Risiken und Insolvenz : die Behandlung von Rückstellungen in der Uberschuldungsbilanz 9783835092914, 383509291X [PDF]


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Risiken und Insolvenz : die Behandlung von Rückstellungen in der Uberschuldungsbilanz
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Zitiervorschau

Dietmar Schuiz Risiken und Insolvenz

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Dietmar Schuiz

Risiken und Insolvenz Die Behandlung von Rucksteliungen in der Uberschuldungsbilanz

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Martin Schwab

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Bibiiothek Die Deutsche Bibiiothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationaibibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.

Dissertation Freie Universitat Berlin, 2006

I.Auflage August 2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Stefanie Loyal Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0446-8 ISBN-13 978-3-8350-0446-7

Geleitwort Das Bilanzrecht, wie es im Handelsgesetzbuch niedergelegt ist, ist auf die Interessenlage eines werbenden Unteraehmens zugeschnitten. Der JahresabschluB soil einen (Jberblick iiber die Vermogens-, Finanz- und Ertragslage ermoglichen. Dies liegt zunachst im Interesse der Selbstinformation eines Kaufmanns Uber die Situation seines Untemehmens. Das Bilanzrecht bedient indes noch wesentlich vielfaltigere Belange: Der JahresabschluB soil den ausschiittbaren Gewinn ermitteln helfen, extemen Investoren als Informationsgrundlage dienen und dabei zugleich sicherstellen, daB im Interesse der'Glaubiger keine Mittel an den Kaufmann bzw. an die Anteilseigner abflieBen, die das Untemehmen zum Uberleben benotigt. Der Eintritt der Uberschuldung verandert nicht die beteiligten Interessen als solche, wohl aber deren Gewicht: Denn namendich in Kapitalgesellschaften, deren Geschaftsleitungsorgane im Falle der Uberschuldung verpflichtet sind, Insolvenzantrag zu stellen, muB die Schwelle, jenseits derer ein solcher Antrag gestellt werden muB, verlaBlich ermittelt werden. Die Selbstinformationsfunktion der Bilanz riickt plotzlich deutlich in den Vordergrund. Das wirft die Frage auf, welche Regelungen, die fur ein werbendes Untemehmen auBerhalb der Krise gedacht sind, auch in der Uberschuldungssituation Anwendung finden konnen. Dieser Frage ist die vorliegende Arbeit gewidmet. Der Verfasser untersucht das Problem zunachst fiir die Aktiv-, spater aber auch fiir die Passivseite der Bilanz und geht dabei namendich auf die Besonderheiten der Ruckstellungsbildung ein. Die Arbeit bietet dem am Thema interessierten Leser eine aufschluBreiche Lektiire. Sie gibt einerseits einen kompakten Uberblick iiber den bereits erreichten Erkenntnisstand, liefert aber andererseits dariiber hinaus fUr die Bilanzierung auf der Aktiv- und noch mehr auf der Passivseite wertvolle neue DenkanstoBe. Trotz der hohen Komplexitat und Abstraktion, welche der behandelten Materie innewohnt, ist die Arbeit flussig und gut lesbar geschrieben. Der Leser darf sich auf eine ertragreiche Abhandlung freuen. Berlin, im Mai 2006

Prof. Dr. Martin Schwab

Vorwort Die Uberschuldungsmessung ist zweifellos eine Materie, die sich in der Praxis im wesentlichen mit Zahlen beschaftigt. Die Grundlagen der (Jberschuldungsmessung, angelegt in der Insolvenzordnung, konnten allerdings juristischer kaum sein. Die vorliegende Arbeit, durch die Praxis inspiriert, befasst sich mit diesen juristichen Grundlagen. Schliesslich wurde diese Arbeit im Herbst 2005 auch vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universitat Berlin als Dissertationsthema angenommen. Mein Dank gilt daher in erster Linie meinem Doktorvater Prof. Dr. Martin Schwab, dessen Anregungen und analytische Kritik sehr zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Mein Dank gilt femer Herm Alfred Hagebusch, der mich erstmals mit der Fragestellung dieser Arbeit in der Praxis in Beriihrung gebracht hat. Danken moechte ich zudem Herm Bendedikt Bader und Herm Hans-Henning Wolters fUr die sachdienlichen Hinweise bei der Durchsicht des Manuskripts und naturlich meinen Eltern und alien andereren lieben Menschen, die mich beim Schreiben der Arbeit unterstuzt haben. London, im Mai 2006

Dr. Dietmar Schulz, LL.M.

VII

Inhaltsverzeichnis A:

Einflihrung

1

I. Problemstellung

1

n. Gang der Untersuchung

2

B:

Die Uberschuldung

4

I. Orientierung

4

1. Begriffliche Abgrenzung

4

a) Unterkapitalisierung, Unterbilanz, buchmaBige Uberschuldung

4

b) Liquidationsbilanz

6

c) Insolvenzeroffnungsbilanz

6

d) Uberschuldung und Strafrecht

7

2. Uberschuldung als Insolvenzgrund

7

a) Abgrenzung zu dem Insolvenzgrund der Zahlungsunfahigkeit

8

b) Die Uberschuldung im Umfeld der Untemehmenskrise n. Entwicklung der Uberschuldung als Insolvenzgrund

8 11

1. Quellen

11

2. Uberschuldungselemente

12

a) Ausgangspunkt der Entwicklung

13

b) Entwicklung des iiber den Wortlaut hineinzulesenden Tatbestandsmerkmals der Prognose

14

(1)

einstufige Uberschuldungsmessung

(2)

Bedurfnis nach einer Erweiterung der rechnerischen Uberschuldung zur

zweistufigen Uberschuldung

14 16

(a)

Dynamischer Untemehmensablauf

17

(b)

Ubertriebener Glaubigerschutz

18

(c)

Mangelnde Objektivierung

19

c) Erweiterung der materiellen Tatbestandsmerkmale der Uberschuldung zweigliedrigerUberschuldungstatbestand (1)

20

Zweigliedriger Uberschuldungstatbestand bei Gleichwertigkeit von

rechtlicher und rechnerischer Uberschuldung

21

(2)

Zweigliedriger Uberschuldungstatbestand bei Primat der Prognose

22

(3)

Dreigliedriger Uberschuldungstatbestand

23

(4)

Ermittlung der Uberschuldung auBerhalb mehrgliedriger

Uberschuldungsmessung d) Prognose der Lebensfahigkeit (1)

Prognose mittels Finanzplan

24 25 26 IX

(2)

Inhalt des Finanzplans

e) Uberschuldungsbegriff nach § 19 InsO

27 28

(1)

Vorstellung des Gesetzgebers

28

(2)

Uberschuldung als Bewertungsproblem?

31

(3)

WUrdigung

31

3. Zwischenergebnis: Notwendigkeit zum zweigliedrigen Uberschuldungstatbestand ni. Materielle Voraussetzungen der Uberschuldung 1. Systematik der Uberschuldungsmessung a) Der Tatbestand der Uberschuldung im System der Insolvenzgriinde (1)

35 35

Uberschuldung, drohende und tatsachliche Zahlungsunfahigkeit

35

(2)

Anforderungen an den Finanzplan

37

(3)

Rechtspolitische Bedeutung

38

b) Wirtschaftliche Betrachtungsweise

39

c) Folgerungen

40

(1)

Darstellung des Schuldendeckungspotentials

40

(2)

Von der Bewertung losgeloste Uberschuldungsmessung

43

2. Konzeptionelle Anforderungen an die Uberschuldungsmessung

46

a) Zweigliedrigkeit der Uberschuldungsmessung

46

b) Vermogensubersicht (rechnerische Uberschuldung)

49

c) Zukiinftige Entwicklung (rechtliche Uberschuldung)

49

(1)

Konzeptionelle Notwendigkeit

49

(2)

Inhaltliche Anforderungen

51

d) Ausgestaltung der Selbstpriifung auf Uberschuldung rV.Ergebnis C:

34 35

52 53

Grundlagen der insolvenzrechtlichen Bilanzierung

55

I. Charakteristika der Vermogensabbildung im Verfahren der Uberschuldungsmessung 1. Sonderbilanz

56

2. Zweck der Uberschuldungsbilanzierung

58

a) Rechnungslegung im Umfeld der Uberschuldung

58

b) Funktion der Uberschuldungsbilanz

60

(1)

Realistisches Vermogensbild

60

(2)

Glaubigerschutz

61

(3)

Insolvenzvorsorge

63

(4)

Information

(a) X

56

Interessenlage der an der Untemehmenskrise Beteiligten

64 64

(b)

Art und Umfang der Information

65

c) Zwischenergebnis: Informatorischer Charakter der Uberschuldungsbilanz.. 66 3. Vermogensabbildung in der Uberschuldungspriifung analog einer vorhandenen Bilanzkonzeption

67

a) Sonderbilanzierung als bewuBte Regelungslucke

68

b) Analoge Anwendung des Systems der handelsrechtlichen Bilanzierung zur Erstellung ordentlicher Jahresabschlusse

68

c) Analoge Anwendung der Konzeption der insolvenzrechtlichen Bilanzierung

72

d) Uberschuldungsbilanzierung analog der Liquidationsbilanzierung

74

e) JUngere Tendenzen

77

f) Rechtsprechung

78

g) Zwischenergebnis

79

4. Ergebnis

80

n. Standardisierte Vermogensabbildung im kontinuierlichen UntemehmensprozeB

80

1. Funktionale Aspekte der Bilanzierung

81

a) Bilanztheoretischer Ausgangspunkt

83

(1)

Statische Bilanz

83

(2)

Dynamische Bilanz

85

(3)

Organische Bilanztheorie

87

b) Handelsrechtlicher Ausgangspunkt c) Zweckbestimmung Aspekte der Bilanzierung (1)

Bilanztheoretischer Ansatz

88 90 91

(2)

Handelsrechtlicher Ansatz

92

(3)

Zweckbestimmende Faktoren der Rechnungslegung

92

(a)

Adressaten der Rechnungslegung und deren Interessen

92

(b)

Zielsetzung der Rechnungslegung

94

d) Zwischenergebnis

95

e) Folgerungen fur die Uberschuldungsbilanz

95

2. Gewinnung objektiver MaBstabe der Bilanzierung

96

a) Abhangigkeit der objektiven MaBstabe und deren materieller Ausgestaltung von der Funktion der Rechnungslegung

96

b) Handelsrechtlicher Ansatz

97

(1)

Strukturbestimmende Grundwertungen

97

(2)

Struktur der Prinzipien

100

(3)

Zwischenergebnis

103 XI

3. Ergebnis

103

ni. Anforderungen und Ausgestaltung einzelner Grundsatze ordnungsgemaBer Bilanzierung zur Abbildung der Vermogenslage innerhalb der Uberschuldungsprufung 1. Prinzipielle Anforderungen der Uberschuldungsbilanzierung

105 106

a) Elementare Anforderungen an die Uberschuldungsbilanzierung

106

b) Anwendungsgehalt allgemeiner Bilanzierungsprinzipien

108

(1)

Das Gebot der Vorsicht

108

(a)

Realisation

108

(b)

Imparitat

109

(2)

Pagatorik, Fortfuhrung, Periodisierung, Vergleichbarkeit, Stetigkeit... 109

(3)

Einzelbewertung und Stichtag

Ill

c) Spezifische Anwendung der Prinzipien bei Erstellen der Uberschuldungsbilanz (1)

Abbildung der tatsachlichen Vermogenslage

113

(2)

Einzelbewertung

113

(3)

Widerlegung der Fortfuhrungspramisse

114

(4)

Keine Periodisierung

116

(5)

Realisation, Imparitat

117

(6)

Ergebnis

118

2. Materielle Anforderungen an die Uberschuldungsbilanz a) Bewertung des Vermogens (1)

Fortfuhrungswerte

(2)

Verkehrswerte

b) Belastungen IV. Ergebnis D:

113

Belastende Sachverhalte in der Untemehmenskrise

I. Umfang belastender Sachverhalte 1. Normativer Rahmen

119 119 119 120 122 122 125 125 126

a) Fehlen normierter Determinanten zur Erfassung von Belastungen vor Eroffnung des Insolvenzverfahrens

126

b) Formaljuristische contra wirtschaftliche Betrachtungsweise

129

c) Zwischenergebnis: Wirtschaftliche Betrachtungsweise

131

2. Vermogensmindemde Positionen in der Untemehmenskrise a) Unbelastende Positionen der Passiva

XII

132 133

b) Verbindlichkeiten der „Insolvenzglaubiger"

134

c) Latente Risiken aus riickstellungsrelevanten Sachverhalten?

135

3. Folgerung: Ruckstellungsrelevante Sachverhalte sind im Verfahren der Uberschuldungspriifung zubeachten n. Ruckstellungsbilanzierung als Regelbilanzierung 1. Allgemeine Grundlagen der Ruckstellungsbilanzierung a) Bilanztheoretischer Ansatz (1)

Statische Bilanzauffassung

(2)

Dynamische Bilanzauffassung

b) Historic

136 140 140 143 143 144 145

c) Ruckstcllungen und Verbindlichkeiten

149

d) Ergebnis

151

(1)

Riickstellungsbcdurftige S achvcrhalte haben belastcnden Charakter... 151

(2)

Folgerung fUr die Uberschuldungsmcssung

2. RUckstellungen im handelsrechtlichen NormengefUge

152 153

a) Eingrenzung

154

b) Handclsrechtliche Grundsatze zur Bilanzierung von RUckstellungen

155

(1)

Das Vorsichtsprinzip und seine Konkretisierungen

155

(2)

Objektivierungsprinzipien

157

(3)

Mechanismen der Schatzung

3. VerbindlichkeitsrUckstellungen a) UngewiBheit Uber den rUckstellungsbedUrftigen Sachverhalt b) Verursachungszeitpunkt (1)

Rechtlicher Entstehungsablauf

158 158 159 160 161

(2)

Dynamischer Entstehungsablauf

162

(3)

Handclsrechtliche Verursachungskonzeption

163

(4)

Bilanzierungspraxis

c) AuBenverpflichtung

163 165

(1)

Schuldrechtliche AuBenverpflichtung

165

(2)

offentlich-rechtliche AuBenverpflichtung

165

(3)

Faktische AuBenverpflichtung

167

(4)

Sonderfalle

168

d) Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme

169

e) Relevante Sachverhalte fUr VerbindlichkeitsrUckstellungen

173

4. DrohverlustrUckstellungen

173

a) Schwebendes Geschaft

174

(1)

Geschaft

(2)

schwebend

b) Drohender Verlust

174 175 177 XIII

(1)

Verlust

177

(2)

Drohend

177

(3)

Bewertung des Verlustrisikos

178

c) Relevante Sachverhalte fiir Drohverlustriickstellungen

179

5. Aufwandsriickstellungen

180

6. Bewertung

182

7. Ergebnis

183

a) Nach Regelbilanzierung anzusetzende Ruckstellungen

183

b) Folgerungen

184

(1)

Auswirkungen auf die Uberschuldungsmessung

184

(2)

Auswirkungen auf das Schuldendeckungspotential

185

(a)

Uberschuldungsbilanz

186

(b)

Prognose

186

(3)

Erheblichkeit riickstellungsrelevanter Sachverhalte in der Uberschuldung

ni. Abbildung von Belastungen in der Uberschuldungsbilanz 1. Ansatz (AuBenverpflichtung) a) Dynamische Belastungen (Abgrenzung zu Innenveq)flichtungen)

187 188 189 189

b) Wirtschaftliche Verursachung (Verursachungszeitpunkt der anzusetzenden Belastung)

192

2. Hohe

194

3. Ausgewahlte Belastungen

197

E:

a) Eigenkapitalersetzende Darlehen

197

b) Pensionsverpflichtungen

198

c) Umweltlasten, Produkthaftung

199

d) Sozialplanverpflichtungen

200

Gesamtergebnis und SchluBbetrachtung

202

I. Gesamtergebnis

202

n. SchluBbetrachtung

206

XIV

AbkUrzungsverzeichnis a.A.

anderer Auffas sung

aaO

am angegebenen Ort

abgedr.

abgedruckt

Abs.

Absatz

Abt.

Abteilung

abzgl.

abzuglich

aE AG AG

am Ende Aktiengesellschaft

Anh.

Anhang

AktG

Aktiengesetz

allg. amtl.

allgemein

Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift

amtlich

Anm.

Anmerkung

AO

Abgabenordnung

Art.

Artikel

AtomG

Atomgesetz

BB Bd.

Betriebsberater

bearb.

bearbeitet

Band

begr.

begriindet

betr.

betreffend

BetrAVG

Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz)

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz

BFH

Bundesfinanzhof

BFHE

Entscheidungssammlung des Bundesfmanzhofs

BFuP

Zeitschrift fur Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis

BGB

Burgeriiches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungssammlung der Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BiBu

Zeitschrift fur Bilanz und Buchhaltung

BiRiLiG

Bilanzrichtliniengesetz

XV

BMJ

Bundesministerium der Justiz

bspw.

beispielsweise

BStBl.

Bundessteuerblatt

BT-Drs.

Bundestagsdrucksachen

BVerG

Bundesverfassungsgericht

BverfGE

Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts

bwA

betriebswirtschaftliche Auswertungen

bzgl.

bezUglich

bzw.

beziehungsweise

d.

des

(largest.

dargestellt

DB DCF

Der Betrieb

DMBilG

Gesetz iiber die Eroffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapi

Discounted Cash Flow talneufestsetzung

DStR

Zeitschrift fur Deutsches Steuerrecht

DtZ

Deutsch-Deutsche Rechtszeitschrift

DVFA

Deutsche Vereinigung fur Finanzanalyse und Anlageberatung

ebd.

ebenda

EG

Europaische Gemeinschaft

EGHGB

Einfuhrungsgesetz zum Handelsgesetzbuch

EGInsO

Einfuhrungsgesetz zur Insolvenzordnung

EG-Richtlinie

Richtlinie der Europaischen Gemeinschaft

EStG

Einkommensteuergesetz

EU

Europaische Union

e.V.

eingetragener Verein

EWG EZB FAR FAZ Fn

Europaische Wirtschaftsgemeinschaft

fortg.

fortgefiihrt

GenG

Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften

gem.

gemaB

ggfGesamtVollstrO

gegebenenfalls Gesamtvollstreckungsordnung

GmbH

Gesellschaft mit beschrankter Haftung

XVI

Europaische Zentralbank FachausschuB Recht Frankfurter AUgemeine Zeitung FuBnote

GmbHG

Gesetz betreffend Gesellschaften mit beschrankter Haftung

GmbHR

GmbH-Rundschau, Zeitschrift

GoB GrS GuV HGB

Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung

Handelsgesetzbuch

hrsg.

herausgegeben

IDW

Institut der Wirtschaftsprufer

InsO

Insolvenzordnung

i.S.d.

im Sinne des

i.U.

im Ubrigen

i.V.m.

in Verbindung mit

JZ KG KO

Juristenzeitung, Zeitschrift

GroBer Senat Gewinn und Verlust

Kommanditgesellschaft Konkursordnung

KonTraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unteraehmensbereich

KTS

Zeitschrift fur Konkurs, Treuhand und Sanierung

KWG

Gesetz iiber das Kreditwesen (Kreditwesengesetz)

Losebl.

Loseblatt

m.a.W.

mit anderen Worten

mwN NJW

mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport

Nr. NRW NWB

Nummer

o.a.

Oder ahnlich

OLG

Oberlandesgericht

o.V.

ohne Verfasser

OVG

Oberverwaltungsgericht

PublG

Nordrhein Westfalen Neue Wirtschaftsbriefe, Zeitschrift

Gesetz iiber die Rechnungslegung von bestimmten Untemehmen und Konzemen (Publizitatsgesetz)

RefEInsO

Referentenentwurf zur Insolvenzordnung

RegE

Regierungsentwurf

regelm.

RegelmaBig

RFH

Reichsfmanzhof

RGBl.

Reichsgesetzblatt XVII

RGZ

Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn

Randnummer

ROHG

Reichsoberhandelsgericht

ROHGE

Entscheidungssammlung des Reichsoberhandelsgerichts

RStBl.

Reichssteuerblatt

S.

Seite

sog.

sogenannt

Sp.

Spake

StOB

Strafgesetzbuch

StuW

Steuer und Wirtschaft, Zeitschrift

Tz.

Textziffer

u.a.

unter anderem

V.

von

VAG

Versicherungsaufsichtsgesetz

Verf.

Verfasser

VerglO

Vergleichsordnung

vgl.

vergleiche

VOB/B

Verdingungsordnung fur Bauleistungen

WM

Wertpapiermitteilungen

WiB

Wirtschaftsrechtliche Beratung

WiKG

Gesetz zur Bekampfung der Wirtschaftskriminalitat

WPg

Die Wirtschaftspriifung, Zeitschrift

ZfB

Zeitschrift fur Betriebswirtschaft

ZGR

Zeitschrift fiir Untemehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift fur das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZinsO-Praxis

Zeitschrift fiir das gesamte Insolvenzrecht

ZIP

Zeitschrift fiir Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

XVIII

A: Einfuhrung I,

Problemstellung

Kommt ein Untemehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten und Liquiditatsengpasse, sprechen wir von der Untemehmenskrise oder schlicht der Krise. In dieser Situation steht die planmaBige Durchfuhrung des Untemehmensgegenstands in Frage. In diesem Zustand vermag das fortgefuhrte Untemehmen zudem fremdes Vermogen zu gefahrden, das entweder der Gesellschaft zur Eigenkapitalausstattung, als Fremdkapital oder in Form von Warenkrediten zur Verfiigung gestellt wurde. Aus diesem Grunde besteht bei Vorliegen von Insolvenzreife, das heiBt bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes, die Moglichkeit, das Untemehmen durch das Insolvenzverfahren von der weiteren unkontrollierten Teilnahme am gewohnlichen Rechtsverkehr femzuhalten. In der Untemehmenskrise ist daher eine Uberpriifung auf Insolvenzreife geboten, das heiBt eine Uberpriifung auf das Vorliegen von Insolvenzgriinden, die zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens fuhren konnen. Ein Insolvenzgrund ist die Zahlungsunfahigkeit, die vorliegt, wenn das Untemehmen seinen Zahlungsverpflichtungen gegeniiber Dritten nicht mehr nachkommen kann. Fur Untemehmen, deren Haftungskapital beschrankt ist, ist daneben auch die nach auBen nicht erkennbare Uberschuldung zwingender Grund dafiir, die Eroffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Zur Feststellung der Uberschuldung ist de lege lata gemass § 19 Abs. 2 InsO^ das Vermogen des Untemehmens seinen Schulden gegenuberzustellen. Ziel dieser Gegeniiberstellung ist es, Auskunft dariiber zu erhalten, ob dem betroffenen (in der Haftungsmasse beschrankten) Untemehmen noch ausreichendes Schuldendeckungspotential zur Verfiigung steht oder ob anderafalls die planmaBige Durchfuhmng des Untemehmensgegenstandes in Frage steht bzw. fremdes Vermogen gefahrdet ist. Letzteres stellt zugleich die Lebensfahigkeit des Untemehmens in Frage. Aus diesem Grund sind in der Untemehmenskrise zur Feststellung der Uberschuldung der Umfang von Vermogen und Schulden zu ermitteln^. Der Vorgang zur Feststellung der Uberschuldung gestaltet sich in der Praxis nicht unproblematisch. Problematisch ist dabei zunachst die Bewertung von Vermogenswerten Gem. § 19 Abs. 2 InsO ist die Uberschuldung dann gegeben, wenn das Vermogen die Schulden nicht mehr deckt, vgl. ausfuhrlich sub B II. 1. Wenn es darum geht, die Vermogenslage eines Untemehmens in der Krisensituation einzuschatzen, dient dazu in der Praxis der zur Verfiigung stehende Jahresabschluss des Untemehmens, der durch die Bilanz, die GuV-Rechnung und den Lagebericht, soweit vorhanden, einen ersten Einblick hieruber vermittelt.

1

des Unternehmens trotz der Vorgabe in § 19 Abs. 2, S. 2 InsO, wonach „bei der Bewertung des Vermogens (...) die FortfUhrung des Unternehmens zugrunde zu legen [ist], wenn diese nach den Umstanden Uberwiegend wahrscheinlich ist." Zudem ist fraglich, welche Bedeutung der Lebensfahigkeit des Unternehmens im Verfahren der Uberschuldungsmessung zukommt. Dariiber hinaus bestehen praktische Schwierigkeiten bei der wertmaBigen Erfassung von Sachverhahen, die zwar den Bestand des Untemehmensvermogens gefahrden konnen, deren vermogensmindemde Auswirkungen darauf letztendlich aber unsicher sind.

//.

Gang der Untersuchung

Um die Uberschuldung festzustellen, das heiBt, das Vermogen den Schulden gegenUberzustellen, sind die Bestandteile (Elemente) dieser Feststellung und deren Inhalt zu bestimmen. Bin Element dabei ist die Uberschuldungsbilanz, die das Vermogen den Schulden gegeniiberstellt, ein anderes die Prognose hinsichtlich der Lebensfahigkeit des Unternehmens. Der erste Teil der Arbeit wird sich daher den Elementen der Uberschuldung widmen (Teil B). Dazu werden zunachst die historischen Ansatze und Inhalte der Uberschuldungsmessung sowie deren Ratio dargelegt, um festzustellen, welche Informationen die Uberschuldungsmessung in der Situation der Untemehmenskrise geben muB. Anhand dessen kann bestimmt werden, wie der Tatbestand der Uberschuldung materiell ausgefullt sein mu6, um die intendierte Rechtsfolge (Stellung eines Insolvenzantrages bzw. Eroffhung des Insolvenzverfahrens) auszulosen. Hierbei wird auf die Notwendigkeit einer zweistufigen Uberschuldungsmessung hingewiesen, deren gleichwertige Bestandteile die rechnerische Uberschuldung (Uberschuldungsbilanz) und die rechtliche Uberschuldung (Prognose) sind. Der zweite Teil der Untersuchung widmet sich dieser Gegeniiberstellung von Vermogen und Schulden in Form der Uberschuldungsbilanz (Teil C). Ziel dabei ist die Ermittlung einer Konzeption von Grundsatzen ordnungsgemaBer Buchfuhrung, die den Anforderungen der Vermogensabbildung im Verfahren der Uberschuldungsmessung gerecht wird. Innerhalb dieses Arbeitsschrittes ist neben einer Zweckbestimmung der Uberschuldungsbilanz ebenso notwendig, die Grundsatze der laufenden Rechnungslegung im Hinblick auf deren Auswirkungen und Einwirkungen bei der Ermittlung einer sachgerechten Bilanzierungskonzeption zu untersuchen. Im Verlauf dieser Untersu-

chung wird die Uberschuldungsbilanz zunachst mit bestehenden Bilanzierungskonzepten im ganzen verglichen, bevor die Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung im einzelnen auf ihre Anwendbarkeit hinsichtlich der Uberschuldungsbilanzierung betrachtet werden. SchlieBlich bedarf es im Rahmen der Uberschuldungsbilanzierung der Gegeniiberstellung von Vermogen und Schulden, um Auskunft uber eine bestehende Uberbelastung des Vermogens als Schuldendeckungspotential zu erhalten. In welchem Umfang Schulden das Schuldendeckungspotential belasten und in der Uberschuldungsbilanz einzustellen sind, ist Gegenstand des dritten und letzten Teils der Arbeit (Teil D), der die Belastungen des laufenden Geschaftsbetriebs aus riickstellungsbedurftigen Sachverhalten auf ihren belastenden Charakter in der Untemehmenskrise hin untersucht und AufschluB uber deren Beachtung innerhalb der Uberschuldungsmessung gibt.

B: Die Uberschuldung Gegenstand der Arbeit ist die Bewertung von Sachverhalten, die die finanzielle Situation eines Untemehmens belasten (konnen), in der Unteraehmenskrise, das heiBt innerhalb der Priifiing der Uberschuldung. Da derartige Sachverhalte zu finanziellen Verpflichtungen (mithin zu Schulden) des betroffenen Untemehmens fuhren (konnen), ist Ausgangspunkt hierfur de lege lata § 19 Abs. 2 InsO, wonach Schulden in der Krise dem Vermogen gegeniiberzustellen sind. FUr diese Gegenuberstellung (Uberschuldungsmessung) bedarf es objektivierter Grundsatze. Bevor diese Grundsatze naher bestimmt werden konnen, ist auf den Tatbestand der Uberschuldung und der ihr zugrundeliegenden Uberschuldungsmessung einzugehen. Dabei ist der Tatbestand der Uberschuldung zunachst im Umfeld der Untemehmenskrise einzuordnen (B L). AnschlieBend sind auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse (B 11.) die notwendigen matriellen Voraussetzungen der Uberschuldungsmessung zu ermitteln (B III.).

/.

Orientierung

Der Tatbestand der Uberschuldung als Insolvenzgrund ist begrifflich von anderen vermogensabbildenden Tatbestanden zu unterscheiden, die in der Krise bedeutsam sein konnen, und bestimmt zugleich den Umfang einer kritischen Selbstpriifung der Lebensfahigkeit des Untemehmens, zu deren permanenten Durchfuhmng seine Organe in der Situation der Krise angehalten sind.

i. Begriffliche Abgrenzung Die Uberschuldung als Insolvenzgmnd darf nicht mit den Begriffen der Unterbilanz, der Unterkapitalisierung oder der buchmaBigen Uberschuldung verwechselt werden, die regelmaBig in der Untemehmenskrise auch von Bedeutung sind. Zudem ist die Uberschuldungsbilanz als Element der Uberschuldung von der Liquidationsbilanz und der Insolvenzeroffnungsbilanz abzugrenzen. a) Unterkapitalisierung, Unterbilanz, buchmdfiige Uberschuldung Eine Unterkapitalisierung ist gegeben, wenn das haftende Eigenkapital nicht mehr angemessen im Verhaltnis zu dem Geschaftsumfang steht. Das ist dann der Fall, wenn

das Eigenkapital nicht ausreicht, den nach Art und Umfang der Geschaftstatigkeit bestehenden, nicht durch Kredite Dritter zu deckenden, mittelfristigen oder langfristigen Finanzbedarf der Gesellschaft zu befriedigen^ Von einer Unterbilanz spricht man, wenn das Reinvermogen in der Bilanz den Eigenkapitalbetrag nicht mehr erreicht. Das Reinvermogen ist der Saldo aus alien Aktiven abzUglich Verbindlichkeiten und Riickstellungen'*. Die Unterkapitalisierung und Unterbilanz wirken sich auf die Kapitalerhaltung aus. Sie begriinden ein Ausschiittungsverbot und im Fall der Zuwiderhandlung eine Haftung des Empfangers bzw. des Auszahlenden^. Allerdings besteht kein materielles Unterkapitalisierungsverbot^. Hierbei wird zwischen materieller und nomineller Unterkapitalisierung unterschieden. Erstere sei gegeben, wenn das satzungsmaBige Kapital nach Art und Zuschnitt des Untemehmens unter EinschluB marktublicher Fremdkredite zur Deckung des mittel- und langfristigen Finanzbedarfs nicht ausreicht. Nominelle Unterkapitalisierung liege vor, wenn der (zusatzliche) Kapitalbedarf anstatt durch Einlagen durch Fremdmittel, insbesondere durch Gesellschafterdarlehen, gedeckt ist^. Die Finanzierungsverantwortung wird damit auf die Geschaftsfiihrer und Gesellschafter ubertragen. Die Unterbilanz wird sichtbar, wenn die Bilanz der Gesellschaft einen Fehlbetrag ausweist, der nicht mehr durch das Eigenkapital der Gesellschaft gedeckt ist, den sog. nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag^. In der Praxis bedeutet das Vorliegen eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags eine buchmaBige Uberschuldung. Diese geht aber regelmaBig nicht mit der insolvenzrechtlichen Uberschuldung einher, da die buchmaBigen Vermogenswerte regelmaBig nicht die erheblichen stillen Reserven des Untemehmens abbilden^. Allerdings wird das Vorliegen einer buchmaBigen (Jberschuldung als Hinweis auf die Moglichkeit einer insolvenzrechtlichen Uberschuldung gesehen und demgemaB in diesen Fallen eine Pflicht des geschaftsfuhrenden Vertretungsorgans der Gesellschaft zum Erstellen einer Uber-

Vgl. Hachenburg-[//mer, aaO, Anh. § 30 Rn 17. Vgl. Scholz-Westermann, aaO, § 30 Rn 17. Vgl. §§ 30ff GmbHG. Auszahlungen des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermogens sind gem. § 30 GmbHG untersagt, § 31 GmbHG normiert eine Ruckerstattungspflicht. Vgl. GottwaldUhlenbruck, aaO, § 9 Rn 18; SchmidtAJhlenbruck-5c/imfd^ aaO, Rn 64ff. Gem. §§ 32ff GmbHG begriinden Kapitalersatzhandlungen in der Insolvenz keinen Anspruch auf Riickgewahr, vgl. Hachenburg-f//mer, aaO, § 63 Rn 24, Henssler, aaO, Rn 23 zur Ausfallhaftung der Gesellschafter und der Haftung gemafi § 43 GmbHG. Vgl. Braun/Uhlenbruck, aaO, S. 288. Vgl. zu dieser Unterscheidung auch Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 242. In der JahresabschluBbilanz ist dieser Betrag gem, § 268 Abs. 3 HGB als Korrekturposten auf der Aktivseite der Bilanz zu passivieren, um so den Ausweis eines negativen Kapitalbetrags zu vermeiden; vgl. Winnefeld, aaO, D Rn 1905. Vgl. Gon^aid-Uhlenbruck, aaO, § 6 Rn 27.

schuldungsbilanz gefordert, da haufig bei den Untemehmen, die bereits eine Unterbilanz ausweisen, bei steigenden Verlusten die Liquiditatskrise folgt^®.

b)

Liquidationsbilanz

Mit der Auflosung eines Untemehmens beginnt je nach Rechtsform bei der Personengesellschaft und der Gesellschaft mit beschrankter Haftung die Liquidation, bei der Aktiengesellschaft die Abwicklung^\ Das damit eingeleitete Auflosungsverfahren fuhrt zur planmaBigen Vollbeendigung der Gesellschaft und ihrer anschlieBenden L6schung. Das Auflosungsverfahren zielt dabei auf die Beendigung aller Anspriiche der Gesellschaft und der Gesellschafter untereinander ab^^. Der fiir die Auflosung bestellte Liquidator stellt zu Beginn des Auflosungsverfahrens eine Liquidationsbilanz auf^^.

c)

Insolvenzeroffnungsbilanz

Die Insolvenzeroffnungsbilanz wird im Gegensatz zu der als Bestandteil der Uberschuldungsmessung aufzustellenden Uberschuldungsbilanz nach dem durch EroffnungsbeschluB angeordneten Beginn des Insolvenzverfahrens notwendig. Gem. § 155 Abs. 2, S. 1 InsO beginnt damit ein neues Geschaftsjahr. Das laufende Geschaftsjahr ist - gegebenenfalls als Rumpfgeschaftsjahr - abzuschlieBen^"*. DemgemaB ist fur das beginnende Geschaftsjahr eine neue Rechnungslegung erforderlich, die mit der Insolvenzeroffnungsbilanz beginnt. Nach dem Grundsatz des Bilanzzusanunenhangs sind die Ansatze der SchluBbilanz auf die Eroffnungsbilanz zu iibemehmen^^. Die Insolvenzeroffnungsbilanz stellt die Vermogenslage zu Beginn des Insolvenzverfahrens dar und dient der Information und der Kontrolle der Vermogensbewegungen im laufenden Insolvenzverfahren. Die Uberschuldungsbilanz dagegen dient lediglich der InformatiSo auch Braun/Uhlenbruck, aaO, S. 287. Vgl. Budde/Fdrschle, aaO, Q Rn 1; R, 1. Vgl. Budde/Forschle, aaO, Q 10. Das Auflosungsverfahren fiihrt regelmafiig zur Versilberung des Gesellschaftsvermogens. Fiir die Personengesellschaft bestimmt § 154 HGB das Erfordemis einer Liquidationsbilanz, die nach neuerer Meinung allein der intemen Liquidationsrechnungslegung dient; vgl. Budde/F5rschle, aaO, Q 41 mwN. Die Liquidationsbilanz bei Kapitalgesellschaften bestimmt sich nach den §§ 270 AktG fiir die Aktiengesellschaft und nach § 71 GmbHG fiir die Gesellschaft mit beschrankter Haftung; vgl. zur Liquiditatsbilanz auch subCL3.d). Vgl. Budde/Forschlc, aaO, P Rn 60. Die Anwendung der handelsrechtlichen Ansatz- und die Bewertungsvorschriften werden bestritten. Fiir die Geltung des Bilanzzusammenhangs, Budde/Forschle, aaO, R Rn 143f., Hess, aaO, Anh V, Rn 340. Anders dagegen Pink, aaO, S. 98, 116ff, der in der SchluBbilanz handelsrechtlich zu fortgefiihrten Buchwerten bilanzieren mochte, in der Insolvenzeroffnungsbilanz dagegen Liquidationswerte ansetzen mochte. Plate, aaO, S. 84ff schiagt eine Bewertung zu „Konkurswerten" vor.

on dariiber, ob die Veraiogenslage im laufenden Geschaftsbetrieb kritisch ist^^. Aufgabe der Insolvenzeroffnungsbilanz ist es nicht, dariiber zu entscheiden, ob die Vermogenslage der Gesellschaft die Auflosung der Gesellschaft gebietet^^.

d) Uberschuldung und Strafrecht Die Uberschuldungspriifung ist vom Gesetzgeber nicht nur als eine Pflicht des zum Insolvenzantrag verpflichteten vertretungsbefugten Organs des Untemehmens ausgestaltet, deren Unterlassung zivilrechtlich Ersatzpflichten auslost^^. Nach Auffassung des Normgebers wiegt eine derartige Pflichtverletzung sogar so schwer, daB eine Sanktionierung iiber die VermogenseinbuBe hinaus erwunscht ist. DemgemaB wird gem. § 283 StGB bestraft, „wer bei LFberschuldung [...] Handlungen vornimmt, die das Vermogen mindem oder durch derartige Handlungen diesen Zustand herbeifUhrt". Infolgedessen ist eine Inhaltsbestimmung des Uberschuldungsbegriffs auch im strafrechtlichen Sinne erforderlich. Allerdings orientiert sich die strafrechtliche Diskussion der Uberschuldung im wesentlichen am zivilrechtlichen Schrifttum, so daB im Strafrecht regelmaBig die fur das zivilrechtliche Verstandnis entwickelten Ansichten und Meinungen Ubemommen werden^^.

2. Uberschuldung als Insolvenzgrund Die Uberschuldung stellt einen von insgesamt drei sog. Insolvenzgrunden dar. Es handelt sich dabei nicht um einen Sachverhalt, der die Insolvenz im materiellen Sinn begriindet. Vielmehr stellt die Uberschuldung lediglich einen besonderen AnlaB dar, das Insolvenzverfahren zu eroffnen, welches die Glaubiger des Schuldners im Kollektiv befriedigen solP^. Da die Glaubiger im Vorfeld der Insolvenz (der untemehmerischen Krise) regelmaBig den groBten Teil der fmanziellen Anspriiche gegen den Schuldner haben, ohne dafur jedoch einem entsprechenden Korrelat an Entscheidungsbefugnis ausgestattet zu sein, soil die Verfahrenseroffnung das dadurch bestehende UngleichA. A. Obemiuller/Hess, aaO, Rn 104, die in der Uberschuldungsbilanz eine fiktive Eroffnungsbilanz sehen; ebenso v. Gerkan/Hommelhoff-A'/efW/ec/:, aaO, Rn 7.33f. Vgl. Kiihn, aaO, S. 550; Gurke, aaO, S. 46 fiir die Konkurseroffnungsbilanz. Vgl. dazu nachfolgend sub B I. 2. a). Vgl. einen knappen und prazisen Uberblick uber die in der strafrechtlichen Kommentarliteratur vertreten Meinungen bei Hoffner, aaO, S. 252f. Gem. § 16 InsO ist das Insolvenzverfahren zu eroffnen, wenn ein Eroffnungsgrund gegeben ist. Der Eroffnungsgrund stellt die rechtliche Legitimation fiir die schwerwiegenden Eingriffe in die Rechtsposition des Schuldners im Rahmen des Insolvenzverfahrens dar; vgl. Uhlenbruck, Gesellschaftsrechtliche Aspekte, aaO, Rn8.

gewicht zwischen Haftung und Verfugung beseitigen. Die Glaubiger selbst erhalten zentrale Mitwirkungsrechte und Entscheidungsmoglichkeiten, indem die Befugnis Uber Sanierung oder Liquidation (auch) in ihre Hande gelegt wird^\ Das Vorliegen eines Insolvenzgrundes stellt mithin zugleich die Lebensfahigkeit des betroffenen Schuldners in Frage. Die Uberschuldung tritt als Eroffnungsgrund des Insolvenzverfahrens fiir Rechtspersonlichkeiten, deren Haftung begrenzt ist, wie insbesondere bei Kapitalgesellschaften^^, zusatzlich neben den allgemeinen und zwingenden Eroffnungsgrund der Zahlungsunfahigkeit^^ und den fakultativen Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfahigkeit^"^.

a) Abgrenzung zu dem Insolvenzgrund der Zahlungsunfahigkeit Die Priifung der Zahlungsunfahigkeit hat die Geldilliquiditat^^ zum Gegenstand. Gem. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist ein Schuldner zahlungsunfahig, wenn er nicht in der Lage ist, seine falligen Zahlungsverpflichtungen zu erfiillen. Das heiBt der Schuldner ist zahlungsunfahig, wenn er nicht mehr uber geniigend „flussige Geldmittel" verfugt und seine Zahlungsverpflichtungen deshalb nicht rechtzeitig erfiillen kann.^^

b) Die Uberschuldung im Umfeld der Unternehmenskrise Der Tatbestand der Uberschuldung ist auf Rechtspersonlichkeiten mit beschrankter Haftung beschrankt. Die Insolvenzordnung verzichtet aber auf materielle Eingriffe in das Gesellschaftsrecht und stellt lediglich den Glaubigem einen Rechtsrahmen zur Verfugung, der eine Haftungserleicherung erreichen soil. Auch wenn das Insolvenzverfahren de facto regelmaBig zur Aufgabe der Gesellschafterstellung flihrt, indem es

Vgl. bei Dnikarcyk/Schiiler, aaO, Rn 2. Rechtspersonlichkeiten niit beschranktem Haftungsvermogen sind neben Kapitalgesellschaften auch die Genossenschaft oder der rechtsfahige Verein. §17 InsO. § 18 InsO. IMtnhvuck-Uhlenbruck,, aaO. § 17, Rn 6; WimmtT-Schmerbach, aaO, § 17 Rn 15. Vgl. zuletzt BGH, Urt. V. 24.05.2005 - IX ZR 123/04, S. 6ff., der eine bloBe Zahlungsstockung annimmt, wenn der Zeitraum, den eine kreditwiirdige Person benotigt, um sich die benotigten Mittel zu leihen, nicht iiberschritten wird. Fiir den Zeitraum werden drei Wochen als ausreichend angesehen. Smid.aaO, § 3 R n 3 1 .

regelmafiig mit der Loschung der Gesellschaft enden soil, gibt es keine Insolvenz fur Untemehmen^''. Der Begriff der Uberschuldung als Eroffnungsgrund des Insolvenzverfahrens ist in § 19 Abs. 2 S. 1 InsO legaldefiniert. Im Gegensatz zur Zahllungsunfahigkeit wird dabei nicht (nur) die Liquiditat gepriift. Gem. § 19 InsO liegt eine Uberschuldung vor, wenn das schuldnerische Vermogen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Der schlichte Wortlaut steht in Kontrast zu den Schwierigkeiten bei der theoretischen Interpretation dieser Vorschrift, die verschiedene Ansatze zur Bestimmung der tjberschuldung hervorgebracht hat.^^ Dabei besteht in der Praxis dringender Bedarf an einem Verfahren, mit dem die Uberschuldung prazise und einheitlich festgestellt werden kann. Denn einerseits bestehen fur den Fall der Uberschuldung erhebliche Pflichten. Andererseits werden fur den Fall der Nichtbeachtung dieser Pflichten nicht unerhebliche Rechtsfolgen angeordnet.^^ So sind z.B. fur den Fall der Insolvenzverschleppung (gleichgUltig ob aufgrund von Zahlungsunfahigkeit oder Uberschuldung) eine Reihe von Straftatbestanden vorgesehen, die mit nicht unerheblichen Strafandrohungen versehen sind^^. Daneben bestehen im Falle von Insolvenzverschleppung auch zivilrechtlich haftungsbegriindende Normen^\ Die erwahnten strafrechtlichen Sanktionen oder die zivilrechtlichen Haftungstatbestande werden in der Praxis zudem nicht gerade restriktiv angewandt. Vielmehr werden jahrlich mehr als 4000 Ermittlungs- und Strafverfahren gegen vermeintliche Insolvenzverschlepper durchgefuhrt^^, obwohl es gerade wegen der Unsicherheiten und Diskussionen um die Voraussetzungen der Uberschuldung dem Normadressaten nahezu unmoglich ist, de facto die von ihm geforderte Uberschuldungspriifung mit Bestimmtheit vorzunehmen. Personlich und faktisch ist der Normadressat in der Lage, die vorhandene Uberschuldung festzustellen, wenn er die Untemehmenskrise wahmimmt und dariiber hinaus

Vgl. dazu Uhlenbruck, Gesellschaftsrechtliche aaO, Rn 3ff. K. Schmidt hingegen hat im Zuge der Insolvenz rechtsreform wiederholt ein eigenstandiges Recht fiir Untemehmen gefordert, vgl. bspw. K. Schmidt in: Einhundert Jahre Konkursordnung, aaO, S. 247ff; Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, aaO, S. 3ff; Insolvenzordnung und Unternehmensrecht, aaO, S. 911ff. Drukarcyk/Schiiler, aaO, § 19 Rn 2. Vgl. im iibrigen zur Entwicklung des Uberschuldungsbegriffs ausfuhrlich nachfolgend sub. B II.; sehr knapp bei Schaub, aaO, § 94 Rn 6. Vgl. Henssler, aaO, Rn 20ff. Vgl. etwa die §§ 130b HGB, 84 GmbHG, 283ff StGB, die GeldbuBen und Freiheitsentzug von bis zu funf Jahren androhen. Bspw. die §§ 130a HBG; 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 64 GmbHG, 283 StGB; vgl. ausfuhrlich zum strafrechtlichen und zivilrechtlichen Haftungsrisiko des GeschaftsfUhrers bei Lutter, Gefahren, aaO, S. 129ff; Wimmer, aaO, S. 2547ff; Henze/Bauer, aaO, Rn 4ff, 22ff. Die angegebene Zahl beruht auf einer Schatzung des Verfassers nach Gesprachen mit dem Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaft, Mannheim.

MaBnahmen ergreifen kann, die der Krise entgegenwirken^^. Normadressaten sind bei Rechtspersonlichkeiten mit eigenem Rechtstrager die Mitglieder der Vertretungsorgane^"*. Es fmdet also eine Selbstprufung statt. In der Betriebswirtschaftslehre sind zwecks Erkennung einer Untemehmenskrise vielfaltige Methoden entwickelt worden^^. In diesem Zusammenhang ist auch § 91 Abs. 2 AktG zu sehen, der die Pflicht zur Schaffung von Friiherkennungssystemen der untemehmerischen Krise begriindet.^^ Unterschieden werden operative und strategische Friihwarasysteme^^. Operative Fruhwamsysteme basieren auf Informationen uber Erfolg und Liquiditat des Unternehmens. Die notwendigen Informationen werden in der Form von Kennzahlen abgebildet^^. Die herkommliche Kennzahlenanalyse orientiert sich am Verschuldensgrad, dem Verhaltnis von Umlaufvermogen und kurzfristigem Fremdkapital jeweils zum Eigenkapital^^. Modeme Kennzahlenanalysen erweitera den Kreis krisenrelevanter Parameter auf Eigenkapitalquote, Umsatzrendite, Cash-flow-Rate und Liquiditatsreserve"*®. Mittlerweile werden auch Steuerungsverfahren eingesetzt, die stets eine Vielzahl von Daten verarbeiten, die der Erkennung von Krisensymptomen dienen sollen'*\ Strategische Fruhwamsysteme arbeiten zukunftsorientiert und beobachten daher bestehende Risiken, deren Analyse fruhzeitig die Wahmehmung von Schwachstellensignalen erlauben soU"*^. Entsprechend dem implementierten Friihwamsystem kann die Krise in einem friihen Oder in einem spaten Stadium erkannt werden. Demzufolge wird die Selbstprufung auf eine Insolvenzreife entsprechend friih oder spat durchgefuhrt, was wiederum Folgen auf den Zeitpunkt des Insolvenzantrags oder gegebenenfalls einzuleitender SanierungsmaBnahmen hat. Der Gesetzgeber selbst hat bei der Definition des § 19 InsO die Bandbreite der unterschiedlichen Normadressaten und Krisenerkennungsmechanismen nicht beachtet"^^. Es ist daher erforderlich, dass die Uberschuldungspriifung in Zeiten Vgl. dazu Haarmeyer/Wutzke/Forster, aaO, S. 39. Vgl. K. Schmidt, hisolvenzordnung und Untemehmensrecht, aaO, Rn 9. Vgl. zu den klassischen Krisenanzeichen SchmidtAJhlenbruck-Mawj, aaO, Rn 25f; Hauschildt, aaO. Gem. § 91 Abs. 2 AktG ist der Vorstand zur Vermeidung von untemehmerischen Krisen verpflichtet, MaBnahmen zu treffen, die eine den Fortbestand der Gesellschaft gefahrdende Entwicklung fruhzeitig erkennen lassen. Vgl. Gotz, aaO. S. 339. Vgl. zur Kontrolle durch den Aufsichtsrat anhand von Planzahlen bei Lutter, Untemehmensplanung, aaO, S.251ff. Vgl. Picot, aaO, Rn 159ff mwN. Vgl. zu den verschiedenen modemen Systemen des Risikomanagements anhand von Kennzahlen bei Hauschildt, aaO. Ausfuhrlich bei Scharpf, aaO, S. 741. Die Risiken konnen bspw. politischer, finanzieller oder struktureller Natur sein; vgl. Einzelheiten bei Scharpf. aaO, S. 740f. Dies zeigt sich insbesondere an der bedingungslosen Implementierung der Drei-Wochen-Frist zur Antragstellung, vgl. § 64 Abs. 1, Satz 1 GmbHG.

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negativer Geschaftsentwicklung gleichsam als peraianente Selbstpriifung stattfindet'^'*. Die Selbstpriifung hat auf der Grundlage prognostisch verlasslicher Finanzplane zu erfolgen"^^. Gegenstand der Selbstpriifung ist damit die Lebensfahigkeit der Gesellschaft. Auch fiir den Fall der positiven Uberpriifung der Finanzplanung ist der Vermogensstatus in der Krise aber regelmafiig weiter zu beobachten"*^. Somit kommt die Priifung der Lebensfahigkeit der Gesellschaft inhaltlich der Uberschuldungspriifung gleich'^^

//.

Entwicklung der Uberschuldung als Insolvenzgrund

Die nachfolgend dargestellte Entwicklung der Uberschuldung als Insolvenzgrund zeigt eine Entwicklung von einer eingliedrigen Uberschuldung (ein Tatbestandsmerkmal) hin zu einer mehrgliedrigen Uberschuldung (mehr als ein Tatbestandsmerkmal).

/. Quellen Insolvenzrechtlich ist die Uberschuldung jetzt in § 19 Abs. 2 InsO wie folgt legaldefiniert: „ Uberschuldung liegt vor, wenn das Vermogen des Schuldners die testehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermogens des Schuldners istjedoch die FortfUhrung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umstanden Uberwiegend wahrscheinlich ist."

Vgl. Henssler, aaO, Rn 16; SchmidtAJhlenbruck-fy/i/en^rwc/:, aaO, Rn 809, um so der Anforderung, den Insolvenzantrags im fiir alle Beteiligten optimalen Moment zu stellen, gerecht zu werden, wobei die Selbstpriifung nicht als taglich wiederkehrende Aufgabe zu verstehen ist, Goitwsdd-Uhlenbruck, aaO, § 6 Rn 27; Braun/Uhlenbruck, aaO, S. 327; Haarmeyer/Wutzke/Forster, aaO, S. 38; Uhlenbruck, Konkursantragspflichten, aaO, S. 80, wonach die Selbstpriifung auch als PraventivmaBnahme zur Vorverlegung der Konkursreife gegen die de facto keine glaubigerschiitzende Wirkung entfaltende Zahlungsunfahigkeit gewertet wird. Vgl. auch K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 338; Hachenburg-t//mer, aaO, § 63 Rn 27 sieht die Pflicht der geschaftsfiihrenden Organe in der laufenden Priifung der Uberlebenschancen der Gesellschaft. Hess/WeissAVienberg-//ejj, aaO, § 19 Rn 19. Vgl. Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64 Rn 1; BGHZ 126, 181, 192 = NJW 1994, 2220, 2224; OLG Dusseldorf, GmbHR 1999, 479,480f. Wobei Lebensfahigkeit hier nicht mit der Fortfiihrungsprognose als Teilelement der Uberschuldungsmessung gleichgesetzt wird.

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Der Begriff der Uberschuldung lieB sich vor Inkrafttreten der InsO aus gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen entnehmen, die Pflichten der organschaftlichen Vertreter im Zusammenhang mit Liquiditatsschwierigkeiten des Untemehmens postulieren, wie bspw. aus den §§ 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, 64 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, 139a Abs. 1 Satz 1 bzw. 177a HOB. Die Pflicht zum Antrag auf Eroffnung des Konkursverfahrens war neben der Zahlungsunfahigkeit danach gegeben, „wenn das Vermogen der Gesellschaft die Schulden nicht mehr deckt". Der Uberschuldungsbegriff war auf dieser Basis daher „jahrzehntelang unstreitig""^^ wie folgt umschrieben: Uberschuldung ist gegeben, wenn das (Aktiv-) Vermogen der Gesellschaft (des Schuldners) nicht mehr die bestehenden Schulden deckt"^^. Obgleich dieser auf den ersten Blick recht unproblematisch anmutenden Definition der Uberschuldung, bereitet ihre Feststellung in der Praxis die allergroBten Schwierigkeiten. Die wesentlichen Ursachen dafur liegen, neben den Diskussionen in der gesellschaftsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Literatur einerseits um die Elemente des Uberschuldungstatbestands als auch um deren Inhalte^^, in der Schwierigkeit, die maBgeblichen Bewertungsmethoden fur die Aufstellung einer Uberschuldungsbilanz zufinden^\

2.

Uberschuldungselemente

Welche Tatbestandsvoraussetzungen an die Uberschuldung im einzelnen zu stellen sind, ist trotz Reformierung des Insolvenzrechts nach wie vor Gegenstand eines Diskurses, der unterschiedliche Ansatze und Losungen anbietet^^. Die Ursache war und ist in der Formulierung des Uberschuldungstatbestands durch den Gesetzgeber zu sehen.

Schmidt, K., Wege zum Insolvenzrecht, aaO, S. 46. Seit BGHZ 31, 258, 272 und BGH NJW 1983, 676, 677; weitere Nachweise etwa bei Scholz-^. Schmidt, 8. Auflage, aaO, § 63 Rn 10 oder KuhnAJhIenbruck, aaO, Vorbem D § 207 Rn 12; dort teilweise allerdings mit anderem Wortlaut, etwa: „Das Vermogen des Schuldners deckt seine Schulden nicht mehr" oder „Die Passiva ubersteigen die Aktiva". Vgl. auch Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64 Rn 8. Gemeint ist jedenfalls immer das eine: MuBte der Schuldner augenblicklich alle Verbindlichkeiten begleichen, konnte er nicht alle Glaubiger bedienen. Ausgangspunkt war der Disput um die juristischen Anforderungen, die die Insolvenzantragspflicht auslosen, vgl. etwa K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, 337f. Sehr friih bereits Egner/Wolff, aaO, S. 99, die die Bewertungsfrage nur noch theoretisch fiir reizvoll hielten. Auch Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 276, rechnet die Feststellung der Uberschuldung in tatsachlicher Hinsicht zu den schwierigsten Problemen des Insolvenzrechts uberhaupt. Bedauerlicherweise ist es trotz dieser Erkenntnis nicht gelungen, die erkannte Problematik mit der jiingsten und umfassenden Reform zum Insolvenzrecht zu beseitigen. Allein § 64 GmbHG a.F. bezog Stellung zur Frage, woher die Erkenntnis uber die Uberschuldung zu gewinnen sei. Vgl. dazu nachfolgend sub BII. 2. b) (1). Vgl. bspw. kritisch K. Schmidt, Insolvenzordnung und Untemehmensrecht, aaO, Rn 12ff; dagegen mit Pladoyer fiir die Uberschuldungsmessung nach der InsO, Hoffner, aaO, S. 253f.

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Zunachst einmal wird mit der postulierten Aufgabe an den Normadressaten, festzustellen, ob das Vermogen noch die Schulden deckt, formal eine Handlungsanweisung weitergegeben. Solange der Gesetzgeber dariiber hinaus nicht ausgefuhrt hat, welche Werte den einzelnen Vermogensgegenstanden bzw. den Schulden beizulegen ist, liegt eine Gesetzeslucke vor, die von Rechtsprechung und Praxis entsprechend den Vorschlagen aus der Wissenschaft auszulegen und auszufullen ist^^. In Erfullung dieser Aufgabe werden besondere Verfahrensarten zur Emiittlung der Uberschuldung vorgeschlagen, wonach die Uberschuldungsmessung als ein einstufiges, zweistufiges oder dreistufiges Verfahren zu bewerkstelligen ist^"*. Uberwiegend wird die Uberschuldungsfeststellung jedenfalls anhand eines Uberschuldungsstatus verlangt^^. Dazu bietet jetzt auch der Gesetzeswortlaut des § 19 InsO hinreichend AnlaB. Zusatzlich ist nach vielen modernen Auffassungen, die im Wortlaut des neuen § 19 InsO Ei Eingang gefunden hat^^, eine Prognose iiber die Zukunft des Untemehmens erforderlich. Nachfolgend sollen in einem kurzen AbriB die verschiedenen Verfahren dargestellt werden, die nach Ansicht von Wissenschaft und Rechtsprechung der Uberschuldungsmessung zur Verfiigung stehen. Im AnschluB daran wird deutlich sein, da6 der Tatbestand der Uberschuldung als Insolvenzvoraussetzung kein rein rechtlicher Tatbestand ist und dementsprechend jedenfalls auch wirtschaftlich auszulegen ist, weshalb die Auslegung der Uberschuldung allein mit den gewohnten Methoden der Rechtswissenschaft nicht das gebotene Ergebnis verspricht.

a) Ausgangspunkt der Entwicklung Rechtlicher Ausgangspunkt der Diskussion und der Entwicklung der Uberschuldung und der sich dahinter verbergenden Elemente (Tatbestandsmerkmale) waren die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zur Insolvenzantragspflicht der Vertretungsorgane fur den Fall der Uberschuldung^^. Ausgehend von diesen Vorschriften waren zur Feststellung der Uberschuldung in jedem Fall Vermogen und Schulden der Gesellschaft zu

So EgnerAVolff, aaO, S. 101. Vgl. sogleich sub B II. 2. b) bis e). Vgl. ausfUhrlich sub C I. 1. Vgl. nachfolgend sub B II. 2. e). Diese Prognose soil allein dem Wortlaut des § 19 InsO nach AufschluB uber die Art der Bewertung geben. In der Literatur wird die Prognose jedenfalls nur kumulativ mit der Vermogensabbildung gemeinsam als Insolvenzgrund verstanden. Vgl. zuletzt nachdriicklich bei Lutter, Zahlungseinstellung, aaO, S. 643. Vgl. soeben B II. 1.

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ermitteln^^. Um daraus die erforderliche Erkenntnis dariiber zu gewinnen, ob die Schulden das Vermogen uberwiegen, mu6 denknotwendig der Saldo zwischen Vermogen und Schulden ermittelt werden^^. Unabhangig davon, ob die Uberschuldung in einem einstufigen oder mehrstufigen Verfahren ermittelt wird, hat sich dabei die Darstellung des Vermogens und der Schulden durch Gegeniiberstellung in Form einer (Sonder)-Bilanz (teilweise auch Uberschuldungsstatus genannt^^) als praktikabel erwiesen^^

b) Entwicklung des fiber den Wortlaut hineinzulesenden Tatbestandsmerkmals der Prognose (1) Einstufige Uberschuldungsmessung Vergangene Auffassungen haben die Uberschuldung alleine als Bewertung der Vermogenslage des Untemehmens dahingehend verstanden, eine Feststellung dariiber zu ermoglichen, ob das Vermogen nicht mehr die Schulden deckt. Diese Bewertung war der Vorgang der Uberschuldungsmessung an sich, die Uberschuldungsmessung stellte sich mithin einstufig dar. Ausgangspunkt der so verstandenen Uberschuldungsprufung war der Gesetzeswortlaut des § 64 Abs. 1 GmbHG in der Fassung vor seiner Anderung im Jahre 1930^^. Bis dato war § 64 so formuliert, da6 sich die Uberschuldung aus einer Bilanz ergeben miisse^^. § 64 GmbHG wurde in der nachsten Fassung dahingehend verandert, da6 sich die Uberschuldung „bei Aufstellung" einer Bilanz ergeben miisse, namentlich der Jahresbilanz oder „einer Zwischenbilanz". Daraus wurde allgemein der SchluB gezogen, daB die Gegeniiberstellung von Vermogen und Schuld nicht mehr nach den handelsrechtlichen Vorschriften zu erfolgen habe^. Der Streit um die Bewertungsansatze war geboren. Die Uberschuldung entspricht sonach dcm negativen Differenzbetrag zwischen Vermogen und Verbindlichkeiten. Vgl. bspw. Uhlenbruck, Zahlungsunfahigkeit und Oberschuldung, aaO, S. 37. Dies kann bspw. mittels Subtraktion oder bilanzieller Gegeniiberstellung erfolgen. Insbesondere von Jauemig, aaO, S. 256 und Scholz-^. Schmidt, 8. Auflage, aaO, § 63 Rn 13ff. Von vcreinzelten abweichenden Vorstellungen zum Charakter der Uberschuldungsbilanz abgesehen. So will Lutkemeyer, aaO, S. 5ff, 11, die Verbindhchkeiten den Aktivwerten gegeniiberstellen, die sich aus der Jahresbilanz ergeben. Vgl. hierzu auch Pribilla, aaO, S. Iff, 17ff; Auler, aaO, S. 2169; Kroppen, aaO, S. 663; Drukarczyk, Bilanzielle Uberschuldungsmessung, aaO, S. 561; K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 336f; Veit, Konkursrechnungslegung, aaO, S. 24ff; Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64 Rn 11. Zur Frage nach welchen Grundsatzen die Oberschuldungsbilanz aufzustellen ist und welche Bewertungsregeln anzuwenden sind, vgl. nachfolgend Teil C. Vgl. zur Antragspflcht auf Eroffnung des Konkurses oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens Art. IV Ziff. 1, 2, RGBl. I, S. 93f, 94. Vgl. zur Vorstellung der Erkennbarkeit der Uberschuldung gem. § 240 HGB 1870 aus einer Zwischenbilanz Simon, aaO, S. 464ff. Ausdriicklich erwahnte § 64 GmbHG in der Fassung vor 1930 die „Jahresbilanz". Vgl. dazu Kuhn, aaO, S. 549f; Zihas, aaO, S. 447f.

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Die Vertreter von einstufigen Verfahren zur Uberschuldungsmessung erkennen zwar an, da6 der Begriff des Vermogens mit der Strategic der Gesellschaft zusammenhangt, und folglich der Vermogensbewertung eine Strategieentscheidung vorausgehe, die iiber die Frage der Fortflihrung oder der Liquidation zu entscheiden habe^^. Da aber sowohl die strategische Entscheidung selbst als auch die Bewertung des Vermogens zu Betriebsbestehenswerten oder Fortfuhrungswerten fur schwierig gehalten werden, wird eine Uberschuldungsmessung bei Ansatz des Vermogens zu den Liquidationswerten favorisiert^^. Gegen die Beriicksichtigung einer Prognose wird die ihr inmianente Unsicherheit angefuhrt^^. Der Untemehmer, der wisse, da6 die Prognose die Vermogenswerte in der Uberschuldungsbilanz verandert, und zwar im allgemeinen zu seinen Gunsten erhoht^^, werde stets eine positive Prognose vomehmen, um so sein Unternehmen hoher bewerten zu konnen^^. Hinzu kommt die Unsicherheit iiber die Parameter, die der strategischen Entscheidung zugrunde liegen sollen: (Jberlebensfahigkeit? In welchem Sinne? Ertragsfahigkeit? Unter Beriicksichtigung der Finanzplanung? In welchem Zeitraum? Nach welchen Regeln soil eine strategische Entscheidung iiberhaupt erfolgen^^? Demgegeniiber wird die Annahme der Bestehenswerte als Grundlage der Uberschuldungsmessung vorgeschlagen^\ Dadurch werde die funktionale Stellung und Gebundenheit der einzelnen Vermogensteile zum Ausdruck gebracht^^. Wesentlicher Nachteil der Bestandsbewertung sei auBerdem der enorme Wertverlust^^. Die Bewertung zu Betriebsbestehenswerten berge Probleme sowohl technischer als auch grundsatzlicher Natur^"*. Aus technischer Sicht ist fraglich, ob bereits das Vermogen als Gesamtvermogenswert der Untemehmung, gleichsam als Untemehmenswert, zu verstehen sei, oder ob eine Einzelbewertung geboten sei^^. Wer hierbei die Einzelbewertung favoriVgl. Zilias, aaO, S. 448; EgnerAVolff, aaO, S. 102. Vgl. Kiihn, aaO, S. 551, der die EinzelverauBerung abzuglich der VerauBerungskosten ansetzen mochte; Dahl, aaO, S. 112; Gurke, aaO. S. 48 mit Hinweisen auf noch altere Quellen. Bereits die Begriindung des BMJ-Erster Bericht der Kommission fiir Insolvenzrecht, aaO, S. 112, erkennt, daB die Prognose zwangslaufig mit einer gewissen Unsicherheit verbunden ist und infolgedessen durch objektive Merkmale einzuschranken ist. Die Erhohung wirkt sich aus Sicht des Untemehmens deshalb zu seinen Gunsten aus, weil ein erhohter Aktivenbestand das Polster gegeniiber den Passiven vergroBert. Vgl. EgnerAVolff, aaO, S. 102. Mit gleicher Fragestellung wenden sich EgnerAVolff, aaO, S. 102f ganz gegen die Uberschuldung als Insolvenzgrund. Vgl. Zilias. aaO, S. 448 mwN in Fn 14; Pribilla, aaO, S. 17ff; Kiopff-Hefermehl/Spindler, aaO, § 92 Rn 23f. Vgl.Hirtz,aaO, S.21f. Vgl. Gurke, aaO, S. 50. Egner/Wolff, aaO, S. 105 weisen darauf hin, daB der Wertverlust nicht hoher sein durfte als das Eigenkapital, das nach einer statistischen Erhebung durchschnittlich 30% betragt (Werte aus 1972). Vgl. dazu EgnerAVolff, aaO, S. 103f. Vgl. dazu kritisch Auler, aaO, S. 2170f; K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 337. Ungereimt ist in der Tat, daB bei Ansatz von Fortfuhrungswerten eine Einzelbewertung vorzunehmen ist.

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siert, mu6 zudem erklaren, ob lediglich geldwerte Giiter oder auch deren Ertragswerte anzusetzen sind. Die einstufige Uberschuldungsmessung fmdet danach ausschliefilich als statische Betrachtung statt^^. Zur Bewertung der Vermogenslage werden folgende Varianten angeboten: Bewertung unter Liquidationspramisse, unter Fortfuhrungspramisse, nach einer Pramisse im Ermessen des Untemehmens sowie Bewertung gemaB einer optimalen Verwertungsform^^. Letztendlich vermag keine der angebotenen Losungen zu uberzeugen, da alle Losungen den Geschaftsfuhrem als Normadressaten einen weiten Ermessensspielraum bei der Feststellung der Uberschuldung eroffhen^^. Auch der BGH hat sich anfanglich einer Stellungnahme enthalten und diese Frage ausdriicklich offengelassen^^. Um aus diesem Dilemma zu entkommen, verbreitete sich schlieBlich die Erkenntnis, da6 die Entscheidung zwischen den anzusetzenden Werten nicht allein bilanztechnischer Natur sein konne, sondem vielmehr auch davon abhangig sein miisse, ob das Untemehmen an sich uberhaupt noch lebensfahig sei^^. Daraus entstand das Bediirfnis nach einer Erweiterung der Uberschuldungsmessung.

(2) Bediirfnis nach einer Erweiterung der rechnerischen Uberschuldung zur zweistufigen Uberschuldung Das Ergebnis der (einstufigen) bilanziellen Uberschuldungsmessung wird allgemein als rechnerische Uberschuldung bezeichnet^\ In der weiteren Entwicklung des Uberschuldungsbegriffs wurde der rechnerischen Uberschuldung allerdings nur

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Dahl, aaO, S. 114 spricht sich zwar fur die Liquidationspramisse aus, erkennt aber gleichwohl, daB die Liquidation durch Verkauf des Betriebs im Ganzen, in Teilen oder in Einzelstiicken moglich ist. Entsprechend kann auch die Bewertung der Liquidationswerte variieren. Die jeweilige Moghchkeit miisse aber von den Umstanden im Einzelfall abhangig gemacht werden. Ahnlich erkennt auch Zilias, aaO, S. 448 die Probleme, die mit einer Bewertung zu Betriebsbestehenswerten verbunden sind, mochte diese aber auf den SorgfaltsmaBstab der Fortfuhrungsprognose verlagem. Vgl. dazu Fischer, aaO, S. 29ff. Vgl. dazu Drukarczyk, Kapitalerhaltungsrecht, aaO, S. 1738f; ders., Bilanzielle Uberschuldungsmessung, aaO, S. 56Iff; K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 336f. Vgl, Ulmer, aaO, S. 474. Vgl. BGH NJW 1983, 676, 677; BGH NJW 1987. 2433. Vgl. dazu erstmals Auler, aaO, S. 2170; Gurke, aaO S. 54; Hachenburg-(//mer, aaO § 63 Fn 85 zu Rn 33; Zilias, aaO, S. 447ff. Vgl. K. Schmidt, Sinnwandel und Funktion, aaO, S. 169ff; Hachenburg-C//mer, aaO, § 63 Rn 28.

noch Indizwirkung im Hinblick auf die Konkursbedurftigkeit eines Untemehmens beigemessen^^. Dementsprechend wird die rechnerische Uberschuldung heute nicht mehr als das einzige Merkmal im Tatbestand der tJberschuldung verstanden^^. Alleine nach der Gegeniiberstellung der Vermogenswerte zu Zerschlagungswerten waren viele (gesunde) fremdfinanzierte Unteraehmen uberschuldet^"*. (a) Dynamischer Unternehmensablauf Letztlich basiert das gesamte System der Fremdfmanzierung von Unteraehmen auf deren dynamsicher Entwicklung, das heiBt auf dessen zukUnftiger wirtschaftlicher Entwicklung^^. Der Begriff der Uberschuldung verlangt daher nach einer Dynamisierung^^. Dementsprechend mu6 der Begriff der Uberschuldung im Kapitalgesellschaftsrecht der Verselbstandigung des dynamischen Elements gerecht werden^^. Daher ist es erforderlich, die rechnerische tJberschuldung mit Hilfe eines Korrektivs an diese tatsachlichen Gegebenheiten anzupassen^^, ein Korrektiv, das beriicksichtigt, da6 ein Unteraehmen eine wirtschaftliche und fmanzielle (Weiter)Entwicklung hat. Die Ausgestaltung dieses Korrektivs bei der Frage nach der Uberschuldung wird von der Unternehmenskrise als ein betriebswirtschaftlicher Ausnahmetatbestand beeinfluBt. Es geht damit gleichsam um das Dilemma, dafi die Lebensfahigkeit eines Unteraehmens nicht nur substantiell zu beurteilen ist^^. Vielmehr sind in gleichem Umfang die besonderen Perspektiven und die Ertragsfahigkeit im Einzelfall zu betrachten. Das ergibt sich auBerhalb der Insolvenz aus allgemeinen betriebswirtschaftlichen Erwagungen, die z.B. im Zusammenhang mit Untemehmensbewertungen ein Rolle spielen. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, da6 letztlich weder eine Unternehmensbewertung anhand des Substanzwertes noch nach Ertragswertberechnungen den Unteraehmenswert „richtig" bestimmen konne. Entscheidend ist vielmehr eine Berechnungsmethode, die Substanz und Ertrag kombiniert^^.

Vgl. K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 337f. Vgl. etwa BGH NJW 1998, 1739ff, 1743; Hachenburg-t//mer, aaO, § 63 Rn 28. Drukarczyk/SchUler, aaO, Rn 65; Kuhn, aaO, S. 550. Vgl. Ulmer, aaO, S. 474. Vgl. dazu insbesondere Fischer, aaO, S. 36f, 85ff; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 238, unter Berufung auf die betriebswirtschaftlichen Erfordernisse, die zwischen der Uberschuldung im Zerschlagungsfall und im Fortfuhrungsfall unterscheiden. Vgl. Hachenburg-t//mer, aaO, § 63 Rn 23; K. Schmidt, Insolvenzordnung und Unternehmensrecht, aaO, Rnl3. Vgl. Schmidi/Uhltnbruck-Uhlenbmck, aaO, Rn 886. Vgl. Hasemeyer, aaO, S. 121f mwN. Vgl. dazu Picot, aaO, Teil I 60ff mwN zur Unternehmensbewertung in Fn 91.

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Das gleiche muB auch in der Unternehmenskrise gelten. Soweit lediglich Vermogenswerte in die Uberschuldungsbilanz Eingang finden^\ lasst der vermogensbilanzielle Charakter des Uberschuldungsstatus den SchluB zu, daB die Uberschuldungsbilanz bzw. die Uberschuldung, statischer Natur ist^^. Dennoch kann die Eraiittlung der Uberschuldung nicht lediglich auf statischen Gedanken beruhen^^. Zwar beruht auch die statische Bilanztheorie auf dem Gedanken der Schuldendeckungskontrolle^'^. Jedoch hat sich der Uberschuldungsbegriff von einem statischen zu einem dynamischen Verstandnis gewandelt^^. Mit dem Einwand, das statische Denken sei zu sehr auf die Auskehrung von Vermogenswerten zugeschnitten, wird eine statische Oberschuldungsmessung, wenn Uberhaupt, dann nur in Fallen des NachlaBkonkurses fur moglich gehalten^^. Bei der Untemehmensinsolvenz hingegen geht es auch nicht um die Verteilung einer „toten" Vermogensmasse, sondem vielmehr um die Frage der Fortfiihrung Oder der Einstellung des Untemehmens, das heiBt um einen dynamischen, zukunftsorientierten Sachverhalt, dessen Einschatzung - nichts anderes ist die Ermittlung der Uberschuldung - nicht ohne eine prognostische Komponente auskommen kann. Der Aussage, „das statische Denken" tauge daher „nichts fur das Insolvenzrecht der Unternehmen"^^, kann daher teilweise zugestimmt werden. (b) Ubertriebener Gldubigerschutz Die aufgrund von Informationsvorspriingen und Entscheidungskompetenzen verbesserte Stellung der Eigentumer des Untemehmens gegeniiber den Geldgebem verlangt grundsatzlich nach einem System glaubigerschiitzender Regelungen^^. Ein Bestandteil dieses Systems sind Vorschriften, die dem Schuldner die Entscheidungsbefugnis uber das Untemehmen entziehen, wenn der Grad der Fremdfmanzierung den Eingriff wirtschaftlich rechtfertigt, namentlich die Insolvenzantragspflichten^^. Die Bestimmung des Zeitpunkts des Eingriffs kommt der Bestimmung der Uberschuldung gleich. Ein Aspekt, der die Bestimmung dieses Zeitpunkts beeinfluBt, ist die Bewertung. Wer daVgl. Fleischer, aaO, S. 744; KuhnAJhlenbruck, aaO, Vorbem. D § 207 Rn 11. So wohl OLG Stuttgart NJW 1971,1144,1145. So auch Hasemeyer, aaO, S. 121 f. Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 6ff. Fischer, Uberschuldungspriifung, aaO, S. 1347f. Dessen einziger Konkursgrund vor Inkrafttreten der Insolvenzrechtsrefonn auch nur die Uberschuldung war, § 215 KO, vgl. K. Schmidt, Sinnwandel und Funktion, aaO, S. 168. Heute ist gem. § 320 InsO auch die Zahlungsunfahigkeit Eroffnungsgrund fur die NachlaBinsolvenz. Vgl. K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht, aaO, S. 48f. Vgl. Drukarczyk, Bilanzielle Uberschuldungsmessung, aaO, S. 556ff. Als Bausteine dieses Systems werden die allgemeinen Buchfuhrungs- und Dokumentationspflichten der Untemehmen, die Informationsrechte der Kapitalgeber sowie Vorschriften zur Einengung von Entscheidungsspielraumen der Eigentumer genannt. Ahnlich auch Drukarczyk, Bilanzielle Oberschuldung, aaO, S. 557f, 574ff. Vgl. auch Gischer/Hommel, aaO, S. 946.

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her die Uberschuldung damit begrundet, daB der Schuldner letztlich nicht mehr sein eigenes Vermogen verwaltet, sondem fremdes, durch die Glaubiger finanziertes, wird daran interessiert sein, dem Glaubiger moglichst viel seines Quasi-Vermogens zuriickzugeben. Deshalb wird teilweise im Ergebnis der Vermogensdarstellung eine niedrige Aktivenbewertung und eine hohere Passivenbewertung angestrebt^^. Damit tritt der Zeitpunkt der Uberschuldung allerdings eher friih ein^^^; ein fragliches Ergebnis, wenn es so zu einer ubereilten Zerschlagung des Untemehmens kommt'^^. Gegen die statische Betrachtung des Uberschuldungstatbestands ohne Korrektiv wird daher nach Ansicht des Verfassers zu Recht ein ubertriebener Glaubigerschutz angefuhrt. Der so verstandene Uberschuldungsbegriff sei sanierungsfeindlich^^^. Die Frist von drei Wochen zur Stellung des Insolvenzantrags gem. §§92 AktG, 64 GmbHG wird sowohl im Hinblick auf die strafrechtliche und zivilrechtliche Sanktionierung fUr den Fall des Unterlassens als auch im Hinblick auf mogliche GegenmaBnahmen mit Sanierungscharakter ohnehin als sehr kurz empfunden^^"^. Die Forderung nach einer Beriicksichtigung von SanierungsmaBnahmen und Insolvenzreife ist daher berechtigt^^^. So soil nach einer Ansicht, die sich (bisher) nicht durchgesetzt hat, die Dreiwochenfrist dann beginnen, wenn eine interne Prufung der Liquiditatslage mit dem Ergebnis stattgefunden hat, daB die Gesellschaft in absehbarer Zukunft nicht in der Lage sein wird, die falligen Verbindlichkeiten zu bedienen^^.

(c) Mangelnde Objektivierung Nicht zuletzt aufgrund der praktischen Schwierigkeiten bei Erstellen einer Uberschuldungsbilanz im Hinblick auf die verschiedenen (einstufigen) Bewertungsmethoden und dem Bedurfnis nach Justitiabilitat des Uberschuldungsbegriffs entstand die Forderung nach einer Prazisierung der Tatbestandsvoraussetzungen, die eine Reduzierung der messimmanenten Unbestimmtheit der Uberschuldungspriifung bewirken sollte^^^. Aus der Diskussion um die der Uberschuldungsbilanzierung zugrunde zu legende Vgl. ahnlich bei Drukarczyk, Bilanzielle Uberschuldung, aaO, S. 575ff. Auf diese Weise soil die Befriedigungsquote der Glaubiger im Konkursverfahren hoch gehalten werden. Um diesem glaubigerfreundlichen Ergebnis entgegenzusteuem, miiBten die Eigentumer ihre Eigenkapitalquote erhohen; vgl. Drukarczyk, Bilanzielle Uberschuldung, aaO, S. 581. Im Insolvenzverfahren verlieren die Glaubiger sonach in jedem Fall, vgl. Gurke, aaO, S. 50. Vgl. K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 338; Uhlenbruck, Konkursantragspflichten, aaO, S. 76. Vgl. ausfiihrlich bei Uhlenbruck, Konkursantragspflichten, aaO, S. 80. Uhlenbruck weist trotz des Bediirfnisses einer zeitaufwendigen Sanierungspriifung nachdriicklich darauf hin, daB die gesetzliche Dreiwochenfrist indisponibel ist; vgl. auch Ulmer, aaO, S. 476f; Henze/Bauer, aaO, Rn 17. Vgl. Uhlenbruck, Konkursantragspflichten, aaO, S. 81f. Kritisch dazu Ulmer, aaO, in Fn 34. Vgl. Uhlenbruck, aaO aus Fn 105. Vgl. Braun/Uhlenbruck, aaO, S. 289; Kupsch, Bilanzierungsproblematik, aaO, S. 275ff; Drukarczyk/Schiiler, aaO, Rn 63.

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Pramisse entstand zwangslaufig die Hypothese, dafi die Entscheidung zwischen Fortfiihrungswerten oder Liquidationswerten danach zu treffen sei, ob die Gesellschaft an sich noch lebensfahig sei oder nicht^^^. Neben der Bewertung der Vermogensgegenstande erlangt damit zugleich die Untemehmensentwicklung separate Bedeutung fur die Frage der Uberschuldung, indem diese mit der Prognose nach der Zukunft des Unternehmens in der Krise verkniipft wird^°^.

c) Erweiterung der materiellen Tatbestandsmerkmale der Uberschuldung - zweigliedrigerUberschuldungstatbestand In Anbetracht fehlender Noraiierung eines expliziten Verfahrens zur Uberschuldungsmessung wurden und werden in der juristischen und der betriebswirtschaftlichen Literatur immer wieder Techniken vorgestellt, wie die Uberschuldung tatsachlich festzustellen ist. Zwar hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dafi die Uberschuldungsmessung eine Aussage iiber die Vermogenslage und die Fortentwicklung des Untemehmens enthalten mu6^^°. Ausgehend von dem Bediirfnis nach einer Erweiterung der rechnerischen Uberschuldung setzt sich die Erkenntnis einer zweistufigen Uberschuldungspriifung durch^^^ Ausgangspunkt ist die dargelegte Uberlegung, die strategische Planung des Untemehmers offenzulegen, die die Bewertung der Vermogenslage maBgeblich beeinfluBt^^^. Die Forderung nach einer Erweiterung der materiellen Uberschuldungsmerkmale durch eine Fortfuhrungsprognose zielte insofem auch gar nicht auf ein volliges Novum ab. SchlieBlich kamen auch die Vertreter von einstufigen Uberschuldungsmessungen nicht ohne sie aus^^^. Mithin soil die Fortfuhrungsprognose als weiteres Element, das prognostische Element, neben der rechnerischen Uberschuldung als exekutorisches Element im Uberschuldungstatbestand anerkannt werden^^'*. Allerdings war und ist die funktionale Bedeutung der Prognose im Verhaltnis zu der rechnerischen Uberschuldung im Verfahren der Uberschuldungsmessung bis heute umstritten^^^. Vgl. Uhlenbruck, Die GmbH & Co KG, aaO, S. 284f; Zilias, aaO, S. 448f; Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 76. Vgl. BraunAJhIenbruck, aaO, S. 288f. Vgl. Uhlenbruck, Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung, aaO, S. 37 mwN in Fn 38; Hommelhoff, aaO, S. 247; BGH NJW 1992, 2891, 2894; NJW 1997, 3026, 3027. Vgl. Hommelhoff, aaO, S. 247. Vgl. soeben sub B H. 2. b)(l) und (2) (a). Vgl. sub oben B 11. 2. b)(l). Nach der einstufigen Uberschuldungsmessung war die Prognose nur nicht relevant fiir die materielle Uberschuldungsmessung Vgl. Uhlenbruck, Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung, aaO, S. 37; zur Terminologie ders.. Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 237. Vgl. dazu die Ubersicht bei Klar, aaO, S. 17ff Einigkeit besteht insoweit dariiber, da6 die Uberschuldungsmessung alleine keine Vermogensbetrachtung sein kann, sondem die zukunftige Entwicklung das Ergebnis der Oberschuldungsmessung beeinfluBt.

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(1) Zweigliedriger Uberschuldungstatbestand bei Gleichwertigkeit von rechtlicher und rechnerischer Uberschuldung K. Schmidt greift die berechtigten Bedenken, die gegen die einstufige LFberschuldung angefUhrt werden, erstmals auf und modifiziert den Uberschuldungstatbestand um das Element der Fortfuhrungsprognose^^^. Sein Ziel der Erweiterung des Uberschuldungstatbestands ist es, die Fortfuhrungsprognose aus der Aktivenbewertung herauszunehmen*^^. LFberschuldung soil dann vorliegen, wenn kumulativ rechnerische und rechtliche Uberschuldung eingetreten sind. Die rechnerische Uberschuldung indiziere zwar die Insolvenzreife, schlieBe aber deren Widerlegung mittels einer positiven Ertragsprognose nicht aus^^^. Damit miissen die Geschaftsfuhrer, auf Schadensersatz verklagt, den Nachweis der Lebensfahigkeit fiihren^^^. Rechnerische Uberschuldung und Fortbestehensprognose stehen demnach als Elemente des Uberschuldungstatbestands gleichwertig nebeneinander^^^. Die rechnerische Uberschuldung wird dabei alleine durch die Liquidationswerte ermittelt unter Einbeziehung der stillen Reserven^^\ DaB die Verwertungsmoglichkeiten den Vermogenswert beeinfluBt, wird nicht verkannt, unterliegt aber zugunsten der Rechtssicherheit^^^. Die rechtliche Uberschuldung basiert nach diesem zweigliedrigen Uberschuldungstatbestand auf einer Fortbestehensprognose, die die Wahrscheinlichkeit der kunftigen Zahlungsunfahigkeit darstellt. Uberwiegt die Wahrscheinlichkeit der kiinftigen Zahlungsunfahigkeit, ist der durch die rechnerische LFberschuldung indizierte Uberschuldungstatbestand erfiillt^^^. Aufgrund der Gleichwertigkeit der Tatbestandsmerkmale gibt es keine vorgeschriebene Priifungsreihenfolge der Tatbestandsmerkmale^^"^. Konsequenterweise macht dann sogar eine positive Prognose eine Uberschuldungsbilanz entbehrlich^^^.

Vgl. K. Schmidt, erstmals in, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 333ff; in jiingster Vergangenheit wiederholt in, Insolvenzordnung und Unternehmensrecht, aaO, Rn 12ff; weiteifuhrend Ulmer, aaO, S. 475ff. Vgl. K. Schmidt, Insolvenzordnung und Unternehmensrecht, aaO, Rn 13. Vgl. K. Schmidt, Konkursgrunde und Glaubigerschutz, aaO, S. 338. Und nicht umgekehrt die Schadensersatz fordemden Glaubiger des insolventen Unternehmens, vgl. Ulmer, aaO, S. 477. Denkbar ware hier aber auch, mit einer Beweislastumkehr zu operieren. Vgl. K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht, aaO, S. 50; so endlich auch BGH NJW 1983, 676, 677. Vgl. K. Schmidt, Konkursgrunde und Glaubigerschutz, aaO, S. 338. In Bezug auf die Notwendigkeit zur Offenlegung der stillen Reserven ausdriicklich zustimmend BGHZ 119, 201, 214 (sog. GirmesEntscheidung). Vgl. Ulmer, aaO, S. 479f. Vgl. K. Schmidt, Konkursgrunde und Glaubigerschutz, aaO, S. 338. So jedenfalls nach Ulmer, aaO, S. 478; a. A. K. Schmidt, zuletzt in Insolvenzordnung und Unternehmensrecht, aaO, Rn 13, der im Verfahren der Uberschuldungsmessung nicht auf eine Uberschuldungsbilanz verzichten will. Vgl. Ulmer, aaO, S. 478. Anders K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht, aaO, S. 53, der nicht auf das Erfordernis einer Gegeniiberstellung des Vermogens verzichten mochte.

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Auch die Rechtsprechung hat diesen Ansatz aufgegriffen und entsprechend eine Uberschuldung erkannt, wenn „das Vermogen der Gesellschaft (...) die bestehenden Verbindlichkeiten nicht decken wUrde (rechnerische Uberschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig nicht zur Fortfiihrung des Untemehmens ausreicht (Uberlebens- bzw. Fortbestehensprognose)" ^^^.

(2) Zweigliedriger Uberschuldungstatbestand bei Primat der Prognose Gegen die Gleichwertigkeit von rechnerischer und rechtlicher Uberschuldung wird hauptsachlich die Gefahr der Uberbewertung der Prognose eingewendet^^^. Zwar seien die Auswirkung von Sanierungsbemuhungen und ihrem Ergebnis bei der Feststellung des Insolvenzgrundes nach wirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sehr wohl anzuerkennen^^^. SchlieBlich sei die Uberschuldung nicht nur ein rechnerischer Begriff^^^. Zudem verbote sich insoweit eine Vermogensbewertung zu Betriebsbestehenswerten, und Sanierungsbemuhungen erschienen von vomherein aussichtslos^^^. Die Anerkennung einer im Verhaltnis zur rechnerischen Uberschuldung gleichwertigen Prognose entwerte aber das rechnerische Element zu Lasten der Rechtssicherheit und fuhre den Tatbestand der Uberschuldung in die Nahe der Zahlungsunfahigkeit^^\ Zur Bestimmung der Uberschuldung mtisse daher verfahrenstechnisch zunachst eine Vermogensbewertung zu „normalen" Liquidationswerten stattfinden. Ergebe sich dann bei einer stichtagsbezogenen Untemehmensliquidation fiir die Glaubiger eine Quote von unter 100%, liege rechnerische Uberschuldung vor. Da danach aber nahezu alle deutschen Untemehmen uberschuldet seien^^^, bediirfe dieses Ergebnis eines selbstandigen Korrektivs in Form einer Uberlebens- oder Ertragsprognose, der Fortbestehensprognose. Wer danach von einer Ertrags- oder Lebensfahigkeit des Untemehmens '2^ Vgl. erstmals in BGHZ 119, 201, 213ff = NJW, 1995 1739, 1741; sodann BGHZ 126, 181, 199; BGH NJWRR 1997, 606, 607; BGH NJW 1997, 3026, 3027; BGH ZIP 1998, 776. 778f; OLG Dusseldorf WiB 1997, 1087, 1088. ^" Insbesondere Uhlenbruck, erstmals in: Grundzuge eines kiinftigen Insolvenzrechts, aaO, S. 1950; ders., Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung, aaO, S. 40 mwN in Fn 46; endlich auch die Begriindung des Regierungsentwurfs zur InsO, BMJ-Diskussionsentwurf, aaO, S. B16; Kubler/Priitting, aaO, S. 173f. Vonnemann, aaO, Rn 50, sieht als Konsequenz nicht nur ein Primat der Prognose, sondem eine vollige Abkehr der bisherigen Auslegung des Uberschuldungstatbestands als rechnerische Uberschuldung. '^* Vgl. bspw. Uhlenbruck, Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung, aaO, S. 37; ders., Konkursantragspflichten, aaO, S. 80; ders. ausfuhrlich. Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 237f; S. 275ff. ^^^ Vgl. Uhlenbruck, Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung, aaO, S. 37. '^° Vgl. Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 238. '^' Vgl. Uhlenbruck, Grundzuge eines kiinftigen Insolvenzrechts, aaO, S. 1950. Uhlenbruck halt die Ertragsprognose nur fiir ein Alibi, die rechnerische Uberpriifung nicht durchfiihren zu miissen. Finanzplane sind aus seiner Sicht aber unbrauchbar („wie Kriegsberichte: in Einzelheiten exakt, im ganzen falsch")'^^ So auch Ulmer, aaO, S. 474 im Pladoyer fiir eine Erweiterung der Uberschuldungspriifung.

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ausgehe, habe die Vermogenswerte im Uberschuldungsstatus um die Differenz zu den Betriebsbestehenswerten zu erganzen. Bleibt es dann bei einer rechnerischen Uberschuldung, sei der Insolvenztatbestand der Uberschuldung gegeben, ebenso wie in den Fallen einer ungUnstigen Fortbestehens- oder Ertragsprognose^^^. Die tJberschuldungsmessung besteht danach zwar weiterhin aus zwei Elementen (Tatbestandsmerkmalen), in praxi sind allerdings zur Umsetzung der so verstandenen Uberschuldungsmessung drei Schritte erforderlich: 1. Das Erstellen einer Uberschuldungsbilanz zu Liquidationswerten. 2. Die Vomahme der Prognose. 3. In Abhangigkeit des Ergebnisses dieser Prognose: Berichtigung der Uberschuldungsbilanz (entsprechend Schritt 1) bei positiver Prognose durch den Ansatz zu Fortfiihrungswerten. Bleibt es bei der rechnerischen tJberschuldung, ist der Uberschuldungstatbestand materiell gegeben, andemfalls nicht. Fallt die Prognose dagegen negativ aus, entscheidet alleine das Ergebnis der Oberschuldungsbilanz (entsprechend Schritt 1) Uber das Vorliegen der materiellen Uberschuldung. Sonach sind zwei unterschiedliche Formen der Uberschuldungsmessung moglich: fiir den Zerschlagungsfall und den Fortfuhrungsfall. Damit werden zwar die Verwertungsbzw. Sanierungsbemiihungen beriicksichtigt. Unter der unterstellten Pramisse allerdings, die uberhaupt erst die Einsicht zur Korrektur der Uberschuldung bewirkt hat, namlich der Annahme, da6 ohnehin alle Untemehmen bei Ansatz der Liquidationswerte uberschuldet seien, ist demgemaB immer der zweite Schritt zur Uberschuldungsmessung erforderlich. Damit wird der erste Schritt, die Bewertung des Vermogens zu Liquidationswerten de facto uberflUssig^^"^. Im Ergebnis entscheidet dann die Prognose uber die Bewertung, mithin uber die Insolvenzreife^^^.

(3) Dreigliedriger

Uberschuldungstatbestand

In Anerkennung, da6 zur Bestimmung der Uberschuldung weder auf die Aufstellung des Uberschuldungsstatus noch auf die Fortbestehensprognose verzichtet werden kann, soil die Uberschuldungsmessung um ein weiteres Glied erganzt werden: Eine Abwagung^^^. Die Erstellung des Uberschuldungsstatus sei gemaB den die Uberschuldung So Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 237f. Im Ergebnis ebenso Temme, aaO, S. 116; Lutter, Zahlungseinstellungen, aaO, S. 643; Uhlenbruck, Gesellschaftsrechtliche Aspekte, aaO, Rn 18. Vgl. Gurke, aaO, S. 74f. Vgl. zum dreigliedrigen Uberschuldungstatbestand und dessen Voraussetzungen nur Hommelhoff, aaO, S. 245ff.

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betreffenden Vorschriften insoweit zwingend, als jedenfalls der Wortlaut die rechnerische Feststellung der Uberschuldung gebiete. AuBerdem konne erst die Uberschuldungsbilanz iiber das momentane Ausfallrisiko der Glaubiger Auskunft geben^^^. Die Fortbestehensprognose, basierend auf den voraussichtlichen Ertragen sowie dem kUnftigen Kreditspielraum, sei zwar hilfreich fiir die Frage nach den mittelfristigen Uberlebenschancen der Gesellschaft, lasse aber gerade das aktuelle Ausfallrisiko der Glaubiger und dessen AusmaB auBer Acht. Die rechnerische Uberschuldung dUrfe nur dann nicht zur rechtlichen Uberschuldung fuhren, wenn neben den mittelfristigen Uberiebenschancen der Gesellschaft gleichzeitig das aktuelle Ausfallrisiko der Glaubiger beriicksichtigt werde. Daher sei nach der Fortbestehensprognose eine Abwagung der mittelfristigen Uberlebenschancen gegenuber dem Ausfallrisiko der Glaubiger erforderlich. Je groBer das Ausfallrisiko, desto hohere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit zu stellen, daB die Gesellschaft mittelfristig iiberleben wird und deshalb auch keinen Konkursantrag zu stellen braucht^^^. Im Ergebnis stellt damit zwar die rechnerische Uberschuldung ein Element der Uberschuldungsprufung dar. Doch entscheidet letztendlich auch die mittelfristige Uberlebenschance der Gesellschaft als prognostisches Element dariiber, ob Insolvenzantrag zu stellen ist oder nicht.

(4)Ermittlung der Uberschuldung aufierhalh mehrgliedriger Uberschuldungsmessung Basierend auf dem Gedanken der Fortfuhrung und vor dem Hintergrund der Notwendigkeit hinreichend objektivierter Bilanzierungsregeln soil die Uberschuldungsfeststellung allein auf der Grundlage einer herkommlichen^^^ oder modifizierten Handelsbilanz^"*^ erfolgen. Insbesondere das Vorsichtsprinzip, das als eines der oberen Prinzipien der Handelsbilanzierung gelte, sei wegen seiner Auspragungen sehr gut fur die Uberschuldungsbilanzierung geeignet^'*^

Zutreffend Hommelhoff, aaO, S. 248. Vgl. Hommelhoff, aaO, S. 248f. Vgl. Lutkemeyer, aaO, S. 254ff. Vgl. Vonnemann, aaO, Rn 60ff; ders., S. 869f. Sowohl Bilanzinhalt als auch Bilanzierungsregeln werden den Erfordemissen einer Uberschuldungsberechnung gerecht. Modifiziert werden sollen nur einzelne Aktivund Passivposten, vgl. Rn 113ff. Vgl. Lutkemeyer, aaO, S. 261

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Neben der Ermittlung der Uberschuldung mittels bilanzieller Methoden wird auch die Uberschuldungsfeststellung mittels Verfahren zur Untemehmensbewertung vorgeschlagen^"^^. Denn die Uberschuldungsfrage konne weder durch eine statische noch durch eine dynamische Vermogensabbildung die Uberschuldungsfrage per se hinreichend beantwortet werden. Die reine Ertragswertmessung beantworte die Fragestellung, ob aus dem Vermogen die Schulden im Zeitablauf auszugleichen sind^"*^. Ganz anders dagegen wird eine einstufige Uberschuldungsermittlung vorgeschlagen, indem stets die Fortfuhrung des Untemehmens zu unterstellen und von dieser Pramisse ausgehend das Vermogen entsprechend seiner Nutzung zu bewerten ist'"^"*. Ergibt sich daraus eine negative Differenz zwischen Vermogen und Verbindlichkeiten, ist von Uberschuldung auszugehen. Nach einer anderen Variante wird eine einstufige Messung lediglich mittels einer Prognose befurwortet^"^^.

d) Prognose der Lebensfahigkeit Vor Inkrafttreten der InsO war die Uberschuldung lediglich als Ergebnis einer Vermogensaufstellung defmiert. Die Prognose selbst war dabei nicht ausdrucklich erwahnt^"*^. Die Entwicklung des Verstandnisses der Uberschuldung als dynamischen Sachverhalt und die damit verbundene Notwendigkeit nach einer Erweiterung der materiellen Uberschuldung um das Merkmal der Prognose machen deutlich, daB die angemessene Bewertung der Vermogenslage einer Entscheidung Uber die Lebensfahigkeit bedarf^"*^. Nur mit Hilfe einer Einschatzung der zukiinftigen Entwicklung laBt sich der realistische Gegenwartswert eines Untemehmens bestimmen^'*^, Fraglich ist nur, ob die Dynamik im Sinne einer reinen Liquiditatspriifung oder im Sinne einer Ertragspriifung zu

Vgl. Fischer, aaO, S. 5Iff, mwN; im Ergebnis auch Kupsch, aaO, S. 279. Dagegen etwa Lutkemeyer, aaO, S. 336; K. Schmidt, Sinnwandel und Funktion, aaO, S. 170, die die Untemehmensbewertung fur kompliziert, kostspielig und ungenau halten. Vgl. Fischer, aaO, S. 1345. Vgl. Klar, aaO, S. 86f, 94ff. Entscheidender Parameter fur die Berechnung des Vermbgenswertes anhand der Nutzung ist die Kapazitiitsauslastung, fiir die er eigene Berechnungsmodelle anbietet. Die Komplexitat der Berechnungen laBt Zweifel an der Praktikabilitat dieser Art der Uberschuldungsmessung. Dennoch ist Klar im Ansatz zuzustimmen, vgl. sub B in. 3. a). So Altmeppen, aaO, S. 1175. Vgl. oben sub B II. 1. Vgl. Hachenburg-t//mer, aaO, § 63, Rn 27; Uhlenbruck, Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung, aaO, S. 37; Hommelhoff, aaO, S. 247. Dogmatisch handelt es sich dabei um eine teleologische Reduktion des Tatbestands, vgl. K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 334f, Ulmer, aaO, S. 477. § 19 InsO greift das Erfordernis nach der Beriicksichtigung der zukiinftigen Entwicklung im Tatbestand auf, vgl. nachfolgend sub B 112. e) (1). Vgl. BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B) S. 20.

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verstehen ist^"*^. Inhalt und Umfang dieser Einschatzung sind nicht normiert. § 19 InsO spricht von „nach den Umstanden", prazisiert dariiber hinaus diese Umstande aber nicht. DemgemaB werden die Lebensfahigkeit von Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich inteipretiert und unterschiedliche Vorgaben an das Erfordemis der Uberpriifung der Lebensfahigkeit gemacht^^^.

(1) Prognose mittels Finanzplan Nach betriebswirtschaftlicher Auffassung wird die Insolvenz zur Frage der zukiinftigen Entwicklung, indem das Risiko der Uberschuldung mit dem hochsten Ausfallrisiko bei lUiquiditat des Schuldners verglichen wird. Zur Erfassung dieses Risikos ist daher ein Finanzplan zu erstellen, der ausgehend vom aktiven Vermogen, das dem Zweck der Schuldentilgung dient, alle erwarteten Zahlungen so glaubwurdig wie moglich abbildet^^\ Nach der Rechtsprechung hat die Uberlebens- oder Fortbestehensprognose zu fragen, ob die Finanzkraft der Gesellschaft nach iiberwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig zur Fortfuhrung des Unteraehmens ausreicht^^^. Parameter dieser Wahrscheinlichkeit werden allerdings nicht gegeben. Gemeint ist damit wohl, da6 die Gesellschaft mittelfristig nicht zahlungsunfahig wird^^^. Ausgangspunkt der Lebensfahigkeit ist die Finanzkraft^^"^. Dazu ist eine auf die Zukunft gerichtete Sichtweise erforderlich, die alle fur die Finanzkraft notwendigen Faktoren beriicksichtigt. Dazu gehoren Planung von Umsatz, Ertrag und Liquiditat^^^. Der FachausschuB des Instituts der Wirtschaftspriifer (IDW) empfiehlt, die im Rahmen der Fortfuhrungsprognose erforderliche Finanzplanung auf dem Untemehmenskonzept aufzubauen, das zahlenmaBig durch Zutreffend prazisiert auch Drukarczyk, Kapitalerhaltungsrecht, aaO, S. 1737, die Fortfuhrungsprognose als eine Frage nach kiinftiger Zahlungsunfahigkeit oder nach zukiinftiger Ertragsfahigkeit. Teilweise verlagert die juristische Kommentarliteratur die Zustandigkeit zur Prazisierung des Merkmals der Lebensfahigkeit vollstandig auf die Betriebswirtschaftslehre; vgl. Hachenburg-[//m^r, aaO, § 63 Rn 37. Vgl. Moxter, FinanzwirtschaftHche Risiken, aaO, Sp. 635ff; so auch IDW-FAR 1/1996, aaO, S. 24. Vgl BGH GmbHR 2004, 898, 900 und 903 mit Anmerkung Bormann, der herausstellt, dass es sich bei der Definition der Fortfuhrungsprognose urn eine Positivdefinition handelt, die die Anforderungen an die Prognose im Vergleich zu der von der Rechtsprechung friiher vertetenen Negativdefmition (BGHZ 119, 201, 214) erhoht. Bei der Prognose wird dem Geschaftsfiihrer im ubrigen ein gewisser Ermessensspielraum zugebilligt; auBerdem konrnit es nicht auf nachtrilgliche Erkenntnisse an, sondem auf die Sicht eines ordentlichen Geschaftsfuhrers im Krisenfall, der sich notfalls fachkundig beraten lassen mu6. Sehr ahnlich auch K. Schmidt, Konkursgrunde und Glaubigerschutz, aaO, S. 338, der die Fortbestehensprognose mit der Wahrscheinlichkeit kunftiger Zahlungsunfahigkeit verbindet. So OLG Dusseldorf, WiB 1997, 1087,1088. Hoffner, aaO, S. 204, stellt dar, daB die Rechtsprechung bei der Uberpriifung der Lebensfahigkeit zwar eine liquiditatsorientierte Bewertung durchfuhren mochte, letztlich aber eine positive allgemeine Lageeinschatzung geniigen laBt. Vgl. Winnefeld, aaO, N 825; IDW-FAR 1/1996, aaO, S. 23f. Lutter/Hommelhoff, aaO, § 63 Rn 15.

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Planergebnisrechnung, Planbilanz und Finanzplan abgebildet wird. Aus dem Vergleich der Zahlungsstrome laBt sich als Grundlage der Entscheidung iiber die Lebensfahigkeit das fmanzielle Gleichgewicht der Gesellschaft erkennen'^^. Der Literatur zufolge hat die Uberpriifung der Lebensfahigkeit die Rentabilitat und Finanzierung des Untemehmens sowie fundierte Erwartungen hinsichtlich der kiinftigen Entwicklung aufgrund einer sorgfaltigen betriebswirtschaftlichen Analyse zum Gegenstand und miisse Uberzeugend vermitteln, daB auf absehbare Zeit nicht mit ihrer Liquidation zu rechnen sei^^^. Innerhalb der Prognose der Lebensfahigkeit sollen auch die intemen und extemen Sanierungsmoglichkeiten berucksichtigt werden, soweit diese tauglich und reahsierbar sind^^*. Die Dokumentation der Uberpriiften Lebensfahigkeit wird uberwiegend als Finanzplan bezeichnet*^^. Der Umsetzung des Bediirfnisses nach einer Erweiterung der Uberschuldungsmessung in Form eines Finanzplans ist zuzustimmen. Auch wenn eine Prognose, basierend auf diesen Werten elastisch ist, vermeiden die zugrundeliegenden Zahlen und Fakten eine groBere Rechtsunsicherheit^^^. Der Uberschuldungsbegriff sichert durch die Interpolation der bisher zutage liegenden Zahlen die objektive Betrachtungsweise.

(2) Inhalt des Finanzplans Grundsatzlich wird die Lebensfahigkeit dahingehend verstanden, daB eine Tilgung aller Verbindlichkeiten unproblematisch moglich ist'^^ Die Uberpriifung der Lebensfahigkeit soil neben den zu erwartenden Einnahmen auch die zukUnftigen noch nicht begriindeten Zahlungspflichten beriicksichtigen^^^. Der maBgebliche Zeitraum der zu uberprufenden Lebensfahigkeit ist ebenfalls gesetzlich nicht geregelt. Da die VerlaBlichkeit der Planung regelmaBig mit Zunahme des avisierten Zeitraums schrumpft, soil

Vgl. IDW-FAR 1/1996, aaO, S. 24. Vgl. Zilias, aaO, S. 448. Vgl. zum SorgfaltsmaBstab Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG., aaO, S. 286 mwN in Fn 104. Vgl. Uhlenbruck, Konkursantragspflichten, aaO, S. 81f; Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64 Rn 15; Winnefeld, aaO, N 821. Zur Sanierungspriifung allgemein vgl. Friedrich/Flintrop, aaO, S. 223ff. Diese Begriffsbestimmung wird auch verwendet, wenn inhaltlich der Ertrag gepruft wird; vgl. bspw. Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 285. Daher wird auch im folgenden nicht von dieser Terminologie abgewichen. So auch K. Schmidt, Sinnwandel und Funktion, aaO, S. 173. Vgl. Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64, Rn 15; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 284f. Vgl. Braun/Uhlenbruck, aaO, S. 292f.

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sich die Fortbestehensprognose auf einen Zeitraum von einem bis zwei Jahren beziehen'". Im Schrifttum ist bisweilen unklar, ob die Prognose auf Basis der Liquiditat oder des Ertrags zu ermitteln ist^^'*. Diese Differenzierung ist von betriebswirtschaftlicher Relevanz. Denn Liquiditat bedeutet Zahlungsfahigkeit, Ertrag dagegen Rentabilitat^^^. Die Finanzplanung als Liquiditatsplanung umfaBt alle kUnftigen Einnahmen und Ausgaben in einer bestimmten, auch zukiinftigen Periode. Sie zeigt aber nur die zur Verfugung stehenden Geldmittel an. Dagegen wird fur die Erfolgsrechnung zwischen erfolgswirksamen und erfolgsneutralen Zahlungen unterschieden. In die Ertragsrechnung flieBen nur die erfolgswirksamen Vorgange ein. Im Ergebnis kommt es jedenfalls trotz betriebswirtschaftlicher Divergenzen darauf an, da6 dem Unteraehmen zuktinftig nach Zinsdienst ein Beitrag zur Investition und/ oder Schuldentilgung verbleibt^^^. In diesem Sinne eignet sich daher eine Cash-flow-Rechnung am besten, um eine vemiinftige Aussage iiber die Fortfuhrung zu geben^^^. Aus dem bisher Gesagten folgt, da6 die Prognose und die Vermogensmessung im Verfahren zur (Jberschuldungsmessung selbstandig zu ermitteln sind.

e) Uherschuldungshegriff nach § 19 InsO (1) Vorstellung des Gesetzgebers § 19 Abs. 2, S. 1 InsO greift zunachst auf, was auch bisher allgemeine Geltung hatte: Uberschuldung liegt vor, wenn das Vermogen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt^^^. MaBgeblich ist fiir die Feststellung der Uberschuldung auch hier der Vergleich des Vermogens, das im Falle einer Eroffnung des Insol-

*^^ Fiir einen Zeitraum bis zum Ablauf des nachsten Geschaftsjahres Hachenburg-f//mer, aaO, § 63 Rn 32; IDW-FAR 1/1996, aaO, S. 23f; fUr einen Zeitraum von etwa zwei Jahren Uhlenbruck, Gesellschaftsrechtliche Aspekte, aaO, Rn 18. '^ Vgl. K. Schmidt, Sinnwandel und Funktion, aaO, S, 170f; Ulmer, aaO, S. 478. '^^ Vgl. dazu Hoffner, aaO, S. 202, der die juristische Ignoranz in dieser Materie kritisiert. ^^ So auch Fischer, aaO, S. 1347; Wolf, Passivierung, aaO, S. 1833f, der fur den Fall, daB kein entsprechender Betrag zur Verfugung steht, die Fortfuhrung davon abhangig machen mochte, ob die Fremdkapitalgebcr auf eine Verzinsung oder eine Tilgung verzichten. '^^ In diesem Sinne auch Wolf, Passivierung, aaO, S. 1833f. Der Cash-flow zeigt den aus der laufenden Umsatztatigkeit resultierenden FinanzmitteluberschuB, der dem Unternehmen fiir Investitionsausgaben, Tilgungszahlungen und Gewinnausschiittungen zur Verfiigung steht. Erfolgsneutrale Vorgange werden nicht erfafit. '^* Insoweit weisen auch die Begriindungen des Regierungsentwurfs und des Rechtsausschusses auf eine Entsprechung zum vorherigen Konkursrecht hin, abgedr. bei Kiibler/Priitting, aaO, S. 178.

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venzverfahrens zur Verfiigung steht, mit den Verbindlichkeiten, die im Falle der Verfahrenseroffnung gegeniiber Insolvenzglaubigem bestehen^^^. Daraus folgt zugleich, dafi die Feststellung der Uberschuldung nur auf der Grundlage einer GegenUberstellung von Vermogen und Schulden getroffen werden kann^^^. Diese Definition erscheint zunachst plausibel, reicht aber in der Praxis kaum aus, urn im Einzelfall eine vertretbare Entscheidung treffen zu konnen, denn zwecks Gegenuberstellung miissen Vermogen und Verbindlichkeiten bewertet werden^^^ Bin Bewertungsansatz wird schlieBlich auch mit § 19 Abs. 2, S. 2 InsO vorgegeben: „Bei der Bewertung des Vermogens ist die Fortfuhrung des Untemehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umstanden Uberwiegend wahrscheinlich ist." Im Gesetzgebungsverfahren erfolgte damit eine Abkehr von den friihen Ansatzen der Reformkommission. Nach dem Ersten Kommissionsbericht der Kommission fur Insolvenzrecht sollte Uberschuldung vorliegen, wenn kumulativ eine rechnerische Uberschuldung vorliegt und die Ertragsfahigkeit fur absehbare Zeit weder gewahrleistet erscheint noch in absehbarer Zeit wieder herzustellen ist^^^. Der Gesetzgeber folgte aber im Rahmen der Reformdiskussion der Forderung nach einer realistischen Bewertung und mochte deshalb die Bewertung in Abhangigkeit von der beabsichtigten Verwertung und der Lebensfahigkeit sehen^^^. Nach der endgiiltigen Vorstellung des Gesetzgebers, die in § 19 Abs. 2 InsO ihren Niederschlag gefunden hat, verlauft die Uberschuldungsprufung in nachfolgend skizzierten Schritten: Zunachst ist auf der Basis wahrscheinlicher Umstande iiber die Fortfuhrung des Unternehmens zu entscheiden. In einem zweiten Schritt mu6, wenn die Fortfuhrung wahrscheinlich ist, die Gegeniiberstellung von Vermogen und Schulden zu Fortfuhrungswerten bilanziert werden. Ist die Fortfuhrung unwahrscheinlich, ist die Lebensfahigkeit nicht gegeben. Welche Bewertung letzterenfalls vorgenommen werden soil, bleibt im iibrigen dem Wortlaut nach offen. Lediglich die Motive erklaren in diesem Zusammenhang, dafi die Liquidationswerte zugrunde zu legen sind^^'*. Fortfuhrungsabsicht und Lebensfahigkeit sind die Voraussetzung einer Bewertung zu Fortfuhrungswerten. tJber die Prognose hinaus ist eine Uberschuldungsbilanz erforderlich, denn die Prognose allein hat nur die Funktion, die Bewertungsgrundlagen zu bestimVgl.ebd.,S. 178f. So bereits die Begriindung des RefEInsO, BMJ-Diskussionsentwurf, aaO, Teil. (B) S. 16f. Vgl. zudem nachfolgend sub B m. 3. und C. So auch BraunAJhlenbruck, aaO, S. 287, vgl. insoweit oben. Vgl. Leitsatz zu 1.2.6. Abs. 1 BMJ-Erster Bericht der Kommission fiir Insolvenzrecht, aaO, S. 1 llff. Vgl. BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B) S. 20. Vgl. Begriindung des Referentenentwurfs, BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B) S. 20.

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men. Diese zwingend einzuhaltende Vorgehensweise wird damit begrundet, daB auch bei einer positiven Prognose fur die Fortfuhrung des Untemehmens nicht ausgeschlossen werden kann, daB Uberschuldung vorliegt^^^. Jedenfalls soil die Entscheidung iiber die Uberschuldung von einem exekutorischen und einem prognostischen Element abhangen^^^. Der Gesetzgeber entschied damit gegen den reinen zweigliedrigen Uberschuldungsbegriff, der sich gerade von der Literatur bis zur hochstrichterlichen Rechtsprechung durchgesetzt hatte. In der Begriindung fuhrt er dazu aus, das vom ihm normierte Verfahren verhindere, daB alleine eine positive Prognose zu einer Vemeinung der Uberschuldung fuhre. Andemfalls konne eine Gesellschaft trotz fehlender Haftung weiter wirtschaften, ohne daB ein die Schulden deckendes Kapital zur Verfugung stehe, was zum Schutz der Glaubiger nicht erwunscht sei^^^. Zwar enthalt die Uberschuldungspriifung nach § 19 Abs. 2 InsO mit der Fortfiihrungsprognose auch ein dynamisches Element, dessen Beriicksichtigung bei der Untemehmensinsolvenz unabdingbar ist^^^. Doch spielt es einzig fur die Bewertung der Vermogensgegenstande und Schulden im Rahmen der Uberschuldungsbilanz eine Rolle. Eine eigenstandige Bedeutung etwa in der Weise, daB es gleichwertig neben dem Element der rechnerischen Uberschuldung tritt, wie dies bei dem reinen zweigliedrigen Uberschuldungsbegriff der Fall ist, oder dass die mittelfristige Lebensfahigkeit daruber entscheidet, ob Insolvenzantrag zu stellen ist, wie dies der dreigliedrige Uberschuldungstatbestand vorsieht, kommt dem dynamischen Element aus heutiger Sicht nicht zu. Mehr noch, fUr die Insolvenzantragspflicht ist allein das Ergebnis der tJberschuldungsbilanz maBgeblich. Zeigt die Uberschuldungsbilanz zu Fortfuhrungswerten einen Fehlbetrag, besteht danach die Pflicht, Insolvenzantrag zu stellen, auch wenn die Prognose iiber die Fortfuhrung des Unternehmens positiv ist^^^. Der Gesetzgeber hat sich damit flir das Primat des Glaubigerschutzes entschieden und den Blick fur die Sanierungsfahigkeit der Gesellschaft sehr einschrankt. Dim ging es offensichtlich darum, sicherzustellen, daB in der Untemehmenskrise eine kritische Prufung der Vermogenslage erfolgen muss, mithin eine bilanzielle Gegeniiberstellung von Vermogen und Verbindlichkeiten*^^. Im Ergebnis ist dieVgl. die Begriindung des Referentenentwurfs zu § 19 Abs. 2 InsO, BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B) S.20. Vgl. zu dieser Tenninologie Uhlenbruck, Gesellschaftsrechtliche Aspekte des Insolvenzrechts, aaO, Rn 15. Vgl. Begrundung des Referentenentwurfs, BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B) S 20; BMJ-Erster Bericht der Kommission, aaO, S. 113, was im friihen Stadium der Reformentwurfs noch von der Minderheit der Kommission vertreten wurde. Vgl. dazu B n. 2. b) (2) (a). Vgl. auch OLG Naumburg, GmbHR 2004, 361. Siehe aber Gischer/Hommel, aaO, S. 945, nach denen eine rechnerische Uberschuldung bei positiver Fortfiihrungsprognose regelmafiig auf eine fehlerhafte Verm5gensbewertung hinweist. So auch Lutter, Zahlungseinstellung, aaO, S. 643; Schmidt/Uhlenbruck-5c/im/Jr, aaO, Rn 853f.

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sem Anliegen zwar zuzustimmen^^^ Letztlich ist die faktische Umsetzung dieses Anliegens aber miBglUckt, da die Uberschuldungsmessung nach § 19 Abs. 2 InsO eine Frage der Bewertung ist. Die Frage der Oberschuldung wird damit zur Bewertungssache"l

(2) ijberschuldung als Bewertungsproblem? In der endgUltigen Fassung des § 19 Abs. 2 InsO hat der Gesetzgeber die Uberschuldung denn auch als Bewertungsproblem gesehen^^^. Die aus § 19 InsO resultierende Annahme, daB allein die Prognose Uber den Bewertungsansatz entscheide, iiberzeugt aber nicht. Denn bei ungUnstiger Zukunftsprognose wird die Bilanz zu Liquidationswerten und bei gUnstiger zu FortfUhrungswerten aufgestellt. Damit wird die eigentliche Uberschuldungspriifung durch die Bewertung verdrangt^^"*. Wenn die Prognose den BewertungsmaBstab vorgibt, ist in der Praxis bereits Uber die (Jberschuldung entschieden^^^.

(3) Wurdigung Eine Losung zur vieldiskutierten Frage nach der Bewertung der Aktiva bleibt damit zwar nicht aus. Das Bewertungsproblem scheint im reformierten Insolvenzrecht erkannt und gelost zu sein^^^. Tatsachlich ist das Bewertungsproblem jedoch nicht gelost, sondem nur verlagert. AuBerdem wird die Uberschuldung als Insolvenzeroffnungsgrund dem okonomischen Anspruch eines derartigen Tatbestands nicht gerecht, wenn die Frage der Insolvenz allein als ein Bewertungsproblem verstanden wird^^^. Letztlich bleibt weiterhin unklar, nach welchen Ansatzen bewertet werden soil. Der vorgegebene Ansatz ist seinerseits namlich an weitere Parameter gebunden, die erheblich auslegungsbedurftig und unsicher sind. Der Wortlaut des § 19 Abs. 2, S. 2 InsO postuliert zwar, daB die Bewertung des Vermogens an die Fortftihrung zu koppeln sei; So auch Drukarczyk/Schiiler, aaO, Rn 8Iff; Lutter, Zahlungseinstellung, aaO, S. 643. Vgl. dazu nachfolgend sub B III. 2. So wohl auch Braun/Uhlenbruck, aaO, S. 291f. Vgl. wieder Uhlenbruck, wieder in Eroffnungstatbestande, aaO, Rn 15 und BraunAJhIenbruck, aaO, S. 289 mwN; ebenso die Empfehlung des IDW-FAR 1/1996, aaO, S. 24. Vgl. Hachenburg-/7/m«r, aaO, § 63 Rn 33. So auch Ulmer, aaO, S. S. 474. Ahnlich Drukarczyk/Schiiler, aaO, Rn 91. Insbesondere vor dem Hintergrund der aufgezeigten Entwicklung vom einstufigen Uberschuldungstatbestand hin zum zweistufigen, vgl. oben sub B 11.

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allerdings mit einer erheblichen Einschrankung, daB namlich die entsprechenden Fortfuhrungswerte nur dann anzusetzen sind, wenn auch die Fortfuhrung des Untemehmens nach den Umstanden iiberwiegend wahrscheinlich ist. Ebenso erscheint daher eine Bilanzierung nach Liquidationswerten moglich; und zwar dann, wenn die Fortfuhrung nach den Umstanden unwahrscheinlich ist. In welchen Fallen aber die eine Alternative, die Fortfuhrung, oder die andere Alternative, keine Fortfuhrung, wahrscheinlich ist, dariiber laBt der Gesetzeswortlaut den Normadressaten im Unklaren. Der Streit um die Bewertung ist daher lediglich auf die Prognose verschoben, die ihrerseits durch wahrscheinliche oder weniger wahrscheinliche Umstande determiniert wird. Entschieden ist die Bewertungsfrage damit keineswegs. Die im Gesetzgebungsverfahren angesprochene Unsicherheit der Prognose ist weiterhin immanent, nur an anderer Stelle. Beileibe darf die Uberschuldung nicht als ein Bewertungsproblem verstanden werden. Die Uberschuldung als Insolvenzgrund beriihrt weit mehr Rechtskreise als den der Bewertung^^^. Obwohl der Gesetzgeber erkennt, dafi eine Prognose flir die Lebensfahigkeit des Untemehmens leicht vorschnell zugrunde gelegt wird^^^, verzichtet er nicht darauf. Damit wird zwar den dynamischen Gesichtspunkten der Insolvenz gerecht^^^. Widersprochen werden muB aber dem Motiv des Gesetzgebers, das zusatzliche Erfordemis einer Uberschuldungsbilanz wirke auch bei positiver Prognose der Gefahr einer unrichtigen Prognose entgegen. Die Gefahr, da6 auf Grund einer unrichtigen Fortfuhrungsprognose das Vorliegen des Uberschuldungstatbestands vemeint wird, besteht immer, selbst wenn nach Ansicht der Kommission durch das Erfordemis einer zusatzlichen Uberschuldungsbilanz auch bei positiver Bilanz gerade diesem Effekt entgegengewirkt werden soll^^\ Die Kommission raumt so auch an gleicher Stelle ein, daB die Bilanz zu Fortfiihrungswerten - denn bei positiver Prognose muB ausdriicklich zu Fortfuhrungswerten bilanziert werden - haufig dazu fuhren werde, daB der Wert des Vermogens die Summe der Verbindlichkeiten iibersteigt^^^. Damit ist aber gerade die genannte Gefahr uberhaupt nicht ausgeraumt. Ist die Prognose falsch, so hatte tatsachlich zu Liquidationswerten bilanziert werden miissen. Nur so ware die verlangte „realistische" Bewertung moglich. Richtigerweise dient das Erfordernis eines exekutorischen Elements daher nicht der richtigen Aktivenbewertung^^^. '^^ Vgl. Klar, aaO, S. 9ff. Funktional ubemimmt die Uberschuldung Glaubiger-, Eigentumer- und Arbeitnehmerinteressen sowie offentliche Interessen. ^^^ Vgl. BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B) S. 20. '^ Fischer, Uberschuldungsprufung, aaO, S. 1347f. '^' Vgl. BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B) S. 20. "'^ BMJ-Erster Bericht der Kommission fur Insolvenzrecht, aaO, S. 112. '^^ So auch K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 338.

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Die Gefahr einer fehlerhaften Prognose entsteht Uberhaupt erst durch ihre Notwendigkeit, da die Prognose an sich naturgemaB ein Risiko der Unsicherheit aufgrund einer Fehleinschatzung in sich birgt. Der Kern dieses Risikos ist haufig subjektiver, das heiBt menschlicher Natur. Die zugrundeliegenden Umstande lassen sich zwar objektivieren, nicht aber deren tatsachliche Entwicklung in der Zukunft. Zudem kann eine Prognose objektiv falsch sein, da stets das Risiko eines Irrtums immanent ist. Diese Gefahr kann durch ein Korrektiv, hier dem zusatzhchen Erfordemis der Uberschuldungsbilanzierung, nicht ausgeraumt werden, aber geglattet werden, indem dieses Korrektiv gleichwertig daneben steht. Da ein Korrektiv einer fehlerhaften Prognose nicht moglich erscheint, ist es sinnvoller, die Moglichkeiten der fehlerhaften Willensbildung zu begrenzen, indem der Rahmen der Fortbestehensprognose moglichst genau festgelegt wird. Das heiBt konkret, einen gesetzlichen Rahmen vorzugeben, der objektivierter ist als der des § 19 Abs. 2 InsO. Die Frage, ob die Fortfuhrung des Untemehmens den Umstanden nach wahrscheinlich ist, betrifft daher allein die Finanzplanungspriifung als Gegenstlick zur bloB statischen Uberschuldungsmessung^^"^. In Wahrheit verbirgt sich hinter der gesetzlichen Regel eine dreistufige^^^ Uberschuldungspriifung^^^. Die praktischen Mangel der Handhabung der Uberschuldung wegen der Abhangigkeit der Fortfuhrung sind damit leider keineswegs beseitigt. Letztlich erscheint die Uberschuldung nach wie vor als Bewertungsproblem^^^: Es handelt sich nur jetzt um die Problematik Bewertung von Wahrscheinlichkeiten. Gleichsam wird die gesamte Uberschuldungspriifung zur Schatzung^^^. Ob dem Rechtsverkehr damit gedient ist, erscheint mehr als fraglich. Vollig hilflos laBt der Gesetzgeber den Normadressaten bei der Bestimmung der Umstande, die die Fortfuhrung des Untemehmens wahrscheinlich machen. Hat der Gesetzgeber damit etwa einen weiten Ermessensspielraum zur VerfUgung stellen wollen? Wohl kaum. Die gewahlte Definition der „uberwiegenden Wahrscheinlichkeit" ist in Anlehnung an eine Formulierung des BGH gewahlt und soil eine Uberschneidung mit dem Begriff der drohenden Zahlungsunfahigkeit vermeiden. Sie bringt zum Ausdruck, daB die Fortfuhrung wahrscheinlicher sein soil als die Stillegung^^^.

So ahnlich auch K. Schmidt, Insolvenzordnung und Unteraehmensrecht, aaO, Rn 13. Terminologisch zwar nicht von der dreistufigen Priifung (vgl. oben sub B H. 2. c) (3) mN) zu verifizieren, materiell jedoch auf keinen Fall damit zu verwechseln. So auch Reinhard Bork, aaO, Rn 93. Sogar um ein gewolltes Bewertungsproblem, vgl. Uhlenbruck, Gesellschaftsrechtliche Aspekte, aaO, Rn 16. So wohl auch Hasemeyer, aaO, S. 122. Vgl. Kubler/Prutting, aaO, S. 179.

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Mit dem neuformulierten § 19 InsO ist es dem Gesetzgeber nicht vollstandig gelungen, Klarheit in die Entwicklung des Uberschuldungsbegriffs zu bringen. Obwohl die Diskussion in der Literatur durch die Entscheidung der hochstrichterlichen Rechtsprechung zur Gleichwertigkeit von rechnerischer und rechtlicher Uberschuldung beendet schien^^, kehrte der Gesetzgeber im Rahmen der Reformdiskussion, die zunachst ebenfalls eine Gleichwertigkeit der Uberschuldungspriifung postulierte, zuriick zum Primat der Prognose. Das prognostische Element spielt nach § 19 Abs. 2 InsO jedoch einzig eine Rolle fur die Frage, welche Bewertungsmethode der Uberschuldungsbilanz zugrundezulegen ist. Die Dynamik von Unteraehmen hat der Gesetzgeber nicht erkannt oder er hat ihr nicht ausreichend Bedeutung zugemessen. Der Blick scheint auf den Glaubigerschutz eingeengt zu sein^®\ Materiell kommt eine Uberschuldungspriifung aber nicht ohne die Berucksichtigung des dynamischen Elements aus, das im wesentlichen in einer Finanzplanung besteht^^^.

3, Zwischenergebnis: Notwendigkeit eines zweigliedrigen Uberschuldungstatbestands Als Ergebnis der Entwicklung der materiellen Uberschuldungsvoraussetzungen bleibt festzuhalten, da6 zur BegrUndung der Insolvenzantragspflicht neben einer rechnerischen eine rechtliche Uberschuldung erforderlich ist^^^. Trotz Insolvenzrechtsreform ist allerdings nach wie vor umstritten, ob und inwieweit das Ergebnis der rechtlichen Uberschuldung die rechnerische Uberschuldung beeinflu6t^°^. Ebenso ist unklar, welche Anforderungen an den Inhalt der Fortbestehensprognose zu stellen sind. Die Schwierigkeiten bei der Auslegung des Uberschuldungsbegriffs sind in der Unternehmenskrise bereits de causa nicht allein mit den Methoden der Rechtswissenschaft zu losen^^^. In der Insolvenz als mikrookonomischer Ausnahmezustand wirkt neben dem Recht auch die Betriebswirtschaftslehre auf die Auslegung von Tatbestanden mit

Seit der sog. Girmes-Entscheidung in BGHZ 119, 201, 213ff = NJW 1995, 1739, 1741; vgl. oben sub B II. 2. c) (2). Vgl. zur Rolle des Glaubigerschutzes auch die Begnindung des Referentenentwurfs, BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B) S 20. So auch K. Schmidt, Insolvenzordnung und Untemehmensrecht, aaO, Rn 13; Hasemeyer, aaO, S. 121f. Vgl. statt aller Uhlenbruck, Gesellschaftsrechtliche Aspekte, aaO, Rn 15, 18 zur Priifungsreihenfolge; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht, aaO, S. 53. Anders Hommelhoff, aaO, S. 248, wonach die rechnerische Uberschuldung Auskunft uber das Ausfallrisiko der Glaubiger geben muB. Vgl. Uhlenbruck, Gesellschaftsrechtliche Aspekte, aaO, Rn 18. Vgl. zum Stand der Diskussion des Vermogensbegriffs bspw. bei Fischer/Trondle, aaO, § 263 Rn 54f mwN zum Streitstand.

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ein. Es ist daher geboten, eine Auslegung zu finden, die als Schnittstelle von Betriebswirtschaftslehre und Recht fungieren kann. In Ermangelung einer hinreichend bestimmten Quelle im Bezug auf die materiellen Voraussetzungen des Uberschuldungstatbestands wird im folgenden vor dem Hintergrund der Entwicklung vom eingliedrigen zum zweigliedrigen Uberschuldungstatbestand der materielle Gehalt der Uberschuldungsmessung prazise bestimmt. Im AnschluB daran wird deutlich sein, da6 der Tatbestand der Uberschuldung als Insolvenzvoraussetzung kein rein rechtlicher Tatbestand ist und dementsprechend auch wirtschaftlich auszulegen ist, weshalb die Auslegung der Uberschuldung allein mit den gewohnten Methoden der Rechtswissenschaft nicht das gebotene Ergebnis verspricht.

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Materielle Voraussetzungen der Uberschuldungsmessung

1, Systematik der Uberschuldungsmessung a) Der Tatbestand der Uberschuldung im System der Insolvenzgriinde Das Insolvenzverfahren wird gem. § 16 InsO eroffnet, wenn ein Eroffnungsgrund gegeben ist. Der Eroffnungsgrund legitimiert den fur den Schuldner schwerwiegenden Eingriff in seine Rechtsposition^^. Die Glaubiger halten bis dahin den uberwiegenden Teil der finanziellen Rechte des Untemehmens ohne ein korrespondierendes Gegengewicht auf der Entscheidungsebene. Die Verfahrenseroffnung beseitigt dieses Ungleichgewicht, indem sie die Entscheidungsbefugnis im wesentlichen auf die Glaubiger verlagert^^^.

(/) Uberschuldung, drohende und tatsdchliche Zahlungsunfahigkeit Weitere Eroffnungsgriinde sind die Zahlungsunfahigkeit und die drohende Zahlungsunfahigkeit. Zahlungsunfahigkeit setzt gem. § 17 InsO voraus, daB der Schuldner nicht in der Lage ist, die falligen Leistungsverpflichtungen zu erfiillen. Indiz dafUr ist die faktische Zahlungseinstellung, § 17 Abs. 2, Satz 2 InsO. Drohende Zahlungsunfahigkeit i. S. d. § 18 InsO ist gegeben, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der LaVgl. Uhlenbruck, Gesellschaftsrechtliche Aspekte, aaO, Rn 8. Vgl. Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 2.

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ge sein wird, Zahlungspflichten zu erfiillen, die schon bestehen, aber noch nicht fallig sind^^l Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung stehen in keinem zeitlichen Verhaltnis zueinander. Weder folgt die Zahlungsunfahigkeit notwendigerweise der Uberschuldung, noch fallen Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung zusammen^^^. Auch wenn Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung im Zusammenhang mit Untemehmensinsolvenzen haufig zusammen erwahnt werden, ist der Unterschied in der Praxis doch erheblich. Die Zahlungsunfahigkeit ist als Faktum nach au6en erkennbar. Regelmafiig ist sie mit einer hohen Anzahl erfolgloser VollstreckungsmaBnahmen verbunden. Die Uberschuldung ist dagegen als Produkt intemer Rechnung und Prognose regelmafiig still und wird infolgedessen, anders als die Zahlungsunfahigkeit, nicht sofort bemerkt. Davon losgelost sind die praktischen Auswirkungen aus Glaubigersicht zu sehen. Die GlSubigerquote ist bei der Insolvenz nach Zahlungsunfahigkeit erheblich geringer als bei der Insolvenz nach Uberschuldung, da vor dem Hintergrund einer uniibersichtlichen und beschrankten Haflungsmasse der Zeitpunkt der Insolvenz aufgrund Uberschuldung im Verhaltnis zur Zahlungsfahigkeit vorverlegt wird^^^. Die Uberschuldung mufi demzufolge in der Nahe der Zahlungsunfahigkeit eingeordnet werden. Mag es auch inhaltliche Uberschneidungen zum Tatbestand der drohenden Zahlungsunfahigkeit geben, konnen diese doch nur fUr Rechtstrager gelten, die unter § 18 und § 19 InsO fallen^^^ Neben dem Normadressaten ist auch hinsichtlich des Normzwecks zu differenzieren. Zwar erfordert auch die Priifung der drohenden Zahlungsunfahigkeit eine Prognose iiber die Entwicklung der Finanzlage^'^. Damit handelt es sich aber auch um die einzige materielle Gemeinsamkeit^^^ Die drohende Zahlungsunfahigkeit ist als Eigenantrag normiert, mithin fakultativer Natur^^'*. Normzweck ist zwar jeweils die gewollte Vorverlegung des Insolvenzzeitpunkts, um die Moglichkeit einer Sanierung nicht wegen Masselosigkeit von vomherein auszuschliefien. Die Uberschuldung hingegen entscheidet nicht mehr dariiber, ob ein Insolvenzan-

^°* ^^ ^^° ^''

Vgl. ausfuhrlich Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 29ff, 35ff. So Drukarczyk, Bilanzielle Uberschuldungsmessung, aaO, S. 559. Vgl. Hachenburg-t//mer, aaO, § 63 Rn 26 mwN. Vgl. Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 122ff. Der Regierungsentwurf. BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B) S. 20f geht davon aus, dafi tJberschneidungen mit dem Begriff der Uberschuldung vermieden wUrden, Daraus folgert Hoffner, aaO, S. 253f, da6 die Uberschuldung statischen Charakter habe oder abzuschaffen sei. ^*^ Vgl. Uhlenbruck, Gesellschaftsrechtliche Aspekte, aaO, Rn 12. ^" Wenn auch eine bedeutende Gemeinsamkeit, vgl. Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 124. ^'^ Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 35.

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trag die bessere Handlungsoption fiir den Schuldner ist^^^, sondern versteht sich durch ihren beschrankten Anwendungsbereich untemehmensspezifisch zugleich als Ausgleich zur Haftungsbeschrankung^^^. Gegen die Uberschuldung als Insolvenzgrund wird haufig deren Unbestimmtheit angefuhrt^^^. Zudem wird auf die Gefahr hingewiesen, daB der Schuldner in der Praxis, um die Zahlungsunfahigkeit zu vermeiden, auf Druck der Glaubiger eine Vielzahl neuer, kurzfristiger Verbindlichkeiten gegen Besicherung und tJbersicherung bestehender Aktiva eingeht, und so in die Haftungsfalle der Uberschuldung gedrangt wird^'^. Dennoch hat die Uberschuldung im Hinblick auf die gewunschte Sanierung im Krisenfall insofem ihre Bedeutung, als sie durch die positive Rechtsfolge der Insolvenzantragspflicht bei beschrankter Haftung geboten ist^^^.

(2) Anforderungen an den Finanzplan Die Ermittlung sowohl der drohenden Zahlungsunfahigkeit als auch der Uberschuldung machen an geeigneter Stelle eine Finanzplanung erforderlich. Der Insolvenzgrund der Uberschuldung kommt de iure nicht ohne eine Finanzplanung aus. Da zum Zeitpunkt der Ermittlung der drohenden Zahlungsunfahigkeit noch keine Zahlungsstockung eingetreten ist, basiert das Ergebnis allein auf einer Prognose der Liquiditat^^°. Ebenso macht auch die Uberschuldungsmessung eine Liquiditatsplanung erforderlich. Denn die Feststellung dariiber, ob die Fortfiihrung eines Untemehmens wahrscheinlich ist, hangt nicht unwesentlich von der Finanzplanung ab^^\ Der Finanzplan der drohenden Uberschuldung ist jedoch mit mehreren Unsicherheitsfaktoren belastet. Zunachst gilt es, einen Prognosezeitraum zu bestimmen. Im AnschluB daran sind die jeweiligen Zahlungsstrome einzuschatzen. Dadurch kommt es zu einer erheblichen Mehrwertigkeit dieser Finanzplanung^^^. Es laBt sich daher aufVgl. Drukarcyk/Schuler, aaO, Rn 92. Vgl. K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht, aaO, S. 63. Vgl. erstmals EgnerAVoIff, aaO; ebenso Hoffner, aaO, S. 253. So ahnlich Drukarczyk, Bilanzielle Uberschuldungsmessung, aaO, S. 559f, der aber zwecks Vermeidung der faktischen Zwangslage Heber auf die Zahlungsunfahigkeit als Insolvenzgrund verzichten mochte. Vgl. K. Schmidt, Konkursantragspflicht bei Uberschuldung, aaO, S. 471f entgegen fruherer Stimmen, die sich ganzlich gegen die Uberschuldung sowohl im insolvenzrechtlichen als auch im strafrechtlichen Sinne ausgesprochen haben, vgl. EgnerAVolf, aaO, S. 106; Scholz-Tiedemann, aaO, § 84 Rn 24 mwN. Vgl. Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 38. Vgl. oben sub B II. 2. d). So auch Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 50, die zur Losung dieses Problems schlicht das Erfordernis eines Finanzplans aufstellen, der einer Reihe von denkbaren Umwelteinfliissen gerecht werden soil.

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grund der fehlenden GroBen auch nicht eindeutig feststellen, ob Zahlungsunfahigkeit droht Oder nicht^^^. Die Finanzplanung der Uberschuldung mu6 demnach zum einen einer temporaren Beschrankung unterliegen und zum anderen die inhaltlich relevanten Zahlungsstrome bestimmen.

(3) Rechtspolitische Bedeutung An die Frage nach der rechtspolitischen Bedeutung des Uberschuldungstatbestands mu6 man sich von den Bereichen aus annahem, in denen der Uberschuldungstatbestand von rechtlicher Relevanz ist. Bei der Gesamtbetrachtung aller rechtlich relevanten Bereiche konrnit zwei Aspekte besondere Bedeutung zu: Einerseits Glaubigerschutz, andererseits Kapitalmarkt. Im System der Insolvenzgrunde ist die Uberschuldung gepragt vom Gedanken des Glaubigerschutzes^^"*. Zugleich funktioniert die Uberschuldung als Insolvenzgrund fUr Kapitalgesellschaften, die die Grundlage fur den existierenden Kapitalmarkt bilden, als Teilbereich der Volkswirtschaft^^^. Der Zweck der Uberschuldung mu6 daher als Interessenausgleich zwischen diesen beiden Polen gesehen werden. Einigkeit besteht in der Literatur dariiber, daB die Uberschuldung den Zeitpunkt der Insolvenzreife vor das Faktum der Zahlungsunfahigkeit legt. Die Ursache dafiir wird zu Recht in der beschrankten Haftungsmasse gesehen. Die Glaubiger einer Gesellschaft diirfen einerseits nicht darauf verwiesen werden, abzuwarten, bis die Zahlungsunfahigkeit eintritt^^^. Gleichwohl darf andererseits ein zur dauerhaften Bedienung seiner Verbindlichkeiten fahiges Untemehmen nicht in das Insolvenzverfahren gezwungen werden^^^. Dem steht die Schwere des Eingriffs in die Rechtsposition des Schuldners im Rahmen des Insolvenzverfahrens entgegen^^^. In diesem Zusammenhang wird auch gesehen, daB der Glaubiger sowohl im Bezug auf Entscheidungsrechte als auch im Bezug auf Mitwirkungsrechte gegeniiber dem Schuldner unterlegen ist. Die daraus resultierenden Risiken auszugleichen ist ebenfalls Aufgabe der Uberschuldung^^'.

So auch Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 58ff. Vgl. dazu ausfiihrlich bei Drukarczyk, Bilanzielle Oberschuldungsmessung, aaO, S. 556-560, der die Einordnung der Konkursantragspflicht im System glaubigerschutzender Normen ausfiihrlich darlegt. Vgl. zu makrookonomischen GroBen bei W5he, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 27ff. Vgl. K. Schmidt, Konkursgrunde und Glaubigerschutz, aaO, S. 338. So auch K. Schmidt, Insolvenzordnung und Untemehmensrecht, aaO, Rn 13. Vgl. dazu bei Uhlenbruck, aaO, GesellschaftsrechtUche Aspekte, aaO, Rn 8. Vgl. Drukarczyk, Bilanzielle Uberschuldungsmessung, aaO, S. 556f.

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AuBerdem gibt der Verfasser zu bedenken, dafi die Forderung auf vollstandige Vermeidung eines Ausfallrisikos den modemen Anforderungen des Wirtschaftsverkehrs und der verbundenen Risikoteilung nicht standhalt^^^. Unstreitig basiert bspw. die Haftung des Arbeitgebers dem Grunde nach auf dem Prinzip der A^beitsteilung^^^ Dem Arbeitgeber, der das untemehmerische Risiko iibemimmt, kommt die Arbeitskraft des Arbeitnehmers zugute. Ebenso sind Untemehmensglaubiger regelmaBig Vertragsglaubiger, die vom Geschaftsbetrieb des Unteraehmens profitieren wollen, und grundsatzlich durch die Vertragsgestaltung verteidigungsfahig sind^^^. AuBerdem erhalten die Kapitalgeber regelmaBig eine Dividende, gleich in welcher Form. Das Prinzip des Kapitalmarkts kalkuliert in diese Dividende regelmaBig auch das Ausfallrisiko^^^

b) Wirtschaftliche Betrachtungsweise In der Betriebswirtschaftslehre stellt die Krise, in der der Untemehmer gehalten ist, die eigene Insolvenzreife zu priifen, einen Sondertatbestand dar, der auch in erheblichem Umfang rechtliche Verkniipfungen aufweist^^"^. Krise bedeutet in diesem Zusammenhang, daB das Untemehmen in fmanzieller Hinsicht nicht mehr autark ist. Die Kosten, die der Betrieb des Untemehmens verursacht, werden nicht mehr aus dem laufenden Geschaft gedeckt. Rechtspolitisch gerechtfertigt erscheint es daher das Ende der Untemehmung dann zu bestimmen, wenn abzusehen ist, daB die Krise fur das Untemehmen dauerhaft ist. Die finanziellen Gefahren fiir Fremdkapitalgeber und den Kapitalmarkt wiegen schwerer als das Interesse der Eigentumer an der Fortfuhrung der Unternehmung^^^. Der Gesetzgeber hat diesem Umstand mit der Schaffung eines Sonderrechts, dem Insolvenzrecht^^^, Rechnung getragen. Bei Ausfullung dieses Sonderrechts darf aber gleichwohl nicht die wirtschaftliche Komponente auBer Acht gelassen werden. Insbesondere ist zu beriicksichtigen, daB erst durch die Bereitstellung von Fremdkapital die Moglichkeit der Insolvenz entsteht^^^. Wie die handelsrechdiche Bilanzie-

Dies deckt sich auch mit entsprechenden Uberlegungen, die im Schrifttum im Bereich des Kreditsicherungsrechts angestellt worden sind, vgl. Schwab, Globalsicherheiten, aaO, S. 1883ff. Vgl. zur Begriindung der Haftungsmilderung des Arbeitnehmers gegeniiber dem Arbeitgeber bei betrieblich veranlaBtem Verhalten bei G. Schaub, aaO, § 52 Rn 50ff. Vgl. dazu Drukarczyk/Schiiler, aaO, Rn 67; Moxter, Finanzwirtschaftliche Risiken, aaO, Sp. 631. Vgl. Betsch/Groh/Lohmann, aaO, S. 29, 125f. Daher scheint die Anforderung an eine absolute Absicherung des Ausfallrisikos zu hoch. Diese konnen sowohl schuldrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, arbeitsrechtlicher, handelsrechtlicher oder auch steuerrechtlicher Natur sein; ausfuhrlich dazu Fischer, aaO, S. 20ff. Ahnlich Drukarczyk/Schiiler, aaO, Rn 2. Begrifflich wird hierbei auf die Normierungen der fruheren KO, VerglO, GesamtVollstrO, und der InsO abgestellt. Vgl. Moxter, Finanzwirtschaftliche Risiken, aaO, Sp. 631.

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rung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise unterliegt^^^, mu6 diese auch fur das Insolvenzrecht im allgemeinen und die insolvenzrechtliche Bilanzierung im besonderen gelten. Das bedeutet, daB die Entscheidung dariiber, ob ein Untemehmen durch das Insolvenzverfahren aus der Selbstbestimmung in die Fremdbestinunung uberfuhrt wird, nicht alleine eine Rechtsfrage sein darf. DemgemaB sind die positiven Eroffnungsgriinde der Zahlungsunfahigkeit und der Uberschuldung keine Rechtsbegriffe, die nur nach den herkommlichen Methoden der Rechtsfindung, sondem auch nach den Fakten des Geschaftsprozesses auszulegen sind. Mithin ist eine wirtschaftliche Betrachtung bei Auslegung und Ermittlung der Eroffnungsgriinde unausweichlich^^^. Ist danach der Uberschuldungsbegriff wirtschaftlich auszulegen, gilt das entsprechend fur seine Tatbestandselemente und dessen Ennittlung^'*^.

c) Folgerungen (1) Darstellung des Schuldendeckungspotentials Die Uberschuldung als Insolvenzgrund greift ein, wenn der Schuldner seine Berechtigung zur Teilnahme am Rechtsverkehr verloren hat. Mit anderen Worten, wenn nach den Wertungen, die dem geregelten Handelsverkehr zugrunde liegen, der Schuldner andere, die Fortfuhrung uberwiegende Interessen gefahrdet oder bereits verletzt. Im Falle der Insolvenz sind das uberwiegend finanzielle Interessen. Ob dies der Fall ist, zeigt das mittels Selbstpriifung durchzufuhrende Verfahren zur Ermittlung der Insolvenzreife, DemgemaB gibt die Selbstpriifung im Krisenfall Information und Rechenschaft iiber die gegenwartige wirtschaftliche Position des Schuldners im Rechtsverkehr. Fallen diese Informationen in eine bestinmite Richtung aus, sind damit Obliegenheiten, wie die Pflicht zum Insolvenzantrag, und moglicherweise bestimmte Rechtsfolgen, insbesondere Ersatzpflichten, verkniipft. Ein Bestandteil dieser Selbstpriifung, deren Ergebnis gegebenenfalls die Selbstbestimmung des Untemehmens beendet, ist die Uberschuldungsbilanzierung zur Abbildung der Vermogenslage. Die Vermogensiibersicht in diesem Sinne hat ausschlieBlich informatorischen Charakter^'*^ Dazu ubergeordnete oder gleichwertige Zwecke wie Glaubigerschutz sind im Rahmen der Uberschuldungsbilanzierung gerade nicht zu beriicksichtigen. Dem materiel^^* Vgl. zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise der handelsrechtlichen Bilanzierung ausfvihrlich sub CII. 1. " ' Vgl. Gurke, aaO, S. 74ff. ^^ Vgl. Larenz, aaO, S. 334, zur Gesetzesauslegung nach objektiv-teleologischen Kriterien, wozu auch die Auslegung kraft Natur der Sache gehort, die die angelegten Lebensverhaltnisse auf die normativen Elemente ubertragt. ^*^ Vgl. ausfuhrlich dazu sub C I. 2.

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len Glaubigerschutz wird im Gesamtsystem des Insolvenzrechts mit der Antragspflicht ausreichend Geniige getan. Die tJberschuldungsprUfung und die dazu notwendige Vermogensubersicht sind nur Vorfragen der Antragspflicht - gleiches gilt im iibrigen fiir die Prognose. Glaubigerschutz findet weiter durch Haftungsnormen wie die §§ 84, 64 GmbHG i.V.m. § 823 II BGB statt. Dies wird nicht zuletzt durch § 22 Abs. 1 Nr. 3, Halbsatz 2 InsO belegt, der unter anderem die Priifung der Fortfuhrung zur Sache des vorlaufigen Insolvenzverwalters macht. Die materiellen Voraussetzungen der Uberschuldung sollten einen aussagekraftigen Inhalt in Bezug auf die Insolvenzreife des Untemehmens liefern. Dies kann nicht allein durch eine rein statische Betrachtung der Vermogenslage geschehen^'^^. Wiirde der Vermogensbestand zur Schuldendeckung statisch verstanden, blieben sowohl zukunftige Vermogenszugange als auch zukunftige Belastungen auBer Betracht. Im volkswirtschaftlichen System ist aber vielmehr die Betrachtung des Untemehmens als dynamischer Organismus erforderiich^"^^. Die Notwendigkeit dazu spiegelt sich in der dargestellten Entwicklung des Uberschuldungsbegriffs vom statischen hin zum dynamischen^'*^. Daher kann der Tatbestand der Uberschuldung als Insolvenzgrund neben der Ermittlung des Vermogens nicht auf eine betriebswirtschaftliche Prognose verzichten^"*^. Dies gilt uneingeschrankt trotz der unterschiedlichen Auffassungen iiber das Verhaltnis der beiden Tatbestandsmerkmale zueinander und deren Wechselwirkung in Bezug auf die Uberschuldung insgesamt. Die Selbstpriifung der Insolvenzreife erfordert daher die Darstellung des Schuldendeckungspotentials unter statischen als auch nach dynamischen Gesichtspunkten. Das Element der rechnerischen Uberschuldung ist bereits aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise geboten und daher zur Ermittlung des Insolvenzgrundes der Uberschuldung unverzichtbar. Damit soil das Schuldendeckungspotential eines am Rechtsverkehr teilnehmenden Untemehmenstragers festgestellt werden^"^^. Die Teilnahme am Rechtsverkehr begriindet stets Obliegenheiten aus dem Gebot der Riicksichtnahme, die sich fiir die Organe des Untemehmens in der Krise zur Selbstpriifung der Uberschuldung konkretisieren. Mithin ist es notwendig, sowohl Sicherheit iiber die bestehenden Belastungen als auch iiber das zur Verfiigung stehende Schuldendeckungspotential zu haben. Fiir die Uberschuldungspriifung mu6 dementsprechend ein

So auch Fischer, Uberschuldungspriifung, aaO, S. 1347. Vgl. Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 27. Vgl. oben sub B II. 2. b) (2). Vgl. sub Teil B m . 2. c). Vgl. dazu Drukarczyk/Schiiler, aaO, Rn 72.

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Worst-case-Szenario angedacht werden, in dem sich gleichzeitig alle Belastungen des Untemehmens realisieren. Das ist dann der Fall, wenn alle Glaubiger gleichzeitig ihre Verbindlichkeiten einfordem^^. Dabei kann es sich nur um einen gegenwartigen, mithin statischen, Zeitpunkt handeln, womit die Feststellungen zur Uberschuldungsmessung stichtagsbezogen sind^"^^. Die Pramisse, die diesen Feststellungen zugrundegelegt werden mu6, ist demnach die, daB Verbindlichkeiten wie geschuldet zu erfUllen sind. Geldschulden sind danach grundsatzlich in bar, Lieferverbindlichkeiten in Waren anzusetzen. Reicht der Warenbestand nicht aus, mu6 die Verbindlichkeit mit dem Wert angesetzt werden, den ein entsprechender Produktionsaufwand verursachen wUrde^"*^. Der Ansatz von Schadensersatzforderungen oder Deckungskaufen fUr nicht mehr gefertigte Waren kommt grundsatzlich nur bei Stillstand des Untemehmens in Frage. Dariiber entscheidet aber erst die Insolvenzpriifung und nicht die Abbildung des Vermogens in der Uberschuldungsbilanz. Da in dieser Situation regelmaBig die Barbestande des Untemehmens nicht ausreichen, alle Glaubiger zu bedienen, konnen die Vermogenswerte gar nicht anders als zu Liquidationswerten angesetzt werden, die sich in den Verkehrswerten widerspiegeln. Denn die Vermogenswerte sind die Reserven, die zur Versilbemng des Untemehmens zur Verfugung stehen. Gleichwohl erscheint der Entzug der untemehmerischen Selbstbestimmung nicht gerechtfertigt, wenn die Betriebskosten nur kurzfristig nicht eingespielt werden. Einigkeit besteht daher dariiber, daB der Insolvenzgmnd der Zahlungsunfahigkeit mehr erfordert als lediglich einen kurzfristigen Liquiditatsengpass^^^. Der Begriff der Kosten bedarf daher der Erlautemng. Kosten meint hier nicht nur die falligen Schulden, sondem umfaBt ebenso auch die langfristigen Belastungen^^'. Daher werden in der Praxis kapitalintensive Untemehmungen regelmaBig langfristig fremdfmanziert^^^. Die Ruckfmanziemng erfolgt regelmaBig iiber den Cash-flow^^^. Demnach kann es nicht sein, daB aufgmnd einer Momentaufnahme der Vermogenssituation eines Untemehmens iiber die zukiinftige Teilnahme am Rechtsverkehr entschieden wird.

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A. A. Fischer, Uberschuldungsprufung, aaO, S. 1346; man konne nicht von vomherein die denkbar schlechteste Situation anzunehmen. So auch Drukarczyk/Schiiler, aaO, Rn 113. Stichtagsbezogen heiBt innerhalb der Oberschuldungsbilanzierung zeitraumbezogen auf den andauernden Krisenzustand; vgl. ausfuhrlich zum Stichtagsgrundsatz sub C m. l.b)(3). Vgl. ausfuhrlich zum Vollkostenansatz sub D III. 2. aE. „DaB eine voriibergehende Zahlungsstockung keine Zahlungsunfahigkeit begriindet (...), versteht sich von selbst". So die Begriindung des Referentenentwurfs zu § 19 InsO, BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B), S. 19. Vgl. statt aller auch bei Schmidt/Uhlenbruck-i//i/e/iZ7rMc/:, aaO, Rn 836. Vgl. ausfuhrlich zum Umfang der Belastungen sub D I. 1. Vgl. zur langfristigen (strategischen) Finanzplanung Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 653. Der Cash-flow ist die Kennziffer uber die Mittelflusse aus dem UmsatzprozeB, die Einblicke in die Liquiditatslage und die fmanzielle Entwicklung des Betriebs gibt, vgl. W5he, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 655; vgl. zu den unterschiedlichen Cash-flow Begriffen Betsch/Groh/Lohmann, aaO, S. 213ff.

Die Kurzformel fur jede Selbstpriifiing auf Insolvenzreife mu6 daher lauten: a) Der Schuldner ist gegenwartig auBerstande, seine Glaubiger zu bedienen, und b) daran wird sich auch in Zukunft nichts andern, selbst wenn er dafur alles einsetzt, was er hat Oder zukunftig erreichen wird. Erst dann greifen die rechtspolitischen Motive des Insolvenzzwangs. Das Untemehmen ist dann mit Rucksicht auf den reibungslosen Ablauf des Rechtsverkehrs davon femzuhalten. Die so verstandene Schuldendeckungskontrolle bedeutet daher Ermittlung der dauerhaften Zahlungsfahigkeit^^"*. Schuldendeckungsfahigkeit darf nicht alleine statischen Motiven folgen. Rein betriebswirtschaftlich bedarf es zur Bestimmung der Schuldendeckungsfahigkeit grundsatzlich eines Finanzplans, der die erwarteten Einnahmen den erwarteten Ausgaben gegeniiberstellt^^^. So erklart sich auch, da6 ein erfolgversprechendes Untemehmen mit Verlusten starten kann, ohne da6 zugleich ein Insolvenzgrund vorliegt. Schuldendeckungsfahigkeit bedeutet danach auch Ausgabendeckungskontrolle^^^. Daher ist es notwendig, die zukiinftige Entwicklung des Untemehmens zu fokussieren. Das geschieht letztlich mit der Fortbestehensprognose, dem zweiten Element der Uberschuldungspriifung.

(2) Von der Bewertung losgeloste Uberschuldungsmessung Die Entwicklung des Uberschuldungsbegriffs hat gezeigt, da6 mit dem Wandel vom statischen hin zum dynamischen Verstandnis des tJberschuldungstatbestands die Frage nach der Bewertungspramisse verbunden ist^^^. Damit einher geht zugleich die Fehlvorstellung, dafi die Frage nach der Entwicklung des Untemehmens als Gmndlage der Verwertungspramisse diene, mithin die Bewertung bestimme^^^. Dies erscheint als Resultat eines fehlerhaften Verstandnisses von Unteraehmenswert und Untemehmensentwicklung als BezugsgroBen in der Untemehmenskrise bzw. der Insolvenz. Vermogenslage und Entwicklungsperspektiven stehen hier namlich gleichwertig nebeneinander^^^. Als Merkmale fur den Tatbestand der Uberschuldung sind sie demnach voneinander losgelost zu betrachten, mithin zwei selbstandige Tatbestandselemente. Die Uberschuldungsbilanziemng und deren Ergebnis losen daher noch keine Rechtsfolge

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Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 86. Vgl. Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 93f. Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Bd. I, aaO, S. 86. Vgl. sub Teil B n. 2. Ahnlich auch Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 74ff. SchlieBlich bildet auch das Vermogen den Grundstock jeder moglichen wirtschaftlichen Entwicklung.

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aus, sondem informieren nur iiber den gegenwartigen Stand der Veraiogenslage. Das Ergebnis dieser Messung kann allenfalls Obliegenheiten auslosen. Dabei wird nicht verkannt, da6 sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich ein enger Zusammenhang zwischen der Vermogenssituation und der zukUnftigen Entwicklung eines Untemehmens besteht, wenngleich in Wechselwirkung. Richtig ist zwar, daB die Ertragslage den Wert des Untemehmens unter Investitionsgesichtspunkten verbessert^^°. RegelmaBig wirkt sich das aber auf die Bewertung der versilberungsfahigen Vermogensguter kaum aus. Genau darum geht es aber in der Krise. Die Uberschuldungsprufung dient im Vorfeld der Zahlungsunfahigkeit als Notbremse, wenn absehbar das vorhandene Vermogen zur Glaubigerbefriedigung nicht ausreichen wird. Solange das Unternehmen auch jederzeit von den Gesellschaftem aufgelost und liquidiert werden kann, besteht die Gefahr der Uberschuldung auch losgelost von der zukUnftigen Entwicklung des Untemehmens^^\ Vom Ansatz ist der Normausgestaltung des § 19 InsO deshalb auch zuzustimmen, soweit die Entscheidung iiber die Pflicht der Gesellschaft zum Insolvenzantrag von zwei Tatbestandselementen abhangig sein soil: Einem exekutorischen und einem prognostischen Element. Die damit verbundene Zweistufigkeit der Uberschuldungsmessung ist gmndsatzlich zu begriifien^^^. Nach § 19 Abs. 2, S. 2 InsO wird aber die Prognose verlangt, um eine Bewertung zu ermoglichen und nicht etwa um den Tatbestand der Uberschuldung um Ermessensspielraume oder Manipulationsspielraume zu reduzieren^^^. Das prognostische Element kann daher inhaltlich nicht den Erfordemissen gerecht werden, die an eine Prognoseaussage in der Untemehmenskrise zu stellen sind. Aus den Motiven des Erfordernisses einer Prognose und der vorgegebenen Verfahrensreihenfolge der Uberschuldungsmessung wird deutlich, daB sich der Gesetzgeber dabei nicht von der Dynamik hat leiten lassen, die einer wirtschaftlichen Untemehmung permanent - selbst in der Krise - immanent ist. Es ist namlich nicht Aufgabe der Uberschuldungsbilanz festzustellen, ob ausreichend Vermogen zur Befriedigung aller Glaubiger vorhanden ist^^"*. Diese Aufgabe konunt der Uberschuldungsprufung in ihrer Gesamtheit zu^^^. In dieVgl. Betsch/Groh/Lohmann, aaO, S. 196. Vgl. K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht, aaO, S. 50f. So unter einer prazisen Fortbestehensprognose auch Drukarczyk/Schiiler, aaO, Rn 91. Vgl. auch HaarmeyerAVutzke/Forster, aaO, S. 52 und oben sub Teil B II. 2. e) (2). Vgl. Obermuller/Hess, aaO, Rn 108. Davon zu unterscheiden ist die Uberpriifung der Vermogenslage des Untemehmens in der Krise, um darauf aufbauend weitere strategische und operative MaBnahmen treffen zu konnen.

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sem Fall hatte auf § 19 Abs. 2, S. 2 InsO verzichtet werden konnen. Hinzu kommt, daB die so durchgefuhrte Uberschuldungsmessung in der Praxis der Geschaftsfuhrung die Entscheidung dariiber auferlegt, die allein dem Insolvenzrichter zusteht: Die Entscheidung uber die Fortfuhrung oder die Zerschlagung, Im Hinblick auf die Schwere, die diese Entscheidung fiir die Rechtsposition des Anteilseigners bedeutet, erscheint es verfassungsrechtlich bedenklich, diesen Eingriff nicht dem Richter vorzubehalten. Die Krise kann die Untemehmensleitung dazu verleiten, die Vermeidung von Risiken ganzlich zu veraachlassigen in der Meinung, es gebe ohnehin nichts zu verlieren^^^. Richtigerweise ist dem Ansatz der gleichwertigen Uberschuldungselemente zu folgen, um de facto eine Verbesserung der Rechtssicherheit zu erreichen. Nicht zuletzt hat sich die Rechtsprechung auch aus pragmatischen Erwagungen dieser Auffassung angeschlossen. Dies erscheint jetzt aber wegen des gewahlten Wortlauts des § 19 InsO nicht mehr moglich. Vielmehr sind die Gerichte, wollten sie an ihrer Rechtsauffassung festhalten, gezwungen contra legem zu entscheiden^^^. Eine Rechtsfortbildung contra legem ist ausnahmsweise, unter sehr strengen Voraussetzungen zulassig. Sie kommt namentlich dann in Betracht, wenn sie aus zwingenden Rechtsgrunden erforderlich und nicht nur aus Zweckmafiigkeitsgriinden rechtspolitisch wunschenswert ist^^^. Als ein zwingender Rechtsgrund fUr eine Rechtsfortbildung konnte das Grundprinzip von „Treu und Glauben"^^^ (§ 242 BGB) herangezogen werden. Auf der Grundlage von „Treu und Glauben" erscheint es zweifelhaft, ein Uberschuldetes Unternehmen, dessen wirtschaftliche Ausschichten vielversprechend sind und das zur dauerhaften Bedienung seiner Verbindlichkeiten fahig ist, in das Insolvenzverfahren zu zwingen. Um zu uberprufen, ob eine Gesellschaft zur dauerhaften Bedienung seiner Verbindlichkeiten in der Lage ist, ist (auch hier) ein selbstandiges prognostisches Element erforderlich, das gleichwertig neben dem statischen Element der rechnerischen tJberschuldung steht. Die Gleichwertigkeit bedeutet hier die die Ermittlung von rechnerischer und rechtlicher Oberschuldung, ohne gegenseitige Wechselwirkungen etwaiger Ergebnisse hieraus. Auf der Grundlage von „Treu und Glau-

Ahnlich Gurke, aaO, S. 39. So auch K. Schmidt, Insolvenzordnung und Unternehmensrecht, aaO, Rn 13. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des BGH zur Beriicksichtigung kapitaiersetzender Forderungen in der iJberschuldungsbilanz (NJW 2001, 1280ff), in der obiter dictum erwahnt wird, daB die „Vermogenswerte der Gesellschaft mit ihrem Verkehrswert" auszuweisen seien (aaO, S. 1280), ohne daB die Entscheidungsgriinde im weiteren auf die gesetzliche Notwendigkeit einer Prognose der Lebensfahigkeit hinweisen. Bork, AT, aaO, Rn 149; Larenz, aaO, S. 42Iff. indentifiziert als rechtliche Erwagungen einer Rechtsfortbildung u.a. die Rechtsfort bildung mit Rucksicht auf ein rechtsethisches Prinzip, zu dem auch das Grundprinzip „Treu und Glauben" zahlt.

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ben" ware eine Rechtsfortbildung contra legem an der vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung in standiger Rechtsprechung angewandten „zweistufigen Priifungsmethode"^^°, bei der rechnerische Uberschuldung und Fortfuhrungsprognose gleichwertig nebeneinander stehen, moglich.

2. Konzeptionelle Anforderungen an die Uberschuldungsmessung

Das Schuldendeckungspotential eines Unteraehmens besteht unter wirtschafdichen Gesichtspunkten nicht nur aus den Vermogenswerten, die im Fall von EinzelverauBerungen zur Schuldendeckung zu erzielen sind^^\ Vielmehr werden diese Werte im zweigliedrigen Verfahren der Uberschuldungsmessung durch die Prognose erganzt, die die zukunftigen Entwicklungen des Unteraehmens erfafit. Daher ist im AnschluB an die erstellte Veraiogensubersicht im Falle eines Uberwiegens der Belastungen die Schuldendeckungsfahigkeit der Vermogenssubstanz zusatzlich im Hinblick auf kunftige Ertrage nach Abzug der Belastungen zu uberpriifen. Reichen diese Ertrage aus, innerhalb eines angemessenen Zeitraums das Ausfallrisiko^^^ zu schlieBen oder jedenfalls mindestens die fiktiven fmanziellen Belastungen aus dem Fehlbetrag zu erwirtschaften, ist der Tatbestand der Uberschuldung nicht gegeben, andemfalls haben die vertretungsbefugten Organe des Unteraehmens einen Insolvenzantrag zu stellen.

a) Zweigliedrigkeit der Uberschuldungsmessung Die Uberschuldungsmessung ist von der Konzeption her in Form eines zweistufigen und zweigliedrigen MeBverfahrens erforderlich und ausreichend, soweit den Bestandteilen dieser Messung gleichwertige Bedeutung zugebilligt wird. Die Selbstandigkeit der Tatbestandselemente darf nicht dahin miBverstanden werden, als werde die Wechselseitigkeit von Unteraehmenswert und Unteraehmensentwicklung nicht erkannt. Um dem Erforderais einer von der Entwicklung losgelosten Bewertung der Vermogenswerte gerecht zu werden, ist - anders als bei strikter Anwendung von § 19 Abs. 2 InsO - in einem ersten Schritt eine Vermogensubersicht anzufertigen, die Auskunft Uber die bestehenden Risiken der Fremdkapitalgeber gibt. Ergibt die Vermogensubersicht, daB die Verbindlichkeiten das Vermogen des Unteraehmens uberwiegen, dann steht fest:

"^ Vgl. dazu oben sub B in. 2. ^^^ Das Ausfallrisiko besteht hier in einer gegebenenfalls vorhandenen (statischen) Vermogenslucke zwischen Vermogen und Schulden, die sich aus dem Ergebnis der uberschuldungsbilanziellen Gegeniiberstellung von Vermogen und Schulden ergibt.

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Realisieren sich jetzt alle Belastungen des Vermogens, dann konnen nicht alle Glaubiger in vollem Umfang bedient werden. Diese Erkenntnis aber allein als ausreichenden AnlaB zu nehmen, dem Untemehmen die Entscheidungsbefugnis abzuerkennen, ist praxisfremd. Der Kapitalmarkt funktioniert ausschlieBlich aufgrund des Prinzips, daB allein die Zukunft vermogenssteigemd wi^kt^^^ Daher kann die bilanzielle Darstellung nur AufschluB iiber den Betrag geben, um den die Belastungen das Vermogen Uberwiegen. Dieser Fehlbetrag bildet fur das Worst-case-Szenario zahlenmaBig das absolute Ausfallrisiko der Glaubiger ab. Im weiteren Verfahren der Uberschuldungsmessung ist die zukUnftige Entwicklung des Untemehmens hinsichtlich der Fahigkeit, das Ausfallrisiko zu kompensieren, zu betrachten^^"^. Der Gegenstand der insolvenzrechtlichen Ertragsrechnung ist in der Gesamtschau des Uberschuldungstatbestands als betriebswirtschaftlicher Sondertatbestand spezifischer Natur zu sehen. Praxisfremd ware allerdings, die Forderung an die Ertragslage des Untemehmens so zu formulieren, daB innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums das Ausfallrisiko betragsmaBig insgesamt zu erwirtschaften sei. Das Ausfallrisiko gibt abstrakt Auskunft iiber Belastungen des Untemehmens, die nicht durch das vorhandene Vermogen gedeckt sind. Die Lebensfahigkeit ist bereits dann wahrscheinlich, wenn das Untemehmen in der Lage sein wird, die weiteren wirtschaftlichen Belastungen, die der negative Fehlbetrag (das konkrete Ausfallrisiko) fUr das Unternehmen bedeutet, zu erwirtschaften. Die weiteren wirtschaftlichen Belastungen dieses konkreten Ausfallrisikos resultieren aus den Kapitaldiensten, die fur die paritatische Aufstockung vom Vermogen zur Schuld aufzuwenden sind. Sie sind von der bestehenden Abbildung des Finanzstatus und der Finanzplanung nicht erfaBt. Gmndsatzlich betreffen die Belastungen, die in der Uberschuldungsbilanz abgebildet sind, das gegenstehende Vermogen^^^. Zeigt sich dort ein Fehlbetrag, deutet das auf ein nicht ausreichendes Schuldendeckungskapital. Das Aktivvermogen ist hypothetisch um diesen Fehlbetrag aufzustocken, um eine ausgewogene Bilanz zu schaffen^^^. Der Fehlbetrag ist aber nach dem Prinzip der Ausgewogenheit der Bilanz nicht von den Passiven erfaBt, die sich nach der Uberschuldungsbilanz alleine in dem hierfur ermittelten Vermogen wiederfmden. Gleiches gilt fiir die damit verbundenen fmanziellen Belastungen. Gleichwohl bedeutet die fiktive Beseitigung des Fehlbetrags eine Aufstockung des Schuldendeckungspotentials, die so nicht von den bestehenden Belastungen des Vgl. Betsch/Groh/Lohmann, aaO, S. 96. Ahnlich auch Haarmeyer/Wurtzke/Forster, aaO, S. 51. Vgl. zur Grundstruktur einer Bilanz, der Mittelherkunft die Mittelverwendung gegeniiberzustellen, Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 865. Vgl. handelsrechtlich zur Funktion des nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 286f.

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Untemehmens umfaBt ist. Diese weiteren Belastungen miissen aber envirtschaftet werden und erhohen infolgedessen den kunftigen Finanzierungsaufwand. Im Bezug auf die Untemehmenskrise bedeutet das eine Erhohung der kunftigen Aufwendungen. Das zweite Merkmal im Tatbestand der Uberschuldung ist daher die sog. rechtliche Uberschuldung, die Auskunft uber die zukUnftige Entwicklung des Untemehmens gibt. Bisher wird die Frage der Lebensfahigkeit allgemein als die Legitimation des Untemehmens verstanden, am Rechtsverkehr teilnehmen zu durfen^^^. Die Konsequenz dessen bedeutet de lege lata, da6 die Lebensfahigkeit iiber die Insolvenz entscheidet^^^. Damit wird aber der Wirkungsradius der Prognose Uber Gebiihr erweitert, denn die Frage der Lebensfahigkeit betrifft zugleich auch das allgemeine Geschaftsrisiko, das gmndsatzHch das materielle Insolvenzrecht unmittelbar nicht beriihrt. Eine Ertragsprognose, deren Ergebnis in die Uberschuldungsmessung einflieBt, darf daher gerade nicht nach der Ertragslage fragen^^^. Letztendlich wurde namlich damit die Ertragslage, praziser die allgemeine Ertragsrechnung, zum Gegenstand der Uberschuldungsmessung. Die Ertragslage ist aber Gegenstand der Rechenschaft gegeniiber dem Eigentumer und dem Kapitalmarkt. Dort werden die Entscheidungen dariiber getroffen, ob die allgemeine Planung des Untemehmens an sich uberzeugend ist oder ob und gegebenenfalls - welche strategischen oder operativen MaBnahmen fur die Gesellschaft zu treffen sind. Naturlich ist dieser Ansatz zunachst der Kritik ausgesetzt, da6 die in die rechnerische Uberschuldung eingehenden GroBen von der Qualitat der in diese GroBen einflieBenden Prognosen abhangen und damit subjektiviert sind, mithin die Prognose nicht nachvollziehbar werde^^^. Gleichwohl stellt die Betriebswirtschaftslehre objektivierte Prognoseverfahren zur Verfugung, die den Ermessensspielraum so klein wie moglich halten. Zudem darf diese Kritik nicht ubersehen, daB der Ausgangspunkt der Uberschuldungspriifung selbst hypothetisch ist, indem er nach dem Deckungspotential zugunsten aller Glaubiger des Untemehmens fragt, obwohl de facto weder im Hinblick auf gegenwartige VoUstreckungsverfahren noch im Hinblick auf tatsachliche Zahlungsunfahigkeit AnlaB dazu besteht^^\

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Vgl. Wolf, aaO, S. 44f. Damit wiirden aber Bewertung und die Uberschuldungsmessung vermengt, vgl. sub B HI. 1. c) (2). Die Parameter der Ertragslage dienen regelmafiig dem Rating, vgl. Betsch/Groh/Lohmann, aaO, S. 263. SoEgnerAVolff,aaO,S. 103. Damit einher geht die Forderung, auf den Uberschuldungstatbestand wegen der ihm immanenten Unsicherheiten ganz zu verzichten; vgl. Egner/Wolff, aaO, S. 105f. Insbesondere die umfangreichen straf- und zivilrechtlichen Sanktionen werden dort fur rechtspolitisch verfehlt gehalten.

b) Vermogensubersicht (rechnerische Vberschuldung) Als Ausloser fiir das insolvenzrechtliche Verfahren ist die Uberschuldung als kritische Relation von Vermogen und Schulden haftungsbeschrankter Untemehmen konzipiert^^^. Geht man davon aus, daB ein Untemehmen und dessen Lebensfahigkeit von ihren freien Vermogenswerten abhangen, benotigt die Unteraehmensfuhrung regelma6ig einen ausreichenden Dispositionsspielraum iiber diese Vermogenswerte. Nur wenn dieser nicht (oder nicht mehr) zur Verfugung steht, ist der Eingriff in die VerfUgungsbefugnis des Schuldners, de iure ein Eingriff in die Verfugungsbefugnis von Fremdvermogen, gerechtfertigt. Eine sinnvolle Uberschuldungsmessung fragt demzufolge danach, ob noch unbelastetes Vermogen zur Verfugung steht. Richtigerweise kann die Beantwortung dieser Frage nicht auf eine exakte gegenwartsorientierte Bestimmung als BezugsgroBe fUr die Prognoseentscheidung verzichten^^^. Diese BezugsgroBe liefert die Vermogensubersicht, indem sie Auskunft iiber das aktuelle Ausfallrisiko der Glaubiger gibt^^"^. Diese Form der Vermogensermittlung erscheint auf den ersten Blick statisch. Der Uberschuldungstatbestand als Insuffizienztatbestand der Unzulanglichkeit einer Verteilungsmasse fiir die vollstandige Befriedigung der Glaubiger muB aber zugleich dem dynamischen Charakter der Untemehmensinsolvenz gerecht werden^^^.

c) Zukunftige Entwicklung (rechtliche Uberschuldung) (1) Konzeptionelle Notwendigkeit In Erganzung der reinen Vermogensubersicht ist daher ebenso erheblich, ob das Vermogen in seiner Gesamtheit zur Glaubigerbefriedigung ausreicht^^^. Die Fortfuhrung kann demgemaB nur dann als wahrscheinlich gelten, wenn alle das Untemehmen belastenden Glaubigeranspriiche erfullt werden konnen. Die Fortbestehensprognose muB daher Auskunft iiber die Zahlungsfahigkeit geben^^^. DemgemaB bedeutet Uberschuldung die Unfahigkeit des Schuldners zur Auszahlungsdeckung „mit Zeitablauf * des Untemehmens^^^. So Drukarczyk, Bilanzielle Uberschuldungsmessung, aaO, S. 555 unter Hinweis auf den historischen Gesetzgeber der Konkursordnung 1877. So auch Hasemeyer, aaO, S. 121f. So auch Hommelhoff, aaO, S. 248. So immer wieder auch K. Schmidt, vgl. bspw. Wege zum Insolvenzrecht, aaO, S. 48; ebenso Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 238. Ahnlich Klar, aaO, S. 88. Vgl. Drukarczyk/SchUler, aaO, Rn 92 mwN in Fn 93. Vgl. Moxter, Finanzwirtschaftliche Risiken, aaO, Sp. 635f.

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Die Erweiterung der Uberschuldungspriifung um das Erfordemis der Lebensfahigkeit schrankt den Uberschuldungstatbestand im einstufigen Sinne im Interesse der Unternehmenserhaltung ein^^^. Dies geschieht auf Kosten der Rechtsklarheit, da Prognosen anerkanntermaBen den Kembereich untemehmerischer Planung bilden und naturgemaB einen Eraiessensspielraum enthalten^^. Sowohl die Dynamik wirtschaftlicher Sachverhalte als auch die Vielfaltigkeit der Rechtsbezuge des Untemehmens im allgemeinen und in der Krise im besonderen rechtfertigen diese Einschrankung der Rechtsklarheit^^\ Rechtsklarheit kann bei komplexen Sachverhahen grundsatzlich nur axiomatisch erreicht werden. Aufgabe der Rechtswissenschaft darf es daher nicht sein, im Zuge einer Ex-post-Betrachtung jede Form einer Prognose mit dem Argument der unmoglichen Justitiabilitat oder mit dem Hinweis auf deren Fehlerhaftigkeit aus dem Uberschuldungstatbestand abzulehnen. Aufgabe muB es vielmehr sein, einen moglichst objektivierten und nachvollziehbaren Rahmen zu schaffen, um die Elemente der Unsicherheit im erforderlichen Umfang handhabbar zu machen^^^. Die der Prognose innewohnende Unsicherheit darf infolgedessen weder zu Lasten der Normadressaten noch zum Nachteil des geschutzten Personenkreises gehen. Inhalt und Umfang der Prognose miissen daher im Regelfall zunachst ohne exteme Hilfe vom vertretungsbefugten Organ des Untemehmens durchfiihrbar sein. Das geschieht sinnvollerweise auf der Basis vorhandener Zahlen, wie bspw. den Planzahlen iiber erwartete Umsatze. Im Vorfeld der Fortfiihrungsprognose gilt es, die Determinanten der Prognose zu bestimmen: Liquiditat oder Ertrag? Die Fortbestehensprognose wird den modemen Auffassungen der Untemehmensbewertung gerecht, wenn nicht der Substanzwert, sondem der zukiinftige Ertragswert von Bedeutung ist^^^. Gleichzeitig darf nicht darauf verzichtet werden, die immanente Unbestimmtheit der Prognose iiber ein zukunftiges Geschehen plausibel zu objektivieren^^'*. Daher wird die Prognose anhand einer Netto-Cash-flow Rechnung befurwortet^^^.

Vgl. K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 338. Vgl. zu betriebswirtschaftlichen Prognosen Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 478. Die Normierung der Uberschuldung, friiher im Kapitalgesellschaftsrecht und heute im Insolvenzrecht, darf nicht die Sicht darauf versperren, da6 die Uberschuldung vielfaltige rechtliche Bezuge aufweist, hinter denen verschiedene Interessengruppen stehen, die der Uberschuldungstatbestand in Einklang zu bringen hat, vgl. etwa Klar, aaO, S. 7ff. So auch K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 339. Vgl. Winnefeld, aaO, N 821; Betsch/Groh/Lohmann, bei Ermittlung von Bonitat und Ausfallrisiko, aaO, S. 181. Vgl. Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 97ff. Vgl. dazu Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 45,55.

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(2) Inhaltliche Anforderungen Die rechtliche (Jberschuldung bildet die Verselbstandigung des dynamischen Elements der Uberschuldungspriifting in Form einer Finanzplanung ab^^^. Die Finanzplanung gewahrleistet Lebensfahigkeit im insolvenzrechtlichen Sinne, wenn das Ausfallrisiko in absehbarer Zeit gedeckt ist. Gleichsam unterliegt sie dem Gebot hinreichender Objektiviertheit, das nicht etwa dadurch konterkariert wird, daB die Planung an sich aufgrund subjektiver Einschatzungen erfolgt. Die Berechtigung subjektiver Einflusse auf das Element der Prognose fmdet sich in Wortlaut des § 19 InsO wieder, der mit der Implementierung der Wahrscheinlichkeit Raum fur eine subjektive Einschatzungsprarogative schafft^^^. Inhaltlich mu6 die Prognose der Ertragsfahigkeit im Hinblick auf fmanzielle Belastungen nachgehen. Die rechtliche Uberschuldung ist daher nur dann gegeben, wenn die erzielbaren Ertrage der Gesellschaft nicht ausreichen, langfristig die Finanzierung des Fremdkapitals zu besorgen^^^. Dazu gehort selbstverstandlich auch der Betrag, um den gegebenenfalls die Schulden das Vermogen uberwiegen. Nur wenn die so verstandene rechtliche tjberschuldung negativ ausfallt, haben die Glaubiger die Berechtigung erlangt, dem Schuldner kontrolliert mit Hilfe des Insolvenzverfahrens die Dispositionsbefugnis Uber (quasi) ihr Vermogen zu entziehen. Erforderlich ist daher die Beriicksichtigung von Einnahmen^^^, Ausgaben und Aufwendungen. Zur Abbildung des daraus resultierenden Finanzierungsvolumens eignet sich die Abbildung dieser Zahlungsstrome in einer Cash-flow-Rechnung^^^. Auf diese ist an Stelle von der fUr die Ertragsprognose im Rahmen der rechtlichen tJberschuldungsmessung nicht geeigneten Ertragsrechnung in der Gewinn- und Verlustrechnung zuruckzugreifen^^^ Der Cash-flow bildet die Veranderungen des Kassenbestandes einer Periode ab^°^. Ausgehend von der Summe der Netto-Umsatzerlose und der sonstigen betrieblichen Ertrage werden Materialaufwand, Lohne und Gehalter einschlieBlich ^^^ Vgl. K. Schmidt, Insolvenzordnung und Unternehmensrecht, aaO, Rn 13; Drukarczyk/Schiiler, aaO, Rn 100. ^'^ Ahnlich auch Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 98f. ^^^ Ahnlich bei EgnerAVolff, aaO, S. 102, die die Uberlebensfahigkeit des Unternehmens dann als gegeben ansehen, wenn die erzielten Ertrage ausreichen, die vertraglich bestimmte Verzinsung und dariiber hinaus mindestens eine als ausreichend erachtete Verzinsung des Eigenkapitals sicherzustellen. ^^ BraunAJhlenbruck, aaO, S. 292f ^^ Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 1064; vgl. allgemein zur Cash-flow Rechnung Wohe, ebd., S. 670f; Betsch/Groh/Lohmann, aaO, S. 21 Iff. Ebenso halt Picot, aaO, S. 45 in Fn 97, den freien Cash-flow als die maBgebliche Kennzahl fur Zinsverpflichtungen und Amortisationszahlungen. '°' Vgl. B m. 2. a). ^°^ Vgl. zur Ergebnisrechnung Betsch/Groh/Lohmann, aaO, S. 205f.

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der Sozialabgaben, sonstige betriebliche Aufwendungen und Steuem abgezogen^®^. Zu den sonstigen betrieblichen Aufwendungen sind auch die Ausgaben anzusetzen, die fUr den Kapitaldienst des Fehlbetrags zu erwirtschaften sind^^^. Die Finanzplanung im Rahmen der Uberschuldungsmessung soil den iiberschaubaren Zeitraum von zwei Jahren abdecken^^^.

d) Ausgestaltung der SelbstprUfung auf Vherschuldung In Abgrenzung zur Zahlungsunfahigkeit muB sich der Untemehmer daher innerhalb der gebotenen SelbstprUfung im Krisenfall folgender Fragestellung unterwerfen: a) 1st das Untemehmen in der Lage, gegenwartig aus den Aktiven alle Belastungen zu tragen^^^? Der Begriff der Belastungen ist hier im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen. Das heifit, er umfaBt alle Belastungen, die wirtschaftlich verursacht sind^°^. b) Wenn nicht, ist das Untemehmen in Zukunft in der Lage alle Belastungen, einschlieBlich der jetzt bestehenden, zu tragen? Dazu werden auch Aufwendungen gerechnet, die zur Instandhaltung der Ertragsfahigkeit, mithin der Aktiven, erforderlich sind. Der vorgeschlagene Priifungsaufbau verzichtet entgegen § 19 InsO darauf, zunachst die Lebensfahigkeit zu prognostizieren^®^. Denn dazu sind Parameter erforderlich, die die Lebensfahigkeit als wahrscheinlich objektivierbar machen. Lebensfahig kann ein Untemehmen in der Krise jedenfalls dann sein, wenn es die Krise uberwinden und eine Insolvenz vermeiden kann. Dazu ist es notwendig, da6 alle zukunftigen Belastungen getragen werden. Welche Aufwendungen im einzelnen dazu erforderlich sind, kann hingegen nur aus der Uberschuldungsbilanz abgeleitet werden. Deren Aufgabe besteht somit darin, Auskunft dariiber zu geben, ob das Vermogen die Belastungen deckt und falls nicht, Auskunft Uber die Hohe der uberwiegenden Belastungen zu geben. Daraus

Vgl. das Modell einer Cash-flow Rechnung bei Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 55. Vgl. soeben sub B III. 2. a). Der Kapitaldienst wird zu einer Verzinsung von 5 % Uber dem Zinssatz der EZB vorgeschlagen. Eine Tilgung soil nach dem hier vorgeschlagenen Modell nicht stattfinden. Denkbar ist auch die Annahme eines risikodeckenden Zinsatzes. Insgesamt handelt es sich dabei um ein flnanzwirtschaftliches Berechnungsproblem, das im Rahmen dieser Arbeit nicht erortert wird. Im Konsens mit den ublichen Vorschlagen der Literatur und der Rechtsprechung, vgl. etwa Winnefeld, aaO, N Rn 821; Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 105f; Schmidt Uhlenbruck-(//i/enferwc/:, aaO, Rn 601; Haarmeyer/Wutzke/F6rster, aaO, S. 51; BGH DB 1992, 2022, 2025. So auch Hommelhoff, aaO, S. 248. Vgl. dazu ausfuhrlich Teil D. Wer § 19 InsO folgt, muB zunachst eine allgemeine Aussage zur Wahrscheinlichkeit der Fortfiihrung treffen; vgl. Drukarczyk/Schuler, aaO, Rn 92.

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ist erst absehbar, in welchem Umfang Aufwand entsteht, der zusatzlich zu erwirtschaften ist. Zur Ermittlung der Hohe ist das erwahnte Worst-case-Szenario zu unterstellen, anhand der daraus erkennbaren Vermogensabbildung erkennbar ist, ob (hypothetisch) fur alle Glaubiger ausreichend Vermogenssubstanz zur Verfugung steht.

/v.

Ergebnis

Das Verfahren der Uberschuldungspriifung ist zweigliedrig. Ausgangspunkt ist die VermogensUbersicht (rechnerische Uberschuldung). Die rechtliche Uberschuldung ist als zweites Element neben der rechnerischen fiir die Uberschuldungspriifung unverzichtbar. Sie ist bereits deshalb geboten, weil jede Unternehmung langfristig angelegt ist und infolgedessen einer Dynamik unterliegt. Diese Dynamik verdient auch in der untemehmerischen Krise des Schuldners Beachtung. Insoweit ist auch dem Ausgangspunkt der Uberschuldungmessung de lege lata zuzustimmen. Nicht erforderlich ist die rechtliche Uberschuldung hingegen, um Auskunft iiber die Bewertung der Schulden und des Vermogens zu geben^^^. Vielmehr ist die Uberschuldungsbilanz neben der rechtlichen tjberschuldung mitbestimmendes Element fiir die Beantwortung der Frage nach der Fortfiihrung oder der (zwangsweisen) Liquidation (durch das Insolvenzverfahren). Denn die Uberschuldungsbilanz gibt Auskunft tiber die Belastungen des Vermogens und die daraus resultierenden weiteren Aufwendungen, die die Lebensfahigkeit beeintrachtigen konnen und infolgedessen innerhalb der diesbeziiglichen Prognose der Lebensfahigkeit des Untemehmens zu beriicksichtigen sind. Das bedeutet, daB zum Zeitpunkt, zu dem der Schuldner die Uberschuldung im Rahmen der gebotenen Selbstpriifung bilanziert, noch ungewiB ist, ob das Untemehmen liquidiert oder fortgefiihrt wird. Aus diesem Grund darf die Bilanzierung nicht von der Frage nach der Lebensfahigkeit voreingenommen sein - insoweit abweichend vom gesetzlichen Ausgangspunkt in § 19 Abs. 2 InsO. Die bilanzielle Darstellung vom Substanzwert des Vermogens gibt Auskunft iiber den Betrag des Ausfallrisikos. Das Untemehmen ist nicht mehr lebensfahig, wenn absehbar dieser Fehlbetrag nicht zu erwirtschaften ist. Die Priifung der Lebensfahigkeit ist anhand einer Finanzplanung auf der Basis einer Cash-flow-Rechnung fiir einem Zeitraum von durchschnittlich zwei Jahren vorzunehmen. Zwar wird sich nachfolgend sub C II. 2. noch herausstellen, daB grundsatzlich der Zweck der Bilanzierung die Bewertung bestimmt. Dies kann aber dann nicht gelten, wenn die Bilanzierung den Zweck bestimmt, wie dies nach der Idee des Gesetzgebers bei § 19 InsO der Fall ist.

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Fur den Normadressaten bedeutet dies, daB er im Krisenfall die Uberschuldungsprufung mit der Ermittlung des betragsmaBigen Ausfallrisikos beginnt, indem er eine Uberschuldungsbilanz erstellt. Auf dieser Basis ist die Lebensfahigkeit zu priifen, um gegebenenfalls anschliefiend innerhalb der Frist von § 63 GmbHG bzw. § 91 AktG Insolvenzantrag zu stellen^^°.

Gelingt die fristgerechte Erstellung des Finanzplans nicht, wird diese Aufgabe gem. § 22 Abs. 1 Nr. 3, Halbsatz 2 InsO dem vorlaufigen Insolvenzverwalter ubertragen.

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C: Grundlagen der insolvenzrechtlichen Bilanzierung Die Uberschuldungsbilanz3ii dient als ein Teil im Verfahren zur Uberschuldungsmessung dazu, ihrem Adressaten3i2 einen Uberblick uber die Vermogenslage des Unternehmens zu verschaffen. Nachdem auf der Grundlage des bisher Gesagten^^^ de lege lata kein iiberzeugendes Konzept hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Bilanzierung, inbsbesondere hinsichtlich der Bewertung von Vermogen eines Untemehmens in der Krise, vorliegt, sind in Ermangelung ausdrucklicher Bestimmungen uber die Art und Weise der Uberschuldungsbilanzierung^^"* sind geeignete Werk- und MeBparameter zu finden, die in ihrer Anwendung sowohl der Situation der Krise als auch der Uberschuldungspriifung - ggf. de legeferenda - gerecht werden konnen. Solche Parameter in Form von Grundsatzen ordnungsgemaBer Buchfuhrung bzw. Bilanzierung werden regelmaBig vom jeweiligen Zweck der Bilanzierung bestimmt^^^. Demzufolge sind zunachst die Rechtsnatur und der Zweck der Uberschuldungsbilanzierung im Verfahren der Uberschuldungsmessung zu betrachten (C. I.), um dann eine funktionale Bestimmung der MeBparameter zu ermoglichen, die spater (Teil D) eine funktionsgerechte Erfassung der Schulden erlauben. FUr die funktionsgerechte Erfassung der Schulden im Rahmen der Uberschuldung und ihrer Tatbestandsmerkmale ist es fur den weiteren Verlauf dieser Arbeit zudem erforderlich, zunachst beispielhaft anhand der normierten Rechnungslegung und Bilanzierung sowie deren theoretischer Grundlagen herauszufinden, wie die Zwecke einer Vermogensbilanz die Grundsatze ihrer Erstellung beeinflussen (C II.). Im AnschluB daran konnen die spezifischen MeBparameter fiir die Uberschuldungsbilanz in Form von Bilanzierungsgrundsatzen gefunden werden, die dem Management in der Krise eine funktionsgerechte Vermogensabbildung in Erfullung der insolvenzrechtlichen Selbstpriifung gestatten (C III.).

Vgl. zur Terminologie bspw. BGH NJW 2001, 1136; zur Uberschuldungsbilanz als Sonderbilanz vgl. sogleich sub D I. 2. RegelmaBig dem zur Uberschuldungspriifung verpflichteten Organ der Gesellschaft oder dessen Berater und anderen Interessierten, denen das Ergebnis der Uberschuldungsmessung uberlassen wird. Vgl. Ergebnis zu B IV. Weder der Gesetzgeber noch die Praxis liefem eine Konzeption der Uberschuldungsbilanzierung; vgl. WPHandbuch, aaO, V Rn 13. Uhlenbruck, Die GmbH & Co KG, aaO, S. 282.

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Charakteristika der Vermogensabbildung im Verfahren der Oberschudungsmessung

L Sonderbilanz Im zweigliedrigen Verfahren der Uberschuldungsmessung ist zunachst die Vermogenslage abzubilden, um plausibel Auskunft iiber das Vermogen als Schuldendeckungspotential zu erhalten^^^. Der in der Uberschuldungspriifung notwendige MeBvorgang zur Abbildung der Vermogenslage ist bar jeder Regelung. Der Gesetzgeber hat keine materiellen Vorgaben an Darstellung und Berechnung der Uberschuldung gemacht. § 19 InsO auBert sich lediglich im Hinblick auf die Bewertung^^^. Die Begriindung des Referentenentwurfs, die sich fiir die Konzeption einer zweigliedrigen Uberschuldungsmessung ausgesprochen hat, geht von einer Gegeniiberstellung von Vermogen und Schulden aus^^^. Zur Feststellung der Uberschuldung in der Praxis wird dementsprechend die Vomahme einer besonderen Uberschuldungsberechnung fiir zweckmaBig gehalten, an deren Ende eine Uberschuldungsbilanz steht^^^. Nach nahezu einhelliger Meinung sollen daher Darstellung und Berechnung in Form einer Bilanz Oder jedenfalls einer bilanzahnlichen Ubersicht^^° geschehen. Dies erscheint nicht zuletzt auch aus Griinden der Ubersichtlichkeit praktikabel. Bei dieser Gegeniiberstellung von Vermogen und Schulden handelt es sich aber nicht um eine Regelbilanz, sondem um eine Sonderbilanz^^\ Im Gegensatz zur Regelbilanz nach handelsrechtlichen Grundsatzen ist eine Sonderbilanz regelmaBig dann anzufertigen, wenn das Untemehmen in eine wirtschaftliche Situation geraten ist, die auBerhalb des laufenden Betriebsprozesses stattfmdet^^^. Dies trifft auf die untemehmerische Krise zweifellos zu. „Bilanz" bedeutet in diesem Zusammenhang lediglich, dafi hinsichtlich der Darstellung formelle Konventionen zu beachten sind. Formell ist die Gegeniiberstellung von Aktiva und Passiva dergestalt darzustellen, daB auf der einen Sei-

Unter der Annahme des sub B HI. 1. c) (1) dargestellten Worst-case-Szenarios. Vgl. obensubBII. l.,2.e). „Die Feststellung, ob Uberschuldung vorliegt, kann (...) stets nur auf der Grundlage einer Gegeniiberstellung von Verm5gen und Schulden getroffen werden.", vgl. BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B), S. 20. Vgl. WP-Handbuch., aaO, V Rn 14f; Drukarczyk, Bilanzielle Uberschuldungsmessung, aaO, S. 560ff. Wenn in der Praxis eine Uberschuldungsbilanz zu erstellen ist, gilt der erste Blick der Bilanz des letzten verfUgbaren Jahresabschlusses. Vgl. Plate, aaO. S. 46; Fischer, aaO, S. 29; Wolf, aaO, S. 25. Vgl. auch Wolf, aaO.S. 46. Vgl. Budde/Forschle, aaO, A If; vgl. zu den besonderen Anlassen fiir die Aufstellung von Sonderbilanzen, ebd. B Iff.

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te das Vermogen und auf der anderen Seite die Schulden abgebildet sind^^^ Damit soil letztlich eine Auskunft iiber die Vermogenslage auf einen Blick ermoglicht werden, mithin eine Auskunft iiber eine rechnerische (Jberschuldung moglich sein. Materielle Auswirkungen ergeben sich daraus grundsatzlich nicht. Die Qualifizierung der Vermogensubersicht als Bilanz wirkt sich nur dann auf Ansatzfragen und Bewertung aus, soweit es sich um eine Handelsbilanz handelt. FUr diesen Fall ist das gesetzlich normierte System der Regelbilanzierung verfasst und gibt die Rahmenbedingungen der handelsrechtlichen Rechnungslegung im gewohnlichen Geschaftsverlauf vor^^"*. Die Handelsbilanz bildet den regularen Geschaftsverlauf in einer vom Bilanzierenden als Geschaftsjahr bestimmten Periode ab^^^. Sonderbilanzen dagegen sind bei atypischen wirtschaftlichen Sachverhalten zu erstellen^^^, mithin sind die auf den Regelfall des laufenden Untemehmens zugeschnittenen Vorschriften iiber Bilanzierung nicht ohne weiteres in diesen atypischen Fallen zu iibemehmen. Vielmehr erfordem insbesondere die Umstande des konkreten Sachverhalts, der einer Sonderbilanz zugrunde liegt, flexible Ansatz- und Bewertungsvorschriften. Gleichwohl darf man dabei nicht mit Willkiir agieren, sondem muB vielmehr versuchen, eine moglichst zweckgerechte Anwendung von Bilanzierungsgrundsatzen zu finden. Der Zweck jeder Bilanzierung pragt grundsatzlich die entsprechende Bilanzierungskonzeption und den materiellen Inhalt der einzelnen Bilanzierungsgrundsatze und stellt demzufolge den Ausgangspunkt fiir Art und AusmaB einer jeden Bilanzierungssystematik dar^^^. Um daher eine Aussage dariiber treffen zu konnen, ob und gegebenenfalls welche Bilanzierungsgrundsatze fur die Ermittlung der rechnerischen Uberschuldung geeignet sind, ist der Zweck der Uberschuldungsbilanz festzustellen.

Eine Legaldefinition fUr den Begriff der „Bilanz" - wie im ubrigen auch fiir den Terminus „Sonderbilanz*' gibt es nicht. Arians, aaO, S. 17 mwN in Fn 34, hat herausgearbeitet, da6 das Schrifttum jedenfalls von einer zweiseitigen Rechnung ausgeht. Vgl. die allgemeinen Ausfiihrungen zum Begriff der Bilanz, GroBfeld, aaO, Rn Iff. Die §§ 238 - 341 o HGB enthalten die Vorschriften fiir alle Kaufleute und ordnen abschlieBend den JahresabschluB von Einzelkaufleuten und Personengesellschaften; erganzend bestehen Vorschriften fUr Kapitalgesellschaften, §§ 150 - 176 AktG, 42, 42a GmbHG, § 33 GenG und Kreditinstitute §§ 25a - 31 KWG. Der gewohnliche Geschaftsverlauf beschreibt das wirtschaftliche Geschehen im Rahmen der laufenden Geschaftsvorgange. Dazu gehoren insbesondere solche Vorgange, die von der Planung umfaBt werden. Im Einzelfall konnen darunter auch RestrukturierungsmaBnahmen fallen, soweit es der Geschaftsverlauf erfordert. § 242 Abs. 1, S. 1 HGB; vgl. dazu auch GroBfeld, aaO, Rn 5. Vgl. Arians, aaO, S. 7ff, der von „Sondervorgangen" bei Untemehmungen spricht. Vgl. ausfuhrlich sub C H. 2.

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2. Zweck der Uberschuldungsbilanzierung Zur Ermittlung einer Konzeption der Uberschuldungsbilanz ist ihr besonderer Zweck anhand ihrer Ratio und ihrer systematischen Stellung im Gefuge von Insolvenzrecht, Handelsrecht, Gesellschaftsrecht und der Betriebswirtschaftslehre zu lokalisieren. Erst die Zweckbestimmung der Uberschuldungsbilanzierung ermoglicht eine zuverlassige Aussage dariiber, ob und gegebenenfalls inwieweit vorhandene Bilanzierungskonzeptionen oder einzelne Telle daraus auf den Tatbestand der Uberschuldung anzuwenden sind.

a) Rechnungslegung im Umfeld der Uberschuldung Dementsprechend wird zunachst das Umfeld der Uberschuldung, die Untemehmenskrise, betrachtet, die dem Insolvenzverfahren vorgelagert ist. In dieser Umgebung entsteht und wirkt die Obliegenheit zur Selbstpriifung: Die Untemehmensleitung muB die Haftungsmasse der Gesellschaft kritisch auf deren Schuldendeckungsfahigkeit untersuchen. Ein Element dieser Messung ist die Uberschuldungsbilanz. Die Rechnungslegung in der Untemehmenskrise hangt grundsatzlich von ihrem AusmaB ab. Je nach Schwere der Krise bleibt das Untemehmen eigenverantwortlich oder wird in die Fremdbestimmung ubergeleitet. Wird das Vermogen des Untemehmens als Potential ausreichender Schuldendeckung befunden, dann bleibt die organschaftliche Geschaftsfuhrung fiir das operative Geschaft verantwortlich, und es bleibt bei der allgemeinen Verpflichtung zur handelsrechtlichen Rechnungslegung. Erkennt die Unternehmensleitung die Krise und leitet strategische GegenmaBnahmen ein, dann mag es sich dabei zwar um einen auBergewohnlichen Geschaftsvorfall handeln, der letztendlich aber keine AuBenwirkung im Hinblick auf eine besondere Rechnungslegung entfaltet Denn solange ReorganisationsmaBnahmen nur operativer Natur sind, entfalten sie AuBenwirkung ausschlieBlich auf vertraglicher Ebene^^^. Steht hingegen im Vermogen des Untemehmens kein ausreichendes Schuldendeckungspotential mehr zur Verfiigung, dann bewirkt das Insolvenzrecht das Ende der Selbstbestimmung der Untemehmenseigner. RegelmaBig wird dann ein (vorlaufiger)

^^* Vgl. zur Krisenvermeidung durch rechtliche und betriebliche Gestaltung auch Schmidt/UhlenbruckWellensiek, aaO, Rn 37ff.

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Insolvenzverwalter bestellt, der mit den Glaubigem iiber die weitere Verwendung des Vermogens bestimmt. In diesem Fall ist eine andere als die handelsrechtliche Rechnungslegung gegeniiber den am Insolvenzverfahren Beteiligten, namentlich dem Gericht und der Glaubigerversammlung, notwendig: die Insolvenzrechnungslegung^^^. Die Insolvenzrechnungslegung greift materiell mit dem Beginn des Insolvenzverfahrens. Damit sind einschneidende MaBnahmen sowohl im rechtlichen als auch im betriebswirtschaftlichen Gefuge des Untemehmens verbunden, die sich auch in der Insolvenzrechnungslegung wiederfmden^^^. Die Elemente der Insolvenzrechnungslegung sind die Insolvenzeroffnungsbilanz, die InsolvenzabschluBbilanz sowie die Rechnungslegung iiber das laufende Insolvenzverfahren^^ \ Die Bilanzierungszwecke beeinflussen nicht nur den Gesamtkorper der Rechnungslegung, sondem auch deren einzelne Elemente, soweit diese ebenfalls Bestandteil der Rechenschaft sind^^^. Daher werden die in der Insolvenz anzufertigenden Vermogensabbildungen durch Bilanzen bzw. die zu deren Erstellung anzuwenden Grundsatze der Insolvenzrechnungslegung in gleicher Weise wie die Jahresabschlufibilanzen der laufenden Rechnungslegung von den handelsrechtlichen Bilanzierungszwecken maBgeblich beeinfluBt^^^. Daraus folgt, daB die Insolvenzrechnungslegung bzw. die zu ihrer Aufstellung anzuwendenden Grundsatze fundamental von ihrem immanenten Zweck gepragt werden. Das gilt aber nicht nur flir die Insolvenzrechnungslegung, nachdem der Untemehmensleitung das operative Mitwirken am Rechtsverkehr abgesprochen wurde. Vielmehr gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn zunachst das AusmaB der Krise zu ermitteln ist. In diesem Fall sind Informationen zum Stand der Untemehmung unter verschiedenen Gesichtspunkten erforderlich, die eine Entscheidung und Planung iiber die zukiinftige Entwicklung tragen. Von Bedeutung ist dabei natiirlich die Frage, ob das Insolvenzgericht anzurufen ist, wobei die notwendige Vorfrage hierzu das besondere Verfahren der Uberschuldungsmessung ist^^"*. Die Beantwortung dieser Vorfrage erfordert hinreichende Information iiber die wirtschaftliche Lage. Einen Bestandteil der wirtschaftlichen Informationen, die der Grundlage weiterer Entscheidungen dienen, ist die Abbildung des Vermogens. Das Vermogen soil Auskunft iiber die Schuldendeckungsfahigkeit geben. Eine Schuldendeckung kann durch sofortige Versilberung oder durch einen Rendite versprechenden Einsatz der Vermogenswerte gelingen. Letzteres setzt aber im Gegensatz zur sofortigen VerauBerung voraus, daB neben der renditetragenden Sub^^^ ^^° "' "^ "^ "'

Vgl.die§§ ISlfflnsO. Vgl. zu den Auswirkungen in der Insolvenzbilanz im Einzelnen, Plate, aaO, S. 9. Kubler/Prutting-Z/o/zer, aaO, § 151, Rn 3. Vgl. Leffson, aaO, S. 58ff. Vgl. fUr die Abschlu6bilanz, Leffson, aaO, S. 26ff. Vgl. oben sub B I. 2.

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stanz insbesondere die sofortige Versilberung nicht notwendig erscheint. Ob das so ist, hangt von vielen Faktoren auBerhalb der Gesellschaft wie der aktuellen Marktlage, der subjektiven Einschatzung der Glaubiger oder der Fahigkeit der GeschaftsfUhrung ab. All diese Faktoren tragen zu einem nicht mehr bewertbaren und daher auch nicht mehr vertretbaren Ermessensspielraum bei der Abbildung des Vermogens bei. Die Vermogensabbildung mu6 daher auBerhalb dieser Faktoren zweckgerecht erfolgen. Notwendige Voraussetzung der Ermittlung der anzuwendenden GrundsStze der Uberschuldungsbilanz ist demzufolge die Feststellung ihrer Zweckrichtung.

b) Funktion der Uberschuldungsbilanz Die Uberschuldungsbilanz stellt als Element des Tatbestandsmerkmals der Uberschuldung eine Voraussetzung fur die Eroffnung des Insolvenzverfahrens dar. Sie dient in erster Linie dazu, das Vermogen und die Verbindlichkeiten des Schuldners zu ermitteln und einander gegeniiberzustellen^^^. § 19 Abs. 2 InsO erlautert insoweit die Uberschuldung, daB das Vermogen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Eine Uberschuldungsbilanz hat somit nach allgemeiner Meinung lediglich den Zweck, festzustellen, ob das Vermogen die Schulden nicht mehr deckt, ohne daB mit einem Ergebnis hieraus eine direkte Rechtsfolge verbunden ware^^^.

(/) Realistisches Vermogensbild Sowohl der Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung sehen fur die Frage der Uberschuldung eine Gegeniiberstellung von Vermogen und Verbindlichkeiten des Schuldners vor^^^. Da der Begriff des Vermogens anhand unterschiedlicher Bewertungspramissen unterschiedlich ausfallt, ist es nur folgerichtig, wenn die Uberschuldungspriifung das Vermogen des Schuldners (als das zur VerfUgung stehenden Schuldendeckungspotential) realistisch bewerten soll^^*. Die Uberschuldungsprufung soil insoweit eine verbindliche Aussage dariiber ermoglichen, ob die aktuell vorhandenen Vermogenswerte eines Untemehmens ausreichen, die Schuldpositionen auszugleichen^^^. Dazu kann einerseits bereits die Substanz des Untemehmens ausreichen, andererseits "^ Vgl. Budde/Forschle, aaO, P Rn 60. "^ Davon zu unterscheiden ist die Obliegenheit der GeschaftsfUhrung ggf. zur weiteren Ausfuhrung der Uberschuldungsprufung Oder zur wiederholten Aufstellung der Uberschuldungsbilanz. "' Vgl. BMJ-Referentenentwurf, aaO. Teil (B), S. 20; BGH seit NJW 1983, 676, 677. "* So auch die Intention des Gesetzgebers, vgl. BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B), S. 20. "'^ Vgl. BGH NJW 1994 1477, 1479 (= BB 1994, 882, 883; ZIP 1994, 701, 703); Fischer, aaO, S. 34.

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kann die Vermogenssubstanz erst das zur kiinftigen Schuldendeckung ausreichende Ertragspotential enthalten. Die in der Uberschuldungsprufung gebotene wirtschaftliche Betrachtung erlaubt, daB eine Glaubigerbefriedigung sowohl aus der Substanz als auch aus dem Ertrag moglich ist^'*^. Die Vermogenssubstanz ist in der Uberschuldungsbilanz abzubilden, das Ertragspotential dagegen in der Prognose.

(2) Glaubigerschutz Gleichwohl stellt sich die Uberschuldung im Umfeld der Untemehmenskrise generell als ein regelungsbediirftiger Sachverhalt dar. Dies folgt aus der Wechselbeziehung sowohl zwischen Untemehmen und Markt als auch zwischen Untemehmen und Kapital^'^^ Grundsatzlich arbeitet der Untemehmer eigenverantwortlich, tragt das Geschaftsrisiko und emtet die Rendite. Die Aufnahme von Fremdkapital bewirkt die Verlagerung von Risiken^"*^. Als Kapitalnehmer verringert der Untemehmer sein eigenes fmanzielles Risiko, indem er fremdes Geld investiert. Zugleich aber reduziert auch der Kapitalgeber das Risiko, in eigene Geschafte investieren zu miissen. Als Ausgleich erhalt er eine Beteiligung an der Rendite. Damit einher geht ein VertrauensvorschuB des Kapitalgebers, der den VerantwortungsmaBstab des Kapitalempfangers erhoht^"^^. Das Risiko des Kapitalgebers wird insoweit durch den Markt relativiert oder potenziert. Gefahrdungen von Fremdkapital diirfen nicht mehr in gleichem Umgang eingegangen werden, wenn sie eine Erhohung des Risikos des Fremdkapitalgebers ohne Ausgleich bedeuten. Daraus resultiert ein insolvenzrechtliches Gebot der Rucksichtnahme, das die Fortfiihrung eines fremdfmanzierten Untemehmens verbietet. Dem entspricht der wirtschafdiche Gedanke des Insolvenzgrundes der Oberschuldung, der dann zum Tragen kommt, wenn das Eigenkapital als Verlustpuffer aufgebraucht ist^'*'* und die Fortfiihrung ohne Ausgleich als Verschleuderung fremden Vermogens erscheint. Dariiber wacht das Insolvenzgericht^"^^. Da der gerichtliche Eingriff jedoch Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, S. 86f, der Schuldendeckungsf^higkeit dann als gegeben ansieht, wenn die Schulden beglichen werden konnen. ''' Ahnlich Klar, aaO, S. 7ff. ^^^ Kapitalaufnahme meint nicht nur den Empfang von Geld bspw. durch Darlehen, sondern auch die Uberlassung von Waren auf Kredit. Generell ist die Eingehung von synallagmatischen Vertragen im Geschaftsverkehr mitumfaBt, bei der eine Partei vorleistet. So leistet bspw. auch der Arbeitnehmer im regelmaBigen Geschaftsverkehr vor. Fremdkapital wird ebenfalls gegeben, wenn damit das Eigenkapital im bilanztechnischen Sinne gedeckt wird. So ist auch der durch Streubesitz am Grundkapital einer Publikums-AG beteiligte Aktionar Fremdkapitalgeber. ^*^ Ahnlich auch Fischer, aaO, S. 20. ^^"^ Vgl. dazu Budde/Forschle, aaO, P Rn 60. ^*^ Im Falle der Uberschuldung ist der Unternehmenstrager unter der Regie von Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht in einem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren zu liquidieren oder zu sanieren; vgl. dazu v. Gerksin/Hommelhoff-Kleindiek, aaO, Rn 7.35.

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nicht ohne weiteres moglich ist, obliegt die Uberprufung der Insolvenzreife zunachst dem Unteraehmenstrager selbst bzw. dem vertretungsbefugten (aber vom Untemehmenstrager weisungsabhangigen) Organ der Gesellschaft. Unzweifelhaft ist danach der Glaubigerschutz ein wesentliches Motiv des Uberschuldungstatbestands^"*^. Grund dafur ist die an die IJberschuldung ankniipfende Insolvenzantragspflicht, die als Ausgleich fur das Fehlen einer unbeschrankten Haftung bei Veraiogensinsuffizienz fungiert^"*^. Die Uberschuldung als Insolvenzgrund soil gleichzeitig verhindem, daB bei mangelnder Ertrags- und Lebensfahigkeit des Untemehmens nicht erst die faktische Zahlungsunfahigkeit abgewartet wird. Vielmehr soil die Konkursreife vorverlegt werden, um so die Glaubiger vor einer weiteren Aufzehrung des noch vorhandenen Unternehmenskapitals zu schutzen^'*^. Die reduzierte Haftungsmasse gebietet die Vorverlegung der Insolvenz, da die Befriedigung der Glaubiger alleine aus der beschrankten Haftungsmasse erfolgt^"*^. Der Grundgedanke des Glaubigerschutzes wird damit auf die gegenwartigen und zukiinftigen Geschaftspartner des Untemehmens in der Krise konkretisiert, indem der Tatbestand der Uberschuldung gewahrleisten soil, daB die Gesellschaft ihre werbende Tatigkeit einstellt, wenn der Haftungsfond der Gesellschaft so weit aufgebraucht ist, daB eine akute Gefahrdung der Glaubiger erkennbar ist^^^. Als Ziel der Uberschuldungsprufung wird daher auch die Gewahrleistung einer gleichmaBigen und weitgehend vollstandigen Befriedigung der Anspriiche der Glaubiger gesehen^^^ Die Uberschuldung gibt demzufolge Auskunft daruber, ob die Unternehmenskrise bestandsgefahrdend ist^^^. Der glaubigerschiitzende Gedanke folgt auch aus dem Erfordemis, wegen der Reduzierung der Haftung auf das Vermogen der juristischen Person jederzeit eine weitgehende Befriedigung aller Glaubiger zu gewahrleisten^^^

Vgl. bspw. bei Hachenburg-C//mer, aaO § 63 Rn 26, der die an die Uberschuldung ankniipfende Insolvenzantragspflicht sogar ausschlieBlich im Lichte des Glaubigerschutzes sieht. So auch Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64 Rn 10. Gnindlegend dazu K. Schmidt, Konkursgrtinde und prSventiver Glaubigerschutz, aaO, S. 334f, ahnlich auch Klar, aaO, S. lOf, der zudem die Offenlegung der Verm5genslage in der Krise fordert, um eine Verschleuderung von Verm5genswerten oder die Begrundung neuer Schuldverhaltnisse zu verhindem. Vgl. Vonnemann, aaO, Rn 32. So Vonnemann, aaO, Rn 34, der aber gleichwohl erkennt, daB die Gefahrdung der Gesellschafter auch in der UngewiBheit iiber die zukunftige Entwicklung der Gesellschaft zu sehen ist. Vgl. Fischer, aaO, S. 20f, der die Interessen von Altgiaubigem und Neuglaubigem unterscheidet. Die Altglaubiger sind an einer gleichmaBigen Befriedigung ihrer Forderungen interessiert, demgegenuber die Neuglaubiger ein Interesse daran haben, vor Schaden bewahrt zu werden, weil sie mit dem Schuldner kontrahieren. In diesem Sinne auch Klar, aaO, S. 14. Einen kurzen Uberblick uber die Motive des historischen Gesetzgebers bei Schaffung der §§ 193, 194 KO; 63, 64 GmbHG gibt Vonnemann, aaO, Rn 32 mwN.

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(3) Insolvenzvorsorge Dariiber hinaus soil der Insolvenzgrund der Uberschuldung aber gerade wegen der Moglichkeit einer vor der Zahlungsunfahigkeit liegenden Insolvenz die Untemehmensleitung zu einer permanenten Selbstpriifung anhalten^^"^. Dies ist deshalb notwendig, weil ausschliefilicher Noraiadressat der Prufungspflicht die Unteraehmensleitung ist. Sie steht im Schnittpunkt von Glaubigerinteresse und Unteraehmensbeteiligten und hat demgemafi die Entscheidungen in der Krise zu treffen^^^. Da6 fUr die Frage der Uberschuldung regelmaBig die Schuldnerperspektive maBgeblich ist und nicht die exteme Glaubigerseite, bedeutet auf keinen Fall, daB die Insolvenzentscheidung deshalb allein in ihren Handen liegt^^^. Als Ausgleich dafur steht die Selbstpriifung durch die Untemehmensleitung als „Insider" im Fadenkreuz haftungsrechtlicher und strafrechtlicher Sanktionen^^^. Die Abbildung der Vermogenssubstanz soil den Interessen von Glaubigem und Schuldnem dienen, die anhand der ermittelten Informationen uber Art und Umfang ihrer kiinftigen Vermogensdispositionen entscheiden^^^. Die aufgrund der Uberschuldungsbilanz ermittelte Vermogensubersicht soil verhindem, daB sich bestehende Befriedigungsaussichten der Glaubiger weiter verschlechtem^^^. DemgemaB besteht die Obliegenheit des Untemehmers darin, die Vermogenslage seines Unternehmen zu beobachten und eine Uberschuldungsbilanz zu erstellen, sobald das Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerat^^^. Die Uberschuldungsbilanz bildet damit zugleich den Ausgangspunkt weiterer Entscheidungen und Obliegenheiten des Schuldners in der Untemehmenskrise im Umfang der zur freien Disposition stehenden Vermogensgiiter. Die Uberschuldungsbilanz dient daher nicht der Erfolgsrechnung, sondem allein der Vermogensubersicht hinsichtlich des Schuldendeckungspotentials. Dementsprechend bedeutet Schuldendeckungskontrolle Insolvenzvorsorge durch transparente Information^^^ Da dieser Zweck im Gegensatz zur Jahresabschlussbilanz gerade nicht von der grundsatzlichen Untemehmenskontinuitat gepragt wird, sondem eine Bestandsauf-

Vgl. Scholz-A". Schmidt, 8. Auflage, § 63 Rn 10; vgl. zur Pflicht der Selbstbeobachtung auch BGH, ZIP 1994,891,892. In diesem Sinne auch K. Schmidt, Sinnwandel und Funktion,, aaO, S. 171. Vgl. Scholz-^. Schmidt, 8. Auflage, aaO, § 63, Rn 10. Vgl. K. Schmidt, Konkursgriinde und Glaubigerschutz, aaO, S. 338; ders., Sinnwandel und Funktion, aaO, S. 171. Vgl. dazu auch oben sub B I. 1. Vgl. Wolf, aaO, S. 49. Vgl. Wolf, aaO, S. 50. Vgl. BGH ZIP 1994, 891, 892; OLG Dusseldorf GmbHR 1999, 479, 480 mwN. Vgl. Baetge, aaO, S. 22.

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nahme darstellt, sollte die Uberschuldungsbilanz eigenstandigen Regeln unterliegen^^^, die allenfalls in gewissen Grenzen aus der Jahresbilanz erschlossen werden konnen.

(4) Information (a) Interessenlage der an der Unternehmenskrise Beteiligten Der Tatbestand der Uberschuldung schafft aber nicht nur Verantwortung gegeniiber den Glaubigem, sondera auch gegeniiber den Kapitaleignem, den Arbeitnehmern und anderen Beteiligten^^^. Als Interesse der Kapitaleigner wird allein das Vermeiden einer zu fruhen Einleitung des Insolvenzverfahrens genannt^^"*. Im ubrigen wird fur den Fall der beschrankten Haftungsmasse allerdings ein genereller Interessenkonflikt mit den Glaubigem gesehen, solange die Gefahr besteht, dafi die Anteilseigner aufgrund eines Informationsvorsprungs weiteres Haftungskapital entziehen^^^. Zur Vermeidung dieses Konflikts ist es notwendig, daB hier eine zeitgleiche Information durch Transparenz der Vermogenslage ermoglicht wird. Auch im Interesse der Arbeitnehmer wird diese Transparenz in der Krise gefordert. Sie sind iiber die AusmaBe von Krisensituationen zu unterrichten, um sowohl ein friihzeitiges Abwandem von qualifiziertem und gerade in der Krise notwendigem Personal als auch den unfreiwilligen Verlust fmanzieller Interessen des Arbeitnehmers zu verhindem^^^. Denkbar ist aber auch, daB die Arbeitnehmer bei rechtzeitiger Information iiber die AusmaBe der Krise einen wirksamen Beitrag zum Abbau der Krisensituation erbringen konnen^^^. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Interesse des Untemehmens selbst hinzuweisen, das im Falle der Unternehmenskrise die Abbildung der Vermogenslage erfordert, um gegenwartige oder kiinftige Vertragspartner iiber das tatsachliche AusmaB der Unternehmenskrise zu informieren. Damit gilt es zu vermeiden, daB diese ihr bereitgestelltes Kapital zuriickfordem oder abgeschreckt werden, weiteres Kapital zur Verfiigung zu stellen. Das diesbeziigliche Verhalten der Kapitalgeber hangt im wesentlichen vom AusmaB der Krise ab. In diesem Spannungsfeld der Kapitalgeber und dem UnterVgl. Scholz-^. Schmidt, 8. Auflage, aaO, § 63 Rn 14. Grundlegend K. Schmidt, Sinnwandel und Funktion,, aaO, S. 171; Klar, aaO, S. 12ff; Fischer, aaO, S. 20ff. Vgl. Klar, aaO, S. 13; ahnlich Fischer, aaO, S. 22f, der auf die Gefahr hinweist, daB eine allzu pessimistische Einschatzung der Glaubiger zu einer einseitigen Bewertung des Schuldendeckungspotentials fuhre. Vgl. dazu bei Fischer, aaO, S. 22f. Die Interessen der Anteilseigner sollen jedenfalls solange beachtlich sein, wenn sie ein im Prinzip gesundes Untemehmen bei nur kurzfristiger Uberschuldung weiterfuhren wollen. Vgl. dazu Fischer, aaO, S. 24. Vgl. zu SanierungsmaBnahmen im Personalbereich ohne Beendigung von Arbeitsverhaltnissen, Picoth/Aleth, aaO, S. 129. Kritisch wurde der Lohnverzicht allerdings zunachst von Wettbewerbshiitem der Europaischen Kommission, Tarifpartnem im Zusammenhang mit der Sanierung des angeschlagenen Holzmann Konzems Ende 1999 gesehen; vgl. FAZ, o. V., 28. Januar 2000, S. 13.

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nehmen, das haufig gerade in der Krise entsteht oder jedenfalls dann von den Beteiligten realisiert wird, mu6 die Unteraehmensfuhrung selbst entscheiden konnen, ob und in welchem Umfang die Krise Uberhaupt zu offenbaren ist^^^. Entscheidend dafur kann nur das eigentliche AusmaB der Krise sein. Denknotwendig geht einer Entscheidung hinsichtlich einer Offenbarung daher die Selbstpriifung der Insolvenzreife voraus. Aufgabe der Uberschuldungspriifung ist es mithin auch, den Zeitpunkt der Offenbarung der Krise zu bestimmen. (b) Art und Umfang der Information Nach dem Gesagten besteht zwar eine Verpflichtung zur Bilanzierung des Vermogens im Tatbestand der Uberschuldung, das Ergebnis selbst lost aber keine unmittelbare Rechtsfolge aus. Die Uberschuldungsbilanz hat als Selbstpriifung der Vermogenslage der Gesellschaft zu erfolgen. DemgemaB besteht weder ein direkter glaubigerschiitzender noch ein eigentiimerschutzender Bezug^^^. Die Adressaten der Uberschuldungsbilanz sind zunachst an deren betragsmaBigem Ergebnis interessiert. Der Charakter der Uberschuldungsbilanz kann, indem sie Information zum gegenwartigen Status der Vermogenslage legt, ahnlich der anglo-amerikanischen Bilanzierung^^^, als rein informatorisch qualifiziert werden. Hauptadressat der Uberschuldungsbilanz ist dabei die Untemehmung selbst bzw. das Vertretungsorgan, welches dariiber entscheidet, ob Insolvenzantrag gestellt werden mu6. Das Ergebnis der Uberschuldungsbilanz dient zwar den Interessen der Glaubiger, die im Fall der Krise bestmogliche und gleiche Befriedigung ihrer Forderungen erlangen sollen, wenn nur ein beschrankter Haftungsriickhalt zur Verfiigung steht^^^ Doch fmdet der materielle Glaubigerschutz durch die Bestimmungen der Kapitalerhaltung, der Insolvenzanfechtung und der Haftungstatbestande statt, die an die materielle Uberschuldung, nicht aber an einen uberschuldungsbilanziellen Fehlbetrag ankniipfen. Dem Informationsinteresse sowohl der Glaubiger, fUr die das Ergebnis der Uberschuldungsbilanz eine Entscheidungsgrundlage weiterer Vermogensdispositionen darstellen

Vgl. dazu Fischer, aaO, S. 26f, der es wegen der Gefahr des Ruckzugs der Kapitalgeber nicht im Interesse des Uberschuldungsgefahrdeten Unternehmens sieht, den Tatbestand der IJberschuldung zu offenbaren. Im Hinblick auf die als Obliegenheit ausgestaltete Selbstpriifung der Gesellschaftsorgane konnte man allenfalls von einem haftungausschlieBendem Verhalten sprechen. Die Bilanz zur Feststellung der tJberschuldung ist nicht Grundlage einer Gewinnverteilung; vgl. Klar, aaO, S. 176. Die internationale Rechnungslegung dient ausschlieBlich der Information, vgl. Achleitner/Behr, aaO, S. 14; Budde, aaO, S, 105, 107; Zeitler, aaO, S. 599, 601. Vgl. Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64 Rn 11.

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kann^^^, als auch dem der Arbeitnehmer, die im Fall der Krise sowohl um ihren Arbeitsplatz als auch um ihnen zugesagte Leistungen wie Gewinnbeteiligungen oder Pensionszusagen furchten mUssen^^^, tragt das Gesetz keine Rechnung. Denn eine Offenlegung schreibt das Gesetz nur fur die Handelsbilanz^^'* vor, nicht aber fur die Uberschuldungsbilanz.. An dieser Regelung ist auch festzuhalten. Ob und in welchem Umfang die Untemehmenskrise zu offenbaren ist, mu6 die Untemehmensleitung selbst entscheiden konnen. Denn in einem uberschuldungsgefahrdeten Untemehmen besteht die Gefahr, dass die Kapitalgeber ihr Kapital vorzeitig (und unnotig) abziehen bzw. nicht dazu bereit sind, weiteres Kapital zu investieren^^^ und die Insolvenz zu einer sich selbst erfUllenden Prophezeihung wird. Auch nach der Rechtsprechung soil die Uberschuldungsbilanz die Feststellung ermoglichen, ob die Verbindhchkeiten der Gesellschaft bedient werden konnen^^^. Die Vermogensubersicht dient danach allein dem Zweck, die wirklichen Werte zu ermitteln, die im Konkursfalle fur die Befriedigung der Glaubiger tatsachlich zur Verftigung stehen^^^. Ob es allerdings de facto uberhaupt zu einer sofortigen Befriedigung der Glaubiger kommt und auf welche Art und Weise die Befriedigung gegebenenfalls vorzunehmen ist, ist nicht die Frage, die die Oberschuldungsbilanz zu beantworten hat, sondem dazu dient allenfalls ein aufgrund einer tJberschuldung einzuleitendes Insolvenzverfahren.

c) Zwischenergebnis: Informatorischer Charakter der Uberschuldungsbilanz Als Ergebnis ist daher festzuhalten, da6 die Uberschuldungsbilanz den Ausgangspunkt von Entscheidungen darstellt, die zur Disposition der Beteiligten stehen. Die Abbildung der Vermogenssubstanz und deren Ergebnis entfalten keine AuBenwirkungen. Eine Rechtsfolge wird nur dann ausgelost, wenn die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags wegen tJberschuldung verletzt wird^^^. Der Zustand der Uberschuldung besteht grundsatzlich auch ohne seine ausdriickliche Feststellung^^^. Die glaubiger-

^^^ ^^^ "'^ ^^' ^^^ "^ ^^*

Vgl. Wolf, S. 49. So auch Klar, aaO, S. 14; Fischer, aaO, S. 23. Vgl.§§325ff.HGB. Vgl. Fischer, aaO, S. 26. Vgl. BGH NJW 1992, 2891, 2894; BGH NJW 1994,1477, 1479 = ZIP 1994, 701, 703. Vgl. BGH NJW 1992, 2891, 2894. Vorausgesetzt, daB bei zu einer vermogensmaBigen Uberschuldung noch die Fortbestehensprognose negativ ausfallt; vgl. ausfiihrlich hierzu sub B m. 2. ^^' Davon zu unterscheiden ist die Frage, wann die Dreiwochenfrist beginnt; vgl. bspw. bei Altmeppen, aaO, S. 1177.

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schUtzenden Haftungsnormen greifen demzufolge bereits bei einer abstrakten Gefahrdung des Vermogens der Gesellschafter^^^. Damit wird dem Glaubigerschutz, der insgesamt die Pflicht zur LFberschuldungspriifung, die Insolvenzantragspflicht sowie zivilrechtliche und strafrechtliche Sanktionen begrundet, ausreichend Rechnung getragen. Die (Jberschuldungsbilanz als ein Teilelement der Uberschuldungspriifung unterliegt daher nicht derselben Motivation. Vor dem Hintergrund der obligatorischen Selbstpriifung auf Insolvenzreife in der Untemehmenskrise dient die Uberschuldungsbilanz als ein Teil dieser Priifung ausschlieBlich der Information. Informiert werden soil zunachst iiber die Vermogenssubstanz des Untemehmens. Diese bildet den Ausgangspunkt der Prognose, indem sie einmal das Ertragspotential abbildet^^^ und zugleich den notwendigen Ertragsparameter in Form des Fehlbetrags vorgibt. Wird die Uberschuldungsbilanz von der Untemehmensleitung offen gelegt, liefert die darin enthaltene Abbildung des Ertragspotentials auch den an der Untemehmenskrise beteiligten Interessengruppen, regelmaBig den Vertragspartnem der Gesellschaft, die notwendigen Informationen dariiber, ob an den eingegangenen Vermogensdispositionen mit dem Schuldner festzuhalten ist. Zudem versetzt die Information auch die Gesellschafter in die Lage, MaBnahmen zu treffen, die den Fortbestand des Untemehmens zu sichem geeignet sind^^^. Da die Uberschuldungsbilanz damit den Ausgangspunkt fur weitere Entscheidungen darstellt, besteht die Notwendigkeit zu einer prazisen Abbildung der dazu notwendigen Information uber die Vermogenslage des Untemehmens in der Krise. Daher ist es notwendig, die Uberschuldungsbilanz nach MaBstaben zu erstellen, die hinreichend objektiviert sind.

5. Vermogensabbildung in der Uberschuldungspriifung analog einer vorhandenen Bilandconzeption Da im Hinblick auf den sonderbilanziellen Charakter der Uberschuldungsbilanz kein fester Regelkatalog besteht, gilt es, hierfiir objektivierte Gmndsatze zu entwickeln. Bevor im weiteren Verlauf der Untersuchung eine Bilanzkonzeption anhand der spezifischen Anfordemngen der Uberschuldungsbilanz entwickelt werden kann, ist es je-

Vgl. Hsichcnburg-Kohlmann, aaO, § 84 Rn 4. Zwar wird das Ertragspotential primar durch die Ertragsprognose als von der statischen Darstellung des Schuldendeckungspotentials zu trennendes dynamisches Element bestimmt. Doch stellen die in der Bilanz ausgewiesenen Vermogenswerte den Ausgangspunkt dieser Prognose dar. Denn dem Vertretungsorgan wird anhand der Uberschuldungsbilanz aufgezeigt, ob Vermogenswerte existieren, die renditewirksam investiert werden konnen, also einen Ertrag erwirtschaften. So auch Hachenburg-ATo/i/mann, aaO, § 84 Rn 4.

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doch notwendig zu Uberpriifen, ob die Uberschuldungsbilanz nicht analog einer vorhandenen Bilanzierungskonzeption moglich ist.

a) Sonderbilanzierung als bewufite RegelungslUcke Im Gegensatz zur Bilanzierung im kontinuierlichen UntemehmensprozeB entzieht sich die Vermogensabbildung im Verfahren der Uberschuldungsmessung einer normativen Konzeption im Hinblick auf die Grundsatze iiber den Ansatz und die Bewertung von Vermogen und Schuld^^^. In Ermangelung einer eigenen normativen Konzeption zur Ausgestaltung der in der Krise notwendigen Informationslegung liegt eine RegelungslUcke vor^^'*. Der Gesetzgeber schreibt zwar fur Sonderfalle eine Bilanzierung vor, er macht darUber hinaus aber keine materiellen Vorgaben bezuglich Ansatz und Bewertung. In Anbetracht der mannigfaltigen Einzelfalle, die fUr den Fall einer einzigen Sonderbilanzierung denkbar sind, ist es aber auch gar nicht moglich, hierfur mittels eines Rechtsrahmens Vorsorge zu treffen^^^. Vielmehr kann fur den Fall der Uberschuldungsbilanzierung eine bewuBte RegelungslUcke festgestellt werden. Diese LUcke ist im Wege der Analogic oder des RUckgangs auf ein im Gesetz angelegtes Prinzip, das heiBt mittels der Ubertragung einer bestehenden Regel, die fUr einen ahnlichen Tatbestand geschaffen ist, zu schlieBen^^^. Dabei kann eine Analogic im Wege der Einzelanalogie oder der Gesamtanalogie stattfmden. Letztere setzt verallgemeinerungsfahige Einzelregelungen voraus, die auf einer gemeinsamem ratio legis basieren^^^. Um danach die vorgeschlagenen Analogien auf ihre Tauglichkeit zu Uberprufen, mUssen der ungeregelte und der geregelte Tatbestande miteinander verglichen werden.

b) Analoge Anwendung des Systems der handelsrechtlichen Bilanzierung zur Erstellung ordentlicher JahresabschlUsse Vor dem Hintergrund einer eingliedrigen Uberschuldungsmessung sollte die Uberschuldungsbilanz sowohl hinsichtlich des Ansatzes als auch der Bewertung nach den Grundsatzen erstellt werden, die fUr den regelmaBigen JahresabschluB gelten. DafUr ^^^ Daran andert sich nach der hier vertretenen Auffassung auch dadurch nichts, daB § 19 Abs. 2 InsO die Bewertung der Vermogensgegenstande mit dem Ergebnis der Fortfuhrungsprognose verkniipft. ^^^ Vgl. zu den Voraussetzungen an eine RegelungslUcke Larenz, aaO, S. 360. ^^^ Vgl. zu mdglichen Anlasse einer Sonderbilanzierung Budde/F5rschle, aaO, A Rn Iff. ^^^ Vgl. Larenz, aaO, S. 365; Bydlinski, aaO, S. 473. ^" Vgl. methodisch Larenz, aaO, S. 365f, 370.

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sprach zunachst die praktische Uberlegung, da6 der JahresabschluB und damit eine nach den Grundsatzen ordnungsgemaBer Buchfuhrung transparente Darstellung iiber Vermogen und Schulden ohnehin vorliege^^^. Ein weiteres Argument wurde zudem in der Entstehungsgeschichte von § 92 AktG 1965 gesehen. Der Wortlaut des § 92 AktG von 1965 sollte gemaB dem urspriinglichen Entwurf ausdriicklich normieren, daB die Uberschuldung nicht nach den Vorschriften iiber die Jahresbilanz geschehen solle. Weil letztlich bei Ausgestaltung der endgUltigen Fassung aber davon Abstand genommen worden war, konnte der Eindruck entstehen, durch diesen Verzicht sei die Anwendung der Vorschriften zum JahresabschluB auch flir die Feststellung der Uberschuldung gewollt^^^. Die Entstehungsgeschichte des § 92 AktG 1965 laBt aber keinen eindeutigen SchluB auf die obige Auslegung zu^^°. Sehr bald hat sich dagegen die Uberzeugung durchgesetzt, daB die Vorschriften der ordentlichen Jahresbilanzen zur Feststellung der Uberschuldung nicht geeignet sind^^^ Ein Vergleich der Zielvorstellungen zeigt, daB die handelsrechtliche Bilanzkonzeption anderen Interessen gerecht werden muB als die Uberschuldungsbilanz. Die elementaren Grundprinzipien der Rechnungslegung sind Glaubigerschutz und Information^^^. Glaubigerschutz bedeutet danach, daB bei Ausgestaltung der Rechnungslegung und Bilanzierung die Interessen der Fremdkapitalgeber und die Interessen der Gesellschaft in Einklang zu bringen sind. Solange das Untemehmen auf Dauer angelegt ist und keine auBergewohnlichen Umstande eintreten, sind diese Interessen nur auf den ersten Blick kontrar. Solange namlich das Untemehmen Gewinne ausschiittet, ist die Verzinsung des Fremdkapitals und zugleich die existenzielle Grundlage der Gesellschaft bzw. ihrer Gesellschafter gesichert. Anders verhalt es sich in der Krise. Hier verschieben sich die Interessen von Fremdkapital und Eigentumer. Der Gesetzgeber hat bereits mit den Regeln der Kapitalerhaltung eine Wertung zugunsten der Fremdkapitalgeber vorgegeben.

Vgl. Klar, S. 18. So i. U. auch die Intention des Gesetzgebers in § 240 Abs. 1, S. 1 HGB, wonach die Buchfuhrung die Lage des Vermogens ersichtlich machen soil; vgl. hierzu auch Simon, aaO, S. 465. Vgl. Denkschrift HGB, aaO, S. 151. Denn weder die genetischen noch teleologischen Uberlegungen konnten diese Auffassung tragen; vgl. Klar, aaO, S. 20. Vgl. bspw. Uhlenbruck, Die GmbH & Co KG, aaO, S. 282 mwN. Vgl. Baetge, aaO, S. 94 ff., der den Glaubigerschutz inhaltlich der Begrifflichkeit der Kapitalerhaltung zuordnet; zum Glaubigerschutz Beisse, Glaubigerschutz, aaO, S. 79, der den Glaubigerschutz sogar als das einzige und oberste Prinzip des deutschen Handelsbilanzrechts anerkennt; eingeschrankt auf den Glaubigerschutz Budde/Steuber, aaO, S. 544.

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Aus diesen Pramissen wird ein Zwecksystem^^^ abgeleitet, das seine Grundlage in den gesetzlichen Vorgaben findet. Darauf basiert das Verstandnis der (handelsrechtlichen) Bilanz im Rechtssinne^^"^. Die genannten Grundprinzipien bestimmen die Ausgestaltung des Systems der Rechnungslegung^^^. Funktional dient die Uberschuldungsbilanz hingegen primar der Information. Auch in materieller Hinsicht mag die Erstellung der Uberschuldungsbilanz nach handelsrechtlichen Vorschriften nicht in vollem Umfang uberzeugen. Seit den Erkenntnissen der dynamischen Bilanztheorie wandelt sich der Inhalt der Handelsbilanz von einer dem reinen Zeitwertprinzip gehorchenden Vermogensabbildung hin zu einer periodengerechten Erfolgsermittlung. Die Sonderbilanzierung unterliegt im Gegensatz zur handelsrechtlichen Regelbilanzierung gerade keiner periodischen Unterteilung^^^. DemgemaB steht unter dem Gesichtspunkt, dafi eine Sonderbilanzierung die Unternehmenslage in einer bestimmten Situation wiedergeben mu6, weniger der dynamische als der statische Bilanzansatz im Vordergrund. Damit losen sich Gemeinsamkeiten von der Uberschuldungsbilanz als Vermogensabbildung und der Jahresbilanz auf^^^. Die Zweckrichtung der AbschluBbilanz unterscheidet sich von der Uberschuldungsbilanz. Stellt der JahresabschluB eine Ertragsrechnung dar, soil die Rechnungslegung in Sonderfallen regelmaBig das Vermogen abbilden^^^. Selbst wer die JahresabschluBbilanz funktional als Ubersicht des Schuldendeckungspotentials begreift, kommt nicht umhin anzuerkennen, daB die AbschluBbilanz daneben weitere nicht insolvenzspezifische Zwecke wie die Information und Ausschuttungsbemessung verfolgt^^. Daher laBt die Handelsbilanz keine Ruckschlusse mehr auf den gegenwartigen

Vgl. hierzu, Baetge, aaO, S. 102. Das Zwecksystem basiert auf den Elementen der Dokumentation, Rechenschaft, Kapitalerhaltung. Ahnlich in der Terminologie auch W6he, Handelsbilanz, aaO, S. Iff. Nach Beisse besteht eine innere Rangordnung aus Leitprinzipien, Unterprinzipien und den daraus abzuleitenden Einzelnormen. Zu den Leitprinzipien gehoren nach seiner Auffassung die Prinzipien des Glaubigerschutzes, der Vorsicht und der Objektivierung, vgl. Beisse, Bilanzrechtssystem, aaO, S.14. Ob es sich bei dem Prinzip der Vorsicht urn ein Grundprinzip oder ein Unterprinzip kann hier dahin stehen. Beisse, ebd., m6chte jedenfalls die Auspragungen der Vorsicht, das Realisationsprinzip und das Imparitatsprinzip, als Unterprinzipien sehen. Vgl. Baetge/Thiele aaO, S. 12, Vgl. Leffson, aaO, S. 28 und oben C H. 1. b). Zwar kann sich auch die Sonderbilanzierung iiber einen langeren Zeitraum erstrecken, der die Unterteilung und Rechnungslegung in einzelne Teilabschnitte gebietet. Einem Zwang zur Periodisierung, wie etwa handelsrechtlich zur Ausschuttungsbemessung oder zur Besteuerung erforderlich, unterliegen die auBerordentlichen Sachverhalte, die den Sonderbilanzen zugrunde liegen, regelmaBig nicht; vgl. auch nachfolgend sub

cm. l.c)(4). Vgl.Gurke,aaO,S.31. Vgl. Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64 Rn 11. Vgl. Klar, aaO, S. 20ff, der die AbschluBbilanz vor dem Hintergrund der gewollten Abbildung des Schuldendeckungspotentials im JahresabschluB durchaus fur tauglich halt, letztlich aber die einzelnen Auspragungen der Bilanzierungsvorschriften aufgrund der mehrdimensionalen Zwecksetzung fur unpassend erachtet.

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Verschuldungsumfang zu'*^. Nicht zuletzt mu6 die handelsbilanzrechtliche Rechnungslegung auch im Gesamtzusammenhang mit anderen Rechtsgebieten wie dem Steuerrecht, dem Gesellschaftsrecht, dem Arbeitsrecht und dem Wettbewerbsrecht sowie dariiber hinaus mit dem Geschehen und den wirtschaftlichen Entwicklungen und Tendenzen an den Markten gesehen werden. Dies hat zur Folge, daB eine isolierte Betrachtung der Rechnungslegung zu Fehlschliissen fiihren kann'^^^ Die unternehmerische Krise ist, auch wenn sie durch einen schwachen Markt verursacht wird, ein unternehmensindividuelles Ereignis, das die Ubersicht iiber die „wahren" Werte des Unternehmensvermogens verlangt"*^^. Die Aktivenbewertung ist in dieser Situation eine andere als die der Jahresbilanz. Die Jahresbilanz kann daher bestenfalls nur ein Krisenindikator sein'^^^ Infolgedessen werden im einzelnen einige der wesentlichen Prinzipien und Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung auf die Uberschuldungsbilanz fur unanwendbar gehalten. Beispielhaft werden das Anschaffungswertprinzip, das Prinzip der Einzelbewertung, das Imparitatsprinzip und das Realisationsprinzip genannt"*^"*. Das Anschaffungswertprinzip, das die Bewertung eines Vermogensgegenstandes in der Hohe auf den historischen Anschaffungswert beschrankt, versagt spatestens bei der Bewertung von Immobilien vor dem Hintergrund einer moglichen Versilberung. Das Imparitatsprinzip, nach dem noch nicht realisierte Verluste zwar anzusetzen sind, aber noch nicht realisierte Gewinne unberiicksichtigt bleiben, erscheint auf den ersten Blick ebenfalls nicht geeignet, die wahre Vermogenssituation abzubilden. Denn in Ermangelung weiterer Perioden wird kein angemessener Uberblick iiber die Gesamtsituation verschafft, wenn schwebende Geschafte, ganz unabhangig davon, ob sie gewinntrachtig Oder verlusttrachtig scheinen, nicht angemessen betrachtet werden"*^^. Dies wiederum ist aber unbedingte Forderung, wenn iiber die Fortfiihrung des Untemehmens entschieden wird. Zusatzliche Beschrankungen erfahrt der Einblick in die Vermogenslage aus Sicht des JahresabschluBadressaten auch dort, wo Bilanzierungswahlrechte und Bewertungswahlrechte zugestanden sind"^^^. Damit einher geht die der Handelsbilanz innewohnende Problematik der stillen Reserven. Will man, was zur Feststellung der Uberschuldung unbedingt notwendig ist, die wirkliche Vermogenslage darlegen, miis-

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Vgl. Gurke, aaO, S. 35f, der zutreffend auf die Moglichkeit einer Bilanzanalyse hinweist, die allerdings auch nur die untemehmerischen Entwicklungen der Vergangenheit auf der Grundlage des durch die Bilanz vorgegebenen Zahlenmaterials aufzeigen kann. Vgl. Ballwieser, aaO, S. 27. Vgl. Wolf, aaO, S. 46. So auch K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht, aaO, S. 51. Vgl. Wolf, aaO, S. 46 in Fn 1 mwN; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 282. Zur Frage, in welchem Umfang Schulden angemessen beriicksichtigt werden, vgl. nachfolgend Teil D. Insbesondere bei Pensionsriickstellungen. Vgl. dazu auch Klar, aaO, S. 25.

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sen die stillen Reserven wertmaBig aufgedeckt werden , was regelmaBig nicht aus der Handelsbilanz heraus moglich ist'^^^. Der JahresabschluB erlaubt dem Leser nur Vermutungen dariiber, in welchen VermogensgUtem moglicherweise stille Reserven verborgen liegen"^^. In diesem Zusammenhang wird feraer darauf hingewiesen, daB durch die gesetzlich vorgeschriebene Aktivierungsfahigkeit nur konkrete Sachverhalte anzusetzen sind. Dies fUhrt dazu, daB die immateriellen Vermogenswerte eines Untemehmens wegen § 248 Abs. 2 HGB in der Handelsbilanz weitestgehend auBer Ansatz bleiben. Beispielsweise konnten in der Entwicklung weit fortgeschrittene Forschungsobjekte nicht aktiviert werden, solange nicht materielle Schutzrechte bestehen. Dies konnte zu Unbilligkeiten fuhren, wenn die Entwicklungen sehr kostenintensiv ablaufen, ohne daB erfolgsrelevante Ergebnisse erzielt werden"*^®. So wird das handelsbilanzielle Aktvierungsverbot des § 248 Abs. 2 HGB fur selbst geschaffene immaterielle Vermogensgiiter im wesentlichen damit begrundet, daB fur derartige Sachverhalte eine Bestatigung durch Markttransparenz fehlt, und daher die Bewertung subjektiven Wertvorstellungen unterliegt'*^^ Die Uberschuldungspriifung muB aber teleologisch jeden Euro, der zur Schuldendeckung zur Verfiigung steht, realisieren. Daher ist fur derartige Werte wenigstens von einem gedachten Erwerber auszugehen"*^^. Dabei bleibt nicht auBer Betracht, daB es auch immaterielle Vermogensgegenstande gibt, fUr die kein Markt besteht. Diese sind dann in der Tat wertlos"^^^.

c) Analoge Anwendung der Konzeption der insolvenzrechtlichen Bilanzierung Da der Gesetzgeber keine ausdrucklichen Bestimmungen iiber die Ermittlung der Uberschuldungsbilanz macht, liegt der Gedanke nahe, auf die Regelungen iiber die Insolvenzeroffnungsbilanz bzw. iiber die Bilanzierung in der Insolvenz zuruckzugreiVgl. Wolf, aaO, S. 46f, ebenso die Rechtsprechung, vgl. OLG Stuttgart, NJW 1971, 1144; BGH NJW 1992, 2891, 2894. Vgl. Fischer, aaO, S. 45. A.A. Vonnemann, aaO, Rn 90ff, der das Vorliegen „gesicherter", stiller Reserven bestreitet, obwohl er deren Realisierung durch Verkauf zulaBt, vgl. ebd. Rn 98. Bspw., wenn das Untemehmen seit vielen Jahren Grundstucke im Vermogensbestand aufweist. Branchen, die dieses Phanomen verdeutlichen, sind sowohl die Softwareentwicklung als auch die Biotechnologie. Dort wird der Untemehmenswert im wesentlichen erst durch patentierte oder zugelassene Produkte bestimmt, was eine fertige Entwicklung voraussetzt. Eine Bilanzierung vor diesem Zeitpunkt ist auch bei immensen Entwicklungskosten in der Regel nicht zulassig, soweit sich nicht bereits das Produkt im Entwicklungsstadium vermarkten laBt. Vgl. Winnefeld, aaO, D Rn 452. Vgl. Wolf, aaO, S. 48. Aber nicht ohne die vorherige (erfolglose) Feststellung eines Marktwertes, vgl. Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 288f.

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fen. Gegenstand dieser Regelungen sind auf der einen Seite das Masseverzeichnis, das der Insolvenzverwalter gem. §§ 148 Abs. 1, 38ff InsO nach der Eroffnung des Verfahrens iiber die in Besitz genommene Masse aufzustellen hat, und die auf dem Masseverzeichnis basierende Vermogensiibersicht, § 153 InsO, sowie die Insolvenzeroffnungsbilanz. Diese Eroffnungsbilanz ist gem. § 155 InsO als Bestandteil der allgemeinen Buchfuhrung und Rechnungslegung in der Insolvenz erforderlich'^^'^. In den §§ 66, 15Iff InsO hat der Gesetzgeber zwar Bestimmungen hinsichtlich des Masseverzeichnisses normiert, die sogar Vorgaben hinsichtlich der Bewertung enthalten. Gelten soil etwa das Prinzip der Einzelbewertung bezogen auf den Stichtag der Insolvenzeroffnung, § 151 InsO. Gleichwohl hangt die Bewertung aber auch davon ab, ob das von der Insolvenzeroffnung betroffene Untemehmen fortgefiihrt oder liquidiert wird. Steht die strategische Entscheidung hieriiber noch aus, soil die Insolvenzbilanz gem. § 151 Abs. 2, S. 2 InsO beide Bewertungen ausweisen. Damit hangt die Bewertung letztendlich davon ab, welchen Weg das Insolvenzverfahren einschlagt. Notwendigerweise ist in diesem Stadium beantwortet, ob uberhaupt das Insolvenzverfahren zu eroffnen ist, was bereits die Klarung iiber das Vorliegen eines Insolvenzgrundes, wie bspw. der Uberschuldung, voraussetzt. Dabei ist zu beachten, daB die dazu notwendige Uberschuldungsbilanz nicht die Insolvenzeroffnungsbilanz vorweg nehmen darf^'^, und dementsprechend materiell nicht iiber die Eroffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet, sondem nur einen Bestandteil im Verfahren der Insolvenzreifepriifung darstellt'*^^. Andemfalls wurde bereits iiber die Konsequenzen einer nur moglichen Uberschuldung entschieden"*^^, die erst bei ihrem Vorliegen eintreten, namlich die sanierende Fortfiihrung oder die Liquidation. Daher verbietet sich methodisch eine analoge Anwendung, die Uberschuldungsbilanz entsprechend den Vorschriften iiber die Eroffnungsbilanz aufzustellen. Diese Vorschriften gehen bereits von einer Entscheidung iiber die Insolvenz aus, mithin von einem anderen Sachverhalt. Zudem soil die Uberschuldungsbilanz Bewertungsunsicherheiten vermeiden, um als Grundlage der Prognose eine Entscheidung gerade iiber den Eroffnungsgrund zu ermoglichen. Mit der Moglichkeit des doppelten Ausweises wird dem Erfordernis nach Klarheit nicht ge414

Nach Budde/Forschle, aaO, P Rn lOff handelt es sich dabei um zwei verschiedene Rechnungslegungskreise: den der internen Rechnungslegung (Masseverzeichnis, Glaubigerverzeichnis, Vermogensiibersicht, Zwischenrechnung, Berichterstattung, SchluBrechnung und Priifung) und den der extemen Rechnungslegung (nach Handelsrecht und Steuerrecht). So auch Fischer, aaO, S. 47; a.A. v. Gerkan/Hommelhoff, Kapitalersatz im Gesellschafts- und Insolvenzrecht, aaO, S. 169. Vgl. Scholz-A". Schmidt, 8. Auflage, aaO, § 63 Rn 13; Balmes, aaO, S. 98; Fischer, aaO, S. 47. Einschrankend Wolf, aaO, S. 50, der darin keine Entscheidung iiber die Konsequenzen sieht. Dem ist insoweit zuzustimmen, als die Fortfiihrung des Unternehmens ohnehin der Regelfall ist, wenn kein Insolvenzgrund festgestellt wird.

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dient. Diese Bedenken greifen auch gegen die Moglichkeit, die Uberschuldungsbilanz ahnlich dem Vermogensverzeichnis aufzustellen, da dieses gegebenenfalls auch die altemativen Wertansatze zu Ubernehmen hat"*^^. Im Hinblick auf das Masseverzeichnis kommt hinzu, daB ein Masseverzeichnis keine Auskunft iiber die Schulden gibt. Auf den Tag des Eroffnungsbeschlusses ist die Eroffnungsbilanz aufzustellen. Diese ist mit der SchluBbilanz des Untemehmens identisch, die gem. § 155 Abs. 3, S. 2 InsO i.V.m. §§ 242, 246ff HGB zu erstellen ist"*^^. Ein Abweichen vom Grundsatz des Bilanzzusammenhangs zwischen SchluBbilanz und Eroffnungsbilanz hat eine Nichtberucksichtigung von Erfolgsbestandteilen zur Folge. Zwar wechselt durch die Insolvenzeroffnung der Verantwortungszeitraum der Bilanzierungszeitraume. Zustandig ist jetzt zudem nicht meht die (ehemalige) Geschaftsfuhrung, sondern der Insolvenzverwalter. Das allein soil aber keine Veranderungen der Rechnungslegung rechtfertigen"*^^. Fur die Eroffnungsbilanz gelten daher im Grundsatz die Ansatzvorschriften der Handelsbilanz, deren Anwendbarkeit auf die Uberschuldungsbilanz bereits vorstehend 1 421

vememt wurde d) Vberschuldungsbilanzierung analog der Liquidationsbilanzierung Die Liquidation bzw. die Abwicklung tritt regelmaBig nach der Auflosung des Unternehmens ein'^^^. Obwohl die Zweckrichtung der Liquidation von derjenigen der Uberschuldungsbilanz abweicht, gleichen die Bewertungsprobleme von Liquidationsbilanzen in einem bestinmiten Grade denen der Uberschuldungsbilanz"^^^. Insbesondere werden die Beteiligten in der Phase der Liquidation nicht auf den faktischen Wertzuwachs aus den stillen Reserven verzichten"^^"*. Daher sind zum Zwecke der Liquidation ebenso wie flir die Uberschuldungspriifung Vermogen und Schulden so realistisch als moglich abzubilden, wenn auch unter anderer Motivation: hier um eine Ubersicht uber Vgl. § 153 Abs. 1. S. 2 i.V.m. § 151 InsO. Nach den Grundsatzen des Bilanzzusammenhangs sind SchluBbilanz und Insolvenzbilanz inhaltlich identisch, vgl. Budde/Forschle, aaO, P Rn 75. Aus dem spezifischen Rechnungslegungsinteresse k5nnen zwar am Marktwert orientieite Neubewertungen von Vermogen notwendig erscheinen. Diese sind aber der intemen Rechnungslegung der Vermogensubersicht vorbehalten; vgl. dazu Budde/Forschle, aaO, S Rn 75. A.A. Hommelhoff, aaO, S. 257, der den Unterschied zwischen Eroffnungsbilanz und Uberschuldungsbilanz darin erkennt, daB die Eroffnungsbilanz durch den Verwalter aufgestellt wird, der seinerseits seine subjektiven Vorstellungen von der Art der Verwaltung, Liquidation, Sanierung oder Ubertragung in die Bilanzierung einflieBen lassen konne. Vgl. soeben sub C I. 3. b). Vgl. Budde/Forschle, aaO, Q Rn Iff, R Rn 1 ff, sub B I. 1. c). Vgl. zur Versohnung von Liquidationsrecht und Insolvenzrecht bei K.Schmidt, Insolvenzrecht und Unternehmensrecht, aaO, Rn 14ff. Vgl. dazu Fischer, aaO, S. 49f.

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die Vermogensanspriiche der Gesellschafter nach Berichtigung der Schulden zu erhalten'*^^, dort um die Lebensfahigkeit der Gesellschaft zu iiberprufen. Der Anwendung von Grundsatzen der Liquidationsbilanzierung auf die Uberschuldungsbilanz wird entgegengehalten, daB bei konsequenter Anwendung des Liquidationsgedankens auch die Auflosung des Untemehmens zu folgem sei. Diese Folgerung entspricht aber nicht mehr den Pramissen des Insolvenzrechts"*^^. Das Insolvenzverfahren fiihrt gerade nicht mehr zwangslaufig zur Auflosung des Untemehmens. Vielmehr hat das Insolvenzverfahren die Aufgabe, „die in dem insolventen Untemehmen gebundenen Ressourcen der wirtschaftlich produktivsten Verwertung zuzufuhren""*^^. Die Art der Verwertung miisse daher einzelfallabhangig und typenneutral erfolgen"*^^. Solange die Dynamik des Untemehmens in der Uberschuldung noch nicht durch das Element der Prognose verselbstandigt war, konnte der Liquidationsansatz auch auf keinen Fall dem Wunsch nach Befriedigung aller Gl^ubiger aus dem vorhandenen Vermogen gerecht werden, weil so die Sicherstellung der Befriedigung aus dem kiinftigen Vermogen vollstandig auBer Betracht geblieben ist"^^^. Mit der Trennung von Vermogensubersicht und zukiinftiger Entwicklung scheint daher die Liquidationsbilanziemng moglich'*^^. Insgesamt erweist sich aber die bestehende Konzeption der Liquidationsbilanz nicht als zur Bilanziemng im Verfahren der Uberschuldungsermittlung geeignet. Ungeeignet ist die Liquidationsbewertung bei Bewertung der Passiven. Obwohl wegen der angestrebten Vollbeendigung der Gesellschaft in der Liquidation ein Vorrang der Befriedigung der Individualglaubiger besteht'*^\ der der bei Uberschuldungsfeststellung unterstellten Pramisse des Worst-case-Szenarios ahnelt"*^^, verbietet sich die Ubertragung der Grundsatze zur Liquidationsbilanziemng auf die Uberschuldungsbilanz wegen den

Vgl. Budde/Forschle, aaO, Q Rn 157, 165. Vor Inkrafttreten des BiRiLiG war die Liquidationseroffnungsbilanz ausschlieBlich als Vermogensbilanz gesehen worden, deren Bilanzwerte nicht an die bisherigen Wertansatze gebunden waren, sondern sich ausschlieBlich an den Versilberungswerten orientierten sollten. Das BiRiLiG normiert aber den Oedanken der Kontinuitat der Rechnungslegung des Untemehmens. Die Liquidationseroffnungsbilanz als reine Vermogensbilanz ist daher im Interesse der Glaubiger anzufertigen mit der Folge der entsprechenden Anwendung der allgemeinen Vorschriften. Vgl. zur Notwendigkeit einer Handelsbilanz auf das Rumpfgeschaftsjahr auch K. Schmidt, Liquidationsbilanzen, aaO, S. 39ff, 41. Vgl. Klar, aaO, S. 29f. Vgl. BMJ-Referentenentwurfs, aaO, Teil (A), S. 19f. So die allgemeine Begrundung des Referentenentwurfs Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, BMJReferentenentwurf, aaO, Teil (A), S. 19f. Vgl. Klar, aaO, S. 30. Die hier vertretene Auffassung folgt dem auch hinsichtlich der Bewertung des Vermogens. Der Vorrang der Befriedigung der Individualglaubiger ohne Riicksicht auf den Rechtsgrund der Forderung Oder die Person des Glaubigers folgt nach Budde/Forschle, aaO, R Rn 71, aus den §§272 AktG, 73 GmbHG. Zum Worst-case-Szenario vgl. oben sub B III 1. c).

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der Liquidation eigenen Glaubigerschutzvorschriften zur Kapitalerhaltung"^^^. Eine Auszahlung an die Gesellschafter kommt nur noch nach der vollstandigen Auskehrung aller vorhandenen Mittel an die Glaubiger in Betracht. Damit ahnelt die Situation zwar der untemehmerischen Krise nur insoweit, als zunachst das Gebot des Glaubigerschutzes, in der Krise in Form der Vorschriften der Kapitalerhaltung, eingreift. Zudem ist die Liquidationsbilanz grundsatzlich eine zu statische Bestandsaufnahme der Vermogenslage, die die FortfUhrung vollstandig ausschlieBt'*^'^. Im Ergebnis werden dabei aber bestehende Risiken, die sich bis zur Liquidation nicht mehr realisiert haben, nicht mehr bedacht. Letztlich fehlt es hierbei an einer Beriicksichtigung des Umstandes, daB eine Veranderung in der Bewertung von Vermogen und Schulden eintreten kann, je nachdem, ob das Untemehmen fortgefuhrt oder liquidiert wird. Durch die naturgemaB ergebnisorientierte Bewertung der Liquidationsbilanzierung bleibt dieser Gesichtspunkt vollstandig auBer Acht. Gerade der Bereich der Riickstellungen, also der Bereich moglicher vermogensrelevanter Belastungen, kann in der Liquidationsbilanz nicht ausreichend abgebildet werden. So kann es aber gerade dieser Bereich sein, der uber die FortfUhrung des Unternehmens entscheidet. Die FortfUhrung des Untemehmens kann wirtschaftlich untragbar sein, wenn sich daraus sehr hohe Belastungen ergeben, die das aktive Vermogen nicht mehr erwirtschaften wird. Umgekehrt kann trotz hoher Verschuldung bzw. eines hohen Fehlbetrags die wirtschaftliche Aussicht vielversprechend und eine Einstellung des Unternehmens gerade deshalb nicht vertretbar sein. Diese Einzelheiten bleiben unberucksichtigt, falls die Motivation der Bilanzierung von vomherein fixiert ist"*^^. Das flexible Element, das in der UberschuldungsprUfung durch das Element der Prognose separiert ist, bleibt bei der Bilanzierung vor der Liquidation in der Bewertung implementiert. So soil die Liquidationsbilanz bspw. die Kosten fur die avisierte Liquidation einschatzen"^^^. Der rein informatorische Charakter der Uberschuldungsbilanz muB dagegen uber die Belastungen aufklaren und darf nicht etwa Ruckstellungen fur Insolvenzkosten o.a. vorsehen"^^^.

'*^^ Zu nennen sind insbesondere die Ruckzahlungsperre der §§ 272 AktG, 73 GmbHG und das Sperrjahr gem. §§ 267 AktG, 65 Abs. 2 GmbG. Nicht damit zu verwechseln sind die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsatze der Kapitalerhaltung. ^^^ Daher entspricht diese Situation dogmatisch derselben, die bei Annahme einer Fortfuhrungsstatik zugrundeliegt. *^^ Vgl. K. Schmidt, Insolvenzrecht und Unternehmensrecht, aaO, Rn 15, der ausdriicklich betont, da6 es sich beim Insolvenzveifahren urn ein Verfahren mit offenem Ausgang handelt. '*^^ So teilweise jedenfalls die Forderung fur die Liquidationsbilanz; vgl. Budde/Forschle, aaO, R Rn 125 mwN. *^'' Vgl. hierzu ausfiihrlich sub D I.

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e) Jungere Tendenzen Gegenwartig tauchen wieder vermehrt Stimmen auf, die mit guten Argumenten dafUr sprechen, jedenfalls die Bewertung in der Uberschuldungsbilanz nach Handelsbilanzrecht vorzunehmen. So wird nicht zuletzt damit argumentiert, da6 die Werte der Handelsbilanz kodifiziert, objektiviert und weitgehend durch Markttransaktionen nachgewiesen sind'^^^ So werden die in der Handelsbilanz aktivierten Vermogensgegenstande letztendlich fUr modifizierte Liquidationswerte gehalten'*^^. Nach einer anderen Auffassung sind die handelsrechtlichen Bewertungsmodi fiir die Uberschuldungspriifung nur dort nicht mehr sachgerecht, wo Unstimmigkeiten mit dem Prinzip des Glaubigerschutzes auftreten, im Ubrigen aber anwendbar. Keine Unstimmigkeiten sollen bestehen, wenn die Insolvenz in die Liquidation fiihrt. Dann ist vielmehr gerade eine friihzeitige Insolvenzeroffnung wunschenswert, die sicherstellt, da6 den Glaubigern noch ausreichend Vermogen zur Befriedigung zur Verfugung steht'^'^^. Wird dagegen bei Uberwiegend wahrscheinlicher Lebensfahigkeit die Fortfuhrung der Gesellschaft angestrebt, sollte die Bewertung auch zu Fortfuhrungsansatzen moglich sein. Daher kann das Bewertungskonzept der Oberschuldungsbilanz nicht ausschheBlich dem der Handelsbilanz folgen, sondem wird dort, wo es nicht sachgerecht erscheint, modifiziert; die Handelsbilanz stellt damit lediglich die Ausgangsbasis fur die Uberschuldungspriifung dar'^'*\ Dies scheint aus elementaren Erwagungen des Bilanzrechts zunachst zutreffend zu sein. Soil doch die AbschluBbilanz stichtagsbezogen Auskunft iiber die Vermogenslage des Unternehmens geben. Letztendlich uberwiegen aber die Bedenken gegen die LFbernahme der handelsrechtlichen Bewertung. Das gesamte System der ordnungsgemaBen Buchfuhrung und Bilanzierung unterliegt einer anderen Motivation als die Vgl. Wolf, aaO, S. 47; Lutkemeyer, aaO, S. 117; Haack, aaO, S. 86. Aber selbst wenn diese Werte im Sinne des Anschaffungswertprinzips begrenzt wiirden, werden dadurch dennoch Einzahlungserwartungen angezeigt; vgl. Wolf. aaO, S. 47. Vgl. Wolf, aaO, S. 47. Die Erfahrungen des Verfassers bei Gutachten zur Uberschuldung in der Praxis, bestatigen, daB diese Verfahrensweise auch pragmatisch ist. Denn wenn die Frage nach der Uberschuldung gestellt wird, dann liegen regelmaBig der JahresabschluB und die bwA des betroffenen Unternehmens vor. Daraus konnen weder konkrete Liquidationswerte noch Fortfuhrungswerte ermittelt werden. Dies gilt umso mehr, wenn die aktiven Vermogenswerte besonderen Wertschwankungen unterliegen wie bspw. Immobilienvermogen, Beteihgungen Oder immaterielles Vermogen. In diesen Fallen mu6 die Handelsbilanz sogar einen ersten Schatzwert indizieren. Andernfalls miiBten ggf. zunachst langwierige und komplexe Sachverstandigengutachten angefordert werden. Dariiber hinaus ist damit nach Ansicht des Verfassers vor dem Hintergrund der zivil- und strafrechtlichen Haftungsfolgen bei nicht rechtzeitiger Beantragung der Insolvenz wegen Uberschuldung ein nicht zu vertretender Zeitverlust verbunden.

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Uberschuldungsbilanzierung, well letztere gerade nicht im gewohnlichen Geschaftsverlauf erstellt wird und gerade nicht den gewohnlichen Geschaftsverlauf abbildet. Daher sind die Interessen, die das System der Bilanzierung und infolgedessen das Vermogensbild pragen, grundverschieden'*'*^.

f)

Rechtsprechung

Nach Auffassung der Rechtsprechung ist die Uberschuldung formell aus einer Darstellung der Vermogenslage abzuleiten, die das Vermogen auf der Aktivseite den Schulden auf der Passivseite gegeniiberstellt'*'*^. Ausdriicklich weist der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1987 darauf hin, da6 sich die rechnerische Uberschuldung seit dem Inkrafttreten des 2. WiKG nicht mehr notwendig aus einer Jahresbilanz oder Zwischenbilanz ergeben miisse"^. Nach Auffassung der hochstrichterlichen Rechtsprechung hat der Uberschuldungsstatus die wirklichen Vermogenswerte wiederzugeben, die im Konkursfalle tatsachlich zur Befiriedigung von Glaubigem zur Verfiigung stehen"^^. Mithin ist der Zweck der Uberschuldungsmessung die Feststellung eines zur Glaubigerbefriedigung ausreichenden Untemehmensvermogens. Dabei ist von einer Vermogensbewertung zu Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen Reserven auszugehen"^"^^. Dem Vermogen sind in der Uberschuldungsbilanz diejenigen Verbindlichkeiten auf der Passivseite gegeniiberzustellen, die Insolvenzforderungen begriinden konnen"^^. Der Umfang dieser Verbindlichkeiten wird in der Entscheidung nicht naher bestimmt. Die Rechtsprechung verfolgt ehrbare Ziele, wenn sie in der Situation der Krise die „wirklichen Werte" des Vermogens unter Beriicksichtigung von „Liquidationswerten" und „Finanzkraft" der Gesellschaft ermitteln will^"*^. Mithin ist es zu begruBen, wenn die Abbildung der Vermogenslage in der Form einer Bilanz zu erfolgen hat. Die Rechtsprechung hat sich jedoch bisher nicht grundsatzlich zur Abbildung der Vermogenslage geauBert und Fragen konzeptioneller Natur beantwortet. Gegenstand der Entscheidungen sind in der Regel nur spezifische Einzelaspekte unter Beriicksichtigung eines konkreten Sachverhalts. Es wird zwar deutlich, da6 die genannten Entscheidun-

Vgl. ausfUhrlich hierzu sogleich sub C. 11., insb. 1. e) und 2. d). Vgl. BGH BB 1987, 1006 mwN. Vgl. BGH BB 1987, 1006. Vgl. BGH NJW 1992, 2891, 2894. Vgl. BGH ebd. Vgl. BGH NJW 1983, 676ff, 677. Zitate aus BGH NJW 1992,2891,2894.

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gen im Hinblick auf mogliches Verwertungspotential angelegt sind. Jeder verwertbare Vermogensgegenstand wird in der Krise fiir relevant gehalten, soweit ihm ein Marktwert zukommt. Die Entscheidungen der Rechtsprechung zeigen auch, daB grundsatzliche Bilanzuberlegungen dabei eher eine geringe Rolle spielen, und ohnedies nur auf den „wahren Wert" abgestellt wird. Ob und inwieweit dabei konzeptionell handelsrechtliche Vorschriften direkt oder analog zugrunde gelegt werden konnen, bleibt nach den Entscheidungsgriinden offen. Ausdriicklich vemeint der BGH aber die Anwendung des § 248 Abs. 2 HGB. Danach diirfen unentgeltlich erworbene Vermogenswerte nicht aktiviert werden. Gegenstand der Entscheidung war u.a. Ansatz und Bewertung sog. selbstgeschaffener immaterieller Wirtschaftswerte in Zusammenhang mit der Entwicklung fur den Prototyp eines Flugzeugs, fiir den im Vorfeld der untemehmerischen Krise erhebliche Entwicklungskosten aufgewendet worden waren. Nach den Regeln der laufenden Erfolgsbilanz waren diese Werte dem Bilanzierungsverbot des § 248 Abs. 2 HGB unterworfen. Gleichwohl halt der BGH einen Ansatz grundsatzlich fiir moglich, soweit im Wege der VerauBerung ein Wert erzielbar ist"*"^^. Den Vorteil der spezifischen Bewertung eines Einzelfalls hat die Praxis gleichwohl nicht in diesem Umfang. Die gebotene Einschatzung ist in der Praxis regelmaBig nicht in der Form einer hinreichenden Wurdigung der Gesamtumstande des Einzelfalls moglich. Vielmehr wird dort eine ziigige Entscheidung gewunscht, die eine Markterforschung nach dem „wahren Wert" in der Regel nicht zulaBt. Dies gilt insbesondere, wenn fUr die fraglichen Vermogensgegenstande nur ein begrenzter Abnehmerkreis zur Verfligung steht.

g)

Zwischenergebnis

Eine analoge Anwendung der Vorschriften der JahresabschluBbilanz auf die Uberschuldungsbilanz ist abzulehnen"^^^. Im Ergebnis werden diese Regelungen nicht den besonderen Erfordemissen der Uberschuldungsbilanzierung gerecht. Die Ubemahme einer kompletten Systematik erweist sich letztlich als zu unflexibel, da regelmaBig eine Vgl. BGH ebd. Nach Ansicht des BGH ist der Wert vermogensmaBig zu beriicksichtigen, den eine VerauBerung der bis zum Prototyp vorangetriebenen Entwicklung einschlieBlich der in der Entwicklung verkorperten Schutzrechte erzielen wurde. Ahnlich auBerte sich in einer friiheren Entscheidung der BGH, NJW 1983, 676, 678, als ein Gutachten zur Uberschuldung, das unfertige Arbeiten unberiicksichtigt gelassen hatte, jedenfalls fiir keine hinreichend sichere Grundlage zur Frage der Uberschuldung gehalten wurde. So ausdrucklich auch die Rechtsprechung OLG Stuttgart, NJW 1971, 1144; BGHSt 15, 306, 309.

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bestimmte Zielsetzung vorgegeben ist, die nicht mit deijenigen der Uberschuldungsbilanz ubereinstimmt. Vielmehr wird damit das Ergebnis der Bilanzierung vorweggenommen. Dem kann auch nicht entgegenhalten werden, daB die (Jberschuldungsbilanz gerade deshalb das Korrektiv der Prognose zur Seite hat. Denn die Prognose fuBt auf dem Ergebnis der Uberschuldungsbilanz. Die Uberschuldungsbilanz soil einen neutralen Hinweis auf das Verhaltnis von aktivem Vermogen zu passivem Vermogen geben und gegebenenfalls fur eine Schieflage der Finanzverfassung im Untemehmen sensibilisieren. Infolgedessen hilft sich die Praxis schlieBlich damit, eigene Bewertungsmethoden fur die Priifung der Uberschuldung zu entwickeln'^^\ Einzelne Zweifelsfragen wurden dann bisweilen von der Rechtsprechung"^^^ geklart.

4, Ergebnis

Bei der Uberschuldungsbilanz handelt es sich um eine Sonderbilanz, die in einer betriebswirtschaftlich auBergewohnlichen Situation anzufertigen ist und zum Zwecke der Insolvenzvorsorge Auskunft iiber die tatsachliche Vermogenslage des Untemehmens geben muB, fur deren Erstellung keine normierten und objektivierten Regularien zur VerfUgung stehen. Da bisher keine adaquate Bilanzkonzeption fur die Uberschuldungsbilanz gefunden ist, wird im folgenden eine funktionsgerechte Konzeption bzw. deren Grundsatze anhand der in Bezug auf die standardisierte Vermogensabbildung normierten Bilanzierungsgrundsatze ermittelt.

//.

Standardisierte Vermogensabbildung im kontinuierlichen

Untemehmens-

prozefi Zur standardisierten Abbildung der Vermogenslage stehen Bilanzierungskonzeptionen bzw. deren einzeln objektivierte Bilanzierungsgrundsatze zu VerfUgung. Zur Entwicklung von der Uberschuldungsbilanz eigenen Grundsatzen ist es infolgedessen notwendig, die generelle Entstehung von Bilanzierungsgrundsatzen nachzuzeichnen. Dazu soil ein Blick auf die funktionalen Aspekte der Regelbilanzierung im allgemeinen"^^^ Vgl. Fischer, aaO, S. 33. Vgl. soeben sub C I. 3. f), Dient die Rechnungslegung der Abbildung der wirtschaftlichen Lage im kontinuierlichen UntemehmensprozeB, sprechen wir von der Handelsbilanz oder der Regelbilanz gegeniiber sonstigen betriebswirtschaftlichen Bilanzen.

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und die Genese ihrer Bilanzierungsgrundsatze geworfen werden (C II.), um einen Eindruck dariiber zu gewinnen, wie Bilanzierungsgrundsatze in ihrer jeweiligen Situation zustande kommen, um im AnschluB daran eine geeignete Bilanzkonzeption der Uberschuldungsbilanz anhand ihrer spezifischen Anforderungen zu entwickeln (C III.).

1, Funktionale Aspekte der Bilanzierung Die Lehre der Rechnungslegung und Bilanzierung ist durch viele theoretische Erwagungen und praktische Erkenntnisse sowohl national als auch international standig im FluB. Rechnungslegung und Bilanzierung verfolgen unterschiedliche Ziele. Die Aufgabe der Rechnungslegung wird im wesentlichen darin gesehen, den Erfolg eines Untemehmens abzubilden"^^"^. Demgegeniiber verschafft die Bilanz lediglich eine Ubersicht iiber das Vermogen"^^^. Zur theoretischen Begrlindung der Notwendigkeit einer Bilanz werden innerhalb der betriebswirtschaftlichen Lehre der statische, der dynamische und der organische Bilanzbegriff vertreten'*^^. Eine Zwitterstellung zwischen Erfolgsdarstellung und Vermogensabbildung nimmt die handelsrechtliche Bilanzierung ein"*^^, die das Vermogen in einer Glaubiger und EigentUmer befriedigenden Art und Weise darstellt und zugleich den Erfolg in die Vermogensabbildung mit einflieBen laBt. Die Abbildung der wirtschaftlichen Lage im kontinuierlichen UntemehmensprozeB ist aus mehreren Griinden zwingend vorgeschrieben. Im Vordergrund stehen dabei die Motive der Rechnungslegung, einen Einblick in die wirtschaftliche Verfassung eines Untemehmens geben zu wollen, welches als Teilnehmer am Rechtsverkehr bestimmten Konventionen unterworfen ist. Eine aussagekraftige Rechnungslegung ist bei dauerhaften Unternehmen in regelmaBigen Teilabschnitten geboten, um den Vergleich von Planung und der tatsachlichen Entwicklung des Untemehmens fur entsprechende Teilabschnitte zu ermoglichen'*^^ Notwendige Bestandteile der Abbildung der wirtschaftlichen Lage sind die Vermogensubersicht sowie die Entwicklung der fmanziellen Situation. Der Erfolg wird im Rechnungswesen regelmaBig anhand unterschiedlicher Parameter abgebildet, wie bspw. der Vergleichsrechnung, der Planungs- und Kostenrechnung und dem JahresabschluB, vgl. Wohe, aaO, S. If. Davon zu unterscheiden ist der Begriff der Erfolgsbilanz, die aufgrund einer erfolgsorientierten Bilanzkonzeption entsteht. Vgl. Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 852ff. Vgl. bspw. Baetge, aaO, S. 12ff. Die Bilanz im Rechtssinne versucht unterschiedlichen Bilanzzwecken gerecht zu werden, wie der Planung und Betriebssteuerung, vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 150, 159. Vgl. Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S 827f.

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Die Vermogensubersicht erfolgt regelmaBig in Form der Bilanz. Grundsatzlich ist jede Bilanz in der Form der Gegeniiberstellung von Vermogen und Kapital geeignet, zugleich einen Uberblick Uber die wirtschaftliche Lage des Untemehmens zu geben"*^^. Eine Bilanz unterliegt als Produkt der Rechnungslegung den Grundsatzen der ordnungsgemaBen Buchfuhrung'*^®. Je nachdem, welchen Zweck Rechnungslegung und Bilanzierung verfolgen, wirken Uberwiegend statische oder iiberwiegend dynamische Aspekte auf die Prinzipien der Bilanzierung ein. Dementsprechend kommen der Auslegung der Prinzipien im Einzelfall ein differenzierter materieller Gehalt und eine andere Bedeutung zu, mit der Folge einer moglicherweise unterschiedlichen Bewertung. Wahrend bspw. fur die statische Bilanztheorie die Bewertung von Vermogensgegenstanden grundsatzlich von ihrer VerauBerbarkeit, mithin vom Verkehrswert, abhangt, orientiert sich die Bewertung nach dynamischer Bilanzierung an den Anschaffungskosten bzw. den Herstellungskosten. Die Bewertung des Anlagevermogens zu Anschaffungskosten (abzgl. Abschreibungen) geht auf Simon zuriick'^^^ allerdings geht es Simon bei Abschreibungen noch um die BerUcksichtigung des Wertverlustes und nicht um die Verteilung der zugehorigen Anschaffungsauszahlungen auf die Jahre der Nutzung. So konnen in den unterschiedlich motivierten Vermogensabbildungen Wertdifferenzen entstehen. Im Rahmen der kontinuierlichen Bewertung ist grundsatzlich nach Anschaffungswerten zu bilanzieren. Sind dagegen bei betriebswirtschaftlichen Bilanzen wie der Zerschlagungsbilanz, der Liquidationsbilanz oder der Fortfuhrungsbilanz Marktbedingungen entscheidend, liegt bspw. bei hoher Nachfrage der Wert bisweilen erheblich iiber den Anschaffungskosten. Demgegeniiber kommt es bei einem Uberangebot, geringer oder gar keiner Nachfrage gegeniiber dem Anschaffungswert (ggf. berichtigt um Abschreibungen) zu einer Wertberichtigung nach unten. Betriebswirtschaftliche Bilanzen sind regelmaBig nur fiir den Kaufmann selbst gedacht und lassen sich fur unterschiedliche Zwecke erstellen"^^^. Je nachdem, ob die betriebswirtschaftliche Bilanz einem oder mehreren Zwecken gerecht werden soil, wird in eindimensionale und mehrdimensionale Bilanzen unterschieden"*^^. Wahrend die Bilanz im Rechtssinne den gesetzlichen und gesellschaftsrechtlichen Regeln unterliegt, sind rein betriebswirtschaftliche Bilanzen grundsatzlich bar jeder Normvorgabe. EntspreVgl. Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 827ff. Vgl. Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 826. Vgl. Simon, aaO, S. 359ff. Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 149. Das schlieBt allerdings nicht aus, daB die betriebswirtschaftliche Bilanz nicht auch Dritten zur Verfiigung gestellt wird. Man darf mit Moxter jedenfalls davon ausgehen, daB der Empfanger einer rein betriebswirtschaftlichen Bilanz im allgemeinen einen groBeren Sachverstand aufweist als der Empfanger der Bilanz im Rechtssinne. Dabei kann bis an die Grenze der Ubersichtsgefahrung jede Bilanzspalte eine eigene Aufgabe wahmehmen, vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 150.

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chend unterliegen die Grundsatze, die jeder Erstellung von Bilanzen zugrunde liegen, keiner Gesetzes- oder Normauslegung, sondem sind vielmehr anhand des relevanten Bilanzzwecks festzulegen"^^"*.

a) Bilanztheoretischer Ausgangspunkt (1) Statische Bilanz Nach statischem Bilanzverstandnis"^^^ ist die Bilanz eine schriftliche Darstellung der Vermogensgegenstande, der Schulden und des Eigenkapitals"^^^ zum Zwecke der periodischen (Jbersicht Uber die Vermogenslage"^^^. Ermittelt werden soil hiemach das Reinvermogen in Form des durch Vereinfachungen und Objektivierungen gekennzeichneten Buchvermogens, nicht der Erfolg'*^^. Gleichwohl darf die Bezeichnung „statische Bilanz" nicht dahin mifiverstanden werden, da6 der Zusammenhang von Vorperioden und Nachperioden nicht erkannt wird"^^^. Das gilt insbesondere im Hinblick auf das naturlich dynamische Element einer jeden Untemehmung. Gleichwohl werden dabei nicht samtliche Komponenten erfaBt, die einen Untemehmenswert ausmachen'*^^. Die statische Bilanz soil entgegen der sehr friihen Rechtsprechung bezuglich der Bilanzierungspraxis nicht unter der denkbar schlechtesten Annahme der Zerschlagung ermittelt werden. Das Reichsoberhandelsgericht (ROHG) hatte in einer Entscheidung aus dem Jahr 1873 die Bilanz als Mittel zur Feststellung des Glaubigerzugriffsvermogens, das sich zu Marktpreisen errechnet, verstanden'*^\ Die Methodik der Statik impliziert eine Einzelbewertung und demzufolge vorausge-

466 467

Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 149f. In diesem Zusammenhang wird gelegentlich eine unterschiedliche Terminologie festgestellt. So sollen rein betriebswirtschaftlich verursachte Bilanzen keine Bilanzen im technischen Sinne sein. DemgemaB wird die Verwendung des Begriffs „Bilanz" auch in diesem Zusammenhang abgelehnt. Aus Griinden der UnmiBverstandlichkeit wird stattdessen die Verwendung der Terminologie des „Status" begriiBt. Als Begriinder der statischen Bilanztheorie gilt der Berliner Anwalt Hermann Veit Simon, der in „Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaft auf Aktien" 1886 zum erstenmal ein umfassendes und detailliertes System von Bilanzierungsnormen dargestellt hat. Vgl. Simon, aaO, S. 201ff. Vgl. Simon, aaO, S. 1; zum Zweck der Vergleichbarkeit bereits ROHGE 12, 15, 17, wonach die Bilanz den Vermogensbestandteil zu einem bestimmten Zeitpunkt abbildet, um den Vergleich der Geschaftsfiihrung uber dessen Resultat zu ermoglichen. Vgl. Baetge, aaO, S. 12ff. Vom Reinvermogen zu unterscheiden ist das statische Vermogen, das in der Liquidationsbilanz dargestellt wird. Zur Ermittlung des Reinvermogens wird der reine Ansatz von Liquidationswerten abgelehnt. Die (AbschluB) Bilanzierung dient aber nicht der Ermittlung einzelner Vermogenswerte, sondem soil eine Ubersicht iiber das Unternehmen verschaffen. Vgl. Baetge, aaO, S. 12ff. Vgl. Baetge, aaO, S. 12ff. Vgl. ROHGE 12, 15, 21 zur bilanzmaBigen Erfassung von Goldtalem.

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hend eine VerauBerbarkeit der zu bewertenden Gegenstande. Umgekehrt wurden nur rechtsverbindliche Zahlungsverbindlichkeiten als Schulden verstanden. Diesem Modell der reinen Zerschlagungsstatik steht die Fortfuhrungsstatik gegenUber"*^^, die eine Fortfuhrung des Untemehmens unterstellt"*^^. Das Vermogen ist daher nicht zu Liquidationswerten anzusetzen, sondern mit dem Wert, den es fur den Kaufmann verkorpert"^^"*. Daher sind Aktiva alle veraiogenswerten Gegenstande und immateriellen Gegenstande, fiir deren unmittelbare Erlangung Ausgaben geleistet wurden'*^^. Die vermogenswerten Gegenstande werden anhand ihrer Verkehrsfahigkeit qualifiziert"*^^. Passiva sind dagegen das Eigenkapital und die Schulden. Das Eigenkapital enthalt unter anderem einen „Reservefond" bestehend aus „Gewinnreservefond" und „Kapitalreservefond""*^^; Schulden sind nur insoweit passivierungsfahig und passivierungspflichtig, als sie rechtliche Verpflichtungen darstellen"*^^. Obwohl der Wert eines bilanzierenden Vermogensgegenstandes individualisiert aus Sicht der Person des Bilanzierenden verstanden wird'^''^, werden nach statischem Bilanzverstandnis dadurch, daB der Verkehrsfahigkeit wertbestimmender Charakter beigemessen wird, erste Anzeichen einer objektivierten Bilanzierung wahrgenommen '^^°. Gleichwohl stellt sich das Untemehmen als ein Kontinuum dar^^\ Dementsprechend bildet die Bilanzierung mehr als nur das Vermogen in seinem gegenwartigen Umfang ab. Auch unter den Anhangem der Statik wird der Gedanke des Going-concern anerkannt"^^^. Das Rechtsverstandnis der statischen Bilanz fokussiert nicht ausschlieBlich den Glaubigerschutz und laBt sich demzufolge mit der reinen Zerschlagungsbewertung nicht mehr verbinden"*^^. Man spricht hier von der sog. Fortfuhrungsstatik'^^'*. Danach tritt der Glaubigerschutz insoweit zuriick, wie es fur eine hinreichende Objektivierbarkeit der Abbildung des Schuldendeckungspotentials erforderlich ist. Die an der UnternehmensfortfUhrung orientierte Bilanz zielt generell auf die Abbildung der Schuldendeckungsfahigkeit ab, allerdings unter Vemachlassigung aller konkursspezifischen Vgl. Simon, aaO, S. 11 Iff; zur Begrifflichkeit Moxter, Bilanzlehre Bd. I, S. 6. Ein Blick auf das heute geltende Handelsrecht zeigt, daB sich die Grundannahme der Fortfuhrung als ein wesentlicher Aspekt der Rechnungslegung durchgesetzt hat. Der Gesetzgeber hat in § 252 Abs. 1 Nr. 1 HOB die Fortfuhrung des Untemehmens als Regelfall kodifiziert; demgem^B stellt die Bewertung zu Fortfiihrungswerten (going concern) einen Grundsatz ordnungsgemaBer Buchfuhrung dar. Vgl. Simon, aaO, S. 304. Vgl. Baetge, aaO, S. 13f. Vgl. Simon, aaO,S. 301. Vgl. Simon, aaO. S. 201ff, 227ff. Vgl. Simon, aaO, S. 180. Simon fordert eine Bilanzierung zum Individualwert, vgl. aaO, S. 306; ebenso Naumann, S. 19. Vgl. Baetge, aaO, S. 14. Vgl. Thomas, aaO, S. 23. Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 6. Vgl. Moxter, Grundsatze, aaO, S. 275f. Vgl. zur Terminologie Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 6f.

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Wertminderungen . Auf diese Weise konne zugleich der konsumfahige Gewinn errechnet werden"^^^.

(2) Dynamische Bilanz Im Gegensatz zur statischen Bilanz, die letztendlich einen Vermogensstatus abbildet, steht bei der dynamischen Bilanz"^^^ nicht die Ermittlung des Vermogens, sondern die Ermittlung des Erfolgs im Vordergrund. Die Einheiten Vermogen und Gewinn lieBen sich nicht zusammen in einer Bilanz darstellen, sondern allenfalls die Entwicklung des Vermogens"^^^. Damit wird die Bilanz um den betriebswirtschaftlichen Aspekt dynamisiert. Der entscheidende Verdienst des dynamischen Bilanztheorie besteht darin, daB die Ermittlung des periodengerechten Erfolgs in den Vordergrund der handelsrechtlichen Bilanz geriickt wurde. Durch die bloBe Addition von Vermogenswerten, wie sie bei einem Vermogensstatus erfolgt, lasse sich nicht der Wert des Kaufmannes ermitteln'*^^. Dies sei aber gem. § 38 HGB 1897 die Aufgabe der Rechnungslegung, denn danach miisse die „Lage des Vermogens" dargestellt werden und nicht nur das Vermogen an sich"^^^. Die Bilanz sei daher nicht nur auf den extemen Adressaten zugeschnitten, sondern miisse primar dem Bilanzierenden notwendige Informationen fiir die Steuerung des Untemehmens geben'^^^ Dazu sei die Kenntnis des Erfolgs unabdingbare Voraussetzung, die erst in die Lage versetzt, auch Rechenschaft gegeniiber sich selbst abzulegen, was zugleich als beste Voraussetzung fiir den Schutz der Glaubiger und eine wirksame Konkursvorsorge verstanden wird'*^^. Vgl. Moxter, Bilanzpolitik und Wachstumsproblematik, aaO, S. 451. Das heiBt unter Vernachlassigung der Pramisse der sofortigen Zerschlagung. Vgl. LeCourte, aaO, S. 21; Moxter, Grundsatze, aaO, S. 276. Die Theorie von der dynamischen Bilanz wurde von Eugen Schmalenbach entwickelt (und erstmals publiziert in: Grundlagen dynamischer Bilanzlehre, 1. Aufl. 1919). Schmalenbach lehrte Betriebswirtschaftslehre an der Universitat zu Koln. Vgl. bei Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 31. Im Gegensatz zur statischen Auffassung geht es nicht um die Ermittlung des Reinvermogens, sondern um die Ermittlung des Erfolgs. Deshalb wird der JahresabschluB (einschlieBlich der Bilanz) auch als Instrument der Rechenschaft iiber eine abgelaufene Geschaftsperiode angesehen. Gleichzeitig soil so ermoglicht werden, daB am Ende einer Periode ein Vergleich moglich ist. Die gewonnenen Informationen sollen nicht nur der Rechtfertigung Dritter (etwa der Kreditgeber) dienen, sondern gleichzeitig dem Kaufmann den Erfolg seines Untemehmens aufzeigen, um so eine bessere Steuerung des Untemehmens zu erlauben. Konkret soil sich der Erfolg aus der Differenz der Ertrage und der Aufwendungen ergeben. Vgl. Baetge, aaO, S. 12ff. Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 48. Vgl. dazu Thomas, aaO, S. 28f. Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 29. Vgl. dazu Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 32. Schmalenbach, aaO, S. 25, belegt diese Aussage mit einer empirischen Untersuchung iiber die Ursachen konkursverursachender Liquiditatsengpasse, die ergab, daB

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Neben der Konkursvorsorge dient der Erfolg zugleich als Mittel der richtigen Betriebssteuerung'*^^. Nach der dynamischen Bilanztheorie kommt es nicht auf die einzelnen Vermogenskomponenten an, sondern vielmehr auf die Parameter Aufwand und Ertrag. Diese bestimmen den Totalerfolg'*^'* fur die gesamte Lebensdauer der Unternehmung in der Differenz der Einnahmen und Ausgaben"*^^. Fur die laufende Unternehmung verlangt die Praxis aber nicht die Ubersicht iiber den Gesamterfolg, sondern ist vielmehr am Erfolg von Einzelperioden interessiert. Diesem BedUrfnis nach der Ermittlung eines vergleichbaren Periodenerfolgs folgt die dynamische Bilanzlehre, indem sie die Gesamtlebensdauer in Teilperioden zerlegt"^^^. Um daraus nun den Teilerfolg zu ermitteln, ist neben der Feststellung der Parameter Aufwand und Ertrag auch eine Differenzierung zur reinen Geldrechnung erforderlich. Letztere wird mit den Parametem Ausgaben und Einnahmen determiniert. Die Geldrechnung wird durch die Gewinn- und Verlustrechnung dargestellt, die alle in der abzurechnenden Periode erfolgswirksamen Ausgaben und Einnahmen verrechnet. Die Posten, die Uber die Berechnungsperiode hinaus wirken, indem ihre Einnahmen oder Ausgaben anderen Perioden zuzurechnen sind, miissen in der Bilanz ausgeglichen werden"*^^. Dazu werden zwecks spaterer Verrechnung in der Bilanz noch nicht erfolgswirksame Zahlungen als schwebende Vorleistungen'*^^ auf der Aktivseite eingestellt und noch nicht zahlungswirksame Erfolge als schwebende Nachleistungen"^^^ auf der Passivseite eingestellt^°°. Auch die Rechtsprechung schien sich dem Bedurfnis eines Bilanzverstandnisses iiber die Feststellung des Vermogens hinaus nicht vollstandig zu verschlieBen. So entschied das Reichsgericht 1908 auf der Grundlage der oben erwahnten Entscheidung des

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Zahlungsschwierigkeiten sehr haufig infolge ungeniigender Beobachtungen der eigenen Vermogenslage entstehen. Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 50. Vgl. zur Terminologie Baetge, aaO, S. 18. Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 58ff. DemgemaB ist die Bilanz nur „Dienerin" des Abschlusses, Schmalenbach, aaO,S.51. Vgl. dazu Thomas, S. 28f, der sich dort ausfuhrHch mit den Thesen Schmalenbachs auseinandersetzt; zusammenfassend auch bei Baetge, aaO, S, 22f. Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 62f, 65, der diese Posten als „schwebende Geschafte" bezeichent. Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 66. Die Bilanz stellt mit den Vorleistungen gleichsam den „Kraftespeicher" des Untemehmens dar, aaO, S. 74. Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 70. Mit der Passivierung der schwebenden Nachleistungen wird erreicht, daB mit den berucksichtigten Vermogensmehrungen zugleich die dazugehorigen Lasten beriicksichtigt werden, vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 36. Eine schwebende Vorleistung ist dadurch gekennzeichnet, daB sie einen Nutzwert fiir kommende Jahre enthalt, ein Bedurfnis fiir die Verteilung vorhanden ist und Kosten und Nutzen feststellbar sind, vgl. Schmalenbach, aaO, S. 146. Vgl. insgesamt zur Methodik der Berechnung des Teilperiodenerfolgs auch Thomas, S. 30; Baetge, aaO, S. 19.

ROHG^°\ da6 eine Bilanz nicht immer ein zutreffendes Bild von den wirklichen Verhaltnissen gewahre, wie sie fur die Bewertung eines Untemehmens in Betracht gezogen werden miisse ^^. ZusammengefaBt verfolgt die Bilanz nach dynamischem Verstandnis das Ziel, die Grundlage einer Rechenschaftslegung nach objektiven MaBstaben zu bilden. Im Vergleich zur statischen Bilanzauffassung geht es dabei nicht primar um eine Schuldendeckungskontrolle, sondem um ein Instrument zur Ermittiung des periodengerechten Erfolgs^®^. Glaubigerschutz tritt hier in Form von Konkursvorsorge auf; die Berechnung von Gewinnanteilen und die Beobachtung von Strukturveranderungen werden zu Nebenzielen der Bilanzierung^^.

(3) Organische Bilanztheorie Neben den beiden soeben dargestellten Bilanztheorien, die man wohl als die klassischen bezeichnen darf, ist die organische Bilanztheorie nach F. Schmidt^^^ zu nennen. Die organische Bilanz nimmt eine Zwitterstellung zwischen den klassischen Modellen ein. Ziel der organischen Bilanztheorie ist wie nach der dynamischen Theorie die Ermittiung des richtigen Erfolgs. Dazu wird der Reproduktionswert des Unternehmens und seiner Guter festgestellt. Dieser Reproduktionswert wird durch die Tagesbeschaffungswerte aller Vermogensteile bestimmt^^^. Gleichwohl hat die Bilanz grundsatzlich den Stand der lebenden Untemehmung anzugeben, mit der Folge, da6 auch Objekte ohne Liquidationswert zu bilanzieren sein konnten, das heiBt auch immaterielle Ver_^ 507

mogenswerte Die organische Bilanztheorie orientiert sich nicht an der Bilanz im Sinne des Handelsrechts oder des Aktienrechts, denn die Rechnungslegung unterliegt nach diesem Ansatz einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung. Das Untemehmen stelle lediglich einen Teil des Organismus der Gesamtwirtschaft dar^^^. Die Bilanz allein zeige das richtige

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Nach ROHGE 12, 15, 19 wird die Bilanz einer objektiven Wahrheit nicht in vollem Umfang gerecht. Vgl.RGZ 69, 199,205 Vgl. Baetge, aaO, S. 23. Vgl. Thomas, aaO, S. 29. Fritz Schmidt, Professor fur Betriebswirtschaftslehre an der Johann Wolfgang Goethe Universitat zu Frankfurt a. M., entwickelte die Theorie der organische Bilanzlehre, veroffentlicht erstmals in 1921 „Die organische Bilanz". Vgl. F. Schmidt, aaO, S. 121. Vgl. F. Schmidt, aaO, S. 117ff. Vgl. F. Schmidt, aaO, S. 47.

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Vermogen und den richtigen Gewinn auf^^^. Ein Gewinn liege daher auch nur dann vor, wenn das Unteraehmen durch seine Umsatzerlose in der Lage ist, seine relative Stellung in der Produktion der Gesamtwirtschaft zu behaupten^^^. Der organische Bilanzansatz stellt weiterhin die Gewinnermittlung in den Mittelpunkt. Gewinn und Veraiogensemiittlung gehen aber nebeneinander her, da die organische Bilanz als Universalbilanz Gewinn und Vermogen darstellen kann^". Dennoch wird der Gewinn nicht allein im UberschuB der Umsatzerlose gesehen^^^. Ebenso sind Wertanderungen am ruhenden Vermogen zu beriicksichtigen: Gewinn ist daher der Vermogenszuwachs abzuglich der Wertanderungen am ruhenden Vermogen. Die Wertanderung am ruhenden Vermogen bildet der Saldo von Anschaffungspreis und Tagespreis^'l

b) Handelsrechtlicher Ausgangspunkt Von den rein betriebswirtschaftlichen Bilanzen ist die Bilanz im Rechtssinne zu unterscheiden, die dem handelsrechtlichen Bilanzierungskonzept zugrunde liegt^^"^. Seit der normativen Betonung des Glaubigerschutzes durch das Aktienrechtsreformgesetz 1965 und das BiRiLiG aus 1985 ist der rechtliche EinfluB auf Rechnungslegung und Bilanzierung verstarkt^^^. Indem durch die Umsetzung des BiRiLiG erstmals Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung im HGB gesetzlich verankert wurden, gerat die Methode der Rechnungslegung, und damit die Bilanzierung, mehr unter den EinfluB von Gesetzen und deren Auslegung^^^. Die Auslegung wurde durch Schrifttum und Rechtsprechung gepragt. Ausgangspunkt einer veranderten Betrachtungsweise von Bilanzierungsgrundsatzen war die Problematik, wie sich strittige und neue Bilanzierungsfragen mit der Konzeption der Verkehrsanschauung beantworten lieBen^^^, in deren Mittel509 510 511 512 513 514

Vgl.F. Schmidt, aaO,S.81ff. Vgl. F. Schmidt, aaO,S. 139. So bei Moxter, Bilanzlehre, Bd. I, aaO, S. 59. Vgl. auch bei Baetge, aaO, S. 24ff. Vgl. F. Schmidt, aaO, S. 73ff, S. 319ff. Vgl. statt aller, Moxter, Bilanzlehre Bd. II, aaO, S. 149ff. Vgl. dazu Moxter, Grundwertungen, aaO, S. 348; vgl. zur Weiterentwicklung des Aktienrechts durch das AktG 1965 und das BiRiLiG bei Wohe, Entwicklung, aaO, S. 7Iff, 80ff. Das BiRiLiG, BGBl I 1985, 2355ff, fafit Vorschriften iiber den Jahresabschluss, den Lagebericht, die Priifung und die Offenlegung des Jahresabschlusses sowie Vorschriften uber den Konzemabschluss im dritten Buch des HGB zusammen. Vorausgegangen waren die 4., 7. und 8. Bilanzrichtlinie des Rates der Europaischen Gemeinschaft zur Harmonisierung des Gesellschaftsrechts in den Mitgliedstaaten der EU. Vgl. zur Auslegung der Bilanz im Rechtssinne unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Bocking, aaO, S. 87; vgl. zu normierten GoB bei Euler, aaO, S. 176ff. Ein Konsens wurde stets das Ergebnis und nicht den Ausgangspunkt der GoB-Ermittlung darstellen; vgl. Euler, aaO, S. 173 mwN in Fn 20 zur Rechtsprechung.

punkt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise steht, die weder eine formalrechtliche noch eine betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise darstellt, sondem vielmehr im Wege der teleologischen Gesetzesauslegung kodifizierte Rechtsnormen wirtschaftlich sinnvoll auszulegen hat^^^. Dabei wurde allerdings bisweilen sowohl die legislative als auch die fachliche Legitimation solcher Regelungen bezweifelt^^^. Das Schrifttum hat deshalb die zentrale Frage weiterentwickelt, wie die Grundwertungen der Existenzsicherung in sachverhaltsnahe Bilanzierungregeln zu transformieren sind^^^. Das Produkt der veranderten Betrachtungen in Schrifttum und Literatur war das GoBVerstandnis, das der Bilanz im Rechtssinne zugrunde liegt. Die Gerichte nehmen bei fehlenden oder streitigen Verkehrsanschauungen selbst Stellung und bestimmen so allgemein gultige Grundsatze. Die so zustande gekommenen Regelungen waren alsbald in den Rang von Rechtsnormen erhoben^^^ Die Rechtsprechung selbst qualifizierte die so gefundenen Rechtssatze als unbestimmte Rechtsbegriffe^^^. Das Ringen der sog. klassischen Bilanztheorien ist auch im geltenden Bilanzrecht nicht ohne Wirkung geblieben. Die Ansatze der dynamischen Bilanztheorie hatten lange EinfluB sowohl auf das Handelsbilanzrecht als auch auf das Bilanzsteuerrecht. Grundsatzlich sind Handelsbilanz und Steuerbilanz zwar strikt zu trennen. Die Handelsbilanz soil die Lage des Untemehmens zeigen, um die leichtsinnige Ausschiittung von Gewinnen zu vermeiden, das heiBt eine zu hohe Bewertung des Vermogens verhindem. Die Steuerbilanz bezweckt, eine schlechte Darstellung des Vermogens zu vermeiden. Daher gelten im Steuerrecht bestimmte Wertuntergrenzen. Die Verbindung zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz wird durch den sog. MaBgeblichkeitsgrundsatz geschaffen. Danach sind die Grundsatze der handelsrechtlichen ordnungsgemaBen Buchfiihrung auch fiir das steuerliche Betriebsvermogen maBgeblich. Die Rechtsprechung wandte sich parallel zu diesen Entwicklungen weg von der dynamischen Bilanztheorie der Bilanz im Rechtssinne zu. Heute allerdings wird vielfach von einer umgekehrten MaBgeblichkeit gesprochen, da die Handelsbilanz stets mit Blick auf die Steuerbilanz erstellt wird^^^.

^'^ Vgl. Eibelshauser, aaO, S. 153; wirtschaftlich sinnvoll bedeutet hier zweckorientiert; vgl. Tischbierek, aaO, S. l;B6cking, aaO, S. 85f. ^'^ Vgl. Euler, aaO, S. 173 mwN. ^^^ Hervorzuheben ist insbesondere Heinrich Beisse, der stets das Glaubigerprinzip in den Vordergrund gehoben hat; vgl. hierzu Beisse, Rechtsfragen, aaO, S. 502f. "' Vgl. dazu Dollerer, GoB, aaO, S. 1218f; Euler, aaO, S. 173. "^ Vgl. BVerfOE 13, 153, 161; BFHE 86, 118, 119f. "^ Vgl. ausfuhrlich dazu bei GroBfeld, aaO, Rn 73ff.

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Da viele Fragen des Bilanzrechts in praxi nicht ohne die gleichzeitige Analyse der wirtschaftlichen Umstande hinreichend zu behandeln waren, werden urspriinglich rein rechtliche Fragestellungen betriebswirtschaftlich iiberlagert mit der Folge unerwunschter Unsicherheiten, da aufgrund unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher Bilanzansatze die rechtlichen Fragestellungen unterschiedlich interpretiert werden konnen^^"*. Tendenziell wird dabei von einer Mehrgewichtung der dynamischen Bilanzlehre gesprochen. Insbesondere der BFH hat regelmaBig die Bedeutung der Ergebnisabgrenzung betont, mithin den dynamischen Bilanzansatz verfolgt^^^.

c) Zweckbestimmung der Bilanzierung Immanenter Zweck jeder betriebswirtschaftlichen Bilanzierung ist die Dokumentation^^^. Dem liegt der Gedanke der Rechenschaft zugrunde. Denn die dokumentierten Geschaftsvorfalle sollen regelmaBig ein Beiseiteschaffen von Gesellschaftsvermogen verhindem und fungieren daher mindestens als Mittel des Gesellschafterschutzes oder sogar des Glaubigerschutzes^^^. Der Dokumentationszweck wirkt sich - wie jeder andere Bilanzzweck auch - auf den abzubildenden Inhalt und den Umfang einer jeden Bilanz aus. Darauf basieren beispielsweise die Prinzipien der Einzeldokumentation und der VoUstandigkeit: In einer Bilanz ist grundsatzlich jeder Gegenstand abzubilden, der isoliert beiseite geschafft werden kann^^^. Moxter halt die so verstandene Dokumentationsbilanz fur eine Zerschlagungsbilanz, da sich das Vermogen ausschlieBlich an den einzeln verauBerbaren Gegenstanden orientiert^^^. Die Dokumentation kann daher als eine unverzichtbare Aufgabe einer jeden Bilanzierung gesehen werden. Welche weiteren Zwecke betriebswirtschaftliche Bilanzen verfolgen, hangt im weiteren davon ab, aus welcher Motivation heraus bilanziert wird. Betriebswirtschaftlich sind Vermogensbilanzen grundsatzlich von Gewinnermittlungsbilanzen zu unterschei"* Vgl. Balthasar, aaO, S. 22f; vgl. dazu auch oben sub C H. 1. "^ Vgl. bspw. BFHE 81, 496, 502; Beisse, Bilanzrechtssystem, aaO, S. 17; Balthasar, aaO, S. 68 mwN in Fn80. ^^^ Weitere Dokumentationsinstrumente sind die laufende BuchfUhrung und das Inventar; vgl. Leffson, aaO, S. 143 (Ziff. 40); Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 81f. Die Ausschiittungsbemessungsfunktion wird davon separat gesehen; vgl. Euler, aaO, S. 175. "^ Vgl. Leffson, aaO, 144ff, 152,154ff; Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 82. ^^^ Zur Beiseiteschaffung ungeeignet sollen solche Giiter sein, die ihren Wert nur aus der Kombination mit anderen Gutem herleiten. Nicht einzelverkehrsfahig soil danach bspw. die allgemeine Organisation per se sein. Sie konne nicht allein, sondem nur in Verbindung mit anderen Objekten am Rechtsverkehr teilnehmen. Will man namlich die Organisation beiseite schaffen, mu6 man die einzelnen Betriebsteile verauBem. Vgl. dazu aufschluBreich bei Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 83f. ^^' Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 84 mit dem Hinweis darauf, daB eine am strikten Vollstandigkeitsprinzip orientierte Zerschlagungsbilanz sehr schwierig zu erstellen sei.

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den^^°. Eine Bilanz, die das Veraiogen darstellt, dient zwar regelmaBig der Schuldendeckungskontrolle^^\ kann aber je nach Perspektive im Ergebnis variieren^^^.

(/) Bilanztheoretischer Ansatz Die Bilanztheorien versuchen ohne Normenkataster, mehr aus betriebswirtschaftlichen Uberlegungen heraus^^^, Sinn und Zweck, Konzeption und bestimmte Details von Rechnungslegung und Jahresabschluss herzuleiten, deren elementarer Bestandteil die Bilanzierung ist. Auch im folgenden kann auf das theoretische Fundament der Bilanzierung nicht verzichtet werden. Selbst wenn die Uberschuldungsbilanz als Gegenstand der Untersuchung keine Bilanz der laufenden Rechnungslegung ist, sondem eine Sonderbilanz^^"*, gilt dennoch, da6 die Einzelheiten der (Jberschuldungsbilanz sowie deren Grundsatze nicht ohne bilanztheoretisches Wissen darstellbar sind. Dies gilt fUr die Uberschuldungsbilanz umso mehr, da fur sie normierte bilanzrechtliche Vorschriften fehlen, mithin die Grundsatze der Bilanzierung zweckmaBig zu ermitteln sind^^^. Vom Ergebnis verlangt der statische Bilanzbegriff die Ermittlung des Reinvermogens^^^. Demgegeniiber ist nach dynamischem Begriffsverstandnis der betriebswirtschaftliche Erfolg darzustellen^^^. Die organische Bilanztheorie sucht die genannten Ziele zu verbinden und strebt uber die Eliminierung von Geldwertanderungen sowohl die richtige Feststellung des Vermogens als auch die Bestimmung des effektiven Erfolgs an^^^. Durch diese bereits von der Motivation sehr unterschiedlichen Ansatze kann es bei deren Anwendung bei der Abbildung eines identischen Sachverhalts zu kontraren Ergebnissen kommen^^^.

^^^ Diese elementare Differenzierung spiegelt sich in den Ansatzen der statischen und der dynamischen Bilanztheorie wieder. "' Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Bd I, aaO, S. 87. "^ Vgl. bspw. zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich des Ansatzes und der Bewertung von Riickstellungen nach statischer oder dynamischer Bilanztheorie nachfolgend sub D II. 8. "^ So auch Baetge, aaO, S. 12. "^ Vgl. sub CI. 1. "^ Bilanzen sind Gegeniiberstellungen von Aktiven und Passiven, vornehmlich zu dem Zweck, Vermogen und/oder Gewinn zu ermitteln. Was letztlich als Aktivum oder als Passivum zu bewerten ist, hangt davon ab, wozu die Gewinn- bzw. Vermogensermittlung erfolgen soil; vgl. Moxter, Bilanzlehre, Bd. I, aaO, S. 1. "^ Vgl. obensubCII. l . a ) ( l ) ( a ) . "' Vgl.ebd. "^ Vgl. oben sub CII. l . a ) ( l ) ( c ) . ^^' Bspw. bei der Abbildung von Aufwendungen, die den zukiinftigen Betriebsverlauf betreffen: diese sind nach der rein statischen Bilanzlehre gar nicht zu erfassen, nach dynamischen VerstHndnis dagegen in Ansatz zu bringen; vgl. Einzelheiten dazu nachfolgend sub D II. 8.

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(2) Handelsrechtlicher Ansatz Der deutsche Gesetzgeber beschreibt an keiner Stelle ausdrucklich den Zweck der Rechnungslegung fiir Kaufleute^"^®. Allerdings soil gem. § 264 Abs. 2 S. 1 HGB der JahresabschluB „ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft vermitteln". Funktional dient die Bilanz im Rechtssinne daher der Berucksichtigung wirtschaftlicher Aspekte^'^^ Das heiBt ihr Ergebnis steht in einer generellen Wechselwirkung zwischen den auBeren wirtschaftlichen Umstanden des Untemehmens und den Grundsatzen der Bilanzierung. Der Hauptzweck des handelsgesetzlichen Jahresabschlusses besteht in der Ermittlung des Gewinns^"*^ und der Beschaffung von Info^mationen^'*^ Der unter Zugrundelegen der handelsrechtlichen Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfiihrung ermittelte Gewinn stellt aber nicht die Vermehrung des Reinvermogens dar, sondem den entziehbaren Gewinn^"^"^. Entsprechend wird der JahresabschluB durch das Vorsichtsprinzip und das MaBgeblichkeitsprinzips erheblich beeinfluBt.

(3) Zweckbestimmende Faktoren der Rechnungslegung (a) Adressaten der Rechnungslegung und deren Interessen Die handelsrechtliche Rechnungslegung verfolgt Individualschutzziele und Funktionenschutzziele^"*^. Aus den Gesetzesmaterialien lassen sich die Rechtskreise des Normzwecks ableiten^'*^, mithin die geschutzten Adressaten. Ergibt sich daraus, daB Glaubiger und Anteilseigner als Kapitalgeber zu schUtzen sind, so bleibt offen, ob und inwieweit daneben Dritte in den Adressatenkreis der Rechnungslegung aufzunehmen sind^"^^. Das Schrifttum weist zutreffend darauf hin, daB der Kreis der weiter zu schUtTrotz gegenteiliger Forderungen in der offentlichen Anhorung zum BiRiLiG, vgl. BT-DrS. X/317; vgl. Naumann, aaO, S.37 mit Anm. und Quellenverweisen in Fn 102. Vgl. Becking, aaO, S. 87. Vgl. Baetge, aaO, S. 94ff. Vgl. Naumann, S. 30. Vgl. Bocking, aaO, S. 88. Vgl. dazu Baetge/Thiele, aaO, S. 12. Grundlegend dazu fiir das Bilanzrecht Hopt, aaO, 403ff. In der Begriindung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz (von 1965) vom 3. 2. 1965, BT-Drs. IV/171, S. 93, wird darauf hingewiesen, daB die Verbesserungsvorschlage des Rechnungswesens dem Interesse der Aktion^e dienen sollen. In der PrEambel der dem Bilanzrichtliniengesetz von 1985 zugrundeliegenden 4. EG-Richtlinie, vgl. 4. EG-Richtlinie vom 25. 7. 1978, Abl. EG Nr. L 222 v. 14.8. 1978, S. 11, wird auf den durch ErlaB der Vorschriften bezweckten Schutz der Gesellschafter und Dritter hingewiesen. Die BeschluBempfehlung zum Bilanzrichtliniengesetz des Rechtsausschusses des deutschen Bundestags vom 13. 11. 1985, BT-Drs. XI4268, S. 87, spricht ausdrucklich vom Schutz der Kapitalgeber, der Glaubiger und anderer Dritter. Vgl. Baetge/Thiele, aaO, S.13.

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zenden Dritten aus den Personen besteht, die kraft Natur der Sache in Beziehungen zu dem Untemehmen stehen und von den Geschehnissen des Untemehmens beriihrt werden konnen, namlich die Arbeitnehmer, die Untemehmensleitung und die Marktpartner, bestehend aus Lieferanten und Abnehmern, sowie dariiber hinaus der Teil der Offentlichkeit, dem zumindest ein Interesse an der Rechnungslegung der GroBuntemehmen von volkswirtschaftlicher Bedeutung zugebilligt wird^'^^ Da der Glaubigerschutz somit iiber die technische Gruppe der Fremdkapitalgeber hinaus geht, dienen die Vorschriften der Rechnungslegung genauso all jenen, die ein Interesse an einer langfristigen Sicherung des Untemehmens haben^"^^. Demzufolge haben alle JahresabschluBadressaten Interesse an Informationen Uber die wirtschaftliche Lage des Untemehmens^^^. Zusatzlich besteht bei den JahresabschluBadressaten, die Auszahlungsanspriichen des Untemehmens entgegensehen, ein dariiber hinausgehendes Interesse an der Bemessung der Hohe der Auszahlung^^\ Die Anteilseigner wunschen in diesem Zusammenhang Informationen zur tjberwachung ihrer Investition, mithin der Geschaftsfuhrung; Glaubiger und Marktpartner ebenso wie Arbeitnehmer - sind dagegen an aussagekraftigen Informationen iiber die Bestandigkeit des Untemehmens interessiert, um so auf der Gmndlage verlaBlicher Daten fundierte Entscheidungen iiber kiinftige Kreditengagements oder die weitere Bereitstellung ihrer Arbeitskraft treffen zu konnen^^^. Der Gedanke der Kapitalerhaltung wird manifestiert, indem die Ausschtittungsbemessungsgrenzen fur ein hoheres Haftungskapital Sorge tragen^^^. Die Rechnungslegung verfolgt neben den individualisierbaren Interessen auch den Schutz von Interessen der AUgemeinheit. Geschiitzt werden soil sowohl die Funktionsfahigkeit des Zahlungs- und Kreditverkehrs als auch die Funktionsfahigkeit des Kapitalmarkts insgesamt^^"^. Letzteres geschieht durch Entgegenwirken der asymmetrischen Informationsverteilung von relevanten Informationen, um das knappe Kapital einer

Vgl. Baetge/Thiele, aaO, S. 13. Ein berechtigtes Interesse der Offentlichkeit an Nicht-GroBuntemehmen kann auch damit begriindet werden, da6 die Offentlichkeit die Gruppen der potentiellen Anteilseigner, Glaubiger, Arbeitnehmer usw. verkorpert. Vgl. zu den unterschiedlichen Gruppierungen von Informationsadressaten auch bei Leffson, aaO, S. 42; Zeitler, aaO, S. 600; Ballwieser, aaO, S.26f. Mit diesen Informationsinteressen korrespondiert der JahresabschluBzweck der Rechnungslegung; vgl. Leffson, aaO, S. 63-90; Baetge, aaO, S. 94ff. Daher korrespondiert mit den Zahlungsbemessungsinteressen der JahresabschluBzweck der Kapitalerhaltung; vgl. Leffson, aaO, S. 9Iff, Baetge, aaO, S. 102ff. Vgl. Baetge/Thiele, aaO, S. 15 mwN. Vgl. Baetge/Thiele, aaO, S. 18. Vgl. Baeteg/Thiele, aaO, S. 16 mwN.

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moglichst effizienten Verwendung zuzufuhren^^^. Der weite Kreis von Adressaten an den unterschiedlich ausgerichteten Informationen richtet divergierende, beinahe kontrare Interessen an den JahresabschluB, was eine Vielzahl kleiner heterogener Informationsgruppen zur Folge hat. Dementsprechend besteht ein hunter StrauB relevanter Infonnationszwecke und Schutzzwecke. Die handelsrechtliche Rechnungslegung kann der daraus resultierenden Interessenvielfah nicht in vollem Umfang gerecht werden, weil die Erfullung von Informationsinteressen der Glauhiger mit der Erfullung der Zahlungshemessungsinteressen der Anteilseigner in Widerspruch steht^^^. (b) Zielsetzung der Rechnungslegung Die handelsrechtliche Rechnungslegung dient primar, aber nicht ausschlieBlich, dem Glaubigerschutz, wodurch es bei der Ermittlung und Anwendung der Grundsatze ordnungsgemaBer Bilanzierung teilweise zu Interessenkonflikten kommt^^^. Die daraus entstehenden Konflikte konnen in der Praxis nicht immer gelost werden, ohne einer Interessengruppe den Vorzug zu gewahren. Das fiihrt nicht immer zu stringenten Losungen. Ungereimtheiten tauchen dabei naturgemaB an den Stellen auf, an denen die Rechnungslegung und Bilanzierung ohnehin den Weg der eindeutigen Objektivierbarkeit verlassen, wie bspw. bei der Bilanzierung von Ruckstellungen. Um den dargestellten Aufgaben der Bilanz gerecht zu werden, bestimmt der Gesetzgeber deren objektive MaBstabe. Denn mit den durch die Bilanz vermittelten Informationen werden untemehmensinteme Entscheidungen der Untemehmensleitung zum Zwecke effizienter Betriebssteuerung und untemehmensexteme Entscheidungen der Offentlichkeit in Person der Fremdkapitalgeber, der Lieferanten, der Arbeitnehmer, der Finanzamter und der Anleger sowie der Kunden uber die weitere Beziehung mit der Untemehmung getroffen^^^.

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Vgl. Hopt, aaO, 403f. Vgl. Baetge/Thiele, aaO, S. 18. Vermag der Gesetzgeber auch den Schutz von Fremdkapital- und Eigenkapitalgebem auf der Ebene der Informationsinteressen zu losen, da die Informationsbediirfnisse durch die Ermittlung vergleichbarer Periodenergebnisse zu erfiillen sind, erscheint dieses Vorhaben auf der Ebene der Kapitalerhaltung perplex. Beide Gruppierungen - das heiBt Eigenkapitalgeber sowie Fremdkapitalgeber mochten das dem Untemehmen zur Verfugung gestellte Kapital regelmaBig schnellstmoglichst mit der groBtmoglichsten Rendite zuriick. Vgl. zum wenig nachvollziehbaren Dualismus zwischen Glaubigerschutz und Aktionarsschutz Budde/Steuber, aaO, S. 548, die das Spannungsfeld zwischen dem AusschiittugsbedUrfnis des gierigen Aktionars und dem vermeintlichen Bestandsinteresse der Glaubiger sehen. Vgl. Naumann, aaO, S 31ff.

d) Zwischenergebnis Danach ist festzuhalten, daB grundsatzlich zwei Typen von Bilanzen unterschieden werden: Die reine Vermogensbilanz und die Erfolgsbilanz. Welcher Bilanztypus im Einzelfall zu wahlen ist, hangt im wesentlichen von dem Zweck ab, der mit der Vermogensubersicht verfolgt wird. In der Praxis wird daher zwischen betriebswirtschaftlichen Bilanzen, die in Sonderfallen erstellt werden, und der standardisierten Bilanz im Rahmen der laufenden Rechnungslegung differenziert. Daneben kann es fur den Aussagegehalt der Bilanz eine Rolle spielen, ob die Bilanz im konkreten Einzelfall noch weitere Instrumente der Informationslegung zur Verfugung stehen. Als Zwischenergebnis ist im Hinblick auf die bilanzielle Abbildung von Belastungen femer festzuhalten, daB die handelsrechtliche Bilanzierung keine prazise Form der Informationslegung verfolgen kann, weil sie bei Offenlegung von relevanten Informationen die unterschiedlichen schutzwurdigen Interessen der Informationsempfanger der Rechnungslegung, und damit der Bilanzierung, beachten muB. Der Ansatz von Risiken gestaltet sich daher schwierig.

e) Folgerungen fur die Uberschuldungsbilanz Im Rahmen der kontinuierlichen Rechnungslegung ist es notwendig, den Adressaten der Rechnungslegung mit Informationen Uber das betriebswirtschaftliche Geschehen und die wirtschaftliche Verfassung des Untemehmens innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu versorgen. Zum Zwecke der Nachvollziehbarkeit geht damit das Bediirfnis einer entsprechenden Dokumentation einher. Dies gilt uneingeschrankt fur jede Form der Rechnungslegung, also auch fur die Uberschuldungsbilanz. Art und Umfang der erforderlichen Information bzw. Dokumentation sind grundsatzlich davon abhangig, ob die Bilanzierung einer Bestandsaufnahme oder einer Erfolgsberechnung dient. Die Rechnungslegung zur Bestandsaufnahme unterscheidet sich von der erfolgsorientierten Rechnungslegung dadurch, daB Ansatz und Bewertung relevanter Sachverhalte aus einer unterschiedlichen Perspektive erfolgen. Die Bestandsaufnahme fmdet funktional statisch statt^^^. Demgegeniiber erfaBt die Erfolgsaufnahme notwendigerweise die Vermogensbewegungen im Untemehmen - regelmaBig historisch, mit der Folge einer dynamischen Abbildung.

Vgl. Moxter, Grundsatze, aaO, S. 268f.

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Zugleich erfullt die Rechnungslegung durch die verantwortlichen Geschaftsorgane das Bediirfnis nach Rechenschaft. Dieses Bedurfnis besteht regelmaBig auf zwei Seiten. Auf der einen Seite steht das Management, das mit der Rechenschaft zugleich das Bediirfnis nach Entlastung verfolgt. Auf der anderen Seite werden die Interessen der Kapitalgeber bedient, die ein Interesse an einer plausiblen Auskunft iiber die Verwendung ihrer Kapitalmittel im operativen Geschaft haben. Nach den bisherigen Feststellungen im Zusammenhang mit den konzeptionellen Anforderungen an die Uberschuldungsmessung ist an dieser Stelle festzuhalten, da6 dort die Notwendigkeit einer Uberschuldungsbilanz besteht. Es handeh sich dabei um eine Sonderbilanz, die Auskunft uber die Belastungen des Schuldendeckungspotentials geben soil. Obwohl die Uberschuldungsmessung gerade nicht das Ergebnis der Insolvenzprufung vorwegnehmen darf und daher grundsatzlich weder von einem fortgefiihrten noch von einem zu liquidierenden Untemehmen ausgeht, ist die Uberschuldungsbilanzftinktionalein statisches Gebilde, da sich ihr Informationsgehalt nicht auf den Erfolg, sondem auf die Vermogenslage bezieht.

2. Gewinnung objektiver Mafistdbe der Bilanzierung a) Abhdngigkeit der objektiven Mafistdbe und deren materieller Ausgestaltung von der Funktion der Rechnungslegung Der handelsrechtliche JahresabschluB und dessen Bestandteile einschlieBlich der Bilanz sind gem. § 243 Abs. 1 HGB nach den Grundsatzen ordnungsgemaBer Buchfuhrung aufzustellen. Gem. §§ 264 Abs. 2, 297 Abs. 2 HGB gelten diese Grundsatze auch bei der Darstellung der Finanzlage, der Vermogenslage und der Ertragslage von Kapitalgesellschaften und Konzemen. Daher werden die Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung als die Generalnormen zur Auslegung von Bilanzierungsvorschriften verstanden^^^. Dementsprechend kann die Handelsbilanz auch indizielle Bedeutung fur die insolvenzrechtliche Uberschuldung haben^^\ Die handelsrechtlichen Grundsatze der ordnungsgemaBen Buchfuhrung werden deduktiv von den Pramissen der handelsrechtlichen Rechnungslegung - Glaubigerschutz und Information - abgeleitet, welche ihrerseits aus der Zweckbestimmung der Bilanzierung

"° Vgl. Kuhn, aaO, S. 303. ^^^ Vgl. auch BGH. Urt. v. 17.03.2005 - H ZR 138/03, S. 4.

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hervorgehen^^^. Daraus folgt, da6 sowohl die Ermittlung als auch die Auslegung der Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung grundsatzlich durch den Zweck der Bilanz determiniert werden ^^^ Die Ausgestaltung jeder Rechnungslegung hangt daher von ihrer Zwecksetzung ab^ .

b) Handelsrechtlicher Ansatz DemgemaB entwickelt sich das System der Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfiihrung im kontinuierlichen UntemehmensprozeB zweckgebunden. Immanente Grundwertungen bestimmen den strukturellen Rahmen der objektiven MaBstabe der kontinuierlichen Rechnungslegung.

(1) Strukturbestimmende Grundwertungen Die bilanztheoretischen Grundelemente haben das Normengefuge der bilanzrechtlichen Materie zwar erheblich beeinfluBt, dennoch fuBt das System der Handelsbilanz nicht auf einer geschlossenen Bilanztheorie^^^. Die Rechnungslegung wird durch die Vorschriften der handelsrechtlichen Bilanzierung fiir Kaufleute gepragt. Allein das Handelsrecht kodifiziert Bestimmungen hinsichtlich der Rechnungslegung. Die Vorschriften der §§ 238, 243 HGB postulieren die Dokumentation und die Aufstellung der Bilanz nach Grundsatzen ordnungsgemaBer BuchfUhrung. Zusatzlich sind im HGB Ansatzvorschriften und Bewertungsvorschriften verfaBt. Die Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung erganzen diese handelsrechtlichen Bestimmungen zur Rechnungslegung, die nicht samtliche relevanten Wertungen und Sachverhalte erfassen und abbilden konnen^^^. Die kodifizierten Vorschriften sowie die Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung lassen Ruckschlusse auf eine Systematik der Bilanzierung zu, der grundsatzlich jede Form der Rechnungslegung unterliegt - die handelsrechtliche ReVgl. Kuhn, aaO, S. 304; philosophisch zur Methode der Deduktion bei Leffson, aaO, S. 27ff, der die Ermittlung der Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung unter Berufung auf Popper und Kant als einen Gegenstand der Erkenntnislogik bewertet. Seit der grundlegenden Arbeiten von Leffson (Die Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung, erstmals erschienen im Jahre 1964), aaO, S. 1221, werden nahezu unumstritten die JahresabschluBzwecke als entscheidend fiir die Gewinnung und Auslegung der Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung angesehen; vgl. dazu auch Baetge/Thiele aaO, S. 11. Vgl. Moxter, Gewinnermittlung, aaO, 306. Vgl. Leffson, aaO, S. 158f (Ziff 501) der zutreffend anmerkt, es ware zwar angenehm, die Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung aus einem geschlossenen bilanztheoretischen System abzuleiten, gleichwohl erkennt, daB sich so andererseits jeder gefundene Grundsatz ordnungsgemaBer Buchfuhrung der Kritik der anderen Theorien aussetzen wiirde. Vgl. oben sub C IL 1. b). Vgl. Baetge, aaO, S. 104.

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gelbilanz ebenso wie die Sonderbilanzen^^^. Die Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung schaffen eine Systematik von Noraien, die in bestimmten Ableitungszusammenhangen zueinander stehen und von denen die wichtigsten im HGB kodifiziert sind^^^. Das System der Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung schafft die Gebote, die innerhalb einer sachgerechten Bilanzierung beachtet werden miissen^^^. Gleichzeitig sind die anzuwendenden Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung im Einzelfall nach dem jeweiligen Bilanzierungszweck auszurichten. Die Gewinnung von Grundsatzen ordnungsgemaBer Buchfuhrung erfolgt nach heutiger Auffassung deduktiv^^°. Die deduktive Methode erscheint in einer rein betriebswirtschaftlichen als auch in einer handelsrechtiich orientierten Variante^^\ Die deduktive Methode allein, die fiir die Gewinnung der Grundsatze ordnungsgemaBer Bilanzierung von dem Zweck des Jahresabschlusses ausgeht^^^, ist aus heutiger Sicht zur Gewinnung von Grundsatzen ordnungsgemaBer Bilanzierung nicht hilfreich. Denn der Zweck des Jahresabschlusses ist im einzelnen umstritten. Ursachlich sind die unterschiedlichen bilanztheoretischen Ansatze. So verfolgt der JahresabschluB unterschiedliche Ziele wie bspw. Rechenschaft oder Kapitalerhaltung in Form der Ausschuttungsbemessung, deren Gewichtung untereinander die Auslegung der Bilanzierungsgrundsatze beeinfluBt^^^. Da also kein allgemein anerkannter Bilanzierungszweck vorliegt, wird die deduktive Methode in ihrer heute angewandten Form auf der Basis der Hermeneutik^^'* modifiziert. Dies ist moglich, seit der Gesetzgeber einen Rahmen geschriebener Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung geschaffen hat. Diese werden konkretisiert, soweit sie auslegungsbedurftig sind, und notwendige Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung entwickelt, soweit sie (noch) nicht als kodifizierte Auspragung der Grundsatze normiert sind^^^. Daraus ergibt sich ein System von Grundsatzen ordnungsgemaBer Buch-

Vor Inkrafttreten des BiRiLiG 1985 waren die Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung nur ansatzweise kodifiziert. Vgl. Beisse, Die Generalnorm, aaO, S. 40ff. Vgl. Dollerer, GoB, aaO, S. 1218, der bilanzrechtlich fiir Riickstellungen erforderliche Ansatz wird ebenso aus der Gesamtsystematik der Rechnungslegung abgeleitet. Vgl. Arians, aaO, S. 366; Baetge, aaO, S. 106f. Demgegeniiber wird die Methode zur Gewinnung der anzuwenden Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung auf induktiver Basis heute nicht mehr vertreten. Die induktive Methode basierte auf dem Handelsbrauch, bzw. den Ansichten und Gepflogenheiten ordentlicher Kaufleute. Kritisch an dieser empirischen Methodengewinnung ist zum einen, daB sie bei neuen bilanzierungsrelevanten Sachverhalten versagt. Zum anderen fehlt es ihr sowohl an einer dogmatischen als auch an einer systematischen Grundlage, da sich im Einzelfall gerade nicht ohne weiteres ermitteln laBt, welche Ansicht dazu ein ordentlicher und ehrenwerter Kaufmann vertritt; vgl. Tischbierek, aaO, S. 11; Baetge, aaO, S.95. Vgl. zu dieser Terminologie Baetge, aaO, S. 95ff. Vgl. Baetge, aaO, S. 106. Vgl. hierzu Baetge, aaO, 106. Vgl. dazu etwa bei Baetge, aaO, S. 106ff. Vgl. Moxter, System der handelsrechtlichen GoB, aaO, S. 21.

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fUhrung, innerhalb dessen die in ihm enthaltenen Grundsatze in Wechselwirkung stehen und grundsatzlich kein Uber- und Unterordnungsverhaltnis besteht^^^. So stehen bspw. das Vorsichtsprinzip und das Prinzip der Stetigkeit nebeneinander. Zeigt sich aber, da6 ein Anlagegut vor Ablauf der geplanten Nutzungsdauer bis zur Unbrauchbarkeit abgenutzt sein wird, so gebietet das Vorsichtsprinzip eine auBerplanmaBige (zu eriauterade) Abschreibung. Femer wird das Vorsichtsprinzip als Leitgedanke verstanden, das vor dem Hintergrund des Glaubigerschutzes objektiviert werden mu6, durch die sog. Objektivierungsprinzipien. Gleichwohl pragt das Zusammenspiel von Vorsicht und Objektivierung das Realisationsprinzip, das seinerseits teilweise durch das Imparitatsprinzip modifiziert wird^^^. Die Grundwertungen der handelsrechtlichen Bilanzrechtsordnung, die Vermogensermittlung bzw. die Gewinnermittlung^^^, gehen Uberwiegend auf das wirtschaftliche Verstandnis der Bilanz im Rechtssinne zuriick. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise der Bilanz im Rechtssinne, die dem Bilanzrecht heute erlaubt, in einem offenen System von Grundsatzen ordnungsgemaBer Buchfuhrung sachverhaltsnah, einzelfallbezogen und dennoch systemgerecht zu entscheiden, geht maBgeblich auf den EinfluB von Heinrich Beisse zuriick^^^. Heinrich Beisse hat mit der Methode der teleologischen Auslegung im Bilanzrecht der Betriebswirtschaftslehre einen neuen Stellenwert in der (Bilanz-) Rechtsanwendung verschafft. Die Bilanzierung steht nicht unter streng juristischen Formalitaten, sondem wird vielmehr vom Leitbild eines ordentlichen Kaufmanns gepragt, der die Rechnungslegung nicht nur als Zahlenwerk sieht, sondem der primar bestrebt ist, sein Untemehmen langfristig zu erhalten, und kredit- und vertrauenswUrdig sein mochte, indem er seine Zahlungsverpflichtungen erfullt und offenlegt. Es geht daher um eine existenzsichemde Rechnungslegung. Vermogen und Gewinn sollen danach so bestimmt werden, daB auf der Basis dieser Berechnung der Betrag ermittelt wird, der dem Untemehmen entzogen werden kann. Dabei steht auf der einen Seite der Kaufmann selbst, dem das Untemehmen als Einkommensquelle dient^^^, und auf der anderen Seite auBenstehende Dritte, meist Glaubiger, denen gegeniiber unverfalscht Rechenschaft zu legen ist^^\ Damit geht es einmal um die Konkretisierung von Gewinnanspriichen durch Schutz vor Gewinnverkiirzungen bzw. Gewinnverlangerungen und andererseits um die Konkretisierung von InVgl. Baetge, aaO, S. 114ff. Vgl. dazu Eibelshauser, aaO, S. 156f. Vgl. Euler, aaO, S. 188. Vgl. hierzu nachfolgend Beisse, Glaubigerschutz, aaO, S. 87mwN. Vgl. Beisse, Glaubigerschutz, aaO, S. 87. Vgl. Beisse, Glaubigerschutz, aaO, S. 93.

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formationen durch Selbstinformation sowie objektivierte Darstellung, mithin um den Glaubigerschutz^^^. Der Glaubigerschutz steht unter dem EinfluB von kontraren Interessen: der Ausschiittungsbemessung und der Kapitalerhaltung. Der Vorstellung im Sinne der dynamischen Bilanztheorie, die Bilanz enthalte lediglich Verrechnungsposten, wird damit eine Absage erteilt^^^. Das bedeutet gleichzeitig, daB eine einzelne Regelung der Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung nicht auf einzelne Gruppen der am JahresabschluB Interessierten zugeschnitten sein darf, sondern einen Ausgleich widerstreitender Interessen schaffen soll^^.

(2) Struktur der Prinzipien Der Struktur des Systems der Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung liegen die Grundwertungen der jeweiligen Rechnungslegung zugrunde. Als unkodifizierte Grundwertungen der handelsrechdichen Bilanzierung sind dies die Prinzipien der Erfolgs- bzw. Gewinnermittlung, die dem Adressaten primar Auskunft Uber Erfolg und Gewinn geben^^^. Daher wirken sich diese Prinzipien insbesondere bei der Ausgestaltung der Anspriiche auf Gewinn und der entsprechenden Information uber den Erfolg aus. Relevanter Parameter fur die Faktoren Gewinn und Erfolg ist die Vermogenslage des Untemehmens. Mithin werden als wesentiiche Stutzen der Rechnungslegung die Normierungen hinsichtlich der Vermogenslage gesehen. Relevant fur Ansatz und Bewertung werden die Prinzipien der Vorsicht, der Realisation, der Imparitat und der Objektivierung gehalten^^^. Die Gewinnanspruche werden im Ergebnis auch deutlich dominiert durch das Prinzip der Vorsicht und den Prinzipien der wirtschaftlichen Vermogensermittlung^^^. Das Prinzip der Vorsicht, das letztlich verhindem soil, daB sich der bilanzierende Kaufmann ungerechtfertigt reich oder arm rechnet, wirkt sich in seiner konkreten Ausgestaltung auf nahezu alle Ansatz- und Bewertungsvorschriften aus, indem es genaue Bilanzierungsanweisungen bspw. dort gibt, wo Interessen der Adressaten verletzt werden, oder wenn aufgrund ungewisser Erwartungen eine Bandbreite von Entscheidungen moglich ist^^^. Die voreilige Bilanzierung von Forderungen Oder Schulden kann den Saldo entsprechend verlangem oder verkUrzen. Die Wirkung ist eine Erhohung des Ausschiittungspotentials bzw. eine Verringerung des SchuldenVgl. Moxter, Grundwertungen, aaO, S. 348f. Vgl. Beisse, Rechtsfragen, aaO, S. 505; Leffson, aaO, S. 159. Vgl. Uffson, aaO, S. 135 (Ziff 334). Vgl. Euler, aaO, S. 188. Vgl. Zeitler, aaO, S. 600f. Vgl. dazu Euler, aaO, S. 176ff, 188, der in diesem Zusammenhang die Prinzipien der Einzelbewertung und der Fortfuhrung betont. Wie bspw. bei Ruckstellungen; vgl. Baetge, aaO, S. 137.

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deckungspotentials. Das sucht der Gedanke des Glaubigerschutzes zu verhindern. Entsprechend soil die Rechnungslegung stets den true-and-fair-view gewahrleisten^^^. Konkretisiert durch das Realisations- und das Imparitatsprinzip stellt das Vorsichtsprinzip zudem sicher, dass Gewinne erst bei ihrer Realisation durch den UmsatzprozeB auf dem Absatzmarkt auszuweisen sind, wahrend Risiken und Verluste bereits bei ihrer Entstehung zu beriicksichtigen sind^^^. So stellt das Realisationsprinzip bspw. sicher, da6 sich der Bilanzierende nicht reich rechnet, indem Gewinne, die noch nicht realisiert sind, grundsatzlich nicht als Vermogenswerte anerkannt werden. Diese ungleiche Behandlung von negativen und positiven Erfolgsbeitragen ist auf den institutionellen Glaubigerschutz durch gesellschaftsrechtliche Kapitalerhaltung zuriickzufiihren^^^ und fuhrt zwangslaufig zu Informationsverzerrungen. Dem allgemeinen BedUrfnis nach Information wird innerhalb des kodifizierten Rahmens mit den Normen iiber Gliederung von Bilanz und GuV-Rechnung sowie iiber den Anhang, den Lagebericht und die Konzemrechnungslegung Rechnung getragen^^^. Jedoch lassen sich die der deutschen Rechnungslegung aufgrund des institutionellen Glaubigerschutzes immanenten Informationsverzerrungen bzw. -defizite schwerlich durch Anhangangaben kompensieren^^^. Das ebenfalls fUr den Ansatz und die Bewertung relevante Prinzip der Objektivierung soil eine willkiirliche Bilanzierung verhindern. Der Konkretisierung der Objektivierung dienen die Grundsatze der Klarheit gem. §§ 243 Abs. 2, 247 Abs. 1 HGB, der Vollstandigkeit gem. § 246 Abs. 1 HGB, der Zeitnahe gem. § 243 Abs. 3 HGB und das Jahresprinzip gem. § 246 Abs. 1, 247 Abs. 1 HGB^^"^. Die Vermogensermittlung wird bspw. gepragt durch die allgemeinen Prinzipien wie dem Gedanken der Fortfuhrung, der wirtschaftlichen Vermogensbetrachtung (substance over form), des Prinzips des AbschluBstichtags sowie von besonderen Objektivierungsprinzipien^^^. FUgt man die Prinzipien strukturell zusammen, ergibt sich die dem deutschen Rechtsverstandnis typische Struktur: Es existieren allgemeine Grundwertungen und Prinzipen, die vor die Klammer gezogen sowohl Ansatz als auch Bewertung pragen. Vgl. dazu auch Budde/Steuber, aaO, S. 549. Vgl. den Wortlaut von § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Vgl. Berberich, aaO, S. 261. Vgl. Kuting/Hutten, aaO, S. 416f; Zeitler, aaO, S. 601. Vgl. Berberich, aaO, S. 264. Der dariiber hinaus darauf hinweist, daB die grundsatzlich vergangenheitsorientierte Rechnungslegung keine Informationen iiber die zukiinftige Entwicklung des Untemchmens liefert, aber auch eine - im deutschen Bilanzrecht noch nicht ausgepragte - Dynamisierung der Rechnungslegung dazu nur begrenzt geeignet ist. Eine bessere Informationsgewinnung sieht er in einer dem Jahresabschluss hinzuzufugenden Segmentberichterstattung und Kapitalflussrechnung. Er weist aber darauf hin, daB in die sem Fall auch kein AnlaB mehr dafUr besteht, den die deutsche Rechnungslegung bestimmenden (und zu Informationsverzerrungen fiihrenden) Kapitalerhaltungsgedanken Preis zu geben; vgl. hierzu Berberich, aaO, S. 266. Vgl. Beisse, Glaubigerschutz, aaO, S. 16. Vgl. Moxter, Grundwertungen, aaO, S. 35If.

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Daneben bestehen spezielle Prinzipien, die entweder fur Fragen des Ansatzes oder der Bewertung maBgeblich sind. Die erforderliche Rechtssicherheit innerhalb der Bilanzrechtsordnung wird durch die unkodifizierten Grundwertungen der AusschUttungsbemessung geschaffen, die durch ihre Kodifizierung in Gestalt von Einzelnormen eine hinreichende Objektiviertheit aufweisen^^^. Als die wichtigsten kodifizierten Grundsatze gelten: Der Grundsatz der Vollstandigkeit gem. § 246 HGB, der Grundsatz der Fortfuhrungsbewertung gem. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB, der Grundsatz der Einzelbewertung gem. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB und das Vorsichtsprinzip^^^, das sowohl durch das Realisationsprinzip als auch durch das Imparitatsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB materiell konkretisiert ist. Daneben beinhalten die §§ 246 bis 251 HGB weitere Ansatzvorschriften und die §§ 252 bis 256 HGB weitere Bewertungsvorschriften wie bspw. das Periodisierungsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB oder das Gebot der Stetigkeit gem. § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB. GemaB § 246 HGB mu6 der JahresabschluB grundsatzlich „samtliche Vermogensgegenstande, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Ertrage enthalten". Vermogensgegenstande sind gemaB ihrer beabsichtigten Nutzung im regelmaBigen UntemehmensprozeB mit ihren Fortfiihrungswerten und nicht zu Liquidationswerten anzusetzen^^^. Die Abbildung der Bilanzgegenstande ist wegen des Ausgleichs der Interessen unterschiedlicher Informationsempfanger und der damit verbundenen Objektivitat einzeln erforderlich^^^. Das Einzelbewertungsprinzip gewahrleistet die Einhaltung der Informationspflicht fiir jeden relevanten Vorgang durch einzelne Dokumentation^®^. Der Einzelbewertung liegt das Anschaffungs- bzw. Herstellungsprinzip zugrunde. Der Grundsatz der Einzelbewertung wird daher in engem Zusammenhang mit dem Vorsichtsprinzip und den Grundsatzen der Kapitalerhaltung gesehen.

^^ Hinreichende Objektiviertheit bedeutet hier, daB die Einzelnormen keine wesentlichen Ermessensspieh-aume zulassen; vgl. Moxter, Grundwertungen, aaO, S. 359. ''^ Diese Terminologie geht auf Moxter, Fremdkapitalgewahrung, aaO, S. 397, zuriick. ^'* Vgl. Baetge, aaO, S. 121 f. Das Konzept der Bilanziening zu Fortfiihrungswerten resultiert aus der Zwecksetzung des Jahresabschlusses, Rechenschaft Uber den periodengerechten Jahreserfolg abzugeben. Konkretisiert wird das Prinzip der Fortfiihrung bspw. durch die Zulassigkeit planmaBiger Anschreibungen (Wertermittlung auf der Basis der ermittelten Anschaffungs- oder Herstellungskosten, Festlegung von Nutzungsdauer und Restwert). ^^ Vgl. Baetge, aaO, S, 121f. Der JahresabschluB soil auch nicht eine Gesamtbewertung des Unternehmens darstellen, sondern das vorhandene Schuldendeckungspotential abbilden. ^^ Moxter, Grundwertungen, aaO, S. 353, der das Einzelbewertungsprinzip als notwendige AusprUgung des Vorsichtsprinzips sieht.

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(3) Zwischenergebnis Dementsprechend beeinflussen die elementaren Gnindwertungen wechselseitig die Anwendung der Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung^°\ Exemplarisch laBt sich anhand der Bilanzierungsgrundsatze deren Abhangigkeit von iibergeordneten Gnindwertungen aufzeigen. Neben den Gnindwertungen handelsrechtlicher Rechnungslegung und Bilanzierung nach Glaubigerschutz und Kapitalerhaltung steht das Bedurfnis, den Eigenkapitalgeber wie auch den Fremdkapitalgeber mit Informationen iiber die wirtschaftliche Lage des Bilanzierenden zu versorgen. Glaubigerschutz darf in diesem Zusammenhang aber nicht im Sinne eines iibergeordneten Interesses ausschliefilich zugunsten der Fremdkapitalgebers verstanden werden, sondem mu6 vielmehr im Lichte der Kapitalerhaltung zugleich als langfristiges Sicherungsmittel zugunsten des Untemehmens verstanden werden^^^. Diese Ambivalenz des Glaubigerschutzes fUhrt zur Notwendigkeit einer angemessenen Berticksichtigung von Fremdkapitalgebem und Untemehmenseigentumem in der kontinuierlichen Rechnungslegung, deren Interessen aber gerade in der Krise erheblich auseinandergehen durften. Die Informationsvermittlung dient generell der Vorbereitung von Entscheidungen, die das Untemehmen betreffen. Damit sind nicht nur strategische betriebswirtschaftliche Entscheidungen gemeint, sondem auch Verbindungen mit Dritten wie bspw. mit Kreditgebem, Untemehmenskaufem oder Kooperationspartnem^^^, die alle mit relevanten Informationen versorgt werden miissen^^.

3, Ergebnis Der Betrieb eines wirtschaftlichen Untemehmens bedarf einer Rechnungslegung, die Auskunft Uber die Lage des Untemehmens, den Status des Vermogens und dessen vergangene Entwicklung gibt sowie zudem eine pragmatische Einschatzung der zuBeispielhaft sei hier auf das Einzelbewertungsprinzip verwiesen. Wegen des Interessenausgleichs zwischen Fremdkapital- und Eigenkapitalgeber ist die (subjektive) Gesamtbewertung des Untemehmens untersagt. Der exteme Glaubiger soil durch die einzelne Gegeniiberstellung von Vermogen und Schulden in die Lage gebracht werden, sich selbst ein detailliertes Bild uber das vorhandene Schuldendeckungspotential zu verschaffen. Eine Gesamtbewertung konnte zwar den in einem AkquisitionsprozeB erzielbaren Erlos darstellen. Damit wurden aber zukunftige (geschatzte) Zahlungsstrome in die informatorische Abbildung des Unternehmens einflieBen, die mit den Geboten der Objektivierung nicht zu vereinbaren sind, Vgl. dazu auch Baetge, aaO, S. 121f. Vgl. Zeitler, aaO, S. 600. Vgl. Ballwieser, aaO, S. 26. Auch hieran wird deutlich, daB die Vorschriften iiber den JahresabschluB nicht auf die Uberschuldung anwendbar sind.

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kiinftigen Entwicklung ermoglicht. Der Status des Vermogens wird grundsatzlich in der Bilanz abgebildet, fur deren Erstellung bestimmte Grundsatze gelten. Sonstige Risiken werden im Lagebericht dargestellt^^^. Solange das Unteraehmen auf Dauer angelegt ist, ist eine periodische Abbildung der zur Rechenschaftslegung erforderlichen Daten und Information gewiinscht. Der Informationsgehalt einer Bilanz wird funktional bestimmt und kann je nach Adressat variieren. Die deutsche Bilanzierung unterliegt dabei dem Dilemma, einer inhomogenen Masse von Adressaten gerecht werden 606

zu mussen

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Die Rechnungslegung unterliegt somit einer eigenen Konzeption von Grundsatzen ordnungsgemaBer BuchfUhrung, die von ihren Zielen gepragt ist^°^. Ist der Zweck der Bilanzierung hinreichend bestimmt, konnen davon die materiellen Grundsatze ihrer Erstellung abgeleitet werden. Die Zwecksetzung der handelsrechtlichen Rechnungslegung besteht im wesentlichen in der Information (Rechenschaft) und dem Glaubigerschutz (Kapitalerhaltung). Diese Grundwertungen beeinflussen maBgeblich die Grundsatze der handelsrechtlichen Rechnungslegung. Bilanzierungsfragen konnen nicht beantwortet werden, ohne daB diese Prinzipien hinreichend und angemessen beriicksichtigt werden^^^. Die der Rechnungslegung zugrundeliegenden Grundsatze mussen daher zweckgerecht ausgestaltet sein und in Wechselwirkung zueinander die Gesamtkonzeption der Rechnungslegung tragen. Die Gesamtkonzeption gibt demzufolge die Ausgestaltung der Grundsatze vor, die im Einzelfall zur Abbildung der jeweiligen betriebswirtschaftlichen Situation am besten geeignet sind. Die Gewinnung und Auslegung von Bilanzierungsgrundsatzen erfolgt deduktiv anhand der Geschehnisse am Markt. Daraus folgt, daB ebenso wie die bilanzielle Vermogensabbildung im kontinuierlichen UnternehmensprozeB zweckmaBig zu erfolgen hat, Art und Umfang der Vermogensabbildung in besonderen Situationen durch ihren Zweck bestimmt werden. Die Vermogensabbildung in der Untemehmenskrise stellt eine seiche besondere Situation dar. Entsprechend gilt die Pramisse der zweckmaBigen Bilanzierung auch in der Untemehmenskrise bzw. in der damit verbundenen Insolvenz, soweit die rechnerische Uberschuldung festzustellen ist. Primar ist die Uberschuldungsbilanzierung Informationslegung uber die Vermogenslage der Gesellschaft. Wie sich das auf die Bilanzierungsgrundsatze im einzelnen auswirkt, ist Gegenstand des folgenden Abschnitts.

Gem. § 289 HGB erfolgt die Risikoberichterstattung zwingend im Lagebericht. ^ So auch Budde/Steuber, aaO, S. 549. ^^ Dies folgt bereits methodisch nach den Grundsatzen der teleologischen Auslegung. Vgl. zur Methodik auch BGH WM 1973, 307; 1978, 1044; Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64 Rn 14. V

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///.

Anforderungen und Ausgestaltung einzelner Grundsdtze ordnungsgemdfier Bilanzierung zur Abbildung der Vermogenslage innerhalb der Uberschuldungsprufung

Nach den Feststellungen des vorherigen Abschnitts, wonach der Zweck der Bilanzierung die fur ihre Erstellung spezifischen Grundsatze bestimmt, ist es durch die Bestimmung von Bilanzierungszielen in der Situation der Untemehmenskrise moglich, die spezifischen Anforderungen der anzuwendenden Bilanzierungsgrundsatze zur Abbildung des Vermogens in der Untemehmenskrise und ihre Ausgestaltung zu gewinnen. Da eine analoge Anwendung einer sich abgeschlossenen Konzeption von Grundsatzen zur Bilanzierung eines bestimmten Sachverhalts auf die Abbildung des Vermogens im Rahmen der Uberschuldungspriifung gem. § 19 InsO zur Feststellung der rechnerischen Uberschuldung nicht in Betracht kommt, gilt es nun, einzelne Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung und Bilanzierung im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit in der konkreten Situation der Untemehmenskrise, das heiBt in der Uberschuldungsfeststellung, zu untersuchen, und, falls eine Anwendung moglich ist, ihren materiellen Gehalt in der entsprechenden Anwendung zu bestimmen. Im folgenden ist zunachst auf die Gmndsatze ordnungsgemaBer Bilanzierung im einzelnen einzugehen, die dabei in elementare und systematische Gmndsatze unterteilt werden. Die elementaren Grundsatze betreffen die allgemeine OrdnungsmaBigkeit von Buchfiihmng und Bilanziemng. Systematische Grundsatze haben regelmaBig Auswirkungen auf Ansatz und Bewertung, werden aber hinsichtlich ihres materiellen Gehalts von den allgemeinen Gmndsatzen gepragt^^^. Die systematischen Grundsatze sind nach ihrem Zweck zu bestimmen. Das Ergebnis dieser Zweckbestimmung wird mit dem Motiv der Uberschuldungsbilanz verglichen, um im AnschluB daran eine Feststellung dariiber zu ermoglichen, ob und gegebenenfalls inwieweit sich der materielle Gehalt des einzelnen Grundsatzes mit dem Zweck der Uberschuldungsbilanz vertragt, ob der materielle Gehalt zu modifizieren ist oder ob der materielle Gehalt moglicherweise auf die Situation der Krise gar nicht anwendbar ist. Die Ursachen hierfur konnen verschiedener Art sein. Moglicherweise paBt der entsprechende Gmndsatz prinzipiell schon nicht auf die Uberschuldungsbilanz, weil Motivation und Zielrichtung diametral ^^ Vgl. zur Gewinnung materieller Grundsatze anhand der Struktur der handelsrechtlichen Bilanzierungskonzeption oben sub C II. 2.

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sind. Denkbar ist aber ebenso, da6 eine strikte Anwendung eines Prinzips fur die Abbildung der Vermogenslage einfach nicht notwendig erscheint.

1, Prinzipielle Anforderungen der Uberschuldungsbilanzierung a) Elementare Anforderungen an die Uberschuldungsbilanzierung Aus den bisherigen Ergebnissen lassen sich bestimmte elementare Anforderungen an den materiellen Inhalt der Uberschuldungsbilanzierung stellen. Die Feststellungen der Uberschuldungsrechnung miissen zunachst hinreichend objektiviert sein. Dies gilt nicht nur fur die Prognose, die durch ein hohes MaB an Objektiviertheit dem Ermessen der fur die Uberschuldungsfeststellung Verantwortlichen moglichst weitgehend entzogen ist^^°, sondern erst recht auch fur die Grundsatze der Uberschuldungsbilanzierung. Denn das Ergebnis mu6 verlaBlich Auskunft iiber einen gegebenenfalls vorhandenen Fehlbetrag geben. Demzufolge mu6 ein determinierender Grundsatz das Prinzip der Objektivitat sein^". Im Vertrauen auf eine hinreichende Objektivitat der Uberschuldungsbilanz lassen sich die notwendigen Informationen ableiten, die in der Phase der Untemehmenskrise Grundlage weiterer Obliegenheiten und Entscheidungen sind^*^. Zudem mu6 die Uberschuldungsbilanz plausibel Information iiber die Vermogenslage des Untemehmens geben, da ihr Ergebnis eine Reihe bedeutender Folgeentscheidungen betrifft. Die Information betrifft das Verhaltnis von Vermogen und Schulden. Reicht das statische Schuldendeckungspotential nicht aus, wird aufgrund der ermittelten Information die zukunftige Belastung errechnet, um den Umfang der zur Lebensfahigkeit erforderlichen Wirtschaftlichkeit zu bestimmen. Nur wenn die Lebensfahigkeit bejaht wird, darf die Gesellschaft weiterhin bestehen. Andemfalls besteht die materielle Pflicht gegeniiber dem durch die Krise betroffenen Personenkreis zur Einleitung des Insolvenzverfahrens^^^. Aufgrund dieser Verantwortung mu6 die Uberschuldungsbilanz entsprechend den Ordnungsprinzipien jeder Bilanzierung erstellt werden. Namentlich sind das die Prin-

^'° So auch Vonnemann, aaO, Rn 52. ^" Beim Grundsatz der Objektivitat handelt es sich um einen sog. Rahmengrundsatz. Rahmengrundsatze legen die grundlegenden Anforderungen an die Informationsvermittlung fest, vgl. Baetge, aaO, S. 115. ^'^ Ahnlich auch Vonnemann, aaO, Rn 52. ^'^ Vgl. oben sub B m.2.

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zipien der Rechenschaft, der Richtigkeit, der Klarheit und Vollstandigkeit^^"^. In diesem Zusammenhang ist auch der Grundsatz der Dokumentation zu sehen. Die Obliegenheit der ordnungsgemaBen Bilanzierung laBt sich regelmaBig nicht ohne eine plausible Dokumentation erfUllen^^^. Gleichzeitig wirken die elementaren Grundsatze auch verpflichtend fur Art und Umfang der Dokumentation^^^. Richtig sind Abbildungen, die den realen wirtschaftlichen Tatbestanden entsprechen^^^, Gemeint ist damit aber nicht die Richtigkeit einer unternehmerischen Bewertung, sondern die jener Zahlen, die keiner unternehmerischen Bewertung bediirfen. Richtigkeit in diesem Sinne erfordert daher, da6 Grundlage jeder Abbildung die richtige Aufzeichnung eines Sachverhalts ist^^^. Klarheit verlangt nach einer formal richtigen Abbildung des Vermogensgegenstands. Das ist dann der Fall, wenn die Abbildung verstandlich ist^^^. Dabei taucht die Frage auf, ob bestimmte Kenntnisse vom Adressaten erwartet werden, damit fUr ihn die gegebene Information verstandlich ist. Im Hinblick auf Bilanzen ist das jedenfalls grundsatzlich nur insoweit erforderlich, als der Adressat a) eine eindeutige und sachlich zutreffende Bezeichnung des Vermogensgegenstandes, b) die Aufgliederung der Vermogenswerte in Funktionen und Aufgaben, c) die Investitionen und d) die Bewertung verstehen mu6^^^. Der Grundsatz der Vollstandigkeit beinhaltet daneben die luckenlose Erfassung aller Geschaftsvorfalle^^^ Die so verstandene Vollstandigkeit hat demgemaB rein quantitativen Charakter^^^. Die genannten Grundsatze sind fur die Uberschuldungsbilanzierung elementar und unverzichtbar. Sie gewahren eine richtige und vollstandige Informationslegung. In der Untemehmenskrise besteht die Notwendigkeit einer voUstandigen Informationslegung, damit die Entscheidungsfindung erforderlicher Vermogensdispositionen so fehlerfrei wie moglich stattfmden kann.

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Nach Leffson, aaO, S. 28, 163, 174ff handelt es sich dabei urn die „oberen" Grundsatze der Rechenschaft, die eigenthch aus dem Gebot der Bilanzwahrheit erwachsen sind, das allerdings originar umstritten ist. Einigkeit besteht allerdings wieder dariiber, daB die zur Bilanzwahrheit gehorende Willkiirfreiheit die Mutter der „oberen" Grundsatze der Rechenschaft ist. Kuiing/Wcbev-Baetge/Kirsch, aaO, I Rn 292 gehen terminologisch von den Rahmengrundsatzen aus. Zur Wechselwirkung von Dokumentation und Rechenschaft vgl. Leffson, aaO, S. 158. Vgl. Baetge, aaO, S. 102f; Leffson, aaO, S. 143f. Vgl. KuimgfWebcT-Baetge/Kirsch, aaO, I Rn 293, 295. Vgl. Leffson, aaO, S. 182f. Dementsprechend findet der Grundsatz der Richtigkeit seine Grenze in Schatzwerten. Vgl. Kutm$fV/tbQT-Baetge/Kirsch, aaO, I Rn 304. Vgl. Leffson, aaO, S. 189ff, der die Forderung, daB die Vermogensabbildung fur jedermann verstandlich sein miisse, fur zu weitgehend halt. Vgl. KutingAVeber-/:M/?maM/, aaO, § 239 Rn 3. Vgl. Leffson, aaO, S. 200.

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h) Anwendungsgehalt allgemeiner Bilanzierungsprinzipien Jedes System einer Rechnungslegung und Bilanzierung geht auf bestimme Grundsatze zuriick, deren Ausgestaltung im einzelnen von der Zielrichtung der Rechnungslegung und Bilanzierung abhangt. Das gilt auch fiir die Uberschuldungsbilanzierung. Diese Prinzipien stehen, wie im Zusammenhang mit der Vorstellung der Systematik der Bilanz im Rechtssinne dargestellt, in Wechselwirkung zueinander und werden inhaltlich vom Zweck der Uberschuldungsbilanz gepragt^^^. Die wichtigsten Prinzipien werden nachfolgend erortert und anhand der spezifischen Anforderungen der Uberschuldungsbilanzierung auf die konkrete Situation angepaBt, soweit eine Anwendung uberhaupt noch erforderlich ist.

(1) Das Gebot der Vorsicht Das Postulat des vorsichtigen Handelns im Bereich der Untemehmung erstreckt sich auch auf den Bereich der Rechnungslegung^^'*. Der Anwendungsbereich der Vorsicht tritt besonders dort in Erscheinung, wo Sachverhalte unsichere Erwartungen enthalten^^^. Aus Sicht der Gesellschaft mu6 vermieden werden, daB an sich gesperrtes Kapital ausgeschiittet wird. Materiell fmden die notwendigen Vorsichtserwagungen ihren Niederschlag sowohl im Realisationsprinzip als auch im Imparitatsprinzip^^^. Die Vorsicht realisiert sich allein bei der Wertbildung durch eine weitgehend objektivierte Schatzung^^^. (a) Realisation Das Realisationsprinzip ist in Zusammenhang mit der periodengerechten Erfolgsermittlung zu sehen. Es bestinmit, ab welchem Zeitpunkt Gewinne zu beriicksichtigen sind. Dieser Zeitpunkt ist ausweislich des Gesetzes der Zeitpunkt der Ertragsrealisati-

Vgl. zur Struktur der handelsrechtlichen Prinzipien sub C 11. 2. b). Leffson, aaO, S. 420ff, spricht sich vollkommen gegen die Charakterisierung der Vorsicht als eigenstandiges Prinzip aus. Inhaltlich besagt das Vorsichtsprinzip, daB sich der Kaufmann lieber armer als reicher rechnen solle; vgl. Baetge, aaO, S. 138f. Vgl. Leffson, aaO, S. 422. DaB das Realisationsprinzip Ausdruck des Vorsichtsprinzips ist, wurde durch die Umsetzung der 4. Richtlinie des Rates der Europaischen Union bilanzrechtlich festgelegt; Moxter, Das Realisationsprinzip, aaO, S. 1781 mwN bei Fn 21. Nach Leffson, aaO, S. 424, ist dazu erforderlich, daB die UngewiBheit kiinftiger Ereignisse quantifiziert wird, indem aus der Vergangenheit auf die Zukunft geschlossen wird.

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on^^^. Das heiBt, es dUrfen nur die Ertrage ausgewiesen werden, die sich durch einen „Umsatzakt am Absatzmarkt"^^^ bestatigt haben. Bis der aus der Lieferung oder Leistung eines Vermogensgegenstandes erzielte Erlos als vereinnahmt angesehen werden kann, ist der Vermogensgegenstand hochstens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen^^^. Beschafftingsvorgange bleiben erfolgsneutral, soweit nicht gemaB dem Imparitatsprinzip Verluste zu antizipieren sind^^^ (b) Imparitdt Das Imparitatsprinzip antizipiert erwartete negative Erfolgsbeitrage^"'^. Wahrend Gewinne nur bei ihrer Realisation berucksichtigt werden konnen, sind negative Erfolgsbeitrage bereits abzubilden, wenn sie vorhersehbar und dem abgelaufenen Geschaftsjahr zuzuordnen, also in diesem verursacht worden sind^^^. Konkretisiert wird das Imparitatsprinzip durch das Niederstwertprinzip^^"* und in der Verpflichtung zur Ruckstellungsbildung fur drohenden Verlust aus schwebenden Geschaften^^^. Das Imparitatsprinzip ist also nicht nur als Bewertungsgrundsatz, sondem auch als Ansatzgrundsatz von Bedeutung^^^. Vorhersehbar und zu beriicksichtigen ist jeder Verlustbeitrag, den ein vemiinftiger Kaufmann als Wertminderung, Verlust oder Schuld erkennen mu6^^^. Dazu werden selbstverstandlich nicht die Risiken und Verluste gezahlt, die aus dem allgemeinen Geschaftsrisiko resultieren^^^. Die vorhersehbaren Risiken und Verluste sind nach dem Gedanken der Bewertungsvorsicht zu schatzen^^^.

(2) Pagatorik, Fortfuhrung, Periodisierung, Vergleichbarkeit, Stetigkeit Der Systemgrundsatz der Pagatorik wirkt sich auf die Bewertung aus. Die Pagatorik gebietet die Abbildung von Sachverhalten ausschlieBlich durch die damit verbundenen

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Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4, HS.2 HGB: Gewinne sind nur zuberiicksichtigen, wenn sie am AbschluBstichtag realisiert sind [Hervorhebung durch Verfasser]. Vgl. Leffson, aaO, S. 247, 250. Simh-Kleindiek, § 252 Rn 25. Si2Mh-Kleindiek, § 252 Rn 25. Vgl. zum Imparitatsprinzip sub C HI. 1. b) (1) (b). Vgl. Leffson, aaO, S. 160. Die negativen Erfolgsbeitrage konnen ihrerseits auch auf sicheren Erwartungen beruhen, vgl. Leffson, aaO, S. 422. Handelsrechtlich hat sich das Imparitatsprinzip insbesondere in § 249 HGB niedergeschlagen. Vgl. ^i?iyxh-Kleindiek. § 252 Rn 33. Vgl. § 253 Abs. 3 HGB. Das Niederstwertprinzip bestimmt, daB Gegenstande des Umlaufvermogens auf den niedrigeren Borsen- oder Marktpreis oder auf den beizulegenden Wert abzuschreiben sind. Vgl. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB. Vgl. Si?i\xh-Kleindiek, § 252 Rn 33. Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 252 Rn 75. Vgl. KutingAVeber-5e/c/ierr, aaO, § 252 Rn 74 mwN. Vgl. KutingAVeber-5e/c/ierr, aaO, § 252 Rn 71, 76; Leffson, aaO, S. 420ff.

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Zahlungsvorgange. Beschaffte Faktoren sind danach grundsatzlich mit den vom Unternehmen tatsachlich geleisteten Zahlungen abzubilden. Die Pagatorik findet sich materiell in den Prinzipien der Anschaffungskosten beziehungsweise der Herstellungskosten wieder^^. Ein Sachverhalt kann aber nicht immer nur anhand von bereits geleisteten Zahlungen abgebildet werden. Denkbar ist ebenso die Notwendigkeit zur Bewertung von zukunftigen Ereignissen anhand von kiinftigen Zahlungen^\ Kunftig erwartete Zahlungen wie bspw. Wertminderungen durch erhohte Auszahlungen oder geringe Einzahlungen sind vielmehr nach den Pramissen des Vorsichtsprinzips bzw. des Imparitatsprinzips zu schatzen^"*^. Ebenfalls relevant fur die Bewertung ist grundsatzlich die Annahme der Fortfiihrung der Untemehmenstatigkeit. Die gesetzliche Vermutung spricht fur die Fortfiihrung des Untemehmens; sie kann aber durch entgegenstehende Gegebenheiten widerlegt werden^"*^. Soweit von der Untemehmensfortfuhrung ausgegangen wird, fmden die allgemeinen Bewertungsvorschriften Anwendung^"^. Danach sind Vermogensgegenstande entsprechend ihrer planmaBigen Nutzung bzw. Verwertung zu bewerten und Verbindlichkeiten entsprechend ihrer planmaBigen Tilgung abzubilden^^. Ausgangspunkt der Bewertung bilden die Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten. Vorsichtige Bewertungen unter der Annahme der Untemehmenszerschlagung sind daher grundsatzlich nicht gestattet^^. Funktional ist der Grundsatz der Fortfiihrung im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Periodisierung zu sehen, da die Bewertung entsprechend der planmaBigen Nutzungsdauer zu periodisieren ist^"^^. Das Prinzip der Periodisierung verlangt eine Zuordnung aller relevanten Einzahlungen und Auszahlungen zu ihrer jeweiligen Periode, um einen Periodenvergleich zu ermoglichen, wenn das Untemehmen auf Dauer angelegt ist^"*^. Das ist die Periode, in der die

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Vgl. ausfuhrlich zur Pagatorik KutmgTNebeT-Baetge/Kirsch, aaO, I Rn 313; KutingPNebeT-Knop/Kuting, aaO, § 255, Rn 4. Das theoretische Prinzip der Pagatorik wird handelsrechtlich konkretisiert durch die Vorschriften iiber die Bewertung, wobei die wichtigsten dazu die §§ 253-255, 279f HGB sind. Ein Sachverhalt darf grundsatzlich auch auf der Basis kalkulatorischer Cberlegungen bewertet werden. Damit wird die strenge Pagatorik zugunsten der Substanzerhaltung durchbrochen. Vgl. dazu KUting/WeberBaetge/Kirsch, aaO, I Rn 313. So auch Kuting/V/cbcT-Baetge/Kirsch, aaO, I Rn 314. Vgl. St&ub-Kleindiek, § 252 Rn 10. Vgl. Stsiub-Kleindiek, § 252 Rn 13. Vgl. Kuting/Weber-5e/c/i€rt, aaO, § 252, Rn 39. Anders, wenn die Zerschlagung durch tatsichliche oder rechtliche Gegebenheiten begriindet ist; vgl. KUtingfV/ebeT-Baetge-Kirsch, aaO, I Rn 311f. Der Gesetzgeber hat den Grundsatz der Fortfuhrung in § 252 Abs, 1 Nr, 2 HGB fiir handelsrechtliche Bilanzierung normiert. Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. 11, aaO, S. 34. Die Annahme des dauerhaften Untemehmens macht die Einteilung der Abbildung von Geschaftsvorfallen in (Teil-) Perioden zur KontroUe, Planung und Disposition erforderlich; vgl. Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 830; Leffson, aaO, S. 170.

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Einzahlung oder Auszahlung verursacht ist und nicht die der zahlungsabhangigen Bewirkung der Leistung^^. Die Bestimmung dieses Zeitpunkts erfolgt nach dem Realisationsprinzip^^^. Vergleichbarkeit und Stetigkeit sind Auspragungen der Periodisierung. Um einen Vergleich der Perioden faktisch zu ermoglichen, ist es notwendig, die zu vergleichenden Sachverhalte miteinander in Bezug zu setzen. Dazu ist erforderlich, da6 die BezugsgroBen aus Parametem gewonnen werden, die in jeder Periode auf gleiche Weise zustande kommen^^^ In diesem Zusammenhang erfordert der Grundsatz der Stetigkeit die stete Anwendung der einmal gewahlten Bewertungsmethoden^^^. (3) Einzelhewertung und Stichtag Einzelbewertung und Stichtagsprinzip sind Auspragungen aus dem Gebot der Vollstandigkeit. Die Einzelbewertung verlangt, daB grundsatzlich jeder Vermogensgegenstand und jede Schuld einzeln zu bewerten ist. Verboten ist es danach insbesonders Wertminderungen bei einem einzelnen Vermogensgegenstand mit Wertsteigerungen bei einem anderen Vermogensgegenstand zu verrechnen^^^. Konkretisiert wird der Grundsatz der Einzelbewertung durch die Ermittlung der Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten sowie im ubrigen durch das Imparitatsprinzip^^"^. Das Kompensationsverbot darf nur aus Griinden der Vereinfachung durchbrochen werden^^^. Das ist regelmafiig dann der Fall, wenn Bewertungsobjekte nach Sammelbewertungsverfahren^^^ zu beurteilen sind oder die individuelle Ermittlung des Werts oder des Risikos eines einzelnen Bewertungsobjekts unmoglich ist oder mit einem unvertretbaren Aufwand an Zeit und Kosten verbunden ist^^^. Das Gebot der Einzelbewertung betrifft aber nicht die betragsmaBige Hohe des Bewertungsgegenstands, sondem soil insbesondere einen Wertausgleich zwischen Vermogensgegenstanden und Schulden verhindem^^^. In der Praxis stoBt die strikte Trennung des Gebots der Einzelbewertung und der Ermittlung der Hohe haufig auf Schwierigkeiten bei Bewertungsmehrheiten oder

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Vgl. Kuting/ "^ebcT-KuSmaul, aaO, § 246, aaO, Rn 19; Stmb-Kleindiek, § 252 Rn 39. Vgl. Tischbierek, aaO, S. 23. Vgl. Leffson, aaO, S. 169. Vgl. Uffson, aaO, S. 393f.; Sidiub-Kleindiek, § 252 Rn 41. Vgl. Stdiub-Kleindiek, § 252 Rn 19. Vgl. Baetge, aaO, S. 127f. Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. II, S. 36. Vgl. Kuiing/WebcT-Selchert, aaO, § 252 Rn 54. Sammelbewertungsverfahren dienen einer vereinfachten Bewertung mehrerer Bewertungsgegenstande. Dire Anwendung fuhrt aber nicht zu einer Gesamtbewertung, da die Sammelbewertung selbst keine Bewertungseinheit bildet. Vgl. Adler/Diiring/Schmaltz, aaO, § 252, Rn 59; Staub-Kleindiek, § 252 Rn 21. Vgl. dazu KutingAVeber-5e/c/ierr, aaO, § 252 Rn 46f.

Ill

Pauschalberichtigungen. Letztere haben allerdings in der Abbildung des Vermogens zum Zwecke der Uberschuldungspriifung regelmaBig keine Auswirkungen. Die Pauschalberichtigung ist in den Fallen notwendig, in denen keine Beziehung zwischen Kostenentstehung und Kostenzuordnung moglich ist. Dabei mu6 die Kostenzuordnung losgelost von einem individuellen Bezugsobjekt anhand eines Verteilungsschltissel pauschal zugeordnet werden. Die Uberschuldungsbilanz fragt weniger nach der konkreten Verteilung als nach der tatsachlichen Hohe von Vermogenswerten. Denn das Ergebnis der Uberschuldungsbilanzierung, der negative Fehlbetrag, ist davon regelmaBig unbeeinfluBt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, wenn der Bilanzierende zum AbschluBstichtag Sachverhalte unvollstandig beriicksichtigt hat, weil er bestimmte Informationen erst nach dem AbschluBstichtag erhalten hat. Die Ursachen dafur konnen vielfaltig sein: Die Unvollstandigkeit kann auf exteme oder interne Informationsstockungen zuriickgehen, moglicherweise sind bestimmte Tatsachen auch erst spater ans Licht gekommen. Nicht auszuschlieBen ist auch ein vorsatzlicher oder fahrlassiger Informationsstau. Fraglich ist dann regelmaBig, wie diese Informationen zu beriicksichtigen sind. Handelsrechtlich konnen diese Informationen im Einzelfall Gewinnausschiittungen und damit die Grundsatze der Kapitalerhaltung betreffen. Die Behandlung dieser nachtraglichen Informationen ist daher umstritten^^^. Fur die Uberschuldungsbilanzierung ist diese Problematik weniger dramatisch, wenngleich nicht ohne haftungsrechtliche Tiicken. Die Umgebung der Uberschuldung ist die Krise. Zwar konnen dort ebenfalls noch nach Erstellung der Uberschuldungsbilanz vermogensrelevante Informationen gewonnen werden. Da das Ergebnis der Uberschuldungsbilanz aber zunachst ohne unmittelbare Rechtsfolge bleibt, kann anhand neuer Informationen jederzeit die Uberschuldungsbilanz modifiziert werden. Der Zustand der Uberschuldung kann aber auch ohne deren ausdriicklicher Feststellung bestehen und zivilrechtliche und strafrechtliche Sanktionen auslosen. Diese Sanktionen beriicksichtigen allerdings die besondere Situation des Einzelfalls. So wird bei zivilrechtlichen Ersatzanspriichen im Falle verspateter Insolvenzbeantragung im Rahmen des Verschuldens der MaBstab des zum Antrag verpflichteten Organs der Gesellschaft gepriift. Ebenso ist eine strafrechtliche Sanktion nur dann erlaubt, wenn die subjektive Vorwerfbarkeit in voUem Umfang gegeben ist. Die Bewertung an sich unterliegt dem Realisationsprinzip bzw. dem Imparitatsprinzip^^°. Das Stichtagsprinzip basiert dagegen auf der mit der Periodisierung bezweckten ^^' Vgl. dazu bspw. Leffson, aaO, S. 206ff; KutingAVeber-5e/c/ie/t, aaO, § 252, Rn 58ff. ^^ Vgl. Kupsch, Einzelbewertung, aaO, S, 346ff.

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Vergleichbarkeit. Es bestimmt, daB alle bewertungsrelevanten Umstande, die sich bis zum AbschluBstichtag^^^ ereignet haben, zu berlicksichtigen sind^^^. Dazu miissen insbesondere die in der Schwebe befindlichen Vorgange der einen oder der anderen Periode zugeordnet werden^^^.

c) Spezifische Anwendung der Prinzipien bei Erstellen der Uberschuldungsbilanz (1) Abbildung der tatsdchlichen Vermogenslage Die Notwendigkeit, in der Untemehmenskrise die „wahren Werte" des Untemehmens zu ermitteln, um sich mittels dieser ein Bild iiber die Insolvenzreife zu machen, erlaubt gerade nicht, daB eine pagatorische Bewertung anhand von tatsachlichen Zahlungsvorgangen stattfindet^^"*. Dies gilt fur die Bewertung von Aktiva ebenso wie fur die Bewertung der Passiva. Gerade eine realistische Wertermittlung erfordert eine an gegebenenfalls gestiegene oder gesunkene Marktpreise bzw. Wiederbeschaffungswerte angepaBte Bewertung. Ebenso sind die Schulden realistisch einzuschatzen. Das ist aber erst moglich, wenn ihre Hohe bewertet ist. Nur anhand dieser Werte kann eine Uberpriifung der Vermogenslage von Untemehmen Auskunft Uber dessen Potential zur Schuldendeckung geben.

(2) Einzelbewertung Der Grundsatz der Einzelbewertung ist auf die Uberschuldungsbilanz anwendbar^^^. Die Anwendung dieses Prinzips bestimmt der Umfang des Ansatzes. Gerade im Hinblick auf die Notwendigkeit, ein moglichst prazises Abbild der Vermogenslage zu erhalten, verbietet sich zudem jede Form einer Verrechnung. Selbstverstandlich wird das Einzelbewertungsprinzip durch wirtschaftliche tJberlegungen konkretisiert. Die strikte Einzelbewertung endet grundsatzlich dort, wo jede zusatzliche Information uberflussig ist. Die Trennung von Bewertungseinheiten hat funktional zudem danach zu erfolgen, ob die erfaBten Gegenstande einheitlich eingesetzt werden konnen, ohne daB eine weitere wirtschaftliche Zerlegung des Geschaftsvorfalls in seine Auswirkungen notwendig ist. Kriterien dafiir sind bspw., ob ein einDer Stichtag beendet die jeweilige Periode. SidMh-Kleindiek, § 252 Rn 16. Vgl. Leffson, aaO, S. 206. Fiir die Anwendung des Wahrheits- und Klarheitsgrundsatzes auch Arians, aaO, S. 429f. Uneingeschrankt auch Arians, aaO, S. 430.

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heitlicher Einsatz in der Produktion oder eine einheitliche Disposition mit dem jeweiligen Bewertungsobjekt moglich ist. MaBgebend sind die wirtschaftlichen Auswirkungen, die eine wirtschaftliche Verfugung verursachen^^^. Sinnvolle Abgrenzungskriterien sind danach die „Einzelverwertbarkeit", die „betriebliche Zweckwidmung" oder die „selbstandige Nutzungsfahigkeit"^^^. Konkret ist danach nicht erforderlich, jede einzelne Schraube, die fur die Produktion vorgesehen ist, separat und fur sich genommen zu bewerten. Umgekehrt kann aber bspw. ein Fuhrpark ohne weiteres einzeln verwertet werden, so daB hierbei eine Einzelbewertung zu befurworten ist. Fur das Erfassen von Schulden wird das Kriterium der selbstandigen VerfUgbarkeit zum entscheidenden Parameter^^^. Der Vermogensgegenstand muB im Einzelnen tauglicher Gegenstand des Rechtsverkehrs sein, das heiBt Gegenstand einer Verfugung sein konnen^^^. Gerade weil die Uberschuldungsbilanz eine Abbildung des statischen Schuldendeckungsvermogens ermoglichen soil, ist das Kriterium der Verwertbarkeit im Hinblick auf eine nicht auszuschlieBende Versilberung zu begriiBen. Aber auch fur die Ubersicht der ausstehenden Verbindlichkeiten ist eine Gliederung nach dem Kriterium der VerfUgbarkeit sinnvoll. So hat der Bilanzierende danach einen Uberblick iiber die Verbindlichkeiten, bezuglich derer gegebenenfalls dispositiver Klarungsbedarf oder Verhandlungsbedarf besteht.

(3) Widerlegung der Fortfuhrungsprdmisse Die Fortfuhrungspramisse ist in der Situation der Untemehmenskrise in Hinblick auf die Uberschuldungsbilanzierung nicht anwendbar. Denn das Gebot der Fortfiihrung besteht zum Zeitpunkt der Uberschuldungsbilanzierung insofem nicht, als die Entscheidung iiber die Fortfiihrung des Untemehmens offen ist. Es kann zwar auf der einen Seite nicht ausgeschlossen werden, daB das Untemehmen trotz bestehender Krise fortgefiihrt wird. Auf der anderen Seite sprechen aber die regelmaBig mit der Krise verbundenen betriebswirtschafdichen Faktoren wie bspw. schwierige Auftragslage, Umsatzriickgang, Ertragsriickgang, permanente und penetrante Inanspruchnahme von Vgl. Kuting/Weber-5e/c^err. aaO, § 252 Rn 51. Vgl. Kupsch, Einzelbewertung, aaO, S. 342ff.; KutingfWQbcr-Baetge/Kirsch, aaO, I Rn 326 mwN. In diesem Sinne entscheidet auch die Rechtsprechung sowohl in handelsrechtlicher, als auch in steuerrechtlicher Hinsicht, vgl. BFH BStBl. U 1974, S. 132, 135f; BFH BStBl. H, 1975, 344f. Neuerdings werden auch Bewertungsobjekte, die in einem Risikozusammenhang stehen, als Bewertungseinheit gesehen. Dabei geht es insbesondere um Vertrage, die mit Bezug auf einzelne Vermogensgegenstande zum Zwecke des Risikoausgleichs eingegangen wurden, wie bspw. Termingeschafte. Dabei muB aber weiterhin beriicksichtigt werden, inwieweit derartige Sicherungsgeschafte eigenen Risiken wie bspw. Wahrungsrisiken unterliegen; eingehend dazu Kupsch, Einzelbewertung, aaO, S. 347f; Benne, aaO, S. 245. Der Verm5gensgegenstand (Vermogen oder Schuld) mu6 verauBerbar, abtretbar, belastbar und inhaltlich bestimmbar sein; vgl. dazu Freericks, aaO, S. 142; vgl. zur Definition der Verfugung, Medicus, aaO, Rn 25.

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Seiten der Glaubiger, Verhalten der Gesellschafter oder bereits eingeleitete und fruchtlose RestrukturierungsmaBnahmen nicht notwendigerweise flir die Fortfuhrung der Gesellschaft. Das Vorliegen derartiger Tatsachen sensibilisiert jedenfalls die zur Selbstpriifung in der Krise verpflichteten organschaftlichen Vertreter eines Untemehmens, dessen zukiinftige Entwicklung, mithin dessen Fortfuhrung, in Frage zu stellen«™. Die Aufgabe der Fortfuhrungspramisse in der Vermogensabbildung wird regelmaBig auch dann gefordert, wenn gewichtige Griinde wie die wirtschaftliche Krise des Untemehmens gegen eine Fortfuhrung angefuhrt werden konnen^^\ Gegen die Annahme der Fortfuhrung in der Untemehmenskrise spricht zudem das Realisationsprinzip. In seiner Anwendung innerhalb der Uberschuldungsbilanzierung gebietet die Realisation nur eine Bewertung zu Marktpreisen oder jedenfalls zu Wiederbeschaffungspreisen, keinesfalls jedoch zu FortfUhrungswerten. Abgesehen von der rechtlichen Problematik bei der Ermittlung von Fortfuhrungswerten^^^ wUrde die Fortfuhrung den einzelnen Vermogensgegenstanden Vermogenspotential unterstellen, dessen Realisation gerade in Frage steht. Im Tatbestand der Uberschuldungspriifung dient aber gerade das Element der Prognose dazu, das bestehende Fortfuhrungspotential einzufangen. Die Ablehnung der Fortfuhrung darf aber nicht dahin miUverstanden werden, daB die Dynamik der Gesellschaft dadurch nicht wahrgenommen wurde. Vielmehr ist nur von einer moderaten Form der Fortfuhrung, der „Fortfuhrungsstatik"^^^ auszugehen^^"^. Die reine Fortfuhrungspramisse verursacht reichhaltige Bewertungsprobleme^^^. Das Fortfiihrungsvermogen, definiert durch den potentiellen VerauBerungsgewinn des Unternehmens, ermittelt sich durch die kumulierten Ertrage der Vermogensgegenstande zu einem Ertragswert^^^. Fiir das unterstellte Worst-case-Szenario^^^ wird dadurch aber gerade nicht das Glaubigerzugriffsvermogen abgebildet, da durch die ertragsorientierte Bewertung eine aussagefahige Erfassung einzelner Vermogensgegenstande nicht moglich ist^^^. Daher wird auch vorgeschlagen, in der Krisensituation danach zu fragen, ob ^^° Rechtlich kann erst dann nicht mehr von der Fortfuhrung des Unternehmens in der Krise ausgegangen werden, wenn nach festgestelltem Insolvenzgrund das Insolvenzverfahren eroffnet ist. "' So auch KutingAVeber-5e/c/i^At, aaO, § 252 Rn 37. ^^^ Vgl. Forster, aaO, S. 555f. ^^^ Vgl. zur Begrifflichkeit Moxter, Bilanziehre Bd. I, aaO, S. 6. ^^* A.A. Klar, aaO, S. 174, der die reine Fortfuhrung mit der Bindung der Fremdmittel in den Vermogensgegenstanden begriindet, deren Wert sich in ihrem Nutzen fiir den ProduktionsprozeB widerspiegelt, vgl. zum ganzen bereits oben sub B III. 2., 3. ^^^ Vgl. nur Forster, aaO, S. 556. ^^^ Vgl. Moxter, Bilanziehre Bd.I, aaO, S. 7f. ^'' Vgl. oben B m . 1. ^^* So auch Thomas, aaO, S. 24.

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ein Kaufer aufgnind eines bekannten Risikos den Kaufpreis des Untemehmens mindem wUrde^^^. Letztlich kommt damit zum Ausdruck, daB die Fortfuhrungspramisse fiir Bewertungsfragen kein geeigneter Ratgeber ist. Somit entsprechen grundsatzlich nur die EinzelverauBerungspreise bzw. deren Summe dem tatsachlichen Glaubigerzugriffsvermogen^^^. Dem Gedanken der Dynamik der Untemehmensentwicklung wird im Verfahren der Uberschuldungsmessung dadurch Rechnung getragen, daB die kunftige Entwicklung der wirtschaftlichen Entwicklung unter besonderer Berucksichtigung der daraus resultierenden Liquiditatsflusse in der Prognose Berucksichtigung findet, um so die Dynamik nicht im Sinne der Vergleichbarkeit, sondem im Sinne der Fortfuhrung zu berucksichtigen.

(4) Keine Periodisierung Die Untemehmenskrise als betriebswirtschaftliche Ausnahmesituation erfordert regelmaBig erst eine gesonderte Rechnungslegung, wenn der laufende Geschaftsbetrieb durch die Eroffnung des Insolvenzverfahrens beendet wird. Entsprechend wird ein letztes Mai der handelsrechtliche AbschluB erstellt, bevor die Rechnungslegung in der Insolvenz beginnt. Die handelsrechtliche Rechnungslegung beendet die letzte Periode des gewohnlichen Geschaftsbetriebs, demgegeniiber die Eroffnungsbilanz als Teil der insolvenzrechtlichen Rechnungslegung den Beginn der auBergewohnlichen Rechnungslegung markiert^^^ Auch der auBergewohnliche Geschaftsbetrieb kann einen langeren Zeitraum umfassen, der eine Vergleichbarkeit, mithin eine Periodisierung erfordert. Daher kann in beiden Fallen von einer notwendigen Anwendung des Periodisierungsprinzips gesprochen werden. Anders verhalt es sich dagegen in der Krise. Weder ist die gewohnliche Geschaftstatigkeit beendet, noch hat die auBergewohnliche begonnen. Die Uberschuldungsbilanz soil nur einmalig die Vermogenslage abbilden. Ein Vergleich mit einer anderen Periode ist grundsatzlich nicht erforderlich^^^. Daher sind weder eine Periodisierung noch eine damit verbundene Vergleichbarkeit oder Stetigkeit erforderlich. Eine Vergleichbarkeit zu einer etwigen vorherigen Periode ist fur das fortgefuhrte Untemehmen nicht ^^' Ahnlich auch Beck'scher-Bilanzkommentar-fler^er/Af./?m^, aaO, § 249 Rn 33; Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1347. ^*° Vgl. Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 1069; Thomas, aaO, S. 24. ^*' Vgl.obensubBI. l.c). ^^^ Naturlich kann ggf. ein Vergleich der Vennogenslage mit der einer friiheren Krise geboten sein, um so moglicherweise mittels einer betriebswirtschafthchen Analyse - Anhaltspunkte fiir Schwachstellen und Restrukturierungsansatze zu erhalten. So auch Arians, aaO, S. 429ff.

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notwendig, selbst wenn diese in ihrer Gesamtheit letztlich zur Krise gefUhrt hat. AuBerdem wurde eine durch periodische Vermogensabbildung bedingte Ausgabenantizipation zur Bildung stiller Reserven fUhren.

(5) Realisation, Imparitdt BeeinfluBt durch das Gebot der Vorsicht sind diese Prinzipien materiell anders auszulegen als in der laufenden Rechnungslegung. Eine Ursache fUr die Implementierung des Vorsichtsprinzips in der laufenden Rechnungslegung wird darin gesehen, die erlaubten Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermogen in Einklang mit der Erhaltung der Haftungsmasse zu bringen^^^. Dies spiegelt sich insbesondere in seinen Auspragungen des Realisations- und Imparitatsprinzips wieder. Das Realisationsprinzip verbietet es, noch nicht durch den UmsatzprozeB realisierte Gewinne zu berUcksichtigen, wahrend nach dem Imparitatsprinzip negative Erfolgsbeitrage, die voraussichtlich in einer spateren Rechnungsperiode eintreten werden, zu beachten sind. Nach dem Realisationsprinzip bilden die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten die Wertobergrenze eines Vermogensgegenstandes. Wertsteigerungen, die iiber den historischen Kosten liegen, bleiben unberiicksichtigt. Der fur die Abbildung der Vermogenslage in der Krise zu Informationszwecken erforderliche wahre Wert eines Vermogensgegenstandes wurde in vielen Fallen also nicht abgebildet. Fur die Uberschuldungsbilanz ist die Anwendung des Realisationsprinzips damit ungeeignet sie wurde zu Informationsverzerrungen fuhren. Das Imparitatsprinzip, nach dem negative Erfolgsbeitrage bereits bei ihrer Entstehung und nicht erst bei ihrer Realisation zu berUcksichtigen sind, wird folgerichtig grundsatzlich in Zusammenhang mit der Notwendigkeit der Periodisierung gesehen^^"^. Da die Periodisierung fur die Uberschuldungsbilanz bedeutungslos ist, wird demzufolge auch die Nichtgeltung der Imparitat behauptet^^^. Dabei wird aber ubersehen, daB gerade in der Krise das Erfassen der relevanten Belastungen von immenser Bedeutung ist. Denn gerade auch die vorhersehbaren Belastungen entscheiden in der Praxis dariiber, ob ein Untemehmen in der Zukunft fortgefiihrt werden kann oder nicht. In Hinblick auf die Abbildung von Schulden in der Uberschuldungsbilanz ist es notwendig, VgI.Beck'scher-BiIanzkommentar-//en5e/G^p^r, aaO, § 252 Rn 35; Adier/During/Schmaltz, aaO, § 252 Rn 75. KUtingAVeber-5e/c/ierf, aaO, § 252 Rn 79 mwN. Ohne Begrundung bei Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 282.

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nicht nur die bestehenden Verbindlichkeiten zu erfassen, sondem auch Sachverhalte, denen eine gewisse Unsicherheit innewohnt. Diese Notwendigkeit ergibt sich auch aus dem Umstand, daB der Abbildung der Vermogenslage der Gesellschaft in der Krise qualitativ eine Art inforaiatorischer Charakter zukommt, da die Uberschuldungsbilanz keine materiellen Rechtsfolgen auslost, sondem lediglich Grundlage weiterer insolvenzrechtlich relevanter Entscheidungen ist^^^. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daB selbst die Forderung nach Vermeidung von Bewertungsunsicherheiten, welche sich bei der Bewertung von voraussichtlichen negativen Erfolgsbeitragen zwangslaufig ergeben, nicht in letzter Konsequenz durchzusetzen ist. Ein hoherer informativer Gehalt der Abbildung der Vermogenslage ist vielmehr einer sicherem Bewertung rechtspolitisch fur die Uberschuldungsbilanz vorzuziehen.

(6) Ergehnis Die Prinzipien der Fortfiihrung, der Periodisierung, der Vergleichbarkeit und der Stetigkeit sind als Grundsatze fur Uberschuldungsbilanzierung ebenso ungeeignet wie der Grundsatz der Pagatorik. Die Anwendung dieser Grundsatze ist bereits in materieller Hinsicht nicht geboten. Das Prinzip der Einzelbewertung entfaltet sich auch im Rahmen der Uberschuldungsbilanzierung. Die Einzelbewertung ist auch und gerade in der Krise erforderlich, um die Vermogenslage so realistisch wie moglich darzustellen. Eine Stichtagsbewertung ist dagegen nicht notwendig. Die materielle Obliegenheit der SelbstprUfung wirkt ohnehin in der Krise permanent, so daB faktisch die Uberschuldungspriifung an einem Termin erstellt wird. Tatsachlich entfaltet die Obliegenheit zur SelbstprUfung ihre Wirkung zur Krise, die regelmaBig als ein Dauerzustand, wenn auch vorubergehend, auftritt. Die Fortfuhrungspramisse fmdet keine Anwendung im Rahmen der Uberschuldungsbilanzierung. Der Gedanke der Fortfiihrung ist gleichwohl der Uberschuldungsmessung per se immanent. Die Uberschuldungsbilanz hat informatorischen Charakter und liefert als Tatbestandsmerkmal der Uberschuldung die Grundlage weitergehender Uberpriifungen und Entscheidungen. Das Realisationsprinzip in seiner handelsrechtlichen Auspragung ist daher nicht anzuwenden. Die Informationen der Uberschuldungsbilanz sind so objektiviert und wertungsfrei wie moglich zu halten, die Vermogensabbildung ist zudem so ^^^ Vgl. oben sub C I. 2. c).

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realistisch wie moglich zu gestalten^^^. Dies betrifft sowohl die einzelnen Vermogensgegenstande als auch deren Bewertung^^^. Damit konnen im Folgenden die materiellen Anforderungen an die Uberschuldungsmessung und die damit verbundene Uberschuldungsbilanzierung festgehalten werden.

2, Materielle Anforderungen an die Uberschuldungsbilanz a) Bewertung des Vermogens Die Bewertung des Vermogens ist im Verfahren der Uberschuldung erforderlich. Die pauschale Kritik der Unbestimmtheit^^^ gegen das Postulat der Bewertung halt dem nicht stand. Denn der Uberschuldungstatbestand an sich ist bereits von Natur aus elastisch^^^, da er im betrieblichen Ablauf des Untemehmens nicht sichtbar ist. Sichtbar ist allenfalls das Symptom der Untemehmenskrise. Im Gegensatz zur Prognose basiert die Vermogensbewertung auf Rechten, regelmaBig gegenstandsbezogenen Rechten, die den Vorteil des Faktischen tragen. Die Prognose dagegen, mag sie auch noch so objektivierbar sein, ist naturgemaB nicht greifbar. DaB letztlich die Prognose auf dem Vermogen basiert, zeigt eine einfache Uberlegung: Die Vermogensgegenstande eines Untemehmens sind regelmaBig einzeln verauBerbar^^^ Demgegeniiber ist die Prognose ohne das zur Verfugung stehende Betriebsvermogen wertlos, ja nicht einmal denkbar. Die Bewertung der Uberschuldungsbilanz hat unter statischen Gesichtspunkten zu erfolgen.

(1) Fortfuhrungswerte Die mit der Reformierung des Insolvenzrechts in den Vordergrund gehobene Pramisse der Sanierung statt der Liquidation spricht zwar zunachst fUr eine Bewertung zu Fort-

Vgl. ausfuhrlich oben sub C I. 2. c);. auch BMJ-Referentenentwurf, aaO, Teil (B) S. 21. Begrifflich werden Vermogensubersichten, die nach den genannten Pramisse erstellt werden, unter dem Begriff der „Zerschlagungsstatik" zusammengefasst; vgl. etwa Thomas, aaO, S. 24; Wdhe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 1069 mwN; Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 6. Vgl. Hoffner, aaO, S. 199f. Danach ist selbst die Zerschlagungspramisse mit Unsicherheit belastet. Gleichgesetzt mit der Zerschlagung ist die Bewertung abhangig von der Zerschlagungsintensitat und der Zerschlagungsgeschwindigkeit, mithin von der Modahtat der Abwicklung. Vgl. K. Schmidt, Sinnwandel und Funktion, aaO, S. 173. Vgl. zur Frage der Aktivierung des Firmenwerts: dafur Schmidt/Uhlenbruck-5c/im/f/r, aaO, Rn 856; Kallmeyer, aaO, S. 16f, wenn eine VerauBerung des Firmenwerts am Markt hinreichend gesichert ist.

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fUhrungswerten^^^. Schon lange werden in der Literatur die Fortfuhrungswerte fur die wahren Werte des Untemehmens gehalten, die fUr die Frage der Uberschuldung entscheidend seien^^^. Die Fortfuhrung unterstellt aber, daB die Glaubigerbefnedigung ausschlieBlich aus dem Wert des fortgefuhrten Untemehmens erfolgt, mit anderen Worten aus dem Produktionsertrag, denn die Annahme der FortfUhrung widerspricht zugleich dem Entzug von Substanz, mithin der Moglichkeit der Einzelvollstreckung^^"^. Diese soil in der Insolvenz als GesamtvoUstreckung auch nicht mehr erlaubt sein^^^. Denknotwendig verbietet der Entzug einzelner Substanzgegenstande daher eine Einzelbewertung, Demnach kann eine Fortfuhrungsbewertung nur den gesamten Unternehmenswert betreffen. Das jedoch widerspricht dem Umfeld der Uberschuldung, der Krise. Unterwirft sich der Untemehmer der gebotenen Selbstpriifung in einer kritischen Phase, darf diese Prufting nicht einseitig auf das Interesse der Gesellschaft an der Fortfuhrung abstellen^^^. Das Untemehmen steht auch nicht in seinem Gesamtwert der Verwertung zur Verfugung. Der Untemehmer unterstellt demzufolge das Worstcase-Szenario der EinzelvoUstreckung. Mithin ist keine Fortfuhrungsbewertung moglich^^\ Gegen die Pramisse der Fortfuhrungsbewertung spricht zudem das praktische Erfordemis der Objektiviemng^^^. Objektiviemng im Verfahren der Uberschuldungsmessung ist erwiinscht aus GrUnden der Rechtssicherheit. Sowohl Normadressat, geschiitzter Verkehrskreis als auch Justiz konnen auf eine hinreichende Objektiviemng nicht verzichten. Die Fortfuhmngsbewertung ist in der Praxis umstritten und daher im Verfahren der Uberschuldungsmessung unbrauchbar^^^.

(2) Verkehrswerte

Fiir die Annahme von Verkehrswerten (oder Zerschlagungswerten) spricht zunachst, daB das System gerichtlicher Schuldenabwicklung vom Gmndsatz vollstreckungs-

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Vgl. die allgemeine Begriindung des RefEntlnsO, abgedr. bei Kubler/Prutting, aaO, S. 97f. Vgl. bspw. Zilias, aaO, S. 448; jedenfalls bei ausreichender Begriindung der Fortfuhrung Beck'scher Bilanzkommentai-Hense/Geifiler, aaO, § 252 Rn 14. Wolf, Passivierung eigenkapitalersetzcnder Gesellschafterdarlehen, aaO, S. 1833, pladiert aus GrUnden des Glaubigerschutzes fur eine vorsichtige Anwendung der Fortfuhrungswerte. So auch Klar, aaO, S. 85; Hommelhoff, aaO, S. 248. Vgl. Jauemig, aaO, S. 173. So auch Hommelhoff, aaO, S. 248. Vgl. ausfuhrlich zur Widerlegung der Fortfiihrungspramisse sub C HI. 1. c) (3). So auch Vonnemann, aaO, S. 867. Im Ergebnis zustimmend Forster, aaO, S. 556. Ausfuhrlich zur Konzeption der Uberschuldungsbilanz sub C. in. l.c);2.

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rechtlicher Zerschlagung beherrscht wird^°°. Die Vermogensgegenstande sind in der Uberschuldungsbilanz daher so zu bewerten, als ob sie einzeln zu Gunsten der Glaubiger versilbert wurden^^\ Ausgangspunkt des Liquidationsansatzes sind so die Vermogenswerte, die im Falle der Versilberung zum Zwecke der Glaubigerbefriedigung zu erzielen sind. Die Ermittlung des Schuldendeckungspotentials erfolgt also grundsatzlich zunachst unter der Annahme der Untemehmenszerschlagung (oder -versilberung). Im Gegensatz zu der Ermittlung des Schuldendeckungspotentials nach der vom Reichsoberhandelsgericht (ROHG) vertretenen Zerschlagungsstatik^^^, kommt es aber nicht auf eine VerauBerungsmoglichkeit der Gegenstande an. In der Uberschuldungspriifung ist vielmehr das wirtschaftlich verwertbare Potential gegeniiber Dritten herauszufmden^^^. Dies erfordert einerseits die Aufdeckung stiller Reserven^^"^. Andererseits sind in der Uberschuldungsbilanz auch immaterialle Vermogensgegenstande abzubilden^^^. Notfalls ist fur diese Vermogensgegestande von einem gedachten Erwerber auszugehen, denn die Uberschuldungspriifung muss ihrem Zweck entsprechend jeden zur Schuldendeckung zur Verfugung stehenden Euro realisieren^®^. Im Ergebnis griindet die Uberschuldungspriifung damit nicht auf der Pramisse der reinen Zerschlagung des Untemehmens, wie sie von dem Reichoberhandelsgericht (ROHG) vertreten wurde. Der Vorschlag des Verfassers hat mit der von ROHG vertretenen Zerschlagungsstatik lediglich gemein, dass Verkehrswerte anzusetzen sind. Die Bewertung zu Verkehrswerten beruht auf der Uberlegung, dafi die Uberschuldungspriifung der Bestandsaufnahme dient, welche den Wert der Vermogensgegenstande verlaBlich einschatzen soil. Dabei ist das Prinzip der Einzelbewertung anzuwenden^^^. Diese hat zunachst den Vorteil der Objektivitat^^^. Die Verkehrswerte entsprechen hierbei den Absatzpreisen^^. LaBt sich

In deren Mittelpunkt steht die zur Glaubigerbefriedigung unmittelbar zur Verfugung stehende Substanz. Vgl. zur Verwertung im Rahmen der Vollstreckung Jauemig, aaO, S. 82ff; Klar, aaO, S. 85. So auch Dahl, aaO, S. 112f; Fischer, Dynamische Uberschuldungspriifung, aaO, S. 1346; im Ergebnis wohl auch EgnerAVolff, aaO, S. 101; BGHZ 119, 201, 213. Vgl. zur Zerschlagungsstatik CU. 1. a) (1). So auch KutmgfWcbeT-Baetge/Kirsch, aaO, I Rn 327. Vgl. BGH NJW 1992, 2891, 2894. Vgl. Hommelhoff, aaO, S. 254; wegen unsicherer Verwertungschancen restriktiv Scholz-^C. Schmidt, 8. Auflage, aaO, § 63 Rn 14. Vgl. zum Ansatz von Spielerwerten in der Uberschuldungsbilanz im ProfifuBball Kaiser, aaO, S. 1111. Nicht zu berucksichtigen sind freilich immaterielle Vermogensgegenstande, fur die keine Markt besteht. Diese sind wertlos. Vgl. hierzu schon C I. 3. b). Vgl. in diesem Zusammenhang auch OLG Celle. WM 2004, 988, nach dem die Aktivierung eines selbst geschaffenen Firmenwerts gegen § 248 Abs. 2 HGB verstoBt, weil die Gesellschaftsglaubiger in der Insolvenz diesen Wert nicht zwangsweise im Wege der Einzelvoll streckung realisieren konnen, sondern sich dieser nur bei einer VerauBerung realisieren lasse. Das Prinzip der Einzelbewertung bietet insofem einen Naherungswert. So auch Hoffner, aaO, S, 199. Vgl. ausfUhriich zur Anwendbarkeit der Einzelbewertung auf die Uberschuldungsbilanz unten sub C HI. 1. c) (2). Vgl. Moxter, Grundsatze ordnungsgemaBer Unternehmensbewertung, aaO, S. 35.

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ein Wert fur denfreihandigenVerkauf nicht eraiitteln, dann ist er vorsichtig zu schatzen^^°. Allerdings wird man die Absatzpreise um einen Abschlag fur die im Zusammenhang mit der VerauBerung stehenden Kosten reduzieren miissen^^V b) Belastungen Dem Vermogen stehen die Belastungen gegeniiber. Belastungen sind die Verbindlichkeiten, denen das Vermogen ausgesetzt ist, wenn es seiner eigentlichen Funktion, der Glaubigerbefriedigung, nachkommt. Daher sind nicht nur Verbindlichkeiten im herkommlichen Sinne anzusetzen, sondern auch solche Belastungen, die auf riskanten Sachverhalten beruhen^^^. Riskante Sachverhalte bergen das Risiko einer zukiinftigen wirtschaftlichen Belastung in sich. Die Erfullung dieser Verbindlichkeiten ist wirtschaftliche Voraussetzung der Untemehmensfortfuhrung. Sie sind daher bei der Uberschuldungspriifung zu beriicksichtigen. Der so verstandene Ansatz dynamisierter Sachverhalte setzt sich auch nicht in Widerspruch, wenn als Bewertungsgrundlage des Aktivvermogens die Verkehrswerte im Gegensatz zu Liquidationswerten anzusetzen sind. Die Pramisse ist hier namlich nicht die Liquidation des Untemehmens, welche bereits ein Ergebnis der Uberschuldungspriifung vorwegnehmen wurde, sondern die Einzelzwangsvollstreckung aller Glaubiger. Diese muss aber keineswegs zwangslaufig zum Ende der Untemehmung fuhren. Vielmehr besteht in diesem Fall nur nicht mehr die Moglichkeit des Substanzverlustes im Wege der Einzelvollstreckung.

IV, Ergebnis Die Abbildung der Vermogenslage in der Untemehmenskrise hat in Form einer Uberschuldungsbilanz zu erfolgen, - wie vom Gesetzgeber de lege lata in § 19 Abs.2 InsO dem Grunde nach zu Recht verlangt. Die Konzeption dieser Uberschuldungsbilanz laBt sich aber nicht mit der Frage nach der Lebensfahigkeit beantworten - denn der Grad einer Uberschuldung kann die Beantwortung der Frage nach der Lebensfahigkeit er^*^ Vgl. Wolf, Oberschuldung, aaO, S. 51; vgl. auch BGH NJW 2001, 1280, der von „Verkehrs- oder Liquidationswerten" spricht. '^° Vgl. Moxter, Grundsatze ordnungsgemaBer Untemehmensbewertung, aaO, S. 35f. Vgl. ebd. auch zu den moglichen Schatzproblemen. ^'^ So auch roW-FAR 1/1996, aaO, S. 24. Dazu werden aber nicht die Kosten eines moglichen Insolvenzverfahrens gerechnet, vgl. Auler, aaO, S. 2169. ^'^ Im Ergebnis sind alle Verbindlichkeiten zu beriicksichtigen, die im JahresabschluB als Verbindlichkeitsriickstellungen betrachtet werden, das heiBt alle wirtschaftlich verursachten Forderungen.

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heblich beeinflussen, wenn bspw.die Aufnahme einer Zwischenfmazierung zu einer (weiteren) Belastung vorhandener Ressourcen fiihrt. Die Konzeption einer Uberschuldungsbilanz laBt sich auch nicht ohne weiteres aus einer vorhandenen Bilanzierungssystematik ableiten. Vielmehr sind die einzelnen Grundsatze einer ordnungsgemaBen Buchfuhrung und Bilanzierung, insbesondere der Bewertung, anhand der Situation Untemehmenskrise und der damit verbundenen Notwendigkeit zur Feststellung der Uberschuldung zweckgerecht und funktional den Bediirfnissen der Uberschuldungsbilanz anzupassen. Die mageblichen Inhalte einer Konzeption fur die Uberschuldungsbilanz sind von ihren strukturbestimmenden Grundwertungen zu bestimmen. Erheblichen EinfluB auf den Inhalt der Uberschuldungsbilanz hat dabei zum einen deren informatorischer Charakter sowie zum anderen die grundsatzliche Ablehnung einer Verwertungspramisse von vomherein aus^^^. Der informatorische Charakter gebietet eine statische Vermogensabbildung, die gleichwohl nicht das generelle Ende des Untemehmens vorsieht. Demgemafi wird das Ergebnis der Uberschuldungsbilanz durch das Element der Prognose korrigiert. Danach bestimmen insbesondere die allgemeinen Bilanzierungs- und Ordnungsgrundsatze wie bspw. die Prinzipien der Vollstandigkeit und der Objektivitat sowie der Grundsatz der Einzelbewertung den Bilanzierungsinhalt. Zudem ist das Imparitatsprinzip in modifizierter Form zu beachten. Keinen Anwendungsbereich haben dagegen die Prinzipien der Periodisierung und der Fortfiihrung. Demzufolge sind die Vermogenswerte grundsatzlich einzeln im Verhaltnis zu ihrem Bestandswert zu ermitteln. Soweit dennoch Risiken in die Vermogensabbildung einflieBen, sind diese entsprechend dem imparitatischen Grundsatz der vorsichtigen Bewertung nur dann zu schatzen, wenn eine Schatzung unvermeidbar ist. Im ubrigen verlangt der informatorische Charakter der Uberschuldungsbilanz die bestmogliche Prazision. Aus diesem Grunde sind normative Grundlagen zur Konzeption der Uberschuldungsbilanzierung wiinschenswert. Soweit innerhalb der Uberschuldungspriifung weitere wertende Elemente, wie bspw. erwartete Ertrage, von Bedeutung sind, flieBen diese grundsatzlich in das Prognoseelement mit hinein.

Grundsatzlich fiir die Vemeinung irgendeiner bestimmten Verwertungspramisse im Rahmen des Uberschuldungsstatus, Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG. aaO, S. 282.

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Die Uberschuldungspriifung stellt die Lebensfahigkeit des Untemehmens in Frage. Uber die Fahigkeit des Untemehmens trotz der Krisensituation autark fortzubestehen, entscheidet folglich das Ergebnis der Uberschuldungspriifung insgesamt. Die Tatbestandselemente der Uberschuldungsmessung im einzelnen sind daher zunachst ergebnisneutral auszulegen, das heiBt die Entscheidung dariiber, ob fortgefuhrt oder liquidiert wird, ist weder in die eine noch in die andere Richtung intendiert. DemgemaB werden die Vermogenswerte des Schuldendeckungspotentials anhand ihrer Verkehrswerte emiittelt''^'*. Dadurch bleibt fUr das Ergebnis der rechnerischen Vermogensabbildung zwar grundsatzlich unberiicksichtigt, daB ein Untemehmen ein dynamisches Gebilde ist. Innerhalb des Verfahrens der Uberschuldungsmessung in seiner Gesamtheit wird dieses Defizit gleichwohl mittels der Prognose, der rechtlichen Uberschuldung, kompensiert^^^. Die Prognose greift das auf, was aufgrund der FortfUhrung des Untemehmens an Werten und an Belastungen aus dem Vermogensbestand zu erwarten ist. Umgekehrt erfordert nicht nur die Betrachtung der Veraiogenswerte, sondem auch die Gegeniiberstellung der Schulden in gleichem Umfang eine Betrachtung der zukunftigen Ereignisse. Ebenso wie die Kompensation der nur verkehrswerten Abbildung der Vermogenslage innerhalb der Prognose durch die Beriicksichtigung ihrer Ertragsfahigkeit erfolgt, die Ausgangspunkt zur Berechnung des DCF-Verfahrens bilden, bedeutet die Dynamik auf der Passivseite, daB dort zugleich zukiinftige Lasten in Form der aus den Erlosen zu bedienenden Aufwendungen erfaBt werden^ ^^. Das heiBt, der Faktor der FortfUhrung wird im Verfahren der Uberschuldungsmessung auch im Hinblick auf die darin zu erfassenden „Schulden" beriicksichtigt.

^^^ So auch der BGH NJW 2001, 1280; vgl. dazu auch oben sub C m. 2. a). ^^^ Vgl. oben B m. 3. sowie nachfolgend sub D. H. 8. b). ^'^ Vgl. zu den Bestandteilen der Prognose oben sub B III.; zur Erfassung von Aufwendungen nachfolgend ausfiihrlich sub DII. 8. b).

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D: Belastende Sachverhalte in der Unternehmenskrise Nach den bisherigen Feststellungen ist die Uberschuldung innerhalb eines zweigliedrigen Verfahrens zu ermitteln. Innerhalb dieses Verfahrens gibt deren erstes Element in Form der Uberschuldungsbilanz AufschluB iiber das gegenwartige Vermogensbild des Untemehmens. Die Uberschuldungsbilanz dient dazu, das als Schuldendeckungspotential eines Untemehmens in der Krise zur Verfugung stehende Vermogen den Schulden dieses Untemehmens gegeniiberzustellen^^^. Gem. § 19 Abs. 2 InsO sind dazu die „Schulden" des Untemehmens zu erfassen und dem „Vermogen" gegeniiberzustellen^^^. Demzufolge ist es notwendig, deren Vermogensbestandteile der Sache nach festzustellen und wertmaBig zu beziffem. Dies geschieht in Form der Uberschuldungsbilanz, die nach bestimmten Gmndsatzen erstellt wird, die ihrem Zweck gerecht werden. Im folgenden Kapitel wird der Frage nachgegangen, wie der Begriff der „Schulden" im Verfahren der Uberschuldungsmessung nach § 19 Abs. 2 InsO zu verstehen ist insoweit de lege lata (D I.). Stellt sich im weiteren Verlauf der Untersuchung heraus, da6 der Begriff „Schulden" i.S.d. § 19 Abs. 2 InsO nicht rein rechtlich, sondem wirtschaftlich auszulegen ist, wird im folgenden zu klaren sein, welche Sachverhalte wirtschaftliche Belastungen des Unternehmensvermogens beinhalten und wie diese in der Uberschuldungsbilanz abzubilden sind. Von Bedeutung sind dabei insbesondere Sachverhalte, die zwar gegenwartig keine Verbindlichkeit begriinden, deren zukiinftiger belastender Charakter aber bereits angelegt ist. Da solche zukUnftigen Belastungen bilanzrechtlich unter dem Etikett der Riickstellungen erfaBt werden, ist zur Ermittlung der belastenden Sachverhalte in der Untemehmenskrise und ihre Auswirkung auf die Uberschuldungsbilanz ein Blick auf das Wesen von Riickstellungen und den dort zugrundeliegenden Sachverhalten zu werfen (D IL), um daraus objektivierte Voraussetzungen fur belastende Sachverhalte herzuleiten, die als Kriterien in der Uberschuldungsbilanziemng tauglich sein konnen (D. III.).

/.

Umfang belastender Sachverhalte

Zur Ermittlung der Sachverhalte, die in der Uberschuldungsbilanz zu passivieren sind, ist der Begriff der „Schulden" auszulegen. Materielle Konkretisierungen uber Art und ^^^ Vgl. Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 277.

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Umfang der in der Oberschuldungsmessung zu erfassenden Schulden enthalt die InsO nicht ausdrucklich, so dafi eine klare Wortlautauslegung nicht moglich ist. In Ermangelung dessen ist der Begriff grundsatzlich mit den verbleibenden Methoden der juristischen Begriffsbestimmung auszufUllen^^^. Demzufolge ist der Blick auf die Systematik der InsO zu lenken, um daraus moglicherweise sachdienliche Hinweise iiber Inhalt und Umfang der Schulden zu erhalten, bevor auf die Methode der Begriffsbestimmung anhand der ratio legis zuriickgegriffen werden kann.

i. Normativer Rahmen a) Fehlen normierter Determinanten zur Erfassung von Belastungen vor Eroffnung des Insolvenzverfahrens Gem. § 19 Abs. 2 InsO ist es im Rahmen der Uberschuldungspriifung notwendig, das Vermogen und die Schulden zu ermitteln und monetar abzubilden. Weder der Begriff des Vermogens noch der Begriff der Schulden sind dort naher defmiert. Allerdings liefert die InsO mit den §§ 35ff Vorschriften iiber die Insolvenzmasse und die Einteilung der Glaubiger. Daraus wird teilweise gefolgert, hiermit sei der materiellrechtliche Rahmen der in der Uberschuldungsbilanz zu erfassenden Vermogensgiiter vorgegeben^^°. Aktivposten waren danach die Vermogensgegenstande, die gem. § 35 InsO in die Insolvenzmasse fallen^^\ Passivposten dagegen die Verbindlichkeiten, die im Fall der Eroffnung des Insolvenzverfahrens eine Insolvenzforderung begriinden konnen^^^. Ob damit der Situation der Untemehmenskrise und damit dem Umfang der innerhalb der Selbstpriifung gebotenen Informationslegung nach der tatsachlichen Vermogenslage in ausreichendem MaBe gerecht wird, erscheint indes zweifelhaft. Bedenklich erscheint zunachst, die Situation der §§ 35ff InsO mit der Situation der Untemehmenskrise gleichzusetzen. Denn die Bestimmungen der §§ 35ff InsO setzen ein eroffnetes Insolvenzverfahren voraus, mithin eine Entscheidung dariiber, ob ein Insolvenzgrund Vgl. Kubler/Priitting-Pape, aaO, § 19, Rn 9. Nur wenn ein allgemeiner Sprachgebrauch dem besonderen Sprachgebrauch vorgeht, ist dieser im Rahmen der wSrtlichen Auslegung anzuwenden; vgl. Larenz, aaO, S. 322, Der allgemeine und besondere Sprachgebrauch im Bezug auf Schulden und Verm5gen sind sachlich ubereinstimmend, so dafi die Begriffe mit denen des Rechtsgebrauchs ubereinstimmen. Gleichwohl muB dabei der Rahmen des jeweihgen Rechtsgebrauchs beriicksichtigt werden. Die verbleibenden klassischen Auslegungsmethoden basieren auf der Systematik, der Genese und dem Telos; vgl. zu den klassichen Auslegungsmethoden Zippelius, aaO, S. 42ff. Vgl. KuhnAJhlenbruck, aaO, § 102, Rn 6s. Vgl. BOH ZIP 1982, 1435, 1437f. Dazu sollen nicht die auszusondernden Gegenstande gehdren; vgl. Muller/Haas, aaO, Rn 23. Vgl. BGH ZIP 1982,1435, 1437; vgl. auch Kubler/Prutting-Pape, aaO, § 19, Rn 13.

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vorliegt^^^. Dariiber hinaus wird durch eine Orientierung an §§ 35ff InsO der Begriff der Schuld stark materiellrechtlich ausgelegt^^"^. Zudem gelten diese Bestimmungen zeitlich erst fiir die Zeit nach Eroffnung des Insolvenzverfahrens, also nach der Selbstpriifung der Insolvenzreife. Richtig ist zwar, da6 die Vermogensabbildung in der Uberschuldungsbilanz grundsatzlich nicht nach FortfUhrungsgesichtspunkten erfolgt^^^. Gleichwohl wird die Vermogensabbildung als Quasi-Fortfuhrungswert mittels der Prognose korregiert^^^. Die Konzeption der Vermogensmessung in der Untemehmenskrise wird demgemaB wirtschaftlich ausgestaltet^^^, mit der Folge, da6 neben rechtlichen auch wirtschaftliche Vermogensbelastungen auBerhalb der reinen Verbindlichkeiten zu berucksichtigen sind, wenn sie weder unter rein statischen Gesichtspunkten von der Uberschuldungsbilanz noch von der Cash-flow Prognose erfaBt werden^^^. Ein Festhalten an der rein materiellrechtlichen Begrifflichkeit der Schuld kann daher irrefuhrend sein, wenn es darum geht, die tatsachliche Situation des Untemehmens in der Krise abzubilden. In Ermangelung eines ausdriicklichen materiellrechtlichen Rahmens in der InsO zur rechnerischen (Jberschuldung bzw. der Bestimmung von insolvenzrelevanten Belastungen in der Untemehmenskrise^^^ werden Anhaltspunkte fiir Art und Umfang der zu erfassenden Belastungen im Zweck der Bilanzierung gesucht^^^. Wird der Zweck der Uberschuldungsbilanz im Glaubigerschutz gesehen, miissen alle insolvenzrelevanten Positionen beriicksichtigt werden^^\ Das Interesse der Gesellschaft tritt demgegeniiber zuriick, da die Gesellschaft den Wirtschaftsverkehr ohnehin schon ausreichend mit der Moglichkeit der Haftungsbeschrankung belaste^^^. Fiir insolvenzrechtlich relevant gehalten werden in diesem Zusammenhang die Belastungen, die den vom Insolvenzverwalter zu bedienenden Verbindlichkeiten entsprechen^^^. Dazu sollen insbesondere

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Unbedenklich insoweit zur fiktiven Vorwegnahme der Insolvenzeroffnung Hommelhoff, aaO, S. 256f. Vgl. zur materiellrechtlichen Auslegung des Begriffs der Forderung von Insolvenzglaubigem Jaeger/Henckel, aaO, § 3 Rn 6. Vgl. oben sub C III. l.c)(3). Vgl. zum DCF-Verfahren als Grundlage der Prognose, deren Ausgangspunkt die erzielbaren Ertrage sind, sub B m. 2. Vgl.subCm. l.c). Vgl. ausfuhrlich dazu sub D 11. 8. A.A. Kubler/Priitting-Z/o/zer, aaO, § 38 Rn 1. Bei § 38 InsO handelt es sich um eine Vorschrift materiellrechtlicher Natur, weil diejenigen Glaubiger umfaBt sind, die ihre Forderungen im Insolvenzverfahren zumindest teilweise befriedigen konnen. Wie auch fiir jede andere Art der Bilanzierung, vgl. Winnefeld, aaO, N Rn 830. Vgl. bspw. Scholz-K.Schmidt, 8. Auflage, aaO, § 63 Rn 26. Vgl. Schwieters, aaO, S, 272. Im Gegensatz zu den Vermogenswerten, die im Falle der Konkurseroffnung den Glaubigern zur Verfugung stehen wiirden; vgl. dazu Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 278.

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die Forderungen gehoren, deren Glaubiger aus der Insolvenzmasse zu bedienen sind"". Der Gedanke, insolvenzrelevante Forderungen im dargestellten Sinne zu passivieren, mag zutreffend sein, wenn die zukunftige Entwicklung des Unteraehmens feststeht, die Gesellschaft liquidiert wird. Das ursprungliche untemehmerische Ziel wird eingeschrankt, die werbende Tatigkeit beendet. Damit werden die zu bedienenden Verbindlichkeiten absehbar und uberschaubar^^^, was im Hinblick auf die Situation fUr den Wunsch der Glaubiger nach bestmoglicher Befriedigung auch durchaus zu begriifien ist. Entsprechendes gilt dann fur Sachverhalte, die Risiken zukiinftiger Vermogensnachteile enthalten, die aber unter rein materiellrechtlichen Gesichtspunkten noch nicht entstanden sind: Diese sind im Falle der Beendigung des Untemehmens nicht (mehr) zu bedienen. Diese Betrachtung ist aber zu einseitig auf eine Vorwegnahme der Entscheidung liber das Ergebnis der Uberschuldungspriifung fixiert. Wird das Untemehmen namlich erfolgreich aus der Krise bzw. der tjberschuldung heraus restrukturiert und ohne Insolvenzverfahren fortgefuhrt, bleiben die wirtschaftlichen Risiken grundsatzlich in gleichem Umfang bestehen wie vor der Krise^^^. Das heiBt, eine wirtschaftliche Belastung droht weiterhin, sich zukiinftig zum Nachteil der untemehmerischen Vermogenslage auszuwirken^^^. Eine Vermogensabbildung nach den genannten Grundsatzen ist daher abzulehnen, wenn auch eine Fortfiihrung als moglich erscheint, obwohl gerade nicht alle zukunftigen Risiken erfaBt sind.

So Kubler/Priitting-Ho/zer, aaO, § 38, Rn 1. Gem. § 38 InsO ist Insolvenzglaubiger, wer einen zur Zeit der Eroffnung des Insolvenzverfahrens begrundeten Vermogensanspruch gegen den Schuldner hat. Der Gesetzgeber hat mit § 39 InsO eine Reihenfolge der zu bedienenden Forderungen anhand qualitativer Merkmale postuliert. § 38 InsO bestimmt den Begriff der Insolvenzglaubiger. „Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der personlichen Glaubiger, die einen zur Zeit der Eroffnung des Insolvenzverfahrens begrundeten Vermogensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzglaubiger)." § 39 InsO qualifiziert nachrangige Glaubiger. Da § 38 InsO die zu erfassenden Forderungen insoweit von bestehendem materiellem Recht abhangig macht; vgl. Kubler/PrUtting-Hdz^r, aaO, § 38, Rn 3. Allerdings kann auch nach Beendigung der Liquidation die Gesellschaft grundsatzlich noch verklagt werden. Im Rechtsstreit wird die nichtexistente Partei in einem gegen sie angestrengten ProzeB insoweit als bestehend behandelt, als ihre Nichtexistenz geltend gemacht wird, BHGZ 24, 91, 94. Die ProzeBfahigkeit bleibt auch nach Loschung der juristischen Person bestehen, wenn noch Abwicklungsbedarf besteht, vgl. Musielak-Wcr/i, § 50 Rn 18. Dies gilt fiir Risiken aus Arbeitsverhaltnissen, Haftungsrisiken und Umweltbelastungen gleichermaBen wie fur drohende Verluste aus Absatz- und Beschaffungsgeschaften; vgl. Picoth, aaO, S. 1119f. Selbstverstandlich werden RestrukturierungsmaBnahmen nicht vorgeschlagen und durchgefiihrt, wenn damit keine ausreichende Erhohung der Wirtschaftlichkeit zur Uberwindung der Krise verbunden ist. RegelmaBig werden dabei doch nicht einzelne Risiken beseitigt, denen das Untemehmen gegeniibersteht, sondem die betriebswirtschaftliche Situation des Untemehmens im ganzen verbessert, so daB haufig die in der Krise bestehenden Risiken nach der Restrukturierung aus eigener Kraft uberwunden werden konnen. Vgl. zu den Anfordemngen an die Sanierungsfahigkeit Picoth/Aleth, aaO, S. 91ff.

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Gerade iiber die zukiinftige Entwicklung ist bei der insolvenzrechtlich gebotenen Selbstpriifung (auf Uberschuldung) noch nicht entschieden. Insofem kann es im Hinblick auf Belastungen des Unteraehmens keinen typischen insolvenzrelevanten Sachverhalt geben, sondem nur Belastungen in Form von wirtschaftlichen Risiken, die sich im laufenden Geschaft verwirklichen konnen - oder nicht mehr, falls die Untemehmung eingestellt wird. Gerade daruber ist aber im Zeitpunkt der Uberschuldungsmessung nicht entschieden^^^. In gleichem Umfang beeinflussen auch Aufwendungen aus Innenverpflichtungen, die nach dem Verbindlichkeitstheorem gar nicht beriicksichtigt wurden, Art und Umfang der zukiinftigen Entwicklung des Unternehmens. DemgemaB darf bei ihrer Einschatzung ebenfalls nicht die Entscheidung iiber die Insolvenz vorweggenommen sein.

b) Formaljuristische contra wirtschaftliche Betrachtungsweise Im Bezug auf den Gegenstand der Arbeit konnte man bei formaljuristischer Betrachtung fragen, weshalb belastende Sachverhalte, die gemeinhin den RUckstellungen im handelsrechtlichen Sinne zugrunde liegen, iiberhaupt in der Insolvenz relevant sein sollen. § 19 InsO spricht ausdriicklich von „Schulden". Zwar ist der Begriff der Schuld nicht gesetzlich defmiert^^^. Gleichwohl werden lehrbuchgemaB mit dem Begriff der Schulden rechtliche Verbindlichkeiten verbunden, das heiBt Sachverhalte in denen jemand ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen fordem kann, wenn bestimmte objektivierte Entstehungsvoraussetzungen eines schuldbegriindenden Tatbestands erfullt sind^"^^. Ob diese erfullt ist oder nicht, laBt sich nach den herkommlichen Methoden der Subsumtion feststellen^'*^ Ist der Entstehungstatbestand bzw. sind dessen Tatbestandsmerkmale gegeben, liegt eine Verbindlichkeit vor. Dieser materiellrechtliche Gedanke ist vor dem Hintergrund der §§ 38f InsO, wonach bestimmt wird, wer Insolvenzglaubiger ist, durchaus plausibel, greift aber wegen seines immanenten strikt formaljuristischen Ansatzes in der Situation der Untemehmenskrise zu kurz^"^^.

^^* Vielmehr kann die Vermogensiibersicht auch erst als Grundlage weiterer strategischer oder gesellschaftsrechtlicher Entscheidungen dienen, die Liquiditatslage des Unternehmens zu verbessem; vgl. zu den Moglichkeiten im einzelnen Picoth/Aleth, aaO, S. 99ff. ^^' Der Begriff der Schuld wird weder insolvenzrechthch noch schuldrechtlich legaldefiniert. Im BGB finden sich lediglich Bestimmungen hinsichtlich der Begriffe „Anspruch" und „Schuldverhaltnis", die zu einem Tun Oder Unterlassen bzw. zu einer Leistung berechtigen, §§194 Abs.l, 241 BGB. '^^^ Vgl. bspw. Musielak, aaO, Rn 164. '^' Vgl. dazu Larenz, aaO, S. 273ff, 439ff. ' ' ' Vgl.obenDI. L a ) .

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Aus den Bestimmungen zur Handelsbilanz ist die Notwendigkeit bekannt, das Vermogen im wirtschaftlichen Sinne zu erfassen^"*^. Daraus folgt zwar einerseits, daB Rechtsverpflichtungen, die wirtschaftlich nicht vermogensbelastend sind, keine bilanzrechtlichen Verbindlichkeiten darstellen, aber andererseits, daB rein tatsachliche Verpflichtungen, die das wirtschaftliche Vermogen belasten, bilanzrechtliche Verbindlichkeiten bilden konnen^"*"^. Zu den Verbindlichkeiten zahlen dort bspw. Verpflichtungen, denen sich der Bilanzierende aus sittlichen oder moralischen Griinden nicht entziehen kann'^'. Mithin scheint handelsbilanzrechtliche Voraussetzung fur eine Verpflichtung grundsatzlich nicht das Vorliegen einer Rechtsverbindlichkeit im Rechtssinne zu sein. Der formalrechtliche Begriff der Verbindlichkeit ware daher als Abgrenzungskriterium gegeniiber dem anderer belastender Sachverhalte wenig hilfreich und kann allenfalls einen ersten Anhaltspunkt fur die bilanzrechtliche Wertung geben^"^^. Eine Ursache dafur, daB eine rein rechtliche Betrachtungsweise der handelsrechtlichen Rechnungslegung nicht gerecht werden kann, besteht anerkanntermaBen in der Dynamik eines Untemehmens, die zugleich die situativen Rahmenbedingungen der Rechnungslegung des laufenden Geschaftsbetriebs vorgibt^'*^. Das gilt ebenso fur Untemehmenskrise und Uberschuldungsbilanz. Der hier gebotene Ansatz von Verbindlichkeiten muB der Gesamtsituation der untemehmerischen Krise als auBerordentliche Ereignis des laufenden Geschaftsbetriebs gerecht werden, das eine objektive Priifung dariiber erforderlich macht, ob die Teilnahme am Rechtsverkehr weiterhin gestattet ist. Methodisch beginnt diese Priifung mit der Feststellung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Uberschuldung. Das erste Tatbestandsmerkmal ist die rechnerische Uberschuldung. Die rechnerische Uberschuldung ist als die Abbildung der temporaren Vermogenslage eine betriebsbezogene Tatsache innerhalb eines konkreten betriebswirtschaftlichen Untemehmensvorgangs: der Krise^"*^. Ist nun innerhalb der Bestimmung des AusmaBes der Krise (der Selbstpriifung auf Insolvenzreife) eine Vermogensubersicht bzw. eine Bilanzierung erforderlich, sind demzufolge die

Vgl. oben C11. 2. d); ausfuhrlich sub DII. Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 82. Vgl. Ludewig, aaO, S. 766; ausfuhrlich dazu nachfolgend D II. 3. c) (3). Vgl. Tischbierek, aaO, S. 8 mwN in Fn 11; ausfuhrlich nachfolgend D11. 8. Vgl. ausfuhrlich sub DII., DII. 3. b). Die Situation der Krise hat zwar spezifische Ursachen, die bspw. durch die allgemeine wirtschaftliche Lage, Kundenverhalten, eine besondere Situation eines bestimmten Marktsegments, durch Finanzmarktschwachen, durch politische, arbeitsrechtliche, produktbezogene oder technisch bedingte Faktoren beeinfluBt werden. Im Ergebnis bedeutet die Untemehmenskrise aber immer eine Gefahrdung der eigenen Existenz sowie von Drittmitteln, wenn die Liquiditatslage des Untemehmens angespannt ist.

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Tatbestandsmerkmale teleologisch, mit anderen Worten (betriebs-) wirtschaftlich, auszulegen. Somit ist grundsatzlich bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der rechnerischen tJberschuldung ebenso eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten, wie bei der Auslegung identischer Begriffe im handelsbilanzrechtlichen Sinne^"^^. Dieses Verstandnis bewirkt bei der Auslegung zivilrechtlicher Begriffe wie dem der Schulden, daB diese entsprechend ihrer wirtschaftlichen Bedeutung funktionsbestimmt zu verstehen und entsprechend fortzubilden sind^^^, da die bloBe formaljuristische Auslegung den wirtschaftlichen Normzweck ignorieren konnte^^^ c) Zwischenergebnis: Wirtschaftliche Betrachtungsweise Zwar stellt der Tatbestand der Untemehmenskrise einen wirtschaftlichen Sondertatbestand der laufenden Geschaftssituation dar, die Rahmenbedingungen der Vermogensabbildung sind dennoch identisch. Daher ist auch die Abbildung dieses auBergewohnlichen Sachverhalts in einem Rechenwerk grundsatzlich keine reine Rechtsmaterie^^^, selbst wenn die Abbildung an sich aufgrund der Auslegung von Gesetzen erfolgt. Wenn die handelsrechtliche Vermogensabbildung im allgemeinen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat, das heiBt eine Auslegung von entsprechenden Vorschriften wirtschaftlich geschieht, muB dies auch fiir die Vermogensabbildung im besonderen gelten. Demzufolge sind unter Schulden i.S.d. § 19 Abs. 2 InsO, entgegen dem formaljuristischen Verstandnis von Forderungen innerhalb der InsO, nicht nur Verbindlichkeiten im Rechtssinne, sondern grundsatzlich auch die iibrigen Belastungen des Vermogens zu erfassen. Dazu gehoren nicht nur materiellrechtlich begriindete Forderungen, sondern auch alle wirtschaftlichen Belastungen des Untemehmensvermogens. Das sind insbesondere Sachverbalte, die wahrscheinlich zu einer zukiinftigen Aufwendung des Untemehmens fuhren werden, ohne daB bereits der Tatbestand einer Forderung vollstandig entstanden ist, und die im Rahmen der Rechnungslegung beim kontinuierlichen UntemehmensprozeB unter die Tatbestande der Ruckstellungen subsumiert werden.

Vgl. Moxter, Wirtschaftliche Betrachtungsweise, aaO, S. 233. Vgl. Tischbierek, aaO, S. 7f. Vgl. Moxter, Wirtschaftliche Betrachtungsweise, aaO, S. 241. Dies auch deshalb, well grundsatzlich nach der Methode der Gesetzesauslegung die wortliche Auslegung der teleologischen Auslegung vorgeht. Ist danach der Begriff der „Verbindlichkeit" bereits im Rechtssinne ausgefullt, so bedarf es dazu ohne weiteres keiner Erganzung. Vgl. zur handelsrechtlichen Rechnungslegung sub C II. 1. b).

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2. Vermogensmindemde Positionen in der Unternehmenskrise Nachdem sich der Inhalt der Uberschuldungsbilanz weder aus den Grundsatzen der Handelsbilanz noch aus anderen in sich geschlossenen, nomiierten Bilanzierungssystemen ableiten laBt^^^ und auch ausdriicklich keine spezifisch insolvenzrechtlichen Bestimmungen iiber Inhalt und Umfang der Schulden bestehen^^"^, giU es, anhand der gefundenen spezifischen Anforderungen der Uberschuldungsbilanz Leitlinien fur den Ansatz und den Umfang der Belastungen zu finden^^^. Dabei ist zu beriicksichtigen, da6 eine wirtschaftliche Betrachtungsweise hinsichtlich des Umfangs der Schulden geboten ist, was den Blick auf die Erfassung von Schulden im handelsrechtlichen Sinne nahelegt. Danach sind Schulden nicht nur Verbindlichkeiten im Rechtssinne, sondem alle wirtschaftlichen Belastungen, die eine Vermogensminderung zur Folge haben konnen^^^. Sind Schulden i.S.d. § 19 Abs. 2 InsO grundsatzlich mit dem handelsrechtlichen Belastungen des Untemehmens vergleichbar, dann gabe die Uberschuldungsbilanz nicht nur Auskunft dariiber, mit welchen Verpflichtungen und in welchem Umfang daraus das Untemehmen gegenwartig belastet ist, sondem auch iiber die Belastungen, mit denen das Untemehmen in der Krise zukunftig zu rechnen hat. Diese sind in gleichem MaBe fiir die zukiinftige Planung des Geschaftsbereichs wie fiir die Planung von Sanierung und RestmkturiemngsmaBnahmen relevant. Irrelevant sind dagegen unbelastende Sachverhalte. Diesen Anfordemngen wird das zweigliedrige Modell der Uberschuldungspriifung gerecht, indem es die zunachst statisch erfassten Werte der vorhandenen Vermogensguter aus der Uberschuldungsbilanz durch das Ergebnis der Prognose korrigiert^^^. Die Prognose enthalt mit den avisierten Umsatzen der kommenden Perioden das Ertragspotential der zunachst statisch erfassten Vermogenswerte. In ahnlicher Weise werden auch die Schulden korrigiert, indem im Rahmen der Prognose die zukiinftigen Ausgaben aus dem Geschaftsbetrieb von den moglichen Ertragen abgezogen werden^^^. An dieser Stelle stelh sich die Frage, inwiefem RUckstellungen uberhaupt in der Uberschuldungsbilanz zu erfassen sind. Auf den ersten Blick scheint die Antwort klar: Da Riickstellungen kiinftige Belastungen betreffen, gehoren sie aufgrund ihres Charakters ' " Vgl.subCI.3. •'^^ Vgl.soebenDI. l.a). ^^^ Vgl. zu den spezifischen Anforderungen an die Uberschuldungsbilanzierung sub C ffl. 1. c) und 2. ''^^ Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 82. "^ Vgl.dazusubBm.2.c). ^^* Vgl. dazu ausfuhrlich zum Modell der Uberschuldungsmessung sub B III.

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in die Ertragsprognose. Auf den zweiten Blick sollte jedoch zwischen den verschiedenen Arten riickstellungsrelevanter Sachverhalte differenziert werden, namentlich zwischen Verbindlichkeitsriickstellungen und Ruckstellungen, die auf einer Innenverpflichtung beruhen. Hieraach ergibt sich ein anderes Bild: Zwar stellen Riickstellungen kunftige Belastungen dar, doch gehoren aus statischer Sicht neben den Verbindlichkeiten auch die RUckstellungen, denen eine Verpflichtung gegeniiber Dritten zugrunde liegt, zu den Schulden^^^. Jedenfalls Schuldruckstellungen konnen danach dem bilanztheoretischen Ansatz zufolge auch bereits in der Uberschuldungsbilanz berucksichtigt werden^^^. Anders stellt sich dagegen die Lage im Fall von Ruckstellungen dar, die auf Innenverpflichtungen beruhen, wie z.B. Aufwandsriickstellungen. Aus statischer Sicht konnen diese nicht den Schulden zugeordnet werden^^^ Methodisch gesehen waren sie daher auch erst im Rahmen der Ertragsprognose zu beriicksichtigen. Ob und inwieweit dies der Fall ist, wird im folgenden naher zu untersuchen sein^^^. Denn auch RUckstellungen auf Grund von Innenverpflichtungen konnen sich bei Fortfuhrung vermogensmindemd realisieren.

a) Unbelastende Positionen der Passiva Von unbelastendem Charakter in der Untemehmenskrise bzw. der Uberschuldungsbilanz sind die Positionen des Stammkapitals bzw. des Grundkapitals sowie die freien Rucklagen, mithin die dem Eigenkapital zuzurechnenden Positionen^^^. Diese Passiva werden grundsatzlich deshalb nicht als Belastung gewertet, weil es sich dabei gerade nicht um Belastungen, sondern um sog. „unechte" Passivposten handelt^^"^. Die Besonderheit dieser Positionen liegt darin, da6 sie dem Untemehmen den Grundstock der wirtschaftlichen Betatigung geben und eine Erfassung dieser Positionen im Rahmen der kontinuierlichen Rechnungslegung nur aus Grlinden der Ausschiittungsbegrenzung erforderlich ist^^^. Demzufolge sind diese Positionen innerhalb des Verfahrens zur

Stdiub-Kleindiek, § 249 Rn 7; Baetge, aaO, S. 41 Iff. Vgl. zum Ruckstellungsbegriff nach der statischen Bilanzaufassung ausfiihrlich sub D H. 1. a). Vgl. hierzu ausfuhrlich sub D II. 7. b) (3). KuiingrW&bQT-Meyer-Wegelin, § 249 Rn 17; Stmb-Kleindiek, § 249 Rn 7. Vgl. zum Ruckstellungsbegriff nach der dynamischen Bilanzaufassung ausfuhrlich sub DII. 1. a). Vgl. sub D n. 7. b) (3). Vgl. Scho\z-K.Schmidt, 8. Auflage, aaO, § 63 Rn 26; Schmidt/Uhlenbruck-^/i/enferMcA:, aaO, Rn 909; BGH BB 1959, 754; OLG Karlsruhe, WM 1978, 962, 965. Freie Rucklagen sind gegenstandlich Gewinnrucklagen, die satzungsgemaB gebildet werden. Im Gegensatz dazu fliefien Kapitalriicklagen von auBen in das Untemehmen; vgl. allg. zu Rucklagen, Kuting-Kuting, aaO, § 272, Rn 48ff und Ubersicht 6. So BGHZ 31, 259, 272; vgl. auch Fischer, aaO, S. 122; JaegerAVeber, aaO, §§ 207, 208 Anm. 19. Vgl. Dahl, aaO, S. 115; Kuhn, aaO, S. 555.

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Feststellung der Uberschuldung wegen der dabei gebotenen Pramisse, das tatsachliche Vermogen zu ermitteln, nicht zu beriicksichtigen^^^. Ebensowenig sind durch das Insolvenzverfahren ausgeloste Anspriiche wie Kosten des Insolvenzverfahrens oder sonstige durch das Insolvenzverfahren ausgeloste Kosten anzusetzen^^^. Zwar scheint eine Beriicksichtigung dieser Positionen im Interesse eines umfassenden Glaubigerschutzes gerechtfertigt^^^. Doch unterstellen diese Positionen die Liquidation der Gesellschaft^^^. Dies ist mit dem Gedanken der zweistufigen Uberschuldung nicht zu vereinbaren, da eine Prognose iiber die Fortfiihrung der Gesellschaft nach einer unterstellten Liquidation bzw. Zerschlagung iiberflussig ware.

b) Verhindlichkeiten der „Insolvenzgldubiger** Belastenden Charakter in der Unternehmenskrise bzw. der Uberschuldungsbilanz haben aufgrund des soeben konstatierten Gebots einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise^^° diejenigen Verhindlichkeiten, die im Falle der Insolvenz aus der Masse zu bedienen sind, soweit diese Verhindlichkeiten von „Insolvenzglaubigern" bereits vor der Insolvenz in der Situation der Krise bestehen^^\ Im Gegensatz zu den soeben erorterten „unechten" Passiva konnte man hier von echten Passiva sprechen. Dies gilt unabhangig davon, ob diese noch nicht fallig oder gestundet sind^^^. Dazu gehoren bspw. Verhindlichkeiten aus unerfullten Vertragen ebenso wie Geldschulden zum Nennwert oder lediglich dilatorisch gehemmte Forderungen^^^. Darlehensverbindlichkeiten sind allerdings nur dann zu beriicksichtigen, wenn kein Rangriicktritt vereinbart wurde^^"^. Vgl. Fischer, aaO, S. 122f; BGH BB 1959. 754 (Nr. 1303); KuhnAJhlenbruck, aaO, § 102 Rn 60. Vgl. Gottv/dild-Uhlenbruck, aaO, § 6 Rn 27; Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 102 Rn 6n; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 297; Hachenburg-(//mer, aaO, § 63 Rn 45. Gem. § 46 InsO sind Pensionsverpflichtungen und Pensionsanwartschaften mit ihrem Barwert zu passivieren, wenn sie trotz des Insolvenzverfahrens bestehen bleiben, str. , vgl. SchmidtAJhlenbruck -Uhlenbruck, aaO, Rn 909; a.A. Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64 Rn 23. Gleichwohl sollen sonstige Positionen nicht zu berucksichtigen sein, wenn sie durch die Insolvenz ausgelost werden, wie bspw. Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich gem. §§111 BetrVG oder Schadensersatzanspriiche gem. § 103 Abs. 2 InsO, die durch die Nichterfullung von Vertragen entstehen. Vgl. ausfUhrlich zur Erfassung von Pensionsverpflichtungen und Sozialplanverpflichtungen nachfolgendsubDin. 3.b),d). Vgl. Hommelhoff, aaO, S. 256. Immerhin geht die (vorrangige) Bedienung zu Lasten der Glaubiger. Vgl. Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 102 Rn 6n. Vgl. soeben sub D I. 1. c). Vgl. Hommelhoff, aaO, S. 256; Schmidt/Uhlenbruck-f/Zi/eni^rwc^, aaO, Rn 908. Insoweit ist der gelaufige Hinweis, insolvenzrelevant seien die Verhindlichkeiten gem. §§ 38f InsO, die der Verwalter zu bedienen hat, durchaus sachdienlich; vgl. bspw. Scholz-K.Schmidu 8. Auflage, aaO, § 63 Rn 26, Vgl. KUbler/Priitting-Z/o/zer, aaO, § 38 Rn 3, der sogar nicht durchsetzbare Forderungen erfassen mochte, weil alleine das differenzierte System der Forderungspriifung gem. §§ 174ff InsO iiber die Qualifikation der Insolvenzforderung entscheide. Vgl. Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG,aaO, S. 297. Vgl. dazu auch OLG Naumburg, ZIP 2004, 566, 567.

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c) Latente Risiken aus rUckstellungsrelevanten Sachverhalten? Als Konsequenz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise sind im Rahmen der Uberschuldungsprufung dariiber hinaus auch diejenigen Sachverhalte, die aufgrund der ihnen immanenten Risiken wirtschaftliche Belastungen verursachen konnen, zu beachten^^^. Denn diese Belastungen konnen den Umfang des zukiinftig operativ zur Verfiigung stehenden Dispositionsspielraums des Untemehmens nicht unerheblich beeinflussen^^^. Von Bedeutung sind demgemaB die (nach Handelsrecht) rUckstellungsrelevanten Sachverhalte, die nach den hierfur geltenden Regeln zumindest insoweit in die JahresabschluBbilanz zu ubemehmen sind, als daraus emsthaft mit einer Inanspruchnahme der Gesellschaft zu rechnen ist^^^. In der Jahresbilanz sind Ruckstellungen unter anderem fur ungewisse Verbindlichkeiten und fUr Verluste aus schwebenden Geschaften zu bilden, § 249 Abs. 1 S. 1 HOB. Zu unterscheiden sind dabei unterschiedliche Typen ungewisser Verbindlichkeiten. Zum einen kann eine Unsicherheit hinsichtlich des Grundes bestehen; zum anderen kann ihre Hohe ungewiB sein. 1st die Verbindlichkeit allein der Hohe nach ungewiB, so ist jedenfalls von ihrem Bestehen auszugehen. Das Handelsrecht anerkennt demgegeniiber auch Ruckstellungen fur bestimmte Aufwendungen^^^. Ruckstellungen fur Aufwendungen haben trotz ihrer immanenten wirtschaftlichen Belastung keinen Verbindlichkeitscharakter^^^. Sie beruhen auf Innenverpflichtungen, das heiBt auf einer Verpflichtung des Bilanzierenden gegen sich selbst^^^. In Ermangelung des verpflichtenden Charakters handelt es sich um eine Obliegenheit^^\ Als eine Obliegenheit des Untemehmens, einen bestimmten Aufwand zu

Vgl. Hommelhoff, aaO, S. 264; Auler, aaO, S. 2172. A.A. nur Burger/Schellberg, aaO, S. 266, die lediglich die bestehenden Geldschulden ansetzen wollen. Vgl. sub D I. l.a). Vgl. zur Einstellung riickstellungsrelevanter Sachverhalte in die Uberschuldungsbilanz bei HachenburgUlmer, aaO, § 63 Rn 45; Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64 Rn 23; zum belastenden Charakter ruckstellungsbedUrftiger Sachverhalte Daub, aaO, S. 53f; vgl. auch nachfolgend sub D H. 3. Vgl. ausfuhrlich hierzu nachfolgend sub D II. 5. Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 102 Rn 6p aE. Der BFH anerkennt Aufwandsriickstellungen „ohne den Rang einer schuldrechtlichen Leistung" im Zusammenhang mit Schadensermittlungskosten, BFH BFHE 104, 422, 427ff = BStBl.II1972,392,395ff. Vgl. Baetge, aaO, S. 413. Als Obliegenheit wird ein Gebot bezeichnet, dessen Befolgung nicht erzwungen werden kann, sondern im eigenen Interesse des dadurch Belasteten liegt, weil ihm sonst Rechtsnachteile (z.B. der Verlust einer vorteilhaften Rechtsposition) drohen; vgl. Musielak, Grundkurs BGB, aaO, Rn 504. Die zugrunde liegenden Sachverhalte im Handelsrecht erfassen Instandhaltung und Abraumbeseitigung, sog. Aufwandsriickstellungen; vgl. dazu KuiingfW&bcT-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 73. Sobald die Ruckstellung aber aus einer offentlich-rechtlichen Pflicht resultiert, handelt es sich nicht mehr um eine Aufwandsriickstellung, sondern um eine ungewisse Verbindlichkeit aufgrund offentlich-rechtlicher Verpflichtung.

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betreiben, kann z.B. die Instandhaltung der notwendigen Produktionsanlagen angesehen werden.

3, Folgerung: RUckstellungsrelevante Sachverhalte sind im Verfahren der Uberschuldungspriifung zu beachten Relevant fiir die Uberschuldungsmessung sollten demnach grundsatzlich alle Arten wirtschaftlicher Belastungen des Untemehmensvermogens sein, wenn und soweit diese das Schuldendeckungspotential des Untemehmens, im Zeitpunkt der Krise absehbar, bestimmt oder wahrscheinlich vermindem. Solche Belastungen resultieren im Hinblick auf den grundsatzlich nicht von vornherein auszuschliefienden Fortfuhrungsgedanken des Untemehmens in der Krise sowohl aus den bereits bestehenden Verbindlichkeiten, konnen aber auch aus den latenten Risiken, die wirtschaftliche Belastungen verursachen konnen und die im JahresabschluB regelmafiig als RUckstellungen erfaBt werden^^^, entstehen. Ebensowenig wie dort die bloBe UngewiBheit spaterer Umsatzund Gewinnsteigerungen eines bilanzierungspflichtigen Sachverhalts die voUstandige AuBerachtlassung eines hieraus moglicherweise resultierenden wirtschaftlichen Vorteils oder Nachteils rechtfertigt^^^, konnen im Rahmen der Uberschuldungspriifung solche Risiken auBer Betracht gelassen werden^^"*. Dies gilt umso mehr, wenn und soweit die Frage der Fortfuhrung bzw. der Beendigung des bestehenden Geschaftsbetriebs vom Umfang der zu erwartenden Belastungen abhangt oder jedenfalls abhangen kann. Dabei ist es hinzunehmen, daB die Berucksichtigung kiinftiger Belastungen in der Uberschuldungsbilanz bereits zum gegenwartigen Zeitpunkt eine rechnerische Uberschuldung zur Folge haben kann. Denn die Abbildung auch kiinftiger Belastungen in der Uberschuldungsbilanz ist fiir eine zutreffende Darstellung des Ertragspotentials, welches den Ausgangspunkt der sich an die Vermogensgegeniiberstellung anschlieBenden Ertragsprognose bildet, gerechtfertigt^^^. SchlieBlich muB der kiinftige Ertrag

Vgl. oben sub C HI. 1. c) (3); Thomas aaO, S. 134, Fn 286; zu den besonderen Arten moglicher Risiken anschaulich WP-Handbuch, aaO, E Rn 8Iff. Dies erscheint auch praxisgerecht, da die Uberschuldungsbilanz regelmaBig in Anlehnung an den JahresabschluB erstellt wird, soweit es um den Umfang der darin anzusetzenden Vennogenswerte und Belastungen geht. Dariiber hinaus liefert der nationale JahresabschluB mit dem Lagebericht bzw. der intemationale AbschluB mit den notes sachdienhche Hinweise im HinbUck auf bestehende und erkannte Belastungen. Dies gilt jedenfalls seit der Kontroverse nach dem Apotheker Urteil in der Literatur fiir das Handelsrecht als gesichert; vgl. BFH DB 1997, 1897ff mit Anm. Herzig/Rieck DB 1997, 1881ff. Vgl. Hommelhoff, aaO, S. 264; Breutigam/Blersch/Goetsch, aaO, § 19, Rn 38ff. Vgl. dazu D I. 2.

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auch diesbezugliche Belastungen decken. Im Ubrigen ist die rechnerische Uberschuldung ergebisneutral. Uber die Eroffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet auch die Ertragsprognose. Insofem wird das Ergebnis der LFberschuldungspriifung auch nicht durch das Ergebnis der Uberschuldungsbilanz vorweggenommen. Aufgrund des vermogensmindemden Charakters von Belastungen besteht in der Krise die Notwendigkeit uber ihre Art und ihre Hohe bestmogliche Kenntnis zu haben, bevor das Untemehmen weitere vermogenswirksame und vermogensbelastende Dispositionen eingeht. Verursacht die Bestimmung der bestehenden Belastungen keine besonderen Schwierigkeiten, weil ihre Art und ihr Umfang bereits feststehen, wie bspw. bei Geldforderungen, deren anspruchsbegriindender Tatbestand in rechtlicher Hinsicht sowohl dem Grunde nach als auch der Hohe nach entstanden ist und deren Durchsetzung keine Einreden gegeniiberstehen, werden diese Positionen nach geltendem Handelsrecht in der laufenden Rechnungslegung regelmaBig unter dem Bilanzposten der Verbindlichkeiten erfaBt^^^. Gleiches gilt fur die Uberschuldungsbilanz^^^. Unbestimmte Belastungen dagegen erwachsen regelmaBig aus Sachverhalten, die einen rechtlichen Entstehungstatbestand nicht oder jedenfalls nicht vollstandig erfullt haben. Die kontinuierliche Rechnungslegung erfaBt derartige Sachverhalte unter dem Bilanzposten der Ruckstellungen^^^. Es handelt sich dabei um Sachverhalte, die eine Unsicherheit hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Vermogenslage des Untemehmen enthalten, mithin ein zukUnftiges wirtschaftliches Risiko^^^. Nach geltendem Handelsrecht wird in diesen Fallen von einer Belastung ausgegangen, wenn diese in einem bestimmten Umfang greifbar und bewertbar ist^^^. Die Bewertung unterliegt dabei einer gesonderten Regulierung^^\ Hervorzuheben sind die Riickstellungen fUr

Vgl. statt aller KMngfWebQY-Reinhard, aaO, § 247 Rn 114, der ausdriicklich den belastenden Charakter der Verbindlichkeit hervorhebt. Vgl. soeben D 12. b). Riickstellungen erfassen in der Handelsbilanz gemeinsam mit der Position der Verbindlichkeiten die „Schulden" des Untemehmens und bilden damit das Gegenstiick zu den Vermogensgegenstanden der Aktivseite; Baetge, aaO, S. 129ff. Zusatzliche Hinweise auf Risiken finden sich gem. § 289 HGB im Lagebericht Oder im Anhang bzw. nach internationalen Standards in den notes; vgl. oben C II. 2. d). Dieses Risiko kann in Form einer nicht prazise bestimmten Verbindlichkeit, einem Wagnis oder einer moglichen Aufwendung bestehen; Kuting/Wcbcr-Reinhard, aaO, § 247 Rn 112; vgl. auch Daub, aaO, S. 53. Vgl. zum Konkretisierungsansatz Baetge, aaO, S. 157; zur Greifbarkeit nach der Rechtsprechung bei Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 1 Iff zur generellen Bedeutung des Greifbarkeitsprinzips im Rahmen der Anerkennung von Wirtschaftsgutern, ebd. S. 84 zur Greifbarkeit passivierungspflichtiger Sachverhalte. Der belastende Charakter folgt daraus, da6 es sich dabei gem. § 266 Abs. 3 B HGB um einen Bilanzposten der Passivseite handelt. Die Bewertung der Riickstellungen ist grundsatzlich nur in der Hohe gestattet, die nach verniinftiger kaufmannischer Beurteilung notwendig ist, § 253 Abs. 1, Satz 2 HGB. Damit hefert der Gesetzgeber nur einen allgemeinen Schatzungsrahmen; vgl ausfiihrlich bei KuimgfWQb&r-Kessler, aaO, § 249 Rn 258ff.

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Drohverluste und ungewisse Verbindlichkeiten, die nach geltendem Handelsrecht mit § 249 Abs. 1 S. 1 HGB eine ausdriickliche Regelung erfahren. Auch in betriebswirtschaftlich auBergewohnlichen Situationen, wie der Untemehmenskrise, sind Sachverhalte zu erfassen und abzubilden, die Belastungen und ungewisse Vermogensaufwendungen in der Zukunft verursachen konnen^^^. Gerade wegen der Unsicherheit derartiger Sachverhalte kann eine Vermogensminderung nicht von vomherein ausgeschlossen werden. Derartige Sachverhalte sollten daher auch im Uberschuldungsstatus berucksichtigt werden^^^. Denn besonders in der Krise miissen die zu erwartenden Belastungen des Untemehmens gewahr sein. Dies gilt sowohl fiir den Untemehmer selbst als auch fiir den Kapitalmarkt. Kunftige Belastungen konnen dabei aus AuBenverpflichtungen, die sowohl aufgrund von Verpflichtungen als auch aufgrund latenter Risiken zu einer Inanspruchnahme durch Dritte fuhren konnen, und aus Innenverpflichtungen resultieren. Da6 RUckstellungen als kunftige Belastungen fiir die Frage der Uberschuldung als Insolvenzgrund von Bedeutung sind, steht derweil auch auBer Frage. Bspw. erfolgt in der Praxis die erste Annaherung an die Sanierungspriifung mittels des letzten zur Verfiigung stehenden Jahresabschlusses oder Quartalsberichts. Im Durchschnitt machen Riickstellungen in den Bilanzen deutscher Untemehmen sogar etwa 21% der Bilanz794

summe aus

.

Um eine Aussage dariiber zu ermoglichen, in welchem Umfang derartige Belastungen in der Uberschuldungsbilanz zu erfassen sind, werden nachfolgend die Bilanzierungsgrundsatze der Riickstellungen untersucht, da RUckstellungen gemeinhin die zukiinftigen Belastungen des Untemehmens in der Bilanz abbilden^^^. Dabei werden insbesondere die Voraussetzungen untersucht, die erfiillt sein miissen, damit ein Sachverhalt fiir das Untemehmen so belastend wirkt, da6 dafiir eine Riickstellungspflicht entsteht. Fraglich ist dabei, von welcher Qualitat die UngewiBheit eines Sachverhalts oder dessen Auswirkungen sein miissen, bevor eine bilanzrelevante Riickstellung erkannt wird. Fraglich ist, ob es sich anders verhalt, wenn die UngewiBheit uber den Schuldgrund oder lediglich iiber die Hohe besteht. Einigkeit besteht insoweit nur dariiber, daB eine Verbindlichkeit, die dem Grunde nach ungewiB ist, nur dann passiviemngspflichtig ist,

^'^ Vgl. Hommelhoff, aaO, S. 264; Breutigam/Blersch/Goetz, aaO, § 19 Rn 38ff; differenziert Temme, aaO, S. 162ff. ''^ So auch Temme, aaO, S. 164 mwN. ^'* Vgl. Muller/Tries, aaO, Sp. 1748. '^^ Vgl. Daub, aaO, S. 53.

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wenn ernsthaft mit ihrer Inanspruchnahme zu rechnen ist^^^. Umstritten ist hingegen die Hohe der Ruckstellung^^^. Die Hohe soil, wenn sie nicht vollumfanglich anzusetzen ist, vom Grad der Wahrscheinlichkeit abhangen. Aufgrund der dadurch weiterhin bewertungshemmenden Unsicherheit wird uberdies die Einstellung einer Pauschalriickstellung vorgeschlagen^^^. Unter dem Gesichtspunkt der dynamischen Entwicklung eines Untemehmens und der damit verbundenen unvoreingenommenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Hinblick auf mogliche vermogensmindemde Belastungen ist der Begriff der Schulden fur das Vermogensbild in der Untemehmenskrise und fUr die Uberschuldungsbilanzierung jedenfalls untechnisch zu verstehen. Der Begriff der Schulden sollte deshalb nicht nur temporare Verbindlichkeiten umfassen, sondem auch andere Belastungen des Schuldendeckungspotentials, wenn und soweit diese bzw. die ihnen zugrunde liegenden Sachverhalte eine Vermogensminderung indizieren. Dabei ist zunachst gleichgultig, ob diese Vermogensminderungen aus AuBenverpflichtungen oder aus Innenverpflichtungen resultieren, da deren Art und Umfang fiir die Planung von sanierenden oder restrukturierenden MaBnahmen zu Bewaltigung der Krise von erheblicher, wenn nicht sogar von entscheidender Bedeutung sein konnen und demzufolge die Insolvenzantragspflicht begriinden konnen. Denn wirtschaftliche Belastungen bestehen grundsatzlich unabhangig von der Situation der Untemehmenskrise solange in gleichem Umfang fort, wie nicht mit den Glaubigem etwas anderes vereinbart wird, das heifit grundsatzlich auch im Zeitpunkt einer Selbstpriifung. Belastungen mit verpflichtendem Charakter belasten das Vermogen nach dem unterstellten Worst-case-Szenario^^^ insofern, als diese grundsatzlich vollstreckt werden konnen. Anders verhalt es sich dagegen bei den Belastungen aus Innenverpflichtungen, die grundsatzlich im laufenden Geschaft obligatorisch zu bedienen sind, obwohl es sich dabei um einen Aufwand handelt, der regelmafiig erst aus dem zu erwirtschafteten Ergebnis des Unternehmens getilgt wird^^, gleichwohl deren Nichtbeachtung nachteilige Auswirkungen haben kann, bspw. die Nichtdurchfiihrung bestimmter Wartungen etc. Ob nun zum gleichen Zeitpunkt eine Belastung des Schuldendeckungspotentials entsteht wie aus einem riickstellungsbedurftigen Sachverhalt unter handelsrechtlichen Gesichtspunkten, wird nachfolgend ebenso zu untersuchen sein wie die Natur dieser Vgl. Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 102 Rn 6p; Auler, aaO, S, 2172; Hachenburg-t//mer, aaO, § 63 Rn 45; Fleischer, aaO, S. 779. Vgl. bei Temme, aaO, S. 164f. Vgl. HaarmeyerAVutzke/Forster, aaO, S. 54. Vgl. oben sub B m. Vgl. im Ergebnis so auch Temme, aaO, S. 162.

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Belastungen. Denkbar sind Belastungen, die ihren Ursprung aus Beziehungen zu Dritten haben, oder Belastungen aus einen betriebsintemen Vorgang. Die Qualifikation der Belastung kann AufschluB iiber die Art der Belastung des Schuldendeckungspotentials geben, mithin iiber das Tatbestandsmerkmal im Verfahren der Uberschuldungsmessung, bei dessen Priifiing die jeweilige Belastung bedeutsam ist. Den Sachverhalten mit belastendem Charakter ist damit ihre im Hinblick auf das Bestandsvermogens des Untemehmens vermogensmindemde Wirkung gemein, die generell die Bildung von Ruckstellungen verursachen. Bevor im einzelnen untersucht werden kann, welche Auswirkungen riickstellungsrelevante Sachverhalte auf die Untemehmenskrise bzw. die Feststellung der Insolvenz haben, insbesondere auf die damit verbundene Ermittlung des Vermogens und dessen Belastung im Rahmen der Uberschuldungsbilanz, sind vorab die allgemeinen Bilanzierungsgrundsatze betreffend Ansatz und Bewertung von Ruckstellungen darzustellen, um den Begriff der Ruckstellungen zu erhellen. Eine Annaherung an den Begriff der Ruckstellungen erfolgt zunachst ausgehend von den unterschiedlichen bilanztheoretischen Ansatzen und dem Verstandnis des Gesetzgebers sowie schlieBlich in Abgrenzung zu dem Begriff der Verbindlichkeiten^°^

//.

RUckstellungsbilanzierung als Regelbilanzierung

Im folgenden wird auf die allgemeinen Grundlagen von Ruckstellungen (D II. 1.), sowie die materiell ruckstellungsbedurftigen Sachverhalte nach nationalem Recht sowie nach intemationalen Standards eingegangen (D II. 2.-7.), um daraus die Erkenntnisse fiir die Zuordnung, den Ansatz und eine Bewertung ruckstellungsrelevanter Sachverhalte im Verfahren der Uberschuldungsmessung zu erhalten (DII. 8.).

/. Allgemeine Grundlagen der RUckstellungsbilanzierung

Ziel der Untersuchung ist es, die qualitativen Merkmale eines ruckstellungsbedurftigen Sachverhalts zu ermitteln. Dabei werden insbesondere die historische Entwicklung unter dynamischem und statischem Bilanzverstandnis von Bedeutung sein.

*°' Zur Notwendigkeit der genetischen Annaherung auch Ludewig, aaO, S. 765ff.

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Der Bilanzposten der Ruckstellungen respektive die rlickstellungsbedUrftigen Sachverhalte beschaftigen seit jeher Literatur und Rechtsprechung. Die Ursachen dafiir werden in der geringen Regelungsdichte sowie den Schwierigkeiten von Ansatz und Bewertung gesehen^^^. Diese Schwierigkeiten resultieren aus der Unsicherheit von riickstellungsbedurftigen Sachverhalten, die den Fragen nach Ansatz und Bewertung zugrunde liegen. Denn diese Sachverhalte bergen ein tatsachliches oder rechtliches Risiko in sich, das noch nicht greifbar, aber in Zahlen abzubilden ist. Das heutige Verstandnis von Ruckstellungen im technischen Sinn ist das Ergebnis einer langewahrenden Diskussion, die sowohl in der betriebswirtschaftlichen und juristischen Literatur als auch von der Rechtsprechung gefuhrt wurde. Zudem hat auch der Gesetzgeber versucht, durch gesetzliche Vorgaben rlickstellungsfahige Sachverhalte einzugrenzen, Der Ruckstellungsbegriff basiert auf verschiedenen Auffassungen, die sich von unterschiedlichen Ausgangspunkten allmahlich einander angenahert haben. Rechtsprechung, Schrifttum und der Gesetzgeber^^^ haben das Verstandnis von Ruckstellungen immer wieder mit neuen Erkenntnissen und Regelungen zu verbessem versucht. Das Bilanzverstandnis hat sich von den klassischen Auffassungen hin zur Bilanz im Rechtssinne mit seiner Pramisse einer praxisgerechten Bilanzierung unter Beriicksichtigung der wirtschaftlichen Verhaltnisse gewandelt. Als Bilanzposten sind Ruckstellungen relevant im Handelsrecht, im Steuerrecht sowie in der Betriebswirtschaftslehre, dort haufig im Zusammenhang mit Sonderbilanzen^^"*. Das Handels- und Steuerrecht Hefert mit den §§ 249 Abs, 1, 253, 274 Abs. 1, 341e ff HGB, 56a VAG, 17 DMBilG sowie den §§ 5ff EStG ein Normgefuge von handelsrechtlichen Ansatzgeboten, Ansatzwahlrechten und Ansatzverboten sowie Auflosungsgeboten und Auflosungsverboten, das grundsatzlich auch fur das Steuerrecht maBgeblich ist^^^. Allgemeingultige Definitionsnormen fUr Ruckstellungen existieren nicht^^^. Die Grundlagen der Ruckstellungsbilanzierung sind deshalb sowohl aus den funktionalen Aspekten der Bilanzierung als auch den gesetzlichen Vorschriften iiber die Rechnungslegung bzw. den JahresabschluB abzuleiten^^^.

So bereits im Jahr 1981 W. Muller aaO, S. 126. Der Gesetzgeber agierte besonders durch die Novellierungen zum Aktienrecht 1937 und 1965 sowie bei der Umsetzung der 4. EG-Richtlinie; BGBl 11985, 2355ff. Vgl. Budde/Forschle, aaO, S. If Vgl. zum Prinzip der MaBgeblichkeit ausfuhrlich KutingAVeber-Z/erz/g, aaO, I Rn 194ff. Kritisch zur umgekehrten MaBgeblichkeit, Daub, aaO, S. 47f mwN. § 249 HGB gibt lediglich erlaubte Fallgruppen fiir die Bildung von Ruckstellungen. Eine allgemeine Definition wird dort nicht geliefert. Vgl. W. Muller, aaO, S. 127; ausfuhrlich auch C II. 2.

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Weil die den Ruckstellungen zugrundeliegenden Sachverhalte sehr unterschiedlicher Natur sind, ist eine allgemein abstrakte Darstellung nicht moglich^^^. Gleichwohl wird die Frage nach riickstellungsbedurftigen Sachverhalten wie folgt beantwortet: Ruckstellungen sind Passivposten, mit denen bestimmte Aufwendungen, Verluste oder Verbindlichkeiten gewinnmindemd erfaBt werden sollen^°^. Der Gesetzgeber liefert dabei mit § 249 HOB lediglich einen Katalog zulassiger Ruckstellungen. Das geltende Handelsrecht gibt zudem in § 253 HOB durch Wertansatze eine Bewertungsnormierung. Diese Regularien gelten grundsatzlich fur den JahresabschluB. Ohne gesetzliche Normierung ist dagegen die Frage nach dem, was in der Bilanz auBerhalb des Handelsrechts als Passivposten anzusetzen ist. Die Praxis greift zur Bilanzierung auBerhalb des Jahresabschlusses regelmaBig auf die Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung zuriick''". Methodisch wird die Eraiittlung solcher Grundsatze als eine Form der Gesetzesauslegung verstanden^^\ Ausgelegt werden dabei handelsrechtliche Vorschriften bezuglich Rechnungslegung und JahresabschluB^^^. Bei deren Auslegung ist nicht ausschlieBlich auf herkommliche juristische Auslegungsmethoden zuriickzugreifen. Vielmehr sind aus teleologischer Sicht insbesondere auch betriebswirtschafdiche Belange relevant, so dass hierbei auch die betriebswirtschaftlichen Theorien zur Bilanzierung betrachtet werden miissen. Dies gilt fur das Handelsrecht und erst recht fUr Sachverhalte auBerhalb der handelsrechtlichen Bilanzierung wie der Uberschuldungsbilanzierung. Namentlich die statische und die dynamische Bilanztheorie pragen das bilanzrechtliche Verstandnis bis heute. Damit besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Bilanztheorien und dem Ruckstellungsbegriff. Da aber die klassischen Bilanztheorien grundlegend verschiedene Ansatze zur Umsetzung ihres bilanziellen Anliegens haben, mithin unterschiedliche Bilanzierungszwecke verfolgen, bestehen infolgedessen auch unterschiedliche Ruckstellungsbegriffe^^^. Es kann daher keine allgemeingultige und alle denkbaren Bilanzzwecke voll befriedigende Riickstellungsdefmition geben. Aus den verschiedenartigen Bilanzzwecken werden daher auch differierende Riickstellungsbegriffe abgeleitet^^^

*°^ Vgl. Daub, aaO, S. 67. ^^ Vgl. exemplarisch bei Winnefeld, aaO, D Rn 865; Beck'scher BWsinzkommentai-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 1; Ku^ngfWQher-Mayer-Wegelin, aaO. § 249 Rn 17. ^'° Vgl. Arians, aaO, S. 398ff. *'' So auch W. Muller, aaO, S. 127. *'^ Vgl. oben zur Gewinnung von Grundsatzen ordnungsgemaBer Buchfuhrung sub C II. 2. *" Vgl. W. Muller, aaO, S. 129. ^^^ Vgl. W. Muller, aaO,S. 130.

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a) Bilanztheoretischer Ansatz Da es sich bei der (Jberschuldungsbilanz nicht um eine Regelbilanz, sondern urn eine Sonderbilanz handelt, sind die bilanztheoretischen Bilanzauffassungen von praktischer Bedeutung, die ein anerkanntes Mittel zur SchlieBung von LUcken und bei Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe darstellen^^^. Je nachdem, von welcher Perspektive man sich dem abzubildenden Unteraehmensgeschehen annahert, konnen sich moglicherweise unterschiedliche Aspekte der Akzentuierung von Belastungen ergeben.

(1) Statische Bilanzauffassung Die statische Bilanzauffassung, die dem Gedanken der Schuldendeckungskontrolle, mithin dem Glaubigerschutz folgt, stellt auf die zutreffende Erfassung der das Aktivvermogen belastenden Verpflichtungen ab^^^. Zu passivieren sind daher Schulden und Reservefonds^^^. Schulden umfassen auchriickstellungsrelevanteSachverhalte, die der Vollstandigkeit des Schuldenausweises dienen^^^. Schulden werden grundsatzlich erkannt, wenn eine Verpflichtung im Rechtssinne besteht^^^. Diese Auffassung ist jedoch sehr eng. Daher sind aufgrund des Fortfuhrungsgedankens neben den rechtlichen Verpflichtungen auch solche Verbindlichkeiten zu beriicksichtigen, die wirtschaftlich begriindet sind^^^. Vor dem Hintergrund, das Untemehmen durch Gegeniiberstellung von Schulden und Kapital vermogensmaBig richtig darzustellen, gehoren zu den Schulden auch die zu antizipierenden Verbindlichkeiten, die grundsatzlich wegen ihrer UngewiBheit hinsichtlich des Bestehens oder der Hohe noch nicht als Schulden verbucht werden konnen^^\ Demnach konnen Riickstellungen gebildet werden, wenn die antizipierten Verbindlichkeiten aus einer unrealisierten Rechtsverbindlichkeit gegenuber einem Dritten herriihren. Unrealisierte Verbindlichkeiten sind vor allem dann zu passivieren, wenn schwebende „Engagements" einen Verlust bringen^^^ oder aufgrund einer faktischen Verpflichtung vom Untemehmen zu leisten sind^^^. Eine sinnvoile Gegeniiberstellung des Aktivvermogens mit dem Passivvermogen bedarf schlieBlich

Vgl. Baetge, aaO, S. 12ff; Moxter, Bilanzlehre Bd.I, aaO. Einfuhrung. KutmgfW&bcr-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 17. Die Position „Reservefonds" umfaBt auch das Eigenkapital; Simon, aaO, S. 201, 227. Vgl. Naumann, aaO, S. 21. Vgl. Simon, aaO, S. 173ff. Vgl. Thomas, aaO, S. 25. Vgl.W. Muller,aaOS. 128. Vgl. Simon, aaO, S. 183f, 187. So Strobl, aaO, S. 426.

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einer voUstandigen Dotierung aller Schulden^^"*. Daher werden Ruckstellungen fur ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste aus schwebenden Geschaften zugelassen. Kriterium der Bilanzierungspflicht einer Schuld ist demnach der verpflichtende Charakter des zugrunde liegenden Sachverhalts^^^. Der relevante Sachverhalt mu6 soweit realisiert sein, da6 die vollstandige Erfiillung der Verpflichtung nicht mehr mit dem wenig handlichen Faktor der UngewiBheit belastet ist, sondern wahrscheinlich ist^^^. Das ist dann der Fall, wenn das Untemehmen von einer das Vermogen belastenden, unentziehbaren Verbindlichkeit bedroht ist^^^.

(2) Dynamische Bilanzauffassung Nach dynamischer Bilanzauffassung sind Ruckstellungen der Periode ihrer Verursachung zugerechnete Aufwendungen, die erst in einer spateren Periode zu einer in ihrer Hohe und ihrem genauen Falligkeitstermin am Bilanzstichtag noch nicht feststehenden Ausgabe fiihren^^^. Ruckstellungen werden in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit der Erfolgsermittlung betrachtet^^^. Daher ist die periodengerechte Zurechnung unbedingt erforderlich. Ruckstellungen sind aus dynamischer Sicht daher nicht nur flir ungewisse oder drohende Verpflichtungen gegeniiber Dritten zu bilden, sondern gerade auch flir jede Form von ausgefuhrtem oder unterlassenem innerbetrieblichem Aufwand, der im abgelaufenen Geschaftsjahr zur Erzielung von Ertragen erforderlich war und der deshalb zur periodengerechten Erfolgsermittlung dem Ertrag des abgelaufenen Jahres gegeniiberzustellen ist^^°. Im Ergebnis ist danach der Ruckstellungsbegriff weiter als nach der statischen Bilanzlehre. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Riickstellungen dem Grunde nach, weil neben 824 82S 826

Vgl. statt vieler Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 21. Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. I, aaO, S. 13. Der Unsicherheitsgrad von der Verpflichtung zur Inanspruchnahme kann von einer sehr schwachen bis zu einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit reichen. Die Wahrscheinlichkeit konkretisiert sich regelmaBig erst, wenn mit einer Inanspruchnahme sicher zu rechnen ist; vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 83f. Vgl. auch Naumann, aaO, S. 22. Vgl.W.Muller,aaO,S. 128 Vgl. Strobl, aaO, S. 425; KutingAVeber-Maycr-Wege/m, aaO, § 249 Rn 18; Simh-Kleindiek, § 249 Rn 7. Schmalenbach, aaO, S. 169ff, halt Ruckstellungen fur Wagnisse aus Griinden der sinnvollen Erfolgsberechnung im Gegensatz zu allgemeinen Wagnissen, die in jedem Untemehmen stecken, fur geboten. Daneben werden ausdriicklich Riickstellungen fur Anlagenunterhaltung, fur Pensionen, fur Prozesse, fur Lieferungsabschliisse und im voraus vereinnahmte Ertrage zugelassen. Vgl. dazu feraer Baetge, aaO, S. 425ff; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 22.

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den Verbindlichkeiten gegeniiber Dritten gleichsam Obliegenheiten (Aufwandsriickstellungen) anzusetzen sind, als auch der Hohe nach, wenn zur Glattung der periodischen Ergebnisse eine geschatzte Ruckstellungsbemessung erlaubt ist^^\

b) Historic Die historische Betrachtung des Begriffs der Ruckstellungen von Legislative und Judikatur zeigt ein sich wandelndes Verstandnis des originaren Charakters eines risikorelevanten Sachverhalts uber die Erkenntnis, da6 es sich bei diesen Sachverhalten um zukunftige betriebliche Belastungen handelt, bis bin zum Einsatz der Ruckstellungen als finanzpolitisches Instrument zur Berechnung^^" der Steuerlast. Der Begriff der Ruckstellungen als terminus technicus tauchte vor der Aktienrechtsnovelle 1931 nicht auf. Vor der Aktienrechtsnovelle 1931 bestand lediglich eine Bilanzierungspraxis fiir Ruckstellungen bzw. das, was seinerzeit fiir Ruckstellungen gehalten wurde. Unklar war bis dato generell, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Ansatzgebot fur Ruckstellungen existiert^^^. Die Praxis grenzte nicht scharf genug gegenUber RUcklagen ab, trennte aber bereits zwischen VerbindlichkeitsrUckstellungen und AufwandsrUckstellungen^^"^. So wurden die Ruckstellungen vielfach zusammen mit den RUcklagen in einer Summe als Reserven ausgewiesen (sog. Reservefonds). Dadurch wurden Eigenkapitalanteile und Fremdkapitalanteile nicht erkennbar vermengt^^^. Teilweise wurden Ruckstellungen auch schlicht den Verbindlichkeiten oder den Wertberichtigungen zugeordnet. Inwieweit dann feststehende oder lediglich geschatzte Verbindlichkeiten vorlagen, war nicht zu erkennen^^^.

834 835

Vgl. Thomas, aaO, S. 33f. Zur Begriindung dafur wird gerae auf die Notwendigkeit der Vergleichbarkeit hingewiesen, etwa von Tischbierek, aaO, S 54f. Auch der BFH gestattet Pauschalriickstellungen aus Griinden der Objektivierung; vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 94 mwN. Und Erhohung (Anm. d. Verf.; ebenso Funke in FAZ v. 24. Dezember 1997, S. 14). Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO § 249 Rn 3. Vgl. im einzelnen dazu Streit, aaO, S. 15-20. Ministerialrat Quassowski weist in den Verhandlungen des Arbeitsausschusses des Vorlaufigen Reichswirtschaftsrats zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes iiber Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien zutreffend darauf hin, da6 Ruckstellungen nicht dasselbe sind wie Reservefonds. Reservekonten sind Kapitalkonten und reprasentieren zusatzliches Geschaftskapital demgegeniiber Ruckstellungen Schulden sind, die bereits in dem verflossenen Bilanzjahr wirtschaftlich verursacht sind, aber in Umfang und Hohe noch nicht feststehen. Beispielhaft fiir einen riickstellungsbedurftigen Sachverhalt fiihrt Quassowski bereits verursachte Bergschaden an, deren exakte Hohe noch nicht feststeht; vgl. Schubert/ Hommelhoff, aaO,S.417. Von den praktischen Schwierigkeiten der Bewertung abgesehen. In diesem Sinne bemerkt auch Cohen in der Sitzung des Vorlaufigen Reichswirtschaftsrats, als iiber die Angabe von Verlusten debattiert wurde, die sich aus der spateren Erfullung von Lieferungs- und Abnahmeverpflichtungen ergeben, daB solche Angaben im besten Fall aus Wahrscheinlichkeitsberechnungen bestunden, die man nicht mitteilen konne („Das kann man nicht mitteilen. Ich wuBte nicht, wie das moglich sein soil."); vgl. Schubert/Hommelhoff, aaO, S. 469.

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Da der Begriff der Riickstellungen den Vatem des HGB noch fremd war^^^, fehlten handelsgesetzliche Regulieningen hinsichtlich dessen, was unter einer Riickstellung zu verstehen war und demgemaB iiber Voraussetzungen eines ruckstellungsfahigen Sachverhalts. Erstmals tauchte der Begriff im Entwurf zu einem Aktiengesetz in den spaten zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts auf. Der Entwurf des Aktiengesetzes von 1930 sah eine Bestimmung vor, da6 Riickstellungen nicht unter den Verbindlichkeiten aufzufiihren waren^^^. Die Aktienrechtsnovelle von 1931 selbst normierte auch in § 261a HGB Abs. 1 B itf ^^ entsprechend, daB Riickstellungen als Passivposten von den Verbindlichkeiten und den Reservefonds getrennt auszuweisen waren. Doch die besondere Natur der Riickstellungen blieb weiterhin verborgen^"*^. Zudem blieb die Trennung zwischen den dem Eigenkapital zuzurechnenden Riicklagen und den Riickstellungen unsauber. Dagegen wandte sich alsbald das Steuerrecht - wohl im Hinblick darauf, daB eine zutreffende Besteuerung nur bei zutreffender Gewinnermittlung moglich war und ist^'*^ So trennte der RFH^"*^ zwischen Riicklagen fiir bevorstehende, aber erst in ein kiinftiges Bilanzjahr fallende Ausgaben und Riickstellungen, die in der Bewertung einer zwar bereits bestehenden Schuld oder eines bestehenden Verlustes bestand, deren bzw. dessen Hohe aber noch nicht feststand. Das Aktiengesetz von 1937^"*^ betonte in § 131 nach allgemeiner Auffassung ausdriicklich den Schuldcharakter der Riickstellung^"^. Die Betonung war sowohl im Wortlaut des Gesetzes als auch in seiner systematischen Stellung gesehen worden, die das Gesetz in der Bilanz fur die Riickstellungen vorgesehen hatte. In der Gliederung waren Riickstellungen als „Riickstellungen fiir ungewisse Schulden" zwischen den Wertberichtigungen und den Schulden zu bilanzieren. Zudem wurde § 131 AktG 1937 als Andeutung daflir verstanden, daB Ruckstellungen nicht mehr willkiirlich aufgestellt werden konnten, sondern nur nach pflichtgemaBem Ermessen^"*^. Die so verstandene relativ unmiBverstandliche Zuordnung der Riickstellungen als Schuld konnte sich unter dem EinfluB der dynamischen Bilanzlehre nicht behaupten. Die Dynamiker forder-

*^^ Vgl. dazu und zu den Modifikationen des „Reservefonds" aus heutiger Sicht D5llerer, Steuerbilanz, aaO, S.3. "* Vgl. Adler/DUring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 2. *^' RGBl 11931,493,496. Die Reform, die zwar lange Zeit vorbereitet worden war, wurde aufgrund der wechselnden parlamentarischen Mehrheitsverhaltnisse wahrend der Weimarer Zeit schlieBlich im Wege der Notverordnung auf den Weg gebracht; vgl. W6he, Entwicklungen, aaO, S. 67f. *^ Fraglich war insbesondere, ob fiir Ruckstellungen eine Passivierungspflicht bestand oder ob sie aus den Gewinnen zu bilden waren; vgl. Adler/Diiring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 3. ^^^ So auch Ludewig, aaO, S. 765. ^*^ RFH RStBl. 1930, 95 ^^^ RGBl 11937, 107ff. ^^ Vgl. Teichmann/K5hler, aaO, § 131 Anm. 6 b). ^^^ Vgl. Adler/DUring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 5.

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ten fur eine exakte Periodenabgrenzung gerade auch die BerUcksichtigung von zukiinftigen Aufwendungen und Wagnissen^"*^. Der Wortlaut des AktG „RUckstellungen fur ungewisse Schulden" sollte danach nicht das bisherige Recht einschranken, das heiBt die riickstellungsfahigen Sachverhalte, sondern nur eine Zuordnung kunftiger Aufwendungen ermoglichen^"^^. Das spricht dafur, in der Fassung des AktG 1937 eine Entscheidung des Gesetzgebers uber die bilanztheoretisch umstrittene Unterscheidung zwischen statischer und dynamischer Bilanz zu Gunsten letzterer zu sehen. Die Praxis ging demgemaB dazu Uber, Riickstellungen fur ungewisse Verbindlichkeiten als „bewertungs- und ruckstellungsfahige Last" zu bezeichnen^"*^. Letztlich wurden damit Riickstellungen fur ungewisse Schulden im Sinne einer Aufwandsabgrenzung interpretiert'*'. Dieser Entwicklung entgegen modifizierte das Aktiengesetz von 1965^^^ den Ruckstellungsbegriff, indem es die zulassigen Riickstellungen genau festlegte^^^ Daneben waren keine weiteren Riickstellungen erlaubt. Es entsprach der ausdriicklichen Motivation des Gesetzgebers, den „Fehlentwicklungen" der Bilanzierungspraxis damit entgegenzutreten^^^. Die naher bestimmten Zwecke, fiir die Riickstellungen gebildet werden durften, zeigen, da6 hierbei eindeutig der Schuldcharakter im Vordergrund stand. Die Motive dieser Vorschrift lassen eine ablehnende Haltung gegeniiber einer Funktion der Riickstellungen als Aufwandsabgrenzung erkennen^^^. So wird der WirtschaftsausschuB zu dieser Vorschrift zitiert: „Der AusschuB hat sich einen Vorschlag (...) nicht zu eigen machen konnen, nach dem auBer den Riickstellungen fiir ungewisse Verbindlichkeiten und fiir drohende Verluste aus schwebenden Geschaften auch Riickstellungen fiir anderen im Geschaftsjahr entstandenen Aufwand zulassig sein sollten, der erst im folgenden Geschaftsjahr zu einer Ausgabe fiihrt."^^"^. Die Literatur sieht darin eine deutliche Absage daran, Riickstellungen als Instrument der Aufwandsabgrenzung zu verwenden^^^. Mit § 156 Abs. 4 AktG 1965 schuf der Gesetzgeber hingegen eine mo-

Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 171f. Vgl. Naumann, aaO, S. 53. Vgl. Thomas, aaO, S. 10. Vgl. Ludewig, aaO, S. 765; Naumann, aaO, S. 53 mwN. Abgedr. BGBl 11965, 1089ff, 1185ff. Vgl. § 152 Abs. 7 AktG 1965 bei Kropff, aaO. § 152 Abs. 7 nennt dort die erlaubten Ruckstellungen. Zulassig waren neben den Ruckstellungen fiir ungewisse Verbindlichkeiten und drohenden Verlusten aus schwebenden Geschaften noch Pensionsriickstellungen, Ruckstellungen fiir im Geschaftsjahr unterlassene Aufwendungen fUr Instandhaltung oder Abraumbeseitigung, die im folgenden Jahr nachgeholt werden, Riickstellungen fiir Gewahrleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, und andere Riickstellungen. Vgl. Kropff, RegE, aaO, S. 236. Vgl. Kropff, aaO, § 152Rn45. So zitiert bei Kropff, RegE, aaO, S. 236f. Vgl. Ludewig, aaO, S. 766.

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deme Bewertungsvorschrift, deren Gedanke auch den heutigen Bewertungsgrundsatzen zugrunde liegt. Die Bewertung hatte zu dem Betrag zu erfolgen, der nach veraiinftiger kaufmannischer Beurteilung notwendig war. Im Jahr 1985 wurde mit dem Bilanz-Richtlinien-Gesetz^^^ (BiRiLiG) die jiingste und zugleich bedeutendste Anderung im Bilanzrecht vollzogen. Mit dem BiRiLiG wurden europaische Bilanzrichtlinien in deutsches Recht transformiert. Die 4. EG-Richtlinie^^^ zur Koordinierung der Vorschriften uber den JahresabschluB enthalt in Art. 20 materielle Vorgaben an die Bilanzierung von Riickstellungen und kniipft materiell an den Riickstellungsbegriff an, der in Deutschland vor 1965 galt*^^. Der EinfluB der dynamischen Bilanzauffassung bewirkte, daB der Gedanke des Glaubigerschutzes bei der Anerkennung ruckstellungsrelevanter Sachverhalte abnahm^^^. Zudem sind im Gegensatz zu § 152 AktG 1965 Riickstellungen von nun an rechtsformunabhangig zu bilanzieren. Nach der Vorgabe des Art. 20 der Richtlinie sind Riickstellungen „ihrer Eigenart nach genau umschriebene Verluste oder Verbindlichkeiten, (...) die am Bilanzstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Hohe oder dem Zeitpunkt der Falligkeit ihres Eintritts unbestimmt" sind^^°. Art. 20 der Richtlinie wurde in § 249 HGB transformiert^^ ^ Das heute geltende Recht enthalt in seinen Regelungen Ansatzgebote sowie Ansatzwahlrechte, Ansatzverbote und Auflosungsverbote^^^. Soweit § 249 Abs. 1 HGB eine Ansatzpflicht fur Riickstellungen fiir ungewisse Verbindlichkeiten normiert, wird dies weitgehend als richtlinienkonform anerkannt^^^. Wo hingegen Riickstellungen fiir drohende Verluste aus schwebenden Geschaften zu bilden sind, wird eine inhaldiche Einschrankung der Richtlinie durch den Gesetzgeber gesehen. Verlangt Art. 20 der Richdinie die Bildung von Riickstellungen fiir „ihrer Eigenart nach umschriebene Verluste", konnen danach Verluste aber auch durch andere Umstande als aus schwebenden Geschaften verursacht werden. Richdinienkonform

Vgl. BGBl. I 1985, 2355ff. Mit dem Bilanzrichtliniengesetz setzt der deutsche Gesetzgeber die 4., 7. und 8. Richtlinie der Europaischen Gemeinschaft zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts urn. Die 7. Richtlinie betrifft den konsolidierten Abschlufi; die 8. Richtlinie vereinheitlicht die Zulassungsvoraussetzung der mit der Priifung von Jahresabschlussen betrauten Personen, Rechtsgrundlage fiir den ErlaB der Richtlinien ist Art. 54 Abs. 3 lit. g des Vertrags zur Griindung der Europaischen WirtschaftsGemeinschaft gewesen. Vgl. Havermann, aaO, S. 122. Insbesondere wurden die Voraussetzungen der Aufwandsriickstellungen erheblich erweitert; vgl. Daub, aaO, S.67. Der Text der Richtlinie ist abgedruckt bei Helmrich, aaO, S. 53f. Vgl. Staub-Kleindiek, § 249 Rn 3. Eine ausfuhrliche Darstellung iiber die Transformation der 4. EG Richtlinie sowie die Neuregelungen im Einzelnen fmdet sich Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 8 bis 10 und Glade, aaO, § 249 Rn 1-39. Vgl. beispielhaft Thomas, aaO, S. 15 zur unbedingten Beachtung der Bilanzrichtlinie als mafigebliche Quelle bei der Auslegung von nationalem Bilanzrecht.

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ware daher, uberall dort eine Ruckstellung anzusetzen, wo im betriebswirtschaftlichen Ablauf des Unternehmens ein verlustbringender Sachverhalt seiner Eigenart genau umschreibbar ist^^"*. Moxter unterstellt daher dem Gesetzgeber, diese Formulierung des § 249 HGB bewuBt konservativ gewahlt zu haben, um eine restriktive Auslegung der Verlustruckstellung zu ermoglichen^^^.

c) Ruckstellungen und Verbindlichkeiten Rlickstellungen und Verbindlichkeiten sind der Bilanz regelmafiig auszuweisendes Fremdkapital^^^. Verbindlichkeiten im Rechtssinne sind dem Grunde nach, der Hohe nach sowie der Falligkeit nach bestimmbar, mithin eindeutig quantifizierbar, das heiBt sie belasten das Untemehmen mit einer eindeutig bestimmbaren und erzwingbaren Leistung^^^. Diese Sichtweise wird aber im Bilanzrecht als zu eng empfunden, weil der bilanzrechtliche Begriff der Verbindlichkeit mit dem der Rechtsverbindlichkeit nicht gleichgesetzt werden darf ^^^. Passivierungspflichtig kann nicht nur eine entsprechend ausgepragt greifbare Verbindlichkeit sein^^^. Vielmehr sind auch Sachverhalte denkbar, fur die bestimmte kiinftige Aufwendungen (Vermogensabgange, insbesondere Ausgaben) oder Aufwendungsuberschiisse gewinnmindemd beriicksichtigt werden miissen, da diese mit einem Wagnis verbunden sind und demgemaB nicht eindeutig quantifizierbar sind^^°. 1st dieses Wagnis dergestalt ausgepragt, da6 es eine wirtschaftliche Belastung fiir das Untemehmen bedeutet, ist fiir die kiinftige Aufwendung, die wahrscheinlich aufgrund der Belastung erfolgen wird, eine Ruckstellung zu bilanzieVgl. Thomas, aaO, S. 16. Vgl. Moxter, Riickstellungskriterien, aaO, S. 436f. Moglicherweise umgehen diejenigen, die die Verlustriickstellung fur einen Unterfall der Verbindlichkeitsriickstellung halten, diese Kritik; vgl. etwa Beck'scher B\\B.Takommtnm-Berger/M.Ring, aaO § 249 Rn 52; Kropff, Ruckstellungen, S. 357; Simb-Kleindiek, § 249 Rn 51. Unterscheiden sich namlich die Verlustriickstellungen von den Verbindlichkeitsriickstellungen im allgemeinen nicht dadurch, daB diese fiir vergangenes wirtschaftliches Verhalten stehen, jene fiir zukiinftiges, sondern haben beide Formen denselben Ausgangspunkt, namlich die Darstellung zukiinftiger Resourcenverluste und angemessener Reduzierung der Ausschuttungsbegrenzung, dann sind Riickstellungen fiir Verluste gleichsam als (sonstige) ungewisse Verbindlichkeiten zu passivieren. Denn dann sind alle iibrigen Verluste „ihrer Eigenart" nach in den Verbindlichkeitsriickstellungen enthalten, deren Tatbestand nach allgemeiner Auffassung keine rechtliche, sondern eine wirtschaftliche VerbindHchkeit voraussetzt. Riickstellungen sind entsprechend ihres Charakters als ungewisse Verbindlichkeiten grundsatzlich dem Fremdkapital zugehorig. DaB es sich um internes und nur voriibergehendes Fremdkapital handelt, ist dabei unbeachtlich. Unstreitig gilt das allerdings nicht fiir alle Riickstellungen. Denn Riickstellungen konnen auch aufgrund von einer Innenverbindlichkeit erlaubt sein und konnen zu dem wegen ihres Schatzcharakters auch stille Reserven enthalten; vgl. dazu KiitingAVeber-^em/iar^, aaO, § 247 Rn 113. Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 82ff; KiitingAVeber-/?e/n/iarc/, aaO, § 247 Rn 114; Daub, aaO, S. 54f. Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 82. So Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 84. Vgl. Beck'scher Bilanzkommentar-Berger/A/./?mg, aaO, § 249 Rn 1 mit dem Hinweis, daB Riickstellungen regelmaBig nur zweckgebunden gebildet werden; Kiiting/Weber-/?em/iarrf, aaO, § 247 Rn 112; vgl. auch soeben D I. 3.

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ren

. Das fiir die wirtschaftliche Belastung ruckstellungsrelevanter Sachverhalte ent-

scheidende Kriterium ist die Wahrscheinlichkeit des Leistungseintritts

872

. Mithin riickt

die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme in den Fokus„873, Da Verpflichtung und Inanspruchnahme oft unsicher sind, gih es objektivierte Mindestwahrscheinlichkeiten zu schaffen, die es ermoglichen, die Begriffe der Verbindlichkeit respektive der Riickstellung festzulegen. In diesem Zusammenhang ist der Zeitpunkt von entscheidender Bedeutung, der das Wagnis, das der relevante Sachverhalt in sich birgt, als verbindlich entstehen la6t^^^ Wahrend das betriebswirtschaftliche Schrifttum Verbindlichkeit und Riickstellung am Merkmal der UngewiBheit unterscheidet^^^, meint die Rechtsprechung des BFH^^^, ein Sachverhalt sei dann als Verbindlichkeit bzw. als Riickstellung zu passivieren, wenn er rechtlich zu einer voll entstandenen Verbindlichkeit fuhrt^^^. Welche Abgrenzungsparameter fiir diese Entscheidung zur Verfiigung stehen, das heiBt, wann ein Sachverhalt nun belastende Wirkung hat, ist vom BFH durch eine Reihe von Einzelfallen entschieden, die zwar eine umfangreiche Kasuistik geschaffen haben, aus der sich aber letztendlich nur teilweise Grundsatze ableiten lassen^^^. Belastungen hieraus werden auch nicht durch Abschreibungen erfafit. Dies gilt spatestens seit dem BiRiLiG als gesichert, das die Zulassigkeit von Aufwandsriickstellungen ausdriicklich normiert^^^. Auch die Rechtsprechung hat friih erkannt, da6 jedenfalls dann, wenn mangelnde Instandhaltung nicht durch Abschreibungen gedeckt sei, der Betrag fiir die Kosten hieraus unter den Passiven angesetzt werden konne^^®.

871 872 873 874

Vgl. zur wirtschaftlichen Betrachtung einer Verbindlichkeit bei Kuting/Weber-^M/Smaw/, aaO, I Rn 409. Vgl. Beck'scher Bilanzkommentar- Berger/M.Ring,?izO, § 249 Rn 42ff; S\z\x\i-Kleindiek, § 249 Rn 30f. Vgl. Freericks, aaO, S. 234f; Daub, aaO, S. 55. Vgl. zum sog. Passivierungszeitpunkt bei Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 106ff; Beck'scher Bilanzkommentar- Berger/M.Ring,Si&0, § 249 Rn 16. Die Verbindlichkeit ist bar jeder UngewiBheit, vielmehr stehen Verpflichtungsgrund und Verpflichtungshohe fest, vgl. Kuiing/V/chtT-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 22; Daub, aaO, S. 122f. Vgl. zur Zustandigkeit des BFH in Fragen des Bilanzrechts bei Daub, aaO, S. 56. Vgl. etwa BFH BStBl. 111968, 544, 545. Einzelheiten dazu im folgenden ausfuhrlich sub DII. 3.-7. Vgl. dazu Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 82ff; ausfuhrlich nachfolgend sub DII. 3. b). Vgl. Art 20 Abs. 2 der 4. EG-Richtlinie, BT-Drs. X/317; Kutm^/WGher-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 19. Vgl. BFH BStBl. ni 1955, 172, 173 = BFHE 60, 448, 45If. Zustimmend Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 93.

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d) Ergebnis (1) RUckstellungsbedurftige Sachverhalte haben belastenden Charakter Allen rlicksteilungsrelevanten Sachverhalten ist gemein, dafi sie kiinftig ungewisse Ausgaben oder Mindereinnahmen verursachen, die auf ein Risiko der Transaktion zuriickgehen^^^ Begrifflich sind diese den Schulden zuzuordnen, die den Oberbegriff zu Verbindlichkeiten und RUckstellungen bilden^^^. RUckstellungsbedurftige Sachverhalte werden qualitativ danach unterschieden, ob die Belastung, die aus dem Sachverhalt resultiert, moglicherweise einen Anspruch eines Dritten verursacht - in diesen Fallen spricht man von Verbindlichkeitsriickstellungen - oder ob die Belastung nur gegeniiber der Gesellschaft besteht. Letztere werden unter der Terminologie Aufwandsruckstellungen erfaBt, deren Verursachung aus dem bloBen Geschaftsbetrieb folgt^^^. Eine rechtsverbindliche Verpflichtung gegeniiber einem Dritten mu6 nach betriebswirtschaftlicher Auffassung nicht bestehen, um eine Ruckstellung bilden zu konnen. Es muB lediglich die Wahrscheinlichkeit fur eine spatere Inanspruchnahme und somit fur eine spatere Auszahlung gegeben sein, deren wirtschaftliche Begriindung bereits aus der laufenden Abrechnungsperiode herruhrt^^"*. Ein einheitlicher RUckstellungsbegriff ist bereits aufgrund der unterschiedlichen theoretischen Ansatze sowie der Vielzahl von wirtschaftlichen Risiken nicht zu finden. Auch der Gesetzgeber kann nur einen Mittelweg beschreiten^^^. Infolgedessen bestimmt die mit der Zielsetzung verbundene Bilanzierung den jeweiligen RUckstellungsbegriff^^^, RUckstellungen sind Passivposten, fur Aufwendungen, die erst spater zu einer in ihrer Hohe und ihrem genauen Falligkeitstermin am Bilanzstichtag noch nicht feststehenden Auszahlung oder Mindereinzahlung fUhren, aber bereits verursacht sind und daher dem betriebswirtschaftlich zu erfassenden Zeitraum zuzurechnen sind. Da der Umfang des RUckstellungsbegriffs davon abhangt, aus welcher Motivation heraus eine Bilanz erstellt wird, kann er je nach Zwecksetzung unterschiedlich ausfallen^^^. Soil in erster Linie der statische Bestand an Vermogen und Kapital an einem ^*' Vgl. K. Schmidt, Handelsrecht, aaO, S. 446; Daub, aaO, S. 125. **^ So auch Beck'scher Bilanzkommentar-£//rori^mg, § 247 Rn 201; Daub, aaO, S. 54. ^^^ Insbesondere RUckstellungen fiir unterlassene Aufwendungen der Instandhaltung dienen der Erhaltung des Betriebs; vgl. YMm^T^thQX-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 75, 77, ^^^ Vgl. Beck'scher BWdJokommQnVax-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 1; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 27ff; Baetge, aaO, S. 365ff.; Wohe, Betriebswirtschaftslehre, aaO, S. 922ff. ''' Vgl. Daub, aaO, S. 66. *^^ Vgl. KutingAVeber-A/ajer-Wege/m, aaO, § 249 Rn 17. ^^^ Vgl. soeben D n. l.a)aE.

151

Stichtag festgestellt werden, so kommt der Riickstellung die Aufgabe zu, einen vollstandigen Ausweis der Schulden zu ermoglichen, indem auch die Schulden, die ihrem Verpflichtungsgrunde, ihrer Hohe und dem Termin ihrer Falligkeit nach noch ungewiB sind, bereits erfaBt werden. Eine rechtswirksame Verpflichtung mu6 nicht notwendigerweise bestehen, es geniigt, daB in der Abrechnungsperiode eine Schuld wirtschaftlich begrundet wurde^^^. Der statische Ruckstellungsbegriff betont den Schuldcharakter der Ruckstellung^^^. Dynamische Ruckstellungen hingegen bilden einen QuasiAbgrenzungsposten, der ahnlich den formellen Rechnungsabgrenzungsposten die Aufgabe hat, den Erfolg der Abrechnungsperiode von dem spaterer Perioden dadurch abzugrenzen, daB die Aufwendungen und Ertrage jeweils der Periode zugerechnet werden, in der sie verursacht worden sind^^°. Daher miissen auch drohende Verluste beriicksichtigt werden^^^

(2) FolgerungfUr die Uberschuldungsmessung

Der Gedanke einer Riickstellung ist also derjenige, die bilanzielle Vermogensseite eines Untemehmens nicht besser und nicht schlechter erscheinen zu lassen als sie tatsachlich ist, soweit durch den Gegenstand des Untemehmens bereits erkennbar verursachte oder sichere vermogensmindemde Belastungen erwartet werden. Mit anderen Worten: Ruckstellungen verhindem, daB ein Untemehmen bilanziell solventer dasteht, als es in Wirklichkeit gegenwartig der Fall ist. Zu diesem Zweck sollen auch spater fallige Aufwendungen, die bereits absehbar sind, beriicksichtigt werden. Dieses Anliegen gilt gerade auch fur die Uberschuldungsmessung und deren Tatbestandselement der Uberschuldungsbilanzierung. Die Uberschuldungsbilanz soil feststellen, in welcher wirtschaftlichen und fmanziellen Verfassung das Untemehmen sich im gegenwartigen Zeitpunkt der Krise befmdet. Im Vergleich zur kontinuierlichen Rechnungslegung kommt es dabei nicht auf eine bestinunte Periode an, in der die zukunftige Belastung vemrsacht wurde. Denn im Sinne der Uberschuldungsmessung gibt es nur eine Periode, da die Krise letztlich als das Produkt des gesamten bisherigen Geschaftslaufs zu verstehen ist^^^. Vielmehr gilt es daher zu ermitteln, ob und in welcher Hohe augenblicklich Verbindlichkeiten zu bedienen sind und zukiinftiger Aufwand entstehen wird.

''' **' ^^ *''

Vgl. Daub, aaO, S. 63. Vgl. Wohe, Betriebwirtschaftslehre, aaO, S. 935f. Vgl. Daub, aaO, S. 64; Kuting/Webcr-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 19. Vgl. Baetge, aaO, S. 398ff; Groh, aaO, S. 27.

^^' Vgl. sub cm. 152

mit anderen Worten, nach welchen Kriterien die UngewiBheit dieser Sachverhalte fur einen Ansatz in der tjberschuldungsbilanz hinreichend konkretisiert ist. Um diese Frage sachgerecht zu beantworten, ist im folgenden auf ruckstellungsbediirftige Sachverhalte und deren Bilanzierungsvoraussetzungen einzugehen.

2. Riickstellungen im handelsrechtlichen Normengefuge Entsprechend dem Bilanzzweck des Jahresabschlusses, die Gewinnausschiittung zu begrenzen, bilden Riickstellungen grundsatzlich antizipierte Aufwendungen ab, die den Gewinn im nachhinein schmalern werden^^^. Damit dient der Ausweis der Riickstellungen zugleich dem Zweck der Kapitalerhaltung^^"^. Das bilanzierende Untemehmen wird gehindert, einen groBeren Gewinn auszuschiitten, als in der Periode tatsachlich ermittelt wurde. Gleichviel, ob die Aufwendung als Begleichung einer Verbindlichkeit oder als Verlust eintritt, reserviert die Ruckstellung Verteilungspotential vor einer Auszehrung des tatsachlichen Betriebsvermogens^^^. Das HGB liefert mit § 249 keine allgemeine Definition der Riickstellungen, sondem zahlt in den Abs. 1 und 2 abschlieBend nur zulassige Sachverhalte fiir die Bildung von Riickstellungen auf. Gem. § 266 Abs. 3 lit. B HGB sind Riickstellungen in der Handelsbilanz auszuweisen. Gemeinsames Merkmal aller unter diesem Bilanzposten auszuweisenden Sachverhalte ist die Beriicksichtigung bestimmter kunftiger Ausgaben Oder Mindereinnahmen^^^. Namentlich sind gem. § 249 HGB Riickstellungen zu bilden fiir ungewisse Verbindlichkeiten, drohende Verluste aus schwebenden Geschaften, im Geschaftsjahr unterlassene Aufwendungen fiir Instandhaltung, die im folgenden Geschaftsjahr innerhalb von drei Monaten nachgeholt werden, und schlieBlich fiir Gewahrleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden. Dabei wird differenziert zwischen Riickstellungen mit Verbindlichkeitscharakter (fiir ungewisse Verbindlichkeiten, drohende Verluste aus schwebenden Geschaften und Gewahrleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden) und Aufwandsriickstellungen .

Vgl. Naumann, aaO, S. 46; Thomas, aaO, S. 50f; Daub, aaO, S. 46f. Vgl. Thomas, aaO, S. 132; Kessler, Imparitatsprinzip, aaO, S. 1289. Vgl. Naumann, aaO, S. 265ff. Vgl. AdIer/DUring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 27 mwN. Hier zeigt sich einmal mehr die Zwitterstellung der Bilanz im Rechtssinne; vgl. oben D 11. 1. b).

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a) Eingrenzung GemaB §§ 246 und 247 HGB sind in der Bilanz die Schulden gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedem. Schulden umfassen neben den Ruckstellungen auch die Verbindlichkeiten^^^. Der Begriff der Verbindlichkeit ist gesetzlich nicht definiert. Fur ihre inhaltliche Bestimmung ist eine wirtschaftliche Betrachtung heranzuziehen^^^. Abstrakt bilanzierungsfahig sind Sachverhalte, die eine Schuld begriinden^^. Der Begriff der Ruckstellung ist neben der materiellen Abgrenzung zu den Verbindlichkeiten auch unter handelsrechtlichen Gesichtspunkten gegeniiber den Bilanzposten Rucklagen, Rechnungsabgrenzungsposten, Eventualverbindlichkeiten und sonstigen finanziellen Verpflichtungen, die nicht unter die erwahnten Posten zu subsumieren sind, abzugrenzen^^\ Rucklagen sind Elemente des Eigenkapitals, die gem. § 272 HGB durch interne oder exteme Kapitalzuflusse entstehen^°^. Passive Rechnungsabgrenzungsposten enthahen gem. § 250 Abs. 2 HGB vorgezogene Einnahmen. RUckstellungen bilden dagegen vorgezogene Aufwendungen ab. Eventualverbindlichkeiten betreffen diejenigen Risiken, bei denen der Grad einer wahrscheinlichen Inanspruchnahme fiir die Bildung von Ruckstellungen zu gering ist^°^ Gem. §§ 251 i.V.m. § 268 Abs. 7 HGB sind diese entweder als sog. Haftungsverhaltnisse unter der Bilanz auszuweisen Oder im Anhang anzugeben. Sonstige fmanzielle Verpflichtungen umfassen bisher noch von keiner Seite erfullte schwebende Geschafte, aus denen die Gesellschaft zu Zahlungen verpflichtet ist, denen eine gleichwertige Leistung gegeniibersteht. Eine Rechnungslegung hieriiber ist gem. § 285 Nr. 3 HGB fiir Kapitalgesellschaften im Anhang zwingend.

Bei Schulden i.S.d. Bilanzrechts handelt es sich um den Oberbegriff fiir Verbindlichkeiten und Ruckstellungen; vgl. AdIer/DUring/Schmaltz, aaO, § 246 Rn 102; Kuting/Weber-^Mj8/rwM/, aaO, I Rn 410; Beck'scher Bilanzkommentar-£//rort^mg, § 247 Rn 201; Freericks, aaO, S. 224. Dies gilt jedenfalls uneingeschrankt fur die Ruckstellungen wegen ungewisser Verbindlichkeiten und drohender Verluste. Ruckstellungen aus sog. Innenverpflichtungen soUen nicht unter den Begriff der Schulden subsumiert werden; vgl. Kutingmeber-KuSmaul, aaO, I Rn 414ff; a.A. WP-Handbuch, aaO, V Rn 13. Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 246 Rn 110; Freericks, aaO, S. 225; auch sub D H. 1. c). Vgl. Winnefeld, aaO, D Rn 840; Freericks, aaO, S. 227ff zu den Voraussetzungen der wirtschaftlichen Belastung, die eine abstrakte Passivierungsfahigkeit begriinden: Voriiegen einer wirtschaftlichen Belastung, Vorhandensein einer (wirtschaftlich verursachten) Leistungspflicht, Quantifizierbarkeit der Leistung sowie selbstandige Bewertbarkeit. Im Gegensatz zur konkreten Passivierungsfahigkeit, die grundsatzlich eine Passivierung von abstrakt passivierungsfahigen Sachverhalten verbietet; vgl. Kuting/Webcr-Kujimaul, aaO, § 246 Rn 15. Vgl. zur Abgrenzung gegeniiber Verbindlichkeiten und Rucklagen KutmgfWehcT-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 22. Selbstverstandlich ist die Abgrenzung gegeniiber Verbindlichkeiten auch unter handelsrechtlichen Gesichtspunkten beizubehalten. Demzufolge unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Kapitalriicklagen, die von auBen als Eigenkapital der Gesellschaft zuflieBen, und Gewinnriicklagen, die aus dem Ergebnis der Gesellschaft gebildet werden; vgl. Baetge, aaO, S. 442, 446. Vgl. KutingAVeber-D.Fe);, aaO, § 251 Rn 14; Staub-Kleindiek, § 249 Rn 12; § 251 Rn 1.

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b) Handelsrechtliche Grundsdtze zur Bilanzierung von RUckstellungen (1) Das Vorsichtsprinzip und seine Konkretisierungen Die Zielsetzung der Riickstellung, zukunftige Ausgaben zu erfassen, die bereits ausgelost sind, weil ihre Ursache schon gesetzt ist, ist AusfluB aus dem Vorsichtsprinzip^^'*. Das Vorsichtsprinzip fmdet seinen handelsrechtlichen Ursprung in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, der seinerseits auf der Transformation von Art. 31 Abs. 1 c) der JahresabschluBrichtlinie 78/ 660 EWG beruht. Danach „ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste (...) zu berlicksichtigen". Im Ergebnis bewirkt das Vorsichtsprinzip, zweifelhaftes Vermogen nicht zu aktivieren und zweifelhafte Schulden vorsichtshalber zu passivieren^^^. Aus dem Vorsichtsprinzip resultierende Folgeprinzipien sind gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4, 1. und 2. Halbsatz HGB das Realisationsprinzip, das eine Ertragsantizipation verbietet^^^, und das Imparitatsprinzip, das die Beriicksichtigung kunftiger AufwandsUberschUsse gebietet^^^. Anwendungsbereich dieser Prinzipien sind Vermogensgegenstande und Schulden gleichermafien. FUr RUckstellungen sind diese Prinzipen aufgrund der diesen eigenen Unsicherheiten besonders bedeutsam^^^. Das angewandte Realisationsprinzip bestatigt und verwirklicht die aus Umsatzakten hervorgehenden Wertanderungen am Vermogensbestand des Untemehmens^^. Demgemafi bleiben Anschaffungsakte in der (Handels-)Bilanz solange erfolgsneutral, indem zunachst nur der Anschaffungswert beriicksichtigt wird, sog. Anschaffungswertprinzip^^^, bis durch den Umsatzakt, Verkauf am Markt, eine wirtschaftliche Leistung mefibar ist - regelmaBig in der Form eines Ertrags^^^ Vor dem Hintergrund der mit dem Realisationsprinzip bezweckten periodengerechten Zuordnung des Aufwandsuberschusses wird fur die Handelsbilanz die Annahme der Untemehmensfortfiihrung unterstellt, die in Form des sog. Periodisierungsprinzips in § 252 Abs. 1 Nr. 2, 5 HGB normiert ist. Das Prinzip des Going-concern soil darUber hinaus dem Vorsichtsprinzip Vgl. Kxiim^r^QhQX-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 7. Vgl. Moxter, Selbstandige Bewertbarkeit, aaO, S. 1847; auch oben C III. 1. b) (1). Vgl. Baetge, aaO, S. 123ff; Beck'scher Bilanzkommentar-//enje/Ge(^/er, § 252 Rn 29, 43ff; StaubKleindiek, § 252 Rn 22, 25ff. Das Realisationsprinzip enthalt zwei Komponenten: die Regeln fur den Zeitpunkt der Realisation sowie das Konzept der Erfolgsneutralitat von Beschaffungsvorgangen, Baetge, aaO, S. 119. Vgl. Moxter, Wirtschaftliche Betrachtungsweise, aaO, S. 236; Beck'scher Bilanzkommentar-//en^^/Ge(/?/er, § 252 Rn 29, 34ff; Simh-Kleindiek, § 252 Rn 22, 33ff. Vgl. Moxter, Riickstellungsbewertung, aaO, S. 677. Vgl. hierzu oben C IE. 1. b) (1) (a). Vgl. Baetge, aaO, S. 119. Vgl. dazu Eibelshauser, aaO, S. 155; Tischbierek, S. 21f.

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Einhalt gebieten, indem aus einer moglichen Bandbreite von Werten eines Vermogensgegenstands nicht unreflektiert der ungUnstigste gewahlt werden darf^^^. Danach werden Ausgaben fur innerhalb der bilanzierten Periode antizipiert, wenn sie bereits durch Umsatze alimentiert sind^*^. Damit bestimmt das Realisationsprinzip auch den Ansatzzeitpunkt aus dem jeweiligen Umsatzakt^'"^. Bin Gewinn kann demnach bspw. realisiert werden, wenn a) die vertraglich geschuldete Leistung erbracht ist, b) der Anspruch auf die Gegenleistung hinreichend gesichert ist, was dann der Fall ist, wenn die ErfUllungshandlung den Gefahriibergang bewirkt hat und c) die Gegenleistung bewertbar ist. Das Imparitatsprinzip antizipiert alle kUnftigen Verpflichtungsiiberschusse^^^. Insoweit ist das Imparitatsprinzip vorsichtiger als das Realisationsprinzip, da die zu bilanzierenden Veriuste nicht erst mit ihrem Eintritt anzusetzen sind, sondem bereits mit ihrer Entstehung. Das Imparitatsprinzip gebietet nicht nur die Erfassung von Veriusten aus Aufwandsiiberschussen. Bilanzrechtliche Veriuste entstehen auch in Form von Wertminderungen bilanzierter Vermogensgegenstande oder Werterhohungen bilanzierter Schulden^^^. Materiell objektiviert wird das Imparitatsprinzip durch den Einzelbewertungsgrundsatz und das AbschluBstichtagsprinzip, auch wenn durch die damit verbundene Verteilung von Aufwandsiiberschussen das Prinzip der Vergleichbarkeit gestort wird^^^. Die Pflicht zur Riickstellung drohender Veriuste aus schwebenden Geschaften ist eine besondere Auspragung des Imparitatsprinzips^^^. Mithin sind insbesondere drohende Veriuste losgelost von einem Umsatzakt zu bilanzieren, wenn sie zu Wertminderungen von Vermogensgegenstanden, zur Erhohung von Schulden oder zu Verpflichtungsuberschiissen aus schwebenden Geschaften fUhren^^^.

Vgl. KMng/V/cbcT-Baetge/Kirsch, aaO, I Rn 339. Vgl. auch oben sub C HI. 1. b) (2). Vgl. Moxter, Periodengerechte Gewinnermittlung, aaO, S. 449. Dem wird entgegnet, da6 zwar die Orientierung der Aufwandsrealisierung an den zugehorigen Ertragen anzuerkennen sei, aber nur hinsichtlich der Ertrage. Jeder dynamische Gedanke des Realisationsprinzips dagegen wird bestritten. Vielmehr wird das Anschaffungswertprinzip als Ausgangspunkt fur kiinftige Aufwendungen verstanden. Infolgedessen gehe die Bildung von Verbindlichkeitsriickstellungen auch nicht auf das Realisationsprinzip zuruck, sondem auf das VoUstandigkeitsprinzip. Vgl. Siegel, aaO, S. 334f. Vgl. Eibelshauser, aaO, S. 154f, der darlegt, welche Funktion das Realisationsprinzip innerhalb des GoBSytems wahmimmt. Zu Einzelheiten des Realisierungszeitpunkts vgl. Baetge, aaO, S. 119f. Vgl. Moxter, Wirtschaftliche Betrachtungsweise, aaO, S. 236; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 136; Staub-Kleindiek. § 252 Rn 33; oben sub CIH. 1. b) (1) (b). Vgl. Tischbierek, aaO, S. 27. Vgl. Tischbierek, aaO, S. 28f, der daraus zutreffend folgert, daB Gewinnvergleichbarkeit und Ausschiittungsprognose nicht die primaren Ziele der gesetzlichen Bilanz sein konnen. Kritisch zur strikten Anwendung der Vorsicht wegen der Gefahr der Bildung stiller Reserven und der Verzerrung der Vergleichbarkeit auch KutingPNebcT-Baetge/Kirsch, aaO, I Rn 336, 339. Vgl. Beck'scher Bihnzkommcntdn-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 58; Thomas, aaO, S. 132. Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Bd. II, S. 37f.

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Das Vorsichtsprinzip wirkt sich nicht nur auf die Bewertung aus, sondern prazisiert die Ansatzpflichten^^^. So erkennt die dynamische Bilanzlehre zu Recht, da6 bei verursachungsgerechter Belastung nach dem Grundsatz der Vorsicht eine RUckstellung zu bilden ist, sobald der riickstellungsfahige Tatbestand bekannt wird, auch wenn die zu belastende Abrechnungsperiode bereits abgeschlossen ist^^\ Soweit das Vorsichtsprinzip die vorhersehbaren Risiken erfassen soil und damit den Parameter der Sachverhalte dariiber vorgibt, welche Sachverhalte durch RUckstellungen abzubilden sind, so „unklar" ist deren Bewertung, die in Anbetracht von unsicheren Erwartungen sowie von Zurechnungs- und Objektivierungserfordemissen zu bemessen ist^^^. Das Prinzip der vorsichtigen Bewertung wird modifiziert im Interesse der Rechtssicherheit und Praktikabilitat durch Objektivierungsprinzipien^^^, die auf der Aktivseite zueinander harmonieren und demgegeniiber auf der Passivseite beschrankende Wirkung entfalten^^"*.

(2) Objektivierungsprinzipien Die Objektivierungsprinzipien dienen der Absicherung des zweckgerechten Jahresabschlusses. Sie bilden das Korrektiv fur eine zu weitreichende Anwendung des Vorsichtsprinzips in seiner Reinform und stehen gerade im Bereich der Bilanzierung von Riickstellungen als Garanten einer willkiirfreien Bilanzierung^^^, Im Zusammenhang mit der Bilanzierung von Riickstellungen sind dabei insbesondere das Einzelbewertungsprinzip^^^ § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB, und das Saldierungsverbot^^'', § 246 Abs. 2 HGB, von Bedeutung. Ein besonderes Objektivierungsprinzip, das aus dem Einzelbewertungsprinzip und dem allgemeinen Erfordemis der Bewertbarkeit resultiert, betrifft die Bilanzierung von immateriellen Vermogensgiitem des Anlagevermogens gem. §248 Abs. 2 HGB.

Vgl. Tischbierek, aaO, S. 17ff. Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 175. Vgl. Moxter, Ruckstellungsbewertung, aaO, S. 678. Vgl. Tischbierek, S. 30. Vgl. Moxter, Ruckstellungsbewertung, aaO, S. 678. Vgl. Naumann, Rechtliches Entstehen, S. 529. Vgl. zum Einzelbewertungsprinzip oben C III. 3. b) (3). Das Saldierungsverbot schlieBt eine Verrechnung zwischen unterschiedlichen Posten der Aktiv- und Passivseite der Bilanz aus, KutingAVeber-ZTw^maM/, aaO, § 246 Rn 21; Beck'scher BilanzkommentarForschle/Kroner, § 246 Rn 80; Sts^b-Kleindiek, § 246 Rn 80.

157

(3) Mechanismen der Schdtzung

Wegen der den riickstellungsbedurftigen Sachverhalten immanenten Unsicherheit ist die Hohe ihrer Belastung zu schatzen. Das Handelsrecht legt diese Schatzung in die Hande des vemiinftigen Kaufmanns^^^. Die Bestimmung eines BewertungsmaBstabs hinsichtlich der UngewiBheit ist nur innerhalb eines objektivierten Schatzungsrahmens moglich^^^. Die Schatzung muB daher anhand einer nachvollziehbaren Grundlage erfolgen, die das Ergebnis punktuell oder innerhalb einer Bandbreite bestimmt^^^. Die Moglichkeit, das Schatzergebnis innerhalb einer Bandbreite anzusetzen, verpflichtet den Kaufmann, die der Schatzung zugrundeliegenden Parameter sorgfaltig und nachvollziehbar auszuwahlen^^\ Zu schatzen ist grundsatzlich vorsichtig, das heiBt entsprechend dem Grundsatz der Imparitat sind erkennbare Risiken und Verluste zu ihrem hochsten Wert anzuerkennen^^^. Im Fall einer Bandbreiteneinschatzung wurde sich die Hohe der Belastung aus ihrem oberen Wert ergeben^^^. Dem wird insbesondere die Gefahr der Manipulation entgegengehalten und stattdessen als BewertungsgroBe der Mittelwert der Bandbreite erhoht um einen Vorsichtszuschlag vorgeschlagen^^^.

5.

Verbindlichkeitsriickstellungen

Die Grundform der Ruckstellungen bilden ungewisse Verbindlichkeiten, deren Voraussetzungen eine nach Entstehung, Grund und/oder Hohe und/oder Falligkeit ungewisse AuBenverpflichtung, die rechtliche oder wirtschaftliche Verursachung zum Bilanzstichtag und die Wahrscheinlichkeit ihrer Inanspruchnahme durch den Glaubiger

932 933

Gem. § 253 Abs. 1 S. 2 HGB sind Ruckstellungen „in der Hohe des Betrags anzusetzen, der nach verniinftiger kaufmannischer Beurteilung notwendig ist". Vgl. Kuting/Weber-^6w/er, aaO, § 249 Rn 259; Beck'scher-Bilanzkommentar-Berger/ll/./?m^, aaO, § 252 Rn 154. Leffson, aaO, S. 427f teilt die objektivierten Schatzkriterien in objektive Wahrscheinlichkeiten, die auf statistisch fundierten Erhebungen beruhen, und subjektive Wahrscheinlichkeiten ein, die zwischen den Zustanden der fast sicheren Erwartung und des v511igen Nichtwissens eingebettet sind. Vgl. Leffson, aaO, S. 424f, 430; Baetge, aaO, S. 127. Diese Schatzung erfolgt in Form eines Schlusses von „der Vergangenheit auf die Zukunft". Vgl. zur Bandbreitenschatzung auch Beck'scher-BilanzkommentarBerger/M.Ring, aaO, § 253, Rn 154f. Vgl. KutingAVeber-^ew/er, aaO, § 249 Rn 269; Adler/DUring/Schmaltz, aaO, § 253 Rn 189. Im Falle einer punktuellen Schatzung handelt es sich regelmaBig um eine dem Grunde nach ungewisse Belastung, wie bspw. bei einer Konventionalstrafe. Vgl. Leffson, aaO, S. 432; Knobbe-Keuk, aaO, S. 47. Vgl. Beck'scher-Bilanzkommentar-5^r^er/A/./?m5, aaO, § 253 Rn 155; Knobbe-Kneuk, aaO, S. 236. In diesem Fall ist der handelsrechtliche Ausweis der Riickstellung fraglich. Baetge, aaO, S. 127f schlagt vor, die Bandbreite auszuweisen. Leffson, aaO, S. 441ff, halt dem ubertriebene Vorsicht entgegen und mochte nur einen genau bestimmten Wert innerhalb der Bandbreite ausweisen. Allerdings soil zusatzlich auf die Komponenten der Vorsicht hingewiesen werden; vgl. Leffson ebd.; kritisch KutingP^eber-Kessler, aaO, § 249, Rn 291, insbes. wegen der Gefahr der Legung stiller Reserven. Vgl. dazu nur KuiingfWcbtT-Kessler, aaO, § 249 Rn 294 aE mwN.

158

sind^^^. Dariiber hinaus miissen die Voraussetzungen der abstrakten Passivierungsfahigkeit der Schuld vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn die Verbindlichkeit greifbar und bemefibar ist^^^.

a) Ungewifiheit iiber den riickstellungsbedurftigen Sachverhalt Die Ungewifiheit dient der Abgrenzung eines Sachverhalts als verbindlich oder lediglich ruckstellungsbediirftig. Eine Verpflichtung ist ungewiB, wenn der zu klarende Sachverhalt oder die zu klarende Rechtsfrage nicht abschlieBend in die eine oder in die andere Richtung beurteilt werden kann^^^. Die Ungewifiheit kann den Grund und/oder die Hohe der Verbindlichkeit betreffen^^^. Von einer Ungewifiheit spricht die Rechtsprechung, wenn die Verbindlichkeit dem Grunde nach nicht mit Sicherheit, aber doch mit Wahrscheinlichkeit besteht oder entstehen wird, oder hinsichtlich deren Hohe zusatzlich oder allein Ungewifiheit besteht^^^. Die Ungewifiheit bezieht sich somit auf die rechtlichen Voraussetzungen der Verbindlichkeit^"^^. Wird beispielsweise ein fehlerhaftes Produkt in Verkehr gebracht, so ist von der Rechtsfrage nach Anspruchen aus Delikt oder Produkthaftung die Inanspruchnahme durch den Marktteilnehmer zu unterscheiden. Eine Rechtsfrage ist bspw. nicht abschliefiend geklart, wenn deren Beantwortung in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist, das heifit eine Entscheidung mit unterschiedHchen Ergebnissen vertretbar ist; der tatsachliche Sachverhalt ist bspw. unklar, wenn die Beweislage nicht eindeutig ist. Bei Ungewifiheit iiber den Grund miissen konkrete Anhaltspunkte fur das Vorliegen eines verpflichtenden Sachverhalts vorliegen, die aufgrund einer vemiinftigen kaufmannischen Einschatzung der tatsachlichen Umstande die zukiinftige Belastung anerkennen^'*^ Das soil dann der Fall sein, wenn mehr Griinde fiir das Bestehen einer Verbindlichkeit als dagegen sprechen^"*^. Es sind daher die Parameter zu ermitteln, die eine

938 939 940

Vgl. Winnefeld, aaO, D Rn 952; Adler/DUring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 42; Beck'scher BilanzkommentarBerger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 24. Vgl. Daub, aaO, S. 71; Baetge, aaO, S. 374ff. Vgl. Jonas, aaO, S. 338. Vgl. WP-Handbuch, aaO, E Rn 92; Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1345; Simh-Kleindiek, § 249 Rn 27. Vgl. BFH BStBl. II1987, 845 mwN= BFHE 149, 55, 58; BFH BStBl. H 1993,109, 110. Vgl. Daub, aaO, S. 71. Von der Ungewifiheit hinsichtlich des Bestehens ist das Merkmal der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zu unterscheiden; vgl. sub D 11. 3. d). Vgl. statt aller KutingAVeber-Mayer-Wege/w, aaO, § 249 Rn 51. Vgl. BFH BStBl. II1985, 44, 46.

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Entscheidung iiber den Grund und/ oder die Hohe der Verbindlichkeit wahrscheinlich machen. Naturlich kann hierbei nicht von einer mathematischen Wahrscheinlichkeitsquote ausgegangen werden, mit der Folge, da6 bei 51%iger Erfullung der Parameter die Verbindlichkeit wahrscheinlich ist. Vielmehr wird es darauf ankommen, ob unter vemiinftigen kaufmannischen Erwagungen im Hinblick auf die bekannte unklare Sachlage bzw. Rechtslage der Handelsuberschuss zu reduzieren ist^"*^. Ist hingegen nur die Hohe der Belastung ungewiB, ist eine Bilanzierung geboten, deren Hohe zu schat•

944

zen ist^^.

b)

Verursachungszeitpunkt

Von dem Merkmal der UngewiBheit zu unterscheiden ist das Merkmal der Verursachung. Wahrend das Merkmal der UngewiBheit der Abgrenzung eines Sachverhaltes als verbindlich oder riickstellungsbedUrftig dient^"*^, mithin den materiellrechtlichen Entstehungstatbestand betrifft, befasst sich das Merkmal der Verursachung mit der Frage, ab wann eine Ruckstellung zu passivieren ist. Dabei ist der Zeitpunkt, ab dem eine Ruckstellung als verursacht angesehen wird, umstritten. Voraussetzung fur eine Passivierungsfahigkeit soil jedenfalls ein Erfullungsriickstand sein, der losgelost von der rechtlichen oder wirtschaftlichen Verursachung entsteht^"^^. Jedoch laBt sich auch der belastende Charakter eines Erfullungsriickstands grundsatzlich nicht ohne Ursache begriinden. Rechtsprechung und Literatur vertreten unterschiedliche Verursachungskonzepte fur den bilanzierungsfahigen Ansatz von Verbindlichkeitsriickstellungen. Entstehungstatbestande konnen durch rechtliche oder wirtschaftliche Sachverhalte verursacht werden^"*^, die am Bilanzstichtag bereits eine wirtschaftliche Belastung darstellen^"*^. Unter welchen Voraussetzungen von einer wirtschaftlichen Belastung gesprochen werden kann, hangt im wesentlichen davon ab, ob eine wirtschaftliche Belastung aus betriebswirtschaftlicher oder aus juristischer Sichtweise ermittelt wird. Im Gegensatz zur rechtlichen Entstehung einer Verbindlichkeit laBt sich die wirtschaftliche Verursachung nur schwer greifen^'*^ und geht dagegen nicht auf eine Ursa-

946 947 948 949

In diesem Sinne auch Jonas aaO, S. 338; Beck'scher B'lhnzkommQntsn-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 33. Vgl. KutingT^ebcT-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 52 mwN. Von der UngewiBheit der Hohe ist die Problematik der Schatzung zu unterscheiden, vgl. Jonas, aaO, S. 338. Vgl. hierzu D11. 3. a). Vgl. KutmgfWQbeT-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 38. Vgl. Adler/Diiring/Schmaltz, aaO § 249 Rn 63. Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO. S. 87. Daher wird der Begriff der wirtschaftlichen Verursachung auch gerne als „schwanimig" bezeichnet; vgl. Woemer, aaO, S. 246 mwN.

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che im technischen Sinne zuriick, sondem ist Bestandteil einer Kausalkette von mehreren Ursachen und Wirkungen^^^. Aus diesen Griinden hat sich eine allgemeine Definition dieses Merkmals bisher nicht durchsetzen konnen.

(1) Rechtlicher Entstehungsablauf Die rechtliche Verpflichtung entsteht mit der Erfullung aller leistungsbegriindenden Tatbestandsmerkmale^^^ Beurteilt nach ihrem rechtlichen Entstehen ist eine Verbindlichkeit verursacht, wenn die kiinftigen Lasten in ihrem rechtlichen Entstehungstatbestand bereits so viele Einzelmerkmale verwirklicht haben, da6 eine einseitige Entziehung durch den Bilanzierungspflichtigen nicht mehr moglich ist^^^. In diesem Sinne orientiert sich die Rechtsprechung bei der Beurteilung dariiber, ob eine Verbindlichkeit wirtschaftlich verursacht ist, an deren rechthchem Entstehungsablauf^^^. Eine dem Grunde nach ungewisse Verbindlichkeit soil nach Auffassung des BFH wirtschaftlich verursacht sein, wenn die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale der Verpflichtung erfullt sind und das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von „wirtschaftlich unwesentlichen Merkmalen abhangt"^^'*. Die Rechtsprechung halt damit - trotz anderslautender Terminologie - dennoch an einer zivilrechtlichen Uberbetonung bei der Entwicklung der Ansatzkonzeption fest, indem schlicht die wirtschaftlichen Tatbestandsmerkmale mit den rechtlichen gleichgesetzt^^^ oder jedenfalls als Teilmenge davon verstanden werden^^^. Unter dem EinfluB des Realisationsprinzips halt es die Rechtsprechung zur Anerkennung einer wirtschaftlich verursachten Verbindlichkeit zudem fUr erforderlich, da6 die kiinftigen Ausgaben bereits konkret realisierten Ertragen zuzuordnen sind^^^. Diesem Doppelkriterium der Rechtsprechung haftet der Makel der Unbestimmtheit an^^^. Denn unklar bleibt, woher der Bilanzierende weiB, wann ein wirtschaftliches

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Vgl. W. Muller, aaO, S. 137; Jonas, aaO, S. 340. Zivilrechtlich mit dem Entstehen des verpflichtenden Rechtsgeschafts oder dem haftungsbegriindenden Tatbestand; offentlich-rechtlich aufgrund eines Gesetzes oder einer sonstigen offentlich-rechtlichen Verpflichtung. Vgl. Kamman, aaO, S. 198; Jonas, aaO, S. 343. Vgl. BFHE 92, 224, 225f; BStBl. II 1968, 544f. Vgl. BFH BStBl. II1992, 1010, 1012; BFH BB 1993, 827. So fuhrt der BFH in BStBl. II 1992, 600, 602, aus, daB eine Verbindlichkeit dann wirtschaftlich verursacht ist, wenn der Tatbestand, dessen Rechtsfolge die ungewisse Verbindlichkeit begriindet, im wesentlichen verwirkhcht ist. Vgl. Tischbierek aaO, S. 52. Vgl. BFH BStBl. II1989, 893, 895 und BGH BB 1991, 507, 508. Das Doppelkriterium der Rechtsprechung erfordert zur Passivierung die rechtliche Entstehung bzw. die wirtschaftliche Verursachung; vgl. Moxter Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 106f.

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(rechtliches) Tatbestandsmerkmal wesentlich bzw. unwesentlich ist^^^. Daher wird vorgeschlagen, das Kriterium der ErfUllung der wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale zur Beurteilung der UngewiBheit Uber das Bestehen heranzuziehen^^®. Der Rechtsprechung wird femer entgegengehalten, daB dem rechtlichen Entstehungszeitpunkt bei der Beurteilung wirtschaftlicher Lasten nur eine Hilfsfunktion zukommen konne, die keinesfalls aber eine an der Vermogensbelastung orientierte wirtschaftliche Verursachung uberlagert^^\ SchlieBlich konne diese Sichtweise die Passivierung der immer bedeutender werdenden faktischen Lasten nicht klaren^^^.

(2) Dynamischer Entstehungsablauf Die Vertreter der dynamischen Bilanztheorie, die den Ruckstellungsansatz ausschlieBlich im Lichte der Vergleichbarkeit der Bilanzierungsperioden betrachten, bezwecken mit der Bilanzierung von Ruckstellungen eine periodengerechte Zurechnung^^^. Nur so erscheint eine optimale Betriebssteuerung auf der Basis der periodischen Entwicklung von Vermogenslage und Erfolg moglich^^"^. DemgemaB sollen RUckstellungen nur die Perioden belasten, die den Nutzen aus dem BetriebsprozeB gezogen haben, der die Ruckstellung erforderlich macht^^^. Damit wird der Nutzen zum maBgeblichen Parameter fur eine Ruckstellung. Der Begriff des Nutzens ist aber zu unbestinmit^^^, selbst wenn der Nutzen an dem durch den Umsatzakt in Erscheinung getretenen Betrag gemessen werden soll^^^. Eine ausschlieBlich dynamische Beurteilung der wirtschaftlichen Verursachung scheitert neben der unbestinmiten Begrifflichkeit auch daran, daB die dynamische Bilanztheorie zur Sicherung einer vergleichbaren Gewinnermittlung Sprunghaftigkeiten in der Aufwandserfassung zu vermeiden sucht^^^ und dadurch die dynamische Verursachungskonzeption mit dem Prinzip der Stetigkeit pragt^^^. Dies fiihrt in der Anwendung dazu, daB Zufallsaufwendungen in Fallen sich ratierlich aufbauender Ruckstellungen oder regelmaBig wiederkehrender Ruckstellungen rechnerisch mittels durchschnittlicher Risikopramien wirtschaftlich ausgeglichen werden und

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Vgl. Beck'scher Bilanzkommentar-C/emm/Er/e, 4. Auflage, § 249 Rn 34. Hinzu kommt, daB Tatbestandsmerkmale regelmaBig kumulativ vorliegen mussen, bevor sie eine Rechtsfolge auslosen. Vgl. Beck'scher Bilanzkommentar-C/«mm/Er/e, 4. Auflage, § 249 Rn 34. Vgl. Tischbierek aaO, S. 64 mwN in Fn 113. Vgl. Tischbierek aaO, S. 53. Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 34f, 175. Vgl. KutmgrNebeT-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 18f. Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 175. Vgl. Tischbierek, aaO, S. 55. Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 176 zu im voraus vereinnahmten Betragen. Vgl. Schmalenbach, aaO, S. 167. Vgl. Moxter, Bilanzlehre, Bd. I, aaO, S. 53.

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damit unabhangig von ihrem Risiko der Verwirklichung als verursacht gelten^^^. Gleichwohl wird erkannt, dafi die „Pramie" fUr eine Gefahrenruckstellung oder Garantieriickstellung bei Erhohung des Risikos in der zu bilanzierenden Periode wachst^^\ Dennoch fUhrt diese Methode nicht zu der gewunschten Zurechnung des ausstehenden Risikos. Denn die wahrscheinliche Schadensgefahr laBt sich weder mathematisch noch auf andere Weise naturwissenschaftlich exakt vorhersagen^^^.

(3) Handelsrechtliche Verursachungskonzeption Die handelsrechtliche Verursachungskonzeption orientiert sich an dem der Untemehmung in Form von (Gewinn-)Ausschuttungen entziehbaren Betrag^^^ und sieht daher den Ansatzzeitpunkt von Verbindlichkeitsruckstellungen in der wirtschaftlichen Vermogensbelastung^^"*. Dieser Ansatz basiert im wesentlichen auf dem Realisationsprinzip und dem Vermogensprinzip^^^. Der Passivierungszeitpunkt wird danach durch die Alimentierung bereits realisierter Vermogenszugange bestimmt, das heiBt die AufwendungsiiberschUsse werden durch alle bilanzrelevanten (ungewissen) Verbindlichkeiten konkretisiert^^^. Dadurch soil der Vermogenszuwachs in der Weise neutralisiert werden, da6 der verbleibende Netto-Vermogenszuwachs als „risikofrei und ausschiittbar (entnehmbar) gelten kann"^^^. Demnach ist eine ungewisse Verbindlichkeit zu passivieren, wenn und soweit die betreffenden kiinftigen Aufwendungen nicht kiinftigen Ertragen zugerechnet werden konnen^^^, schlicht wenn die zukiinftige Verpflichtung an Vergangenes ankniipft und Vergangenes abgelten soll^^^.

(4) Bilanzierungspraxis Die Rechtsprechung verfolgt eine gemischt rechtlich-wirtschaftliche Verursachungskonzeption, das heiBt die rechtliche Verursachungskonzeption tritt neben die wirtschaftliche Verursachungskonzeption als eigenes Passivierungskriterium. Zwischen

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Vgl. Tischbierek, aaO, S. 56f. So bei Tischbierek, aaO, S. 55 nmN in Fn 53, 54. Tischbierek, aaO, S. 59ff. Vgl. Moxter, Umweltschutzruckstellungen, S. 432. Vgl. Tischbierek, S. 67. Vgl. Beisse, Rechtsfragen, aaO, 501. Vgl. Moxter, Umweltschutzruckstellungen, S. 432f. Vgl. Tischbierek, aaO, S. 62. Vgl. Beck'scher-Bilanzkommentar-C/emm/Er/e, 4. Auflage, § 249 Rn 37 mwN. Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 66 mwN insbesondere auf die hochstrichterliche Rechtsprechung.

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diesen beiden Passivierungskriterien gibt es keinen Vorrang. Dies stellte der BFH in seiner grundlegenden Entscheidung vom 27.6.2001^^° klar und beendete damit eine Diskussion iiber das Verhaltnis der beiden Entstehungstatbestande zueinander^^\ Vor dieser Entscheidung ging die uberwiegende Meinung von einem Vorrang der wirtschaftlichen Entstehung aus, was in Fallen, in denen die wirtschaftliche der rechtlichen Entstehung nachfolgte, von Bedeutung war. Ein Beispiel hierfur ist die Verpflichtung des § 7 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 AtG zum vollstandigen Abbau eines Kemkraftwerks. Die rechtliche Verpflichtung entsteht bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem das Kraftwerk als verstrahlt anzusehen ist, das heifit mit Inbetriebnahme des Reaktors. Wirtschaftlich zuzuordnen sind die Aufwendungen zum Abbau des Kemkraftwerks den Ertragen aus der Stromproduktion, die jedoch erst wahrend der Nutzungsdauer des Kraftwerks entstehen. Gestutzt auf das Realisationsprinzip wurde von der Literatur eine Passivierung von Ruckstellungen zum Zeitpunkt des Entstehens der rechtlichen Verpflichtung verneint, wenn den Aufwendungen kiinftige Ertrage gegeniiberstehen.^^^ Kiinftige Aufwendungen waren danach also nur zu berucksichtigen, soweit sie Umsatze vor dem jeweiligen Bilanzstichtag alimentiert haben. Dies ist in dem Beispiel aber gerade nicht der Fall, so daB noch keine Ruckstellungen gebildet werden durften. Der BFH stellte aber nunmehr unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung klar, daB eine rechtlich entstandene Verbindlichkeit unabhangig von der Zuordnung zukiinftiger Ertrage zu passivieren ist^^^. Das Realisationsprinzip enthalte keine zusatzliche Abgrenzungsfunktion fiir Aufwendungen, demgegenuber widersprache es dem Imparitatsprinzip, den Ausweis von Risiken und Verlusten erst mit der Realisierung der damit zu erzielenden Ertrage zu berUcksichtigen^^"^. Auf die wirtschaftliche Entstehung einer Verbindlichkeit kommt es damit nur an, wenn der Tatbestand der rechtlichen Entstehung nicht vorliegt^^^. In dem Beispielsfall miisste danach auf Grund der rechtlichen Entstehung der Verbindlichkeit eine Ruckstellung gebildet werden.

DB2001, 1698ff. Vgl. zum Diskussionsstand Beck'scher BilsLnzkommtntar-Clemm/Erle, 4. Auflage, § 249 Rn 34ff. Vgl. z.B. Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1346f; Moxter, Periodengerechte Gewinnennittlung, S. 456. Vgl. BFH, DB 2001, 1698, 1699f. Das Bundesministerium der Finanzen hat das Urteil des BFH vom 27.6.2001 allerdings mit einem NichtanwendungserlaB belegt (BMF, Schreiben v. 21.06.2001 - I R 45/97, S. 121-125). Das heiBt die Finanzverwaltungen wurden angewiesen, das Urteil iiber den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. Vgl. BFH, DB 2001, 1698, 1700. Vgl. Beck'scher Bilanzkommentar-Berger/M.Ring.aaO, § 249 Rn 36. Zu den Voraussetzungen der wirtschafltichen Entstehung vgl. BFH BStBl. II1992,1010, 1012 und D H. 3. b) (1).

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c) Aufienverpflichtung Die Bildung einer Verbindlichkeitsriickstellung setzt eine Leistungsverpflichtung gegeniiber einem Dritten voraus, sog. AuBenverpflichtung^^^. Davon abzugrenzen sind sog. Innenverpflichtungen, die keine Verbindlichkeit begrunden konnen^^^. AuBenverpflichtungen konnen schuldrechtlich, offentlich-rechtlich oder aus einem faktischen Leistungszwang begriindet sein^^^. Gegenstand der Verpflichtung konnen Geldleistun989

gen, Dienst- oder Werkleistungen aber auch Ubereignungsanspriiche sein . (1) Schuldrechtliche Aufienverpflichtung Im Hinblick auf schuldrechtliche AuBenverpflichtungen mu6 die Person des Glaubigers nicht bekannt sein^^^. Ebensowenig mu6 die Verpflichtung einklagbar sein^^^ Typische Fallgruppen bilden AuBenverpflichtungen aufgrund von Gewahrleistungsvertragen, Produkthaftung, Biirgschaften^^^. (2) offentlich-rechtliche Aufienverpflichtung Typische Sachverhalte fiir Ruckstellungen aufgrund offentlich-rechtlicher Verpflichtung weisen insbesondere steuerrechtliche oder umweltrechtliche Bezuge auf. Zu bilden sind etwa Steuerriickstellungen sowie Ruckstellungen fur die Priifung und Erstellung eines Jahresabschlusses oder fur Steuererklarungen. Als Fallgruppen der sog. Umweltriickstellungen sind zu nennen: Altlastensanierung oder Entsorgungskosten, Ruckstellungen von Bergbauuntemehmen fiir Gruben- oder Schachtversatz, fiir Rekultivierungskosten nach Abgrabungen aufgrund bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften^^^. Der BFH erkennt nur dann Ruckstellungen fiir ungewisse offentlichVgl. Winnefeld, aaO, D Rn 962; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 43; Sidiuh-Kleindiek, aaO, § 249 Rn 24. Innenverpflichtungen, die sich der zur Bilanzierung Verpflichtete selbst auferlegt, begrunden nur Obliegenheiten. Gleichwohl aber kann eine Innenverpflichtung zur Bildung einer Aufwandsriickstellung gem. § 249 Abs. 1, S. 3 Oder Abs. 2 fUhren; vgl. Beck'scher Bilanzkommentar-5er^er/A/./?m^, aaO, § 249 Rn 26; KiiWngr^tbQX-Mayer-y/egelin, aaO, § 249 Rn 48. Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 52; Moxter, Bilanzrechtsprechung, S. 83; SXmh-Kleindiek, aaO, § 249 Rn 24ff; ausfuhrlich zu offentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1345f. Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 46. Vgl. Beck'scher-Bilanzkommentar-Berg€r/A/./?m^, aaO § 249 Rn 30. Schulbeispiel hierfur sind Produkthaftungsanspriiche. Vgl. Adler/DUring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 45. Sowohl fur verjahrte Anspriiche als auch fur Naturalobligationen sind Ruckstellungen zu bilden. Vgl. Baetge, aaO, S. 375 mw Beispielen. Vgl. dazu bspw. bei Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1348ff.

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rechtliche Verpflichtungen an, wenn die Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Nach der fruheren Rechtsprechung war dies der Fall, wenn die Verpflichtung auf Gesetz Oder auf einem besonderen Verwaltungsakt beruhte^"*; wobei das Gesetz ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorschreiben^^^ und an die Verletzung der offentlich-rechtlichen Verpflichtung eine Sanktion ankniipfen musste^^^. Damit war im Ergebnis eine Ruckstellung aufgrund einer offentlich-rechtlichen Verpflichtung nur dann zulassig, wenn lediglich ihre Hohe ungewiB war^^^. Da dadurch das Verstandnis einer ungewissen Verbindlichkeit sehr eingeengt war, sprach die Literatur hier von einem „Sonderrecht"^^^. Zu recht wurde kritisiert, daB der Wortlaut des § 249 HOB keinen Anhaltspunkt fur eine derartige restriktive Auslegung gibt^^ und zudem der Grundsatz der Vollstandigkeit und das Vorsichtsprinzip entgegenstehen. Die Nichtbeachtung realistischer Aufwendungen aus nicht sanktionsbelasteten Umweltschaden entzieht der Gesellschaft im Falle der Gewinnausschiittung das zu ihrer Beseitigung notwendige Kapital^^^. Nach der heutigen Rechtsprechung muss die Verpflichtung zwar auch auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmtes Zeitraums abzielen. Jedoch ist eine behordliche Anordnung nicht mehr zwingend erforderlich. Erforderlich ist nunmehr, daB der Untemehmer mit uberwiegender Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme seitens der Behorde rechnen mu6^°°\ Dies ist der Fall, wenn die zustandige Behorde von der Sanierungsbediirftigkeit Kenntnis erlangt oder alsbald erlangen wird^^^. Eine offentliche Verpflichtung liegt also bereits dann vor, wenn bei Fortfuhrung des Untemehmens mit dem Entstehen der Verbindlichkeit zu rechnen ist, das heiBt, wenn der Kaufmann die Umstande, die die Verpflichtung begrunden, kennt oder kennen mu6 und zugleich mit einer Inanspruchnahme durch die Behorde emsthaft rechnen mu6. Es ist nicht erforderlich, daB der Bilanzierende das von ihm verlangte Verhalten ausdrucklich kennt. Es reicht vielmehr aus, wenn das Ziel, das mit dem Verhalten erreicht werden soil, hinreichend fi-

^' Vgl. BFH, BStBl. n 1992, 600, 603; Staub-Kleindiek, aaO, § 249 Rn 29; Moxter, Bilanzrechtsprechung. aaO, S. 99. ^^ Vgl. BFH BStBl. II1978,97, 98f. ^^ Vgl. BFH BStBl. II1980, 297, 298 = BFHE 130, 165,166f; BFH DB 1994, 18ff mit Anm. Herzig. ^^ UngewiB ist die Hohe der Aufwendungen fur das determinierte Verhalten bzw. die Sanktion fiir den Fall des Unterlassens; vgl. Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1345; kritisch Kupsch, Umweltlasten, aaO, S. 2322. ^* Vgl. Herzig, Ruckstellungen, aaO, 1345; Beck'scher Bilanzkommcniar-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 29; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 51 mwN. ^^ Der Ansatz von Ruckstellungen ist dem Wortlaut des § 249 Abs. 1 HGB nach unabhangig von der rechtlichen Grundlage der Verpflichtung; Kupsch, Umweltlasten, aaO, S. 2322; Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1346. '°°° Vgl. Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1345. ^^^ Vgl. BGH, BB 2004, 319, 321 und 324 mit Anmerkung Wustemann; Schmidt/Roth, aaO, S. 555. '°°^ Vgl. BGH, BB 2004, 319, 321 und 324 mit Anmerkung Wustemann; BFH. DB 2002, 871; Schmidt/Roth, aaO, S. 555.

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xiert ist, wie bspw. die Verpflichtung zur Entsorgung oder Beseitigung von Umweltlasten bzw. Umweltschaden^^^. Die neuere Rechtsprechung des BFH hinsichtlich Riickstellungen in Zusammenhang mit Umweltlasten ist zu begriiBen, sprechen doch auch gerade Grunde des Umweltschutzes gegen die von dem BFH friiher vertretene, zu enge Auslegung einer offentlich-rechtlichen Verpflichtung. Zwar bietet grundsatzlich nur die Anerkennung explizierter Riickstellungen eine verniinftige NachprUfbarkeit, schrankt die Manipulationsmoglichkeiten ein und gewahrleistet die notwendige Bewertungssicherheit. Gleichwohl darf nicht vergessen werden, da6 der Umweltschutz mehr und mehr an Bedeutung gewinnt - nicht zuletzt durch Art. 20aGG^^^. Im ubringen wurde es dem Anhegen des offentlichen Umweltrechts widersprechen, wenn die Geschaftsfuhrung der Gesellschaft faktisch dazu gezwungen wird, das zur Erftillung der Polizeipflichten notwendige Eigenkapital zur Disposition eines Ausschuttungsbeschlusses der Anteilseigner zu stellen. Nicht selten kommt es auch vor, daB die Behorde mit MaBnahmen (z.B. Verwaltungsakt), die auf die Beseitigung von Altlasten gerichtet sind, zu lange wartet und man in der Insolvenz des Untemehmens vor der Frage steht, wer fur die Kosten der Beseitigung von Aldasten aufkommt, die haufig sechs- oder siebenstellige Betrage ausmachen^^^. Daher ist es notwendig, dem Bilanzierungsverpflichteten die Moglichkeit zu eroffnen, bei vermeintlichen Umweltschaden Riickstellungen fiir ihre Beseitigung einzustellen.

(3) Faktische Aufienverpflichtung Verbindlichkeitscharakter kann auch auBerhalb rechtlicher Verpflichtungen bestehen, bei sog. faktischen Verpflichtungen^^^. Eine faktische Verpflichtung ist gegeben, wenn sich der Bilanzierende einer Leistungspflicht aus tatsachlichen oder wirtschaftlichen Griinden nicht entziehen kann und diese daher auch ohne Rechtspflicht erfiilh^^^. Die tatsachlichen Griinde konnen geschaftlichen, moralischen oder sittlichen Ursprungs sein^^^. Es handelt sich um Sachverhalte, bei denen der Kaufmann aufgrund der tatsachlichen Situation und des daraus entstehenden Zwangs zur Erfiillung hieraus '^^ Vgl. Kupsch, Umweltlasten, aaO. S. 2322. '^'^ Ahnlich auch Herzig, RUckstellungen, aaO, S. 1341. ^^^ Vgl. dazu Pohlmann, aaO, S. 486. 1006 Ygj Naumann, aaO, S. 90; Adier/During/Schmaltz § 249 Rn 52 mwN; Beck'scher BilanzkommentarBerger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 31; BGH, BB 1991, 507, 508f; BFH BStBl. ffl 1963, 113f. '^^ Vgl. BGH, BB 1991, 507, 508; Siaub-Kleindiek, aaO, § 249 Rn 26; Beck'scher Bilanzkommentar-5erger/A/./?mg,aaO, §249Rn31. '^^ Vgl. Adier/During/Schmaltz,:, aaO, aaO, §§ 249 249 Rn Rn52 52mwN, mwN.

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einer Verpflichtung nachkommt, ohne da6 ein Anspruch besteht, der vor Gericht mit Erfolg geltend gemacht werden konnte^^^. Dazu gehoren auch Kulanzriickstellungen gem. § 249 Abs. 1, S. 2 Nr. 2 HGB^^'^ Faktische Verpflichtungen konnen daneben aus nichtigen Vertragen und fehlerhafter Gesellschaft resultieren, sofern sie durchgefuhrt oder abgewickelt werden. Femer konnen Ruckstellungen aufgrund faktischer Verpflichtung gebildet werden zur Durchfuhrung von UmweltschutzmaBnahmen aufgrund offentlichen Drucks sowie fur Verbindlichkeiten, die eingegangen werden, um geschaftsschadigende Prozesse zu vermeiden^°^\

(4) Sonderfdlle

Umstritten ist, ob und ggf. inwieweit Nebenpflichten, unselbstandige Nebenleistungen oder innerbetriebliche Bearbeitungskosten zu behandeln sind, die im Rahmen der Abwicklung von AuBenverpflichtungen Bestandteil der Leistung sind, wie bspw. die Abwicklung der betrieblichen Altersversorgung. Ein Sonderfall in diesem Zusanunenhang sind Aufwendungen von Versicherungsuntemehmen, die im Zusammenhang mit Schadensregulierungen anfallen. Der BFH differenziert dabei zwischen Schadensbearbeitungskosten und Schadensermittlungskosten. Die Bearbeitung basiere weder auf einer extemen Verpflichtung noch sei sie Bestandteil der Hauptleistung, der Schadensregulierung, sondem sie sei vielmehr Teil des innerbetrieblichen Aufwands, der durch den Versicherungsbetrieb als solchen entstehe und konne daher nicht Gegenstand einer (steuerrechtlich relevanten) Riickstellung sein^^^^. Ob der BFH diese Argumentation seit der EinfUhrung des § 341 g HGB in 1994 noch aufrecht erhalten wird, ist zweifelhaft. Denn danach sind die gesamten Schadensregulierungaufwendungen in den (handelsrechtlichen) Ruckstellungen zu beriicksichtigen. Zudem sind auch aus Sicht des Bilanzierenden alle Aufwendungen zu beriicksichtigen, die aus seiner Sicht anfallen, um die (Versicherungs-) Verpflichtung

^^^ Vgl. Beck'scher Bil&nzkommentai-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 31; Staub-Kleindiek, aaO, § 249 Rn 26. 1010 g 249 Abs. 1, S. 2 Nr. 2 HGB, wonach Ruckstellungen zu bilden sind fur Gewahrleistungen, kommt insoweit nur deklaratorische Bedeutung zu, vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 54; Beck'scher Bilanzkommentar-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 112f; Siaub-Kleindiek, aaO, § 249 Rn 66. '"'' Vgl. Adler/DUring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 53. '^'^ Vgl. BFH zu Schadensbearbeitungskosten BStBl. U 1972, 392, 395ff.

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zu erfiillen, mithin die Schadensermittlung und die Schadenbea^beitung^^^^ Daher handelt es sich hierbei nur um eine Bewertungsfrage^^^"*. Nebenverpflichtungen konnen auch Abrechnungsverpflichtungen fur Bauleistungen gem. § 14 Nr. 1 VOB/B sein^^*^. Einen weiteren relevanten Sonderfall stellen Erfiillungsriickstande aus Dauerschuldverbaltnissen dar. Es handelt sich dabei nicht um den Fall einer Drohverlustriickstellung i.S.v. § 249 Abs. 1 S.l 2. Alt. HGB, sondem um den Ruckstand mit einer Verbindlichkeit, deren Gegenleistung schon in der zu bilanzierenden Periode erfaBt ist. Diese konnen aus Innenverpflichtungen aber auch aus AuBenverpflichtungen entstehen. Voraussetzung fiir das Vorliegen eines Erfiillungsriickstands ist, daB der Vertragspartner eine Vorleistung erbracht hat und da6 die eigene Leistung zu einem spateren Zeitpunkt erfolgen soll^^^^. Bspw. konnen aus Arbeitsverhaltnissen Anspriiche aus nicht genommenem Uriaub, auf Weihnachtsgeld, Jubilaumszuwendungen, auf Tantiemen, aber auch Pensionsverpflichtungen oder Ubergangsgehalter entstehen. Ist die noch nicht erbrachte Gegenleistung ungewiB, ist eine Verbindlichkeitsriickstellung zu bilden. Erfiillungsriickstande aus AuBenverpflichtungen fmden sich etwa bei Miet-, Pacht- und Leasingverhaltnissen sowie bei Darlehensverhaltnissen. UngewiBheit kann bestehen bei der Verpflichtung zur Emeuerung unbrauchbarer Pachtgegenstande sowie bei der Verpflichtung, den Erlos von Leasinggut zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer zu verteilen^^^^.

d) Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme Weiteres Erfordernis der Bilanzierungsfahigkeit einer Verbindlichkeitsriickstellung ist die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme^°^^. Dieses Merkmal, das in § 249 Abs. 1 HGB nicht ausdriicklich kodifiziert ist, ergibt sich aus der Notwendigkeit, daB sich der Sachverhalt, der die Riickstellung gebietet, hinreichend als Belastung konkretisiert haben muB^^^^. An diesem Merkmal wird besonders deutlich, daB die Bilanzierung ein 1013 Ygi periet^ aaO, S. 77. Beck'scher-Bilanzkommentar-5erger/A/./?mg, aaO, § 249 Rn 27 halten Schadensbearbeitungskosten zur ErfUllung der vertraglichen Leistung genauso erforderlich wie innerhalb einer Werklieferverpflichtung die Kosten der Konstruktion oder der zeitgerechten Materialbestellung innerhalb der Fertigungsprozesses. '*^''* Vgl. Beck'scher B\\anzkommentar-Berger/M,Ring, aaO, § 249 Rn 27; Adler/DUring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 57aE. '"'^ Vgl. Baetge, Bilanzen, aaO, S. 376; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 59. '^'^ Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 60. '"'"' Vgl. weitere Fallgruppen bei Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 62 mwN. '"'* Vgl. BFH BStBl. II 2000, 116; Beck'scher Bilanzkommentar-fierger/M./?mg. aaO, § 249 Rn 42; StaubKleindiek, aaO, § 249 Rn 30; Kuimgmthtx-Meyer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 53. '°'^ Die Erforderlichkeit hinreichender Konkretisierung folgt auch aus der Notwendigkeit, den riickstellungsrelevanten Tatbestand ergreifen und bewerten zu miissen, vgl. Baetge, aaO, S. 365ff.

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hohes Ma6 an Objektivierbarkeit erfordert, denn der Grad der Inanspruchnahme kann wenig wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich sein^^^^. Eine Verpflichtung erfiillt das Merkmal der wahrscheinlichen Inanspruchnahme, wenn mit der Verpflichtung „emsthaft gerechnet" wird, das heiBt, wenn die Verpflichtung mit einer gewissen Mindestwahrscheinlichkeit gegeben ist^^^\ Das bedeutet, es miissen mehr Griinde fur als gegen eine Inanspruchnahme sprechen^®^^. Die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung ist gleichwohl soweit als moglich von subjektiven Erwagungen freizuhalten und einem objektiven MaBstab unterlegen, das heifit, die Wahrscheinlichkeitsschatzungen miissen in einem objektiv nachpriifbaren Rahmen liegen^^^^. Die Rechnungslegung darf daher weder nach subjektiven Vermutungen noch nach pessimistischen Beurteilungen ausgerichtet werden^^^"*. Dennoch sind Besonderheiten des Betriebs und der Branche zu beachten^^^^. Der BFH nimmt demgemafi eine wahrscheinliche Inanspruchnahme an, wenn davon ausgegangen werden kann, da6 der Glaubiger seinen Anspruch kennt, etwa bei vertraglichen oder offentlich-rechtlichen Verpflichtungen^^^^. Nur wenn konkrete Griinde gegen eine Inanspruchnahme sprechen, ist keine Ruckstellung zu bilden^®^^. Daher wird bspw. eine Ruckstellung fur ProzeBkosten erst zulassig, wenn der ProzeB schwebt und mit Verlusten hieraus zu rechnen ist^°^^. Fraglich ist, ob eine Kenntnis des Glaubigers von seiner Moglichkeit der Inanspruchnahme des Bilanzierenden zu fordem ist. Kann davon ausgegangen werden, daB der Glaubiger seinen Anspruch nicht kennt, bspw. bei einseitigen Verpflichtungen aus Delikt, kann - auch bei ausreichender GewiBheit uber das Bestehen der Forderung - nicht von einer wahrscheinlichen Inanspruchnahme ausgegangen werden. In diesen Fallen werden gute Griinde dafur verlangt, daB der Glaubiger von den seinen Anspruch begrUndenden Tatsachen Kenntnis hat oder er Kenntnis erlangen wird^*^^^. Danach miiBte sich der Bilanzierende zunachst GewiBheit daruber verschaffen, ob der Glaubiger sei^^^^ Vgl. Beck'scher Bilanzkommentar-Berger/A/./?m^, aaO, § 249 Rn 24; Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1347. '°^' Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 83ff; BFH BStBl. U 1981, 669, 670f = BFHE 133, 363, 365. '°" Vgl. BFH zur vorsichtigen Schatzung BStBl. II1984, 263, 264f; BFH BStBl. H 1992,152, 153f. '"^^ Vgl. BFH, jeweils im Zusammenhang mit Garantieruckstellungen aus Bauleistungen, BStBl. Ill 1960, 495f; BFH BStBl. m 1963, 237, 239 = BFHE 76,651, 653ff. '°^^ Vgl. Winnefeld, aaO, D Rn 891. ^°" Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 84. ^°" Vgl. BFH BStBl. n 1993, 891, 893f. '''" Vgl. BFH BStBl. n 1989, 359, 361f. Unerheblich ist jedoch die Zahlungsbereitschaft des Schuldners, vgl. Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1347. ^°^* Vgl. BFH BStBl. m 1964. 478, 479f = BFHE 80, 8, 1 Iff. Die RUckstellung fur ProzeBkosten darf hingegen nicht die Forderung selbst umfassen. '°^' Vgl. BFH BStBl. II1993, 891,893; Beck'scher Bilanzkommentds-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 44.

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nen Anspruch kennt oder alsbald erkennen werde. Die Erfullung dieses Kriteriums erscheint allerdings unpraktikabel^®^^. Infolgedessen wird die Kenntnis des Glaubigers, in welchem Umfang auch immer, fur die Passivierung der Ruckstellungen fur unerheblich gehalten^^^^ Anders hat freilich der BFH im Falle einer Schadensersatzverpflichtung aus unerlaubter Handlung entschieden: sie sei nicht passivierungsfahig, solange die Handlung unentdeckt bleibt^^^^. Anders entschied die Rechtsprechung dagegen in Fallen einer Patentrechtsverletzung. Hierbei sollte eine RUckstellung moglich sein, auch wenn noch keine Anspriiche angemeldet waren, da bei derartigen Rechtsverletzung mit guten Grunden von einer Inanspruchnahme ausgegangen werden konne'^^^. Fraglich ist allerdings, ob dies auch fur Falle der Gefahrdungshaftung wie bspw. der Produkthaftung oder bei offentlich-rechdichen Verpflichtungen im Rahmen des Umweltschutzes gelten soil. Denn diese Art der Haftung verkorpert eine stete Belastung der Vermogensmasse unabhangig vom Entdecken des haftungsbegriindenden Fehlers bzw. des haftungsauslosenden Verhaltens. Fraglich erscheint hierbei eher die Quantifizierbarkeit der Inanspruchnahme, mithin der RUckstellung. Jedenfalls steigt mit wachsendem Informationsaustausch liber modeme Medien die Wahrscheinlichkeit, daB ein Glaubiger einen derartigen Anspruch entdeckt. Zum Beispiel kann ein Klager aus vermeintlicher Produkthaftung im Vorfeld einer Klage leicht versuchen, vergleichbare Falle zu fmden, indem er seine Informationen im Internet veroffendicht. Ist diese Vorgehensweise erfolgreich, kann sich nicht nur der anspruchsbegriindende Tatbestand verdichten, sondem sogar gleichzeitig die Zahl der Glaubiger erhohen. Daher sollte mit der Literatur auf das Merkmal der Kenntnis des Glaubigers zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ganz verzichtet werden^°^'^. An dieser Stelle kollidieren das Vorsichtsprinzip und die Glaubigerschutzinteressen. Die Passivierung einer RUckstellung ist zwar bereits dann geboten, wenn stichhaltige GrUnde dafur sprechen, daB eine Inanspruchnahme erfolgt. Die Glaubigerschutzerwagungen mUssen aber dort eine Beschrankung erfahren, wo sich dem Kaufmann trotz eingehender PrUfung keine konkreten Anhaltspunkte fUr das Bestehen einer Verpflich-

'°^^ So auch Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 75 aE. '°^' Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 75; KutingmebGr-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 56. In Fallen der zweiseitigen Verpflichtung kann davon ausgegangen werden, daB der Dritte seinen Anspruch ohnehin kennt. '°" Vgl. BFH BStBl. II1991, 802, 804; BFH BStBl. II1993, 891, 893. '"" Vgl. BFH BStBl. II 1982, 748. Steuerrechtlich wurde die Anerkennung derartiger Ruckstellungen mit dem 1983 novellierten § 5 Abs. 3 EStG begrenzt. Danach sind Ruckstellungen aufzulosen, wenn nach Ablauf von drei Jahren keine Inanspruchnahme erfolgt. ^^^"^ In diesem Sinne auch WP-Handbuch, aaO, E Rn 92 mwN in Fn 224; ebenso Daub, aaO, S. 146f.

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tung bieten^°^^. Die Gratwanderung vollzieht der Bilanzierende hier auf dem schwammigen Parameter der Wahrscheinlichkeit. Denn Wahrscheinlichkeit entsteht nicht als mathematische GroBe, sondem aus der Komplexitat jedes einzeln zu beurteilenden Sachverhalts. An dieser Stelle sind die Besonderheiten des Betriebs und der Branche zu berucksichtigen^^^^. Lassen betriebliche Erfahningen und Branchenerfahrungen erkennen, da6 ein solcher Sachverhalt vorliegt, der bestimmte Verpflichtungen auslosen kann, dann mu6 dies in einem objektiv nachprufbaren Rahmen beriicksichtigt werden, selbst wenn gleiche oder ahnliche Sachverhalte in der Vergangenheit keine bestimmten Verpflichtungen ausgelost haben^°^^. Der Kaufmann mu6 stets prufen, ob und inwieweit sich bestehende Risiken aus der Vergangenheit durch veranderte Verhaltnisse in Zukunft zu Verpflichtungen konkretisieren konnen^^^^. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob sich der Parameter der Wahrscheinlichkeit hinreichend objektivieren laBt, da das Kriterium der Wahrscheinlichkeit eine weitreichende Bandbreite von Einschatzungen ermoglicht. Um die Passivierungsvoraussetzung einer hinreichenden Objektivierung des Tatbestandsmerkmals der Wahrscheinlichkeit des Ausgabenanfalls auch operational zu gestalten, wird teilweise ein System vorgeschlagen, die Unsicherheiten iiber den Bestand einer Verbindlichkeit zu absorbieren, indem die Erwartungen, in denen eine Riickstellungsbildung in Frage kommt, in verschiedene Klassen strukturiert werden^^^^. Die unterschiedlichen Klassen werden eingeteilt in fast sichere Erwartungen, wahrscheinliche Erwartungen, auf einer statistisch belegten Erwartungsskala beruhende Erwartungen und vertrauenswUrdige Erwartungen, die ihre Berechtigung aus zuverlassigen, nichtstatistischen Informationen haben^^°. Auf diese Weise soil der mit dem Wunsch nach Objektivierung der Ruckstellungsbilanzierung nicht zu vereinbarende kaufmannische Ermessensspielraum beschrankt werden. Dennoch bleibt auch dieses Modell nicht von subjektiven Einflussen frei. Es verschiebt sich lediglich der subjektive Ansatz von der Einschatzung der Wahrscheinlichkeit hin zur Zuordnung des jeweiligen Einzelfalles unter eine Gruppierung. Daher wird die objektivierte Wahrscheinlichkeitsqualifizierung nur fur eine „Scheinobjektivierung" gehalten^^^.

'"" Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO S. 84. '"" So auch Daub, aaO, S. 146. '°" Vgl. Eifler, aaO, Rn 106ff. '°^* Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 84. '°^^ Vgl. Naumann, aaO S. 172ff. ^^° Vgl. Grubert, aaO, S. 292ff. '0^' Vgl. Daub, aaO, S. 145, der zutreffend darauf hinweist, da6 die Unterteilung nur nach den Faktoren der WahrscheinHchkeitsbeurteilung moglich ist, letztlich jedoch keine Kategorisierung der Wahrscheinlichkeit moglich ist.

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e) Relevante Sachverhalte fur Verhindlichkeitsriickstellungen Typische Sachverhalte fur Verbindlichkeitsriickstellungen im Rahmen des § 249 Abs. 1 S. 1 HGB sind Sachverhalte mit Bezug auf Umweltlasten, fehlerhafte Produkte und schwebende Prozesse. Ruckstellungen fur Umweltlasten sind z.B. zu bilden fur Umwehschutzauflagen oder Altlastensanierung^^"^^. Ruckstellungen fur das Inverkehrbringen fehlerhafter Produkte sind z.B. zu bilden bei Verpflichtungen auf Grund von Gewahrleistungsvertragen^^"^^ Oder wegen Verpflichtungen aus Produkthaftung^^"^.

4. Drohverlustriickstellungen Systematisch handelt es sich bei Drohverlustriickstellungen um einen Unterfall der Ruckstellungen fur ungewisse Verbindlichkeiten^^"^^. Sachverhalte, die Drohverlustriickstellungen zugrunde liegen, basieren ebenfalls auf einer (AuBen-) Verbindlichkeit^^"^^. Allerdings resultieren nach allgemeinem Verstandnis Drohverluste erst aus kiinftigen Verpflichtungsiiberschiissen, demgegeniiber die Ereignisse, die zur Bildung von Verbindlichkeitsriickstellungen fiihren, bereits verursacht sind^^"*^. Letztlich handelt es sich jedoch um einen gesicherten Anspruch eines Dritten, der einer ungewissen Verbindlichkeit gleichkommt. Gem. § 249 Abs. 1, S.l, 2. Alt. HGB sind Riickstellungen fiir drohende Verluste aus schwebenden Geschaften zu bilden. Nach der sog. Ausgeglichenheitsvermutung^^"^^ sind Rechte und Pflichten aus schwebenden Geschaften nach geltendem Handelsrecht grundsatzlich nicht zu bilanzieren^^"*^. Dies folgt aus der Anwendung des Vorsichts-

'*^'*^ Vgl. hierzu Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1341ff. '"'^ Vgl. BFH, Urt. V. 05.06.2002 - 1 R 96/00, S. 1638-1640. '"'*'* Vgl. hierzu Herzig, Ruckstellungen als Instrument der Risikovorsorge, aaO, S. 216ff. ^^"^^ Vgl. BFH BStBl. n 1984, 56, 58; Adler/DUring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 76; Staub-Kleindiek, aaO, § 249 Rn 51; Beck'scher Bianzkommentar-fier^er/Af./?//ig, aaO, § 249 Rn 52. A.A. Groh, aaO, S. 27ff; Thomas, aaO.S. 116ff. '"'^^ Vgl. KiitmgfWcbcT-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 61f; Beck'scher Bilanzkommentar-Berger/A/./?m^, aaO, § 249 Rn 1; Sisiub-Kleindiek, aaO, § 249 Rn 5. "^'^^ Vgl. BFH BStBl. n 1992, 1010, 1012 fur die zeitliche Verursachung der Verbindlichkeitsruckstellung; BFH BStBl. II1993,446, 447 fur kunftige Verluste; Winnefeld, aaO, D Rn 1121; Groh, aaO, S. 27. '^^ So hat der BFH bereits 1954 entschieden, daB „bei schwebenden Vertragen, bei denen Leistung und Gegenleistung erst in der Zukunft liegen, die Vermutung der Ausgeglichenheit besteht", BFHE 59, 311, 312 = BStBl n i 1954, 330, 331; bestatigt in BFHE 119, 261, 263 = BStBl. II1976, 622, 623: „Anspruche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Vertrag stehen einander ausgleichend gegeniiber". '""^^ Vgl. Naumann, aaO, S. 99; Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 140f.

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prinzips. Das Vorsichtsprinzip verbietet, Gewinne zu realisieren, die noch nicht eingetreten sind. Bei Durchfuhrung eines gegenseitigen Geschafts bestehen diverse Risiken wirtschaftlicher, rechtlicher oder tatsachlicher Natur. Soweit das Geschaft noch nicht abgewickelt ist, konnen sich entsprechende Gefahren jederzeit zum Nachteil des Bilanzierenden auswirken. Mithin ware vorsichtig zu bilanzieren, das heiBt kein Gewinn auszuweisen. Die Folge dessen ware lediglich eine aufgeblahte Rechnungslegung^^^^. Ergibt sich aber aus dem schwebenden Geschaft ein unrealisierter Verlust, so ist dieser im Wege einer Ruckstellung zu antizipieren^°^\ Der BFH antizipiert als Ausnahme zum Grundsatz der handelsrechtlichen Nichtbilanzierung schwebender Geschafte Storungen der Gleichwertigkeit der Leistungen bei Vorleistungen und ErfullungsrUckstanden des zur Leistung Verpflichteten und die Bedrohung durch einen VerpflichtungsiiberschuB. Ein unrealisierter Verlust ist gegeben, wenn die Vermutung der Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung durch objektiv greifbare Kriterien widerlegt ist^^^^, das heiBt, wenn sich Leistung und Gegenleistung aus einem schwebenden Geschaft nicht mehr gleichwertig gegeniiberstehen^^^^.

a) Schwebendes Geschaft (1) Geschaft Der Begriff des schwebenden Geschafts wird im Gesetz an keiner Stelle erlautert. Mithin handelt es sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Ein Geschaft in diesem Sinne setzt nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur voraus, daB es sich dabei um ein gegenseitiges Rechtsgeschaft handelt, das auf einen Leistungsaustausch gerichtet ist^^^'^. Die Betonung liegt auf dem Merkmal der Gegenseitigkeit^^^^. Allerdings handelt es sich nicht (nur) um ein zivilrechtliches Synallagma, vielmehr wird in diesem Zusammenhang von einem „bilanzrechtlichen" Synallagma gesprochen, das weiter zu fassen ist als das zivilrechtliche^^^^. Der gegenseitige Lei'°^° Vgl. Beck'scher Bilanzkommentai-Berger/M.Ring. aaO, § 249 Rn 57. '^^^ Vgl. Leffson, GoB, aaO, S. 339f, 248f; BFH BStBl U 1988, 886, 887; BFH BStBl. II1983,413,415. '"" Vgl. Moxter. Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 135. '°" Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 136; Beck'scher Bii&nzkomm&ntar-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 58; Sidiub-Kleindiek, aaO. § 249 Rn 53. ^^^^ Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 139; Beck'scher Bi\&nzkommcntai-Berger/M.Ring, aaO, § 249, Rn 57; BFH zu Ruckstellungen aus Ausbildungsverhaltnissen BStBl. 11 1993, 441, 443; Naumann, aaO, S. 95; H. Schmidt, aaO, S. 308. ^°^^ Das schwebende Geschaft erscheint regelmaBig in zwei Typen: Dem Absatzgeschaft und dem Beschaffungsgeschaft, Crezelius, aaO, S. 82. '"" Vgl. Herzig, Ganzheitsbetrachtung, aaO, 215; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 RN 140. Teilweise wird gefordert, daB das synallagmatische Geschaft ein Geschaft i.S.d. §§ 320ff BGB sein miisse; so etwa Biener, aaO, S. 58ff; Bode, aaO, S. 72f.

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tungsaustausch soil lediglich in wechselseitiger Abhangigkeit stehen. Die Rechtsnatur der Verpflichtungen ist daher unbeachtlich, das heiBt, Drohverluste konnen aus schuldrechtlichen Austauschvertragen ebenso wie aus offentlich-rechtlichen oder gesellschaftsrechtlichen Rechtsverhaltnissen herriihren, solange die Gegenseitigkeit der Anspriiche erkennbar ist. Neben den rechtsgeschaftlichen Handlungen zahlen auch Unterlassungen zum Kreis der bilanzierungsfahigen Geschafte, soweit diese drohende Verluste enthalten konnen ^®^^.

(2) Schwebend

Um nicht jeden drohenden Verlust aus einem Geschaft gewinnmindemd zu beriicksichtigen, fordert der Gesetzgeber daher einschrankend, da6 es sich um einen Drohverlust aus einem schwebenden Geschaft handeln mu6. Grundsatzlich spricht man von einem schwebenden Geschaft, wenn weder Leistung noch Gegenleistung vollstandig erbracht sind^^^^. Umstritten ist, ab welchem Zeitpunkt einem bestimmten, rechtlichen Oder tatsachlichen Vorgang die Qualitat eines schwebenden Geschafts zukonmit. MaBgeblich kann der VertragsabschluB, die Abgabe eines bindenden Angebots, ein Angebot mit nachfolgender Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit eines Vertragsabschlusses sein*^^^. Die Ermittlung des Zeitpunkts, in dem der Schwebezustand beginnt, darf allerdings nicht verwechselt werden mit der Frage nach der Wahrscheinlichkeit des drohenden Verlustes^°^°. Die zeitliche Eingrenzung des schwebenden Geschafts ist daher anhand der rechtlichen Kriterien vorzunehmen, die zur Begriindung des gegenseitigen Geschafts vorausgesetzt sind^^^ Gleichwohl uberspielen teilweise bilanzrechtliche Aspekte die strenge Orientierung am biirgerlichen Recht^^^. Anders als nichtsynallagmatische Forderungen sind Forderungen aus schwebenden Geschaften aber nicht bereits mit ihrer rechtlichen Entstehung zu passivieren, solange das Lei-

'•^^ Vgl. Adler/DUring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 139; BFH BStBl. II1993, 441, 443. '"^^ Vgl BFH BStBl. II1993,441, 443 mwN; Bordewin, aaO, S. 1064. '°^' Vgl. zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw. der sicheren Annahme des Angebots BFH BStBl. 111983, 361, 363 = BFHE 137, 427, 431f; Dollerer, aaO, S. 68. Nach Beck'scher Bilanzkommentar-Ber^er/Af./?mg, aaO, § 249 Rn 55f beginnt der Schwebezustand bereits mit dem bindenden Vorvertrag, selbst wenn dieser nichtig sein sollte, da es entscheidend auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ankomme, iind endet mit Erbringung der Leistung. Grundsatzlich markiert die Erfullung im Sinne des § 362 BGB das Ende eines Schwebezustands. Im UmkehrschluB entsteht der Schwebezustand mit dem Beginn der Verpflichtung. Fraglich ist aber die Behandlung von Dauerschuldverhaltnissen nach diesem Schema; vgl. Crezelius, aaO. S. 83f mwN in Fn 15, der den Schwebezustand als eine typische Erscheinung des deutschen Rechts aufgrund des Trennungsprinzips charakterisiert. 1060 So auch Thomas, aaO, S. 91; Bordewin, aaO, S. 1064. 1061 So auch Crezelius, aaO, S. 89. 1062 Vgl. Crezelius, aaO, S. 89f.

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stungsgleichgewicht noch besteht, das heiBt, solange noch nicht erfullt ist^°^^. Einigkeit herrscht dagegen insoweit dariiber, daB mit Erfullung der rechtlichen Voraussetzungen der gegenseitigen Verpflichtung der Schwebezustand beginnt, selbst wenn diese Voraussetzungen nicht wirksam erfullt sind, die Parteien den Vertrag aber als wirksam behandeln und die Leistung beginnen^^^. Soweit die rechtsgeschaftliche Verpflichtung nicht wirksam begrundet ist, konnen zivilrechtlich auch faktische Arbeitsverhaltnisse Oder fehlerhafte Gesellschaften Verbindlichkeiten begrunden. Da der bilanzielle Begriff des Geschafts weiter ist als der zivilrechtliche sind jedenfalls zivilrechtliche Geschafte mindestens auch umfaBt. Der Gewinn darf realisiert werden, sobald der Leistungsverpflichtete das ihm obliegende Umsatzgeschaft erbracht hat^^^. Einen Schwebezustand vor VertragsschluB nimmt die Rechtsprechung nur in wenigen Ausnahmefallen an, wenn mit der Annahme eines Vertragsangebots sicher zu rechnen ist^^^. Dem wird entgegengehalten, das Kriterium der Sicherheit sei schlicht zu unbestinunt und zu eng; es sei ein Begriffsspiel, ob man Wahrscheinlichkeit oder Sicherheit des nachfolgenden Vertragsschlusses voraussetzt^^^^. Dementsprechend wird gefordert, daB es wenigstens eines bindenden Angebots oder eines Vorvertrages bedUrfe, um eine gegenseitiges Geschaft rechtsgeschaftlich zu begrunden^^^. Im Hinblick auf das Imparitatsprinzip und das Realisationsprinzip sei aber im Zweifel einer restriktiven Auslegung, das heiBt einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, der Vorzug zu geben. So will man bereits dann eine Ruckstellung erlauben, wenn sich der Kaufmann aus wirtschaftlichen Griinden einem VertragsschluB nicht mehr entziehen kann und das Zustandekommen des Vertrags deshalb zu erwarten ist^°^^. Jedenfalls endet der Schwebezustand, wenn der auf den gegenseitigen Leistungsaustausch gerichtete Vertrag von den Parteien vollstandig erfUllt ist^^^^. Das Ausstehen nur unwesentlicher Nebenleistungen steht dem nicht entgegen^^^^

^^^ Vgl. Crezelius, aaO, S. 85. 1064 Vgl. Naumann, aaO, S. 96f; Bordewin, aaO, S. 1064; Beck'scher Bihnzkommcntai-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 55. '•^^ Vgl. BFH BStBl. n 1985, 126. 128 = BFHE 142, 370, 375; BFH zu Provisionsanspruchen des Handelsvertreters BStBl. m 1963, 25, 258 = BFHE 76, 702, 705f; Crezelius, aaO, S. 86f. ^^^ Vgl. BFH BStBl. m 1966, 670, 671; BFH BStBl. H 1983, 361, 363 '^^ Crezelius, aaO, S. 90. '^* Vgl. Naumann, aaO, S. 97; Beck'scher Bil&mkommQniar-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 55; Adler/DUring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 150. ^°^^ Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 143. ^°^° Mit welcher Leistung wirksam erfullt werden kann, richtet sich grundsatzlich nach dem zugrundeliegenden Vertragsverhaltnis; vgl. BFH BStBl. H 1983, 369, 371. V

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b) Drohender Verlust (1) Verlust Die RUckstellung fur einen Drohverlust erfordert ein hinreichend greifbares Verlustrisiko^^^^. Ein Verlust liegt in diesem Sinne vor, wenn der Wert der vom Kaufmann zu erbringenden Leistung den Wert der empfangenen Leistung Ubersteigt'^^^. Beispielhaft konnen folgende Verlustrisiken typisiert werden^®^"^: Anderungen des Preis- und Mengengeriists der zur Leistungserstellung notwendigen Produktionsfaktoren, Kursschwankungen bei Fremdwahrungsgeschaften, Verzugsanspruche, mogliche Konventionalstrafen bei Verzug oder allgemeine Saumniszuschlage, Schadensersatzanspriiche wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften oder hoherer Gewalt, Unvermogen der LeistungserfUllung sowie Haftpflichten aus Kapitalbeteiligungen. Unerheblich ist, ob der Kaufmann das Verlustrisiko bewuBt oder unbewuBt eingegangen ist^°^^. Damit wird der Grundsatz der Gleichwertigkeit durchbrochen, und das Ergebnis schwebender Geschafte ist zu bilanzieren^^^^.

(2) Drohend Eine zulassige Drohverlustriickstellung erfordert neben der bloB theoretischen Moglichkeit eines Verlustes eine gewisse Konkretisierung der Verlusterwartung^^^^. Die bloBe Moglichkeit eines Verlustes kann nicht geniigen, da tatsachlich nahezu jedes Geschaft zu einem Verlust fiihren kann'^^^. Die „vorhersehbaren Risiken und Verluste" (vgl. § 249 HGB) miissen vielmehr anhand objektivierter Parameter drohen, das heiBt, hinreichend wahrscheinlich sein^^^^, und der erkannte Verlust darf durch den Kaufmann nicht mehr einseitig zu verhindern sein^^^^. Die Methode der Beurteilung dartiber, ob ein Geschaft die Gefahr des Verlustes mit sich bringt, ist freilich nicht ohne weiteres objektivierbar. Verlangt die Bilanzierung von Riickstellungen im wesentli^^^^ Nicht als Verlustrisiko i.S.d. § 249 HGB konnen hingegen das allgemeine unternehmerische Risiko sowie allgemeine und besondere volkswirtschaftliche Einflusse oder Konjunkturschwankungen verstanden werden. 1073 ' Vgl. BFH BStBl. n 1993, 441, 443; BFH BStBl. II1994, 158, 161f; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 144. '°^'* Nach Thomas, aaO, S. 98 mwN in Fn 83. '^^^ Entscheidend ist lediglich die objektive Komponente des drohenden Verlustes; vgl. Adler/Diiring/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 145; Bordewin, aaO, S. 1065; BFH BStBl. U 1993, 855, 857; BFH BStBl. II1984, 56, 59. '°^^ Vgl. Groh, Drohverlustruckstellungen nach HGB und IAS, aaO, S. 207f. ^^'^'^ Vgl. Beck'scher BilsLnzkomm&ntar-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 60; Siaub-Kleindiek. aaO, § 249 Rn 58. '°^* So auch Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 144. "'^^ Vgl. BFH BStBl. n 1993, 441, 443; vgl. Beck'scher-Bilanzkommentar-Berger/M./?m^, aaO, § 249 Rn 60; Bordewin, aaO, S. 1065, Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 144 mwN; H. Schmidt, aaO, S. 310. '°*° Vgl. Eiffler, aaO, S. 12f. Quasi eine Verlustanwartschaft (Anm. d. Verf.).

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chen nur objektive oder objektivierte Ansatzkriterien bzw. BewertungsmaBstabe, so fallt bei der Bilanzierung des Verlustrisikos eine (gewollte) Subjektiviening auf. Wurden bisher alle allgemeineren Grundsatze ordnungsgemaBer Buchfuhrung durch die Wechselwirkung ihres Systems derart modifiziert, dafi dem Bilanzierenden objektivierte AnsatzmaBstabe und Bewertungskriterien zur Verfugung standen, wird hier die Beurteilung daruber, wann sich der riskante Sachverhalt in einen Verlust realisiert, der vemiinftigen kaufmannischen Beurteilung uberlassen. Gleichwohl stehen auch hier Objektivierungswerkzeuge in Form der allgemeinen Grundsatze der Vorsicht und der Sorgfalt sowie die entsprechenden Folgeprinzipien zur VerfUgung^^^^ die allerdings das subjektive Element einer Schatzung nicht eliminieren konnen^^^^. Letztlich kann die Eintrittswahrscheinlichkeit nur aus Erfahrungen der Vergangenheit mit gleichen Oder ahnlichen Sachverhalten gewonnen werden^°^^.

(3) Bewertung des Verlustrisikos

Der Verlust besteht im VerpflichtungsuberschuB, mithin in dem Wert, um den die eigene Verpflichtung den (kiinftigen) Ertrag der Gegenleistung ubersteigt^®^"*. Der zwingende Ansatz des Verlustes im Handelsrecht folgt aus der stringenten Anwendung des Imparitatsprinzips^^^^. Die Bewertung wird dominiert von dem Gebot der Einzelerfassung bzw. der Einzelbewertung sowie dem Saldierungsverbot^^^^. Die Verlustermittlung erfolgt danach regelmaBig mittels eines Wertvergleichs der vertraglich bestimmten Leistungen als Bewertungsgegenstand^°^^. Fraglich ist indessen, wie der Wert der eigenen Leistung zu berechnen ist. Einigkeit besteht dariiber, daB die Bewertung grundsatzlich unter einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu erfolgen hat^^^^. Das Imparitatsprinzip gebietet die umfassende Verlustvorwegnahme, also auch die Beriicksichtigung von durch die Vertragserfullung verursachten Fixkosten^®^^. Deshalb sind gem. § 252 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 HGB auch Kostensteigerungen und Bewertungs-

'°*' Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 144 aE. '°*^ Vgl. Thomas, aaO.S. 114. ^°" So auch Thomas, aaO, S. 114 mwN in Fn 160; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 144. '°*'* Vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 224; Thomas, aaO, S. 98. '°*^ Vgl. statt aller Beck'scher BilsaizkommQiAai-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 58. '°*^ Vgl. Adler/During/Schmaltz aaO, § 249 Rn 82; Winnefeld, aaO, D Rn 1135. '°^^ So BFH BStBl. n 1986, 788, 789; vgl. zum Kompensationsbereich Beck'scher Bilanzkommentar- Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 63ff. '"'* Vgl. Kupsch, Ruckstellungen, aaO, S. 59; BFH BStBl. H 1993, 441, 446; BFH BStBl. H 1984, 56, 59; Beck'scher Bilanzkommentar-flerger/Af./?m^, aaO, § 249 Rn 63; Herzig/Rieck, aaO, S. 1882f. '°*' So der BFH zur Verpflichtung der Einstellung von Betriebssteuem in BStBl. n 1984, 301, 303 = BFHE 139, 544,546ff; vgl. auch Crezelius, aaO, S. 90.

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einheiten denkbar, wenn hierfur wesentliche Griinde vorliegen^^^^. Bei einem Absatzgeschaft ist der so errechnete Differenzbetrag zwischen der eigenen Leistung und dem Anspruch auf die Gegenleistung zu passivieren. Handelt es sich um ein schwebendes Beschaffungsgeschaft, bildet die Differenz zwischen dem vertraglichen Entgelt und dem Wert des anzuschaffenden Gegenstandes den Betrag der Ruckstellung^^\

c) Relevante Sachverhalte fur Drohverlustruckstellungen Fraglich ist, welche Geschafte ruckstellungsfahig i.S.d. § 249 Abs. 1, S. 1, 2. Alt HGB sind. Zutreffend wird moniert, daB Ruckstellungen fiir Drohverluste nicht nur aus Absatz- und Beschaffungsgeschaften resultieren^^^. Gleichwohl darf die Drohverlustriickstellung nicht miBbraucht werden, um den Bilanzgewinn zu verwassera, indem willkurlich Ruckstellungen fiir Drohverluste gebildet werden, die wirtschaftlich allein der Zukunftsvorsorge dienen^^^^. Dem ist der Gesetzgeber auch mit der Schaffung des § 249 Abs. 3 HGB gefolgt, wonach andere als die gesetzlich gebotenen oder erlaubten Ruckstellungen nicht gebildet werden durfen. Zudem bewirkt methodisch die richtlinienkonforme Auslegung von § 249 HGB eine generelle Einschrankung des RUckstellungsbegriffs. Typen schwebender Geschafte neben Absatz und Beschaffung konnen sowohl auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichtet sein, als auch in Form von Dauerschuldverhaltnissen auftreten. Bei Absatzgeschaften und Beschaffungsgeschaften geht es um den Zuordnungswechsel eines Vermogensgegenstandes^^^'*. Der Schuldner der Sachleistung kann eine Fehlkalkulation als Riickstellung ausweisen'^^, der Glaubiger der Sachleistung stellt die Differenz zwischen Leistungsanspruch und Gegenleistungsanspruch zuriick^^^^. Ein Dauerschuldverhaltnis realisiert weder den Gewinn auf einmal, noch wird die Gegenleistung auf einmal fallig, vielmehr erfolgen Teilleistungen pro rata temporis mit der Folge, daB der Rest des Geschafts schwebend

'090 Vgl. zu Sammelbewertungen Beck'scher Bilanzkommentar-B^r^er/A/./?m^, aaO, § 253 Rn 162ff; Niemann, aaO, S 18ff, gestattet Abweichungen vom Prinzip der Einzelbewertung unter Berufung auf die praktischen und wirtschaftlichen Vorteile einer Zusammenfuhrung gleichgelagerter Sachverhalte; a. A. BFH BStBl. II 1983, 104, 106 = BFHE 137, 25, 28.

'^^ Vgl. Biener, aaO, S. 58f. Der Ruckstellungsbegriff umfaBt nicht jede zukunftige Schuld. Insbesondere ist die Riickstellung von der Rucklage abzugrenzen, deren Zweck (eher) die allgemeine Risikovorsorge ist. '^^ Vgl. Crezelius, aaO, S. 82. "^^ Selbst bei bewuBtem AbschluB des Geschafts als verlustbringend, Beck'scher Bilanzkommentar- Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 61. '096 Ygi ^y Beschaffungs- und Absatzgeschaften, Beck'scher Bilanzkommcntsn-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 73f.

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bleibt^®^^. Eine Drohverlustruckstellung aus einem Dauerrechtsverhaltnis hat z.B. der Mieter bei Mietvertragen zu bilden, wenn er den Mietgegenstand nicht mehr oder nur in einem verminderten Umfang nutzen kann^^^^.

5. AuJwandsrUckstellungen Aufwandsriickstellungen beinhalten keine Drittverpflichtung 1099 und sind gegeniiber Abschreibungen, die den allgemeinen Wertverzehr von Vermogensgegenstanden abbilden, abzugrenzen^^®^. Die Zulassigkeit handelsrechtlicher Aufwandsriickstellungen ist eng umgrenzt. Aufwandsriickstellungen werden sowohl gem. § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 HGB fur unterlassene Instandhaltung und Abraumbeseitigung als auch gem. § 249 Abs. 2 fiir konkrete zukiinftige Aufwendungen zugelassen und im iibrigen ausgeschlossen, § 249 Abs. 3 HGB^^°\ Aufwandsriickstellungen sind fiir Aufwendungen zu passivieren, deren Ertrag sich bereits im Untemehmensvermogen wiederfmdet"^^. Daher konnte man die Verpflichtung zur Bildung von Aufwandsriickstellungen auch als Kehrseite aus der Durchfiihrung des Realisationsprinzips bezeichnen^^°^. Die wirtschafdiche Belastung daraus ist gleichsam der VorschuB an Ertrag, den der riickstellungsrelevante Sachverhalt bereits zum Untemehmensgegenstand beigetragen hat. Eine Zuordnung ist nur schwer moglich^^^. Deshalb bedarf es einer hinreichend objektivierten Konkretisierung entsprechender Sachverhalte. Haufig genannte Beispiele sind in diesem Zusammenhang Reparaturen, freiwillige Sozialleistungen, Entsorgung- oder Abbruchma6nahmen^^°^. Da die wirtschafthche Belastung aufgrund eines fur eine Aufwandsriickstellung relevanten Sachverhalts nicht zugunsten eines *^^ Vgl. BFH BStBl. n 1980, 648, 649 = BFHE 131, 57, 60; BFH (GrS) BStBl. H 1997, 735, 738f = DB 1997, 1897, 1898 mit Anm. Herzig/Rieck DB 1997, 188Iff. Vgl. zu Dauerschuldverhaltnissen und zum Kompensationsbereich Beck'scher BWanzkommcntai-Berger/M.Ringy aaO, § 249 Rn 76f. '^* Vgl. BGH, DStR 1998, 802. '^^^ Vgl. Domer, aaO, S. 226; Beck'scher BWanzkommcntai-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 1. "°° Vgl. zum Konkurrenzverhaltnis bei Abschreibungen Kupsch, Umweltlasten, aaO, S. 2321 f, 2326. "°' Zum Verhaltnis von Ruckstellungen gem. § 249 Abs.l Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 zu Abs. 2 vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 196. Bei der Ruckstellungen gem. § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HGB fiir Gewahrleistungen ohne Rechtsgrund, den sog. Kulanzriickstellungen, handelt es sich entgegen der Stellung in Satz 2 nicht um eine Innenverbindlichkeit, sondem um einen Unterfall der Verbindlichkeitsruckstellung in der Auspragung der faktischen Verpflichtung; vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 182; StaubKleindiek, aaO, § 249 Rn 5,66; BGH BB 1991, 507,508. i'02 Ygj Yg-j^ ^^Q^ g 1434; Maul, aaO, S. 633, der auf die Notwendigkeit der Konkretisierung einer Aufwendung gegeniiber dem Verlustpuffer Eigenkapital hinweist; KiitingAVeber-May^r-Wege/m, aaO, § 249 Rn 231, 233, der zugleich auf den Unterschied zu Riicklagen hinweist und insofem von einem „Glattungseffekt" spricht. "°^ Ahnlich, Kupsch, Umweltlasten, aaO, S. 2324f. "°* Fiir Aufwandsriickstellungen relevante Sachverhalte sind jedenfalls gegeniiber Riicklagen und dem allgemeinen Geschaftsrisiko abzugrenzen; vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 203; Kiiting/WeberMayer-y/egelin, aaO, § 249 Rn 231; Moxter, Bilanzlehre Bd.II, aaO, S. 29f. *'°^ Vgl. Baetge, aaO, S. 367f; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 202.

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Dritten eintritt, wird zur Bildung einer Aufwandsriickstellung ein objektivierter Leistungsdruck gefordert, dessen Rahmen „intersubjektiv" nachpriifbar ist, da das Kriterium der Wahrscheinlichkeit in diesen Fallgestaltungen nicht in gleichem Umfang wie bei Verbindlichkeitsriickstellungen fruchtet'^^^. Gemeinhin werden an die Bildung einer Aufwandsriickstellung folgende Voraussetzungen gekniipft: Die Aufwendung muB genau umschrieben sein, in der Vergangenheit verursacht sein, ihre erwartete Belastung muB wahrscheinlich, wenn auch in der Hohe unsicher sein^^°^. Im Vergleich zu Verbindlichkeitsriickstellungen^^^^ weisen die Erfordemisse der Aufwandsumschreibung und ihrer Verursachung Besonderheiten auf^^^^. Der Sachverhalt, an den die Ruckstellung anzukniipfen ist, hat einen bereits realisierten Ertrag erfaBt und ist der Sache nach eng umgrenzt. Beispielhaft sind Falle der Altlastensanierung ohne Verpflichtung und Wartungen bzw. GroBreparaturen zu nennen^'^^. Eine Objektivierungsregel ist notwendig^^^\ Fur die handelsrechtliche Rechnungslegung fmdet die Objektivierung im Rahmen des § 249 HGB statt. Das Konkretisierungserfordemis besteht danach in der Wahrscheinlichkeit oder der Sicherheit, mit der die wirtschaftliche Belastung zukiinftig eintreten wird^^^^. Das ist dann der Fall, wenn eine Entscheidung der Unternehmensleitung dariiber gefallt ist, ob eine unter objektiven Gesichtspunkten fur die Fortfuhrung des Betriebs notwendige Aufwendung durchzufuhren oder zumindest deren Durchfuhrung nicht mehr vermeidbar ist^^^^. Ruckstellungen fur Instandhaltungen sichem die Produktion^^^"* und sind daher fur die wirtschaftliche Situation des Untemehmens von Bedeutung. Denn solange noch nicht Uber deren weitere Entwicklung eine besondere Entscheidung getroffen ist, kann von deren Fortfuhrung ausgegangen werden^ ^^^. In diesem Zusammenhang ist auch die europarechtliche Motivation des Gesetzgebers zu nennen. Mit der Einfuhrung der Auf-

"*^^ Vgl. Daub, aaO, S. 95, 344, der das Kriterium der Wahrscheinlichkeit jedenfalls sehr viel enger auslegt, als bei der Beurteilung eines fiir eine Verbindlichkeitsriickstellung relevanten Sachverhalts. ^'"^ Vgl. zu den Voraussetzungen der Aufwandsumschreibung, der Aufwandsverursachung, der Aufwandserwartung und der Aufwandsunsicherheit bei WP-Handbuch, aaO, E Rn 184; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249, Rn 201; Dorner, aaO, S. 227f; Beck'scher Bihnzkommcntai-Berger/M.Ring. aaO, § 249 Rn 300; StaubKleindiek, aaO, § 249 Rn 69. "'^^ EinschlieBlich der ebenfalls verpflichtenden Ruckstellungen fiir Drohverluste. ^'^^ Vgl. WP-Handbuch, aaO, E Rn 189. '''° Zudem wird gem. § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. Satz 3 HGB noch eine zeitliche Umgrenzung gefordert, soweit es sich um Aufwendungen fiir unterlassene InstandhaltungsmaBnahmen und Abrailmbeseitigung handelt. Die gesetzliche Implementierung eines Zeitfaktors dient vor allem der Gewahrleistung der notwendigen Willkurfreiheit; vgl. Baetge, aaO, S. 397f. '''^ Nicht zuletzt um willkiirfreie Bilanzierung zu gewahrleisten; vgl. Baetge, aaO, S. 397f. ''•^ Vgl. ausfuhrlich Daub, aaO, S. 114. '"^ Vgl. nur Daub, aaO, S. 116f. Im Ergebnis ist der Grad der Wahrscheinlichkeit einer Aufwandsruckstellung damit hoher anzusetzen als bei der Ermittlung einer Verbindlichkeitsriickstellung, ""* Vgl. Daub, aaO, S. 97; Maul, aaO, S. 635. '^'^ Vgl. Dorner, aaO,S. 227.

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wandsriickstellungen gem. § 249 HGB sollte der deutsche Kaufmann ebenfalls die Moglichkeit erhalten, mit den durch Aufwandsruckstellugnen gebundenen Mitteln zinslos arbeiten zu konnen^^^^.

6. Bewertung Handelsrechtlich sind gem. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB die Belastungen riickstellungsrelevanter Sachverhalte regelmaBig mit dem Betrag abzubilden, mit dem nach vemiinftiger kaufmannischer Beurteilung zu rechnen ist. Die Bewertung einer RUckstellung unterliegt grundsatzlich dem Gebot der Einzelbewertung. Danach ist jede Verpflichtung wegen ungewisser Verbindlichkeiten und Drohverlusten isoliert zu bewerten^^^^. Bewertungsrelevant sind die Grundsatze der Einzelbewertung zum Stichtag, der Grundsatz der Stetigkeit, das Vorsichtsprinzip sowie die Annahmen der Untemehmensfortfuhrung^^^^. Soweit bei Bewertung der Ruckstellungen eine kausale vollwertige und unbestrittene Forderung, wie bspw. ein Riickgriffsanspruch, beriicksichtigt wird, liegt darin kein VerstoB gegen das Saldierungsverbot^^^^. Nach dem Grundsatz der Vorsicht ist die Belastung eher zu hoch als zu niedrig anzusetzen. Schatzungsobjekt bei Belastungen mit Verpflichtungscharakter ist der Erfullungsbetrag bzw. der UberschuB des Wertes der eigenen Verpflichtung im Falle eines Drohverlustes^^^°, bei Belastungen aus Innenverbindlichkeiten der zu ihrer Bewirkung notwendige Geldbetrag^*^^ Soweit dabei eine punktuelle Schatzung nicht moglich erscheint, wird innerhalb einer Bandbreite die Festlegung auf einen bestimmten Wert befurwortet. Soweit die Bandbreite auf einem statistisch belegbaren Einschatzungsrahmen beruht, soil das sich daraus ergebende Mittel um einen Risikozuschlag erhoht werden, um so zu einem punktuell ansetzbaren Wert zu gelangen^^^^. In diesen Fallen ist die Gefahr der Manipulation gering, da ein objektivierter nachprufbarer Rahmen gegeben ist. Anders verhalt es sich dagegen in den Fallen der subjektivierten Einschat'"^ Vgl KutmgmGbQT-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 232; Daub, aaO, S. 93. '^'^ Vgl. Kupsch, Ruckstellungen, aaO, S. 58. Ausnahmsweise kann aber zur Wahrung der Grundsatze der Vorsicht und des den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechenden Bildes der Vermbgenslage eine Pauschalbewertung durchgefuhrt werden, vgl. EuGH, BB 2003, 355, 362. "^* Vgl. Kuting/Weber-^ew/er, aaO, § 249 Rn 270. '"'^ Vgl. Kupsch, Ruckstellungen, aaO, S. 59; a.A. Groh, aaO, S. 59, der in diesen Fallen das Primat des Verrechnungsverbots aufrecht erhalt; KutingAVeber-ATew/^r, aaO, § 249 Rn 279, indifferent fur rechtlich noch nicht entstandene Anspriiche, Rn 280ff. "^° Vgl. Knobbe-Kneuk, aaO, S. 235f; Moxter, Bilanzrechtsprechung, aaO, S. 224. ''^' Vgl. Kuting/Weber-^e^j/er, aaO, § 249 RN 261; 308; Kupsch, Ruckstellungen, aaO, S. 60. Dabei sind grundsatzHch alle Werte zwischen Null und dem zu erwartenden Hochstbetrag zulassig; vgl. WP-Handbuch, aaO,ERnl90. " " Vgl. Kessler, aaO, S. 414, Naumann, aaO, S. 242.

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zung einer Belastung, fiir die kein nachvollziehbarer Vergleichswert vorliegt. Die Subjektivierung der Schatzung laBt sich hierbei nicht eliminieren^^^^

7. Ergebnis a) Nach Regelbilanzierung anzusetzende Ruckstellungen Ruckstellungen weisen auf Sachverhalte bin, die das Vermogen des Unteraehmens belasten. Die zugrundeliegenden Sachverhalte beinhalten mindestens ein unsicheres Merkmal, das sie von der reinen Verbindlichkeit unterscheidet. Betrifft die Unsicherheit den Grund, kann dies zudem die Bestimmung ihrer Hohe erschweren. Belastungen konnen gegenuber Dritten bestehen oder als Obliegenheit gegeniiber dem eigenen Unteraehmen. In beiden Fallen ist infolgedessen die Vermogenslage nicht richtig dargestellt und bedarf der Korrektur, wenn die Unsicherheit der Vermogensbelastung aus dem riickstellungsbediirftigen Sachverhalt bereits hinreichend verursacht ist. Auch Aufwandsriickstellungen belasten das Vermogen ^^^'*. Zum Ausgleich der aus ihnen resultierenden Belastungen wird aber nicht das Vermogen in seiner Substanz betroffen, sondern die Liquiditat, indem eine kiinftige Aufwendung notwendig ist. Der bilanzielle Ansatz ruckstellungsfahiger Sachverhalte verlangt nach einem greifbaren und bewertbaren Umfang der UngewiBheit, dem die Bilanzierungsvorschriften durch hinreichend objektivierte Methoden von Ansatz und Bewertung gerecht werden^^^^. In Anbetracht der Unsicherheit iiber das tatsachliche Vorliegen der Belastung kann haufig allerdings deren Hohe nur geschatzt werden. Im Idealfall ist die Schatzung soweit als moglich frei von subjektiven Ergebnissen zu halten. Dies ist insbesondere dort moglich, wo vergleichbare Informationen aus der Vergangenheit eine Prognose erlauben^^^^. Schwierigkeiten, das AusmaB der Belastung greifbar zu erfassen, bestehen dagegen regelmaBig in den Fallen, in denen eine solche Prognose nicht moglich ist'^^^. "^^ Vgl. die Vorschlage hierzu bei Kuting/Weber-^Te^^/er, aaO, § 249, Rn 296 mwN. Die in unvergleichbaren Fallen fehlende Moglichkeit einer objektivierten Nachprufbarkeit laBt sich kaum vermeiden, wenn gleichzeitig eine gewisse Sicherheit innerhalb der Schatzung verlangt wird. '^^'* Aufwandsriickstellungen verursachende Sachverhalte schaffen regelmaBig keine dem Eigenkapital vergleichbaren Rechnungsabgrenzungsposten, selbst wenn sie auf einem ErtragsvorschuB beruhen; vgl. Kampfer, aaO, S. 267ff, der am Beispiel der GroBreparaturen darlegt, daB in diesen Fallen die anfallenden Ausgaben nicht bloB iiber Abschreibungen aufgefangen werden. ''" Vgl. dazu ausfuhrlich sub D H. 3.-6. ''^^ Prognosen basieren regelmaBig auf Erfahrungswissen und begriinden deshalb intuitive Einsichten in bestehende Zusammenhange; vgl. Naumann, aaO, S. 193f. "^^ In diese Fallgruppe fallen Sachverhalte ohne Erfahrungswissen. RegelmaBig werden in solchen Fallen Sachverstandigengutachten befiirwortet, vgl. Naumann, aaO, S. 21 Of. Vgl. im einzelnen fiir die Uberschuldungsbilanz sogleich sub D III.

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b) Folgerungen (1) Auswirkungen aufdie Uberschuldungsmessung Die Qualifizierung eines ruckstellungsrelevanten Sachverhalts als Belastung hangt von der Art seiner Belastung ab. Zweck der Uberschuldungsmessung ist die Ermittlung der Verbindlichkeiten, die mit einem VermogensabfluB verbunden sind und auBerhalb einer Saldierung stehen, sowie die Berucksichtigung von zukiinftigen Untemehmensentwicklungen. Daher sind auch Verbindlichkeiten zu erfassen, die zwar jetzt ungewiB sein mogen, in der Zukunft jedoch durchaus eine vermogensmindemde Wirkung haben konnen. Solange die Belastung verpflichtenden Charakter hat, ist sie als Schuld zu qualifizieren und in jedem Fall in der Uberschuldungsbilanz zu zeigen. Verbindlichkeits- und Drohverlustruckstellungen werden aufgrund ihres Schuldcharakters eindeutig dem Fremdkapital zugerechnet^^^^ mit der Folge, daB sie ebenfalls vorbehaltlich ihrer genauen Bewertung in der Uberschuldungsbilanz abzubilden sind, wenn und soweit ihr vermogensmindemder Charakter hinreichend konkretisiert ist. Auch die Zuordnung von Aufwandsriickstellungen im Verfahren der Uberschuldungsmessung scheint moglich. Teilweise werden Aufwandsriickstellungen ihrer Natur nach fur Rucklagen gehalten und dem Eigenkapital zugeordnet^^^^. Man konnte danach meinen, da6 derartige Ausgaben im Krisenfall nicht das Reinvermogen belasten^^^^. Diese Ansicht ist jedoch zu einseitig, da sie den Krisenfall nur mit der Insolvenz assoziiert^*^\ Die Krise fiihrt aber nicht zwangslaufig zum Insolvenzverfahren. Vielmehr ist die Sanierung - bspw. in Form einer Betriebsubertragung - als legales Mittel aus der Krise vom Gesetzgeber ausdriicklich befurwortet^^^^. Dabei konrnit es regelmaBig zur Fortfuhrung der Untemehmung. Wird das Untemehmen fortgefuhrt, sind die notwendigen Aufwendungen zur Reorganisation oder zur Restrukturierung aus den Mitteln der Gesellschaft aufzubringen^^^^. Entsprechend der Notwendigkeit, den dynamischen Untemehmensverlauf in der Krise nicht unberUcksichtigt zu lassen. "^* Vgl. Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 28; Beck'scher BilanzkommcnXai-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 1; StSiub-Kleindiek, aaO, § 249 Rn 11. ''^' Jedenfalls, wenn die Ruckstellung nicht Vergangenes, sondem Zukiinftiges abgelte; vgl. Kampfer, aaO, S. 266, 272f mwN in Fn 51; a.A. KutmgfWQbtT-Mayer-Wegelin, aaO, § 249 Rn 22. "^° So etwa W. MuUer, aaO, S. 141. "^' Nach dynamischem BilanzverstMndnis waren Innenverpflichtungen jedenfalls auch dann zu erfassen, wenn sie im Insolvenzfall nicht das Glaubigervermogen belasten; vgl. Daub, aaO, S. 64; Baetge, aaO, S. 370f. "^^ Auch bei einem Asset-deal als Mittel einer iibertragenden Sanierung darf man grundsatzlich von einer Fortfuhrung ausgehen; vgl. Blatz-Jobsky, aaO, § 17 Rn 37. "^^ Dies gilt grundsatzlich auch dann, wenn zur Restrukturierung die dazu notwendigen Betriebsmittel erst durch Dritte dem Gesellschaftsvermogen zugefiihrt werden miissen.

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sind jedoch zur Feststellung der Uberlebensfahigkeit auch Belastungen zu erfassen, die nicht auf AuBenverbindlichkeiten basieren. So ist bspw. die Modemisierung und Instandhaltung des Fuhrparks eines Speditionsunternehmens sehr wohl notwendig, urn den Anforderungen des Marktes gerecht werden zu konnen. Die Belastungen hieraus konnen durch die Nutzung des Fuhrparks bereits verursacht sein oder werden jedenfalls dann, wenn der Geschaftsbetrieb nicht eingestelh wird, verursacht werden. Mithin haben Aufwandsruckstellungen im Hinblick auf die Vermogenssituation des Unternehmens in der Krise belastenden Charakter und sind fur die Uberschuldungsmessung relevant.

(2) Auswirkungen auf das Schuldendeckungspotential Die Erfassung von alien relevanten Belastungen,und die damit vorgezogene Verminderung des Erfolgs um die negativen Erfolgsbeitrage dient regelmaBig dem Zweck der Kapitalerhaltung^^^"^. Der um die Verlustantizipation reduzierte Jahresuberschuss wird nicht ausgeschiittet und steht im Untemehmen zur Verfugung, wenn er zur Deckung des Verlustbeitrags benotigt wird. Ebenso verhalt es sich, wenn riickstellungsrelevante Sachverhalte in der Uberschuldungsmessung anerkannt werden - die Abbildung der Belastungen des Schuldendeckungspotentials wird plausibler mit der Folge, da6 der aufgezeigte Spielraum fur Vermogensdispositionen realistischer und dementsprechend sehr viel bedachter ausgenutzt wird. Das bloBe Bediirfnis, riickstellungsfahige Belastungen in der Uberschuldungsbilanz anzusetzen, gibt indes noch keinen AufschluB uber die Art und Weise, wie derartige Sachverhalte zu erfassen sind^^^^. Dies kann durch Ubemahme der Rlickstellungen aus der Handelsbilanz oder durch einen den Besonderheiten der Uberschuldungsmessung Rechnung tragenden neuen Ansatz geschehen^^^^. Riskante Sachverhalte sind neben den reinen Verpflichtungen in der Uberschuldungsbilanz jedenfalls dann relevant, wenn das Risiko einer Vermogensminderung wirtschaftlich bereits verursacht ist^^^^. Obwohl sie ein zukunftiges Risiko enthalten, das sich in Form eines Vermogensentzugs realisieren kann, der im Zeitpunkt der

"^'* Baetge, aaO, S. 88; Fleischer, aaO, S. 779; vgl. auch Hommelhoff, aaO, S. 266f, der auch die Gefahr der Inanspruchnahme aus Gesellschafterdarlehen als riickstellungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der Uberschuldungsbilanzierung ansieht. "^^ HaarmeyerAVutzke/Forster,aaO, S. 54, pladieren fur die Annahme einer Pauschalriickstellung in Hohe von 5 % der insgesamt festgestellten Verbindlichkeiten. ''" Fiir die Ubemahme der in der Jahresbilanz auszuweisenden Ruckstellungen in die Uberschuldungsbilanz vgl. Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 102 Rn 6p; vgl. dazu auch Fleischer, aaO, S. 779; Lutkemeyer, aaO, S. 283f, der besondere Anforderungen an die Ubemahme von Ruckstellungen von der Handelsbilanz in die Uberschuldungsbilanz aufstellt. sub. D I.

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Uberschuldungsbilanzierung zunachst wertmaBig unbestimmbar ist, erscheint eine objektivierte Annaherung durch empirische Parameter geboten. Ein Indiz fur das Vorliegen solcher Sachverhalte kann die handelsrechtliche Bilanzierung bzw. konnen die dort geltenden Ansatzkriterien geben^^^^. Die Handelsbilanz liefert im Hinblick auf Glaubigerschutz und Gewinnausschuttungsbemessung in ihrer Gesamtheit den notwendigen Informationsgehalt Uber bestehende Belastungen^^^^. Dabei setzt sie sich allerdings dort, wo es um die Bilanzierung von Riickstellungen geht, der Kritik einer verzerrenden Darstellung und unberechtigten Verlustbilanzierung aus, wenn und soweit nicht beriicksichtigt wird, dafi der bilanzierungspflichtige Sachverhalt moglicherweise durch ein vemiinftiges kaufmannisches Verhalten motiviert ist^ ^^^. (a) Uberschuldungsbilanz Diesem daraus resultierenden EinfluB auf den Informationsgehalt und der entsprechenden Notwendigkeit einer sachgerechten Darstellung im ganzen unterliegt die Uberschuldungsbilanz demgegeniiber gerade nicht. Die Uberschuldungsbilanz erfiillt zwar als Tatbestandsmerkmal der Uberschuldung die Aufgabe, uber Schulden und Schuldendeckungspotential zu informieren. Es geht aber im ganzen gerade nicht um die Darstellung von Ergebnissen wie einem Gewinn oder einem Verlust. Eine positive Oder negative Uberschuldungsbilanz beinhaltet keine Aussagerelevanz fiir den tatsachlichen Ertrag des Untemehmens, sondem nur uber die gegenwartige Vermogenslage.Daher ist im Rahmen der Bilanzierung ruckstellungsrelevanter Sachverhalte grundsatzlich in der Untemehmenskrise auch unerheblich, aus welcher Motivation heraus das riskante Geschaft gegebenenfalls geschlossen worden ist. (b) Prognose Da die Uberschuldung im Gegensatz zum gewohnlichen Geschaftsverlauf und dessen bilanziellem Abbild aus einem auBergewohnlichen betriebswirtschaftlichen Ereignis heraus ermittelt wird, vervollstandigt sich der Aussagegehalt der Uberschuldungsbilanz zusanmien mit dem Ergebnis des zweiten Tatbestandsmerkmals der Uberschuldungspriifung, der Prognose, zu einer rechtsfolgerelevanten Information, ohne daB die "^* Danach erfolgt die Schatzung innerhalb des vorgegebcnen Schatzungsrahmens auf der Grundlage der vorliegenden Tatsachen und nicht nach dem rein subjektiven Ermessen des Schatzenden; vgl. Beck'scherBilsinzkommentai-Berger/M.Ring, aaO, § 253 Rn 154. ''^^ Vgl.obensubCII. l.d). '1*0 Ygi fjgf2ig, aaO, 1431. Der Saldierungsbereich orientiert sich deshalb nicht allein an der Zivilrechtsstruktur, sondem auch an der wirtschaftlichen Betrachtung; vgl. zu Riickstellungen, Beck'scher Bilanzkommen-

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Aussagefahigkeit der Uberschuldungspriifung gefahrdet wird. Damit wird man dem BedUrfnis nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gerecht, ohne die die Abbildung auBergewohnlicher betriebswirtschaftlicher Ereignisse wie die Unteraehmenskrise grundsatzlich nicht auskommen kann^^'*^ Durch die wirtschaftliche Betrachtungsweise der Belastungen in der Uberschuldungsmessung im einzelnen kann ihre Abbildung je nach wirtschaftlicher Intention des relevanten Sachverhahs auf die Bilanz oder die Prognose verlagert werden.

(3) Erhehlichkeit riickstellungsrelevanter Sachverhalte in der Uberschuldung Erheblich in der Untemehmenskrise sind wegen ihres belastenden Charakters demnach beide Formen der Ruckstellung, die AuBenverpflichtung wie die Innenverpflichtung. Die Art und Weise ihrer Erfassung im Verfahren der Uberschuldungsmessung hangt indes von ihrem zugrundeliegenden bilanztheoretischen Ansatz ab^ ^^^. Im Hinblick auf den Gegenstand der Untersuchung scheinen nur RUckstellungen nach statischem Ansatz relevant fur die Bestimmung des Schuldendeckungspotentials^^"*^ mit der Folge, zukiinftige Aufwendungen unberucksichtigt zu lassen, deren Belastung bereits als Wertminderung festgestellt ist. Insbesondere waren danach keine Aufwandsriickstellungen zu erfassen. Dies gilt aber nur fur die Vermogensabbildung in Form der Bilanz, dem Element der rechnerischen Uberschuldung, nicht dagegen fur die Uberschuldungsmessung insgesamt. Demzufolge sind in der Uberschuldungsbilanz belastende Sachverhalte mit Verbindlichkeitscharakter zu erfassen. Gleichwohl darf namlich die Dynamik einer Untemehmung nicht unberiicksichtigt bleiben. Die Dynamik findet sich denn auch im Verfahren der Uberschuldungsmessung^^"^, und zwar selbst dann, wenn die Fortfuhrung des Untemehmens aufgrund der Krise in Frage steht. Eine Erfassung der Belastungen im Verfahren der Uberschuldungspriifung mu6 dennoch die Dynamik der Untemehmung beriicksichtigen. Denn Dynamik bedeutet Fortentwicklung des Geschaftsbetriebs mit alien fmanziellen Belastungen wie bspw. der Notwendigkeit zur Instandhaltung und anderen Aufwendungen. Aufwandsruckstellungen haben daher ihre Ursache in der Dynamik^^'^^. Als Konsequenz dessen, da6 die dynami\M-Berger/M.Ring, aaO, § 249 Rn 63, allg. zum Veirechnungsverbot Beck'scher BilanzkommentarForschle/Kroner, aaO, § 246 Rn 215ff. '''*' Vgl, zur Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise in der Uberschuldungspriifung oben sub DI. 1. ^^^^ Der bilanztheoretische Ansatz beeinfluBt Art und Umfang der riickstellungsbediirftigen Sachverhalte je nach Art der Bilanzierung (statisch oder dynamisch); vgl. oben sub C II. 1. d) (1). '^'*^ Vgl. zum statischen Charakter der Uberschuldungsbilanz sub C III. 1. "''* Vgl. oben sub B IV. (2).

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schen Elemente eines Untemehmens im Rahmen der zweistufigen Uberschuldungspriifung regelmafiig durch das Tatbestandselement der Prognose, der zweiten Stufe der Uberschuldungsmessung, hinreichend zu berucksichtigen sind, werden Aufwandsriickstellungen dort erfaBt^^"*^. Daraus folgt, daB die Feststellung der rechnerischen Uberschuldung grundsatzlich die Beriicksichtigung von belastenden Sachverhalten mit Verbindlichkeitscharakter erfordert ^^^^, deren Erfassung und Einschatzung im Verfahren der Uberschuldungsmessung mittels der Uberschuldungsbilanz und der fur ihre Erstellung anzuwendenden GrundsStzen erfolgt ^^^^. Ob und inwieweit eine hinreichend belastende Verbindlichkeit aus einem ungewissen Sachverhalt besteht, beurteih sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten^^"^^. Einzelne Tatbestandsmerkmale riickstellungsbedurftiger Sachverhahe konnen grundsatzlich dem Handelsrecht entnommen werden. Im Ergebnis sind riickstellungsrelevante Sachverhalte mit Verbindlichkeitscharakter grundsatzlich wie Schulden i.S.d. § 19 Abs. 2, S. 1 InsO zu behandeln und entsprechend zu passivieren^^^°. Der Ansatz von Aufwendungen ohne Schuldcharakter als „Schulden" verbietet sich im Rahmen der rechnerischen Uberschuldung. Da Aufwendungen gleichwohl eine Belastung darstellen, flieBen sie in das Tatbestandsmerkmal der rechtlichen Uberschuldung ein, die die intemen Zahlungs(ab)flusse erfaBt.

///.

Abhildung von Belastungen in der Uberschuldungsbilanz

In der Uberschuldungsbilanz sind als Schulden alle gewissen und ungewissen Belastungen mit Verbindlichkeitscharakter zu erfassen^^^\ wobei es nach den vorherigen Feststellungen ausreicht, wenn der Verbindlichkeitscharakter wirtschaftlich verursacht ist. Dazu gehoren alle gewissen Verbindlichkeiten auBerhalb des statuarischen Eigenkapitals unabhangig von ihrer Falligkeit. Ebenso sind ungewisse Verbindlichkeiten zu

"^^ Die Dynamik ist dem Unteraehmen auch in der Krise immanent, selbst wenn der Geschaftsbetrieb brach liegt; vgl. oben sub B HI. 2. "*^ Vgl. sub D I. 3. '"** Vgl. zu diesen Grundsatzen sub C m. *'*' Vgl. zum wirtschaftlichen Verursachungszeitpunkt bei Verbindlichkeitsriickstellung sub D H. 3. b); zur Objektivierung der Wahrscheinlichkeit nach nationalem Recht sub D H. 3. d), nach internationalen Standards sub D n. 7. a) (3) sowie b); fur die Uberschuldungsbilanzierung nachfolgend D HI. 1. und. 2. '^'° So auch Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 102 Rn 6p; Auler, aaO, S. 2172; Hachenburg-C//mer, aaO, § 63 Rn 45; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 300; Temme, aaO, S. 163; Hommelhoff, aaO, S. 264, der die Erfassung der Belastungen im Uberschuldungsstatus von ihrem Fremdkapitalcharakter abhangig macht. Vgl. ausfuhrlich hierzu sogleich sub D in. 1. "^' Vgl. Veit, Konkursrechnungslegung, aaO, S. 31.

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erfassen, wenn und soweit mit einer Inanspruchnahme gerechnet werden kann. Das ist dann der Fall, wenn die zukiinftige Inanspruchnahme wahrscheinlich ist. Die Hohe der erwarteten Schuld richtet sich nach der monetaren Hohe ihrer Belastung.

7. Ansatz (Aufienverpflichtung) Innerhalb der in der Unternehmenskrise gebotenen Uberschuldungsmessung ist ein Vergleich von Vermogen und Schulden erforderlich. Der Begriff der Schulden ist dabei nicht nur im zivilrechtlichen Sinne dahingehend zu verstehen, dafi nur gewisse Belastungen eine Schuld begrunden. Vielmehr gebietet die Uberschuldungspriifung eine Beachtung aller wirtschaftlichen Belastungen des Untemehmensvermogens. Dazu sind auch ungewisse Belastungen zu erfassen, die das Untemehmensgeschehen bisher verursacht hat^^^^. Vom Begriff der „Schulden" werden daher nicht nur gewisse, sondem auch ungewisse Belastungen erfaBt^^^^. In Anbetracht der anzuwendenden spezifischen Grundsatze der (jberschuldungsbilanzierung kann bei Erfassen von belastenden Sachverhalten auf die Beachtung der handelsrechtlich fiir die Erfassung von Belastungen notwendigen Prinzipien der Periodisierung, des Stichtags und der Stetigkeit verzichtet werden, im Ubrigen darauf zuriickgegriffen werden^ ^^'^. Fiir die Erfassung der belastenden Sachverhalte im Vergleich zu den Ruckstellungen macht die AuBerachtlassung dieser Grundsatze in der Uberschuldungsbilanz keinen Unterschied, da im Vordergrund der Abbildung von Belastungen das Erfassen der Unsicherheit mittels der dazugehorigen Objektivierungskriterien gehort. Diese werden grundsatzlich durch das Prinzip der Einzelbewertung erfaBt.

a) Dynamische Belastungen (Abgrenzung zu Innenverpflichtungen) Die Problematik, Sachverhalte in der Uberschuldungsmessung zu erfassen, die zukiinftige Belastungen verursachen, liegt in deren Stellung im Spannungsfeld zwischen der dynamischen und der statischen Bilanzauffassung^^^^. Obwohl der originare Gedanke der dynamischen Bilanzauffas sung, den Erfolg bestimmter Perioden vergleichbar und '^^^ Dabei sind generell fUr eine hinreichende Objektivierung riickstellungsfahiger (belastender) Sachverhalte die Grundsatze fUr die Greifbarkeit und die Bemefibarkeit anwendbar. " " Vgl. Daub, aaO, S. 323. "^'* Das gilt insbesondere fiir die Voraussetzungen der wirtschafthchen Verursachung und den damit objektivierten Kriterien, die die Wahrscheinlichkeit greifbar machen; vgl. sub D H. 3. d). •'" Vgl. fur Ruckstellungen bei Jonas, aaO, S. 337.

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transparent zu gestalten, auf den ersten Blick in der Situation der Unteraehmenskrise unmittelbar unpassend erscheint, da das Verfahren der tJberschuldungsmessung eine primar statische Erfassung des Schuldendeckungspotentials erfordert^^^^, ist gerade in der Situation der Krise, wenn dariiber befunden wird, ob und ggf. auf welche Weise das Untemehmen fortgefuhrt wird^^^^, die Kenntnis iiber die zu erwartenden Belastungen ein nicht unwesentlicher Entscheidungsfaktor. Dazu ist es einmal notwendig, die mit Sicherheit zu bedienenden Verbindlichkeiten zu erfassen, wozu sowohl Verbindlichkeiten im Rechtssinne als auch diejenigen im wirtschaftlichen Sinne, die bilanzrechtlich als Verbindlichkeiten ausgewiesen werden, gehoren*^^^. Daneben sind aber auch diejenigen Belastungen zu erfassen, die nach der gegenwartigen wirtschaftlichen Lage des Untemehmens zukiinftig noch anfallen werden. Das sind insbesondere Belastungen aus Sachverhalten, die nach handelsrechtlichen Prinzipien die Bildung von Ruckstellungen erfordem. Die periodengerechte Aufwandsverteilung ist aber letztlich kein Entscheidungsfaktor bei der Erfassung von Verbindlichkeiten zum Zweck der Vermogensiibersicht in der Krise. Es kommt dabei alleine auf den Schuldcharakter an^^^^. Die wirtschaftliche Verursachung begriindet hier die Belastung. Da diese Verursachung bereits in der Vergangenheit lag, ist die Belastung hieraus regelmafiig unvermeidbar und daher zu erfassen. Ruckstellungsbedurftige Sachverhalte resultieren einmal aus Belastungen gegeniiber Dritten. Zudem konnen aber sog. Innenverpflichtungen belastenden Charakter haben, da sie zur zukiinftigen Wirtschaftlichkeit des Untemehmens beitragen. Beide Arten sind in der EinschStzung der temporaren Lage des Untemehmens von Bedeutung und demzufolge im Verfahren der tJberschuldungsmessung zu beachten. Demgegeniiber sind die dynamisch motivierten Ruckstellungen aufgrund von Innenverpflichtungen nicht in der Uberschuldungsbilanz zu erfassen^ ^^. Aufgmnd ihres Charakters als Obliegenheit sind die zu erwartenden Belastungen, die handelsrechtlich unter dem Etikett der Aufwandsriickstellungen erfaBt werden, aus den Ertragen des Untemehmens zu ^'^^ So Moxter, Grundsatze, aaO, S. 269, der im Zusammenhang mit der Dokumentation von Vermogen und Schuld auf die gute statische Tradition, das Schuldendeckungspotential den Schulden („und sonst nichts") gegeniiberzustellen, hinweist. "^^ Eine Entscheidung dariiber kann intern oder extern getroffen werden. Primar sind die antragsbefugten Organe der Gesellschaft zur Selbstpriifung veipflichtet. Im Falle eines Eigen- oder Fremdantrags ist der Insolvenzrichter mit der Entscheidung hieriiber betraut. In der Situation der Krise selbst sind auch sekundare Entscheidungen, wie bspw. von Geld- oder Warenkreditgebcm, fur die zukiinftige Entwicklung des Untemehmens von Bedeutung. In beiden Fallen ist die H5he der Belastungen, die ggf. aus der Vermogenssubstanz Oder dem Vermogenspotential zu bedienen sind, von Bedeutung. "^* Diese Verbindlichkeiten werden gerne auch als die „echten Verbindlichkeiten der Gesellschaft" bezeichnet; vgl. Klar, aaO, S. 174f. Vgl. dazu auch oben sub D I. ''^' So auch Jonas, aaO, S. 343. 1160 Ygi ^^j^ „dynamischen Gedankengut" der Aufwandsruckstellung bei Baetge, aaO, S.393; ebenso Haarmeyer/Wutzke/Forster, aaO, S. 52.

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bedienen. Daher belasten sie den zukiinftigen KapitalfluB. Demzufolge sind Aufwendungen hieraus fur die zukiinftige Entwicklung der Gesellschaft relevant und demgema6 im Verfahren der Uberschuldungsmessung nicht in der rechnerischen Uberschuldung^^^\ sondern in der rechtlichen Uberschuldung zu beachten. Ruckstellungsbedurftige Sachverhalte mit verpflichtendem Charakter gegeniiber Dritten bestehen gegenwartig. Wegen ihres Schuldcharakters sind sie bei der Ermittlung der rechnerischen Uberschuldung zu erf as sen. Ruckstellungsbedurftige Sachverhalte mit Verpflichtungscharakter entstehen bei UngewiBheit der Verbindlichkeiten und drohenden Verlusten aus schwebenden Geschaften^^^^. Sachverhalte, fUr die nach den Regeln des Jahresabschlusses Ruckstellungen fiir drohende Verluste einzustellen sind, bergen eine Belastung des Vermogens, die ebenfalls fiir die Uberschuldungsmessung relevant ist. Aufgrund ihres per se statischen Charakters sind die Sachverhalte in der Uberschuldungsbilanz zu erfassen^^^^. Ruckstellungsrelevante Sachverhalte sind anzusetzen, wenn die Inanspruchnahme der daraus resultierenden Verbindlichkeiten wahrscheinlich ist^^^. Die Frage der wahrscheinlichen Inanspruchnahme spielt auch und gerade in der Untemehmenskrise eine Rolle, wenn es darum geht, die (zukiinftigen) Belastungen zu ermitteln. Ebenso wie bei der Erfassung der wahrscheinlichen Verbindlichkeiten in der Rechnungslegung geht es bei der Feststellung der Uberschuldung darum, zu verhindem, da6 sich der Bilanzierende reich rechnet oder auf Verdacht Ruckstellungen einstellt. Die Voraussetzungen dafUr entsprechen daher denen nach Handelsrecht. Bei Erstellen der Uberschuldungsbilanz kann insofem auf sie zuruckgegriffen werden; das heiBt, es mu6 bereits eine hinreichende Konkretisierung des belastenden Sachverhalts vorhanden sein^^^^. Das ist dann der Fall, wenn sowohl die Unsicherheit im Hinblick auf Grund Oder Hohe einer Inanspruchnahme und zudem die Wahrscheinlichkeit der inanspruchnahme als solcher hinreichend objektiviert ist und die Belastung bereits wirtschaftlich verursachtist^'^^.

"^^ Vgl. ausfiihrlich zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen der Verbindlichkeitsriickstellungen nach Handelsrecht sub D n 3. ^^^•' Vgl. zum statischen Charakter der Ruckstellung fiir Drohverluste Jonas, Drohverlust, aaO, S. 1735, 1737; sub D n. 4. ''^'* Vgl. Hachenburg-[//mer, aaO, § 63 Rn 45; Breutigam/Blersch/Goetsch, aaO, § 19 Rn 39. "^^ Vgl. zur wirtschaftlichen Verursachung oben sub D 11. 3. b). ''" Vgl. hierzu ausfuhrlich sub D II. 3. a)-d).

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b) Wirtschaftliche Verursachung (Verursachungszeitpunkt der anzusetzenden Belastung) Fraglich ist, inwieweit eine Belastung verursacht sein mu6, um in der Uberschuldungsbilanz erfaBt zu werden. Der generelle Gedanke des Glaubigerschutzes im Rahmen des Insolvenzrechts konnte zunachst dafUr sprechen, daB in der Untemehmenskrise die Verursachungskonzeption fiir die Uberschuldungsbilanz zu wahlen ist, die den fruhestmoglichen Passivierungszeitpunkt verspricht. Das Realisationsprinzip sollte aber auch und gerade in der Untemehmenskrise nicht iiberstrapaziert werden^ ^^^. Die Uberaahme der zivilrechtlichen Verursachungskonzeption im Rahmen der Uberschuldungsbilanzierung wurde zwar die gebotene Objektivierung versprechen, die im Falle der Untemehmenskrise und der damit verbundenen Schuldendeckungskontrolle erforderlich ist, da der Passivierungsansatz von Ruckstellungen im Rahmen einer konkursvorsorgeorientierten Zerschlagungsstatik „eindeutig" mit der rechtlichen Entstehung der Verbindlichkeit entsteht^^^^. Diese stark zivilrechtlich Uberlastete Entstehungskonzeption kann aber die insolvenzrechtlichen Interessen nicht vollstandig abdecken. Die Uberschuldungspriifung verbietet es gerade, von einer Zerschlagungspramisse auszugehen; vielmehr darf, ohne von einer Fortfuhrungspramisse auszugehen, die Fortfuhrung des Unterenehmens nicht von vomherein ausgeschlossen werden^ ^^^. Zudem sind Fallgruppen denkbar, die trotz Erfullung des rechtlichen Entstehungstatbestands der Verbindlichkeit keine Ruckstellungsbildung erfordem. Bspw. entsteht gem. § 7 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 AtomG die Abbauverpflichtung eines Kemkraftwerks mit der Verstrahlung, also mit Inbetriebnahme. Eine Passivierung unterbleibt, solange die Kompensation der Verpflichtungsbelastung durch nachfolgende Ertrage gesichert ist. Denn der dieser Ausgabe zugeordnete Ertrag wird aus der Stromproduktion erzielt. Wurde kein Strom verkauft, ist auch keine Ruckstellung moglich, da kein betriebswirtschaftliches Ergebnis erzielt wird, von dem die Aufwendungen abzuziehen sind^^^^. Dariiber hinaus wurde durch eine zu starke Anlehnung des Begriffs der Verbindlichkeit an das zivilrechtliche Verstandnis der betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise, die in der Insolvenz angebracht ist, nicht entsprochen*^^\ Denn um den

''^^ So Herzig, Ruckstellungen, aaO, S. 1347 gegen einen verfriihten Ansatz offentlich-rechtlicher Verpflichtungen. 1168 Vgl.Perlet,aaO,S.41. '•^^Vgl.obensubCm. "^° Vgl. Baetge, aaO, S. 377. ^"^ Vgl. Moxter, Wirtschaftliche Betrachtungsweise, aaO, S. 238f und oben sub D L L

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tatsachlichen Verhaltnissen gerecht zu werden, miissen auch rein faktische Verpflichtungen beriicksichtigt werden, „deren ErfuUung nur auf wirtschaftlichem Kalkiil" statt auf rechtlichen Entstehungstatbestanden beruht^^^^. Die Untemehmenskrise und die Insolvenz sind betriebswirtschaftliche Ereignisse, deren Losungen daher auch eine entsprechende Betrachtung erfordern. Die wirtschaftliche Verursachung ist daher unperiodisch vergangenheitsbezogen auszulegen. Im Ergebnis handelt es sich um eine auf die Interessenlage der Uberschuldungsbilanzierung modifizierte handelsrechtliche Verursachungskonzeption. Der darin verankerte Gedanke einer an der wirtschaftlichen Vermogensbelastung orientierten Verursachungskonzeption, die zukiinftige Aufwendungen den sie verursachenden Geschaftsperioden zuweist, kommt der insolvenzrechtlichen Betrachtung am nachsten, weil dadurch das Schuldendeckungspotential um den belastenden Betrag korrigiert wird, der zur Fortfuhrung der Untemehmung nicht zur Disposition steht^^^^. Danach sind Belastungen zu erfassen, die aus einer bereits stattgefundenen Alimentierung entstehen. Dabei handelt es sich um die Sachverhalte, die auch nach Handelsrecht als riickstellungsbedUrftig anerkannt werden: Die Belastung in Form einer Verpflichtung hieraus ist bereits in der Vergangenheit verursacht und ihre Gegenleistung ist bereits wie ein VorschuB dem Untemehmensvermogen zugeordnet^^^"^. Daher sind grundsatzlich alle fiir Verbindlichkeitsriickstellungen relevanten Sachverhalte, die eine Belastung mit Verpflichtungscharakter verursacht haben, zu erfassen, soweit mit ihrer Inanspruchnahme gerechnet werden mu6^^^^, und zwar unabhangig davon, ob es sich dabei um Sachverhalte handelt, fur die im JahresabschluB bereits Riickstellungen eingestellt sind, oder um sonstige Sachverhalte, fiir die nach den anzuwendenden Grundsatzen der Bilanzierung Riickstellungen zu bilden sind^'^^. Dies konnte insbesondere gelten fiir Produkthaftungsrisiken, Umwelthaftung und schwebende Prozesse. Das Ansatzgebot fur Schulden, deren Belastung verpflichtenden Charakter haben, gilt auch fiir schwebende Geschafte.

^"^Vgl. Thomas, aaO,S. 27. ''^^ Vgl. Tischbierek, aaO, S. 64. ''^'^ Vgl. oben sub D IE. 2. b) (3). Das gleiche gilt im Ubrigen auch fiir den Ansatz von Aufwendungen. Das spricht zudem dafur, auch Belastungen aus Aufwendungen in der Uberschuldungspriifung zu beriicksichtigen. "^' Vgl. Kubler/Prutting, aaO, § 19 Rn 15; Hachenburg-CZ/rner, aaO, § 63 Rn 45; Vonnemann, BB, aaO, S. 871. So auch BGH, Urt. v. 22.09.2003 - H ZR 229/02, S. 5. '^^^ Ebenso Gonv^a.\d-Uhlenbruck, aaO, § 6 Rn 46, 49; Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 102 Rn 6p; WimmerSchmerbach, aaO, § 19 Rn 13.

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Hierbei liegt den Ansatzgrundsatzen die Uberlegung zugrunde, da6 das Ergebnis der Uberschuldungspriifung nicht vorweg zu nehmen ist, das heiBt, weder von einer Zerschlagungspramisse ncx;h von einer Fortfuhrungspramisse auszugehen ist, wobei die Fortfiihrung freilich auch nicht von vomherein ausgeschlossen werden darf. Dies bedeutet, fur einen Ansatz in der Uberschuldungsbilanz kommt es nicht auf die Differenzierung zwischen rechtlicher Entstehung oder wirtschaftlicher Verursachung an, sondem vielmehr darauf, ob die finanzielle Belastung an die kUnftige Ertragssituation gekoppeh ist: Ist die ErfuUung ungewisser Verbindlichkeiten an die kiinftige Ertragssituation gekoppelt, fehlt es an einer aktuellen wirtschaftHchen Belastung, so daB ungewisse Verbindlichkeiten nicht zu passivieren sind^^^^.

2. Hohe Die handelsrechtliche Ruckstellungsbemessung erfolgt grundsatzlich gem. § 253 Abs. 1 S. 2 HGB nach den Grundsatzen einer vemtinftigen kaufmannischen Beurteilung. Hiemach ist fur die Bewertung von Verbindlichkeitsriickstellungen grundsatzlich auf den Betrag mit der hochsten Eintrittswahrscheinlichkeit abzustellen/^^^ Ruckstellungen fur Verbindlichkeiten, die der Hohe nach gewiB, dem Grunde nach aber umstritten sind^^^^, sollen demgegeniiber unter Zugrundelegung des Vorsichtsprinzips in voller Hohe der ungewissen Verbindlichkeit angesetzt werden^ ^^°. In der Uberschuldungsbilanz wird das Vorsichtsprinzip dagegen nicht in vollem Unfang fur anwendbar gehalten^^^^ Es wird vorgeschlagen, bei der Bewertung von Ruckstellungen fiir Verbindlichkeiten, die der Hohe nach sicher, dem Grunde nach aber ungewiB sind, auf die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme abzustellen und die Ruckstellungshohe danach zu bemessen^^^^. Es wird also eine Graduierung der Wahrscheinlichkeit befurwortet. Richtig erscheint hieran die Uberlegung, daB in der Untemehmenskrise eine Belastung, die weniger wahrscheinlich zu einem Vermogensverlust ftihrt, nicht in gleichem Umfang die Dispositionsbefugnis des Schuldners beeinflussen darf wie eine sichere Verbindlichkeit; andemfalls konnten unberechtigte Insolvenzantrage drohen^^^^. Die praktische Umsetzung eines solchen Systems der graduierten Wahrscheinlichkeit, ''^^ Vgl. zuletzt BFH DB 2001, 1227, 1228f, zum (ungewissen) Provisionsanspruch eines Handelsvertreters nach Beendigung der Zusammenarbeit. ^"^ Vgl. Beck'scher Bilanzkommentar-Berger/Af./em^, aaO, § 253 Rn 151, 154ff. ^'^^ Ein Bsp. hierfur sind Gesellschafterdarlehen, deren eigenkapitalersetzende Charakter bestritten wird. ''*° Vgl. BFH BStBl. n 1969, 247, 249; BGH, ZIP 1989, 1324, 1326; Beck'scher BilanzkonunentarBerger/M.Ring, aaO, § 253 Rn 155; Stengel, aaO, S. 1407. •'*' Vgl. Hommelhoff, aaO, S. 264; Fleischer, aaO, S. 779, jedenfalls fUr Ruckstellungen bei Eigenkapitalersatz. ''" Vgl. Temme, aaO, S. 164f; Hommelhoff, aaO, S. 263ff. ''" Vgl. Hommelhoff, aaO, S. 264; Heischer, aaO, S. 779.

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welches in der Handelsbilanz auch auf Ruckstellungen fiir Verbindlichkeiten, die der Hohe nach ungewiss sind, angewendet wird, ist indes nicht moglich - selbst wenn man der Uberschuldungsbilanz bloB informatorischen Charakter beimiBt. Denn zum einen bleibt es zweifelhaft, ob eine Wahrscheinlichkeitsgruppierung, so sehr eine einmal erstellte Gruppierung die Zuordnung eines bestimmten Sachverhalts auch erleichtem mag, dem Bediirfnis nach Objektivierung gerecht wird, wenn und soweit die Parameter der Gruppierung nicht frei von subjektiven Erwagungen der zur Uberschuldungsmessung Verpflichteten gehalten werden, was unmoglich ist. Zum anderen besteht im Rahmen der Uberschuldungspriifung aber auch nicht die Moglichkeit wie in der laufenden Rechnungslegung, eine ungenaue Schatzung durch zusatzliche Informationen im Anhang oder Lagebericht zu kompensieren. Der fiir die Feststellung der materiellen Cberschuldung maBgeblichen Ertragsprognose liegt gerade das Ergebnis der rechnerischen Uberschuldung zugrunde, welches in Form eines Fehlbetrags die Ertragsparameter fur die Prognose vorgibt. Entspricht das Ergebnis der Uberschuldungsbilanz nicht der wahren Vermogenslage des Untemehmens, konnte folglich auch die sich daran anschlieBende Ertragsprognose fehlerhaft sein und unberechtigterweise zu einer Eroffnung des Insolvenzverfahrens fuhren. Es sollte daher auf eine andere Methodik der Bewertung zuruckgegriffen werden. Die Vermogensabbildung innerhalb der Uberschuldungsmessung unterliegt schlieBlich auch dem Gebot der Objektiviertheit'^^"^. Daher ist die erwartete Belastung der Hohe nach grundsatzlich punktuell anzugeben. Soweit eine punktuelle Einschatzung nicht bestimmbar ist, kann sie anhand des arithmetischen Mittels ermittelt werden^ ^^^. In der Uberschuldungsbilanz ist wegen der geltenden Imparitat^*^^ allerdings fiir den Fall eines Bandbreiterahmens der obere Wert anzusetzen. Ergibt sich aus der hohen Annahme der Bewertung eine Uberschuldung oder eine hohe Belastung im Rahmen der Prognose zur Ermittlung der rechtlichen Uberschuldung, dann ist es Aufgabe der Geschaftsflihrung, entweder die Bandbreite zu reduzieren, indem die Hohe der drohenden Belastung mit dem Glaubiger geklart wird, oder die Hohe moglicher Belastungen auf schuldrechtlichem Wege festzulegen oder sonst zu bestimmen^^^^.

''*'* Das gilt grundsatzlich auch fiir die handelsrechthche Rechnungslegung, vgl. Naumann, aaO, S. 214. "^^ Vgl. zu den mathematischen Verfahren hierzu Leffson, aaO, S. 436f; Naumann, aaO, S. 194ff. " " Vgl. hierzu oben sub C HI. 1. c) (5). ^'^^ Schuldrechtliche Moglichkeiten hierzu bieten der Verzicht, die Stundung, die Novation oder sonst jede Vereinbarung, die die Forderung der Hohe nach greifbarer macht. Positiv zur Selbsthilfe auch BGH, NJW 2001, 1280, 1282, im Zusammenhang mit der Bilanzierung von Gesellschafterdarlehen, der im Zweifel den Ansatz befiirwortet.

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Das Bediirfnis nach einer punktuellen Bestimmung besteht grundsatzlich auch in den Fallen, in denen zur Einschatzung der Belastung anhand der gegebenen Informationen kein vergleichbarer Wert zugrunde liegt, das heiBt, wenn keine Bandbreite anhand objektiver Kriterien ermittelbar ist. Liegt dem Grunde nach kein verpflichtender Charakter vor, dann ist eine Schatzung erlaubt, soweit objektivierte Kriterien voriiegen, die eine Schatzung ermoglichen^^^^. Das Risiko einer Schatzung kann hier in Kauf genommen werden, solange die Belastung in die Uberschuldungsbilanz einfliefit^^^^. Selbst wenn hierbei die Gefahr der Manipulation gegeben ist, ist diese doch im Vergleich zum Handelsrecht als geringer einzustufen, da der Zweck der Uberschuldungsbilanz nicht in der Kapitalerhaltung besteht und dariiber hinaus Manipulationen personliche Haftung auslosen. Besteht GewiBheit iiber das Bestehen einer Verbindlichkeit dem Grunde nach, gibt es aber fur ihre Hohe uberhaupt keinen Anhaltspunkt, bspw. durch Inverkehrbringen eines schadhaften Produkts oder die Kenntnis iiber das Voriiegen einer Grundstuckskontaminierung, dann ist die folgende Losung denkbar^^^®. Zur Bewertung besteht die Moglichkeit, die Summe anzusetzen, die aufgrund einer versicherungsmathematischen Deckung ermittelt wurde, oder die Summe, die eine Versicherungspolice zur Abdeckung des entsprechenden Risikos kosten wurde^*^^ Danach lieBe sich entweder aufgrund der Risikobewertung die Hohe der Belastung ermitteln oder jedenfalls mit der Leistung des Versicherungsbeitrags ein zukunftiger Aufwandsposten betragsmafiig feststellen, der in die Uberschuldungsmessung hineinflieBt. Hierbei ist der Umstand unerheblich, daB Versicherungsuntemehmen das Risiko ihrer Einstandspflicht kalkulieren, bevor auch nur ein einziger Versicherungsfall eintritt. Zwar ist die Bildung von Riickstellungen haufig gerade deshalb geboten, weil sich bestinunte Verbindlichkeiten bereits abzeichnen, z.B. weil ein Produktfehler bekannt ist und mit einer Inanspruchnahme der Gesellschaft wegen Schlechtleistung oder aus Gewahrleistung zu rechnen ist. In der Praxis waren jene Verbindlichkeiten daher uberhaupt nicht mehr, jedenfalls aber nicht zu den ublichen Pramien einer Industriehaftsversicherung versicherbar. Doch dient die an das versicherungsmathematische '*** Soweit keine offensichtliche WillkUr besteht, gestattet die Rechtsprechung dem handelsrechtlich Bilanzierenden eine Einschatzungsprarogative; vgl. BFH BStBl. m 1954, 222, 223; BStBl. m 1962, 338, 389; BStBl. i n 1963, 113. Vgl. zum Beurteilungsspielraum des zum Antrag Verpflichteten Henssler, aaO, Rn 17. ^^^^ A.A. Naumann, aaO, S. 236, der eine mathematischc Unsicherheitsabsorption vorschlagt, aaO, S. 237ff. ''^° Unproblematisch sind hingegen die Falle punktuell einzuschatzen, die nur dem Grunde nach unsicher sind, der Hohe nach aber bereits abzusehen sind. DaB derartige Forderungen dann auf das Ergebnis der Uberschuldungspriifung wie tatsachliche Belastungen wirken, kann wegen der strengen Objektiviertheit der Wahrscheinlichkeit in Kauf genommen werden, vgl. dazu sub D I I 3 . d), und erscheint wegen der glMubigerschiitzenden Funktion der Uberschuldungsmessung insgesamt geboten; vgl. dazu sub C HI. 1. b) (3). ^^^^ Denkbar wSre zwar auch, die Summe der Versicherungspolice als kunftigen Aufwand zu erfassen. Im Hinblick auf bestehende Risiken wurde damit aber im Regelfall keine Deckung zu erreichen sein. Besteht be-

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Verfahren angelehnte Bewertung von RUckstellungen im Rahmen der tJberschuldung auch lediglich dazu, der GeschaftsfUhrung objektivierbare Kriterien fiir eine Bewertung zur Verfugung zu stellen. Ob das Risiko tatsachlich nicht mehr versicherbar ist bzw. nur zu einer hoheren Pramie, muB dabei auBer Acht bleiben. Denn wurde fiir die Bewertung der ungewissen Verbindlichkeit ein Betrag gewahlt, der oberhalb der Pramie liegt, die eine Industrieversicherung ublicherweise nehmen wUrde, floBe dieser Aufschlag in die Bewertung der RUckstellungen ein, mit der Folge, daB die Riickstellung zu vorsichtig bewertet werden wurde. Dies fuhrte wiederum zu Informationsverzerrungen, die im Rahmen der Uberschuldungsbilanz gerade vermieden werden sollen. Steht aufgrund einer Belastung eine Sachleistung aus, dann ist deren Hohe auf der Basis der erwarteten Vollkosten anzusetzen^^^^. Soweit eine Leistungsverpflichtung aufgrund einer Verbindlichkeitsriickstellung zu verzinsen ist, umfaBt die Bewertung auch den in der Verpflichtung enthaltenen Zinsanteil^^^^.

3. Ausgewdhlte Belastungen a) EigenkapUalersetzende Darlehen Nach dem festgestellten Bediirfnis des vollstandigen und klaren Ausweises der Vermogensgegenstande in der Uberschuldungsbilanz^ ^^"^ kommt einem eigenkapitalersetzenden Darlehen grundsatzlich im Sinne des § 39 InsO der Charakter einer Verbindlichkeit zu. Eigenkapitalersetzende Darlehen haben danach nicht den Charakter einer Riickstellung^^^^, sondem den einer Verbindlichkeit. Sie werden gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO als nachrangige Insolvenzverbindlichkeiten erfaBt^^^^, soweit kein Rang-

reits eine Versicherung, besteht hingegen regelmafiig keine ungewisse Belastung. Man konnte auch daran denken, eine Risikobewertung entsprechend § 18 KWG durchzufuhren. ''^^ Hierbei wird nicht mehr differenziert, ob die Sachleistung aufgrund einer ungewissen Verbindlichkeit, eines Drohverlusts aus einem Absatzgeschaft oder aufgrund einer Aufwandsriickstellung entsteht. Der handelsrechtliche Vollkostenansatz umfaBt samtliche Material-, Fertigungs-, Verwaltungs- und Vertriebskosten; vgl. Kutrngr^Qber-Kessler, aaO, § 249 Rn 309 mwN; ausfuhrlich Thomas, aaO, S. 188ff. "^' Vgl. fur das Handelsrecht bei Knobbe-Keuk, aaO, S. 235; Adler/During/Schmaltz, aaO, § 253 Rn 199; KutingAVeber-^^w/er, aaO, § 249 Rn 329. '"'Vgl.obensubCffl. 3. '"'^ So aber Bormann, aaO, S. 324 und 326 und Hommelhoff, aaO, S. 263f. Vgl. ebenso Hachenburg-C/Zm^r, aaO, § 63 Rn 46a, der jedenfalls dann eine Qualifikation von eigenkapitalersetzenden Darlehen als Ruckstellung befurwortet, wenn Unsicherheiten iiber den Charakter als Darlehen bestehen. ^^^^ Vgl. Kubler/Prutting, aaO, § 19 Rn 14. SchmidtAJhlenbruck, aaO, Rn 917, sehen in der Entscheidung des Gesetzgebers die Qualifikation moglicher eigenkapitalersetzender Darlehen im Sinne einer Verbindlichkeit als geklart an; ebenso Miiller/Haas, aaO, Rn 44; a.A. Noack, aaO, Rn 195.

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riicktritt vereinbart ist^^^^. Ihr Charakter ist nicht etwa ungewiB, well iiber die Qualifikation als Eigenkapital nicht entschieden ist^^^^. Besteht iiber die Qualifikation eines Darlehens zwischen dem antragsbefugten Organ der Gesellschaft, das der erste Adressat der Verpflichtung zur Uberschuldungsprufung in der sich abzeichnenden Unternehmenskrise ist, und dem darlehensgebenden Gesellschafter Streit, dann obliegt es auch diesem Organ in Zweifelsfallen, die Unklarheit hieriiber zu beseitigen, indem dafur gesorgt wird, dafi der Gesellschaft gegeniiber ein Rangriicktritt erklart wird^^^^. Andemfalls droht die Inanspruchnahme, fur die - da die Fortfuhrung des Untemehmens im Rahmen der Uberschuldungsprufung nicht von vomherein ausgeschlossen werden darf - ohnehin auf eine Belastung aus einem schwebenden Rechtsstreit zu erkennen ware.

b)

Pensionsverpflichtungen

Entsprechend ihrem belastenden Charakter sind in der tJberschuldungsbilanz auch Ruckstellungen fiir Pensionsverpflichtungen und unverfallbare Pensionsanwartschaften zu erfassen, sofern sie die Gesellschaft unmittelbar belasten^^®^. Das ist dann der Fall, wenn die Pensionsleistung eine unmittelbare Leistungspflicht aus dem Vermogen der Gesellschaft ve^u^sacht^^°^ Laufende Pensionen und unverfallbare Pensionsanwartschaften begrunden einen unmittelbaren Anspnich des Berechtigten gegen das Untemehmen, selbst wenn deren Hohe ungewiB ist. Ihre Entstehung hat regelmaBig arbeitsrechtliche Ursachen. Im Gegensatz zu einer unverfallbaren Anwartschaft ist die verfallbare bereits dem Grunde nach ungewiB. Diese UngewiBheit ist nicht konkretisiert, da Pensionsverpflichtungen unter bestimmten GrUnden jederzeit verfallen konnen. Mittelbare Verpflichtungen hingegen liegen vor, wenn das Untemehmen einen extemen Versorgungstrager eingeschaltet hat. In diesem Fall wird die Pensionsleistung direkt durch den Versorgungstrager erbracht^^^^. Die AuBenhaftung, und damit der belastende Charakter aus der Pensionsleistung, bleibt selbst dann bestehen, wenn im

"''^ Vgl. BGH, ZIP 2001, 235, 236 = GmbHR 2001, 190: erforderlich ist eine „qualifizierte Rangriicktrittserklarung" dergestalt, daB der Darlehensgeber erkl^, es handele sich bei seiner gesellschafterleistung urn statuarisches Haftkapital; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2004, 53, 54. Siehe auch Wazlawik, aaO, S. 610. ''^^ Selbst wenn ein Gesellschafterdarlehen funktional zum Eigenkapital umqualifiziert wird, so beriihrt dies nicht den verpflichtenden Charakter gegeniiber dem Gesellschafter; so BGH NJW 2001,1280,128If. "''^ Vgl. zur Selbstabhilfe WP-Handbuch, aaO, V Rn 31; jetzt auch BGH NJW 2001,1280, 1282. ^^^ Das gilt unabhangig vom handelsrechtlichen Ansatzwahlrecht des Art. 28 EGHGB; Winnefeld, aaO, N Rn 861. ^^^^ Das ist der Fall bei laufenden Pensionsleisstungen und unverfallbaren Pensionsanwartschaften; vgl. WPHandbuch, aaO, V Rn 38ff. Zu den Voraussetzungen der Unverfallbarkeit einer Pensionsanwartschaft vgl. § 1 BetrAVG. '^°^ Vgl. dazu statt aller sehr ausfuhrlich bei Adler/During/Schmaltz, aaO, § 249 Rn 85ff, 105ff.

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Falle der Insolvenz eine Ubemahme der Pensionslasten durch den Pensionssicherungsverein in Betracht kommt^^®^ Daran andert sich auch nichts, wenn man den Ruckgriffsanspruch des Pensionssicherungsvereins als durch die Insolvenz verursacht ansieht und ihn unter der Pramisse, derartige Anspruche nicht in der Uberschuldungsbilanz anzusetzen, unberiicksichtigt laBt. Unter dem Gesichtspunkt, daB die Fortfuhrung des Untemehmens nicht ausgeschlossen werden darf, ist die Belastung im Zeitpunkt der Krise identisch und daher zu erfassen. DemgemaB stellen die kiinftigen Pensionsleistungen eine Belastung der Gesellschaft dar. Laufende Pensionsleistungen und unverfallbare Pensionsanwartschaften sind dabei der Hohe nach grundsatzlich mit ihrem Barwert einzustellen^^^. Der Barwert beinhaltet das kapitalmarktgerecht abgezinste Kapital, das zur Befriedigung der laufenden Pensionsanspriiche aufzubringen ist^^°^. Soweit allerdings KUrzungsmoglichkeiten aufgrund der Untemehmenskrise bestehen, sind diese zu beriicksichtigen^^^.

c) Umweltlasten, Produkthaftung Grundsatzlich ist bei Vorliegen einer umweltrechtlichen Gefahrenlage mit einer Inanspruchnahme zur Beseitigung dieser Gefahr durch die Behorde zu rechnen, so daB insoweit mindestens ein riickstellungsrelevanter Sachverhalt vorliegt, der auch regelmaBig durch die Situation der Untemehmenskrise oder Insolvenz nicht entscharft wird^^^^. Belastungen aus Umweltriickstellungen sind demgemaB entweder entsprechend den Grundsatze der Handelsbilanz nach dem Erfordemis der rechtlichen Verpflichtung greifbar, oder aufgrund faktischer Verpflichtung in der Uberschuldungsbilanz zu erfassen^^^^, soweit die umweltrechtliche Gefahrenlage der Behorde bekannt ist. Denn jedenfalls dann kann mit einer Inanspruchnahme gerechnet werden. Falls keine punktuelle Belastung greifbar ist, bestimmt sich ihre Hohe nach den Vollkosten der zur Beseitigung der Umweltbelastung erforderlichen MaBnahmen. Soweit auch hieriiber kein Anhaltspunkt vorhanden ist, wird wie folgt unterschieden: Ist eine MaB-

^^°' Gem. § 9 Abs. 2 BetrAVG gehen die Anspruche der Pensionsberechtigten im Insolvenzfall auf den Pensionssicherungsverein iiber, ^^^* So auch Schmidt/Uhlenbruck-(/Men^rMc/t, aaO, Rn 909; Hachenburg-£//mer, aaO, § 63 Rn 48. Vgl. jetzt auch BFH, BB 2003, 467, 468 mit Anmerkung Hommel, nach dem eine Pensionsverpflichtung grundsatzlich mit dem nach § 6a Abs. 3 S. 2 Nr. 2 EStG zu bestimmenden Barwert der Pensionsanwartschaft anzusetzen sei. '^°^ Vgl. dazu Muller/Haas, aaO Rn 36; Braun/ Uhlenbruck, aaO, S. 296; WP-Handbuch, aaO, T Rn 41. '^°^ Vgl. auch Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 102, Rn 6p. '207 Ygi mj^g ^Q j^„ 5g 44 £5 kommt zur Anerkennung als Insolvenzforderung grundsatzlich auch nicht auf eine Anmeldung der Beseitigungspflicht an; OVG Bautzen DtZ 1995, 254, 256. '^"* Ebenso Braun/Uhlenbruck, aaO, S. 296, soweit in der Handelsbilanz Ruckstellungen fur Umweltlasten ge bildet werden - auch fiir Produkthaftung.

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nahme zur Beseitigung einer Umweltbelastung anhand objektiver Kriterien erkennbar, und von der Geschaftsfuhrung ohne Vorliegen einer Beseitigungsanordnung emsthaft in Erwagung gezogen, deren Hohe aber vollkommen unklar ist, weil bspw. erst ein Gutachten zum AusmaB der Belastung eingeholt wird, dann liegt eine Innenverpflichtung vor, die nicht als Belastung in der Uberschuldungsbilanz eingestellt wird^^^^. Demgegeniiber kann bei Vorliegen einer Beseitigungsanordnung allenfalls eine nur der Hohe nach ungewisse Verbindlichkeit vorliegen, die in jedem Fall anzusetzen ist^^^°. Im Rahmen der Prognose ist als Aufwandsposten ein zu schatzender Mindestwert anzusetzen. In alien anderen Fallen, in denen lediglich die Moglichkeit einer Umweltbelastung besteht, handelt es sich um das allgemeine Geschaftsrisiko, das in der Uberschuldungsmessung gar nicht erfaBt wird^^^\ Die Falle der Produkthaftung soUten zu behandeln sein.

d)

Sozialplanverpflichtungen

Fraglich ist femer, wie Sozialplananspruche in der Uberschuldungsbilanz zu beriicksichtigen sind. Zu unterscheiden ist grundsatzlich zwischen Sozialplanen, die bereits vor der Insolvenz wirksam sind oder jedenfalls deren Umsetzung bereits beschlossen wurde, und solchen, die erst nach der Insolvenzeroffnung aufgestellt werden^^^^. Der Sozialplan, der bereits wirksam beschlossen ist, wird aufgrund seines Verbindlichkeitscharakters in der Uberschuldungsbilanz in jedem Fall beriicksichtigt^^^^. Als Konsequenz der hier vertretenen Auffassung handelt es sich in den ubrigen Fallen der Sozialplane regelmaBig um Anspriiche aus der Insolvenzeroffnung, die infolgedessen nicht zu beriicksichtigen sind^^^"*. Zudem steht dem das Bediirfnis nach Objektivierung entgegen, das den Rahmen der Uberschuldungsbilanz so wertfrei wie moglich halten soil. Dem wird entgegengehalten, dafi derartige Anspriiche nicht erst mit der Verfahrenseroffnung an sich entstunden, sondem bereits im Vorfeld der geschaftlichen Entwicklung angelegt seien^^^^. Wer danach derartige Anspriiche wie Ruckstellungen '^°' So der BFH zur Bilanzierung von Ruckstellungen wegen Umweltlasten in der Handelsbilanz; vgl. oben sub D m. 2. c) (2). Generell werden Aufwandsriickstellungen fiir zulassig erachtet, wenn eine Verbindlichkeit nicht hinreichend konkretisiert werden kann, vgl. Kampfer, aaO, S. 263. '^'° Fiir die Berechnung gilt das soeben Gesagte. '^" Das allgemeine unteraehmerische Risiko ist auch sonst unzulassiger Gegenstand von Ruckstellungen; vgl. Kampfer, aaO, S. 273. '^'^ Vgl. bspw. bei G. Schaub, aaO, § 94 Rn 121ff. '^'^ Vgl. BAG, BB 2002, 2451, 2452; siehe auch Auler, aaO. S. 2173; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG, aaO, S. 307;Gurke,aaO,S.31. '^''^ So JaegerAVeber, aaO, §§ 207, 208 Anm. 21; Ritze, aaO, S. 329. '2'^ Vgl. Zilias, aaO, S. 453.

200

als unsichere Erwartungen begreift und deren Beurteilung von der Frage abhangig macht, ob nach dem gegenwartigen Stand des Unteraehmens mit ihnen zu rechnen ist, fur den liegt der SchluB nahe, Sozialplananspruche unabhangig von ihrer schuldrechtlichen Entstehung anzusetzen^^^^. Dem ist vom Ansatz zuzustimmen. Wer aber die Einstellung von Sozialplanen davon anhangig macht, ob angesichts der untemehmerischen Situation uberhaupt ein Sozialplan entsteht, der miiBte gleichwohl die Frage ihrer Anfechtbarkeit^^^^ bzw. ihres Widerrufs^^^^, die eine Vemichtung der Anspriiche bedeuten wurde, beantworten, bevor an eine Einstellung der Sozialplananspriiche zu denken ware. Daher soUte eine Differenzierung danach vorgenommen werden, inwieweit der Sozialplan, respektive die Anspriiche hieraus, bereits unvemichtbar verursacht sind. Das ist dann der Fall, wenn ein BeschluB uber eine Stillegung bzw. eine Teilstillegung eines Betriebs beschlossen ist. In diesen Fallen ist die Erstellung und Durchfiihrung eines Sozialplans zwingend vorgeschrieben^^^^. Die Anspriiche daraus sind daher wirtschaftlich verursacht. In alien anderen Fallen aber entsteht das Bediirfnis nach einem Sozialplan in der Kegel mit der Notwendigkeit allgemeiner Risikovorsorge im Zusammenhang mit der gewohnlichen Durchfiihrung einer Untemehmung, mithin dem allgemeinen Geschaftsrisiko, das auf keinen Fall in die Uberschuldungsmessung einfliefit. Anspriiche aus einem Sozialplan sind daher in der Uberschuldungsbilanz nur insoweit zu passivieren, als sie bereits verbindlich sind oder eine nicht mehr vemichtbare Verbindlichkeit auslosen werden, im iibrigen nicht^^^°.

^^'^ Vgl. Zilias, aaO, S. 454; Hommelhoff, aaO, S. 254f; Lutter/Hommelhoff, aaO, § 64 Rn 22 mwN. Die parallele Situation bestehe insoweit, als die Sozialplananspruche bereits wirtschaftlich verursacht sind; vgl. auch Vonnemann, aaO, Rn 70.

aaO, § 9 4 R n l 2 2 . '^'' Vgl. zur Notwendigkeit des Sozialplans bei entsprechenden Stillegungsbeschliissen gem. § 111 BetrVG Picoth, aaO, S. 1168f; i.E. so auch Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 102 Rn 6n; Temme, aaO, S. 172f. * Im Ergebnis so auch Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 102 Rn 6q mit dem zutreffenden Hinweis, da6 bei einer positiven Prognose Sozialplananspruche vollstandig auBer Ansatz bleiben; ebenso Ritze, aaO, S. 326.

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E: Gesamtergebnis und Schlufibetrachtung L

Gesamtergebnis

Die Uberschuldungspriifiing, die das von der Krise betroffene Untemehmen gem. § 19 Abs. 2 InsO durchfuhren muB, gibt AufschluB dariiber, ob das Insolvenzgericht anzurufen ist. Die hierzu erforderliche Uberschuldungsmessung besteht aus zwei gleichwertigen Tatbestandselementen, einer Vermogensabbildung und einer Prognose, die beide wirtschaftlich auszulegen sind und dabei den dynamisierten Charakter einer Untemehmung zu beriicksichtigen haben. Anders als § 19 Abs. 2, S. 2 InsO verlangt ist, ist die Uberschuldungsmessung im Hinblick auf ihr Ergebnis nicht in Abhangigkeit von der Frage nach der Lebensfahigkeit, sondern hiervon unvoreingenommen durchzufuhren. Das bedeutet aber nicht, im Ergebnis dabei notwendigerweise die Liquidation des Untemehmens zu unterstellen. Die Vermogensabbildung -(rechnerische Uberschuldung) zeigt das Schuldendeckungspotential und gibt insofem Aufschluss uber die Belastungen des Schuldendeckungspotentials, die in Rahmen der Prognose -iiber die Lebensfahigkeit (rechtliche Oberschuldung) zu beriicksichtigen sind. Im Hinblick auf das Element der rechnerischen Uberschuldung besteht in Literatur und Rechtsprechung insoweit Einigkeit, dafi die dazu notwendige VermogensUbersicht in Form einer Uberschuldungsbilanz zu erfolgen hat, die nicht auf Grundlage einer fortgefuhrten Jahresbilanz zu erstellen ist, sondern nach anderen Grundsatzen^^^^ Insoweit ist auch § 19 Abs. 2 InsO mit der Forderung nach einer Gegeniiberstellung von Vermogen und Schulden zuzustimmen. Freilich taucht sodann die Frage nach den hierfur anzuwendenden Bilanzierungsgrundsatzen auf. Da der Gesetzgeber in § 19 Abs. 2 InsO hierzu keine Auskunft gibt, sind diese nach dem Primat der funktionalen Bilanzierung zu ermitteln; das heifit, die VermogensUbersicht mu6 ihren Zweck entsprechend erstellt werden. In gleicher Weise werden die fur die Bilanzierung anzuwendenden Grundsatze und ihre inhaltiiche Ausgestaltung von den Grundwertungen der laufenden Rechnungslegung bestimmt. Ausgehend davon konnen Ansatz- und Bewertungsfragen situationsgerecht entschieden

'"' Vgl. BGH NJW 2001, 1280; BGH NJW 2001,1136; BGH NJW 1999, 3120.

202

werden. Dies gilt in gleichem MaBe auch fUr die Gewinnung einer Bilanzkonzeption auBerhalb der laufenden Rechnungslegung wie der Uberschuldungsbilanz. Die bilanzielle Vermogensubersicht im Verfahren der (Jberschuldungsmessung dient der Information. Sie gibt ihrem Adressaten Auskunft dariiber, ob der Geschaftsfuhrung des Unternehmens noch Vermogensmasse zur Verfiigung steht, die zum Vorantreiben des Geschafts eingesetzt werden kann, oder ob die vorhandene Vermogensmasse des Unternehmens bereits vollstandig oder sogar dariiber hinaus fur den Geschaftsbetrieb eingesetzt ist, das heiBt belastet ist, mit der Folge, da6 der Geschaftsfuhrung keine weitere Vermogensmasse zur freien Disposition steht. In diesem Fall mu6 der ungehinderte Fortgang des Unternehmens in Frage gestellt werden. Um eine Entscheidung dariiber treffen zu konnen, ob eine ungehinderte Fortfuhrung in dieser Situation noch moglich ist, wird mittels einer Prognose anhand eines Finanzplans abgeschatzt, ob und gegebenenfalls wann es der Geschaftsfuhrung gelingen kann bzw. wird, wieder unbelastete Vermogensmasse zur Disposition des Unternehmens zu beschaffen. Daher mu6 diese Prognose die bereits bestehende Vorbelastung, also den Betrag der bilanzmaBigen Uberschuldung, beriicksichtigen. Fallt die Prognose dann negativ aus, ist der Tatbestand der Uberschuldung erfullt und das Insolvenzgericht anzurufen. Da die Grundsatze ordnungsgemaBer Bilanzierung mit der Berechnung der ausschUttbaren Dividende grundsatzlich andere Zwecke verfolgen als die Uberschuldungsbilanz, werden Bilanzierungsgrundsatze bei Erstellen der Vermogensubersicht in der Untemehmenskrise teilweise anders ausgelegt als im Rahmen der ordentlichen Bilanzierung. Bestehende Bilanzkonzeptionen sind flir die Anwendung auf die Uberschuldungsbilanz ungeeignet. Die Konzeption der Uberschuldungsbilanz wird von der statischen Bilanztheorie gepragt. Die hierauf anzuwendenden Bilanzierungsgrundsatze sollen die Vermogenslage in Hinblick auf die Schuldendeckungsfahigkeit abbilden, das heiBt, vorhandenes Vermogen den Schulden gegeniiberstellen. Unverzichtbar ist es dabei, den Inhalt der Uberschuldungsbilanz so objektiviert als moglich darzustellen. Dabei sind insbesondere die Grundsatze der Einzelbewertung und des Saldierungsverbots in Hinblick auf den Ansatz, sowie der Imparitatsgrundsatz in Hinblick auf die Bewertung zu beachten. Die Bewertung der Vermogensgegenstande erfolgt nach MaBgabe der Einzelbewertung und Imparitat zu Verkehrswerten, die den Absatzpreisen entsprechen.

203

Gleichwohl wird dabei nicht verkannt, daB die Vermogensabbildung im Hinblick auf einen prazisen Informationsgehalt punktuell erforderlich ist. Eine Korrektur der punktuellen Vermogensbewertung erfolgt mittels des Erfordernisses der rechtlichen Uberschuldung. Daher ist es moglich, das Vermogen in seinem statischen Bestand abzubilden. Der dynamische Aspekt eines Untemehmens darf dabei insoweit auBer Betracht bleiben, als die quasi fortgefuhrten Vermogenswerte in Form der zu erwartenden Umsatze als Korrektiv ihrer zunachst statischen Abbildung an anderer Stelle, der Prognose, in das Verfahren der Uberschuldungsmessung hineinflieBen, so daB diese insgesamt den Anforderungen einer dynamischen Betrachtung gerecht wird. Die Uberschuldungsmessung besteht daher aus zwei Elementen, der rechnerischen Uberschuldung, die eine Vermogensiibersicht in Form der Uberschuldungsbilanz liefert, sowie der rechtlichen Uberschuldung, die daran ankniipfend eine Prognose iiber die zukunftige Entwicklung des Untemehmens enthalt. Die Prognose gibt (letztlich) Auskunft iiber die Lebensfahigkeit des Untemehmens, wenn namlich der kunftige Ertrag ausreicht, um eine etwaige Uberschuldung (Ausfallrisiko) zu decken. Im Rahmen der zweckmaBigen Vermogensabbildung einer Uberschuldungsbilanz sind als Schulden des Untemehmens gegenuber seinem Vermogen alle vermogensmindemden Belastungen zu erfassen, die zugunsten Dritter das Schuldendeckungspotential belasten. Dazu gehoren alle Drittverbindlichkeiten im Rechtssinne. Ebenso konnen aber auch alle ubrigen ungewissen Verpflichtungen hinzugezahlt werden, wenn sie eine Vermogensminderung fur das Untemehmens bedeuten, was letztendlich nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu bestimmen ist. Demzufolge sind bei der Uberschuldungsmessung auch zukUnftig zu erwartende Vermogensmindemngen relevant, da diese bereits durch das laufende Untemehmensgeschehen vemrsacht sind. Soweit diese Positionen vergangenes Verhalten korrigieren, sind sie fUr die Vermogensabbildung in der Untemehmenskrise beachtlich, wenn ohne diese Korrektur das Schuldendeckungspotential zu hoch ausgewiesen ware. Ist hingegen eine Vermogensmindemng zu erwarten, ohne daB hierfur bestehende Zahlungsverbindlichkeit gegenuber einem Dritten bestehen, sondem lediglich, um den Geschaftsbetrieb am Bestehen zu erhalten, dann handelt es sich hierbei um solche Aufwendungen, die den zu erwarteten Umsatzerlosen in der Prognose gegenzurechnen sind. Das Kriterium der zukunftigen Vermogensmindemng ist fur alle Sachverhalte zutreffend, deren Verhalten in der Vergangenheit bereits eine Drittverpflichtung vemrsacht hat, die, wenn das Untemehmen wie bisher am Rechtsverkehr teilnimmt, zu einer In204

anspruchnahme des Schuldendeckungspotentials fUhrt. In der laufenden Rechnungslegung sind fur solche Sachverhalte nach den Grundsatzen ordnungsgemaBer Buchfiihrung RUckstellungen zu bilden. Typische Kriterien fiir riickstellungsrelevante Sachverhalte sind neben ihrer vergangenen Verursachung die UngewiBheit iiber ihre Entstehung und ihr AusmaB, soweit es sich um Belastungen gegeniiber Dritten handelt. Ein Ansatz ist dann geboten, wenn eine vermogensmindernde Belastung wahrscheinlich ist, daB heiBt wenn fiir eine Inanspruchnahme des Untemehmensvermogens mehr Anhaltspunkte konkretisiert sind als dagegen. Solche Belastungen konnen zivilrechtlicher, offentlich-rechtlicher oder faktischer Natur sein. Riickstellungsrelevant sind in der Regel auch solche Sachverhalte, die zu einem drohenden Verlust fuhren. Auch deren Vermogensbelastung ist bereits in der Vergangenheit angelegt. Solche Sachverhalte sind gekennzeichnet durch eine mehrseitige Leistungsverbindung schuldrechtlicher Art, die sich in einem Schwebezustand befindet, weil ein Partner bereits geleistet hat und die noch offene Gegenleistung dazu nicht in einem ausgeglichenen Verhaltnis steht. Diese Vermogensbelastung ist in der Uberschuldungsbilanz anzusetzen, da fiir den noch zu erbringenden LeistungsiiberschuB keine ausreichende Kompensation eintritt. Infolgedessen werden alle Arten von Verbindlichkeitsriickstellungen in die Uberschuldungsbilanz aufgenommen. Aufwandsriickstellungen hingegen erfassen in der Regel Belastungen, die zum Fortgang des Untemehmens notwendig sind, und werden in der Prognose beriicksichtigt, die im AnschluB an die Vermogensabbildung verifiziert wird. Die Frage des Ansatzes der Belastung aus einem riickstellungsrelevanten Sachverhalt ist daher auch in der Untemehmenskrise zunachst, das heiBt ohne Entscheidung iiber die weitere Entwicklung dieses Untemehmens, wie im Handelsrecht, eine Frage der Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme und kann daher nach den gleichen Kriterien beantworten werden. Das heiBt, grundsatzlich ist ein Ansatz in der Uberschuldungsbilanz dann geboten, wenn mehr Grunde fiir als gegen eine Inanspruchnahme sprechen^^^^. Ebenso kann bei der Frage nach der Bewertung auf das Handelsrecht zunickgegriffen werden, soweit die Bewertung danach punktuell moglich ist. Andemfalls ist dem Bilanzierenden eine in vollem Umfang justiziable Einschatzungsprarogative zuzusprechen. Nach MaBgabe des fiir die Bewertung anzuwendenden Grundsatzes der Impari'^^^ Eine prazisere Beantwortung dieses Kriteriums ist angesichts des Bediirfnisses nach Objektivitat nicht moglich, sondern ist abhangig von einer Gesamtschau der jeweiligen Umstande des Einzelfalls.

205

tat ist eher eine vorsichtige Schatzung geboten, das heifit im Zweifel eher eine Belastung des Untemehmensvermogens anzunehmen und deren AusmaB hoch einzuschatzen, als den Rechtsverkehr mit der unreflektierten Weiterfuhrung eines uberschuldeten Untemehmens zu belasten und weiterhin Fremdkapital zu gefahrden*^^^. Die Bilanzierungsvorschriften verlangen, daB das Ergebnis einer jeden Schatzung, die im Zuge der Rechnungslegung erfolgt, sei es im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit Oder die Schatzung, in hinreichendem MaBe objektiviert ist. Das heiBt, die fiir die Einschatzung der Wahrscheinlichkeit relevanten Faktoren soUen hinreichend objektiviert sein. Dieses Bedurfnis besteht auch und gerade fiir die Uberschuldungsbilanz.

//.

Schluflbetrachtung

Nach alldem ist festzuhalten, daB der Insolvenzgrund der Uberschuldung im System der Insolvenzgrunde seine Berechtigung hat. Daher ist es auch zu begruBen, daB der Gesetzgeber im Zuge der Reformierung der Insolvenzordnung durch § 19 InsO daran festgehalten hat. Dabei hat der Gesetzgeber zwar die Entwicklungen im Tatbestand der Uberschuldung insoweit aufgenommen, als er die Uberschuldung zweistufig normiert hat: Die Uberschuldungsprufiing erfordert sowohl eine Betrachtung der Vermogenslage (rechnerische Uberschuldung) als auch der Lebensfahigkeit (rechtliche Uberschuldung). Hinsichtlich der Bewertungskozeption uberzeugt die Vorgabe in § 19 Abs. 2 S. 2 InsO insoweit nicht, als dort eine fragliche Verkniipfung zwischen der Prognose der Lebensfahigkeit

und der Bewertung

des

Vermogens

hergestellt

wird.

Der gem,

§ 19 Abs. 2 InsO postulierten Abhangigkeit der Vermogensbewertung von der Lebensfahigkeit ist zu widersprechen. Erst nach einem realistischen Vermogensbild kann eine plausible Prognose uber die zukunftige Entwicklung des Untemehmens unter der Beriicksichtigung seiner Vermogenslage abgegeben werden. Infolgedessen miissen die tatbestandlichen Elemente der Uberschuldung kumulativ vorliegen. Losgelost von der soeben geiibten Kritik sind im Rahmen der Uberschuldung auch die Schulden zu ermitteln. Hierzu hat der Gesetzgeber keine inhaltlichen MaBgaben an die '"^ Selbst wenn die stringente Anwendung des Imparitatsgrundsatzes eine Uberschuldung indiziert, ohne daB tatsachlich der Tatbestand der Uberschuldung erfUllt ware, dann konnte diese Fehleinschatzung im kontollierten (evtl. auch vorlaufigen) Insolvenzverfahren wieder korregiert werden, indem das Vefahren wieder

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Tatbestandselemente der Uberschuldung gestellt, sondem spricht im Hinblick auf die Gegeniiberstellung von Vermogen und Belastungen in § 19 Abs. 2 InsO schlicht von „Schulden". Was im Verfahren der Uberschuldungsmessung schlieBlich unter „Schulden" zu verstehen ist, ist daher wirtschaftlich zu ermitteln. Insoweit sind nicht nur Verbindlichkeiten im Rechtssinne, sondem grundsatzlich auch alle wirtschaftlichen Belastungen des Untemehmensvermogens zu beriicksichtigen. Dazu zahlen auch solche Sachverhalte, die wahrscheinlich zu einer zukunftigen Aufwendung des Unternehmens fUhren werden, ohne dafi bereits der Entstehungstatbestand einer Forderung vollstandig entstanden ist, die aber im Rahmen der Rechnungslegung beim kontinuierlichen UntemehmensprozeB unter die Tatbestande der Riickstellungen subsumiert werden Danach sind Schulden alle Belastungen aus solchen Sachverhalten, die geeignet sind, dem Vermogen in seinem Bestand Substanz zu entziehen. Infolgedessen sind in der Vermogensubersicht nicht nur (echte) Verbindlichkeiten zu erfassen, sondern auch alle Ubrigen ungewissen Belastungen gegeniiber Dritten. Das allein entspricht dem in der Uberpriifung der Lebensfahigkeit verankerten Gebot, auch die kunftige Entwicklung des Untemehmens zu beachten. Daraus folgt, dafi in der Situation der Krise als Schulden ungewisse Belastungen verstanden werden, soweit sie aufgrund einer AuBenverpflichtung bestehen. Andemfalls betreffen solche Belastungen in Form von Aufwendungen die Lebensfahigkeit und sind in der rechtlichen tJberschuldung zu beachten. Die Hohe der Belastung entspricht grundsatzlich dem punktuellen Wert ihrer Inanspruchnahme hieraus, soweit diese anhand objektivierter Tatsachen zu schatzen ist. Das Risiko einer fehlerhaften Schatzung laBt sich zwar weitgehend reduzieren, wenngleich auch nicht vollkommen eliminieren, da immer wieder Sachverhalte auftreten konnen, deren Folgen sich nicht abschatzen lassen, mit der Folge, dafi eine monetare Abbildung ebenfalls nicht moglich ist. In diesen Fallen sollte aus der Situation der Krise heraus soweit wie moglich eine gesicherte Bewertung abgegeben werden.

aufgehoben wird. Im Gegensatz dazu besteht die begriindete Gefahr, dafi bei unkontrollierter Fortfiihrung des Untemehmens trotz Uberschuldung die Glaubigerquote verbrannt wird.

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