Macht, Kontrolle und Entscheidungen in Organisationen 3531149512, 9783531149516 [PDF]


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Table of contents :
Cover......Page 1
Macht, Kontrolle und Entscheidungen in Organisationen......Page 4
Hagener Studientexte zur Soziologie......Page 3
ISBN-10 3531149512......Page 5
Inhalt......Page 6
Tabellenverzeichnis......Page 9
Uberblick......Page 10
Teil 1. Stein des Anstosses? - Das Paradigma tayloristisch-fordistisch organisierter Arbeit......Page 19
1. Mikropolitische Ansatze......Page 23
2. Mesopolitische Ansatze......Page 41
3. Makropolitische Ansatze......Page 79
Teil 2. Vorbemerkungen......Page 90
1. Background: Wandel des Arbeitsparadigmas......Page 91
2. Autonomie und KontroUe......Page 100
3. Rationalisierung und (Selbst-)Qualifizierung......Page 111
4. Innovation, Lernen und Wissen......Page 118
5. Arbeitsvermogen und Subjektivierung......Page 129
6. Entgrenzungen und Globalisierung......Page 148
7. Fazit und Schlussfolgerungen......Page 165
Literaturverzeichnis......Page 173
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Macht, Kontrolle und Entscheidungen in Organisationen
 3531149512, 9783531149516 [PDF]

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Zitiervorschau

Thomas Matys Macht, Kontrolle und Entscheidungen in Organisationen

Hagener Studientexte zur Soziologie Herausgeber: Heinz Abels, Werner Fuchs-Heinritz Wieland Jaser, Uwe Schimank

Die Reilne„Hagener Studientexte zur Sozioiogie"wiiieinegr6BereOffentiiclnkeit fur TInemen, TIneorien und Perspektiven der Sozioiogie interessieren. Die Reilne ist dem Ansprucin und der iangen Erfalnrung der Sozioiogie an der FernUniversitat Hagen verpfiictntet. Der Anspructn ist, sowoini in sozioiogisclne Fragesteiiungen einzufulnren ais aucin differenzierte Diskussionen zusammenzufassen. In jedem Fall soil dabei die Breite des Spektrums der soziologischen Diskussion in Deutschlandunddaruberhinaus reprasentiertwerden. Die meisten Studientexte sind uber viele Jahre in der Lehre erprobt. Alle Studientexte sind so konzipiert, dass sie mit einer verstandlichen Sprache und mit einer unaufdringlichen, aber lenkenden Didaktik zum eigenen Studium anregen und fur eine wissenschaftliche Weiterbildung auch auBerhalb einer Hochschule motivieren.

Thomas Matys

Macht, Kontrolle und Entscheidungen in Organisationen Eine Einfuhrung in organisationale Mikro-, Meso- und Makropolitik

III

VSVERLAG FUR SOZIALWISSENSCHAFTEN

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothel< verzeichnet diese Publil

Ebeoe

A.usfillinii'igs;ebene Quelle: Zingel 2004 Nun fallt leicht auf, dass dieses Konzept im Prinzip natiirlich auch in Bezug auf viele weitere hier in diesem Buch genannten Ansatze Bedeutung findet (z. B. Gruppenarbeit oder Lean Production); an dieser Stelle interessiert allerdings Controlling als ein Sammelbegriff, der inner- und intra-organisationale institutionalisierte Herrschaftsausiibung ermoglicht, welches sich konkret durch Praktiken administrativer und okonomischer Machtausiibung zeigt (vgl. Becker ebd., S. 217). Aber auch unter mikropolitischen Blickwinkeln (vgl. Teil 1, Kap. 1) wird Controlling interessant: Die , Controller' konnen beispielsweise den Konsensfindung fordem, indem sie unterschiedlichen Interessen und Handlungspotentiale gleichsam in ,betriebswirtschaftliche Wahrungen' umrechnen, dabei einander annahem und schlieBlich zusammenfiihren. Die Neutralitdtszuschreibung wird durch den Objektivitdtsanspruch begunstigt, der sich gewohnlich mit der Anwendung betriebswirtschaftlicher Verfahren und Kriterien und eines entsprechenden Berichtswesens mit quantifizierten Informationen (Kennzahlen etc.) verbinden lasst. Controlling als ,offizielle' Maklerinstanz tragt auf diese Weise dazu bei, dass die Interessenperspektive der beteiligten Akteure starker

6.3 Governance, Accountability/Accounting und Controlling

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kanalisiert wird und es nicht zu einer ,Ausuferung' informaler Machtquellen kommt, die eine zentrale, hierarchische und an den Organisationszielen ausgerichtete Steuerung von Arbeitsorganisationen unterminieren kann (vgl. Brtiggemeier 1998, S. 53). Controlling kann somit als grundlegender arbeitsorganisatorischer Organisationsmodus begriffen werden, der tiefgreifende Prozesse organisationaler Restmkturierung einschlieBlich der Intemationalisierung in Govemancestrukturen einbettet, die ihrerseits wiederum Dynamiken der Re-Regulierung im Wechselverhaltnis der verschiedenen Politikebenen (kommunal, regional, national, transnational) erzeugen.

Literaturempfehlungen (1) SAUER, D . / DoHL, v . : Arbeit an der Kette. Systemische Rationalisierung untemehmensiibergreifender Produktion. In: Soziale Welt, Jg. 45, H. 2, 1994, S. 197 215 ,Arbeit an der Kette" ist eine prima Bezeichnung, die „systemische Rationalisierung" besser verstehen hilft. Uns interessiert hier vor allem, dass wir erkennen konnen: Wertschopfungsketten sind Machtstrukturen! (2) VoRMBuscH, U.: Accounting. Die Macht der Zahlen im gegenwartigen Kapitalismus. In: Berliner Journal fur Soziologie, H. 1, 2004, S. 33 - 50 Dieser Aufsatz zeigt uns vortrefflich, wie sich gangige organisational Priif-Normen und -Standards zu strukturbildenden Kontrollmodi verdichten.

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7. Fazit und Schlussfolgerungen

7. Fazit und Schlussfolgerungen 7.1 Merkmale neuer Macht-, KontroU- und Entscheidungsmodi An dieser Stelle sollen resiimee-artig die Merkmale neuer Macht-, KontroU- und Entscheidungsmodi in Bezug auf modeme kapitalistische Arbeitsorganisationen zusammengefasst werden und ,Anknupfungspunkte' mit den Grundztigen der in Teil I dargestellten Ansatze erfolgen; denn selbst trotz der so hartnackig verfolgten These ,neuer' Formen der Arbeitsorganisation, bleibt es m. E. unverzichtbar, bestimmte arbeits- und organisationstheoretische Begriffe und Konzepte (s. Teil 1) in das Neue ,hineinzudenken'. Wie in Teil 1 ausgefuhrt, untersuchen Sozialwissenschaftler Selbstverstandlichkeiten - somit es doch professionell nur legitim, selbstverstandliche Zusammenhange explizit zu machen an den Stellen, wo dies dringend erforderlich scheint. Diesem Zweck ist folgende abschlieBende Tabelle gewidmet.

7.1 Merkmale neuer Macht-, Kontroll- und Entscheidungsmodi

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Tab. 5: (Gesamt-)Zusammenfassung Thema des Buches Konzepte und Ansatze neuer Formen der Arbeitsorganisation SchliisselBegriff Autonomie

Teilkonzepte

Macht, Kontrolle und Entscheidungen innerhalb neuer Formen der Arbeitsorganisation

Zentrale arbeits- und organisationstheoretische Grundlagen, Begriffe und Riickbeziige

Herrschaft durch Aotonomie

Mikropolitische Koalitionstheorie sowie mesopolitische Konflikt- bzw. KontroUtheorien bleiben aktuell: Die Beherrschten unterliegen immer noch der Fremdaneignimg ihrer Arbeitsertrage durch die Herrschenden, und Arbeit muss auch im postindustriellen Zeitalter als Reproduktion gesellschaftlicher Herrschaftsverhaltnisse aufgefasst werden. AUerdings wird institutionalisierte Macht (,JHerrschaft", Max Weber) durch kontextbezogenen Selbstzwang und widerspriichliche Arbeitsanforderungen subtiler. Doch gerade der Widerstand und der Eigension der Arbeitenden iasst erst ein immer noch aktuelles Transformationsproblem (Marx) entstehen

Gruppenarbeit

Partizipation als Integrations- und Identifikationsleistung geht mit einer Rationalisierung des individuellen Arbeitshandeln einher; als EfFekte stellen sich so genannte statusneutrale Kooperation und gruppengestutzte Kontrolle ein, wodurch aus spieltheoretischer Sicht vollig neue Machtbeziehungen und Machtquellen erzeugt werden

Shareholder-Value-Orientierung

Emeute Hierarchisierungs-, Kontroll- und Exklusionstendenzen in Verbindung mit absoluter Bindung an das Shareholder-Value-Konzept kennzeichnen eine neues Kurzfrist-Paradigma

Lean Production Rationalisierung

Eine Steuerung des innerorganisatorischen Arbeitseinsatzes und der zwischenbetrieblichen Kooperationsmodi als Ausdruck der verwertungsrelevanten Umsetzung des hiteresses an der erweiterten Beherrschbarkeit sozialer und kultureller Merkmale der Arbeitskraft (also eine neue Variante, das Transformationsproblem zu losen) wird „zum gesellschaftlichen Projekt"; zudem erfolgt eine Erosion der Institution Beruf als identitatsstiftende Statusmarkierung

Flexible Spezialisierung

Hohere Verantwortung und Abstraktionsfahigkeit (als Zugriff auf das ,ganze' Arbeitsvermogen) in der Arbeit durch Integration von Planung und Ausfijhrung werden global institutionalisiert

Dezentralisierung und Vermarktlichung

Vollig neue Experten-, Planungs- und Kontrollfunktionen (, J)ienstieister", ,3^oderator" oder „Intrapreneur") fur die Fiihnmgskrafte sowie die Reintegration von Herstellung und Dienstleistung kennzeichnen formal auch einen Hierarchieabbau; die objektivierte Herrschaflsform des Sachzwangs, des Marktes, der Konkurrenz und der Kapitalrendite wird zunehmend - als eine Art ,formaler Rationalitat' (Weber) - bestimmend; Widerspruche im Umgang mit neuen Kontrollformen lassen labor process debate nicht verblassen.

7. Fazit und Schlussfolgenmgen

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Innovation,

Implizite Innovation



Wie auch immer geartete neuartige Produktionsmodelle und -fonnen sind durch institutionalisierte Organisations-, Kommunikations- und Verhaltensstrukturen definiert

Lemen/ Wissen



Wissensbasierte Organisationen zeichnen sich vor allem durch die fortdauemde Suche nach neuen Handlungs- und Entscheidungsmoglichkeiten aus; die Organisationsmitglieder lemen gleichsam kulturaUstisch, kognitive Muster („Karten") als implizite Deutungs- und Orientierungsrahmen ,zu benutzen'. Lemen in Organisationen bedeutet aber auch stets die Disziplinierbarkeit menschlichen Arbeitsvermogens fur fremde Zwecke. Die Disposition und Regulation von Wissen schafft gesellschaftliche Machtarenen. Die institutionell verankerte Verbindung von Wissen und Macht wird vermittels der Organisationsform hergestellt und verfestigt („struktureller Isomorphismus", DiMaggio/Powell); Organisationen stehen immer auch fur eine Enteignung der LemAVissensprodukte der Subjekte („reelle Subsumtion" Marx); Organisationslemen kann (neoinstitutionalistisch) als veranderte Begriindungsbasis fiir unveranderte Praktiken dargestellt werden

Formatisierung durch Informatisierung



das Arbeitshandeln der Subjekte wird in der Informationsgesellschafl zum Bestandteil eines formalisierten und in seinen Zielen auf die Verwertungsinteressen gerichteten Informationsprozesses: Ein verstarkt Handlungen formender Kontroll- und Steuerungsmodus in Bezug auf die arbeitenden Subjekte wird sichtbar - Arbeit wird reflexiv

Normative Subjektivierung



arbeitsorganisatorische Umbruche lassen mehr Raum fiir eingebrachte Anfordemngen der arbeitenden Subjekte an die Arbeit („subjektiviertes Arbeitshandeln"); die psychisch-qualifikatorische soil vermehrt der sozial-objektifizierbaren Form von Arbeitsorganisation entsprechen: Fiigsamkeit und Loyalitat strukturieren neben Leistungsnormen als eine Art, Compliance' die Motivstrukturen der Arbeitenden; soziale KontroUe wird - analog Foucault - in die Subjekte hineinverlegt und konstituiert ein Machtdispositiv

Arbeitskraftunternehmer



SelbstkontroUe, Selbst-Okonomisierung und Selbst-Rationalisierung werden zu zentralen Regulationsmechanismen in der Arbeit und somit von Arbeit an sich: die (Kapitalistische Arbeits-)Organisationen starken damit ihre Macht als Marktmacht gegenuber den vereinzelt als Anbieter von Arbeitskraft auftretenden Arbeitskrafluntemehmem (im Hinblick auf die Erzeugung eines Foucault'schen Machtdispositivs gilt das oben Gesagte)

Identitat und Anerkennung



InOrganisationenrichtensichmachtvolle Anerkennungskampfe auf die Transformation von Normen, Werten und Anerkennungskriterien; insofem ist Arbeit also immer normativ oder rechtlich reguliert. Daraus resultieren einerseits Belohnungen oder Sicherungen, andererseits aber auch Delegitimierungen oder Negativsanktionen.

Lemen und Wissen

Arbeitsvermo1 gen und Subjektivierung

7.1 Merkmale neuer Macht-, Kontroll- und Entscheidungsmodi

Entgrenzung

Virtuelle Organisationen und Netzwerke



aufgnmd fehlender Eindeutigkeit bei der dauerhaften Zuordnimg von Kompetenz und Verantwortung sind von Mitarbeitem und Managem zunehmend „symbiotische Arrangements" notig, die neue Macht- und Entscheidungskorridore konstituieren

Systemische Rationalisierung



die Einbeziehung der kompletten Wertschopfungskette fiihrt zu einer Veranderung der betrieblichen Macht- und Entscheidungsstrukturen: zentrale Steuerungs- und KontroUpotentiale werden starker, dezentrale Betriebseinheiten werden schwacher, Hierarchien werden gefestigt, Prozesse der Demokratisierung bleiben zurtick, „Machtketten" (im Sinne Luhmanns) werden wahrscheinUcher

Governance, Accounting/Accountability und Controlling



Governance ist eine eigenstandige, „self-organizing" Form der Koordination und Kooperation in interorganisatorischen Netzwerken und kennzeichnet (neoinstitutionalistisch) die globale Etablierung des Regulationsmodus ,Organisation'; Es gibt keia per se gegebenes Steuerungsund Machtzentrum. Macht hat, wer Standards setzt. Dies konnen mehrere Organisationen sein, z. B. Microsoft und Intel im PC-Bereich; machtformige und hierarchische Strukturen verschwinden gerade zu Zeiten einer neoHberalen Globalisierung nicht, sie sind in der vermeintlichen Netzwerkgesellschaft ledigHch komplexer, vielschichtiger und intransparenter, da globaler, komplexe Publika konstituieren Accountability als Belohnungs- und Bestrafimgsmacht gegenilber Organisationen - diese speist sich aus einer okonomischen Ideologic der kalkulativen Praktiken (,Accounting"), die all jene Aktivitaten der Identiflzierung, Sammlung, Ordnung, Aufzeichnung, Auswertung und Kommurdkation von Daten umfassen, die fur die Koordination, Steuerung und KontroUe (okonomischer) Aktivitaten benotigt werden; ,Uberbau' ist ein Controlling, welches eine offizielle Maklerinstanz einnimmt und zu einer Ausuferung informaler Machtquellen fuhren kann, wenn eine hierarchische, an Organisationszielen ausgerichtete Steuerung von Arbeitsorganisationen iiberbetont wird

und Globalisierung

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7. Fazit und Schlussfolgemngen

7.2 Relationalitat und Rekursivitat von Arbeitssubjektivitat Spatestens seit der Durchsetzung modemer Strukturtheorie innerhalb der Soziologie im Allgemeinen, aber auch innerhalb der Arbeits- und Organisationssoziologie (vgL Ortmann/Sydow/Ttirk 1997) - hier sind vor allem Theorien von Foucault, Bourdieu Oder Giddens zu nennen - , steht jedem Sozialwissenschaftler brauchbare, zeitgemaBe soziologische Meta-Theorie zur Verfiigung, die aufzeigt, dass selbst eine ,Bearbeitung der Phanomene Macht, Kontrolle und Entscheidungen in Organisationen ,entlang' Mikro-, Meso- oder Makrotheorien nicht nur den Gegensatz zwischen Objektivismus und Subjektivismus aufzuheben vermag, sondem auch den zwischen Individuum und Gesellschaft (stets im Blick die ,intervenierende Variable' ,Organisation', auch wenn dieser Begriff schon wieder an Kausalmodelle im Sinne von Ursache-Wirkungs- bzw. Grund-Folge-Beziehungen denken lasst; also sagen wir lieber: Emergenzebene Organisation). Diese strukturtheoretischen Uberlegungen helfen zu verstehen, dass die Darstellung neuer Macht-, Kontroll- und Entscheidungsmodi in Arbeitsorganisationen, wie innerhalb dieses Einfiihrungsbuches geschehen, immer logischerweise zweierlei bedeutet: Organisationsstrukturen und Subjektstrukturen wurden in den Blick genommen. Um es ganz deutlich zu sagen: Subjektstrukturen wirken auf die Organisationen zuriick, sind rekursiv, konstituieren damit Organisationsstrukturen bzw. Organisationen immer wieder neu mit und konnen nicht getrennt von diesen gesehen werden. Ahnlich der Sichtweise Foucaults (vgl. Kap. 2.4.1 im 1. Teil) ist der Zusammenhang zwischen Organisation und Subjekt eben als ein Verhaltnis zu charakterisieren: Relationalitat gespeist durch wechselseitige, rekursiv aufeinander Bezogenheit kennzeichnet dieses Verhaltnis und nicht etwa Variablen wie ,Organisation' und ,Subjekt', die irgendwie aufeinander wirken. Diese Sichtweise bestatigt auch Braczyk (1997): „Wenn sich nun bei relevanten Gmppen von Beschaftigten die Voraussetzungen andem, unter denen sie zur Einordnung in betriebliche Machtbeziehungen und Herrschaftsformen bereit sind, dann dlirfte dies den Zuschnitt dieser Beziehungen und Formen selbst betreffen, und damit ware man emeut im Zentrum betrieblicher Organisationsstrukturen angelangt." (Braczyk 1997, S. 550) Lasst sich abschlieBend so etwas wie ein abstrahierter Bedeutungsgehalt von Arbeitssubjektivitat — einschliefilich ihrer Spiegelungen und Brechungen - angesichts (veranderter?) Macht-, Kontroll- und Entscheidungsmodi im Rahmen neuer Formen von Arbeitsorganisation ausmachen? Im Folgenden werde ich mit einigen Uberlegungen, die zur Beantwortung dieser Frage hilfreich sein konnten, dieses Buch abschlieBen: Die Tendenz zur Entgrenzung von bisher die Arbeit vieler Menschen leitenden (zeitlichen, raumlichen, medialen, sachlichen, sinnhaften usw.) so-

7.2 Relationalitat und Rekursivitat von Arbeitssubjektivitat





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zialen Regulierungen und Formen ist als eine systematische De-Strukturierung der Arbeitskontexte zu sehen: die Entgrenzung von Arbeitsverhaltnissen bedeutet sowohl einen (vielleicht begruBten) Abbau von potentiell immer behindemden Beschrankungen, als auch eine (potentiell problematische) Zerstorung von bisher hilfreichen Orientiemngen (vgl. VoB 1998, S. 476). Mit der De-Strukturierung von bisher verbindlichen Regelungen, Standardisierungen und Begrenzungen von Handlungsmoglichkeiten in der Arbeit kann betriebsseitig nicht mitgehalten werden: Es werden „keine neuen Kanale fiir das Handeln der Betroffenen" (ebd.) geschaffen; d. h., selbst wenn sich die Arbeitenden an die veranderten Bedingungen ihres Arbeitens anpassen, die Strukturen, innerhalb derer sie das tun, ,hinken hinterher'. Hinzu kommt, dass die aus solchen (Re-)Strukturierungsleistungen entstehenden Handlungsformen haufig nicht im gleichen Mafie wie bisherige Strukturen in stabile Regelungen eingehen und unproblematisch routinisiert zukiinftiges Arbeiten leiten konnen. Mehr noch: Oft wird nicht nur der Grad der betrieblichen Strukturierung dauerhaft gesenkt, sondem die von Beschaftigten neu geschaffenen Strukturen werden betrieblich tendenziell immer wieder neu entgrenzt (Stichwort: Jernende Organisation') (vgl. ebd., S. 477). Die Leitlinie der Gestaltung von Erwerbsarbeit und somit die gesellschaftliche Organisation derselben wird im Zuge entgrenzter neuer Arbeitsformen qualitativ verdndert: Leitlinie der Gestaltung von Arbeit ist immer weniger die moglichst dichte strukturierende Begrenzung von Handlungsoptionen, um Tatigkeiten auf detailliert disponierte Ablaufe und Ziele auszurichten, sondem immer mehr das Gegenteil: die Vorgabe von eher diffusen Handlungsrahmen mit deutlich reduzierter Strukturierungswirkung, die nun von den Arbeitenden mit eigenverantwortlichen Strukturierungsleistungen zur Erreichung von oft erst zu prazisierenden, aber verscharft beurteilten Ergebnissen genutzt werden miissen (vgl. ebd.). Somit lassen bisher feste Arbeitsstrukturen, die bisher meist als herrschaftliche und autonomes Handeln behindemde Vorgaben gelten konnten, nun zunehmend handlungsermoglichende, entlastende und beschiitzende Konturen erkennen: die wachsende Erwartung an eine autonome Selbststrukturierung der Arbeit wird als heteronome Anforderung mit eigener Belastungsqualitat erkennbar (vgl. ebd.); es spricht einiges fur die Schlussfolgerung von VoB, dass sich ein ,JLeittypus der gesellschaftlichen Verfassung von Arbeitskraft" (ebd., S. 478) - als Struktur der Organisation von Erwerbsarbeit - mit den Merkmalen ,Selbst-Okonomisierung', ,Selbstvermarktlichung' und ,Verbetrieblichung' herausbildet. Dies nennen VoB und Pongratz „Arbeitskraftunternehmer '\

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7. Fazit und Schlussfolgerungen •









Veranderte und weit reichende Anspriiche von Arbeitnehmern an die Autonomie und das Niveau der Arbeit, an die Erftillung von gesellschaftlichen Standards von Umwelt- und Sozialvertraglichkeit mogen bestehende Machtbeziehungen und Herrschaftsformen aufbrechen. Mit den Formen, in denen diese Anspruche befriedigt bzw. abgewehrt werden, werden die Machtbeziehungen und Herrschaftsformen allenfalls umgeformt, aber sie verschwinden nicht. Doch was passiert mit den Machtbeziehungen und Herrschaftsformen, wenn das Abnorme Standard wird? Wird Erwerbsarbeit betriebsformig in (organisierten) Gemeinschaften organisiert, die wesentHch von den Anspriichen vomehmlich jiingerer Beschaftigter getragen werden (vgL Braczyk ebd., S. 550 f.)? Wird sich durch neue Lebensformen eine veranderte sektorale undfunktionale Differenzierung ergeben, die sich auf vomehmhch untemehmensbezogene Dienstleistungen und auf Tatigkeiten, die normalerweise eine hohere Bildung und Ausbildung voraussetzen, stiitzt (vgl. ebd.)? Wenn bisher der Taylorismus den Ordnungsrahmen - bestehend aus einem Ensemble von Pramissen, Regeln und Normativen - fiir die Untemehmen bot, und damit jede und jeder am arbeitspolitischen Diskurs Teilnehmende(r) wusste oder meinte zu wissen, was gemeint war, somit jeder und jedem eine eigene Interpretationsfolie seines intraorganisationalen Handelns gegeben wurde, bleibt zu fragen, wie in ,nach-tayloristischen' Zeiten, in denen organisationales Handeln im Prinzip ergebnisoffen und immer auch anders ausfallen kann, betriebliche Ordnungen aussehen sollen (vgl. ebd.). Die Organisationskuhur-Programme unterliegen einem sptirbaren Reformulierungsdruck: Wenn Beschaftigte zunehmend ihre subjektiven Bediirfhisse und Anspruche als ,normative Subjektivierung' in die Arbeit mit einbringen, und sie dies hochst individuell tun, wird eine stark heterogene Anspruchsstruktur generiert, die einheitliche Programme und Konzepte organisationaler Kultur schwer realisierbar erscheinen lasst. Wird von den Subjekten vermehrt eine rekursive Planung abverlangt, d. h., sollen so viele erwartete und unerwartete Rtickwirkungen des eigenen Handelns beriicksichtigt werden, bleibt zu vermuten, dass diese Anforderung ,quer' zu Kreativitdts-Imperativen, wie beispielsweise dem ,impliziten Innovationsmodus' (vgl. Kap. 4.1) verlauft und Widerspriichlichkeiten produziert werden: In den Untemehmen wird damit vielleicht mehr Vorsichts- und Zuruckhaltungs-Struktur denn Innovation gefordert. Wenn neben den offiziellen und kodifizierten Regeln und Anforderungen auch vor allem ,compliance-bezogene' Arbeitsanforderungen als ,informelle' Anforderungen die Personlichkeitsstruktur pragen, konnte die Annahme berechtigt sein, dass die Formen, innerhalb derer sich die Organisation von Erwerbsarbeit manifestiert, selbst mehr und mehr informellen

7.2 Relationalitat und Rekursivitat von Arbeitssubjektivitat



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Charakter annehmen, z. B. kann sich eine Organisationsstruktur auch als institutionalisiertes und inkorporiertes Wissen (im Sinne Bourdieus) beispielsweise daniber, wie man sich ftigt und beim Vorgesetzten gut ankommt, herausbilden. Was folgt aus der Erosion der Berufskategorie als, so konnte man formulieren, Organisationsform von Erwerbsarbeit ,par excellence'? Muss ein Umdenken in Bildungs- und Ausbildungssystemen stattfinden, um dem Aufweichen funktional-differenzierter, kategorial gesteuerter Berufsklassen entgegenzuwirken, wenn ja, wie sieht dieses Umdenken aus? Das ,Entbettungs-Empfinden' der Subjekte aufgrund mangelnder Identitatsund Inklusionsmoglichkeiten korrespondiert mit einem ,kollektiven Klima\ welches von Exklusion und Unsicherheit gepragt ist. Wenn virtuelle Welten zunehmend die realen Erlebnis- und Erfahrensraume der Subjekte verdrangen und eine ,Gegenwartsschrumpfung' verursachen, konnte es nicht sein, dass reale Probleme, die sich im Erleben der Organisation von Erwerbsarbeit ergeben (z. B. Arbeitslosigkeit) gar nicht mehr als reale wahrgenommen werden und somit Erwerbsarbeits-Strukturen als virtuelle Strukturen manifest werden? Modeme Arbeitsorganisation fordert auch Kurzfristigkeit, Unstetigkeiten und Weekselhaftigkeit - Aspekte, die zu individuellen und inkorporierten Verarbeitungsmustern der Subjekte werden, was dazu ftihren kann, dass derartige Imperative zum gesellschaftlichen Regulationsmodus werden und zugleich Prozess- und Dauerhaftigkeit als normativ ,nicht wiinschenswert', ,ineffizient' und ,unmodem' stigmatisiert werden.

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Literaturverzeichnis

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