Managementkonzepte aus Sicht der Organisationskultur : Auswahl, Ausgestaltung und Einfnhrung 9783835090521, 3835090526 [PDF]


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Managementkonzepte aus Sicht der Organisationskultur : Auswahl, Ausgestaltung und Einfnhrung
 9783835090521, 3835090526 [PDF]

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Zitiervorschau

Christian Zielowski Managementkonzepte aus Sicht der Organisationskultur

Techno-okonomische Forschung und Praxis Herausgeber: Prof.Dr.Ulrich Bauer, Prof. Dr. Hubert Biedermann, Prof. Dr. Josef W.Wohinz

Ausgewahlte Arbeiten aus Forschung und Praxis bei der interdisziplinaren Behandlung von okonomischen und technologischen Fragestellungen bilden den Inhalt dieser Schriftenreihe. In theoretisch fundierter Modellbildung wie in konkreter Anwendung werden insbesondere die Themen Wissensmanagement, Innovationsmanagement, Technologiemarketing, Prozessmanagement und Controlling, Instandhaltung und Qualitatsmanagement behandelt. Die Beitrage richten sich gleichermaBen an Mitarbeiterlnnen in Wissenschaft und Praxis.

Christian Zielowski

Managementkonzepte aus Sicht der Organisationskultur Auswahl, Ausgestaltung und Einfiihrung

Mit einem Geleitwort von Professor Dr. Hubert Biedermann

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.

Dissertation Montanuniversitat Leoben, 2005

1. Auflage Januar2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ute Wrasmann / Anita Wilke Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschliefSlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutztwerden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, SchefJIitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-8350-0222-8

Geleitwort Fur die Losung unterschiedlichster Probleme der industriellen Betriebsfuhrung werden eine Reihe verschiedener Managementkonzepte angeboten. Mit deren Hilfe sollen Betriebe ihre komplexen Aufgaben und Anforderungen besser und effizienter bewaltigen konnen. In der betrieblichen Praxis kommt es jedoch immer wieder zu Problemen bei der Einfuhrung solcher Konzepte, zu dysfunktionalen Effekten Oder sogar zum kompletten Scheitern derartiger Einfuhrungsinitiativen. Empirisciie Untersucliungen der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie deuten darauf hin, dass ein Grund fiir diese Schwierigkeiten in der oftmals fehlenden kulturellen Kompatibilitat von Managementkonzept und betroffenem Unternehmen liegt. So bleibt bei vielen Einfuhrungsprojekten unberucksichtigt, dass IVIanagementkonzepte generell fur bestimmte nationale Kulturkreise, Branchen, funktionale Organisationsbereiche, industrielle Umfelder und spezifische Situationen konzipiert werden und die einfache, unreflektierte Ubertragbarkeit nicht ohne weiteres moglich ist. Im Zuge der vorliegenden Arbeit werden die relevanten Systemelemente und -relationen im industriellen Umfeld analysiert und der Industriebetrieb als komplexes System dargestellt. Davon ausgehend wird ein Anforderungskatalog fur Managementkonzepte abgeleitet, der sowohl funktionale als auch organisationskulturelle Aspekte umfasst. Anhand des Managementkonzepts Total Productive Maintenance (TPM) wird der Einsatz dieses Analyseinstruments exemplarisch gezeigt. Den Abschluss bildet eine Vorgehensstrategie zur Einfuhrung von TPM am Beispiel eines Modellbetriebs. Diese Arbeit soil Fuhrungskraften die Notwendigkeit naher bringen Managementkonzepte nicht unreflektiert zu implementleren, sondern vielmehr deren funktionale und kulturelle Pramissen zu analysieren und gegebenenfalls fiir die vorgesehene Organisation zu adaptieren. Auf diese Weise wird hiermit ein welterer Beitrag zum besseren Verstandnis der Beziehung Mensch/Technik/ Betriebswirtschaft geschaffen; ganz im Sinne der zugrunde liegenden technookonomlschen Buchreihe. o.Univ. Prof. Dipl.-lng. Dr. Hubert Bledermann

Vorwort Managementkonzepte unter der Lupe - Die Idee zu dieser Arbeit ist den Erfahrungen des Autors aus Kooperationsprojekten mit Industriepartnern verschiedener Branchen entsprungen. Bel diesen Projekten ist aufgefallen, dass FiJiirungskrafte sehr unterschiedlich mit der Einfuhrung von Managementkonzepten umgehen. Die Bandbreite reicht dabei von gleichzeitigen Implementierungsinitiativen mehrerer konkurrierender Konzepte bis hin zu ernsthaften langfristigen Planungs- und Einfuhrungsprojekten. Im Zuge einer mehrjahrigen Beobachtung dieser Unternehmen und Reflexion der wissenschaftlichen Literatur wurden dazu sowohl Erfolgskriterien als auch kritische Faktoren systematisch herausgearbeitet. Alle diese Einzelaspekte wurden schliefilich Stuck fur Stuck zu eIner Gesamtheit zusammengefuhrt und das Ergebnls daraus liegt nun als Buchversion vor Ihnen. Diese Arbeit soil Fuhrungskraften die kritische Schlusselrolle der Organisationskultur im Zuge eIner Einfuhrung von Managementkonzepten aufzelgen und eine Hllfestellung zur erfolgreichen Auswahl, Ausgestaltung und Einfuhrung derartiger Konzepte bieten. Christian Zielowski

Inhaltsiibersicht 1

Einfuhrung

1

2

Forschungsstrategie und Exploration

5

3

Kybemetik komplexer Systeme

25

4

Organisationskultur

43

5

Managementforschung

83

6

Industrielles Betriebsumfeld

123

7

Analyse von Managementkonzepten

147

8

Konzeptanalyse und Implementierungsstrategie am Beispiel

9

von Total Productive Maintenance (TPM)

177

Zusammenfassung und Ausblick

195

Literatur

198

Inhaltsverzeichnis 1

Einfuhrung

1

2

Forschungsstrategie und Exploration

5

2.1

Forschungsstrategie

5

2.2

Stand der wissenschaftlichen Disl^ussion

9

2.3

Exkurs: Neoinstitutionalistische Organisationstlieorie

14

2.3.1 Kernproblemstellungen

14

2.3.2 Neoinstitutionalistische Faktoren

17

2.3.3 Neoinstitutionalistische Kritik an formalen Managementkonzepten

18

2.4

Fragestellungen aus Sicht der betrieblichen Praxis und Kritik am derzeitigen Stand der Forschung

20

2.5

Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit

23

2.6

Zusammenfassung und Uberleitung

24

3

Kybernetik komplexer Systeme

25

3.1

Kybernetische und systemtheoretische Grundlagen

25

3.2

Organisationale Komplexitat

28

3.2.1 Komplexitat und Varietat

29

3.2.2 Komplexitatsbewaltigung

31

3.3

Struktur lebensfahiger Systeme

3.4

Selbstorganisation

3.4.1 Autonomie

33 34 36

3.4.2 Komplexitat

37

3.4.3 Redundanz

37

3.4.4 Selbstreferenz

38

3.4.5 Entwicklung selbstorganislerender Systeme

38

3.5

IVIanagement als Komplexitatsbewaltigung

40

3.6

Zusammenfassung und Uberleitung

41

XII

Inhaltsverzeichnis

4

Organisationskultur

43

4.1

Begriff und Definition der Organisationskultur

43

4.2

Anatomie der Organisationskultur

47

4.3

Funktion und Wirkung der Organisationskultur

49

4.3.1 Funktionale Effekte

50

4.3.2 Dysfunktionale Effekte

51

4.4

Zentrale Elemente der Organisationskultur

54

4.4.1 Mensch- und Organisationsbilder

55

4.4.2 Managementphilosophien

57

4.4.3 Fuhrungsstile

58

4.5 4.6

Organisationskultur als betriebswirtschaftliches Forschungsobjekt

60

Modelle zur Organisationskultur

63

4.6.1 Modell nach ScheJn 4.6.1.1 Artefakte 4.6.1.2 Werte 4.6.1.3 Grundannahmen

64 65 65 66

4.6.2 Modell nach Hofstede

68

4.6.3 Modell nach Heinen

70

4.6.4 Weitere Modelle

72

4.7

Identifikation von Organisationskulturen

73

4.8

Ansatze zum organisationskulturellen Wandel

76

4.9

Zusammenfassung und Uberleitung

80

5

Managementforschung 5.1

Management als Forschungsobjekt

83 84

5.1.1 Begriff des Managements

84

5.1.2 Historische Entwicklung

85

5.1.3 Management in den Betriebswissenschaften

86

Inhaltsverzeichnis

5.2

Management- und Organisationstheorien

XIM

87

5.2.1 Klassische Organisationstheorien 5.2.1.1 Taylorismus 5.2.1.2 Burokratieansatz 5.2.1.3 Betriebswirtschaftliche Organisationslehre (Administrativer Ansatz) 5.2.1.4 Charakteristik der klassischen Organisationstheorien

88 88 90 91 91

5.2.2 Neoklassische Organisationstheorien 5.2.2.1 Human-Relations Ansatz

92 92

5.2.3 Moderne Organisationstheorien

94

5.2.4 Resumee zu Management- und Organisationstheorien

95

5.3

Management ais Koordinationsaufgabe

5.3.1 Organisationale Differenzierung 5.3.1.1 Aufgabenanalyse 5.3.1.2 Organisatorische Arbeitsteilung 5.3.2 Organisationale Koordination 5.3.2.1 Aufgabensynthese 5.3.2.2 Koordination organisationaler Ablaufe 5.3.2.3 Moglichkeiten zur Reduzierung des Koordinationsbedarfs 5.3.2.4 Koordination durch Organisationskultur 5.3.2.5 Instrumente zur Koordination 5.4

Managementkonzepte

97 98 98 99 101 101 101 102 103 104 111

5.4.1 Begriff des Managementkonzepts

111

5.4.2 Typen von Managementkonzepten

114

5.4.3 Umfang von Managementkonzepten

115

5.4.4 Generierung von Managementkonzepten

115

5.4.5 Managementkonzepte im historischen Wandel

117

5.4.6 Integrative Gestaltung von Managementkonzepten

118

5.4.7 Managementsysteme

119

5.5 6 6.1

Zusammenfassung und Uberleitung

121

Industrielles Betriebsumfeld

123

Begriff des Industriebetriebs

126

XIV

Inhaltsverzeichnis

6.2

Industrielle Produktion

6.2.1 Grundstrategie

127 129

6.2.2 Fertigungsstrategien

130

6.2.3 Organisationstypen der Fertigung

131

6.3

Industrielles Aniagen- und Instandhaltungsmanagement

132

6.3.1 Instandhaltungsstrategien

134

6.3.2 Instandhaltungsorganisation

136

6.4

Industriebetrieb als komplexes System

6.4.1 Ziele

137 139

6.4.2 Umwelt

139

6.4.3 Prozesse

140

6.4.4 Mitarbeiter

143

6.4.5 Aniagen

143

6.4.6 Weitere Aspekte

144

6.5 7

Zusammenfassung und Uberleitung Analyse von Managementkonzepten

145 147

7.1

Ableitung der Analysekriterien

147

7.2

Formulierung der Analysekriterien

154

7.3

Vorgehensmodell zur Analyse

166

7.3.1 Analyse von Managementkonzepten und Organisationen

167

7.3.2 Adaption des Managementkonzepts

169

7.4

Implementierung von Managementkonzepten

170

7.5

Zusammenfassung und Uberleitung

175

8

Konzeptanalyse und Implementierungsstrategie am Beisplel von Total Productive Maintenance (TPM) 8.1

Ausgangssituation und Analyse eines Modellbetriebs

177 177

Inhaltsverzeichnis

8.2

Konzeptanalyse von TPM

8.2.1 Konzeptdefinition und Zielsetzung

9

XV

179 180

8.2.2 Historische Entwicklung

181

8.2.3 Konzeptelemente

182

8.2.4 KritikanTPM

185

8.3

Adaption von TPM

186

8.4

Implementierung von TPM

190

8.5

Zusammenfassung

193

Zusammenfassung und Ausblick

Literatur

195 199

Abbildungsverzeichnis Abb. 1-1: Gliederung der Arbeit in schematischer Ubersicht Abb. 2-1: Anzahl der neu-zugegangenen Bucher mit den Schlagworten Organisations- und Unternehmenskultur in den Jahren 1982 bis 2004 im elektronischen Katalog derdeutschen Bibliothek

3

11

Abb. 4-1: Schalendarstellung organisationskultureller Pramissen von Organisationen und Managementkonzepten Abb. 4-2: Prozess-Schritte des organisationskulturellen Wandels

55 78

Abb. 5-1: IVIanagementaufgaben aus Sicht der Komplexitatsbewaltigung und der organisationalen Koordination Abb. 5-2: Moglichkeiten zur organisationalen Koordination

83 104

Abb. 6-1: Thematische Verbindung der vorangegangenen Theorieabschnitte und der Formulierung der Anforderungen fur das industrielle Betriebsumfeld

125

Abb. 7-1: Darstellung der einzelnen Arbeitshypothesen und deren Wechselwirkungen

149

Abb. 7-2: Analyse der Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Elementen

150

Abb. 7-3: Darstellung in Aniehnung an die Analysesystematik nach VESTER

151

Abb. 7-4: Gesamtansicht des Analyseinstruments (Teil 1)

164

Abb. 7-5: Gesamtansicht des Analyseinstruments (Tell 2)

165

Abb. 8-1: AnalyseergebnisTPM (Teil 1)

188

Abb. 8-2: Analyseergebnis TPM (Teil 2)

189

Tabellenverzeichnis Tab. 2-1: Ergebnis der Zeitschriftenanalyse (Dazu wird jeweils die Anzahl der relevanten Artikel und in Klammer die Gesamtanzahl der Artikel angefuhrt)

13

Tab. 2-2: Grunde fur die Einfuhrung von ISO 9001

17

Tab. 3-1: Wissenschaftliche Fachgebiete und deren Vertreter, die mit einem systemorientierten Ansatz arbelten Tab. 3-2: Formen der Komplexitatsbeherrschung

27 32

Tab. 3-3: Entwicklungen und wichtige Vertreter der Selbstorganisationsforschung

35

Tab. 3-4: Charakteristik selbstorganisierender sozialer Systeme

39

Tab. 4-1: Einteilung des Kulturbegriffes in den Sozialwissenschaften Tab. 4-2: Positive und negative Auswirkungen starker

45

Organisationskulturen

53

Tab. 4-3: Typen von Organisations- und Menschenbildern

56

Tab. 4-4: Ubersicht der FiJhrungsstile nach Hersey/Blanchard

59

Tab. 4-5: Vergleich von Organisationskultur, organisationalem Symbollsmus und organisationalem Diskurs Tab. 5-1: Historische Entwicklung von Managementkonzepten

62 95

Tab. 5-2: Vor- und Nachteile der Arbeitsteilung

100

Tab. 5-3: Uberblick der verschiedenen Einteilungsarten der Koordination Tab. 5-4: Vergleich zwischen detailorientierten und

102

rahmengebenden Standards Tab. 5-5: Institutionalislerte Formen der Selbstabstimmung

108 110

Tab. 6-1: Charakterisierung der Produktionswirtschaft nach den Kriterien Variabilitat und Komplexitat Tab. 6-2: Verschieden Typen von Instandhaltungsstrategien Tab. 6-3: Determinanten des Produktions- und Aniagenmanagements Tab. 7-1: Zuordnung der Analysekriterien zu den drei Ebenen des Modells nach Schein

131 135 138 153

Abkurzungsverzeichnis Abb.

Abbildung

bzw.

beziehungsweise

etc.

et cetera

f.

und Folgende (Verweis auf eine Folgeseite)

ff.

und Folgende (Verweis auf mehrere Folgeseiten)

ggf-

gegebenenfalls

s.

Seite

s.

siehe

Tab.

Tabelle

TPM

Total Productive Maintenance

REFA

Reichsausschuss fur Arbeitszeitermittlung

u.a.

unter anderem

usw.

und so welter

VDI

Verein deutscher Ingenieure

vgl.

vergleiche

vs.

versus

z.B.

zum Beisplel

Wer geschickt fragt, lenkt unsere Aufmerksamkeit auf viele Dinge und ISsst uns viele andere entdecken, auf die der Befragte vielleicht niemals von selbst gekommen wSre. Nicold Macchiavelli (1469-1527)

1 Einfuhrung FCir die Losung unterschiedlichster Probleme der industriellen BetriebsfCihrung werden eine Reihe verschiedener Managementkonzepte angeboten. Mit dessen Hilfe sollen Organisationen ihre komplexen Aufgaben und Anforderungen besser und effizienter bewaltigen konnen. Dabei bleibt in vielen Fallen unberucksichtlgt, dass Managementkonzepte generell fur bestimmte nationale Kulturkreise, Branchen, funktionale Organisationsbereiche und spezifische Situationen konzipiert worden sind und die einfache und unreflektierte Ubertragbarkeit

nicht

immer

ohne weiteres

gegeben

ist.

Gerade

neuere

Forschungsergebnisse der Organisationswissenschaften zeigen das Erfolgspotential auf, das nnit der Adaption von Managementkonzepten an spezifische organisationale Rahmenbedingungen verbunden ist. Fur Fuhrungskrafte stehen im Zusammenhang mit der Auswahl und Einfuhrung derartiger Konzepte drei Fragestellungen im Vordergrund: Zum einen die Frage nach der primaren Funktionalitat der Konzepte. Dabei muss geklart werden, ob ein Konzept uberhaupt in der Lage ist die relevanten Anforderungen an einen Industriebetrieb auch wirklich zu losen bzw. bei der Losung zu unterstutzen. Zum anderen die Frage nach der sogenannten organisationskulturellen Kompatibilitat. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die impliziten Pramissen des Managementkonzepts mit den Grundannahmen und Werten der betroffenen Organisation zusammenpassen. Und schliefilich ist die Frage von Bedeutung, wie mit Managementkonzepten umgegangen wird und wie diese ggf. implementiert werden sollen.

2

Einfuhrung

Zur Beantwortung dieser Fragestellungen wird ein Analysemodell fur Managementkonzepte entwickelt, das im Wesentlichen die beiden Kriterien Funktion und Organisationskultur umfasst; der Fokus liegt dabei auf dem produktionsund aniagennahen Betriebsbereich. Im Zuge der Arbeit wird ein konkretes Managementkonzept mithilfe dieses Modelis beispielhaft beurteilt und anschliefiend eine Einfuhrungsstrategie fur einen Beispielbetrleb vorgeschlagen. Die theoretischen Grundlagen zu dieser Arbeit bieten einen Uberblick zu den Grundlagen des Managements, zur Kybernetik komplexer Systeme, zur Organisationskultur und schliefilich zum Industriellen Betriebsumfeld. Diese Arbeit soil dem betrieblichen Praktiker helfen Managementkonzepte nach industrierelevanten Kriterien beurteilen zu konnen. Mithilfe der vorgeschlagenen Analysemethodlk konnen fiir Organisationen ungeeignete Managementkonzepte identlfiziert und gegebenenfalls fiir einen Implementierungsprozess gezielt adaptiert werden. Auf diese Weise soil die vorliegende wissenschaftliche Arbeit einen Beitrag zur erfolgreichen Einfuhrung von Managementkonzepten leisten. Aufbau der Arbeit Die Gllederung der Arbeit umfasst acht Elemente, wobei die ersten vier die theoretlsche Basis und die folgenden die Modellbildung und praktische Umsetzung belnhalten; Abb. 1-1 stellt dazu die Gllederung im schematischen Uberblick dar. Im ersten Kapitel (Kap. 2) nach der Einleitung wird die betriebswissenschaftliche

Basis

bzw. das wissenschaftstheoretische

Paradigma

dargestellt. Im Anschluss daran erfolgt der explorative Tell, der die zentralen Problemstellungen aus der Literatur herausarbeitet. In diesem Abschnitt wird besonders auf die neoinstitutionallstische Organisatlonstheorie eingegangen, die eine zentrale Problemstellung fiir die vorliegende Arbeit mit sich bringt. Aufbauend auf dieser Uberslcht wird die konkrete Vorgehensweise vorgestellt und die Zielsetzung dieser Arbeit in Form von Forschungsfragen formuliert.

Einfuhrung

EINFUHRUNG FORS CH U NGSS TRATEG IE UND EXPLORATION KYBERNETIK KOMPLEXER SYSTEME

ORGANISATIONSKULTUR

Kap.3

MANAGEMENTFORSCHUNG

Kap.4

INDUSTRIELLES BETRIEBSUMFELD

Kap.5

Kap.6

ANALYSEMODELL FUR MANAGEMENTKONZEPTE ANALYSE UND IMPLEMENTIERUNG VON TPM

Kap.8

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Abb. 1-1: Gliederung der Arbeit in schematischer Ubersicht

Die Kapitel 3, 4 und 5 stellen das Aufgabenfeld des Managements aus drei Perspektiven dar: Zunri ersten aus der Sicht der Kybemetik und Komplexitatstheorie, zum zweiten aus der Sicht der Fuhrung und Organisationskultur und zum dritten aus der Sicht der Organisationstheorie und Koordination sozialer Systeme. Im Zentrum der Arbeit (Kap. 6 und 7) steht schllefllich die Entwicklung eines Analysemodells mit dessen Hilfe Managementkonzepte fur das produktionsund aniagennahe Betriebsumfeld nach funktionalen und organisationskulturellen Aspekten charakterisiert werden konnen. Dazu werden, ausgehend von den Besonderheiten des Industriebetriebs, logisch-deduktiv Arbeitshypothesen aufgestellt und schliefllich als Kriterien des Beschreibungsmodells formuliert. Im Kapitel 8 wird die Vorgehensweise zur Analyse und Implementierung von Managementkonzepten am Beispiel von Total Productive Maintenance (TPM) und eines Modellbetriebs illustriert. Dazu werden Konzept und Organisation mithilfe des Kriterienkatalogs analysiert, die dabei auftretende Differenz erfasst

4

EinfiJhrunq

und ein Vorgehenskonzept zur Implementierung vorgeschlagen. Ein Ausblick auf kijnftjge Forschungsbedarfe sowie die Zusammenfassung (Kap. 8) bilden den Abschluss dieser Arbeit.

2 Forschungsstrategie und Exploration Zu Beginn der Arbeit wird an dieser Stelle die gewahlte Forschungsstrategie, der Stand der Literatur und die davon abgeleiteten Problemstellungen zu den Themen Managementkonzepte und Organisationskultur dargestellt. Den Kern dieses Kapitels bildet die Formulierung der zentralen Forschungsfragen fur diese Arbeit. 2.1

Forschungsstrategie

Wissenschaftliches Vorgehen ist durch eine metiiodenorientierte und systennatisciie

Untersuchungs-

sowie

Vorgehensweise

gekennzeichnet.

Diese

Arbeitsweise beginnt bereits in der ersten Phase der Abgrenzung des Untersuchungsgebietes, erstreckt sich uber Untersuchungen und Annahmen bis hin zu Beobachtungen und der Erstellung einer gesamten Theorie. IVIethodeneinsatz, Systematik, Strukturierung und Kategorlsierung sind dabei zentrale Bestandteile.^ Fur die konkrete wissenschaftliche Arbeit mussen die folgenden vier wissenschafts-theoretischen Elemente gestaltet und im voraus festgelegt werden:^ •

Wissenschaftsprogramnn



ProbJemsteiiung



Zielgruppe und Sprache



Methoden

Diese vier Basiselemente stehen in einem interdependenten Zusammenhang und werden im Verlauf eines Forschungsprozesses immer wieder parallel und ubergreifend beantwortet^. Mit der Festlegung der oben

beschriebenen

Elemente determiniert der Forscher seine am Beginn der Arbeit vorhandenen Freiheitsgrade. Da aber im Vorfeld einer wissenschaftlichen Untersuchung eine Reihe von Unsicherheiten die exakte Planung der Vorgehensweise nur sehr schwer moglich machen, muss die Ausgestaltung der Elemente flexibel

s. Chalmers (2001) vgl. Heinen(1969), S. 209 in Aniehnung an Heinen (1969), S. 212

Forschungsstrategie und Exploration

genug fur etwaige Korrekturen sein. Aus diesem Grund werden die einzelnen Elemente hier nicht detailiiert, sondern nur im groben Rahmen festgelegt."^ In den folgenden Abschnitten wird die spezifische Ausgestaltung der wissenschaftstheoretischen Basis-Elemente dieser Arbeit vorgestellt und eriautert. Entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre als wissenschaftstheoretische Basis DIese Arbeit wird dem Paradigma der Entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre unterworfen. Diese von HEINEN^ begrundete Denkschule soil die

Grundlage

fur

die Vorgehensweise

fur

Problemdarstellungen

und

-losungen bilden. Die GriJnde fur diese Wahl liegen in der Praxisnahe und in der fur die Industrie verstandlichen Darstellungsform dieses Ansatzes (Ingenieurdenkweise). Darijber hinaus wird in diesem Wissenschaftsprogramm die Organisation umfassend vonri Individuum uber die Gruppe bis hin zur gesamten Organisation betrachtet. Der normative Charakter dieser Richtung ermoglicht es dem Forscher konkrete Handlungsempfehlungen abzugeben. Das Department Wirtschafts- und Betriebswissenschaften der Montanuniversltat Leoben (WBW) baut in seiner Forschungsarbeit auf diesem wissenschaftstheoretischen Fundament auf und ist wahrscheinlich auch deshalb so erfolgreich in der Kooperationen mit seinen Industrlepartnern. Schliefilich hat die Entscheidungsorientierte Betriebswirtschaft die Organisationskultur als wlchtiges Element seines Forschungsfeldes erkannt und bereits umfassend diskutiert.^

vgl. Heinen(1969), S. 212 s. Heinen (1971) und Heinen (1969) s. Heinen(1987), S. 22ff.

Forschunqsstrateqie und Exploration Die folgenden vier Argumente begrunden die Auswahl und Eignung dieses wissenschaftstheoretlschen Ansatzes fur die vorliegende Arbeit: •

Zielgruppengerechte Sprache



Etablierte Denkschule



Kulturdiskussion bereits integriert



BeriJcksichtigung des sozialen Aspekts

Zielgruppengerechte

Sprache: Damit der Leser Erklarungsmodelle und Ge-

staltungsideen verstehen, aufnehmen und schliefilich fur seine Bereiche nutzbar machen kann, mussen Sachverhalte in einer ihm verstandlichen Art und Weise dargestellt werden. Das bedeutet, dass fur den Leser jene Sprache verwendet werden muss, die er am besten versteht. Diese Arbeit richtet sich in erster Linie an Fuhrungskrafte der Industrie, die belspielsweise in Deutschland grofiteils technisch-naturwissenschaftllch ausgerichtet sind/ Fur den Leserkreis der Fuhrungskrafte des unmittelbaren Produktions- und Anlagenumfeldes trifft diese Denkweise in einem noch grofieren Ausmafi zu. Der uberwiegende Teil der Literatur, der sich mit dem Thema Kultur beschaftigt, kommt jedoch aus dem Bereich der Soziologie und verwendet in erster Linie die Sprache und Begrifflichkelt dieser Forschungsdisziplin. Der dort verwendete Fachjargon ist wiederum fur den Grosstell der industriellen Fuhrungskrafte aufgrund ihres Ausbildungshintergrundes nur schwer verstandlich. SCHREYOGG^ beschreibt eine ahnliche Problematik mit der Literatur der Organisationsentwicklung, die sich sukzessive zu einer Spezialdisziplin fur einen elitaren Leserkreis entwickelt hat. Die Entscheidungsorientierte Betriebswirtschaft soil in diesem Fall die Funktion einer sprachlichen Ubersetzungsplattform einnehmen und die hier behandelten Themen Fuhrungskraften in einer dieser Lesergruppe bekannten Sprache darstellen. Die verwendete Sprache innerhalb der Entscheidungsorientierten Betriebswirtschaft, die auf der faktororientierten Sichtweise von Gutenberg aufbaut, ist fur diese Zielgruppe einfacher zu erfassen und stellt Zusammenhange in einer fur sie bekannten Semantik, Logik und mithllfe eines bekannten Analogierepertoires dar. ^ ^

vgl. Becker (2003) und Bleicher (1983), S. 143 vgl. Schreyogg (1999), S. 522

Forschunqsstrategie und Exploration Etablierte Denkschule: Die Entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre ist sowohl in der Scientific Community, als auch in der betrieblichen Praxis eine bekannte Denkschule. Diese Bekanntheit begriindet sich zum einen auf den LehrbiJchem zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre und Industriebetriebswlrtschaftslehre, die auf Basis dieser Forschungsmethodik verfasst wurden; zum anderen hat die grofie Anzahl von Zeitschriftenveroffentlichungen von Edmund HEINEN und seinen Schulern wesentlich zur Bekanntheit dieser Denkrichtung beigetragen. Berucksichtigung des sozialen Aspekts - Kulturdiskussion bereits integriert: Soziale Aspekte in Organisationen sind expliziter Forschungsfokus dieses WIssenschaftsprogramms. Daruber hinaus wurde innerhalb der Entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre die Debatte um die Organisatlonskultur bereits gefuhrt und als integrativer Baustein aufgenommen.^ Damit sind die wichtigsten Definitlonen, Begriffe sowie Zusammenhange abgestlmmt und festgelegt. Auf diesem theoretischen Fundament wird die vorliegende Arbeit aufgebaut. Problemstellung und Forschungsfragen Die Wahl der Problemstellung wird in weiterer Folge von der literaturbasierten Exploration abgeleitet. Um den Forschungsfokus dieser Arbeit in einer Ubersicht darzustellen, werden eine zentrale Forschungsfrage sowie eine Reihe begeleltender Fragen formuliert (siehe Abschnitt 2.5). Zielgruppe und Sprache dieser Arbeit Diese Arbeit wird sowohl fur den Leser der Scientific Community als auch fur die betriebliche Fuhrungskraft verfasst. Fur den Leser aus der Wissenschaft wird der Text nach den allgemeinen Kriterien wissenschaftlicher Abhandlungen gestaltet. Dabei wird vor allem auf die Nachvollziehbarkeit von Gedanken und Ideen sowie auf die Kritisierbarkeit einzelner Modellelemente geachtet. Die zwelte Zielgruppe umfasst Fuhrungskrafte von Organisationseinheiten Oder gesamter Organisationen. Da der thematische Fokus Jndustrielles Betriebsumfeld" gewahit wurde, zielt diese Arbeit in erster Linie auf

vgl. Heinen (1985), Heinen; Dill (1986) und Heinen (1987)

Forschunqsstrateqie und Exploration Personen mit sowohl technischem als auch betriebswirtschaftlichem Hintergrund ab. Die theoretische Basis wird moglichst einfach dargestellt, detaiilierte Exkurse in angrenzende Fachbereiche der Betriebswissenschaften, wie Soziologie Oder Psychologie werden dabei bewusst vermieden. Verwendete Methoden Die eingesetzten Methoden umfassen die systematische Analyse der Literatur im Zuge der theoriegelelteten Exploration sowie die systematisch deduktive Ableitung von Anforderungen des industriellen Betriebsunnfeldes an Managementkonzepte. Ausgehend von der Formulierung einzelner Anforderungen werden Arbeitshypothesen abgeleitet, die anschlieflend nnithilfe von Abhangigkeitsdiagramm und Vesteranalyse auf ihre Wirkung bezuglich dem System Jndustriebetrieb" untersucht werden. Diese Arbeitshypothesen dienen der Formulierung von Kriterien fur das Analysemodell. Damit liegt der Zweck dieser Hypothesenbildung nicht in deren anschliefienden Uberprufung, sondern in der Funktion als Hilfslnstrument fur die Kriterienbildung. In einem weiteren Schritt wird den einzelnen Kriterien ein vierstufiges Kriterienschema zugrunde gelegt; das resultierende Analysemodell bildet die Basis fur die Beurteilung von Managementkonzepten. Fur den praktischen Einsatz dieses Modells wird eine Vorgehensmethodik entwickelt. Im letzten Abschnitt wird diese Vorgehensmethodik fur das Modell anhand eines konkreten Konzepts und eines Modellbetriebs beispielhaft getestet. 2.2 Stand der wissenschaftlichen Diskussion Inhaltlicher Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Tatsache, dass sich im Zuge der Einfuhrung von Managementkonzepten in vielen Fallen weder deren genaue Zielsetzung noch deren Wirkung auf die Organisationskultur bekannt sind. Die Grunde dieser Unwissenheit sind zum einen ein Mangel an eingeholter Information der Verantwortlichen, zum anderen aber auch ein Mangel in den Beschreibungen der Managementkonzepte. In einem Artikel uber Darstellungen von Excellence-Modellen kommen HERMEL und RAMIS-PUJOL^° vgl. Hermel; Ramis-Pujol (2003)

10

Forschunqsstrateqie und Exploration

zum Schluss, dass die meisten in der Literatur vorgefundenen modernen Beschreibungen von Fuhrungs- und Organisationsmodellen die Adaption an nationale und organisationale, sowie branchenspezifische

Besonderheiten

nicht ausreichend diskutieren. Als Folge werden Managementkonzepte, die fur ein bestlmmtes natlonales Kulturumfeld oder fur bestimmte Organisatlonstypen entwickelt wurden, unreflektiert auf andere Organisationen transferiert. Mit den Grunden des erfolgreichen und weniger erfolgreichen Umgangs von Organisationen mit Managennentkonzepten beschaftigt sich mittlerweile die neoinstitutionalistische

Organisationsforschung

als eine

elgene

Wissen-

schaftsrlchtung. In weiterer Folge wird noch detaillierter auf deren erste Ergebnisse eingegangen (siehe dazu Abschnitt 2.3). Da im Rahmen dieser Arbeit der Organisationskultur eine zentrale Bedeutung zukommt, wird dazu der aktuelle Stand der Literatur dargestellt, auf Basis dieser Recherchen der wissenschaftliche Neuheitswert des Dissertationsfokus argumentlert und schlielilich davon der Forschungsbedarf abgeleltet. Im Zuge der Literaturrecherche wurden die elektronischen Kataloge der Buchbestande der osterreichischen Bibliotheken (Aleph Gesamtkatalog) untersucht. Die meisten Arbeiten, die unter dem Schlagwort Organisationskultur gefunden wurden, beschaftigen sich mit Begrlffen und Subthemen der Kultur, dem Erfassen der Kultur, dem Kulturwandel, der Kultur im Zusammenhang mit Fuhrung sowie dem Verhalten von Organlsationsmitglledern. Dm die zeitliche Entwicklung dieses Themenberelches darzustellen wurde eine Detailrecherche im elektronischen Katalog der deutschen Bibliothek durchgefuhrt. Dieser Katalog beinhaltet die deutschsprachige Literatur am umfassendsten.

Ein

Paralleluntersuchung

im

Katalog

der

Bibliothek

der

Wirtschaftsuniversltat Wien hat in diesem Zusammenhang nur eine Teilmenge hervorgebracht. Die Abfrage wurde in den Suchfeldern „Schlagworte" und „Titelworte", einmal mit dem Suchwort Unternehmenskultur und einmal mit Organisationskultur durchgefuhrt. Die Einzelabfragen wurden dabei mit den Erscheinungsjahren 1982 bis 2004 erweitert. Auf diese Weise kann die zeitliche Entwicklung der Schlag- und Titelworte nachvollzogen werden (siehe Abb. 2-1). Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass der Begrlff der Unter-

11

Forschungsstrategie und Exploration

nehmenskultur gegenuber dem Begriff der Organisationskultur uberwiegt. Der Diskussionsbeginn dieser Thematik startet in der Mitte der 1980er Jahre, wobei besonders viele themenrelevante Bucher zwischen den Jahren 1990 und 1996 veroffentlicht wurden. In den letzten Jahren scheint zumindest der Begriff Unternehmenskultur wieder an Bedeutung zu gewinnen.

70 o :3 CD ,0)

!E o 12 0)

-Organisationskultur • (0 N

• Unternehmenskultur

c

2004

< Erscheinungsjahr

Abb. 2-1: Anzahl der neu-zugegangenen Bucher mit den Schlagworten Organisations- und Unternehmenskultur in den Jahren 1982 bis 2004 im elektronischen Katalog der deutschen Bibliothek. Im Zuge dieser Recherche wurden nur wenige Arbeiten gefunden, die sich spezifisch mit der kulturorientierten Analyse von Managementkonzepten beschaftlgen. Zum einen sind das die Arbeiten von WALGENBACH^^ zur neoInstitutionalistischen Organisationstheorie, zum anderen zwei Diplomarbeiten^^ sowohl Im betrieblichen als auch universitaren Umfeld. Eine spezlfische Abhandlung zur Anpassung von Qualitatsmanagement an die Nationalkultur wurde von LAGROSEN^^ erstellt.

s. Walgenbach (2000), Walgenbach (2002) und Walgenbach; Beck (2003) s. Kollmann (1991) und Szirota (1992) s. Noronha (2003)

^2

Forschungsstrateqie und Exploration

Im Zuge der Vorstudie wurde auch die Diskussion in Fachzeitschriften analysiert. Dazu wurden die wissenschaftlichen Publikationsforen ZfB^"^, zfbf^^ und DBW^^ als die wichtigsten allgemein-betriebswirtschaftlichen Zeitschriften^'' auf den Themenbereich Organisationskultur hin untersucht. Als Analysezeitraum wurden die zehn Jahre zwischen 1993 und 2003 festgelegt. Die Analysemethodik basiert auf einem mehrstuflgen Vorgehen, wobei in einem ersten Schritt die Titel der einzelnen Artikel in den Jahresregistern der Zeitschriften vorgesichtet wurden. In einem Folgeschritt wurden Kurzfassung bzw. der ausgewahlte Artikel selbst gesichtet. Abschliefiend beurteilte der Autor nach seinem subjektiven Empfinden, ob der jeweilige Artikel zum Themenkreis ..Organisationskultur" zahit oder nicht. Diese Recherche ist einerseits eine geeignete Methode systematisch Literatur aufzufinden; andererseits kann auf diese Weise die fachspezifische Diskussion uber einen bestimmten Zeitraum in quantitativer Form dargestellt werden. Das Ergebnis der durchgefuhrten Untersuchung wird in Tab. 2-1 prasentiert.

Zeitschrift fur Betriebswirtschaft Zeitschrift fur betriebswjrtschaftliche Forschung Die Betriebswirtschaft s. Lagrosen (2002) und Matzler et al. (2001)

Forschunqsstrateqie und Exploration

13

Tab. 2-1: Ergebnis der Zeitschriftenanalyse (Dazu wird jeweils die Anzahl der relevanten Artikel und in Klammer die Gesamtanzahl der Artikel angefuhrt) Erschein- DBW ungsjahr

ZfB

zfbf

Hauptthemen der relevanten Artikel

gesamt

10(414)

6(687)

10(364)

2003

1^^(28)

1^^(47)

2^° (34)

Ethik, Innovationskultur

2002

1^^ (35)

0(54)

0(32)

Subkulturen

2001

1^2(34)

0(71)

0(37)

Unternehmenszusammenschluss

0(26)

0(61)

1^^(31)

Wissenskultur

1999

12^^(42)

0(64)

0(47)

Nationale Kultur

1998

0(46)

2^^ (60)

0(47)

Nationale Kultur, Reorganisation

1997

0(43)

0(60)

3^^ (47)

Ethik, Mobbing

1996

2^^ (42)

1^^(71)

0(46)

Verhalten, Wandelprozess

1995

2^^ (39)

0(61)

1^°(50)

Ethik, Kultur: Review

1994

0(38)

2^^ (80)

0(47)

Frauenforderung, Fuhrungskultur

1993

2^2(41)

0 (67)

3^^ (48)

Ethik, Sozialkompetenz

1 2000

Schlrmer (2003) Gilbert (2003) Zwick (2003), Ernst (2003) Sackmann et al. (2002) Stahl(2001) Kubitschek; Meckl (2000) Stahl(1999) Burchert (1998) und Kley (1998) Homann (1997), Grabner-Krauter (1997) und Krakel (1997) Weibler (1996) und Alewell (1996) Meyer-Piening (1996) Homann; Blome-Drees (1995) und Krell (1995) Steinmann; L6hr(1995) Geyer; Steyrer (1994) und Albach (1994) Kirsch; zu Knyphausen (1993), Rebstock (1993) und Ulrich; Thielemann (1993) Grofie-Oetringhaus (1993), Pies; Blome-Drees (1993) und Hax (1993)

14

Forschunqsstrategie und Exploration

In der ZfB wurden auf diese Weise sechs Artikel von jnsgesamt uber 680 erschienen ausgewahlt. Bei der zfbf wurden zehn Artikel von 364 und bel der DBW zehn Artikel von 414 fur das Themenumfeld Organisationskultur als relevant befunden. Insgesamt wurden also 26 relevante Artikel detektiert. Als ein weiteres Ergebnis konnte gezeigt werden, dass sich keine Veroffentlichung im Betrachtungszeitraum nnit einer ahnlichen Themenstellung wie hier auseinandersetzt. 2.3 Exkurs: Neoinstitutionalistische Organisationstheorie Die systennatische Untersuchung des Umgangs von Organisationen mit Managementkonzepten hat sich als eine neue Forschungsrichtung innerhalb der Betriebswissenschaften im Laufe der letzten Jahre zu etablieren begonnen. Diese Wissenschaftsdiszlplin wird als neoinstitutionalistische Organisationstheorie bezeichnet und ist mittlerweile eine der fuhrenden Organisationstheorien in den USA und gewinnt auch in Europa stetig an Bedeutung. Zur theoriebegrijndenden Basisliteratur zahlen die drei Artikel von MEYER; ROWAN (1977), DIMAGGIO; POWELL (1983) sowie ZUCKER (1977). Eine Zusammenfassung dieser Beitrage fuhrt WALGENBACH^"^ an, TERBERGER^^ beschreibt die historische Entwicklung sowie die Problemstellungen der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie im Uberblick.^^ Im folgenden Abschnitt wird diese neue Richtung vorgestellt und deren Problemstellung fur die Formulierung der Forschungsfragen dieser Arbeit genutzt. 2.3.1

Kernproblemstellungen

In der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie Ist es die institutionelle Umwelt, die den Zweck und die Zielsetzung einer Organisation festlegt. Die „Neoinstitutionalisten" argumentieren, dass die Ausgestaltung der formalen Struktur der Organisation aufgrund Institutionalisierter Erwartungen der Umwelt erfolgt. Bestimmte Organisationsformen

oder

Managementpraktiken

existieren somit nicht aufgrund ihrer Funktion (wie beispielsweise

der

Produktivitatsoptimierung), sondern well sie institutionalisierten Erwartungen vgl. Walgenbach (2002), S. 159f. s. Terberger (1994) vgl. Walgenbach; Beck (2003), S. 498 und Walgenbach (2002), S. 175f.

Forschungsstrategie und Exploration

15

entsprechen. Damit richtet sich der Forschungsfokus auf die Legitimitat und Einbettung von Organisationen sowie auf die formalen strukturen und Managementpraktiken

Organisations-

in einem kulturellen oder gesell-

schaftlichen Kontext.^'' Dabei stellt sich die Frage, warum Organisationen in unterschiedlicher Weise auf institutionalisierte Anforderungen reagieren. Weiters gilt es zu klaren, warum Organisationen bestimmte institutionalisierte Strukturelemente oder Managementpraktiken ubernehmen bzw. nicht ubernehmen. Die Literatur bietet dazu die folgenden zwei Antworten: Zum einen werden Unterschiede im Grad der Strukturgleichheit auf Unterschiede in den institutionalisierten Anforderungen zurijckgefuhrt. Zum anderen werden die Grunde fur die Unterschiede in einem organisationalen Feld gesehen.^^ Im weiteren versucht die neoinstitutionalistische Organisationstheorie den Prozess der Bildung von Institutionen zu erklaren. Am Anfang eines derartigen Institutionalisierungsprozesses stehen in der Regel einzelne Organisationen Oder Gruppen von Organisationen, die neue Strukturen oder Managementkonzepte entwickein, um interne Probleme zu losen. Fuhren diese neuen Organisationsstrukturen

oder einzelnen strukturellen

Elemente zu einer

Verbesserung der Effizienz, verbessert sich die Wettbewerbsposition dieser Organisationen. Dies zieht wiederum die Aufmerksamkeit der Mitbewerber an, die nach den Ursachen des Erfolges suchen. Bei dieser Suche identifizieren sie die neue strukturelle Losung oder die neue Managementpraxis und ubernehmen diese. In diesem Zusammenhang analysieren Beratungsunternehmen und Wirtschaftswissenschafter insbesondere erfolgreiche Organisationen, um deren Erfolgsfaktoren zu identifizieren. Sind solche identifiziert, tragen sie beispielsweise durch Veroffentlichungen zu deren Verbreitung bei, wobei haufig organisationsspezlfische Rahmenbedingungen unberucksichtig bleiben und die Wirksamkeit der neuen Konzepte verallgemeinert wird. In weiterer Folge entwickein sich Vorstellungen von rationaler Organisationsgestaltung, die zunehmend als selbstverstandlich erachtet und nicht mehr hinterfragt werden. Manager von weniger erfolgreichen Organisationen ubernehmen unvgl. Walgenbach; Beck (2003), S. 497 und Walgenbach (2002), S. 159 vgl. Walgenbach (2002), S. 171

^6

Forschunqsstrategie und Exploration

kritisch, d.h. ohne genau zu prufen, ob ein derartiges Managementkonzept Probleme der eigenen Organisation losen kann. Schliefiilch wird erwartet, dass Organisationen bestimmte Strukturelemente aufweisen, auch wenn diese in einer spezifischen Situation gar nicht erfolgsversprechend sind; dennoch fugen sich Organisationen den Erwartungen externer Anspruchsgruppen, und impienfientieren die geforderten Strukturelemente. Die Organisation erfullt somit die institutionalisierten Erwartungen und sichert ihre Legitimitat.^^ Zur

Unterstutzung

der

oben

angefuhrten

Vermutungen

der

neo-

institutionalistischen Organisationsforschung haben DOUGLAS u.a.'^^ eine Untersuchung zur Erhebung der Grunde fur die Einfuhrung der ISO 9001 durchgefuhrt. Dazu wurden 200 Unternehmen des Dienstleistungssektors und der Produktion in Grofibritannlen befragt. Die Ergebnisse (siehe Tab. 2-2) zeigen, das die Einfuhrung in vielen Fallen mit den Anforderungen und dem Druck der Stakeholder begriindet wird. Ahnliche Untersuchungen hat auch WALGENBACH'^^ in der deutschen Industrie durchgefuhrt. Dabei wurde der Unngang von Organisationen mit der ISO 9001 und die damit verfolgten Zielsetzungen erhoben. KIESER"*^ u.a. fuhrt in diesem Zusammenhang Einfuhrungsgrtinde von formellen Managementsystemen aufgrund legislativer Stakeholderanforderungen an.

vgl. Walgenbach; Beck (2003), 8. 498f. vgl. Douglas et al. (2003), S. 320ff. s. Walgenbach (2000) s. Kieser et al. (2002), S. 395f.

Forschungsstrateqie und Exploration

17

Tab. 2-2: Grunde fur die Einfuhrung von ISO 9001^ Qrunde fur die Einfuhrung

Anteil der Meldungen (%)

Urn bei Ausschreibungen berucksichtigt zu werden

69

Unn das Kundenservice zu verbessern

57

Urn die organisationale Leistung zu verbessern

54

Urn kijnftige Kundenwunsche aufzunehmen

47

Urn Marktanteile zu erhohen

47

Urn Markting-Vorteile zu erzielen

46

Urn Managementsystenne zu integrieren

21

Urn Marktfuhrerschaft zu erzielen

9

Keine spezifischen Grunde

2I

2.3.2 Neoinstitutionalistische Faktoren In verschiedenen Studien wurden Faktoren identifiziert, die einen Einfluss auf die Anpassung an institutionalisierte Erwartungen und die Ubernahme von Managementkonzepten haben. Zu diesen Faktoren zahlen die Grofle der Organisation, aufgabenbedingte Anforderungen, Zeitpunkt der Adaption, Vernetzung der Organisation sowie der fachllche Hintergrund des Managements.'^'^ Grofie

der Organisation:

Grosse Organisationen werden von

externen

Anspruchgruppen (z.B. Kapitalgebern, Medien, etc.) intensiver beobachtet als kleine Organisationen. Die Intensitat, mit der Organisationen beobachtet werden, beeinflusst die Wahrscheinlichkeit der Ubernahme institutionalisierter Strukturelemente und Managementpraktiken. Grosse Organisationen neigen eher dazu, sich institutionalisierten Anforderungen zu fiigen.'*^

vgl. Douglas et al. (2003), S. 321 vgl. Walgenbach (2002), S. 173 vgl. Walgenbach (2002), S. 173

18

Forschunqsstrateqie und Exploration

Aufgabenbedingte Anforderungen: Vor allem die Ablehnung institutionalisierter Strukturelemente

und Managementpraktiken

beruht zu einem Teil

auf

spezifischen aufgabebedingten Anforderungen, die neuen Elementen kontrar gegenuberstehen. Darunter konnen sowohl spezifische Fertigungsverfahren als auch organisationspolitische Uberlegungen fallen."^^ Fruhe Adaptoren vs. spate Adaptoren: Frijhe Adaptoren neigen tendenziell zu einer Anpassung neuer Managementkonzepte an die eigene Organisation, spate Adaptoren hingegen ubernehnnen unreflektiert Standardlosungen. Eine BegriJndung dieses Verhaltens konnte sein, dass fruhe Adaptoren die eigene Gestaltungsfreiheit zum Ziel haben, spate Nachfolger hingegen sich dem normativen Druck ihrer Umwelt beugen."^^ Weitere Faktoren, die die Ubernahme von Managementkonzepten wesentlich beeinflussen, sind die Mitgliedschaft der Organisationsmitglieder in anderen Organisationen, soziale Netzwerke, die Art der Beziehung zu und Umgang mit externen Anspruchsgruppen, die interne Dynamik von Organisationen und die Ausbildung sowie der fachliche HIntergrund des Managements."^® 2.3.3 Neoinstitutionalistische Kritik an formalen

Managementkonzepten

KIESER"^® u.a. fuhrt in einer breit angelegten Argumentation die Probleme und Schwierigkelten von normativen Managementkonzepten (-systemen) an. Dazu werden bezuglich der Normen ISO 9001 und ISO 14000 folgende Kritikpunkte angefuhrt:

vgl. Walgenbach (2002), S. 173 vgl. Walgenbach (2002), S. 174 vgl. Walgenbach (2002), S. 174ff. vgl. Kieser et al. (2002), S. 404ff.

Forschunqsstrateqie und Exploration •

1g

Normative Managementkonzepte stehen meist in der Tradition der klassischen Managementlehre (Zentralisation der Leitung, Existenz eines „one best ways" der Organisation)



Pragmatische Losungen werden angefiJhrt



Auditlerungen als Zeichen einer Misstrauenskultur



Auditierungen zielen In erster Linie auf Dokumentenvollstandigkeit ab



Projektionsoffene Formullerungen (beispielswelse die Forderung nach „angemessener Dokumentation")



Normkonformitat muss nicht zu besserer Produktqualltat oder Umweltleistung fuhren

Daruber hinaus sieht KIESER u.a. sogar einen Widerspruch in der Verfolgung normativer

IVIanagementkonzepte

und

der

Innovatlonsfahigkeit

sowie

Flexibilltat von Organisatlonen. In der betrlebllchen Praxis scheinen Unternehmen nur dann erfolgreich zu sein, wenn die Anforderungen der Normen von den realen Arbeitsprozessen entkoppelt werden. Dies ermoglicht es von Stakeholdern geforderte Strukturelemente vorweisen zu konnen, wahrend die tatsachlichen Ablaufe an die relevanten Umstande angepasst und variiert werden. In diesem Fall ubernimmt die formale Struktur eine Art „Felgenblattfunktion".^° Zusammenfassend

kann

festgehalten

werden,

dass

der

Druck

von

Stakeholdern oder auch der Drang zur Nachahmung Organisatlonen dazu bewegt Managementkonzepte von anderen zu iibernehmen. Dabel ubernehmen erfolgreiche Organisatlonen diese Konzepte in adaptierter Form und weniger erfolgreiche Organisatlonen diese Konzepte unreflektiert und unadaptiert. Die Bedeutung der neolnstltutlonalistlschen Organlsatlonstheorle fur die vorllegende Arbeit llegt In der gemeinsamen Ausgangslage und Problemstellung. Daruber hinaus bletet diese Theorie die Begrundung fur die Entwicklung eines Analyselnstruments fur Managementkonzepte als Basis fur deren mogliche Adaption.

vgl. Kieser et al. (2002), S. 412f.

20

Forschunqsstrateqie und Exploration

2.4 Fragestellungen aus Sicht der betrieblichen Praxis und Kritik am derzeitigen Stand der Forschung Ausgehend von der oben angefuhrten IJteraturbasierten Exploration und Uberlegungen aus der industriellen Praxis werden an dieser Stelle die wesentlichen wissenschaftlichen Problemstellungen zusammengefasst. Anschllefiend werden aus dieser Aufstellung die zentralen Forschungsfragen fiir die vorliegende Arbeit formuliert. Fur

die

Industrie

stellen

sich

im

Zusammenhang

mit

dem

Thema

Organisationskultur laut NEUBAUER vier zentrale Fragen, zu welchen die Literatur bisher noch kaum zufriedenstellende Antworten liefert:^^ •

Ermittlung der Subkulturen in der elgenen Organisation



Prufung der Kultur auf Eignung fur geplante Strategien



Ermittlung der Bereiche potentieller Kulturkonflikte bei Fusionen und Ubernahmen



Messung der Entwicklung von Organisationskulturen

Daruber hinaus formuliert NEUBAUER^^ folgende Kritik am derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Literatur, die sich mit der Thematik Organisationskultur auseinandersetzt: Probleme werden oft nur in einer Organisation erfasst also exemplarisch gepruft. Die Abhandlungen enthalten meist Einzelbehauptungen wobei grofiere Zusammenhange und Darstellungen in geschlossenen Kausalketten fehlen. Und schlielilich existiert eine Vielzahl unterschledlicher Modelle, wobei der Anwender bei deren Auswahl nicht weiter unterstutzt wird. HERMEL und RAMIS-PUJOL^^ formulieren Im Zuge einer umfassenden Studie zum Begriff Excellence folgende Hauptkritikpunkte schreibung neuer Fuhrungs- und Managementmodelle

bei der Be-

in der

Literatur:

Uberwiegend nur spezifische und exemplarische Untersuchungen, fehlende Elnfiihrungsmodelle fur Managementkonzepte und fehlende

umfassende

Konzeptbeschreibungen. Diese Anmerkungen zur Literatur um den Begriff

vgl. Neubauer (2003), S. 172ff. vgl. Neubauer (2003), S. 170ff. vgl. Hermel; Ramis-Pujol (2003), S. 241f.

Forschunqsstrateqie und Exploration

21

Business Excellence konnen in einem einfachen Analogieschluss generell auf Managementkonzepte ubertragen werden: Uberwiegend

spezifische

und exemplarische

Untersuchungen:

Konzepte

werden in einem bestimmten kulturellen Umfeld entwickelt und anhand betrieblicher Einzelerfolge in der Literatur beschrieben. Dabei fehit oft der Hinweis, dass diese Modelle und Instrumente zwar in dem einen beschriebenen Kulturkreis Gultigkeit haben, aber nicht unbedingt in einem anderen. Im weiteren fehlen Handlungsempfehlungen zur Adaption der Instrumente an national-kulturelle Besonderheiten. Fehlende

Einfuhrungsmodelle

fur

Managementkonzepte:

Fuhrungskrafte

werden zu wenig bei der Einfuhrung von Managementmodellen mithilfe konkreter

Handlungsempfehlungen

unterstutz.

Nachdem

die

Betriebs-

wirtschaftslehre sich zunehmend von der mechanisch-technischen Sicht wegbewegt zu einer Sichtweise, in der die Organisation als komplexes soziales System verstanden wird, mussen auch die Einfuhrungsmethoden uberdacht und angepasst werden. Fehlende

umfassende

Konzeptbeschreibungen:

Generell werden in der

Literatur die Bereiche Einfuhrungsmethoden, Schulung, Instrumente und Messung zu wenig behandelt. In einem ersten Ansatz schlagen die Autoren vor, sich an die Diskussion und die Lbsungswege des Qualitatsmanagements anzulehnen. Literaturstudien zum Thema Business Excellence fokussieren mit wenigen Ausnahmen auf Konzerne und grofie Unternehmen. Daruber hinaus existiert auch ein Ungleichgewicht in der Behandlung von privaten und offentlichen Unternehmen, sowie kaum eine Unterscheidung zwischen Produktion und Dienstleistung. Schliefilich erheben Beschreibungen von Managementkonzepten den Anspruch fur alle Sub-Organisationsbereiche in gleicher Weise zu gelten. SCHEIN nennt die folgenden vier Grunde, die es Wert erscheinen lassen, sich mit dem Thema Organisationskultur auseinander zusetzen: Dazu fuhrt er das Verstandnis fur Subkulturen in einer Organisation, das Verstandnis fur die Wirkung neuer Technologien (neue Technologien bringen neue Berufsgruppen in Organisationen, die wiederum ein eigenes und neues Kulturverstandnis mit

22

Forschungsstrateqie und Exploration

sich fuhren), den Zusammenschluss von Untemehmen und die Erfassung der Lern-, Veranderungs- und Entwicklungsbereitschaft von Organisationen, an. Aus wissenschaftlicher und unternehmenspraktischer Sicht sind drei Problemfelder im Zusammenhang mit Kultur von Relevanz: Die Sozialisation, das Verhalten sowie die Bildung einer einheitlichen Kultur.^"^ Aus neoinstitutionalistischer Sichtweise (siehe dazu Abschnitt 2.3) stellt sich die Frage, warum Organisationen in unterschiedlicher Weise auf Anforderungen ihrer Umwelt reagieren. Weiters gilt es zu klaren, warum Organisationen bestimmte institutionalisierte Strukturelemente oder Managementpraktiken ubernehmen bzw. nicht ubernehmen und in wie weit der Erfolg einer Organisation mit der Adaption derartiger institutionalisierter Konzepte korreliert. Empirische Untersuchungen von WALGENBACH^^ zum Umgang der Industrie mit Managementkonzepten zeigen einerseits eine Entkopplung der Normanforderungen von den tatsachlich ablaufenden Prozessen und andererseits eine Adaption und Interpretation im Sinne der Organisation. Daruber hinaus verfolgen Organisationen mit derartlgen Konzepten Zwecke, die ursprCingllch nicht geplant und konzipiert wurden. Dazu konnen belspielsweise die Motivation der Mitarbeiter, das Schaffen von Transparenz und das Senken von Kosten angefuhrt werden. Dies legt die Vermutung nahe, dass Managementkonzepte oder -Instrumente nicht nur aufgrund ihrer Wirkung per se, sondern als Mittel zum Zweck eingesetzt werden. Das helfit, dass es der Fuhrungsprozess 1st, der mithllfe geeigneter und adaptierter Konzepte verbessert und optlmiert wird. Diese Vermutung, die nach neoinstitutionaler Sichtweise In erster Linie das Verhalten erfolgreicher Organisationen widersplegelt, wirft die Frage nach der eigentllchen Rolle und Aufgabe von Managementkonzepten auf. Ein weiteres Argument fur die Adaption von Managementkonzepten findet sich In der Einfuhrung des aniagenspezlfischen

Managementkonzepts

Total

Produktive Maintenance (TPM)^^ In nicht-japanischen Unternehmen. Nachdem vgl. Schein (1995), S. 10ff. und S. 25ff. s. Walgenbach (2000), S. 279ff. eine detaillierte Konzeptdarstellung von TPM findet sich in 8.2

Forschunqsstrategie und Exploration

23

die japanische Industrie grofle Erfolge mithllfe von TPM erzielt hat, begannen sich auch europaische und US-amerikanische Unternehmen fur dieses Konzept zu interessieren. Erste Unternehmen, die sich mit einer Einfuhrung auselnandergesetzt haben, waren jedoch nurwenig erfolgreich. HARTMANN^'' fuhrt dieses anfangliche Scheitern auf die fehlende kulturelle Adaption nationaler Besonderheiten zuruck. Als Beispiele fur japanische Besonderheiten werden dabei konsequente Zielverfolgung, langfristiges und preventives Denken, Geduld in der Umsetzung, hoher Arbeitseinsatz, Affinitat zur Gruppenarbeit angefuhrt^^. HARTMANN begann als Konsequenz darauf einen neuen US-amerikanischen/europaischen Ansatz zu entwickein und fordert dazu auf, Konzepte an die Besonderheiten der jeweiligen Organisation anzupassen und zu adaptieren. TPM ist, in mittlerweile adaptierter Form, sowohl in Europa als auch in den USA heute weit verbreitet und erfolgreich. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es eine Reihe ungeloster Fragen im Spannungsfeld Managementkonzepte, Einfuhrung derselben und Organisationskultur gibt. Ein Schliissel zum erfolgreichen Umgang mit Managementkonzepten liegt scheinbar in deren detaillierter Analyse und konsequenter

Adaption

an spezifische

kulturelle

Rahmenbedingungen

der

betroffenen Organisation. 2.5 Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit Ausgehend von den oben angefuhrten, aus der Literatur abgeleiteten, Fragestellungen werden die folgenden Forschungsfragen fiir diese wissenschaftliche Arbeit formuliert: •

Welche Anforderungen stellt das industrielle Betriebsumfeld an Manage-



Welche impliziten Pramissen, die sich auf die Organisationskultur aus-

mentkonzepte? wirken, stehen hinter Managementkonzepten? •

Wie konnen Organisationen bei der Auswahl und Implementierung von Managementkonzepten vorgehen?

57 58

vgl. Hartmann (1995), S. 29ff. s. auch Schneidewind (1991)

24

Forschungsstrategie und Exploration

Um diese Forschungsfragen zu beantworten wird am Beginn die Charakteristik komplexer sozialer Systeme dargestellt und dazu Losungsansatze aus der Managementtheorie diskutiert; davon abgeleitet werden Anforderungen an das Management des industriellen Betriebsumfeldes formuliert. In einem weiteren Schritt wird mithilfe einer literaturbasierten Exploration das Phanomen der Organisatlonskultur eriautert. Darauf aufbauend werden Kriterien ausgearbeitet, mit deren Hllfe jene Pramissen von Managementkonzepten erfasst werden konnen, die sich auf die Organisatlonskultur auswirken. Auf diese Weise entsteht ein Instrument, mit dessen Hilfe sowohl die funktionalen als auch organisationskulturellen Aspekte von Managementkonzepten erhoben werden konnen. Im letzten Abschnitt wird eine Vorgehensweise vorgestellt, die Industriebetriebe bei der Auswahl und Implementierung von Managementkonzepten unterstutzt und Handlungsanweisungen zur Verfugung stellt. Diese Arbeit soil Fiihrungskraften die Notwendigkeit naher bringen Managementkonzepte nicht unreflektiert zu integrieren, sondern vielmehr deren funktionale und kulturelle Pramissen zu analysieren und ggf. fur die vorgesehene Organisation im Vorfeld zu adaptieren. 2.6 Zusammenfassung und Uberleitung Die Forschungsstrategie beschreibt die wissenschaftliche Vorgehensweise dieser Arbeit. Dazu wird auf die Entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre als zugrundeliegende wissenschaftstheoretische Basis eingegangen, die Zielgruppe festgelegt und die eingesetzten Methoden angefuhrt. In weiterer Folge wird die wissenschaftliche Diskussion zum zentralen Thema der Organisatlonskultur wiedergegeben. Dabel zeigt sich, dass Kultur nur wenig und dessen Kombination mit Managementkonzepten bisher kaum in der betriebswirtschaftlichen Literatur prasent ist. Ausgehend von Frage- und Problemstellungen aus der Literatur und insbesondere abgeleitet von den Erkenntnissen der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie, werden die zentralen Forschungsfragen formuliert. Diese werden im Zuge der vorliegenden Arbeit behandelt und schliefilich mithilfe eines Analyseinstruments beantwortet.

3 Kybernetik komplexer Systeme Die Koordination von Organisationsmitgliedern und deren Teilaufgaben in komplexen Systemen und Situationen ist eine zentraie Aufgabe des Managements und somit auch von Managementkonzepten. Urn die Anforderungen an diese Koordinationsfunktionen herauszuarbeiten, werden im folgenden Abschnitt die grundlegenden Steuerungsprinzipien sozialer Systeme dargestellt. Dazu werden die theoretischen Grundlagen der Kybernetik und Systemtheorie eriautert und diskutiert. Mithilfe dieses wissenschaftllchen Grundrustzeuges werden soziale Systeme allgemein und soziale Organisationen im Speziellen beschrieben und deren Funktionen erfasst. Zum einen wird dabei auf die organisationale Komplexitat, die Struktur lebensfahiger Systeme und die organisationale Selbstorganisation eingegangen. Zum anderen werden konkrete Handlungsalternativen des Managements auf Basis der eingangs angestellten kybernetischen Uberlegungen illustriert. 3.1 Kybernetische und systemtheoretische Grundlagen Die Kybernetik ist die Wissenschaft von der Gestaltung und Lenkung dynamischer

Systeme^^,

die

Systemtheorie

beschaftigt

sich

mit

den

Elementen von Systemen und deren Relationen. Beide Wissenschaften sind zu Beginn der 1940er Jahre entstanden und haben ihren Ursprung in den Erkenntnissen von Norbert WIENER, der auch Namensschopfer der Kybernetik ist. Die Kybernetik hat sich aus der Notwendigkeit heraus entwickelt, konkrete, komplexe und somit schwierige Problemstellungen der Ingenieurs- und Naturwissenschaften zu losen. WIENER erkannte hinter den unterschiedlichen Problemen das ubergeordnete Prinzip des Verstehens von Lenkungsvorgangen. Die Kybernetik versucht diese Grundprinzipien der Lenkung und Selbststeuerung in Form von Analogieschlussen von Lebewesen auf andere, wie technlsche Oder soziale Systeme, zu ubertragen. Bei der Analyse derartiger Lenkungsvorgange der Natur wurden grundlegende Erkenntnisse gewonnen wie beispielsweise,^°

vgl. Ulrich(2001), S. 42ff. vgl. Ulrich(2001), S. 42ff.

26 •

Kybemetik komplexer Systeme dass die Lenkung unter veranderlichen Bedingungen ein erfolgreicher Anpassungsprozess eines Systems an seine Umwelt ist,



dass Lenkung Informationsverarbeitung

bedeutet und nur auf infor-

mationeller Ebene erfasst werden kann, •

dass die Struktur eines Systems seine Lenkungsmoglichkeiten begrenzt und



dass die Ruckkoppiung einen uberall feststellbaren Vorgang von grofier Bedeutung fur die Lenkung darstellt.

Die Systemtheorie

bietet eine Reihe von Begnffen und Beschreibungs-

methoden fur Systeme, die wiederum als Basis fur die Beschreibung der Kybemetik dienen. Somit stellen diese beiden Wissenschaftsdisziplinen ein synergetisches Paar dar. Beide Richtungen wurden im Grofien und Ganzen parallel entwickelt^\ ULRICH definiert die Systemtheorie als formale Wissenschaft von der Struktur, den Verknupfungen und dem Verhalten

von

Systemen. Als System wird dabei die geordnete Gesamtheit von Elementen, zwischen denen irgendwelche Beziehungen bestehen oder hergestellt werden konnen, bezeichnet.^^ Systeme konnen sowohl ideel oder reel als auch kunstlich oder naturlich sein. Aus der Anzahl der Elemente und deren Beziehungsmoglichkelten resultieren eine Vielzahl moglicher Systemkonfiguratlonen. Die Idee und die Begrifflichkeit des systemischen Denkens ermoglicht die Kategorlsierung und Analyse wirklicher Erscheinungen auf eine einfache und einheitliche Weise. Somit nimmt die Systemtheorie einen formalwissenschaftlichen Charakter ein. In Tab. 3-1 werden die wichtigsten Vertreter der Systemtheorie in den unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen angefuhrt.^^

62 63

vgl. Ulrich(1970), 8. 102 vgl. Ulrich(1970), S. 105 vgl. Ulrich (1970), S. 111 und Haberfeliner (1975), 8. 6ff.

Kybernetik kompiexer Systeme

27

Tab. 3-1: Wissenschaftliche Fachgebiete und deren Vertreter, die mit einem systemorientierten Ansatz arbeiten.®"^

Wissenschaftliches Fachgebiet

Vertreter

Wirtschaft

Gomez, Probst, Beer, Ulrich, Malik, Schwaninger, Haberfellner

Chaostheorie

Mandelbrot, Feigenbaum, Prigogine

Okologie

Capra, Meadows, Vester

Soziologie

Luhmann, Hajek

Konflikt- und Friedensforschung

Galtung, Rapoport

Erkenntnistheorie

Maturana, Verela, Dorner

|

Kommunikationstheorie Bateson, Watzlawick Systemtheorie

Bertalanffy, Haken, Forrester, Wiener, Forster

Bei der Anwendung der Systemtheorie auf soziale Systeme kommt es zu einer Reihe von Ubertragungsschwierigkeiten, da soziale Systeme aus Menschen und nicht aus vollkommen pianbaren Systemelementen bestehen. Aus diesem Grund lassen sich kybernetische Vorstellungen nur bedingt auf die betriebswirtschaftliche Steuerung von Organisationen ubertragen.®^ Soziale Systeme zeichnen sich durch folgende Merkmale aus:^^ •

Verfugen uber ein eigenes „Bewusstsein"



Weisen die Fahigkeit zur Selbststeuerung und Selbstreferenz auf



Konstituieren sich aus Subsystemen, die jeweils eigenstandige Zielsetzungen verfolgen, spezifische Werthaltungen, Uberzeugungen und Motive verkorpern

vgl. Nincketal. (1998), S. 7 vgl. Ulrich(2001), S. 42ff. vgl. Schwaninger (1994), S. 23

28

Kvbernetik komplexer Systeme

3.2 Organisationale Komplexitat Zum Begriff Komplexitat existiert in der Wissenschaft keine einheitliche Begriffsdefinition, da die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen jeweils eigene Definitionen entwickelt und etabliert haben. Allen Definitionen sind jedoch die beiden Subbegriffe Element und Relation gemeinsam. Unter Elementen werden einzelne Systemelemente, unter Relationen deren Verknupfungen verstanden; zusammen bilden sie die Struktur von Systemen. BRONNER®^ setzt eine engere Definition der Komplexitat an: „Dle Anzahl der Elemente und ihrer Relationen bestimmt die Komplexitat eines Systems". FRICKER^® gibt in diesem Zusammenhang eine Ubersicht samtlicher Autoren an, die eine eigenstandige Definition der Komplexitat entwickelt haben. Fur eine Definition der Komplexitat in den Betriebswissenschaften unterscheidet PICOT^^ zwei Arten: Die externe Markt- und Umweltkomplexitat sowie die Interne, organisatorische Komplexitat. Die externe Komplexitat ergibt sich u.a. aus der Globalisierung der Markte, der allgemeinen Erhohung der Wettbewerbsintensitat, der Individualisierung der KundenbedCirfnisse und ist fur die meisten Organisatlonen eine gegebene Rahmenbedingung. Die interne Komplexitat ergibt sich aus den organisatorischen Ablaufen und Strukturen. Die Frage der Beherrschung beider Arten von Komplexitat ist mitentscheidend fur den Erfolg derjeweiligen Organisation.''^ Eine ubersichtliche Strukturierung des organisationalen Komplexitatsbegriffes bietet ROTERS^\ Dabei wird sowohl zwischen Komplexitat und Dynamik als auch zwischen Eigen- und Umweltfokus unterschieden. Auf diese Weise werden die vier Subkategorien Eigenkomplexitat, Eigendynamik, Umweltkomplexitat und Umweltdynamik geschaffen.^^

s. Bronner(1991), S. 1121f. vgl. Fricker(1996), S. 163ff. vgl. Picot; Freudenberg (1998), S. 70 vgl. Picot; Freudenberg (1998), S. 70 vgl. Roters(1989), S. 19 vgl. Roters(1989), 8. 19ff.

Kvbemetik komplexer Svsteme

29

Mit der Komplexitatsbetrachtung von Systemen muss auch die umgebende Umwelt und deren Wechselwjrkung mitberucksichtigt werden. Zum einen stehen Umwelt und System in einer standigen Interaktion, zum anderen besteht zwischen diesen beiden ein sogenanntes Komplexitatsgefalle. Mit starkerer Intensitat der Austauschbeziehung des Systems mit seiner Umwelt, spricht man von einem zunehmenden Grad an Offenheit eines Systems. Mit zunehmender Offenheit nimmt wiederum die Bedeutung von Schnittstellen zwischen Umwelt und System zu. Diese Schnittstellen wirken als Sensoren fur die Aufnahme der Umweltkomplexitat und schaffen damit die informationstechnische Basis fur eine adaquate Anpassung von Organisationen an dynamische Umwelten/^ Die Theorien, die sich mit Phanomenen der Komplexitat auseinandersetzen entstammen zum Grossteil den Naturwissenschaften/'^ Eine Ubersicht verschiedener Autoren sowie eine systematische Beurteilung deren Beitrage zur betriebswirtschaftlichen Komplexitatsdiskussion bietet FRICKER''^. 3.2.1 Komplexitat und Varietat Im Zusammenhang mit Komplexitat werden noch weitere Begriffe verwendet, die an dieser Stelle eriautert werden: Mit Kompliziertheit

wird die Ver-

schiedenartigkeit von Elementen und Relationen verstanden. Als Varietat wird das prinzipiell mogliche Gestaltungspotential der Kombination von Elementen durch jeweils unterschiedliche Relationen verstanden. Aus der zeitlichen Anderungsrate des Zustandes von Elementen und Relationen resultiert die Dynamik eines Systems. Die Transparenz eines Systems ergibt sich aus dem Kenntnisstand des Systembetrachters bezuglich der Quantitat und Qualitat von Komplexitat, Varietat und Dynamik.''^ Eine Moglichkeit Komplexitat zu quantifizieren liegt in der Verwendung des Begriffs der Varietat.^'' Dazu schlagt MALIK die folgende Definition vor/^

vgl. vgl. vgl. vgl. vgl. vgl.

Bronner(1991), S. 1123 Malik (1996), S. 190 Fricker(1996), S. 74f. Bronner(1991), S. 1121f. Malik (1996), S. 184ff. Malik (1996), S. 186

30

Kvbemetik komplexer Svsteme

„Varietat ist die Anzahl der unterscheidbaren Zustande eines Systems, bzw. die Anzatil der unterscheidbaren Elemente einer Menge." Im

ubertragenen

Sinne

steht

Varietat

auch

fur

Begriffe

wie

Ver-

haltensrepertoire, -spielraum oder -moglichkeiten'^^; die Bestimmung der Komplexitat basiert auf der mathematischen Kombinatorik. Allgemein gilt, dass ein System mit n Elementen, die k Zustande annehmen konnen, eine Varietat von k" besitzt. Derartige Exponentialfunktionen zeigen explosiven Charakter und erreichen selbst bei kleinen Werten von n und k hohe Funktionswerte.^° ADAM und JOHANNWILLE®'' beschreiben in diesem Zusammenhang Indikatoren, wie Komplexitat in einem Produktionsbetrieb quantitativ erfasst werden kann. Die Kybernetik beschaftigt sich mit der Probiemstellung, wie soziale Systeme daran gehindert werden konnen, dass diese unkontrolliert und unkoordiniert agieren. Die allgemeine Losung dieses Problems ist eine der wichtigsten Erkenntnlsse der Kybernetik: Ein System mit einer gegebenen Komplexitat kann nur mithilfe eines mindestens ebenso komplexen Systems unter Kontrolle gebracht werden. Dieses Grundgesetz der Komplexitat wurde von ASHBY®^ folgendermalien formuliert: Nur Varietat kann Varietat absorbieren. Mit anderen Worten, muss die verfugbare Lenkungsvarietat relativ zu den beabsichtigten Zielen mindestens so groli sein, wie die Varietat des zu lenkenden Systems.®^ Treten zwei Systeme in Wechselwirkung mussen, diese fur einen Austausch dieselbe Varietat aufweisen.®"^ Im Ausbalancieren der Varletaten zweier interagierender Systeme bieten sich die beiden grundsatzlichen Moglichkeiten der Verstarkung und Dampfung von Varietaten an.^^

84 85

vgl. vgl. vgl. vgl. vgl. vgl. vgl.

Schwaninger (1994), S. 17ff. Malik (1996), S. 188 Ashby (1956), S.206ff. Alewell (1996,Adam (1997) Malik (1996), S. 191f. Malik (1996), S. 196 Schwaninger (1994), S. 17ff.

Kvbernetik komplexer Svsteme

31

Zusammenfassend lassen sich die wesentlichen Elemente der Kybernetik wie folgt auflisten:®^ •

Das Gesetz von ASHBY ist in gewisser Weise immer erfullt auch wenn dieses nicht unbedingt vom Beobachter erkannt wird.



Varietaten konnen in seltenen Fallen quantitativ gemessen werden. Im Umgang mit der Komplexitat geht es in erster Linie urn das Gegenuberstellen oder Balancieren von Varietaten.



Reduktion und Verstarkung stehen als die zwei einzigen Moglichkeiten zur Varietatsveranderung zur Verfiigung.



Urn Komplexitat zu beherrschen wird eine Regulatlonsleistung durch Reduzieren und Verstarken vollbracht.



Die relevanten Fakten uber Regulation sind nur in wenigen Fallen transparent und oft durch parallel auftretende Effekte uberlagert. Die Aufgabe der Komplexitatsforschung liegt im Erkennen von den ubergeordneten, systemunabhangigen und reguiationsreievanten Aspekten.

3.2.2

Komplexitatsbewaltigung

In der Kybernetik wird von der Hypothese ausgegangen, dass das zentrale Problem aller sozialer Institutionen, das Problem der Komplexitatsbewaltigung ist. Nicht jedes System hat das notwendige Potential zur Komplexitatsbewaltigung, es bedarf vielmehr hochst komplizierter Strukturen um diese Probleme zu losen. Selbst wenn Systeme in der Vergangenheit in der Lage waren Probleme zu losen, bedeutet dies nicht, dass sie auch fahig sind aktuelle oder kunftige Probleme erfolgreich zu losen.^'' Die Komplexitatsbewaltigung von Systemen beruht primar auf zwei Komponenten, zum einen auf der Ordnungsstruktur von System und Umwelt, zum anderen auf der Art und Weise wie ein System auftretende Probleme beherrscht und bewaltigt; Tab. 3-2 bietet einen Uberblick zu den verschie-

vgl. Malik (1996), S. 197 S.Malik (1996), S.80ff.

32

Kybernetik komplexer Svsteme

denen Formen der Komplexitatsbeherrschung. Der Prozess der Problemlosung von Systemen wird dabei als Systemmethodik bezeichnet.^® Tab. 3-2: Formen der Komplexitatsbeherrschung^®

Komplexitatsbeherrschung durch Systemstrukturen (Ordnung) spontan

|

taxisch

durch Problemlosen (Lenkung) Systemmethodik konstruktivistisch

evolutionar

Im Zusammenhang mit Systemgrenzen und dem damit verbundenen Komplexitatsgefalle stehen laut SCHWANINGER^° der Organisation die zwei Grundstrategien Selektivierung und Strukturierung zur Verfugung: Als Selektivierung werden alle Mafinahmen bezeichnet, die das externe Einflussgefuge zwischen Organisation und Umwelt verandern; also der Umgang und die Bewaltigung mit organlsationaler Umweltkomplexitat.^^ Als Strukturierung werden alle Mafinahmen bezeichnet, die das Wirkungsgefuge innerhalb einer Organisation ohne direkten Effekt auf die jeweilige Umwelt beeinflussen; also der Umgang und die Bewaltigung von Eigenkomplexitat^^. Dazu zahlen Aufbauorganisation, Ablauforganisation etc.^^ Die Schwierigkeiten bei der Entwicklung einer effizienten

Anpassungs-

strategie, liegt in der Tatsache, dass sich Organisationen nicht nur in einer Umwelt, sondern in der Regel in und mit mehreren unterschiedlichen Umwelten agieren mussen.^"^ Da Systemstrukturen und -methodik in enger Wechselwirkung miteinander stehen, mussen belde Aspekte vom Management umfassend betrachtet und koordiniert werden.^^ Neben diesen beiden vgl. Malik(1996), S. 477f. vgl. Malik (1996),S. 478 vgl. Bronner(1991), S. 1123f. vgl. Bronner (1991), S. 1123f. und Roters (1989), S. 20f. vgl. Roters(1989), S. 21f. vgl. Bronner (1991), S. 1124 vgl. Bronner (1991), S. 1124 vgl. Malik(1996), S. 478

Kvbernetik komplexer Svsteme

33

Aspekten ist ein dritter fur die Komplexitatsbeherrschung von zentraler Bedeutung. Dieser besteht darin, dass die Probleme des strategischen Managements nur auf der metasystemischen Ebene sinnvoll diskutiert werden konnen.^^ Die beiden

Moglichkeiten

der

Komplexitatsbeherrschung

Ordnung

und

Problemlosung treten sowohl in der Objekt-, als auch IVIetaebene auf. Ein anschauliches

Beispiel

ist

in

diesem

Zusammenhang

von

VESTER

entnommen: Sobald eine Population oder Gruppe von einer niedrigen DIchte zu einer hoheren anwachst, gibt es nur zwei generelle Entwicklungsmoglichkeiten: Entweder der Gruppe gelingt es, neue organisationale Methoden, Verhaltensweisen, Verhaltensregein usw. zu entwickein - dann wird sie als neue Organisationsform auf dieser hoheren Stufe welter existieren konnen; Oder die Entwicklung dieser Prozeduren gelingt nicht - dann zerfallt sie in die fruheren Organisationsformen mit geringerer Dichte. Daher sind bestimmte Prozeduren, Verhaltensweisen und Strukturen, zwar fur grofie Organisationen, nicht jedoch fur kleine Organisationen geeignet und umgekehrt.^^ Diese Sichtweise deckt sich sehr gut mit den empirischen Befunden der neoinstitutionalistlschen Organisationstheorie (siehe dazu Abschnitt 2.3), die fur die organisationsspezifische Adaption von Managementkonzepten argumentiert. 3.3 Struktur lebensfahiger Systeme Die Idee des kybernetischen Systems geht von der Analogie des lebenden Organismus aus, der sich in standiger Interaktion mit seiner Umwelt entwickelt und lernt. Als Musterbeispiele werden in erster Linie die evolutionsgeschichtlich am hochsten entwickelten Organe, wie das menschliche Zentralnervensystem und Gehirn, herangezogen.^® Unter dem Begriff "Lebensfahigkeit" wird verstanden, dass Systeme sich an wandelnde Umstande in ihrer Umgebung anpassen, Erfahrungen aufnehmen und verwerten konnen, lernfahig sind und darCiber hinaus ihre Identitat bevgl. Malik(1996), S. 480f. vgl. Malik (1996), S.350 vgl. Malik (1996), S. 81

34

Kvbemetik komplexer Systeme

wahren und sich entwickein konnen. Kybemetische Forschungen haben gezeigt, dass die Lebensfahigkeit von Systemen nicht so sehr von einzelnen Elementen als vielmehr von deren spezifischen Zusammenwirken determjniert wird. Erst die geeignete Struktur macht ein System zu einem lebensfahigen.^^ Lebensfahige Systeme sind grundsatzlich Mehrebenensysteme und verbinden eine analytische und holistische Perspektive. Analytisch gesehen bestehen derartige Systeme aus Agenten, die uber ihre Wechselwirkungen lokal in einen Beziehungszusammenhang eingebettet sind. Diese lokalen Muster sind aber global verknupft und in ihrer Dynamik nur als Ganzheit verstehbar. Die lokalen Agenten sind jedoch ihrerselts wieder als lebensfahige Systeme ausgefuhrt und konnen eIne ahnlich komplexe Struktur aufweisen wie das ubergeordnete System.^°° Diese selbstorganisierenden

und selbstregulierenden

Eigenschaften

des

Systems werden als "Metaorganisation" oder "Metalenkung" bezeichnet.^^^ In der systemorientierten Betriebswirtschaft wurde der Begriff des lebensfahigen Systems von BEER gepragt.^^^ 3.4

Selbstorganisation

Ausgehend von den kybernetischen Uberlegungen zur Lebensfahigkeit von Systemen wurde das Konzept der Selbstorganisation entwickelt. Dieser Begriff umfasst alle Prozesse, die ein System unternimmt um „Selbst"-Ordnung entstehen zu lassen, zu verbessern oder zu erhalten. Die wissenschaftllche Behandlung dieser Forschungsfrage erfolgte in drei historlschen Phasen und wird umfassend von KOLL und SCHERM^°^ dargestellt; Tab. 3-3 bietet dazu einen Uberblick.^^'*

vgl. Malik (1996), S. 80 vgl. Kappelhoff (2002), S. 61f. vgl. Malik(1996), S. 83f. S.Malik (1996). S.80ff. s. Koll;Scherm(1999), S. 13ff. vgl. Probst (1987), S. 16ff. und Probst (1992), S. 2255ff.

Kvbemetik komplexer Svsteme

35

Tab. 3-3: Entwicklungen und wichtige Vertreter der Selbstorganisationsforschung^*

Phase der Selbstorganisationsforschung

Wichtige Vertreter

„Die unsichtbare Hand" ca. 16501950: Unsichtbare, spontane Ordnungsprozesse

A. Smith; F. von Hayek, G.B. Vico

Konservative Selbstorganisation ca. 1940 bis heute: Stabilisierungs- und lAnpassungsfahigkeit, Lernen, Musterbildung

S. Beer; P. Watzlawick; H. Ulrich, R. Jung; H. von Foester; W. R. Ashby; N. Wiener

Evolutionare Selbstorganisation ca. 1960 bis heute: Entwicklung, Flexibilitat, Transitionen, Ungleichgewichtszustande, Evolution, Instabilitat, Wandel

F. IVIalik; G. Probst; C. Argyris; N. Luhmann; F. Varela, H. von Foester; H. IVIaturana; F. von Hayek

Selbstorganisierend konnen nur Ganzheiten sein, die eine eigene Identitat aufweisen. Organisation umfasst in diesem Zusammenhang alle strukturellen Eigenschaften und Verhaltensweisen in einem System, die Ordnung schaffen. Dabei bedeutet Ordnung eine Gesetzmafiigkeit, die es ermoglicht Fehlendes zu erkennen und ggf. zu erganzen Oder auch Teile zusammenzufugen. Ordnung in einem sozialen System hat eine Reihe verschiedener Funktionen. Sie ermoglicht die Suche nach Sinn fur die einzelnen Mitglieder, gibt Sicherheit und Vertrautheit und eriaubt Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten einzuordnen. Strukturen und Verhaltensweisen manifestieren sich dabei sowohl auf einer materiellen als auch einer geistigen oder symbolischen Ebene. Die materielle Ebene betrifft Organisationsinstrumente, Aufgabentrager, Fuhrungssysteme, Plane, Technologien usw. Die geistig-symbolische Ebene umfasst Wertsysteme, Empfindungen, Gefuhle, Erinnerungen und Interpretationen.^^^

vgl. Probst (1992), S. 2257 vgl. Probst (1987), S. 76

36

Kybemetik komplexer Svsteme

LUHMANN definiert Selbstorganisation „als Erzeugung von Strukturen durch eigene Operationen". Ein System kann danach nur mit selbst aufgebauten Strukturen arbeiten und keine Strukturen importieren. Die Operationen und Strukturen eines Systems stehen dabei in einem engen interdependenten Zusammenhang. Diese Wechselwirkung kann als Zirkularprozess beschrieben werden, da die Operationen auf den Strukturen beruhen und die Strukturen wiederum von den eigenen Operationen geschaffen werden.^^'^ Diese Uberlegungen decken sich wiederum mit den Kernaussagen der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie (vgl. dazu Abschnitt 2.3), die gegen die unreflektierte Ubernahme und fur die Adaption von Strukturen anderer Organisationen argumentiert. In weiterer Folge werden die vier Charakteristiken selbstorganisierender Systeme nach PROBST^°® eriautert: Autonomie, Komplexitat, Redundanz und Selbstreferenz. In Tab. 3-4 werden diese vier Grundeigenschaften selbstorganisierender Systeme zusammenfassend dargestellt. 3.4.1 Autonomie Autonomie liegt vor, wenn die Beziehungen und Interaktionen, die das System als Einheit definieren, nur das System selbst und keine anderen Systeme involvieren. Derartige Systeme funktionieren zwar nicht unabhangig von ihrer Umwelt, werden aber durch Ubersysteme weder direkt gelenkt, gesteuert noch entwickelt.

Charakteristisch

fur

autonome

Systeme

sind

deren

Unab-

hangigkeit, Selbstgestaltung und -lenkung sowie Selbstregulierung. ^°^ Solche Systeme

sind also

nicht fremdbestimmt

und

ihre

Kopplungs-

beziehungen zu angrenzenden Umsystemen sind aufgelost und gelockert; dadurch entstehen Handlungsspielraume. Als Ergebnis konnen derartig aufgebaute Strukturen verstarkt flexibel reagieren. In diesem Zusammenhang ist die Abgrenzung gegenuber der Umwelt, gegenuber anderen Systemen sowie die

vgl. Luhmann (2002), S. 100f. und S. 108 vgl. Probst(1987), S. 76 vgl. Probst(1987). S. 82

Kvbemetik komplexer Svsteme Kreation und Aufrechterhaltung

37 der

Identitat und Eigenstandigkeit

von

zentraler Bedeutung.^^° 3.4.2 Komplexitat Selbstorganisierende Systeme sind aufgrund der organisationalen Varietat komplex. Somit sind diese Systeme nicht-trivial und analytisch nicht vollkommen bestimm- Oder vorhersagbar. Die Nichtvorhersagbarkeit von Resultaten derartiger Systeme ergibt sich aus der Anzahl verschiedenartiger Eiemente und deren Geschichte, der Interaktivitat der einzelnen Systemelemente, der Beziehungsdichte, den Handlungsspielraumen und schliefilich der Dynamik im System. Beziehungen und Interaktionen werden erhalten und ausgebaut, Gestaltungs- Lenkungs- und Entwicklungskompetenzen werden uber das System dezentral installiert und genutzt.^^^ 3.4.3 Redundanz Ein weiteres Charakteristikum selbstorganisierender Systeme ist die redundante Verteilung von Organisations-, Lenkungs- und Gestaltungsaufgaben. Dabei besitzen mehrere Elemente die gleichen oder ahniiche Fahigkeiten und sind ijber das gesamte System hinweg verteilt. Somit konnen Entscheidungen dezentral getroffen, Informationen uber das System verteilt aufgenommen und schliefllich verarbeitet werden. Mit der Redundanz werden moglichst viele Funktionen und Fahigkeiten des Gestaltens, Lenkens und Entwickelns in den jeweiligen Teilen organisiert und uber das System verteilt.^^^ Ein hoherer Grad an Redundanz wird durch eine Erhohung der Anzahl gleichartiger Systemelemente, durch hohere Beziehungsdichte, und ein erhohtes Mali an Interaktion erzielt. Dabei konnen mehrere Systemelemente mitunter die gleichen Aufgaben verfolgen und somit Doppelgleisigkeiten entstehen. Durch eine derartige Redundanz von Funktionen wird das System flexibler. Selbstentwicklung ist nur moglich, wenn in einem System ein bestimmtes Mafi an Redundanz vorherrscht.^^^

'^° ^^^ ''^ ''^

vgl. Probst (1987), S. 82f. und Probst (1992), S. 2259 vgl. Probst(1992), S. 2260 vgl. Probst (1987), S. 81 und Probst (1992), S. 2260f. vgl. Probst(1987), S. 81

38

Kvbemetik komplexer Svsteme

3.4.4 Selbstreferenz Die sogenannte Selbstreferenz ist ein Phanomen, das zur Abschirmung und Selbstbezogenheit fuhrt und in sozialen Systemen besonders evident ist. Selbstreferenzierende Systeme schirmen sich ab, bllden und erhalten ihre Grenzen und sind auf sich selbst bezogen. Storungen werden aus dem System heraus mit entsprechenden Abwehrmaflnahmen beantwortet.^^"* Das Verhalten von selbstorganlsierenden Systemen wirkt auf sich selbst zurijck und wird wiederum zum Ausgangspunkt fur weiteres Verhalten; derartlge Systemreaktionen werden als „operationell geschlossen" bezelchnet. Damit ein System sich als Einheit erhalten und entfalten kann, muss es Bedingungen schaffen konnen, die es selbst erhalten und entfalten. Die Abgrenzung zur umgebenden Umwelt spielt dabei eine zentrale Rolle. Mit anderen Worten konnen sich selbstreferenzierende Systeme und deren Systemelemente erst durch ihre DIfferenzierung zu ihrer Umwelt konstituleren. Der Grad der DIfferenzierung erhoht sich mit zunehmender Interaktion mit der Umwelt.^^^ In diesem Zusammenhang sleht SCHREYOGG^^^ vor allem in starken Organisationskulturen eine hohe Auspragung organisationaler Selbstreferenz und erinnert dabei in erster Linie an die Nachteile einer intensiven Selbstbezogenheit und Umweltabgrenzung (vgl. dazu die dysfunktionalen Effekte starker Organisationskulturen in Abschnitt 4.3.2). 3.4.5 Entwicklung selbstorganisierender Systeme Die

Entwicklung

selbstorganisierender

Systeme

stellt

eine

besonders

schwierige Aufgabe dar und besteht nicht in einer einfachen Steigerung der oben angefuhrten Elemente. Gerade die Selbstreferenz und Autonomie stellen keine Maximierungsgrofie dar. Bringen erste Initiativen in diese Richtung noch eine gewunschte Abgrenzung und Identitatsbildung, so fuhrt eine extreme Orientierung zu Rigiditat und Isolierung.^^''

vgl. vgl. vgl. vgl.

Probst (1992), S. 2261 Probst(1987). S. 79f. Schreyogg (1991), S. 1532f. Probst(1987), S. 83

Kvbemetik komplexer Svsteme GEBHARDT

39

stellt ein Konzept zur Umsetzung der Selbstorganisation vor.

Dabei werden ausgehend von den Uberzielen der Gesamtorganisation Teilziele auf die einzelnen selbstorganisierenden Organisationseinheiten heruntergebrochen

und konkretisiert. Als

Instrumentenrahmen

fur

eine

solche

Organisation werden die drei Elemente Qualifikation, Flexibilitat und IVIotivation vorgeschlagen.^^^ Fur KOLL und SCHERM^^° mussen die Rahmenbedingungen

fur

die

Selbstorganisation erst durch Fremdorganisation geschaffen werden. Das bedeutet, dass die Selbstorganisation nicht von selbst entsteht, sondern erst im Rahmen eines Top-down Prozesses eingefuhrt werden muss. Selbstorganisation wird dabei als „die Entfaltung individuellen Verhaltens der Organisationsmitglieder innerhalb eines vorgegebenen Rahmens gesehen". Diese rahnnengebene Funktion konnen beispielsweise Managementkonzepte ubernehmen. Tab. 3-4: Charakteristik selbstorganisierender sozialer Systeme^^^

Autonomie

Redundanz

• • • •

Selbststeuerung Managementbezogene Handlungsspielraume Minimale Spezifikation keine unveranderlichen Abhangigkeiten zwischen Aufgaben, Arbeitsbedingungen, Losungswegen, Formen der Aufgabenerfullung



Lose gekoppelte Systeme

• • • • •

Aufbau von Mehrfachqualifikationen Aufrechterhaltung von Handlungsfahigkeit Aufbau von dezentraler Managementkompetenz Versorgung mit systemnotwendigen Organen Qualifikationsvielfalt

s. Gebhardt(1996) vgl. Gebhardt (1996), S. 143ff. vgl. Koll;Scherm(1999), S. 23 vgl. Probst(1992), 3.2261

Kybernetik komplexer Systeme

40

Komplexitat

• • • •

Selbstreferenz

• • • • •

Bearbeitung „geschlossener" Aufgabenkomplexe Managementanteile bleiben weitestgehend erhalten Gleichzeitige Berucksichtigung mehrerer Dimensionen (z.B. okologische, okonomjsche und soziale Aspekte) Erhaltung und Pflege von Beziehungen und Interaktionen Sinnvolle Aufgabenstellungen Synergetische Aufgabenerfullung Teamorientierte Fiihrung und Formen der Kooperation Lernen und lernen zu lernen durch Aktivitaten am Arbeitsplatz Selbstgestaltung, -lenkung und -entwicklung

3.5 Management als Komplexitatsbewaltigung Die systemtheoretisch-kybernetische PerspektJve geht von der grundlegenden Gegebenheit der Komplexitat aus, mit welcher Organisationen als Ganzes sowie die darin tatigen Fuhrungskrafte konfrontiert sind.^^^ Fuhrungskrafte stehen im Normfall Situationen gegenuber, welche diese prinzipiell uberfordern, da die Varietat der Situation viel grofier ist, als deren eigene. In diesem Zusammenhang beschreiben REICHWALD und HESCH^^^ die Auswirkungen fur Manager und Mitarbeiter. Aus dieser Sicht ist die zentrale Herausforderung im Management die Komplexitatsbewaltigung. Probleme der Zentrallsation oder Dezentralisation, der Delegation von Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen, hangen zu einem wesentlichen Teil von der Komplexitat der Arbeitsumgebung, organisationalen Ausdifferenzierung und Grofie einer Organisation ab. Damit beschaftigt sich das in Abschnitt 5.3 dargestellte Problem der organisationalen Differenzierung und Koordination.^^"^

vgl. Schwaninger (1994), S. 17ff. vgl. Reichwald; Hesch (1998), S. 89 vgl. Malik(1996), S. 81f.

Kvbernetik komplexer Svsteme

41

Komplexitat bedeutet im Management-Kontext, dass die formalen Fiihrungsorgane einer Organisation weder uber ausreichende Informationen, noch uber genugend Wissen, noch uber genCigend Kenntnisse und Fertigkeiten verfCigen, urn eine Organisation, die sich jenseits einer gewissen Komplexitatsschwelle befindet, im Detail zu steuern und zu gestalten. Zum einen liegt die Problematik in der fehlenden Informationsbasis fur Entscheidungen; zum anderen dauern zentral gelenkte Entscheidungsprozesse meist so lange, das sich der Entscheidungsbedarf in der Zwischenzeit entweder verandert hat, Oder aber Entscheidungen gar nicht mehr benotigt werden.^^^ Jene Instrumente, die dem Management zur Bewaltigung der organisationalen Komplexitat zur Verfugung stehen, sind letztlich dieselben, die im Abschnitt 5.3.2.5 unter dem Titel Instrumente zur Koordination angefuhrt werden. 3.6 Zusammenfassung und Uberleitung Dieser Abschnitt beschreibt die Managementaufgabe als Lenkung, Steuerung und Entwicklung sozialer Systeme. Dazu werden die Grundlagen der Kybernetik sowohl in allgemeiner als auch in konkret managementorientierter Form behandelt. Zu Beginn werden die systemtheoretischen und kybernetischen Grundlagen beschrieben und der Begriff der Komplexitat fCir Organisationen eriautert. In weiterer Folge werden Strategien zur Bewaltigung von Komplexitat anhand des Aufbaus lebensfahiger Systeme und der Selbstorganlsation diskutiert. Abschliefiend wird auf die Rolle des Management bei der Bewaltigung von Komplexitat eingegangen. Als Resumee kann konstatiert werden, dass Regelmechanlsmen sozialer Systeme mithilfe der Kybernetik beschrieben und analysiert werden konnen. DariJber hinaus gibt diese Forschungsrichtung Ideen und Gestaltungsleitlinien zum Management erfolgreicher Organisationen. Da Managementkonzepte Teilaufgaben des Managements unterstijtzen, sind die vorgestellten Aspekte wichtig und relevant fur deren Gestaltung. Die zentralen Begriffe und Gestaltungsprinzipien, die in diesem Kapitel vorgestellt werden, werden als Basis fijr das an spaterer Stelle prasentierte Analysemodell verwendet.

vgl. Malik(1996), S. 83

4 Organisationskultur Wie die Untersuchungen der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie (siehe AbschnJtt 2.3) zeigen, spielt im Zuge der Implementierung von Managementkonzepten in Organisationen die jeweilige Organisationskultur

eine

wichtige Rolle. Desiiaib stellt diese Tiiematik einen zentralen Forschungsgegenstand dieser Arbeit dar und wird an dieser Stelle ausgehend von den tiieoretischen Grundlagen besonders intensiv und breit aufgearbeitet. Zu Beginn wird der Begriff der Organisationskultur eriautert. Im weiteren werden Anatomie und Wirkung der Organisationskultur sowie deren Identifikation und Moglichkelten der Veranderung dargestellt. Abschlieflend wird die Diskussion rund urn die Organisationskultur in den Betriebswissenschaften

wieder

gegeben und ausgewahlte Modellansatze angefuhrt. 4.1 Begriff und Definition der Organisationskultur In der Literatur werden die Begriffe Unternehmens- und Organisationskultur synonym verwendet. Wobei In der Organisationstheorie der Begriff Organisationskultur,

in der

Managementlehre

der

Begriff

Unternehmenskultur

uberwiegt.^^^ Betrachtet man den Bucherbestand der Wirtschaftsuniversitat WIen fallt auf, dass ein grofierer Tell der Arbeiten unter den Schlagworten Unternehmenskultur als unter Organisationskultur zu finden ist. In einer elektronischen Katalogabfrage wurden 144 Arbeiten mit den Titel- oder Schlagwortern Organisationskultur und 506 Arbeiten unter Unternehmenskultur gefunden. Nur funf Arbeiten uberschnitten sich dabei, wurden also bei dieser Abfrage sowohl unter Organisations- als auch Unternehmenskultur gefuhrt (siehe Abschnitt 2). Das heifit, dass der quantltativ starker verwendete Begriff jener, der Unternehmenskultur ist. Hier wird dem Begriff „Organisationskultur" der Vorzug gegeben, da die wissenschaftliche Argumentation von Seiten der Organisationstheorie aufgebaut wird. Daruber hinaus ist dieser Begriff umfassender und nicht nur auf Unternehmen beschrankt.

vgl. Tuppinger (2003), S. 90

44

Organisationskultur

Da der Begriff der Kultur zum einen ein sehr alter Begriff und zum anderen Gegenstand unterschiedlicher Fachrichtungen ist, existieren eine Vielzahl von Definitionen. NEUBAUER^^^ berichtet, dass uber 160 „Kultur"-Definitionen in der Literatur verwendet werden. Eine breite Darstellung des Kulturbegriffs (Entstehung und Ausformung) sowie der Beobachtung und Messung der Kultur gibtDIEVERNICH.^^^ Der Kulturbegriff ist der Anthropologie entnommen und bezeichnet dort die besonderen, historisch gewachsenen und zu einer komplexen Gestalt entwickelten Merkmale von Volksgruppen. Damit sind in erster Linie Wert- und Denkmuster, einschllefilich der Symbolsysteme durch welche sie vermittelt werden, gemeint. Die Organisationskulturforschung nimmt diesen Kulturbegriff auf und ubertragt ihn auf Organisationen. Dabei wird von der Pramisse ausgegangen, dass jede Organisation fur sich eine spezifische Kultur entwickelt und somit

eine

eigenstandige

Kulturgemeinschaft

mit

eigenen

unver-

wechselbaren Vorstellungs- und Orientierungsmustern darstellt. Diese Organisationskultur pragt das Verhalten der Mitglieder nach innen und aufien in nachhaltiger Weise und zeigt somit konkrete Auswirkungen auf Handlungen einzelner Mitglieder sowie in weiterer Konsequenz der gesamten Organisation.^2^ Aus organisatlonstheoretischer Sicht wird die Organisationskultur aus zwei Perspektiven betrachtet (siehe Tab. 4-1): Im einen Fall wird die Organisationskultur als Phanomen, im anderen Fall als Sinnsystem verstanden.^^°

vgl. Neubauer (2003), S. 15 s. Dievernich (2000) vgl. Schreyogg (1991), S. 1525 vgl. Schreyogg (1991), S. 1525f.

Organisationskultur

45

Tab. 4-1: Einteilung des Kulturbegriffes in den Sozialwissenschaften^"

Kultur Kultur als Phanomen diachrone Betrachtung (geschichtliche Aufzeichnung)

synchrone Betrachtung (Betonung von Strukturen und Raum; kein Zeitaspekt)

Kultur als Sinnsystem Fokus auf Produkte des Verstandes (genneinsame Bedeutung von Symbolen)

Fokus auf das Denken der Kulturtrager (Strukturalismus)

Kultur als Phanomen In dieser Forschungsperspektive stellt sich die Kultur als Tell des sozialen Lebens dar, die sich im Alltagsverhalten und den Verhaltensergebnissen manifestiert. Kulturen werden als Systeme sozial uberlleferter Verhaltensmuster betrachtet, die den Zweck haben, die Beziehungen zwischen der Gesellschaft und ihrer Umwelt zu regeln. Dies umfasst die Beobachtung von Technologien, okonomischen

Organlsationsfornnen,

Residenzformen,

sozialen

Grup-

pierungen sowie politlschen Organisationsformen. Kulturwandel wird als ein okonomisch bedingter Anpassungsprozess und Ergebnis natijrlicher Selektion gesehen; kognitive Faktoren der einzelnen Kulturtrager werden nicht betrachtet.^^^ Kultur als Sinnsystem In der Betrachtung der Kultur als Sinnsystem werden der Kultur- und Sozialbereich von einander unterschieden, aber integrativ betrachtet. Der Kulturbereich manifestiert sich dabei in kognitiven Strukturen, Prozessen oder Produkten. Im Zuge dieser Denkrichtung wird der Fokus entweder auf die Ergebnisse in Form von Produkten und Artefakten gelegt (Symbolismus), oder auf das Denken der Kulturtrager (Strukturalismus).^^^

vgl.Alioth(1990), S. 19 vgl. Alioth(1990), S. 20ff. vgl. Alioth(1990), S. 24ff.

46

Organisationskultur

Unabhangig von den einzelnen Stromungen fijhrt S C H R E Y O G G einige Kernelemente an, die heute mit dem Beghff der Organisationskultur verbunden werden:^^"* •

Organisationskultur ist ein Im wesentlichen implizites Phanomen und setzt sich zusammen aus gemeinsam geteilten Uberzeugungen, die das Selbstverstandnis und die Eigendefinition der Organisation pragen.



Organisationskulturen werden gelebt und als selbstverstandlich hingenonnmen und unterliegen in der Regel keiner Selbstreflexion.



Organisationskultur bezieht sich auf gemeinsame Orientierungen und Werte. Es handelt sich dabei urn ein kollektives Phanomen, das das Handeln des einzelnen Mitgliedes pragt und in weiterer Folge organisationales Handein zu einer gewissen Einheitlichkeit und Koharenz fCihrt.



Organisationskultur ist das Ergebnis eines Lernprozesses im Umgang mit der externen und internen Umwelt.



Bestimmte Handlungen, die sich als erfolgreiche Problemlosungen herausstellen, bilden die Basis fur bevorzugte Wege des Denkens und Problemlosens und werden schliefilich zu selbstverstandlichen und akzeptierten Orientierungsmustern fur neue Handlungen.



Organisationskultur vermittelt Sinn und Orientierung in einer komplexen Welt, indem sie Muster fur die Selektion, Interpretation und Handlungsprogramme gibt.



Organisationskultur wird in einem Sozialisationsprozess vermittelt und nicht bewusst gelernt. Organisationen entwickein zumeist eine Reihe von Mechanismen, die das neue Organisationsmitglied lehren, im Sinne der kulturellen Tradition zu handein.

SCHEIN^^^ gibt zum Begriff der Organisationskultur die folgende Definition an: Die Kultur ist der gesammelte gemeinsame Wissensvorrat einer bestlmmten Gruppe, der sich auf samtliche verhaltensmassige, emotionale und kognitive Elemente der psychologischen Arbeitsweise aller Gruppenmitglieder erstreckt. Gemeinsames Wissen setzt eine Geschichte gemeinsamer Erfahrungen voraus, die wiederum auf einer stabilen Mitgliedschaft In der Gruppe beruhen vgl. Schreyogg (1991), S. 1526 vgl. Schein(1995), S. 23

Organisationskultur

47

mussen. Das menschliche Bedurfnis nach klugem Kraftehaushalt, Folgerichtigkeit und Sinn formt die gemeinsamen Elemente zu festen Mustern, die man schliedlich als Kultur bezeichnen kann. Als Umkehrschluss kann daraus auch eine Jnverse" Definition formuliert werden: Grunde, dass aus einer Ansammlung von Personen keine Gruppe mit einer eigenen Kultur entsteiit, konnen mangelnde Stabilitat der Mitgliedschaft, unzureichender gemeinsamer Erfahrungshintergrund oder die Existenz zu vieler Untergruppen mit verschiedenen eigenen Erfaiirungen sein.^^® Eine weitere Definition ergibt sich aus den zwei Haupthandlungsfeldern der Kultur, der Anpassung an das Umfeld und der internen Integration urn diese Anpassung erfolgreich zu losen. Ausgehend von diesen beiden Hauptfeldern definiert wiederum SCHEIN^^'': Ein Muster gemeinsamer Grundpramissen, das die Gruppe bei der Bewaltigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration eriernt hat, das sich bewahrt hat und somit als bindend gilt und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz fur den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird. 4.2 Anatomie der Organisationskultur Organisationskulturen

sind komplexe

Phanomene, zu denen

nicht

nur

Orientierungsmuster und Programme, sondern auch deren sichtbare Vermittlungsmechanismen und Ausdrucksformen gehoren.^^® Organisationskulturen umfassen eine Reihe gemeinsamer Annahmen und Vorstellungen:^^^ •

Annahmen uber die Umwelt: Wie wird die Organisationsumwelt gesehen? Halt man sie fur bedrohlich, herausfordernd, bezwingbar, ubermachtig usw.? So wird z.B. die Frage, welche Strategie eine Organisation wahit, stark von dieser Grundauffassung uber die Umwelt gepragt.



Vorstellungen von Wahrheit: Diese Annahmen geben Antwort auf die Frage, auf welcher Grundlage in einer Organisation entschieden wird, ob etwas wahr oder falsch ist. 1st es die Tradition oder sind es die Autoritaten vgl. vgl. vgl. vgl.

Schein(1995), S. 23 Schein(1995), S. 25 Schreyogg (1991), S. 1527 Schreyogg (1991), S. 1527f.

48

Orqanisationskultur auf die man vertraut? Halt man sich an die Wissenschaft oder nimmt man eine experimentelle Haltung ein und macht die Entscheidungen uber wahr Oder falsch von einem Versuch abhangig?



Annahmen uber die Natur des Menschen und die Natur des menschlicfien Handelns: Dies sind z.B. Annahmen uber Aktivitat und Passivitat. Kommt es in einer Organisation darauf an, aktiv zu sein, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen oder ist es wichtiger, abzuwarten und sich anzupassen?



Annahmen uber die zwisctienmenschlichen Bezietiungen: Hierzu gehoren Vorstellungen uber die soziale Ordnung (z.B. nach Alter, Herkunft oder Erfolg), des weiteren Annahmen uber den Charakter zwischenmenschlicher Beziehungen: z.B. Wettbewerb oder Kooperation; Teamerfolg oder Einzelerfolg.

Diese meist unbewussten und ungeplant entstandenen

Basisannahmen

stehen in der Regel nicht isoliert nebeneinander, sondern bilden ein Muster mit einer mehr oder weniger stimmigen Gestalt. Fur das Verstehen einer Organisationskultur muss ausgehend von diesen Basisannahmen die Gesamtgestalt des zugrundeliegenden Weltbildes erfasst werden. Dieses findet zu wesentlichen Teilen in konkretisierten Philosophien und Verhaltensstandards ihren Niederschlag. Die Basisannahmen und die daraus abgeleiteten Verhaltensstandards bilden den Rahmen um Prioritaten fur Handlungsaktionen zu setzen, Wahrnehmung zu steuern sowie fremdes und eigenes Handein zu interpretieren. In Organisationen bilden sich Symbolsysteme als Vermittlungsund Darstellungsmuster

heraus. Diese stellen den sichtbaren Teil der

Organisationskultur dar, der aber nur im Zusammenhang mit den zugrundeliegenden Wertvorstellungen verstehbar Ist. Die Aufgabe der Fuhrung ist es, uber langere Zeitraume diesen schwer fassbaren, wenig bewussten Komplex von Annahmen, Interpretationsmustern zu erhalten, welter auszubauen und an neue Mitglieder weiterzugeben.^'^^ Unabhangig, ob die Sozialisation neuer Mitglieder, also die kulturelle Einfuhrung in eine Organisation, bewusst von der Fuhrung forciert wird, wird dieser Prozess auf alle Falle in unkoordinierter Weise durch die ubrigen Organisationsmitglieder

betrieben. Zu den Vermittlungsmustern gehoren das

vgl. Schreyogg (1991), S. 1528

Orqanisationskultur

49

Erzahlen von Geschichten und Legenden sowie das Veranstalten von Feiern und Riten. Diese umfassen Aufnahmeriten, Degradierungen, Entlassungsriten, Weihnachts- oder Jubilaumsfeiem. Zu den sichtbaren Zeichen der Organisationskultur, also organisatjonalen Artefakten, gehoren die Begruliung und Aufnahme von Aufienstehenden, architektonische Gestaltung der Raume und Gebaude, Arbeitsplatzgestaltung, Kleidung, Sprache, Ausfuhrung der Dokumentationen etc.^"^^ Ein wichtiger Zusammenhang besteht fur SCHEIN^"*^ zwischen der Kultur und Fuhrung einer Organisation; fur ihn lassen sich dIese Begriffe inhaltlich nur schwer von einander trennen. Zum einen muss die FCihrungskraft die kulturellen Rahmenbedingungen in der Organisation berucksichtigen. Zum anderen ist es Aufgabe der FiJiirungskraft eine geeignete Kultur zu schaffen bzw. entwickeln. ALIOTH^"*^ relativiert jedoch mithilfe seiner empirischen Studie diesen engen und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Fuhrung und Kultur. So haben die Fuhrungskrafte zwar einen groflen Einfluss auf die Organlsationsmitglieder durch ihr Verhalten und „Vorleben", aber die aktiven Gestaltungsmoglichkeiten der Fuhrungskrafte werden in dieser Arbeit als gering angesehen. ALIOTH gesteht vor allem dem Individuum und seiner Arbeitsweise ein grofles kulturgestaltendes Potential zu. Damit unterstutzt dIese Untersuchung die Thesen von HEINEN^"^"^, der die Gesamt-Organisationskultur Koalitionsprozess des indivlduellen Kulturverstandnisses sieht (siehe dazu welter unten in Abschnitt 4.6.3). 4.3 Funktion und Wirkung der Organisationskultur Die Funktion der Organisationskultur liegt zum einen im Uberleben und in der Anpassung im aufieren Umfeld, zum anderen in der inneren Integration. Daruber hinaus sind damit eine Reihe funktionaler und dysfunktionaler Effekte verbunden, die im folgenden dargestellt werden.^"^^

vgl. Schreyogg (1991), S. 1528 vgl. Schein(1995), S. 20 vgl. Alioth (1990), S. 197f. vgl. Heinen; Dill (1986) vgl. Schein(1995), S. 59

50

Orqanisationskultur

Die Anpassung an das audere Umfeld umfasst eine Reihe verschiedener Aspekte: Darunter fallen das gemeinsame Verstandnis der Kemmission, Hauptaufgaben und Ziele der Organisation. Daruber hinaus ist die Konsensfindung im Hinblick auf die eingesetzten Mittel und Strukturen betroffen sowie die Ubereinkunft zur Bewertung der Leistungsfahigkeit der Gruppe, der Einsatz von Korrekturmaflnamen

und die Gestaltung von Verbesserungs-

strategien.^"^® Die interne

Integrationsfunktion

der Organisationskultur

reicht von

der

Schaffung einer gemeinsamen Sprache uber die Festlegung der Gruppengrenzen und der damit verbundenen Ausgrenzung Gruppenfremder bis hin zur Verteilung von Macht und Status. Im weiteren umfasst diese Kategorie die Entwicklung von Regein fur Vertrautheit, Freundschaft und Liebe sowie die Festlegung und Erteilung von Belohnungen und Strafen.^"^^ 4.3.1 Funktionale Effekte Die funktionalen Effekte der Kultur liegen im reduzierten Regelungsbedarf, in der rascheren Entscheidungsfindung und -umsetzung, im geringeren Kontrollaufwand und in einer hoheren Motivation der Mitarbeiter: Geringer Regelungsbedarf: Starke Organisationskulturen erbringen eine weitreichende Orientierungsleistung, indem sie die verschiedenen moglichen Sichtweisen und Interpretationen von Ereignissen und Situationen reduzieren und auf diese Weise eine klare Basis fur das tagliche Handein schaffen. Diese Handlungsorientierungsfunktion ist vor allem dort von grofier Bedeutung, wo formale Regelungen ungeeignet sind.^"^® Rasche Entscheidungsfindung und -umsetzung: Eine gemeinsame Sprache, ein konsistentes Praferenzsystem und eine allgemein akzeptierte Vision fur die Organisation fuhren zu raschen Einigungen oder Kompromissen in Entscheidungs- und Problemlosungsprozessen. Entscheidungen, die sich somit

vgl. Schein(1995). S. 63ff vgl. Schein(1995), S. 75ff. vgl. Schreyogg (1991), S. 1531

Organisationskultur

51

auf breite Akzeptanz stutzen, konnen wiederum schnell und wirkungsvoll umgesetzt werden.^"^^ Geringer Kontrollaufwand:

Durch die Verinnerlichung von Orientierungs-

mustern verringert sich Notwendigkeit, standig die Einhaltung von Vorschriften zu uberprijfen; damit ist der Kontrollaufwand gering. Dieser Effekt ist bei dezentralisierten Organisationsformen von grofler Bedeutung.^^° Motivation und Teamgeist: Durch die Organisationskultur wird Sinn und Orientierung vermittelt, was wiederum eine hohe Bereltschaft entstehen lasst, sich zu engagieren und dies auch nach aufienhin zu zeigen. Gemeinsame Werte und Identifikationssymbole tragen daruber hinaus zu einem verstarkten GruppengefiJhl bei. Strategien, die in die Organisationskultur und Vision eingebettet sind, konnen leichter umgesetzt werden und bewirken eine kongruente Ausrichtung des Handlungssystems.^^^ 4.3.2 Dysfuni^ionale Effekte Neben den funktionalen existieren auch mogliche dysfunktionale Effekte der Organisationskultur. Diese negativen Auswirkungen konnen auf ein zu grofles Mafi an Selbstreferenz (siehe dazu Abschnitt 3.4.4) zuruckgefuhrt werden: Tendenz der Absctiliefiung: Tief internalisierte Wertesysteme und die damit verbundene Orientierungskraft konnen lelcht zu einer alles beherrschenden Kraft werden. Kritik, Warnsignale, neue Anforderungen, neue Chancen usw., die im Widerspruch zu einer bestehenden Kultur stehen, werden verdrangt und aus der Wahrnehmung ausgeblendet; fest etablierte Traditionen und Rituale verstarken diese Tendenz. Es besteht die Neigung, an ihnen auch dann festzuhalten, wenn sich ihr Orientierungsgehalt bereits uberlebt hat. Starke Kulturen laufen deshalb Gefahr, zu „geschlossenen Systemen" zu werden. ^^^

vgl. vgl. vgl. vgl.

Schreyogg Schreyogg Schreyogg Schreyogg

(1991), (1991), (1991). (1991),

S. S. 8. S.

1532 1532 1532 1533f.

52

Organisationskultur

Mangel an Flexibilitat: Organisationen mit einer starken Kultur verhalten sich avers gegenuber Veranderungen und lehnen diese vehement ab, wenn sie ihre Identitat bedroht sehen. Dem herrschenden Weltbild zuwiderlaufende Vorschlage werden fruhzeitig blockiert oder gar nicht erst registriert. Dies fijhrt zu Starrheit und mangelnder Anpassungsfahigkeit.^^^ Emotionale Barrieren: Selbst wenn neue Ideen in den Entscheidungsprozess Eingang gefunden haben, so erwiest sich eine starke Organisationskultur hemmend bei der anschlieflenden Umsetzung. Solange es urn die Umsetzung von Ideen innerhalb der bisherigen Geschaftspolitik handelt, sind starke Kulturen anderen uberlegen. Handelt es sich bei der gepianten Neuerung urn einen grundsatzlichen Wandel, etwa urn eine strategische Neuorientierung, so wird ein stabiles und stark verfestigtes Kultursystem zum Problem. Starke Kulturen schaffen eine emotionale Bindung an bestimmte Vorgangsweisen und strategische Denktraditionen.^^"^ Kollektive Vermeidungshaltung: Die Aufnahme und Verarbeitung neuer Ideen setzt ein hohes MaG> an Offenheit, Kritikbereitschaft und Unbefangenheit voraus; Voraussetzungen, die starke Organlsationskulturen aufgrund emotionaler Bindungen nicht aufbrlngen. Diese Organisationen laufen Gefahr, sich dem hier notwendigen Prozess der Selbstreflexion in einer Art kollektiver Vermeidungshaltung zu verschliefien.^^^ In 4-2 werden sowohl einzelne positive Aspekte als auch mogliche negative Auswirkungen starker Organlsationskulturen zusammenfassend angefuhrt.

vgl. Schreyogg (1991), S. 1533 vgl. Schreyogg (1991), 8. 1533 vgl. Schreyogg (1991), S. 1533

Organisationskultur

53

Tab. 4-2: Positive und negative Auswirkungen starker Organisationskuituren

Negative Auswirkungen (dysfunktionale Effekte)

Positive Auswirkungen (funktionale Effekte)

Tendenz zur Abschliefiung

Geringer formaler Regelungsaufwand

Rasche Entscheidungsfindung Mangel an Flexibilitat und -umsetzung Geringer Kontrollaufwand

Emotionale Barrieren

Motivation und Teamgeist

Kollektive Vermeidungshaltung

Den Zusammenhang zwischen Produktivitat und Organisationskultur

hat

ALIOTH in einer empirischen Studie untersucht. Dabei wird die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Individuellen und organisationalen Verstandnis auf der einen Selte und speziflschen Auswirkungen auf die Produktivitat auf der anderen Selte gestellt. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass sich das organisatlonale Verstandnis aus denen Im Laufe der Jahre gemachten Erfahrungen, der

Besetzung

von

Fuhrungspositionen,

der

strukturellen

Gliederung, der personellen Zusammensetzungen und anderen Elementen heraus entwickelt hat und durch diese wesentllch gepragt wird.^^^

vgl. Schreybgg (1991), S. 1532f. vgl. Alioth(1990), S. 194

54

Organisationskultur

Die Ergebnisse von ALIOTH zur Bedeutung der Organisationskultur werden in den folgenden vier Punkten aufgelistet:^^® •

Die

Stellung

und

Bedeutung

einer

einzelnen

Organisationseinheit

innerhalb einer Gesanntorganisation beeinflusst das Engagement und das Produktivitatsverstandnis des Einzelnen •

Ausgepragte

und

„gelebte" Trennung

zwischen

MItarbeitern

unter-

schiedlicher Hierarchien pragt die Arbeitsteilung und die Wahrnehmung des individuellen Handlungsspielraums •

Die eriebte Fuhrung und der Informationsaustausch innerhalb der Hierarchie wirkt sich auf das Leistungspotential aus



Die Intensitat menschlicher Beziehungen wirkt auf den Austausch von Ideen, Motivationen und Weitergabe von Informationen und steht in einem Kausalzusammenhang zur Qualitat der Arbeit

4.4 Zentrale Elemente der Organisationskultur Die Organisationskultur besteht aus einer Reihe sichtbarer und weniger sichtbarer Aspekte. Die Menschen- und Organisationsbilder, Managementphilosophien und Fuhrungsstile spiegein die tiefen und impliziten Ebenen einer Organisation wider und determinieren das Handein der einzelnen Organisationsmitglieder zu einem hohen Mad. Alle anderen sichtbaren Aspekte der Organisationskultur beruhen auf diesen Grundannahmen und Werten. In Abb. 4-1 werden diese organisationskulturellen Aspekte nach deren Sichtbarkeit in Form eines Schalenmodells dargestellt. Dabei liegen Im Kern die impliziten verborgenen, in der auflersten Schale die eher expliziten und leichter erkennbaren Aspekte.

vgl. Alioth(1990), S. 197

Orqanisationskultur

55

Abb. 4-1: Schalendarstellung organisationskultureller Pramissen von Organisationen und Managementkonzepten

4.4.1 Mensch- und Organisationsbilder In den Sozial- bzw. Betriebswissenschaften wurden eine ganze Reihe von Klassifizierungen fur Menschenbilder entwickelt. Diese Einteilungen unterscheiden sich zum einen in ihrer thematischen Fokussierung, zum anderen in der Anzahl der vorgeschlagenen Grundtypen. LEDOLTER^^^ bietet einen Uberblick zu den gangigsten Modellen des vergangen Jahrhunderts. In Tab. 43 sind Menschen- und Organisationsbilder einander gegenubergestellt, wie sie in Managementkonzepten vorkonrimen.^^° Die dabei zugrundeliegende Klassifikation der Menschenbilder geht ursprunglich auf SCHEIN zuruck^^\

vgl. Ledolter (2000), S. 44 vgl. Ulrich(2001), S. 95 vgl. Ledolter (2000), S. 42f.

Orqanisationskultur

56

Tab. 4-3: Typen von Organisations- und Menschenbildem^®^ Perspektive

Organisationsbild: Organisation als ...

IVIenschenbild: IVIensch als ...

Basis-Wissenschaften

Hauptaufgaben der OrganisationsFiJhrung

Technologisch

Produktionsapparat

Arbeitstrager

Naturwissenschaften, Verfahrenstechnik, Arbeitsphysiologie, Kybemetik 1. Ordnung (Regeltheorie)

ProduktivitatsSteigerung, Rationalisierung

Okonomisch

Wirtschaftssubjekt

Okonomisch rational handelndes Wesen

Nationalbkonomie, okonomische Handlungstheorie

Gewinnsteigerung, MarktOrientierung

Human

MenschenGemeinschaft

Soziales, nach Selbstverwirklichung strebendes Wesen

Individual- und Sozialpsychologie, Betriebssoziologie

Humanisierung der Organisation, Arbeitsplatzsicherung

Ganzheitlich

Komplexes, viel- Komplexes Wesen mit dimensionales Eigenwert System in komplexer Umwelt

Muti-disziplinarer Ansatz, Systemtheorie, Kybemetik 2. Ordnung

Integration der Organisation zu einem Ganzen, Einpassung in ihre Umwelt

Heben die ersten drei, in Tab. 4-3 angefuhrten, Organisationsbilder je einen bestimmten Aspekt einer Organisation bzw. eines Menschen hervor, stellt das vierte Bild die Organisation als komplexe, vieischichtige Institution mit einer ebenso vielschlchtigen und komplexen Umwelt dar. Dazu passt das Blld des Menschen als Individuum mit Eigenwert und mit einem vielfaltlgen Denk- und Handlungsvermogen. ULRICH geht in selnen Ausfuhrungen noch detaillierter auf das Bild der ganzheitllchen Organisation ein.^^^

'^^ '^^

vgl. Ulrich(2001), S. 95 vgl. Ulrich(2001), S. 96

Organisationskultur 4.4.2

57

Managementphilosophien

Unter dem Begriff ManagementphJiosophie werden die grundlegenden Einstellungen, Uberzeugungen oder Wertvorstellungen verstanden, welche Fuhrungskrafte in bezug auf die zu fuhrende Organisation und auf die eigene Funktion in der Organisation haben. Die Managementphilosophie gibt der Tatigkeit von Fuhrungskraften einen Sinn bzw. eine tiefere Bedeutung J^"* Managementphilosophien sagen etwas daruber aus, warum eine Organisation gegrundet, betrieben und wie sie organisiert und gefuhrt wird. Obwohl diese Pramissen meist nur vage, nicht quantifizierbar und selten explizit formuliert werden, pragen diese doch das Denken und Handein der Fuhrungskrafte und, LJber deren Vorbildfunktion, das ihrer Mitarbeiter. Eine der wichtigsten Funktionen der Managementphilosophie besteht darin, die Handlungsfahigkeit des Managements in unstrukturierten Entscheidungssituationen zu ermoglichen. In jedem Fall beeinflussen Managementphilosophien die Wahrnehmung und Selektion von Entscheidungsalternativen sowie Entscheidungsrestriktionen.^^^ Gestaltungsempfehlungen von Managementkonzepten wie beispielsweise zur Aufbauorganisatlon, der Entwicklung von Mitarbeitern oder der Art der Entscheidungsfindung

beruhen auf der dahinterliegenden

philosophie.^^^ Die Wahl der Managementphilosophie

Management-

legt test

welche

Probleme uberhaupt als solche gesehen werden und beeinflusst somit den Umfang und die Auswahl der angefuhrten Gestaltungsfelder.^^'' Fur eine Organisation stellt die langfristige Verfolgung einer stabilen Managementphilosophie einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar.^^^ Die Auswahl von Managementkonzepten nach den Kriterien ihrer basierenden Managementphilosophie bekommt somit eine zentrale und strategische Bedeutung. Der Umstand, dass reale Managementkonzepte mitunter verschiedene Philosophien parallel verfolgen erschwert diese Auswahl.

vgl. vgl. vgl. vgl. vgl.

Ulrich(2001), S. 423 Staehle; Sydow (1992), S. 1286ff. Staehle; Sydow (1992), S. 1287ff. Ulrich(2001), S. 427 Ulrich(2001), S. 430

58

Organisationskultur

4.4.3 Fuhrungsstile Die Kategorisierung von Fuhrungsstilen kann prinzipiell aus zwei Gesichtspunkten heraus erfolgen: Zum einen wird die Problematik der Fuhrung aus der Sicht des Fuhrens zum anderen aus Sicht des Gefuhrt-werdens betrachtet. NEUBERGER^^®

gibt

einen

sehr

breiten

Literaturuberblick

zu

den

verschiedenen Moglichkeiten der Typologisierung von Fuhrungsstilen. In Tab. 4-4 wird das Model! von HERSEY/BLANCHARD (1977) fur die Einteilung von Fuhrungsstilen dargestellt. Dieses Model! stellt die Beziehungsorientierung der Fuhrungskraft zu den Mitarbeitern in Relation zur Aufgabenorientierung. Daraus ergeben sich vier unterschiedliche Fuhrungsstile, die mit dem dazu notwendigen Reifegrad der betroffenen MItarbeiter verbunden sind. Fur diese Arbeit stehen In erster Linie die Rollen von Managementkonzepten und der Fuhrungskrafte im Vordergrund. Aus dieser Sichtweise haben die beiden Fuhrungsstile autoritar und delegativ eine zentrale Bedeutung. Der Grad an Integration der Mitarbeiter in den Entscheidungsprozess, der fur die beiden anderen Stile relevant ist, spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

vgl. Neuberger (1995). S. 178ff.

Orqanisationskultur

59

Tab. 4-4: Ubersicht der Fuhrungsstile nach Hersey/Blanchard^

Reifegrad der Mitarbeiter

Fuhrungsstil autoritar

Vorgesetzter definiert die Rollen seiner Untergebenen und sagt ihnen was, wie, wann und wo zu tun ist (EinWeg-Kommunikation)

Geringe Reife (Motivation, Wissen und Fahigkeiten fehlen)

integrierend

Vorgesetzter versucht uber Zwei-Weg-Kommunikation, rationale Argumentation und sozio-emotionale Unterstutzung, Untergebene zur Akzeptanz der Aufgabenstellung zu bringen

Geringe bis mafiige Reife (Motivation, aber fehlende Fahigkeiten)

partizipativ

Maflige bis hohe Reife Fuhrer und Gefuhrte entscheiden gemeinsam; nur (Fahigkeiten, aber fehlende noch sozio-emotionale Motivation) Unterstutzung notig

delegativ

Hohe Reife (Motivation, Vorgesetzter delegiert und beschrankt sich auf Kontrolle Wissen und Fahigkeiten vorhanden)

Der

Zusammenhang

zwischen

Managementphilosophie

und

1

konkreter

Fuhrungspraxis wird bei NEUBERGER^^^ naher beschrieben. Die nationalkulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten osterreichischer, deutscher und schweizer Manager hinsichtlich des eingesetzten Fuhrungsstils hat beispielsweise WEIBLER^^^ u.a. untersucht.

'^° 172

vgl. Staehle(1992), S. 667f. vgl. Neuberger (1995) s. Weibler et al. (2000)

60

Orqanisationskultur

4.5 Organisationskultur als betriebswirtschaftliches Forschungsobjekt In den Betriebswissenschaften haben sich zwei prinzipielle Zugange zur Organisationskultur entwickelt. Die objektivistische Sicht auf der einen, die subjektivistische auf der anderen:^^^ In der objektivistischen Sicht wird die Rolle der Organisationskultur in ihrer integrierenden Wirkung gesehen, die den organisatlonalen Koordinationsbedarf reduziert und eine Motivationsfunktion fur die Organisationsmitglieder ubernehmen kann. Den Fuhrungskraften wird die Verantwortung uber die Auspragung und Gestaltung der Organisationskultur zugeschrieben.^'''^ Die subjektivistische Sicht geht von einem interpretativen Ansatz aus. Dabei geht es urn das Verstandnis, wie die Schaffung einer gemeinsamen sozialen Realitat innerhalb von Organisationen ablauft. Interaktionsprozesse in Organisatlonen werden nicht als objektiv gegeben, sondern als subjektiv wahrgenommen begriffen. Die subjektive Wahrnehmung der Organisationsmitglieder wird interpretiert und mit einer Bedeutung versehen. Im Unterschied zur objektivistischen Vorgehensweise nimmt der Forscher nicht die Rolle des Beobachters, sondern die Rolle des Interpretators ein.^''^ Die Ursprunge der Kulturdebatte weltweit und im deutschsprachigen Wissenschaftskreis beschreibt BLEICHER^''^ im Uberblick. Das theoretische Konzept der Organisationskultur hat sich in der zweiten Halfte der 1980er Jahre zu einem bedeutenden Bereich im Rahmen der Organisationstheorie entwickelt. Die Wurzein des Konzepts reichen dabei weit zuruck und beziehen verschiedene sozialwissenschaftliche Disziplinen ein. In den 1970er Jahren finden sich vor allem Beitrage skandinavischer Autoren, die sich mit organisatlonalen Mythen beschaftigen. Dabei wurden hauptsachlich

irrationale

Elemente des Managements und der Organisation aus soziologischer und sozial-psychologischer Perspektive untersucht. Eine weitere Sensibilisierung fur kulturelle Fragen erfolgte mit den vergleichenden Untersuchungen zu

vgl. Alioth (1990), S. 33 und vgl. Heinen (1987), S. 4ff. vgl. Alioth(1990), S. 33ff. vgl. Alioth (1990), S.34ff. vgl. Bleicher(1983)

Orqanisationskultur

61

Werten und Praktiken des Managements in verschiedenen Landern in den 1970er und fruhen 1980er Jahren, insbesondere durch Geert HOFSTEDE.^^^ Die historische Notwendigkeit sich mit dieser iVIaterie auseinander zu setzen wird bei HEINEN^^® beschreiben: Die Erfoige der japanischen Industrie in den 1970er Jaliren liaben der US-amerikanischen Wirtschaft die Grenzen der taylorischen Arbeitsteilung vor Augen gefuhrt. In weiterer Folge wurde die Bedeutung der Organisationskultur fur den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens erkannt und eine Reihe von Studien zum Vergleich der beiden nationalen Kulturen durchgefuhrt. Mitte der 1980er Jahre eriangt das Organisationskulturkonzept eine ubergreifende Beachtung; vor allem vor dem Hintergrund der Erfolgsstudien von William G. OUCHI, Thomas J. PETERS und Robert H. WATERMAN sowie Terrence E. DEAL und Allen A. KENNEDY. Das Interesse der Praktiker hat auch die wissenschaftliche Diskussion und Forschung weiter intensiviert.^''^ Im deutschsprachigen Raum startet die Diskussion rund um die Organisationskultur etwa 1985. Dabei beteiligen sich im wesentlichen die Forschungsdisziplinen Betriebswirtschaft, Organisationslehre, Industriesoziologie, Wirtschaftssoziologie sowie eine Reihe von Praktikern.^^^ Eine detaillierte und kritische Darstellung der Organisationsdebatte in der deutschsprachigen Betriebswirtschaft erstellt PRABITZ^^\ Die wichtigsten Quellen zur deutschsprachigen

Diskussion

der

Organisationskultur

fiihren

TIEBLER

und

PRATORIUS(1993y^^an. Die meisten wissenschaftlichen Stromungen stellen die Integration und Koordination organisationaler Aktivitaten in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Ausgehend von diesem Organisationskulturansatz entwickelten sich sukzessive die Stromungen des Organisationalen Symbolismus und Organi-

vgl. Weik; Lang (2001), S. 208f. vgl. Heinen(1987), S. 4ff. vgl. Weik; Lang (2001), S. 208f. vgl. Prabitz(1996), S. 5ff. vgl. Prabitz(1996) vgl. Prabitz(1996), S. 127f.

62

Organisationskultur

sationalen Diskurs.^®^ Diese drei Stromungen unterscheiden sich im wesentlichen durch ihren Untersuchungsgegenstand. In der Tab. 4-5 werden diese einander schematisch gegen-ubergestellt.^®'^ Tab. 4-5: Vergleich von Organisationskultur, organisationalem Symbolismus und organisationalem Diskurs^®^ Merkmal

Organisations-kultur

Organisationaier Symbolismus

Organisationaier Diskurs

Theoretischer Hintergrund

Funktionalistische Kulturtheorie, Kognitionstheorie, sozialer Konstruktivismus, Symbolischer Interaktionismus

Symbolischer Interaktionismus, Konstruktivismus, Semiotik

Semiotik, Poststrukturalismus, Theorie der Sprechakte, Konstruktivismus, Konversations-analyse, Ethno-methodologie

Untersuchungsgegenstand

Grundannahmen, Wertbilder, deren integrierende Wirkung und Entstehungsprozess

Symbole; der Prozess ihrer Deutung und Entstehung

Sprache und Sprachgebrauch

Zentrale Begriffe

Grundannahmen Werte Wertbilder, kognitive Landkarten, geteilte Werte, Subkulturen

Symbol, Symbolsysteme, symbolische Felder, geteilte und subjektive Bedeutung

Diskurs, Kommunikation, Text, Kontext, Metapher, Narrative, Macht, Ideologie, Prinzip der diskursiven Relativitat

Gemeinsame Interpretationsschemata von organisationalen Symbolen bzw. Symbolsystemen fuhren zu gemeinsamer Sinnzuschreibung und somit auch partiell zu gemeinsamen Handlungen.

Integration und Koordination werden durch Kommunikation auf der Mikroebene erreicht, auch wenn sie nicht expliziter Inhalt sind. Im Rahmen dieser Kommunikation konstruieren/destruieren und bestatigen/bezweifein die Mitglieder Annahmen, Rollen, Strukturen etc.

Zentrale Thesen In Organisationen bezuglich sozialer existiert eine bestimmte Anzahl historisch Mechanismen entstandener. gemeinsamer, kognitiver und evaluativer Orientierungs-muster und Interpretationsschemata, die das Verhalten der Organisations-mitglieder beeinflussen und steuern. Sie sind begrenzt beeinflussbar und gestaltbar.

vgl. Weik; Lang (2001), 8. 203 vgl. Weik; Lang (2001), 8. 205 vgl.Weik;Lang(2001), 8. 207

Organisationskultur

63

Alle drei Stromungen konzentrieren sich auf Untersuchungsgegenstande, die von alien oder zumindest einigen Organisationsmitgljedern geteilt werden. Diese Gemeinsamkeiten bewirken, dass man sich untereinander versteht, dass man sich bei der Arbeit implizit oder explizit abstimmen kann und dass individuelle und/oder soziale Bedurfnisse wie Motivation, Identitat, Zugehorigkeit etc. erfullt werden.^^^ 4.6 Modelle zur Organisationskultur Der folgende Abschnitt bietet einen Uberblick zu den wichtigsten Modellen der Organisationskultur und begrundet die Auswahl eines theoretischen Ansatzes fur diese Arbeit. Fur die nachfolgende Analyse von Managementkonzepten soil ein geeignetes Modell ausgewahit werden, das dazu die folgenden Anforderungen erfullt: •

Eignung als Grundlage fur das Analyseinstrument und Grundmodell fur die Charakterisierung von Managementkonzepten



Einfachheit und geringer Grad an Ausdifferenzierung

(die kulturelle



Charakterisierung von Organisationskulturen und deren Vergleich steht fur

Dimension stellt nur einen Teilaspekt eines umfangreicheren Modells dar) diese Arbeit nicht im Vordergrund •

Ganzheitliche

Darstellung

des

Phanomens



Verbindung zum Managementsystemen

der

Organisationskultur

(Moglichkeit der Ableitung von Handlungsbedarfen)

Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen werden die verschieden Modellansatze eriautert und kritisch diskutiert. Dabei wird besonders auf das Modell von SCHEIN eingegangen, da dieses sich als theoretische Basis fur das welter unten (siehe Kapitel 7) prasentierte Analysemodell fur Managementkonzepte als am besten geeignet erweist. Neben dem Modell von SCHEIN werden die Modelle von HOFSTEDE und HEINEN vorgestellt, weitere Ansatze jedoch nur aufgelistet. Zu den verschiedenen Modellen in der Literatur bieten WEBER/MAYRHOFER^®^ sowie NEUBAUER^^^ einen erweiterten Uberblick.

vgl. Weik; Lang (2001), S. 205f. s. Weber; Mayrhofer (1988)

64

Orqanisationskultur

4.6.1 Modell nach SCHEIN In der Literatur nimmt das Ebenenmodell nach SCHEIN^^^ eine besonders prominente Stellung ein. Zum einen, weil dieses Modell am Beginn der „Organisationskultur-Welle" in den fruhen 1980er Jahren entwickelt wurde, zum anderen, weil diese Modelldarstellung einfach nachzuvollziehen ist. Fur SCHEIN muss die Organlsationskultur auf verschiedenen Ebenen analysiert und verglichen werden, die von sichtbaren angrelfbaren Dingen bis hin zu tief unbewussten

Grundannahmen

der

Organisationsmltglieder

reichen; da-

zwischen liegen gemeinsame Werte, Normen und Verhaltensregeln. SCHEIN^^° ordnet die verschiedenen Ebenen einer Kultur zu und versucht deren Beziehungen zueinander zu klaren. Dabei wird die Kultur in Oberflachenphanomenen

und darunter liegenden organisationalen

Pramissen

untergliedert. Diese tieferliegenden Kerne der Kultur zeigen sich einem Beobachter nicht explizit, sondern sind nur uber Interpretationsprozesse zuganglich.^^^ Im Modell von SCHEIN wird die Kultur einer Organisation in die folgenden drei Ebenen bzw. unterschiedllchen Grade an Sichtbarkeit untergliedert:^^^ •

Artefakte: sichtbare Strukturen, Prozesse



Werte: Strategie, Ziele, Philosophien



Grundannahmen: unbewusste Anschauungen, Gedanken, Gefuhle

Der Unterschied zwischen Werten und Grundannahmen liegt im Grad der organisationalen Verankerung. Werte

konnen

unter den

Organisations-

mitgliedern diskutiert und hinterfragt werden, Grundannahmen hingegen sind derart in der Organisation verankert und werden fur selbstverstandlich gehalten, dass eine Person, die sich nicht an diese halt, von der Organisationsgemeinschaft ausgeschlossen wird.^^^

s. Neubauer (2003), S. 49ff. vgl. Schein(1997), S. 16 s. Schein(1997), S. 28ff. vgl. Schreyogg (1991), S. 1527 vgl. Schein (1995), S.28ff. vgl. Schein (1997), S. 16

Orqanisationskultur

65

4.6.1.1 Artefakte An der Oberflache der Organisationskultur stehen die Artefakte, die alle sichtbaren, horbaren und fiihlbaren Phanomene umfassen. Artefakte inkludieren dabei die sichtbaren Elemente, wie die Gestaltung der Arbeitsumgebung, verwendete Sprache, eingesetzte Technologie und Produkte, Stil der Kleidungen, Mythen und Geschichten, die Ciber die Organisation erzahit werden, Rituale und Zeremonien und so weiter.^^"^ Die Ebene der organisationalen Artefakte ist leicht und einfach zu beobachten, jedoch sehr schwer zu entschlussein und deren Bedeutung zu erkennen. In diesem Zusannmenhang kann das Beispiel der Pyramiden der IVIaya-Kultur angefuiirt werden, die als Artefakte sichtbar und erfassbar sind, deren kulturelle Hintergrunde und Bedeutung jedoch bis heute weitgehend unbekannt sind. Der Ruckschluss von Artefakten auf die darunterliegenden kulturellen Ebenen ist in den meisten Fallen nicht moglichJ^^ Das Problem der Interpretation von Artefakten und organisationalen Symbolen ist, dass diese nur von Personen interpretiert werden konnen, die die gesamte Kultur als solche kennen, also auch die tieferliegenden Ebenen. Je besser der Beobachter die Kultur kennt, umso besser und leichter wird dieser Artefakte und Symbole erklaren und deuten konnen. Bel der Beurteilung einer Kultur durch Audenstehende spielen die Grundannahmen und Werte des Beobachters eine entscheidende Rolle, was wiederum eine richtige Interpretation erschwert.^^^ 4.6.1.2 Werte Die Ebene der Werte stellt die nachst tiefer liegende Ebenen der Organisationskultur dar. Wenn eine Organisation vor neue Herausforderungen oder Probleme gestellt wird, so entspringt die Beurteilung der Situation und der erste vorgeschlagene Losungsansatz, in den meisten Fallen den Wertvorstellungen einer einzelnen Person. Derartige Personen, die Entscheidungen

vgl. Schein(1997), S. 17 vgl. Schein(1997), S. 17f. vgl. Schein (1997), S. 17f.

66

Organisationskultur

einer gesamten Organisation lenken konnen, werden als sogenannte Leader bezeichnet.^®^ Wenn es der Fuhrungskraft gelingt die Gruppe zu der gewollten Handlung zu bewegen und das Ergebnis dieser Handlungen positiv ist, beginnt ein sogenannter kognitiver

Transformationsprozess

und die historisch

einmalige

Handlung wird in das organisationale gemeinsame Wertesystem integriert. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Organisation die Handlung und deren Ergebnisse bewusst eriebt und in dieser Einhelt erkennt. Halt der Erfolg der Handlungsempfehlungen uber einen langeren Zeitraum an, werden diese Werte in der Organisation gefestigt und schliefilich In die tiefste Stufe, in die Ebene der Grundannahmen, ubernommen.^^® Nicht alle Werte durchlaufen einen derartigen Transformationsprozess, sondern nur jene, die fur die Organisation zu einem greifbaren und validierbaren Ergebnis fiihren. Wertvorstellungen (z. B. moralische Werte), die zu keinem messbaren und unmittel-baren Ergebnis fiihren, werden von einer Gruppe mit einer welt geringeren Wahrscheinlichkelt ubernommen.^^^ Derartlge Werte und Handlungsleltllnlen reduzleren fur die Organisation die auftretende Unsicherheit in kritlschen SItuationen und bieten eine Orientierung in der Komplexitat von Arbeitsablaufen. Fuhren diese Werte bel realen Problemstellungen uber langere Zeitraume zum Erfolg, werden diese Werte sukzessive zu nicht-hinterfragbaren Grundannahmen. Diese Werte werden im Zuge der Sozialisation auch auf neue Organisationsmitglieder ubertragen.^°° 4.6.1.3 Grundannahmen Wenn Losungen fur Problemstellungen oder Handlungsempfehlungen uber einen langeren Zeitraum erfolgreich sind, werden diese noch welter und tiefer in die Organisationskultur ubernommen. Die Organisation zeichnet sich ein Bild von der Realitat, das sie immer mehr als die tatsachllche Realitat erkennt. Grundannahmen vgl. vgl. vgl. vgl.

werden

Schein(1997), Schein(1997), Schein(1997), Schein(1997),

S. 19 S. 19 S. 20 S. 20

von

alien

Organisationsmitglieder

als

selbst-

Organisationskultur

67

verstandlich angesehen, variieren inhaltlich kaum unter den verschiedenen Individuen und werden weder infragegestellt, noch wird uber sie diskutiert. Somit sind diese Grundannahmen sehr schwer zu verandern und dessen Infragestellung fijhrt in den meisten Fallen zu einer temporaren Destabilisierung der Organisation. Geht man von der Pramisse aus, dass der Mensch kognitive Stabilitat braucht, lost jedes Infragestellen oder partielles Andern von Grundannahmen Angst und Verteidigung aus.^°^ Neben der organisationalen Sozialisation werden die Grundannahmen von Individuen zu einem hohen Mali durch die Erziehung und berufliche Ausbildung gepragt. Darauf beruhen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit unterschledlicher Berufsgruppen und unterschiedlicher national-kultureller Herkunft.2°2 Jede Organisationskultur kann anhand der drei oben angefuhrten Ebenen untersucht werden. Wird jedoch die Ebene der Grundannahmen nicht erhoben und gedeutet, konnen die beiden darijberliegenden Ebenen der Artefakte und Werte nicht welter entschlusselt werden. Das Wesen der Kultur liegt in den einzelnen Grundannahmen und sobald diese erfasst und verstanden werden, konnen auch die daruberliegenden Ebenen richtig interpretiert werden.^°^ Das eben vorgestellte Modell nach SCHEIN glledert das Phanomen der Organisationskultur in drei Teilaspekte. Auf dessen Basis kann die Kultur einer spezifischen Organisation systematisch beschrieben und dargestellt werden. Die Dreigliederung ist einfach nachvollziehbar und auch fur die Charakterisierung von Managementkonzepten geeignet. Daruber hinaus kann die Verbindung zwischen einzelnen Elementen von Managementsystemen und den verschiedenen kulturellen Ebenen hergestellt werden.

vgl. Schein(1997), S. 21f. vgl. Schein(1997), S. 26 vgl. Schein(1997), S. 26

68

Organisationskultur

4.6.2 Modell nach HOFSTEDE Dieses Modell dient in erster Linie der Charakterisierung und Analyse von Organisationskulturen. Dazu fiihrte HOFSTEDE^^"^ in den 1970er Jahren umfangreiche empirische Untersuchungen durch und fokussierte diese auf natlonale Kulturkreise und innerbetriebliche Subkulturen. Der grofite Teil der Forschungsarbeiten wurde bei IBM, dem internationalen

IT-Grodkonzern

durchgefuhrt. Als Ergebnis formulierte HOFSTEDE ein Dreiebenenmodell, das der Kultur einer Organisation zugrunde liegt. Dabei werden die folgenden drei Ebenen unterschieden: •

Natlonale Kultur



Professionskultur



Organisationskultur

Fur eine Veranderung der Kultur sind die beiden ersten Ebenen kaum zuganglich, bleiben also uber lange Zeit unverandert, die Organisationsebene ist teilweise durch Intervention und mithilfe der Ansatze des Changemanagements zuganglich. Die natlonale Kultur ist seit der fruhen Kindheit in den einzelnen Menschen verankert und stellt den ersten Sozialisationsprozess dar. Die Vermittlung dieser Werte und Normen erfolgt durch die Erziehung, den Schulbesuch und den Umgang von Mitmenschen. Die Kultur der Berufsgruppe (Profession) wird inn Zuge der schulischen bzw. beruflichen Ausbildung aufgenommen. Ist dieser Kulturaspekt in einer Organisation besonders ausgepragt entstehen nnit dem Einsatz verschiedener Berufsgruppen zwangslaufig Subkulturen. Besonders ausgepragt tritt dieser Kulturaspekt bei Berufsvereinigungen oder Berufsfachkreisen auf, die sich uber gemeinsame berufsspezifische Werte und Normen definieren.^°^

s. Hofstede(2001), S. 41ff. vgl. Hofstede(2001), S. 414

Organisationskultur

69

Die Organisationskultur ist schliefilich jene, die fCir eine einzelne Organisation charakteristisch ist. Aufgrund der durchgefuhrten empirischen Untersuchungen formulierte HOFSTEDE seclis Dimensionen, die in unterschiedlicher Auspragung charakteristisch fur eine spezifische Organisationskultur sind. Im folgenden Abschnitt werden diese Dimensionen naher erlautert:^°^ •

Prozess- vs. Ergebnisorientierung



Mitarbeiter- vs. Aufgabenorientlerung



Organisationsgebundene vs. arbeitsorientierte Identitat (professionell)



Offene vs. geschlossene Organisation



Strenge Kontrolle vs. lockere Kontrolle



Normative Regelungen vs. pragmatische Regelungen

Mit der Dimension Prozessorientierung ist die Risikoaversltat, ein gerlnges Engagement und die Dominanz repetltlver Routlnen verbunden. In Organlsationen mIt einer ausgepragten Ergebnisorientierung sehen sich Mitarbeiter hingegen gerne In herausfordernden Arbeltssituationen und haben Freude am Erbrlngen von Leistung. Mitarbeiterorientierte Kulturen nehmen sich in verstarktem Mali der personlichen Probleme der IVIitarbelter an und die Organisation ubernlmmt eine gewisse Verantwortung fur sie. Dem gegenuber Ist die Aufgabenorientierung

mit Aufgabendruck verbunden und die Ent-

scheidungsfindung erfolgt eher autoritar als partlzipativ.^°'' Ist die Verblndung zwischen privaten und beruflichen Aspekten ubergehend und nimmt die Organisation Mitarbeiter nach deren Personlichkeit und gesellschaftlichen Hintergrund auf, wird von einer

organisationsgebundenen

Identlflkation gesprochen. Arbeitsorientierte Identitat zelchnet sich durch eine scharfe Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben aus. Die Offenheit bzw. Gesclilossentieit

einer Organisation drijckt sich primar durch das Kom-

munlkatlonskllma aus. Offene Kulturen sind often fur neue Mitglleder und zelgen ein ausgepragtes Zugehorigkeitsgefuhl. Lockere Kontrolle und Fuhrung zeigt sich belspielsweise in nur vereinzelt und aniassbezogen abgehaltenen Besprechungsrunden.

^°' 2°^

Strenge

Kontrolle

vgl. Hofstede (2001 ),S. 391 und 397ff. vgl. Hofstede (2001), S. 397ff.

hingegen zeichnen

sich

durch

70

Orqanisationskultur

Kostenbewusstsein, Punktiichkeit bei Meetings und der Einhaltung strikter Verhaltensregeln aus. Schliefilich wird die kundengetriebene bzw. -orientierte Organisationskultur als pragmatisch und das Einhalten von Regel als normativ bezeichnet.^°^ Die Dimensionen

Mitarbeiter- vs. Aufgabenorientierung

und offene vs.

geschlossene Organisation wurden in den Untersuchungen als unabhangig von der Branche befunden und beziehen sich in erster LInie auf die Phllosophie der Grunder und die Kultur der Fuhrungskrafte. Die vier anderen Dimensionen sind dagegen branchen- und marktspezifisch. Keine dieser sechs Kulturdimensionen korreliert jedoch mit der Grofie der Organisation.^°^ Dieses Modell nach HOFSTEDE ist aufgrund umfangreicher Untersuchungen empirisch gut abgesichert und in der internationalen Literatur etabliert. Die damit verbundenen Dimensionen dienen der Charakterisierung und Diagnose von Kulturen und sind immer wieder Ausgangspunkt fur die Gestaltung sogenannter Kulturassessments^^°. Die Verbindung zu einem Managementsystem kann nicht hergestellt werden, da es sich um die Beschreibung

von

spezifischen Organisationsauspragungen handelt. Somit ist es auch nicht fur die Analyse von Managementkonzepten geeignet. Die Anzahl der Dimensionen ist daruber hinaus umfangreich und bedarf einer zusatzlichen Erklarungen. 4.6.3 Modell nach HEINEN Dieses Modell dient der Erklarung des Entstehungs- und Auspragungsprozesses von Organisationskulturen. HEINEN^^^ definiert die Organisationskultur als die organlsationsbezogenen Werte und Normen der Mitglieder einer betriebswirtschaftlichen Organisation. Organisationskultur wird damit als das Jdeelle Metasystem" des Sozialsystems Unternehmung verstanden. Organisationskultur umfasst schliefilich die vier Elemente Symbole, Werte, Normen und Artefakte.

vgl. vgl. vgl. vgl.

Hofstede(2001), S. 397ff. Hofstede(2001), S. 402 Cabrera (2001) Heinen(1987), S. 32

Orqanisationskultur



Das Modell von HEINEN^^^ stellt eine Synthese des von ihm bereits in fruheren Jahren entwickelten organisatjonalen Entscheidungsprozesses und dem Konzept der Organisationskultur dar. Die Entwicklung einer Organisationskultur wird dabei in Analogie zum Koalitionsmodell der Entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftlehre, ahnlich dem organisationalen Gesamtentscheidungsprozess gesehen. Dabei bilden sich einerseits ausgehend von den einzelnen Individuen ubergreifende Oberziele, die in weiterer Folge als strategische Ziele der Organisation formuliert werden. Andererseits werden organisational Ziele, die von den Fuhrungskraften formuliert und eingefordert werden mit den Individualzielen der einzelnen Mitarbeiter zusammengefuhrt. Diese Zusammenfuhrung kollektiver und individueller Zielsysteme stellt die Basis der koalitionstheoretischen Perspektive im Rahmen der Entscheidungsorientierten Betriebswirtschaft dar.^^^ Die Pragung der Organisationskultur erfolgt in erster Linie durch das Management. Die zentralen Fuhrungskrafte legen das Zielsystem der Organisation test und legitimieren es mithilfe von Werten, die auf personlichen und subjektiven Einstellungen beruhen. Schliefllich entsteht, aufbauend auf verschiedenen Einzelbegriffen ein Kultursystem, das fur die Organisationsmitglieder einen Kriterienraster fur konkrete Handlungsentscheidungen und alternativen darstellt. Auf diese Weise wirkt die Organisationskultur handlungsleitend und koordinierend. Die Kommunlkation dieser handlungsleitenden und koordinativen Kulturaspekte ubernehmen in erster Linie Symbole wie kulturelle Artefakte (z.B. Gestaltung der Arbeitsplatze) oder menschliche Handlungen (z.B. Rituale, Sprache).^^"^ Die determinierende Wirkung fur kollektive und individuelle Handlungen erfolgt mithilfe einer deduktiven Ableitung bzw. Konkretlsierung organisationaler Ziele. Um die generellen Oberziele zu verwirklichen, werden im administratlven System Strateglen entworfen und im operativen Bereich Mafinahmen ergriffen, die das organisationale Handein bestimmen. Damit erfolgt eine weitere Konkretlsierung der Zielvorstellungen und der dahlnter stehenden

vgl. Heinen(1987), S. 22 vgl. Heinen(1987), S. 33ff. vgl. Heinen; Dill (1986), S. 207ff.

72

Organisationskultur

organisationskulturellen Werte und Normen. Erfolg und Misserfolg der so durchgefuhrten Handlungen fuhren zu einer Verfestigung oder Abschwachung der Bedeutung dieser Werte. Es entsteht ein gemeinsames Erfahrungswissen, das uber Geschichten Mythen und Rituale transportiert wjrd.^^^ Organisationskultur

wirkt

koordinierend

auf der

strategiebildenden

und

operativen Ebene. Die Organisationskultur beruht auf einem gemeinsamen verbindllchen Zielsystem, das bestimmte Werte verkorpert. Wenn

kein

Konsens bezijglich der Werte und Ziele besteht, kommt es zur Auspragung schwacher Kulturen oder Subkulturen. Der Kulturwandel muss sich sowohl auf der organisationalen (d.h. Neuorientierung der Normen, Werte und Zielsysteme) als auch auf der indivlduellen Ebene (d.h. Einstellungsanderung der einzelnen Organisationsmltglieder) vollziehen. 1st der erste Punkt tendenziell kurzfristig zu andern, unterliegt der zweite einem sogenannten Changeprozess der ein gewisses Ma(3> an Zeit benotigt. Der organisationskulturelle Wandel stellt letztlich eine Neubewertung von Symbolen und Zielen dar. Das Modell von HEINEN spielt in der deutschsprachigen Betriebswirtschaft eine gewisse Rolle, in der internationalen Literatur hat es hingegen nur wenig NIederschlag gefunden. Das Modell beschreibt in erster Linle den Prozess der Kulturauspragung in einer Organisation und geht besonders auf die Entwicklung speziflscher Kulturen ein. Fur die Darstellung kultureller Aspekte sowie fur die Klassifizierung von Managementkonzepten ist es In dieser Form nicht einsetzbar. 4.6.4 Weitere Modelle Weitere Modelle wurden von den beiden Unternehmensberatern PETERS und WATERMAN vom Beratungsunternehmen McKinsey Anfang der 1980er Jahre entwickelt. Dazu stellten sie das sogenannte 7 S Konzept vor und fuhrten damit die sieben organisationalen Handlungsfelder Strategie, Struktur, Systeme, Stil, Spezialkenntnisse, Stammpersonal, Selbstverstandnis an. Neben den klassischen „harten" Faktoren sollte dieses Konzept also auch die

vgl. Heinen; Dill (1986), S. 209ff.

Orqanisationskultur

73

„weichen" in die Organisationsbetrachtung integrieren.^^^ Die Organisationskultur wird in diesem Ansatz, im Sinne der objektivistischen Sichtweise, als ein aktiv gestaltbares Handiungsfeid gesehen. Dieses Modell integriert zwar den Kulturaspekt

in den Gesamtzusammenhang

der Organisation

und

der

Fuhrung, lasst aber keine vertiefte Diskussion und Analyse der Organisationskultur an sich zu. Weitere in der Literatur bekannte iVIodelle zur Organisationskultur liefern OUCHI (1981) sowie DEAL und KENNEDY (1982). 4.7 Identifikation von Organisationskulturen Die Identifikation von Organisationskulturen ist nicht einfach, da es keinen systematischen Weg gibt, der zu gesicherten Ergebnissen fuhrt. Ein Hllfsnnittel fur eine erste Evaluation sind die Entwicklung von Typologien, die es ermoglichen isolierte Einzelbeobachtungen und -erfahrungen systematisch zu sortieren.

Solche

Typologlsierungen

fuhren

u.a.

DEAL/KENNEDY

und

HEINEN durch. Eine derartige Vorgehensweise stellt jedoch auch eine grobe Vereinfachung dar.^^^ Ziel der Kulturidentifikation ist die detaillierte Beschreibung von Artefakten und Symbolen der einzelnen Kulturen, von Objekten (z.B. Kleidung, Gebaude, Firmenlogo), Sprache (z.B. Anekdoten, Witze, Geschichten), Verhalten (z.B. Zeremonien, Riten, Feste) und Gefuhlen (z.B. Stolz, Sachlichkeit, Gleichbehandlung). Das Erkennen und die Identifikation einer spezifischen Kultur ist nur moglich, wenn jede Kulturauspragung ausreichend definlert ist. Ober deren Beschreibung

lassen sich Organisationskulturen

in die drei

folgenden

Dimensionen typologisieren:^^^ •

Verankerungsgrad

(Ablehnung

vs.

Internalisierung):

Beschreibt

das

Ausmafl an Ubereinstimmung zwischen den individuellen Werten und Normen und denen der Organisation; ist somit ein Mali der Internalisierung der Kultur einzelner Organisationsmitglieder. instrumente bieten sich im Rahmen der Sozialpsychologie an.

vgl. Neubauer (2003), S. 49ff. vgl. Schreybgg (1991), S. 1529 vgl. Heinen (1987) und Berkel; Herzog (1997), S. 19

Gestaltungs-

74 •

Orqanisationskultur Ubereinstimmungsausma/l

(Unvereinbarkeit

vs. Vereinbarkeit):

Diese

Dimension beschreibt die Homogenitat der Kulturauspragung in der Organisation sowie die Bildung von Subkulturen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage inwieweit eine Ubereinstimmung bei der Ubernahme von Werten und Normen durch die Organisationsmitglieder besteht. Geeignete Medien bieten sich dabei als Gestaltungsinstrumente an. •

Systemvereinbarkeit

(Unvereinbarkeit vs. Vereinbarkeit): Die dritte Di-

mension der Kultur gibt die Beziehung zwischen organisationsinternen Werten und Normen sowie den formalen Instrumenten der Mitarbeiterund Organisationsfuhrung an. Diese formalen Instrumente beinhalten Fuhrungsmodelle,

Methoden

und

Instrumente

des

operativen

und

strategischen Managements, Informatlonssysteme, logistische Systeme, etc. HEINEN^^^ diskutiert diese drei typologischen Dimensionen fur eine Vielzahl von Varianten und nimmt somit eine typenorientierte Klassifikation von Organisationskulturen vor. S C H R E Y O G G wiederum misst die Starke einer Kultur mithilfe der Messdimensionen Pragnanz, Verbreitungsgrad und Verankerungstiefe:^^° Die Pragnanz unterscheidet Organisationskulturen danach, wie klar die vermittelten Orientierungsmuster und Werthaltungen sind. Starke Organisationskulturen zeichnen sich demnach durch klare Vorstellungen daruber aus, was erwunscht ist und was nicht. Dazu mijssen die einzelnen Werte, Standards und Symbolsysteme relativ konsistent und ein moglichst klarer Orientierungsrahmen fur das Verhalten In eventuell eintretenden Situationen vorskizziert sein. Diese kulturellen Organisationsmuster mussen jedoch relativ umfassend angelegt sein, so dass sie nicht nur in einigen spezlellen, sondern in vielen Situationen gelten und den Mafistab setzen konnen. Der Kulturinhalt selbst spielt fur die Beurteilung der Starke keine Rolle und kann also dem Inhalt nach anspruchsvoll oder trivial, moralisch oder unmoralisch sein.^^^

vgl. Heinen(1987), S. 29 vgl. Schreyogg (1991), S. 1530 vgl. Schreyogg (1991), S. 1530

Organisationskultur

75

Der Verbreitungsgrad spiegelt das Ausmali der Teilung der gemeinsamen Kultur durch die Mitglieder wider. In einer starken Organisationskultur wird das Handein von sehr vielen Mitgliedern, im Idealfall aller, von den Orientierungsmustern, Werten und Symbolen geleitet. Daraus folgt, dass sich starke Organisationskulturen durch ein hohes Mad an Homogenitat auszeichnen; kulturelle Heterogenitat weist auf eine eher schwache Kultur hin.^^^ Die Verankerungstiefe beschreibt schliefllich, inwieweit die kulturellen Muster internalisiert, Handelns

also

zum

geworden

selbstverstandllchen

sind.

Dabei

wird

Bestandteil

differenziert

des

taglichen

zwischen

einem

kulturkonformen Verhalten, das ein blofies Ergebnis einer kalkulierten Anpassung ist, und einem kulturkonformen Verhalten, das einem internalisierten kulturellen Orientierungsmuster entspringt. Nur letzteres lasst Stabilitat, Vertrautheit und Fraglosigkeit im taglichen Umgang entstehen. Als logische Konsequenz gehort zur Verankerungstiefe die Stabilitat der Organisationskultur uber langere Zeitraume.^^^ SCHEIN^^"^ liefert einen Uberblick uber die instrumentellen Moglichkeiten der Organisationsforschung um Kultur zu erfassen. Dabei werden Instrumente der Sozialwissenschaften zum einen im Grad an Beteiligung der Gruppenmitglieder, zum anderen im Grad der Beteiligung der Forscher unterschieden. Der hochste Grad beider Dimensionen wird als sogenannte „Klinische Forschung" bezeichnet. DIese Forschungsart bedient sich der Aktionsforschung und der Organisationsentwicklung. ALIOTH^^^ beschreibt im Zuge seiner Untersuchungen einen interpretativen Ansatz zur Kulturidentifikation. Dazu wird eine Reihe offener (narrativer) Interviews durchgefuhrt, deren Hauptinhalte anschliedend vom Forscher interpretiert werden.

vgl. Schreyogg (1991), S. 1530 vgl. Schreyogg (1991), S. 1530 vgl. Schein (1995), S.36 vgl. Alioth (1990), S.57ff.

76

Organisationskultur

4.8 Ansatze zum organisationskulturellen Wandel Im Rahmen der objektivistjschen Betrachtung wird die Organisationskultur als ein mogliches Handlungsfeld des Managements und somit auch als veranderund gestaltbar gesehen. Vor diesen Pramlssen wird das Thema Wandel von Organisationen diskutiert, das in der Literatur einen elgenen Teil darstellt; RINGLSTETTER und SCHUSTER^^^ haben dazu einen umfangreichen Rezessionsartikei verfasst. Die Frage nach der gezielten Gestaltbarkeit von Organisationskulturen wird in der Wissenschaft von drei Standpunkten aus zu beantworten versucht. Den einen Pol bilden die sogenannten Kulturingenieure, die in ihrer Position davon ausgehen, dass Kulturen ahnlich wie andere Fuhrungsinstrumente gezielt eingesetzt und planmafiig verandert werden konnen. In diese Kategorie fallt auch der

systematische

Kulturwandel

mithilfe

entgegengestellten

Pol

geeigneter vertreten

und

Instrumente.

Den

die

Kulturalisten,

die Organisationskulturen als eine organisch

adaptierter sogenannten gewachsene

Lebenswelt darstellen, die sich jedem gezielten Veranderungsprozess entzieht. Diese kulturalistische Position hebt vor allem den Wert intakter lebensweltllcher Gemeinschaften hervor. Eine dritte Position^^'' lasst sich mit dem Stichwort Kurskorrektur umreifien. Diese baut auf der Idee des geplanten Wandels im Sinne des Initiierens einer Veranderung in einem grundsatzlich offenen Prozess auf. Ausgehend von der Kritik an einer bestehenden Kultur werden Anstode zu einem Wandel gegeben. In dieser Arbeit, die besonders die Rolle von Management und Managementkonzepten herausstreicht, wird der ersten Sichtwelse, der aktiven Gestaltung von Kulturwandelprozessen, der Vorrang gegeben. Als Losungsansatz haben sich in der Literatur Ansatze des Human Ressource und des Change Managements etabliert, die den Wandelprozess per se als Forschungsproblem sehen^^^. SCHREYOGG^^^ liefert einen Uberblick zu den Ansatzen der Organisationsentwicklung, sowie einen Beitrag zur Kritik an dievgl. vgl. vgl. vgl.

Ringlstetter; Schuster (2001) Schreyogg (1991), S. 1535 Schreyogg (1999), 8. 483 Schreyogg (1999), S. 503ff.

OrqanisatJonskultur

77

sen. ALIOTH^^° kritisiert Ansatze und Managementkonzepte, die darauf abzielen die Organisationskultur zu verandern oder in eine bestimmte Richtung umzuorientieren. Die Anpassung von Organisationskulturen an veranderte organisationale Rahmenbedingungen kann nur durcli systematische Wahrnehmung und Reflexion sowohl der Umgebung als aucli der Gruppe erfolgen. Organisationskulturen werden zwar von der Fijhrung beeinflusst, entstehen und entwickein sich aber auch in deren Abwesenheit. Die Handlungsoption der Fuhrungskraft ist somit nicht die direkte Gestaltung der Kultur, sondern nur die Gestaltung des systematischen Reflexionsprozesses, der wiederum den Ausgangspunkt fur die Adaption der Organisationskultur darstellt. Urn die Kultur einer Organisation zu verstelien und gegebenenfalls zu verandern, nriuss der zugrundeliegende Entwicklungsprozess verstanden werden. Dazu analytisierte

SACKMANN^^^ den

Kulturentwicklungsprozess

sechs

grofier europaischer Unternehmen mithilfe empirischer Untersuchungen; als Best Practice Objekte dienten dabei BMW Group, Deutsche Lufthansa AG, Grundfos A/S, Henkel KGaA, Hiiti AG und Novo Nordisk A/S. Als Ergebnis dieser Studie wurde der Entwicklungsprozess erfolgreicher Organisationskulturen in Phasen untergliedert, die an dieser Stelle vereinfacht in die folgenden drei charakteristischen Schritte untergliedert werden: •

Bewusste Auseinandersetzung mit der bestehenden Organisationskultur



Beginn eines bewussten Kulturentwicklungsprozesses



Kontinuierliche Entwicklung der Kultur durch Pflege, Anpassung und Uberprufung

Bewusste Auseinandersetzung Die erste Phase, der Beginn der bewussten Auseinandersetzung mit denn Thema Kultur, kann zwei unterschiedliche Wurzein haben. Entweder entspringen die ersten Kulturpramissen dem organisationalen Verstandnis der Grunder und sind somit von Beginn an Teil der Organisationsphilosophie. Oder die Auseinandersetzung wird durch eine Krisensituation initiiert, die durch eine Fusion, Firmenubernahme oder Turbulenz im Marktumfeld ausvgl. Alioth (1990), S. 200 vgl. Sackmann (2004), S. 45ff.

78

Organisationskultur

gelost wurde. Dabei kann eine radikale Neugestaltung zentraler Komponenten der Organisationskultur beginnen oder die bestehende Kultur bestatigt und verstarkt werden. Diese Entwicklungsphase 1st durch systematlsches Infragestellen von Ablaufen und Institutionen gepragt, was wiederum zu Unsicherheit, Angst und mitunter zu Widerstand der Mitarbeiter fuhren kann. Urn diese Phase erfolgreich zu bewaltigen muss die Dauer und der Ablauf dieser Phase sorgfaltig geplant und professionell begleitet werden.^^^

Auselnandersetzungmit derUntemehmenskultur

11 / /

Si^tematische KulturentvUcklung

. . / /

Pflege, Anpassung und Uberprufung der untemehmenskultur

Abb. 4-2: Prozess-Schritte des organisationskulturellen Wandels^^^

SystematischerKulturentwicklungsprozess Als nachster Schritt folgt ein bewusster Entwicklungsprozess, wobei gewisse Aspekte der vorhandenen Organisationskultur angepasst, verandert oder neufokussiert werden. Dabei wird ein eher diffuses Verstandnis der Mitarbeiter und FiJhrungskrafte uber den Zweck, die Identitat der Organisation, Zusammenarbeit, Fuhrung und Leistungserbringung systematisch entwickelt. Im Anschluss an dieses Infragestellen und Neuformulieren erfolgt die Umsetzung und Implementierung in konkrete organisationale Handlungsstrukturen. Betrifft die erste Phase und allgemeine DIskussion uberwiegend die Ebene der Grundannahmen und Werte, so betrifft die Umsetzung und Implementierung uberwiegend die Ebene der Artefakte. In diesem Zusammenhang nehmen die Fuhrungskrafte und deren soziale Kompetenzen eine tragende Rolle ein. Dieser Wandelprozess muss mit Offenheit, Vertraulichkelt und Transparenz gefijhrt werden und die eingesetzten Instrumente mijssen zur jeweiligen Organisation passen. Zur Unterstutzung des Veranderungsprozesses nennt REISS^^"^ Diagnose-, Informations-, Marketing- Organisations-, Motivations-,

^^^ ^^^

vgl. Sackmann (2004), S. 183ff. in Aniehnung an Sackmann (2004), S. 182 s. Reifi(1999), S. 660ff.

Organisationskultur

79

Qualifikations- und Controllinginstrumente. Jedes eingesetzte Instrument wird auf die neuformulierte Kultur ausgestaltet und unterstutzt deren Umsetzung. So wird beispielsweise in Schulungen nnogiiciist flachendeckend auf die neuen Grunduberlegungen der Organisationskultur eingegangen und neue Handlungsablaufe und -methoden geschult; damit nehmen Schulungen eine Kommunikations-, Diskussions- und Qualifikationsfunktion ein. Schliefilich konnen Schulungen auch als Diagnoseinstrument fungieren, indem die Schulungstrainer im Rahmen der jeweiligen Veranstaltungen die allgemeine Stimmung evaluieren.^^^ Pflege, Anpassung und Uberprufung Nach dieser Neuorientierung wird die Kultur kontinuierlich weiterentwickelt, stabilisiert und nachhaltig verankert. Diese Phase ist einerseits durch regelmafiige Reviews und Statuserhebungen der Organisation, andererselts durch standige Analysen des Umfelds gepragt. MIthilfe einer konsequenten Beobachtung von Innen- und Audenfeld, kann ein eventuell anfallender Anderungsbedarf ab- bzw. eine Anderung eingeleitet werden. Kennzeichnend fiir diesbezugliche Best Practice Unternehmen sind die Pflege, Anpassung und regelmafiige Uberprufung der eigenen Kultur. Hierzu gehoren regelmafiige Evaluierungen der gesamten Organisation, Reviews der Zielvereinbarungen, Mitarbeitergesprache, Mitarbeiterbefragungen, Beurteilungen des Fuhrungsverhaltens durch die betroffenen Mitarbeiter, Vor-Ortbesuche von Mitgliedern des Topmanagements, Kundenbesuche sowie Kundenbefragungen. Die Ergebnisse aller Befragungen und Stimmungssignale werden systematisch aufgearbeitet, diskutiert und davon Mafinahnnen abgeleitet.^^^ Zusannmenfassend kann festgehalten werden, dass sich Organisationskulturen uber die Zeit verandern. Dieser Wandel kann durch das Management beeinflusst und mithilfe von Instrumenten gelenkt werden. Da solche Veranderungen jedoch einen Eingriff in das Selbstverstandnis einer sozialen Gemeinschaft bedeuten und zu Unsicherheit und Widerstand fuhren konnen, mussen derartige Entwicklungsprozesse systematisch geplant und begleitet werden. Das hier dargestellte Drei-Phasen-Modell zum organisationskultu^^^ 2^'

vgl. Sackmann (2004), S. 185ff. vgl. Sackmann (2004), S. 187ff.

80

Organisationskultur

rellen Wandelprozess wird in den Abschnitten 7 und 8 als Basis fur Handlungsanweisungen zur Implementierung von IVIanagementkonzepten herangezogen. 4.9 Zusammenfassung und Uberleitung Die Organisationskultur stelit ein zentrales Element dieser Arbeit dar. In diesem Kapitel werden die damit in Verbindung stehenden Begriffe, Deflnitionen und Grundlagen vorgestellt. Anschllefiend werden Funktion und Wirkung der Organisationskultur sowie Ansatze zur deren Identifikation und Veranderung im Uberblick angefuhrt. Den Abschluss bildet die Vorstellung ausgewahlter Modelle aus der betriebswissenschaftlichen Literatur. Dabei zeigt sich das Modell nach SCHEIN als fur diese Arbeit als am besten geeignet. Als Resumee dieses Abschnitts kann festgehalten werden, dass die Organisationskultur ein weitgehend implizites Phanomen und nur schwer fCir eine Quantifizierung zuganglich ist. Dennoch zeigen die organisationskulturellen Rahmenbedingungen

teils

massive Auswirkungen

auf die

individuellen

Handlungen bzw. auf das Verhalten gesamter Organisationen. Dieser Abschnitt legt mithilfe des Drei-Phasen-Modells fur den organisationskulturellen Wandel und dem Drei-Ebenen-Modell zur Erfassung der Organisationskultur die Basis sowohl fur das in Kapitel 7 prasentierte Struktur- als auch Vorgehensmodell zur Analyse und Implementierung von Managementkonzepten. Diese Arbeit basiert grundsatzlich auf einem objektivistischen Standpunkt der Organisationskultur. Das heifit, es wird davon ausgegangen, dass die Organisationskultur mithilfe geeigneter Instrumente systematlsch entwickelt werden kann. Derartige Instrumente mussen aber grundsatzlich und prinziplell an die kulturellen Rahmenbedingungen der jeweiligen Organisation angepasst werden. Die Verantwortung eines solchen kulturellen Wandels liegt nach SCHEIN in erster Linie bei den Fuhrungskraften. Im Zusammenhang mit Managementkonzepten stellen sich zwei wichtige Fragestellungen: Welche impliziten Pramissen sind in Managementkonzepten enthalten, die im Zuge eines Implementierungsprozesses die Organisationskultur beeinflussen? Wie kann die organisationale „Kompabilitat" von Manage-

Organisationskultur

81

mentkonzepten und betroffenen Organisationen beurteilt werden? Diese Fragestellungen werden weiter unten (s. Kap. 7) mithilfe eines Analysemodells beantwortet, wobei der vorangegangene Abschnitt die theoretische Basis bietet.

5

Managementforschung

Die im Zentrum dieser Arbeit stehenden Managementkonzepte umfassen Teilaufgaben des Managements. Somit erscheint es sinnvoll an dieser Stelle den Begriff des Managements zu eriautern und darzustellen. Neben dieser Begriffskiarung bietet dieses Kapitel eine Ubersicht zur historischen Entwicklung des Managementverstandnisses und wissenschaftlichen Behandlung der Managementfunktion im Rahmen der Organisationstheorie. In weiterer Folge wird auf das Management als organisationale Koordinationsaufgabe eingegangen und ein Uberblick zur instrumentellen Unterstutzung gegeben. Schiiefilich wird spezifisch auf Managementkonzepte, deren Typen und Moglichkeiten der Generierung eingegangen. Dieses Kapitel behandelt das primare Forschungsobjekt dieser Arbeit und erfahrt deshalb eine besonders breite Ausarbeitung. Zum einen wird ein Uberblick gegeben, wie die Problemstellungen und Aufgaben in der Vergangenheit gelost wurden, zum anderen werden diese Aufgaben systematisch erfasst und diskutiert. Dieser Abschnitt kann als Dipol zum Abschnitt 3.5 verstanden werden, wo die Managementaufgabe aus Sicht der Komplexitatsbewaltigung und nicht, wie an dieser Stelle, aus Sicht der organisationalen Koordination gesehen werden. In Abb. 5-1 wird die Managementaufgabe unter diesen beiden Aspekten dargestellt.

Komplexitats. „,.. bewaltigung

\ / ., x r .. i y^ / o\ Organisationale >( Managementaufgabe )< ^ .. ,. /^ V J \ , Koordination Aufgabenbewaltigung rrithiife von Managementinstrumenten:

Abb. 5-1: Managementaufgaben aus Sicht der Komplexitatsbewaltigung und der organisationalen Koordination

84

Manaqementforschunq

5.1 Management als Forschungsobjekt 5.17 Begriff des Managements Zum Begriff des Managements existiert in der Literatur keine einheitlich verwendete Definition. Auch die damit verbundenen Aufgaben und Bereiche unterscheiden sich bei den verschiedenen Autoren.^^^ Der Begriff Management aus systemorientierter Sicht umfasst alle Aufgaben der Fulirung in einem zweckgerichteten sozialen System und lasst sich auf die drei Aspekte Gestalten, Lenken und Entwickein zuruckfuhren.^^® In einer anderen Definition wird Management als die Leitung sozlo-technischer Systeme in personen- und sachbezogener Hinsicht mit Hilfe von professionellen Methoden festgehalten. Die sachbezogene Dimension umfasst die Bewaltigung von Aufgaben, die sich von den organisatlonalen Zielen ableiten. Die personenbezogene Dimension bezieht sich auf den Umgang mit Menschen, auf deren Kooperation das Management zur Aufgabenerfullung angewlesen ist. Somit umfasst Management sowohl die Organisationsleitung als auch Menschenfuhrung.^^® Zusammenfassend konnen die folgenden vier Grundfunktionen des Managements unterschleden werden:^'^^ •

Organisationsphilosophie und -politik



Organisationsplanung und Kontrolle



Organisation und Fuhrung



Kaderforderung (Management Development)

Daruber hinaus wird der Managementbegriff in der Literatur in zwei grundsatzlichen Bedeutungen verwendet.^"^^ Zum einen aus einer funktionalen Sichtwelse als Beschreibung von Prozessen oder Aufgaben in arbeitsteiligen Organisationen. Zum anderen aus einer institutionalen Sichtweise, wobei be-

vgl. vgl. vgl. vgl. vgl.

Hofmann (2002), S. 6 Ulrich(2001), S. 66ff. Ulrich;Fluri(1986), S. 36 Ulrich;Fluri(1986), S. 38f. Staehle(1991), S. 65

Managementforschunq

85

stjmmte Personen Oder Personenkreise erfasst werden, die Managementaufgaben wahrnehmen.^'^^ •

Management als Funktion: Beschreibung jener Prozesse und Funktionen, die in arbeitsteiligen Organisationen notwendig werden. Darunter fallen die klassischen Managementaufgaben Planung, Organisation, Fuhrung und Kontrolle.^^^



Management als Institution: Beschreibung der Personen, die Managementaufgaben wahrnehmen sowie deren Tatigkeiten und Rollen.^'^'^

Ein Uberblick zur etymologischen Bedeutung und Etablierung des Wortes Management in der Literatur fuhrt STAEHLE^"^^ an. 5.1.2 Historische Entwicklung Die Ausubung von Managementaufgaben im heutigen Sinn lasst sich erstmalig im Zuge der Industrialisierung nachweisen, also etwa ab 1750. Mit der Industrialisierung haben sich die Produktionsformen grundlegend verandert. Waren die vor-industrialisierten Zeiten noch von der ganzheitlichen Produktionsform des Handwerks gepragt, so war die zeitlich nachfolgende Arbeitsweise der Manufaktur in erster Linie durch die Arbeitsteilung des Fertigungsprozesses gepragt. In weiterer Folge entstanden die sogenannten „Fabriken", die im Gegensatz zu den Manufakturen Maschinen einsetzten. In Folge der Arbeitsteilung und der zunehmenden Grofie der Betriebe entstand zwischen Besitzer und dem einzelnen operativen Arbeiter ein mehrstufiger hierarchischer Instanzenzug. Als Aufgabe fur das Management ergab sich zum einen die innere Koordination und zum anderen die Erfullung okonomischer Zielsetzungen. Die industrielle Revolution fuhrte daruber hinaus zu einem tiefgreifenden Wandel der Arbeit, der Arbeiter und somit der gesamten Gesellschaft.^"^^

243 244 245 246

vgl. vgl. vgl. vgl. vgl.

Hofmann (2002), S. 6 Staehle(1991), S. 65 Staehle(1991), S. 65 Staehle(1991), S. 65 Staehle (1991), S.4ff.

86

Manaqementforschunq

Fur die Besetzung dieser „neu-geschaffenen" Managementpositionen zeigen sich in der Industriegeschichte zwei unterschiedliche Strategien. Zum einen die Besetzung durch Mitglieder der Eigentumerfamilie (Nepotismus), zum anderen durch Fachexperten, die sich bestimmten Strukturen und Vereinbarungen unterwarfen (Burokratismus).^"^^ 5.1.3 Management in den Betriebswissenschaften Die ersten „wissenschaftlichen" Uberlegungen zu den Aufgaben des Managements und deren Umsetzung kamen zum Grossteil von militartheoretischen Uberlegungen. Erste rein auf das iVIanagement von Organisationen der Wirtschaft fokussierte Uberlegungen kamen von WEBER, FA VOL und TAYLOR; deren Konzepte werden im Abschnitt 5.2 dargestellt.^"^® Die exakte Einordnung des Forschungsobjekts ..Management" nach fachlichen Kriterien ist schwierig, da ..Management" sich als Querschnittsdiszlplin von Psychologle, Soziologie, Politologie, Rechtwissenschaften und den Ingenieurswissenschaften darstellt. So haben wissenschaftliche Abhandlung zum Management meist einen starken Bezug zu einer dieser Nachbarrichtungen und stellen nur selten den integratlven und ganzheitlichen Aspekt dar.^"^^ Die Erforschung und Darstellung von Managementwissen lasst sich in die drei Dimensionen Managementfunktionen, Managerhandein und Managementebenen untergliedern:^^° •

Die Abhandlungen zu den Managementfunktionen

beschaftigen sich in

erster Linie mit den Aufgaben der Planung, Organisation, Durchsetzung und Kontrolle. Die deutschsprachige Literatur unterscheidet daruber hinaus noch in sach- und personenbezogene Funktionen.

vgl. vgl. vgl. vgl.

Staehle(1991), Staehle(1991), Staehle(1991), Staehle(1991),

S. S. S. S.

11 lOf. 67ff. 74ff.

Managementforschung •

87

Das Managerhandein erfasst die Aktivitaten des Managers und entstammt zum einen aus Berichten der Selbstbeobachtung, zum anderen aus der Fremdbeobachtung durch Wissenschafter. Dabei liegt der Fokus wissenschaftlicher Fragestellungen darauf was Manager tun, wie sie ihre Zeit einteilen und mit wem sie zusammenarbeiten.



Die Fragenkomplexe urn die Managementebenen befassen sich mit den Aufgaben des Managements auf den unterschiediiclien hierarcliischen Ebenen von Organisationen. Dazu wird zwischen strategischem, mittlerem und operativem Management unterscliieden. In diese Kategorie fallen auch Untersuchungen zu den Anforderungen, Fahigkeiten und der sozialen Herkunft der Manager.

5.2 Management- und Organisationstheorien Die im vorigen Abschnitt dargestellte Problemstellung des Managements bzw. der Organisation von Tatigkeiten wurde im Laufe der Geschichte auf unterschiedliche Weisen zu losen versucht; im Anschluss werden dazu die wichtlgsten Management- und Organisationstheorien dargestellt. Am Anfang der historischen Entwicklung standen die Organisationsstrukturen und -prinzipien der Kirche, des Heeres und des Staates, die auch spater im Zuge der Industrialisierung fur die Wirtschaft Musterorganisationen darstellten und als Vorbild dienten.^^^ Mit der Veranderung der Arbeitsumwelt, die die Industrialisierung mit sich brachte, veranderten sich auch die Rollen der Leiter und Fuhrer von Betrieben. STAEHLE^^^ beschreibt die Entwicklung des Managements von den ersten Manufakturen uber den Ansatz von TAYLOR bis hin zu den modernen Ansatzen. Der folgende Uberblick zur historischen Entwicklung der Management- und Organisationsforschung wird in der etablierten Dreigliederung klassische, neoklassische und moderne Organisationstheorien dargestellt.

vgl. Bleicher(1991), S. 34 vgl.Staehle(1991), S. 21ff.

88

Manaqementforschunq

5.2.7 Klassische Organisationstheorien Zu den ersten und mittlerweile klassischen Organisationstheorien zahlen der Taylorismus, Burokratismus und administrative Ansatz. Diese drei Richtungen stellen die Legitimation der Herrschaft und das effiziente Funktionieren von Organisationen in das Zentrum der Betrachtung. 5.2.1.1 Taylorismus Der Ansatz des Scientific Management oder auch Taylorismus stellt einen der ersten umfassenden organisationstheoretischen Ansatze dar, der daruber hinaus auch eine enorme praktische Auswirkung gezeigt hat. Mit dem Buch Principles of Scientific Management hat der amerikanische Ingenieur Frederik W. TAYLOR 1911 diesen Ansatz begrundet, dessen Ziel darin bestand, die Produktivitat der Arbeiter und die Effizienz des Managements durch ein System von Regein, Prinzipien und ausgearbeiteten Verfahren, zu steigern.^^^ Im Rahmen des Scientific Managements wird die Organisation als Aufgabenerfijiiungssystem dargestellt und das technisch-okonomische Funktionieren in den Vordergrund gestelit.^^"^ Dabei sah TAYLOR den maschinellen und menschlichen Arbeitsprozess als Analogon und formulierte fur sein Konzept die funf Grundelemente Differenzierung von Arbeitsschritten, Zeit- und Bewegungsstudien, Leistungslohn, systematische Personalauswahl und das Funktionsmeisterprinzip.^^^ Aufgrund systematischer Analysen und Untersuchungen kam TAYLOR zu dem Schluss, dass ein Maximum an Produktivitat zu errelchen ist, wenn die Gesamtaufgabe in viele Teilaufgaben aufgespalten wird, wenn der Arbeiter von alien vorbereitenden und planenden Tatigkeiten entlastet wird, indem man diese Tatigkeiten auf speziell ausgebildete Personen konzentrlert, und wenn ein leistungsorientiertes Entlohnungssystem eingefuhrt wird. Daruber hinaus stellte er auch Grundsatze fur die Anordnung von Arbeitsmittein

und

Werkzeugen sowie fur eine physiologisch ausgerichtete Arbeitszeit- und

vgl. Taylor (1917), S. 31ff. und Kieser; Kubicek (1978a), S. 117 vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 35 vgl. Taylor (1917), 8. 31ff.

Managementforschunq

89

Pausenregelung auf und entwickelte Systeme von Karten und Laufzettein zur Erfassung samtlicher Werkzeuge, Materialien und Teile.^^^ In den USA wurde der Taylorismus bereits in einer fruhen Phase mit Aspekten der Massenproduktion und Produktstandardisierung erweitert. So fand das Taylor-System in der Fliessbandfertlgung, die von Henry FORD im fruhen 20. Jahrhundert eingefuhrt wurde, erste industrielle Anwendung.^^'' In Deutschland wurde das Taylor-Systenn zunachst nur vereinzelt von Praktikern und Hochschulprofessoren, spater vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ubernommen und seit 1924 mit der Grundung des Reichsausschuss fur Arbeitszeitermittlung (REFA) kontinuierlich weiterentwickelt.^^® Die Kritik am Taylorismus umfasst die Entfremdung des Arbeiters von seiner Arbeit und dem gesamten Produkt, Monotonie durch Ausdifferenzierung der Arbeitsschritte, Disziplinierung und Uberwachung der Arbeiter. Daruber hinaus bringt die Ausdifferzierung der Organisationsstruktur einen erheblichen Koordinationsaufwand

mit

sich^^^.

Die

Vorschlage

Taylors

mussen

im

historischen Kontext und den damals herrschenden Bedingungen in USamerikanischen Industriebetrieben gesehen werden und scheinen auf heutige Verhaltnisse nur noch bedingt ubertragbar.^®° Die ursprijnglichen Arbeiten von TAYLOR erfahren in der letzten Zeit eine Neubewertung. Einen Uberblick uber das Leben und das betriebswlrtschaftliche Werk von Taylor sowie den davon abgeleiteten Taylorismus bietet HEBEISEN.^^^

vgl. Schreyogg (1999), S. 40 und Kieser; Kubicek (1978a), S. 117 vgl. Kieser; Kubicek (1978a), S. 118 vgl. Schreyogg (1999), S. 41 vgl. Schreyogg (1999), S. 41f. vgl. Hebeisen(1999), S. 16ff. s. Hebeisen (1999)

90

Manaqementforschung

5.2.1.2 Burokratieansatz In diesem von Max WEBER begrundeten Ansatz wird die Organisation als Herrschaftsform dargestellt und vor allem die Legitimation dieser Herrschaft als Problem behandelt.^^^ Der Burokratieansatz gilt als der erste wissenschaftliche Ansatz, der sich mit organisatorischen Fragen beschaftigt.^^^ Im Zentrum der wissenschaftllchen Betrachtung steht das soziale Handein von Menschen, welches generell als Verhalten der Organisationsmitglieder in Organisationen angesehen wird. Organisationen zelchnen sich durch Regelmaliigkeiten im Handein ihrer Mitglieder aus. Im Zuge dieses Handelns orientieren sich die einzelnen Mitglieder am Handein der ubrigen Mitglieder um so die Organisationsziele gemelnsam zu erreichen. Diese Abstimmung unter den Organisationsmitglledern bezeichnet WEBER als sozlales Handein. Eine ubergeordnete Koordinationshilfe fur die einzelnen Mitglieder ubernimmt dabei die Organlsationsstruktur.

Die Ausrichtung der einzelnen

Mitglieder

zu

koordinierten sozialen Handlungen kann aufgrund von drei Grunden passieren: gleiche Interessenslage; Brauch und Sitte; Orientierung an geltenden Normen.^^ WEBER ging von der Frage aus, wie in der Gesellschaft Herrschaft ausgeubt wird. Neben die charismatische und traditionelle Herrschaft stellt er die legale, die sich auf Burokratien oder Organisationen stutzt. Burokratien sind in diesem Zusammenhang durch die Elemente Arbeitsteilung, feste Zustandigkeiten (Kompetenzen), sachlich abgegrenzten Bereich von Leistungspflichten (Stelle) und Leitungsbefugnis zur Erfullung dieser Pflichten charakterlsiert.

Die

Kompetenzen werden dabei nicht individuell auf die personlichen Eigenschaften der jeweiligen Mitglieder hin konzipiert, sondern durch Regein (Gesetze oder Verwaltungsreglements) personenunabhangig und generell festgelegt. Fur die jeweiligen Stellen werden schllefllich solche Personen gesucht und eingestellt, die geeignet erscheinen, ein derart vorgegebenes Aufgabengebiet zu ubernehmen. Auf diese Weise wird ein System geschaffen, in der einzelne Mitglieder beliebig ausgetauscht werden konnen, ohne dass vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 35 vgl. Kieser; Kubicek (1978a), 8. 84 vgl. Kieser; Kubicek (1978a), S. 84f.

Manaqementforschunq

91

die Gesamtstruktur geandert werden muss. Hierarchie von Instanzen, Amtfuhrung

und Aufgabenerfullung

sind

die

zentralen

Elemente

des

Buro-

kratismus.^^^ 5.2.1.3 Betriebswirtschaftliche Organisationslehre (Administrativer Ansatz) Der

administrative

Ansatz

ubertragt

die

Grunderkenntnisse

aus

dem

Taylorismus auf die Gestaltung der Verwaltungsarbeit.^^^ Dazu werden Konstruktionsanleitungen fur die Ablauf- und Aufbauorganisation in Form von Prinzipien erstellt. Wahrend die fruhen Vertreter der Organisationsielire, wie beispielsweise FAYOL (1919), Prinzipien erarbeiteten, die fur alle Organisationen Gultigkeit haben sollten, stellten spatere Organisationstheoretiker, wie beispielsweise KOSIOL (1962), mehrere alternative Gestaltungsprinzipien fur einzelne Probleme des Organisierens nebeneinander. Uber die Wirkung der Struktur auf das Verhalten der Organisationsmitglieder sagt die Organisationslehre jedoch nichts aus, sondern klammert das Individuum sogar explizit aus ihrer Betrachtung aus. Charakteristisch fur die wissenschaftliche Diskussion ist der Vergleich von jeweiligen Extrempositionen: Zum Beispie! Entscheidungszentralisation

versus

Entscheidungsdezentralisation

oder

funktionale versus divisionale Strukturierung.^^^ EIne weiterfuhrende Kritik zu diesem Ansatz nimmt KIESER^^® vor. 5.2.1.4 Charakteristik der klassischen Organisationstheorien Zu den oben angefuhrten klassischen Management- und Organisationstheorien fuhrt S C H R E Y O G G die folgenden charakteristischen Elemente an:^^^ •

Das Vertrauen in die organisatorische Regelung als zentrales Steuerungsinstrument. Das Verhalten von Organisationsmitgliedern wird im wesentlichen als regelbestimmt gedacht. Das Leitbild fur die Organisationsgestaltung ist die wohldurchdachte, relbungslos funktionierende Maschine.

vgl. vgl. vgl. vgl. vgl.

Kieser; Kubicek (1992). S. 35ff. Hoffmann (1976), S.77ff. Kieser; Kubicek (1992), S. 38f. Kieser; Kubicek (1978a), S. 137 Schreyogg (1999), S. 42f.

92 •

Manaqementforschung Regelabweichungen werden als Storung gesehen und sollen durch Kontrollen minimiert werden.



Fur die Arbeitsbedingungen wird Stabilitat unterstellt; die gieichformigen Arbeitsanforderungen lassen sich deshalb genau planen und in stabile Regelungswerke giefien.



Die Organisationsgestaltung richtet ihren Blick nach innen; es geht urn die Optimierung der inneren Strukturen eines Systems; Aufienbezuge bleiben ausgeblendet.



Die Mitarbeiter willigen in die vorgegebene Ordnung (via Arbeitsvertrag) ein;

Befehl

und

Gehorsam

ist das

dominante

Beziehungsmuster.

IVIotivation, Gruppenbeziehungen, sowie alle anderen emotionalen Haltungen sind fur den Leistungserfolg

nicht nur irrelevant,

sondern

potentielle Storfaktoren. 5.2.2 Neoklassische Organisationstheorien Die anonymen und formellen Arbeitsbedingungen, die im Rahmen der klassischen Ansatze entstanden sind, fuhrten zu Kritik und riefen eine Gegenbewegung hervor. In dieser Entwicklung wurde der Mensch in den Mittelpunkt der Forschung geruckt und seine Motivation und Zufriedenheit als Einflussfaktor der Arbeitsproduktivitat gesehen. Auf diese Weise entstanden verschiedene motivationstheoretische Konzepte, die heute unter dem Begriff der neoklassischen Organisationstheorien zusammengefasst werden. Der erste und prominenteste Ansatz in diesem Kreis ist der Human-Relations Ansatz. 5.2.2.1 Human-Relations Ansatz Im Human-Relations Ansatz wird die Organisation als Interaktions- und Verhaltenssystem dargestellt. Motivation und Zufriedenheit sowie deren Verhaltnis zur Produktivitat werden dabei als Hauptproblem verfolgt. Zur Grundpramisse des Human-Relations Ansatzes fuhrt KIESER

folgende

Kausalkette an: Der Fuhrungsstil beeinflusst das soziale Klima der Arbeitsgruppe, was wiederum die Zufriedenheit der Organisationsmitglieder beein-

Manaqementforschung

93

flusst. Diese Zufriedenheit steht schliefllich im einem Kausalzusammenhang zurLeistung.^^° Als Beeinflussungsfaktoren von Zufriedenheit und Motivation werden in erster Linie das Verhalten des Vorgesetzten, Beziehungen innerhalb der Arbeitsgruppe und materielle Anreize gesehen. Auch neuere motivationstheoretische Studien betrachten meist nur einzelne Eigenschaften der Organisationsstruktur. Diese Richtung stellt eine Reihe methodisch-empirischer Instrumentarien fur die Erfassung von Motivation, Zufriedenheit und Konflikt zur Verfugung. Kennzeichnend fur diesen Ansatz ist, dass Aussagen durch Laborexperimente und Feldstudien empirisch belegt werden. Ursprunglich wurde dieser Ansatz als Gegenbewegung zur klassischen Organisationstheorie verstanden.^''^ In der folgenden Aufstellung werden die Grundannahmen des HumanRelations Ansatzes in der Beschreibung von MCGREGOR, der diese als sogenannte Y-Theorie bezeichnete, zusammengefasst:^''^ •

Das Organisationsmitglied wird vor allem durch soziale Bedurfnisse motiviert.



Da als Konsequenz des Scientific Management die Arbeit ihren Sinn verloren hat, wird Befriedigung vornehmlich in den sozialen Beziehungen gesucht.



Das Organisationsmitglied wird von den sozialen Beziehungen in seiner Arbeitsgruppe eher angesprochen als von okonomischen Anreizen.



Nur wenn die Vorgesetzten die sozialen Bedurfnisse der Organlsationsmitglieder durch ihren Fuhrungsstil befriedigen konnen, ist das Organisationsmitglied im Sinne des Managements zu steuern.

Der Human-Relations Ansatz geht auf die historischen Hawthorne Experimente von MAYO, ROETHLISBERGER, DICKSON und WHITEHEAD der spaten 1930er Jahren zurijck.^''^ Im Rahmen weiterfijhrender Untersuchungen wurden besonders die sozialen und emotionalen Bedingungen der Arbeiter ^^° 2^' ^'^ ^^^

vgl. Kieser; vgl. Kieser; vgl. Kieser; vgl. Kieser;

Kubicek Kubicek Kubicek Kubicek

(1978b), S. 35 und S. 18 (1992), S. 40f. (1978b), S. 17f. (1978b), S. 8f.

94

Managementforschung

sowie deren Bedeutung fur die Zufriedenheit und Produktivitat der Arbeiter erhoben. In weiterer Folge wurden soziale Beziehungsmuster und die Dynamik von Gruppen naher untersucht. Diese Untersuchungen bildeten schliefilich die Basis fur die theoretischen Uberlegungen zur Gruppenarbeit.^^"^ Zusammenfassend wurde durch derartige Untersuchungen deutlich, dass informelle Beziehungen eine wichtige Rolle spielen und in der formellen Organisation berucksichtigt werden mussen. In jeder formalen Organisation bilden sich Informelle Regein und Gruppen heraus, die fur die Zufriedenheit der Mitarbeiter von Bedeutung sind und ihre Leistungen wesentllch beeinflussen. Sle sind deshalb fur den Erfolg der Organlsationsfuhrung von grofier Relevanz.^^^ 5.2.3 Moderne Organisationstheorien Die Kritik am Human-Relations Ansatz fuhrte schllefilich zu dessen Adaption und zur Entwicklung moderner Theorien wie beispielsweise dem Konfllkt- und Machtausgleichsansatz. Die Kernaussagen dieser Weiterentwicklungen fasst KIESER wie folgt zusammen:^^^ •

Das Organisationsmitglled weist eine Reihe von Bedurfnissen auf. DIese Bediirfnisse sind hierarchisch geordnet. Bedurfnisse hoherer Ordnung sind dann erst akut, wenn die Grundbedurfnisse erfullt sind.



Zufriedenheit fuhrt nicht automatisch zu Leistungsmotivatlon. Motivation entsteht nur, wenn die Leistung mit Bedurfnisbefriedigung gekoppelt ist.



Nur wenn durch ein entsprechendes Lohnsystem und Fijhrungsverhalten die Voraussetzungen gegeben sind, dass Bedurfnisse niedriger Ordnung erfullt werden und die Arbeit so gestaltet ist, dass sich die Organisationsmitglieder in ihr verwirkllchen konnen, besteht zwischen den offiziellen Zielen der Organisation und den Zielen des Individuums kein notwendiger Konfllkt.

vgl. Schreyogg (1999), S. 46f. vgl. Schreyogg (1999), S. 47 vgl. Kieser; Kubicek (1978b), S. 19

Managementforschunq

95

Die modernen Ansatze der Organisations- IVIanagementtheorien sind sowohl durch einen fachubergreifenden als auch ganzheitlichen Charakter gepragt. Unter dieser Kategorie werden u.a. der konflikttheoretische^''^, machtausgleichende^^®, verhaltenswissenschaftliche^^^, entscheidungslogische (quantitativer)^®°, systemtheoretische^®\ situative^®^, organisationsvergleichende^®^, interpretative^®"*, neoinstitutionalistische Ansatz sowie der radikale Humanismus und radikale Strukturalismus verstanden.^®^ Auf die detaillierte Beschreibung dieser Ansatze wird an dieser Stelle bewusst verzichtet und auf die in den Fufinoten angefiJhrte weiterfuhrende Literatur verwiesen. 5.2.4 Resumee zu Management- und Organisationstheorien Zusammenfassend wird die historische Entwicklung der Management- bzw. Organisationstheorien in Tab. 5-1 wiedergegeben. Tab. 5-1: Historische Entwicklung von Managementkonzepten^'

Jahr

Fokus und Modellbasis

Theoretische Basis

Konzepte

1900

Maschine

Behaviorismus, Psychotechnik

Klassische Ansatze (Taylohsmus, Burokratismus, Administrationsansatz)

1930- Gruppe und 1940 Individuum

Sozialpsychologische Neoklassische Ansatze (Human Relation Ansatz) und soziologische IVIodelle

vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 41 vgl. Hoffmann (1976), S. 99ff vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 35 vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 43 vgl.W6he(1996). S. 81 vgl. Wohe (1996), S.87ff. vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 62 vgl. Biermann (1994), S. 57f. vgl. Biermann (1994), S. 60ff. in Aniehnung an Hofmann (2002), S. 8

Manaqementforschunq

96

1950- Gruppe und bis Individuum heute sowie Modell und Struktur, Natur, Organismus

Die

klassischen

Kybernetik, Systemtheorie, Analogien zu Physjk, Biologie, Psychologie, Padagogik, Lemtheorien

Managementtheorien

Moderne Ansatze (Verhaltenswissenschaftliche Ansatze, Konfliktansatz, Machtausgleichsansatz, entscheidungslogischer Ansatz, situativer Ansatz, radikaler Humanismus und radikaler Strukuralismus, neoinstitutionalistischer Ansatz)

basieren

auf

regelgebundenen,

prinziporientierten Zweckmodellen. Um die Komplexitat sozialer Systeme beherrschen zu konnen wind im klassischen Ansatz versuclit, Zweckrationalitat mittels einer hierarchischen Gliederung von Befehlsgebung und -ausfuhrung sicherzusteiien. Der Mensch wird als abstrakter Aufgabentrager gesehen, der sich in der Organisation rational und zweckgerecht verhalt.^^^ Die neoklasslschen Ansatze, wie der Human-Relations Ansatz, konzentrieren sich auf das Verhalten der einzelnen Organisationsmitglieder

und deren spezifisches

Rollenverhalten.^®^ Sehen die klassischen und neoklassischen Managementtheorien das Organisationssystem weitgehend von seinen Umweltbedingungen isoliert,^®^ stellen moderne Theorieansatze diese Wechselwirkung in den Fokus der Uberlegungen. Dazu sehen moderne Ansatze den Menschen nicht nur als rational handelndes und isoliertes Systemelement, sondern als komplexes, soziales und emotionales Wesen. Der derzeitige Trend der Management- und Organisationsforschung

im

deutschsprachigen Raum ist mittlerweile stark an die amerikanische Entwicklung gekoppelt. Dies zeigt sich u.a. daran, dass in deutschsprachigen Abhandlungen oder LehrbiJchern zur Organisationstheorie amerikanischen Ansatzen

breiter

Diskussionsraum

vgl. Hoffmann (1976), S.81f. vgl. Hoffmann(1976), S. 94 vgl. Hoffmann (1976), S.82ff.

gegeben wird.

Die Grunde fur

diese

Managementforschunq angloamerikanische

97 Dominanz ist vielschichtig: Zum ersten strahit der

Wirtschaftserfolg US-amerikanischer Unternehmen infolge der Globalisierung auf die restliche Welt aus. In diesem Zusammenhang werden auch deren Konzepte und Managementansatze weltweit ubernommen und angewandt. Zum zweiten dominiert die USA die globale Managementausbildung mithilfe der bedeutendsten MBA-Programme und der Managementliteratur. Schliefilich konnen deutschsprachige Manager die englischsprachige Literatur lesen im Gegenzug ist dem angloamerikanischen Raum die deutschsprachige Literatur nur bedingt zuganglich.^®° 5.3 Management als Koordinationsaufgabe Die Koordination von Tatigkeiten und organisationalen Ablaufen ist eine wesentliche Aufgabe des Managements und somit auch eine zentrale Anforderung an Managementkonzepte. Um diese Problemausgangssituation der Organisations- und Managementtheorie In geeigneter Weise transparent zu machen, geht der folgende Abschnitt auf die organisatorische Differenzierung und Koordination ein. Das mit der Gesamtzielsetzung einer Organisation verbundene Aufgabenbundel, ist in der Regel zu komplex, als dass es von einer einzelnen Person Oder Organisatlonseinheit verrichtet werden kann. So werden die Aufgaben auf mehrere Organisationseinheiten bzw. schlieflllch auf mehrere Personen aufgeteilt. Die Aufteilung und Zuweisung derartlger Tellaufgaben stellt das Ausgangsproblem der organisatorlschen DIfferenzierung dar.^^^ Um diese dezentral ausgefuhrten Teilarbeltsschritte wieder zur organisationalen Gesamtaufgabe zusammenzufuhren bedarf es eines erheblichen Koordlnatlonsaufwandes.

In

der

Organisationsliteratur

werden

dement-

sprechend haufig DIfferenzierung und Koordinierung als die Baslsaufgaben der organisatorlschen Gestaltung bezelchnet.^^^

vgl. Biermann (1994), S. 63ff. vgl. Schreyogg (1999), S. 113 vgl. Schreyogg (1999), S. 109ff.

98

Managementforschunq

In den Betriebswissenschaften stehen eine ReJhe von Standardwerken zur Verfugung, die die Tlieorie der Organisation in einer Ubersicht darstellen. Als Beispiele fur den deutschsprachigen Raum konnen die Autoren KOSIOL^^^, HOFMANN^^^ KIESER/KUBICEK^^^ FRESE^^^ BLEICHER^^^ PICOT^^^ und S C H R E Y O G G ^ ^ ^ angefuhrt werden. Eine gute Zusammenfassung ausgewahlter Lehrmeinungen bietet TUPPINGER^°°. 5.3.7 Organisationale Differenzierung 5.3.1.1 Aufgabenanalyse In der klassischen Organisationslehre wird die Gesamtzielsetzung der Organisation in die fiinf Kriterien Verrichtung, Objekt, Phasen, Rang und Zweckbeziehung unterglledert. Im Zuge der Verrichtungsanalyse wird die Gesamtaufgabe in einfachere Elementaraufgaben aufgeteilt, und werden deren logische Abfolgeschritte erhoben. Im zweiten Schritt der Objektanalyse werden diese Elementaraufgaben einzelnen Objekten zugeordnet (z.B. Produkttypen). In der Phasenanalyse wird die logische Abfolge der EInzelschritte erfasst. Nach der Ranganalyse werden Tatigkeiten in Entscheidungs- und Ausfuhrungsaufgaben unterglledert. Im funften Kriterium der Zweckbeziehung wird jede Aufgabe danach unterschieden, ob sie direkt oder indirekt Einfluss auf den Leistungsprozess nimmt.^°^ SCHREYOGG

kritisiert an dieser auf KOSIOL zuruckgehenden Analyse-

methodik die dahinterliegenden Pramissen. So wird von quasi neutralen und voneinander unabhangigen Aufgaben ausgegangen, die separiert und einzein gelost werden konnen. Die Aufgabenanalyse geht daruber hinaus von stabilen und repetitlven Aufgaben aus. Moderne Ansatze (vgl. z.B. STAEHLE^°^) hingegen untergliedern die Aufgaben aus Sicht der Betroffenen und formulieren s. Kosiol(1962) s. Hoffmann (1976) s. Kieser; Kubicek (1978a) s. Frese (1980) und Frese (1990) und Frese (1992a) s. Bleicher(1991) s. Picot(1994) s. Schreyogg (1999) s. Tuppinger (2003), S. 57ff. vgl. Kosiol (1968), S. 33 und Schreyogg (1999), S. 113ff. s. Staehle(1991)

Manaqementforschunq

99

dazu die vier Kriterien Aufgabenvariabilitat, Aufgabeninterdependenz sowie die Eindeutigkeit und Neuartigkeit von Aufgaben.^°^ 5.3.1.2 Organisatorische Arbeitsteilung Die systematische Aufteilung von Aufgaben einer Organisation fuiirt schliefilich zu deren Differenzierung und kann grundsatzlich in die liorizontale und vertikale Arbeitsteilung kategorisiert werden. Wahrend sich die horizontale Arbeitsteilung auf die Abwicklung von Arbeitsprozessen richtet, knupft die vertikale Arbeitsteilung an die hierarchische Gliederung der Organisation und damit an die Entscheidungs- und Informationsprozesse an.^^"^ Angelehnt an die Kategorisierung von S C H R E Y 0 G G ^ ° ^ kann die organisationale Differenzierung nach den vier Kriterien Verrichtung, Objekt, Entscheidung und Prozesse unterschieden werden. Die Aufteilung von Aufgaben in einer Organisation bringt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich: Das zentrale Problen^i der Differenzierung liegt im Auftreten von Schnittstellen zwischen den einzelnen Teilaufgaben. Diese Schnittstellenprobleme nehmen mit der Komplexitat der Aufgaben, dem Grad der Arbeitsteilung sowie der Dynamik des Organisationsumfeldes zu. In Tab. 5-2 sind mogliche Vor- und Nachteile der Arbeitsteilung aufgelistet.^^^

vgl. vgl. vgl. vgl.

Schreyogg (1999), S. 118f. Bleicher(1991), S. 57f. Schreyogg (1999), S. 130ff. Bleicher(1991), S. 57f.

100

Manaqementforschunq

Tab. 5-2: Vor- und Nachteile der Arbeitsteilung^'

Vorteile

m

Nachteile

Erspamls von Zeit, Senkung von Einsatzmengen und Kosten durch Grodeneffekte (BetriebsgroBen- und Losgrddenersparnisse)

Zunahme der Zahl der Ablaufabschnitte fur den Transport und die Forderung von Arbeitsgegenstanden

Ubung, Erfahrung und Lernen im Zeitablauf

Komplizierung der Ubermittlung von Informationen zwischen den arbeitsteiligen Einheiten |

JZ

o

1

Sinkende Arbeits- und Leistungsbereitschaft seitens der Mitarbeiter aufgrund von steigender Arbeitsunzufriedenheit, die auf monotone, repetitive demotivierende Tatigkeiten zuruckzufuhren ist | Wachsende Monotonie der Verringerung der Anforderungen der Arbeit Aufgabe an die Mitarbeiter mit der Moglichkeit - eines eignungsgerechten Zunehmende Entfremdung von Einsatzes der Mitarbeiter der Arbeit

- eines Einsatzes von Mitarbeitern geringer o 1 Qualifikation

"N

- eines aufgabenadaquaten, kostengunstigen Sachmitteleinsatzes (Einzweck-Maschinen)

vgl. Bleicher(1991), S. 58

Arbeitszufriedenheit und Geringschatzung der Arbeit, was die Arbeits- und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter hemmt Teilarbeitsschritt wird nicht als Element der gesamten Wertschopfungskette erkannt

Managementforschung

101

5.3.2 Organisationale Koordination Die im Zuge der Aufgabendifferenzierung und organisationalen Arbeitsteilung zeitlich, ortlich und personell separierten Arbeitsschritte, mussen vom Management koordiniert, abgestimmt und auf eine gemeinsame Zielsetzung ausgerichtet werden. 5.3.2.1 Aufgabensynthese Im Zuge der Aufgabensynthese werden einzelne Arbeitsschritte wieder zusammengefasst. Wird diese Synthese auf die Aufgaben einer Person bezogen ist dabei zu beachten, dass die so entstandene Anzahl von Arbeitsschritten von einer einzelnen Person auch wirklich bewaltigt werden kann. Diese dauerhafte Aktivitatenbundelung erfolgt grundsatzlich personenunabhangig und wird als Stelle bezeichnet. Die Erwartungen an den Stelleninhaber werden meist schriftlich in Form, der Stellenbeschreibung, festgelegt. Eine grofiere Anzahl von Stellen wird zu einer umfassenden Einheit, einer Abteilung zusammengefasst; mehrere Abteilungen wiederum zu Hauptabteilungen. Die graphische Darstellung dieser Struktur wird als Organigramm bezeichnet.^°® 5.3.2.2 Koordination organisationaler Ablaufe Wie bereits oben eriautert erhoht die Verteilung von Teilaufgaben auf verschiedene organisatorische Subeinheiten die organisationale Komplexitat durch die Entstehung von Schnittstellen. Da diese Teilaufgaben von unterschiedlichen Personen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und an unterschiedlichen Orten durchgefuhrt werden, liegt in deren Koordination die zentrale Problematik. Die Arbeitsteilung und Spezialisierung wirkt nicht nur auf den eigentlichen Erstellungsprozess, sondern auch auf das Verhalten der Organisationsmitglieder. Die separierten Einheiten haben spezielle Aufgaben und Ziele, identifizieren sich mit ihrer abgegrenzten Spezialwelt und entwickein sich unter Umstanden selbstandig und autonom welter. Unterschiedliche Denk- und Verhaltensmuster in den einzelnen Abteilungen sind die Folge, die wiederum die organisationale Zusammenarbeit erschweren.^°^

vgl. Schreyogg (1999). S. 123ff. vgl. Schreyogg (1999), S. 154f.

Managementforschunq

102

Die Abstimmung von Organisationsteilen und organisationalen Ablaufen wird zum uberwiegenden Teil durch Koordination erreicht. Unter dem Begriff Koordination wird die wechselseitige Abstimmung von Eiementen eines Systems zwecks Optimierung desselben verstanden. Der Koordinationsbedarf ist umso grofier, je weiter fortgeschritten die Differenzierung des Systems ist, je komplexer die Beziehungen der einzelnen Elemente sind, je grofier die zu uberwindenden raumlichen, zeitlichen, sachlichen und auch menschlichen Distanzen sind und je umfangreicher die zu losenden Probleme dabei sind. 310 In der Literatur wird das Problem der Koordination nicht als solches eigenstandig behandelt, sondern wird im Zusammenhang mit anderen Problemstellungen mitdiskutiert und situationsspezifisch zu losen versucht. Aus organisations-theoretischer Sichtweise werden verschiedene Arten der Koordination unterschieden, die in Tab. 5-3 im Uberblick dargestellt sind.^^^ Tab. 5-3: Uberblick der verschiedenen Einteilungsarten der Koordination^^^

Typologisierung der Koordination vertlkal

vs.

horizontal

eigen

vs.

fremd

formell

vs.

informell

unmittelbar

vs.

mittelbar

5.3.2.3 Moglichkeiten zur Reduzierung des Koordinationsbedarfs Der Koordinationsbedarf kann einerseits durch geeignete Mafinahmen und Instrumente kompensiert, oder gezielt reduziert werden. Der Koordinationsaufwand von Systemen ist wesentlich durch die Flexibilitat ihrer Systemelemente determiniert. Der Einsatz flexibler Ressourcen und die Bereitstellung von Uberschussressourcen fuhren konsequenterweise zu einem geringeren Koordinationsaufwand. Je flexibler die eingesetzten Ressourcen und grower ^'° ^'' ^'^

vgl. Ruhli(1991), S. 1165 vgl. Ruhli(1991), S. 1165f. vgl. Ruhli(1991), S. 1166f.

Manaqementforschunq

103

ihre Kapazitaten sind, desto weniger Vorauskoordination ist notig und die Organisation kann flexibler auf wechselnde Bedingungen der Umwelt reagieren. Umgekehrt formuliert erfordert der Einsatz knapper und inflexibler Ressourcen ein hohes iVIafi an Koordination. Als Beispiel kann hier das Logistikkonzept Just-in-time^^^ angefuhrt werden, das eine starre Supply Chain mit nur wenigen Pufferlagern zum Ziel hat. Erfolgreiche Umsetzungen dieses Konzepts setzen neben einer intensiven Pianung gleichbleibende Lieferbedingungen voraus und stellen damit ein inflexibles System dar. Generell kann die Elastizitat einer Organisation gegenijber Storgrofien durch den Einsatz universe!! einsetzbarer Organisationseiemente (z.B. breit ausgebildete Mitarbeiter mit Universalprofil) wesentlich erhoht werden.^^"^ Daruber hinaus fuhrt eine hohe Anzahl an Determinanten zu uberbestimmten Systemen mit wenigen Freiheitsgraden und schliefllich zu geringer organisationaler Elastizitat und Flexibilitat. In der organisationalen Praxis kann diese Flexibilitat durch rahmengebende Groflenvorgaben und Standards realisiert werden. Dazu werden fur spezifische Kriterien Bereiche geschaffen, innerhalb deren die Leistungen schwanken konnen, ohne Koordinations- und Eingriffsmaflnahmen ubergeordneter Stellen auszulosen. Nur wenn der Standard nicht erreicht wird Oder die Bandbreite unter- oder ijberschritten wird, ist eine Abstimmung notwendlg. Derartige Eingriffsgrenzen uberlassen dem einzelnen Mitarbeiter mehr Spielraum bei seinen Handlungen. Je hoher die Toleranz im Hinblick auf das Gesamtergebnis ist, umso niedriger sind die Anforderungen an eine zentrale Koordination.^''^ 5.3.2.4 Koordination durch Organisationskultur Die Organisationskultur stellt eine informelle jedoch sehr wirkungsvolle Form der Koordination dar (slehe dazu Abschnitt 4.3.1). Dabei wird davon ausgegangen, dass sich IVIitglieder einer Organisation auf Basis ubereinstimmender und verinnerlichter Werte und Normen Aktivitaten auch ohne strukturelle Vorgaben aufeinander abstimmen konnen.

^'^ ^'^ ^'^

s. Delfmann(1998) vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 102f. vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 102f.

104

Manaqementforschunq

Vor allem bei Aufgabenstellungen mit hoher Ungewissheit und hoher Komplexitat erweist sich die Organisationskultur als effizienter Koordinationsmechanismus. Dies ist besonders bei abteiiungsubergreifenden Projekten von hoher Relevanz, da die einzelnen Abteilungen ublicherweise unterschiediiche Teilziele verfolgen. Eine gemeinsame und ausgepragte Organisationskultur kann die Konsensfindung wesentlich unterstutzen.^^^ 5.3.2.5 Instruments zur Koordination Fur die organisationale Koordination stehen eine Reihe von Instrumenten zur Verfijgung, die sowohl einzein, als auch in einer synergetischen Kombination eingesetzt werden konnen. Die Aufgabe des Managements ist es u.a. die Koordinationsinstrumente, die zur Disposition stehen anhand der kulturellen Besonderheiten auszuwahlen oder an diese anzupassen. Im anschliefienden Teil wird auf die grundsatzliche Koordinatlonsfunktion von Hierarchie, Programmen, personliche Weisung und Selbstabstimmung eingegangen. In Abb. 5-2 werden die Moglichkeiten der organisationalen Koordination im Uberblick grafisch dargestellt.

Kultur Hierarchie Programme Personliche Weisung Selbstabstimmung Bedarf an Koordination reduzieren

Abb. 5-2: Moglichkeiten zur organisationalen Koordination ^'^

vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 118ff.

Managementforschunq

105

Koordination durch Hierarchie und Ziele Das klassische Koordinierungsinstrument ist die Hierarchie. Dabei wird jede Stelle rangmafiig eingestuft, sodass ein eindeutig gestaffeltes System von Uber- und Unterordnung entsteht.^^^ Im Zuge der Abteilungsbildung werden bestimmte Stellen zu einem Verantwortungsbereich zusammengefasst. Dies fuhrt dazu, dass die Abstimmung gebundelt und auf einer hoheren Ebene erfolgt, wodurch der Koordinationsaufwand gesenkt wird. Die hierarchische Abstufung von Organisationseinheiten vereinfacht somit die Koordination zwischen gleichberechtigten Organisationsmitgliedern.^^® Die Hierarchiestruktur kann dabei sowohl als Einlinien- als auch Mehrliniensystem ausgefuhrt sein. Einliniensystem bedeutet, dass ein Organisationsmitglied genau einer zugeordneten Instanz untersteht, wodurch Anweisungen sowohl klar und eindeutig gegeben, als auch befolgt werden konnen. Mehrliniensysteme lassen fur ein und dasselbe Organisationsmitglied mehrere instruktive Instanzen zu. Dabei kann es aufgrund konkurrierender Anweisungen zu Zielkonflikten kommen.^^^ Die eigentliche Koordination erfolgt sowohl in der vorausschauenden Abstimmung {Vorauskoordination) als auch in der Reaktion auf Ablaufstorungen (Feedbackkoordination). Bei der Vorauskoordination werden globale Ziele der Organisation zunehmend konkretisiert, abgestimmt und auf die verschiedenen Ebenen heruntergebrochen. Treten in der operativen Umsetzung der organisationalen Zielsetzungen Storungen Abweichungen oder Schwierigkeiten auf, werden diese Abweichungen an die Hierarchiespitze zurijckgemeldet. Dieser Ruckmeldungsprozess verlauft von unten nach oben und wird als Feedbackprozess bezeichnet.^^^ Die Strukturierung nach strengen hierarchischen Regein fuhrt in Organisationen haufig zu einer Reihe dysfunktionaler Effekte: Die unterschiedlichen vgl. vgl. vgl. vgl.

Schreyogg (1999), S. 156ff. Kieser; Kubicek (1992), S. 96ff. Schreyogg (1999), S. 156ff. Kieser; Kubicek (1992), S. lOOff.

106

Manaqementforschung

Hierarchieebenen fuhren zu einer sozialen Distanz in der Vorgesetzten/Untergebenen-Beziehung. Diese Beziehung ist haufig durch Misstrauen, Arbeitsanweisungen und Kontrollen gepragt, die fur die eigentliche Arbeit storend und kontraproduktiv sein konnen. IVIotivation und Innovation sind mit einem strenghierarchischen System aus Befehl und Gehorsam nicht oder nur schwer vereinbar.^2^ Eine zusatzliche Schwierigkeit stellt die Abstimmung von Organisationseinheiten dar, die stets uber die ubergeordnete Instanz erfolgt. Dies fuhrt zum einen zu einer Uberlastung der Instanz, zum anderen zu Fehlentscheidungen der Fijhrungskrafte aufgrund fehlender Information der wirklichen Vorort-Verhaltnisse. Schliefilich bringt die Abstimmung mithilfe ubergeordneter Instanzen Inflexibilitat und Inelastizitat und langere Reaktionszeiten auf

Umweltver-

anderungen mit sich. Kommt es zu einer permanenten oder auch nur temporaren Abwesenheit der Instanz fehit jegliches Koordinationselement, was bis zur volligen Entscheidungsunfahigkeit fuhren kann.^^^ Die Vor- und Nachteile von hierarchisch strukturierten sozialen Systemen werden bereits bei Niccolo MACHIAVELLP^^ am Beispiel des politischen Staates diskutiert. Neben der Wahl des Liniensystems stellt auch die Wahl der Anzahl der Leitungsebenen eine zentrale Grofie dar, die direkt mit der Kontrollspanne korreliert. Unter Kontrollspanne versteht man die Zahl der Mitarbeiter, die einer Instanz direkt unterstellt ist. Die „optimale" Kontrollspanne hangt zum einen von der Art der Aufgabenstellungen ab, zum anderen von der Zahl der maximal moglichen Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Jeder zusatzliche Mitarbeiter fuhrt konsequenterweise zu einer Erhohung der Interaktionen und somit zu einer hoheren Komplexitat.^^"^

^^' ''' ^^^ ^^^

vgl. Schreyogg (1999), S. 165f. vgl. Schreyogg (1999), S. 108f. s. Machiavelli(1986) vgl. Schreyogg (1999), S. 159ff.

Managementforschung

107

Koordination durch Programme Eine weitere Integrationsmoglichkeit stellen Programme dar, die in Routineprogramme und Zweckprogramme unterschieden werden: Routineprogramme legen bestimmte Arbeitsablaufe in standardisierter Weise fest und sollen die reibungslose VerknCipfung verschiedener Tatigkeiten sicher stellen. Komplexe Programme werden meist schriftllch in Form von Verfahrensanweisungen oder Handbuchern fixiert.^^^ Die Erstellung von Standards 1st in erster Linie fur repetitive Routinetatigkeiten sinnvoll, die unter ahnlichen Ausgangssituationen und Rahmenbedingungen stattfinden. Routineprogramme zielen auf einen Entlastungseffekt fur den Vorgesetzten ab, da Einzelanweisungen nur noch in einem reduzierten Mad notwendig sind.^^^ Durch das Routineprogramm wird sichergestellt, das alle Mitarbeiter gleich Oder zumindest sehr ahnlich arbeiten und die Aufgaben in konstanter Art und Weise durchgefuhrt werden. Dariiber hinaus wird auf diese Welse die Koordination zwischen den einzelnen Arbeitstatigkeiten sichergestellt. Die Ausfuhrung der Arbeitsanwelsungen und Standards kann wiederum je nach Detaillierungsgrad unterschiedlich ausgefuhrt werden. Ein hoher Grad an Determinierung einzelner Arbeitsschritte schrankt den indivlduellen Handlungsspielraum ein und fiihrt zu einem reinen Abarbeiten der einzelnen Schritte und einem geringen Mali an Arrangement und Eigeninitiative. Rahmengebende und nur unspeziflsch ausgefuhrte schriftliche Dokumente erfordern vom Mitarbeiter ein hoheres Mali an Eigenverantwortung, bringen jedoch ein hoheres Mad an Flexibilitat fur das gesamte soziale System mit sich. In Tab. 5-4 werden rahmengebende und detailorientierte Standards qualitativ einander gegenubergestellt.^^^

vgl. Schreyogg (1999), S. 167ff. und Kieser; Kubicek (1992), S. 110 vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 11 Of. vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 11 Of.

108

Manaqementforschuna

Tab. 5-4: Vergleich zwischen detailorientierten und rahmengebenden Standards^^®

Erstellungsaufwand

DetailorientJerter Standard

Rahmengebender Standard

hoch

gering

hoch

gering

Flexibilitat in der Tatigkeit

gering

hoch

Anforderung an Mitarbeiter

gering

hoch

Gefahr der Nicht-Befolgung

hoch

gering

Revisionsaufwand

Im Zuge der Zertifizierungsoffensive von Managementsystemen der letzten Jahre werden Prozessbeschreibungen, Standards und allgemeine Richtlinien in vielen Organisationen eingesetzt.^^® Zweckprogramme legen einen gewunschten Zustand als organisationales Ziel fest. Dabei wird zwar der Zweck, nicht aber die zu wahlende Mafinahme festgelegt. Dadurch ergibt sich fur die Handelnden ein grofierer Spielraum. Neben dem Zweckinhalt legen derartige Programme auch den Zeitpunkt fest, wann dieser Zweck erreicht werden soil; in der betrieblichen Praxis wird das Zweckprogramm in Form des Management by Objectives (MbO) umgesetzt.^^^ Ein reines Zweck- Oder auch Zielsystem setzt eine weitgehende Unabhangigkeit von Ressourcen voraus, die in der Realitat ubiicherweise nicht gegeben ist. Daruber hinaus setzt die Formulierung von Zielen fur die Zukunft auch das Wissen uber kunftige Bedingungen voraus. Da in der Realitat dieses Wissen jedoch nicht vorliegt, ergibt sich daraus ein standiger Adaptionsbedarf am Zielsystem.^^^ Das Problem der Abstimmung durch Programme liegt darin, dass sie zwar hierarchieentlastend wirken, aber der Organisation einen relativ statischen Rahmen geben und damit nur eine geringe Reagibilitat bei unerwarteten ^2^ ^^ ^^° ^^^

vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 11 Of. vgl. Schreyogg (1999), S. 167ff. und Kieser; Kubicek (1992), S. 110 vgl. Schreyogg (1999), 167ff. vgl. Schreyogg (1999), 167ff.

Managementforschunq

109

Situationen zulassen. Dies gilt im besonderen Masse fur das Routineprogramm, bei dem Signal und Handlung test verkoppelt sind und eine spontane Abiaufkorrektur nicht vorgesehen ist. Die strikte Verfolgung von Programmen fuhrt zu einer moglichen Vernachlassigung anderer relevanter Bereiche.^^^ Koordination durch personliche Weisung Dieses Instrument ist durch Weisungen in Form eines vertikalen Informationsflusses gekennzeichnet, wobei eine hierarchische Organisationsstruktur als rahmengebende

Ausgangsbasis

dient.

Die

detaillierte

und

individuelle

Ausgestaltung der Koordinationsfunktion bleibt den einzelnen Stelleninhabern uberlassen.

Stutzt

sich

die

Koordination

weitgehend

auf

personliche

Weisungen so fuhrt dies zu einer Uberforderung der Instanz und in weiterer Folge zu einer ineffizienten Entscheidungsfindung. Ein Vorteil dieses Koordinationsinstruments liegt in dessen einfacher Gestaltungsmoglichkeit. Im voraus werden nur Entscheidungskompetenzen festgelegt, nicht jedoch inhaltliche Festlegungen. Aufgrund der spontan getroffenen

Entscheidungen

zeichnet sich diese Koordinationsform durch ein hohes Mafi an Flexibilitat aus; allerdings mussen die jeweiligen

Instanzeninhaber ein hohes

Mafi an

Qualifikation, Fuhrungs- und Entscheidungsstarke mitbringen. Die organisationstheoretischen Ansatze von WEBER und FAYOL versuchen diese durch Personen gepragte Stellenbesetzung bewusst zu uberwinden, um die Organisation nicht von einzelnen Individuen abhangig zu machen.^^^ Koordination durch Selbstabstimmung Unter dieser Koordinationsform wird die horizontale Abstlmmung zwischen einzelnen Abteilungen verstanden. Diese Abstlmmung kann sowohl spontan erfolgen oder instltutionalisiert in der Organisation verankert sein:^^"^ Die spontane Selbstabstimmung ist kein Instrument im herkommlichen Sinn, da sie weder gezielt eingesetzt noch verordnet wird. Vielmehr zeichnet es sich durch Spontanitat und Ungeplantheit aus und ist das Resultat selbstorganisierender Prozesse. Die spontane Selbstabstimmung einer Organisavgl. Schreyogg (1999), S. 171 vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 104ff. vgl. Schreyogg (1999), S. 172

110

Managementforschunq

tion, stent einen Dampfungsfaktor dar um Probleme der hierarchischen und programmierten Abstimmung auszugleichen und abzufedern.^^^ Institutionalisierte Selbstabstimmung: Um die Zuverlassigkeit der horizontalen Absprache zu erhohen wurden in der betrieblichen Praxis eine Reihe von Formalinstrumenten eingefuhrt, die diese Kommunikationsform institutionalisieren und somit stabilisieren und schliefllich zu einer verlasslichen Grofie werden lassen. Als konkrete Instrumente fuhrt SCHREYOGG Ausschusse, Abteilungskonferenzen, den Einsatz von Koordinatoren und Koordinationsgruppen an (siehe Tab. 5-5).^^^ Tab. 5-5: Institutionalisierte Formen der Selbstabstimmung^^^

Ausschuss

Einrichtung von problembezogenen und zeitlich begrenzten Arbeitsgruppen mit Mitgliedern verschiedener Abteilungen zur Losung spezifischer Abstimnnungsprobleme. Es handelt sich dabei um Koordinationsprojekte mit einer relativ klar umrissenen Aufgabe. Solche Ausschusse stellen eine Vorform der klassischen Projektorganisation dar.

Abteilungsleiterkonferenz

Die Einrichtung von Abteilungsleiterkonferenzen dient in erster Linie, dazu Abstimmungsprobleme und Konflikte zwischen Abteilungen zu klaren. Diese Konferenzen sind eine permanente Einrichtung und werden periodisch abgehalten.

Koordinator

Der Koordinator sorgt fur die kontinuierliche Abstimmung zwischen leistungsmafiig aneinandergrenzende Abteilungen und sucht bei auftretenden Konflikten aktiv nach Losungsmoglichkeiten.

vgl. Schreyogg (1999), S. 173 vgl. Schreyogg (1999), S. 174ff. vgl. Schreyogg (1999), S. 174ff.

1

Manaqementforschunq

Koordinationsgruppe

1_1J_

Koordinationsgruppen werden organisationsweit eingesetzt, urn komplexere Aufgaben nach dem Prinzip der direkten horizontalen Abstimmung zu losen. Diese Gruppen werden aus nominierten MJtgliedern der einzelnen Abteilungen zusammengestellt.

Eine KoordinatJon durch Selbstabstimmung entlastet die auf personlichen Anweisungen basierende hierarchische Koordination, indem die vertikale Kommunikation entlang der Dienstwege reduziert wird. Daruber hinaus erhoht die Selbstabstimmung auch die Motivation der Organisationsmitglieder. Beide Vorteile fiihren zu einer hoheren Flexibilitat der Organisation. Als Nachteil dieser Koordinationsform kann der erhohte Zeitbedarf in Diskussionsgruppen angefuhrt werden, der jedocii durch gezieltes Training der IVIitglieder wesentlich reduziert werden kann.^^® 5.4

Managementkonzepte

Im folgenden Abschnitt wird spezifisch auf Managementkonzepte, deren Typen, und Moglichkeiten der Gestaltung eingegangen. Abschlieliend werden umfassendere und integrierte Ansatze angefuhrt sowie die Grundprinzipien von Managementsystemen dargestellt. 5.4.1 Begriff des Managementkonzepts Der Begriff Managementkonzept wird sowohl in der Wissenschaft als auch in der betrieblichen Praxis uneinheitlich verwendet, wodurch auf keine allgemein gultige Definition zuruckgegriffen werden kann. Vielmehr existieren eine ganze Reihe von Begriffen und Elementen, die synonym verwendet und eingesetzt werden.^^^

vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 110 vgl. Hofmann (2002), S. 5ff.

112

Managementforschunq

Einen Versuch der Begriffklarung mithilfe eines ethymologischen Zugangs unternimmt HOFMANN^'^°. Dabei wird Konzept wie folgt definiert: „Ein Konzept lasst sich auffassen als meist induktiv gewonnene, systematische Interpretation von Erfahrungen - mitunter verbunden mit einem Handlungswissen, das haufig unter einem generalislerten Begriff zusammengefasst wird. iVIanagementkonzepte umfassen sowohl strukturelle Eiemente als auch Managementpraktiken.^'*'' ULRICH^"^^ definiert den Begriff Konzept als „ein gedanklicher Entwurf fur eine geistige Schopfung". Ein Konzept ist ein abstraktes Gestaltungsmodell einer zu schaffenden Wirklichkeit, das deren wesentliche Komponenten und Beziehungs- und Wirkungsgefuge festhalt, aber Moglichkeiten der konkreten Ausgestaltung offen lasst. Ein Konzept ist auf eine in der Zukunft zu realisierenden Ordnung fokussiert. Es beinhaltet eine Vorstellung uber eine zukunftige Realitat, die durch Handein geschaffen werden konnte oder sollte. Dabei steht nicht die moglichst detallgetreue Abbildung eines Systems, sondern vielmehr ein Modell, das das Grundsatzliche und besonders Wichtige darstellt, im Vordergrund. Eiemente und ihre WIrkungszusammenhange werden dazu in einem gewissen Abstraktionsgrad beschrieben. Je hoher der Komplexitatsgrad des zu beschreiben Systems ist, umso grundlegender und allgemeinorientierter muss auch das dazu gehorende Konzept ausgestaltet sein.^^^ Auf den Bereich Management fokussiert verfolgen Konzepte allgemein den Zweck, Ordnung In die Vielfalt von Ideen, Absichten, Instrumenten und Methoden zu bringen, die in einer Organisation gelten und angewendet werden sollen.^"^"* Daruber hinaus liegen das Streben nach umfassender und nachhaltiger Qualitats- und Effizienzsteigerung der Fuhrung im Fokus.^"^^

vgl. Hofmann (2002), S. 5ff. vgl. Walgenbach; Beck (2003), S. 498 vgl. Ulrich (2001), S.86f. vgl. Ulrich (2001), S.86f. vgl. Ulrich(2001), S. 86f. vgl. Ulrich(2001), S. 90

Manaqementforschung

113

HOFMANN ftihrt die folgenden acht Kriterien von Managementkonzepten auf:^^^ •

Managementkonzepte sind gekennzeichnet durch Anwendungsnahe und sind in erster Linie an Praktiker gerichtet.



IVIanagementkonzepte legen weniger Wert auf wissenschaftliche Fundierung und beziehen ihre Legitimation aus empirischer Relevanz.



IVIanagementkonzepte reprasentieren Erfahrungswissen, basieren also auf



Managementkonzepte konnen in den meisten Fallen personifiziert werden,



Managementkonzepte enthalten eine strategische Grundausrichtung, an

Induktion. lassen sich also auf einen Schopfer zuruckfuhren. deren Ende die Errichtung eines programmatlschen Zieles steht. •

Managementkonzepte stellen Methoden und Instrumente bereit, welche die Konzeptumsetzung vereinfachen.



Managementkonzepte erstrecken sich uber mehrere Funktionen von Organisationen.



Managementkonzepte entwickein sich standig welter. Sie unterllegen einem - an den Anforderungen der Managementpraxis orientierten Wandel.

Managementkonzepte werden somit aus praktisch bewahrten Erfahrungen gewonnen die, systematisch interpretiert und generalisiert, zu „Rezepten" umformuliert werden.^"^^ HInter der Ausgestaltung und Konzeption von Managementkonzepten sieht ULRICH^"*® die Pramissen und sogenannten Bilder von Menschen, menschlichem Verhalten und Organisationen. Managementkonzepte sind keine starren Gebllde, sondern entwickein und verandern sich mit der Zeit. Diese Adaption und Veranderung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Zum eInen konnen Teilelemente verandert werden und so eine kontinulerliche Veranderung des gesamten Konzepts bewirken.

vgl. Hofmann (2002), S. 7 vgl. Hofmann (2002), S. 7 vgl. Ulrich(2001), S. 94

114

Managementforschunq

Zum anderen konnen aber Konzepte auch schlagartig und gesamthaft durch neue Konzepte ersetzt werden.^"*^ 5.4.2 Typen von Managementkonzepten Fur die Typologisierung von Managementkonzepten konnen die Kriterien Struktur und Vorgehen, Art der Generierung und inhaltliche Fokussierung herangezogen werden. Struktur und Vorgehen: Konzepte konnen sowohl eine inhaltliche Modellbeschreibungen oder Strukturdarstellung als auch eine Beschreibung eines Vorgehensmodells beinhalten. In der betrieblichen Praxis wird in den meisten Fallen zuerst das angestrebte Ziel (modellbeschreibendes Konzept) und anschliefiend der Weg dorthin (Vorgehensmodell) beschrieben.^^° Art der Generierung: Eine weitere Typenunterscheidung von Managementkonzepten kann durch deren Herkunft getroffen werden. Zum einen existieren Konzepte, die aus theoretischen Uberlegungen entstehen und auf wissenschaftlicher Basis weiterentwickelt werden. Zum anderen werden Konzepte aus der Erfahrung der betrieblichen Praxis heraus erarbeitet. Beide Konzeptansatze haben in der Managementpraxis ihre Berechtigung und werden eingesetzt.^^^ Eine Synthesemoglichkeit den praktischen Erfahrungsschatz und die wissenschaftliche Systematik gleichzeitig zu nutzen liegt in der interdisziplinaren Konzeptentwicklung von betroffenen Organisationsmitgliedern und Wissenschaftern. Dabei kann die wissenschaftliche Seite einen theoretisch fundierten Konzeptrahmen mit moglichst alien Teilaspekten entwickein und anschliefiend diesen mit Praktikern inhaltlich fullen und ausgestalten. Vor allem fur die Ausgestaltung der Vorgehens- und Einfuhrungskonzepte ist die intensive Einbindung von Organisationsmitgliedern ein wesentlicher Erfolgsfaktor.^^^

vgl. Hofmann (2002), S. 6 vgl. Ulrich(2001), S. 86f. vgl. Ulrich(2001), S. 91 s. Zielowski; Kneidinger (2003)

Manaqementforschunq

115

5.4.3 Umfang von Managementkonzepten Managementkonzepte werden in der Regel entwickelt um Teilaufgaben oder -funktionen des Managements zu unterstutzen. Der Umfang, den Managementkonzepte in einer Organisation abdecken, kann mithilfe zweier Aspekte erfasst werden: dem funktionalen und institutionalen^^^. Der funktionale Aspekt beschreibt in welchen funktionalen Einheiten der Organisation der Schwerpunkt des jeweiligen Managementkonzepts liegt; im Rahmen dieser Arbeit wird der Fokus auf das industrielle produktions- und aniagennahe Umfeld gelegt. Der institutionale Aspekt erfasst die Hierarchieebene, die im Zentrum der Betrachtung steht. In diesem Zusammenhang konnen Konzepte unterschieden werden, die auf die strategische Ausrichtung der Gesamtorganisation oder auf die operative Leistung in unmittelbarer Produktionsumgebung abzielen. Im ersten Fall wird die Organisationsleitung und Fuhrungskraft angesprochen, im zweiten Fall der Mitarbeiter im direkten Produktionsumfeld. Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen diesen beiden Kategorien liegt in der spezifischen und zielgruppengerechten Ausgestaltung und Formulierung von Managementkonzepten. Beschreibungen, die fur Fuhrungskrafte des strategischen Managements entwickelt, oder fur einzelne funktionale Bereiche formuliert wurden, werden mitunter in anderen, insbesondere im produktionsnahen Umfeld, nur schwer verstanden und konnen schliefilich zu mangelnder Akzeptanz des jeweiligen Managementkonzepts fuhren. Aus diesem Grund ist die Herkunft des Managementkonzepts ein Hinweis fur die Einsetzbarkeit in einem Organisationsbereich oder fur den eventuell anfallenden Adaptionsbedarf. 5.4.4 Generierung von Managementkonzepten Die Erstellung eines Konzepts ist eine gedankliche Vorstufe zu einem spateren zweckmadigen Handein und kann als erste Phase in einem Problemlosungsprozess gesehen werden. Dabei hangt es vom Umfang geplanter Handlungen ab, ob die Erstellung umfangreicher Konzepte notwendig und der damit verbundene Aufwand gerechtfertigt ist. Die Entwicklung eines Konzepts ist immer dann von zentraler Bedeutung, wenn es sich um eine komplizierte. vgl. Hofmann (2002), S. 6

116

Managementforschunq

vielschichtige, nicht von vornherein klar abgegrenzte Problemsituation handelt, in der es sehr viele EJnflussfaktoren und Handlungsaltemativen gibt. Konzepte dienen also der Strukturierung und Ordnung von Entscheidungssituationen und als Leitfaden fur die anschliefiende Entscheidungsfindung.^^"^ Konzepte konnen sowohl fur unterschiedliche Situationen als auch unterschiedliche Inhalte erstellt werden, alien Konzepten sind jedoch die folgenden Punkte gemeinsam:^^^ •

Jedem Konzept liegt eine bestimmte Absicht, Zielsetzung oder Problem-



Jedes Konzept beruht bereits auf Voraussetzungen oder Grundan-



Das Konzept enthalt das Ordnungsmuster fur die Gestaltung eines zusam-

stellung zugrunde. nahmen, die als gegeben angenommen werden. menhangenden Ganzen. •

Das Konzept stellt eine Entscheidung fur eine bestimmte Grundstruktur dar, lasst aber noch Konkretisierungsmoglichkeiten offen.

Die praktische Gestaltung von Konzepten erfolgt in Phasen. In einem ersten Schritt wird in einem hohen Abstraktionsgrad das geplante System moglichst umfassend dargestellt; dieses globale Modell wIrd als Rahmenkonzept bezeichnet. In den folgenden Schritten werden Teilbereiche oder Teilaspekte detaillierter erfasst und behandelt. Der Ubergang von der Konzeptionierung zur eigentlichen Planung ist dabei flleflend.^^^ Resumierend kann festgehalten werden, dass Managementkonzepte generell fur bestimmte nationale Kulturkrelse, Branchen, funktionale Bereiche und Situationen konzipiert werden. Die Ubertragbarkeit von einem spezifischen Geltungsbereich auf einen anderen ist dabei nicht immer ohne weiteres gegeben.

Wie

bereits

im

Abschnitt

2.3.2

angefuhrt,

sind

aus

neo-

institutionalistischer Betrachtung heraus die fruhen Adaptoren und Innovatoren jene, die Konzepte an die eigenen spezifischen Randbedingungen anpassen und auf diese Weise erfolgreich sind. In diesem Zusammenhang stellt sich die

vgl. Ulrich(2001), S. 87f. vgl. Ulrich(2001), S. 88 vgl. Ulrich(2001), S. 89

Managementforschunq

HZ

Frage, ob Managementkonzepte per se Verbesserungen in Teilaspekten des Fuhrungsprozesses bewirken, Oder ob Verbesserungen des Fuhrungsprozesses mithilfe von Managementkonzepten erfolgen und diese somit nur ein Mittel zum Zweck darstellen. Diese Uberlegung ist fiir die Organisationsfuhrung von zentraler Bedeutung und wird in dieser Arbeit am Ende von Kapitel 7 wiederaufgegriffen. 5.4.5 Managementkonzepte im historischen Wandel Mit der Veranderung der Umwelt von Organisationen andern sich auch die Anforderungen an das Management. Als Konsequenz entstehen immer wieder neue Managementkonzepte mit deren Hilfe auf die neuen Bedingungen reagiert werden thematischen

kann. So spiegein

Schwerpunkte

der

sich im historischen

Managementkonzepte

die

Abriss

der

veranderten

organlsationalen Anforderungen an Organisationen. Lag der Fokus in der Zeit der Human-Relations Bewegung auf sozialen Aspekten, rucken beispielsweise in den 1980er Jahren okologische Fragesteilungen verstarkt in den Vordergrund.^^^ Die einzelnen Managementkonzepte unterliegen wiederum Modestromungen, die

anhand

sogenannter

Lebenszykluskurven

nachempfunden

werden

konnen. Dieser Zyklus reicht von einer ersten Welle an Publikationen uber die brelte betriebliche Anwendung bis hin zum „Untergang" und endgultigen Verschwinden aus der Managementpraxis. LARSEN^^® beschreibt in diesem Zusammenhang ein Analysemodell zur Darstellung einer Lebenszykluskurve von Managementkonzepten. In einem Anwendungsbeispiel zeichnet der Autor den Auf- und Abstleg des TQM-Konzepts nach. TEICHERT/TALAULICAR^^^

teilen

Veroffentlichungen

zu

Management-

konzepten mithilfe einer bibliografischen Vermessung nach Qualitat und Aktualitat der Referenzen ein. Auf diese Weise entwickein sie eine dreigliedrige Typologisierung fiir Managementkonzepte. Der erste Typ umfasst jene Konzepte, die im Zentrum des langfristigen und anwendungsnahen

vgl. Hofmann (2002), S. 8f. s. Larsen (2001) s. Teichert; Talaulicar (2002)

118

Manaqementforschung

Diskurses stehen. Der zweite Typ umfasst jene Konzepte des aktuellen Diskurses und der letzte Typ steht im Fokus des akademischen Diskurses.^^° Einen Uberblick von Lebenszykluskurven ausgewahlter Managementkonzepte bietet HOFMANN.^^^ Dazu stellt er die jahrlich erschienene Anzahl von Fachpublikationen zu Managementkonzepten uber den Verlauf der Jahre dar. Die einzelnen Kurven zeigen die Prasenz von Konzepten in der Welt der Fachpublikationen. Neben den einzelnen Managementkonzepten unterliegt auch das organisational Idealbild einem stetigen Wandel. So vollziehen beispielsweise HERMEL/RAMIS-PUJOL^^^ den Bedeutungs- und Inhaltswandel des organisationalen Excellence-Begriffs iiber die Zeit. 5.4.6 Integrative Gestaltung von Managementkonzepten In der betriebswirtschaftlichen

Praxis setzen Organisationen meist ver-

schiedene Managementkonzepte parallel ein. DIese Konzepte behandein Teilaspekte des Management isoliert und fuhren damit zwangsweise zu Suboptimierungen von thematischen Teilbereichen Oder organisationalen Teilsystemen. Daruber kommt es zu Uberschneidungen, Doppelgleisigkeiten oder sogar Zielkonflikten zwischen den einzelnen Managementkonzepten; Synergieeffekte konnen aufgrund der fehlenden Uberstruktur nur selten genutzt werden.^^^ Dm einer derartigen Dysfunktionalitat entgegenwirken zu konnen schlagt HOFMANN ein gesamthaftes holistisches System vor, das einen Bezugsrahmen fur die einzelnen Teil-Managementkonzepte bieten soil. Derartige Uberkonzepte sollen alle Anforderungen an eine Organisation berucksichtigen und dienen als Rahmen fur eine ganzheitliche Analyse, Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der Organisation.^^"^ FCir einen Integrationsansatz von Managementkonzepten wird zwischen institutionellen, funktionellen und instrumentellen Managementaspekten unter-

vgl. Teichert; Talaulicar (2002), S. 418ff. vgl. Hofmann (2002), S. 12 s. Hermel; Ramis-Pujol (2003) vgl. Hofmann (2002), S. 21 vgl. Hofmann (2002), S. 21

Manaqementforschunq

119

schieden. Im Bereich der institutionellen Integrationsdimension werden Abstimmungen hinsichtlich der Art, Anzahl und Eigenschaft von OrganisatJonseinheiten getroffen. Diese Abstimmungen reichen dabei vom Individuum uber die Gruppe bis hin zur gesamten Organisation oder sogar zu Organisationsverbanden. In der funktionellen Integrationsdimension werden thematische Bereiche einer Organisation ubergreifend behandelt. Als dritten Integrationsansatz bletet sich die Zusammenfuhrung von Instrumenten und Methoden an.^^^ HOFMANN^^^ fuhrt im weiteren Anforderungen an integrierte Managementkonzepte

und

konkrete

Handlungsanleitungen

fur

die

Erstellung

und

Entwicklung derartiger Konzepte an. Diese Uberlegungen decken sich dabei zu einem Grossteil mit den Ansatzen von Managementsystemen, wie sie beispielsweise SCHWANIGER^^^ vorschlagt. Im folgenden Abschnitt werden derartige umfassende und Integrierte Managementkonzepte beschrieben. 5.4.7

Managementsysteme

Die Koordination, Strukturierung und Modellbildung von Managementaufgaben unterstutzen sogenannte Managementfuhrungssysteme oder kurz Managementsysteme, wobei SCHWANINGER^^® die Begriffe ManagementFuhrungssystem

synonym

verwendet.

Managementsysteme

und

stellen

strukturelle Vorkehrungen dar und dienen der Komplexitatsbewaltigung von Organisationen. Darunter fallen die formalen Systeme fur Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Organisationen. Diese erfullen den Zweck, durch strukturelle Vorkehrungen einen konstruktiven Beitrag zu einer moglichst weit in die Zukunft reichenden Sicherung der Lebensfahlgkeit und Entwicklung einer Organisation zu leisten. Organisationen verstarken mithilfe von Managementsystemen Ihre Fahlgkeiten wIe beispielsweise Lernfahlgkeit, Reaktlonsund Anpassungsfahigkeit sowie organisatlonale Intelllgenz.

vgl. Hofmann (2002), S. 21f. vgl. Hofmann (2002), S. 23ff. s. Schwaninger (1994) vgl. Schwaninger (1994), S. 15ff.

120

Managementforschunq

Generell mussen Managementsysteme folgenden Herausforderungen Rechnung tragen:^^^ •

der Turbulenz des organisationalen Umfeldes (Umwelt)



der Deregulierung, Internationalisierung und Globalisierung von Markten



der zunehmenden Vernetzung und Wechselwirkung wirtschaftlicher, sozi-



dem rasanten Fortschritt

aler, politischer und okonomischer Faktoren •

dem Wandel von Werthaltungen



den Anspruchen Dritter an Organisationen



der stejgenden Bedeutung der humanen, intangiblen „weichen" Faktoren



der Bedrohung der Natur und der Verknappung der Ressourcen



den raschen Veranderungen der Informationsgesellschaft



den demografischen, sozialen und politischen Wandel in vielen Landern

Damit Managementsysteme diese Anforderungen erfullen konnen, mussen deren Ausgestaltung und Strukturierung immer wieder hinterfragt und ggf. optimiert werden. Die Frage der Ausgestaltung von Managementsystemen stellt sich auf alien Strukturebenen einer Organisation wieder von neuem. Die unterschledlichen

Fristigkeiten

und

logischen

Bezugsebenen

(operativ,

strategisch und normativ) sind sowohl auf alien Organisationsebenen als auch in samtlichen Arten von Managementsystemen zu berucksichtigen. In unterschledlichen Organisationseinheiten Oder bestimmten

Funktionen/Verricht-

ungen im Wertschopfungsprozess kommen einerseits dieselben Grundarten von Fuhrungssystemen (Informationssysteme, Planungssysteme, etc.) zur Anwendung. Andererseits steht in einzelnen Funktionen haufig der Bezug zu bestimmten Arten von Ressourcen im Vordergrund, oder die Funktion selbst bezieht sich direkt und explizit auf eine bestimmte Ressourcenart. Managementsysteme dienen dazu, die Fahigkeit der Organisation zu erhohen, neue Herausforderungen mit wachsender Kompetenz zu bewaltigen und vielfaltigen Anspruchsgruppen immer besser gerecht zu werden. Dies schliefit nicht aus, dass im Einzelfall bestimmte Fuhrungssysteme im Hinblick auf spezifische

vgl. Schwaninger (1994), S. 37f.

Manaqementforschung

1£1

Herausforderungen Oder Anspruchsgruppen besonders ausgestaltet wer-

5.5 Zusammenfassung und Uberleitung Das vorangegangene Kapitel umfasst die Grundlagen, Problemstellungen und Aufgaben des Managements sowie dessen Diskussion In der betriebswissenschaftlichen Forschung. Dazu werden zuerst die damit verbundenen Begriffe geklart und ein Uberblick zu den wichtigsten Management- und Organisationstheorien gegeben. In einem weiteren Abschnitt wird auf die Differenzierung und Koordination von Arbeitsschritten und organisationalen Teilaufgaben eingegangen, die eine zentrale Managementaufgabe darstellen; in diesem Zusammenhang

werden

instrumente vorgestellt

die

zur

Verfiigung

und eriautert.

steiienden

Schliefilich werden

KoordinationsManagement-

konzepte als Unterstutzung von Teilaufgaben des Managements definlert und deren Umfange sowie Gestaltungsmoglichkeiten diskutiert. Dabei wird festgehalten, das Managementkonzepte Immer fur bestlmmte nationale Kulturkreise, Branchen, funktionale Bereiche und Situationen konzipiert werden und die einfache Ubertragbarkeit auf andere Grundvoraussetzungen nicht Immer ohne weiteres moglich ist. Aus neoinstltutionalistischer Sicht wird schliefllich eine Adaption an strukturelle und kulturelle Besonderheiten der jeweillgen Organisation gefordert. Dieses Kapitel behandelt das primare Forschungsobjekt dieser Arbeit. Zum einen wird ein Uberblick gegeben, wie die Problemstellungen und Aufgaben in der Vergangenheit gelost wurden, zum anderen werden diese Aufgaben systematisch erfasst und diskutiert. Dieser Abschnitt kann als GegenCiberstellung zum Abschnitt 3.5 verstanden werden, wo die Managementaufgabe abstrakt aus Sicht der Komplexitatsbewaltigung diskutiert wird.

vgl. Schwaninger (1994), S. 39

6 Industrielles Betriebsumfeld In dieser Arbeit wird die Frage gestellt, in welcher Form Managementkonzepte fur das industrielle Betriebsumfeld geeignet sind und mogliche Antworten gesucht wie diese gegebenenfalls adaptiert und eingesetzt werden konnen. Um dieser Fragestellung naher zu kommen wird im folgenden auf den Abgrenzungsbereich des industriellen Betriebsumfeldes eingegangen. Da der Fokus der Arbeit sowohl auf Managementkonzepten als auch auf dem Themenkreis Organisationskultur liegt, ruckt das einzelne Organisationsmitglied und Individuum in den Vordergrund. Diese menschenzentrierte Betrachtungsweise findet sich in besonders ausgepragter Form im Rahmen der verhaltensorientierten Managementtheorie, die eine logische Fortsetzung des Human Relations Ansatzes darstellt (s. dazu 5.2.3). Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Frage, wie Individuen in der Organisation zu Entscheidungen Oder Aktivitaten veranlasst werden, welche die Erreichung der Organisationsziele und die Anpassung dieser an die dynamischen Umweltverhaltnlsse sicherstellen^^\ Die Handlungen der einzelnen Mitarbeiter basieren zum einen auf deren Ausbildung, Erfahrung und Status innerhalb der Organisation, zum anderen auf den strukturellen und kulturellen Aspekten sowie schiiefiiich auf den Rahmenbindungen der unmittelbaren Arbeltsumgebung. Das industrielle Arbeitsumfeld, das dieser wissenschaftlichen Abhandlung zugrunde liegt, ist u.a. charakterisiert durch intensiven Einsatz von Aniagen und sonstiger technischer Hilfsmittel, Produktionsprozesse und Technologie. Daruber hinaus zeichnet

sich die Arbeitsform

durch

standige

Bewaltigung

komplexer

repetitiver und nicht-repetitiver Aufgaben und Problemstellungen aus. Dispositive Faktoren, wie die Planung und Steuerung von Produktion, Instandhaltung, Loglstik oder Qualitatssicherung beruhren die operativen Tatigkeiten nur tangential und werden deshalb an dieser Stelle aus der Betrachtung konsequenterwelse ausgeklammert. Fur die Darstellung der industriellen Arbeitsumgebung aus Sicht der operativ tatigen Organisationsmitglieder werden die beiden domlnierenden Aspekte vgl. Kieser; Kubicek (1992), S. 42

124

Industrielles Betriebsumfeld

dieses Arbeitsumfeldes, die Produktion und Aniagenwirtschaft bzw. Instandhaltung, naher behandelt. Auf diese Weise soil der Bedarf an organisationaler Koordlnation und Komplexitatsbeherrschung fur dieses Feld herausgearbeitet werden. Ausgehend von dieser charakterisierenden Darstellung werden in weiterer Folge konkrete Anforderungen an Managementkonzepte fur den Einsatz in Industriebetrieben aufgestellt. Im folgenden Abschnitt wird auf das industrielle Betriebsunrifeld eingegangen. Dazu wird zuerst eine allgemeine Begriffsdefinition vorgenommen und anschllefiend auf die Subsysteme Produktion und Aniagen eingegangen. Den Kern dieses Abschnitts bildet die Darstellung des Industriebetriebs als komplexes System mit dessen Elementen und Relationen. Dieser Abschnitt bedient sich zu einem grolien Tell der Konzepte und Losungsansatze, die bereits in den Abschnitten davor behandelt werden. In Abbildung Abb. 6-1 werden diese Verbindungen illustriert (die Zahlen bei den einzelnen Elementen weisen auf den jeweilig betroffenen Abschnitte hin).

Industrielles Betriebsumfeld

3.1,3.2

125 4.4, 4.5, 4.6, 5.1

Kybernetik komplexer Systeme

Managementinstrumente

Organ is atbnskultur

Anatomie von Managementkonzepten

4.1,4.2,4.3

5.2, 5.4

6.1 Anfbrderungen an Managementkonzepte fijr das Industrie lie Betriebsumfekl

Abb. 6-1: Thematische Verbindung der vorangegangenen Theorieabschnitte und der Formulierung der Anforderungen fur das industrielle Betriebsumfeld Ausgehend von dieser Darstellung warden Arbeitshypothesen herausgearbeitet, die im anschliedenden Kapitel 7 als Basis fur die Charakterisierung von Managementkonzepten herangezogen werden. Diese Arbeitshypothesen stellen die Basis fur die Klarung der Forschungsfrage nach den funktionalen Anforderungen fur das Management des industrienahen Betriebsumfeldes.

126

Industrielles Betriebsumfeld

6.1 Begriff des Industriebetriebs Als Industrie wird die gewerbliche Gewinnung, Be- und Verarbeitung von Einsatzgutern zu Sachgutern im Fabriksystem bezeichnet, deren Merkmale die •

Groflproduktion



Innerbetriebliche Arbeitsteilung und



Mechanisierung

sind. Die als Industrie bezeichneten Wirtschaftszweige umfassen in grober Definition das sogenannte produzierende Gewerbe abzuglich dem Handwerk, wobei die Differenzierung zwischen Handwerk und Industrieunternehmen flieflend ist^^^. Ein Industriebetrieb ist eine technische, soziale, wirtschaftliche und umweltbezogene Einheit mit der Aufgabe der Bedarfsdeckung, mit selbstandigen Entscheidungen und eigenen Risiken.^^^ Industriebetriebe sind ubiicherweise durch einen hohen technischen und organisatorischen Vorbereitungsgrad und ein hohes Mali an Arbeitsteiligkeit (sowohl in funktionaler als auch hierarchlscher Hinsicht) gekennzeichnet.^^"^ Zur Typologisierung konnen Industriebetriebe u.a. nach deren Produktionsaufgabe, dem vorherrschenden Einsatzgut, der Materialkennzeichnung, dem Erzeugungsvorgang

Oder dem

Enderzeugnis

klassifiziert werden.

In der

folgenden Auflistung werden Industrietypen beisplelhaft angefiihrt und diesen funf Kategorien zugeordnet.^''^ •

Produktionsaufgabe

(Gewinnungsindustrle,

verarbeitende

Industrie,

Wiedergewinnungslndustrie) •

Vorherrschendes Einsatzgut (Materialintensive, arbeitsintensive, anlagenintensive und energleintensive Industrie)



Materialkennzeichnung (Stahlindustrle, Holzindustrie, Papierindustrie)



Erzeugungsvorgang

(Giefierelindustrie,

Industrie)

372

vgl. vgl. vgl. vgl.

Schweitzer (1994), S. 20f. Schweitzer (1994), S. 20 Kreikebaum (1994), S. 152 Schweitzer (1994), S. 23

Webereiindustrie,

Montage-

Industrielles Betriebsumfeld •

127

Enderzeugnis (Automobilindustrie, Maschinenbauindustrie, Bauindustrie, Flugzeugindustrie)

6.2 Industrielle Produktion Ein zentrales Charakteristikum von Industriebetrieben stellen die Produktion beziehungsweise

deren

unmitteibar

unterstutzende

Prozesse, wie

das

Aniagenmanagement, dar. Diese beiden Elemente sind es auch, die die Arbeitsumgebung der betroffenen Mitarbeiter am starksten dominieren. Die allgemeine Definition des Begriffs Produktion umfasst den Einsatz und die Kombination materieller sowie immaterielier Guter zur Herstellung und Verwertung anderer Guter.^^® Daruber hinaus wird unter dem Begriff Produktion das Herstellen oder Verandern von Sachgutern oder Dienstleitungen verstanden^^^. Neben Produktion werden auch die Begriffe Fertigung und Herstellung verwendet: Wahrend „Produktion" alle Aspekte des Transformationsprozesses umfasst, wird mit ..Fertigung" bzw. „Herstellung" die unmittelbare materielle Veranderung von Einsatzgiitern bezeichnet.^^^ Produktionssysteme konnen grundsatzlich nach den folgenden funf Aspekten untergliedert werden:^^^ •

Wie haufig dasselbe Produkt hergestellt wird (Repetitionstyp)



Wie die Betriebsmittel angeordnet sind (Anordnungstyp)



Wie der Fertigungsablauf organlsiert ist (Ablauftyp)



Welche Produktionsstruktur zugrunde liegt (Produktionsstrukturtyp)



Wie der Bedarf artikuliert wird (Auftragstyp)

Die Gliederung nach dem Repetitionstyp unterscheidet zwischen Einzel-, Serien-, Sorten- und Massenfertigung. Der Anordnungstyp beschreibt die verschiedenen Anordnungen der Betriebsmittel und Aniagen. Im Zuge der Ablauftypen wird zwischen kontinuierlicher und diskontlnuierlicher Fertigung unterschieden. Die Produktionsstruktur differlert zwischen der Fertigung weniger Produkte aus einer Vielzahl von Vorprodukten (synthetische Produktion), der vgl. vgl. vgl. vgl.

Eversheim (1992), S. 2058 Frese(1992b), S. 2040ff. Schneeweifi (1997), S. 2 Schneeweifi (1997), S. lOff.

128

Industrielles Betriebsumfeld

Fertigung vieler Produkte aus einer geringen Anzahl von Vorprodukten (analytische Produktion) und der sehellen Produktion, die zu einer Veredelung von Produkten fuhrt. Die Unterscheidung nach dem Auftragstyp kann grob in die beiden Gruppen auftragsgebunden und nicht-auftragsgebunden differenziert werden.^^° In der betrieblichen Praxis treten jeweils Kombinationen der funf oben angefuhrten Typologisierungsmoglichkeiten auf. So kann ein Industrlebetrieb belspielsweise eine Einzelfertigung in Baustellenanordnung auftragsgebunden unterhalten.^®^ Fur den einzelnen MItarbelter ergeben sich mit dem Typ der Fertigung Unterschiede Im Grad der Repetition von Ablaufen sowie In der Komplexitat von Aufgaben. Daruber hinaus 1st mit der Anordnung der Anlagenkomponenten die Schwierlgkelt der Problemsuche bel Ablaufstorungen verbunden. Die Festlegung des Produktionssystems stellt also unterschiedliche Anspruche an den operativ tatigen MItarbelter. Die Aufgaben des Produktionsmanagements decken sich mit den Aufgaben der oben beschriebenen allgemeinen Aufgaben des Managements (siehe Abschnitt 5.1.1). In diesem Fall 1st die Planung, Organisation, Fuhrung und Kontrolle allerdings auf das Funktionalobjekt der Produktion fokusslert.^®^ Im industriellen Betrieb gibt es zwar eine VIelzahl von Variablen, diese sind jedoch in der Regel nicht unabhangig vonelnander. Die logische Gestaltungskette kann belspielsweise ausgehend von der Strategle des Unternehmens verfolgt werden: Abgeleltet von der unternehmenswelten

Grundstrategie

werden funktionale Strategien formullert, die belspielsweise die Produkt-, Vertriebs-, und Produktionsstrategle umfassen.^^^ Eng mit der Wahl der Strategle und des Produktprogramms ist die Wahl des Produktionstyps verbunden, der wiederum die Organlsationsstruktur, Aniagenart und -struktur bestimmt. DIese Struktur beeinflusst die Wahl der Organlsationstypen der Fertigung, die

vgl. vgl. vgl. vgl.

Schneeweifi (1997), S. 10ff. Schneeweifi (1997), S. 17f. Frese (1992b), S. 2043 Hinterhuber (1983), S. 185ff.

Industrielles Betriebsumfeld

129

Formen der Arbeitsorganisation, die Auf- und Ablauforganisation und schliefllich dem Einsatz von Managementinstrumenten.^®'^ 6.2.1 Grundstrategie Die Grundstrategie einer Organisation zeigt einen determinierenden Einfluss auf die industrielle Produktions- und Aniagenumgebung. Am Beginn der festzulegenden Rahmenbedingen steht die globale Unternelimensstrategie^®^. Die klassische Unterscheidung der Organisationsstrategie

nach PORTER^®®

(Kostenfuhrerschaft oder Differenzierung) kann fur diese Arbeit nur bedingt eingesetzt werden, da diese primar fur den Bereich der Wettbewerbsaktivitaten Gultigkeit besitzt. An dieser Stelle sind vor allem jene strategischen Uberlegungen relevant, die eine signifikante und handlungsdeterminierende Wirkung auf das operative Arbeitsumfeld mit sicli bringen. Dazu wird zwisciien einer innovativen, agierenden und einer nach innen gerichteten effizienzfokussierten Strategie unterscliieden: Strategie der Innovation Die Strategie der Innovation und der aktiven Veranderung orientiert sich primar an den Anforderungen der Kunden, dem Wettbewerbsumfeld und den sonstigen relevanten Stakeholdern. Dazu muss die Organisation eIne gewisse Offenheit und Sensibilitat gegenuber ihrer Umwelt zeigen. Im Sinne des neoinstitutionalistischen Ansatzes (s. dazu 2.3.2) handelt es sich hierbei um fruhe innovatoren. Das unmittelbare Produktions- und Aniagenumfeld ist durch laufende umfangreiche Veranderungen gepragt und die Mitarbeiter mit einer standiger Adaption sowohl des Arbeitsumfeldes ais auch der damit verbundenen Anforderungen konfrontiert. Die Dynamik der Absatzmarkte und das Nachfrageverhalten der Kunden haben einen entscheldenden Einfluss auf das Produktionssystem. Die Befriedigung einzelner KundenbedCirfnisse fuhrt zu einer grofien Sortimentsbreite, zu mehr Variabilitat und somit zu immer komplexeren Produktstrukturen^^''.

vgl. Reichwald; Dietel (1991), S. 406 und s. auch Biedermann (1990b), S. 99 vgl. Reichwald; Dietel (1991), S. 406 s. Porter (1986), S. 93ff. und 164ff. vgl. Westphal (2001), S. 132f.

130

industrielles Betriebsumfeld

Strategie der Effizienzsteigerung Jene Strategie, die die Verbesserung von Effizienz fokussiert, zielt auf die Optimierung der inneren Ablaufe und Strukturen ab. Dabei werden in der Organisation systematisch und kontinuierlich samtliche Produktionsfaktoren analysiert und optimiert wie beispielsweise Kosten gesenkt, Durchlaufzeiten reduziert oder Produkt- und Prozessfehler vermieden; die theoretische Basis dazu ist im Resourec-based-view-Ansatz^®® aufbereitet. Die Neoinstitutionalisten sprechen in diesem Fall von Imitatoren oder Nachfolgern (siehe dazu 2.3.2). Das unmittelbare Produktions- und Aniagenumfeld ist durch laufende Analysen und Effizienzverbesserungsprogramme gepragt. Durch die Wahl einer dieser Strategien wird die betriebliche Komplexitat, Dynamik und Planungsunsicherheit mafigeblich beeinflusst^®^. 6.2.2 Fertigungsstrategien Das Verhaltnis zwischen Produktion und Fertigung komnnt in der Fertigungsstrategie zum Ausdruck. Diese konnen mithilfe der Kriterien Komplexitat und Variabilitat eingeteilt werden. Dabei beschreibt die Komplexitat die Anzahl, Verschiedenartigkeit und Interdependenz der zu verknupfenden Teilaufgaben und die Variabilitat die Anzahl und Vorhersehbarkeit von Anderungen, die an die Erfullung der Produktionsaufgabe gestellt werden. Durch die Kombination dieser beiden Dimensionen In einer Portfolio-Darstellung (siehe Tab. 6-1) entstehen vier charakteristische Auspragungsformen der Produktion. Darin stellt der zweite Quadrant die typische Produktionssituation der Schwerindustrie, der dritte die Situation der Konsumguterindustrie dar; die Felder eins und vier reprasentieren Mlschformen.^^°

s. Ruiz-Carrilo; Fernandez-Ortiz (2005), S. 32 vgl. Westphal(2001), S. 132 vgl. Reichwald; Dietel (1991), S. 404f.

131

Industrielles Betriebsumfeld

Tab. 6-1: Charakterisierung der Produktionswirtschaft nach den Kriterien Variabilitat und KomplexitaP'

2

o -C

:> O) •o 0)

1 Auftragsorientierte Serienfertigung - teilweise standardisierte Produkte - nach Kundenauftrag - in Serienfertigung

2 Auftragsorientierte Einzelfertigung - niclit-standardisierte Produkte - nacii Kundenauftrag - in Einzelfertigung

3 Marktorientierte Massenfertigung - standardisierte Produkte - fur anonyme Abnehmer - fur Grodserienfertigung

4 IVIarktorientierte Serienfertigung - teilweise standardisierte Produkte - fur anonyme Abnehmer - in Serienfertigung

'c

hoch

niedrig Komplexitat

|

1 |

Diese vier Grundtypen der Fertigungsstrategie unterscheiden sich neben den Kriterien Variabilitat und Komplexitat im notigen Informationsbedarf, in der Flexibilitat auf Kundenwunsche einzugehen und im Koordinationsbedarf fur die Abfolge von Tatigkeiten. Somit bringen diese unterschiedllchen Strategletypen auch unterschiedliche Anforderungen an den Mitarbeiter und seine Arbeitsumgebung mit sich.^^^ 6.2.3 Organisationstypen der Fertigung Die Organisationstypen der Fertigung unterscheiden sich in der gegenseitigen Zuordnung von Arbeitskraften, den eingesetzten Betriebsmittein sowie den prozessbedingten Transportbeziehungen zwischen den Produktiveinheiten. Bei der Typenbildung steht der Koordinationsaspekt in raumlicher und zeitlicher Hinsicht im Vordergrund. Einflussfaktoren auf die konkrete Gestaltung der Fertigungsorganisation sind insbesondere das Produkt, das Produktions-

vgl. Reichwald; Dietel (1991), S. 404 vgl. Reichwald; Dietel (1991), S. 406f.

132

Industrielles Betriebsumfeld

programm sowie die Produktionsfaktoren Arbeitskrafte, Betriebsmittel und Werkstoffe.^^^ KREIKEBAUM^^"^ gibt sieben verschiedene Organisationstypen der Fertigung mit

Werkstattfertigung,

Fliessfertigung,

Baustellensfertigung,

Werkbank-

fertigung, produktionsmittelorientierte Fertigung, Werkstattfiielifertigung und Gruppenfertigung an. Diese Organisationstypen unterscheiden sich im IVIafi der Arbeitsteiligkeit und damit im Bedarf an Koordination. Daruber hinaus unterscheiden sich die Typen hinsichtlich logistischer Ablaufe. Jeder dieser Typen stellt unterschiedliche Anforderungen an die einzelnen Systennelemente (IVIitarbeiter oder Aniagen) und an deren Beziehungen zu einander.^®^ 6.3 Industrielles Aniagen- und Instandhaltungsmanagement Unter dem Begriff Aniagenmanagement oder Aniagenwirtschaft wird das Management industrieller Aniagen bezeichnet. Der Begriff der industriellen Aniagen wird hier aus produktionstheoretischer Sicht als materielle Vermogensgegenstande gesehen, die eine mehrmalige

Nutzungsmoglichkeit

bieten. Aniagen sind demnach Gebrauchs- und keine Verbrauchsguter und stellen Im Unternehmen sogenannte Potentialfaktoren dar.^^^ Das Aniagenmanagement umfasst alle Mafinahmen der Planung, Realisierung und Kontrolle der Beschaffung, Inbetriebnahme, Instandhaltung, Verbesserung, Auflerbetriebnahme

und Ausmusterung

bzw. Veraufierung

von

Anlagen.^®^ Zlel des Aniagenmanagements ist es diese Aufgaben so zu gestalten und lenken, dass das angestrebte wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens unter Beachtung der Anforderungen aller relevanten Stakeholder und sonstiger betrieblicher Determinanten in moglichst hohem Masse erreicht wird.^^® Das Aniagenmanagement stellt einen Supportprozess zur Produktion dar und bildet mit einer Reihe anderer Unternehmensbereiche

vgl. vgl. vgl. vgl. vgl. vgl.

Kreikebaum (1994), S. 185ff. Kreikebaum (1994), S. 186 Kreikebaum (1994), S. 186 Bledermann (1990a), S. 4 und Seicht (1994), S. 329 Biedermann (1990a), S. 4ff. und Seicht (1994), S. 329 Biedermann (1990a), S. 5

Industrielles Betriebsumfeld

133

Schnittstellen (beispielsweise mit den Bereichen Investitionen, Personal,...).^^^ Mit dieser engen organisatorischen Vernetzung ist auch ein hohes Mafi an Komplexitat verbunden. PRU(i'^°° geht in diesem Kontext detailliert auf die Komplexitat des Aniagenmanagements ein und untersciieidet dabei zwisclien innerer und auflerer Komplexitat (vgl. dazu 3.2): Au/lere Komplexitat: Einerseits ist die Information und Entscheidungskompetenz auf verschiedene Bereiche und Ebenen in Organisationen verstreut; es existiert nur selten eine einheitliche Vision und ein Gesamtzielsystem fur das Anlagenmanagement'^^V Andererselts sind gerade die Interdependenzen des Aniagenmanagements zu weiteren Funktionalbereichen, wie beispielsweise Finanz, Beschaffung, Personal Oder Produktion besonders intensiv und ausgepragt.'^^^ Innere Komplexitat: Zelchnet sich durch die Vielzahl an Aktivitatsfelder des Aniagenmanagements

aus

bzw. anhand

deren

Relationen

und

Inter-

dependenzen. In AnIehnung an MANNEL konnen die neun Aktivitatsfelder Aniagenprojektierung, -bereitstellung, -errlchtung, -nutzung, -instandhaltung, -verbesserung, -aussonderung, -verwertung, -ersatz sowie -controlling aufgezahlt werden, die in gegenseitiger Wechselwirkung zueinander stehen.'^^^ Die Instandhaltung ist jene Tatigkeit, die gemeinsam mit der Produktionstatigkeit das produktions- und aniagennahe Umfeld am starksten pragt. Die Instandhaltung versucht die Funktionsfahigkeit von Aniagen im normalen Zustand zu gewahrleisten

oder gegebenenfalls

wiederherzustellen.

Im

weiteren werden auch Verbesserungen im Aniagensystem durchgefuhrt, die den Verbrauch

von Abnutzungsvorrat

gunstig gestalten.

Die

Instand-

haltungstatigkeit umfasst nach der Definition der DIN 31 051 "^^"^ die Tatigkeiten Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Verbesserung."^^^ Instandhaltungsmanagement, als wichtige Teilaufgabe des Aniagenmanagements, ist bevgl. Seicht (1994), S. 330 vgl. PrijR (2003), S. 39 vgl. Biedermann (2004), S. 10 vgl. Pru(i (2003), S. 39ff. vgl. Prijfl (2003), S. 42ff. s. Geibig; Slaghuis (2003), Abschnitt 02600, S. 24 vgl. Biedermann (1990a), S. 20ff.

134

Industrielles Betriebsumfeld

senders bedeutend, wenn Anlagenverfiigbarkeit und Verlasslichkeit kritische Erfolgsfaktoren sind.'^^^ Der Grad an Verkettung von Aniagen, deren Automatisierungsgrad sowie die zunehmende Technisierung sind wesentljche Komplexitatstreiber fur diese Aufgabe.'^^^ Die Organisation sowie deren Mitglieder miissen lernen mit dieser Situation umzugehen und diese zu bewaltigen. Als spezielles Problem der Instandhaltungstatigkeiten stellt sich dabei jedoch die zeitliche Verzogerung von Eingriff und Auswirkung dar. Beispielsweise zeigt die Vernachlassigung von Inspektionen oft uber langere Zeitraume keine negativen Auswirkungen. Somit ist fur die einzelnen Personen Ursache und Wirkung nicht Immer eindeutig zuordenbar, was wiederum das Schlieflen von Feedbackschleifen und Erstellen von Lernprozessen wesentlich erschwert.'^^® 6.3.1

Instandhaltungsstrategien

Unter einer Instandhaltungsstrategie

sind Rahmenrichtlinien

bzw. grobe

Handlungsanweisungen zu verstehen urn die Ziele der Instandhaltung zu erreichen. Instandhaltungsstrategien sind Vorgehensweisen (Regein), die objektbezogen angeben, welche einzelnen Instandhaltungsmafinahmen inhaltlich, methodisch und umfangmassig in bestimmter zeitlicher Folge durchzufuhren sind. Die Wahl der Instandhaltungsstrategie ist wesentlich durch das Ausfallverhalten und die Informationsunsicherheit uber einen in der Zukunft liegenden Ausfall gepragt. Somit ist die Wahl einer geeigneten Instandhaltungsstrategie nur mit detaillierter KenntnIs des jeweiligen AnIagensystems sinnvoll m6glich.'^°^ An Baslsstrategien werden in Tab. 6-2 ausfallsdeterminierte (Feuerwehrstrategie), zeitlich

determinierte

(Praventivstrategie)

und

zustandsdeter-

minierte (Inspektionsstrategie) Instandhaltungsstrategien unterschieden.'^^°

vgl. Tsang (2002), S. 7 vgl. Biedermann (1990a), S. 5f. vgl. Prufi (2003), S. 2 vgl. Biedermann (1990a), S. 57 vgl. Prufi (2003), 3.136

Industrielles Betriebsumfeld

135

Tab. 6-2: Verschieden Typen von Instandhaltungsstrategien'*

I Strategietyp

Beschreibung

Ausfalldeterminiert

Die Wahl der ausfalldeterminierten Instandhaltungsstrategie bedeutet, dass die Instandhaltungsmaflnahmen bewusst nach dem Verlust der Funktionsfahigkeit der Aniage ausgefuhrt werden. Unplanmaliige Ausfalle und Storungen sind die Folge. Die Vorgehensweise wird eingesetzt, wenn Ausfallkosten vernachlassigbar sind oder es sich urn sehr teure Bauteile handelt. |

Zeitlich determiniert

Die zeitlich determinierte Instandhaltungsstrategie orientiert sich an einer verstrichenen Zeitdauer. Dabei kann der Instandhaltungszyklus von der Betriebsdauer unabhangig oder abhangig sein. Diese Strategie geht von konstanten Betriebsbedingungen aus.

Zustandsdeterminiert

Bei der zustandsorientierten Instandhaltungsstrategie werden die Instandhaltungsmafinahmen in Abhangigkeit des aktuellen Aniagenzustandes vorgenommen. Die Feststellung des Zustandes kann in periodischer oder permanenter Uberprufung geschehen.

Die Wahl einer dieser drei Basisstrategien hat fundamentale Auswirkung auf das industrielle Arbeitsumfeld. So stellen die jeweiligen Strategien zum einen unterschiedliche Anforderungen an den einzelnen Mitarbeiter, zum anderen wirken sich diese Strategien wiederum auf deren Arbeitsweise aus. Die ausfallorientierte Strategie verlangt nur wenig Systemverstandnis und geringe methodische Kompetenzen, fordert aber von den Mitarbeitern ein hohes Mali an Flexibilitat und Reaglbilitat. Die dabei auftretenden Ausfalle setzen den Mitarbeiter einem hohen Mafi von Stress aus. Zeitlich determinierte Strategien erfordern Planung und konsequente Durchfuhrung von Instandhaltungsvgl. Biedermann (1990a),S. 68ff. und Pruft (2003), S. 134f.

136

Industrielles Betriebsumfeld

tatigkeiten und fijhren durch den praventiven Ansatz zu stabilen Arbeitsablaufen. Die dritte Strategie erfordert von den Mitarbeitern ein hohes Mafi an Systemverstandnis und methodischer Kompetenz. Dabei mussen Daten erhoben, verarbeitet und interpretiert werden. Dieser Ansatz fuhrt ebenfalls zu stabilen Arbeitsablaufen. Die Wahl der Strategie hangt von den Rahmenbedingungen der Organisation, des Produktionssystems und des Aniagenverhaitens ab."^^^ Die Festlegung der Strategie zeigt, wie oben beschrieben, wiederum Auswirkungen auf das unmittelbare industrielle Arbeitsumfeld. 6.3.2

Instandhaltungsorganisation

Ein wichtiger Erfolgsfaktor fiir die Tatigkeiten des Instandhaltungsmanagements liegt in dessen strukturellen Aufbau sowie in dessen Einbindung in die gesamte Betriebsorganisation."^^^ Dazu sind die Fragen zu klaren, ob das Aniagenmanagement als Linien-, Stab- oder Matrixabteilung eingebettet wird und ob die innere Gliederung dem funktional- oder objektorientierten Ansatz folgt. BIEDERIVIANN und PRUfi'*^'^ diskutieren dazu Varianten in Hinblick auf deren Eignung und stellen deren Vor- und Nachteile kritisch gegenuber. Daruber hinaus ordnet PRUfi'^^^ die Organisationstypen der Instandhaltung den Fertigungsorganisationstypen in einer Ubersichtzu. Die Frage nach der zentralen oder dezentralen Einbettung der Instandhaltung stent in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige dar, da sich diese Entscheidung wesentlich auf den Einsatz und die Gestaltung von Managementkonzepten und -instrumenten auswirkt.'*^^

vgl. Biedermann (1990a), S. 66ff. s. Wincheringer (1992), S. 303ff. und 313ff. s. Biedermann (1990b), S. 84ff. und s. Prufi (2003). S. 145ff. s. Prufi (2003), S. 149 vgl. Prijfi (2003), S. 299ff.

Industrielles Betriebsumfeld

137

6.4 Industriebetrieb als komplexes System Wie oben dargestellt zeichnen sich Industriebetriebe durch eine Reihe von Systemelementen

und -relationen aus, die zueinander in einem

inter-

dependenten Zusammenhang stehen. Derartige Situationen sind charakteristisch fur komplexe Systeme. WESTPHAL'*^'' beschreibt den Komplexitatsansatz in der Produktionslogistik und geht auf die damit verbundenen Komplexitatstreiber ein. Die Rahmenbedingungen, die den Fertigungsprozess bestimmen, gelten in analoger

Form

auch

fur

den

Supportprozess

Aniagenmanagement.

BIEDERIVIANN'^^® fuhrt dazu beispielsweise die kapazitive

Personalaus-

stattung, die gewahlte Unternehmenspolitik und -strategie, den Standort des Unternehmens mit dessen Infrastruktur, das technoiogische Umfeld der Produktion, die Schwankungen der Kapazitatsauslastung und die zeitliche Stabilitat dieser Bedingungen an. Im

folgenden

werden

ailgemeine

Rahmenbedingungen

und

System-

determinanten fur das Produktions- und Aniagenmanagement in Form der von HABERFELLNER

vorgeschlagenen

sechs

Hauptgruppen

angefijhrt

und

diskutiert:^'^ •

Ziele



Dm welt



Prozesse



Erforderliche IVIitarbeiter



Erforderliche Hilfsmittel



Systemzustand

Diese charakteristischen Systemelemente gelten allgemein fur Unternehmen und werden im weiteren fur die Untergruppe der Industriebetriebe konkretisiert und als Basis fur das Modell der vorliegenden Arbeit herangezogen. In diesem Zusammenhang werden zwei Adaptionen durchgefuhrt: Zum einen wird das Merkmal Systemzustand, das die Diskrepanz zwischen Plan- und Ist-System ^'^ ^^^ ^'^

vgl. Westphal (2001), S. 128ff. vgl. Biedermann (2004), S. 14 und Biedermann (1990a), S. 99 vgl. Haberfeilner (1975), S. 84

138

Industrielles Betriebsumfeld

erfasst, nicht weiter verwendet. Dieses Merkmal ist zwar fur die Charakterisierung bestehender realer Betriebe relevant, nicht jedoch fur Managementkonzepte, die per defintionem nur einen Soll-Zustand beschreiben. Zum anderen wird die Kategorie Hilfsmittel in Aniagen umbenannt. In Tab. 6-3 werden die hier behandelten Determinanten und Elemente aufgelistet. Tab. 6-3: Determinanten des Produktions- und Aniagenmanagements

1 Determinante

Elemente

Ziele

Unternehmens-, Markt- und Produktstrategie

Urn welt

Kunden- und Marktorientierung; Globalisierung der Unternehmen und Markte

Prozesse

Prozesskomplexitat; Verkettung des Liefersystems, Prozesstransparenz; Informationsstand

Mitarbeiter

Mitarbeiterqualifikatlon und Organisationsstruktur

|

Aniage

Aniagenkomplexitat; Veranderung der eingesetzten Technologie

|

Alle diese Elemente stellen keine unabhangigen Variablen dar, sondern stehen vielmehr in einer gegenseitigen Wechselwirkung. Das heifit bestehende Aniagen- oder auch Organisationsstrukturen wirken sich in einer Ruckkoppelung auf die Wahl der Strategie, des Produktionsprogramms und des Produktionstyps aus. Dies ist besonders bei kapital- und anlagenintensiven Unternehmen der Fall.'*^^ In den folgenden Subabschnitten werden die oben angefijhrten Determinanten fijr den Industriebetrieb diskutiert und dazu mithilfe systemtheoretischer Uberlegungen Arbeitshypothesen aufgestellt. Diese dienen in weiterer Folge als

pragnante

Zusammenfassung

der

relevanten

industriespezifischen

Aspekte sowie als Hilfsinstrument fur die Entwicklung der Analysekriterien; eine Uberprufung dieser logisch-deduktiv generierten Hypothesen ist nicht vorgesehen. Die Arbeitshypothesen werden in weiterer Folge mit Losungsansatzen aus der Management- bzw. Organisationstheorie erweitert und vgl. Reichwald; Dietel (1991), S. 406

Industrielles Betriebsumfeld

139

schliefilich als Basis fur die Ableitung eines Anforderungskataloges fur Managementkonzepte herangezogen. 6.4.1 Ziele In diese Kategorie fallen der determinierende Einfluss der Unternehmens-, Markt- und Produktstrategie auf die industrielle Produktions- und Anlagenumgebung. Dazu wird zwischen einer innovativen, agierenden und einer nach innen gerlchteten effizienzfokussierten Strategie unterschieden (s. dazu 6.2.1). Erstere fuhrt zu immer neuartigen Situationen, die von den Mitarbeitern mithllfe geeigneter Strategien beherrscht und bewaltigt werden mCissen, wodurch nicht-repetitive Prozessablaufe uberwiegen. Der zweite Strategieansatz ist durch laufende Analysen und Durchfuhrung von

Effizienz-

verbesserungsprogrammen gepragt. Das Optimierungsziel wird groliteils mlthilfe der systematischen Gestaltung repetitiver Prozesse erreicht. Durch die Wahl einer dieser Strategien wird also der Repetitionstyp der Tatigkeiten zu einem hohen Mafl festgelegt'*^\ Arbeitshypothese (A) 1: Die Wahl der Unternehmensstrategie beeinflusst den Repetitionstyp von Prozessen. 6.4.2 Umwelt Kunden- und Marktorientierung Aufgrund der gestiegenen Wettbewerbssituation miissen sich Unternehmen starker und direkter an den Anforderungen der Kunden orientieren. Diese enA/arten individuelle Produkte, die sie zu einenn hohen Mali mitgestalten konnen"^^^. Betriebe reagieren darauf mit flexiblen Produktrealisierungsprozessen, die dem Kunden Im Zuge der Produktrealisierung ein hohes Mafi an

individueller

Einflussnahme

ermoglicht.

Das

Konzept

des Agilen

Managements^^^ kann in diesem Zusammenhang beispielhaft angefuhrt werden.

vgl.Westphal(2001), S. 132 vgl. Rahman (2004), S. 418 s. Meredith; Francis (2000) und Sarkis (2001)

140

Industrielles Betriebsumfeld

Andern sich die Anforderungen, die von der Umwelt gestellt werden, muss das System, um uberleben zu konnen, diesen neuen Anforderungen rasch und flexibel nachkommen; dazu sind wiederum Adaptionen der Systemstruktur notwendig (vgl. dazu die theoretischen Uberlegungen zum lebensfahigen System in Abschnitt 3.3). A2: Auf neue Anforderungen muss rasch reagiert werden (Reagibilitat); die inneren Systemstrukturen mijssen diese Flexibilitat unterstutzen. Globalisierung der Unternehmen und Markte Nationale Grenzen verlieren zunehmend an Bedeutung und verandern somit sowohl Kunden- als auch Marktstrukturen. im weiteren ist aucii die Beschaffung von Ressourcen wie Einsatzmaterial, Aniagen und Humankapital einem Wandel unterzogen."^^"^ Vergrofiert sich der Wirkungsbereich eines Systems, ist ein Anstieg der Systemelemente und dessen Relationen zu erwarten, wodurch Variabilitat und Komplexitat steigen. Fur einen Industriebetrieb erhohen sich damit auf der einen Seite die Moglichkeiten der Beschaffung und des Absatzes, auf der anderen Seite aber auch der Wettbewerbsdruck. A3: Zunehmende Globalisierung von Unternehmen und Markten fuhrt zu hoherer Variabilitat und Komplexitat betrieblicher Strukturen und Ablaufe. 6.4.3 Prozesse Prozesskomplexitat Der Begriff Prozesse umfasst in diesem Zusammenhang alle Ablaufe und Tatigkeiten rund um die Aniagen, also sowohl die Aufgabenbereiche der Produktion als auch des Aniagenmanagements. Prozesskomplexitat hangt zum einen von der Art des Produktes, zum anderen von der Art der Fertigungstechnologie

ab.

In

diesem

Zusammenhang

muss

zwischen

repetitiven und nicht-repetitlven Aufgaben sowie Ablaufen unterschieden werden.

vgl. Rahman (2004), 8.417f.

Industrielles Betriebsumfeld

141

Repetitive Prozesse sind durch geringe Planungsunsicherheit und Stabilitat ciiarakterisiert und konnen daher zu einem hohen Mafi standardisiert werden. Nicht-repetitive

Prozesse

sind jedoch

durch

Planungsunsicherheit

und

Instabilitat gekennzeichnet und konnen daher nur zu einem geringen Mali standardisiert werden

(vgl. dazu die Charakteristik

des

Koordinations-

instrumentes Routineprogramm in Abschnitt 5.3.2.5). A4: Mit dem Repetitionstyp der Prozesse ist die Planungssicherheit, Stabilitat von Ablaufen sowie die Moglichkeit der Standardisierung verbunden. Verkettete Liefersysteme Mit dem systematischen Abbau von Zwischenlagern und Puffern (beispielsweise von den Managementkonzepten lean manufactoring oder just in time production gefordert) sind heutige Produktions- und Liefersysteme besonders sensibel bezuglich Storungen, bzw. zelgen bereits geringe Storungen oder Abweichungen mitunter dramatische Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Ein derartlges

Betriebsumfeld

erfordert eine

hohe Zuverlassigkeit

und

Robustheit von Aniagen bzw. von den damit verbundenen aniagennahen Prozessen."^^^ Die starre und inflexible Aneinanderkopplung der Teilsysteme Kunde und Lieferant zeigt bereits bei kleinen Storungen grofie Auswirkungen auf das Gesamtsystem, die entweder durch hohe Reagibilitat der Systemelemente Oder durch fehlerfreie Prozessfuhrung vermieden werden konnen. A5: Starr verkettete Produktionssysteme mussen fehlerfrei ablaufen oder mit der notigen Reagibilitat ausgestattet sein. Informationsstand Der Informationsbedarf In Industriebetrieben Ist vielfaltig und umfasst u.a. die Information

uber

kijnftige Auslastungen,

Produkte

und deren

Einsatz,

Anforderungen der Kunden sowie den Aniagenzustand (Diagnosesysteme). Ist diese Informationsbasis nicht, oder in unsicherer und unvollstandiger Welse

vgl. Tsang (2002), S. 8

142

Industrieiies Betriebsumfeld

gegeben, kann nur ein geringer Planungsgrad erreicht werden, der wiederum zu hoherer Komplexitat fiihrt. Unbekanntes Systemverhalten oder geringe Systembeherrschung erschweren die Planung und Prognose. Somit mussen derartige Systeme fur mehrere moglicherweise eintretende Storfalle mithilfe redundanter Teilsysteme vorbauen; auf diese Weise erhoht sich wiederum die innere Komplexitat (vgl. dazu Abschnitt 3.4.2). A6: iVIangelnde Information uber die Systementwicklung und -beherrschung fijhrt zu hoherer Systemkomplexitat. Prozesstransparenz Die Bedeutung von Stakeholdern hat in den letzten Jahrzehnten wesentlich zugenommen. Auf der einen Seite sind die gesetzlichen und offentlichen Anforderungen gestiegen."*^^ Auf der anderen Seite kommt der Information an den Kapitalmarkt grofiere Bedeutung zu. Schliefilich ist gerade das industrielle Umfeld der sogenannten Zulieferindustrie von intensiven Kunden-LieferantenBeziehungen gepragt, was sich wiederum in laufenden Auditierungen niederschlagt. Betriebsbereiche und -strukturen mussen dabei nach den Kriterien und Anforderungen der Stakeholder gestaltet werden (vgl. dazu die Erkenntnisse aus der neolnstitutionalistischen Organisatlonstheorie in Abschnitt 2.3). Die Aufmerksamkeit von Parteien, die zwar aufierhalb des Systems stehen, aber ein unmittelbares Interesse an den Ablaufen und Erfolgen des Industriebetriebs haben, erfordert zunehmende Transparenz und freiwillige sowie umfangreiche Informationsbereitstellung (information signaling"^^^). Da die Informationsbereitstellung in permanenter Weise gefordert wird, kann diese nur mithilfe moglichst transparenter Prozesse erfolgen. A7: Die Systemgestaltung muss nach den Anforderungen der relevanten Systemumwelt aufgebaut und fur diese Gruppe moglichst transparent gestaltet werden. ^'' ^^^

vgl. Tsang (2002), S. 8 s. Schoppeetal. (1995)

Industrielles Betriebsumfeld

143

6.4.4 Mitarbeiter Mitarbeiterqualifikation und Organisationsstruktur Wie oben beschrieben stellt der Industriebetheb ein komplexes System dar, das nur mit einem ebensolchen Umgang effizient bewaltigt werden kann. Dazu muss der Betrieb die Mitarbeiter kontinuierlicli entwickein und geeignete Organisationsstrukturen dazu schaffen. Fur den einzelnen Mitarbeiter gewinnen dabei methodische und soziale Kompetenzen zunehmend an Bedeutung. Dezentrale Organisationsstrukturen sind tendenziell erfolgreicher in der Bewaltigung von Komplexitat als zentralistisch ausgerichtete. A8: Komplexe Betriebsituationen erfordern ein geeignetes mehrdimensionales Qualifikationsprofil der Mitarbeiter und geeignete Organisationsstrukturen. 6.4.5 Aniagen Aniagenkomplexitat Aniagenkomplexitat hangt von der Teclinisierung und dem zu erfullenden Aufgabenumfang der Aniagen ab. Die Komplexitat der Aniagen wirkt sich unmittelbar auf die Tatigkeit des Aniagenmanagements und der Produktion aus. Werden Aniagen zunehmend komplexer muss auch der Umgang mit diesen komplexer werden (vgl. dazu das Grundprinzip der Komplexltatsbewaltigung in Abschnitt 3.2.2). Das bedeutet die Mitarbeiter mCissen lernen mit Aniagen umzugehen und Erfahrungen mit diesen zu sammeln. Bei relativ einfachen Aniagensystemen, kann dieser Lernvorgang mitunter noch unsystematisch erfolgen. Mit steigender Komplexitat und Intransparenz der Aniagenfunktionen gewinnt jedoch der systematische Lernprozess zunehmend an Bedeutung. A9: Der Einsatz komplexer Aniagen (Teilsysteme) erfordert eine komplexe Einbindung und einen entsprechend komplexen Umgang mit diesen. Veranderung eingesetzter Technologien Sowohl Aniagentechnologien als auch die Technologie des Aniagenmanagements, wie beispielsweise Diagnose- und Informationsinstrumente entwickein sich laufend welter. Diese Entwicklungen erfordern einerseits eInen standig

144

Industrielles Betriebsumfeld

adaptierten Umgang mit Aniagen, ermoglichen andererseits aber auch den Einsatz neuartiger Strategien fur das Anlagenmanagement.'^^® Immer kurzer werdende Produktiebenszyklen und damit verbundenen immer kurzere Innovationszyklen haben gravierende Auswirkungen auf das Produktions- und Anlagenmanagement.'^^^ Je radikaler und haufiger derartige Technologiewechsel in einem Untemehmen vorkommen, umso wichtiger wird der

systematische

und flexible

Ablauf

derartiger

Einfuhrungsprozesse.

Rasches Lernen, Flexibllitat und Reagibilitat stellen dabei zentrale organisationale Kompetenzen dar. A10: Der Einsatz neuer Aniagentechnologien erfordert rasche systematische Lernprozesse, sowie Flexibllitat und Reagibilitat. 6.4.6 Weitere Aspekte Als weitere Anforderungen von Unternehmenseckpunkten an die Ausgestaltung von Managementinstrumenten und -konzepten fuhrt HABERFELLNER'^^^ die Betriebsgrofie, Lebensdauer der Organisation, traditionelle Branchenstrukturen

und -arbeitsweisen, Mitglieder

der Organisation,

Eigentums-

verhaltnisse und Rechtsform sowie gesellschaftliche Einflusse an. Diese Aspekte werden jedoch, urn den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, nicht welter beruckslchtigt. Das derzeitige Umfeld der industriellen Produktion ist aus der Sicht der betriebswirtschaftlichen

Forschung durch die folgenden

Entwicklungsten-

denzen gekennzeichnet:'^^^

• Rasch andernde Markte zwingen Unternehmen zu einer flexiblen Produktion, sowohl in Hinblick auf die Mengen als auch auf neue Produkte.

• Die informationstechnische Unterstutzung ist entscheidend fur die Kommunikation und Problemlosung am Arbeitsplatz.

vgl. vgl. vgl. vgl.

Tsang (2002), S. 8f. Biedermann (2002), S. 7 Haberfellner(1975), S. 103 Frese (1992b), S. 2040

Industrielles Betriebsumfeld •

145

Neue Produktionstechnologien wirken sich auf die Sozialstrukturen im Produktionsbereich aus."*^^

Die Art und Weise wie die Industrie auf diese Herausforderungen reagiert ist vielfaltig und in den verschiedenen Branchen unterschiedlich ausgepragt. Dennoch hat sich in den letzten zehn bis funfzehn Jahren eine Reihe von Globaltrends herauskristallisiert. Dazu zahlen die Prozessorientlerung, die Strategieorientierung, die systematische

Prozessverbesserung,

der

Einsatz

von

Mitarbeitergruppen zur kontinuierllchen Verbesserung, die Risikoorientierung und Innovationsoffensiven. Diese Aktivitaten spiegein sich in der Einfuhrung von Managementkonzepten wie beispielsweise ISO 9001, BSC, Six Sigma und KVP wider. 6.5 Zusammenfassung und Uberleitung Da sich diese Arbeit auf das industrielle Betriebsumfeld beschrankt, bildet das vorangegangene Kapitel die funktionale Abgrenzung des Geltungsbereiches. Zu Beginn wird der Begriff des industriellen Betriebsumfeldes eriautert und besonders auf die Produktion und das Aniagenmanagement eingegangen. Im Sinne eines verhaltensorientierten Ansatzes wird dabei In erster Linie auf jene Aspekte eingegangen, die den einzelnen Mitarbeiter besonders betreffen. Die beiden Teilsysteme Produktion und Aniagenmanagement werden deshalb detalllierter darstellt, well sie die unmittelbare operative Arbeitsumgebung dominierend pragen. Anschliefiend an die Darstellung des industriellen Betriebsbereiches werden die relevanten Systemelemente und -relationen in diesem Umfeld analyslert und der Industriebetrieb als komplexes System dargestellt. Davon ausgehend werden Systemzusammenhange als Arbeitshypothesen formuliert, die im folgenden Kapitel 7 aufgegriffen und als Basis fur einen Anforderungskatalog bzw. die Analyse fur Managementkonzepte eingesetzt werden. Damit stehen die Kapitel 6 und 7 in einem engen Zusammenhang und bauen aufeinander auf. Diese Arbeitshypothesen dienen als Basis fur die Klarung der ersten Forschungsfrage nach den funktionalen Anforderungen fur das Management des industrienahen Betriebsumfeldes. vgl. Frese (1992b), S. 2040

7 Analyse von Managementkonzepten Damit Unternehmen die komplexen Anforderungen der Umwelt bewaltigen konnen, versprechen eine Vielzahl von Managementkonzepten unterschiedlichste Losungsansatze. Fuhrungskrafte mijssen in diesem Zusammenhang beurteilen, ob einerseits derartige Konzepte fur die Bewaltigung der Anforderungen der speziellen industriellen Praxis geeignet sind und andererseits diese nicht dysfunktional organisationskulturellen Rahmenbedingungen des Unternehmens gegenuberstehen. Im

folgenden

Abschnitt

wird

eine

Analysemethodik

vorgestellt,

die

Managementkonzepte hinsichtlich des Bewaltigungspotentials fur industrielle Anforderungen beurteilt und daruber hinaus deren organisationskulturelle Pramissen erhebt. Dabei wird zuerst die Entwicklung der Analysesystematik, die Ableitung der einzelnen Beurteilungskriterien und schliefilich der gesamte Kriterienkatalog vorgestellt. Die Basis fur dieses Analyseinstrument wird im Kapitel 6 gelegt, wo, ausgehend von der Beschreibung des Systems der industriellen Betrlebsumgebung, Einzelkriterien in Form von Arbeitshypothesen abgeleitet werden. Mithilfe des In diesem Abschnitt vorgestellten Analyseinstruments kann zum einen der Umfang zum anderen die Auspragungsform von Managementkonzepten erhoben werden. Auf diese Weise wird sowohl deren Abdeckungsgrad als auch deren inhaltliche Charakteristik transparent. Abschlieliend im Kapitel 8 wird diese Methodik belspielhaft anhand des Managementkonzepts TPM durchexerziert und somit die Elgnung dieses Instruments unter Beweis gestellt. 7.1 Ableitung der Analysekriterien Die Entwicklung des Analyseinstruments

erfolgt durch die

einzelner

von

Kriterien,

industriellen

die

logisch-deduktiv

den

Erarbeltung

Anforderungen

Managements abgeleitet werden. Sinn und Zweck

des

dieses

Instruments 1st die Informationsaufbereitung fur die Auswahl- und Implementierungsentscheidung von Managementkonzepten. Um Managementkonzepte beurteilen und vergleichen zu konnen, stellen sich in Aniehnung an die beiden in Abschnitt 2.5 formulierten Forschungsfragen die

belden

folgenden Fragen: Welchen Beitrag leistet das jeweilige Managementkonzept

148

Analyse von Managementkonzepten

zur ErfiJllung der Anforderungen des industriellen Betriebsumfelds? - Welche organisationskulturellen Pramissen liegen hinter dem Managementkonzept? Urn diese beiden Fragestellungen hinreichend zu beantworten

werden

einzelne Kriterjen formuliert und in einer logischen Struktur zusammengefasst. Dazu wird ein Kriterienkatalog entwickelt, der sowohl die Anforderungen des industriellen Betriebsumfeldes als auch die organisationskulturellen Elemente umfasst.

Fur

die jeweiligen

Einzelkriterien

werden

Auspragungsstufen

formuliert, die der konkreten Charakterisierung der Managementkonzepte dienen. Ausgehend von den, in Abschnitt 6.4 formulierten, Arbeitshypothesen werden im weiteren Einzelelemente und deren Wechselwirkungen herausgearbeitet, die in Abb. 7-1 in Form eines Abhangigkeitsdiagramms dargestellt werden: Als erste Arbeitshypothese wurde die Globalstrategie eines Unternehmens angefuhrt. Die Wahl der Unternehmensstrategie beeinflusst den Repetitionstyp von Prozessen und die Auswahl der Technologle. Der Repetitionstyp wiederum wirkt sich auf die Systemstrukturen, Planungssicherheit, Stabilitat von Ablaufen sowie Moglichkeit der Standardisierung und Flexibilitat aus. Die Systemgestaltung muss nach den Anforderungen der relevanten Systemumwelt aufgebaut und fiir diese Gruppe moglichst transparent gestaltet werden.

Mangelnde

Information

uber

die

Systementwicklung

und

-beherrschung sowie die notige Transparenz fiir Stakeholder fuhrt jedoch wiederum

zu

zunehmende

einer

hoheren

Komplexitat

der

Globalisierung von Unternehmen

inneren

Strukturen.

Die

und Markten sowie die

transparente Gestaltung von Organisationsstrukturen fiir den Stakeholder fuhrt zu hoherer Variabilitat und Komplexitat betrieblicher Strukturen und Ablaufe. Starr verkettete Produktionssysteme miissen fehlerfrei ablaufen oder mit der notigen Reagibilitat ausgestattet sein. Der Einsatz komplexer Aniagen erfordert eine komplexe Einblndung und einen entsprechend komplexen Umgang mit diesen. Daruber hinaus erfordert der Einsatz neuer Anlagentechnologien rasche und systematische Lernprozesse, sowie Flexibilitat und Reagibilitat. Organisationen mussen derartig komplexe Betriebsituationen mit-

Analyse von Manaqementkonzepten

149

hilfe eines geeigneten mehrdimensionalen Qualifikationsprofil der Mitarbeiter und geeigneten Organisationsstrukturen bewerkstelligen. Diese Wechselwirkungen der einzelnen Elemente lassen sich mithilfe einer einfachen Pfeildarstellung in einer ubersichtlichen Form iilustrieren (s. Abb. 7-1). Aufgrund der iiohen Systemkomplexitat konnen auf diese Weise jedoch nicht alle Wechselwirkungen vollstandig abgebildet werden. Die Grossbuchstaben, die fur die einzelnen Elemente vergeben werden dienen in weiterer Folge der einfachen Unterscheidung und eindeutigen Zuordnung.

Inf obasistiber S vstem ent wic klu ng

strategic

Zunehmende Giobalisierung

Neue Technologien

Systemgestaltung Transparent + Stakeholder

Einsatz komplexer An lag en

K

Organisationsstruktuktur

Starre VerknUpfung Fehlerfreier Ablauf

Mehrdimension ales Qualifikationsprofil

Abb. 7-1: Darstellung der einzelnen Arbeitshypothesen und deren Wechselwirkungen

150

Analyse von Manaaementkonzepten

Damit die Systemzusammenhange in einer erweiterten Form erfasst werden, wird eine Analyse der Elementrelationen in Aniehnung an VESTER

durch-

gefuhrt. Dazu werden die einzelnen Elemente (siehe Abb. 7-2) doppelt in einer Matrix angefiJhrt und deren Wechselwirl 0)

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erisch" und plakativ formuliert, stellt aber dafiir die originare Konzeptidee dar. Die sogenannte Sekundarliteratur ist in vielen Fallen erst Jahre nach der Konzept-Erstveroffentlichung erhaltlich. Der Vorteil dieses Quellentyps liegt in der umfassenderen, kritischeren und wissenschaftlich fundierteren Haltung des Autors. Schliefilich geben wissenschaftliche Abhandlungen meist eine Ubersicht zur dazu

bestehenden

Literatur. Fur eine originalgetreue und fundierte Einordnung ist es sinnvoll sowohl die Originalquellen als auch kritische wissenschaftliche Arbeiten als Basis fur die Analyse zu verwenden.

168

Analyse von Manaqementkonzepten

Analyse der Organisation: Die Vorgehensweise zur Einordnung von Industriebetrjeben erfolgt nach demselben Prinzip wie bei den Managementkonzepten. Fur diese Beurteilung ist eine fundierte Kenntnis der betrieblichen Rahmenbedingungen, des inneren Aufbaus der Organisation sowie der organisationskultureilen Aspekte notwendig. Aus diesen Grunden wird vorgeschlagen, dass die Einschatzung der Organisation von dessen Leiter oder von einer Gruppe von FiJhrungskraften im Rahmen eines Workshops erfolgen soli. Ablauforganisatorisch kann sowohl mit der Analyse des zur Diskussion stehenden Konzepts als auch mit der betroffenen Organisation begonnen werden. Das Ergebnis dieser Einordnung wird als Profilkurve im Analyseraster festgehalten. In weiterer Folge kann das Mali der abweichenden Beurteilung (Gap) zwischen

dem

Profll der

Organisation

und des

Managementkonzepts

analysiert und diskutlert werden. Dabei werden die folgenden drei Falle unterschieden: •

Kein Gap in den einzelnen Kriterien



Gap nur bei den Kriterien in der Ebene der Artefakte



Gap bei den Kriterien in der Ebene der Grundannahmen und Werte

Kein Gap bei den Kriterien Im Fall, dass kein Gap zwischen den Profilen des Konzeptes und der Organisation auftritt, stehen deren organislatonskulturellen Pramissen im Einklang. Der Einfuhrungsprozess kann einfach und mit nur geringem Aufwand erfolgen. Da jedoch kein oder nur ein sehr geringer Unterschied auf der Ebene der Artefakte vorherrscht, werden mit der Einfuhrung eines derartigen Konzeptes kaum Potentiale gehoben bzw. wesentliche Veranderungen erzielt werden. Gap nur bei den Artefal o I - CD

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