeptiker, der Bikulturellen und der Materialisten von 69 Prozent der gesamten deutschtürkischen Zielgruppe. So sind die Ergebnisse von Studien nicht verwunderlich, dass Deutschtürken ein grundsätzlich höheres Markenbewusstsein haben als die 20

Gesellschaft für innovative Marktforschung, Heidelberg-Berlin-Moskau.

50

Deutschen. Besonders bei Produkten des täglichen Lebens sind 56 Prozent der Deutschtürken besonders anspruchsvoll, während diese Aussage nur 18 Prozent der Deutschen bestätigen können (vgl. Kielmann, 2004, S. 52). Eine Aufteilung in ähnliche Segmente kann bei anderen ethnischen Subkulturen in Deutschland unterstellt werden, denn häufig sind die verbindenden Faktoren, die solche Gruppen auszeichnen, ähnlich. Diese sind in erster Linie: gemeinsame Kultur, die Herkunft bzw. Sprache, das Gefühl der Randgruppe, die Familienkultur, Gemeinsamkeiten in der Freizeitgestaltung, Symbole und auch religiöse Feiertage (vgl. Kielmann, 2004, S. 47). Eine symbolische Ethnizität ist besonders bei den Nachfolgegenerationen ethnischer Einwanderer zu erkennen. Durch den Kauf von Produkten, die dazu geeignet sind, die ethnische Identität zu stärken und sichtbar zu machen, versuchen sich diese von anderen Mitgliedern der Gesellschaft zu unterscheiden (vgl. Wilken, 2004, S. 21). Kurzlebige Konsumgüter sind häufig sehr eng mit der Kultur verbunden, denn sie spiegeln Geschmack, Rituale und Bräuche am ehesten wider (vgl. ebd., S. 50). Bei der Betrachtung der dargestellten Segmente darf nicht vergessen werden, dass bei den Türken, aber auch bei vielen anderen ethnischen Minderheiten in Deutschland die Familie der Dreh und Angelpunkt der Wertevorstellungen ist (vgl. Kraus-:H\VHU8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 74; Wilamowitz-Moellendorff, 2002, S. 10). Die Verwandtschaft ist somit eine wichtige Instanz bei der Überprüfung der Einhaltung von Werten und Normen wie auch bei der Beeinflussung des Konsums von Produkten. Die geschlechtsspezifische Rollenverteilung hat besonders bei ethnischen Minderheiten wie den Deutschtürken eine Auswirkung auf deren Sozialstruktur. Während die Männer für die Außenwelt zuständig sind und die sozialen Kontakte zur Gesellschaft pflegen, obliegt den Frauen meist die Aufgabe der Haushaltsführung. Allerdings hat sich hier die Rolle der Frau in der zweiten und besonders in der dritten Generation bereits grundlegend geändert. Türkische Teenager, aber auch Gleichaltrige anderer ethnischer Minderheiten zeigen inzwischen unabhängig von der Geschlechterrolle einen Trend zur „doppelten Sozialisation“: Im täglichen Umgang mit der Mehrheitsgesellschaft werden deren Werte und Normen übernommen, die nach eigener Einschätzung harmlos und angenehm sind, wie etwa Konsumgewohnheiten oder Lebensstil. Andere, die in Konflikt mit den zentralen Werten der eigenen Ethnie stehen, werden ignoriert (vgl. Kraus-Weyser/8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 81). Der Konsum von Lebensmittelprodukten eignet sich besonders, diesen Effekt zu analysieren, denn insbesondere dieser Bereich ist auch bei ethnischen Kulturen in fremder Umgebung an die Werte und Normen dieser gebunden (vgl. Reilly/Wallendorf, 1983, S. 736).

Im deutschen Handel kann man in jüngster Zeit Ansätze erkennen, in denen die Ausrichtung auf Kundensegmente durch das allgemeine Gesellschaftsbild des Landes beeinflusst ist. Auch in den Marketingabteilungen der Unternehmen hat sich das Bewusstsein etabliert, dass

51

in den meisten Fällen nicht die Einstellung der Verbraucher eines ganzen Landes zur Diskussion steht. Es wird innerhalb eines relevanten Marktes nach abgegrenzten Zielgruppen geforscht. Es gibt keine Masse an Konsumenten, denn gewisse Produkte und Marken werden nur von bestimmten Konsumentenschichten bevorzugt (vgl. Sauermann, 1980, S. 51). Das Verständnis für ethnische Minderheiten als weiteres wichtiges Segment neben den verschiedenen Konsumtypen ist hingegen noch gering. „Thus, for the marketing practitioner, the consumption patterns of new immigrants are sufficiently different and their numbers are sufficiently large that they cannot be treated as marginal populations.” (Venkatesh, 1995, S. 35). Die wenigen praktischen Beispiele in der Vergangenheit, wie die gezielte werbliche Ansprache von ethnischen Minderheiten durch die DaimlerChrysler AG oder Volkswagen AG, haben gezeigt, dass durch eine Berücksichtigung dieser Gruppe in der Werbung und am Point of Sale (POS) das Selbstwertgefühl dieser Konsumentengruppe gesteigert wird (vgl. Anhang). In anderen Produktbereichen wie bei Lebensmitteln wird eine gezielte Ansprache ethnischer Minderheiten bis dato nur sehr vereinzelt durchgeführt. Beispielsweise präsentieren Discounter wie Lidl (Lebensmittel) und kik (Textilien) in türkischer Sprache ihre Wochenangebote in der Zeitung Hürriyet (vgl. Anhang). Große Verbrauchermärkte wie REAL bieten auf einer Regalfläche von drei Metern rund 90 verschiedene türkische Produkte an (vgl. Aygün, 2005, S. 26). Hinter diesen Anspracheversuchen an die Deutschtürken als größte ethnische Minderheit in Deutschland sind jedoch keine klaren und strukturieren Marketing- und Vertriebskonzepte erkennbar. Die Forschungsarbeit soll hier einen Beitrag leisten, weitere Erkenntnisse über das Konsumentenverhalten der Deutschtürken im Lebensmittelhandel zu ziehen und somit die Grundlage für Strategien zur gezielten Konsumentenansprache darstellen.

52

3. Erklärende Theorie und Wirkungszusammenhänge 3.1. Grundlegende Modelle zum Konsumentenverhalten

Nachdem im ersten Kapitel eine Erläuterung der Problemstellung und Zielsetzung dieser Forschungsarbeit erfolgt ist und der zweite Abschnitt in die zum Verständnis der theoretischen Überlegungen notwendigen Grundlagen eingeführt hat, werden im Folgenden die Wirkungszusammenhänge beschrieben, die es im Rahmen dieser Arbeit zu berücksichtigen gilt.

Um den Konsumenten durch kundenorientierte Maßnahmen gewinnen zu können, ist eine genaue

Kenntnis

der

den

Konsum

beeinflussenden

Merkmale

notwendig

(vgl.

Schmitz/Kölzer, 1996, S. 55). Zum theoretischen Verständnis des Kaufverhaltens und dessen Einflussfaktoren helfen hier Modelle. Im Laufe der Zeit wurden diverse Ansätze unterschiedlicher Komplexität entwickelt (vgl. Heinemann, 1976, S. 43). Diese können auf folgende Weise grob gegliedert werden (vgl. Kassarjian, 1971, S. 409 ff.; Meffert, 1992, S. 24): •

Psychoanalytische Theorien, die zum großen Teil durch die Erkenntnisse Freuds beeinflusst werden;



Soziale Theorien, die sich insbesondere mit dem Streben des Menschen nach Überlegenheit befassen;



Stimulus-Response-Theorien, die sich mit dem reagierenden Verhalten von Menschen auf bestimmte Schlüsselreize beschäftigen;



Faktor-Theorien, die bestimmte persönliche Eigenschaften zu Faktoren, die sich auf das Verhalten auswirken, zusammenfassen;



Theorien zum Selbstkonzept, die Aufschluss über die Beziehung zwischen Produktimage und Selbstimage geben;



Lebensstiltheorien.

Die Abgrenzung dieser Theorien ist oftmals nur schwer möglich, da sich diese vielfach auf sich überschneidende Themengebiete beziehen. Im Laufe der Zeit wurden so auch weitere Theorien entwickelt, die keiner der oben genannten Rubrik genau zugeordnet werden können (vgl. Kassarjian, 1971, S. 414). Die Analyse des Konsums innerhalb von Kulturen und Subkulturen berücksichtigt grundsätzlich die Wirkungszusammenhänge zwischen Objekten, die durch einen industriellen Prozess erzeugt werden, der Auswahl an Institutionen, die solche Produkte in großen Mengen distribuieren und den sozialen Gruppen, die diese Objekte auf kreative und transfunktionelle Weise gebrauchen (vgl. Gottdiener, 1985, S. 979). Trotz der Unterschiede im Detaillierungsgrad der verschiedenen Theorien haben diese insbesondere in einem Punkt ein gemeinsames Verständnis: die hohe Komplexität des menschlichen Entscheidungsprozesses (vgl. Brody/Cunningham, 1968, S. 51). Beim Produktkauf beeinflusst eine Reihe von Faktoren unterschiedlicher Gewichtung die Entscheidung für ein be53

stimmtes Produkt. Diese Faktoren können grundsätzlich in vier Kategorien strukturiert werden (vgl. Brody/Cunningham, 1968, S. 51): •

Persönliche Faktoren, wie z. B. das Selbstbewusstsein;



Faktoren des sozialen Systems, wie die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen;



Exogene Variablen, wie der Preis des Produkts oder der Service am Einkaufsort;



Faktoren der Risikominimierung, wie z. B. durch Markenprodukte.

Die Informationsverarbeitung des Konsumenten am POS erfolgt mittels nachstehender Strategien (vgl. Weinberg, 1981, S. 66): •

Brand Processing: Überprüfung der Produktalternativen anhand mehrerer Eigenschaften;



Attribute Processing: Überprüfung einer Eigenschaft bei allen Produktalternativen, dann der nächsten Eigenschaft usw..

Nach welcher dieser beiden Strategien grundsätzlich vorgegangen wird, kann durch bestehende Forschungsergebnisse nicht eindeutig festgelegt werden. Es scheint jedoch wahrscheinlich, dass Konsumenten, die bestimmte Produkteigenschaften wie Marke oder Preis als zentrale Kaufkriterien sehen, vorhandene Produktalternativen zunächst nach diesen beiden Eigenschaften beurteilen und somit die Strategie des Attribute Processing wählen (vgl. Weinberg, 1981, S. 66). Zur verhaltenswissenschaftlichen Erklärung dieser individuellen Kaufentscheidungsprozesse können Strukturmodelle herangezogen werden. Das zweite Kapitel hat hier gezeigt, dass zum Verständnis der inneren Motiv- und Einstellungsstruktur des Konsumenten Verhaltensmodelle (S-O-R-Modelle21) herangezogen werden müssen. Der allgemeine Vorteil dieser Erklärungsmodelle liegt in der strukturierten Darstellung extensiver Entscheidungsprozesse der Konsumenten. Sie sind meist äußerst komplex und vereinen die empirischen Befunde unterschiedlicher Forschungsrichtungen (vgl. Weinberg, 1981, S. 68). Deren Komplexität beinhaltet allerdings den Nachteil, dass diese Strukturmodelle nicht hinreichend prüfbar formuliert werden und somit keine empirische Bestätigung der Modelle in ihrer Gesamtheit vorhanden ist. Nachfolgend sollen einige dieser komplexen Modelle dargestellt werden, die den Kaufentscheidungsprozess in ein theoretisches Konstrukt einordnen.

Howard und Sheth (1969, S. 30 ff.; siehe dazu auch Bänsch, 1996, S. 125) haben einen Versuch zur Erklärung des Kaufverhaltens mit einem S-O-R-Modell unternommen. Ihr Modell gilt als das am häufigsten zitierte Totalmodell (vgl. Weinberg, 1981, S. 70)22. Die Stimuli in diesem Modell beziehen sich auf kaufrelevante Variablen, die eine psychische Reaktion des Konsumenten und letztendlich ein Kaufverhalten bedingen. Die kaufrelevanten Stimuli (Inputvariablen) sind nach Howard und Sheth zum einen signifikante und symbolische Produkt-

21 22

Stimulus-Organism-Response. Eine Darstellung des Modells ist im Anhang ersichtlich.

54

informationen wie Qualität, Preis und Verfügbarkeit, zum anderen Informationen aus dem sozialen Umfeld des Konsumenten (siehe dazu Meffert, 1992, S. 99). Welche der gegebenen Stimuli den Konsumenten beeinflussen oder Aufmerksamkeit bei diesem erzeugen, ist abhängig von der Einstellung gegenüber den Informationsquellen aus dem Umfeld und den gegebenen Produktinformationen (vgl. ebd., 1992, S. 99). Die Persönlichkeitsmerkmale des Konsumenten oder auch dessen Lebensstil werden in dem Modell nicht berücksichtigt. Die fünf Output-Größen sind die Variablen Aufmerksamkeit, Markenverständnis, Einstellung, Vorhaben und Kauf. Zwischen den Input- und Outputvariablen ist ein komplexes Geflecht an hypothetischen Konstrukten vorhanden, welche in zwei Klassen eingeteilt werden können: die wahrnehmenden und die lernenden Konstrukte, die folgende Dimensionen beinhalten: •

Motive und Vorhaben,



Markenverständnis und Kenntnis über Markeneigenschaften,



Einstellung,



Vertrauen und



Zufriedenheit.

Auf die komplexen Zusammenhänge zwischen diesen Variablen soll an dieser Stelle noch nicht eingegangen werden. Letztendlich wirken sich die Inputvariablen auf die Einstellung als Konstrukt zur Einordnung von Marken und ihrer Fähigkeit zur Motiverfüllung und auf die Kaufabsicht (Organismus) aus. Dies führt schließlich zum Kauf oder zum Nichtkauf des Produkts. Ziel ist es, Befriedigung durch die Erfüllung von Erwartungen, also durch den Kauf, zu empfinden. Obgleich das Modell als wertvolle verhaltenswissenschaftliche Orientierungshilfe dient, erntet es in der Literatur Kritik, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Persönlichkeitsmerkmale des Konsumenten nicht berücksichtigt werden. Das Modell trifft hierzu die Annahme, dass diese während des Kaufprozesses zu einem bestimmten Zeitpunkt konstant bleiben (vgl. Howard/Sheth, 1969, S. 58). Dabei ist die Einteilung mittels exogener Variablen zentraler Bestandteil der Konsumentensegmentierung. Zudem sind die im Modell dargestellten Zusammenhänge der inneren Konstrukte zu komplex, um diese empirisch überprüfen zu können. Obwohl bereits zahlreiche Ansätze der Vereinfachung in der Literatur vorhanden sind, soll aus den oben genannten Gründen in dieser Arbeit Abstand von diesem Erklärungsansatz genommen werden. Diese Entscheidung wird dadurch gestützt, dass bereits durchgeführte Studien nur mangelhafte Ergebnisse hervorgebracht haben, da die Messbarkeit der meisten Stimulus-Variablen nicht möglich ist (vgl. Kassarjian, 1971, S. 411; Meffert, 1992, S. 101; Bänsch, 1996, S. 129 f.).

Im Unterschied zu dem Modell von Howard und Sheth berücksichtigt der Ansatz von Carman die Variable Lebensstil und die damit verbundenen Werthaltungen (vgl. Carman, 1978, S. 405). Carman unterscheidet in seinem Ansatz die instrumentellen Werte von den Zielwer55

ten.23 Diese befinden sich auf einem hohen Abstraktionsniveau, indem sie den allgemeinen Lebensstil beeinflussen und weniger als direkte Einflussfaktoren des Kaufverhaltens gesehen werden können. Des Weiteren werden in Carmans Modell sozioökonomische und soziodemographische Faktoren wie auch der Lebenszyklus als indirekte Einflussgrößen auf den Lebensstil berücksichtigt. Ein Fortschritt gegenüber dem Modell von Howard und Sheth ist zudem die Erkenntnis, dass zwischen dem Lebensstil und den Subkulturen, in denen sich das Individuum befindet, ein ständiger Rückkopplungsprozess stattfindet. So wird zum einen der Lebensstil gemäß den gesellschaftlichen Gruppen gewählt, in denen das Individuum Mitglied ist, zum anderen haben die grundlegenden Überlegungen im zweiten Kapitel gezeigt, dass sich der Lebensstil auch an anderen Gruppen orientieren kann, was wiederum einen Rückkopplungseffekt auf die individuellen Werte und Einstellungen erzeugt (vgl. Kapitel 2.1, S. 24). Der von den Werten und den umgebenden Subkulturen abhängige Lebensstil wirkt sich auf die Wahrnehmung von Produkten und Marken sowie auf die Anforderungen an deren Eigenschaften aus. Diese beiden Faktoren beeinflussen schließlich die Einstellungen gegenüber der Marke und das Kaufverhalten. Ferner berücksichtigt Carman in seinem Modell die direkten Zusammenhänge zwischen den soziodemographischen und -ökonomischen Kriterien und der Markenwahrnehmung. So haben die beobachtbaren Variablen einen Doppeleffekt auf das Konsumentenverhalten, indem sie zum einen direkt und zum anderen indirekt über den Lebensstil und den damit verbundenen Werten und Einstellungen wirken (vgl. Carman, 1978, S. 406). Kritisch muss hingegen Carmans Ansatz werden, indem die Werte und der Lebensstil als eigenständige Faktoren in das Modell integriert werden. Hier scheint es sinnvoller, diese beiden Größen als ganzheitliches Konzept zu sehen, in dem die Werthaltungen Teil des Lebensstil sind (siehe dazu auch Kahle et al., 1986). Zudem wurde keine empirische Überprüfung des Modells durchgeführt und die im Modell postulierten Wirkungszusammenhänge sind somit nicht bestätigt worden.24

Ein weiteres bekanntes Strukturmodell des Konsumentenverhaltens, welches zudem viele Aspekte des bereits beschriebenen Erklärungsansatzes von Howard und Sheth beinhaltet, ist das Modell von Engel, Blackwell und Kollat (vgl. Engel et al., 1978, S. 32).24 Dieses Modell geht davon aus, dass der Ausgangspunkt von Entscheidungsprozessen ein Mangelempfinden bzw. ein Bedürfnis ist (vgl. ebd., S. 18). Der Kauf bestimmter Produkte dient somit dem Schließen der Lücke zwischen dem Istzustand und dem Idealzustand. Dabei werden Informationen hochgradig selektiv verwertet mit der Folge, dass es zu Informationsverlusten und -verzerrungen kommt. Die Merkmale „evaluative criteria“ – wie z. B. der Preis –, die zur 23

Die Aufteilung der Werte in die beiden Kategorien erfolgt hier in Anlehnung an die „List of Values“ von Rokeach. Während die instrumentellen Werte Eigenschaften wie „unabhängig“ und „ambitioniert“ beinhalten, beziehen sich die Zielwerte auf Zustände wie „ein komfortables Leben“ oder „Freiheit“ (für nähere Erläuterungen sei auf Rokeach, 1973 verwiesen). 24 Eine Darstellung des Modells ist im Anhang ersichtlich.

56

Beurteilung eines Produkts bei der Informationsaufnahme herangezogen werden, sind äußerst resistent gegenüber Marketingaktivitäten (vgl. ebd., S. 27). Die Stärke dieser Selektion im Rahmen der Informationssuche hängt dabei von den Informationskosten und dem antizipierten Informationsnutzen ab (vgl. Meffert, 1992, S. 97). Gemäß Engel et al. erreicht der Konsument schließlich Zufriedenheit, wenn die gewählte Produktalternative konsistent mit seinen Werten und Einstellungen ist (vgl. Engel et al., 1978, S. 31). Im Unterschied zu den oben genannten Modellen ist das Modell von Engel et al. der Ansatz mit dem höchsten Detaillierungsgrad. Dennoch ist auch dieses Modell in vielen Aspekten nur oberflächlich. Auch hinsichtlich der empirischen Durchführbarkeit kann bis dato nur beschränkt eine Aussage getroffen werden, da – im Gegensatz zu dem Modell von Howard und Sheth – noch keine hinreichende Überprüfung stattgefunden hat (vgl. Bänsch, 1996, S. 135). Dennoch haben die Totalmodelle, die von Engel und Blackwell in Kooperation mit anderen Forschern erstellt worden sind, die Eigenschaft, dass sie durch sukzessive Vereinfachung neben der Erklärung extensiver Kaufentscheidungen auch für habitualisierte und limitierte Prozesse herangezogen werden können (vgl. Weinberg, 1981, S. 74). So bietet das Totalmodell von Engel, Blackwell und Miniard eine strukturierte Basis zur Darstellung des zugrunde liegenden Modells dieser Studie (vgl. Blackwell et al., 2001, S. 70 ff.).25 Dieses Modell gibt einen Bezugsrahmen, der die beobachtbaren und die nichtbeobachtbaren Einflussgrößen des Konsumverhaltens in Beziehung setzt. Dennoch sollen einige Aspekte sowohl in Anlehnung an das Modell von Carman als auch aufgrund der gegebenen sozial- und wirtschaftwissenschaftlichen Relevanz (z. B. der Einfluss der ethnischen Zugehörigkeit) hinzugefügt werden, die für die Zwecke dieser Studie als sinnvoll erachtet werden. So setzen bei den beobachtbaren Einflussgrößen Blackwell et al. einen Fokus auf die sozialen Einflüsse, die auf das Konsumentenverhalten wirken, berücksichtigen dabei jedoch nicht, dass die soziale Beeinflussbarkeit eines Individuums von psychischen Komponenten abhängig ist wie z. B. dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung oder auch der Selbstsicherheit (siehe dazu. Blackwell et al., 2001, S. 72).26

Totalmodelle ermöglichen einen verhaltenswissenschaftlichen Überblick über den Kaufentscheidungsprozess, werden aber dem praktischen Anspruch der empirischen Überprüfbarkeit nicht gerecht. Vielmehr liefern die von Engel et al. und Carman angestellten Überlegungen die theoretische Grundlage für die Ableitung eines für die Zwecke dieser Forschungsarbeit relevanten theoretischen Modells. Des Weiteren bezieht sich dieses Modell und die dar25

Das CDP, „Consumer Decision Process“-Modell, von Blackwell, Engel und Miniard stellt eine Weiterentwicklung des Modells von Engel, Blackwell und Kollat dar. 26 Engel et al. identifizieren hier zwei Einflussgrößen aus dem Umfeld des Konsumenten. Dies sind zum einen die Normen, die vom Konsumenten eingehalten werden, zum anderen die wahrgenommenen gesellschaftlichen Umstände, wie beispielsweise die allgemeine wirtschaftliche Lage (vgl. Engel et al., 1978, S. 29).

57

auf zugrunde liegende Forschungsarbeit nur auf einen bestimmten Handelskanal und auf ausgewählte Produkte – dem Lebensmitteleinzelhandel und den dort angebotenen Gütern. Das folgende S-O-R-Modell stellt die grundlegenden Zusammenhänge detailliert dar:

Sozioökonomische und soziodemographische Faktoren Lebenszyklus Geschlecht

Soziale Schicht Einkommen Bildung Beruf

Soziales Umfeld Ethnische Zugehörigkeit Marketingaktivitäten von Industrie und Handel

Werthaltungsebene Kognitiver Kaufentscheidungsprozess

Konsumspezifische Werte

Aktuelles Selbstkonzept

Involvement

Einstellungen

Bedürfnisse

Motive Produktwahl

Ideelles Selbstkonzept

Verhaltensebene

Einkaufsstättenwahl

Produktwahl

Informationsaufnahme Marke Preissetzung Leistungstransparenz

Bewertungskriterien

Einkaufsstättentreue

Psychographie (Lebensstil)

Abb. 15: Neobehavioristisches Modell im Rahmen der Studie (eigene Darstellung in Anlehnung 27 an Blackwell et al., 2001, S. 81; Carman, 1978, S. 405)

Das oben dargestellte Modell wurde in Anlehnung an die zuvor beschriebenen Überlegungen von Engel et al. und Carman (siehe dazu Blackwell et al., 2001, S. 70 ff.; Carman, 1978, S. 405) erstellt. Der hohe Detailgrad, der insbesondere in dem Modell von Blackwell et. al. vorhanden ist, wird in dieser Studie nicht beibehalten und aus diesen Gründen in Teilbereichen reduziert. Die Kriterien für die Reduzierung des Komplexitätsgrads der zugrunde lie27

Wirkungszusammenhänge, deren Existenz angenommen werden kann, die aber nicht im Fokus der theoretischen und empirischen Überlegungen stehen, sind durch schraffierte Pfeile markiert. Dies sind, mit Ausnahmen des Einflusses der „Marketingaktivitäten von Industrie und Handel“, Rückkopplungseffekte.

58

genden Totalmodelle waren folgende (vgl. hierzu Weinberg, 1981, S. 84 ff.; Meffert, 1992, S. 28; Trommsdorff, 1998, S. 27): •

Die Totalmodelle von Blackwell et al. und Carman sind in ihrer Gesamtheit empirisch nicht testbar und haben somit keine unmittelbare praktische Bedeutung.



Die Modelle sind weder widerspruchsfrei noch pragmatisch. Somit ergab sich der Anspruch für das theoretische Modell dieser Studie, eindeutige Wirkungszusammenhänge zu erstellen.



Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Einflüssen sind nicht eindeutig festgelegt.



Die Ursprungsmodelle haben eher den Effekt einer graphischen Gliederung als den einer geschlossenen Theorie des Konsumentenverhaltens.



Das Modell von Blackwell et al. geht davon aus, dass der Konsument grundsätzlich rationell denkend ist und sich bei dem Kauf von Produkten generell Informationen einholt (vgl. Zaichkowsky, 1985, S. 341). Die Informationsaufnahme im Rahmen des Modells dieser Studie beschränkt sich, angelehnt an die „Attribute Processing“Informationsverarbeitungsstrategie, auf wenige zentrale Produkteigenschaften.



Kollektive Entscheidungen und soziale Prozesse werden in den Modellen nicht explizit hervorgehoben, obwohl eine systematische Untersuchung dieser Einflussfaktoren notwendiger Bestandteil einer konsistenten Analyse des Konsumentenverhaltens ist (vgl. Venkatesan, 1966, S. 86). Genau diese Faktoren stellen einen zentralen Forschungsgegenstand dieser Arbeit dar. Ziel ist es, die sozialen Einflüsse auf das Konsumentenverhalten bei alltäglichen Gebrauchsgütern zu erforschen.



Das Modell von Blackwell et al. bezieht sich in Teilen auf Denkprozesse, die nach dem Kauf von Gütern auftreten (z. B. Zufriedenheit/Unzufriedenheit). Da sich der Ansatz in dieser Studie auf das habituelle Konsumverhalten bezieht, wird unterstellt, dass der Konsument ein Verhalten zeigt, dass zur Befriedigung seiner Bedürfnisse beiträgt (vgl. Blackwell et al., 2001, S. 89). Die Erforschung von Nachkaufprozessen ist somit nicht Ziel dieser Studie.

Obwohl das Modell den Anspruch hat, den Kaufentscheidungsprozess von Konsumenten realistisch darzustellen, kann keine Vollständigkeit angestrebt werden, da der Mensch ein zu komplexes Wesen ist, um ihn mit Modellen abzubilden. Zudem würde ein komplexeres Modell als theoretische Basis den Rahmen der empirischen Studie sprengen. Grundlage des Modells ist zunächst der Einfluss der beobachtbaren Größen auf die zentralen Werte und die Einstellungen eines Individuums, die als Schnittstelle zwischen den beobachtbaren demographischen Größen und dem Konsumentenverhalten wirken (siehe dazu Schmitz/Kölzer, 1996, S. 56). Der objektive Status wird durch strukturell basierte Eigenschaften wie Geschlecht, Alter und sozialem Status bedingt, wobei die ethnische Zugehörigkeit als 59

weitere Einflussvariable hinzugezogen wird. Sie steht zum einen mit dem sozialen Umfeld in Zusammenhang, zum anderen moderiert sie die Wirkung der sozioökonomischen und soziodemographischen Faktoren. Der ethnischen Zugehörigkeit bei Personen mit Migrationshintergrund wurde im Rahmen des Käuferverhaltens innerhalb einer fremden Kultur bis dato in Deutschland nur wenig Beachtung geschenkt (vgl. Aygün, 2005, S. 20 ff.). Die Einflussgrößen Geschlecht und Lebenszyklus sind im Modell nur aus Gründen der Vollständigkeit erwähnt, sollen aber nicht Forschungsgegenstand der empirischen Untersuchung sein. Dennoch werden auch zu diesen Größen theoretische Überlegungen angestellt und die Gründe für den Ausschluss dieser aus den empirischen Analysen aufgeführt. In Anlehnung an das Modell von Carman kann neben der indirekten Wirkung der beobachtbaren Variablen auf das Konsumentenverhalten über die Psychographie eine direkte Wirkung auf das Kaufverhalten nicht ausgeschlossen werden (vgl. Carman, 1978, S. 406). Hier soll es Aufgabe der Empirie sein, die Existenz solch direkter Wirkungszusammenhänge zu überprüfen. Die soziale Position, die ein Individuum aufgrund der oben genannten Größen besitzt, dient zur Eingliederung in die soziale Struktur und den damit verbundenen Rollen (vgl. Stryker, 1987, S. 91). Bereits in der Kindheit lernen die Menschen zwischen sozialen Positionen zu unterscheiden und aufgrund ihrer Rollen, diese Personen in Kategorien einzuordnen (vgl. Wiley/ Alexander, 1987, S. 109). Wie in Abb. 15 dargestellt, haben die sozioökonomischen und soziodemographischen Faktoren einen Einfluss auf die verhaltensrelevanten Werte und Einstellungen. Sie beinhalten die Rahmenbedingungen für die Vorgänge beim Konsumentenverhalten, die sich im Inneren des Menschen vollziehen und aus diesem Grund nicht beobachtbar sind. In behavioristischen Ansätzen wird die Gesamtheit dieser Variablen oftmals als „Black Box“ verstanden (vgl. Meffert, 1992, S. 25). Diese wirken sich letztendlich darauf aus, mit welchen Erwartungshaltungen („Motiven“) der Konsument den Produkten und der zum Erwerb des Produkts ausgesuchten Einkaufsstätte gegenübertritt (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 71). Obwohl diese Variablen nicht beobachtbar sind, können doch indirekt über Indikatoren Wirkungszusammenhänge mit den beobachtbaren Variablen erforscht werden. Aus diesem Grund darf eine Käufersegmentierung nicht nur auf beobachtbaren Variablen beruhen, sondern muss auch Einstellungen, Bedürfnisse und Werte berücksichtigen. Werte werden hier als nächstkomplexeres Konstrukt zur Einstellung verstanden, die normative Verbindlichkeiten gegenüber sozialen Bezugsgruppen beinhalten (vgl. Trommsdorff, 1998, S. 187). Sie sind in erster Linie durch die Zugehörigkeit zu einem Kollektiv geprägt (vgl. Venkatesan, 1966, S. 87). Da Werthaltungen analog zu Einstellungen sowohl kognitive, affektive als auch konative Elemente enthalten, ist anzunehmen, dass die Grenzen zwischen Einstellungen und Werten fließend sind (siehe dazu Kapitel 3.2.2.2; Müller-Hagedorn, 1986, S. 79; Schürmann, 1987, S. 26; Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 45 f.). Nach Levy sind hier insbesondere zwei zentrale Werthaltungen im Konsum erkennbar: das wirtschaftliche Handeln

60

und das Bedürfnis, den Menschen mit höherem Status nachzueifern (vgl. Levy, 1999, S. 132). Erst wenn der Konsument eine Deckungsgleichheit zwischen Wertorientierung und Selbstperzeption sieht, fühlt sich dieser innerhalb seiner sozialen Bezugsgruppe akzeptiert, denn dieses Umfeld ist wiederum Grundlage für Werte und Normen, die es einzuhalten gilt (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 67). Die Wahl des ideellen Selbstkonzepts ist gleichzeitig eine Entscheidung eines Individuums, welcher Lebensstil gewählt wird, damit das wahrgenommene Selbstimage diesem entspricht. Während Werte zeitlich stabil sind und ein quasi allumfassendes Einstellungskonstrukt für das Individuum darstellen, beziehen sich die Einstellungen auf konkrete Sachverhalte oder Objekte. Das Konsumentenverhalten kann somit zum einen aus normativen-affektiven Komponenten und zum anderen auf rationellen Grundlagen beruhen. Je nachdem welche dieser beiden Richtungen von dem Konsumenten eingeschlagen wird, entwickelt dieser eine individuelle Verhaltensweise (vgl. Douglas, 2002, S. 515). Mit dieser versucht er, gemäß der konstruktiven Entscheidungstheorie, bestimmte Ziele zu erfüllen. Das Individuum hat beim Kauf das Bestreben, den kognitiven Aufwand bei der Produktentscheidung zu minimieren und dabei mit dem erworbenen Produkt die eigene Erwartungshaltung möglichst exakt zu treffen. Des Weiteren versucht es, der Erwartungshaltung der Referenzgruppe optimal zu entsprechen und alternative Produkte, die mit wichtigen Werten in Konflikt treten könnten, zu vermeiden (vgl. Douglas, 2002, S. 518).

Die in dem Kapitel gezeigten Variablen der Kaufentscheidung werden in dieser Studie die Grundbestandteile sein, um die Käufersegmente im Lebensmittelhandel und insbesondere die Gruppe der Deutschtürken als ethnische Minderheit beschreiben zu können. Eine weitere Grundlage zum Verständnis von Kaufentscheidungsprozessen ist der Grad des Denkengagements, d. h. die Intensität, mit der sich der Käufer mit Attributen des Produkts beim Kauf auseinandersetzt. Hier lassen sich im Allgemeinen drei Arten von Kaufentscheidungen unterscheiden (vgl. Weinberg, 1981; Schulte-Frankenfeld, 1985, S. 23; Bänsch, 1996, S. 9): •

Extensiver Kaufentscheidungsprozess: Der Konsument befasst sich intensiv mit den relevanten Entscheidungskriterien wie z. B. Qualität oder Prestigenutzen.



Begrenzter bzw. vereinfachter Kaufentscheidungsprozess: Der Konsument ist nicht mit allen Alternativen vertraut und vergleicht nur die ihm bekannten Alternativen. Im Gegensatz zum extensiven Kaufentscheidungsprozess hat der Konsument bereits relativ klare Vorstellungen, wie dieser zum Ziel kommt, wobei er im Unterschied zum habitualisierten Kauf noch nicht genau weiß, welche Alternative er wählt. „Man kann außerdem vermuten, dass die Informationssuche bei vereinfachten Entscheidungen von produktklassenspezifischen auf markenspezifische Informationen verlagert wird.“ (Schulte-Frankenfeld, 1985, S. 34).

61



Habitualisierter Kaufentscheidungsprozess: Routiniertes Käuferverhalten mit nur begrenztem Involvement. Dabei ist der Habitus innerhalb einer Gruppe keine straffe Vorgabe des Verhaltens, es ist vielmehr ein Zeichen, dass die Mitglieder in einer Gewohnheit stärkere Gemeinsamkeiten zeigen als mit den Individuen aus anderen Kollektiven (vgl. Douglas, 2002, S. 518). Ist dieser Entscheidungsprozess kulturell geprägt, so spricht man auch von „rituellem Konsumverhalten“ (siehe dazu Mennicken, 2000, S. 75).

Letztendlich sind die beschriebenen Arten des Käuferverhaltens wieder abhängig von den beobachtbaren Einflussgrößen und spiegeln die Art und Weise des Zusammenspiels der nichtbeobachtbaren Variablen wider. So können Käufer unterschiedlicher sozialer Schichten bei gleichen Produkten unterschiedliche Kaufentscheidungsprozesse durchleben. Genaue Auskunft hierzu wird der empirische Teil dieser Arbeit geben. Bei dem Erwerb von Gütern des täglichen Bedarfs sind zunächst alle drei Arten des Kaufprozesses denkbar. Jedoch ist bei Lebensmitteln davon auszugehen, dass extensive Entscheidungsprozesse nur eingeschränkt vorhanden sind. Vielmehr geht das der Studie zugrunde gelegte theoretische Modell von einem limitierten oder habitualisierten Entscheidungsprozess aus, in dem sich der Konsument auf wenige Schlüsselreize, die er als Kaufkriterien heranzieht, beschränkt. Die abhängigen Variablen im Rahmen dieser empirischen Arbeit werden zum einen die Wahl der Einkaufstätte und zum anderen die Produktwahl sein (siehe dazu Bänsch, 1996, S. 4; Blackwell et al., 2001, S. 77). Dabei werden die Eigenschaften des Produkts auf folgende zentrale Attribute reduziert: •

Der Preis;



Die Tatsache, ob ein Markenprodukt oder eine Eigenmarke des Handels vorliegt;



Gegebene Produktinformationen mit Fokus auf Wellness-, Bio- und Umweltverträglichkeitseigenschaften.

Nachdem dieser Abschnitt das theoretische Gerüst der vorliegenden Arbeit gezeigt hat, sollen in den nachfolgenden Kapiteln die einzelnen Aspekte des Konsumentenverhaltens vorgestellt werden. Um ein genaues Verständnis des komplexen Prozesses von Kaufentscheidungen zu gewinnen, darf hier nicht nur direkt von der Soziographie des Menschen auf das Einkaufsverhalten geschlossen werden. Vielmehr müssen die zentralen Werte und Einstellungen, die in bestimmten Lebensstilen der sozialen Umwelt symbolisiert werden, erforscht werden, um die Bedürfnisse der verschiedenen Zielgruppen in Deutschland zu erkennen (vgl. Vinson et al., 1977, S. 44 f.; Abb. 15, S. 58). Erst dann ist es möglich, wirksame Strategien zur maximalen Abschöpfung des Zielgruppenpotenzials zu entwickeln. (vgl. ebd., S. 48).

62

3.2. Theoretische Erklärungsansätze zu den relevanten Größen 3.2.1. Theorien zur Wirkung demographischer Variablen In Anlehnung an das Modell von Blackwell et al. sind die demographischen Variablen auch als beobachtbare Einflussgrößen zu bezeichnen (vgl. Blackwell et al., 2001; Schmitz/Kölzer, 1996, S. 61). Obgleich in dieser Studie davon ausgegangen wird, dass das Konsumentenverhalten ein Ergebnis von Werten, Motiven, Bedürfnissen und Einstellungen ist, muss die Demographie aus zwei Gründen beleuchtet werden. 1. Die Beschreibung von Konsumentensegmenten allein auf Basis psychographischer Variablen wäre nur unvollständig. 2. Es kann angenommen werden, dass es in Abhängigkeit von den demographischen Variablen einige einfache Regelmäßigkeiten gibt, die sich im Konsumentenverhalten widerspiegeln (siehe dazu auch Frank et al., 1972, S. 124; Blattberg et al., 1978, S. 374 ff., Carman, 1978, S. 406). Nachfolgend sollen theoretische Überlegungen zu den demographischen Variablen angestellt werden, die beim Konsumverhalten einen potenziellen Einfluss ausüben könnten.

3.2.1.1. Die Bestimmungsfaktoren der sozialen Schicht

Unter der sozialen Schicht, im Sinne einer sozialstrukturellen Analyse, ist die gesellschaftliche Stellung eines Individuums innerhalb eines sozialen Systems zu verstehen (vgl. Geißler, 2002, S. 21). In ihren verschiedenen Ausprägungen (Unterschicht, Mittelschicht etc.) kann hier auch von Subkulturen oder von sozialen Kategorien gesprochen werden (siehe dazu auch Kapitel 2.1, S. 25). Das Konzept der sozialen Schicht soll in den folgenden Überlegungen aus der traditionellen Perspektive beleuchtet werden, d. h. diese steht in Abhängigkeit soziodemographischer Schichtdeterminanten (vgl. Geißler, 2002, S. 110).28 Die Schicht stellt eine Einflussvariable auf das Konsumentenverhalten dar und beruht auf einer Reihe von Variablen, die in gegenseitiger Abhängigkeit zueinander stehen (vgl. Hörning, 1970, S. 112; Grønhaug/Trapp, 1989, S. 13; Hofstede, 1993, S. 43; Schmitz, 1996, S. 149 f.; Gans, 1999, S. 9; Solomon et. al, 2001, S. 386). In Anlehnung an eine Vielzahl wissenschaftlicher Quellen und an das grundlegende theoretische Modell dieser Studie kann folgender Zusammenhang unterstellt werden (vgl. Veblen, 1899; Petermann, 1963, S. 20; Levene, 1979, S. 19 ff. Mason, 1981; Kroeber-Riel/ Weinberg, 1996, S. 554; Gans 1999; Eastman et. al, 1999, S. 41):

28

Neuere Ansätze, wie die Unterteilung der deutschen Gesellschaft anhand „Sozialer Milieus“, beziehen in ihr Schichtungskonzept den Lebensstil ein (vgl. Geißler, 2002, S. 21).

63

Bildung

Beruf

Soziale Schicht

Disponibles Einkommen

Abb. 16: Die Einflussvariablen der sozialen Schicht im Rahmen der Studie (eigene Darstellung)

Nachdem die Abgrenzung von sozialen Schichten bzw. des sozialen Status in der Literatur meist auf die Bildung, den Beruf und das disponible Einkommen reduziert wird, sollen im Rahmen der theoretischen Überlegungen diese Faktoren detailliert betrachtet werden. Babad et al. sehen zumindest in manchen Gesellschaften die ethnische Zugehörigkeit als weitere Einflussvariable zur Einordnung in die soziale Schicht (vgl. Babad et al., 1982, S. 143). Betrachtet man die statistischen Daten, so ist ersichtlich, dass sich die Deutschtürken hinsichtlich Berufs- und Bildungsstruktur von den Deutschen unterscheiden (vgl. Mikrozensus des Stat. Bundesamts). Somit kann angenommen werden, dass ein Wirkungszusammenhang zwischen der ethnischen Zugehörigkeit und den Einflussvariablen der sozialen Schicht besteht.

Welche der in Abb. 16 dargestellten Einflussgrößen nun die wichtigste ist, kann a priori nicht festgestellt werden, da hier keine einheitliche Meinung der Soziologen vorliegt (vgl. Gans, 1999, S. 9). Die drei Faktoren stehen in engem Zusammenhang zueinander und dürfen nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Zur Einordnung eines Individuums in die Gesellschaft sind sie von zentraler Bedeutung. Unabhängig von der Kultur ist in den westlichen Wohlstandsgesellschaften kulturübergreifend, insbesondere in den mittleren und unteren Schichten, das Bestreben vorhanden, die Lücke bzgl. Einkommen, Beruf und Bildung zu den höheren Schichten durch Kauf von statusrelevanten Gütern zu schließen (vgl. Mason, 1981, S. 108; Bourdieu, 1987). Da hinsichtlich der Kriterien Einkommen, Bildung und Beruf eine Gleichstellung mit höheren Schichten unrealistisch erscheint, bietet der sichtbare Konsum von exklusiven Gütern eine wirksame Alternative, den sichtbaren Status zu verbessern und eine soziale Position nach außen zu kommunizieren, die in Wirklichkeit nicht zutrifft. Dies gilt vor allem dann, wenn Individuen trotz geographischer Nähe keine Informationen über den Berufs- oder Bildungshintergrund des sozialen Umfelds haben (vgl. Kapitel 2.1, S. 24).

Die Unterschiede von Werten und den damit verbundenen Verhaltensweisen zwischen sozialen Schichten beruhen auf unterschiedlichen Sozialisationsmustern, die durch Beruf und Bildung, aber auch durch die Werte der Eltern beeinflusst werden (vgl. Williams, 2002, 64

S. 251). So gibt es in Anlehnung an Wiswede (1972) zwischen den höheren und niedrigeren Schichten folgende grobe Unterscheidungsmerkmale:

„höhere Schicht" zukunftsbezogen städtisch planend mobil selektiv risikofreudig aktiv informiert

„niedrigere Schicht" gegenwartsbezogen ländlich impulsiv immobil rezeptiv risikomeidend passiv uninformiert

Abb. 17: Schichtspezifische Merkmale (vgl. Wiswede, 1972, S. 147)

Die in Abb. 17 dargestellten Unterscheidungsmerkmale sind Aspekte, die sich auch auf das Kaufverhalten auswirken können. Obgleich die soziale Schicht eine wichtige Determinante zur Bestimmung des Konsumentenverhaltens ist, darf diese nicht isoliert von anderen Variablen, insbesondere dem Lebensstil, betrachtet werden (vgl. Levy, 1966, S. 147; Wells, 1975; Grønhaug/Trapp, 1989, S. 14). Obwohl Menschen mit geringem Einkommen weniger Geld zur Verfügung haben als monetär gut gestellte Individuen, haben sie doch die gleichen Grundbedürfnisse. Hierzu zählen Nahrungsmittel, Kleidung und andere Produkte des täglichen Bedarfs. Bei diesen Gütern dient das Einkommen nur bedingt als Segmentierungskriterium, da in den unteren Schichten oft auch ein demonstrativer oder sogar selbstgefälliger Konsum eine große Rolle spielt, der eine Kompensationsfunktion für ein subjektiv zu gering empfundenes Einkommen übernimmt (vgl. Schmitz, 1996, S. 149). Da die durch demographische Kriterien bestimmte soziale Schicht zur Bestimmung des Konsumentenverhaltens aus ihrer Sicht zu ungenau ist, verwenden Grønhaug und Trapp in diesem Zusammenhang soziale Klassen. Da diese Lebensstilvariationen reflektieren, spiegeln diese die damit verbundenen Einstellungen und Werte wider (vgl. Levy, 1966, S. 148; Grønhaug/Trapp, 1989, S. 14). Die theoretischen Grundlagen zum Lebensstil sollen in den weiteren Ausführungen dieses Kapitels folgen. Im Folgenden liegt der Fokus zunächst auf der sozialen Schicht und deren zentralen Einflussfaktoren. Die theoretischen Überlegungen werden weiter zeigen, welche Rolle die Einflussgrößen „ethnische Zugehörigkeit“, „Alter“ und „Geschlecht“ beim Kaufverhalten spielen (siehe dazu auch Gans, 1999, S. 9).

3.2.1.1.1. Einkommen und soziale Schicht als Verhaltensdeterminanten

Obwohl die soziale Schicht in den letzten Jahren, aufgrund der Orientierung der Sozialwissenschaften hin zur Erforschung des Motivs der Individualisierung, bei der Untersuchung des Konsumentenverhaltens im Hintergrund stand, steht es dennoch außer Frage, dass diese 65

eine bedeutende Einflussvariable des Kaufverhaltens darstellt (siehe dazu auch Stafford, 1966, S. 95; Leven, 1979, S. 20; Williams, 2002, S. 251). In einem Teil der Studien, die sich mit dieser Thematik befassen, dient das Einkommen als vereinfachtes Substitut für die soziale Schicht (vgl. Myers et al., 1971, S. 8). Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Konsum und dem Einkommen wird auch in der klassischen und in der neoklassischen ökonomischen Theorie festgestellt (vgl. Hanusch/Kuhn, 1998, S. 398; Aygün, 2005, S. 46).29 Dabei kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass mit steigendem Einkommen die Lebensmittelausgaben von Individuen ebenfalls steigen (vgl. Petermann, 1963, S. 59). Im Jahr 2003 gaben die Privathaushalte mit einem Nettoeinkommen zwischen 900 bis unter 1.300 Euro im Monat 163 Euro für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren aus. Haushalte mit einem Nettoeinkommen zwischen 2.600 und 3.600 Euro gaben hingegen 310 Euro monatlich aus (vgl. LZ|Net, 18.01.2006). Dieser zunächst eindeutige Zusammenhang muss allerdings hinterfragt werden, denn auch bei Individuen, die zur Gruppe der Geringverdiener gehören, muss dies nicht zwangsläufig bedeuten, dass diese nur preiswerte Handelsmarken kaufen. Vielmehr steuern sie den Konsum von bestimmten Waren gezielt aus, um sich in gewissen Bereichen Markenprodukte leisten zu können. Dies bestätigen Untersuchungen, die gezeigt haben, dass Individuen, die einen geringeren finanziellen Spielraum zur Verfügung haben, der kleinen Anzahl an Produkten, die sie sich leisten können, ein höhere Wertschätzung beimessen (vgl. Holt, 1995, S. 13). Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass Verbraucher mit höherem Einkommen ein preisorientierteres Verhalten zeigen als einkommensschwache Schichten (vgl. Petermann, 1963, S. 61; Schmitz/Kölzer, 1996, S. 65).

Geld im Sinne von verfügbarem Einkommen ist in der Funktion eines Symbols zunächst intrinsisch wertlos (vgl. Parsons, 1967, S. 360). Es gewinnt letztendlich dadurch eine symbolische Kraft, indem es für menschliche Anstrengung steht. Zudem ermöglicht Geld die Freiheit, sich bestimmte Symbole zur Darstellung des sozialen Status anzueignen (vgl. Scheuch/Daheim, 1970, S. 88). Personen, die ähnliche Berufe haben und denen folglich auch ein vergleichbares monetäres Budget zur Verfügung steht, haben häufig den gleichen sozialen Status (vgl. Sahner, 1997, S. 40; Solomon et al., 2001, S. 27). Levy bildet den Beruf als Einflussvariable des Konsums ab, indem er in seinem Ansatz davon ausgeht, dass sich bestimmte Gruppen in der Gesellschaft jene Produkte wählen, die ihren gesellschaftlichen Stand unterstreichen:

29

Für ein normales Gut steigt gemäß der Engel-Kurve (Einkommens-Konsumkurve) die Nachfrage als Funktion des Einkommens.

66

Anteil an Berufsgruppe (in %) 90 80 70 60 50

Marke A

40

Marke B

30 20 10 0

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Abb. 18: Projektion der Markenwahl in Abhängigkeit des Berufs nach Levy (1999, S. 135)

Der Ansatz nach Levy muss jedoch kritisch interpretiert werden. Das ursprüngliche Klischee, dass sich wohlhabende Menschen ihren Besitz durch Fleiß und harte Arbeit geschaffen haben, trifft im Zeitalter der Erbengeneration nicht mehr zu. Zudem existiert die Möglichkeit, dies durch den Kauf von Produkten, die auf solche Charakterzüge hinweisen, dem Umfeld vorzutäuschen. Die Aussicht, mit dem selbst erarbeiteten Geld die Produkte oder Dienstleitungen anderer zu erwerben, gibt den Menschen das Gefühl, Kontrolle über andere zu haben (vgl. Schlenker, 1980, S. 70; Csikszentmihalyi/Rochberg-Halton, 1981, S. 32). Der sichtbare Konsum zur Erlangung von Status und Macht muss mit der relativen und der absoluten ökonomischen Kraft, d. h. mit dem Spielraum im Sinne von Einkommen und monetären Verfügungsrahmen, in Verbindung gebracht werden. Das Einkommen wirkt sich zwar auf den Konsum aus, dennoch lassen sich hier individuelle Profile feststellen, wie letztendlich das verfügbare Budget verwendet wird. In Anlehnung an die (neo-)klassische ökonomische Theorie ist vereinfacht folgender Zusammenhang zu unterstellen: Je geringer das Einkommen, desto mehr ist der Konsument bei seinem Kaufverhalten eingeschränkt und es kann damit gerechnet werden, dass dieser preisbewusster und weniger einkauft (vgl. Schmitz, 1996, S. 64, Scitovsky, 1977, S. 95; Mason, 1981 S. 29). Allerdings muss besonders beim Erwerb von alltäglichen Gütern die Höhe des Einkommens nicht unbedingt etwas über die Verwendung dessen aussagen (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 65). Diese These wird von Studien der GfK gestützt, in denen nachgewiesen wird, dass das Segment der Markenkäufer – neben den Besserverdienenden als stärkste Gruppe – die unterdurchschnittlich verdienenden Konsumenten als zweitstärkste Gruppe beinhaltet (vgl. GfK Consumerscan, 1999). Individuen geben ihr Einkommen dort aus, wo ihre speziellen Interessen liegen und 67

achten in diesen Bereichen häufig nicht auf den Preis. „Tatsächlich profitieren zahlreiche Genusswarengruppen davon, dass die Verbraucher derzeit keine großen Sprünge machen können. So gönnen sie sich stattdessen vermehrt kleinere Freuden.“ (vgl. GfK, 2005, S. 22). Die Gründe für diese speziellen Interessen und die Bereitschaft, sich bei bestimmten Warengruppen den kleinen Luxus zu leisten, können äußerst vielschichtig sein: •

Der Konsument hat spezielle Hobbys und möchte sich hier nur das Beste leisten. In diesem Fall kann unterstellt werden, dass bei der Verwendung des Einkommens die gewünschte Außenwirkung eine untergeordnete Rolle hat (z. B. Einkauf teurer Lebensmittel, weil der Konsument gerne kocht). Vielmehr steht die Qualitätsorientierung hier im Vordergrund.



Kunden gehen beim Einkauf selektiv vor, d. h. ein Weinliebhaber wird beim Kauf von Weinen eher hochpreisige Produkte kaufen, bei anderen Produkten hingegen billige Waren erwerben. Hier spricht man im Lebensmittelhandel von polarisiertem Kaufverhalten (vgl. Schmitz, 1996, S. 65).



Der Konsument kauft teure Produkte, auch wenn dies nicht im Verhältnis zu seinem Einkommen steht, aus Gründen des demonstrativen Konsums, starker Markenbindung oder bei Gütern, die seinem ideellen Selbstbild entsprechen, aber nicht notwendigerweise der sozialen Schicht, in der sich dieser befindet (siehe dazu Kapitel 3.2.2.3.2, S. 89). Somit können Mitglieder niedriger sozialer Schichten ihr Verhalten adjustieren, indem sie durch den Kauf bestimmter Produkte die Zugehörigkeit zu höheren Schichten simulieren. Diesem Verhalten ist die Kenntnis über bestimmte Produkte und deren Prestigeeffekte vorausgesetzt (vgl. Miller, 1987, S. 136).

Im Zusammenhang mit der Produktwahl steht in letzter Instanz die Wahl der Einkaufsstätte. Die Käufer von Premium-Produkten decken 75 Prozent ihrer Gebrauchsgüter durch den Besuch von Verbrauchermärkten und Warenhäusern ab. Handelsmarkenkäufer erwerben 60 Prozent ihres Bedarfs in den Filialen der Discountketten (vgl. GfK, 2005. S. 24). Auch bei der Einkaufsstättenwahl muss die Verwendung des Einkommens nicht unbedingt durch die Höhe des Einkommens bestimmt sein.

In den meisten Gesellschaften gibt es ein allgemeines Schichtungssystem mit der Konsequenz, dass eine Idealisierung der oberen Ränge stattfindet. Die Folge ist, dass Menschen niedriger Positionen den Ehrgeiz entwickeln, in höhere Schichten aufzusteigen (vgl. Goffmann, 1983, S. 36). In den westlichen Wohlstandsgesellschaften sind es insbesondere die mittleren und unteren Schichten, die dieses Bestreben entwickeln, wobei den mittleren Schichten ein größerer finanzieller Spielraum zur Verfolgung ihres Ziels gegeben ist (vgl. Bourdieu, 1987; Kapitel 2.2.3.1, S. 43). Bedeutungsträger, insbesondere Statussymbole, sind dabei wichtige Instrumente zur Darstellung des materiellen Wohlstands. Ziel des De-

68

monstrativkonsums ist es, dem sozialen Umfeld ein höheres Einkommen zu suggerieren. Aufgrund der Auffälligkeit und Qualität von Gegenständen wird tendenziell gerne auf die Höhe des Einkommens und letztendlich auf den beruflichen Erfolg des Besitzers geschlossen (vgl. Scitovsky, 1977, S. 105). Goffmann zeigt, dass dies in allen Lebensbereichen stattfinden kann. So beschreibt er den Fall, in dem Hausfrauen des Mittelstandes billigere Ersatzprodukte für Kaffee oder Butter kaufen, um trotzdem aufgrund der Produkte darzustellen, bei ihnen werde kein Geld gespart und gut gegessen (vgl. Goffmann, 1983, S. 41). Der demonstrative Konsum wird allerdings nur dann funktionieren, wenn das Individuum in der Lage ist, mit seinem Verhalten dennoch die Erwartungen und Normen der Mitgliedschaftsgruppen zu erfüllen (vgl. Kapitel 2.1, S. 24). Unter Bezugnahme auf diese kann folgender Zusammenhang angenommen werden. Je größer die Ungleichheit des verfügbaren Einkommens in einer Gesellschaft ist, desto geringer wird die Anzahl an Menschen sein, die einen sichtbaren Vorteil gegenüber ihren sozialen Konkurrenten erlangen können, aber desto höher wird das Streben nach Individualität innerhalb der Gruppen sein (vgl. Mason, 1981, S. 30).

In den modernen Gesellschaften des 20. Jahrhunderts hat sich ein Trend entwickelt, der konkrete Rückschlüsse von dem Kauf bestimmter Produkte auf das verfügbare Einkommen der Konsumenten erschwert. Obwohl der Faktor Einkommen die Konsumfähigkeit eines Haushalts darstellt, besteht zunehmend die Möglichkeit, bestimmte Güter durch Kreditaufnahme und Ratenzahlungen zu erwerben. Dies gestattet besonders den Konsumenten der unteren Schichten einen bis dahin ungekannten Konsumspielraum (vgl. Hörning, 1970, S. 115). Die Kreditaufnahme kann über einen gewissen Zeitraum funktionieren. Die Folgen sind allerdings Überschuldung und weiterer sozialer Abstieg (vgl. Richins/Rudmin, 1994, S. 221; Haubl, 1998, S. 19). Da auch die Unkenntnis bzgl. Zinszahlungen bei Überziehungskrediten groß ist, ist besonders bei unteren Schichten das Stadium schnell erreicht, in dem die Zinsen durch das niedrige Einkommen nicht mehr gedeckt werden können. Ein niedriger Bildungsstand ist hier ein Anhaltspunkt dafür, dass Personen keine finanzielle Planung durchführen (vgl. Moschis/Churchill, 1978; Henry, 2005; Tab. 12, S. 198). Auf der anderen Seite wurde in Studien empirisch belegt, dass Sparsamkeit nicht vom Einkommen abhängig ist (vgl. Schaninger, 1981; Tab. 12, S. 198). Preisorientierung und Sparsamkeit können sich unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund einer Person auf das Konsumentenverhalten auswirken und sich sogar zu einer Art von Lebensstil entwickeln (vgl. Moschis/Churchill, 1978, S. 606; Lastovicka et al., 1999, S. 85 ff.). Dabei ist allerdings umstritten, ob sich Sparsamkeit auch auf das Preisbewusstsein auswirken muss (vgl. Lastovicka et al., 1999, S. 91).

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Aus den oben dargestellten Theorien lässt sich ableiten, dass die Höhe des Einkommens nicht proportional zur Höhe der Ausgaben sein muss. Schon Bourdieu hat einen Einfluss des Einkommens auf den Nahrungsmittelkonsum massiv kritisiert (vgl. Bourdieu, 1987, S. 289, Kapitel 2.2.3.1, S. 43). Vielmehr müssen weitere Werte, Einstellungen und Lebensstile betrachtet werden, um Aussagen zum Konsumentenverhalten treffen zu können. Häufig kann beobachtet werden, dass Personen mit einem hohen Einkommen auch eine gute Ausbildung genossen haben. Meist geht dies einher mit der Fähigkeit, die eigenen Ausgaben besser kontrollieren zu können (vgl. Hollingshead, 1949, S. 86). Viele empirische Untersuchungen vernachlässigen die soziale Schicht und beschränken sich auf das Einkommen als verhaltensbestimmenden Faktor beim Konsum (vgl. Hörning, 1970, S. 112). Nachfolgende Überlegungen bestätigen, dass dieser Ansatz nicht genügt, um eine sinnvolle Herleitung von Konsummustern durchführen zu können.

3.2.1.1.2. Bildung als Determinante der sozialen Schicht und des Verhaltens

In der Soziologie gilt die Bildung als einer der bedeutendsten Faktoren, die die Formierung der Gesellschaft in Gruppen bzw. Einheiten beeinflusst (vgl. Mason, 1981, S. 103). Gans bezeichnet die Bildung als den wichtigsten Faktor bei der Bestimmung der sozialen Schicht (vgl. Gans, 1999, S. 95). Sie wirkt sich zum einen direkt auf die soziale Schicht aus, zum anderen beeinflusst sie die Variablen Beruf und Einkommen, die wiederum auf die soziale Schicht Einfluss ausüben (vgl. Hörning, 1969, S. 120; Abb. 16, S. 64). Häufig besteht auch eine alleinige Abhängigkeit des Berufs von der Bildung, während zum Einkommen keine direkten Zusammenhänge unterstellt werden. Gemäß diesen Annahmen wird die Höhe des verfügbaren Einkommens allein durch den Beruf beeinflusst (vgl. Hofstede, 1993, S. 44). Die Wertschätzung von Bildung im Allgemeinen findet nach Levy bei Personen aus unteren sozialen Schichten kaum statt (vgl. Levy, 1966, S. 148). Dies wirkt sich auch auf die Erziehung der eigenen Kinder aus. Die Bildung des Individuums stellt nicht nur eine Einflussgröße auf die Komponenten Einkommen und Beruf dar, sondern wirkt sich auch auf die Verwendung des disponiblen Einkommens aus, indem sie die Informationsverarbeitung und auch den Entscheidungsprozess moderiert (vgl. Zaltman/Wallendorf, 1983, S. 70). So haben Studien ergeben, dass höher gebildete Konsumenten ein besseres Wissen über gegebene Entscheidungsalternativen haben (vgl. Williams, 2002, S. 252, Tab. 12, S. 198).

Die Kombination von Bildung und Einkommen ergibt zwei bedeutende Eckpfeiler der sozialen Schicht. Das Einkommen als alleinige Einflussgröße des Kaufverhaltens gewährt keine konkrete Auskunft über den Geschmack bzw. die Art und Weise des Konsums. So wirkt sich

70

nach Benad der Bildungsstand bei gleichbleibendem Budget auf die Rationalität der Kaufentscheidungen aus (vgl. Benad, 1975, S. 37).30 In anderen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Individuen mit geringer Bildung und folglich niedrigerem sozialen Status eine stärkere autoritäre Werthaltung haben als Menschen mit höherem sozialen Status (vgl. Hofstede, 1993, S. 45). Dies scheint ein weiterer Hinweis dafür zu sein, dass ein demonstrativer Konsum bei Produkten des täglichen Bedarfs in der Gruppe der gesellschaftlich Schwächeren wahrscheinlicher ist als in höheren sozialen Schichten. Bewiesen wurde zudem in Studien, dass sich besser gebildete Konsumenten und Personen aus höheren Einkommensklassen besser informieren (siehe dazu Kapitel 5, Tab. 12, S. 198). Folglich kann ein linearer Zusammenhang zwischen der Komplexität von Entscheidungen im Einkauf und der Höhe der Bildung unterstellt werden (vgl. Schulte-Frankenfeld, 1985, S. 23). Einkommen und Bildung können hinsichtlich ihres Einflusses auf das individuelle Verhalten nicht unabhängig voneinander gesehen werden. Die beiden Faktoren stehen vielmehr in einer engen Wechselbeziehung. Henry konnte nachweisen, dass eine höhere Bildung in Kombination mit einem höheren Einkommen die Erwartungen eines Individuums an die persönliche Entwicklung in der Zukunft beeinflusst. So planen besser Gebildete gezielt in die Zukunft und wägen Investitionen unter der Berücksichtigung der Auswirkung auf die persönliche Weiterentwicklung ab (vgl. Henry, 2005, S. 775). Bei der Verwendung des Einkommens spielen zudem Faktoren eine Rolle, die sich mit der Erkenntnis, dass Bildung ein wichtiger Grundbaustein für ein ausreichendes Einkommen ist, entwickelt haben. So wird der demonstrative Konsum in Familien zugunsten der Finanzierung der Ausbildung der Kinder aufgegeben, da statusorientierte Familien meist den Wunsch haben, dass ihre Kinder einen sozialen Aufstieg in der Gesellschaft erleben (vgl. Mason, 1981, S. 104). In der Literatur sowie in aktuellen Quellen, wie der PISAStudie, wird grundsätzlich bestätigt, dass Kinder in westlichen Gesellschaften, die in einer monetär abgesicherten Familie aufwachsen, größere Chancen haben, eine bessere Ausbildung zu genießen und sich somit einfacher in der Gesellschaft etablieren können (vgl. Hollingshead, 1949, S. 83 ff.; Becker/Arnold, 1986, S. 47).

Nachdem die horizontale und vertikale Ausrichtung der sozialen Integration bereits im zweiten Kapitel dargestellt worden ist (vgl. Abb. 10, S. 27), kann der Faktor Bildung als Einflussvariable in dieses Schema integriert werden und in Anlehnung an Mason folgender Zusammenhang angenommen werden (vgl. Mason, 1981, S. 110): Personen mit hohem Bildungsgrad werden einen Anreiz haben, ihren Status durch sozial erwünschtes und akzeptiertes Konsumentenverhalten zu bekräftigen. Dies kann bedeuten, dass hier eine stärkere soziale Orientierung vorliegt als bei unterdurchschnittlich gebildeten Personen.

30

Dies wird zudem von dem Informationsverhalten höher gebildeter Konsumenten untermauert (siehe Beispiel zur Auseinandersetzung mit Testzeitschriften in Silberer, 1992, S. 180 ff.).

71

Konsumenten mit geringer Bildung werden versuchen durch vertikal orientierten Konsum, ihr Bildungsdefizit zu kompensieren (vgl. Abb. 10, S. 27). Diese Theorie würde darauf hinweisen, dass in den westlichen Wohlstandsgesellschaften der sichtbare und demonstrative Konsum besonders in den unteren Schichten – hier wird unterstellt, dass in dieser Schicht das Bildungsniveau unterdurchschnittlich ist – vorhanden ist. Diese pauschale Ansicht wird jedoch insbesondere in den durch Massenbildung gekennzeichneten Gesellschaften häufig in Frage gestellt.

3.2.1.2. Die natürlichen Bedarfsfaktoren

In den vorangegangen Überlegungen wurden jene persönlichen Bedarfsfaktoren beleuchtet, deren Einflüsse in dieser Studie detaillierte Beachtung finden sollen.31 Die folgenden theoretischen Überlegungen beleuchten die natürlichen Bedarfsfaktoren Alter und Geschlecht. Es sollen Erkenntnisse zum Einfluss jener Größen aufgezeigt werden, die aus Gründen der Vollständigkeit im Basismodell enthalten sind, empirisch allerdings nicht weiter behandelt werden. Um den Einfluss dieser Größen ausschließen zu können, muss zunächst ein Verständnis für die potenziellen Wirkungszusammenhänge geschaffen werden. So stellen die nachstehenden Ausführungen die Wirkung von Alter und Geschlecht auf das Kaufverhalten dar. Des Weiteren werden die Gründe aufgeführt, die die Eliminierung dieser Einflussfaktoren aus der empirischen Studie rechtfertigen.

3.2.1.2.1. Der Lebenszyklus als Einflussgröße

Die Lebensphase, in der sich ein Individuum befindet, hat nicht zu vernachlässigende Auswirkungen auf dessen Verhalten (vgl. Benad, 1975, S. 31; Müller-Hagedorn, 1986, S. 186 ff.; Trommsdorff, 1998, S. 207). Der Lebensstil und das Kaufverhalten eines Konsumenten bleiben nicht das ganze Leben hindurch gleich (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 63). Innerhalb der verschiedenen Lebensphasen zeigen Individuen in Abhängigkeit von ihrer sozialen Gruppenzugehörigkeit sowie von der Haushaltsgröße unterschiedliche Konsummuster. Der Lebenszyklus ist eine demographische Größe, die mit anderen Variablen – beispielsweise dem Einkommen – in engem Zusammenhang steht und die Einstellungen und Werte, welche die Basis für ein bestimmtes Verhalten darstellen, beeinflusst. Soziologische Ereignisse haben einen starken Bezug zum Alter und ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist oftmals an gewisse Altersspannen gebunden (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 63 f.). Der Lebens- oder auch Fami31

Die Einteilung in natürliche, persönliche und gesellschaftliche Bedarfsfaktoren findet in Anlehnung an Petermann statt (vgl. Petermann, 1963, S. 19 f.).

72

lienzyklus kann als eine zentrale Wirkungsgröße definiert werden, die größeren Einfluss auf das Konsumentenverhalten hat, als die häufig aus Gründen der Vereinfachung gewählte soziodemographische Größe „Alter“ (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 441). MüllerHagedorn hat ein vereinfachtes Familienlebenszykluskonzept auf den Lebensmittelhandel angewendet:

Altersspanne

18 bis 34 Jahre

35 bis 54 Jahre

55 bis 64 Jahre

Status

Einkaufsstätte

1. ledig, kein eigener HH, mit oder ohne Kinder

 WH, VM

2. ledig/gesch. eigener HH

 WH, DC

3. verheiratet, eigener HH, keine Kinder

 WH, VM

4. verheiratet, eigener HH, 1-2 Kinder 5. verheiratet, eigener HH, keine Kinder

 VM

6. verheiratet, eigener HH, 1-2 Kinder

 WH, DC

7. verheiratet, eigener HH, >2 Kinder

 WH, DC

8. verheiratet, eigener HH, mit oder ohne Kinder

 WH

5. verheiratet, eigener HH, keine Kinder

 Fachgeschäft

5. ledig/verwitwet, eigener HH, keine Kinder

 Fachgeschäft

> 65 Jahre

 WH, VM

Abb. 19: Lebenszyklus und Einkaufsstättenwahl (vgl. Müller-Hagedorn, 1993, S. 103 ff.)

32

Der Ansatz von Müller-Hagedorn stellt eine vereinfachte Segmentierung der Zielgruppen dar. Dabei ist fraglich, ob die Einkaufsstättenwahl von Konsumenten in Abhängigkeit des Lebenszyklus in dieser Weise dargestellt werden kann. Neben dem Alter und dem näheren sozialen Umfeld bleiben weitere Determinanten der Einkaufsstättenwahl unberücksichtigt. Wenn auch das Familienlebenszykluskonzept in oben stehender Abbildung sehr oberflächlich erscheint, lässt sich eine Kernaussagen ableiten: Das Einkaufsverhalten ändert sich mit zunehmendem Alter. Besonders ältere Leute bevorzugen Fachgeschäfte und legen somit eher Wert auf persönliche Beratung als auf günstigere Preise oder ein breites Sortiment, wie dies andere Handelstypen bieten. Ein Grund hierfür ist, dass sie ihre Markenwahl kognitiv weniger aufwendig gestalten wollen (vgl. Schulte-Frankenfeld, 1985, S. 23). Junge Leute

32

Zu den Abkürzungen siehe Abkürzungsverzeichnis.

73

hingegen gestalten ihre Einkaufsstättenwahl flexibler und bilden in Abhängigkeit von ihrem sozialen Umfeld ihren eigenen individuellen Konsumstil (vgl. Gans, 1999, S. 12). Zudem werden die Einkaufsstättenwahl und das Konsumentenverhalten durch die Anzahl der Kinder in einem Haushalt beeinflusst (vgl. Rich/Jain, 1968, S. 42). Sie spielen eine maßgebliche Rolle in dem Phasenmodell nach Kroeber-Riel und Weinberg. Dieses Modell handelt von der Eingliederung der Familie in den Lebenszyklus (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 439): •

Phase 1: unverheiratet, jung



Phase 2: verheiratet, mit jungen Kindern



Phase 3: verheiratet, mit älteren Kindern



Phase 4: verheiratet, die Kinder haben das elterliche Haus verlassen

Bei der Entwicklung des durchschnittlichen Alters der Mutter bei Geburt des ersten Kindes zeichnet sich allerdings seit Jahren eine stetige Zunahme ab. So liegt dies bei unverheirateten Frauen bei 27,9 Jahren, bei verheirateten sogar bei 29,6 Jahren (Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland). Geht man zudem davon aus, dass das durchschnittliche Heiratsalter in Westdeutschland 27 Jahre beträgt, so ermöglicht dies einen groben Rückschluss, wann der Übergang von der ersten in die zweite Phase erfolgt (vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland). Allerdings ist das Modell in heutiger Zeit veraltet, da es besonders in urbanen Gebieten eine steigende Anzahl von allein lebenden Personen gibt und das durchschnittliche Heiratsalter regional bedingt stark variieren kann. Auch die Tatsache, dass zwei Personen vorübergehend in einer Beziehung zusammenleben, wirkt sich auf das Konsumentenverhalten nur bedingt aus. So ist dieses im genannten Fall bei beiden Personen mit dem einer allein lebenden Person vergleichbar (vgl. Zaltman/Wallendorf, 1983, S. 65; KroeberRiel/Weinberg/Weinberg, 1996, S. 442). Erst die Tatsache, dass Personen verheiratet sind oder in einem Haushalt Kinder leben, wirkt sich auf das Konsumentenverhalten aus (vgl. Zaltman/Wallendorf, 1983, S. 65). Besonders im zweiten Fall ist der finanzielle Spielraum der Eltern durch die Kosten, die durch den Nachwuchs verursacht werden, eingeschränkt. Diese Steigerung der Kosten ist in erster Linie bedingt durch die Ausgaben für die Ausstattung des Haushalts. Eine denkbare Auswirkung auf das Konsumentenverhalten wäre hier, dass die Eltern sich bei Gütern des täglichen Bedarfs einschränken und preisgünstige Handelsmarken kaufen, um mit dem gegebenen finanziellen Spielraum für ihr Kind das aus ihrer Sicht Beste zu erwerben. Es wäre jedoch auch möglich, „[…] dass jüngere Leute, auch wenn sie Kinder haben, für Ausgaben des demonstrativen Konsums anfälliger sind als ältere Leute, da sie damit (durch ihre ‚Konsumfassade’) zur Etablierung ihrer sozialen Stellung beitragen wollen“ (Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 443).

74

Neben dem Familienlebenszykluskonzept gibt es in der Praxis eine weitere Methode, in der die Lebensphasen in sogenannte Lebenswelten unterteilt werden. Dieser Ansatz strukturiert das Leben in biographische Phasen, die in nachstehender Abbildung illustriert sind: Lebenslagen Ausbildung

Berufs-/Hausarbeit

Junge Top Kids 5

Jugendliche 8

Studierende 3

5 Junge Mitte 11 Männer einfache Lage 5

Mittl. Alter Top 5

Hausfrauen Top 4

Mittl. Alter Mitte 11

Hausfrauen Mitte 11

Ruhestand

Ältere Männer 8

Ältere Frauen 9

Alleinstehende Ältere 8

Frauen einfache Lage 7

Lebensphasen Abb. 20: Marktsegmentierung nach biographischen Lebenswelten (in Prozent) (vgl. GfK Indivdualpanels, deutsche Bev. ab zehn Jahre (2001), in: GfK, 2002)

Die dargestellten vierzehn biografischen Lebenswelten können herangezogen werden, um verschiedene Konsumprofile aufzudecken. Sie identifizieren Schwerpunkte des Konsums für bestimmte Produkte und Marken. Da sich die Problemstellung dieser Studie auf einen Vergleich zwischen sozialen Einheiten fokussieren soll, würden vergleichende Analysen in Kombination mit einer Querschnittanalyse den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Der Ansatz der Unterteilung in biographische Lebenswelten soll auch in dieser Studie Anwendung finden. Allerdings soll aus Gründen der Komplexitätsreduzierung nur ein Teil der Segmente zum Forschungsgegenstand werden. Die Gesamtheit aus der Gruppe der Studierenden, Junge Top, Junge Mittlere und aus Männer/Frauen einfache Lage ist eine Zielgruppe, die sich über alle sozialen Schichten erstreckt, sich aber dennoch auf eine eingeschränkte Lebensphase bezieht. Diese Gruppe der 18- bis 29-Jährigen stellt eine wichtige und kaufkräftige Zielgruppe dar. So ist das Selbstkonzept in diesem Alter noch nicht gefestigt, was bedeutet, dass bei dieser Gruppe eine soziale Orientierung beim Kauf von bestimmten Produkten im Vergleich zu anderen Altersgruppen am denkbarsten ist (siehe dazu auch Richins, 1991, S. 74). Zudem sind Deutschtürken in dieser Altersgruppe besser integriert als die älteren Generationen (vgl. Aygün, 2005, S. 195). Dies hat besonders den Vorteil, dass in dieser Altersgruppe sowohl die türkische als auch die deutsche Sprache beherrscht wird und mögliche Sprachbarrieren weitestgehend ausgeschlossen werden können. Die Wahrscheinlichkeit der Beeinflussung des Konsumentenverhaltens durch im Haushalt lebende Kinder ist nach 75

statistischen Zahlen bei den 18 bis 29-jährigen Konsumenten am geringsten (vgl. Statistisches Bundesamt). Auch soll aus Gründen der praktischen Relevanz diese Gruppe herangezogen werden, denn besonders in diesem Alter ist die Bereitschaft zum Produkt- und Markenwechsel am stärksten gegeben.33 Neben der Qualität zählen bei dieser Gruppe im Vergleich zu älteren Konsumenten besonders das Image, der Preis und die allgemeine Aufmachung (vgl. Becker, 1992, S. 122). Handel und Industrie müssen sich bereits in dieser Lebensphase den Konsumenten sichern, um letztendlich bei dessen zunehmendem Alter von seinem Konsumverhalten profitieren zu können. Durch die Eingrenzung des Alters der Befragten aus den oben genannten Gründen kann auf eine Berücksichtigung der Einflussgröße Lebenszyklus im Rahmen der Empirie verzichtet werden.

3.2.1.2.2. Das Geschlecht

Die absoluten und relativen biologischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern sind in jeder Gesellschaft gleich, aber ihre sozialen Rollen sind nur zu einem kleinen Teil biologisch bedingt (vgl. Hofstede, 1993, S. 99). So ist das Geschlecht eines der zentralen Elemente der menschlichen Identität (vgl. Trommsdorff, 1993, S. 199; Stern, 1998, S. 4). Die Unterschiede werden im Allgemeinen nicht kulturell umschrieben, dennoch gibt es in der Gesellschaft eine Kultur des Mannes, die sich von der Kultur der Frau unterscheidet. Obwohl in dieser Studie die Wirkung des Geschlechts auf das Kaufverhalten weitgehend ausgeschlossen werden soll,34 muss die Wirkung dieser Einflussgröße in den theoretischen Überlegungen beleuchtet werden. Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit den Inhalten von Geschlechtsstereotypen war eine Ende der 60er-Jahre durchgeführte Studie von Rosenkrantz et al. (1968). Die zentralen Ergebnisse sind im Folgenden dargestellt (siehe dazu auch Hall, 1984, S. 13 f.): •

Geschlechtsstereotype treten sowohl bei Männern als auch bei Frauen auf.



Grundsätzlich scheinen mehr männliche als weibliche Charakterzüge sozial wünschenswert zu sein.



Die Annahmen über die eigenen Eigenschaften entsprechen bei Frauen und Männern den Stereotypen, die dem eigenen Geschlecht auferlegt werden. Somit erkennen die Frauen

ihre

Schlechterstellung

in

gewissen

Kriterien

gegenüber

Männern

an

(vgl. Rosenkrantz et al., 1968, S. 293). Obwohl besonders im Zuge der Emanzipation die klassische Aufteilung zwischen Männern und Frauen in der Gesellschaft nicht mehr vorhanden ist, existieren immer noch schemati33

Hier sei auf die „Aging-Stability-These“ von Glenn verwiesen (vgl. Glenn, 1980, S. 597). Dies geschieht durch allgemeingültige Fragen und die Wahl von geschlechtlich neutralen Produkten. 34

76

sche Vorstellungen der einzelnen Geschlechter. So kann das Geschlecht einer Person zur Ableitung bestimmter Persönlichkeitsattribute genutzt werden (vgl. Bierhoff, 1986, S. 287). Männer gelten immer noch als wettbewerbsorientierter und härter, während Frauen die häuslichere und sozialere Position einnehmen (vgl. Hofstede, 1993, S. 99). Zu den Einstellungsund Verhaltensunterschieden von Männern und Frauen ist eine umfangreiche Zahl von Studien vorhanden, die jedoch widersprüchliche Ergebnisse aufzeigen. Hinsichtlich des Kaufverhaltens konnte nachgewiesen werden, dass in dem Streben nach Individualismus keine systematischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern zu verzeichnen sind (vgl. Hofstede, 1993, S. 101). Andere Studien haben ergeben, dass bei Männern die prestigebezogene Markenaffinität und die Qualitätsorientierung stärker ausgeprägt sind als bei Frauen (vgl. Schürmann, 1987, S. 124).

Trotz der oben dargestellten Erkenntnisse sind in der heutigen Zeit Entscheidungen, die in der Vergangenheit die Domäne eines bestimmten Geschlechts waren, nicht mehr in dieser Eindeutigkeit zuzuordnen (siehe dazu Bauer et al., 2005, S. 8). War früher das Einkaufen von Lebensmitteln Aufgabe der Frau, kann dies zum einen durch den Wandel der Geschlechterrollen und zum anderen durch die stetige Zunahme an Single-Haushalten aktuell nicht mehr bestätigt werden (siehe dazu Benad, 1975, S. 89). Dieser Rollenwandel stellt letztendlich auch einen Bestandteil des allgemeinen kulturellen und sozialen Wandels dar (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 465; Levy, 1999, S. 207). Im Rahmen dieser Entwicklung übernimmt der Mann im Haushalt zunehmend jene Aufgaben, die früher als typische Frauenentscheidungen oder -arbeit galten. Pauschale Aussagen über den Einfluss des Geschlechts auf das Konsumentenverhalten werden in Zeiten des sozialen Wandels besonders bei alltäglichen Gebrauchsgütern immer schwieriger. Zudem müssen zur Messung der Wirkung dieses natürlichen Bedarfsfaktors einer Reihe moderierender Variablen berücksichtigt werden. Dies sind z. B. der Beziehungsstand, das Alter oder auch die sexuelle Orientierung (siehe dazu Webster, 1994). Eine Berücksichtigung von geschlechtsspezifischen Einflüssen im Rahmen dieser Studie ist aus den oben genannten Gründen nicht zweckmäßig. Eine sinnvolle und konsistente Betrachtung müsste die Hinzunahme der moderierenden Variablen mit sich bringen, was zu einer Verwässerung der eigentlichen Zielsetzung dieser Studie führen würde.

3.2.1.3. Die Wirkung von ethnischer Zugehörigkeit

Im Rahmen der einführenden Kapitel wurde bereits darauf hingewiesen, dass ethnische Subkulturen innerhalb einer fremden Gesellschaft oft in einem Zielkonflikt leben (vgl. Kapitel

77

2.2.4, S. 49). Zum einen fühlen sie sich zu ihrer eigenen Kultur und den damit verbundenen Werten und Normen hingezogen. Dies ist durch das Bedürfnis von Menschen begründet, sich mit Personen zu umgeben, die ihnen selbst ähnlich sind (siehe Kapitel 2.1, S. 30). Hier werden meist konkrete und sichtbare Merkmale herangezogen, die ethnische Minderheiten ihrer Subkultur zuordnen und zudem als verbindende Kriterien interpretiert werden (vgl. Winkler, 1993, S. 801). Zum anderen kann eine gewünschte Ähnlichkeit zu Mitgliedern von Referenzgruppen außerhalb der eigenen ethnischen Gruppe diese veranlassen, sich deren Verhaltensweisen anzupassen. Durch diesen Nachahmungseffekt sollen Berührungspunkte gebildet werden. Studien in den USA haben dies beispielsweise bei dort den lebenden Dunkelhäutigen nachweisen können (vgl. Bauer, 1966, S. 161).

Obgleich gewisse Nachahmungseffekte bei ethnischen Minderheiten in Teilbereichen des Lebens möglich sind, wird die Ursache für wirkliche Unterschiede zwischen Menschen am einfachsten in der ethnischen Zugehörigkeit gesucht (vgl. Adorno, 1950, S. 20; Babad et al., 1982, S. 144; Bierhoff, 1986, S. 304). Van den Berghe unterscheidet hier drei Markierungsinstanzen zur Definition der ethnischen Zugehörigkeit (vgl. van den Berghe, 1981, S. 29 ff.): •

Objektive Faktoren, wie Hautfarbe, Sprache35



Artefakte, die nach außen gezeigt werden, wie z. B. Kleidung, Hautbemalungen



Spezielle Verhaltenszüge

Personen werden in ihre ethnischen Gruppen hineingeboren und haben somit auch keine Kontrolle über ihre Mitgliedschaft (vgl. Winkler, 1993, S. 802). Aus diesem Grund wird die ethnische Zugehörigkeit im Rahmen der Theorie den natürlichen Bedarfsfaktoren zugeordnet. Ethnische Unterschiede zwischen Personen wirken sich auf die empfundene interpersonelle Distanz aus. Soziale Identität ist ein weitaus komplexeres Konstrukt als die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, denn sie bedient in erster Instanz das menschliche Bedürfnis des „Dazugehörens“ und beeinflusst demzufolge auch sein Selbstkonzept (vgl. Babad et al., 1982, S. 152). Dies gibt Anlass, sich an dieser Stelle genauer mit dieser Thematik auseinanderzusetzen und die Wirkung der ethnischen Zugehörigkeit in Form eines Minderheitenstatus theoretisch intensiver zu durchleuchten.

Ethnische Minderheiten werden durch ihre eigene Ethnie in hohem Maße über Produkte, die sie umgeben, sozial eingestuft und bewertet (vgl. Penaloza, 1994; Möller, 1997, S. 36). Sie wählen demzufolge Güter, die den sozialen Erwartungen der eigenen Ethnie entsprechen und sie in ihrer Wertigkeit nicht herabstufen. Während das Verhalten von Mitgliedern ethni-

35

Im Zusammenhang mit biologischen Kriterien wird hier teilweise auch der Begriff „Rasse“ gleichbedeutend mit Ethnie verwendet (vgl. Sinkovics, 1999, S. 15).

78

scher Minderheiten in Deutschland zunehmend liberale Muster vorweist und sich der deutschen Lebensweise nähert, sind dem ungeachtet die kulturellen Wurzeln stark ausgeprägt (vgl. Bücker, 2005, S. 90). Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass ethnische Subkulturen innerhalb eines Landes weniger Geld für ihre Einkäufe zur Verfügung steht und das Kaufverhalten trotz der beschriebenen Liberalisierungstendenzen in vielen Bereich noch stark von der Bindung an die eigene Familie beeinflusst wird (vgl. Webster, 1994, S. 320). Inwiefern die ethnische Zugehörigkeit in Form eines Minderheitenstatus in einem fremden Land Einfluss auf die Wertestruktur und auf den Lebensstil nimmt, ist in Deutschland bis dato nur eingeschränkt erforscht worden. In nur wenigen Untersuchungen ist auf das Käuferverhalten von Personen mit Migrationshintergrund eingegangen worden (siehe dazu auch Kapitel 5.3). Dabei haben schon die grundlegenden Überlegungen gezeigt, dass gerade diese Zielgruppen nicht zu vernachlässigen sind, da sie in Deutschland als soziale (Teil-)Einheiten eine immer wichtiger werdende Rolle spielen (vgl. Kapitel 2.1) Unbestritten ist, dass sich Individuen, die derselben ethnischen Minderheit angehören, häufig aufgrund dieser Tatsache als homogene soziale Einheit fühlen. Dennoch ist es eine der schwierigsten Aufgaben dieser Konsumenten, die Gratwanderung zwischen der Bewahrung von Individualität und der Berücksichtigung der Normen des sozialen Umfelds zu beherrschen und somit positive Sanktionen zu erhalten (vgl. O’Shaughnessy, 1992, S. 158). Die soeben beschriebenen Wirkungszusammenhänge lassen sich in Anlehnung an Stayman und Deshpande folgendermaßen darstellen:

Self-Designated Ethnicity

Product Type

Felt Ethnicity

Antecedent State

Behavior

Social Surroundings

Abb. 21: Zugehörigkeitsgefühl und tatsächliches Verhalten beim Kauf eines Produkts (vgl. Stayman/Deshpande 1989, S. 363)

Abb. 21 stellt die Abhängigkeit des Kaufverhaltens von der ethnischen Zugehörigkeit des Konsumenten dar. Moderierende Variablen sind der Produkttyp (u. a. auch die Kulturgebundenheit des Produkts) und das soziale Umfeld. Auch innerhalb ethnischer Minderheiten kön-

79

nen dessen Mitglieder in verschiedene soziale Schichten eingeordnet werden. Folglich kann auch das Konsumentenverhalten unterschiedlich sein.

Die ethnische Zugehörigkeit gilt als ein identitätstiftendes Merkmal, welches als soziales Kriterium zur Einordnung von Individuen in Gruppen nicht verändert werden kann. Oftmals bewegen sich ethnische Minderheiten zwischen zwei sozialen Welten, der ihrer eigenen Kultur und der Kultur der sozialen Welt, in der sie leben. Konsum und ethnische Identität sind gegenseitig abhängige Teile des Konsumenten bei der Bemühung, sich aus der eigenen Sicht zufriedenstellend zu verhalten. „[…] in the migrants unsettling world, consumers use products and consumption practices to negotiate differences between cultures while extracting contingent identities derived from the differences.“ (Askegaard et al., 2005, S. 161). So ist es eine innere Konfliktsituation, der sich ethnische Minderheiten gegenüber sehen. Wie die einführenden Grundlagen dieser Abhandlung gezeigt haben, gehören Individuen mehreren Gruppen an, und die Anforderungen, die von diesen Gruppen ausgehen, sind häufig widersprüchlich oder sogar gegensätzlich (vgl. Babad et. al.; 1983, S. 31). Dieser Rollenkonflikt kann bei ethnischen Minderheiten besonders stark ausgeprägt sein. So kann bei diesen eine Integration in Gruppen außerhalb der eigenen ethnischen Fraktion dazu führen, dass eine Trennung von dieser stattfindet und eine Rückwärtsintegration nicht mehr möglich ist, obwohl sogar das Bedürfnis der betreffenden Person vorhanden wäre (vgl. ebd.). Der Einfluss der ethnischen Zugehörigkeit auf das Konsumentenverhalten beruht auf dem Ausmaß, wie ein Mitglied einer Ethnie in seinem Verhalten die persönlichen Werte dieser (Sub-)Kultur wiedergibt, also von der individuellen Selbstidentifikation mit dieser Gruppe (vgl. Fishbein, 1996, S. 68; Holt, 1997, S. 343). Trotz aller Bestrebungen zur Individualisierung ist es doch die kollektive Programmierung, die eine Gruppe von einer anderen unterscheidet.36 Die Bereitwilligkeit, Symbole anderer ethnischer Gruppen zu tolerieren, ist dabei meist gering (vgl. Turner, 1987, S. 120). Falls diese Bereitwilligkeit dennoch gegeben ist, spiegelt sich darin die Distanzierungsbereitschaft von der eigenen Ethnie in vielen Lebensbereichen wider. Beobachtungen zufolge kann dies auch zu einer Steigerung des sozioökonomischen Status und zu einem größeren finanziellen Spielraum für die Durchführung der alltäglichen Einkäufe führen (vgl. Webster, 1994, S. 322). Diese Erkenntnis bestätigen Studien, die nachgewiesen haben, dass ethnische Minderheiten mit einem höheren Einkommen sich hinsichtlich des umweltbewussten Konsumentenverhaltens innerhalb der umgebenden Kultur nicht unterscheiden (vgl. Newell/Green, 1997).

36

Individualisierung kann in diesem Kontext auf folgende Art und Weise verstanden werden: 1. Herauslösen aus vorgegebenen Sozialformen, 2. Verlust der traditionellen Sicherheiten, 3. eine neue Art der sozialen Einbindung (vgl. Beck, 1986, S. 206).

80

Die Bindung des Konsumentenverhaltens an die Werte der eigenen Ethnie hängt insbesondere von den individuellen ethnozentristischen Tendenzen eines Menschen ab. Die Motive, die damit im Zusammenhang stehen, beziehen sich auf den Glauben, dass der Kauf von Produkten aus fremden Ländern der heimischen Wirtschaft schadet und gänzlich unpatriotisch ist. Untersuchungen haben ergeben, dass Ethnozentrismus verstärkt bei ethnischen Minderheiten ausgeprägt sein kann (vgl. Green, 1999). Da diese Einflussvariable den psychographischen Faktoren zugeordnet werden muss, wird sich das Kapitel 3.2.2 in einem eigenen Abschnitt intensiver damit auseinandersetzen.

3.2.1.4. Theoretische Zusammenfassung zur Wirkung demographischer Variablen

Die theoretischen Erkenntnisse in diesem Abschnitt lassen kein eindeutiges Bild über die Wirkung der demographischen Variablen auf das Konsumentenverhalten zu. Bisher durchgeführte Studien haben hier zu unterschiedliche Ergebnisse hervorgebracht, was zeigt, dass ein Wirkungszusammenhang zwischen Demographie und Verhalten ohne Berücksichtigung der Psychographie analog behavioristischer Verhaltensmodelle nicht zielführend ist (vgl. Heinemann, 1976, S. 23; Bauer et al., 2005, S. 9). So sind auch die Handlungsempfehlungen hinsichtlich der Verwendung der sozialen Schicht oder des Einkommens als Segmentierungskriterien im Rahmen des Konsumentenverhaltens äußerst kontrovers (vgl. Myers/Mount, 1973, S. 73 f.; Cunningham/Cunningham, 1973, S. 43; Blattberg et al., 1978; Schaninger, 1981). Zusammenhänge zwischen der Demographie und dem tatsächlichen Kaufverhalten können nicht ausgeschlossen werden. So sollen in dieser Studie demographische Variablen besonders auch eine deskriptive Funktion zu den identifizierten Konsumentensegmenten übernehmen. Obwohl die beobachtbaren Größen wichtige Aufschlüsse über die Konsumentenstruktur geben, ist zur segmentspezifischen Analyse des Einkaufsverhaltens im Handel die Berücksichtigung psychischer Einflussgrößen unumgänglich (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 71). Hier greifen die Theorien zur Wirkung des Selbstkonzepts und des Lebensstils auf das Konsumentenverhalten (siehe dazu folgendes Kapitel). Die demographischen Variablen Einkommen, Bildung und Beruf eignen sich zudem dazu, Individuen bestimmten sozialen Schichten zuzuordnen. Die Wirkung des Einkommens auf die soziale Schicht wird dabei zunehmend kritisiert. Vielmehr scheint es ein wichtiger Aspekt bei der Bestimmung von sozialen Schichten zu sein, wie das Einkommen verwendet wird und welche weiteren Faktoren diese Verwendung beeinflussen. Hier haben die theoretischen Erkenntnisse gezeigt, dass besonders die Bildung Einfluss auf den Umgang mit dem zur Verfügung stehenden monetären Spielraum ausübt. Bell (1966) sieht hingegen die Kombination von sozialer Schicht und Einkommen als ein wirksames Instrument zur Erklärung des Konsumentenverhaltens

81

(vgl. Bell, 1966, S. 188). Aus seiner Sicht spielt bei Produkten, die für das Umfeld sichtbar sind und einen sozialen Status kommunizieren, die Schicht die entscheidende Rolle (vgl. ebd., S. 189). Er merkt jedoch an, dass besonders bei überdurchschnittlich verdienenden Personen aus unteren Schichten auch das Einkommen zu berücksichtigen ist. Teure und sozial sichtbare Produkte können hier eine Symbolfunktion ausüben, indem sie zur Kompensation einer geringen Bildung bzw. einer niedrigen beruflichen Stellung dienen (vgl. Kapitel 2.2.3.2, S. 46). Bell sieht daher die Tatsache, dass der „Prestigekonsum“ nur in den oberen Schichten vorhanden ist, als widerlegt an (vgl. Bell, 1966, S. 189) Da es sich in der Studie um Produkte des täglichen Bedarfs handelt, die häufig auch in Gesellschaft anderer Personen konsumiert werden, kann zwar das Konzept der sozialen Schicht herangezogen werden, um konkrete Rückschlüsse auf den Zusammenhang zwischen Demographie und Konsumentenverhalten ziehen zu können, allerdings ist das Einkommen zusätzlich als alleinstehende Größe zu berücksichtigen. Zudem sind die gesellschaftlichen Einflussfaktoren auf den Konsum nicht zu vernachlässigen, da der Konsument seine Kaufentscheidung in Abhängigkeit von diesen trifft (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 65).

Es genügt nicht, anhand der beobachtbaren Variablen Einkommen, Beruf und Bildung den Einfluss der Schicht auf das Kaufverhalten zu bestimmen. Vielmehr hängt es vom Konsumenten, dessen Selbstbild und seinem Lebensstil ab, wie stark dieser sich bei der Kaufentscheidung durch seine soziale Umwelt beeinflussen lässt. Dieser Sachverhalt muss bei der Empirie berücksichtigt werden, um ein genaues Bild von Menschen zu erhalten und ihn anschließend einem Segment zuordnen zu können. Aus den dargestellten theoretischen Überlegungen dieses Kapitels lassen sich Hypothesen ableiten, die jedoch erst im Rahmen der zu untersuchenden psychographischen Eigenschaften bzw. der relevanten Produktattribute Erwähnung finden sollen. Obgleich in der empirischen Studie Hypothesen zur Wirkung der individuellen Bildung erstellt werden, soll doch die soziale Schicht, und somit die Kriterien Bildung, Beruf und Einkommen in ihrer Gesamtheit, im Fokus stehen. Zu den im Lauf der weiteren Überlegungen dargestellten Hypothesen muss zudem angemerkt werden, dass diese separat innerhalb der zu untersuchenden ethnischen Gruppen nachgeprüft werden sollten. In Anlehnung an die Erkenntnisse in Kapitel 3.2.1.3 kann davon ausgegangen werden, dass sich signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen in ihrer Gesamtheit ergeben. Aus der demographischen Perspektive kann dies dadurch begründet werden, dass das objektive soziale Niveau der Deutschtürken niedriger ist als das der Deutschen.37

37

Bereits an dieser Stelle sei auf die Quotierungsvorgaben der Empirie hingewiesen. Hier zeigen die Daten des Mikrozensus Unterschiede zwischen Deutschen und Deutschtürken hinsichtlich schulischer und beruflicher Bildung in der Altersklasse der 18- bis 29-Jährigen.

82

3.2.2. Theorien zur Wirkung psychographischer Variablen

Die bisherigen theoretischen Analysen haben gezeigt, dass die Einteilung von Konsumenten in Segmente mittels demographischer Variablen ein zu einfacher Ansatz wäre, um diese gezielt mit Marketing- und Produktstrategien anzusprechen. Demographische Kriterien reichen hier nicht aus, denn es müssen die intrinsischen Beweggründe des Kaufs genau erforscht werden (siehe dazu Wells, 1975, S. 197; Neelakantan, 1999). Die Psychographie des Menschen kann dabei von demographischen Variablen abhängen. Des Weiteren gibt es aber auch Einflussfaktoren dieser Kategorie, die unabhängig von Einkommen, Bildung oder den sozialen Einflüssen betrachtet werden können. Ein psychographischer Faktor, der besonders im Konsumentenverhalten eine Rolle spielen kann, ist hier die Eigenschaft der Sparsamkeit (vgl. Lastovicka et al., 1999, S. 85 ff.). Der Lebensstil und das Selbstkonzept bilden die zentralen Einstellungs- und Motivstrukturen, die letztendlich zum Kauf der Produkte in bestimmten Einkaufsstätten führen. Forschungen zur Psychographie erlauben dabei die Beschreibung von Menschen anhand von psychologischen und sozialpsychologischen Faktoren (vgl. Solomon et al., 2001, S. 463). Die Bedürfnishierarchie nach Maslow zeigt auf, dass bestimmte Bedürfnisse erfüllt sein müssen, damit andere psychographische Faktoren auf das Handeln von Menschen wirken können (vgl. Maslow, 1954): 1. Biologische Bedürfnisse im Sinne von körperlichen Grundbedürfnissen 2. Sicherheitsbedürfnisse 3. Bedürfnisse nach sozialen Beziehungen, Zuneigung, Liebe 4. Bedürfnisse nach Geltung und sozialer Anerkennung 5. Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung Die oben dargestellten menschlichen Bedürfnisse bauen gemäß der eindimensionalen Theorie aufeinander auf. Wie Maslow postuliert, müssen die übergeordneten Bedürfnisse des Einzelnen erfüllt sein, bevor niedrigere Niveaus aktiviert werden können. Erst wenn Ziel eins und zwei erfüllt sind, kann das Individuum auf die anderen Bedürfnisse eingehen. Die Trennung zwischen Gütern, die diese erfüllen, kann im internationalen Vergleich nicht einheitlich gezogen werden und ist zwischen Gesellschaften variabel (vgl. Scitovsky, 1977, S. 96). Allerdings ist davon auszugehen, dass die biologischen Bedürfnisse und die Sicherheitsbedürfnisse in der deutschen Gesellschaft grundsätzlich relativ problemlos befriedigt werden (vgl. Felser, 2001, S. 41). Daher wird dies in den folgenden Ausführungen als gegeben unterstellt. In den theoretischen Überlegungen zur Psychographie wird der inhaltliche Schwerpunkt auf die hierarchisch untergeordneten Bedürfnisse der Maslowschen Theorie gesetzt. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass sich bei den Konsumenten des beginnenden 21. Jahrhunderts eine zunehmende Dynamisierung der Anspruchsniveaus durchgesetzt hat

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(siehe dazu auch Trommsdorff, 1998, S. 112 f.). Zudem können sich abweichende Rangfolgen der Bedürfnisse in Abhängigkeit der Kulturkreise ergeben, wie z. B. der Vorrang der Familienverwirklichung gegenüber der Selbstverwirklichung (vgl. Aygün, 2005, S. 59). Das eindimensionale Modell von Maslow stellt nicht dar, dass einmal gestillte Defizitbedürfnisse nicht dauerhaft befriedigt bleiben und Bedürfnisse, die in der Hierarchie unterhalb anderer Bedürfnisse liegen, auch ohne ständige Befriedigung der Defizitbedürfnisse angestrebt werden. Die mehrdimensionalen Motivationsmodelle gehen auf die unterschiedlichen Zusammenhänge differenzierter ein, sodass das Modell von Maslow heute vielmehr als eine heuristische Verständnistheorie herangezogen werden kann. Das in dieser Studie zugrunde gelegte Modell soll hier zeigen, dass die Bedürfnisse auch in Abhängigkeit von den jeweiligen umgebenden sozialen Systemen stehen.

Bei der inneren Motivstruktur des Konsumenten handelt es sich um nicht direkt beobachtbare Faktoren, die das Kaufverhalten beeinflussen. Grundsätzlich können zwei Wirkungsdimensionen unterschieden werden: •

Allgemeine psychische Zustände, wie z. B. Selbstbewusstsein, Lebensstil und die damit verbundenen Wertestrukturen.



Produkt- und attributbezogene Motive: Dies sind Werte und Einstellungen, die sich auf spezifische Produkteigenschaften beziehen (vgl. hierzu auch Kapitel 3.2.2.2).

Grundsätzlich muss zwischen der subjektiven Welt des Selbst und der objektiven Welt des Nichtselbst unterschieden werden (vgl. Epstein, 1973, S. 408). Der in der Thematik dieser Abhandlung gesetzte Schwerpunkt liegt auf der Erhebung der allgemeinen psychographischen Variablen und deren Wirkung, die über eine bloße Abhängigkeit von demographischen Variablen hinausgeht. Da sich die allgemeinen psychischen Zustände auf die produktbezogenen Motive auswirken, sollen hierzu mögliche Wirkungszusammenhänge in den folgenden Überlegungen aufgezeigt werden. Diese sollen schließlich im empirischen Teil zur Beschreibung der identifizierten Segmente herangezogen werden.

3.2.2.1. Vorgänge im Inneren des Konsumenten

Aufgrund der Überlegungen im vorhergehenden Abschnitt ist bereits bewusst, dass die Werte, die Einstellungen und die Motivstruktur des Konsumenten Bestandteile eines Konstrukts sind, das allumfassend Psychographie genannt wird. Diese Werte- und Motivstruktur des Menschen wirkt sich letztendlich auf die Wahl der Produkte, der Marken und der zum Erwerb relevanten Einkaufsstätte(n) aus (vgl. Blackwell et al., 2002, S. 226). Der Lebensstil einer Person ist dabei eine Kombination aus dem konkreten Verhalten und seinen Werten. Diese

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und die damit verbundenen Einstellungen und Motive sind dafür verantwortlich, welche Ziele ein Individuum verfolgt und wie seine Wahl im Kontext der täglichen Handlungsalternativen erfolgt. Grundsätzlich kann das Werte-Einstellungssystem des Konsumenten nach folgendem Muster strukturiert werden (vgl. Vinson et. al, 1977, S. 46; Schmitz/Kölzer, 1996, S. 81): •

Globale Werte: Diese Werte sind zentral, und Individuen besitzen nur eine begrenzte Anzahl dieser Werte. Sie beinhalten Verhaltensweisen, die der gewünschten sozialen Stellung eines Individuums entspricht.



Spezifische Werte: Diese Werte der zweiten Ebene sind meist verbunden mit dem System der globalen Werte. Sie werden zu einem großen Teil von Erfahrungen gebildet und steuern spezifische Verhaltensweisen wie auch das Kaufverhalten.



Einstellung gegenüber Produkteigenschaften: Diese Einstellungen beziehen sich auf wünschenswerte Eigenschaften von Produkten genauso wie bestimmter Marken.

Unterscheiden sich die zentralen Werte von Individuen, so führt dies auch zu unterschiedlicher Bewertung von Marken- oder Produkteigenschaften (vgl. Vinson et al., 1977, S. 46). Diese Studie soll sich nicht auf ein umfangreiches Konstrukt von Werten beziehen, sondern gezielt die zentralen Werte des Menschen berücksichtigen, die Auswirkungen auf sein Konsumverhalten haben. Werte und Einstellungen sind die grundlegenden Bestandteile von Lebensstilen und können als Erklärung herangezogen werden, warum sich Konsumenten in bestimmten Situationen in einer gewissen Art und Weise verhalten. Aus diesem Grund soll zunächst der Zusammenhang zwischen Werten und Einstellungen unter Berücksichtigung des Einflusses auf das Konsumentenverhalten theoretisch beleuchtet werden.

3.2.2.2. Abgrenzung der theoretischen Begriffe „Werte“ und „Einstellungen“

Werte beeinflussen als zentrale Instanz alle Bereiche des Lebens. Sie geben den Menschen Orientierung und bilden einen Schnittpunkt zwischen ihm und der Gesellschaft. Aus der personellen Sicht werden die gesellschaftlichen Wertesysteme in individuelle Wertesysteme transformiert und in der Konfrontation mit gesellschaftlichen Werten werden die individuellen Wertorientierungen gebildet (vgl. Schürmann, 1987, S. 23). Grundsätzlich gelten aus sozialpsychologischer Perspektive folgende fünf Grundannahmen (vgl. Rokeach, 1973, S. 3; Schürmann, 1987, S. 16): •

Die Anzahl der Werte (im Gegenteil zu der Anzahl von Einstellungen), die Personen besitzen, ist klein.



Alle Menschen verfügen über die gleichen Werte. Das Ausmaß dieser ist jedoch personenindividuell unterschiedlich.



Werte sind in einem System organisiert. 85



Die Ausprägungen von Werten können in der Kultur, in der Gesellschaft und in der Persönlichkeit nachgewiesen werden.



Werte werden in allen Erscheinungen zum Ausdruck gebracht.

Es gibt eine Reihe von Werten, die universell in der Gesellschaft gelten. Die jeweiligen Ausprägungen (z. B. traditionelle Geschlechterrollen) können dabei jedoch differieren. Diese unterschiedlichen Ausprägungen bestimmen die Kulturen und dementsprechend auch die Persönlichkeiten der Menschen. Da Werte für Individuen prägend sind, beeinflussen sie ihr Verhalten, wie z. B. die Wahl der Freunde, aber auch die Wahl von Produkten und Marken. So können die Dinge, die ein Individuum besitzt bzw. konsumiert, seine inneren Werte widerspiegeln und eine Erklärung für sein Verhalten und die damit verbundenen Einstellungen liefern (vgl. Beatty et al., 1985, S. 184; Richins, 1994, S. 522 f.). Konsumenten werden nur jene Produkte erwerben, die mit auch ihrem persönlichen Wertesystem übereinstimmen. Das Wertesystem, an dem ein Individuum das Verhalten ausrichtet, wird durch zwei unterschiedliche Quellen gespeist. Zum einen orientiert es sich an Ideologien bzw. an den Verhaltensweisen von Referenzgruppen, zum anderen wird es durch die Mitgliedschaftsgruppen, in denen es sich nicht zwangsläufig freiwillig befinden muss, geprägt (vgl. Lepsius, 1970, S. 61; Babad et al., 1983, S. 229; Kapitel 2.1, S. 26). Diese Werte sind nicht statisch, sondern sie wandeln sich im Laufe der Jahre für Personen wie für Kulturen. Cohen teilt die Menschen gemäß ihrer Wertestruktur in drei Gruppen auf. Das erste Segment umfasst die Gruppen der Anpassungsfähigen, also diejenigen, die auf andere Menschen zugehen. Die zweite Gruppe umfasst die aggressiven Personen, die sich gegen andere Menschen richten, und die dritte Fraktion bewegt sich eher von anderen Gruppen weg oder meidet diese (vgl. Cohen, 1968, S. 77).38 Werte können auf zwei verschiedene Arten das menschliche Verhalten beeinflussen. Zum einen haben sie einen Einfluss auf die Denkweise, wie auch die Urteilsbildung gegenüber anderen. Zum anderen dienen sie als innere Verstärkung, die bei angemessenem Verhalten durch ein gutes Gefühl die eigene Belohnung schafft, quasi als Stolz für die eigene Konformität. Schürmann setzt das Wertesystem eines Individuums im Rahmen des Konsumentenverhaltens in eine Wechselbeziehung zwischen der subjektiv empfundenen Zufriedenheit und den Erwartungen (vgl. Schürmann, 1987, S. 84). So ist davon auszugehen, dass die Marke oder die Höhe des Produktpreises in Abhängigkeit des individuellen Stellenwerts dieser Eigenschaften die Erwartungen beeinflusst. Die Erwartungen beim Kauf von Produkten des täglichen Bedarfs beziehen sich dabei zum einen auf die Qualität eines Produkts und zum anderen auf die Wirkung des Produkts auf das soziale Umfeld (siehe Kapitel 3.2.4).

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Übertragen auf das konkrete Konsumentenverhalten, bedeutet dies, dass sich anpassungsfähige Personen in ihren Käufen dahingehend ausrichten, damit sie soziale Akzeptanz erreichen. Aggressive werden vielmehr prestigeorientierte Güter kaufen, um Erfolg und Stärke zu symbolisieren. Die Gruppe der Distanzierten zeichnet sich durch ihr besonders individuelles Einkaufsverhalten aus.

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Obwohl die Grenzen zwischen Werten und Einstellungen fließend sind, soll im Rahmen dieses Kapitels zumindest eine definitorische Abgrenzung dieser nicht beobachtbaren Einflussfaktoren durchgeführt werden. Werthaltungen haben im Gegensatz zu den Einstellungen eine weitaus abstraktere Ebene der Vorstellung (vgl. Rokeach, 1973; Schürmann, 1987, S. 26, Trommsdorff, 1998, S. 174). Hierzu zählen insbesondere Ideale oder auch Wunschvorstellungen, die eine zentrale Position innerhalb des Persönlichkeitssystems einnehmen und sowohl persistent als auch resistent sind. Bei Einstellungen steht hingegen die subjektive Komponente im Vordergrund. Grundsätzlich wird in der Literatur angeraten, dass bei empirischen Forschungen Werte als die ökonomischere Analyseeinheit herangezogen werden sollen (vgl. Schürmann, 1987, S. 27). Zudem werden diese meist als Referenzgröße gesehen, an denen sich die Einstellungen orientieren. In Anlehnung an Schürmann kann das Verständnis von Werthaltungen im Rahmen der Studie folgendermaßen definiert werden (vgl. Schürmann, 1987, S. 31): •

Werte sind die Schnittstelle zwischen der Gesellschaft und dem Individuum.



Werte beziehen sich auf allgemeine Lebensweisen. Durch Lebensstile werden diese dem Umfeld kommuniziert. Häufig reflektieren Produkte die Werte, die mit dem spezifischen Lebensstil in Verbindung gebracht werden (siehe dazu Schlenker, 1980, S. 48; Schmitz/Kölzer, 1996, S. 78).



Werte werden im Laufe des Sozialisationsprozesses gesellschaftlich vermittelt und gelten für größere soziale Einheiten.



Werthaltungen besitzen eine zentrale Stellung innerhalb der menschlichen Persönlichkeit und haben Einfluss auf das Verhalten. Sie sind persistent und stellen eine Orientierungsfunktion für den Menschen dar.

Im Gegensatz zu den Werten beziehen sich die Einstellungen des Menschen auf konkrete Objekte. Sie enthalten zudem ein Urteil, inwieweit ein Gegenstand zur Befriedigung individueller Motive geeignet ist (vgl. Müller-Hagedorn, 1986, S. 90). Die drei Komponenten der Einstellung – die kognitive, die affektive und die konative Dimension – sind bereits in der Modellerklärung als die Komponenten der menschlichen Werte- und Einstellungsstruktur genannt worden (vgl. Kapitel 3.1, S. 60). An dieser Stelle sollen sie kurz erläutert werden (vgl. Triandis, 1971, S. 3; Bruhn, 1979, S. 380 f.; Müller-Hagedorn, 1986, S. 91): •

Die kognitive Komponente bezieht sich auf die Kenntnisse und Kriterien, nach denen die Konsumenten Marken bzw. Produkte kategorisieren.



Die affektive Komponente erfasst die angenehmen und unangenehmen Zustände, die mit einer Kategorie verbunden werden.



Die konative Komponente erfasst die Bereitschaft, auf den Gegenstand der Einstellung zu reagieren.

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Die drei Komponenten sind voneinander nicht unabhängig und wirken beim Konsum in variierender Intensität in Abhängigkeit der Art der Kaufentscheidung (extensiv, limitiert, habitualisiert) (vgl. Weinberg, 1981, S. 13). Nach Triandis beinhalten Einstellungen im Allgemeinen die Gedanken, Gefühle und das gewünschte Verhalten gegenüber einem Einstellungsobjekt (vgl. Triandis, 1971, S. 14). Dabei verhalten sich Individuen nicht immer gemäß der gewünschten Art und Weise. Sie berücksichtigen die sozialen Normen und die erwarteten Konsequenzen, die sich aus dem Verhalten ergeben (vgl. Triandis, 1971, S. 14). Das Verhalten hängt somit von den Signalen ab, die der Mensch von seinem sozialen Umfeld erfährt (vgl. ebd., S. 22; Kapitel 2.1 S. 21).

Die Überlegungen im Rahmen dieses Kapitels haben gezeigt, dass Werte, Einstellungen und Verhalten nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Die individuellen Werte sind eingebunden in ein komplexes psychisches System. Einstellungen können dabei als intervenierende Variablen zwischen dem Wertesystem und dem konkreten Verhalten gesehen werden. Wenn auch in den weiteren Überlegungen im Rahmen dieser Arbeit häufig von Einstellungen gegenüber zentralen Produkteigenschaften gesprochen wird, muss stets berücksichtigt werden, dass hier im Hintergrund die Wertehaltung und der Lebensstil als Einfluss gebende Instanzen wirken. Da Einstellungen und Bedürfnisse die Auslöser für ein bestimmtes Konsumentenverhalten sind, kann die Verwendung dieser Begriffe in den folgenden Überlegungen gerechtfertigt werden. „Die Einstellungen der Konsumenten, die verhaltens- und damit auch kaufbestimmend sind, üben einen erheblichen Einfluss auf betriebswirtschaftliche Vorgänge (etwa die Umschlaggeschwindigkeit eines Produktes) wie auch auf volkswirtschaftliche Erscheinungen (z. B. die Kapazitätsauslastung der Produktion in einer bestimmten Branche) aus.“ (Berg, 1995, S. 19).

3.2.2.3. Moderierende psychographische Variablen

3.2.2.3.1. Das Selbstkonzept aus mehrdimensionaler Sicht

Die Tatsache, dass Produkte, Marken und Einkaufsstätten psychische Werte für bestimmte Marktsegmente darstellen, ist unbestritten (vgl. Grubb/Grathwohl, 1967, S. 22). Das Selbstkonzept, das sich mit der Interaktion von Individuen beschäftigt, spielt hier eine entscheidende Rolle (vgl. Escalas/Bettman, 2005, S. 379 ff.). Es entwickelt sich nicht aus einem persönlichen bzw. individuellen Prozess heraus, sondern aus einem Prozess der sozialen Erfahrung. So hat das theoretische Grundmodell dieser Studie gezeigt, dass der soziale Bezug beim Konsumentenverhalten Berücksichtigung finden muss (vgl. Wind, 1978, S. 324; Gras-

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mann, 1983, S. 129). Dabei sind folgende Bedeutungsebenen zu unterscheiden (vgl. Schlenker, 1980, S. 53; Kagan, 1981, S. 2; O’Shaughnessy, 1992, S. 162): •

Das Selbstkonzept im Sinne von Selbstimage.



Das Selbstwertgefühl, d. h. die Wertschätzung des eigenen Images. Dies steht in engem Zusammenhang mit kulturellen, subkulturellen und sozialen Werten, die durch die Interaktion mit anderen gewonnen wurden (siehe dazu Veblen, Kap. 2.2.3.1).



Selbstbewusstsein im Sinne eines Kompetenzgefühls, welches das Individuum glaubt, gegenüber anderen zu vermitteln (siehe dazu Bearden et al., 2001).

Häufig wird das Selbstkonzept eines Individuums als die Gesamtheit der oben aufgeführten Kriterien verstanden. Aufgrund der Komplexität sollen jedoch zunächst die Selbstkonzepttheorie im Allgemeinen und nachfolgend die genannten Hauptaspekte im Detail beleuchtet werden. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass hinsichtlich des individuellen Selbstkonzepts ein sozialer Vergleich mit der Umwelt und mit bestimmten sozialen Kategorien stattfindet (vgl. Richins, 1991, S. 72). Im Anschluss an die allgemeinen Ausführungen werden diese Bedeutungsebenen einer theoretischen Analyse unterzogen.

3.2.2.3.2. Die Selbstkonzepttheorie

Das individuelle Selbstkonzept kann nicht nur als psychographische Variable gesehen werden, sondern auch als Bestandteil des Lebensstilansatzes. Es bildet einen Aspekt von Habitus in dem Sinn, dass ein konditioniertes Selbst nach der Meinung der ausführenden Individuen richtige Gedanken, Aktionen und Reaktionen beeinflusst (vgl. Henry, 2005, S. 766). Gemäß der Theorie der sozialen Vergleichsprozesse haben Individuen das Bedürfnis, ihre Einstellungen zu bewerten, indem sie mit denen anderer Menschen in Beziehungen gesetzt werden (vgl. Tajfel, 1969, S. 165). So werden im Allgemeinen ein positives Selbstkonzept und eine positive Bewertung der eigenen Person durch andere angestrebt. Individuen können auf verschiedene Arten auf ihr mögliches Selbst reagieren: Keine Aktivität, aktive Zurückweisung des möglichen Selbst und Aktualisierung des möglichen Selbst in ein überarbeitetes Selbstkonzept (vgl. Schouten, 1991, S. 422). Je wünschenswerter und plausibler das mögliche Selbst für das Individuum ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Individuum dieses in sein eigenes Selbstkonzept übernimmt. Das Selbstkonzept ist durch das soziale Umfeld beeinflussbar und kann als Funktion zwischenmenschlicher Aktionen gesehen werden (vgl. Sirgy, 1982, S. 287). Menschen sind nicht nur in der Lage zu erkennen, wie sie von ihrem sozialen Umfeld gesehen werden, sie können sich in ihrem Erscheinungsbild auch bestimmten Erwartungen anpassen (vgl. Schlenker, 1980, S. 55; Kurzmann, 1991,

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S. 261). Die interpersonelle Beeinflussbarkeit ist allerdings im starken Maße von der Persönlichkeit des Individuums abhängig. So sind einige Menschen sensibler gegenüber der Beurteilung von anderen aus dem Umfeld und verwenden auch mehr Zeit damit, ihre Selbstdarstellung abzustimmen (vgl. Schlenker, 1980, S. 74). Des Weiteren kann angenommen werden, dass die Beeinflussbarkeit einer Person in einer bestimmten Situation in einer signifikant positiven Korrelation zu der Beeinflussbarkeit in anderen sozialen Situationen steht (vgl. Bearden et al., 1989, S. 437). Sie kann mit weiteren menschlichen Eigenschaften in Zusammenhang gebracht werden wie beispielsweise der allgemeinen Unsicherheit, dem Bedürfnis nach sozialer Zustimmung oder der Angst vor Abweisung durch andere Gruppen. In abgeschwächter Form wirken zudem Familienhintergrund, nationale historische Leistungen und öffentliche Symbole des kulturellen Status auf das Selbstkonzept ein. Die auf materieller Basis orientierten Lebensstile sowie die persönlich wichtigsten Gegenstände variieren dabei durch das kulturell bedingte Umfeld (vgl. Mehta/Belk, 1991, S. 399; Wattanasuwan, 2005, S. 182). Grundsätzlich kann das Selbstkonzept als das kognitive und affektive Verständnis von dem, was wir sind, bezeichnet werden (vgl. Schouten, 1991, S. 413). Es funktioniert als System von Selbsteinschätzungen, welches das Verhalten des Menschen reguliert, indem es die Beurteilung des eigenen Ichs und dessen Facetten in Kombination mit seinem Potenzial widerspiegelt (vgl. Markus/Nurius, 1987, S. 157). So ist die Mehrzahl der täglichen Handlungen durch das Ziel des maximalen sozialen Outputs gesteuert und nicht zwangsläufig durch die aktuelle Sicht eines Individuums von sich selbst. Epstein definiert in einer Metaanalyse die Eigenschaften des Selbstkonzepts als Bestandteil der Persönlichkeit wie folgt (vgl. Epstein, 1973, S. 407): •

Das Selbstkonzept ist ein Subsystem konsistenter hierarchisch angeordneter Konzepte.



Es besteht aus verschiedenen empirischen Selbstbildern wie dem Körper-



Das Selbstkonzept ist dynamisch und ändert sich mit der Erfahrung eines Indivi-

Selbstbild, dem spirituellen Selbstbild und dem sozialen Selbstbild.

duums. •

Es entwickelt sich aus der sozialen Interaktion mit Individuen, die anders sind.



Die Organisation des eigenen Selbstkonzepts ist die Basis für eine funktionierende Existenz eines Individuums in der Gesellschaft.



Die Schätzung des eigenen Selbst ist weiterer zentraler Ausgangspunkt eines funktionierenden Selbstkonzepts.



Das Selbstkonzept hat zwei grundlegende Funktionen. Zum einen bringt es Struktur in die Menge an Erfahrungen, die ein Individuum macht, zum anderen fördert es die Versuche, eigene Wünsche zu befriedigen und Zurückweisung zu verhindern.

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Die beschriebenen Erfahrungen müssen dabei nicht unbedingt direkt erfolgen, sie können auch vom näheren Umfeld auf das Individuum übertragen werden (vgl. Epstein, 1973, S. 409). In Anlehnung an Wylie kann das von Epstein beschriebene System als generisches Selbstkonzept verstanden werden (vgl. Wylie, 1968, S. 740). Dieses kann aus einer multidimensionalen Perspektive gesehen in verschiedene Dimensionen aufgeteilt werden. Zum einen kann hier von dem aktuellen Selbstkonzept gesprochen werden, welches sich darauf bezieht, wie sich ein Individuum in Realität sieht. So kann dieser Aspekt weiter unterteilt werden in ein soziales Selbstkonzept und ein privates Selbstkonzept (vgl. Wylie, 1968, S. 741). Die erstgenannte Dimension spiegelt sich in der Präsentation des Menschen gegenüber dem sozialen Umfeld wider (vgl. Sirgy, 1982, S. 287). Das private Selbstkonzept bezieht sich auf die Einstellung zu den eigenen individuellen Eigenschaften (vgl. ebd., S. 287). Die zweite Dimension, unter deren Einfluss der Mensch steht, wird als das ideelle Selbstkonzept bezeichnet.39 Es bezieht sich darauf, wie sich eine Person gerne sehen würde oder wie sie vermutet, dass sie durch das soziale Umfeld gerne gesehen wird. Selbstkonzepte von Individuen unterscheiden sich folglich dadurch, ob sie gruppenorientiert sind oder auf individueller Ebene basieren. Hier muss eine Unterscheidung getroffen werden, ob diese gewünschte Sichtweise von bestimmten zugeschriebenen Eigenschaften, Tätigkeiten oder Besitztümern abhängt. „Within contemporary Western cultures we are most accustomed to assessing the identity of self and others based on individual characteristics such as age, occupation, behaviour, and various material symbols of individual status.” (Belk, 1983, S. 754). Produkten wird ein bestimmtes Image zugeordnet, welches nicht nur von ihren physischen Eigenschaften abhängt, sondern auch von anderen Faktoren wie dem Preis oder der Marke (siehe dazu Kapitel 3.2.4; Sirgy, 1982, S. 287). Aber auch das Bewusstsein über die typische Verwenderschaft eines Produkts kann sich auf das Konsumentenverhalten auswirken, insbesondere wenn die Eigenschaften dieser Verwenderschaft mit dem idealen Selbstkonzept übereinstimmen oder diesem total widersprechen. So versuchen Kunden ihr ideelles Selbstkonzept u. a. dadurch zu erreichen, indem sie Produkte kaufen, deren Eigenschaften den gewünschten Ausprägungen des Selbstkonstrukts entsprechen (vgl. Wiswede, 1992, S. 77). Dieses potenzielle Selbst ist als Bestandteil des menschlichen Selbstkonzepts zu sehen. Es steht nicht nur in Verbindung mit dem, was ein Individuum erreichen will, sondern auch mit seinen Ängsten. Das ideelle Selbst nimmt eine konzeptionelle Brückenfunktion zwischen dem aktuellen Selbstkonzept und der Motivation bei den täglichen Handlungen ein. Es entspricht der kognitiven Darstellung von Hoffnungen, Ängsten und Zielen, die Struktur in das tägliche Handeln bringt (vgl. Markus/Nurius, 1987, S. 170). Ziel von Individuen ist es, Kongruenz zwischen dem aktuellen und dem ideellen Selbstkonzept zu erreichen. Dennoch kann das aktuelle Selbst beispielsweise durch Normen eingeschränkt sein, sodass keine Verhal39

In der Literatur sind in diesem Sinne auch die Begriffe „phänomenales“, „potentielles“ Selbstkonzept oder „ideales“ Selbst zu finden (vgl. Wylie, 1968, S. 730).

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tensweisen möglich sind, die dem ideellen Selbstkonzept entsprechen. Dieses Dilemma verursacht schließlich einen inneren Spannungszustand und in letzter Instanz defensives Verhalten (vgl. Wylie, 1968, S. 752). Besonders bei ethnischen Minderheiten sind solche Situationen denkbar, die sich durch solch defensive Verhaltensweisen von der Gesellschaft isolieren. Zu den Einflussfaktoren der gewünschten Selbstdarstellung zählt auch das situationsspezifische Image. Der Konsument versucht durch die Wahl bestimmter Einkaufsorte und Einkaufsstättentypen, sein aktuelles oder ideelles Selbstkonzept zu unterstreichen. Die Grenzen zur Selbstverwirklichung sind hier fließend. Eine übersichtliche Darstellung zu den Effekten von Selbstwertgefühl- und Selbstverwirklichungsmotiven im Rahmen der Selbstkonzepttheorie wird in nachfolgender Tabelle gegeben:

Mediatoren Selbstimage/ Selbst- Produkt- resultieren Produktimage image image in Kongruenz + +

+ + -

Positive Kongruenz Positive Inkongruenz Negative Kongruenz Negative Inkongruenz

Selbstwertgefühl Motivation

Selbstverwirklichungs Motivation

Kaufmotivation

Annäherung Annäherung Vermeidung Vermeidung

Annäherung Vermeidung Annäherung Vermeidung

Annäherung Konflikt Konflikt Vermeidung

Abb. 22: Kaufmotivation in Abhängigkeit von der Selbst-Produktimage-Kongruenz (vgl. Sirgy, 1982, S. 291)

Durch die breite Auswahl an materiellen und immateriellen Symbolen und Besitztümern hat der Mensch ein weites Spektrum an Möglichkeiten, Identität und ein gewisses Selbstimage zu kommunizieren (vgl. Scheuch/Daheim, 1970, S. 88). Eine Einflussvariable auf das individuelle Selbstkonzept ist das Ausmaß der Konzentration des Konsumgüterbesitzes in einer Gesellschaft (vgl. Belk, 1983, S. 756). So ist innerhalb der meisten Kulturen der Neid gegenüber den besitzenden Menschen in mehr oder weniger starkem Ausmaß vorhanden. Neid bei anderen durch demonstrativen Konsum zu erzeugen bedeutet zunächst, sich den eigenen sozialen Status gegenüber möglichen Konkurrenten zu sichern (vgl. Foster, 1972, S. 167). Dieser Neid kann sich auf das Selbstkonzept und schließlich auf das nach außen getragene Verhalten eines Menschen auswirken.40 Die Eifersucht des Umfelds kann allerdings von einem Individuum nicht nur als positiv empfunden werden, denn die belastende Wirkung ist selten auf das Produkt gerichtet, sondern auf die Person. “It is important to note that an envier is not envious of the thing he would like to have; he is envious of the person who is fortunate enough to have it.” (Foster, 1972, S. 168). Diese Wirkung beruht insbesondere darauf, indem Personen die Schuld ihres Defizits an Produkten auf andere Personen 40

Beispielsweise haben hier Scheuch und Daheim für die oberen Schichten eine Tendenz zur „Tiefstapelei“ festgestellt (vgl. Scheuch/ Daheim, 1970, S. 83).

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beziehen, die auf einer übergeordneten Hierarchiestufe stehen. Als Resultat wird dessen Selbstkonzept meist dadurch belastet, indem das Selbstwertgefühl beispielsweise durch Demütigung verletzt wird (vgl. Epstein, 1973, S. 413). Da ein stabiles Selbstkonzept jedoch ein grundlegendes Ziel von Individuen ist, stehen nach Foster vier Methoden zur Verfügung, die Menschen zur Vermeidung dieses Effekts nutzen können (vgl. Foster, 1972, S. 175; Epstein, 1973, S. 413; Belk, 1983, S. 757): •

Verbergen von Besitztümern, die Neid erzeugen können



Verneinung und Herabstufung der Wertigkeit eigener Besitztümer



Das symbolische Teilen („Mein Haus ist dein Haus“)



Wirkliches Teilen bzw. das Verteilen von Geschenken

Der Neid kann sich jedoch nicht nur auf Symbole wie Geld oder Güter beschränken, sondern auch auf Zeichen, die auf dem selbst Erreichten basieren. Menschen können auf zwei verschiedene Arten ihrem angestrebten Selbstkonzept entsprechen. Dies sind zum einen materielle Symbole (vgl. auch Kapitel 3.2.3.2.3) und zum anderen identitätstiftende Taten. Häufig dienen materielle Güter zur Definition des Selbstkonzepts bei Menschen, die nicht das Potenzial haben, durch besondere Leistungen dieses Ziel zu erreichen. „Conspicuos consumption is greater due to increased social mobility, less effective group sanctions against individuos distinction, and greater ability for possessions to convey a potentially false sense of what one does.” (Belk, 1983, S. 758; siehe auch Kapitel 2.2.3.1, S. 40). Nicht nur Produkte können zur Kommunikation des Selbstimages dienen. Häufig werden jene Einkaufsstätten gewählt, die mit dem Selbstkonzept des Konsumenten übereinstimmten (vgl. Henry, 2005, S. 766). Zur Begründung können ökonomische Kriterien herangezogen werden oder auch das Bestreben des Konsumenten, kein soziales Risiko einzugehen, indem dieser sich in ein ungewohntes Umfeld begibt (vgl. Mason, 1981, S. 126). Grubb und Grathwohl haben ein qualitatives Modell erstellt, welches die Erkenntnisse der Selbstkonzepttheorie mit dem Konsumentenverhalten in Zusammenhang setzt. Voraussetzung ist, dass die erworbenen Produkte eine Symbolfunktion darstellen (vgl. Grubb/Grathwohl, 1967, S. 25 f.): •

Ein Individuum besitzt ein Selbstkonzept.



Das Selbstkonzept stellt für das Individuum einen Wert dar.



Da das Selbstkonzept einen Wert darstellt, ist das Verhalten auf die Bestätigung des Selbstkonzepts ausgerichtet.



Das Selbstkonzept wird durch den Interaktionsprozess mit Referenzgruppen geformt.



Produkte dienen als soziale Symbole und sind daher Kommunikationsmittel für das Individuum.

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Der Gebrauch dieser Symbole vermittelt sowohl dem Individuum als auch seinem sozialen Umfeld Bedeutungen. Diese wirken sich auf die Interaktionsprozesse und/oder auf die inneren Vorgänge aus.

Die oben dargestellte Kombination des Kaufverhaltens mit dem Selbstkonzept stellt eine Zusammenfassung zur Wirkung des Selbstkonzepts auf den Konsum von Produkten dar. Dabei können Produktkäufe bis hin zur Sammelleidenschaft ausgeprägt sein, um sich Selbstidentität zu schaffen oder diese zu verbessern (vgl. Richins/Rudmin, 1994, S. 226). Jedoch sollte das Selbstkonzept eines Individuums nicht als eigener Wert gesehen werden. Vielmehr wirkt es als eine moderierende Einflussvariable, die den Zusammenhang zwischen dem sozialen Umfeld und dem individuellen Wertesystem beeinflusst.

In der Gesellschaft werden die Rollen, die Individuen spielen, und das Selbst, das sie sind, in gewisser Weise gleichgesetzt. Die Darstellung des Selbst kann als Bemühen bezeichnet werden, den anderen ein Bild von sich selbst zu vermitteln. Soziale Zustimmung und interpersonelle Anziehung sind dabei die zentralen Einflussfaktoren auf die Werte, Einstellungen und das Selbstkonzept von Individuen (vgl. Blau, 1964, S. 85).41 Wie in diesem Kapitel gezeigt wurde, lässt sich das Selbstkonzept von Individuen in zwei Ebenen aufteilen, dem aktuellen und dem ideellen Selbstkonzept. Dabei bestimmt die Motivation zur Kongruenz zwischen diesen beiden Ebenen das tägliche Verhalten. Neben diesen Komponenten kann von der Existenz und dem unabhängigen Einfluss der Selbstkonzeptmotive „Selbstwertgefühl“ und der „Selbstverwirklichung“ ausgegangen werden (vgl. Wylie, 1968, S. 752; Sirgy, 1982, S. 287). Diese beiden Motive versuchen Konsumenten in Abhängigkeit von der Produktkategorie durch verschiedene Produkteigenschaften zu verfolgen. Die zentralen Eigenschaften zur Bestätigung des Selbstwertgefühls und zur Selbstverwirklichung sind im Rahmen dieser Studie der Preis, die Tatsache, ob ein Markenprodukt vorhanden ist, und die Leistungstransparenz in Form von gesunden und umweltschonenden Inhaltsstoffen. Auch Beatty et al. haben gezeigt, dass sowohl das Selbstwertgefühl als auch das Bedürfnis der Selbstverwirklichung wesentliche Faktoren sind, die das tägliche Handeln von Menschen beeinflussen (vgl. Beatty et al., 1992).42 Aus diesem Grund soll diesen beiden Motiven in den nachfolgenden Überlegungen detaillierte Aufmerksamkeit geschenkt werden.

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Zudem kann der Grad der finanziellen Unabhängigkeit als signifikanter Einflussfaktor auf das Selbstkonzept gesehen werden (vgl. Henry, 2005, S. 767). 42 Die Forscher verwendeten zwei Messinstrumente, die LOV nach Kahle et al. und den Rokeach Value Survey (RVS). Ergebnisse LOV: 84,4 Prozent der Befragten werden durch das Bedürfnis nach Selbstwertgefühl beeinflusst, 76,7 Prozent wollen Selbstverwirklichung; Ergebnisse RVS: 86 Prozent der Befragten werden durch das Bedürfnis nach Selbstwertgefühl beeinflusst.

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3.2.2.3.3. Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein

Kein Mensch kann in den Situationen des täglichen Lebens all seine Gedanken und Gefühle zeigen, die ihn selbst in seiner Gesamtheit darstellen sollen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, nehmen wir uns bestimmte Symbole zu Hilfe, die für die Menge an Erfahrungen und für das im Leben Erreichte eine repräsentative Funktion darstellen. Durch die Darstellung von Symbolen zur Definition der eigenen Person wird Selbstbewusstsein geschaffen (vgl. Csikszentmihalyi/Rochberg-Halton, 1981, S. 3). Dabei reflektiert diese symbolhafte Selbstdarstellung den Wunsch, durch die Angleichung an die Referenzgruppe das eigene Selbstwertgefühl zu steigern (vgl. Bearden et al., 1989, S. 474). Menschen, die nicht alle Aspekte der eigenen Person akzeptieren, werden versuchen, alle Symbole zu vermeiden, die die ungewollten Aspekte zeigen, und jene sozial sichtbar zu machen, die das gewünschte Selbst unterstreichen (vgl. Fishbein, 1996, S. 250). Selbstbewusstsein entsteht dann, wenn Kongruenz zwischen dem aktuellen und dem idealen Selbstkonzept besteht und äußert sich dadurch, indem sich der Konsument fähig fühlt, eigene Entscheidungen zu treffen und ein sozial „richtiges“ Verhalten zu zeigen (vgl. Bearden et al., 2001, S. 123). Ob Kongruenz vorliegt oder nicht, erfährt das Individuum durch eine Kombination aus Belohnungen oder im Fall der Verfehlung durch Sanktionen. Das Selbstbewusstsein, welches im Belohnungsfall entsteht, beeinflusst wiederum das Verhalten des Individuums (vgl. Wylie, 1968, S. 773; siehe dazu vgl. Kapitel 2.2.3.1, S. 43 ). Reagiert das soziale Umfeld mit Sanktionen auf das Verhalten, so können Schutzmechanismen auftreten, die eine Reduzierung des Selbstwertgefühls verhindern sollen. Diese können sich folgendermaßen im Verhalten widerspiegeln: die Abwertung der Quelle der Sanktionen, eine Verdrängung der Sanktionen, eine Betonung von Verhaltensweisen, die in der Vergangenheit Belohnungen eingebracht haben oder die Beschuldigung anderer für das eigene Fehlverhalten.

Wenn ein Zusammenhang zwischen einem Produkt und einer persönlichen Eigenschaft festgestellt werden kann, ist es jedoch meist schwer abzuleiten, wie stark ein bestimmtes Produkt mit der Ausprägung der menschlichen Verhaltensweise in Verbindung gebracht werden kann. Brody und Cunningham bringen in ihrem Modell das angenommene Risiko, ob das Produkt die gewünschte Funktion übernimmt, das individuelle Selbstbewusstsein, dass das Produkt die angenommene Funktion auch wirklich leistet, und das angenommene soziale Risiko in Zusammenhang (vgl. Brody/Cunningham, 1968, S. 51):

95

Specific Self-Confidence (High)

Specific Self-Confidence (Low)

Perceifed Social Risk

Perceifed Social Risk

High

Perceived performance risk

High

Low

Low

Personal System and social system Personal system variables variables Social System Variables

Exogenuos variables

High

Low

Risk-reducing variables

Risk-reducing variables

Risk-reducing variables

Exogenuos variables

Abb. 23: Matrix der beeinflussenden Variablen des Kaufentscheidungsprozesses (vgl. Brody/Cunningham, 1968, S. 52)

Das individuell angenommene „Performance“-Risiko und das soziale Risiko hängen dabei von der Produktkategorie ab. Sind beide Komponenten schwach ausgeprägt, so werden exogene Variablen wie Preis oder Serviceleistungen der Einkaufsstätte bei dem Entscheidungsprozess herangezogen. Diese Verhaltensweise äußert sich unabhängig von der Ausprägung des Selbstbewusstseins des Konsumenten. Allein die Beachtung sozialer Normen, die einem Individuum von seinem sozialen Umfeld vorgegeben werden, kann zur Akzeptanz durch das Umfeld führen und letztendlich ein gesteigertes Selbstwertgefühl generieren (vgl. O’Shaughnessy, 1992, S. 151). Die Wirkung von Normen auf das Käuferverhalten als Teilbereich des sozialen Verhaltens wird in der Literatur vielfach bestätigt (vgl. Babad et al., 1982, S. 217; O’Shaughnessy, 1992, S. 151; Kapitel 2.1, S. 21). Dabei kann das Geflecht der Normen äußerst komplex sein. Auch führt die bloße Einhaltung von Normen nicht zwangsläufig zu einem gesteigerten Selbstbewusstsein. Vielmehr ist es die Identifikation bei der Übernahme von Verhaltensweisen anderer, die auch der eigenen Selbstdefinition genügen, welche zu einem gesteigerten Selbstbewusstsein führt. Die Suche nach Erfolg durch die eigenen Handlungen wird dabei meist als Ursache für den stetigen Abgleich der eigenen Werte und Verhaltensmöglichkeiten mit denen anderer gesehen. Gleichwohl können Entscheidungen, die im Rahmen von Normen erfolgen oder analog zu Meinungsbildnern und Referenzgruppen gebildet werden, zur subjektiven Sicherheit führen, indem gleichzeitig die Irrtumswahrscheinlichkeit reduziert wird (vgl. Bearden et al., 1989, S. 474). Die empfundene Unsicherheit von Konsumenten, beim Kauf von Produkten falsch zu liegen, nimmt in dem Maß zu, in dem die eigene Beurteilungsfähigkeit nicht ausreicht oder auch Informationen fehlen, die zur Überprüfung des eigenen Verhaltens herangezogen werden können. Häufig liegen gerade bei Konsumgütern solche Defizite vor (vgl. KroeberRiel/Weinberg, 1996, S. 471).

Der Kauf von qualitativ hochwertigen Produkten kann dadurch gefördert werden, indem der Mensch versucht, die eigene Selbstachtung zu steigern. Individuen mit hoher Selbstachtung 96

fühlen sich erfolgreich und glauben sich vom Umfeld besser akzeptiert (vgl. Solomon et al., 2001, S. 214). Viele Menschen achten darauf, wie sie in ihrem sozialen Umfeld wirken und wählen teure Markenprodukte, weil sie damit das Gefühl haben, besser von ihrem sozialen Umfeld akzeptiert zu werden. Besonders Konsumenten mit geringem Selbstbewusstsein versuchen somit, sich selbst zu definieren. „Anhand des Kaufverhaltens einer Person beurteilen Menschen deren soziale Identität.“ (Solomon, et al., 2001, S. 219). Die Grenzen zu Materialismus und Egozentrismus sind hier allerdings fließend, denn ein zentraler Aspekt von Materialismus ist der Gebrauch von Konsumgütern zur Kommunikation der individuellen Identität (vgl. Dittmar/Pepper, 1994, S. 234). „[…] materialism is a distinctive style of consumption that results when consumers believe that value inheres in consumption objects rather than in experience or in other people“ (Holt, 1995, S. 13). Der gezielte Kauf bestimmter Produkte zur Steigerung des Selbstwertgefühls kann schnell zu einem Leben führen, das nur noch der grenzenlosen Anhäufung von nutzlosen Produkten gewidmet ist (vgl. Csikszentmihalyi/Rochberg-Halton, 1981, S. 231). Die Beziehung zwischen Wohlsein und Konsum ist nicht linear. Der positive Zusammenhang zwischen dem Besitz bestimmter Güter und dem Selbstwertgefühl lässt sich nicht ins Unendliche steigern. Konsumenten mit einem grundsätzlich hohen Selbstbewusstsein sind dagegen auch selbstbewusster beim Kauf von Produkten, da sie ihre eigene Kompetenz höher einschätzen und sie zudem durch andere Meinungen weniger beeinflusst werden (vgl. Bearden et al., 2001, S. 121). Außerdem geht dieser Konsumtyp davon aus, dass das soziale Umfeld positiv über ihn denkt und die Wahrscheinlichkeit der sozialen Zurückweisung gering ist (vgl. ebd., S. 122).

Die symbolische Selbsterfüllungstheorie besagt, dass Menschen mit unzureichender Selbstdefinition Produkte in Form von Symbolen erwerben, um ihre eigene Identität zu vervollständigen. Der Trend, sich über Produkte zu definieren, ist allerdings rückläufig. So ist das Markenbewusstsein zwischen 1989 und 1992 in der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen um acht Prozent zurückgegangen (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 359). Zwar wird sich dieser Trend in den 90er-Jahren weiter fortgesetzt haben, dennoch ist eine globale Aussage hier zu ungenau. Es kann weiterhin von der Existenz bestimmter Käufersegmente ausgegangen werden, die Markenprodukte trotz des höheren Preises erwerben, da sie mit diesen aufgrund eines unterdurchschnittlichen Selbstbewusstseins gezielt Motive befriedigen wollen (siehe dazu auch Kapitel 5). Selbstimage-Kongruenz-Modelle widersprechen hingegen diesem Ansatz. Diese gehen davon aus, dass Menschen eine Übereinstimmung zwischen den Produkten oder bestimmten Attributen von Produkten und dem Selbstimage wählen und schließlich jene Artikel mit der höchsten Kongruenz erwerben. Diesen Modellen folgend würden beispielsweise Kunden aus hohen sozialen Schichten trotz eines hohen Selbstbewusstseins teure Markenprodukte kaufen, da diese am besten mit dem Selbstimage übereinstimmen. Des

97

Weiteren lassen sich aus den bisherigen theoretischen Überlegungen folgende Hypothesen ableiten: •

Hypothese: Die Selbstsicherheit ist bei Konsumenten aus niedrigen sozialen Schichten geringer als bei Menschen aus höheren Schichten.



Hypothese: Je geringer das Selbstbewusstsein des Konsumenten ist, desto intensiver orientiert er sich an seinem sozialen Umfeld.

Zudem soll den Ansätzen der symbolischen Selbsterfüllungstheorie gefolgt werden, sodass es folgende Aussagen zu überprüfen gilt: •

Hypothese: Je geringer das Selbstbewusstsein ist, desto höher ist die Markenrelevanz.

Gemäß der Hypothese wird an dieser Stelle davon ausgegangen, dass Personen, die sich in ihrem Verhalten unsicher sind, stärker die Neigung vorweisen, sich über Markenprodukte zu definieren.

3.2.2.3.4. Selbstverwirklichung In einer zunehmend nach Individualität strebenden Gesellschaft ist das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung als ein zentraler Bestandteil des Selbstkonzepts zu sehen. So stellt der moderne Konsument nicht den primär eindimensionalen, zeitstabilen und konvergent„logischen“ homo oeconomicus dar (vgl. Bebad, 1975, S. 33, Bauer, 1976, S. 209). Er muss als ein soziales Wesen gesehen werden, der bestimmten Leitbildern und Kulturvorgaben folgt und zugleich versucht, gewisse Bedürfnisse zu erfüllen, die er aufgrund seiner Erfahrungen modifizieren kann (vgl. Bebad, 1975, S. 334; Schütz, 2001, S. 220). Eine Entwicklung im Konsumentenverhalten, die in den letzten Jahren mit dem zunehmenden Trend nach Individualität einhergeht, ist die sogenannte Multioptionalität. Das Kaufverhalten einer Person ist demnach mehrdimensional. Einfache und logische Motivations- und Verhaltenschemata, wie der Drang nach Selbstverwirklichung, können nicht mehr problemlos identifiziert werden. Der Verbraucher lebt in den unterschiedlichsten Konsum- und Markenwelten und gestaltet seine „Welt“ individuell (vgl. Esch, 2005, S. 36). Er versucht, sich von anderen Menschen abzuheben und hat das Bedürfnis der Selbstentfaltung. Dieses Motiv wurde bereits als Element der Bedürfnishierarchie von Maslow dargestellt (vgl. Kapitel 3.2.2, S. 83). Allerdings verschwimmt der Wunsch nach Individualität, wenn sich der Konsument mit seinem Kaufverhalten an bestimmten Bezugsgruppen orientiert, um sein Selbstbewusstsein zu stärken (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 364; Kapitel 2.1). So lebt der Verbraucher in 98

einem Zielkonflikt. Zum einen hat er das Bestreben, sich von seinem gesellschaftlichen Umfeld abzuheben, zum anderen orientiert sich dieser mit seinem Verhalten an anderen Gruppen. Selbst die größten Bemühungen, Selbstverwirklichung durch Individualität zu erfahren, kann aus der Makroperspektive nur als bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe interpretiert werden (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 364). Das Motiv der Selbstverwirklichung hat die zentrale Aufgabe, das Verhalten des Menschen zu steuern, damit es konsistent mit der eigenen Identität ist. Den Zusammenhang zwischen Konsum und Selbstverwirklichung bezeichnet Haubl als Selbsterhaltung und greift damit einen entscheidenden Aspekt der Theorie von Veblen auf (vgl. Kapitel 2.2.3.1, S. 40). Er unterscheidet vier Gebrauchsformen im Umgang mit Gütern, die durch einen idealtypischen Prozess miteinander verbunden sind: ego

expressiv

Fokus

alter

Selbsterfahrung

Eindruckslenkung

ERLEBNIS

IMAGE

Modus

Konsum GRUPPENICH-IDENTITÄT

ZUGEHÖRIGKEIT

Selbstverwirklichung

Sozialintegration

regulativ

Abb. 24: Facetten der Selbsterhaltung (vgl. Haubl, 1998, S. 16)

Haubl betont den Distinktionsaspekt, also die alter-Ebene des Konsumprozesses43. Durch das gewonnene Image soll die Zugehörigkeit zur „ingroup“ bestätigt und die Abgrenzung zur „outgroup“ untermalt werden. Ist ein gewisser Standard erreicht, so wird jedes Absenken dieses Standards als Image- und Statusverlust gesehen, der die Ich-Identität des Konsumenten bedroht. So kann dieses ewige Streben nach Selbstverwirklichung dazu führen, dass Güter und deren Konsum allein dazu dienen, dem Leben eine Struktur und Richtung vorzugeben (vgl. Löfgren, 1994, S. 49). Weitere Effekte können das Empfinden von innerer Leere und letztendlich eine mangelnde Integration in die Gesellschaft sein (vgl. Löfgren, 1994, S. 49). Die Motivation nach Selbstverwirklichung kann je nach Verbrauchertyp unterschiedlich ausgeprägt sein. Es ist anzunehmen, dass die Demographie des Konsumenten hierbei einen Einfluss hat (vgl. Vinson et al., 1977; Kapitel 5.1). 43

Diese Ebene wurde bereits in Kapitel 2.2.3.1 mit der Beschreibung der Theorien von Veblen und Bourdieu vorgestellt.

99

Trotz des zunehmenden Strebens nach Selbstverwirklichung ergeben bestehende Segmentierungsansätze, dass ein großer Teil der Konsumenten immer noch zu den „Otto Normalverbrauchern“ gezählt werden kann (siehe dazu auch Kapitel 5.5). So lassen sich aus der Kombination der theoretischen Erkenntnisse zur Demographie und den Überlegungen dieses Kapitels folgende Hypothesen ableiten: •

Hypothese: Der Einfluss des Umfelds auf das Käuferverhalten ist bei Konsumenten aus niedriger sozialer Schicht stärker ausgeprägt als bei Konsumenten höherer sozialer Schichten.



Hypothese: Der Einfluss des Umfelds auf das Käuferverhalten ist bei Konsumenten aus niedrigeren Bildungsschichten stärker ausgeprägt als bei Konsumenten mit höherer Bildung.

Die Hypothesen werden sowohl auf die normative als auch auf die informative Dimension überprüft. •

Hypothese: Je höher die Schicht, desto stärker ist das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung bei Produkten des täglichen Bedarfs.

Dieser Hypothese liegt die Annahme zugrunde, dass mit zunehmender Orientierung am sozialen Umfeld – gemäß oben dargestellter Hypothese sinkt diese bei abnehmender Schicht – auch das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung sinkt.

3.2.2.3.5. Selbstkonzepttheorie und ethnische Selbstbestätigung

Je wichtiger die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist, desto wichtiger ist es auch, deren Werten, Einstellungen und Regeln zu folgen (vgl. Gordon, 1964; Landis et al., 1966). Vor allem für ethnische Minderheiten kann es von zentraler Bedeutung sein, Käufe innerhalb der eigenen Subkultur zu tätigen. So haben Andreasen und Hodges festgestellt, dass ethnische Minderheiten kleinere von ihresgleichen geführte Geschäfte trotz höherer Preise bevorzugen (vgl. Andreasen/Hodges, 1977, S. 85). Andere Studien haben ergeben, dass sich Personen bei einer Vielzahl von Entscheidungssituationen mehr von der eigenen ethnischen Gruppe angezogen fühlen als von „outgroups“ (vgl. Byrne/Wong 1962, S. 249). Dies beruht auf dem Sicherheitsempfinden, welches Individuen innerhalb ihrer eigenen ethnischen Gruppe verspüren (vgl. Horowitz, 1985, S. 143). „Minderheitenstatus“ bedeutet, dass eine Gruppe einen eingeschränkten Zugang zu bestimmten Rollen in der Gesellschaft hat. Dies kann das Be-

100

dürfnis der ethnischen Selbstbestätigung stärken, denn bei Minderheiten kann sich erst die gestärkte Gruppe in der Lage fühlen, gegen die sozialen Einschränkungen vorzugehen (vgl. Babad et al., 1983, S. 225). Andererseits ergibt sich eine gegensätzliche Motivstruktur, wenn sie sich an Referenzgruppen orientieren, die aus ihrer subjektiven Sicht eine bessere Stellung in der Gesellschaft besitzen. Ein Individuum verhält sich der Selbstkonzepttheorie zufolge möglichst in der Form, dass die eigene Wahrnehmung des Verhaltens zum Selbstbild passt und es verstärkt (vgl. Trommsdorff, 1998, S. 199; Kapitel 3.2.2.3.2, S. 90). Die Theorie des „relative group worth“ vereinigt die Theorie der sozialen Vergleichsprozesse von Festinger und die soziale Identitätstheorie von Tajfel (vgl. Horowitz, 1985, S. 143 ff.; Herrmann, 2001, S. 134 f., siehe auch Kapitel 3.2.2.3.2). Besonders Minderheiten haben den Antrieb, einen stetigen sozialen Vergleich durchzuführen, der sich zum einen an der Eigengruppe aber auch an Fremdgruppen orientiert. Liefert die Eigengruppe eine Basis für ein positives Selbstkonzept, kann eine Abgrenzung ohne gleichzeitiger Abwertung der Fremdgruppe erfolgen (vgl. Herrmann, 2001, S. 136). Ist diese Basis nicht vorhanden, so kann die Reaktion der Gruppenmitglieder auf verschiedene Weise geschehen (ebd., S. 136): •

Verlassen der eigenen Gruppe und Integration in andere Gruppen;



Abwertung der eigenen Person;



Änderung der Bewertungsmaßstäbe, indem die eigene Gruppe über- und die Fremdgruppe abgewertet wird. Besonders bei dieser Variante spielen ethnozentristische Orientierungen eine große Rolle (siehe dazu folgendes Kapitel).

Nachfolgende Übersicht fasst die Zusammenhänge nochmals graphisch zusammen: Makro

Meso

Verteilung von gesellschaftlichen Ressourcen und sozialen Positionen

Evaluativer Gruppenvergleich

Individuelle Vergleichsprozesse

Mikro

Ingroup-Favorisierung Positive Distinktion auf einer relevanten Vergleichsdimension ohne Abwertung der Fremdgruppe

Exit Verlassen der Gruppe

Outgroup-Abwertung Veränderung der Bewertungsmaßstäbe durch Abwertung der Fremdgruppe und Überbewertung der Eigengruppe Ethnozentrismus

Abb. 25: Die „relative group worth“-Theorie (vgl. Horowitz, 1985, S. 140 ff.; Hermann, 2001)

44

44

Die Mesoebene bezeichnet in der Ökonomie die intermediäre Perspektive, welche zwischen der individuellen Perspektive der Mikroebene und der volkswirtschaftlichen Gesamtperspektive (Makroebene) liegt (vgl. Steinle, 1985, S. 35 f.).

101

Mitglieder ethnischer Minderheiten versuchen die Zugehörigkeit zu ihrer Kultur u. a. über bestimmte Produkte auszudrücken. „In der Zugehörigkeit eines Konsumenten zu einem bestimmten Culture Encounter kommt auch das Streben des Individuums nach Legitimierung des eigenen Selbstkonzepts zum Ausdruck, das durch die anderen Mitglieder quasi rationalisiert wird.“ (Brune, 1991, S. 242). Individuen, die aufgrund äußerlicher Kriterien nicht eindeutig einer ethnischen Gruppe zugeordnet werden können, können im besonderen Maß den Anreiz haben, die Anzeichen der ethnischen Zugehörigkeit (Namen, Sprache etc.) zu vertuschen, um aus dem Minderheiten-Status heraus in der sie umgebenden Gesellschaft vollkommen akzeptiert zu werden oder sogar sozial aufzusteigen. Solch ein Verhalten würde auf ein geringes Selbstwertgefühl hinweisen. Zwar ist dieses Bedürfnis in einer Zeit der Akzeptanz und der Schätzung von multikulturellen Gesellschaften zunehmend zurückgegangen, dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Verlangen nach Integration durch gesellschaftliche Akzeptanz bei ethnischen Minderheiten vollkommen verschwunden ist (vgl. Babad et al., 1983, S. 147; Fishbein, 1996, S. 259). Die theoretischen Überlegungen im Rahmen dieses Kapitels führen zu folgenden Hypothesen: •

Hypothese: Der Einfluss des näheren Umfelds auf das Käuferverhalten ist bei Deutschtürken stärker ausgeprägt als bei den deutschen Konsumenten.

Die Überprüfung dieser Hypothese orientiert sich an nachfolgenden Behauptungen: •

Hypothese: Die informelle Orientierung am näheren sozialen Umfeld ist bei Deutschtürken stärker ausgeprägt als bei den deutschen Konsumenten.



Hypothese: Die normative Orientierung am näheren sozialen Umfeld ist bei Deutschtürken stärker ausgeprägt als bei den deutschen Konsumenten.

Nachfolgende Hypothese soll Erkenntnisse zur Selbstsicherheit ethnischer Minderheiten in einer fremden Kultur geben: •

Hypothese: Die Selbstsicherheit ist bei den Deutschtürken geringer ausgeprägt als bei den deutschen Konsumenten.

3.2.2.4. Die Wirkung von Ethnozentrismus auf das Verhalten

Die theoretischen Überlegungen zum Käuferverhalten bei ethnischen Minderheiten haben gezeigt, dass bei dieser Konsumentengruppe das Verhalten beim Produktkauf und die dazu102

gehörige Motivstruktur nicht analog der deutschen Konsumenten definiert werden kann. Obwohl das theoretische Grundgerüst gemäß dem Modell in Kapitel 3.1 (siehe dazu Abb. 15, S. 58) bei beiden kulturell unterschiedlichen Gruppen identisch ist, ist zu vermuten, dass der Stellenwert der Einflussfaktoren unterschiedlich ist. Nachdem die oben abgebildeten Überlegungen den Einfluss der eigenen Kultur auf das Verhalten von ethnischen Minderheiten beleuchtet haben, soll im Folgenden jener Faktor erklärt werden, der die Wirkung der eigenen Kultur auf das (Käufer-)Verhalten moderiert: der Ethnozentrismus. Trotz der häufigen Anwendung dieses Begriffs in der Sozialwissenschaft ist dieser jedoch in den meisten Fällen nur sehr ungenau spezifiziert (vgl. Herrmann, 2001, S. 25). Der Terminus „Ethnozentrismus“ wurde Anfang des 20. Jahrhunderts im Zusammenhang mit den Begriffen „ingroup“ und „outgroup“ eingeführt. In seinem Werk „Folkways“ definiert Sumner das Ethnozentrismuskonzept auf folgende Weise: „ Ethnocentrism is the technical name for this view of things in which one’s own group is the center of everything, and all others are scaled and rated with reference to it.” (Sumner, 1906, S. 12 f.). Bezieht man diese Definition auf das Konsummuster von Subkulturen, so haben hier ethnozentristische Tendenzen die Folge, dass der Konsument die Produkte aus dem eigenen Land bzw. der eigenen kulturellen Umgebung, der er sich zugehörig fühlt, für überlegen hält und demzufolge diese beim Kauf bevorzugt (vgl. Shimp, 1983, S. 285). „Ethnozentristische Einstellungen beziehen sich somit auf die kognitiven Vorstellungen, die wir über uns selber und den anderen haben sowie auf die Bewertung dieser Vorstellungen.“ (Herrmann, 2001, S. 28). LeVine und Campbell definieren Ethnozentrismus als psychosoziales Konstrukt, das hinsichtlich des individuellen Persönlichkeitssystems wirksam wird und zudem den sozialen Bezugsrahmen berücksichtigt (vgl. Levine/Campbell, 1972, S. 12; Sinkovics, 1999, S. 19). Die Entstehung von ethnozentristischen Haltungen beim Zusammentreffen zwischen einer dominanten Kultur und einer Minderheit kann im Rahmen dieser Studie aus zwei Perspektiven gesehen werden. Aus der Perspektive der dominanten Kultur kann die Entstehung mithilfe eines psychologischen Reaktionskreislaufs beschrieben werden (siehe dazu auch Hofstede, 1993, S. 237). In der ersten Phase dieses Kreislaufs ist die Neugier vorherrschend, die in einer zweiten Phase durch den Versuch abgelöst wird, die Minderheit anhand der eigenen kulturellen Normen zu beurteilen. Aus Sicht der Minderheit wird die erste Phase der Euphorie schnell von der Ernüchterung abgelöst, dass Druck von der dominanten Kultur vorhanden ist, die eigenen Werte und Ideale aufzugeben und die der dominanten Kultur zu übernehmen. Als Reaktion auf diesen Zielkonflikt ist bei beiden Parteien ein Beharren auf den eigenen Werten zu erkennen. Dieses Verhalten wird als Ethnozentrismus bezeichnet, wobei im Rahmen dieser Studie mit der Betrachtung dieses Einstellungsmusters im Konsum nur ein kleiner Teilbereich dieses umfassenden Konstrukts beleuchtet wird. Die Erlangung dieser Einstellung erfolgt häufig bereits in der Kindheit durch die Familie als zentrales Medi-

103

um der Sozialisation. Sind diese in den Denkstrukturen verankert, dauern sie meist in der Form bis in das Erwachsenenalter an (vgl. Shimp, 1983, S. 285). Die innere Haltung kann sowohl auf der Makro- als auch auf der Mikroebene betrachtet werden (vgl. Abb. 25, S. 101). Die Makroebene beschreibt die ethnozentristische Einstellung einer Gruppe oder Gesellschaft, indem diese sich selbst als Kern im Rahmen des evaluativen Gruppenvergleichs sieht, und andere Gesellschaften nur als passive Mitspieler gelten (vgl. Horowitz, 1985). Auf der Mikroebene – jene Ebene, die im Rahmen dieser Studie eine Rolle spielt – müssen die Werte des Einzelnen betrachtet werden. Dieser versucht bei einer Vielzahl von täglichen Handlungen in Abhängigkeit seiner ethnozentristischen Werte den Stolz über die Zugehörigkeit zu seiner eigenen ethnischen Gruppe zu bestätigen. Dieses Bedürfnis kann durch eine Reihe von Faktoren zusätzlich unterstützt werden. So konnte Herrmann nachweisen, dass mit abnehmender Bildung oder abnehmendem beruflichen Status die Bereitschaft zunimmt, ethnisch fremde Gruppen ab- und die eigene Ethnie aufzuwerten (vgl. Herrmann, 2001). Zentrales Ziel ist es dabei, die eigene ethnische Gruppe von innen heraus zu stärken (vgl. Babad et al., 1983, S. 111). Als weitere Faktoren zählen bei Minderheiten das Harmoniestreben, die Akzeptanz der eigenen Person und die Solidarität innerhalb der eigenen ethnischen Gruppe, die durch den Gebrauch von Symbolen zur Abgrenzung der anderen Gruppen von der eigenen gestärkt wird (siehe dazu Fishbein, 1996, S. 251 ff.). Eine unterstützende Tatsache ist, dass der geringere soziale Status, der den ethnischen Minderheiten in ihrer Grundgesamtheit meist zugeordnet werden kann, die Spannung gegenüber ihrem gesellschaftlichen Umfeld intensiviert. Während hinsichtlich der psychosozialen Grundrichtung ethnozentristischer Tendenzen eine weitgehende Einigkeit vorliegt, gelten für die Erklärung des Ursprungs unterschiedliche Ansätze. Im Folgenden sollen die drei bekanntesten Modelle dargestellt werden (vgl. Winkler, 1993, S. 795; Sinkovics, 1999, S. 20 ff.; Herrmann, 2001, S. 76 ff.): •

Gesellschaftliche Desintegrationsprozesse: Diese Theorie geht davon aus, dass gesellschaftliche Desintegrationsprozesse die Orientierungs- und Handlungssicherheit von Individuen erschweren. Durch die Adaption bestimmter Einstellungsmuster kann diesem Problem vorgebeugt werden. Ethnozentrismus dient hier für die Einteilung der Welt anhand askriptiver Merkmale und zudem zur eigenen Aufwertung. In Kombination mit der zunehmenden strukturellen Differenzierung der Gesellschaft kann Ethnozentrismus hier als Rückgriff auf traditionelle Orientierungsmuster gesehen werden.



Gruppenkonflikt und Konkurrenzmodelle: Diese Modelle dienen der Erklärung des Verhaltens der Mitglieder in einer multikulturellen Gesellschaft, wenn diese sich in einer Konkurrenzsituation befinden. Diese Konflikte sind insofern rational, da „ingroup“ und „outgroup“ unterschiedliche Ziele

104

haben und dabei um knappe Ressourcen konkurrieren (vgl. Sumner, 1906; LeVine/Campbell, 1972, S. 29). Die ethnozentristischen Einstellungen der „ingroup“ nehmen mit steigender Bedrohung durch die „outgroup“ zu, wobei diese auch durch fälschlich wahrgenommene Bedrohungen ausgelöst werden können. Des Weiteren wachsen sie bei zunehmender Bedeutung eines möglichen Gewinns (vgl. Stroebe 1985, S. 19). Gemäß der Gruppenkonflikttheorie liegen bei großen ethnischen Gruppen geringere ethnozentristische Orientierungen vor als bei bedrohten Minderheiten (vgl. LeVine/Campbell 1972, S. 43). •

Autoritarismus: Den Theorien dieses Modells folgend sind die ethnozentristischen Tendenzen ein Ergebnis aus verschobenen Aggressionen gegenüber der idealisierten Autorität der Mitgliedschaftsgruppe. Diese feindlichen Haltungen werden ausschließlich auf fremde Gruppen übertragen. Die Autoritarismus-Theorie geht auf Adorno et al. (1950) und sein Werk „Authoritan personality” zurück. Seine Überlegungen beschreiben enge Zusammenhänge zwischen den Vorurteilen gegenüber Minderheiten und politischen und ökonomischen Überzeugungen. So zeigen gegenüber fremden Gruppen stark voreingenommene Individuen innerhalb der eigenen Gruppe ein konformeres Verhalten als Personen mit wenigen Vorurteilen (vgl. Blalock, 1982, S. 13). Autoritäres Verhalten korreliert also positiv mit Voreingenommenheit und Feindseligkeit.45

Neben den oben dargestellten Theorien sind in der Literatur weitere Erklärungen zu finden, die an dieser Stelle aus Gründen der Vollständigkeit kurz beschrieben sind (vgl. Winkler, 1993, S. 795; Sinkovics, 1999, S. 20 ff.): •

Der ökonomische Ansatz besagt, dass die durch Frustration über einen Mangelzustand erzeugte Aggression an einem Sündenbock abgeleitet wird. In diesem Zusammenhang ist auch die Frustrations-Aggressions-Verdrängungstheorie geläufig.



Der kulturalistische Ansatz handelt von dem Unbehagen gegenüber dem Fremden. Dieser Ansatz wird durch die bereits dargestellte Ähnlichkeitstheorie gestützt (siehe dazu Kapitel 2.1, S. 30).



Die These von der Bestie Mensch, die die grundsätzlich aggressive Natur des Menschen hervorhebt. In diesem Zusammenhang wird auch der Instinkt zur Verteidigung des eigenen Raums gesehen.



Self-esteem- und Referenzgruppentheorien werden in der Literatur als weitere Erklärungsmöglichkeit des Ethnozentrismus gesehen. Diese Theorien wurden bereits an anderer Stelle ausführlich behandelt (vgl. Kapitel 2.1 und Kapitel 3.2.2.3.3).

45

Dogmatismus wird als weitere Eigenschaft gesehen, die mit der ethnozentristischen Einstellung von Personen korreliert und zudem nachweislich mit anderen Charakteren zusammenhängt. Zu diesen zählen religiöses und im Allgemeinen konformes Verhalten, Familienideologie, engstirniges Verhalten und Standhaftigkeit in der Beurteilung anderer Personen. Für eine detaillierte Auflistung der Bestandteile des Dogmatismus sei auf Babad et al. (1983, S. 98) verwiesen.

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Insbesondere die Autoritarismus-Theorie zeigt, dass die Bildung von Vorurteilen in Zusammenhang mit Ethnozentrismus steht. Untersuchungen haben hier nachgewiesen, dass Personen mit einem hohen Selbstwertgefühl weniger Vorurteile gegenüber anderen (ethnischen) Gruppen besitzen als Menschen, deren Akzeptanz sich selbst gegenüber gering ist (vgl. Horowitz, 1985, S. 179; Fishbein, 1996, S. 252). Unterstellt man eine positive Korrelation zwischen Vorurteilen im Speziellen und den ethnozentristischen Haltungen im Allgemeinen, so kann davon ausgegangen werden, dass Personen, die auf die eigene Ethnie stark fixiert sind, auf der individuellen Ebene ein geringes Selbstwertgefühl besitzen. Dennoch muss hier eine klare Trennung vollzogen werden. Während Vorurteile feindliche Einstellungen und negative Stereotype46 umfassen, ist das Ethnozentrismus-Konzept weiter gefasst. Es umfasst grundsätzliche Einstellungen, die sich auf die Zurückweisung und Geringschätzung von Fremden und „outgroups“ beziehen (vgl. Babad et al., 1983, S. 119). Ethnozentrismus kann vereinfacht als Rückgriff auf traditionelle Orientierungen verstanden werden. Diese Ausrichtung scheint insbesondere bei ethnischen Minderheiten einen Anker vor dem Hintergrund einer sich rasch verändernden Welt darzustellen (vgl. Herrmann, 2001, S. 79). Im Rahmen des Konsumentenverhaltens äußern sich ethnozentristische Tendenzen, indem heimische Produkte über die reine Funktionalität hinaus auch aus wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Überlegungen erworben werden (vgl. Sinkovics, 1999, S. 25).

Aufgabe dieser Forschungsarbeit soll es nicht sein, die Auswirkungen des Ethnozentrismus systematisch zu untersuchen und einen allumfassenden Überblick hinsichtlich seines Einflusses zu liefern. Ziel dieser Studie ist es vielmehr, die Wirkung des Ethnozentrismus als psychographischen Einflussfaktor auf das Kaufverhalten von ethnischen Minderheiten zu überprüfen. Wie dieser Abschnitt gezeigt hat, können als Erklärungsmodelle eine Vielzahl von Theorien herangezogen werden. Diesen Überlegungen folgend kann davon ausgegangen werden, dass ethnische Minderheiten, die einen starken Bezug zu ihrer eigenen ethnischen Gruppe haben, bemüht sind, Produkte aus ihrem eigenen Herkunftsland zu erwerben und zudem Einkaufsstätten aufzusuchen, die zum einen von Personen mit identischer kultureller Identität betrieben werden und in denen sie zum anderen diese Produkte erwerben können. Im Umkehrschluss kann angenommen werden, dass Minderheiten mit geringem ethnischen Bezug versuchen, sich durch Markenprodukte besser in die Welt der umgebenden Kultur zu integrieren. •

Hypothese: Je stärker die Bindung an die eigene ethnische Gruppe bei Minderheiten ausgeprägt ist, desto stärker ist der Bezug zu Produkten aus dem eigenen Land.

46

Eine Übersicht zu negativen Stereotypen gibt Horowitz (1985, S. 169).

106



Hypothese: Je geringer das Selbstbewusstsein, desto stärker sind die ethnozentristischen Tendenzen.



Hypothese: Je stärker die Bindung an die eigene ethnische Gruppe bei Minderheiten ausgeprägt ist, desto größer ist soziale Orientierung (normativ und informativ).

3.2.2.5. Theorien zum Einfluss des Lebensstils auf den Konsum

Lebensstile sind der symbolische Ausdruck von Gemeinschaften, die den kulturellen Hintergrund widerspiegeln und dadurch die Grenzen zu anderen sozialen Gemeinschaften in bestimmten sozialen Kontexten darstellen (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 547; Holt, 1997, S. 343). Nach Plummer beeinflusst der Lebensstil sämtliche Verhaltensmuster und zudem folgende Aspekte (vgl. Plummer, 1974, S. 33; Geißler, 2002, S. 126): •

Die Art und Weise, wie Individuen ihre (Frei-)Zeit verbringen;



Die (kulturellen) Interessen, die sie mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung ihrem Umfeld entgegenbringen;



Die Einstellung gegenüber sich selbst und gegenüber ihrer Umwelt;



Grundlegende Eigenschaften, insbesondere auch den Lebenszyklus (siehe dazu Kapitel 3.2.1.2.1).

Die verschiedenen Lebensstiltypen liefern Einschnitte in ein Kontinuum von Statuspositionen, die willkürlich sind und nicht unbedingt an die soziale Schicht eines Individuums gebunden sein müssen (siehe dazu Schaninger, 1981, S. 192). Eine in Schichten unterteilte Gesellschaft besteht aus zahlreichen sozialen Gruppen und Netzwerken, die alle einen bestimmten Lebensstil verfolgen (vgl. Myers et al., 1971, S. 8). Dieser steht zum einen unter dem Einfluss des Umfelds, in dem Menschen aufgewachsen sind, zum anderen werden bestimmte Ideologien angestrebt, wie die persönlich empfundene Individualität des Einzelnen (vgl. Gottdiener, 1985, S. 990; Escalas/Bettman, 2005, S. 381). Mit zielgerichteten Aktivitäten versuchen die Menschen in einer Gesellschaft, aus ihrer eigenen Sicht Individualität zu erlangen, was jedoch auf der Makroebene nur die mehr oder weniger gewollte Zuordnung zu einer bestimmten sozialen Gruppe bedeutet (vgl. Berg, 1995, S. 75). Kollektivismus und Individualismus können als entgegengesetzte Pole innerhalb einer Gesellschaft verstanden werden (vgl. Stafford, 1966, S. 96; Hofstede, 1993, S. 67). Der Begriff Individualismus ist dabei in dreifacher Hinsicht zu begreifen (vgl. Beck, 1986, S. 206): •

Das Herauslösen aus historisch gegebenen Sozialformen;



Der Verlust von gewohnten Sicherheiten, im Sinne des Wissens über verfügbare Handlungsdimensionen;



Eine innovative Methode der sozialen Einbindung. 107

Das Ausmaß an Individualismus ist dabei kulturspezifischen Schwankungen unterworfen. Im zweiten Kapitel wurde bereits dargestellt, dass besonders bei ethnischen Minderheiten innerhalb einer fremden dominanten Kultur ein starkes Wir-Gefühl vorhanden ist und sich das Streben nach Individualität aus Sicht der eigenen Gruppe nur auf einige Teilaspekte des Lebens wie auch auf den Konsum beziehen kann (vgl. Tab. 5, S. 49).

Individuen haben keine totale Kontrolle über ihre soziale Identität. So gibt es eine Reihe von Kriterien, die sich nicht oder nur sehr schwierig durch individuelle Wahl bestimmen lassen. Diese sind beispielsweise die ethnische Zugehörigkeit oder auch das Geschlecht (vgl. Schlenker, 1980, S. 71). Dennoch gibt es eine Anzahl von Eigenschaften und Handlungen, die der Mensch bewusst steuern kann. Da der Konsum als soziale Aktivität gesehen werden kann, in der Objekte als Mittel der Kommunikation mit anderen und als Darstellung der eigenen sozialen Position dienen, zeigt der Kauf von bestimmten Produkten nicht nur die Konsumgewohnheiten, sondern auch die Tendenzen, von wem sich das Individuum angezogen fühlt und zu welchen Gruppen klare Grenzen gezogen werden (vgl. Schmidt/Elßer, 1992, S. 61). „Lifestyles lead to associating with similarly socialized people and distancing from people from different backgrounds, and this process of interactional elective affinity reproduces the social conditions on which collectivities are based.” (Holt, 1997, S. 343). Der Lebensstil beeinflusst somit das Konsumentenverhalten in vielfacher Weise. Individuen wählen bestimmte Methoden, insbesondere die Verwendung der Zeit und ihres Geldes, mit denen sie sich soziale Identität und einen Lebensstandard schaffen. Übergeordnetes Ziel ist, neben dem bereits erwähnten Befolgen von sozialen Normen, die Erlangung von Individualität (vgl. Miller, 1987, S. 9; O’Shaughnessy, 1992, S. 158). Konsumenten wählen jene Produkte, die am besten ihren eigenen Lebensstil unterstreichen und mit denen sie Individualität gewinnen können. Dennoch verhalten sie sich in dem Rahmen, den ihr soziales Umfeld vorgibt (vgl. Berg, 1995, S. 25). Die Inhalte, die man dabei mithilfe von Produkten an das soziale Umfeld kommunizieren will, haben nichts mit den gewöhnlichen Funktionalitäten des Produkts zu tun. Vielmehr sollen sie dazu dienen, soziale Ordnung zu schaffen, und dazu beitragen, eine hierarchische Eingliederung von Personen in die Gesellschaft zu ermöglichen. „Attitudes, behavior, and household objects form an ordered sign system that structures, and is structured by, the selves of those who derive their identities from the same social class.” (Csikszentmihalyi/Rochberg-Halton, 1981, S. 18). Die Verwendung von Status-Objekten taucht nahezu in allen Kulturen auf, sodass es schwierig erscheint, eine Trennung zwischen Produkten im Rahmen des gewöhnlichen Besitzens und Nutzens und den Symbolen zur Darstellung von Status und gesellschaftlicher Position zu ziehen. Die Eignung von bestimmten Produkten, Inhalte zu kommunizieren, variiert produktindividuell insbesondere bei Gütern des täglichen Bedarfs (vgl. Howard/Sheth, 1969, S. 282). Seltene Produkte dienen dazu,

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einen hohen sozialen Status zu kommunizieren, denn es bedarf oftmals eines hohen finanziellen und physischen Aufwands zur Anschaffung dieser. Auch teure Produkte erfüllen häufig diese Funktion (vgl. Csikszentmihalyi/Rochberg-Halton, 1981, S. 30/S. 243). Das Verhalten des Konsumenten kann in diesen Fällen den Maßstäben eines „homo oeconomicus“ nicht standhalten. Stiftet die Ware einen persönlichen oder sozialen Nutzen, so ist der Verbraucher bereit, dafür einen monetären Mehraufwand in Kauf zu nehmen, der jedoch nicht mit einem höheren Sachnutzen einhergehen muss (vgl. Ditgen, 1966, S. 28; Schmidt/Elßer, 1992, S. 61). Der Lebensstiltyp der Yuppies (young urban professional people) zeichnet sich dadurch aus, dass der Konsument versucht, sich durch demonstrativen Konsum selbst darzustellen. Dabei muss besonders bei diesem Typ in Anlehnung an Bourdieus Theorien das wirtschaftliche Kapital nicht gleichbedeutend mit dem kulturellen Kapital sein, was den Individuen, die diesen Lebensstiltypus ausleben, Kritik eingebracht hat (vgl. Löfgren, 1994, S. 48). Im Zusammenhang mit den Verhaltensweisen der Yuppies kann auch der „Snob-Effect“ genannt werden. Dieser Effekt taucht auf, wenn statusorientierte Konsumenten bestimmte Produkte allein aus dem Grund ablehnen, weil diese von anderen Konsumenten aus den untergeordneten Schichten erworben werden (vgl. Ditgen, 1966, S. 31; Mason, 1981, S. 128). Der „Snob-effect“ ist aber nicht nur für die Reichen in den Wohlstandgesellschaften reserviert. „In Industriegesellschaften mit hoher Reproduktionsfähigkeit scheinen jedoch vermehrt Statussymbole auf bestimmten sozialen Lebensstilen mit einer Vielzahl darauf bezogenen Verhaltensweisen zu beruhen.“ (Hörning, 1969, S. 119). Wie in den Grundlagen bereits erläutert, kann ein Konsument in bestimmten Produktbereichen überproportionale Ausgaben tätigen, während er bei anderen Gütern wiederum spart (vgl. Abb. 13, S. 37). Dies hängt stark von der individuellen Sensibilität in diesen Bereichen ab. Somit kann ein Konsument ein „Snob“ in Produktkategorien sein, in denen er wünscht, sich von der Masse abzuheben. Dies können Bereiche wie Kleidung, Autos, Körperpflegeartikel oder auch Lebensmittel sein (vgl. McCracken, 1986, S. 78). Mit dem „Joy Effect“ lässt sich ein weiterer Effekt beobachten, der das Konsumverhalten der letzten Jahre beeinflusst hat (vgl. Berg, 1995, S. 26). Dieser beschreibt das Bedürfnis des Menschen, trotz schlechter Wirtschaftslage aus purer Freude zu kaufen. Der unvernünftige Kauf von Luxusgütern für den persönlichen Gebrauch dient hier dazu, das Ego besonders in Krisenzeiten zu stärken (vgl. ebd., S. 26). Grundsätzlich spiegeln sich Werthaltungen und der damit verbundene Lebensstil nicht in einzelnen Kaufakten wider. Vielmehr ist es der Konsumstil, der dazu beiträgt, dass eine gewisse Bedeutung an das soziale Umfeld kommuniziert wird.47

47

Um dabei glaubwürdig zu bleiben, muss der Konsument in seinem Verhalten konsistent sein (vgl. O’Shaughnessy, 1992, S. 161).

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Die bisherigen Erkenntnisse haben gezeigt, dass die Erlangung von Individualität ein zentrales Ziel beim Verfolgen bestimmter Lebensstile ist. Grundsätzlich ist der Konsument aufgrund der gesellschaftlichen Wertschätzung eines hohen Lebensstandards motiviert, sich an den Bezugspersonen oder Referenzgruppen zu orientieren, die einen höheren Lebensstandard haben. „Der soziale Vergleich wird auf diese Weise zu einer entscheidenden Determinante des Konsumentenverhaltens.“ (Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 480). McCracken beschreibt in seinen Beobachtungen das Bedürfnis der Amerikaner in den 80er-Jahren, das Leben der neuen Reichen, wie es in den damaligen amerikanischen Fernsehserien „Dallas“ oder „Denver“ vorgespielt wurde, nachzuahmen (vgl. McCracken, 1986; McCracken, 1988, S. 80). Viele theoretische und empirische Forschungen bestätigen, dass das Ansehen, welches der Konsument in seinem sozialen Umfeld durch den Kauf bestimmter Produkte erhält, nicht nur zentraler Bestandteil der Abgrenzung gegenüber anderen Individuen ist, sondern auch die Motivation seines Lebensstils erklärt (vgl. Benad, 1975, S. 36; Miller, 1987, S. 9; Gierl, 1990, S. 31). Dabei kann die Darstellung des Lebensstils nahezu auf allen Aktivitäten und Produkten beruhen (vgl. Hall/Neitz, 1993, S. 221; McCracken, 1988, S. 83). „If, for example, the person´s life style indicates a strong need to be with other people in a variety of settings, it may be that the product can be positioned to help satisfy his social need.” (Plummer, 1974, S. 36). Der Kauf von Produkten des täglichen Bedarfs ist folglich ein Weg zur Darstellung des Lebensstils und kann im übertragenen Sinn auch zur Demonstration der ethnischen Zugehörigkeit herangezogen werden. Dabei ist das kulturelle Umfeld bei der Übertragung bestimmter Bedeutungen auf das Produkt der Ausgangspunkt. Zentrale Instanzen sind hier neben allgemeinen Normen und Werten die Werbung und die Mode – im Sinne von: was ist „in“ und was ist „out“ (vgl. Bauer, 1976, S. 210; Richins, 1991, S. 71 ff.; Escalas/Bettman, 2005, S. 379). Der nachfolgende Transfer von Produktbedeutungen auf den individuellen Konsumenten innerhalb einer kulturell bedingten Gesellschaft liegt in Anlehnung an McCracken einem vierstufigen Ritual zugrunde (vgl. McCracken, 1986; McCracken, 1988, S. 83 ff.; O’Shaughnessy, 1992, S. 168;): •

Austausch-Ritual: Diese Stufe behandelt in erster Linie das Ritual des Schenkens als Möglichkeit, einem Individuum gewisse symbolische Eigenschaften in das Leben des Geschenkempfängers zu übertragen.



Besitz im Sinne des Gebrauchs, des Herzeigens, „Show Off“. In diesem Ritual steckt der Versuch, das Image, welches durch Marketingaktivitäten des Herstellers auf das Produkt übertragen worden ist, auf das eigene Ich anzuwenden. Dies geschieht meist im Einklang mit dem Selbstkonzept der Person. Insbesondere mittels diesen Rituals versuchen Individuen zwischen sozialen Kategorien wie Status, Beruf und Lebensstil abzugrenzen.

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Das Ritual der Pflege des eigenen Selbst und von Gütern. Da viele der erworbenen Güter mit der Zeit verbraucht werden oder ihre Funktionsfähigkeit verlieren, investiert der Konsument einen großen Teil seiner Zeit in die Pflege von Gütern und die Aufrechterhaltung der Außenwirkung.



Das Ritual der Entsymbolisierung. Diesem Ritual liegt die Angst zugrunde, dass die Bedeutung, die einem Produkt beigemessen wird, bei der Übergabe an eine andere Person übertragen wird und nicht an der ursprünglichen Person anhaftet. Aus diesem Grund muss dem Produkt die subjektive Bedeutung vor der Übergabe entnommen werden.

Durch die oben genannten Verhaltensweisen wird die kulturelle Bedeutung von Produkten auf die Individuen übertragen und werden die damit verbundenen Verhaltensweisen symbolisiert (vgl. Applbaum/Jordt, 1996, S. 205). Diese Verhaltensweisen dienen schließlich auch zur Erhaltung wie auch der Veränderung der sozialen Position eines Individuums (vgl. Mennicken, 2000, S. 139). In der Funktion von Statussymbolen kommunizieren Produkte selektiv die sozialen Statuskategorien, mit denen der Konsument assoziiert zu werden begehrt (vgl. Hörning, 1969, S. 116).

Zusammenfassend lassen sich aus den dargestellten Erkenntnissen drei Einflussebenen von Lebensstilen feststellen: Die umgebende Kultur bzw. das soziale Umfeld, das Konsumgut und letztlich der individuelle Konsument, der den durch ihn gewählten Lebensstil nach außen kommuniziert. Dabei muss der Konsum von bestimmten Produkten nicht zwangsläufig zur Erreichung des gewünschten Ziels beitragen. Häufig versuchen Individuen bestimmten Produkten eine Bedeutung zuzuordnen, die nicht existiert. Andere versuchen sich selbst allein über die Bedeutung von Produkten zu definieren (vgl. McCracken, 1988, S. 88). Nicht nur die Qualität und die Marke der Produkte tragen hierzu bei, sondern auch die Quantität der erworbenen Produkte sind dabei die Mittel, um sozialen Status zu erlangen und Erfolg zu suggerieren (vgl. Silberer, 1979, S. 174; Richins/Rudmin, 1994, S. 219). Der demonstrative Konsum als Lebensstil-Dimension wird hier gerne verallgemeinert, ein differenzierter Ansatz mit Berücksichtigung einzelner Produktgruppen wird dagegen selten gegeben (siehe dazu Trommsdorff, 1998, S. 217). Die Kombination von Produkt, Person und den vorhandenen Rahmenbedingungen ergibt sich in Anlehnung an Solomon et al. (2001, S. 461) nach folgendem Schema:

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Person

Produkt

Lebensstil Rahmen

Abb. 26: Lebensstil im Konsum (vgl. Solomon et al., 2001, S. 461)

Besonderen Einfluss auf den Lebensstil hat die Wertestruktur des Konsumenten. Da Werte im Wesentlichen durch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Einheit geprägt sind, stehen die Wertestruktur eines Individuums und der Lebensstil in einer engen Wechselbeziehung (vgl. Trommsdorff, 1998, S. 175). Hierzu existieren einige Erklärungsansätze, die die Entwicklung von Lebensstilen aus dem Konstrukt der Wertesysteme beschreiben (siehe dazu Gierl, 1992, S. 28): •

Sozialisationshypothese: Diese Hypothese geht davon aus, dass Verhaltenskonsequenzen durch Gedanken und durch soziale Interaktion gezogen werden Die Situations- und Rollendeutung von Personen aus dem engeren sozialen Umfeld dient zur Grundlage der eigenen Handlungen und der eigenen Ich-Identität (vgl. Bell, 1966, S. 183; Piontkowski, 1976, S. 30).



Konsistenzhypothese: Diese Hypothese bezieht sich auf den Effekt des allgemeinen Harmoniestrebens des Menschen. Gemäß dieser Zielsetzung wird eine Person bei ihrem Kaufverhalten eine Vorgehensweise zeigen, die mit ihren grundsätzlichen Werten übereinstimmt. Ist beispielsweise ein Individuum umweltbewusst, so wird es zur Vermeidung kognitiver Dissonanz auch solche Produkte wählen, die dieser Eigenschaft gerecht werden (vgl. Trommsdorff, 1998, S. 122). Sparsame Konsumenten werden gemäß dieser Hypothese verstärkt preiswerte Produkte kaufen (vgl. Lastovicka et al., 1999, S. 85 ff.).



Gratifikationshypothese: Hier führen Antizipationen von Reaktionen der sozialen Umwelt zu einem Lebensstil, von dem das Individuum überzeugt ist, dass er am besten mit der Umwelt harmonisiert (vgl. Gierl, 1992, S. 28).

In Abhängigkeit von der inneren Wertestruktur werden die Konsumenten versuchen, beim Kauf von Produkten den oben genannten Hypothesen zu entsprechen. Dabei müssen die 112

Produkte für das soziale Umfeld sichtbar sein, d. h. von dem jeweiligen Umfeld auch wahrgenommen werden (vgl. Gierl, 1992, S. 31; Holt, 1995, S. 14). Diese Gegenstände sind häufig größere Produkte wie exklusive Autos oder teure Kleidung, die leicht von der Umgebung wahrgenommen werden. Allerdings ist der Kauf dieser langlebigen Gebrauchsgüter mit einem hohen monetären Aufwand verbunden. Der Erwerb ist oft nur den mittleren und höheren Schichten vorbehalten und dient auch nur diesen zur Darstellung des Lebensstils. In der Unterschicht stehen hingegen die Güter des täglichen Bedarfs im Vordergrund (vgl. Meffert, 1992, S. 93). So können in dem Umfeld diese Produkte dazu dienen, sich durch individuell gewählte Konsumstile von dem sozialen Umfeld abzuheben. Für Personen mit geringem monetären Spielraum kann der Kauf von bestimmten Lebensmitteln eine Methodik darstellen, den gewünschten Lebensstil anzustreben. Daher kann in einigen Bereichen des Konsums der nach außen getragene Lebensstil nicht zwangsläufig als valides Kriterium für die Einordnung in eine soziale Schicht herangezogen werden (vgl. Holt, 1997, S. 343). „A consumer may seek to purchase or to consume goods and services for the status they confer, regardless of that consumer´s objective income or social class level.” (Eastman et al., 1999, S. 41).

Produkte können nicht nur einen Beitrag zum Erreichen des gewünschten Lebensstils leisten, sie dienen auch dazu, in diesem Teilbereich des Konsums eine Scheinwelt nach außen vorzutäuschen. Der Kauf von Produkten aus der westlichen Welt stellt bei Menschen aus der dritten Welt ein Beispiel dar, wie diese dem Leben in den reichen Industrienationen ein Stück näherkommen wollen (vgl. O`Shaugnessy, 1992, S. 170; Eastman et al., 1999, S. 41). Auch der Versuch von ethnischen Minderheiten, sich durch den Kauf von Produkten aus der umgebenden Kultur in diese besser zu integrieren, kann eine Form des demonstrativen Konsums darstellen. Im Gegensatz hierzu kann das Kaufverhalten dieser Subkulturen auch darauf ausgerichtet sein, den Lebensstil der eigenen Subkultur darzustellen. Konsumgüter sollen hier die Kultur sichtbar machen mit dem Ziel, diese stabil und konsistent zu halten (vgl. Douglas/Isherwood, 1978, S. 66; McCracken, 1988, S. 131). So kann der Kauf von Marken aus dem Heimatland bei ethnischen Minderheiten gegenüber anderen Kulturen eine abgrenzende Funktion haben. In höheren sozialen Schichten reichen oft sogar größere Gegenstände wie Autos nicht mehr aus, sich von dem näheren Umfeld hervorzuheben. Dies führt dazu, dass exklusive Produkte des täglichen Bedarfs überhaupt nicht mehr vom Umfeld wahrgenommen werden (vgl. Blattberg et al., 1978). Da diese den demonstrativen Konsum nicht stützen, können Konsumenten in diesen Bereichen zu billigeren Produkten tendieren, um sich vom Umfeld wahrnehmbare Güter exklusiver Kategorie leisten zu können (vgl. ebd.). Folglich lebt der Konsument nach außen hin über seine Verhältnisse und in den Bereichen, die die Referenzgruppe nicht

113

registriert, wird gespart (vgl. Bänsch, 1996, S. 102). Ist der Kauf von statusrelevanten Gütern in bestimmten Produktbereichen in den unteren und mittleren Schichten ausgeprägt, kann dies dazu führen, dass hier der Konsum von teuren und exklusiven Gütern gewöhnlich wird. Personengruppen, die sich diesen Schichten nicht zugehörig fühlen wollen, reagieren, indem sie andere Bereiche suchen, in denen die Visualisierung ihres Status in der Gesellschaft produktiver ist. Diese Reduzierung der nach außen getragenen ökonomischen Kraft hat für diese eine Änderung ihres Lebensstils in bestimmten Lebensbereichen zur Folge (vgl. Mason, 1981, S. 107).

Nicht alleine der Kauf von bestimmten Produkten trägt dazu bei, einen bestimmten Lebensstil zu unterstützen. Der Kaufakt an sich kann eine zusätzliche Dimension sein, einen bestimmten Lebensstil zu unterstreichen. Der Einkauf in bestimmten prestigeträchtigen Einkaufsstätten (z. B. Delikatessengeschäfte) unterstreicht den gesellschaftlichen Status des Konsumenten. Auch die Atmosphäre, die in einer bestimmten Einkaufsstätte vorhanden ist, wirkt sich auf das Image der dort angebotenen Produkte aus (vgl. Mason, 1981, S. 122). Das Image einer Einkaufsstätte kann dabei nicht nur dazu beitragen, sich vertikal in der Gesellschaft zu integrieren, sondern sich auch horizontal zu differenzieren. Als Beispiel seien hier die Bio-Supermärkte erwähnt, die seit den 90er-Jahren in Deutschland einen regelrechten Boom erfahren (vgl. Kapitel 1.3, S. 9 ff.). Holt stellt hier fest, dass insbesondere Güter des alltäglichen Bedarfs dazu beitragen, auf subtile, aber hochwirksame Art und Weise dem sozialen Umfeld seinen Lebensstil zu kommunizieren (vgl. Holt, 1995, S. 14).

Grundsätzlich kann aus den theoretischen Überlegungen geschlossen werden, dass es nicht die soziodemographischen Kriterien eines Menschen sind, die zur Einordnung des Individuums in die Gesellschaft herangezogen werden müssen. Scheuch und Daheim haben bereits Mitte des letzten Jahrhunderts festgestellt, dass der Lebensstandard das wichtigste Einteilungskriterium in industriell urbanisierten Umwelten ist (vgl. Scheuch/Daheim, 1970, S. 89). So können in Anlehnung an Engel et al. die im Rahmen dieses Abschnitts angestellten Überlegungen mittels einer graphischen Darstellung zusammengefasst werden:

114

Culture and subculture Social class

Psychographics Activities, Interests opinions

Reference groups Family

Values

Personality Lifestyles

Decisions Family Individual

General behavior

Benefits desired

Money budget expenditures

Time budget expenditures

Product choices

Brand and store choices

Benefit delivery

Abb. 27: Der Einfluss des Lebensstils auf das Konsumentenverhalten (vgl. Engel et al., 1978, S. 175)

Im Rahmen der Hypothesen soll der „demonstrative Konsum“ hervorgehoben werden. Dieser wurde als eine auf dem Konsum basierende Lebensstil-Ausprägung in den obigen Ausführungen besonders intensiv beschrieben: •

Hypothese: Je höher die soziale Schicht des Konsumenten ist, desto schwächer ist der demonstrative Konsum bei Lebensmitteln ausgeprägt.



Hypothese: Der demonstrative Konsum ist bei den Deutschtürken stärker ausgeprägt als bei den deutschen Konsumenten.



Hypothese: Je stärker die soziale Orientierung ist, desto stärker ist der demonstrative Konsum.



Hypothese: Je größer die Selbstsicherheit ist, desto schwächer ist der demonstrative Konsum. 115

3.2.2.6. Die Wirkung psychographischer Variablen im Rahmen der Studie

Die Überlegungen zur Wirkung psychographischer Einflussvariablen zeigen, dass sich Käufergruppen über soziale Grenzen hinweg bilden können. Schon in den Theorien zum Einfluss der demographischen Variablen auf das Konsumentenverhalten wurde dargestellt, dass gewisse Regelmäßigkeiten zwar angenommen werden können, die Berücksichtigung psychographischer Werte allerdings unumgänglich ist. Der Lebensstil ist hier als beobachtbares Verhalten zu sehen, mit dem die Gesamtheit an Werten und Einstellungen an das soziale Umfeld unbewusst oder bewusst kommuniziert wird. Obwohl die soziale Schicht und das Konsumverhalten zusammenhängen können, kann sich der Kauf bestimmter Güter über Personengruppen erstrecken, die nicht an Geschlecht, Rasse oder soziale Schicht gebunden sind (vgl. Schouten/McAlexander, 1995; Holt, 1997, S. 346). Konsumstile, wie ein prestigeorientiertes, qualitätsorientiertes oder auch gesundheitsorientiertes Kaufverhalten, können a priori nicht oder nur sehr ungenau anhand bestimmter demographischer Kriterien definiert werden. So kann der prestigeträchtige Konsum zum einen in höheren Schichten auftreten, indem Individuen versuchen, ihren Status durch exklusive Güter zu unterstreichen. Zum anderen kann dieser in unteren Schichten eine Kompensationsfunktion für ein zu geringes verfügbares Einkommen erfüllen (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 149). Die Theorie hat hier gezeigt, dass Konsumstile auftreten können, um eine andere soziale Identität vorzutäuschen. Dabei spielt das Selbstkonzept des Einzelnen eine entscheidende Rolle. In Abhängigkeit der Ausprägung des Selbstbewusstseins und dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung findet die Orientierung des Konsumenten am sozialen Umfeld statt. Das theoretische Modell hat gezeigt, dass demographische Variablen wie Einkommen und Bildung auf das Selbstkonzept von Menschen wirken können. So kann angenommen werden, dass zwischen Demographie und Psychographie weitere Zusammenhänge vorhanden sind, die sich nicht direkt im Konsumverhalten widerspiegeln, sondern erst über Moderatoren – wie dem Selbstkonzept – ihren Einfluss indirekt ausüben. Aufgabe der Empirie soll es sein, diese Zusammenhänge in Anlehnung an die oben dargestellten Hypothesen zu überprüfen.

Die Erforschung allgemeiner Lebensstile wäre im Rahmen dieser Studie ein zu weites Feld. Vielmehr stehen die Konsumstile von Individuen im Vordergrund, die sich anhand bestimmter zentraler Bedürfnisse ermitteln lassen. Einen theoretischen Überblick vermitteln die folgenden Ausführungen, indem die Produkte des alltäglichen Bedarfs auf die relevanten Kaufparameter – sogenannte Schlüsselattribute – reduziert und mögliche Wirkungszusammenhänge beschrieben werden.

116

3.2.3. Produkteigenschaften und ihr Einfluss auf das Entscheidungsverhalten

Da der Mensch seine Umwelt in erster Linie ziel- und motivationsgerichtet wahrnimmt, werden externe Informationen Selektionsprozessen unterzogen (vgl. Grasmann, 1983, S. 118; Stahlberg/Frey, 1988, S. 143 f.). Konsumenten können ihre Kaufentscheidungen vereinfachen, indem sie weniger Produktattribute prüfen und Schlüsselinformationen zur Produktwahl heranziehen (vgl. Schulte-Frankenfeld, 1985, S. 73; Henninger, 1994, S. 56; Berg, 1995, S. 41; Sinkovics, 1999, S. 27).48 Arnthorsson et al. konnten hier feststellen, dass sich Konsumenten bei Lebensmitteln in der Lage sehen, die Qualität eines Produkts bereits vor dem Kauf zu beurteilen (vgl. Arnthorsson et al., 1991). Venkatesan konnte nachweisen, dass bei Konformitätsdruck in einer Gruppe die Bewertung von Produkten über objektive Kriterien hinausgeht und alleine eine Orientierung am individuellen Umfeld erfolgt (vgl. Venkatesan, 1966). Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass beim Kauf alltäglicher Produkte häufig der erste Eindruck zählt oder bestimmte Schemata herangezogen werden, um diese zu bewerten (siehe dazu Henninger, 1994, S. 36; Weiber/Adler, 1995, S. 114). Unter dem Halo-Effekt ist zu verstehen, dass eine bestimmte Eigenschaft auf die anderen wahrgenommenen Eigenschaften in ihrer Positivität oder Negativität übertragen wird (vgl. Hovland et al., 1953, S. 36 f.; Bierhoff, 1986, S. 5). Halo-Effekte treten besonders bei folgenden Bedingungen auf (vgl. Beckwith et al., 1978, S. 466; Trommsdorff, 1998, S. 268): •

Geringe Vertrautheit mit dem Wahrnehmungsobjekt;



Unklare oder nur subjektiv interpretierbare Eigenschaften des Objekts;



Geringe Thematisierung des beeinflussenden Merkmals;



Geringe Nähe der gestaltpsychologischen Verbindung von Merkmalen.

Die Wirkung von Halo-Effekten lässt sich zum einen mit dem kognitiven Ansatz der Stereotypisierung erklären, zum anderen spielt die Reihenfolge der wahrgenommenen Eigenschaften hier eine Rolle. Die Stärke dieses Effekts ist letztendlich davon abhängig, ob und wie viele andere Informationen gegeben sind. So bleibt Personen mit wenigen verfügbaren Informationen über ein Produkt meist nur die Möglichkeit, sich auf wenige einfach wahrnehmbare Hinweise zu beschränken (vgl. Posavac et al., 2004, S. 643). Diese Vereinfachungsbemühungen haben letztendlich die Folge, dass eine geringe Anzahl von Produktattributen herangezogen wird, um ein Produkt auszuwählen. Eckpfeiler der Produktwahl sind hier die Marke, die Preissetzung und die Leistungstransparenz (vgl. Diller, 1979, S. 67; Trommsdorff, 1998, S. 268; Felser, 2001, S. 203; Fischer et al., 2002, S. 21). Dabei muss bei der Untersuchung der Markenwirkung nicht nur der Qualitätsaspekt berücksichtigt werden, sondern auch im

48

Die beschränkte Fähigkeit, Produktalternativen umfassend und konsistent zu überprüfen, wird in der Literatur auch als „Kapazitätsprinzip“ verstanden (vgl. Silberer, 1979, S. 104).

117

Kontext der sozialen Außenwirkung die Wahrnehmbarkeit der Marke. Unter der Leistungstransparenz ist das Leistungsangebot insbesondere im Rahmen der Vertrauenseigenschaften zu verstehen (vgl. Fischer et al., 2002, S. 22). In diesem Zusammenhang werden in der Studie Angaben zum Gesundheits- und Umweltaspekt verstanden, was im Lebensmittelbereich besonders bei Wellness- und Bioprodukten der Fall ist. Neben diesen können zudem auf der Verpackung sichtbare Testurteile die Produktwahl beeinflussen. Die Wichtigkeit dieser Attribute kann dabei individuell verschieden sein.

Objektive Kriterien

Preissetzung

Subjektive Kriterien

Qualität

Marke

Leistungstransparenz

Soziale Außenwirkung/ Prestige

Verhalten

Einkaufsstättenwahl Produktwahl

Einkaufsstättentreue

Abb. 28: Die Wahrnehmung von Produktattributen bei der Produktwahl im Rahmen der Studie

Grundsätzlich haben Konsumenten besonders bei vereinfachten Kaufentscheidungen das Bedürfnis, den kognitiven Aufwand zu reduzieren. Dabei muss berücksichtigt werden, dass viele Güter unabhängig von den Instrumentalisierungsüberlegungen (Kriterium Qualität) auch einen intrinsischen Wert haben (Kriterium Außenwirkung/Prestige) (vgl. Ditgen, 1966, S. 20 f.; Müller-Hagedorn, 1986, S. 226; Schürmann, 1987, S. 18). Das Image eines Produkts als Instrument der sozialen Außenwirkung ist einer der wichtigsten Faktoren, die sich auf die Reduzierung des wahrgenommenen Kaufrisikos und auf die Kaufabsicht auswirken (vgl. Sheth/Venkatesan, 1968, S. 307). Da davon ausgegangen werden kann, dass eine Vielzahl von Produkten in Gesellschaft anderer Personen konsumiert wird oder in Abhängigkeit von der Meinung anderer gekauft wird, spielt dieses subjektive Kriterium in dieser Studie eine zentrale Rolle (vgl. Cohen, 1968, S. 76, Goering, 1985, S. 75).

Wie in Abb. 28 gezeigt, kann angenommen werden, dass sich die Konsumenten bei ihren Kaufentscheidungen meistens auf die Produktinformationen Preis, Marke und auf die Leistungstransparenz beziehen. Dabei verfügt dieser bei den Produkten des täglichen Bedarfs vielfach nur über eingeschränkte Kenntnisse hinsichtlich der Inhaltsstoffe und ihrer Zusammensetzung (vgl. Ditgen, 1966, S. 22). Die oben angestellten Überlegungen haben gezeigt, dass die Verwendung eines einzelnen Produktattributs zur Beurteilung eines Produkts in 118

einem direkten Zusammenhang zur Wahrnehmung anderer Produktattribute stehen kann (vgl. Hansen/Zinkhan, 1983, S. 187). Dieser Zusammenhang wird in nachfolgender Illustration nochmals veranschaulicht:

No

Are the accessed and nonaccessed attributes strongly linked in Memory? Yes

No

Has an attribute goal been formed and a high interrupt threshold maintained? Yes

Yes

Can the consumer easily access what are perceived as valid values of the attribute? No

Consumer is likely to make an attribute inference

Consumer does not make an attribute inference

Abb. 29: Attribute Inference Model (vgl. Hansen/Zinkhan, 1983, S. 187)

Die Wahrscheinlichkeit der Schlussfolgerung auf andere Produkteigenschaften aufgrund weniger zentraler Eigenschaften steht dabei in einem U-förmigen Zusammenhang mit der Menge an verfügbaren Informationen, d. h. die Wahrscheinlichkeit ist besonders hoch bei einer geringen Menge oder auch bei einer sehr großen Menge an verfügbaren Informationen (vgl. Hansen/Zinkhan, 1983, S. 190). Der Konsument verfolgt beim Kaufprozess bestimmte Ziele, die sich grundsätzlich an Eigenschaften ausrichten, die besonders relevant dafür sind, dass er einen Nutzen aus dem Produktkauf zieht (vgl. ebd., S. 189). Im Rahmen der theoretischen Erklärungen wurde bereits gezeigt, dass dieser Nutzen nicht nur auf der Befriedigung der biologischen Bedürfnisse wie der Nahrungsbeschaffung, sondern auch auf anderen intrinsischen (ideellen) Begierden beruht (siehe dazu auch Berg, 1995, S. 19; Kapitel 3.2.2.1). Mit dem Ziel der Nutzenmaximierung werden zunächst jene Attribute bei der Produktsuche herangezogen, die leicht zugänglich sind (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 115). Eine dieser Eigenschaften ist der Preis, welcher als zentrales Profilierungsinstrument im Lebensmittelhandel nachfolgend detaillierter beleuchtet werden soll (siehe dazu auch Goering, 1985, S. 74; Weiber/Adler, 1995, S. 121).

119

3.2.3.1. Die Wirkung des Preises

Die einführenden Überlegungen des ersten Kapitels haben gezeigt, dass sich der deutsche Lebensmittelhandel in Abhängigkeit seiner Vertriebsformen hinsichtlich der Sortimentsbreite und der Warenpreise deutlich unterscheidet (vgl. Abb. 6, S. 12). Durch das schwerpunktmäßige Angebot von Eigenmarken ist es den Discountern möglich, mit der Strategie der Preisführerschaft eine breite Konsumentenschicht anzusprechen. Andere Vertriebsformen im Lebensmittelbereich haben oft nur mit mäßigem Erfolg versucht, mit einem begrenzten Eigenmarkensortiment im Preiseinstiegsbereich den Discountern Paroli zu bieten. Die Preisschere zwischen Markenprodukten im Premium Bereich und den (Eigen-)Marken des Handels klafft immer weiter auseinander. So muss für die Produktgruppe der Shampoos bei Markenware im Vergleich zu den Handelsmarken ein Preisaufschlag von 176 Prozent in Kauf genommen, für 100 Gramm Schokolade 73 Prozent und für Röstkaffee 37 Prozent (vgl. Biester, 2006). In den 90er-Jahren hoben die Discounter den Qualitätsstandard der Handelsmarken an, sodass zum Status quo kaum noch objektiv wahrnehmbare Qualitätsunterschiede vorhanden sind. Einhergehend mit der zunehmenden Preissensibilität der Konsumenten hat der Preis somit weiter an Einfluss gewonnen, was Grund gibt, sich mit diesem Einflussfaktor des Konsumentenverhaltens im Detail auseinanderzusetzen (vgl. Diller, 1979, S. 67).

Die Verbraucher unterscheiden sich nicht allein anhand der Intensität, in der diese den Preis wahrnehmen, sondern insbesondere hinsichtlich der Art der Wahrnehmung (siehe dazu Müller-Hagedorn, 1986, S. 215). Der Preis ist ein komplexer Stimulus, dem sowohl negative als auch positive Rollen zugeordnet werden können (vgl. Diller, 1977). Er hat somit einen erheblichen Einfluss darauf, wie das Produkt emotional erlebt und bewertet wird. Die negative Rolle des Preises, die in erster Linie in der Reduzierung des monetären Kapitals eines Individuums besteht, kann in ihrer Wirkung auf die Kaufentscheidung durch folgende Aspekte moderiert werden (vgl. Lichtenstein et al., 1993, S. 234): •

Wertbewusstsein im Sinne des Bedenkens, ob der Preis die erhaltene Qualität rechtfertigt.



Preisbewusstsein, indem der Konsument sich nur auf Produkte mit niedrigen Preisen beschränkt.



Neigung zu Rabatten als die erhöhte Bereitschaft, Produkte zu kaufen, die preislich reduziert sind. Rabatte beeinflussen hier die Produktbeurteilung positiv.



Preiskennerschaft bei Personen, die verstärkt Informationen nutzen, um die günstigsten Produkte zu kaufen. Dabei wird das Wissen um Preise nach Müller-Hagedorn als das Fundament einer rationalen Einkaufsentscheidung gesehen (vgl. MüllerHagedorn, 1986, S. 217).

120

Die oben genannten Szenarien spiegeln Werte und damit verbundene Verhaltensweisen von Personen wider, die einen negativen Zusammenhang zwischen der Höhe des Preises und der Kaufbereitschaft repräsentieren. Dabei gehen einige Ansätze davon aus, dass im Inneren des Konsumenten ein Referenzpreis für jede Produktkategorie besteht. Der Konsument, bei dem der Preis eine negative Rolle einnimmt, ist stetig versucht, diesen Referenzpreis zu unterschreiten. In Anlehnung an die Studien von Dickson und Sawyer kann jedoch davon ausgegangen werden, dass nur ein Teil der Konsumenten sich beim Konsum auf die internen Referenzpreise bezieht und die aktuellen Preise am POS mit diesen abgleicht (vgl. Dickson/Sawyer, 1990, S. 43).49 Die Bereitschaft zum Erwerb von Handelsmarken steht in einer positiven Beziehung zur negativen Rolle des Preises (siehe dazu Kapitel 5.4 und 5.5). Es kann jedoch auch davon ausgegangen werden, dass es Konsumenten gibt, bei denen sich die Kaufbereitschaft bei steigendem Preis erhöht. Diese positive Rolle kann sich auf folgende Weise auswirken: •

Preis-Qualitätsschema: Der Preis eines Produkts darf nicht als isolierte Größe gesehen werden, sondern muss unter Berücksichtigung anderer Produktmerkmale analysiert werden (vgl. Feider, 1985, S. 91). In der Literatur wird häufig ein positiver Zusammenhang des Preises mit der Beurteilung der Qualität eines Produktes unterstellt, insbesondere dann, wenn andere Informationen hinsichtlich der Qualität des Produkts schwer zugänglich sind (vgl. Howard/Sheth, 1969, S. 140; Hansen/Zinkhan, 1983, S. 189; Lichtenstein et al., 1993, S. 234). Der Preis dient in diesem Fall als Ersatzinformation bzw. als Indikator für die Qualität (vgl. Petermann, 1963, S. 38; Ditgen, 1966, S. 23; Goering, 1985, S. 75).



Prestige-Sensibilität: Ähnlich wie bei dem dargestellten Preis-Qualitätsschema, beschreibt diese Dimension einen positiven Zusammenhang zwischen dem Preis und dem Signal, das der Käufer mit dem Produkt an sein Umfeld sendet (vgl. Lichtenstein et al., 1993, S. 226). So kann es den individuellen Geltungsbereich des Käufers befriedigen, indem er teure Produkte erwirbt und dies dem sozialen Umfeld kommuniziert (vgl. Veblen, 1899; Felser, 2001, S. 409). Die Gegenstände müssen hier einen bestimmten Mindestpreis aufweisen, um in den Bedarfsbereich der betreffenden Konsumentengruppe zu fallen (vgl. Petermann, 1963, S. 64).

Die Übersicht zu den Bedeutungsrollen des Preises zeigt, dass dieser in Abhängigkeit der Werte und Einstellungen des Konsumenten verschiedene Wirkungsdimensionen hat. So kann er als einschränkendes Kriterium wirken, indem sich Individuen das Produkt nicht leisten können oder wollen. Er kann aber auch ein Kriterium für Qualität und das Senden von Signalen an das soziale Umfeld darstellen (vgl. Wind, 1978, S. 321; Lichtenstein et al., 1993, 49

Die Studie ergab, dass sich beim Einkauf im Supermarkt nur 27,2 Prozent der befragten Personen auf die internen Referenzpreise beziehen (für detailliertere Erläuterungen zur Durchführung der Studie siehe Kapitel 5.4, S. 214).

121

S. 234 ff.). Ferner haben produktspezifische Eigenschaften, insbesondere die Komplexität und die Menge an verfügbaren Informationen zu dem Produkt, Auswirkungen auf den Einfluss des Preises (vgl. Diller, 1977, S. 223). Aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsweisen des Preises bringen empirische Untersuchungen hierzu häufig widersprüchliche Ergebnisse hervor und es lässt sich a priori keine grundsätzliche Abhängigkeit des Preiseinflusses von anderen verfügbaren Produktinformationen feststellen (vgl. Tab. 19, S. 217). Da es sich bei Gütern, die über den Lebensmittelhandel bezogen werden, um alltägliche Gebrauchsgüter handelt, über die auf der Verpackung häufig detailliert hinsichtlich des Inhalts informiert wird, kann davon ausgegangen werden, dass das Szenario mit dem Preis als einzige verfügbare Produktinformation ausgeschlossen werden kann.

Die negativen und positiven Rollen des Preises können sich individuell unterschiedlich auswirken. Sowohl die demographischen als auch die psychographischen Faktoren sind Einflussvariablen, die die Wahrnehmung des Produktpreises beeinflussen können.50 Die nachfolgenden Überlegungen sollen einen theoretischen Eindruck vermitteln, wie der Einfluss des Preises individuell variieren kann: •

Trotz eines hohen Preises des erworbenen Produkts ist die Qualität für den Konsumenten nebensächlich. Dieser sieht eine Bestätigung seines (meist exklusiven) Lebensstils durch den Kauf hochpreisiger Produkte (vgl. Gierl, 1992, S. 36). Hier spielt der bereits zitierte „demonstrative“ Konsum eine große Rolle. Es genügt hier die Tatsache, dass das Individuum einen teuren Artikel besitzt, um sich in seinem sozialen Umfeld Anerkennung und ein gewisses Sozialprestige zu sichern (vgl. Hörning, 1969, S. 116). Die relevanten Marken sind dann meist für Hochpreisigkeit bekannt wie z. B. im Kleidungsbereich Marken wie Armani und Boss oder auch im Lebensmittelbereich Produkte aus dem Haus „Feinkost Käfer“ oder „Dallmayer“. Auch bei Gütern des täglichen Bedarfs können bestimmte Konsumentengruppen die Motivation haben, sich durch hochpreisige Artikel von ihrem sozialen Umfeld subjektiv abgrenzen zu wollen (vgl. Hörning, 1969, S. 119). Da bei häufig gekauften Gütern Preiskenntnisse oftmals vorhanden sind, scheint bei den Produkten des alltäglichen Bedarfs ein demonstrativer Konsum denkbar (siehe dazu Müller-Hagedorn, 1986, S. 217). Neben dieser Art des Konsums kann das oben beschriebene Verhalten aber auch mit dem „Kleinbedarf“ begründet werden, d. h. der Preis dieser Güter ist im Verhältnis zum Wert anderer Güter und zur Höhe des Einkommens so niedrig, dass der Konsument diesen nicht beachtet (vgl. Petermann, 1963, S. 64).



Der Konsument erhofft sich durch den Kauf eines teuren Markenprodukts ein qualitativ hochwertiges Produkt. Die Gründe hierfür können vielfältig sein: Der Käufer hat

50

Dabei wurde in den theoretischen Überlegungen bereits dargestellt, dass der Einfluss der psychographischen Faktoren häufig stärker ist (vgl. Kapitel 3.2.1.4).

122

keine Zeit, sich innerhalb des relevanten Produktbereichs umfassend zu informieren, traut es sich selbst nicht zu, ein Produkt anhand anderer Kriterien zu beurteilen oder hat mit der Marke positive Erfahrungen gemacht (vgl. Lichtenstein/Burton, 1989, S. 431). Unhabhängig vom Produkt legt der Käufer Wert auf hohe Qualität und nutzt den Preis als Indikator. Bei diesem Kaufverhalten ist die Zuordnung zu einer sozialen Schicht a priori schwierig. Die Bandbreite kann hier von Mitgliedern hoher sozialer Schichten, die einerseits die Erwartungen des gesellschaftlichen Umfelds erfüllen wollen, aber nicht auf Qualität verzichten möchten, bis zu sozialen Randgruppen reichen, die sich etwas qualitativ Hochwertiges gönnen wollen (siehe dazu Hörning, 1969, S. 121). Hier scheint die Notwendigkeit weiterer empirischer Analysen gegeben zu sein. •

Der Konsument erwirbt in bestimmten Bereichen hochpreisige Produkte, entscheidet sich in anderen Bereichen hingegen für billigere Eigenmarken, den sogenannten No names des Handels. Die Hintergründe können auch hier äußerst vielschichtig sein: o

Man kann sich nur eine beschränkte Anzahl teurer Markenprodukte leisten.

o

Bei bestimmten Produkten sieht der Käufer keinen qualitativen Mehrwert und er muss auch nicht durch diese Produkte soziale Anerkennung gewinnen.

o

Der Konsument sucht sich als „Smart Buyer“ die für ihn optimalen Alternativen aus. Er legt in bestimmten Produktbereichen keinen Wert auf Qualität oder Anerkennung von Prestige und kauft hier nur Güter, bei denen er subjektiv das optimale Preis-Leistungs-Verhältnis vermutet.



Der Konsument kann oder will sich nur billige Produkte leisten und lässt sich nicht dazu hinreißen, Markenprodukte zu erwerben. Qualität ist hier zweitrangig, denn ein günstiger Preis ist alleiniges Kriterium der Kaufentscheidung. Hintergrund kann hier ein ausgeprägtes Sparsamkeitsempfinden sein oder einfach die Tatsache, dass nur ein begrenztes Budget zur Verfügung steht. Dabei muss die wahrgenommene Kaufkraft nicht unbedingt mit der Höhe des Einkommens übereinstimmen (vgl. Gierl, 1992, S. 42). Es muss nicht zwangsläufig ein begrenzter monetärer Spielraum der Grund für hohe Preissensibilität sein. Bereits an anderer Stelle wurde gezeigt, dass Personen mit einem hohen Selbstbewusstsein den Preis als Qualitätsindikator vernachlässigen (siehe dazu auch Diller, 1977, S. 223, Tab. 19, S. 217).

Die oben genannten theoretischen Konsumententypen stellen eine Übersicht dar, wie vielschichtig der Zusammenhang zwischen der Preiswahrnehmung und dem tatsächlichen Kaufverhalten sein kann. Es kann angenommen werden, dass der positive Zusammenhang zwischen dem Preis und der Qualität nicht bei allen Käufergruppen auslösender Kaufimpuls ist. In erster Linie informiert der Preis über die Kosten eines Produkts, also über die Höhe

123

des Geldbetrags, der für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung stehen wird (vgl. SchulteFrankenfeld, 1985, S. 84). In welchem Ausmaß ein Individuum bereit ist, sein Budget durch Ausgaben für bestimmte Produkte zu schmälern, ist interpersonell verschieden. Entscheidend ist hier, ob der Konsument eine positive Preis-Qualitätsrelation annimmt und welchen Betrag dieser bereit ist, für die Qualität auszugeben. Zudem gibt es Konsumententypen, die geneigt sind, für Markenprodukte einen höheren monetären Aufwand in Kauf zu nehmen, ohne dass bei diesen qualitative Aspekte im Vordergrund stehen (siehe dazu oben; Fischer et al., 2002, S. 22). Dies ist der Fall, wenn sich Individuen allein durch den hohen Preis der von ihnen erworbenen Güter in der Gesellschaft profilieren wollen (vgl. Veblen, 1899; Kapitel 2.2.3.1, S. 40). Ein teures oder exklusives Produkt wird dann meist als ein Indikator dafür herangezogen, dass der Käufer ein hohes Einkommen hat, ohne das er sich das Produkt nicht leisten könnte. Hier ist der Preis nicht nur ein Qualitätskriterium, sondern er besitzt auch einen sozialen Wert (vgl. Mason, 1981, S. 120).

Die oben dargestellten theoretischen Überlegungen zur Rolle des Preises haben sich auf die Funktion als Qualitätsindikator bezogen, aber auch andere Aspekte wie den geltungsgetriebenen oder den sparsamkeitsgetriebenen Kauf beleuchtet. Die Frage, ob der Preis eine stärkere Wirkung auf oben genannte Dimensionen hat, wenn dieser als einziges Kriterium für den Kauf herangezogen wird, oder ob er unter dem Einfluss anderer Faktoren an Stärke verliert, wurde in bisherigen Untersuchungen nicht eindeutig geklärt (vgl. oben; Rao/Monroe, 1989, S. 355). Diller bezeichnet in diesem Zusammenhang den in zahlreichen durchgeführten Single-Cue-Studien51 unterstellten positiven Preis-Qualitätszusammenhang als „[…] ein durch ungeeignete Messverfahren verursachtes Artefakt“ (Diller, 1977, S. 223). Da aber der „Single-Cue“-Fall in der Realität unwahrscheinlich ist, ist davon auszugehen, dass dieser Faktor in Konkurrenz zu anderen Variablen steht (vgl. Ringbeck, 1986, S. 102). Diese Abhandlung schließt sich an dieser Stelle den Überlegungen und Erkenntnissen von Rao und Monroe (1989) an (siehe auch Kapitel 5.4, S. 213). So wird davon ausgegangen, dass trotz der Existenz weiterer Einflussvariablen eine Wirkung des Preises auf die Produktwahrnehmung vorhanden ist. Im Rahmen der empirischen Forschung interessiert zudem die Einkaufsstättenwahl des Konsumenten in Abhängigkeit des Preisniveaus der dort angebotenen Produkte. In Anlehnung an das theoretische Modell wird angenommen, dass auch hier Werte und Einstellungen wirken (vgl. Diller, 1977, S. 224; Abb. 15, S. 58). Ein sparsames Individuum wird einen großen Teil seiner täglichen Einkäufe in jenen Einkaufsstätten tätigen, in denen er das Bedürfnis des günstigen Einkaufs am besten befriedigen kann. Optimaler Ansatz aus Handelssicht wäre es hier, die Preise so zu positionieren, um diesen Kundentyp zu gewinnen, aber auf der anderen Seite den maximalen Gewinn zu erzielen. „In der Praxis 51

Singel Cue: Der Preis steht als einziges Kriterium bei der Produktbeurteilung zur Verfügung.

124

findet eine strategische Preisfindung jedoch oftmals nicht statt, weil die Händler nur unzureichend wissen, welche Merkmale eines Produkts für den Verbraucher tatsächlich wichtig sind und wie viel er dafür zu zahlen bereit ist.“ (Harms/Schommer, 2004, S. 20). Dabei sind die Konsumenten aufgrund der angebotenen Produktvielfalt gezwungen, sich beim Kauf von alltäglichen Gebrauchsgütern auf Schlüsselinformationen zu beschränken (vgl. Weinberg, 1981, S. 100; Kapitel 3.2.3, S. 117). Dabei sind sie meist eher in der Lage, Preise als Qualitäten miteinander zu vergleichen. Sie orientieren sich folgerichtig an den Preisen der Produktangebote, die ihnen für die gewünschte Qualität als angemessen erscheinen (vgl. Berg, 1995, S. 42).

Aufgabe der Studie ist es, sowohl die negativen als auch die positiven Rollen des Preises in Abhängigkeit der verschiedenen Verbrauchertypologien zu untersuchen. Dabei soll bei der Untersuchung der positiven Rolle eine Unterscheidung der Prestigefunktion von der Funktion als Qualitätsindikator erfolgen. Diese beiden Dimensionen können vollkommen unabhängig voneinander wirken und ermöglichen es, ein zunächst objektiv ähnliches Kaufverhalten durch zwei unterschiedliche Motive zu erklären. Die Behauptung Ditgens, dass eine Quantifizierung und Abgrenzung beider Einflussgrößen durch empirische Forschung nicht durchzuführen sei, soll dabei widerlegt werden (siehe dazu Ditgen, 1966, S. 30). Es kann angenommen werden, dass sich das Kaufverhalten im Hinblick auf den Preis zum einen in Abhängigkeit demographischer Kriterien unterscheidet, aber besonders von der Motivstruktur des Konsumenten beeinflusst wird. Es liegt somit nahe, die Hypothesen in Abhängigkeit der Einflussdimensionen aufzuteilen:

Hypothesen zur direkten Wirkung demographischer Faktoren: •

Hypothese: Bei Konsumenten aus niedriger sozialer Schicht findet eine stärkere PreisQualitätsinferenz statt als bei Konsumenten aus höheren Schichten.



Hypothese: Die Sparsamkeit ist bei unteren Schichten stärker ausgeprägt als bei höheren Schichten.



Hypothese: Die Prestigeorientierung bei Gütern des täglichen Bedarfs ist bei Konsumenten aus niedriger sozialer Schicht höher als bei Konsumenten aus höheren sozialen Schichten.

Hypothesen zur Wirkung psychographischer Faktoren: •

Hypothese: Je stärker das Selbstbewusstsein des Konsumenten ist, desto preissensibler ist dieser.



Hypothese: Je stärker die Preissensibilität ist, desto schwächer ist die Orientierung am sozialen Umfeld beim Produktkauf. 125

Meist wird neben dem Preis als ein weiteres Kriterium beim Produktkauf die Marke herangezogen. Häufig kann einfach nur die Tatsache genügen, dass ein Markenprodukt vorhanden ist, damit gewisse Lebensmittel bevorzugt erworben werden. Im Rahmen der Studie soll diese binäre Wahlsituation – No-Name-Produkt, d. h. Eigenmarke des Handels, oder Markenprodukt – beim Kauf von Lebensmitteln unterstellt werden. So steht in der Studie der Einfluss der „Marke“ als Kriterium der Kaufentscheidung im Fokus. Der nachfolgende Abschnitt beschäftigt sich theoretisch mit diesem Schlüsselattribut im Detail.

3.2.3.2. Die Wirkung der Marke

3.2.3.2.1. Das Kaufverhalten bei Markenprodukten

Einhergehend mit der Preissensibilität hat in den letzten Jahren neben der Einkaufsstättenloyalität auch die Markenloyalität der deutschen Konsumenten abgenommen. Viele Produkte verkaufen sich im Handel einzig über den Preis. Innerhalb des Produktangebots kann zwischen Premium-Marken (A-Marken), Zweitmarken (B-Marken; oft niedriger eingepreist) und den günstigen Drittmarken bzw. Handels- oder Eigenmarken (C-Marken) unterschieden werden. Allein den Premium-Marken wird es in Zukunft gelingen, einen emotionalen Mehrwert zu schaffen (vgl. Michael, 1994, S. 23; Siemes/Gerling, 2004). Im Einzelhandel haben hingegen die Eigenmarken nicht nur wegen der starken Nachfrage durch den Konsumenten, sondern auch aufgrund der höheren Margen erheblich an Bedeutung gewonnen (vgl. Harms/Schommer, 2004, S. 16). Zudem ist die Qualität der Handelsmarken in den letzten Jahren stetig gestiegen, sodass der Konsument zu den Industriemarken teilweise keinen Qualitätsunterschied mehr wahrnehmen kann (vgl. Esch, 2005, S. 42; KPMG, 2006). In jüngster Zeit lässt sich dennoch ein neuer Trend erkennen: Obwohl im Discounter immer noch die Handelsmarken dominieren, stagniert deren Anteil oder nimmt sogar ab. So sank dieser bei Lidl in 2005 um 2,1 Prozentpunkte zugunsten der Premium-Marken (vgl. Capital 22/2005, GfK, 2005, S. 15).

126

23,4

24,8

27,1

30,8

32,1

33,4 Own brands/ ALDI

28,2

27,3

25,5

Other brands

23,6

22,0

20,9 Premium brands

11,8

11,7

11,9

11,8

11,9

12,3

13,1

13,0

12,6

12,0

12,1

11,5

22,9

21,8

21,9

21,9

2002

2003

2004

23,5

1999

23,2

2000

2001

Abb. 30: Durchschnittlicher Marktanteil von Marken (vgl. GfK, 2005, S. 15)

Second-strongest brand

Market leader

52

Abb. 30 zeigt das dynamische Wachstum der Handelsmarken in den letzten Jahren. Die Entwicklung zwischen den Jahren 2003 und 2004 weist auf eine schwächere Zunahme als zur Jahrtausendwende hin. Neben den Handelsmarken gibt es nur ein weiteres Preissegment, das im direkten Vergleich zu 1999 ein leichtes Wachstum vorweist: die PremiumMarken. Bei den Premium-Marken handelt es sich um profilierte Marken, dessen höherer Preis sich vor allem durch das Image der Marke rechtfertigt (vgl. Högl/Hupp, 2001, S. 23). Besonders mit Produkten in diesem Segment versuchen sich die Konsumenten in ihrem Kaufverhalten zu profilieren. So sind es auch die Premium-Marken, die in Print-, TV- und Plakatwerbung allgegenwärtig sind und den Konsumenten – eingebettet in eine meist perfekte und heile Welt – präsentiert werden (vgl. Richins, 1991; Berg, 1995, S. 44). Ziel ist es, den Käufer zu verführen und ihn annehmen zu lassen, dass er sich durch die Marke ein Stück dieser Perfektion erkaufen kann. Auch für ethnische Minderheiten in Deutschland kann es ein Weg sein, der umgebenden Kultur durch den Kauf dieser Produkte ein Stück näherzukommen.53 Da den Handelsmarken aufgrund der meist fehlenden medialen Werbeunterstützung ein emotionales Profil fehlt, ist die Implementierung von Images hier nur eingeschränkt vorhanden. „Insbesondere auf Märkten, die durch eine starke Produkthomogenität gekennzeichnet sind, hängt der Zusatznutzen, den eine Marke stiftet, zu einem großen Teil von der Attraktivität der Marke in den Köpfen der Verbraucher ab.“ (Högl/Hupp, 2001, S. 26).

52

Basierend auf 150 Produktgruppen im LEH. Die Wirkung der Werbung auf die Einstellung zum Produkt und auf bestimmte Produktattribute diskutieren Mitchell und Olson (1981). Das Modell in ihrer Studie illustriert den angesprochenen Zusammenhang anschaulich (vgl. Mitchell/Olson, 1981, S. 327). 53

127

Die Wirkung der Marke auf den Konsumenten darf im Lebensmittelhandel nicht unabhängig vom vertreibenden Handel gesehen werden. Nur dann, wenn die Marke mit dem Produkt bzw. der Dienstleistung harmoniert, kann sie gewinnbringend eingesetzt werden (vgl. Harms/Schommer, 2004, S. 16). In den verschiedenen Einkaufsstättentypen des Lebensmittelhandels wie den Discountern, den Verbrauchermärkten oder den Supermärkten werden die Angebotsprofile der Wettbewerber jedoch immer ähnlicher. Der Einfluss von Marken auf die Kaufwahrscheinlichkeit hat Statistiken zufolge besonders in den letzten fünf Jahren abgenommen (vgl. Abbildung unten). So gaben im Jahr 2003 35 Prozent der deutschen Verbraucher an, dass sich der Kauf von Markenartikel meistens nicht lohnt (vgl. Allensbacher Markt- und Werbeträger Analyse, 2003):54 Anteil der Befragten (in Prozent):

44 42

42

43 40 38

34

34 32

30 26

35 33 33

31

29

27 24

25

32

26

Kauf lohnt meistens Kauf lohnt meistens nicht unentschieden

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Abb. 31: Entwicklung des Markenbewusstseins (vgl. AWA 1997 bis AWA 2003)

Untersuchungen in Deutschland zufolge denken ethnische Minderheiten wie die Deutschtürken allerdings anders hinsichtlich der Bedeutung von Marken, als dies Abb. 31 vermittelt (siehe dazu auch Kapitel 5.3). Für diese Gruppe haben Marken immer noch einen hohen Stellenwert sowie einen starken Außenwirkungscharakter. „Wenn Sie bei Türken zu Hause eingeladen sind, werden Sie kein No-Name-Produkt serviert bekommen, sondern immer den Markenartikel.“ (Zitat Finn Badato, in: Bücker, 2005, S. 92).

Aus Sicht des Konsumenten hat die Marke drei Kernaufgaben. Zum einen erfüllt sie eine Effizienzfunktion bei der Informationsverarbeitung, d. h. sie gibt Orientierung bei der Pro54

Der Erhebung liegt folgende Frage zugrunde: „Es gibt Waren, die man als Markenartikel bezeichnet und die meistens etwas teurer sind, und andere, die keine Markenartikel sind. Lohnt es sich Ihrer Meinung nach in den meisten Fällen, dass man Markenartikel kauft, oder lohnt es sich nicht?“.

128

duktwahl. Zum anderen kann die Wahl einer bestimmten Marke das Risiko, beim Kauf eine falsche Entscheidung zu treffen, reduzieren und zudem einen ideellen Nutzen stiften (vgl. Fischer et al., 2002, S. 19). Einen literarischen Überblick über die Kernfunktionen geben hier Caspar et al. (2002):

Vertreter Berekoven (1978) Hätty (1989) Kapferer (1992) Aaker (1992)

Bruhn (1994) Rüschen (1994)

Koppelmann (1994)

Thurm (1999)

Kemper (2000)

Esch (2003)

Informationseffizienz

Risikoreduktion

Erkennung Unterscheidung Wiedererkennung Identifikation Individualisierung

Konstanz

Ideeller Nutzen

Vertrauen/Sicherheit

Nutzen

Identifikation Vereinfachung Produktmarkierung

(Qualitäts-) Garantie

Personalisierung des Angebots Erlebniswert Selbstbestätigung

Identifikation Informationsvermittlung Komplexitätsreduktion Entlastung Entscheidungsunterstützung Beschaffungsvereinfachung

Qualitätsgarantie Risikoreduktion Sicherheit und Vertrauen

Zusatznutzen Befriedigung bestimmter emotionaler Bedürfnisse von Entscheidern

Orientierung Identifikation/Information Entlastung Sich zurechtfinden Auf bewährte Produkte zurückgreifen Verfügbarkeit Stütze bei Erstkäufen Wiedererkennung Rationalisierung Produktidentifikation Wiederverkauf Wiedererkennung Orientierung Identifikation Rationalisierung Beschleunigung Wiederkauf Routinisierung

Entscheidungsunterstützung Qualitätssicherung Risikominderung

Prestige (Exklusivitätssignal)

Sich auf Qualität verlassen Sicherheit der Erzeugnisse

Emotionale Funktionen Lebensstil ausdrücken

Verbraucherschutz

Prestige verleihen Faszination Zusatznutzen Demonstration Emotionalisierung

Risikoreduktion

Schutz/Sicherheit Garantie

Identifikation/ Differenzierung Herkunft Werbung/Kommunikation Entlastung (Ordnung/ Rationalisierung)

Garantie bzw. Vertrauen (auch Güte/ Qualität)

Orientierung

Vertrauen

Demonstration Emotionalisierung

Emotionaler Anker Vermitteln von Wertvorstellungen Gruppenintegration

Tab. 6: Aspekte des Markennutzens aus Nachfragersicht (vgl. Caspar et al., 2002, S. 14; Fischer et al. 2002, S. 11)

Aus der dargestellten Übersicht kann für den Bereich der alltäglichen Gebrauchsgüter gefolgert werden, dass das Markenprodukt neben der Funktion der Unterscheidung zu anderen Produkten und der Risikoreduzierung beim Kauf eine weitere zentrale Aufgabe hat. Sie ist ein komplexes Symbol, das ein Reihe von Ideen und Eigenschaften darstellt (vgl. Levy, 1999, S. 134). Dieser ideelle Nutzen kann sowohl innen als auch außen orientiert sein, wobei

129

diese Orientierungen selten voneinander losgelöst auftreten (vgl. Fischer et al., 2002, S. 20). Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass dieser Nutzenaspekt das größte Gewicht für die Markenrelevanz besitzt (vgl. ebd., S. 20). So sollen die folgenden Überlegungen die zentrale Bedeutung der Marke für den Menschen thematisieren und die Funktionsweise der Marke als Symbol in der Gesellschaft durchleuchten.

3.2.3.2.2. Der Zusammenhang zwischen Marke und Einstellung zum Produkt

„Marken wirken heute in der Zeit nachgebender ethischer Werte als Indikator sowie als normativer und sinngebender Initiator gesellschaftlichen und sozialen Wandels. Im Zentrum stehen dabei der jeweilige Markencode mit seinen Zeichen und die durch die Marke ausgelösten identitätstiftenden und gemeinschaftsbildenden Prozesse.“ (Schütz, 2001, S. 217). Obgleich der heutige Begriff „Marke“ im Wesentlichen als „Abgrenzung mithilfe eines Zeichens“ definiert werden kann, wirken direkt und indirekt verbundene Sinninhalte bewusst oder unbewusst mit. Nicht wenigen Marken ist es gelungen, auf die Sichtweisen der Konsumenten bedeutenden Einfluss zu nehmen und damit einen sozialen Wandel nicht nur zu indizieren, sondern auch zu initiieren. Die „Aldisierung“ und das „Geiz-ist-geil“-Phänomen sind Schlagworte, die hier den durch die Bedürfnisse der Konsumenten bedingten Trend im deutschen Lebensmittelhandel beschreiben (vgl. Sälzer, 2003, S. 10; Abb. 13, S. 37).

Die Marke ist das zentrale Produktattribut, damit beim Konsumenten ein „Verlangen“ geschaffen wird. Zudem kann sie für ihn die Funktionen der Orientierung, der Risikominderung und der eigenen Positionierung erfüllen (vgl. Cheridito, 2003, S. 26). Sie erlaubt, Unterschiede zwischen einzelnen Produkten zu erkennen, und bietet die Möglichkeit, dass Objekte bei Wiederholungskäufen wiedererkannt werden. Sie dient damit als eine Form von Garantie, dass bei Kauf des Produktes von der gleichen Qualität ausgegangen werden kann (vgl. Becker, 1992, S. 98; Berekoven, 1992, S. 37; Leclerc et al., 1994, S. 263; Cheridito, 2003, S. 27). Markenzeichen haben die Funktion der Identifizierung und der Differenzierung gegenüber Konkurrenzprodukten, wobei die Produkteigenschaften zur Erreichung dieses Ziels dem Konsumenten einprägsam vermittelt werden müssen (vgl. Schulte-Frankenfeld, 1985, S. 79). Die Markierung von Produkten kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, wie z. B. in Form von Symbolen und Schriftbildern. Hier kann der Markenname als verbal reproduzierbares Merkmal einer Anbieterleistung verstanden werden. In Anlehnung an Hupp und Powaga lassen sich folgende Einstellungskomponenten festlegen, die den Wert einer Marke beeinflussen:

130

Buying Intention Willingness to recommend brand

Brand Allegiance

Acceptance of Premium Pricing Quality

Brand Potential Index

Brand Awareness

Brand Identification Trust in brand

Empathy with brand

Uniqueness

Abb. 32: Einstellungskomponenten einer Marke (vgl. Hupp/Powaga, 2004, S. 227)

Die zehn gezeigten Einstellungskomponenten wirken sich auf den Konsumenten in unterschiedlicher Stärke aus (siehe dazu auch Hupp, 2001, S. 34). Grundsätzlich sind dabei die globalen Werte der Konsumenten mit den allgemeinen konsumbezogenen Werten verbunden, welche wiederum mit bestimmten Produkteigenschaften wie z. B. der Marke eines Produkts assoziiert sind (vgl. Vinston et.al., 1977, S. 49). Die zentrale Strategie bei statusorientierten Markenprodukten ist die Positionierung der Marke mit dem adäquaten Image (siehe auch Abb. 32). Erst dann ist es möglich, für diese Produkte den Anspruch des PremiumCharakters zu erheben (vgl. Eastman et al., 1999, S. 42).

Der „Halo-Effekt“ ist im Zusammenspiel mit der Marke eines Produkts an dieser Stelle noch einmal gesondert hervorzuheben (vgl. Kapitel 3.2.3, S. 117). Wie bereits beschrieben, wirkt dieser, indem eine bestimmte Produkteigenschaft in ihrer Positivität oder Negativität auf die anderen wahrgenommenen Eigenschaften übertragen wird (vgl. Hovland et al., 1953, S. 36 f.; Bierhoff, 1986, S. 5). So kann sich der gute Ruf einer Marke auf die Qualitätswahrnehmung auswirken (vgl. Schulte-Frankenfeld, 1985, S. 79; Wiswede, 1992, S. 75; Hupp/Powaga, 2004, S. 228). Außerdem kann sich die soziale Funktion des Markennamens – hier sei besonders auf die Prestigewirkung hingewiesen – auf das gesamte Produkt übertragen. Markenprodukte dienen als Instrument, sich in seinem sozialen Umfeld zu behaupten und einen gewissen Status nach außen zu kommunizieren. „Judgements are made according to the brand names used, the up-to-dateness of goods and their arrangement.” (Miller, 1987, S. 9). Neben der Funktion als Schlüsselinformation und der damit verbundenen kognitiven Entlastung hat der Kauf von Markenprodukten einen entscheidenden Zusatznutzen. Bedingt durch die Art und Weise, wie die vermittelten Emotionen mit der Bedürfnislage des Verbrau131

chers korrespondieren, wird dieser Zusatznutzen in die Bewertung von Entscheidungsalternativen aufgenommen (vgl. Sauermann, 1980, S. 26). Das Vorstellungsbild, das der Käufer von einer Marke besitzt, kann somit den Entscheidungsprozess positiv oder negativ beeinflussen. Die Wirkung des Markenimages auf den Konsumenten und dessen Entscheidungsverhalten kann dabei durch folgende Faktoren beeinflusst werden: •

Werbung;



Einfluss von Meinungsführern, Bekannten und Familienmitgliedern;



Gruppenzugehörigkeit, in der Bedeutung, dass sich Marken auf Gruppen unterschiedlich auswirken (vgl. Stafford, 1966; Schmidt/Elßer, 1992, S. 61).

Bei dem letztgenannten Aspekt wird deutlich, dass Produktattribute wie die Marke in Abhängigkeit von dem kulturellen Hintergrund des Verbrauchers verschiedene Interpretationen hervorrufen können (vgl. Wilken, 2004, S. 35). Die Kernaufgaben einer Marke, die nachfolgend in Anlehnung an Bruhn im zweidimensionalen Raum dargestellt werden, können daher je nach kulturellem und sozialem Umfeld unterschiedliche Relevanz besitzen (vgl. Bruhn, 1994, S. 24; siehe auch Tab. 6):

Qualitätsdimension Qualitätsgarant

Information

Vertrauen in das spezielle Nutzenpaket der Marke Orientierungshilfe

Innovationsträger Trendsetter Identifikation Distributionsgrad Gesellschaftliche Akzeptanz Prestigesignal

Prestigedimension (Außenwirkung) Abb. 33: Die Kernaufgaben der Marke im zweidimensionalen Raum

55

Im Rahmen der oben aufgeführten Kernaufgaben kann eine funktionelle Zweiteilung vorgenommen werden. Konsumenten, bei denen der Schwerpunkt auf der sozialen Außenwirkung liegt, werden sich stärker daran orientieren, ob das Produkt innovativ ist, eine TrendsetterFunktion hat, Prestigesignale aussendet und gesellschaftlich akzeptiert wird. Konsumenten, die den Qualitätsaspekt von Gütern als wichtigstes Kriterium definieren, werden sich mehr an den Informationen und dem Nutzenpaket, welches hinter einer Marke steht, orientieren. Studien haben hier gezeigt, dass mit abnehmender Bildung des Konsumenten die Bereitschaft 55

Eigene Darstellung in Anlehnung an die Auflistung der Markenaufgaben von Bruhn (1994).

132

der Marken-Qualitätsinferenz steigt (vgl. Becker, 1992, S. 98 ff.). Unabhängig von dem Motiv, welches für den Kauf eines Markenprodukts spricht, steht dabei grundsätzlich die Bereitschaft, einen Preisaufschlag in Kauf zu nehmen (vgl. Schmidt/Elßer, 1992, S. 61).

Das Markensymbol übernimmt aus semiotischer Sicht hauptsächlich die Aufgabe der raschen und mühelosen Identifikation eines Produkts (vgl. Bruhn, 1994, S. 24; Abb. 33). So kann das Markenlogo als Zeichen verstanden werden, in dem sich das Wesen und die Werte der Marke verdichtet wiederfinden. Eng damit verbunden ist eine expressive Funktion, da das Markenzeichen auch Informationen über den Sender beinhaltet, also nicht nur über das Unternehmen, sondern auch über die Einkaufsstätte. Die in ein System integrierten Bedeutungsinhalte der Marke sind in folgender Abbildung dargestellt:

Subjektive Konnotation Objektive Konnotation Denotation

„Meta-Sprache“ der Marke „Objekt-Sprache“ der Marke

Zeichensystem der Marke

Abb. 34: Bedeutungsinhalte der Marke (vgl. Schütz, 2001, S. 230)

In der modernen Konsumgesellschaft erfüllt die Marke insbesondere die Funktion der „MetaSprache“ (vgl. Abb. 34). Dies bedeutet, dass sie neben der lexikalischen Bedeutung zusätzlich eine kulturelle und gesellschaftliche Funktion übernimmt (vgl. Schütz, 2001, S. 230). Sie entwickelt sich förmlich in der Wechselwirkung mit ihrer Umwelt weiter. Auch für Produkte im Lebensmittelhandel kann dies bedeuten, dass Marken für Individuen erst eine Sinnfunktion erhalten, wenn diese in bestimmten (sub-)kulturellen, sozialen bzw. gesellschaftlichen Gruppen konsumiert werden.

133

3.2.3.2.3. Semantische Betrachtung: die wahrgenommene Produktsymbolik

Neben den objektiven Kriterien, die in den theoretischen Überlegungen bereits behandelt worden sind, gibt es eine zentrale Funktion von Produkten, die sich a priori nicht gezielt mit bestimmten Attributen oder der täglichen Bedarfsdeckung in Verbindung bringen lässt (vgl. Levy, 1999, S. 205). Da bei allen Markenformen ihr prominentes Wesen als – primär visuelles – Zeichenbündel zu verstehen ist, ist eine semiotische Betrachtung für das Grundverständnis der Wirkung von Marken unerlässlich (siehe dazu Grubb/Grathwohl, 1967, S. 22). Voraussetzung für die Wirkung als soziales Instrument ist jedoch, dass die Symbolik eines Produkts von dem sozialen Umfeld erkannt wird (vgl. Form/Stone, 1957, S. 505; Grubb/Grathwohl, 1967, S. 24; Mennicken, 2000, S. 140). Sie ist das Ergebnis von sozialer Interaktion und kann in Abhängigkeit von der Kultur, der Subkultur oder den sozialen Gruppen, denen ein Individuum zuzuordnen ist, unterschiedlich sein (vgl. Gottdiener, 1985, S. 985). Die Wahrnehmung einer Markensymbolik hängt von dem Selbstkonzept und dem Lebensstil von Individuen ab (vgl. Kapitel 3.2.2). Sie wird erst erkannt, wenn sie entweder zur Erfüllung angestrebter Ziele beiträgt oder ihr widerspricht. Besonders Produkte mit einer starken Außenwirkung tragen eine Symbolfunktion. Dies reduziert die Objekte in der modernen Konsumgesellschaft oftmals nur noch auf ihre Außenwirkung. „It is the sign value of the object that superimposes itself upon the sign function of the object, transforming the meaning of objects that comes from their everyday use into the ideology of consumerism.“ (Gottdiener, 1985, S. 987). Dabei ist eine starke Außenwirkung nicht nur den langlebigen exklusiven Produkten – z. B. teure Autos oder große Immobilien – vorbehalten. Obgleich ein Produkt aufgrund der Eigenschaft „alltägliches Gebrauchsgut“ theoretisch zunächst nicht auffällig erscheint, können wahrnehmbare Unterschiede bei der sozialen Signalwirkung vorhanden sein (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 475). So heben sich Markenprodukte von den preisgünstigen Eigenmarken des Handels nicht nur aufgrund des Images, sondern auch hinsichtlich der symbolischen Wirkung ab (ebd., S. 475).

Die Symbolfunktion trägt dazu bei, dass das Verhalten von Konsumenten eine Struktur erfährt und die Beziehung von Individuen zu bestimmten Objekten erklärt werden kann (vgl. Richins, 1994, S. 522). Dies geschieht, indem sie den Menschen ermöglicht, visuell zwischen kulturell bedingten Kategorien abzugrenzen (vgl. McCracken, 1986, S. 73). Das Objekt als Symbol dient als ein Kommunikationsmedium, das gemäß den Intentionen des Senders manipuliert werden kann. Zur Einordnung der semantischen Funktion von Produkten in das allgemeine Funktionskonstrukt kann die Übersicht zu den grundsätzlichen Produktaufgaben von Eco herangezogen werden (vgl. Eco, 1976, S. 27). So erfüllen die Konsumgüter in Massenkulturen folgende Aufgaben:

134



Physische Funktion: Produkte sind hier materieller Besitz;



Mechanische Funktion: Produkte erfüllen einen gewissen Nutzen, indem sie gewisse Funktionalitäten darstellen (z. B. das Auto die Funktion der Fortbewegung);



Ökonomische Funktion: Objekte haben einen gewissen Wert, der zum einen monetär und zum anderen im Sinne der Tauschfunktion gemessen werden kann;



Soziale Funktion: Produkte dienen zur Kommunikation von sozialem Status (vgl. auch Scheuch/Daheim, 1970, S. 65). Neben der Statusdarstellung können Produkte in dieser Funktion auch als Spiegel des inneren Selbst gesehen werden (vgl. Grubb/Grathwohl, 1967; Richins, 1994, S. 522);



Semantische Funktion: Diese bezieht sich auf die in diesem Abschnitt erläuterte Symbolwirkung. Objekte werden hier als kulturelle Einheit verstanden, die Einfluss auf die Beziehung zwischen Subkulturen haben (siehe dazu auch Levy, 1999, S. 220). Die Beschreibung der Wirkung von Produkten als Symbole ist zentraler Gegenstand der theoretischen Überlegungen in diesem Kapitel.

Die oben dargestellten Funktionen dürfen nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Objekte erfüllen vielfach verschiedene Aufgaben. Dabei kann ein nichtsemiotischer Status eines Produkts häufig auch umgewandelt werden. Während bei Objekten, die eine soziale Funktion übernehmen, von einer Symbolfunktion ausgegangen werden kann, können auch Produkte mit physischer, mechanischer und ökonomischer Funktion durch den sozialen Prozess der Transfunktionalisierung eine semantische Aufgabe übernehmen (vgl. Gottdiener, 1985, S. 992). Gottdiener illustriert diesen Prozess in seinem dreistufigen Modell: Exchange Value

Producer Sign Value I (changed during marketing through marketing codes)

USE VALUE

PRODUCER

OBJECT

Producer Sign Value II (changed during the production through user codes)

User Sign Value (changed during use through user codes)

USER

USE VALUE

Abb. 35: Dreistufiges Modell der Semiose nach Gottdiener (1985, S. 996)

Abb. 35 zeigt, dass einem Produkt zunächst eine ökonomische Funktion zugeordnet werden kann und diesem durch die Marketingaktivitäten des herstellenden Unternehmens ein gewisser Gebrauchswert beigefügt wird. Durch den Gebrauch des Konsumenten im Rahmen der 135

sozialen Interaktion erhält das Produkt eine Symbolwirkung. Diese Symbolwirkung versuchen die Produzenten im Rahmen von Lernprozessen in ihren Produktionsprozess aufzunehmen. Das Modell von Gottdiener zeigt, dass Objekte erst während der sozialen Interaktion dem Prozess der Transfunktionalisierung unterzogen werden. Dieser Prozess findet somit in Abhängigkeit des Individuums und des sozialen Umfelds statt. Daher kann nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass innerhalb jeder Gesellschaft, Kultur oder Subkultur alle Produkte eine semiotische Funktion übernehmen.

Die Erkenntnisse dieses Abschnitts haben gezeigt, dass Individuen Produkte wählen, die in ihrem Symbolgehalt die eigene psychographische Position unterstreichen und dazu beitragen, diese dem sozialen Umfeld zu kommunizieren. „Basically we employ consumption symbolically not only to create and sustain the self but also to locate us in society.” (Wattanasuwan, 2005, S. 179). Ziel der empirischen Erhebung ist es, zu überprüfen, ob ausgesuchte Produkte des täglichen Bedarfs eine semantische Funktion übernehmen, insbesondere bei der Darstellung von sozialem Status. Aus den angestellten theoretischen Überlegungen lassen sich folgende Hypothesen ableiten. Wie bereits an anderer Stelle erfolgt, werden in diesem Kapitel die auf den demographischen und auf psychographischen Faktoren basierenden theoretischen Wirkungszusammenhänge in separaten Abschnitten in Hypothesen formuliert:

Hypothese zur Wirkung demographischer Variablen: •

Hypothese: Bei Konsumenten mit hoher Bildung liegt eine geringere Markenrelevanz vor als bei Konsumenten mit einem niedrigeren Bildungsniveau.

Die Beantwortung dieser Hypothese soll in erster Linie mit einem Fokus auf die Schulbildung erfolgen. •

Hypothese: Konsumenten aus niedriger sozialer Schicht sind markenbewusster als Konsumenten aus höheren Schichten.

Hier soll eine zusätzliche Überprüfung durch folgende Hypothesen erfolgen: •

Hypothese: Bei Konsumenten aus niedriger sozialer Schicht findet eine stärkere Marken-Qualitätsinferenz statt als bei Konsumenten aus höheren Schichten.



Hypothese: Bei Konsumenten aus niedriger sozialer Schicht findet eine stärkere soziale Profilierung über Markenprodukte statt als bei Konsumenten aus höheren Schichten.

Diese Hypothese soll die Prestigewirkung der Marke in unterschiedlichen sozialen Gruppen überprüfen. 136



Hypothese: Deutschtürken sind markenbewusster als deutsche Konsumenten

Im Rahmen der Überprüfung dieser Hypothese sollen sowohl die Funktion der Marke als Qualitätsindikator sowie die Prestigefunktion überprüft werden.

Hypothesen zur Wirkung psychographischer Variablen: •

Hypothese: Je höher die Markenrelevanz beim Kauf ist, desto größer ist die Unsicherheit.



Hypothese: Je höher die Markenrelevanz beim Kauf ist, desto intensiver ist die soziale Orientierung.



Hypothese: Je stärker das Markenbewusstsein, desto schwächer ist das Bedürfnis des sparsamen Konsums von Lebensmitteln ausgeprägt.

3.2.3.3. Dimensionen der Leistungstransparenz

Die oben dargestellten Überlegungen haben gezeigt, dass die Qualität von Lebensmitteln für den Laien in einer Welt von Marken und ähnlich aussehender Labelprogramme schwer zu identifizieren ist (vgl. Kapitel 3.2.3, S. 118). Obgleich einfach wahrnehmbare Parameter wie Preis und Marke in der Literatur als die zentralen Attribute bei der Wahl verschiedener Produktalternativen herangezogen werden, gibt es dennoch eine Reihe weiterer Produktmerkmale, die sich auf das Entscheidungsverhalten im Konsum auswirken können. Die Sprache auf der Verpackung zur Produktbeschreibung scheint aus Sicht des deutschen Konsumenten als trivial, kann hingegen aus dem Blickpunkt einer ethnischen Minderheit als eine wichtige Produkteigenschaft betrachtet werden. Gemäß einer US-Studie bevorzugen 90 Prozent der vietnamesischen, chinesischen und koreanischen Bürger in Amerika in ihrer Muttersprache zu kommunizieren (vgl. Kraus-WeyseU8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 13). Den Aspekt der Sprache berücksichtigend kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass besonders bei ethnischen Minderheiten das Herkunftsland bei Produkten des täglichen Bedarfs eine Rolle spielen kann. Neben der Sprache sind bei der Produktwahl auch religiöse Hintergründe zu berücksichtigen. So würde eine Untersuchung über das Kaufverhalten von Schweinefleisch bei Deutschtürken nicht zielführend sein, denn Moslems dürfen gemäß dem Koran kein Schweinefleisch essen. Ein großer Teil der moslemischen Türken in Deutschland hält sich an diese Regel und isst nur Schaf, Rind, Pute und Hühnerfleisch. Die Frische der Produkte spiegelt eine

137

weitere wichtige Eigenschaft wider. Dieser Aspekt ist oftmals der schwerwiegendste Kritikpunkt gegenüber dem Produktangebot der Discounter. Lidl wehrt sich gegen diese Vorwürfe mit einem Bio-Sortiment und Gütesiegeln (vgl. Wessel, 2006). Die Angabe von Informationen zu den Inhaltsstoffen auf den Verpackungen alltäglicher Gebrauchsgüter – unter diesen Aspekt fallen insbesondere auch Informationen zur Herstellungsweise, wie beispielsweise die Bio-Produktion – wird in den folgenden Ausführungen als Leistungstransparenz verstanden und stellt das dritte Schlüsselkriterium bei der Produktwahl im Rahmen der Studie dar. Neben Preis und Marke sind es häufig die Hinweise über die Inhaltsstoffe, aber auch Testurteile, die eine gewisse Vertrauensbasis beim Konsumenten schaffen sollen (vgl. Ditgen, 1966, S. 39).

Testurteile können dazu beitragen, dass die Wirkung von Marke und Preis abgeschwächt oder sogar vernachlässigbar wird (vgl. ebd., S. 39). Aus diesem Grund wird bei Lebensmittelprodukten in zunehmendem Maß mit diesem Qualitätsindikator geworben, was Anlass gibt, sich mit dieser Thematik intensiver zu befassen.

3.2.3.3.1. Testurteile bei Lebensmittelprodukten

Zur Unterstützung des Konsumenten bei seiner Entscheidungsfindung hat sich in Deutschland ein Reihe von ökologischen und sozialen Qualitätslabels herausgebildet. Rund 1.000 verschiedene Labels – Umweltkennzeichen, Prüfzeichen, Gütezeichen, Eigenmarken und andere – gibt es aktuell auf dem Markt (siehe dazu www.label-online.de). Das Spektrum reicht von eigenen Herstellerlabels bis hin zu unabhängig vergebenen und überwachten Qualitätszeichen (vgl. Ditgen, 1966, S. 42 ff.). Das wohl bekannteste Qualitätslabel ist das Testurteil der STIFTUNG WARENTEST. Diese Organisation wurde 1964 auf Initiative des Bundeswirtschaftsministers Ludwig Erhard als unabhängige Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet (vgl. Ditgen, 1966, S. 70).56 Ziel dieser Stiftung ist es, die Öffentlichkeit über rationale Produktwahl, effiziente Haushaltsführung und umweltbewusstes Verhalten aufzuklären und letztendlich die Qualität von Produktentscheidungen zu optimieren (vgl. Satzung der Stiftung Warentest, Stand 1. März 2003). Dabei liegt der übergeordnete Maßstab der vergleichenden Warentests auf der Objektivität bei der Ermittlung der Gebrauchstauglichkeit (vgl. Ditgen, 1966, S. 168; Silberer, 1979, S. 175). Seit der Gründung wurden bis Ende 2004 rund 3.952 Warentests mit insgesamt 73.784 Produk-

56

Als privatrechtliche Stiftung finanziert sie sich zu ca. 13 Prozent durch öffentliche Mittel und zu 87 Prozent durch eigene Einkünfte. Dies erreicht sie hauptsächlich durch Veröffentlichung von Testheften (z. B. „test“, „Finanztest“) und durch Sonderpublikationen. Anzeigenwerbung wird gemäß der Satzungen nicht durchgeführt.

138

ten durchgeführt (vgl. www.stiftung-warentest.de). Das Spektrum der getesteten Produkte umfasst beinahe alle Konsumgüter, vor allem aus den Bereichen Unterhaltungselektronik, Informationstechnik, Körperpflege/Arzneimittel, Fahrzeuge, Lebensmittel, Haushaltsgeräte, Foto/Optik und Heimwerkerbedarf. Ein weiteres bekanntes Medium, welches sich besonders auf den Produktbereich der alltäglichen Verbrauchsgüter konzentriert, ist die Zeitschrift ÖKO-TEST. Hier werden die Konsumenten über gesundheitliche Risiken und Umweltverträglichkeit informiert. Im Unterschied zu dem festgelegten Testschema bei der STIFTUNG WARENTEST arbeitet ÖKO-TEST mit Routineabläufen, d. h. durch interne Beratung und nach Bedarf durch Leserbriefe. In den Regalen der Lebensmittelhändler trifft man auf das Urteil von ÖKO-TEST in zunehmender Häufigkeit, denn Unternehmen dürfen unter Bezahlung einer Gebühr mit diesem Label werben. Nicht ohne Grund werden die Discounter wie Aldi immer mehr zur „Volkseinkaufsstätte“, da aus Konsumentensicht günstige Preise mit Testbeurteilungen als Qualitätsbonus gekoppelt sind. Aber auch Lidl bietet in seinen Regalen in zunehmenden Maß Testurteile als objektive Qualitätsindikatoren an. 71 Prozent der deutschen Konsumenten interessieren sich für Warentests, 96 Prozent kennen sogar die STIFTUNG WARENTEST (vgl. Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse 2003; www.stiftung-warentest.de). Ausgehend von dem großen Interesse gegenüber den Testheften von STIFTUNG WARENTEST und ÖKO-TEST kann angenommen werden, dass ein positives Testurteil ein entscheidendes Argument beim Kauf alltäglicher Gebrauchsgüter ist.

Obwohl Testurteile grundsätzlich als Hilfestellung beim Konsum verstanden werden, ist aufgrund der Vielzahl an Qualitätszeichen, die im deutschen Lebensmittelhandel zu finden sind, eine zunehmende Erosion des Qualitätsniveaus unter den Labels zu verzeichnen, mit der Konsequenz, dass die Zielsetzung der Effektivität, Transparenz und Nachvollziehbarkeit solcher Instanzen teilweise nicht mehr erfüllt wird (vgl. Michael, 1994, S. 24). Zudem haben die Hersteller die Werbewirksamkeit der Qualitätsurteile erkannt und werben damit nicht immer korrekt. So werden in diesen Fällen nur Teilergebnisse veröffentlicht oder es werden Labels erstellt, die dem Qualitätssiegel der STIFTUNG WARENTEST zum Verwechseln ähnlich sind. Dennoch ist davon auszugehen, dass Institutionen, deren Urteile für Konsumenten überprüfbar sind und deren Unabhängigkeit nachweislich vorhanden ist, eine nicht vernachlässigbare Wirkung auf den Konsumenten haben (vgl. Petermann, 1963, S. 42). Dies bestätigen auch Zielgruppeninterviews. So antwortete ein regelmäßiger Leser der Zeitschrift ÖKOTEST: „Ich nehme eher ein Produkt, das zwar keine Marke ist, wo aber Ökotest draufsteht, als umgekehrt eine Marke, auf der nicht Ökotest draufsteht.“ (media&marketing 5/2006, S. 64). Die tatsächliche Stärke dieser Wirkungen bedarf allerdings einer kritischen Abschätzung. Obwohl die Effekte von Qualitätslabels auf den Konsumenten überwiegend positiver

139

Natur sind, dürfen die negativen Aspekte nicht vernachlässigt werden. Das Testurteil „Gut“ oder „Sehr gut“ kann Menschen die Gewissheit geben, dass das Produkt, welches sie erwerben, auch eines der besten Produkte ist. Dabei bemerken die Konsumenten oftmals nicht, dass ein positiv getestetes Produkt über lange Zeit nicht modifiziert worden ist und dass andere Produkte in ihrer Beschaffenheit überarbeitet wurden oder gar neue „bessere“ Produkte im Handel verfügbar sind (vgl. Halbes, 2003, S. 30).

Die Überprüfung der Wirkung von Testurteilen soll nicht Aufgabe der empirischen Studie sein, da die Existenz dieser Qualitätslabels die Wirkung von Marke und Preis verzerren kann. Konkrete Rückschlüsse auf die in Abb. 28 dargestellten Kausalitäten wären nur eingeschränkt möglich. Vielmehr soll unterstellt werden, dass Konsumenten, die sich mit den Inhaltsstoffen bzw. mit der Qualität von Produkten auseinandersetzen, diesen Indikator als weiteren Aspekt der Leistungstransparenz nutzen (siehe dazu auch Zielgruppeninterview in media&marketing 05/2006). Im Rahmen der Leistungstransparenz sind Produkte des täglichen Bedarfs zu beleuchten, die sich durch betonten Gesundheitsbezug versuchen, von dem übrigen Sortiment im Lebensmittelhandel abzugrenzen. Die zunehmende Relevanz von Themen wie „ökologische Herstellung“, „biologischer Anbau“ oder „gesunde Inhaltsstoffe“ wird bewusst, indem beispielsweise die STIFTUNG WARENTEST diese Aspekte mit zunehmender Häufigkeit in ihre Untersuchungen einbezieht (vgl. Wicke, 1992, S. 162).

3.2.3.3.2. Die Markierung „Wellness-“ oder „Bioprodukte“

Ein Konsumtrend, der sich in jüngster Zeit verstärkt im Konsumentenverhalten widerspiegelt, lässt sich mit der Zielsetzung „back to basics“ umschreiben (vgl. Richter, 2004, S. 18). Die Nachfrage nach natürlichen und unbehandelten Lebensmitteln – sogenannte Bio- oder auch Wellnessprodukte – nimmt stetig zu, obwohl das Preisniveau meist über dem konventioneller Produkte liegt (vgl. Wicke, 1992, S. 160; Wendt, 1999, S. 4; Reuter, 2000, S. 30; Richter, 2004, S. 17; KPMG, 2006, S. 56).57 Die Konsumenten greifen zu solchen Lebensmitteln, weil es ihnen wichtig ist, dass diese im Einklang mit der Natur erzeugt werden und somit gesund für den eigenen Körper sind (vgl. Wendt, 1999, S. 3). Besonders diese Güter werden in Übereinstimmung mit den eigenen Werten erworben (vgl. Esch, 2005, S. 36). Häufig gelten die Kennzeichen, die darauf hinweisen, dass das Produkt aus natürlichem oder biologischem Anbau ist, als Qualitätsindikatoren (vgl. Gothe, 2002, S. 23). Folgende Hinweise sind hierfür oftmals auf der Verpackung gegeben (vgl. Wendt, 1999, S. 3; GIM argo, 2004): 57

Die zunehmende Nachfrage ist u. a. getrieben durch einen verstärkten Ausbau der Distributionsdichte. Die meisten Händler im Lebensmittelsektor, sogar die Discounter, sind in die Vermarktung von Bioprodukten eingestiegen (vgl. Richter, 2004, S. 17).

140



Anbau nach Bio-Richtlinien (kein Kunstdünger, kein Gen-Food, keine Pestizide)58



Artgerechte Tierhaltung



Saisonale und regionale Produkte



Schonende Weiterverarbeitung ohne künstliche Zusätze

Studien zufolge lassen sich in Deutschland wie auch in anderen westlichen Industrieländern zwei gegensätzliche Entwicklungen beobachten (vgl. GIM argo, 2004). Zum einen werden Bioprodukte durch die Verbreitung von Bio-Märkten und auch durch die Einführung eigener Bio-Marken im Einzelhandel zu Massenprodukten, zum anderen gelten sie als neues Statussymbol für Besserverdienende (vgl. ebd.). Exklusive Bio-Lifestyle-Produkte verbinden dabei das gute Gewissen mit dem ästhetischen Anspruch. Die Grundregeln der Konsumentenpsychologie sind auch für ökologisch erzeugte Lebensmittel heranzuziehen. Je weniger sich zwei Bio-Marken voneinander abgrenzen, umso mehr spielt der günstigste Preis die Hauptrolle bei der Wahl des Produkts und seiner Einkaufsstätte (vgl. Richter. 2006; www.aoel.org). Bei den Bio-Konsumenten ist eine zunehmende Preisorientierung erkennbar, was die Gefahr birgt, dass etablierte Qualitätsanbieter durch die Preisführerschaft der Billiganbieter vom Markt gedrängt werden und Kriterien wie „Bio“ oder „aus ökologischem Anbau“ allmählich verwässert werden (siehe dazu Reuter, 2002, S. 8).59 Dennoch sind Wellness- und Bioprodukte keine Gebrauchsgüter, die der breiten Masse zur Verfügung gestellt werden können (vgl. Spiller, 2005, S. 19). Das Mainstreampublikum kauft nur selten und unregelmäßig Bioprodukte und stellt deshalb vom Kaufvolumen eher eine Randgruppe des Biokonsums dar (vgl. Richter, 2006, www.aoel.org).

Die Käufer von Bioprodukten sind häufig besonders kritisch hinsichtlich ökologischer und sozialer Qualitätsstandards. In Tiefeninterviews mit Konsumenten wurde aufgedeckt, dass regelmäßige Käufer dieser Produktgruppe mehr als das Erfüllen bestehender Biostandards erwarten: Die Einhaltung ökologischer und sozialer Richtlinien in der Erzeugung und Verarbeitung (vgl. www.aoel.org). Neben dem klassischen Begriff der Produktqualität im Sinne der Funktionalität oder der Güte des Produkts können bei Bio- und Wellnessprodukten weitere Qualitätsaspekte hinzugefügt werden (vgl. Bruhn, 1979, S. 375; KPMG, 2006, S. 56): •

Ökologische Qualität (z. B. effizienterer Ressourcenverbrauch in der Produktion)



Soziale Qualität (z. B. faire Anstellungsbedingungen der Mitarbeiter)

58

Eine Definition von Ökoprodukten liefert die EU-Öko-Verordnung 2092/912 im pflanzlichen Bereich (Amtsblatt der EG, Nr. L 198 v. 22.7.91 sowie spätere Ergänzungen) und die Richtlinie der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau (AGÖL) bzw. der International Federation of Organic Agricultural Movements (IFOAM) im tierischen Bereich. In Deutschland wurde mit dem Bio-Siegel seit 2001 ein weiteres Kennzeichen eingeführt (vgl. Gothe, 2002, S. 6). 59 Aldi Süd/Nord haben 2001 Bio-Produkte eingeführt. Lidl zog 2004 mit Wellnessprodukten und in jüngster Zeit mit einem Bio-Sortiment nach (siehe dazu McKinsey & Company, 2005, S. 56).

141

Besonders hinsichtlich des Bewusstseins über die ökologische Qualität bzw. der Umweltverträglichkeit eines Produkts zeigt eine Reihe von Studien, dass zum einen demographische Kriterien wie Bildung und Einkommen eine Rolle spielen können, zum anderen auch die ethnische Zugehörigkeit eine mögliche Einflussvariable darstellt (vgl. Kinnear et al., 1974, S. 22; Bruhn, 1979, S. 376; Newell/Green, 1997, S. 55; Institut für sozial ökologische Forschung, 2003; Kapitel 5.4). Dabei scheint die Höhe des Einkommens eine Größe zu sein, die in keinem eindeutigen Zusammenhang zum Kauf von Bioprodukten steht (vgl. Reuter, 2000, S. 71). Grundsätzlich lässt sich jedoch die Tendenz erkennen, dass bei sinkender Bildung von Individuen Themenbereiche wie die Umweltverträglichkeit von Produkten, aber auch der Gesundheitsaspekt an Bedeutung verlieren, da Probleme in anderen Lebensbereichen die Motivation zur kognitiven Auseinandersetzung mit diesen Kriterien schwinden lassen (vgl. Newell/Green, 1997, S. 55). Studien des Instituts für sozial-ökologische Forschung haben hier allerdings ergeben, dass Personen mit mittleren Bildungsabschlüssen bei der Gruppe der Bio-Käufer überrepräsentiert sind (vgl. Institut für sozial-ökologische Forschung, 2003). Untersuchungen des Forschungsinstituts Sociovision bestätigen, dass die Postmateriellen, also Konsumenten der Ober- und der oberen Mittelschicht, den größten Anteil der Käufer von Bioprodukten darstellen (vgl. Lebensmittelzeitung, 29.04.2005). Nicht nur aufgrund des Verantwortungsbewusstseins gegenüber der Umwelt, sondern auch aus Genuss-, Geschmacks- und Gesundheitsgründen werden die Produkte von dieser Konsumentengruppe gekauft (vgl. ebd.; Richter, 2005, S. 31). Die Mittelschicht hat den Trend zu Bioprodukten ebenfalls erkannt und kauft diese Produkte aus den gleichen Gründen. Dennoch sind es in diesem Segment der „Bürgerlichen Mitte“ besonders Statusgründe, die hier den Konsumenten den Anreiz geben, solche Produkte zu erwerben (vgl. Sinus Sociovision, 2006). Umfragen haben dabei gezeigt, dass der Konsument Bioprodukte nicht in allen Einkaufsstättentypen erwerben möchte. Nur 23 Prozent der Deutschen sind hier der Meinung, dass die im Discounter angebotenen Bio-Lebensmittel ihr Biosiegel zu Recht tragen (vgl. LZ|NET, 12.06.2006). Scheinbar kann hier das Image der Preiswürdigkeit (noch) nicht wirksam mit dem Image eines glaubhaften Anbieters von Bioprodukten kombiniert werden, oder die Zielgruppenansprache hat hier ihr Ziel verfehlt. Aus den Erkenntnissen der bisherigen Überlegungen lassen sich im Rahmen der Wirkung der Leistungstransparenz folgende Hypothesen stellen:

Demographische Dimension: •

Hypothese: Je höher die soziale Schicht, desto größer sind die Anforderungen des Konsumenten an die Leistungstransparenz der Produkte.

142

Psychographische Dimension: •

Hypothese: Je größer die Anforderungen an die Leistungstransparenz bei Lebensmitteln ist, desto geringer ist die soziale Orientierung.

Die Hypothese zur psychographischen Dimension beruht auf der Annahme, dass Konsumenten, die die Informationen auf der Verpackung von Lebensmitteln nutzen und diesen vertrauen, sich weniger am Umfeld orientieren, um die aus ihrer Sicht optimale Produktwahl zu treffen. Der Schwerpunkt der Analysen soll hier auf der informativen Dimension der sozialen Orientierung liegen.

3.2.3.3.3. Das Herkunftsland von Produkten

Bei der Wirkung von Schlüsselattributen eines Produkts auf das Kaufverhalten muss berücksichtigt werden, dass ethnische Aspekte besonders bei Minderheiten bei der Produktwahl eine Rolle spielen können. Obgleich der Schwerpunkt der Studie auf der Wirkung der drei Kriterien Marke, Preis und Leistungstransparenz liegt, kann das Herkunftsland von Produkten die Produktwahrnehmung beeinflussen und einen Kaufimpuls auslösen (vgl. Gaedeke, 1971, S. 16; Sinkovics, 1999, S. 27; Felser, 2001, S. 201; Kotler/Bliemel, 2001, S. 347).60 Obgleich sich im deutschen Lebensmittelhandel vereinzelte Tendenzen zeigen, durch das Angebot regionaler Produkte gezielt auf geographisch bedingte Anforderungen des Konsumenten einzugehen (vgl. Kapitel 1.3, S. 11), wird indessen auf die Bedürfnisse der ethnischen Minderheiten kaum Rücksicht genommen. Wie die nachfolgenden theoretischen Überlegungen jedoch zeigen, kann diese Produktinformation besonders bei dieser Zielgruppe eine zentrale Dimension der Leistungstransparenz sein.

Liegt ein Grund für den Konsumenten vor, ein Produkt mit einem bestimmten Herkunftsland oder einer abgegrenzten geographischen Einheit in Verbindung zu bringen, spricht man von dem „Country of Origin Effect“ (CoO-Effekt). Werbenden Unternehmen steht eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten zur Verfügung, um auf das Land der Produktproduktion hinzuweisen: „Made in“-Label, Name des Unternehmens, Markenname, Markenzeichen und Logo, Gestaltung der Verpackung und sonstige Werbestimuli (vgl. Papadopoulos/Hesloup, 1993, S. 15 f.; Scholzen, 2001, S. 27 f.). Wird das Produkt durch die oben genannten Kriterien bzgl. dessen Herkunft mit einem Land in Verbindung gebracht, kann das Landesimage durch den CoO-Effekt auf das Produkt übertragen werden (siehe dazu auch Gaedeke, 1973, 60

Häufig dient dabei die Marke zur Kommunikation des Herkunftslands (vgl. Bröcher et al., 2005, S. 17).

143

S. 13 ff.). Dieser Effekt beruht nicht nur auf einer subjektiven Bewertung, sondern auch auf kulturellen Stereotypen und Vorurteilen. Dabei haben Untersuchungen gezeigt, dass Länderstereotypen sehr stabil sind und kurzfristige Ereignisse kaum Einfluss auf diese üben (vgl. Felser, 2001, S. 202). Ähnlich wie Stereotype sollen Landesimages zur Orientierung und Bewältigung der Umwelt beitragen, wenn die Konsumenten nur sehr geringe Kenntnisse über das Produkt haben oder keinen Zugang zur objektiven Beschaffenheit des Produkts finden (vgl. Möller, 1997, S. 35). In welchem Ausmaß der Transfer des Country-Images auf das Produkt letztendlich stattfindet, ist abhängig von moderierenden Variablen, wie z. B. den ethnozentristischen Haltungen des Konsumenten.

Kommentiert man die bereits bestehenden Untersuchungen zum CoO-Effekt lässt sich eine Unterteilung in die „Single-Cue“-Studien und die „Multi-Cue“-Studien durchführen (vgl. Scholzen, 2001, S. 90). Studien, in denen das Herkunftsland als einziger Hinweis für die Bewertung des Produkts herangezogen wurde (Single-Cue), ernten jedoch häufig Kritik. Die Auswirkungen des Landes auf das Kaufverhalten werden in den „Single-Cue“-Studien überschätzt, denn bei dieser Art des Versuchsaufbaus wirkt das Merkmal „Herkunft“ aufgrund der zentralen Gewichtung als einziger und somit verhaltensauslösender Hinweisreiz (vgl. Papandopoulos, 1993, S. 22). In der Realität hat der Käufer jedoch meist die Gelegenheit, sich bei der Kaufentscheidung auf mehrere Kriterien (Multi-Cue-Fall) zu stützen (siehe dazu auch Abb. 28, S. 118). Im „Multi-Cue“-Fall sind neben dem Country-of-Origin-Reiz zusätzliche Informationen über das Produkt vorhanden. Die Einstellung zum Produkt wird nicht allein durch das Herkunftsland bestimmt, sondern ebenso durch Merkmale wie dem Preis oder der Marke. Chao kam in seinen Untersuchungen zum Ergebnis, dass die Gewichtung der einzelnen Attribute eines Produkts interpersonell verschieden ist. So kann das Herkunftsland für eine Person vorrangig sein, für eine andere ist ein geringer Preis wichtigstes Kaufkriterium (vgl. Chao, 1989). Scholzen sieht trotz Vorliegen mehrerer Merkmale besonders bei gering motivierten Konsumenten oder bei Personen mit geringer subjektiver Produktvertrautheit, aufgrund des Strebens nach kognitiver Entlastung, ein hohe Wahrscheinlichkeit des Durchlaufens des „Single-Cue“-Falls (vgl. Scholzen, 2001, S. 88).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich das Image eines Herkunftslands auf das Qualitätsurteil über das Produkt und dessen Eigenschaften auswirken kann. Die Einregulierung der Wahrnehmung bestimmter Produkteigenschaften, aufgrund der durch das Image des Herkunftslands bedingten allgemeinen Einstellung zum Produkt, lässt sich durch den „Halo-Effekt“ erklären (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1999, S. 305; Felser, 2001, S. 201; Kapitel 3.2.3, S. 117). Ob bei Produkten im Lebensmittelhandel a priori von einem „Single-Cue“oder einem „Multi-Cue“-Fall ausgegangen werden sollte, lässt sich aus der Theorie nur

144

schwer ableiten. Ziel dieser Arbeit ist es nicht, den „Country of Origin Effect“ zu durchleuchten und die Theorie auf ihre Gültigkeit zu überprüfen. Dies ist bereits in einer Vielzahl anderer Untersuchungen geschehen (siehe dazu Sinkovics, 1999). Da der CoO-Effekt meist bei höherwertigen Produkten eine Rolle spielt, ist es fraglich, ob die Theorie bei alltäglichen Gebrauchsgütern angewendet werden kann (vgl. Felser, 2001, S. 202). Trotzdem stellt sich im Rahmen der Studie die Frage, welche Konsumentensegmente einen Wert auf das Herkunftsland legen. Es wird angenommen, dass bei ethnischen Minderheiten verstärkt der ethnische Aspekt im Vordergrund steht. Dies kann auf den Stolz über die Produkte des eigenen Landes und das Bedürfnis, die Produkte aus der Heimat auch in einer fremden Kultur erwerben zu können, zurückgeführt werden (vgl. Tab. 5, S. 49). Die Stärke dieses Effekts wird dabei durch ethnozentristische Tendenzen moderiert (siehe dazu auch Kapitel 5.3). Zur Wirkung des Herkunftslands auf das Kaufverhalten lassen sich somit folgende Hypothesen ableiten: •

Hypothese: Deutschtürken achten stärker auf das Herkunftsland bei Lebensmitteln als deutsche Konsumenten.



Hypothese: Je stärker Personen Wert auf das Herkunftsland legen, desto weniger ist ein günstiger Preis auslösender Kaufimpuls.

3.2.3.4. Der Einfluss von Produkteigenschaften im Rahmen der Studie

Ziel der oben angestellten theoretischen Überlegungen war es, einen Überblick über mögliche Wirkungszusammenhänge zwischen den Schlüsselattributen und der subjektiven Wahrnehmung von Lebensmittelprodukten zu geben. Die Erkenntnisse zur Wirkung des Produktpreises haben gezeigt, dass aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Nutzenmaximierung im Vordergrund steht.61 Die Höhe des Preises wie auch die Tatsache, dass ein Markenprodukt vorhanden ist, können als Qualitätskriterien herangezogen werden oder zur Darstellung des Individuums in der Gesellschaft dienen. So ist der emotionale Zusatznutzen eines Produkts eine weitere treibende Kraft, die den Konsumenten in seinem Handeln beeinflusst. Neben der Funktion als Qualitätsindikator schafft die Marke einen ideellen Nutzen beim Konsumenten, der sich in der sozialen Außenwirkung widerspiegeln kann. Gewisse Konsumentengruppen sind bereit, für diesen Zusatznutzen einen Mehraufwand in Kauf zu nehmen. Die Kaufentscheidung bei Produkten des täglichen Bedarfs nur in Abhängigkeit von dem Preis und der Marke zu setzen, würde ein unvollständiges Bild über das Konsumentenverhalten liefern. Obwohl die Marke in der Lage ist, die Transparenz der Leistung eines Pro61

Unter Nutzenmaximierung wird in diesem Rahmen der Kauf einer maximalen Anzahl von Produkten bei einem gegebenen monetären Verfügungsrahmen verstanden.

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dukts zu steigern, übernehmen diese Aufgabe immer häufiger Hinweise, die auf besondere Inhaltsstoffe (Bio und Wellness; vgl. Kapitel 3.2.3.3.2) und Testurteile (vgl. Kapitel 3.2.3.3.1) aufmerksam machen. Testurteile werden im Rahmen der Untersuchungen aufgrund zu starker potenzieller Verzerrungseffekte ausgeschlossen. Der Faktor Leistungstransparenz soll hinsichtlich der Gesundheits- und Umweltaspekte untersucht werden. Des Weiteren ist das Herkunftsland von Produkten eine Dimension der Leistungstransparenz, bei der angenommen werden kann, dass diese besonders bei ethnischen Minderheiten eine Wirkungsrelevanz hat.

Die Wertigkeit der oben beschriebenen Faktoren ist konsumentenindividuell unterschiedlich. Die Ermittlung von Konsumentensegmenten in Abhängigkeit der subjektiven Wahrnehmung der beschriebenen Schlüsselattribute und die Herleitung der Ursachen von Differenzen soll Aufgabenstellung dieser Studie sein. Wie bereits aus den oben gestellten Hypothesen (vgl. Kapitel 3.2.3ff) ersichtlich ist, wird unter Berücksichtigung der bisherigen theoretischen Erkenntnisse angenommen, dass sowohl demographische Kriterien als auch der gewählte Lebensstil und das Selbstkonzept einen Einfluss auf die Produktwahrnehmung haben.

3.2.4. Weitere Einflussvariablen bei Kaufentscheidungen

Bei dem Prozess der Kaufentscheidung können weitere Faktoren wirken, die in engem Zusammenhang mit der Werte- und Motivstruktur des Konsumenten stehen, jedoch im Rahmen der bisherigen theoretischen Überlegungen noch keine explizite Berücksichtigung gefunden haben. In Anlehnung an Schulte-Frankenfeld erfolgt in diesem Kapitel eine Auflistung dieser Faktoren (vgl. Schulte-Frankenfeld, 1985, S. 24 ff.).

3.2.4.1. Das Involvement

Das Involvement kennzeichnet das Ausmaß des Engagements für einen Sachverhalt. Im Rahmen des Kaufverhaltens kann hier auch von der Ich-Beteiligung während des Einkaufsprozesses gesprochen werden (vgl. Wiswede, 1992, S. 85). Trommsdorff definiert das Involvement nach eindimensionalen Gesichtspunkten folgendermaßen: „Involvement ist der Aktivierungsgrad bzw. die Motivstärke zur objektgerichteten Informationssuche, -aufnahme, verarbeitung und -speicherung.“ (Trommsdorff, 1998, S. 51). Gerade Lebensmittel gelten in Deutschland für die breite Masse der Menschen als „Low Involvement“-Produkte (vgl. JeckSchlotmann, 1987, S. 216). Allerdings scheint diese Haltung zumindest in Teilbereichen ei-

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nem neuen Trend zu weichen. „Denn für den schmaleren Geldbeutel ohne Aussicht auf Prestige durch Porsche oder Prada ist es gerade der Luxus im Kleinen, der schnelle Teilhabe an der Gewinner-Gesellschaft verheißt.“ (LZ Spezial 03/2005). Der hybride Konsument, der im deutschen Lebensmittelhandel immer häufiger auftritt, versucht dabei in einigen Bereichen zu sparen, um sich bei anderen Produktgruppen einen gewissen Lifestyle zu gönnen (vgl. Kapitel 3.2.3.1, S. 123). So gewinnen wieder jene Produktinformationen an Bedeutung, die schnell und einfach zugänglich sind, die aber mit hoher Aufmerksamkeit sondiert werden. Grundsätzlich gibt es drei Faktoren, die das Involvement von Individuen beim Kauf beeinflussen (vgl. Bloch/Richins, 1983; Zaichkowsky, 1985, S. 342): •

Persönliche Werte und Bedürfnisse, die die Motivation bedingen (vgl. Kapitel 3.2.2.2).



Physische Beschaffenheit des Objekts. Hier spielen insbesondere auch die Kosten zum Erwerb des Produkts eine Rolle (vgl. Kapitel 3.2.3).



Situationsbezogene Einflussfaktoren (siehe dazu Mühlbacher, 1982, S. 185; Felser, 2001, S. 314).

Da der Einfluss der physischen Beschaffenheit des Objekts bereits ausführlich behandelt worden ist, wird diese Dimension in den nachfolgenden Überlegungen vernachlässigt. Auch die Wirkung der Wert- und Bedürfnisstruktur des Konsumenten ist schon an anderer Stelle theoretisch analysiert worden. Vor dem Hintergrund des Involvement-Konzepts sollen die nachfolgenden Ausführungen diese Erkenntnisse um weitere Aspekte, die zur Erklärung von Verhaltensweisen im Konsum herangezogen werden können, ergänzen.

3.2.4.1.1. Motivation und Kaufrisiko

„Konsumentenverhalten schließt Risiko ein in dem Sinn, dass jede Handlung eines Konsumenten Konsequenzen nach sich ziehen wird, die der Verbraucher nicht mit Sicherheit antizipieren kann und von denen wenigstens einige unerfreulich sein können.“ (Bauer, 1976, S. 206). Im Rahmen des Involvements kann angenommen werden, dass in Abhängigkeit des empfundenen Risikos die Motivation zur aktiven Informationssuche zunimmt (vgl. Mühlbacher, 1982, S. 189). In Anlehnung an Diller (1977) soll folgendes Schema der Produktbeurteilung die Einflussfaktoren des empfundenen Kaufrisikos darstellen:

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Motivationale Faktoren

Kognitive Faktoren

Situative Faktoren

Preisorientierte Produktbeurteilung Subjektiv empfundenes Kaufrisiko

Markenorientierte Produktbeurteilung

Leistungsorientierte Produktbeurteilung

Abb. 36: Einflussfaktoren des subjektiv empfundenen Kaufrisikos (vgl. Diller, 1977, S. 221)

Nach Diller beeinflussen drei Faktoren das subjektiv empfundene Kaufrisiko. Die motivationalen Faktoren sind in den theoretischen Grundlagen beschrieben worden (siehe dazu Kapitel 3.2.3), sodass an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden soll. Des Weiteren üben kognitive Komponenten einen Einfluss aus. Konsumenten stützen sich bei Entscheidungen u. a. auch auf interne, also im Gedächtnis verankerte, Informationen. Diese entstehen aufgrund von Produkterfahrungen, die in der Vergangenheit als Ergebnis von Lernprozessen gemacht worden sind (vgl. Diller, 1977, S. 221; Schulte-Frankenfeld, 1985, S. 23). Diese Produkterfahrungen können auf dem Selbsterlebten basieren oder auf fremden Erfahrungen, die im sozialen Umfeld gemacht worden sind und durch Beobachtung zu den eigenen Erfahrung hinzugezählt werden (vgl. Schulte-Frankenfeld, 1985, S. 25). Bemerkt der Konsument, dass ein bestimmtes Produkt, eine spezielle Marke oder der Besuch gewisser Einkaufsstätten zur sozialen Akzeptanz oder sogar zur Beachtung führt, dann wird er sich dieses Produkt wieder kaufen, da ein soziales Risiko aus seiner Sicht nicht gegeben ist (vgl. Bauer, 1976, S. 212). Neben der Erfahrung zählen zu den kognitiven Komponenten die Markenbindung und das Selbstvertrauen (siehe dazu Kapitel 3.2.2.3.3). Die Intensität der Informationsverarbeitung und die Motivation zur Absicherung hängen dabei von der Situation ab, in der sich der Käufer befindet (vgl. Abb. 36: „situative Faktoren“). So kann bei dem Erwerb eines identischen Produkts/Marke in Abhängigkeit von der Situation ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Involvement vorhanden sein (vgl. Zaichkowsky, 1985, S. 342). Auf den Kauf von Lebensmitteln übertragen kann dies bedeuten, dass ein Konsument im Handel – hier ist es sehr wahrscheinlich, dass er in Gesellschaft anderer Personen ist – ein anderes Verhalten zeigt, als wenn er isoliert einkaufen würde. Zudem ist es möglich, dass ein Individuum andere Produkte kauft, wenn ihm bewusst ist, dass er diese in seinem sozialen Umfeld anbieten wird (z. B. Kauf von Gebäck für den Kaffeekranz). Da diese Faktoren – wie z. B. auch der Zeitdruck oder die aktuelle wirtschaftliche Situation des Haushalts – nicht auf den grund-

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sätzlichen Werten und Einstellungen des Konsumenten beruhen, soll der situativen Komponente in der Studie keine Bedeutung beigemessen werden.62

Grundsätzlich kann das empfundene Kaufrisiko durch den Konsumenten reduziert werden, indem er entweder sein Anspruchsniveau senkt oder sich absichert (vgl. Bauer, 1976, S. 214). Diese Absicherung erfolgt hauptsächlich durch folgende Methoden: •

Nutzung von Produktinformationen. Hier sei auch auf die theoretischen Überle-



Nutzung der eigenen Produkterfahrung und Markenkenntnis (s. oben). Hier ist je-

gungen des Kapitels 3.2.5 verwiesen (siehe Abb. 36, S. 148).

doch Markentreue vorausgesetzt. •

Orientierung am sozialen Umfeld (siehe dazu Bauer, 1976, S. 210; Kapitel 5.2).

Bei einer Vielzahl von täglichen Kaufentscheidungen ist eine gewisse Form von Risiko vorhanden, das neben der Situation auch von dem Produktbereich abhängt. Obwohl man im Allgemeinen von einem empfundenen Risiko beim Produktkauf ausgehen kann, ist dieses Risiko bei Gütern des täglichen Bedarfs geringer als bei langlebigen Gebrauchsgütern (vgl. Mühlbacher, 1982, S. 195). Das subjektiv empfundene Risiko stellt im Rahmen der empirischen Studie aber keine separate Einflussgröße dar.63 So kann davon ausgegangen werden, dass die Motivation, sich mit Lebensmitteln und den gegebenen Informationen beim Kauf auseinanderzusetzen, Bestandteil der Werte- und Einstellungsstruktur ist. Die Art und Weise, wie sich Konsumenten mit den Produktinformationen auseinandersetzen und in welcher Intensität die soziale Orientierung erfolgt, ermöglicht Rückschlüsse auf das empfundene Kaufrisiko. So soll diese Größe zur Erklärung der motivationalen Hintergründe bestimmter Konsumverhaltensschemata herangezogen werden (siehe dazu auch Mühlbacher, 1982, S. 197).

3.2.4.1.2. Persönliche Relevanz und Selbstidentifikation

„For any product category, there seems to be individuals who have low involvement with the product and individuals how have high involvement with the product.“ (Zaichkowsky, 1985, S. 348). Der Kauf von Produkten jeglicher Art hat somit, unabhängig von der Situation, eine unterschiedlich starke persönliche Relevanz für den Konsumenten.

62

Demographische Größen wie das Einkommen werden im Rahmen der Studie – im Gegensatz zum Ansatz von Diller – nicht als situative Faktoren betrachtet (siehe dazu Diller, 1977, S. 223). 63 Allein die direkte Erhebung dieser Variable ist eine schwierige Aufgabe. Bei sozialen Fragestellungen, wie z. B. bei Fragen nach dem empfundenen sozialen Risiko, besteht hier die Gefahr des sozial erwünschten Antwortverhaltens (vgl. Bruhn, 1979, S. 382). Auch Mühlbacher hält das wahrgenommene Risiko als Indikator für das Produktinvolvement für ungeeignet (vgl. Mühlbacher, 1982, S. 216).

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Chaiken und Trope unterscheiden in ihrem „Zwei-Prozess-Modell“ zwischen der systematischen und der heuristischen Informationsaufnahme (vgl. Chaiken/Trope, 1999). Während sie auch eine gemischte Form der Informationsverarbeitung für möglich halten, kommt für Petty und Cacioppo (1986) immer nur eine Route der Entscheidungsfindung in Frage. Gemäß ihren Erkenntnissen erfolgt die Einstellungsänderung bei hohem Involvement auf einem zentralen Weg, bei dem vor allem Argumente und Informationen von Bedeutung sind. Bei niedrigem Involvement nehmen die Konsumenten die Produktinformationen zunehmend vereinfacht auf, indem sie die periphere Route der Informationsverarbeitung wählen. Im Allgemeinen gibt es vier zentrale Kriterien, die nachweisen, ob eine Person beim Kauf bestimmter Produkte ein hohes oder auch ein geringes Involvement hat. Die „Low-InvolvementBedingungen“ können in Anlehnung an Zaichkowsky folgendermaßen dargestellt werden (vgl. Zaichkowsky, 1985, S. 346): •

Fehlende aktive Informationssuche;



Ein Vergleich zwischen Produkteigenschaften findet nicht statt;



Es wird angenommen, dass alle Produkte innerhalb der Produktklasse gleich sind;



Es ist keine Präferenz für eine spezielle Marke vorhanden.

Die Relevanz von Ansprachen auf Produktverpackungen ist davon abhängig, ob diese die Bedürfnisse des Konsumenten widerspiegeln und auf seine Werte und Einstellungen eingehen (siehe dazu auch Zaichkowsky, 1985, S. 342; Petty/Cacioppo, 1986, S. 81). Im Rahmen der persönlichen Selbstidentifikation sprechen Celsi und Olson auch von intrinsischen Quellen der persönlichen Relevanz. Das personenspezifische Involvement tritt ein, wenn zentrale persönliche Eigenschaften betroffen sind oder bestimmte Werte und Ziele erhalten werden sollen (vgl. Celsi/Olson, 1988; Trommsdorff, 1998, S. 55; Kroeber-Riel/Weinberg, 1999, S. 361).

3.2.4.2. Das Involvement im Rahmen der Studie

Die theoretischen Erkenntnisse haben gezeigt, dass auf die täglichen Einkäufe des Konsumenten verschiedene Komponenten des Involvements Einfluss ausüben könnten. Diese sind das Produktklasseninvolvement, das empfundene (Kauf-)Risiko, das situative Involvement und die Selbstidentifikation (vgl. Lastovicka/Gardner, 1979; Laurent/Kapferer, 1985; Jensen et al., 1989). Lastovicka und Gardner (1979) sehen im Produktklasseninvolvement eine Form von Vertrautheit sowie normative Aspekte bzw. Verpflichtungen als Komponenten. Laurent und Kapferer (1985) betonen das Risiko als Bestandteil der Informationsverarbeitungstiefe. Das situative Involvement stellt einen Einflussfaktor dar, der temporär einen Einfluss aus150

üben kann, wenn z. B. ein konkreter Bedarf besteht (vgl. Felser, 2001, S. 314; Blackwell et al. 2001, S. 74/92). Die Wirkung des Involvements kann unter Berücksichtigung der oben gewonnenen Erkenntnisse folgendermaßen dargestellt werden:

Werte Einstellungen

Involvement

Informationsverhalten

Bedürfnisse Abb. 37: Involvement als Determinante des Informationsverhaltens (siehe dazu Schmitz/Kölzer, 1996, S. 99)

Abb. 37 zeigt, dass das Involvement in Abhängigkeit von der inneren Motivstruktur des Konsumenten steht. Dieses Involvement kann im Rahmen der Studie als Produktinvolvement verstanden werden, also als die Motivation, sich mit den gegebenen Produktinformationen auseinanderzusetzen. Bei alltäglichen Gebrauchsgütern kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass das Involvement tendenziell gering ist (vgl. Mühlbacher, 1982, S. 195; Jeck-Schlotmann, 1987, S. 216; Fischer et al., 2002, S. 21). Bloch und Richins grenzen hier den Begriff „(Produkt-)Involvement“ klar von der „Produktbedeutung“ bzw. von der Wichtigkeit bestimmter Produktgruppen ab (vgl. Bloch/Richins, 1983, S. 72). Während für sie das Involvement nur eine zeitlich begrenzte Einflussgröße darstellt, ist die „Produktbedeutung“ eine dauerhafte Komponente, wobei die erstgenannte Dimension nicht ohne Erfüllung der zweitgenannten existieren kann. Es kann unterstellt werden, dass bei Personen, die sich aufgrund ihres Lebensstils detaillierter mit Produktinformationen auseinandersetzen, auch ein höheres Involvement vorhanden ist (vgl. Richter, 2005, S. 34). Gemäß Abb. 37 können aufgrund der Werte und Einstellungen Rückschlüsse auf das Involvement gezogen werden. So hat der empirische Teil der Arbeit das Ziel, die dauerhafte Komponente „Produktbedeutung“ oder im Speziellen die Bedeutung einzelner Attribute anhand konkreter Wirkungszusammenhänge detaillierter zu beleuchten und situative Aspekte zu vernachlässigen.64 Die erklärende Theorie hat gezeigt, dass hier psychographische Einflussfaktoren, wie das Selbstkonzept, das soziale Umfeld und der Lebensstil wirken können (vgl. Kapitel 3.2.2 ff.). Die Kriterien der Produktwahl können dabei unabhängig von der Verarbeitungstiefe anhand der Bedürfnisse der Konsumenten erklärt werden (siehe dazu Bloch/Richins, 1983, S. 74 f.). Da Werte zeitlich relativ stabil sind (vgl. Kapitel 3.2.2, S. 87), müssen Rückschlüsse auf die

64

Die Studie beschränkt sich hier auf die Produktgruppe der alltäglichen Gebrauchsgüter. Bei diesen ist stets ein grundsätzlicher Bedarf vorhanden und die Nutzungsintervalle sind vergleichsweise kurz.

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Informationsverarbeitungstiefe besonders bei habitualisierten Kaufentscheidungsprozessen unabhängig von situativen Faktoren gezogen werden (siehe dazu auch KroeberRiel/Weinberg, 1996).

3.3. Die abhängigen Größen

3.3.1. Das Kaufverhalten

Das Kaufverhalten stellt neben der Einkaufsstättenwahl gemäß dem theoretischen Modell dieser Studie die abhängige Größe dar (vgl. Abb. 15, S. 58). Bei Nahrungsmitteln stellen hier das Einkaufen als symbolischer „Fashionkonsum“ bzw. demonstrativer Konsum auf der einen Seite und der rein pragmatische Einkauf auf der anderen Seite die beiden Extrempositionen dar (vgl. Levy, 1966, S. 158). Die Psychologie unterteilt den Erwerb von Gütern in drei Forschungsbereiche (vgl. Dittmar/Pepper, 1994, S. 234): •

Biologischer Bereich: Der Instinkt Güter anzuhäufen.



Individueller Bereich: Güter erfüllen für den Konsumenten eine bestimmte individuelle Funktion. Untersuchungen zu diesem Bereich sind meist in der Lebensstilforschung zu finden (zu den theoretischen Erkenntnissen vgl. Kapitel 3.2.3).



Sozial konstruierter Bereich: Güter dienen als materielle Symbole zum Aufbau einer sozialen Identität. Hierzu findet auch die Selbstkonzepttheorie ihre Anwendung. Die soziale Funktion (Prestige/Außenwirkung) von Produkten bzw. Produkteigenschaften wird in diesem Zusammenhang untersucht (vgl. Kapitel 3.2.2.3.1/ 3.2.5.2).

Besonders der individuelle Bereich ist ein komplexes Konstrukt, sodass dieser in seiner Gesamtheit nur schwer zu erforschen ist. Der Anspruch der Studie liegt daher darin, einen Ausschnitt des Konsumverhaltens – das Verhalten im Lebensmittelhandel – zu untersuchen, und hier der antizipierten Symbolfunktion gegenüber dem sozialen Umfeld besondere Aufmerksamkeit zu schenken (siehe dazu auch Dittmar/Pepper, 1994, S. 234).

Zur Erforschung des Konsumentenverhaltens genügt eine reine Beobachtung des Verhaltens nicht, denn sie kann nur eingeschränkt Aufschluss über die hinter diesem Verhalten stehende Motivstruktur geben (vgl. Högl/Hupp, 2001, S. 24). Ob zwischen den Einstellungen, der korrespondierenden Verhaltensabsicht und dem tatsächlichen Handeln ein signifikanter Zusammenhang besteht, wird in der Literatur kontrovers diskutiert. In Anlehnung an die E-VHypothese beeinflussen Einstellungen das Verhalten der Konsumenten (vgl. KroeberRiel/Weinberg, 1996, S. 170). Grundsätzlich bestätigt wird jene Tatsache, dass Einstellungen Einfluss auf das Verhalten ausüben mit der Einschränkung, dass ein unmittelbarer Zusam-

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menhang nicht erwartet werden darf. Vielmehr setzen diese die Reizkonstellationen, auf die der Konsument trifft, in konkrete Verhaltensweisen um (vgl. Müller-Hagedorn, 1986, S. 80). Nach Howard und Sheth bewertet der Konsument vergleichbare Produkte, indem er diese in verschiedenen Dimensionen überprüft und sich letztendlich für jenes entscheidet, welches am besten seine Motive befriedigen kann (vgl. Howard/Sheth, 1969, S. 416). Zudem gehen die Forscher davon aus, dass ein direktiver Einfluss der Einstellungen auf das Verhalten vorliegt, d. h. diese richten das Verhalten auf bestimmte Produkte aus (vgl. Müller-Hagedorn, 1986, S. 86). Die „theory of reasoned action“ sieht ähnlich der E-V-Hypothese die Einstellungen als zentrale Bestimmungsgröße des Verhaltens (vgl. Stahlberg/Frey, 1988, S. 162; Henninger, 1994, S. 36). Einstellungen stellen dabei stabile Verhaltensdispositionen dar, die sich nur langsam verändern (vgl. Henninger, 1994, S. 40). Je leichter diese verfügbar sind, desto stärker ist ihre Verhaltensrelevanz (vgl. Houston/Fazio, 1989). Folgt man den oben angesprochenen Theorien, kann davon ausgegangen werden, dass Einstellungen auf die Verhaltensabsicht Einfluss ausüben. In einem Entscheidungsprozess ist somit die Auswahl von relevanten Informationen wie auch die Einstellungen gegenüber diesen Informationen ausschlaggebend. Dabei verfügen Einstellungen im Unterschied zum Verhalten über Determinanten kognitiver und affektiver Natur (vgl. Ohlwein, 2001, S. 273; Kapitel 3.1, S. 60). Die Intention, sich in bestimmter Art und Weise zu verhalten, spiegelt nicht zwangsläufig die entsprechende Handlung wider. So können objektive Faktoren (z. B. eine OoS-Situation) oder subjektive Einflussgrößen zu einem abweichenden Verhalten führen (vgl. ebd., S. 282). Müller-Hagedorn spricht hier von kaufhemmendem Verhalten (vgl. Müller-Hagedorn, 1986, S. 100). Die hemmenden Faktoren können aus der augenblicklichen Umwelt in zwei Typen – die kommerziellen und die sozialen Faktoren – aufgeteilt werden (vgl. ebd., S. 100). Die sozialen Faktoren prägen das Verhalten auf drei Arten: Internalisierung, Identifikation oder Nachgiebigkeit (Compliance), wobei nur letztgenannte Art als hemmender Faktor angesehen werden kann (vgl. Müller-Hagedorn, 1986, S. 100, Kapitel 2.1, S. 32). Wie bereits in den Überlegungen zum Involvement beschrieben, sollen situative Einflussfaktoren im Rahmen dieser Studie ausgeschlossen werden (vgl. Kapitel 3.2.3.1.3). Untersuchungsgegenstand ist vielmehr die Erforschung der Verhaltensmuster und den zugrunde liegenden Werten und Einstellungen, die der Konsument beim Kauf von Gütern des alltäglichen Bedarfs heranzieht. Dieser Prozess wird als Habitualisierung bezeichnet und dient zur Vereinfachung der täglichen Entscheidungsprozesse. Die Habitualisierung des Verhaltens beruht dabei nicht auf primitiven Lernprozessen, sondern meist auf der Imitation von Vorbildern oder der bewussten Erleichterung des Konsumakts (vgl. Trommsdorff, 1998, S. 256; Kapitel 3.1, S. 62). Eine gängige Strategie zur Vereinfachung von Produktentscheidung ist die Bildung eines „evoked set“ (siehe dazu auch Kapitel 2.2.2, S. 38). „Ein evoked-set ist die individuell spontan erinnerte und für relevant erachtete Alternativenmenge.“ (Trommsdorff,

153

1998, S. 88). So sind in diesem Set alle Produkte, Marken und Einkaufsstätten vorhanden, die für das Individuum relevante Entscheidungsalternativen darstellen. Wenn auch die Güter des täglichen Bedarfs als „Low Involvement“-Produkte bezeichnet werden (vgl. Kapitel 3.2.3.1.3, S. 151), liegt man mit der pauschalen Annahme, dass es sich die Konsumenten bei der Wahl ihrer Einkaufsstätte und bei dem Einkaufsprozess im Allgemeinen so einfach wie möglich machen, falsch. Ein Handelsmarkenkäufer wird sich zum Kauf der Produkte des täglichen Bedarfs wahrscheinlich für den Discounter entscheiden, während Käufer von Premium-Produkten vielmehr auf Supermärkte, Verbrauchermärkte oder sogar Fachmärkte zurückgreifen. Die Gruppe der „Smart-Shopper“ wird beide Verhaltensschemata zeigen, abhängig davon, welchen Produktkategorien dieses Segment eine besondere Wertschätzung beimisst. So soll im Rahmen dieser Studie der Konsument nicht nur hinsichtlich seiner Motive und Bedürfnisse untersucht werden, sondern auch Anhaltspunkte dafür gefunden werden, bei welchem Einzelhandeltyp dieser seine Bedürfnisse zu befriedigen versucht.

3.3.2. Die Einkaufsstättenwahl

In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Einkaufsstätten zur Deckung des Bedarfs an Gebrauchsgütern des täglichen Bedarfs stetig erhöht. Im Schnitt nutzt jeder deutsche Haushalt 10,2 Geschäfte für den täglichen Einkauf. Zwar unterscheidet sich die Zahl der aufgesuchten Einkaufsstätten je nach Käufer-Typ, die Zahl der besuchten Geschäfte ist jedoch grundsätzlich hoch. So besuchen Markenkäufer durchschnittlich 9,6 Geschäfte und die Handelsmarken-Käufer liegen mit 10,2 Geschäften exakt auf der Höhe des allgemeinen Besuchsschnitts. Dabei kann angenommen werden, dass der Erwerb der benötigten Produkte in einer Wechselbeziehung mit der Wahl eines bestimmten Einkaufsstättentyps steht (vgl. Heinemann, 1976, S. 73). Neben dem Kaufverhalten kann auch die Einkaufsstättenwahl sozial orientiert sein. Während die Discount-Besucher in den 80er-Jahren eher noch als übertrieben sparsame Menschen galten, war es Ende der 90er-Jahre bereits in allen sozialen Gruppen selbstverständlich, diesen Einkaufsstättentyp zu besuchen. Levy hat in seinen Studien gezeigt, dass der Einkauf in bestimmten Warenhäusern die soziale Schicht der dort konsumierenden Personen widerspiegelt (vgl. Levy, 1999, S. 209). „Social status appears to affect how people feel about where they should shop. “(Levy, 1966, S. 153). Grundsätzlich sind in der heutigen Zeit solche pauschale Aussagen nicht mehr zulässig. Vielmehr muss im Detail die Bedürfnis- und Wertestruktur einzelner Konsumentengruppen untersucht werden, um Aussagen über deren Einkaufsstättenwahl tätigen zu können. Das IfD Allensbach konnte

154

hier ermitteln, dass nahezu 50 Prozent der 20- bis 29-jährigen Konsumenten Präferenzen für bestimmte Einkaufsstättentypen haben (vgl. AWA, 2002, S. 24).

Zur Erklärung der Einkaufsstättenwahl von Konsumenten können analog zur Erklärung der Produktwahl Black-Box- oder Verhaltensmodelle herangezogen werden (siehe dazu auch Kapitel 3.1). Bei den Black-Box-Modellen kann zunächst zwischen den statischen und den dynamischen Modellen unterschieden werden (vgl. Heinemann, 1976, S. 47 ff.; Beck, 2003, S. 10). Den statischen Varianten dieser Erklärungs- und Prognosemodelle liegt die Annahme zugrunde, dass der Konsument seine Einkaufsstättenwahl anhand von Kostenminimierungsbzw. Nutzenmaximierungsüberlegungen ausrichtet.65 Gemäß dieser Modelle spielt der Standort der Einkaufsstätte und somit die Wegstrecke und die damit verbundenen Kosten, die ein Konsument zur Erledigung der Einkäufe in Kauf nehmen muss, eine zentrale Rolle (vgl. Heinemann, 1976, S. 47). Grundsätzlich muss an diesen Modellen kritisiert werden, dass nur die Kostengröße in die Betrachtung einfließt und andere wichtige Faktoren, wie die persönlichen Bedürfnisse, nicht berücksichtigt werden (vgl. Aygün, 2005, S. 37). Bei dynamischen Black-Box-Modellen steht der Zeitaspekt im Vordergrund (vgl. Heinemann, 1976, S. 56). Diese haben das Ziel, die Einkaufsstättenwahl mithilfe von Übergangswahrscheinlichkeiten zu prognostizieren und geben an, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung oder einer Änderung der Einkaufsstättenwahl ist. Die Black-Box-Modelle haben die Gemeinsamkeit, dass nur beobachtbare Sachverhalte analysiert werden (vgl. Beck, 2003, S. 14). Wie jedoch bei der Modellfindung im Rahmen des dritten Kapitels dargestellt wurde, dürfen bei der Untersuchung von Verhaltensaspekten – wie hier die Einkaufsstättenwahl – die intrinsischen Prozesse nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. Kapitel 3.1). Zudem spielt der Standort besonders in städtischen Gebieten aufgrund der höheren Mobilität, der hohen Dichte verschiedener Einkaufsstättentypen und nahezu vergleichbarer Transportkosten nur noch ein geringe Rolle (vgl. Popp, 1998, S. 177). Da aus diesen Gründen der Realitätsgehalt solcher Modelle stark eingeschränkt ist, können diese zur theoretischen Erklärung der Wahl bestimmter Lebensmittelhandeltypen nicht herangezogen werden. Verhaltensmodelle erfassen hingegen intrapersonelle Vorgänge und ermöglichen somit die Analyse psychischer Prozesse (vgl. Meffert, 1992, S. 121).66 So wurde die Einkaufsstättenwahl als abhängige Variable in dem dieser Studie zugrunde liegenden Partialmodell integriert (vgl. Abb. 15, S. 58). Dieses Modell basiert auf der Annahme, dass sich der Konsument insbesondere aus zwei Gründen für einen bestimmten Lebensmittelhandeltyp entscheidet. Er wird zum einen nur jene Einkaufsstätten aufsuchen, in denen er die gewünschten Produkte erhält, zum 65

Beispiele geben hier die Statistiker Hotelling und Launhardt (vgl. Bertelsmann Lexikon, 1995, S. 4433/S. 5869). 66 Zu Beispielen solcher Modelle sei auf das Simulationsmodell des Kaufprozesses nach Amstutz und auf die Übertragung des Adoptionsprozess auf die Geschäftswahl nach Allvine hingewiesen (siehe dazu auch Meffert, 1992, S. 121 f.; Beck, 2000, S. 15 ff.).

155

anderen wird er nur jene Einkaufsstättentypen aufsuchen, die seinen sachlichen und sozialen Ansprüchen gerecht werden (vgl. Heinemann, 1976, S. 177 ff.).

In Anlehnung an das bereits beschriebene Totalmodell von Engel et al. hat Heinemann ein Prozessmodell zur Einkaufsstättenwahl entwickelt (vgl. Kapitel 2.1; Abb. 15, S. 58). Das Modell beschreibt die Wahl bestimmter Einkaufsstätten anhand fünf verschiedener Phasen:

Erkennen des Einkaufsanlasses

Suche nach alternativen Einkaufsstätten

Bewertung der Alternativen

Auswahl und Kontaktieren einer Einkaufsstätte

Nachträgliche Bewertung der Einkaufsstätte

Abb. 38: Prozess der Einkaufsstättenwahl nach Heinemann (vgl. Heinemann, 1976, S. 111)

Die Geschäftstättenwahl kann von einer Vielzahl von Einkaufsanlässen ausgelöst werden (vgl. Meffert, 1992, S. 122). Die Wahl hängt zunächst davon ab, ob der Konsument lediglich den Anlass erkannt hat, sich bereits für eine bestimmte Produktklasse entschieden hat oder ob der Fokus auf einem ganz bestimmten Produkt bzw. einer bestimmten Marke liegt (vgl. Engel et al., 1978, S. 447 f.; Meffert, 1992, S. 122). Dabei kann der Einkaufsvorgang selbst persönliche Motive hervorrufen, wie z. B. der Kontakt mit anderen Menschen oder Gleichgesinnten. In der zweiten Phase findet die Suche nach alternativen Einkaufsstätten statt. Der Konsument sucht jene Geschäfte aus, die für seinen Einkauf in Frage kommen. Dabei bezieht dieser sich zum einen auf gespeicherte Informationen und Erfahrungen (interne Suche) oder auf Informationsquellen, die neutralen (z. B. „Gelbe Seiten“), unternehmenskontrollierten (z. B. Werbung) oder sozialen (z. B. Meinungsführer) Ursprungs sein können (vgl. Beck, 2003, S. 20). Das Resultat der zweiten Phase ist ein „evoked set“ an Einkaufsstätten, die schließlich einer Bewertung unterzogen werden. Dabei ist die Grenze zwischen dieser dritten Phase und der zweiten Phase fließend. Die verschiedenen Alternativen werden anhand eines Kriterienkatalogs (z. B. Kosten/Preise, Sortiment) verglichen und in eine Rangfolge ge156

bracht. Die Wahrnehmung bestimmter Merkmale durch den Konsumenten ist individuell verschieden, sodass aufgrund unterschiedlicher Wertigkeiten der Kriterien bei gleichem Einkaufsanlass vollkommen konträre Entscheidungen resultieren können. In Abhängigkeit von der Zielsetzung entscheidet sich der Konsument in Phase vier für eine der verfügbaren Einkaufsstätten. Je nachdem, ob er eine Optimal- oder eine Mindestlösung bevorzugt, gibt dieser sich mit einer der Alternativen zufrieden und wird diese schließlich aufsuchen (vgl. Meffert, 1992, S. 123). In der fünften und abschließenden Phase verarbeitet der Konsument die gesammelten Erfahrungen und bildet daraus eine nachträgliche Bewertung der Einkaufsstätte. Die Erwartungen vor dem Besuch werden den Erkenntnissen nach dem Besuch gegenübergestellt und ein Resümee gezogen (vgl. Meffert, 1992, S. 124). Ziel des Handels muss es hier sein, bei dem Konsumenten ein positives Bild zu hinterlassen, um somit Einkaufsstättentreue zu generieren (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 56).

Bei dem Prozessmodell der Einkaufsstättenwahl muss berücksichtigt werden, dass nicht bei jedem Einkauf alle der oben beschriebenen Phasen durchlaufen werden müssen. In Abhängigkeit vom Neuigkeitsgrad des Entscheidungsproblems kann die Intensität des ganzen Prozesses oder einzelner Phasen stark variieren. Dabei lassen sich wie beim Kaufentscheidungsprozess vier unterschiedliche Entscheidungsprozesse bei der Wahl der geeigneten Einkaufsstätte identifizieren: extensiv, limitiert, habitualisiert, impulsiv (siehe dazu auch Kapitel 3.1, S. 62). Steht der Konsument einem ungewohnten Einkaufsanlass gegenüber, so ist die Wahrscheinlichkeit des extensiven Entscheidungsprozesses hinsichtlich des Geschäfts, in dem der Kauf erfolgen soll, hoch. Dies ist bei den Situationen des ungewohnten Einkaufsanlasses und besonders bei hochwertigen und langlebigen Gebrauchsgütern der Fall. Da es sich bei den Produkten des Lebensmittelhandels um alltägliche Gebrauchsgüter und bei dem Konsum dieser Produkte um immer wiederkehrende Situationen handelt, kann hinsichtlich der Einkaufsstättenwahl ein habitualisiertes Verhalten unterstellt werden (vgl. Kapitel 3.1, S. 62). In Abhängigkeit von der inneren Motivstruktur hat das Individuum ein Problemlösungskonzept entwickelt, welches bei den immer wiederkehrenden Kaufsituationen angewendet wird. Der Konsument wird dabei automatisch ein bestimmtes Geschäft aufsuchen, wenn vergleichbare Einkaufsanlässe auftreten. Die oben beschriebenen Phasen der Suche nach alternativen Einkaufsstätten, der Beurteilung und der Auswahl entfallen dabei (vgl. Beck, 2003, S. 23).

Da die Problemlösungskonzepte zur Einkaufsstättenwahl von der individuellen Motivstruktur des Konsumenten abhängig sind, können sich diese bei vergleichbaren Situationen von Individuum zu Individuum unterscheiden. Bedeutende Stimuli beim Auswahlprozess der Einkaufsstätte sind somit zum einen objektspezifische Determinanten, aber auch konsumenten-

157

spezifische Eigenschaften und situative Faktoren. Nachfolgende Darstellung gibt einen Überblick über die beschriebenen Einflussfaktoren:

Einflussfaktoren des Einkaufsstättenwahlprozesses

Objektspezifische Determinanten

Soziodemografische Merkmale

• • • • • • •



Preis Sortiment Personal Service Erreichbarkeit Atmosphäre Institutionelle Gegebenheiten





Demographische Gegebenheiten: z. B.: Geschlecht, Alter Sozioökonomische Kriterien: z. B. Ausbildung, Einkommen Soziales Umfeld: nähere Umwelt (z. B. Familie), weiteres soziales Umfeld (z. B. Hintergrundsysteme, Leitbilder)

Situative Faktoren • • • • •

Physische Einflüsse: z. B. Sonderangebote Soziale Einflüsse: Gegenwart anderer Personen Zeitliche Einflüsse: z. B. Zeitdruck Art der Aufgabe: z. B. Einkaufsanlass Psychische Einflüsse: momentane Stimmung

Abb. 39: Übersicht der Einflussfaktoren des Einkaufsstättenwahlprozesses nach Beck (2003)

Im Rahmen der objektspezifischen Determinanten ist der Preis bei der Wahl der Einkaufsstätte hervorzuheben. Eine Untersuchung nach Diller bestätigt hier, dass der Stellenwert des Preises bei der Einkaufsstättenwahl höher ist als bei der Markenwahl, der Packungsgröße oder der Einteilung des monatlichen Haushaltsbudgets. Im Rahmen der soziodemographischen Merkmale sieht Beck die Aussage, dass „Personen aus einfachen Verhältnissen“ preisgünstig in Discountern einkaufen, die Mittelschicht unter Berücksichtigung ihrer finanziellen Möglichkeiten das Verhalten der Oberschicht nachzuahmen versucht und diese gerne exklusive – und teure – Fachgeschäfte aufsuchen“, als widerlegt an (Beck, 2003, S. 28).67 Benad ermittelte hingegen in seinen Forschungen, dass bestimmte Handelsformen in Abhängigkeit der einzelnen Schichten bevorzugt werden (vgl. Benad, 1975, S. 37 ff.). Aygün konnte nachweisen, dass das Ausmaß der Integration der Deutschtürken einen Einfluss auf die Einkaufsstättenwahl ausübt (vgl. Aygün, 2005, S. 196). Obgleich die Studien Erkenntnis-

67

Berg erkennt in der Wahl der Einkaufsstätte zudem situative Einflussfaktoren, die die ökonomischen und sozial orientierten Aspekte wirkungslos machen. Dies ist z. B. der Hunger, der Individuen dazu verführt, nicht zum gewohnten Discounter zu fahren, um sich mit Nahrungsmitteln zu versorgen, sondern das teurere Fachgeschäft um die Ecke besuchen, um ihren Hunger zu befriedigen. Da diese Spontankäufe nicht der allgemeinen Motiv- und Einstellungsstruktur des Menschen entsprechen, sollen diese situativen Einflussfaktoren keine weitere Berücksichtigung finden (zu den Darstellungen siehe Berg, 1995, S. 84).

158

se zur Wirkung demographischer Variablen auf die Einkaufsstättenwahl liefern, sind Forschungen zur Wirkung der Psychographie auf die Einkaufsstättenwahl nur in einem kleinen Umfang vorhanden (siehe dazu Kapitel 5). Es kann jedoch unterstellt werden, dass die Einkaufsstättenwahl auch in Abhängigkeit der Werte- und Motivstruktur des Konsumenten steht. So wird dieser nur jenen Lebensmittelhandeltyp besuchen, in dem er die von ihm gewünschten Produkte auch erhält. Pauschale Aussagen sind hier kritisch zu sehen. Vielmehr muss die Gesamtheit der Konsumenten gemäß ihrem Kaufverhalten segmentiert werden. Nur auf diese Weise ist es möglich, bestimmten Käufergruppen Konsummuster auch im Rahmen der Einkaufsstättenwahl zuzuordnen. In Anlehnung an Schmitz und Kölzer kann zusammenfassend nachfolgende theoretische Anforderungsmatrix erstellt werden:

Anforderungen an: Standort Sortiment Preisstruktur Bedienungspersonal Service Warenpräsentation Werbung

Ableitung von Anforderungen aus: Soziale Einkommen Einflüsse Bedürfnisse x xx x x xx xx x x x x xx x x x

Werte xx x x x xx

Einstellungen Involvement x x xx x x x xx x xx x x xx

Selektivität Aktivität

x x x xx xx

xx= besonders großer Einfluss; x= großer Einfluss

Tab. 7: Determinanten des Kaufverhaltens und ihre Wirkung auf die Anforderung an den Handel (siehe dazu Schmitz/Kölzer, 1996, S. 121)

Mit einer Übersicht über die Hypothesen zur Einkaufsstättenwahl der Konsumenten soll das dritte Kapitel seinen Abschluss finden. Die Hypothesen ergeben sich aus den theoretischen Erkenntnissen dieses Abschnitts sowie der vorangegangenen Kapitel:

Hypothesen zur Wirkung demographischer Variablen: •

Hypothese: Konsumenten mit hoher Bildung besuchen häufiger Discounter als Konsumenten mit einem niedrigeren Bildungsniveau.



Hypothese: Der Besuch von bestimmten Betriebstypen im Lebensmittelhandel ist abhängig von der sozialen Schicht.

Diese Hypothese soll am Beispiel ausgewählter Einkaufsstättentypen bestätigt werden. •

Hypothese: Deutschtürken besuchen häufiger Einkaufsstätten mit einem breiten Sortiment als deutsche Konsumenten.

159

In Anlehnung an Abb. 6 (S. 12) wird im Rahmen dieser Hypothese angenommen, dass es besonders die großen Verbrauchermärkte sind, die aufgrund ihres breiten Markenangebots besondere Anziehung auf die Deutschtürken ausüben. Die Annahme steht auch in engem Zusammenhang mit der Hypothese, dass die Deutschtürken markenbewusster sind als die Deutschen (vgl. Kapitel 3.2.3.2.3).

Hypothesen zur Wirkung psychographischer Variablen: •

Hypothese: Je höher das Preisbewusstsein von Konsumenten ist, desto häufiger besuchen diese den Lebensmittelhandeltyp „Discounter“.



Hypothese: Je höher das Markenbewusstsein von Konsumenten ist, desto häufiger besuchen diese den Lebensmittelhandeltyp „Supermarkt“/„Verbrauchermarkt“.



Hypothese: Je größer das Selbstbewusstsein der Konsumenten ist, desto stärker frequentieren diese den Discounter.

Im Rahmen der empirischen Erhebung sollen zudem Aufschlüsse über die Anforderungsprofile von sozialen Gruppen gegeben werden. Diese sollen anhand demographischer und psychographischer Kriterien voneinander abgegrenzt werden. Hypothesen zu diesem Forschungsfeld sollen nicht gebildet werden, da die Erkenntnisse vielmehr zur Bestätigung der Ergebnisse beitragen sollen, die zur Aufklärung der oben gestellten Hypothesen gewonnen werden.

160

4. Messtheoretische Überlegungen Nachdem sich die Überlegungen im dritten Kapitel theoretisch mit den Wirkungszusammenhängen zwischen den demographischen Kriterien, der Psychographie und dem Konsumverhalten befasst haben (vgl. Abb. 15, S. 58), beschreibt dieses Kapitel die Möglichkeiten ihrer Messung. Wie die Theorie hier gezeigt hat, ist der Verbraucher nicht als homo oeconomicus, sondern vielmehr als emotional bestimmtes Wesen zu verstehen (vgl. Kapitel 3.2.2.3.4, S. 98). Werte, Bedürfnisse und Einstellungen sind letztendlich jene Kriterien, die zu einem bestimmten Verhalten führen (vgl. Kapitel 3.2.2.2). Ziel dieser Arbeit ist es, diese Motive und Bedürfnisse, die den Verbraucher im Lebensmittelhandel leiten, zu analysieren. Es sind Verbrauchergruppen aufzudecken und zu definieren sowie das Konsumverhalten der Deutschtürken zu erforschen. Den theoretischen Begriffen sollen beobachtbare Indikatoren zugeordnet und Möglichkeiten der Messung dieser Indikatoren aufgezeigt werden. Dabei soll auch eine kritische Bewertung der Methoden hinsichtlich der Zweckmäßigkeit für diese Arbeit stattfinden. Zunächst erfolgt eine theoretische Analyse der verschiedenen Erhebungsmöglichkeiten, die sich für die empirische Forschung ergeben.

4.1. Methodenspektrum der empirischen Erhebung

Um grundsätzliche Überlegungen hinsichtlich des Methodenspektrums anstellen zu können, muss man zunächst zwischen der Primär- und der Sekundärerhebung unterscheiden (vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 204). Während man in der Sekundärerhebung bereits auf vorhandenes Datenmaterial zurückgreift, wendet sich die Primärerhebung direkt an die relevanten Zielpersonen (vgl. ebd., S. 205). Im Rahmen des fünften Abschnitts erfolgt eine Form der Sekundärerhebung, indem bereits durchgeführte Forschungen betrachtet und deren Ergebnisse kritisch diskutiert werden. Die im Rahmen dieser Studie durchgeführte Primärerhebung soll schließlich die Grundlage für die Erforschung der im dritten Kapitel unterstellten Zusammenhänge darstellen (siehe dazu Salcher, 1995, S. 13). Grundsätzlich können die verschiedenen Erhebungsmethoden gemäß nachfolgender Abbildung unterschieden werden:

161

Sekundärerhebung

Primärerhebung

Befragung

Face to face

Standardisiert

Telefon

Beobachtung

Schriftlich

Strukturiert

Unstrukturiert

Experiment

Offen

Quasibiotisch

Vollbiotisch

Qualitativ/ offen

Abb. 40: Empirische Erhebungsmethoden (vgl. Salcher, 1995, S. 23)

Da die Sekundärerhebung kein zentraler Bestandteil dieser Studie ist, wird an dieser Stelle nicht detaillierter auf diese Erhebungsart eingegangen. Vielmehr sollen die Methoden der Primärerhebung und ihre Realisierbarkeit im Rahmen der Forschung überprüft werden.

Die Befragung eignet sich vor allem für die deskriptive Forschung und dient der Erhebung von Tatbeständen, die dem Befragten klar bewusst sind (vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 209). Sie kann auf drei verschiedene Arten durchgeführt werden (vgl. Abb. 40). Das Face-to-FaceInterview ist dadurch gekennzeichnet, das der Interviewer der befragten Person gegenübersitzt, was einige Vorteile mit sich bringt (vgl. Lamnek, 1980, S. 138; Salcher, 1995, S. 15): •

Es kann ein persönlicher Kontakt mit der befragten Person hergestellt werden.



Der Interviewer kann bei Verständnisproblemen erläuternd eingreifen. Dies bringt den Vorteil mit sich, dass auch mit komplexeren Befragungsmethoden gearbeitet werden kann.



Die Befragung kann durch Testmaterial unterstützt werden.



Es sind höhere Stichprobenausschöpfungen möglich.

Eine Befragung kann sowohl standardisiert (geschlossenes Interview) als auch nicht standardisiert (offenes Interview) durchgeführt werden. Der Vorteil bei der offenen Variante liegt darin, dass jeglicher Spielraum in der Beantwortung der Fragen bei der interviewten Person liegt. Ein weiterer Vorzug der qualitativen Forschung ist, dass mit den Methoden, die dieser Forschungsart zugeordnet werden, ein umfangreiches Wissen über die Einflussgrößen des Konsumentenverhaltens gewonnen wird, welches in dieser Form durch eine quantitative Er-

162

hebung häufig nicht gewonnen werden könnte. „Da die Forscher keine quantitativ messbaren Ergebnisse vorlegen müssen, die sich anhand statistischer Methoden auf große Konsumentengruppen übertragen lassen, dürfen sie sich den Luxus gestatten, genau in die Tiefe gehende Untersuchungen mit nur wenigen Konsumenten durchzuführen, um zu ergründen, warum diese so fühlen und handeln, wie sie es tun.“ (Solomon et al., 2001, S. 43). Der Nachteil einer persönlichen Befragung – quantitativ sowie qualitativ – liegt hauptsächlich darin, dass die Ergebnisse unter dem Einfluss des Interviewers beeinträchtigt werden können (beispielsweise sozial erwünschtes Antwortverhalten) (vgl. Bruhn, 1979, S. 381). Zudem verläuft die Kommunikation in einer wissenschaftlichen Befragung besonders bei hoher Standardisierung asymmetrisch und stellt somit für den Befragten eine ungewohnte Kommunikationssituation dar (vgl. Lamnek, 1980, S. 133). Dennoch kann das „[…] schriftliche Interview als kostensparendes Instrument mit annehmbarer Zuverlässigkeit eingesetzt werden.“ (Roth, 1995, S. 170). Die telefonische Durchführung einer Befragung hat im Vergleich zur Face-to-Face-Befragung weitere Nachteile. Dies ist in erster Linie die zeitliche und thematische Eingeschränktheit. Ein Großteil der Befragten wird sich nicht länger als wenige Minuten der Befragung widmen und komplexe Sachverhalte lassen sich nur schwer am Telefon vermitteln (vgl. Salcher, 1995, S. 16). Besonders die thematische Eingeschränktheit ist bei der schriftlichen Befragung – hier wird der Fragebogen dem Interviewten zugesandt – in einer noch ausgeprägteren Form gegeben. Zudem ist bei der postularen Methode zu berücksichtigen, dass keine Kontrolle in der Befragungssituation besteht und Fragen schlichtweg ausgelassen werden können (vgl. Lamnek, 1980, S. 137). Eine moderne Variante der schriftlichen Befragung ist hier die OnlineErhebung. Bei dieser Methode werden die Fragebögen ausgesuchten Online-Panels via EMail zugesandt oder das Erhebungsinstrument wird auf Homepages illustriert. Der große Vorteil basiert dabei insbesondere auf dem monetären Faktor. Die Kosten für Druck und Versand können eingespart werden und es besteht kein Aufwand hinsichtlich des Übertrags der erhobenen Werte in statistische Auswertungsprogramme. Dieser Methode stehen allerdings die gleichen Nachteile gegenüber, die bereits bei der postularen Befragung beschrieben wurden.

Neben der Befragung gilt die Beobachtung als eine weitere Methode der Primärerhebung, welche insbesondere dann zum Einsatz kommt, wenn durch die Befragung keine verlässlichen Informationen erhoben werden können (zur „Beobachtung“ siehe auch Roth, 1995, S. 126 ff.). Dies ist dann der Fall, wenn die interviewten Personen nicht in der Lage sind, ihr eigenes Verhalten adäquat zu beschreiben oder die Erinnerung falsch oder lückenhaft ist. Generell gehen alle Beobachtungsverfahren davon aus, dass die Befragungssituation das

163

natürliche Antwortverhalten der Befragten von vornherein beeinträchtigt (vgl. Salcher, 1995, S. 97). Die Beobachtung kann ähnlich wie die Befragung strukturiert oder unstrukturiert erfolgen, wobei bei der letztgenannten Variante eine offene oder verdeckte Testsituation vorliegen kann. Die verdeckte Methode eignet sich vor allem dann, wenn davon ausgegangen werden muss, dass die zu beobachtende Person ihr Verhalten ändert, wenn ihr die Beobachtungssituation bewusst ist. Eine Form der Beobachtung, die gleichzeitig als dritte Variante der Primärerhebung gesehen werden kann, ist das Experiment. Dieses liegt dann vor, wenn ein Tatbestand erst künstlich herbeigeführt werden muss. Drei Varianten des Experiments gilt es hier zu unterscheiden: •

Offene Situation: Der Testperson ist bewusst, dass ein Experiment durchgeführt wird.



Quasi-biotische Situation: Die Person weiß, dass ein Experiment durchgeführt wird, kennt jedoch den Zweck nicht.



Voll-biotische Situation: Die Testperson weiß nicht, dass ein Experiment durchgeführt wird und kennt folglich auch den Zweck nicht.

Im Gegensatz zur Befragung hat die Beobachtung den Nachteil, dass sie kostenintensiver, unpraktikabler, schwieriger und komplexer im Rahmen der Auswertung ist (vgl. KroeberRiel/Weinberg, 1996, S. 449).68 Bei einer Beobachtung sind zudem die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen stark von der subjektiven Interpretation der beobachtenden Person abhängig, was bei einer quantitativen Befragung nicht der Fall ist. Der Beobachter wird immer durch die bestehende Gesellschaft, in der er sich befindet, konditioniert sein. Ein für die Durchführung der Erhebung im Rahmen dieser Studie sehr bedeutender Nachteil ist neben dem hohen Zeitaufwand die mangelnde Bereitwilligkeit großer Lebensmittelhandelsketten, externe Personen Studien innerhalb ihrer Filialen durchführen zu lassen. Da für die Beobachtung eine Anwesenheit der forschenden Person notwendig ist, ist die Methode in dieser Studie somit nicht durchführbar.

Die methodischen Überlegungen weisen darauf hin, dass die Befragung das probate Mittel der Erhebung im Rahmen dieser Studie ist. Daher soll im Folgenden auf mögliche Gestaltungsformen zur Messung der in der Theorie dargestellten Dimensionen eingegangen werden (vgl. Bruhn, 1979, S. 381). Wie in Abb. 40 ersichtlich, kann bei der Befragung zwischen der qualitativen und der quantitativen Erhebung unterschieden werden. Zunächst soll die qualitative Methode beleuchtet werden.

68

In Roth (1995, S. 139 ff.) sind im Detail eine Reihe von Schwierigkeiten und potenzieller Fehlerquellen aufgezeigt, die im Rahmen des Kapitels nicht näher beschrieben werden sollen.

164

4.2. Qualitative Forschung

Grundsätzlich besteht bei einer Befragung die Möglichkeit, den Konsumenten mit offenen Fragen zu interviewen. Der Vorteil einer qualitativen Befragung liegt insbesondere darin, dass bei der Erhebung Antworten ermittelt werden können, die in der gleichen Form anhand eines standardisierten Interviews nicht zum Vorschein kommen würden. Auch bei Untersuchungen, bei denen der Forschungsgegenstand noch nicht in allen Dimensionen geklärt ist, eignet sich diese Methode (vgl. Schnell et al., 2005, S. 322). Folgende Vorgehensweisen könnten dabei im Rahmen der empirischen Erhebung Anwendung finden (vgl. Sauerman, 1980): •

Fokusgruppeninterviews;



Einzelinterviews;



Projektive Verfahren (z. B. Psychodrawings, Sprechblasen, Collagen): Den Befragten werden nicht eindeutige Objekte, Verhaltensweisen etc. bildlich präsentiert. Besonderen Vorteil bieten diese Verfahren, wenn der Konsument auf direkte Fragen nicht antworten will oder die Wahrscheinlichkeit eines sozial erwünschten Antwortverhaltens groß ist;



Assoziative Verfahren (z. B. Concept mapping): Erfassung der spontanen und ungelenkten Verbindungen einzelner Gedächtnis- und Gefühlsinhalte;



Zweidimensionale Ansätze als eine Kombination psychoanalytischer Interpretationen mit empirischen Methoden (siehe dazu Kutter, 2004, S. 37 ff.).

Gegenüber quantitativen Erhebungen haben qualitative Methoden jedoch einige Nachteile, die nachfolgend aufgelistet werden (vgl. Sauermann, 1980, S: 46 f./S. 164): •

Die Auswertung der Ergebnisse hängt von dem subjektiven Interpretationsspielraum des Interviewers ab. So können Antworten – mitunter auch fälschlicherweise – in jene Richtungen interpretiert werden, wie sie die befragende Person gerne sehen würde. Dementsprechend können verschiedene Experten ein und dasselbe Interview vollkommen unterschiedlich deuten.



Qualitative Interviews sind aufwendig und kostenintensiv. Aus diesem Grund sind oftmals nur geringe Stichproben möglich (vgl. Wind, 1978, S. 329). Eine Allgemeinverbindlichkeit der Ergebnisse ist häufig nicht gegeben.



Die Artikulationsfähigkeit der Probanden kann schichtspezifisch stark variieren.



Es ist unwahrscheinlich, dass in den Ergebnissen einer qualitativen Erhebung alle relevanten Einflussfaktoren abgedeckt werden. Aufgrund der mangelnden Struktur dieser Methode besteht nur geringer Spielraum, den Befragten in eine gewisse Richtung zu lenken. Die Zuverlässigkeit der Daten ist somit eingeschränkt.

165

Grundsätzlich stellt sich bei der Auswertung von qualitativen Interviews das Problem der strukturierten Verarbeitung des vorhandenen Datenmaterials. Ein Beispiel für eine strukturierte Vorgehensweise bei der Auswertung von qualitativen Einzelinterviews gibt Schouten (vgl. Schouten, 1991). Die Analyse der Aussagen beruht bei seinem Ansatz auf einer Kodierung und Kategorisierung der Daten. So werden Informationen mit offensichtlicher inhaltlicher Ähnlichkeit erkannt und mit Schlüsselwörtern oder Phrasen belegt. Die kodierten Informationen werden im Anschluss miteinander verglichen und zu grundsätzlichen Verhaltensmustern zusammengefasst. Schouten betont, dass eine reliable und objektive Analyse aber erst dann gegeben ist, wenn von der auszuwertenden Person kein persönlicher Bezug zu der Thematik vorhanden ist. Bei starker inhaltlicher Bindung an die Thematik der Studie besteht hingegen die Gefahr einer verzerrten Perspektive (vgl. Schouten, 1991, S. 415).

Unter der Berücksichtigung der Kritikpunkte Sauermanns (siehe oben) kann bei einer Studie, die den Umfang dieser Arbeit trägt, eine qualitative Erhebung nur ergänzend zu einem quantitativen Befragungsteil verwendet werden. Die qualitativen Fragen könnten hier weitere Informationen liefern, indem sie die Interpretation der quantitativen Untersuchung nicht nur vervollständigen, sondern auch weitere interessante Aspekte zur Motivstruktur des Konsumenten hervorbringen. Da es notwendiges Ziel der Erhebung ist, eine relativ hohe Fallzahl zu erreichen, wird in den weiteren Überlegungen dieses Kapitels der Fokus auf die quantitative Befragung zur Erhebung der relevanten Konstrukte gesetzt.

4.3. Quantitative Forschung

Die quantitative Forschung ist im Vergleich zu den qualitativen Varianten (vgl. Kapitel 4.2) zielorientierter. So lassen sich eindeutige Aussagen von Wirkungszusammenhängen zwischen Einflussgrößen und abhängigen Variablen erforschen. Typisch für eine quantitative Befragung ist die Verwendung von Skalen. Zu den Varianten dieses Messinstruments, die sich für die Empirie eignen könnten, soll nachfolgendes Kapitel einen Überblick geben.

4.3.1. Verwendung von Skalen im standardisierten Interview

Das standardisierte Interview ist eine Methode, die insbesondere dem Anspruch der Quantifizierung von Werten und Einstellungen gerecht wird. Die Messung erfolgt dabei durch Skalierungsverfahren. Je nach Merkmalsart stehen verschiedene Skalierungsverfahren zur Verfügung, wobei die Messung der Sachverhalte unterschiedlich präzise erfolgen kann

166

(vgl. Maier/Rattinger, 2000, S. 35 f.). Von den vier existierenden Skalenarten könnten sich in dieser Studie insbesondere Ordinal- und Intervallskalen für die Messung der relevanten Größen eignen.69 Mithilfe von Ordinalskalen wird eine subjektive Rangordnung zwischen vorgegebenen Eigenschaften oder Objekten hergestellt (vgl. Benninghaus, 2001, S. 19; Kromrey, 2006, S. 243). Rangskalen liefern ordinal skalierte Angaben, die aber üblicherweise wie metrische Messdaten behandelt werden (vgl. Bruhn, 1979, S. 382). Da bei steigendem Messniveau einer Skala die Anzahl potenzieller mathematischer Verfahren zur Auswertung der Daten zunimmt, ist die Intervallskala das für die Zwecke dieser Studie interessanteste Messniveau (vgl. Schnell et al., 2005, S. 144). Bei der Messung von Werten und Einstellungen (z. B. die Einstellung zu bestimmten Produktattributen) bieten sich aufgrund ihrer leichten Anwendbarkeit Ratingskalen an (vgl. Berekoven et al., 1996, S. 74; Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 193). Die Messung der Einstellungswerte kann dabei auf unipolaren oder bipolaren Skalen beruhen. So ergeben sich beispielsweise für die Messung der Einstellung gegenüber dem Discounter als Einkaufsstätte und den dort angebotenen Produkten folgende Möglichkeiten (siehe dazu z. B. Levin/Gaeth, 1988, S. 375; Blackwell et al., 2001, S. 292): 

Discounter bieten hochwertige Produkte an. trifft nicht zu



1

2

3

4

5

6

-1

1

2

3

trifft zu

Produkte im Discounter sind … minderwertig

hochwertig

-3

-2

Abb. 41: Beispiel für unipolare (oben) und bipolare (unten) Messung

Während sich bei unipolaren Skalen die Abstufung auf die Ausprägung eines Merkmals bezieht und nur positive Zahlen umfasst, beziehen sich bipolare Skalen auf zwei diametral entgegengesetzte Ausprägungen und umfassen somit positive und negative Zahlen.70 Eine weitere Form der Darstellung von Skalen ist die Verdeutlichung von Bewertungstendenzen durch graphische Elemente, wie die Flächenskala, bei der die Größe der Flächen zunimmt, um die Stärke der Ausprägung zu symbolisieren (vgl. Salcher, 1995, S. 95). Auch die Kunin69

Die vier Skalenarten sind nach verschiedenen Stufen der Skalierbarkeit – den Skalenniveaus – zu unterscheiden:1. Nominalskala, 2. Ordinalskala, 3. Intervallskala, 4. Verhältnisskala (auch: Rationalskala) (vgl. Schnell et al., 2005, S. 143 ff.). 70 Zu den bekanntesten eindimensionalen Skalierungsverfahren zählen die Methode der gleich erscheinenden Intervalle von Thurstone, das Likert-Verfahren und die Guttmann-Technik (siehe dazu auch Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 194).

167

Skala, bei der zur visuellen Unterstützung schematisch gezeichnete Gesichter genutzt werden, soll der interviewten Person die Beantwortung vereinfachen und den Erhebungsprozess beschleunigen (vgl. Roth, 1995, S. 413; Benninghaus, 2001, S. 29). Die Hauptkritik an den Ratingskalen richtet sich gegen die Tendenz der Befragten, entweder extreme, meistens aber mittlere Positionen anzukreuzen (vgl. Berekoven et al., 1996, S. 74). Da es in dieser Studie auch zu untersuchen gilt, ob Neutralität der Befragten hinsichtlich der relevanten Größen besteht, würde sich für die Messung ein neutraler Nullpunkt eignen. Neben der Unterscheidung der Ratingskalen hinsichtlich ihrer Polarität gibt es auch das Kriterium der Gliederung und der Abgrenzung zwischen verbalen und nonverbalen Skalen (vgl. Christof/Pepels, 1999, S. 49 ff.). Eine detaillierte Überlegung zu der Vorteilhaftigkeit der einzelnen Skalierungsmöglichkeiten im Bereich der Selbsteinstufung würde hier zu weit führen. Am sinnvollsten erscheint, nicht zuletzt aufgrund ihrer einfachen Konstruierbarkeit und Anwendbarkeit, die Verwendung der gegliederten, nonverbalen und numerischen Skalen (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 194). Die genannten Eigenschaften besitzen die beiden Skalen aus Abb. 41. Über die Wahl der Polaritäten sollen im weiteren Verlauf des vierten Kapitels messtheoretische Überlegungen angestellt werden. Grundsätzlich sollten die Items einem Pretest unterzogen werden, damit gewährleistet werden kann, ob die tatsächlich zu messenden affektiven Dimensionen getroffen werden. Neben den oben beschriebenen eindimensionalen Methoden bieten sich auch mehrdimensionale Erhebungsinstrumente an. Hier wird das semantische Differential zu den bekanntesten Methoden gezählt.

4.3.2. Das „semantische Differential“

Ein in der psychologischen Marktforschung häufig eingesetztes Skalierungsverfahren ist das „Polaritätenprofil“ oder auch das „Semantische Differential“ 71. Das semantische Differential ist eine Methode, die sich aufgrund ihrer großen Flexibilität für die Messung vieler Untersuchungsgegenstände eignet (vgl. Osgood et al., 1967, S. 76). Die befragte Person muss bei dieser Skalierungsmethode den Grad des Zutreffens von bestimmten Eigenschafen beurteilen. Als Basis hierfür kann eine Reihe bipolarer Skalen mit diametral entgegengesetzten Merkmalsausprägungen dienen (vgl. Osgood et al., 1967, S. 77 ff.; Roth, 1995, S. 427). Die Durchschnittswerte dieser Merkmalsausprägungen werden graphisch verbunden. Zum einen ergibt sich somit eine Linie zu den Vorstellungswerten der Befragten, zum anderen können konkrete Objekte/Produkte beurteilt werden. Somit kann ein optischer Vergleich zwischen den Idealvorstellungen und der Realität erfolgen und zudem ist eine Durchführung von Korrelationsvergleichen der Mittelwerte möglich. Je höher der Korrelationskoeffizient ist, desto 71

Dieses Verfahren wurde durch Osgood (1952) begründet. Hofstätter (1955) entwickelte aus dem Ansatz von Osgood das „Polaritätenprofil“ (siehe dazu Hofstätter, 1956, S. 81).

168

ähnlicher verlaufen die Profile. Die Methode des Polaritätenprofils ist den Anforderungen der Objektivität und Zuverlässigkeit in hohem Maße gewachsen und könnte sich aus diesem Grund auch für Messungen in dieser Studie eignen (vgl. Sauermann, 1980, S. 168). So wäre die Möglichkeit gegeben, die Deckungsgleichheit zwischen dem aktuellen Selbstkonzept, dem ideellen Selbstkonzept und den Eigenschaften von bestimmten Produkten und Einkaufsstätten zu überprüfen (siehe dazu auch Kapitel 3.2.2.3.2). Allerdings sind besonders im Rahmen der Selbstkonzept-Messung häufig weder Reliabilität noch Validität des semantischen Differentials gewährleistet. Die Auswahl der Merkmalsausprägungen ist subjektiv und studienindividuell unterschiedlich, sodass eine Vergleichbarkeit empirischer Forschungen meistens nicht gegeben ist (vgl. Sirgy, 1982, S. 295). Zudem wird bei der Anwendung des semantischen Differentials meist eine Gleichgewichtung der Attribute angenommen. Aufgrund dieser Vereinfachung wird die Realität oftmals verzerrt widerspiegelt. So sind z. B. die Anforderungen an bestimmte Produkte und deren Eigenschaften produkt- und personenindividuell unterschiedlich ausgerichtet. Falls sich trotz mangelnder Vergleichbarkeit zu anderen Ergebnissen das semantische Differential dennoch als gebräuchliche Methode erweist, so empfiehlt Sirgy die Verwendung möglichst produktnaher Eigenschaften (vgl. Sirgy, 1982, S. 295).

4.4. Messung der psychographischen Dimensionen

Die theoretischen Überlegungen haben gezeigt, dass Werte und Einstellungen Grundbestandteile der menschlichen Psychographie und des Lebensstils sind (vgl. Engel et al., 1978, S. 176; Kapitel 3.2.2.2; Abb. 15, S. 58). Die Messung von Werten im Rahmen der empirischen Erhebung wäre zu unspezifisch, da sie nur eine geringe direkte Beziehung zum Kaufverhalten haben (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 89). Vielmehr müssen Werte hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Einstellungen und Bedürfnisse interpretiert werden, d. h. sie üben über diesen indirekten Weg ihren Einfluss auf das Kaufverhalten aus (ebd.). Die Einstellung von Individuen lässt sich in ihrer Gesamtheit nicht direkt messen. Aus diesem Grund muss sie in messbare Einzelteile zerlegt werden, wie beispielsweise die Einstellung gegenüber bestimmten Produktbestandteilen.72 Grundsätzlich sind zur Messung der psychographischen Dimensionen sowohl qualitative als auch quantitative Befragungsmethoden möglich. Bei qualitativen Methoden wie der Inhaltsanalyse, bei der frei formulierte Aussagen Rückschlüsse auf die Einstellung geben sollen, ist bei einem so komplexen Konstrukt wie der

72

Hierbei ist es wichtig, dass relevante Produkteigenschaften herangezogen werden. In Anlehnung an die Studie von Böhler (1979) und an die theoretischen Überlegungen kann davon ausgegangen werden, dass dies die Marke, der Preis und die Leistungstransparenz und die aufgrund dieser Bestandteile unterstellte Qualität oder auch der Prestigeeffekt sind (vgl. Abb. 28, S. 118).

169

Psychographie des Menschen meist ein starker subjektiver Einfluss der auswertenden Person gegeben (vgl. Kapitel 4.1, S. 165). Aus diesem Grund sollen sich die folgenden Überlegungen auf Möglichkeiten im Rahmen der quantitativen Messung beschränken.

4.4.1. Grundlagen zur Messung von Werten und Einstellungen

„Einstellungen sind nicht beobachtbare psychische Größen. Sie sind theoretische Konstrukte, ähnlich wie Emotionen und Motivationen.“ (Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 188). Sie sind nur dann aussagekräftige Prädikatoren, wenn eine kausaler Zusammenhang mit dem Verhalten angenommen werden kann (vgl. Herrmann, 2001, S. 30). Da Einstellungen als Motive zuzüglich einer Objektbeurteilung zu sehen sind, kann die Messung von Einstellungen auch als Bedürfnismessung verstanden werden (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 75). Wie bereits dargestellt, können Messungen im Rahmen ihrer Dimensionalität unterschieden werden (vgl. Kapitel 4.3, S. 167 f.). So ist zwischen der eindimensionalen und der mehrdimensionalen Einstellungsmessung zu unterscheiden. Zu den eindimensionalen Modellen zählen globale Ratingskalen sowie die Skalierungen nach Thurstone, Likert und Guttmann (vgl. Engel et al., 1978, S. 205; Roth, 1995, S. 408 f.; Kromrey, 2006, S. 249). Mehrdimensionale Modelle berücksichtigen sowohl die motivationalen als auch die kognitiven Elemente von Einstellungen. Die bekanntesten Ansätze sind die kompensatorischen Modelle von Rosenberg, Fishbein (ohne Idealpunkt) und Trommsdorff (mit Idealpunkt). Diese messen die Einstellung gegenüber Produkten und können somit auch zur Beurteilung ihrer Eigenschaften herangezogen werden (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 199). Rosenberg bestätigt in seinen empirischen Untersuchungen, dass die Einstellung einer Person von der subjektiven Wichtigkeit eines Motivs („value importance“) und der individuellen Wahrnehmung, ob das betrachtete Objekt die Zielerreichung fördert oder behindert („perceived instrumentality“), abhängt. Die beiden Faktoren werden jeweils für die betrachteten Ziele (Motive) multipliziert und dann in einer Summe zusammengefasst (vgl. Rosenberg, 1956, S. 367 ff.; Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 199 f.). Dabei erhebt Rosenberg die subjektive Wichtigkeit der Ziele mit einer Liste sehr unterschiedlicher Items, die keinen Objektbezug haben (vgl. Rosenberg, 1956, S. 368). Fishbein ermittelt zunächst solche Eigenschaften eines Gegenstandes, die für die Einstellungsbildung relevant sind. Diese Eigenschaften sind in dieser Studie die Tatsache, ob ein Markenprodukt vorhanden ist, die Höhe des Preises und die Leistungstransparenz von Lebensmitteln (vgl. Abb. 28, S. 118). Nach dem Modell von Fishbein erfolgt schließlich die Bewertung eines Objektes anhand dieser Items. Außerdem wird gefragt, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Person diese Eigenschaft am betreffenden Objekt für vorhanden hält („the

170

beliefs about the object’s attributes”). Die Werte werden multipliziert und für die vorliegenden Items addiert, eine Unterscheidung ihrer Wichtigkeit findet dabei nicht statt. Die Summe repräsentiert die Einstellung der Person zum Objekt (vgl. Fishbein/Ajzen 1975, S. 222 f.; Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 200). Die zu erhebenden Einstellungen, auf denen das Modell von Fishbein basiert, sind dabei sehr spezifisch. In der empirischen Untersuchung dieser Studie geht es nicht darum, wie wahrscheinlich konkrete Attribute bei Objekten vorhanden sind, sondern um die Einstellung gegenüber der Marke, dem Preis und ausgesuchten Komponenten der Leistungstransparenz. Eine Messung von Wahrscheinlichkeiten gemäß dem Modell von Fishbein scheint für die Zwecke der Studie nicht zielführend, da es hier um die Werte- und Einstellungsstruktur hinsichtlich gegebener Produktmerkmale geht. In dem Ansatz von Trommsdorff werden konkrete Einstellungen und die Idealausprägung auf einer Skala erhoben. Die relevanten Werte ergeben sich durch eine Gesamtdifferenz zwischen den tatsächlichen Eindrücken und der Idealausprägung und entsprechen in der Summe der Einstellung. Die positive Einstellung wächst mit zunehmender Ähnlichkeit zwischen dem wahrgenommenen Eindruck und der empfundenen Idealausprägung. Im Rahmen der Studie würde die Möglichkeit bestehen, zunächst die Idealausprägungen eines Produkts oder einer Einkaufsstätte zu ermitteln, um im Anschluss bei konkreten Objekten den wirklichen Eindruck zu messen. So könnte das Modell eine Grundlage zur Messung der Einstellung gegenüber den in der Empirie relevanten Objekten darstellen. Da die Objekte innerhalb dieser Studie auf ihre zentralen Eigenschaften reduziert werden und sich die Befragung nicht auf konkrete Produkte bezieht, könnte der Ansatz von Trommsdorff jedoch nur in Teilaspekten angewendet werden. Die theoretische Identifizierung der Produktkriterien ist bereits im Rahmen des dritten Kapitels erfolgt (siehe dazu Howard/Sheth, 1969, S. 193; Müller-Hagedorn, 1986, S. 93, Abb. 28, S. 118). Die Items müssen bei der Messung der Einstellung zu Lebensmittelprodukten diese salienten Kaufkriterien beinhalten. Die Anwendung der oben aufgezeigten Modelle zur Einstellungsmessung ist im Rahmen der Empirie zwar teilweise möglich, aufgrund der in den theoretischen Überlegungen erfolgten Reduzierung des Produkts auf wenige zentrale Eigenschaften jedoch nur eingeschränkt sinnvoll. Für die Erhebung der Einstellungen zu den relevanten Produkteigenschaften in einer standardisierten Befragung können in Anlehnung an die Übersicht von Schürmann drei Methoden herangezogen werden (vgl. Schürman, 1987, S. 35): •

Direkte Befragung: Werte müssen in eine Rangordnung gebracht werden oder eine bzw. mehrere Dimensionen einer Werteorientierung gemäß der persönlichen Präferenz beurteilt werden.



Vorgabe von hypothetischen Situationen, die eine Werthaltung repräsentieren sollen. Hier wird nach der Zustimmung bei bestimmten Handlungsalternativen gefragt.

171



Erhebung der Präferenz für bestimmte Handlungsalternativen. Hier gilt es zunächst jene Kriterien zu finden, die der Konsument bei seiner Entscheidung zugrunde legt (vgl. Howard/Sheth, 1969, S. 206 ff.).

Die in Anlehnung an Schürmann dargestellten Methoden würden sich im Rahmen der Studie dazu eignen, die beim Kauf von Lebensmitteln und den dazu geeigneten Einkaufsstätten zugrunde liegenden Werte und Einstellungen zu ermitteln. Die Erhebung von konsumspezifischen Werthaltungen erfolgt bereits in einigen groß angelegten deutschen Studien, wie z. B. in der „Typologie der Wünsche“73 vom Burda Verlag oder in dem Fragenkatalog im Rahmen der Verbrauchs- und Media-Analysen74. Eine Konstruktion der Statements in Anlehnung an diese Studien beinhaltet jedoch die Gefahr, dass die Ladung auf die für die Zwecke der Arbeit gewünschten Faktoren wie die Qualitätsorientierung oder der Prestigekonsum nicht gegeben ist. Weitere Operationalisierungsansätze zur Messung des Lebensstils und den zugrunde liegenden Werten wie „The List of Values (LOV)“ von Kahle (vgl. Kahle, 1983) oder die „Values and Life Styles (VALS)“-Methode von Mitchell (vgl. Mitchell, 1983) finden zwar in der Literatur Beachtung, eignen sich jedoch zur Beantwortung konkreter Fragestellungen für die Praxis sowie für diese Studie nur sehr eingeschränkt (vgl. Kahle et al.,1986, S. 405 ff., Schürmann, 1987, S. 45). Aus diesem Grund soll auf diese Methoden hier nicht weiter eingegangen werden.

Die messtheoretischen Überlegungen dieses Kapitels zeigen, dass bestehende Modelle die sehr spezifischen Anforderungen zur Einstellungsmessung in dieser Studie meist nicht erfüllen. Um konkrete Schlussfolgerungen ziehen zu können, müssen daher im Folgenden detaillierte messtheoretische Überlegungen zu den einzelnen zu erhebenden Einflussfaktoren angestellt werden. Neben den konsumspezifischen Werthaltungen sollen zudem weitere psychographische Konstrukte erhoben werden, die eine Begründung für das Verhalten von bestimmten Konsumentensegmenten liefern sollen. Hierzu ist das Selbstkonzept des Verbrauchers zu zählen.

4.4.2. Messung des Selbstkonzepts

Zur Messung des Selbstkonzepts sind in der Literatur zahlreiche Ansätze vorhanden. Zunächst ist hinsichtlich der Verwendung einer geeigneten Methode zu überlegen, ob das allgemeine Selbstkonzept erhoben werden soll oder die Erhebung methodisch auf das Selbstkonzept beim Kauf von Konsumprodukten abzielt. Swap und Rubin haben in einer Studie ein 73

Die Markt-Media-Studie „Typologie der Wünsche“ wurde 1974 vom Burda Verlag gegründet und erscheint seit 1993 unter dem erweiterten Namen „Typologie der Wünsche Intermedia“. 74 Die VuMA wird u. a. von den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern ARD und ZDF durchgeführt.

172

Messinstrument zur Erhebung der interpersonellen Orientierung erforscht (vgl. Swap/Rubin, 1983). Das Ergebnis ihrer Untersuchungen war die IO-Skala75 mit 29 Items. Diese enthält Items zu den folgenden Themenbereichen: •

Reaktion auf Verhalten von anderen, welche direkt die eigene Person betreffen;



Interesse in der Art und Weise, wie andere sind.

Des Weiteren sind Items in der IO-Skala vorhanden, die uneinheitliche Sachverhalte behandeln und deshalb nicht einem gemeinsamen Themenbereich (siehe oben) zugeordnet werden können. Die Studie der Forscher ergab, dass die IO-Skala mit der Self-Monitoring-Skala von Snyder korreliert (vgl. Snyder, 1974). Dies zeigt, dass sich die Skala von Swap und Rubin dafür eignet, die Befragten hinsichtlich ihrer Selbstdarstellung gegenüber anderen einzuschätzen (vgl. Swap/Rubin, 1983, S. 212). In weiteren Untersuchungen, wie auch in qualitativen Interviews, konnte nachgewiesen werden, dass Menschen, deren interpersonelle Orientierung gering ist, auch eine geringe Anziehung und Orientierung zu ihren Eltern haben. Zudem ist die Skala in einigen Aspekten abhängig vom Geschlecht der befragten Personen. Die Verwendung der gesamten IO-Skala würde im Rahmen dieser Studie zu weit führen, da die interpersonelle Orientierung nur als ein Teilaspekt des Käuferverhaltens gesehen werden kann und das vollständige Messinstrument hierfür zu unspezifisch ist. Dennoch eignet sich ein Teil der Items zur Erhebung des Selbstkonzepts im Konsumverhalten, wie z. B.: „What others think about my actions is of little or no consequence to me“76. Die Skala bringt auch hier nur wenige für diese Studie passende Items hervor, die sich gezielt auf das sozial orientierte Verhalten beziehen. Um Validität zu gewährleisten, müsste im Vorfeld der Verwendung dieser Items eine Faktorenanalyse durchgeführt werden, um die Ladung der Statements zu überprüfen. Bearden et al. (1989) haben in einer umfangreichen Studie ein Messinstrument zur Erhebung der Beeinflussbarkeit des menschlichen Selbstkonzepts entwickelt. 77 220 erwachsene Konsumenten wurden befragt, um aus einem Erhebungsinstrument mit ursprünglich 166 bipolaren Skalen ein Instrument zu entwickeln. Durch Konsistenz- und Faktorenanalysen, in der die Items, die einen Korrelationswert kleiner als 0,50 vorwiesen, eliminiert wurden, ergaben sich letztendlich 15 Items. Diese konnten in die drei Einflusskategorien Nutzen, Werteausdruck und Information aufgeteilt werden. Da die beiden Dimensionen Nutzen und Werteausdruck eine äußerst hohe Interkorrelation vorwiesen, wurden diese beiden Faktoren bzw. die Items, die auf diese Faktoren luden, zu dem Faktor „normativer Einfluss“ kombiniert. Die 15 verbleibenden Items wurden in einer letzten Befragung von 141 Studenten nochmals auf Reliabilität und Validität überprüft. Das finale Instrument bestand schließlich aus insgesamt

75 76 77

Eine Darstellung der gesamten IO-Skala ist in Swap/Rubin, 1983, S. 211 gegeben. Ins Deutsche übersetzt: „Was andere über mich denken interessiert mich nicht.“ Für eine detallierte Darstellung sei auf Bearden et al. (1989, S. 473 ff.) verwiesen.

173

zwölf Items, davon luden vier Statements auf die informelle und acht Statements auf die normative Dimension. Aufgrund der aufwendigen Vorgehensweise der Forscher scheint eine sehr hohe Reliabilität und Validität des Messinstruments gewährleistet. Einschränkend muss jedoch hier hinzugefügt werden, dass die Interviewten die Beeinflussbarkeit nur durch zwölf Statements zum Ausdruck bringen können und es fraglich ist, ob hiermit alle Aspekte der interpersonellen Beeinflussbarkeit abgedeckt sind. Die theoretischen Überlegungen haben in Abschnitt 3.2.2.3.3 gezeigt, dass auch das Selbstbewusstsein eine zentrale Dimension des Selbstkonzepts ist (siehe dazu Brody/Cunningham, 1968; Abb. 23, S. 96). Zur Messung der Selbstsicherheit von Individuen eignet sich der U-Fragebogen (Unsicherheitsfragebogen) von Ullrich de Muynck & Ullrich (1976), der auf insgesamt 65 fünfstufigen Skalen die Merkmale Fehlschlag- und Kritikangst, Kontaktangst, Fordern können, Nicht Nein sagen können, Schuldgefühle bei assertivem Verhalten und übertriebene Anständigkeit erfasst. Obwohl sich die Skalen nicht auf das Kaufverhalten im Speziellen beziehen, hat der UFragebogen die Vorteile, dass die Items verhaltensnah formuliert sind und diese ein bewährtes diagnostisches Instrument zur Messung der Selbstsicherheit darstellen (vgl. Ullrich de Muynck/Ullrich, 1976, AB Nr. 2). Jedoch wird bei den meisten Items nur erfragt, ob man sich die Bewältigung einer bestimmten Situation zutraut, wobei nicht zwischen aggressiver oder sozial kompetenter Bewältigung unterschieden wird. Dies hat den Effekt, dass durch dieses Erhebungsinstrument aggressive Personen auch als selbstsicher beurteilt werden würden. Zudem stellt der U-Fragebogen in seiner Gesamtheit einen Umfang dar, der die empirische Erhebung sprengen würde.

Das semantische Differential kann als Methode zur Aufdeckung von Deckungsgleichheit zwischen Produktimage und aktuellem/ideellem Selbstkonzept herangezogen werden (vgl. Kapitel 4.3.2, S. 169). Da aber im Rahmen der Selbstkonzeptforschung die Verwendung des semantischen Differentials einige Nachteile einschließt (siehe Kapitel 4.3.2, S. 169), sollen in diesem Kapitel weitere Methoden aufgezeigt werden, die die Selbst-/ProduktimageKongruenz mit der Kaufabsicht in Beziehung setzen (vgl. Sirgy, 1982, die Kaufabsicht ist als abhängige Variable zu sehen): •

Einfaches Differenzmodell:



Einfaches gewichtetes Differenzmodell:



Einfaches divisionelles Differenzmodell:

174



Gewichtetes divisionelles Modell:

Sij = aktuelles Selbstimage i von Person j Pij = Produktimage i, das von Person j unterstellt wird Wij = Gewichtung von i durch j

Bereits durchgeführte Studien haben ergeben, dass die gewichteten Modelle eine tendenziell höhere Aussagekraft besitzen, denn durch die Gewichtung der einzelnen Adjektive wird eine größere Genauigkeit erreicht (vgl. Sirgy, 1982, S. 296). Die messtheoretischen Überlegungen zum semantischen Differential haben genau dieses Fehlen der Gewichtungen als einen Nachteil gesehen (vgl. Kapitel 4.3.2, S. 169). Neben den oben gezeigten Modellen gibt es Kongruenzmodelle, die auch ohne Gewichtung eine hohe Aussagekraft besitzen, wie das interaktive Kongruenzmodell, welches das ideelle Selbstkonzept des Konsumenten berücksichtigt (vgl. Sirgy, 1982, S. 296):

Sij = aktuelles Selbstimage i von Person j Iij = ideelles Selbstkonzept i von Person j Pij = Produktimage i, das von Person j unterstellt wird Wij = Gewichtung von i durch j

Unabhängig von der verwendeten Erhebungsmethodik können bei der Messung des Selbstkonzepts in Anlehnung an Wylie folgende methodische Fehler auftreten (vgl. Wylie, 1968, S. 767): •

Die Methoden sind zu vage und können nicht wiederholt werden;



Es gibt innerhalb der Studie keine Kontrollgruppe(n), damit ein Zusammenhang der abhängigen mit den unabhängigen Variablen nachgewiesen werden kann;



Es werden demographische oder soziologische unabhängige Variablen gewählt, deren Wirkung auf die Psychographie nicht nachgewiesen ist;



Sich überschneidende Instrumente innerhalb einer Studie können zur Verunreinigung der Ergebnisse führen;



Ergebnisse zur Wirkung der unabhängigen Variablen werden verallgemeinert, ohne die sich verändernden Rahmenbedingungen zu berücksichtigen;



Eine Vielzahl von Studien sind einmalige Ergebnisse, deren Validität in Folgestudien nicht überprüft wird.

175

Zur Vermeidung der oben genannten Fehlerquellen eignet sich eine Messung des Selbstkonzepts mithilfe von Instrumenten, deren Reliabilität, Validität und Objektivität bereits in vergangenen Untersuchungen nachgewiesen worden ist. Wylie (1968) rät in diesem Zusammenhang zur Verwendung von Ratingskalen. Zur Messung des Selbstbewusstseins von Konsumenten als ein Bestandteil des Selbstkonzepts empfehlen Bearden et al. (2001) aufgrund des hohen Zeitaufwands die Verwendung von soziodemographischen Daten als Ersatz zu einer direkten Erhebung. Da bei dieser Methode die Gefahr der Subjektivität gegeben ist, scheint auch hier die Anwendung bereits bewährter Messinstrumente sinnvoll.

4.4.3. Messung der Einstellung zu Produkteigenschaften

Nachdem in den theoretischen Überlegungen bereits die in dieser Studie relevanten Bewertungsparameter von Lebensmitteln vorgestellt worden sind (vgl. Abb. 28, S. 118), beziehen sich die folgenden Überlegungen auf die Messung der Einstellung zu diesen Attributen.

Der Preis eines Produkts ist ein äußerst komplexer Reiz, dessen zahlreiche Wirkungsfacetten in dieser Studie nicht gemessen werden können.78 An dieser Stelle ist die positive Rolle des Preises im Rahmen der Prestigewirkung gegenüber dem sozialen Umfeld von besonderem Interesse. Zudem soll die Funktion des Preises als Qualitätsindikator untersucht werden, die neben der Prestigewirkung den zweiten positiven Wirkungszusammenhang im Rahmen der Studie darstellt (vgl. Lichtenstein et al., 1993, S. 236; Kapitel 3.2.3.1, S. 121). Die gleichen Zusammenhänge gilt es, für die Marke und die Leistungstransparenz zu messen.

Eine relativ einfache Vorgehensweise ist die Untersuchung der Kassenbelege von Konsumenten unter Berücksichtigung der demographischen Daten. Der wesentliche Vorteil dieser Methode ist, dass die Unwissenheit der Untersuchungspersonen eine Minimierung des sozialen Antwortverhaltens zur Folge hat. Der Nachteil ist allerdings, dass für eine derartige Untersuchung eine umfangreiche Produktkenntnis der angebotenen Produkte nötig ist und eine konkrete Einschränkung auf Produktkategorien sehr aufwendig wäre. Zudem wären Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Motivstruktur subjektiver Art sowie die Erforschung kausaler Zusammenhänge im besten Fall unter Berücksichtigung der demographischen Daten gegeben. 78

Exemplarisch sei hier auf folgende Studien hingewiesen: McConnell deckte einen positiven Zusammenhang zwischen Preis und der Schnelligkeit der Entwicklung von Markentreue auf (vgl. McConnell, 1968). Kaas konnte die Wirkung des Preises durch die Entwicklung eines Modells zur PreisAbsatzfunktion nachbilden (vgl. Kaas, 1979). Dieses Modell eignet sich jedoch nur für Produktgruppen, bei denen der Preis weder als Indikator für Qualität noch zur Demonstration von Sozialprestige dient (vgl. ebd. S. 409). Weitere Studien sind in Kapitel 5.4 beschrieben.

176

Zur Analyse von erklärungsrelevanten Zusammenhängen eignen sich explikativ orientierte Verfahren im Rahmen von Kausalmodellen, wie z. B. Regressionsanalysen (vgl. Fritz, 1984, S. 264 ff.).

x1 x2

+ -

y

Abb. 42: Hypothetisches Beispiel eines Kausalmodells (vgl. Fritz, 1984, S. 271)

Eine Möglichkeit der Wirkungsmessung von Produktattributen auf die Wahrnehmung ist die Darstellung von Produkten, die sich allein hinsichtlich einzelner Eigenschaften, wie beispielsweise dem Preis oder der Marke, unterscheiden. Im Rahmen einer qualitativen Befragung können im Anschluss an eine Kassenbelegstudie die Gründe für die Produktwahl erhoben werden. Besonders hier scheint allerdings die Gefahr des sozial erwünschten Antwortverhaltens gegeben (vgl. Kapitel 4.2, S. 165). Um die Gefahr der Subjektivität zu vermeiden, bieten sich zur Messung der relevanten Sachverhalte Skalen an. Eine Möglichkeit zur quantitativen Erhebung der Preis-Qualitätsinferenz und der Prestigewirkung des Preises liefern hier Lichtenstein et al. (vgl. Lichtenstein et al., 1993). In einer umfangreichen Studie haben die Forscher ein valides Messinstrument zur Erhebung der negativen und positiven Rollen des Preises entwickelt. Sie konnten hier vier Items ermitteln, die stark auf den Faktor „PreisQualitätsinferenz“ laden und weitere neun Items zur Erhebung des Faktors „Prestige Sensibilität“. Die Items zur Messung des zweiten Faktors beziehen sich dabei auf die soziale Außenwirkung von Produktpreisen. Eine identische Vorgehensweise ist denkbar bei der Messung der Wirkung der Marke als Qualitätsindikator oder auch bei der Messung der treibenden Faktoren der Markenrelevanz. „Specifically, consumers operating on a price-quality schema are likely to rely on a well-known (and, hence, more expensive) brand name as an indicator of quality without actually relying directly on price per se.“ (Lichtenstein et al., 1993, S. 242).

4.5. Messung von demographischen Variablen Die Erhebung der demographischen Daten soll in der empirischen Erhebung dieser Studie eine Doppelfunktion übernehmen. Zum einen dient sie der Überprüfung, ob die Zusammensetzung der Stichprobe vergleichbar mit der Struktur der Grundgesamtheit ist, zum anderen sollen Wirkungszusammenhänge zwischen diesen Variablen und den ausgewählten abhän-

177

gigen Größen aufgedeckt werden. Zudem sollen sie zur Beschreibung der identifizierten Konsumentensegmente herangezogen werden.

Der Vorteil bei der Messung demographischer Variablen liegt vor allem darin, dass die Daten mithilfe empirischer Forschungsmethoden relativ einfach gewonnen werden können. So sollen die messtheoretischen Überlegungen einen Fokus auf die Messung der sozialen Schicht und insbesondere auf ihre Einflussgrößen setzen (vgl. Abb. 16, S. 64). Wie bereits in Kapitel 3.2.1.1 (S. 64 f.) dargestellt, kann sich die soziale Schicht neben der Psychographie dazu eignen, das Konsumverhalten von Individuen zu erklären. Gebräuchlich ist dabei eine Unterteilung in drei bzw. sechs Schichten (vgl. Trommsdorff, 1998, S. 210):79 (untere/obere)

Unterschicht

(untere/obere)

Mittelschicht

(untere/obere)

Oberschicht

Andere Modelle sozialer Schichtung, wie das „Zwiebel-Modell“ von Bolte oder das „HausModell“ von Dahrendorf, haben einen wesentlich höheren Detailgrad, der allerdings für diese Studie nicht zweckmäßig erscheint (vgl. Geißler, 2002, S. 116 ff.).

Da die direkte Messung der sozialen Schicht nur schwer möglich ist, werden in dieser Studie die grundlegenden Elemente der sozialen Schicht erhoben: die Bildung, der Beruf und das verfügbare Einkommen (vgl. Abb. 16, S. 64). Nach Schaninger müssen nicht zwangsläufig alle Kriterien gemessen werden, um eine Segmentierung durchzuführen (siehe dazu Schaninger, 1981; Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 558, Kapitel 5.1). Bei Nahrungsmitteln, Getränken und dem täglichen Einkaufsverhalten ist die soziale Schicht besser zur Segmentierung geeignet als das Einkommen als allein stehende Größe, während bei elektronischen Haushaltsgeräten diese Komponente genügt (vgl. Schaninger, 1981; Kapitel 5.1). Die Untersuchungen von Kahle et al. haben hier gezeigt, dass die Frage nach dem verfügbaren Haushaltseinkommen stärker zu Verwirrungen führt als die Frage nach dem persönlichen verfügbaren Einkommen (vgl. Kahle et al., 1986, S. 405). Juster weist im Rahmen der Erforschung des Konsumentenverhaltens darauf hin, dass nicht nur das Einkommen eine relevante Einflussgröße darstellt, sondern auch die Erwartung des Individuums hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung des Einkommens (vgl. Juster, 1966, S. 663). So können Individuen aus der gleichen Einkommensebene bei ihrem täglichen Einkaufsverhalten schon aus diesem Grund ein abweichendes Konsumverhalten vorweisen. Dies kann der Fall sein, wenn der eine Konsument davon ausgeht, dass durch Beförderung etc. sein monatlicher Verdienst steigen wird, während der andere durch Ängste des Arbeitsplatzverlusts beeinflusst wird. 79

Eine ausführliche Übersicht über weitere Möglichkeiten der Definition von sozialen Schichten geben Wedel und Kamakura (2000, S. 8 ff.). Diese Definitionen beinhalten zum Teil einen sehr hohen Detailgrad und sind für die Zwecke dieser Studie nicht geeignet.

178

Benninghaus zeigt eine Reihe von Möglichkeiten zur Messung des Einkommens. So kann nach dem persönlichen Einkommen des letzten Kalenderjahres, nach dem monatlichen Nettoeinkommen oder nach der letzten Steuerfestsetzung gefragt werden (vgl. Benninghaus, 2001, S. 10). Außerdem kann der Befragte gebeten werden, eine von mehreren gegebenen Einkommensklassen anzukreuzen (vgl. ebd.). Pappi rät für die Messung der Bildung zu einer getrennten Erhebung des höchsten allgemein bildenden Schulabschlusses und des letzten beruflichen Ausbildungsabschlusses, da es bei einer eindimensionalen Messung zu widersprüchlichen Einstufungen des Schulbildungsniveaus kommen kann (Vgl. Pappi, 1979, S. 32). Zur Erhebung der beruflichen Stellung empfiehlt er als Minimalversion die Unterteilung in Arbeiter, Angestellter, Beamter, Selbständiger, mithelfender Familienangehöriger oder Lehrling (vgl. ebd., S. 17).

In Anlehnung an die oben dargestellten Erkenntnisse soll im Rahmen dieser Studie der Fokus auf die soziale Schicht als Einflussvariable gesetzt werden, wobei diese Variable als eindimensionales Konstrukt verstanden werden muss (vgl. Trommsdorff, 1998, S. 210). Die Messung der Schichtzugehörigkeit kann dabei auf zwei verschiedene Methoden erfolgen (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 556): •

Direkte Befragung: Hierbei werden die Befragten gebeten, Auskunft über die Schichten innerhalb der sozialen Umgebung bzw. der Gesellschaft zu machen und anschließend sich und andere Leute gewissen Schichten zuzuordnen.



Indirekte Erfassung der Schichtzugehörigkeit über Indikatoren: Bei dieser Methode können zum einen die Verhaltenskonsequenzen wie schichtspezifische Einstellungen gemessen werden oder es werden beobachtbare Statuskriterien ermittelt. Diese sind in erster Linie jene sozioökonomischen Merkmale, die bereits in Kapitel 3.2.1.1 im Detail dargestellt worden sind (vgl. Abb. 16, S. 64).

Werden verschiedene sozioökonomische Merkmale zur Beschreibung der sozialen Schicht herangezogen, so ist es erforderlich, einen (evtl. gewichteten) Index zur Bestimmung der individuellen Schichtzugehörigkeit zu implementieren. Da die Indexbildung den Auswertungsverfahren zuzuordnen ist und somit kein Datenerhebungs- oder Messverfahren darstellt, sollen weiterführende Überlegungen zur Indexierung und zur Gewichtung seiner Einzelindikatoren im Rahmen der empirischen Analyse erfolgen (siehe dazu Kapitel 6.5.3).

4.6. Messung der abhängigen Variablen

Die abhängigen Variablen stellen in dieser Studie die Einkaufsstättenwahl und das konkrete Kaufverhalten im Lebensmittelhandel dar (vgl. Kapitel 3.3.1/3.3.2). Einige Möglichkeiten zur

179

Messung dieser Größen sollen in diesem Kapitel gezeigt werden. Nachdem die Überlegungen hinsichtlich der grundsätzlichen Erhebungsmethodik zugunsten der Messung durch die Befragung gefallen sind, sollen die Denkansätze innerhalb des bereits eingeschränkten Methodenspektrums erfolgen.

Die bisherigen messtheoretischen Überlegungen haben sich zwar auf Größen bezogen, die das Konsumverhalten beeinflussen, aber erst der eigentliche Kauf – oder auch die Kaufabsicht – bestimmter Produkte erlaubt konkrete Rückschlüsse auf das Verhalten am POS. Bucklin et al. geben hier den Vorschlag, das Kaufverhalten anhand des durchschnittlich gezahlten Preises innerhalb einer Produktkategorie, dem Marktanteil des erworbenen Produkts, dem Anteil an Aktionskäufen des Konsumenten, der Anzahl an Käufen innerhalb einer bestimmten Produktkategorie innerhalb eines Jahres und der Einkaufsstättenloyalität zu erheben (vgl. Bucklin et al., 1995, S. 74). An dieser Methode ist allerdings anzuzweifeln, ob die Befragten die oben genannten Fragestellungen in einem zu verwertenden Präzisionsgrad beantworten können.80 Eine gebräuchliche Methode zur Erforschung des konkreten Kaufverhaltens ist die Erhebung der Kaufabsicht hinsichtlich bestimmter Produkte oder Produktkategorien. Grundsätzlich bieten sich zur Messung der Kaufabsicht zwei verschiedene Methoden an (vgl. Morwitz/Schmittlein; 1992, S. 393). Die erste Möglichkeit ist die direkte Frage evtl. unter Angabe eines bestimmten zeitlichen Rahmens in der Zukunft. Ein weiterer Weg zur Erhebung dieser Variable ist die probabilistische Fragemethode. Die Höhe der Kaufwahrscheinlichkeit kann in einer quantitativen Befragung nach Morwitz und Schmittlein zum einen über eine fünfstufige Skala (1= werde ich sicherlich nicht kaufen, 5= werde ich sicherlich kaufen) oder zum anderen über eine elfstufige Wahrscheinlichkeitsskala (1= unwahrscheinlich, 11= sicher) abgefragt werden (vgl. Morwitz/Schmittlein, 1992, S. 393). Als eine Variation zur Wahrscheinlichkeitsangabe kann die alleinige Abfrage der Zeitspanne bis zum nächsten Erwerb des betreffenden Produkts verwendet werden. Beispiele für diese Befragungsmethode gibt Bemmaor (1995, S. 180, aus dem Englischen übersetzt): •

„Planen Sie das Produkt bis zum Ende des nächsten Jahres zu kaufen?“ fünfstufige Ratingskala zur Beantwortung der Wahrscheinlichkeit.



„Wann planen Sie das Produkt zu kaufen?“ fünfstufige Ratingskala mit Vorgabe von unterschiedlich großen Zeitspannen.

80

Der Ansatz von Bucklin et al. (1995) beruht auf der Analyse von Kassenbelegen. Da im Rahmen dieser Studie ein Zugang zu Scanner-Daten nicht möglich ist, hat sich bei diesen Überlegungen die Frage gestellt, ob die zu analysierenden Kriterien auch durch direkte Befragung der Konsumenten erhoben werden können.

180

Bemmaor konnte in seinen Studien nachweisen, dass diese Fragen zur Kaufabsicht bei haltbaren Produkten (Kühlschränke, Waschmaschinen, Gefriertruhen, Autos) den tatsächlichen Kauf sehr gut widerspiegeln. Juster unterscheidet zwischen der Erhebung der bloßen Kaufabsicht und der Erhebung der Kaufwahrscheinlichkeit. Seine Studien zeigten, dass die in Zeiträumen erhobene Kaufabsicht (siehe oben: zweite Frage) einen präziseren Messcharakter beinhaltet als die Erhebung der alleinigen Kaufabsicht (siehe oben: erste Frage) (vgl. Juster, 1966, S. 660). Dieser Zusammenhang wurde allerdings für die alltäglichen Gebrauchsgüter nicht erforscht. Zudem wird in der Studie darauf hingewiesen, dass die Skalierung der oben dargestellten Items Einfluss auf die Ergebnisse einer quantitativen Erhebung haben (siehe dazu Morrison, 1979). Bei der Benennung einzelner Skalenwerte ist darauf zu achten, dass keine Kombination von Adjektiven mit quantitativen Beschreibungen erfolgt, denn dies kann zu einer Verwirrung der Konsumenten führen. Auch die Wahl des Zeithorizonts stellt eine entscheidende Größe dar. In Studien konnte hier festgestellt werden, dass bei langlebigen Gebrauchsgütern ein zu kurzer Prognosezeitraum nicht geeignet ist (vgl. Juster, 1966, S. 692; Morrison, 1979). Bei der Messung der Kaufabsicht ist zu überlegen, ob diese im Rahmen von alltäglichen Gebrauchsgütern in einem positiven Zusammenhang zum eigentlichen Kauf steht. Zu berücksichtigen ist hier auch die Produktart, die einen moderierenden Einfluss hat. Ob zwischen den Einstellungen, der Handlungsabsicht und dem tatsächlichen Verhalten ein signifikanter Zusammenhang besteht, ist nicht eindeutig geklärt (vgl. Ohlwein, 2001, S. 273). So haben empirische Befunde gezeigt, dass sich diese Beziehung nicht zwangsläufig ergeben muss (vgl. Stroebe, 1980, S. 32; Ajzen, 1988, S. 41). Diese Problematik muss besonders bei der Befragung als Erhebungsmethode berücksichtigt werden, da dort konkrete Kaufsituationen nur sehr eingeschränkt simuliert werden können. Der Ansatz beinhaltet zudem den Nachteil, dass der Konsument im Vergleich zu einer verdeckten Beobachtung am POS ein sozial erwünschtes Antwortverhalten zeigen könnte (vgl. Trommsdorff, 1998, S. 143; Ohlwein, 2001, S. 273). Da es sich im Rahmen dieser Forschung um Güter des täglichen Bedarfs und somit um kurzlebige Produkte handelt, ist die Messung der Kaufabsicht eine ungeeignete Größe zur Bestimmung des konkreten Kaufverhaltens. Die Schnittstelle zwischen Verhaltensabsicht und Verhalten soll aus diesem Grund innerhalb der Studie nicht berücksichtigt werden (siehe dazu auch Ohlwein, 2001, S. 275). Vielmehr scheint es angemessen, Hinweise auf das tägliche Konsumverhalten durch allgemeine einstellungsbezogene Fragen zu ermitteln. Bei der Messung des Kaufverhaltens soll außerdem die Einkaufsstättenwahl einbezogen werden. Bei der Erhebung der Einkaufsstättenwahl bzw. der Besuchshäufigkeit bestimmter Betriebstypen muss berücksichtigt werden, möglichst alle Alternativen in die Erhebung ein-

181

zubeziehen. Eine Messung des Einstellungs-Verhaltenszusammenhangs unter Ausschluss möglicher Alternativen kann hier zu Verzerrungen führen (vgl. Aygün, 2005, S. 96).

Die messtheoretischen Überlegungen haben gezeigt, dass die Erhebung der Kaufabsicht eine gebräuchliche Methode zur Erforschung des Kaufverhaltens ist. Allerdings ist die Sinnhaftigkeit dieser Methode besonders bei alltäglichen Gebrauchsgütern anzuzweifeln (siehe dazu Müller-Hagedorn, 1986, S. 104). Wie das theoretische Modell dieser Studie zeigt, kann ein Kaufverhalten, welches durch das soziale Umfeld beeinflusst wird, nicht allein aufgrund von Kaufabsichten dargestellt werden (vgl. Abb. 15, S. 58). Vielmehr scheint es bei habitualisierten Kaufentscheidungsprozessen notwendig, zunächst konkrete Werte und Einstellungen zu erheben, die mit dem Verhalten im Konsumbereich in Verbindung gebracht werden können. Diese Erkenntnisse gilt es schließlich um konkrete Fragen zum Kaufverhalten – allgemeiner Natur sowie hinsichtlich konkreter Produktkategorien – zu ergänzen.

4.7. Die Bildung von Konsumentensegmenten

Die Bildung von Konsumentensegmenten ist ein gebräuchliches Instrument, die Grundgesamtheit der Käufer zu strukturieren. Ziel der Segmentierung in Verbrauchertypologien ist nicht nur die Bestimmung des Käuferpotenzials für bestimmte Produkte und Marken, sondern auch die Bildung möglichst homogener Konsumentensegmente (vgl. Morwitz/Schmittlein, 1992, S. 393; Salcher, 1995, S. 324; Wedel/Kamakura, 2000, S. 6). Dabei werden zunächst die Segmente aufgrund von Gemeinsamkeiten gebildet und diesen im Anschluss Profile zugeordnet (siehe dazu Blattberg/Sen, 1974, S. 17 ff.). Auch im Rahmen dieser Studie scheint diese Vorgehensweise sinnvoll, wobei zunächst Überlegungen angestellt werden müssen, wie diese Profile unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Forschung gebildet werden sollten. Grundsätzlich bieten sich zur Erstellung von Profilen folgende Dimensionen an (vgl. Spiggle/Sanders, 1983, S. 338 f.; Müller-Hagedorn, 1986, S. 28 f.; Kotler/Bliemel, 2001, S. 430 ff.): •

Demographische und sozioökonomische Faktoren: Morwitz und Schmittlein (1992) listen eine Reihe von Faktoren auf, die auch im Rahmen dieser Studie berücksichtigt werden könnten: Haushaltsgröße, jährliches Haushaltseinkommen, Alter des Haushaltsältesten, Ehestand, Eigentumsverhältnisse der Wohnung/Haus, Bildung des Haushaltsältesten, ethnische Zugehörigkeit (vgl. auch Cunningham/Cunningham, 1973, S. 44);



Psychographische Faktoren wie Lebensstile und den damit verbundenen Einstellungen: Erfolgt eine Segmentierung nach diesen Kriterien, so werden Konsumenten mit

182

gleichen oder ähnlichen Einstellungen und Verhaltensmustern zu einem Segment zusammengefasst (vgl. Blattberg/Sen, 1974, S. 18; Wind, 1978, S. 322; Kamakura/Wedel, 1995, S. 308; Ohlwein, 2001, S. 276); •

Der aus dem Kauf bestimmter Produkte gezogene Nutzen (siehe dazu auch Haley, 1968; Wind, 1978, S. 322);



Geographische Kriterien;



Persönlichkeit;



Motivation.

Eine andere Methode der Segmentierung empfehlen Blattberg et al. (1980). Diese geht über die genannten Segmentierungskriterien hinaus und gruppiert die Konsumenten allein hinsichtlich ihres Kaufverhaltens. Blattberg et al. verwenden eine Vorgehensweise, mit der die Käufer zunächst in Industrie- und Handelsmarkenkäufer eingeteilt und anschließend hinsichtlich ihrer Markenloyalität näher definiert werden (vgl. Blattberg et al., 1980, S. 60). Obwohl sich diese Methode zur Potenzialanalyse im Rahmen der Neudistribution von Marken eignet, dient sie doch nur sehr eingeschränkt einer detaillierten Beschreibung von Konsumentensegmenten. Zum Zweck einer Potenzialanalyse könnte hier auch eine Segmentierung anhand der Idealausprägung bestimmter Produkteigenschaften durchgeführt werden (siehe dazu Blattberg/Sen, 1974, S. 19). Beide Methoden sind aufgrund der eingeschränkten Aussagekraft hinsichtlich des Lebensstils von Konsumenten bedingt für diese Studie geeignet.

Hybride Ansätze, wie die sequentielle Clusterung, bilden zunächst Cluster (z. B. anhand demographischer Daten) und beschreiben diese Segmente mithilfe einer weiteren Clusteranalyse detaillierter (vgl. Wind, 1978, S. 322). Diese Methode bietet zwar einen hohen Detailgrad, benötigt jedoch eine sehr hohe Fallzahl.

Eine aufgrund der leichten Durchführbarkeit gebräuchliche Vorgehensweise zur Unterscheidung von Konsumententypologien ist die Unterscheidung nach sozioökonomischen Faktoren wie Einkommen, Geschlecht oder Beruf. Eine Clusterung anhand dieser Kriterien ermöglicht aber nur eine sehr grobe Strukturierung in Verbrauchersegmente. Konkrete Handlungsempfehlungen – z. B. zur Steuerung der Marketinginstrumente – können hier nur eingeschränkt abgeleitet werden (vgl. Meffert, 1992, S. 77; Wedel/Kamakura, 2000, S. 5). Aus diesem Grund genügt eine Festlegung von Verbrauchertypologien allein nach dieser Methode in der Studie nicht. Vielmehr ist es wichtig, die innere Bedürfnisstruktur des Konsumenten zu durchleuchten, um sein Verhalten begründen zu können (vgl. Meffert, 1992, S. 77). Die Profile dürfen daher nicht nur aus sozioökonomischen Komponenten bestehen, sondern müssen sich aus der Kombination mit psychographischen Variablen ergeben. Diese Methode wird 183

auch meist in der Praxis und bei der Bildung von sozialen Milieus angewendet (vgl. Geißler, 2002, S. 125; Kapitel 5.5). Die Anforderungen an die Messung von Einstellungen sind in erster Linie die Messbarkeit bei allen Konsumenten und die Kaufverhaltensrelevanz (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 215; Kapitel 4.4.1, S. 172). Zudem sollte durch eine Analyse dieser die Wirtschaftlichkeit der Bearbeitung von Segmenten abgeleitet werden können (vgl. Wilken, 2004, S. 23). Kaufrelevante Merkmale können hier die Einstellung zu bestimmten Produktmerkmalen sein, die Häufigkeit des Einkaufs in bestimmten Einkaufsstätten oder auch allgemeine Einstellungen, die mit dem Lebensstil in Verbindung gebracht werden können (vgl. Wedel/Kamakura, 2000, S. 14). Dabei eignen sich zur Ermittlung von sozialen Unterschieden Lebensstile besonders gut. Messungen stützen sich häufig auf den AIOAnsatz von Wells und Tigert (vgl. ebd., S. 14; Wells/Tigert, 1971). Dieser Ansatz grenzt drei wesentliche Formen der Lebensäußerungen voneinander ab: beobachtbare Aktivitäten, emotional bedingtes Verhalten und kognitive Orientierungen. Alle drei Komponenten können mithilfe der Befragungsmethode ermittelt werden. Messtheoretische Überlegungen zur quantitativen Erhebung psychographischer Elemente wurden bereits in Kapitel 4.4 vorgestellt. So eignen sich auch im Rahmen einer Clusteranalyse Ordinal- und Intervallskalen zur Erhebung psychographischer Größen und Nominalskalen zur Ermittlung der demographischen Werte (vgl. Kamakura/Wedel, 1995, S. 309). Eine zusammenfassende Übersicht zu den Segmentierungskriterien und deren Eignung für eine sinnvolle Bildung von Käufergruppen ist nachfolgend gegeben:81 Bases/ Criteria

Identifiability Sustantiality Accessibility

Stability

Actionability Responsiveness

1. General, observeable

++

++

++

++

-

-

2. Secific, observable Purchase Usage

+ +

++ ++

+

+ +

-

+ +

3. General, unobservable Personality Life Style Psychographics

+++-

-

+++-

+++-

-

-

4. Specific, unobserveable Psychographics Perceptions Benefits Intentions

+++ +

+ + + +

-

++-

++ + ++ -

+++ ++

++ very good,

+ good,

+ - moderate,

- poor,

-- very poor

Tab. 8: Segmentierungskriterien und ihre Wirksamkeit (vgl. Wedel/Kamakura, 2000, S. 16) 81

Legende zu den Eignungskriterien: Identifiability: Ausmaß der Identifizierbarkeit der Segmente; Substantiality: Kriterium der ausreichenden Größe der Segmente; Accessibility: Chance der Erreichbarkeit der Segmente; Stability: Zeitliche Konstanz; Actionability: Möglichkeit von gezielt auf die Segmente gerichteten Marketingaktivitäten; Responsiveness: Ausmaß der einheitlichen Antwort der Segmente auf die Ansprache.

184

Tab. 8 zeigt, dass eine Kombination der allgemeinen, beobachtbaren Kriterien (Demographie) mit den spezifischen, unbeobachtbaren Kriterien den Ansprüchen einer wirksamen Segmentierung Genüge leistet. Nicht nur die soziodemographischen Faktoren, sondern auch sich abgrenzende Wertewelten, Lebensstile und Konsumeinstellungen müssen zu einer sinnvollen Clusterung herangezogen werden (vgl. Kraus-WeyseU8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 64). Dieser Ansatz soll in der Empirie weiterverfolgt werden. Während dabei die Reduktion von Beurteilungsmerkmalen Aufgabe der Faktorenanalyse ist, ist die Clusteranalyse eine probate Methode der Bildung von homogenen Konsumentensegmenten (vgl. Salcher, 1995, S. 347). Um gewisse konstante Verhaltensvariablen interpretieren zu können, ist eine Zuordnung von Motivationen und Einstellungen unumgänglich. Als eine zentrale Orientierungshilfe für Handel und Industrie gilt dabei die Einstellung von Individuen zu einem idealen Produkt, welches ihre Bedürfnisse am besten befriedigt (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1996, S. 216). Je näher die wahrgenommene Position von Produkt und Einkaufsstätte zur Idealposition liegt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit des Besuchs der Einkaufsstätten, in denen die als ideal angenommenen Produkte erhältlich sind (siehe Ansatz von Trommsdorff; Kapitel 4.4.1, S. 171).

Young et al. beurteilen eine Segmentierung der Konsumenten aufgrund psychographischer und demographischer Variablen für viele Produktbereiche als nicht sinnvoll. Ziel jeder Segmentierung des Marktes muss es nach Meinung der Forscher sein, konkrete Schlussfolgerungen für die strategische Bearbeitung durch Handel und Industrie ableiten zu können (vgl. Young et al., 1978, S. 405). Aus diesem Grund stellen die Wissenschaftler einige alternative Segmentierungsmethoden vor, die auch in dieser Studie Anwendung finden könnten. Ein Ansatz im Bereich von Speise- und Getränkekategorien wäre hier die Clusterung gemäß dem Verwendungszweck. Getränke könnten je nach Art der Verwendung z. B. in die Kategorien „Durstlöscher“, „Reine Genussgetränke“ oder „Heißgetränke“ aufgeteilt werden und anschließend eine Deckungsgleichheit mit der Nachfrage bestimmter Konsumentensegmente erforscht werden. Je nach Größe der deckungsgleichen Konsumentencluster, die eine spezifische Einkaufsstätte besuchen, könnten im Anschluss konkrete Handlungsalternativen für Industrie und Handel abgeleitet werden. Da allerdings der Analyseschwerpunkt dieser Studie auf den soziodemographischen und psychographischen Kriterien der Konsumenten liegen soll, ist fraglich, ob Aussagen zu bestimmten Segmenten hinsichtlich des Verwendungszwecks ausgewählter Produktkategorien zielführend sind. Bei Image-Produkten würde sich mit einer Clusterung nach dem Ausmaß der Präferenz oder der Kaufwahrscheinlichkeit von bestimmten Produkten ein weiterer Ansatz anbieten. Personen, die eine ähnliche Reihenfolge in ihrer Produktwahl haben, könnten somit in gleiche oder

185

ähnliche Segmente eingegliedert werden. Young et al. machen für die Beurteilung der Kaufwahrscheinlichkeit den Vorschlag, eine sechsstufige Ratingskala zu verwenden (vgl. Young et al., 1978). In Bezug auf konkrete Handlungsempfehlungen ist dieser Ansatz zwar zu oberflächlich, dennoch lässt sich mit der beschriebenen Methode ein sehr schneller Überblick über die Struktur der Käuferschaft bei ausgewählten Marken gewinnen (vgl. ebd., S. 410). Eine weitere Definition der Cluster auf Basis psychographischer oder demographischer Kriterien könnte zu detaillierteren Schlussfolgerungen führen (z. B. für gezielt ausgerichtete Produktangebote).

Im Rahmen einer Segmentierung von Konsumenten erfolgt die analytische Annäherung, unabhängig von dem methodischen Ansatz, zunächst mit der Überlegung, welche Herangehensweise bei der Segmentierung erfolgen soll (vgl. Wind, 1978, S. 317; Morwitz/Schmittlein, 1992, S. 395): •

A-priori-Gruppierungen



Clusteranalyse



Methoden der Unterscheidung abhängiger Variablen von den unabhängigen Faktoren

Die Vorgehensweise bei der A-priori-Segmentierung von Konsumenten kann auf verschiedenen Verfahren beruhen. Mögliche Kriterien sind im Rahmen des dritten Kapitels bereits vorgestellt worden (vgl. Abb. 15, S. 58). Bei dieser Methode der Segmentierung sind die Anzahl und gewisse Eigenschaften der Segmente vor der eigentlichen Datenerhebung bereits festgelegt (vgl. Wedel/Kamakura, 2000, S. 18). Im Rahmen dieser Studie scheint es sinnvoll, eine A-priori-Gruppierung auf Basis der ethnischen Zugehörigkeit der Befragten und im Anschluss an die Datenerhebung eine Clusteranalyse innerhalb der beiden Gruppen durchzuführen (siehe dazu auch Wind, 1978, S. 317 ff.).

Für die Durchführung einer Segmentierung mithilfe der Clusteranalyse steht eine Reihe von Ansätzen zur Verfügung, die nachfolgend dargestellt sind:

186

Hierarchical Nonoverlapping Nonhierarchical Clustering Methods

Overlapping

Fuzzy Sets Fuzzy Mixtures Abb. 43: Klassifizierung der Clustermethoden (vgl. Wedel/Kamakura, 2000, S. 42)

Die „overlapping“- und die „fuzzy“-Segmentierungsmethoden gehen von der Annahme aus, dass die Segmente nicht isoliert voneinander existieren. Bei der „overlapping Clusters“Methode können Personen Mitglieder mehrerer Cluster sein. Auch die „fuzzy“-Methode geht in dem Bereich der „fuzzy sets“ davon aus, dass eine Teilmitgliedschaft in mehreren Segmenten bestehen kann (vgl. Wedel/Kamakura, 2000, S. 41). Für die Ableitung klarer Handlungsalternativen sind diese Vorgehensweisen jedoch nur eingeschränkt brauchbar. Daher beschränken sich die weiteren messtheoretischen Überlegungen auf die „nonoverlapping“Segmentierungsmethoden. Hier lassen sich zwei Vorgehensweisen unterscheiden (siehe dazu auch Salcher, 1995, S. 350): •

das hierarchische Cluster-Verfahren



das dynamische Cluster-Verfahren

Die wohl größte Problematik bei dem dynamischen Verfahren ist die Bestimmung einer geeigneten Clusteranzahl (vgl. Wedel/Kamakura, 2000, S. 54). Hierzu sind allerdings einige Lösungsmethoden entwickelt worden. Ein gebräuchlicher Ansatz ist es, besonders bei großen Stichproben die optimale Anzahl der Segmente mit dem hierarchischen Verfahren zunächst zu bestimmen, um anschließend mit dynamischen Clusteranalysen weitere Untersuchungen durchzuführen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Anzahl der Cluster gering gehalten wird, denn je detaillierter die Segmentierung der Konsumenten im Rahmen der empirischen Analyse erfolgt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer brauchbaren Reliabilität (vgl. Wells, 1975, S. 205).82

82

Neben der dargestellten Segmentierung der Konsumenten kann sich auch eine marken- oder produktbezogene Segmentierung zur Ermittlung einer optimalen Positionierung eignen (vgl. Salcher, 1995, S. 329). Da dies kein Forschungsfeld dieser Studie ist, soll hierauf jedoch nicht weiter eingegangen werden.

187

Die Überlegungen haben gezeigt, dass eine Clusteranalyse anhand einzelner demographischer oder psychographischer Werte zur Segmentierung von Konsumenten nicht sinnvoll ist (siehe dazu auch Bucklin/Gupta, 1992, S. 202). Vielmehr scheint es im Rahmen dieser Studie zweckmäßig, dass zunächst eine Clusterung anhand ausgewählter psychographischer Werte erfolgt, zu deren Messung bereits Überlegungen angestellt worden sind (vgl. Kapitel 4.4 und Unterkapitel). Um Handlungsanweisungen für Industrie und Handel ableiten zu können, sollen diese Segmente im Anschluss durch demographische Kriterien, weitere psychographische Faktoren und konkrete Verhaltensschemata genauer beschrieben werden (siehe dazu Blattberg/Sen, 1974, S. 25). Diese Vorgehensweise hat sich bereits in anderen Studien bewährt (vgl. Bucklin/Gupta, 1992). Grundsätzlich ist die Erhebung von Lebensstilen und die anschließende Clusterung anhand der erhobenen Variablen mit dem Problem behaftet, dass eine ausführliche Erhebung von Lebensstilkomponenten einen umfassenden Fragebogenkatalog mit sich bringt und die Qualität der Daten darunter leidet (vgl. Engel et al., 1978, S. 205; Kamakura/Wedel, 1995, S. 308). Daher ist es nicht Ziel dieser Studie, eine Segmentierung aufgrund eines allumfassenden Lebensstilkonzepts durchzuführen. Die Erhebung soll sich auf die wesentlichen psychographischen und demographischen Einflussfaktoren beim Konsum von Lebensmittelprodukten beziehen (vgl. Abb. 15, S. 58).

4.8. Gütekriterien des Messinstruments

Ein bei Segmentierungsansätzen gebräuchliches Maß der Güte ist die zeitliche Stabilität der Segmente (vgl. Wind, 1978, S. 326). Im Rahmen dieser Studie kann davon ausgegangen werden, dass sich zwar das Kaufverhalten der befragten Personen aufgrund des Einflusses des Lebenszyklus ändert (vgl. Abb. 19, S. 73), aber die Eigenschaften der identifizierten Segmente bei den 18- bis 29-jährigen Konsumenten mittelfristig stabil bleiben. Fokus der Studie ist nicht das individuelle, sondern das segmentspezifische Konsumverhalten. Neben der zeitlichen Stabilität von Segmenten gibt es noch drei zentrale Gütekriterien, die im Rahmen der Messung beachtet werden müssen.

Objektivität „Ein Messvorgang ist dann objektiv, wenn die Messinstrumente unabhängig vom Untersuchungsleiter sind.“ (Berekoven et al., 1996, S. 86). Objektive Daten einer Studie sind also dann gegeben, wenn verschiedene Untersuchungsleiter zu gleichen oder sehr ähnlichen Ergebnissen kommen. In der Studie wird versucht, folgende drei Arten der Messobjektivität möglichst genau einzuhalten (vgl. Berekoven et al., 1996, S. 86):

188



Durchführungsobjektivität: Der Untersuchungsleiter hält die Forderung der geringstmöglichen sozialen Interaktion mit der Auskunftsperson ein. Er steht bei der Beantwortung des Fragebogens beratend zur Seite, beeinflusst jedoch nicht durch wertende Äußerungen. Zudem werden die Items so gewählt, dass der Befragte bei der Beantwortung in keine bestimmte Richtung gelenkt wird.



Auswertungsobjektivität: Da ein standardisierter Fragebogen verwendet wird, sind für den Untersuchungsleiter keine Freiheitsgrade bei der Auswertung gegeben.



Interpretationsobjektivität: Diese Art der Objektivität wird durch die Verwendung eines standardisierten Fragebogens größtenteils vermieden.

Die Objektivität stellt eine Voraussetzung für die Reliabilität dar (vgl. Berekoven et al., 1996, S. 89; Koch, 2001, S. 218). Diese stellt ein weiteres Gütekriterium dar, welches im Rahmen der empirischen Erhebung einzuhalten ist.

Reliabilität Messinstrumente werden als zuverlässig bezeichnet, wenn sie keine Anfälligkeit für zufällige Fehler aufweisen (vgl. Churchill, 1979, S. 65). So ist unter der Reliabilität die formale Genauigkeit einer Messung zu verstehen (vgl. Triandis, 1971, S. 26; Koch, 2001, S. 217). Da es sich bei der Erhebung von Einstellungen und Werten, des Selbstkonzepts und der ethnozentristischen Ausrichtung um schwierige Themen handelt, besteht die Gefahr des „SocialDesirability-Response-Set“, dem sozial erwünschten Antwortverhalten. Solche Antwortverzerrungen können allerdings durch neutral gestellte Fragen, den Hinweis auf die Anonymität der Befragung und durch dezentes Zurückhalten des Interviewers während der Befragung vermieden werden (vgl. Schnell et al., 2005, S. 356). Zudem kann davon ausgegangen werden, dass standardisierte psychographische Messinstrumente, die bereits in anderen Studien mit Erfolg angewendet wurden, eine ausreichende Reliabilität aufweisen (vgl. Wells, 1975, S. 203). Kurze Fragebögen, eine verständliche Fragenformulierung und kleine Incentives für das vollständige Ausfüllen des Erhebungsinstruments können die Motivation der Befragten konstant halten und somit ein zuverlässiges Antwortverhalten bedingen.83 Bei der Erforschung neuer bis dato noch nicht empirisch überprüfter Messinstrumente ist ein zuverlässiges Kriterium zur Bestätigung der Güte von Faktoren des Cronbachs Alpha. Je höher das Alpha, desto besser sind die gewählten Items dazu geeignet, das zu messende Konstrukt abzubilden (vgl. Churchill, 1979, S. 68). Für eine angemessene Reliabilität sollte mindestens ein Alpha von 0,50 bis 0,60 erreicht werden (vgl. Nunnally, 1967, S. 226). Untersuchungen haben hier gezeigt, dass sich faktorbildende Items mit einer hohen Güte, unabhängig von der Demographie und Psychographie der Stichprobe, studienübergreifend verwen83

Weitere Regeln zur Formulierung von Fragebögen beschreibt Atteslander (1995, S. 192 f.).

189

den lassen (vgl. Wells, 1975, S. 204). Weitere Methoden zur Überprüfung der Reliabilität sind die „Test-Retest-Methode“, die „Split-Half-Methode“ und die „Paralleltestmethode“ (vgl. Nunnally, 1967; Bruhn, 1979, S. 391; Schnell et al., 2005, S. 152). Da diese Methoden zum einen sehr aufwendig sind und zum anderen in der Praxis kaum verwendet werden, soll auf diese hier nicht weiter eingegangen werden (siehe dazu Lamnek, 1980, S. 163).

Validität Unter der Validität einer Befragung ist die materielle Genauigkeit, also die Brauchbarkeit der Testergebnisse, zu verstehen (vgl. Berekoven et al., 1996, S. 88; Koch, 2001, S. 218). In der Praxis hinterfragen allerdings nur die wenigsten kommerziellen Studien dieses Gütekriterium (vgl. Wind, 1978, S. 328). Besonders bei psychographischen Messungen kann eine Reliabilität bestehen, ohne dass notwendigerweise eine Validität vorhanden ist (vgl. Wells, 1975, S. 205). Möglichkeiten zur Einschätzung der Gültigkeit sind die Experten- und die Augenscheinvalidität als Kriterien der Inhaltsvalidität (vgl. Christof/Pepels, 1999, S. 43). Für die Indikatoren, die bereits Bestandteil anderer erfolgreicher Untersuchungen waren, kann angenommen werden, dass die Kriterien der Inhaltsvalidität erfüllt sind. Bei Indikatoren, die keine Anwendung in der Vergangenheit gefunden haben, gibt es im Rahmen der Inhaltsvalidität eine etwas naive, aber in der Praxis durchaus gebräuchliche Vorgehensweise: „The most general practice is to assume, unless there is evidence to the contrary, that the respondent is reporting accurately.“ (Wells, 1975, S. 205). Die Kriteriumsvalidität („predictive validity“ und „concurrent validity“) ist gegeben, wenn die Messung des Konstruktes hoch mit der Messung eines theoretisch verknüpften Konstruktes korreliert.84 Grundsätzlich kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die Prognosevalidität von demographischen Eigenschaften geringer ist als die psychographischer Kriterien (vgl. Wells, 1975, S. 207). Die Kriteriumsvalidität wie auch die Inhaltsvalidität sind in der Praxis kaum aussagekräftig (vgl. Schnell et al., 2005, S. 156). Aus diesem Grund sind für empirischen Studien Validitätskriterien wie die Konstrukt-, Konvergenz- und die Diskriminanzvalidität am praktikabelsten. Eine gebräuchliche Methode der Konstruktvalidierung stellt hier die Faktorenanalyse dar (vgl. ebd, S. 162 ff.; Bruhn, 1979, S. 390). Bei der Faktorenanalyse wird der Informationsgehalt von Datenmatrizen reduziert, indem quantitative Merkmale in funktional einfachere Faktoren verdichtet werden (vgl. Müller-Hagedorn, 1986, S. 96). Sowohl die explorative Faktorenanalyse als auch eine konfirmative Überprüfung der Faktoren sollen in dieser Studie ihre Anwendung finden.

84

Der Unterschied zwischen der „predictive“ und der „concurrent validity“ ist, dass bei letztgenannter Form die Vorhersagen auf Messungen zum selben Zeitpunkt bezogen sind.

190

5. Ergebnisse bisheriger Forschungen Im Rahmen der allgemeinen theoretischen Ausführungen sowie der messtheoretischen Überlegungen wurde bereits auf die Ergebnisse von Studien referenziert. Dieses Kapitel soll ausgesuchte, bisher durchgeführte empirische Untersuchungen detaillierter beleuchten, um einen tieferen Einblick in bereits erfolgte forschungstheoretische Ansätze zu geben. Die nachfolgenden Übersichten haben nicht das Ziel, eine vollständige Zusammenfassung der Studien zu den relevanten Wirkungszusammenhängen zu liefern, sondern sollen Beispiele von empirischen Untersuchungen – über eine möglichst breite Zeitspanne – zu den bereits dargestellten theoretischen Überlegungen vermitteln.

5.1. Studienergebnisse zum Einfluss demographischer Faktoren

Mit der Studie von Form und Stone soll dieses Kapitel mit dem Überblick über eine Untersuchung beginnen, die, obwohl sie bereits vor fast 50 Jahren durchgeführt worden ist, einen Eindruck über das Konsumverhalten hinaus vermittelt, wie sich die Schicht auf die Wahrnehmung anderer Schichten auswirkt und welche Eigenschaften diesen zugesprochen werden.

Studie von Form und Stone (1957) Die Wissenschaftler Form und Stone beschäftigten sich bereits in den 50er-Jahren mit den Einflussfaktoren der Schichtbildung. Hierzu wurden 125 Personen einer amerikanischen Kleinstadt befragt, wie sie die Mitglieder vier sozialer Kategorien (High Society, Mittelklasse, Arbeiterklasse und soziale Randgruppen) in einer Straße oder innerhalb eines Kaufhauses identifizieren würden. Die interviewten Personen gaben zunächst Auskunft über die Kriterien, die sie zur Identifikation der sozialen Schichten heranziehen würden:

Dimensionen

Status Klasse Macht Unentschieden

Oberschicht 71,2% 27,2% 4,8% 14,4%

Der fremden Person zugeordnete Schicht Mittelschicht Arbeiterschicht Außenseiter 68,8% 62,4% 65,6% 27,2% 33,6% 20,8% 0,8% 2,4% 31,2% 20,8% 26,4%

Tab. 9: Dimensionen der Schichtbildung nach Form und Stone

85

85

Die Tabelle wurde aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. Form und Stone sprechen in ihrer Einteilung der Gesellschaft häufig von „Class“. Dieser Begriff wurde, auch aufgrund der inhaltlichen Thematik ihrer Studie, in „Schicht“ übersetzt.

191

Die Tabelle zeigt, dass die Dimension „Status“ zentrales Kriterium bei der Zuordnung von Personen in eine soziale Schicht ist. Obwohl dies in der Tabelle nicht ersichtlich ist, bildeten dabei die Befragten aus niedriger sozialer Schicht hier eine Ausnahme, denn diese zogen vorwiegend Klassensymbole heran, um Individuen bestimmten sozialen Schichten, insbesondere der „High Society“ (Oberschicht), zuzuordnen. Form und Stone überprüften, welche Indizes für den sozialen „Status“ von Personen herangezogen werden. Es zeigte sich, dass hier die Familie einen zentralen Einflussfaktor darstellt. Bildung wurde als weiteres Kriterium gesehen, welches besonders bei den Personen aus niedrigen sozialen Schichten an Einfluss verliert. Auch sahen die Befragten weder den Beruf noch das Einkommen als Statusnachweis an. In einer Detailanalyse suchten Form und Stone nach Symbolen, die zur Einschätzung von Personen aus dem sozialen Umfeld herangezogen werden:

Dimensionen

Stil Besitztümer Soziale Identitäten Erscheinungsbild Körperliche Kriterien Einstellung

Oberschicht 81,6% 63,2% 33,6% 10,4% -

Der fremden Person zugeordnete Schicht Mittelschicht Arbeiterschicht Außenseiter 72,0% 76,0% 81,6% 34,4% 71,2% 47,2% 36,0% 35,2% 26,4% 17,6% 68,8% 28,0% 20,0% 40,0% 64,8%

Tab. 10: Symbolische Kriterien der schichtbezogenen Einordnung nach Form und Stone

86

Es lässt sich aus den Erkenntnissen ableiten, dass (Lebens-)stilsymbole das dominierende Kriterium der sozialen Einstufung sind. Zudem ist der materielle Besitz eine weitere zentrale Dimension, welche allerdings an Einfluss verliert, wenn Unsicherheit bei der Einordnung besteht (siehe Mittelschicht in Tab. 10) oder wenn andere Kriterien in einer stärkeren Ausprägung bzw. Außenwirkung auftreten, wie dies bei sozialen Randgruppen der Fall ist. Geht es darum, einen persönlichen Kontakt zu einer fremden Person aufzubauen, so verliert der Stil einer Person als Einflussvariable an Bedeutung. Hier ist es die Kombination aus den Dimensionen „Stil“ und „Soziale Identität“ (berufliche Position etc.), die die Entscheidung beeinflusst, ob ein persönlicher Kontakt aufgenommen wird.

Obgleich die Ergebnisse der Untersuchung hinsichtlich ihrer Gültigkeit im 21. Jahrhundert kritisch hinterfragt werden müssen, geben sie doch Aufschluss über die wesentlichen Dimensionen der sozialen Einordnung fremder Personen. So wurden Lebensstil und materieller Besitz – dieser besonders bei der Unter- und Oberschicht – als zentrale Kriterien identifiziert. Es kann hier die Annahme getroffen werden, dass sich Menschen auch im Konsum 86

Die Tabelle wurde aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

192

über diese Kriterien der sozialen Einordnung bewusst sind. In Anlehnung an die Ergebnisse scheint besonders in der Unter- und Oberschicht diese Methode der sozialen Profilierung denkbar (siehe dazu auch Kapitel 2.2.3.1).

Studie von Rich und Jain (1968) Rich und Jain haben in ihrer Studie das Konsumentenverhalten in Warenhäusern untersucht. Von insgesamt 4.000 befragten Personen wurde eine Stichprobe von 1.056 Frauen ausgewählt, deren Verhalten im Detail analysiert wurde. Zur Bestimmung des sozialen Status wurden insbesondere die Kriterien Einkommen, Bildung des Familienobersten und Beruf ausgewählt. Zudem wurde der Lebenszyklus erhoben mit den zentralen Kriterien älter/jünger als 40 Jahre und mit/ohne Kinder. Des Weiteren wurden die Frauen über ihr Interesses an Kleidung befragt. Die Analysen im Rahmen der Studie ergaben, dass ein Interesse bei Kleidung in allen sozialen Schichten vorhanden ist. Es konnte allerdings keine Abhängigkeit des Kaufverhaltens vom Alter der Befragten nachgewiesen werden. Mitglieder aus höheren sozialen Schichten orientieren sich stärker an ihrem Familienumfeld beim Kauf von Kleidung als niedrigere Schichten. Diese sind hingegen sensibler gegenüber der Meinung von Freunden. Somit konnte kein klarer Rückschluss auf die Wirkungszusammenhänge zischen der sozialen Schicht und der Orientierung am Umfeld gezogen werden. Im Rahmen der Einkaufsstättenwahl suchten insbesondere die unteren Schichten preisgünstige Discounter aus. Innerhalb der höheren Schichten entschied sich die Mehrheit für imageorientierte Kaufhäuser. Die Forscher konnten somit folgenden Zusammenhang zwischen dem Einkaufsverhalten und der sozialen Schicht des Konsumenten aufdecken: Je geringer die soziale Schicht, desto preissensibler der Verbraucher. Neben den oben beschriebenen Erkenntnissen wurden zudem die Wichtigkeit des schnellen Einkaufens und des bloßen Shoppings, die Wahl der Stadtbezirke und die Frequenz des Einkaufens befragt. Da die Erkenntnisse hierzu keine relevanten Informationen zu dem Themenbereich dieser Studie darstellen, soll auf diese nicht weiter eingegangen werden.

Zu den Ergebnissen dieser Studie muss angemerkt werden, dass das Konsumentenverhalten in dieser Studie nur im Bereich Kleidung erforscht worden ist. Da Kleidung in Hinsicht auf die Symbolhaftigkeit nur eingeschränkt mit den Konsumgütern des täglichen Bedarfs vergleichbar ist, können Rückschlüsse auf das Konsumverhalten im Lebensmittelhandel nur mit Vorsicht erfolgen. Dennoch sind die Kenntnisse zur sozialen Orientierung und zur Einkaufsstättenwahl wichtige Anhaltspunkte, die auch auf andere Produktbereiche übertragen werden können.

193

Die oben dargestellten Studien sollten einen Eindruck vermitteln, wie sich demographische Einflussfaktoren auf das Verhalten von Individuen auswirken können. So haben die Untersuchungen gezeigt, dass nicht nur das Konsumverhalten in Abhängigkeit zur sozialen Schicht steht, sondern auch die Wahrnehmung anderer Personen von Konsumgütern beeinflusst wird (vgl. Tab. 10, S. 192). Hier kann unterstellt werden, dass das Bewusstsein, über Konsumgüter von dem sozialen Umfeld eingestuft zu werden, einen Einfluss auf das tägliche Handeln hat. Die Erkenntnisse aus den oben beschriebenen Untersuchungen helfen bei der Interpretation der Studie von Bauer et al. In dieser wurden die Einflussfaktoren der Handelsmarkenkäufer erforscht.

Studie von Bauer et al. (2005) In der Studie von Bauer et al. wurden 231 Käufer im Kassenbereich eines großen Verbrauchermarkts befragt. Zudem wurde der Kassenbon der interviewten Personen ausgewertet. Mithilfe der Kassenbon-Daten konnte die Stichprobe in drei Gruppen aufgeteilt werden. •

Personen, die keine Handelsmarken kaufen (n= 49)



„Schwache“ Handelsmarkenkäufer (n= 92)



„Starke“ Handelsmarkenkäufer (n= 79)

Das Interview enthielt 36 Items, die auf neun Faktoren luden. Die Fragen bezogen sich auf die Qualitätswahrnehmung von Handelsmarken und auf das Preisbewusstsein. Zudem wurde die Selbstwahrnehmung der Konsumenten erhoben. Bauer et al. konnten nachweisen, dass starke Handelsmarkenkäufer die Handelsmarken signifikant besser hinsichtlich der Qualität beurteilen und zudem preisbewusster sind. Des Weiteren ist bei dieser Gruppe das Qualitätsbewusstsein in geringerem Maß ausgeprägt. Je stärker eine Affinität gegenüber Markenprodukten vorhanden ist, desto weniger wird der Preis als Qualitätsindikator herangezogen. Handelsmarkenkäufer gewichten hingegen einen niedrigen Preis stärker als andere Konsumenten.

Neben der Erforschung der Einstellungsmuster der oben dargestellten Gruppen lag ein weiterer Fokus der Studie auf der Untersuchung der soziodemographischen Merkmale der drei Käufergruppen. Die nachfolgende Tabelle stellt einen Ausschnitt der Erkenntnisse von Bauer et al. dar:

194

NichtHandelsmarkenkäufer

Schwache Handelsmarkenkäufer

Starke Handelsmarkenkäufer

13% 34% 25% 15% 7% 4%

13% 30% 39% 10% 4% 4%

2,6

2,6

1% 14% 20% 30% 14% 20% 1%

0% 18% 19% 25% 15% 22% 1%

Monatliches Haushalts-Netto-Einkommen 5.000 EUR 9% Familiengröße (Personen)

2,6

Höchster erreichter Bildungs-Abschluss Ohne 0% Hauptschule 14% Realschule 10% Lehre 27% Abitur 24% Studium 20% Sonstiges 4%

Tab. 11: Soziodemographie von Handelsmarkenkäufern (vgl. Bauer et al. 2005, S. 19)

Die Forscher konnten nachweisen, dass das Einkommen nur „[…] unzureichend zur Beschreibung von Handelsmarkenkäufern geeignet ist.“ (Bauer et al., 2005, S. 18). Aus der Tabelle ist außerdem ersichtlich, dass sich das Bildungsniveau nicht auf die Affinität gegenüber Handelsmarken auswirkt. Auch für das Geschlecht und das Alter konnten die Forscher keine eindeutigen Wirkungszusammenhänge nachweisen. Somit kann aus den Studienergebnissen gefolgert werden, dass „[…] soziodemographische Merkmale kaum als direkte Einflussgrößen des Handelsmarkenkaufs herangezogen werden können, sondern lediglich zur Identifikation der Käufergruppen beitragen.“ (Bauer et al., 2005, S. 20). Handelsmarken werden folglich von allen Bevölkerungsschichten gekauft.

Die Erkenntnisse von Bauer et al. bestätigen die in dieser Studie unterstellten theoretischen Zusammenhänge (vgl. Abb. 15, S. 58). So sind es nicht demographische Kriterien, die sich zur Identifikation von Konsumentengruppen eignen, sonders es ist vielmehr die Psychographie, die es ermöglicht, eine klare Abgrenzung zwischen Käufersegmenten zu erhalten.

Nachfolgend ist eine Auswahl der Studien dargestellt, die sich mit dem Einfluss der Demographie auf konsumrelevante Kriterien befasst haben. Teilweise sind in den Ergebnissen Überschneidungen zu anderen Themenbereichen des fünften Kapitels zu erkennen. Die Zuordnung erfolgte hier gemäß dem Schwerpunkt der jeweiligen Studien.87

87

Zur Erklärung der Abkürzungen in den Tabellen sei auf das Abkürzungsverzeichnis und auf die Fußnote am Ende der Tabelle verwiesen.

195

Forscher und Jahr der Studie

Form/ Stone 1957

Sommers 1963

Rich/ Jain 1968

Modell

Befragte sollen Auskunft geben, welche Kriterien sie bei der Einschätzung und Zuordnung von Personen in soziale Schichten heranziehen.

Vorlage von 50 Karten mit Produktnamen. Die befragten Personen schätzen mithilfe der Karten sowohl sich selbst als auch die andere Gruppe (definiert durch die soziale Schicht) ein.

Befragung von Frauen zu deren Einkaufsverhalten bei Kleidung.

Stichprobe

125 Personen USA

Jeweils 50 Hausfrauen gehobene, niedrige sozialen Schicht

Variation der unabhängigen Größen Vier Schichten: High Society, Mittelklasse, Arbeiterklasse, Randgruppen

Produkte Soziale Schicht der befragten Personen

1971

Benad 1975

Vinson/ Scott/ Lamont 1977

Vergleich der Einflussfaktoren „Soziale Schicht“ und „Einkommen“ hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Konsumentenverhalten bei Lebensmittelprodukten.

Erforschung des allgemeinen Käuferverhaltens unter Berücksichtigung der Wirkung der sozialen Schicht.

Vergleich von zwei Gruppen aus verschiedenen soziokulturellen Umfeldern auf Unterschiede in den Werten und dem damit zusammenhängenden Konsumverhalten.

1.056 Frauen mit Mindestalter 20

6.000 Personen USA

1.858 Personen Deutschland

Soziale Schicht

Demographische Variablen

Zuordnung von 50 Produkten durch Karten

Demographie der Befragten

Art der Bildung

ungleiche Demographie

Soziokulturelles Umfeld

Zentrale Ergebnisse und Hinweise zu den Wirkungszusammenhängen in dieser Studie88 • (Lebens-)Stil und materieller Besitz sind die wichtigsten Kriterien zur Einstufung fremder Personen in eine soziale Schicht. • Statusgruppen werden – gemäß den Prinzipien des Konsums als Spiegelbilder des Lebensstils - gebildet. Einkommen und Beruf sind keine Statusmerkmale. • Die soziale Schicht beeinflusst die Wahrnehmung von sich selbst und anderen sozialen Schichten. • Mitglieder höherer Schichten können sich selbst besser einschätzen. • Bei der Einschätzung anderer Personen sind die höheren Schichten präziser.

• Die soziale Schicht beeinflusst das Konsumverhalten. • Der Lebenszyklus beeinflusst das Konsumverhalten nicht. Fünf- und sechsstu- • Discount-Geschäfte werden von den unteren Schichten fige Skastärker bevorzugt. len • Keine grundsätzlichen schichtspezifischen Unterschiede in der sozialen Beeinflussbarkeit.

k.A.

• Bei einem großen Teil der untersuchten Produkte korreliert das Einkommen besser als die soziale Schicht mit der Produktverfügbarkeit im Haushalt. • Gegensätzliches wurde bei Diätprodukten festgestellt. • Keine grundsätzliche Aussage über die Eignung demographischer Faktoren zur Vorhersagbarkeit des Konsumverhaltens möglich, da eine Abhängigkeit von der Produktgruppe vorliegt.

Ratingskalen (k.A. zur Skalierung)

• Mit höherem sozialen Status wird es wichtiger, diesen Status im Konsumentenverhalten nach außen zu tragen. • Zum Studienzeitpunkt (Anfang 70er Jahre) hat der demonstrative Konsum seit den 50er Jahren leicht zugenommen. • Stärkste Preis-Qualitätsinferenz in der Unterschicht.

Siebenstufige Likert Skalen

• Die Werteorientierung hängt von den soziokulturellen Einflüssen ab. • Die Wichtigkeit von persönlichen Werten ist zudem abhängig von Alter, Bildung und Einkommen.

Produktgruppen

Gruppe I 47 Studenten Gruppe II 80 Studenten;

USA

196

k.A.

USA

USA

Myers/ Stanton/ Haug

Operationalisierung

S Kv Ek!6 Bi!6

S Selbstund Fremdeinschätzung

S Kv

S Kv Ek Kv Bi Kv Abhängigkeit von Produktgruppe

S Kv

Ek Kv Bi Kv A Kv Allgemein: Dg Kv

Forscher und Jahr der Studie

Moschis/ Churchill 1978

Modell

Untersuchung des Einflusses auf das Konsumverhalten von: − Familie, − Massenmedien, − Schule, − Peergroups.

Stichprobe

806 Erwachsene

USA

Variation der unabhängigen Größen

Geschlecht; Alter; Soziale Schicht, Soziale Orientierung

Operationalisierung

94 Items fünfstufig teilweise zehn-, oder elfstufig

• Die Familie hat ökonomischen Einfluss auf das Käuferverhalten. • Massenmedien haben keinen Einfluss auf Materialismus. • Individuen (insb. junge Personen) werden bzgl. der Außenwirkung beim Konsum (demonstrativer Konsum) durch Peergroups beeinflusst. • Hohe Korrelation zwischen Peergroup und Familie. • Individuen aus höheren sozialen Schichten verhalten sich sparsamer und organisieren besser ihren finanziellen Spielraum.

Sekundärdatenanalyse

• Der Besitz von Haus und Auto steigert die Preisorientierung beim Einkaufen. • Je höher das Einkommen, desto preisorientierter sind die Konsumenten. • Demographische Kriterien wirken sich im Allgemeinen auf die Preisorientierung aus.

k.A.

• Bei sieben von 16 Warengruppen besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Betriebstypenwahl und der sozialen Schicht (u. a. bei Fleisch und Wurst; haltbare Lebensmittel). • Grundsätzlich sprechen die verschiedenen Betriebstypen im Lebensmittelhandel keine soziale Schicht besonders an. • Mit steigender Schicht steigt die Bedeutung der Ladeninnenausstattung.

k.A

• Hohe soziale Schichten beschäftigen sich intensiver mit Produktinformationen und insbesondere mit Preisinformationen (z. B. Rabattcoupons). • Das Einkommen und die soziale Schicht der Haushalte haben keinen Einfluss auf die Intensität der Preisvergleiche am POS. • Die soziale Schicht beeinflusst das Konsumverhalten im Lebensmittelhandel stärker als das Einkommen.

Einkommen, Blattberg et al. 1978

Sekundärdaten Untersuchung der Preis(Chicago orientierung in AbhängigTribune keit von Einkommen, AutoPanel) und Hausbesitz und der Kinder. USA

Besitz von Haus, Auto, Alter der Kinder Fünf Produkte

Leven 1979

Schaninger 1981

Grønhaug/ Trapp 1989,

Untersuchung des Konsumverhaltens in Abhängigkeit von der Schicht für verschiedene Produktbereiche.

Untersuchung der Wirkung von Einkommen und sozialer Schicht auf das Konsumentenverhalten (u. a. im Lebensmittelhandel).

Untersuchung der Statuswirkung von Biermarken, LEH-Ketten und FastFood-Restaurants. Die Marken werden durch die Befragten sozialen Schichten zugeordnet.

998 Personen Deutschland

348 Personen Kanada

165 Studenten, 90% aus der Mittelklasse Dänemark

Demographie Produktbereiche

Einkommen Soziale Schicht

Marken im Rahmen der Kategorien

Zentrale Ergebnisse und Hinweise zu den Wirkungszusammenhängen in dieser Studie88

Ordinalskala (Schicht)

• Der Gebrauch von Marken und der Besuch von bestimmten Geschäften kann bestimmten sozialen Schichten zugeordnet werden. • Es wird angenommen, dass das Wissen über die schichttypischen Verhaltensweisen das eigene Verhalten beeinflusst.

S Kv A Kv Rzg Kv Mtg Kv

Ek Kv Allgemein: DgKv

S~> Kv schwache Wirkung

Ek~> Kv nut z.T. bestätigt S Kv

S Kv

197

Forscher und Jahr der Studie

Dittmar/ Pepper 1993

Richins 1994

Modell

Die Befragten beurteilen Menschen aufgrund ihrer materiellen Umstände. Die Beurteilungskriterien sind zehn persönliche Eigenschaften.

Untersuchung der Abhängigkeit der materialistischen Einstellung von der Demographie. Analyse, wie sich Materialismus auf Konsumverhalten auswirkt.

Stichprobe

Mittelschicht: 93 Befragte Arbeiterschicht 75 Befragte

Variation der unabhängigen Größen

Operationalisierung

Schicht der befragten Personen

• Materialismus beeinflusst die soziale Wahrnehmung. Siebenstufige • Je höher die Schicht, desto Skalen stärker ist die Tendenz, auf den und eine Status durch symbolhaften Konfünfstufige sum zu folgern. Skala • Personen mit größerem Besitz (geschätzwerden grundsätzlich als erfolgtes Einreicher und intelligenter eingekommen) schätzt. Materialismus unterstützt diese Wahrnehmung.

England

1. Studie: 144 städtische und 119 ländliche Personen 2. Studie: 45 Studenten

Geschlecht Alter Beruf Einkommen Bildung Ehestatus Wohnort

Fünfstufige Likert Skala 18 Items

Zentrale Ergebnisse und Hinweise zu den Wirkungszusammenhängen in dieser Studie88

• Materialismus ist nicht von demographischen Daten abhängig. • Materialistische Personen weisen teureren Gütern eine hohe Wertschätzung zu. • Lebensmittel haben bei Menschen mit geringen materialistischen Einstellungen einen Besitzwert.

S Kv Materiellle Güter stehen für Erfolg und Intelligenz

Ek!.Y Bi!.Y

USA

Williams 2002

Bauer/ Görtz/ Strecker 2005

Henry 2005

Untersuchung der Beurteilung von haltbaren Produkten anhand objektiver Kriterien (u. a. Haltbarkeit, Preis, Garantie, Markenbekanntheit) und subjektiver Kriterien (u. a. Prestige, Außenwirkung, subjektiver Wert).

Aufteilung der Stichprobe in drei Gruppen nach Intensität des Handelsmarkenkaufs. Erforschung der subjektiven Produktbeurteilung von Handelsmarken. Analyse der Eigenschaften von Handelsmarkenkäufern.

Halbstrukturiertes Interview bei einfachen und qualifizierten Arbeitskräften. Themen: − Besitz, − Zukunftserwartungen, − Persönlicher Luxus, − Planung des Budgets.

306 verheiratete Paare USA

231 Konsumenten im Verbrauchermarkt Deutschland

23 Personen im Alter von 20-25 Jahre USA

Demographie Produktarten (haltbare Güter)

Einteilung der Befragten mitilfe von Kassenbons in „keine“, „schwache“ und „starke“ Handelsmarkenkäufer

Ausbildung und Beruf der Befragten (hoch qualifiziert vs. gering qualifiziert)

• Familieneinkommen steht im direkten Zusammenhang mit der sozialen Schicht. • Der Konsum hat für weibliche Ehepartner eine höhere BedeuFünfstufitung. ge Ratingskalen • Ehepaare aus höheren Schichten schätzen die Kriterien zur Beurteilung eines sozial sichtbaren Produkts wichtiger ein als Paare aus niedrigen sozialen Schichten.

Siebenstufige Ratingskalen 36 Items (9 Faktoren)

Qualitativ Tiefeninterview

Ek S S Kv

• Das Einkommen ist ungeeignet zur Beschreibung der Handelsmarkenkäufer. • Soziodemographische MerkEk!.Y male können nicht als direkte S!.Y Einflussgröße des Handelsmarkenkaufs herangezogen allgemein werden. Dg!.Y • Je stärker der Konsument Handelsmarken kauft, desto P Kv größer ist sein Preisbewusstsein, desto kleiner ist das Qualitätsbewusstsein und desto weniger dient der Preis als Qualitätsindikator. • Qualifizierte Arbeitskräfte sind selbstbewusster und positiver für die Zukunft eingestellt, planen ihr finanzielles Budget gezielter und legen größeren Wert auf die persönliche Wirkung nach außen. • Starker Einfluss von Bildung und Beruf auf das Selbstwertgefühl.

Bi Sb Ek Sb

Tab. 12: Studien zu Zusammenhängen von Konsumentenverhalten und Demographie

88

S= Schicht; Kv= Konsumverhalten; Ek= Einkommen; Bi= Bildung; Sb= Selbstbewusstsein; A= Alter; Sk= Selbstkonzept; P= Preis; Dg= Demographie; Mtg= Mitgliedschaftsgruppe; Rzg= Referenzgruppe; : Wirkungszusammenhang; !: kein Wirkungszusammenhang. Die bereits im Detail dargestellten Studien sind gesondert markiert (Fettschrift).

198

5.2. Studienergebnisse zum sozial orientierten Konsum

Zu den motivatorischen Hintergründen eines demonstrativen oder sozial orientierten Konsumverhaltens liegt eine, im Vergleich zu anderen Bereichen in dem Gebiet der Konsumforschung, geringe Anzahl empirischer Untersuchungen vor (vgl. Mason, 1981, S. 125). Hintergrund kann hier die schwierige empirische Durchführbarkeit sein, denn es kann angenommen werden, dass der „social desirability response set“ bei diesen Faktoren ausgeprägt ist. Gleichwohl soll dieser Abschnitt einen Überblick über ausgesuchte Studien geben, die den Einfluss des sozialen Umfelds auf das Konsumverhalten untersucht haben. Zudem wird mit der Studie von Horton ein Forschungsansatz zur Untersuchung der Wirkung allgemeiner Unsicherheit auf das Verhalten beim Kauf vorgestellt.

Studie von Witt (1969) Witt hat in seinen Untersuchungen zwei Determinanten des Gruppeneinflusses auf das Käuferverhalten untersucht. Dies waren zum einen der Gruppeneinfluss selbst und zum anderen das Wissen von Individuen über das Konsumverhalten anderer Gruppenmitglieder. Die Stichprobe bestand aus 50 Gruppen männlicher Studenten. Innerhalb dieser Gruppen wurde der Gruppenzusammenhalt mithilfe des „Seashore Index of Group Cohesiveness“ (bestehend aus Ratingskalen) erfragt. Zur Überprüfung der unterstellten Zusammenhänge wurden vier Produktbereiche ausgewählt: Bier, After Shave Lotion, Deodorant und Zigaretten. Fünf Faktoren wurden bei der Auswahl der Produktkategorien betrachtet, die sich auf den Einfluss des Gruppenzusammenhalts beim Kaufverhalten auswirken sollten: •

Die Sichtbarkeit des Kaufs und des Verbrauchs;



Das Ausmaß, in dem sich der Kauf und der Gebrauch des Produkts auf das Image des Konsumenten auswirken;



Der Einfluss des individuellen Geschmacks;



Die Wahrscheinlichkeit, dass die Konsumenten physische Unterschiede zwischen den Marken einer Produktkategorie annehmen;



Das Ausmaß, in dem die antizipierte Zufriedenheit durch den Produktgebrauch mit dem sichtbaren Gebrauch innerhalb des sozialen Umfelds abhängt.

Bei diesen fünf Faktoren wurde angenommen, dass eine Wirkung in Abhängigkeit der Produktkategorie stattfindet. Die Versuchsgruppen wurden zudem gebeten, für jedes der Produkte mittels vierstufiger Ratingskalen Auskunft zu geben, wie hoch diese ihr Wissen über die Produktwahl anderer Gruppenmitglieder einschätzen. Signifikanter Einfluss des Gruppenzusammenhalts auf die Ähnlichkeit von Markenentscheidungen konnte in der Studie für Bier und After Shave Lotion nachgewiesen werden. Zudem bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Wissen über das Kaufverhalten 199

anderer Gruppenmitglieder und der Kaufentscheidung des Individuums. Die zentrale Erkenntnis war hier: Wenn Wissen über das Verhalten anderer Gruppenmitglieder vorhanden ist, muss jeder Einzelne davon ausgehen, dass dieser bei seinen Kaufentscheidungen auch beobachtet wird. Die Mitglieder in Gruppen, bei denen in der Studie dieses Wissen vorhanden war, verhielten sich demgemäß ähnlich.

Die Studie hat gezeigt, dass bei dem Kauf von alltäglichen Gebrauchsgütern eine soziale Orientierung stattfinden kann. Jedoch verzichtet Witt in den Untersuchungen auf eine soziodemographische Analyse. Ein auf diesen Daten basierender Vergleich der Gruppen, bei denen eine soziale Orientierung stattfand, mit den Gruppen, bei denen dies nicht der Fall war, hätte weitere Aufschlüsse geben können. Dennoch ist hier ein Hinweis gegeben, dass der soziale Einfluss in allen Konsumbereichen stattfinden kann. In Anlehnung an die Ergebnisse von Witt besteht auch für die Erkenntnisse dieser Studie die Annahme, dass ein großer Einfluss bei Gruppen mit starkem Zusammenhalt – dies kann besonders bei ethnischen Minderheiten angenommen werden (siehe dazu Abb. 25, S. 101) – vorhanden ist. Außerdem gibt Witt in seinen Überlegungen zu dem Zusammenhang zwischen Gruppenzusammenhalt und Einkaufsverhalten eine anschauliche Übersicht zu moderierenden Faktoren (siehe oben), die auch in der empirischen Studie dieser Forschungsarbeit Berücksichtigung finden sollten.

Studie von Moschis (1976) Moschis versuchte in seiner Studie die Orientierung von Individuen an anderen Gruppenmitgliedern innerhalb der Mitgliedschaftsgruppe nachzuweisen. Hierzu wurden 408 weibliche Konsumenten von Kosmetikartikeln postular befragt. Der Fragebogen enthielt eine Liste von 19 Kosmetikartikeln. In der finalen Stichprobe wurden nur jene Frauen berücksichtigt, die zumindest drei der Kosmetikprodukte aus den Bereichen Parfüm, Make-up, Handcreme, Lippenstift oder Augen-Make-up häufig kaufen und benutzen. Die finale Fallzahl bestand schließlich aus 206 verwertbaren Erhebungsinstrumenten. Die Befragung erhob Daten zu den Themenfeldern Informationsquellen beim Kauf, Gruppeneinfluss auf die Produktwahl und Bestätigung der Produktwahl durch das soziale Umfeld. Eine Korrelationsanalyse diente zur Auswertung der erhobenen Daten. Folgende Erkenntnisse konnten in der Studie gewonnen werden: •

Personen orientieren sich stärker an ähnlichen Personen.



Ähnlichen Personen wird eine höhere Glaubwürdigkeit unterstellt.



Es liegt ein positiver Einfluss zwischen der Glaubwürdigkeit einer Gruppe und der Orientierung an dessen Mitgliedern vor.



Die Orientierung an anderen Gruppenmitgliedern steht in einem positiven Zusammenhang mit dem Bedürfnis, von diesen Informationen einzuholen.

200



Je stärker die Orientierung an den Mitgliedern einer bestimmten Gruppe ist, desto größer ist der Einfluss dieser Personen auf Kaufentscheidungen.

Aufgrund der Ergebnisse in seiner Studie folgerte Moschis, dass Produkte häufig nur aufgrund des sozialen Vergleichs gekauft werden und eine Orientierung an objektiven Kriterien meist nicht stattfindet. In der Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass besonders die subjektiv wahrgenommene Ähnlichkeit dazu beiträgt, dass sich Personen an anderen Gruppenmitgliedern beim Kauf von Produkten orientieren (siehe dazu auch Abb. 12, S. 30). In Anlehnung an die Erkenntnisse von Moschis kann zudem angenommen werden, dass sich Personen an Gruppen orientieren, mit deren Mitgliedern eine „Ähnlichkeit“ bevorzugt wird. Dies können sowohl Mitgliedschaftsgruppen als auch Referenzgruppen sein. So haben auch die theoretischen Überlegungen in Kapitel 3.2.2.3.5 (siehe insbesondere Abb. 25, S. 101) gezeigt, dass sich ethnische Minderheiten an ihrer eigenen ethnischen Gruppe beim Kauf von alltäglichen Produkten orientieren können. Hier ist es die Tatsache der gleichen Abstammung, die zur Annahme weiterer Ähnlichkeiten führt.

Studie von Horton (1979) Ziel der Untersuchung von Horton war der Nachweis, dass Individuen, die ein geringes Selbstvertrauen haben oder eine hohe allgemeine Unsicherheit empfinden, häufiger hochpreisige Markenprodukte erwerben als selbstsichere Konsumenten. Die Stärke dieses Zusammenhangs sollte zudem in Abhängigkeit von dem in der Produktklasse empfundenen Risiko stehen. Untersucht wurden alltägliche Gebrauchsgüter (Seife, Instantkaffee, Zahnpasta, Aspirin, Deo und Bier), die sich im experimentellen Design anhand folgender Kriterien unterschieden: •

Sichtbarkeit des Herstellers auf der Verpackung (Markenprodukt)



Packungsgröße



Preis je Packungseinheit

Ein Pretest ergab, wie von Horton bereits vermutet, unterschiedlich empfundene Kaufrisiken in Abhängigkeit von der Produktklasse. So wurden Seife und Instantkaffee als Produktklasse mit geringem Risiko, Zahnpasta und Aspirin mit mittlerem Risiko und Bier bzw. Deo mit hohem Risiko identifiziert. Der Hauptuntersuchung, die als Laborexperiment durchgeführt wurde, dienten schließlich 60 Frauen als Stichprobe. Den Befragten wurde mittels einer Slide Show eine Kaufatmosphäre simuliert, in der diese vor einem Warenregal stehen und innerhalb der dargestellten Produktgruppen eine Auswahl vornehmen sollten. Die Produkte wurden anhand der oben beschriebenen Kriterien variiert. Die Befragten wurden im Anschluss zu jeder Produktklasse gebeten, ein Produkt aus den gegebenen Alternativen auszuwählen. 201

Horton wies in der Studie nach, dass Personen mit einer hohen allgemeinen Unsicherheit über alle getesteten Produktgruppen die teuren Alternativen bevorzugten. Dieser Effekt konnte besonders für Individuen mit älteren Kindern und grundsätzlich für die Gruppe der älteren Befragten festgestellt werden.

Die Untersuchung von Horton kann als Bestätigung gesehen werden, dass sich die Psychographie des Menschen auf das Konsumverhalten und im Speziellen auf die Produktwahl auswirkt. Obgleich die Ergebnisse nur globale Aussagen ermöglichen, zeigt sich, dass das Kaufverhalten auch in Abhängigkeit der betreffenden Produktklasse steht. Insbesondere die allgemeine Unsicherheit stellt der Studie zufolge eine Einflussgröße dar, die auch bei anderen als den getesteten Produktklassen ihre Wirkung zeigen könnte. Kritisch sind allerdings die Durchführung der oben dargestellten Studie und der Umfang ihrer Stichprobe zu beurteilen. Aufgrund der Laborsituation ist hier die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass ein sozial erwünschtes Antwortverhalten besonders bei den Körperpflegeprodukten stattgefunden hat.

Studie von Bearden und Etzel (1982) Bearden und Etzel haben den Einfluss von Referenzgruppen auf die Kaufentscheidung untersucht. Dabei unterschieden sie Produkte, die in der Öffentlichkeit konsumiert werden, von den Produkten, die im privaten Bereich genutzt werden. Während die Marke bei den öffentlichen Produkten vom sozialen Umfeld ohne große Schwierigkeiten wahrgenommen werden kann, ist dies bei privaten Objekten nur dem näheren Umfeld, wie z. B. der Familie, möglich. Zudem identifizierten die Forscher zwei weitere Produktgruppen: Produkte, die notwendig für das tägliche Leben sind, und Luxusgüter. So ergaben sich in ihrer Studie 2x2 Produktdimensionen. In ihrer quantitativen Befragung verwendeten die Forscher dreizehn Items zur Erhebung des Einflusses von Referenzgruppen auf das Individuum. Die Items wurden a priori drei Kategorien zugeordnet, die in der Studie durch Cronbachs Alpha noch einmal bestätigt wurden: •

Informative Komponente (vier Items): Personen suchen aktiv nach Informationen von Mitgliedern der Referenzgruppe oder beobachten diese.



Werte-Ausdruck (fünf Items): Im Rahmen dieser Komponente wirkt sich der Einfluss der Referenzgruppe auf das Verhalten aus, indem sich die Person so verhält, dass sie ihr Selbstimage verbessert.



Utilitaristische Komponente (vier Items): Dieser Einfluss wirkt sich auf Personen aus, indem sie sich gemäß den Normen der Referenzgruppe verhalten und damit Sanktionen vermeiden wollen.

202

Die Befragung erfolgte durch postalischen Versand des Erhebungsinstruments an 800 Haushalte, wobei der Rücklauf mit 645 verwertbaren Fragebögen hoch war. In einer zweiten Befragung wurden weitere 300 zufällig ausgewählte Haushalte befragt, was zu einem Rücklauf von 270 Fragebögen führte. Die Auswertung beider Befragungen zeigte, dass Menschen, insbesondere bei notwendigen Produkten, die in der Öffentlichkeit konsumiert werden, unter dem Einfluss des Werteausdrucks und dem utilitaristischen Einfluss von Referenzgruppen stehen. Dies begründeten die Forscher mit der Angst der Bloßstellung, indem der Eindruck entsteht, dass sich Personen bestimmte Marken oder Produkte, die als erforderlich für ein normales Leben gelten, nicht leisten können. Die informative Komponente hat hingegen auf die Produktwahl bei den notwendigen öffentlichen Gütern geringeren Einfluss als bei privaten Luxusgütern. Die Forscher wiesen bei der Interpretation ihrer Forschungsergebnisse darauf hin, dass die Definition eines „öffentlich“ konsumierten Guts stark situationsund personenabhängig ist. So kann der Konsum von Bier bei manchen Personen zum großen Teil in der Gesellschaft anderer Personen geschehen, während andere Personengruppen ihr Bier lieber alleine zu Hause genießen.

Die Erkenntnisse der Studie von Bearden und Etzel zeigen, dass die Tatsache, ob ein Produkt in Gesellschaft oder in privater Umgebung konsumiert wird, bei Studien zur Erforschung des Einflusses von Referenzgruppen auf das Konsumverhalten nicht vernachlässigt werden darf. Zudem konnten sie nachweisen, dass besonders bei notwendigen öffentlich konsumierten Gütern ein interpersoneller Einfluss gegeben ist. So kann in Anlehnung an die Ergebnisse dieser Studie angenommen werden, dass auch bei den Produkten des täglichen Bedarfs ein Einfluss von Referenzgruppen gegeben ist.

203

Forscher und Jahr der Studie

Stafford 1966

Witt 1969

Cocanougher/ Bruce 1971

Witt/ Bruce 1972

Burnkrant/ Cousineau 1975

Moschis 1976

204

Modell

Erforschung des Einflusses von kleinen informellen sozialen Gruppen. Untersuchung des Einkaufsverhaltens von Frauengruppen, die häufig gemeinsam einkaufen gehen. Untersuchungsgegenstand: Brot. Messung des Einflusses des Gruppenzusammenhalts und des Wissens über das Kaufverhalten anderer Gruppenmitglieder auf das eigene Kaufverhalten.

Erforschung des an sozialen Bezugsgruppen ausgerichteten Konsumentenverhaltens.

Messung von symbolischen Werten, Gruppeneinfluss und konsumspezifischen Determinanten des Kaufverhaltens zu den Produkten löslicher Kaffee, Bohnenkaffee, Waschmittel, gefrorenes Gemüse, Schaumreiniger, Möbelpolitur.

Stichprobe

Variation der unabhängigen Größen

Operationalisierung Telefonbefragung

42 Frauen Brotmarke USA

50 Gruppen Männer USA

114 Studenten USA

25 Gruppen mit je 3 Hausfrauen

Produktart, Gruppenzusammenhalt Gruppeninfo

(zweimal die Woche, acht Wochen) Bipolare Skalen

Zentrale Ergebnisse und Hinweise zu den Wirkungszusammenhängen in dieser Studie89 • Gruppen beeinflussen die Markenpräferenzen ihrer Mitglieder. • Je häufiger der Führer (Person mit höchster Attraktivität und Glaubwürdigkeit) der Gruppe die meistgeschätzte Marke wählt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch der Rest der Gruppe die Marke häufiger wählt.

Likert• Signifikante Korrelation von skalen Gruppenzusammenhalt und identischer Markenwahl bei (Seashore Bier und After Shave Lotion. Index of • Das Wissen über die MarkenGroup wahl anderer GruppenmitglieCoheder beeinflusst die eigene siveness) Markenwahl signifikant.

Siebenstufige Likert Skalen

• Referenzgruppen beeinflussen die Produktwahl von Konsumenten, indem sie das ideelle Selbstimage formen. • Je besser die Einstellung gegenüber der Referenzgruppe ist, desto intensiver ist der Einfluss.

Rzg KV

Produktart

Fünfstufige Likertskalen + 33 Statements (MarloweCrowne Social Desirability Scale)

Die soziale Orientierung ist bei der Markenwahl abhängig vom Produkt (in der Studie stärkste Ausprägung bei löslichem Kaffee und gefrorenem Gemüse) und von der situationsspezifischen Symbolik des Produktkaufs, d. h. ob der Kauf unter Beobachtung von anderen Personen bzw. der Referenzgruppe erfolgt.

Rzg Kv

Messung des Konsumentenverhaltens in AbhänOrientiegigkeit von: rung − Vergangene Produktentscheidung anderer 143 männliSichtbarPersonen, che Studenten keit − Orientierung am soziaUSA len Umfeld bei EntQuelle der scheidungen, Informati− Sichtbarkeit der eigenen on Entscheidung. Produkt: Kaffee.

• Personen nutzen vergangene Produktentscheidungen anderer 15-stufige Individuen bei ihrer eigenen ProIntervallduktentscheidung. Dieser Effekt skala zur ist stärker in Situationen, in deProduktnen die eigene Entscheidung beurtei(i. S. von Verhalten) nicht sichtlung bar ist. Neunstu• Gründe für die Orientierung sind fige Skain erster Linie informativ (Bedürflen zu den nis, das qualitativ beste Produkt Einflusszu kaufen). Normativer Einfluss kriterien kann zudem nicht ausgeschlossen werden.

Erhebung der sozialen Orientierung (gruppenintern) für verschiedene Produktgruppen aus der Kategorie Kosmetik. Dazu Fragen zum: − Informationsverhalten, − Unterstellte Glaubwürdigkeit von Informationsquellen, − Gruppeneinfluss auf die Produktwahl.

• Die Konsumenten orientieren sich stärker an Personen, die ihnen ähnlich sind. Zehn• Ähnlichen Personen wird Glaubwürdigkeit unterstellt. sechsstufige Ska- • Die Orientierung an Peergruplen, eine pen erfolgt, um Unsicherheit fünfstufizu reduzieren. ge Li• Personen, die dem Konsumenkertskala ten ähnlich sind, werden als Informationsquelle genutzt und haben somit Einfluss auf das Kaufverhalten.

USA

Mtg Kv

Produktart, Einstellung zur Referenzgruppe

USA

408 Konsumentinnen von Kosmetikprodukten

Mtg Kv

19 Produktgrup pen (Kosmetik)

Rzg Kv Moderator Ist die Sichtbarkeit der eigenen Entscheidung für andere Gruppenmitglieder

Mtg Kv Rzg Kv

Forscher und Jahr der Studie

Horton 1979

Ford/ Ellis 1980

Bearden/ Etzel 1982

Schürmann 1987

Childers/ Rao 1992

Escalas/ Bettman 2005

Modell

Untersuchung der Abhängigkeit der Produktwahl von dem Selbstbewusstsein und der allgemeinen Unsicherheit der Konsumenten bei alltäglichen Gebrauchsgütern. Untersuchung der Markenwahl, der interpersonellen Beziehungen und der Einflussquelle bei der Markenwahl für die Produktkategorie „Brot“.

Einordnung von Produkten in die Dimensionen öffentlich – privat (Gebrauch) bzw. Notwendigkeit – Luxusgut und anschließende Erhebung des Einflusses von Referenzgruppen.

Erhebung von globalen und konsumspezifischen Werthaltungen bei Automobilkäufern.

Einordnung von Produkten in die Dimensionen öffentlich vs. privat (Gebrauch) und notwendiges Gut vs. Luxusgut. Erhebung des Einflusses von Peergroups und der Familie. Orientierung an der Studie von Bearden und Etzel (siehe oben).

Untersuchung des Einflusses von Ingroup und Outgroup auf die Markenwahl in Abhängigkeit von der Beeinflussbarkeit von Individuen. Vergleich zwischen Kaukasiern und Amerikanern asiatischer sowie hispanischer Herkunft.

Stichprobe

60 Frauen USA

43 Frauen, aufgeteilt in 10 Gruppen USA

1. Befragung: 800 Haushalte 2. Befragung: 300 Haushalte USA

Variation der unabhängigen Größen Sechs Produktgruppen Variation von Preis, Marke, Packungsgr öße Brotmarken (Vier erfundene Brotmarken) notwendiges Produkt vs. Luxusgut/ öffentlich gebrauch tes Gut vs. gebrauchtes Gut

254 verwertbare Fragebögen

_

Operationalisierung

Zentrale Ergebnisse und Hinweise zu den Wirkungszusammenhängen in dieser Studie89

• Die Psychographie hat Wirkung auf das Konsumentenverhalten. • Die allgemeine Unsicherheit hat positiven Einfluss auf den Kauf hochpreisiger Produkte. 43 Items • Das Familienumfeld (Anzahl zur PerKinder) beeinflusst Produktsönlichwahl. keit • Abweichende Effekte in Abhängigkeit d. Produktgruppen. • Familie und Kinder üben starken Einfluss auf die Produktwahl aus. Siebenstufige • Kein Einfluss der Gruppe (MitRagliedschaftsgruppe) auf Produkttingskalen entscheidungen in der Kategorie Brot. Laborexperiment mit Slide Show

Studenten: 196 verwertbare Fragebögen USA 149 verwertbare Fragebögen Thailand

Studie 1: 288 Personen Studie 2: 161 Personen

Rzg Kv Moderator Produktkategorie

Fünfstufi- Prestigekonsum korreliert signifige Likant mit Materialismus und Markenkertskalen treue.

Sozial orientiertes Kv  Materialismus + Markentreue

USA

Sechsstufige bipolare Skalen

Variation der Produktkategorien

Markenimage; ethnische Zugehörigkeit

Mtg Kv

Der Einfluss von Referenzgruppen ist abhängig von der Produktkategorie: 13 • Starker utilitaristischer Einsechsstufluss und Werteausdruck orifige bipoentierter Einfluss der Refelare Skarenzgruppen bei öffentlich gelen brauchten Notwendigkeiten. • Starker informationeller Einfluss bei privat gebrauchten Luxusgütern.

Deutschland notwendiges Produkt vs. Luxusgut/ öffentlich gebrauchtes Gut vs. privat gebrauchtes Gut

Sb Kv Moderator Produktkategorie

Bezug zur Marke: Sieben Items Soziale Orientierung: Vier Items (Skala 0-100)

• Der Einfluss von Referenzgruppen ist bei privat gebrauchten Produkten eingeschränkt. • Die Familie hat bei privat gebrauchten notwendigen Produkten einen größeren Einfluss als bei den öffentlich gebrauchten notwendigen Produkten. Hier großer Einfluss der Referenzgruppe. • Kulturelle Unterschiede beim sozialen Einfluss: Die Familie hat in Thailand einen signifikant stärkeren Einfluss auf das Kaufverhalten als in den USA. • Konsumenten haben einen stärkeren Bezug zu Marken, deren Image konsistent mit dem Image der Ingroup ist. • Der Effekt ist bei Asiaten und Hispanos schwächer • Der Effekt taucht nur bei denjenigen Konsumenten auf, die in ihrem Selbstkonzept das Streben nach Unabhängigkeit haben. • Der Effekt verstärkt sich in Abhängigkeit das Symbolgehalts des Produkts.

Rzg Kv Moderator Gebrauch und Ethnie Mtg Kv Moderator Gebrauch und Ethnie

Rzg Kv Moderator Selbstkonzept

Tab. 13: Studien zum sozial orientierten Konsum 89

Mtg= Mitgliedschaftsgruppe; Rzg= Referenzgruppen; Kv= Kaufverhalten; Sb= Selbstbewusstsein; : Wirkungszusammenhang; !NHLQ:LUNXQJV]XVDPPHQKDQJ. Die bereits im Detail dargestellten Studien sind gesondert markiert (Fettschrift).

205

5.3. Studienergebnisse zum Konsumverhalten ethnischer Minderheiten Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen in Deutschland nur wenige aussagekräftige Marktstudien zum Konsumverhalten von ethnischen Minderheiten vor (vgl. Kraus-:H\VHU8÷XUGHPLUBrincks, 2002, S. 28). Andere Länder wie die USA sind hier bereits einen Schritt weiter, denn dort spielen ethnische Subkulturen eine noch weit größere Rolle. So sollen in den folgenden Darstellungen auch wissenschaftliche Erkenntnisse über die deutschen Landesgrenzen hinaus betrachtet und ihre Übertragbarkeit auf die Rahmenbedingungen in Deutschland theoretisch überprüft werden. Nach Wilken müssen jedoch solche Rückschlüsse unter Berücksichtigung folgender einschränkender Kriterien geschehen (vgl. Wilken, 2004, S. 12): •

Die ethnischen Minderheiten bilden in Deutschland einen bedeutend kleineren Anteil als in anderen Ländern wie den USA. Dies gilt besonders für Großstädte.



Bei Vergleichen mit den USA ist zu berücksichtigen, dass dieses Land im Gegensatz zu Deutschland ein Einwanderungsland ist. In den USA setzt sich die Gesamtgruppe

der

ethnischen

Minderheiten

vorherrschend

aus

den

Afro-

amerikanern, den „Asien-Americans“ und den „Hispanos“ zusammen. In Deutschland gibt es solch eine prägnante Verteilung nicht. Hier stellt die größte Minderheit die Gruppe der Deutschtürken dar (vgl. Abb. 3, S. 7).

Die Kriterien zeigen, dass die Übertragbarkeit von Studien aus anderen Ländern meist nicht uneingeschränkt möglich ist. Dies soll in den folgenden Ausführungen berücksichtigt werden.

Studien in Deutschland Eine der wenige Studien zum Konsumverhalten von ethnischen Minderheiten wurde von dem Zentrum für Türkeistudien durchgeführt (vgl. Kraus-Weysser/8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 15). Hierbei wurde das Verhalten der Deutschtürken hinsichtlich der Einkaufsstättenwahl untersucht:

Einkaufsquelle (inkl. Mehrfachnennungen): Discounter Supermarkt Nationalspezifischer EH Deutscher EH Warenhaus Versandhandel Sonstige

88% 48% 43% 12% 10% 2% 11%

Tab. 14: Einkaufsstättenwahl der Deutschtürken (vgl. Studie des Zentrums für Türkeistudien, in: Kraus-:H\VVHU8÷XUGHPLU-Brincks 2002, S. 55)

206

Die monatlichen Konsumausgaben eines durchschnittlichen türkischen Haushalts betragen rund 1.635 Euro, davon entfallen 500 Euro für Lebensmittel und Verbrauchsgüter (vgl. Kraus-:H\VVHU8÷XUdemir-Brincks, 2002, S. 54). Nur die Miete hat den gleichen hohen Stellenwert bei den monatlichen Ausgaben, Urlaubsreisen oder sogar Kleidungen sind weniger wichtig. Folgende Kernaussagen wurden aus der Studie „Türken in Deutschland“ abgeleitet (vgl. ebd. S. 54). Die Befragten stimmten den folgenden Statements zu oder waren zumindest neutral eingestellt:

Statement

Zustimmung

Bekannte Markenartikel haben gute Qualität

74%

Markenartikel sind teurer da bessere Qualität

63%

Achte beim Einkaufen mehr auf Marke als auf Preis

54%

Essen und Trinken sind wichtig Fertiggerichte erleichtern die Arbeit

85% 24%

Tab. 15: Konsumverhalten der Türken in Deutschland (vgl. TID 1996, in: Kraus-:H\VVHU8÷XUGHPLU-Brincks, 2002, S. 56)

Grundsätzlich ist das Markenbewusstsein der Deutschtürken sehr ausgeprägt (siehe auch Kazim, 2006; Valiente/ Yetgin, 2006, S. 88). Tab. 15 zeigt, dass bei Lebensmitteln besonders der qualitative Anspruch ausgeprägt ist. Leider wurde in der Studie nur das Verhalten der Deutschtürken untersucht und kein Vergleich zu den Kaufgewohnheiten der Deutschen gezogen. Zudem erfolgte keine Einschränkung des Lebenszyklus. Dabei ist es wahrscheinlich, dass die verschiedenen Generationen bei den Deutschtürken ein abweichendes Konsumverhalten zeigen (vgl. Tab. 5, S. 49). Aus diesem Grund ist es nicht möglich, aus den gegebenen Daten praxisrelevante Schlussfolgerungen zu ziehen. Eine umfassende Analyse des Konsumverhaltens der Deutschtürken wurde von der VuMA (2004) in Kooperation mit Data4U (05/04) und Arbo Media durchgeführt (vgl. Bücker, 2005). Die Untersuchung bezog sich u. a. auf Produkte des täglichen Bedarfs. Die folgenden Statements geben einen Eindruck über die Markenrelevanz in dieser Gruppe wieder:

Statement Sehr anspruchsvoll auch bei Produkten des täglichen Lebens Markenartikel stehen für gute Qualität Markenartikel müssen einfach etwas teurer sein

Zustimmung türkischer Bevölkerung (in Prozent)

Zustimmung deutscher Bevölkerung (in Prozent)

71 51 44

16 34 24

Tab. 16: Türken mit hohem Markenbewusstsein (vgl. VuMA (2004) in Kooperation mit Data4U (05/04), in: Bücker, 2005, S. 88)

207

Die Studie bestätigt die Ergebnisse der Untersuchung „Türken in Deutschland“ (siehe oben) und zeigt, dass beim Einkauf alltäglicher Produkte die Deutschtürken anspruchsvoller sind als die Deutschen. Auch hier wird eine stärkere Qualitätsorientierung bestätigt. Obgleich diese Erkenntnisse auf den stärkeren Markenbezug der Deutschtürken hinweisen, bleibt dennoch zum großen Teil ungeklärt, was die motivatorischen Hintergründe sind. Die in den theoretischen Überlegungen dargestellten potenziellen Einflussfaktoren wie das Selbstkonzept, der Ethnozentrismus oder das soziale Umfeld (vgl. Abb. 15, S. 58) stehen nicht im Fokus der oben dargestellten Untersuchungen zur Erforschung der Konsumgewohnheiten der Deutschtürken. Aus diesem Grund soll sich diese Studie mit der Herleitung der Bedürfnisse, die diese soziale Einheit beim Kauf von Lebensmitteln begleiten, befassen.

Kotler und Bliemel bringen in einer Analyse bestehender Studien Ergebnisse hervor, die mit den Erkenntnissen der oben dargestellten Untersuchungen zum Teil im Widerspruch stehen (vgl. Kotler/Bliemel, 2001, S. 438). In einer Sekundärdatenanalyse zu Erhebungen des Statistischen Bundesamts konnten die Forscher zeigen, dass ausländische Arbeitnehmer Lebensmittel hauptsächlich in Super- und Verbrauchermärkten sowie im nationalspezifischen Einzelhandel erwerben. Es konnte zudem gezeigt werden, dass ethnische Minderheiten preissensibler sind als die deutschen Konsumenten. So sind gemäß der Analysen von Kotler und Bliemel die Gruppe der Ausländer zu 70 Prozent preisbewusst und nur 30 Prozent sind markenbewusste Käufer. Bei den Deutschen liegt hingegen der Anteil der markenbewussten Konsumenten bei 67 Prozent. Des Weiteren wiesen sie nach, dass das Markenbewusstsein der Ausländer mit zunehmenden Deutschkenntnissen steigt. Die Ergebnisse von Kotler und Bliemel sind aus zwei Gründen kritisch zu sehen. Zum einen weist der Besuch von Verbraucher- und Supermärkten nicht auf ein preisbewusstes Verhalten hin, zum anderen können die oben gezeigten Studien zum Konsumverhalten der Deutschtürken die Erkenntnisse der Forscher nicht bestätigen (siehe oben). Besonders das angeblich hohe Markenbewusstsein der Deutschen lässt sich nicht mit der hierzulande gegenwärtigen „Geiz ist geil“-Mentalität vereinen, die in anderen Untersuchungen vielfach nachgewiesen wurde (siehe dazu Kapitel 5.5; Abb. 31, S. 128).

Aygün untersuchte im Winter 2005 das Konsumentenverhalten von 321 Deutschtürken. Im Fokus seiner empirischen Feldstudie stand die Einkaufsstättenwahl. Aygün wies nach, dass die Deutschtürken am häufigsten türkische Fachgeschäfte zum Einkauf alltäglicher Gebrauchsgüter besuchen, aber auch der Discounter eine sinnvolle Alternative für diese soziale Einheit darstellt. Während diese in der Besuchshäufigkeit der Discounter ähnliche Verhaltensstrukturen zeigten wie der deutsche Konsument, zeigten sich bei den Verbrauchermärkten und Fachgeschäften signifikante Unterschiede. Der deutsche Konsument be-

208

sucht im Vergleich zum Deutschtürken die Verbrauchermärkte doppelt so häufig. Bei den Fachgeschäften90 war ein gegenteiliger Effekt beobachtbar. Allerdings konnte Aygün nachweisen, dass bei abnehmendem Alter die Bereitschaft zum Einkaufen im türkischen Fachgeschäft sowie im Discounter abnimmt. Zudem zeigte sich, dass gut integrierte Deutschtürken den deutschen Lebensmittelhandel besser beurteilen als schlecht integrierte und sich die jüngeren Generationen besser integriert fühlen als die älteren. Eine Variation der Beurteilung des deutschen Handels für den Lebensmitteleinkauf in Abhängigkeit der individualistischen Tendenzen konnte hingegen nicht nachgewiesen werden. Der deutsche Handel wurde im Schnitt von allen Gruppen besser beurteilt als der türkische Handel. Das Ausmaß der Türkeiverbundenheit hatte zudem keinen Einfluss auf die positive Beurteilung des deutschen Lebensmittelhandels.

Obwohl Aygün viele interessante und neue Erkenntnisse über das Konsumentenverhalten der Deutschtürken liefert, müssen einige dieser Ergebnisse kritisch hinterfragt werden. Die Untersuchung deckt die Alterstruktur der ethnischen Minderheit in seiner Gesamtheit gut ab, wobei sich die Ergebnisse auf die erste und zweite Generation beschränken. Die zweite Generation erstreckt sich dabei vom 16. bis zum 40. Lebensjahr. Diese Spanne scheint allerdings sehr breit und die Untersuchung einer dritten Generation – wie dies in Kapitel 2.2.4 (vgl. Tab. 5, S. 49) erfolgt ist – würde hier sicherlich genauere Aufschlüsse bringen. Die Bestätigung und Ablehnung einiger Hypothesen in der Studie findet auf Basis der Gesamtstichprobe statt, obwohl davon auszugehen ist, dass zwischen den Generationen der in Deutschland lebenden Türken erhebliche psychographische Unterschiede vorhanden sind (vgl. Tab. 5, S. 49).

Studien außerhalb Deutschlands In England wird in regelmäßigen Abständen die Studie „National Survey of Ethnic Minorities in Britain“ durchgeführt. Diese Studie beschäftigt sich dabei u. a. mit dem Konsumverhalten der dort lebenden ethnischen Minderheiten. So hat diese beispielsweise im Jahr 1997 nachgewiesen, dass sich afrokaribische Frauen intensiv mit Körperpflegeprodukten beschäftigen und dazu noch mehr Geld zur Verfügung haben als Engländerinnen ohne Migrationshintergrund. Des Weiteren hat die Studie gezeigt, dass dunkelhäutige Frauen Produkte, die auf ihre eigene Ethnie abgestimmt sind, bevorzugen, während asiatische Frauen „Mainstream“Produkte kaufen. Das Kaufpotenzial der ethnischen Minderheiten in England wurde bereits von einigen Industriekonzernen wie L’Oréal erkannt. Dennoch ist dies eine Ausnahme, denn ähnlich wie in Deutschland werden ethnische Minderheiten auch in England eher vernachlässigt (vgl. Marketing Week, 2005, S. 36). 90

Fachgeschäfte bedeutet in dieser Studie aus Sicht der Deutschtürken „türkischer Handel“.

209

Askegaard et al. haben eine Studie zur Erforschung des Konsumverhaltens von Grönländern als ethnische Minderheit in Dänemark durchgeführt. Als Stichprobe ihrer Untersuchung dienten den Forschern 20 Immigranten, mit denen 90-minütige halbstrukturierte Interviews durchgeführt wurden. In Anlehnung an die Ergebnisse ihrer qualitativen Interviews beschreiben Askegaard et al. vier Identitätspositionen, die auch auf ethnische Minderheiten in anderen Ländern übertragen werden könnten: •

Eigene Ethnie als Hyperkultur: Es werden auch in fremder kultureller Umgebung die Produkte aus der eigenen Heimat erworben. Es findet eine Idealisierung der eigenen Kultur statt, indem diese als überlegen angesehen wird (vgl. Askegaard et al. 2005, S. 166).



Das oszillierende Pendel: Dieser Position sind Personen zuzuordnen, die sowohl von der eigenen als auch von der fremden Kultur angezogen sind. Dieser Bikulturalismus kann zu existentiellen Problemen führen, denn der Konsument pendelt zwischen Assimilation und Betonung der eigenen Kultur (vgl. Tab. 4, S 29).



Der „Danish Cookie“: Diese beschreibt eine Identität von ethnischen Minderheiten, die durch starke Assimilation gekennzeichnet ist. Konsumenten, die in diese Gruppe fallen, genießen die neuen Möglichkeiten, die sich durch das Leben in einer fremden Kultur ergeben.



Der „Best-of-Both Worlder”: Dieser Identitätstyp sucht sich die aus seiner Sicht besten Eigenschaften jeder Kultur heraus. Die Position ist somit durch die Integration der ethnischen Minderheit gekennzeichnet (vgl. Tab. 4, S 29).

Die Identitätspositionen, die von Askegaard et al. identifiziert wurden, beinhalten an vielen Stellen Aspekte, die bereits in Anlehnung an Berry (1980) an anderer Stelle dargestellt worden sind (vgl. Kapitel 2.1; vgl. Tab. 4, S 29). Eine Übertragbarkeit dieser Identitäten auf ethnische Minderheiten in Deutschland erscheint möglich. Dennoch muss betont werden, dass Grönländer als ethnische Minderheit in Dänemark eine eher ungewöhnliche soziale Kategorie darstellen (vgl. Askegaard et al., 2005, S. 169). Zudem ist der kulturelle Hintergrund der Türken mit dem der Grönländer nicht vergleichbar.

Ein Einflussfaktor, der im Rahmen des Konsumverhaltens ethnischer Minderheiten häufig beleuchtet wird, ist der Ethnozentrismus. Wie in der Theorie gezeigt wurde, kann die Bindung an die eigene soziale Einheit das Konsumentenverhalten maßgeblich beeinflussen (vgl. Kapitel 3.2.1.3; Kapitel 3.2.2.4). Das in dieser Studie zu messende Ethnozentrismuskonstrukt soll eine mögliche Begründung dafür liefern, warum Unterschiede im Konsumverhalten der Deutschtürken auftreten können. Die Analysen hierzu erfüllen allerdings nicht den Anspruch einer tiefergehenden Exploration. Aus diesem Grund wird auf eine Detailanalyse bestehen210

der Studien zu dieser Thematik verzichtet und nur ein kleiner Überblick in Anlehnung an die Erkenntnisse von Shimp gegeben. Shimp hat in seinen Untersuchungen festgestellt, dass ethnozentristische Tendenzen unabhängig von dem sozialen Status eines Individuums auftreten können (vgl. Shimp, 1983, S. 285 ff.). Zudem wird der Einfluss der ethnozentristischen Tendenzen auf das Konsumentenverhalten bestätigt. Ethnozentristische Personen kaufen keine Güter aus fremden Ländern, weil dies unpatriotisch ist und der einheimischen Wirtschaft schadet. Dieser Zusammenhang trifft für eine Vielzahl von Produkten zu, so auch für die alltäglichen Gebrauchsgüter (vgl. Shimp, 1983, S. 285 ff.).

Abschließend ist eine Übersicht von Studien gegeben, die sich mit der Wirkung der ethnischen Zugehörigkeit auf das Konsumentenverhalten auseinandergesetzt haben:

Forscher und Jahr der Studie

o.V. 1975 - 1981

Modell

Analyse des Abfalls bzgl. des Konsums von Lebensmittelprodukten.

Stichprobe

Variation der unabhängigen Größen

551 mexikanische vs. 561 amerikanische Haushalte

Herkunft: - Mexikaner - Amerikaner

USA

Shimp 1983

Miller 1993

Analyse der Wahl von Automobilen unter Berücksichtigung von heimischen und ausländischen Automobilen in Abhängigkeit des Ethnozentrismus der befragten Personen.

Analyse des Einkaufsverhaltens und der grundsätzlichen demographischen Unterschiede verschiedener ethnischer Minderheiten: − Asiaten − Afroamerikaner − Lateinamerikaner − Hellhäutiger Amerikaner (Kaukasier)

1.200 HH davon 863 mit ethnozentr. Tendenzen USA

600 Frauen USA

Operationalisierung

Anowa Analyse

USA

ethn. Zugehörigkeit, Alter, Bildung, Einkommen Schicht

Ethnische Zugehörigkeit

Zentrale Ergebnisse und Hinweise zu den Wirkungszusammenhängen in dieser Studie91 • Ethnische Minderheit reagiert auf der Mikro- und auf der Makroebene auf negative wirtschaftliche Effekte mit dem Kauf günstiger Produkte. • Die ethnische Minderheit beschäftigt sich intensiver mit der Einhaltung von Normen als die amerikanischen Haushalte.

E Kv

• Kein Einfluss der ethn. Zugehörigkeit und Alter auf Ethnozentrismus. • Personen mit geringer Bildung Bi Ez Fünf- und und Einkommen haben stärkere Ek Ez siebenstuS Ez ethnozentristische Tendenzen. fige Ska- • Je geringer die Schicht, desto len A!(] stärker der Ethnozentrismus. Ez Kv • Je stärker die ethnozentristischen Tendenzen, desto stärker ist die Abneigung gegen ausländische Produkte.

k.A.

• Asiaten haben die höchste Bildung, das höchste Einkommen und sind am markenloyalsten. • Afroamerikaner: geringe Bildung, geringes Einkommen und geringste Marken- und Einkaufsstättenloyalität, dafür prestigeorientiert (geringste Besuchsquote von Discountern). • Lateinamerikaner: geringste Bildung • Kaukasier, Lateinamerikaner und Asiaten zeigen ähnliches Einkaufsverhalten.

E Ek E B E Kv

211

Forscher und Jahr der Studie

Newell/ Green 1997

Askegaard/ Arnould/ Kjeldgaard 2005

Aygün 2005

Modell

Untersuchung des Umweltbewusstseins in Abhängigkeit von der ethnischen Zugehörigkeit (Afroamerikaner und hellhäutige Amerikaner) und in Abhängigkeit der Bildung und des Einkommens.

Durchführung von 90minütigen Tiefeninterviews von in Dänemark lebenden Grönländern. Der Fokus der Befragung lag auf dem Konsumverhalten

Befragung von Deutschtürken hinsichtlich des Konsumentenverhaltens im deutschen Lebensmittelhandel.

Stichprobe

104 Afroamerikaner 129 hellhäutige Amerikaner USA

14 Frauen 6 Männer Dänemark

312 Deutschtürken Deutschland

Variation der unabhängigen Größen

Ethnische Zugehörigkeit; Einkommen; Bildung

Keine gezielte Variation von Variablen

z. T. Aufteilung in 1. und 2 Generation

Operationalisierung

Zentrale Ergebnisse und Hinweise zu den Wirkungszusammenhängen in dieser Studie91

• Kein Einfluss von Bildung und Einkommen auf das Umweltbewusstsein bei Hellhäutigen • Einfluss von Bildung und tendenziell von Einkommen bei Raden Afroamerikanern. tingskalen • Hellhäutige Amerikaner sind in 3 Faktoden Gruppen mit niedrigem ren mit je Einkommen/Bildung umweltbe3 Items wusster als Afroamerikaner. • Unterschiede im Umweltbewusstsein zwischen den Ethnien sinken bei zunehmendem Einkommen/Bildung. Ethnische Minderheiten können Semiin vier Identitätspositionen strukeingeteilt werden, abhängig turierter vom Assimilations- und IntegraFragebotionsgrad: gen - Eigene Ethnie als Hyperkultur - Das oszillierende Pendel Tiefenin- Der „Danish Cookie“ terview - Der „Best-of-Both Worlder“ • Deutschtürken unterscheiden sich im Konsumverhalten im LEH von den Deutschen. • Deutscher LEH wird von gut integrierten Deutschtürken besser beurteilt als von Quantitaschlechter integrierten Indivitiv, meist duen. fünfstufige Ra• Jüngere Deutschtürken fühtingskalen sich besser integriert. len • Kein Einfluss individualistischer Tendenzen auf das Verhalten. • Kein Einfluss der Türkeiverbundenheit auf die Beurteilung des deutschen LEH.

E Kv Modera tor: Bi/ Ek

Segmentierung nach Grad der Integration

E Kv Nur in Teilen bestätigt

Tab. 17: Studien zum Konsumverhalten ethnischer Minderheiten

5.4. Studienergebnisse zur Wirkung von Marke und Preis

Die theoretischen Überlegungen haben gezeigt, dass zwischen objektiv wahrnehmbaren Produkteigenschaften und der subjektiv empfundenen Qualität oder der Prestigewirkung Zusammenhänge bestehen können (vgl. Kapitel 3.2.5; Abb. 28, S. 118). Die Erforschung dieser Zusammenhänge war das Ziel zahlreicher Studien in den vergangenen Jahren. Die Ergebnisse einiger dieser Arbeiten sollen in diesem Abschnitt dargestellt werden. Diese bestätigen häufig den positiven Einfluss von Marke (insbesondere im Sinne von Imagemarke) und Preis auf die antizipierte Qualität (vgl. Tab. 19, S. 217).92 91

E= ethnische Zugehörigkeit; Kv= Konsumverhalten; Ek= Einkommen; Bi= Bildung; Ez= Ethnozentrismus; : Wirkungszusammenhang; !: kein Wirkungszusammenhang. Die bereits im Detail dargestellten Studien sind gesondert markiert (Fettschrift). 92 Dieser Tendenzaussage ist hinzuzufügen, dass die psychographischen Einflussfaktoren der Konsumenten häufig vernachlässigt werden. So lassen sich die Gründe für abweichende Studienergebnisse oft nur schwer identifizieren.

212

Eine Infratest Marktforschung mit 1.000 Befragten ergab, dass 43 Prozent der Befragten die Marke als Qualitätsindikator sehen (siehe dazu auch Schütz, 2001, S. 25). Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass besonders bei Nahrungsmitteln die Qualität mehr für den Kauf eines Produkts ausschlaggebend ist als der Preis (vgl. Becker, 1992, S. 116). Diller (1977) hat unter Berücksichtigung von Warentests der STIFTUNG WARENTEST den Zusammenhang zwischen dem Preis und den objektiv messbaren Qualitätsdimensionen erforscht. Er konnte nachweisen, dass Preise keinen verlässlichen Maßstab für die Qualität von Konsumgütern darstellen (vgl. Diller, 1977, S. 227). Daraus kann gefolgert werden, dass der Preis beim Konsumenten eine Funktion erfüllt, die nicht auf objektive Kriterien zurückgeführt werden kann. Die Studien, die im Rahmen dieses Abschnitts betrachtet werden, sollen einen Eindruck vermitteln, welche Wirkung der Preis und die Marke auf den Konsumenten ausüben können. Um den Umfang überschaubar zu halten, stehen im Folgenden Untersuchungen im Fokus, die sich zum einen gezielt mit der Wirkung der Produkteigenschaften Marke und/oder Preis auf die Qualitätsanmutung oder auf die unterstellte Prestigewirkung auseinandergesetzt oder zum anderen das tatsächliche Konsumentenverhalten in Abhängigkeit dieser Einflussfaktoren beleuchtet haben.

Studie von Rao und Monroe (1989) In einer Metaanalyse analysierten Rao und Monroe (1989) 36 Studien mit insgesamt 85 Effekten von Preis, Markenname und der Name der Einkaufsstätte auf die subjektiv empfundene Qualität von Produkten. Folgende zwei Erkenntnisse konnten hierbei gewonnen werden. •

Der Effekt des Preises auf die wahrgenommene Qualität wird durch die Existenz weiterer Einflussvariablen nicht beeinträchtigt. Rao und Monroe kamen sogar zu dem Ergebnis, dass teilweise ein verstärkender Effekt hinsichtlich der Funktion des Preises als Qualitätsindikator auftrat. Es sollte allerdings nur von dieser Tatsache ausgegangen werden, wenn auch die anderen Eigenschaften als Qualitätskriterien herangezogen werden können.



Studien, in denen die Preise für bestimmte Güter in der Experimentsituation von den realen Preisen in hohem Maß abwichen, ergaben stärkere Preis-Qualitätsinferenzen als jene, in denen die Preise nur schwach manipuliert wurden. So ist der Einfluss des Preises auf die subjektiv unterstellte Qualität in starkem Maße davon abhängig, wie groß die Spanne zwischen dem billigsten Produkt einer Kategorie und der teuersten Variante ist.

Einschränkend muss hier hinzugefügt werden, dass bei diesen Erkenntnissen der Fokus auf alltäglichen Produkten lag, die regelmäßig erworben werden. Aufgrund des Mangels an Studien über hochpreisige Waren oder Produkte, die nur selten erworben werden, konnten Rao und Monroe zu diesem Bereich keine wissenschaftlichen Schlussfolgerungen ziehen. Zudem

213

wurden die psychographischen Einflussfaktoren, die die Preiswahrnehmung beeinflussen können, nicht berücksichtigt. Trotz dieser Einschränkungen geben die Erkenntnisse von Rao und Monroe wichtige Hinweise zu der Wirkung des Preises auf die Produktwahrnehmung.

Studie von Dickson und Sawyer (1990) Die Feldstudie von Dickson und Sawyer gibt Aufschlüsse hinsichtlich des Einkaufsverhaltens in Supermärkten. Grundlage hierfür waren Beobachtungen am Einkaufsort in Kombination mit einem Interview im Anschluss. Im Fokus standen hier u. a. der Preisvergleich zwischen den angebotenen Produkten und das Informationsverhalten der Konsumenten. Dabei fanden in 85 Prozent der beobachteten Fälle keine Produkt- oder Preisvergleiche innerhalb einer Produktkategorie statt. 57,9 Prozent der Konsumenten überprüften zumindest den Preis des ausgewählten Produkts. Die wichtigsten Gründe hierfür sind im Folgenden aufgezählt:

Gründe für Preisbewusstsein Einfache Angewohnheit Unterstützt Kaufentscheidung Unterstützt Entscheidung bzgl. Menge

Anteil der Befragten 44,0% 31,7% 28,7%

Tab. 18: Gründe für Preisbewusstsein (vgl. Dickson/Sawyer, 1990)

93

Die Ergebnisse der Studie erlauben den Rückschluss, dass das Preisbewusstsein der Konsumenten eher gering ist, wenn diese sich bereits für eine bestimmte Einkaufsstätte zur Erledigung des Produktkaufs entschieden haben. Die Studie von Dickson und Sawyer basiert dabei auf Beobachtungen innerhalb von vier der identischen Supermarktkette zugehörigen Einkaufsstätten. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich Konsumenten schon im Vorfeld über ihre eigentlichen Einkaufsaktivitäten Gedanken machen und entscheiden, ob sie tendenziell preisgünstig einkaufen wollen oder die Höhe des Preises keine Rolle spielt. In Abhängigkeit dieser Überlegungen suchen sie dann gewisse Typen von Einkaufsstätten auf. Die Tatsache, dass sich der Konsument bereits vor den eigentlichen Kaufaktivität Gedanken macht, kann auch hinsichtlich des Erwerbs von Marken-, Wellness- oder Bioprodukten angenommen werden. Unglücklicherweise wird genau dieser Aspekt in den Überlegungen der Forscher nicht berücksichtigt. Des Weiteren wurden demographische Kriterien nur am Rande untersucht und nicht zur Begründung der Verhaltensweisen bestimmter Individuen oder Gruppen herangezogen.

93

Die Tabelle ist sinngemäß aus dem Englischen übersetzt.

214

Studie von Fischer, Hieronimus und Kranz (2002) Eine umfangreiche Untersuchung zur Erforschung der Markenrelevanz in unterschiedlichen Produktmärkten wurde von Fischer et al. durchgeführt. 2.525 Personen wurden nach der Bedeutung der drei Markenfunktionen Risikoreduktion, Informationseffizienz und ideeller Nutzen und zudem nach der Markenrelevanz befragt. 16 Dienstleitungen, 15 langlebige und elf kurzlebige Konsumgüter sowie sechs Einzelhandelsstätten wurden in den Untersuchungsgegenstand mit einbezogen.94 Die Befragung ergab, dass sich die Produktmärkte hinsichtlich ihrer Bedeutung in den drei Markenfunktionen unterscheiden. Während der Stellenwert des ideellen Nutzens bei langlebigen Konsumgütern am höchsten, aber auch bei einigen Kategorien der kurzlebigen Gebrauchsgüter hoch war, führte die Marke den Stellenwert der Informationseffizienz bei den kurzlebigen Konsumgütern an. Hohe Werte hinsichtlich der Risikoreduktion zeigte die Marke besonders bei Produkten, die in Verbindung mit hohen Konsumausgaben stehen. Auf Basis einer Regressionsanalyse wurden die Kontextfaktoren der einzelnen Markenfunktionen untersucht. So konnten Fischer et al. nachweisen, dass die soziale Bedeutung des Konsums wie auch die demonstrative Markennutzung den größten Erklärungsbeitrag für die Ausprägung des ideellen Nutzens liefern. Für die Risikoreduktion konnte die Preissetzung und für die Informationseffizienz die Wahrnehmbarkeit der Marke identifiziert werden. Mithilfe eines Markenrelevanzmodells konnten die Treiber der Markenrelevanz hinsichtlich ihrer Einflusskraft untersucht werden. So konnte dem ideellen Nutzen als dem stärksten Treiber eine Gewichtung von 40 Prozent, der Informationseffizienzfunktion 37 Prozent und der Risikoreduktionsfunktion 23 Prozent zugeordnet werden (zu den Treibern der Markenrelevanz vgl. Tab. 6, S. 129).

Die Analysen der Forscher haben gezeigt, dass der demonstrative Konsum als wichtigste Komponente des ideellen Nutzens einen starken Einfluss auf die Relevanz der Marke hat. Ein ideeller Nutzen ist in Anlehnung an die Ergebnisse der Studie nicht bei allen getesteten kurzlebigen Konsumgütern vorhanden. Dennoch lassen sich einige Kategorien identifizieren, in denen dieser Funktionsbereich der Marke einen hohen Stellwert hat (z. B. Champagner). Zudem scheint die Marke tendenziell mehr einen Prestigenutzen als die Funktion eines Qualitätsindikators zu übernehmen (40 Prozent ideeller Nutzen vs. 37 Prozent Informationseffizienz). Die Ergebnisse der Untersuchung von Fischer et al. geben somit Anlass, intensiver in diesen Themenbereich vorzudringen und auch die psychosozialen Hintergründe zu erforschen.

94

Für eine detaillierte Übersicht sei auf Fischer et al. 2002, S. 27 verwiesen.

215

Forscher und Jahr der Studie

Stafford/ Enis 1967

Diller 1977

Diller 1979

Lichtenstein/ Burton 1989

Rao/ Monroe 1989

Dickson/ Sawyer 1990

216

Stichprobe Modell Ort

Erforschung des Zusammenhangs zwischen Preis und Qualität.

Untersuchung des PreisQualitätszusammenhangs anhand objektiv messbarer Qualitätsdimensionen.

17 Vorlagekarten mit Abbildungen von dauerhaften Lebensmitteln (Konserven, Mehl etc.). Befragte müssen beurteilen, wie sie die Möglichkeiten zum preisgünstigen Einkauf wahrnehmen.

Vier Studien zur Erforschung des Zusammenhangs zwischen Preis und subjektiver/objektiver Qualität und zur Ermittlung von Gruppen, bei denen das Preis-Qualitätsschema ausgeprägt ist.

Metaanalyse zur Wirkung von Preis, Marke und Name der Einkaufsstätte auf die unterstellte Produktqualität.

Beobachtung und anschließende Befragung von Personen am POS über Preiswahrnehmung und Produktvergleich.

175 Frauen 3 Männer USA

269 Produktarten 4006 Einzelartikel Deutschland

Variation der unabhängigen Größen

Preis, Informationen über Einkaufsort

Zentrale Ergebnisse und Hinweise zu den Wirkungszusammenhängen in dieser Studie 95

Fünfstufige Skala

• Ist der Preis die einzige Einflussgröße, so steht die angenommene Qualität in Zusammenhang mit der Höhe des Preises. • Der Zusammenhang schwächt sich unter Hinzunahme weiterer Einflussgrößen ab.

Sekundärdatenanalyse

Der Preis stellt keinen verlässlichen Maßstab für die Qualität von Konsumgütern dar.

P Q

Preis Urteile der STIFTUNG WARENTEST

83 Frauen Deutschland

Operationalisierung

Produkte auf Vorlagekarten

Vorlagekarten Fünfstufige Skalen

• Es gibt vier unabhängige Varianten des Preisinteresses: 1. Preisinteresse in Bezug auf die Einkaufsstättenwahl 2. Preisvorteile durch Großeinkauf 3. Vernachlässigung von Qualität (z. B. bei Sparsamkeit); 4. Aktivitäten (z. B. Vergleiche) während des Einkaufs. • Oberschicht ist weniger preissensibel als Unter- und Mittelschicht. • Einkauf im Discounter ist keine Alternative für qualitätsbewusste Verbraucher.

P! Q objektiv

P Q P Kv (Moderator Preissensibilität)

• Korrelation zwischen dem PreisQualitätsschema (subjektiv) und Zwischen dem objektiven Preis-QualitätP Q Produkte 152 und zusammenhang besonders bei Fünf 220 aus(haltbare alltäglichen Gebrauchsgütern. (ModesiebenstuProdukte/ gewertete fige Ska- • Produktkategorie hat moderierator tägliche Erhebungslen je Prorenden Einfluss. instrumente GebrauchsgüProdukt • Die Konsumenten lassen sich in duktkater) tegorie) Abhängigkeit der ProduktkateUSA gorie und der Preis-Qualitätsinferenz in vier Cluster einteilen.

Sekundärdaten 36 Studien

Zwischen 600 und 800 verwertbare Erhebungsinstrumente USA

Fokus auf Preis

Unterteilung der Befragten in preisbewusste (ca. 29 Prozent) und nicht preisbewusste Konsumenten

Stemand-LeafDiagramme

Beobachtung Recall und Recognition Tests

• Die Wirkung des Preises wird durch die Existenz weiterer Einflussvariablen nicht beeinflusst (z. T. sogar verstärkt). • Die Spanne zwischen dem billigsten Produkt einer Kategorie und der teuersten Ausführung wirkt sich auf den Zusammenhang zwischen Preis und der wahrgenommenen Qualität aus.

P Q

• Unabhängig vom Preisbewusstsein prüfen nur 57,9 Prozent der Befragten den Produktpreis. • Preisbewusste Käufer vergleichen auch das Preisniveau von Einkaufsstätten. • Häufigkeit von Einkäufen wirkt sich nicht auf die Preiskenntnis aus.

P Kv (Moderator Preissensibilität)

Forscher und Jahr der Studie

Dillon/ Kumar/ Smith de Borreo 1993

Leclerc et al. 1994

Brucks/ Zeithaml/ Naylor 2000

Bearden et al. 2001

Beck 2003 (in Auszügen)

Stichprobe Modell Ort

Befragung nach den wichtigsten Kriterien beim Kauf von Lebensmitteln. Durchführung einer Segmentanalyse

Erforschung der Wirkung eines ausländischen Markennamens auf die Einstellung gegenüber dem Produkt. Durchführung von drei Experimenten. Untersuchung von Preis und Markenname als Qualitätsindikatoren bei haltbaren Produkten (am Beispiel Auto). Einteilung der Qualität in sechs Dimensionen: - Einfacher Gebrauch, - Haltbarkeit, - Vielseitigkeit, - Service, - Leistung, - Prestige. Erforschung des Zusammenhangs zwischen Preis und antizipierter Qualität unter Berücksichtigung des moderierenden Einflusses des Selbstbewusstseins des Konsumenten.

Erforschung der Einkaufsstättenwahl und der Erwartungshaltung gegenüber Einkaufsstätten.

Untersuchung zur ErkläFischer/ rung der Markenrelevanz Hieronimus/ durch die MarkenfunktiKranz onen. Die Markenfunktionen werden dabei in Abhängigkeit von Kon2002 textfaktoren gesetzt.

550 Frauen USA

Studenten 1. 20 Per. 2. 184 Per. 3. 42 Per. Frankreich

Variation der unabhängigen Größen

Fünf vorgegebene Kriterien: Nährwert, Aufwand der Zubereitung, Kalorien Inhaltsstoffe Preis Sprache der Produktnamen - Keine Information, - Englisch, - Französisch

Operationalisierung

Zehn Paarvergleiche Skalen zu den Kriterien

Skalen (u. a. Hedonismusskala)

Zentrale Ergebnisse und Hinweise zu den Wirkungszusammenhängen in dieser Studie 95 • Grundsätzlich ist der Preis das wichtigste Produktkriterium. • Die Segmentanalyse zeigt, dass es Gruppen gibt, bei denen der Preis nicht wichtig ist. • Bei Personen mit hohem Bewusstsein hinsichtlich der Inhaltsstoffe spielt der Preis eine untergeordnete Rolle. • Sparsame Personen legen unterdurchschnittlichen Wert auf andere Produkteigenschaften. • Die Sprache des Markennamens wirkt sich auf die Einstellung gegenüber dem Produkt und seinen Eigenschaften aus. • Bestätigung des CoO-Effekts.

Segmentspezifisch

M E

• Zur Beurteilung der Prestigewirkung wird der Preis im Vergleich zu den anderen Dimensionen am häufigsten herangezogen (87,5 Prozent der Fälle), Siebenunabhängig davon, ob der Marstufige kenname vorhanden ist. ÄhnliSkalen che Ergebnisse für die Marke. 17 Items • 87,9 Prozent ziehen die Marke je Dimenzur Beurteilung des Prestiges sion heran, ist der Preis zusätzlich gegeben, sogar 95,8 Prozent. • Zur Beurteilung der QualitätsUSA dimensionen dient die Marke mehr als der Preis. • Je stärker das Selbstbewusstsein ist, desto stärker wirkt sich 106 Mitarder vom Konsumenten unterPreis beiter einer Siebenstellte Zusammenhang zwiund stufige Universität schen Preis und Qualität aus. fünf weitere Skalen • Selbstsichere Konsumenten Eigenschaften USA orientieren sich stärker an ihrer eigenen Meinung als unsichere Individuen. Ergebnisse der Vorstudie (WichVorstudie tigkeit der Eigenschaften von 748 ProVorstudie: Einkaufsstätten): banden in Vorstudie: 21 Verteilung • Höchste Wichtigkeit: zwei TeilEinkaufsstätvon insg. Auswahl, Produktqualität, Preis stichproben tencharakte- 100 Punk• Mittlere Wichtigkeit: ristika ten auf die Erhältlichkeit bekannter Marken DeutschKriterien • Geringe Wichtigkeit: land Image und Ruf eines Geschäfts 16 DienstleiSechs • Es existieren drei Komponentungen, 15 ten der Markenrelevanz. Nominallanglebige ~2.500 skalen • Ideeller Nutzen als stärkster und elf kurzBefragte Treiber der Markenrelevanz, lebige KonNeun gefolgt von der Informationssumgüter, DeutschRaeffizienzfunktion und schließsechs Einland tingskalich der Risikoreduktionszelhanlen funktion. delsstätten

100 männliche, 55 Preis weibliche Markenname Personen, die in den Je nach vergangeGruppe ist der nen fünf Preis, die Jahren ein Marke oder Auto gebeides gegekauft haben ben.

P Kv L Kv

P Q M Q Stärkerer Einfluss der Marke

P Q Moderator: Sb

P Kv M Kv

M ideeller Nutzen Risiko Infoeffi zienz

Tab. 19: Studien zur Wirkung von Marke und Preis 95

Qualität wird hier definiert als subjektiv wahrgenommene Qualität, falls in den Ausführungen kein gesonderter Hinweis erfolgt. P= Preis; Q= Qualität; Kv= Konsumverhalten; M= Marke; L= Leistungstransparenz; E= Einstellung zum Produkt; Sb= Selbstbewusstsein; : Wirkungszusammenhang; ! kein Wirkungszusammenhang. Die bereits im Detail dargestellten Studien sind gesondert markiert (Fettschrift).

217

5.5. Forschungsstand zur Konsumentensegmentierung

Der gegenwärtige Forschungsstand in Deutschland zur Segmentierung des Konsumenten im Lebensmittelhandel basiert hauptsächlich auf Studien, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit von Industrie und Handel in Auftrag gegeben werden, oder auf Untersuchungen, die von Unternehmensberatungen oder Marktforschungsunternehmen durchgeführt werden. Rein wissenschaftlich orientierte Ansätze sind hingegen nur selten zu finden und Ansätze zu alternativen Segmentationsmethoden nur vereinzelt vorhanden. Um hier lediglich einen exemplarischen Überblick zu vermitteln, wird zu diesem Forschungsfeld auf Ansätze aus anderen Ländern eingegangen.

In der Mehrzahl der Studien basieren die zu der Segmentierung herangezogenen Daten auf Interviews, die Spiggle und Sanders in diesem Zusammenhang als „artificial interaction“ bezeichnen (vgl. Spiggle/Sanders, 1983, S. 338). In einem zweiten Schritt werden den auf Basis von Gemeinsamkeiten gebildeten Segmenten Profile zugeordnet. Grundsätzlich beruht in den dargestellten Studien die Bildung der Cluster auf der Maxime der größten Homogenität innerhalb der Cluster bei zugleich maximaler Heterogenität zwischen diesen. Dennoch ist die Zuordnung der Profile von subjektiven Komponenten abhängig. Obgleich aufgrund dieser Subjektivität Segmentierungsstudien nur schwer vergleichbar sind, liefern Ansätze, die über die bloße Demographie hinausgehend psychographische Komponenten einbeziehen, eine brauchbare Übersicht, die zum Verständnis des Konsumenten und seinem Verhalten beitragen (vgl. Wells, 1975, S. 208). Die psychographisch basierten Segmentierungsstudien in der Vergangenheit haben hier neue Ansätze der Verhaltensforschung aufgezeigt, die ein detailliertes Gesamtbild insbesondere hinsichtlich folgender Aspekte ermöglichen (vgl. ebd., S. 209): •

Neue Facetten von Konsumentenprofilen wurden erforscht (z. B. basierend auf speziellen Produktbereichen, Einkaufsmethoden und -wegen (siehe dazu Cunningham/Cunningham, 1973, S. 42 ff.).



Zeitreihenstudien haben es ermöglicht, die Veränderungen und die Ursachen dieser Veränderungen des Konsumentenverhaltens aufzudecken.



Neue Methoden der Konsumentensegmentierung wurden erforscht, die es ermöglichen, diese besser zu verstehen. Beispiele für solche neuen Ansätze geben Anderson Jr. (1971) mit einer Segmentierung nach Verbraucherfreundlichkeitsansprüchen im Lebensmittelhandel oder auch Blattberg und Sen (1974) mit ihrem zweidimensionalen Ansatz der Segmentierung nach Preissensibilität und Markenloyalität. Eine sehr allgemeine Art der Segmentierung wählt Gans (1999) mit seiner Aufteilung der amerikanischen Gesellschaft in die high-cultur, upper-middle culture, lower-middle

218

culture, low culture und die quasi-folk low culture (vgl. Gans, 1999, S. 95 ff.). In dieser Aufteilung verwendet Gans zum einen die Variablen Bildung, Einkommen und Beruf, zum anderen das Ausmaß des Kultur- und Medienkonsums. Bucklin und Gupta (1992) haben sich in ihrer Segmentierungsstudie auf die Variable Preissensibilität beschränkt, die sich sowohl auf die Kaufwahrscheinlichkeit im Allgemeinen als auch auf die Wahrscheinlichkeit des Kaufs einer bestimmten Marke im Speziellen bezieht. Die Clusterung der Grundgesamtheit erfolgte anhand der demographischen Werte Wohnverhältnisse, Beruf und Einkommen und anhand des Kaufverhaltens (Kaufmenge, Kauf bei Rabatten, Einkaufsstättenloyalität).

Die nachfolgenden Darstellungen vermitteln einen Eindruck über die die soeben beschriebenen Aspekte. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf deutschen Studien, die sich mit den für diese Arbeit relevanten Themenbereichen auseinandergesetzt haben.

Zur Darstellung einzelner Kundensegmente wird häufig auf das Sinus-Milieu-Modell zurückgegriffen. Dieses Modell unterteilt die deutsche Bevölkerung anhand ihrer Schichtzugehörigkeit und – als Weiterentwicklung gegenüber den traditionellen Ansätzen zur sozialen Schichtbildung – gemäß ihrer Wertorientierung in zehn verschiedene Lebensstilgruppen. Menschen mit ähnlichen Lebensstilen werden hier zu Segmenten, den sogenannten SinusMilieus zusammengefasst.96 Obgleich das Konzept der Sinus-Lebenswelten hier nicht weiter ausgeführt wird, stellt die Betrachtung der Werte und Einstellungen als Kriterium der Segmentierung über die demographischen Eigenschaften hinaus einen sehr sinnvollen Ansatz dar (vgl. Schmitz/Kölzer, 1996, S. 181). Das Sinus-Milieu-Modell hat jedoch den entscheidenden Nachteil, dass aufgrund der Vielzahl und der Verschiedenheiten der Einordnung keine klaren Handlungsempfehlungen für spezifische Problemstellungen abgeleitet werden können (vgl. Siemes/Gerling, 2004, S. 26). Aus diesem Grund werden daher meist Methoden gewählt, die eine höhere Praxisrelevanz haben. Siemes und Gerling (2004) zeigen in Anlehnung an empirische Ergebnisse des Retail & Trade Marketing Research Centers Leuven einen pragmatischen Ansatz, wie die Konsumenten im Lebensmittelhandel in Segmente eingeordnet werden können:

96

Die Erläuterung des Sinus-Milieu-Modells würde an dieser Stelle zu weit führen. Für eine detaillierte Beschreibung der Milieus sei auf die Veröffentlichungen des Heidelberger Forschungsinstitut Sinus Sociovision verwiesen (vgl. www.sinus-sociovision.de).

219

Genießen den Lebensmitteleinkauf (emotionale Beziehung) Impulsive Käufer (23%) • • • • • • • •

Sind hedonistisch Erwarten vielfältiges Angebot Nehmen sich Zeit zum Einkauf Offen für Impulse Nicht besonders loyal gegenüber einer Einkaufsstätte Besuchen verschiedene Geschäfte, um neue und andere Produkte zu finden Wechseln Marke und Geschmack Nicht besonders preissensibel

Social Shoppers (24%) • • • • •

Genießen den Einkauf aufgrund der sozialen Erfahrung Bevorzugter Einkauf in den gleichen Geschäften Kaufen häufig zur gleichen Uhrzeit am gleichen Tag/in der gleichen Woche ein, um mit den gleichen Menschen zusammenzutreffen Bevorzugen daher kleine Convenience-Stores und Supermärkte Der soziale Aspekt kann auch zum Gemeinschaftseinkauf mit der Familie führen, als eine Art der Familienexkursion

außenorientiert

eigenorientiert Convenience Shooper (25%) • •

• •

Sind nicht organisiert Geringe Einbindung in den Einkauf, da sie entweder den Einkauf nicht genießen oder ihn nicht als ihre Pflicht innerhalb der Familie sehen Entscheiden sich für die bequemste Lösung Einkauf meist in der Nähe

Pragmatiker (28%) • • • • • •

Lebensmitteleinkauf ist Routine, die erledigt werden muss, nicht nur für Pragmatiker selbst, sondern auch für seine Familie Minimale Zeit und Aufwand für den Einkauf Hohe Marken- und Einkaufsstättenloyalität Tendieren zum Einkauf in großem Umfang Preissensibel Leben in großen Haushalten

Verabscheuen den Lebensmitteleinkauf (zweckmäßige Beziehung)

Abb. 44: Generisches Modell zur Segmentierung des Lebensmittelkäufers (vgl. Elsevier Food International, in: Siemes/Gerling, 2004, S. 27)

Einschränkend muss diesem Segmentierungsansatz hinzugefügt werden, dass die soziale Orientierung des Konsumenten in diesem Modell kaum berücksichtigt wird. Alleine bei den „Social Shoppers“ findet dieser Aspekt Erwähnung, wobei davon ausgegangen werden muss, dass diese Dimension auch bei den anderen Segmenten vorhanden ist (vgl. Kapitel 2.1). Zudem sind trotz der pragmatischen Aufteilung nur schwer konkrete Handlungsempfehlung für den Lebensmittelhandel abzuleiten. Zum einen teilt sich die Grundgesamtheit in vier annähernd gleich große, nur grob voneinander abgegrenzte Gruppen auf, zum anderen werden diesen Segmenten Eigenschaften zugeordnet, die nur begrenzt Rückschlüsse auf eine optimale Sortiments-, Service- und Einkaufsstättengestaltung ermöglichen.

Auch die GfK teilt den deutschen Verbraucher in vier Segmente ein (vgl. GfK, in: Haller/Twardawa, 2005, S. 35): 1. Handelsmarkenkäufer: Dieser Käufer deckt vor allem mit Preiseinstiegsmarken seinen täglichen Bedarf und macht mit 39 Prozent das größte Segment der deutschen Konsumenten aus.

220

2. Schnäppchenjäger: Dieser Typ bevorzugt Marken, jedoch nur zum Aktionspreis, und entspricht 13 Prozent der Käufer. 3. Markenkäufer: Diese Gruppe mit einer hohen Affinität zu Markenprodukten deckt 28 Prozent der Verbraucher ab. 4. Premium-Käufer: Dieses Segment bevorzugt qualitativ hochwertige Produkte und ist auch bereit, dafür einen höheren Betrag auszugeben. Es wird von 20 Prozent der Deutschen repräsentiert. Neben der Qualitätsorientierung gibt es bei den Premium-Käufern im Lebensmittelhandel weitere Beweggründe für den Kauf von teuren Premium-Produkten. Sie sind aufmerksamer gegenüber den Inhaltsstoffen, kaufen häufiger Bioprodukte als andere Segmente und gönnen sich gerne Delikatessen, die sie meist in Gesellschaft „genießen“. Nicht nur aufgrund der WellnessOrientierung sind die Konsumenten aus diesem Segment Vorbild für andere Käuferschichten (siehe dazu auch Pech-Lopatta, 2005, S. 26 f.). Durch den anspruchsvollen Lebensstil, der diesem Segment zugeordnet werden kann, setzen die Premium-Käufer Trends im Bereich der alltäglichen Gebrauchsgüter. Die Einteilung zeigt, dass sich 48 Prozent der Konsumenten beim Kauf auf Markenprodukte fixieren und auch die Gruppe der Schnäppchenjäger einen Markenbezug hat. Außerdem zeigt die Studie, dass ein markenbewusstes Kaufverhalten nicht von soziodemographischen Daten abhängen muss, da auch bei Familien aus unteren Schichten ein starker Markenbezug existiert. Der Segmentierungsansatz der GfK weist ähnlich wie der Ansatz von KPMG aufgrund der groben Einteilung der Segmente einige Ungenauigkeiten auf. Die Einteilung der Konsumenten erfolgt ohne detaillierte Berücksichtigung der Werte- und Motivstruktur. So werden die psychographischen Hintergründe des Markenkaufs oder des preisorientierten Kaufs kaum beleuchtet. Auch eine Unterteilung der Premium-Käufer in die Wellnessorientierten und die Prestigeorientierten hätte weitere Aufschlüsse geben können. Dabei ist es für ein zielgerichtetes strategisches Handeln des Einzelhandels wichtig zu wissen, welche Motivstrukturen die verschiedenen Segmente beeinflussen. Eine Analyse der psychographischen Hintergründe erscheint im Rahmen von Segmentierungsansätzen umso wichtiger, da auch in der oben beschriebenen Studie gezeigt werden konnte, dass soziodemografische Kriterien nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft besitzen.

Ein weiterer von der GfK durchgeführter Ansatz zur Segmentierung der Konsumenten im Lebensmittelhandel ist die Einstufung aufgrund der durch die Befragten selbst eingeschätzten finanziellen Situation. So gaben in einer im Jahr 2004 durchgeführten Erhebung 26 Prozent an, dass sie sich quasi alles leisten könnten, während rund 50 Prozent von sich behaupteten, sie können nur ihren grundlegenden Bedarf decken. Weitere 24 Prozent sagten

221

sogar aus, sie könnten sich kaum etwas leisten. Die Schlussfolgerung, dass sich die Mehrheit der Premium-Käufer auf die reicheren 26 Prozent verteilen würde, beruht in der Studie jedoch nur auf vagen Vermutungen (vgl. GfK, 2005, S. 17). Eine Erhebung der Bedürfnisstruktur der Konsumenten fand zudem nicht statt.

Eine weitere Studie wurde von dem Coca-Cola Retailing Research Council Europe in Zusammenarbeit mit McKinsey & Company durchgeführt. Zentrales Ziel dieser Untersuchung war eine Erhebung der Gründe für das Wachstum der Discounter und die Auswirkungen auf die nicht zum Discountsegment zählenden Super- und Verbrauchermärkte/SB-Warenhäuser (siehe dazu auch Handelsmagazin 08/2006). Als Basis für die Segmentierung im Rahmen der Untersuchung dienten 10.000 europäische Lebensmittelkunden, die mittels Telefoninterview befragt wurden:

Rein Premiumorientierte 9% Schnelligkeit und Qualität 14%

Rein Preisorientierte 27%

Anspruchsvoller Kunde 9% Desinteressierter Kunde Wertloyalisten 11% 8%

Wertjäger 22%

Abb. 45: Der deutsche Konsument im Lebensmittelhandel nach Segmenten (vgl. McKinsey & Company, 2005, S. 23)

Der Segmentierungsansatz von McKinsey & Company verfolgt einen im Vergleich zu den oben genannten Studien höheren Detailgrad. Identifiziert wurden sieben Segmente: Die „Rein Preisorientierten“ beurteilen die Einzelhändler fast ausschließlich nach dem Preis und besuchen am liebsten den Discounter. Die „Wertjäger“ sind stetig auf der Suche nach dem bestmöglichen Preis, während die „Wertloyalisten“ meist eine bestimmte Einkaufsstätte für den Einkauf von Konsumgütern wählen. Der Preis spielt bei diesen zwar eine wichtige Rolle, allerdings nehmen auch die Qualität und ein umfassendes Produktsortiment einen großen Stellenwert ein. Aus diesem Grund besuchen diese in erster Linie Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser. Der „Desinteressierte Kunde“ hat ein überdurchschnittliches Einkommen 222

und hat beim Lebensmitteleinkauf nur ein geringes Involvement. Der Einkauf muss bei dieser Gruppe schnell ablaufen und die Einkaufsstättenloyalität ist hoch. Der „Anspruchsvolle Kunde“ kauft selten Handelsmarken, ist aber dennoch preisorientiert. Dieser Kundentyp ist vergleichbar mit dem bereits aus den oben genannten Studien bekannten Schnäppchenjäger. Der Kundentyp „Schnelligkeit und Qualität“ hat ein hohes Einkommen und möchte auch hochwertige Produkte kaufen. Mit dem Ziel der Einkaufszeitminimierung orientiert er sich an Markenprodukten. Die Gruppe der „Rein Premiumorientierten“ hat den höchsten Bildungsstand und das größte Vermögen. Dieser Käufertyp möchte Premium-Produkte und einen guten Service. Preisüberlegungen finden hier nicht statt. Ein Segment, das im europäischen Vergleich hervorsticht, ist die Gruppe der preisorientierten Konsumenten, die mit einem Anteil von 49 Prozent („Rein Preisorientierte“ und „Wertjäger“) andere Länder mit Abstand an Größe übertrifft. Dies zeigt, dass die „Geiz ist geil“-Mentalität der Konsumenten besonders ein Problem des deutschen Einzelhandels ist. Leider beleuchtet die Studie an dieser Stelle nicht, wie es um die Konsumbedürfnisse der in Deutschland lebenden ethnischen Minderheiten bestellt ist. Die Segmentierungsstudie brachte eine Reihe weiterer interessanter Aspekte hervor, die in der folgenden Übersicht zusammengefasst sind: •

In Deutschland setzen sich die Besucher im Discounter mit nahezu gleichen Anteilen aus allen Einkommensgruppen zusammen. In anderen europäischen Ländern wird dieser Einkaufsstättentyp in erster Linie von einkommensschwachen Schichten frequentiert.



Preisorientiertes Kaufverhalten ist relativ unabhängig von der Soziodemographie des Konsumenten. Nur 30 Prozent der sparsamen Einkäufer sind Personen mit niedrigem Einkommen (siehe dazu auch Dawson, 2005).



Discounter eignen sich im Allgemeinen für preisorientierte Kunden, die weniger auf Sortiment und Einkaufserlebnis achten.



Auch die deutschen Kunden, die den Discounter besuchen, sind mit Ausnahme vom Preis mit anderen Kriterien unzufrieden. Dies sind besonders die Qualität der dort angebotenen Produkte und das Sortiment.



Rund 40 Prozent der europäischen Lebensmittelhandelkunden bevorzugen nach wie vor Markenartikel.



Im Rahmen des Kundenverhaltens sieht man eine Verstärkung des allgemeinen Trends hin zur Wertorientierung (siehe dazu McKinsey & Company, 2005, S, 63).

Besonders der letztgenannte Punkt beweist den allgemeinen Bedarf an Studien zur Erforschung der Werte- und Motivstruktur des Konsumenten im Lebensmittelhandel. Der oben dargestellte Segmentierungsansatz hat einen Einblick in die Wertorientierung der Käufertypen gegeben. Aufgabe dieser empirischen Forschung soll es sein, detaillierter in diese vor223

zudringen und weitere Aufschlüsse über die Bedürfnisstruktur des Konsumenten in Deutschland zu vermitteln. Hinsichtlich des neuen Trends zu Bio- und Wellnessprodukten findet man in der Studie des Coca-Cola Retailing Research Council Europe keine konkreten Aussagen. Aus diesem Grund wird im Folgenden eine Untersuchung beschrieben, die sich mit diesem Themenbereich auseinandergesetzt hat.

Auf den Bio- und Wellness-Trend in Deutschland geht eine Studie der GfK ein, die sich jedoch nur auf eine Teilmenge der Konsumenten – den sogenannten Anuga-Food-Typen – im Lebensmittelhandel bezieht (vgl. Pech-Lopatta, 2005). Diese stehen für 63 Prozent der Käufer im Lebensmittelhandel und lassen sich in die drei folgenden Segmente aufteilen: •

Convenience: Dieses Segment setzt sich aus Konsumenten zusammen, denen nur ein geringes tägliches Zeitfenster zur Zubereitung von Mahlzeiten zur Verfügung steht. Im Vergleich zu den beiden nachfolgenden Segmenten ist hier der Anteil an Konformisten am größten, d. h. jene Käufer, die wenig probierfreudig sind und sich an den Trends orientieren, die von den Avantgardisten97 vorgegeben werden. Besonders junge Leute und junge Familien können dieser Gruppe zugeordnet werden.



Enjoyment: In diesem Segment ist der Genussfaktor bestimmendes Kaufkriterium. Besonders kinderlose Familien, unabhängig von der sozialen Schicht, gönnen sich gerne etwas bei den Gütern des täglichen Bedarfs.



Wellness: Unter diesem Käufertyp sind jene Konsumenten gemeint, die auf Inhaltsstoffe achten und gerne auch teurere Bio-Produkte erwerben. Besonders aufsteigende Berufstätige, die einen Ausgleich zu ihrem täglichen Arbeitsleben schaffen wollen, sind in diesem Segment zu finden.

Das kaufkräftige „Enjoyment“- und das „Wellness“-Segment haben als Gemeinsamkeit die Bereitschaft, zur Erfüllung ihrer Ziele mehr Geld in die Hand zu nehmen als der Durchschnittskonsument.98 Außerdem probieren diese Konsumenten gerne auch neue Produkte und setzen damit Trends.

Die drei oben beschriebenen Typen unterscheiden sich signifikant von den 37 Prozent der Konsumenten, die nicht im Fokus der Studie standen. Besonders die Handelsmarkenkäufer haben bei den „Anuga-Food“-Typen nur einen kleineren Anteil. Allerdings verteilen sich die Markenkäufer über die oben beschriebenen Segmente gleichmäßig und auch im Vergleich 97

Die GfK wendet hier eine Eingliederung in drei Lebensstiltypen an: der Avantgardist ist der progressive Konsument, der Trends setzt. Der Konformist wird als Mainstream-Konsument und der Traditionalist als „Innovationen scheuendes Gewohnheitstier“ definiert. 98 Der Anteil der Avantgardisten ist in diesen beiden Segmenten überproportional.

224

zu den Konsumenten, die nicht im Fokus standen, ließen sich keine signifikanten Unterschiede aufdecken (vgl. Pech-Lopatta, 2005, S. 39). Ähnliche Ergebnisse zeigen sich bei dem Besuch bestimmter Einkaufsstätten. Während sich im segmentspezifischen Vergleich leichte Unterschiede aufdecken lassen, heben sich die drei identifizierten Typen in ihrer Gesamtheit kaum von den übrigen Haushalten ab: Superemarkets/department store

Remainder (37% of consumers)

21

Self-service store

Convenience / Enjoyment Type

25

Convenience / Wellness Type

24

Wellness Type

23

Enjoyment Type

22

24

Convenience Type

23

22

All households

22

28

30

18

24

30

27 36

21 17

21

Specialist retailer

21

38

20

Enjoyment / Wellness Type

Discounter

18 19 24

36 32 39 36

22 16 21

Abb. 46: Einkaufsstättenwahl der „Anuga-Food“-Typen (vgl. GfK Consumerscan, in: Pech-Lopatta, 2005, S. 43)

Obwohl dieser Ansatz detailliert auf die einzelnen Segmente eingeht und bei der Interpretation der Forschungsergebnisse auch einige Implikationen für den Handel liefert, geht auch diese Segmentierung allein auf den Lebensstil der Konsumenten ein und streift nur am Rande die soziale Komponente. So bleibt die Frage, ob die Mitglieder der drei Gruppen ihr bestimmtes Kaufverhalten auch dahingehend ausrichten, wie sie von ihrem sozialen Umfeld gesehen werden möchten, unbeantwortet. Zudem beziehen sich die Ergebnisse nur auf einen Teil der Grundgesamtheit, eine gezielte Analyse zur Strukturierung der Markenkäufer sucht der Leser der Studie jedoch vergeblich.

Die VuMA führt zweimal jährliche eine rollierende Befragung innerhalb der deutschen Bevölkerung ab vierzehn Jahren durch, um die Einstellung zu Konsum und Umwelt zu erheben. Der aktuelle VuMA-Datensatz besteht aus den vier letzten Erhebungswellen. Damit stehen die Daten von rund 24.358 persönlich-mündlich durchgeführten Interviews zu Auswertungszwecken zur Verfügung. Da der Fragenkatalog sehr umfangreich ist, wird das Interview in einen Face-to-Face-Teil und ein selbst auszufüllendes Haushaltsbuch gesplittet. Somit kann einer Überlastung der befragten Personen vorgebeugt werden. Da eine Übersicht der Er225

gebnisse der gesamten Studie den Rahmen an dieser Stelle sprengen würde, sollen nur jene Erkenntnisse dargestellt werden, die sich als besonders relevant für diese Forschungsarbeit erweisen. Gemäß den Erhebungen der VuMa lässt sich die deutsche Bevölkerung in vier verschiedene Milieurichtungen einteilen. •

Die gesellschaftlichen Leitmilieus: Das mit einem Anteil von 29 Prozent größte Milieu besteht aus den „Etablierten“, den „Postmateriellen“ und den „Modernern Performern“. Insbesondere die „Etablierten“ und die „Modernen Performer“ sind sehr markenorientiert und möchten dies auch nach außen kommunizieren. Grundsätzlich zeichnet sich diese Kategorie zudem dadurch aus, dass sowohl Testberichte als auch die Qualität der Produkte einen hohen Stellenwert haben.



Die Mainstream-Milieus: Dieses Segment deckt 27 Prozent der deutschen Bevölkerung ab und umfasst die „Bürgerliche Mitte“ sowie die „Konsummaterialisten“. Es handelt sich hierbei um die Mitte, die sich durch keine klaren Positionen auszeichnet. Grundsätzlich ist bei diesen Milieus eine Tendenz zu billigeren Produkten zu erkennen.



Die traditionellen Milieus: Mit einem Anteil von 26 Prozent besteht dieses Milieu aus den „Konservativen“, den „Traditionsverwurzelten“ und den „DDR-Nostalgischen“. Ähnlich wie im „Mainstream-Milieu“ sind hier keine eindeutigen Präferenzen zu erkennen. Im Allgemeinen zeichnet sich das Milieu durch eine sparsame Lebensweise aus und der Stellenwert der Marke ist gering.



Die hedonistischen Milieus: Mit 18 Prozent ist dies der kleinste Teil der deutschen Bevölkerung. Dieses Milieu besteht aus den „Experimentalisten“ und den „Hedonisten“ und definiert sich durch ein hohes Trendbewusstsein. Obwohl keine signifikanten Tendenzen zur Sparsamkeit vorhanden sind, müssen es bei diesen Konsumenten nicht immer Markenprodukte sein.

Neben der Einteilung der deutschen Bevölkerung in die oben beschriebenen Milieus lassen sich aus dem umfangreichen Datenmaterial weitere allgemeine Verhaltenstendenzen im Konsum feststellen. So achten beim Einkauf von Lebensmitteln über 65 Prozent der deutschen Bevölkerung mehr auf die Marke als auf den Preis. Bei einigen ausgewählten Lebensmittelprodukten wird in der Studie der VuMa der schwerpunktmäßige Einkaufsort erhoben. So kaufen über 62 Prozent der Konsumenten Brot immer noch beim Bäcker. Dies ist ein Zeichen, dass sich die Discount-Bäckereien oder die Brotabteilungen in den Lebensmittelketten gegen die Qualität und den persönlichen Service des Fachhandels bis dato nicht durchgesetzt haben. Obwohl ein kleiner Teil der Befragung auf die Einkaufsstättenwahl der deutschen Bevölkerung eingeht (siehe oben), wird auf Zusam226

menhänge zwischen der Wahl von bestimmten Einkaufsstätten und den Anforderungen hinsichtlich der dort angebotenen Produkte, wie Preisniveau, Markenangebot oder grundsätzliche Qualität, nicht eingegangen.

Die dargestellten Segmentierungsstudien haben einen Überblick zu bisherigen Ansätzen gegeben, die den deutschen Konsumenten näher beschreiben. Obwohl der vorhandene Rahmen nur einen kleinen Überblick zuließ, konnte in diesem Kapitel gezeigt werden, wie differenziert die Werte- und Bedürfnisstrukturen der deutschen Konsumenten sind. Obgleich in den Segmentierungsansätzen wiederholt bestätigt wurde, dass der preisorientierte Konsument einen großen Anteil in Deutschland einnimmt, konnte auch die Existenz anderer Segmente nachgewiesen werden, die bei den Produkten des täglichen Bedarfs ein gewisses Anspruchsniveau haben. Trotz des oftmals großen Umfangs der beschriebenen Studien wird in diesen nicht auf das Konsumverhalten von ethnischen Minderheiten eingegangen.

Die dargestellten Ansätze zeigen, dass eine Segmentierung der Konsumenten in Deutschland nur unter Fokussierung auf ausgewählte Einflussgrößen durchführbar ist. Die Kriterien waren hier meist psychographische Faktoren, auf die Demographie wurde – wenn überhaupt – nur am Rande eingegangen. Allerdings kann eine Segmentierung, die auf der Werte- und Bedürfnisstruktur des Konsumenten beruht, nur unter einer sinnvollen Reduzierung auf die wesentlichen motivatorischen Hintergründe des Konsumentenverhaltens erfolgen (siehe dazu das Modell dieser Studie: Abb. 15, S. 58).

227

6. Empirischer Teil 6.1. Gestaltung des Fragebogens

Um in der empirischen Erhebung zu gewährleisten, dass das Erhebungsinstrument valide und verlässliche Daten liefert, mussten für das Erhebungsinstrument der Hauptbefragung verlässliche Indikatoren für die in den theoretischen Überlegungen dargestellten Größen gefunden werden. Im Zentrum sollten dabei allgemeine Fragen zum Konsumverhalten bei alltäglichen Gebrauchsgütern und den zugrunde liegenden Werten, Einstellungen und Bedürfnissen stehen. Zudem sollte sich ein weiterer Aspekt der Befragung gezielt auf ausgewählte Produktkategorien bei Lebensmitteln beziehen. Hier musste darauf geachtet werden, dass eine soziale Sichtbarkeit99 des Produkts oder der Dienstleitung vorhanden ist, damit grundsätzlich der Einfluss des sozialen Umfelds wirken kann (siehe dazu auch Witt/Bruce, 1972, S. 442). Hier kann unterstellt werden, dass es im Bereich der alltäglichen Gebrauchsgüter eine Reihe von Produktkategorien gibt, bei denen keine soziale Auffälligkeit vorliegt (z. B. Toilettenpapier). Gleichwohl gibt es auch bei Lebensmitteln Produkte, bei denen diese vorhanden ist. Diese zu identifizieren war Aufgabe des Pretests, dessen Aufbau im Rahmen der Studie nachfolgend beschrieben wird. Durch diese Voruntersuchung sollte sichergestellt werden, dass die in der Theorie unterstellten Faktoren zuverlässig erhoben werden.

6.1.1. Operationalisierung und Durchführung des Pretests

Der Pretest wurde im Januar und Februar 2006 durchgeführt. Es wurden im Raum Augsburg und München 50 Personen zwischen 18 und 35 Jahren befragt. Die ethnische Zugehörigkeit wurde im Rahmen dieser Befragung nicht berücksichtigt. Zur Erhebung der Einstellung wurden siebenstufige unipolare Skalen verwendet. Der Fragebogen enthielt Items zu folgenden Kriterien:100 •

Ethnozentristische Einstellungen: Die Items in diesem Fragenblock sind in Anlehnung an die E-Scale von Adorno und an die Fragebögen von Shimp/Sharma (1987), Birnbreier-Stahlberger und Bonath (1996), Stiesch und Kühn (1992) und Schmidt (1970) erstellt worden. Gesamtanzahl der Items: 14



Einstellung zur Marke: Die Items wurden in Anlehnung an die Markt-Media-Studie der VuMA erstellt und um eigene Statements ergänzt. Gesamtanzahl der Items: 17

99

Unter „sozialer Sichtbarkeit“ wird hierbei verstanden, dass den sozialen Gruppen im Umfeld des Konsumenten, wie den Referenzgruppen, ein leichter Zugang zur Einordnung des Konsumenten aufgrund seines Verhaltens ermöglicht wird. 100 Die Auswahl der Items erfolgte unter Berücksichtigung der formellen Anforderungen an die Messung von Einstellungen nach Edwards (vgl. Edwards, 1957, S. 13 f.).

228



Anforderung an die Leistungstransparenz des Produkts: Diese Items wurden der Markt-Media-Studie entnommen und um Statements aus anderen durchgeführten Studien ergänzt (sinngemäß übernommen aus Kamakura/Wedel, 1995, S. 313). Diese Fragen wurden mit Fokus auf den Gesundheitsaspekt von Lebensmitteln ausgewählt. Die Theorie hat hier gezeigt, dass „Wellness“- und „Bioprodukte“ Produktarten sind, die ein wesentliches Käuferpotenzial im Lebensmittelhandel haben und neben den Markenprodukten und den No-Name-Produkten (Eigenmarken des Handels) wohl die größte Nische besetzen (vgl. Kapitel 3.2.3.3.2). Gesamtanzahl der Items: 18



Einstellung zum Preis: Die Items wurden in Anlehnung an die Markt-Media-Studie der VuMA erstellt und um eigene Statements ergänzt (siehe dazu auch Schürmann, 1987, S. 205). Gesamtanzahl der Items: 18



Einstellung zur sozialen Außenwirkung einer Produktkategorie: In Anlehnung an Ford/Elwood (1980) wurde ein aussagekräftiges Item ausgewählt.



Involvement beim Kauf einer bestimmten Produktkategorie: Hierzu wurden in Anlehnung an Zaichkovsky (1985) zwei Items ausgewählt.

Die Erhebung wurde als Face-to-Face-Interview durchgeführt, wodurch zusätzlich ein erster Eindruck hinsichtlich der Verständlichkeit des Erhebungsinstruments gewonnen werden konnte. Da sich die Statements zur Erhebung des Ethnozentrismus, der Einstellung zu Marke/Preis und zum gesundheitlichen Aspekt hauptsächlich an bereits durchgeführten Befragungen orientieren, traten während des Pretests keine Verständnisprobleme auf. Im zweiten Teil des Pretests wurde die Einstellung zu ausgewählten Produktkategorien abgefragt. Hierzu wurden gängige Bereiche von Lebensmittelprodukten ausgewählt, die im Einzelhandel angeboten werden. Während bei dem Besuch einer Einkaufsstätte eine soziale Sichtbarkeit angenommen werden kann, kann dies bei Marken innerhalb bestimmter Produktkategorien a priori nicht unterstellt werden (vgl. Bearden/Etzel, 1982; Witt/Bruce, 1972). Die theoretischen Überlegungen haben gezeigt, dass subjektive Einflüsse beim Kaufverhalten, wie z. B. der Einfluss des Selbstkonzepts, bei sozial sichtbaren Produkten stärker ausgeprägt sind (vgl. Williams, 2002, S. 254; Kapitel 3.2.1.4, S. 82). Demgemäß besteht die grundsätzliche Tendenz, dass Produkte, die vom sozialen Umfeld kaum wahrgenommen werden, nicht oder nur geringfügig unter dem Einfluss anderer Personen ausgewählt werden (vgl. Ford/Elwood, 1980, S. 125). „Die soziale Bedeutung des Konsums ist untrennbar mit der Öffentlichkeit des Konsums verbunden.“ (Fischer et al., 2002, S. 22). Die Produktkategorien mit der höchsten sozialen Sichtbarkeit sollten für die Hauptbefragung herangezogen werden.

229

Zu den relevanten Produktkategorien wurde zudem das Involvement abgefragt. In Anlehnung an die theoretischen Überlegungen zur Wirkung des Involvements (vgl. Kapitel 3.2.4) sollten im Pretest jene Produktkategorien ermittelt werden, die bei den Befragten keine negativen Extrempositionen einnehmen. So kann ein geringes Involvement bei bestimmten Produktkategorien der Indikator dafür sein, dass eine soziale Orientierung oder eine Orientierung an Marke und Preis bei der Produktwahl a priori unwahrscheinlich ist. Durch die Erhebung der sozialen Beeinflussbarkeit unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Involvements sollte vermieden werden, dass in der Hauptbefragung Produktkategorien herangezogen werden, bei denen grundsätzlich ein allgemeines Desinteresse gegenüber den gegebenen Produktinformationen besteht. Dies wäre kontraproduktiv gegenüber dem Forschungsziel, verschiedene Konsumentensegmente aufgrund ihrer Produktwahrnehmung in bestimmten Bereichen der alltäglichen Gebrauchsgüter zu vergleichen. Um den Umfang des Pretests in Grenzen zu halten, wurde die Anzahl der Statements je Produktkategorie gering gehalten.

Bei der Auswahl der Produktkategorien wurde berücksichtigt, ob eine Kulturgebundenheit gegeben ist, denn es kann bei einigen Produkten des täglichen Bedarfs davon ausgegangen werden, dass diese ausgeprägt ist (vgl. Meffert/Bolz, 1994, S. 174; Mennicken, 2000, S. 134). Folgende Unterscheidung kann hier durchgeführt werden (vgl. Wilken, 2004, S. 51): •

Produktkategorien, bei denen die kulturellen Ansprüche der relevanten Zielgruppen ohne Anpassungen mit dem Produkt vereinbart werden können. Die Kulturunterschiede zwischen den ethnischen Zielgruppen sind gering bzw. nicht vorhanden.



Produktkategorien, bei denen Produkte und kulturelle Ansprüche nicht gegenseitig angepasst werden können.



Produkte, die an die Ansprüche der ethnischen Gruppen angepasst werden können. Dies kann durch Variation oder Differenzierung erfolgen.

Da kulturelle Normen und Restriktionen bei der Produktwahl ausgeschlossen werden sollten, empfahl es sich im Rahmen der Studie, Lebensmittel zu wählen, bei denen keine kulturelle Anpassung vorgenommen werden muss. „Ethnic Food“ ist hier mit besonderer Vorsicht zu behandeln.101 Bei den betreffenden Produktkategorien sollten somit Produkte herangezogen werden, die nicht mit den kulturellen Ansprüchen und religiösen Einschränkungen von Deutschen und den in Deutschland lebenden Türken (wie z. B. Schweinefleisch bei Muslimen) in Konflikt stehen.

Die theoretischen Überlegungen haben gezeigt, dass der Einfluss des Geschlechts auf das Kaufverhalten grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Yardley/Honess, 1987, 101

Zum Beispiel beschreiben Belk/Mehta die Furcht indischer Minderheiten in Amerika, ihre amerikanischen Gäste mit indischem Essen zu bewirten aus Angst, es würde ihnen nicht schmecken (vgl. Belk/Mehta, 1991, S. 407).

230

S. 100, Kapitel 3.2.1.2.2). Um Verzerrungen aufgrund geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen zu vermeiden, wurden die Teilnehmer des Pretests nach ihrem Geschlecht befragt. Ziel war es, für die Hauptbefragung nur jene Produktkategorien heranzuziehen, bei denen hinsichtlich der sozialen Orientierung und des Involvements keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern vorliegen und somit der Einfluss dieses Faktors auf das Käuferverhalten im Rahmen der Studie ausgeschlossen werden kann.

Unter Berücksichtigung der obigen Überlegungen wurden in Anlehnung an eine Studie der GfK folgende Produktgruppen in den Pretest aufgenommen. Die rechte Spalte spiegelt jene Kategorien wider, zu denen im Rahmen des Pretests die soziale Auffälligkeit und das Involvement erhoben wurden: Markenkäufer

Promotionkäufer

Handelsmarkenkäufer 29

Tee oder Kaffee

Heißgetränke

32

39

Wasch-, Putz-, Reinigungsmittel

35

32

Molkereiprodukte

35

20

45

-

Papierartikel

35

22

43

-

41

-

Reinigungsartikel

33

20

Konserven

39

Nahrungsmittel

40

26

34

Gemüse und Obst

TKK / Eis / Fertiggerichte

41

22

36

Tiefkühlpizza

Backwaren

47

Süßwaren

48

Gebäck oder Kekse

33

21

27

25 31

21

Schokolade/-riegel/ Gebäck, Kekse/ Kaugummis/ Chips

Körperpflege

48

Alkoholfreie Getränke

49

25

27

Süßgetränken

Feinkost

51

20

29

-

Alkoholische Getränke

51

31

18

Taschentücher/ Kosmetikartikel

Bier / Spirituosen

Abb. 47: Käuferstruktur nach Produktbereichen (vgl. GfK Consumerindex 1999, in: GfK Shopper-Typen, 2000)

Bei der Auswahl der Produkte für den Pretest wurden in Anlehnung an die Studie von Dolich folgende Auswahlkriterien herangezogen (vgl. Dolich, 1969, S. 81): •

Die Produkte müssen von der Bevölkerung regelmäßig konsumiert werden.



Die Produkte müssen in allen der in Kapitel 1.3 dargestellten Einkaufsstättentypen erhältlich sein.



Bei den Produkten sollte nicht vor dem Pretest die Wahrscheinlichkeit des sozial auffälligen oder symbolischen Konsums ausgeschlossen werden können (siehe dazu auch Bearden/Etzel, 1982; Escalas/Bettman, 2005).



Zu allen Kategorien sollen im Handel Markenprodukte und No-Name-Produkte (Eigenmarken des Handels) vorhanden sein. 231

Aufgrund der oben genannten Kriterien wurden nicht alle Produktbereiche aus dem GfK Consumerindex in den Pretest aufgenommen. Bei Papierprodukten, Konserven und Molkereiprodukten ist die Wahrscheinlichkeit des sozial auffälligen Konsums a priori auszuschließen. Der sehr hohe Anteil der Handelsmarkenkäufer bei diesen Produktbereichen ist hierfür ein bestätigender Hinweis (vgl. Abb. 47, S. 231). Auch Feinkostprodukte wurden ausgeschlossen, da diese häufig nicht regelmäßig gekauft werden und zudem nicht überall erhältlich sind.

6.1.2. Ergebnisse der Pretests

Da die Befragung unter Anwesenheit des Interviewers durchgeführt wurde, betrug die Rücklaufquote 100 Prozent. Gelegentlich tauchten bei einer der Fragen zum Involvement Verwirrung auf, da hier absichtlich eine doppelte Verneinung gewählt wurde, um sicherzustellen, dass sich die befragte Person mit der Thematik auseinandersetzt. Dies konnte in den betreffenden Fällen nach Rücksprache mit dem Interviewer geklärt werden. Die 50 befragten Personen teilten sich folgendermaßen nach Geschlechtern auf:

Anzahl Weiblich

24

Männlich

26

Tab. 20: Aufteilung der Stichprobe im Pretest nach Geschlecht

Die Stichprobe innerhalb des Pretests teilt sich gleichmäßig innerhalb der Geschlechter auf. Damit in der Hauptuntersuchung ein Einfluss des Geschlechts auf das Konsumverhalten bei den ausgewählten Produktkategorien ausgeschlossen werden kann, wurde für die Produktkategorien hinsichtlich des Konsums in Gesellschaft und des Involvements102 ein Mittelwertvergleich bei unabhängigen Stichproben (t-Test) durchgeführt.103 Zudem wurden für die Gesamtstichprobe die Mittelwerte dieser beiden Größen erhoben. Für die Auswahl der Produktkategorien für die weiteren Untersuchungen in der Hauptbefragung wurden folgende Kriterien herangezogen: 1. Keine geschlechtsspezifischen Unterschiede des sozial sichtbaren Konsums innerhalb der Produktkategorie.

102

Da zur Erhebung des Involvements zwei Statements dienten, wurde hier der arithmetische Mittelwert herangezogen. Nachdem die Reliabilität dieser Statements bereits bei Zaichkovsky (1985) ausführlich überprüft worden ist, wurde auf eine weitere Untersuchung in dieser Studie verzichtet. Das negativ formulierte Statement wurde zur Auswertung umkodiert. 103 Die Auswertung der Befragung erfolgte mit SPSS 11.5.

232

2. Keine geschlechtsspezifischen Unterschiede des Involvements innerhalb der Produktkategorie. 3. Fokus auf Produkte mit hohem Mittelwert in der Stichprobe bzgl. des Kriteriums „Konsum in Gesellschaft“. 4. Keine Berücksichtigung von Produkten, bei denen ein schwacher Mittelwert bei dem „Involvement“ vorliegt. Die oben stehende Aufzählung stellt einen hierarchisch angeordneten Kriterienkatalog dar, nach dem die Auswahl der Produktkategorien erfolgen sollte. Folgende Ergebnisse brachten die Analysen hervor: Konsum in Gesellschaft

Involvement

Ausprägung des Konsums in der Gesellschaft

Ausprägung des Involvements

Unterschied der Geschlechter

Unterschied der Geschlechter

Gesamtstichprobe

Gesamtstichprobe

Sig. (2-seitig)

Sig. (2-seitig)

Mittelwert

Mittelwert

Tee oder Kaffe

,633

,247

4,36 Ĺ

4,31 Ļ

Bier

,410

,765

3,14 Ļ

4,55 Ĺ

Schokolade

,503

,885

2,98 Ļ

4,33 Ļ

Tiefkühlpizza

,931

,767

3,04 Ļ

4,48 Ĺ

Gemüse und Obst

,995

,670

3,74 Ĺ

4,65 Ĺ

Gebäck oder Kekse

,572

,458

3,22 Ļ

4,51 Ĺ

Schokoriegel

,642

,711

3,38 Ļ

4,46 Ĺ

Kaugummi

,189

,324

4,54 Ĺ

4,13 Ļ

Spirituosen

,867

,069

2,80 Ļ

4,69 Ĺ

Taschentücher

,318

,097

3,90 Ĺ

3,81 Ļ

Süßgetränke

,816

,417

3,16 Ļ

4,43 Ĺ

Kosmetik

,550

,880

2,76 Ļ

5,04 Ĺ

Reinigungsartikel

,647

,186

4,22 Ĺ

4,01 Ļ

Kartoffelchips

,901

,256

4,36 Ĺ

4,35 Ļ

3,54

4,41

Durchschnitt:

Tab. 21: Involvement und sozialer Konsum im Produktvergleich

104

Die Auswertung des Datenmaterials zeigte, dass Kriterium eins von allen Produktkategorien erfüllt wird. Hinsichtlich des Konsums in Gesellschaft anderer Personen konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den männlichen und den weiblichen Befragten festgestellt werden. Lediglich bei der Produktkategorie „Kaugummis“ ist von tendenziellen Unterschie-

104

Basis: siebenstufige Skalen (1= trifft gar nicht zu; 7= trifft voll zu); Ļ XQWHUGXUFKVFKQLWWOLFKHU0LWWHOZHUW

Ĺ berdurchschnittlicher Mittelwert.

233

den auszugehen. Grundsätzlich kann aber bei allen Kategorien der Einfluss des Geschlechts auf den sozial sichtbaren Konsum ausgeschlossen werden.105 Ein geschlechtsspezifischer Unterschied hinsichtlich des Involvements kann nicht bei allen Produktgruppen ausgeschlossen werden. Kriterium zwei ist für die Produktkategorie „Spirituosen“ (p