Keine Lust auf Frust, keine Zeit für Neid.
 9783547761818, 3547761816 [PDF]

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Zitiervorschau

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Chris Lohner

Keine Lust auf Frust, keine Zeit für Neid

Marion von Schröder

DIESES EBOOK IST NICHT FÜR DEN VERKAUF BESTIMMT

Der Marion von Schröder Verlag ist ein Unternehmen der Econ & List Verlagsgruppe ISBN 3-547-76181-6 © 1999 by Marion von Schröder Verlag GmbH in der Verlagshaus Goethestraße GmbH & Co KG, München Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany. Satz: Franzis print & media, München Druck und Bindearbeiten: Graphischer Großbetrieb, Pößneck wranglergirl

All meinen Freunden gewidmet, die mich sehr gut kennen und mich trotzdem lieben!

INHALT

DAS MUSS ICH SCHON SAGEN.........................................9 MONEY, MONEY, MONEY.................................................15 DAS MUSS DER NEID UNS LASSEN ...............................45 ICH BIN'S, DER GEIZ .........................................................81 ... UND ÜBER ALLEM: DIE GIER! ....................................107 ZUM GLÜCK! ....................................................................135 ZUM SCHLUSS.................................................................155

DAS MUSS ICH SCHON SAGEN

Also, wenn Sie schon einmal einen Bestseller geschrieben haben, dann können Sie sich vorstellen, wie es mir jetzt geht. Aber auch wenn das nicht der Fall ist, so können Sie sich vermutlich meinen Zustand mit Hilfe Ihrer Phantasie ausmalen. Tatsache ist: Ich habe einen Bestseller geschrieben mit dem Titel »Keiner liebt mich so wie ich«. Und das, was Sie jetzt gerade lesen, ist das Vorwort zu meinem zweiten Buch. Mit anderen Worten: Das Vorwort zum ersten Buch nach meinem ersten Bestseller!!! Allein die Tatsache, daß Sie im Augenblick

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gerade diese Zeilen lesen, zeigt mir erfreulicherweise, daß Sie bis jetzt ein gewisses Maß an Interesse haben, auch das ganze Buch zu lesen. Aber wer weiß, vielleicht bleiben Sie der einzige Interessent? Das wäre natürlich ziemlich traurig für mich, nachdem ich doch eine geraume Zeit damit verbracht habe, mich an meinem Erstlingserfolg zu erfreuen und mich an das schöne Gefühl geradezu gewöhnt habe. Das Damoklesschwert der Ungewißheit schwebt also über mir und den folgenden Seiten: Werden Sie's mögen - oder nicht? Werden Sie mein Buch anderen empfehlen, Freunden schenken - oder nicht? Werden womöglich nur Sie dieses Buch lesen, oder finden sich hoffentlich noch hunderttausend andere Leserinnen und Leser? Ich weiß es nicht. Aber ich sage Ihnen jetzt einfach im Vertrauen: Es ist mir nicht egal, das ist klar, aber - fast! Ich habe mich bei meinem ersten Buch auch nicht vor das leere Papier gesetzt, um mit

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meiner - auch für mich - fast unleserlichen Schrift in die Geschichte des Buchhandels einzugehen oder einen Verlag glücklich zu machen. Ich hatte einfach Spaß daran, meine Gedanken zu Papier zu bringen, und war neugierig darauf, was andere, mir wichtige Menschen, dazu sagen. Das war alles. Und genauso geht es mir, Gott sei Dank, auch jetzt. Ich schreibe, weil es mir Spaß macht, mit Worten zu spielen, mich meiner Muttersprache ausgiebig zu bedienen und weil ich gern meine Gedanken ordne. Falls Sie das interessiert, freut es mich. Falls nicht, kann ich mich nicht weiter um Sie kümmern. Will es auch nicht. Schließlich ist das Ihre Angelegenheit, und ich werde Sie vermutlich ja auch nie kennenlernen. Bis jetzt ist noch nie jemand an mich herangetreten und hat mir festen Blickes und mit fester Stimme mitgeteilt, daß ihn mein »Geschreibsel« nicht interessiert. Und damit gibt es jetzt im Moment, während Sie das lesen, Sie als Interessierten - und die

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anderen. Mal sehen, wie die Geschichte ausgeht. Auf jeden Fall ist es spannend. Wünschen Sie mir Glück, ich tu's auch -und außerdem wünsche ich Ihnen noch viel Vergnügen beim Lesen! Denn soviel sei hier bereits verraten: Auch Ihnen wird die eine oder andere Zeile vertraut vorkommen, der eine oder andere Satz könnte auch Ihnen ein Schmunzeln entlocken. Und genau das will ich. Daran hat sich seit meinem ersten Buch nichts geändert: Humor muß sein. Also in diesem Sinne:

Übrigens habe ich auch für dieses Buch eine besonders große Schrift gewählt, damit Sie immer und überall mein Buch ohne Brille lesen können. Und mir selbst habe ich damit auch einen 12

Gefallen getan: Ich konnte es ohne Brille schreiben.

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Du laß dir nicht zu weh sein nach dem Gelde, Doch auch zu unwert halt' es nicht. WALTHER VON DER VOGELWEIDE

MONEY, MONEY, MONEY...

Eigentlich drückt der Spruch, den ich vor dieses Kapitel gesetzt habe, alles aus, was ich zum Thema Geld in Kürze zu sagen hätte. Weil ich aber länger als nur in Kürze über den Mammon reden möchte, werden die folgenden Seiten nicht leer und weiß bleiben. Im Gegenteil! Ich will Ihnen auch gleich sagen, warum ich das Geld an den Anfang dieses Buches stelle: Weil mit dem persönlichen Besitz, dem Eigentum, alles beginnt: die Gier, der Geiz, der Neid und vieles mehr. Ich habe keine Lust -und es würde auch den Rahmen dieses Buches sprengen - die Vielzahl der irdischen 15

Güter aufzuzählen, die man an sich raffen kann. Und es wäre auch ziemlich sinnlos. Das Mittel dazu ist ja sowieso immer Geld. Es ist für mich sehr interessant zu beobachten, daß in unseren Breiten - und damit meine ich Europa im allgemeinen und Österreich im speziellen - Geld etwas Anrüchiges hat. Trotz des alten Spruches: Non olet! Es stinkt nicht. Offenbar doch. Trotzdem will es jeder haben, und wenn's geht, auch noch recht viel davon. Dieser Wunsch wird auch oft lautstark kundgetan, nur über die höchst befriedigende Erfüllung, so sie stattfindet, wird peinlich geschwiegen. Als wäre es eine Schande. Ein Makel. Kaum jemand, den ich kenne, gibt wahrheitsgetreu wieder, was er so verdient, vor allem wenn es ein recht angenehmer Betrag ist. Im Gegenteil: »Man kommt gerade noch so über die Runden. Man nagt zwar nicht am Hungertuch, aber fast!« Dieses Phänomen fasziniert mich. Vor allem deshalb, weil ich als Teenager ein Jahr in den USA verbracht habe - auch heute noch immer wieder hinfahre - und dort im allgemeinen das 16

Gegenteil passiert. Die Amerikaner sind stolz darauf, für ihre Arbeit gut bezahlt zu werden, und sie sagen das auch. Sie freuen sich darüber, daß sie ihrem Arbeit- oder Auftraggeber diese oder jene Summe wert sind. Es gibt ihnen offenbar das Gefühl, gut zu sein in dem, was sie tun, ein wichtiges Mitglied der Gesellschaft zu sein, gebraucht zu werden. Darauf sind sie stolz. Mit Recht! Es stärkt das Selbstbewußtsein und macht Freude. Eine Freude, die man in den USA offenbar lieber mit anderen teilt als bei uns. Die Bezahlung einer Leistung - in welcher Höhe auch immer - ist der offenkundige Beweis der Qualität - welcher auch immer. Das können Sie auslegen, wie Sie wollen. Dazu fällt mir die Feststellung des englischen Sozialreformers John Ruskin ein - übrigens ein Spruch, der bei meinem Zahnarzt an der Wand hängt. Er sagt: »Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgend jemand ein wenig schlechter machen kann und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute 17

solcher Machenschaften. Es ist unklug, zuviel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zuwenig zu bezahlen. Wenn Sie zuviel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zuwenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie das Risiko eingehen, etwas hinzuzurechnen. Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um etwas Besseres zu bezahlen.« So sprach John Ruskin im 19. Jahrhundert, und ich habe diese Worte im Übergang zum 21. Jahrhundert stets vor Augen, wenn mein Zahnarzt meine sehr kostbaren Zähne behandelt und pflegt. Ich wollte Ihnen das einfach nicht vorenthalten, weil mich diese Kombination von Ort, Handlung und der eben zitierten Aussage stets von neuem amüsiert. Was den persönlichen Einsatz betrifft, so bin ich der Meinung, daß niemand für seine

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Leistung auch nur einen Penny mehr bekommt, als er dem anderen wert ist. Eher umgekehrt. Sie werden gleich sehen, was ich meine. Wenn zum Beispiel ein Fußballer, ein Tennisspieler, ein Modell oder ein Filmstar Millionen scheffelt, so mag das zwar für uns Normalverbraucher unverständlich sein, aber - und das dürfen Sie mir glauben - es ist keine wohltätige Aktion großzügiger Geldgeber und Mäzene. Dahinter steht beinhartes Busineß und Kalkül. Die Herrschaften wissen, was sie tun und wen sie warum für wieviel »einkaufen«. Ich habe in jungen Jahren in ganz Europa erfolgreich als Fotomodell gearbeitet und dabei folgendes erfahren: Es waren nicht nur meine blauen Augen oder mein »umwerfender Charme«, der die Modeleute veranlaßt hat, mich zu buchen und mir ansehnliche Tagesgagen zu zahlen. Auch war man im allgemeinen nicht darauf aus, mit mir essen zu gehen oder mich zu sonst einer Vergnügung einzuladen. Ob Sie's glauben oder nicht: Man war lediglich daran interessiert, ob ich der richtige 19

Typ für ein bestimmtes Kleidungsstück bin und damit den guten Absatz desselben sichere. Ich weiß sogar von Tests bei Versandhauskatalogen, daß bestimmte Models nicht mehr engagiert wurden, wenn die Klamotten, in denen sie abgebildet waren, nicht den erwünschten Umsatz brachten. Und - das werden Sie sicher zugeben - es ist schlicht und einfach beinhartes Geschäft. Mag es nach außen auch noch so luftig, locker, leicht und glamourös wirken. Soll's ja auch, aber ist es nicht. Das war nur ein winziges Beispiel. Ich bin sicher, es werden mir noch einige dieser Art einfallen. Also, warum nicht stolz darauf sein, daß anderen Menschen Ihre persönliche Leistung etwas wert ist? Na eben! Ich freue mich darüber, wenn die Kasse stimmt, und ich habe auch kein Problem, mit meinen Freunden darüber zu reden. Ich habe keine Lust, eingefallene Wangen zu mimen, um der Umwelt glaubhaft zu machen, daß ich es »grad noch so irgendwie schaffe«. Wenn es mir gutgeht, dann sage ich das auch. Und wenn es Ihnen gutgeht, dann freuen Sie 20

sich darüber nicht nur im stillen Kämmerlein. Wer seinen Neid an Ihnen üben will, der tut es sowieso. Und die anderen freuen sich mit Ihnen, sonst wären sie vermutlich nicht Ihre Freunde. Das tut einfach gut! Und ein gutes Gefühl das wissen Sie - kann man nicht kaufen. Ich will Sie natürlich jetzt nicht dazu anstiften oder überreden, Ihren Gehalts- oder Lohnzettel, Ihre Gage oder Ihre Honorare auf T-Shirts drucken zu lassen, damit jeder sieht, wie's um Ihre Brieftasche steht. Das muß nicht sein. Allerdings bleibt das natürlich auch Ihnen überlassen. Sie werden als vernünftiger und einfühlsamer Mensch (der Sie hoffentlich sind) schon selbst einschätzen können, wie Sie maßvoll mit Mitteilungen über Ihre finanzielle Situation umgehen. Warum mir das so wichtig ist? Warum ich finde, daß man sich lieber offen freuen sollte, wenn es einem finanziell gutgeht, als lautstark zu jammern? Ich will es Ihnen sagen: Ich halte es für ziemlich unfair, sich »nahe am Bettelstab« zu präsentieren, wenn dem nicht 21

so ist. Ich finde es unfair gegenüber jenen Menschen in unserer Gesellschaft, die mit dem Existenzminimum oder mit noch weniger auskommen müssen, aus welchen Gründen auch immer. Denn gerade der Stolz dieser Menschen läßt es oft nicht zu, uns, die wir mehr haben, wissen zu lassen, wie schlecht es ihnen tatsächlich geht. Und das ist die andere Seite der Medaille. Hier setzt offenbar ein paradoxer Mechanismus ein, der von uns »anderen« oft genug unter »falscher Stolz« abgetan wird. Als Gegenstück existieren Angeberei, Prahlerei und Protzerei. Und diese wenig interessanten Eigenschaften hinterlassen einen schalen Geschmack bei allen Beteiligten, Betroffenen und letzten Endes auch manchmal beim Urheber selbst. Mehr darüber später. Eventuell in der Abteilung »Neid«. Mal sehen. Und so ist auch in Sachen Geld, wie in vielen Lebensbereichen, das Maßvolle angesagt. Das habe ich ja schon erwähnt. Es schadet aber in diesem Fall sicher nicht, sich zu wie22

derholen. Wenn Sie also in der glücklichen Lage sind, Ihre finanziellen Sorgen auf ein angenehmes Maß reduzieren zu können, oder wenn Sie womöglich gar keine haben, dann könnte ich mir vorstellen, daß Sie vielleicht gelegentlich auch an andere Menschen denken, denen es nicht so gut geht wie Ihnen. Zumindest würde ich mir das wünschen, obwohl ich die rosarote Brille zur Zeit nicht trage. Ich zähle mich selbst zur sogenannten Mittelschicht, bin also weder reich noch arm. Aber es geht mir gut, weil ich ja überhaupt selbst bestimme, wie es mir geht, und das gilt auch für meine Brieftasche. Wie es da drinnen aussieht, bestimme letzten Endes auch ich, zumal ich allein lebe und mich allein erhalte. Und ich denke mir schon, daß es in Zeiten wie diesen angebracht ist - für mich eine moralische Verpflichtung -, auch an andere, schlechter gestellte Menschen zu denken. Dazu fällt mir viel ein, das kann ich Ihnen sagen, und das werde ich Ihnen auch sagen, damit es Sie vielleicht inspiriert, es mir 23

gleichzutun. Aber wie immer liegt es an Ihnen, was Sie dann wirklich tun. Falls es mir gelingt, Sie mit meiner Geisteshaltung anzustecken, dann könnte ich mich unter Umständen sogar darüber freuen, denn es wäre ja immerhin möglich, daß Sie mir das mitteilen. Nicht nur in Zeiten wie diesen, sondern immer schon gab es Menschen, denen es finanziell schlechter ging als anderen. Heutzutage scheint das aber ganz besonders stark der Fall zu sein. Sie und ich, wir können das im allgemeinen nicht ändern, aber wir können im Einzelfall helfend eingreifen - auch mit unseren bescheidenen Mitteln. Es müssen nicht immer zahllose Überweisungen »für einen guten Zweck« ausgefüllt werden, um das eigene Gewissen zu beruhigen: »Ich habe meinen Beitrag geleistet!« Vielleicht stimmen Sie mir zu, nachdem Sie weitergelesen haben: Man kann viel unmittelbarer, ja viel aktiver helfen, als nur Zahlscheine zur Post zu tragen. Ein Beispiel: Ich veranstalte seit Jahren eine sogenannte

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Weihnachtsparty für meine Freunde. Immer am letzten Samstag vor Weihnachten. Von dreißig Leuten, die ich einlade, kommen meistens fünfundzwanzig, und mein Wohnzimmer gleicht einer mittleren Sessel- und Sitzbankausstellung aus verschiedenen Epochen. Thonetsessel müssen sich mit einem Metallstuhl vertragen, den ein Freund für mich entworfen hat. Elegante Biedermeierstühle stehen in trauter Eintracht neben einem ordinären Rattansofa aus einem lustigen Einrichtungshaus. Eine beträchtliche Anzahl von Beistelltischen in verschiedenen Holztönen gibt dem Ganzen das Flair eines Trödelladens. Dieses auch für mich recht ungewohnte Bild verwandelt sich aber rasch in ein höchst gemütliches Getümmel und Gedränge, wenn dann alle meine Gäste da sind. Und alle wissen auch, warum sie da sind. Natürlich um zu feiern und einen schönen Abend zu verbringen, aber nicht nur das! Denn anstatt einander zu beschenken, Geschenke auszutauschen, Geschenke zu erhalten, die man womöglich nicht braucht, eventuell sogar weiterschenkt - wobei zu beachten ist, daß diese nicht wieder beim »Ursprung« landen -, 25

wird gespendet. Und zwar Geld. Jeder meiner Freunde darf - muß - anonym in einem Kuvert einen bestimmten Betrag abgeben, was er eben spenden kann, was seine Situation erlaubt. Ist für den einen ein vierstelliger Betrag bereits ein großes Opfer, so kann das ein anderer leicht entbehren. Deshalb kommt der Betrag auch in verschlossenen Kuverts und anonym. Denn es macht jeder mit, so gut er eben kann. Niemand muß sich einer Art Konkurrenzkampf unterziehen oder gar Rechenschaft abgeben. So weit, so gut. Und jetzt wollen Sie natürlich wissen, was mit dem Geld geschieht. Sie können in Ihrem Fall selbst entscheiden: wem Sie wo und wie helfen wollen. Meine Freunde und ich sammeln seit Jahren für ein kleines Therapiezentrum, das mit »Reitunterricht« spastischen Kindern hilft. Davor ging unsere Spende an eine alte Dame, die nicht genug Geld hatte, um ihre Wohnung ausreichend zu beheizen. Ein anderes Mal ging es um die Beschaffung eines Rollstuhls

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usw. Ich könnte Ihnen viele Beispiele nennen, viele Bedürfnisse aufzeigen, aber ich tue es nicht. Finden Sie einfach selbst heraus, wo Sie helfen können. In jeder Gemeinde gibt es ein Sozialamt oder eine ähnliche Einrichtung, wo Sie erfahren, wer Ihre Hilfe brauchen kann. Die unmittelbare Hilfe, die Sie leisten, ist die schnellste und beste Hilfe, die es gibt. Und Sie können sich vielleicht sogar an der Freude des anderen selbst erfreuen. Probieren Sie's doch einfach einmal aus! Es ist keine Hexerei, und der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall. Was ich zur Weihnachtsparty beitrage? Ich sorge für das leibliche Wohl meiner Gäste, bereite selbst das Büffet zur Selbstbedienung vor, und außerdem sorge ich auch noch für gute Laune. Weihnachten ist schließlich das Fest der Liebe. Wie kann man das besser feiern, als anderen eine Freude zu machen, die es wirklich von Herzen nötig haben? Wir singen gemeinsam Weihnachtslieder und manchmal lese ich auch noch eine heitere Weihnachtsgeschichte vor - schließlich heißt 27

es ja: Fröhliche Weihnachten! Insgesamt ist zu sagen, daß diese Weihnachtsparties immer sehr gelungen - weil auch streßfrei - sind. Denn anstatt sich den Kopf zu zerbrechen, was man wem schenken könnte, hilft man mit seinem Obolus anderen ein klein wenig weiter. Ich halte es für einen sehr sympathischen und sinnvollen Einsatz des wohlverdienten eigenen Geldes. Im Laufe meines Lebens habe ich im Umgang mit Geld eine interessante Erfahrung gemacht: Geld und ich haben etwas gemeinsam. Das klingt vermutlich für Sie im Moment etwas eigenartig, aber Sie werden gleich sehen, was ich meine. Ich reise für mein Leben gern, bin an fremden Ländern, ihren Bewohnern, Bräuchen und Gewohnheiten sehr interessiert. Schließlich lebe ich nicht allein auf dieser Welt. Ich möchte in meinem Leben so viele Mitbewohner wie nur möglich kennenlernen. Das bereichert mein Leben, macht mich offen und frei im Umgang mit anderen Menschen. Allerdings - und das geht Ihnen vielleicht 28

auch so - komme ich immer wieder gern nach Hause. In meinem Fall vielleicht auch deshalb, weil ich aus beruflichen Gründen doch ziemlich lange durch die Weltgeschichte zigeunert bin. Was das mit Geld zu tun hat? Ich weiß es aus vielen Beobachtungen: Auch Geld will reisen. Es will in die weite Welt hinaus, viele Länder besuchen, verweilen, weiterziehen, um dann auch - so wie ich gern wieder nach Hause zu kommen. Dann geht es ihm »gut«. Mit anderen Worten: Wer auf seinem Geld sitzen bleibt, sprich: geizig ist, der wird vermutlich keine andauernde und besonders große Freude an seinem Besitz haben. Er wird Geld nicht wirklich genießen können. Wie denn auch? Mit der Angst im Nacken, man könnte es ihm wegnehmen? Wer aber sein Geld in die Welt hinausschickt, sprich: unter die Leute bringt, zu dem wird es gern zurückkehren. Wobei ich die Reise des Geldes in bester und gewissermaßen sinnvoller Weise von Ihnen verstanden wissen 29

möchte, sofern ich mir von Ihnen etwas wünschen darf. Wie ich zu diesem Schluß komme? Wie schon gesagt: durch Beobachtung, auch meiner eigenen Person, durch meinen persönlichen Umgang mit Geld. Wie oft war ich in meinem Leben schon in einer Situation, in der ich mir sagen mußte: »Wie soll ich das bloß schaffen? Das kann sich doch mit meinen Finanzen nicht mehr ausgehen.« Wissen Sie was? Ich habe es gewagt, alles auf eine Karte zu setzen. Nennen Sie es Leichtsinn. Ich sage dazu Selbstvertrauen, Neugierde, auch Risikofreude, obwohl ich natürlich zugeben muß, daß man sich mit einem Job im Hintergrund oder der Aussicht auf ein Engagement den Luxus, »alles auf eine Karte zu setzen«, leichter leisten kann. Aber - und das muß ich unbedingt erwähnen, damit kein »Neid« aufkommt - all meine Erfahrungen diesbezüglich habe ich als Freischaffende gemacht und nicht als Gehaltsempfängerin. Das muß ich fairerweise mir 30

gegenüber schriftlich festhalten. Alle, die diesen Zustand kennen, wissen das: Kein Job war mir zugesichert, weder mit Brief und Siegel und schon gar nicht für immer. Was meine Risikofreude betrifft, so ist sie eine sehr persönliche Angelegenheit und vielleicht auch nur dann in gewisser Weise weiterzuempfehlen, wenn man - erstens keinen Anhang, sprich: Familie, Kinder oder andere Verpflichtungen hat, und - zweitens bereit ist, auch eine Niederlage einzustecken, die wiederum - und das halte ich für wichtig ein Ansporn sein kann. Aber auch Erfolg ist mitunter Anlaß, zu neuen Ufern aufzubrechen. Und genau das tat ich. Ich war mit 21 Jahren ein ziemlich erfolgreiches Fotomodell in Österreich. Und das zu einer Zeit, als dieser Beruf in meiner Heimat in den Augen der braven Bürger etwas absolut Anrüchiges hatte. Ich war auf fast allen Plakatwänden präsent, und in jeder Zeitschrift war irgendwo ein Foto von mir zu sehen. Mal warb ich für Eiscreme, ein anderes Mal strahlte ich als junge Braut - mit geliehenem

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Bräutigam - in einem Haute-Couture-Modell auf einer Doppelseite oder ritt auf Hochglanzpapier für eine renommierte Wäschefirma im wallenden Nachthemd auf einem Schimmel durch die Pußta. Mit anderen Worten: Österreich wurde mir zu klein, und ich beschloß, alles auf eine Karte zu setzen und mein Glück im Ausland zu versuchen. Als Ausland wählte ich die Schweiz. Dazu muß man wissen, daß damals viele Modehefte in Zürich, Hamburg und Paris entstanden und Wien mehr oder weniger von der ganzen Modeszene fast abgeschnitten war. Ich fuhr mit meinem ersten neuen und winzigen Auto nach Zürich. Mit meinen Fotos und tausend Franken in der Tasche und dem Vorsatz, falls das Geld verbraucht ist, bevor ich einen Job habe, nach Wien zurückzukehren. Allerdings war das für mich damals eine ziemlich peinliche Vorstellung, der ich nicht viel Positives abgewinnen konnte. Ich fand ein kleines Zimmer bei einer alten Dame - Bett, Tisch, Sessel und Schrank - und machte mich auf den Weg zu einer international anerkannten Modellagentur, von der ich 32

hoffte, man würde mich dort mit offenen Armen aufnehmen. War ich doch in Österreich so etwas wie ein »Star« - dachte ich. Was soll ich lange über meine Niederlage reflektieren! Man fand meine Fotos provinziell und mich zu »klein« für den internationalen Markt. Aber man fand mich ganz nett und wollte es zumindest mit mir versuchen. Und während ich so dastand wie ein begossener Pudel, mit der Körpersprache eindeutig auf eine beginnende Depression hinweisend, mich häßlich, klein und mickrig findend, da läutete das Telefon. Ein Fotograf in schierer Verzweiflung bat nun schon »meine« Agentin um dringenden Ersatz für ein weibliches Modell, das zusammen mit einem französischen Kollegen als Pärchen für eine großangelegte Zigarettenkampagne fotografiert werden sollte. Allerdings war das Mädchen mehr als einen Kopf größer als der Mann, und sämtliche geplante Szenen, wie zum Beispiel »Mann trägt Frau über einen Bach« wären optisch unerträglich gewesen. Hieß es. 33

Jetzt wissen Sie vermutlich schon, was geschah. Richtig! Meine Agentin schickte mich sofort in Richtung Studio, nicht ohne dem Fotografen noch ausdrücklich zu versichern, daß ich neu sei und womöglich auch nicht besonders gut, aber er solle selbst entscheiden. Sie können sich vorstellen, in welchem Zustand mein Selbstbewußtsein war. Aber ich ließ mich nicht unterkriegen, atmete kräftig durch und stellte mein internes Programm auf: Ich bin einmalig und die Größte! Und ich bekam den Job. Ich war wochenlang ausgebucht, verdiente mehr, als ich mir je vorgestellt hatte, und wurde eines der Lieblingsmodelle meiner Agentin und später auch ihre enge Freundin und Vertraute. Ich hatte alles auf eine Karte gesetzt und fürs erste gewonnen. Ich betone: fürs erste, denn wie Sie soeben gesehen haben, kann auch für ein Fotomodell jederzeit ein Termin platzen, man kann krank werden, dem Fotografen oder dem Modeschöpfer zu dick sein, Flüge verpassen oder im Paris des Jahres 1968 plötzlich keine Arbeit mehr haben, weil niemand Arbeit hat. 34

Trotzdem hat sich das Geld bei mir immer wieder eingestellt, weil ich es nicht krampfhaft festhalten wollte, es auch immer gern geteilt und unter die Leute gebracht habe. Das tue ich noch immer. Und deshalb kommt es gern zurück, auch wenn ich es gerade bis auf den letzten Heller auf Reisen geschickt habe. Ich glaube fest an diese Art von Mechanismus. Meine Freunde hören auch immer wieder nach einer spektakulären, aber für mich lebensnotwendigen Ausgabe den Satz: »Dann fange ich halt wieder von vorne an!« Und ich versichere Ihnen: Ich meine und tue das auch. Nun werden Sie vielleicht sagen: »Die hat gut reden. Steht in der Öffentlichkeit, ist prominent und wird schon genug verdienen.« Ganz unter uns: Bekannt ist nicht gleich reich. Ich meine, daß die wahren Reichen in unserem Land eher nicht bekannt sind. Aber das ist eine andere Geschichte. Der Volksmund hat längst den Spruch parat: Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu. Na, Tauben vielleicht, aber Millionen schon eher nicht. Wobei ich ehrlicherweise sagen muß 35

vielleicht halten Sie mich deshalb für beschränkt oder arrogant, aber das macht nichts - daß ich Millionen gar nicht brauche. Ich persönlich komme am liebsten mit dem aus, was ich im Moment habe, sprich: verdiene. Das kann mal mehr und mal weniger sein. Ich strecke mich nach der Decke. Und das hat nichts mit Frust oder Resignation zu tun. Ich halte das für ein sehr gutes Rezept, weil es mir auf diese Weise eine gute Lebensqualität beschert. Für mich - und vielleicht eines Tages auch für Sie oder ohnehin schon längst - ist es wichtig, mit dem auszukommen, was ich habe. Bietet sich in meinem Fall einmal ein lukratives »Nebengeschäft« wie Werbung oder eine Firmenveranstaltung an, so freue ich mich über die Extras, die mir das beschert und die ich mir dann vielleicht leisten möchte oder könnte. Ansonsten empfinde ich meine »Decke« als ganz gutes Maß. Würde ich das nicht so sehen, hätte ich vielleicht ein Problem. Stellen Sie sich vor, daß Ihre Bettdecke für Sie zu kurz ist. Vermutlich werden Ihre Füße darunter keinen Platz mehr finden, und Sie 36

werden frieren. Wie ungemütlich! Stimmt doch, oder? Also, ungemütlich möchte ich es nicht haben. Ich will mein Leben genießen, mich an jeder Sekunde erfreuen, auch traurig sein dürfen, wenn es sein muß, und glücklich, wenn ich es sein kann, sooft wie nur möglich. Aber das hat wahrlich nur entfernt mit Geld zu tun. Der Zufall, an den ich nicht glaube, wollte es, daß mich eine Journalistin anrief, während ich diese Zeilen schreibe, um in Sachen Geld eine Umfrage für ihre Zeitung durchzuführen. »Ob denn Geld glücklich mache«, war der Tenor ihrer Meinungsforschung unter bekannten Österreichern. Ich weiß nicht, was die anderen »Opfer« dazu zu sagen hatten, aber ich sage Ihnen gerne, was ich davon halte, falls es Sie interessiert. Wenn nicht, können Sie ja einfach umblättern oder diesen Absatz überspringen. Ich glaube fest daran, ja, ich für mich weiß es, daß Geld nicht glücklich macht. Zu viele steinreiche Menschen auf dieser Welt haben mit ihren Lebensgeschichten und ihrem Lebensstil oft genug das Gegenteil bewiesen.

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Ja, es stimmt schon: Geld ist beruhigend, erfüllt die Wünsche, die mit Geld zu erfüllen sind, macht mitunter unabhängig. Aber seien Sie einmal ehrlich: Wie viele Wünsche in Ihrem Leben gibt und gab es, deren Erfüllung in keiner Weise mit Geld in Zusammenhang gebracht werden können. The best things in life are free! Die schönsten Dinge im Leben sind gratis! Das kann ich aus tiefster Überzeugung und mit Nachdruck, wenn Sie das wollen, bestätigen. Wie gesagt: Geld beruhigt, gibt eine gewisse Sicherheit und läßt uns vielleicht ruhiger schlafen, weil der Schuldenberg oder was auch immer durch den Besitz des Wohlverdienten überschaubarer ist. Aber: Ist das Glück? Macht Sie das allein schon glücklich? Also, mich nicht, und ich hoffe, auch Sie nicht. Allerdings, und das muß ich in diesem Kapitel auch erwähnen, besitzt Geld neben seiner Kaufkraft und der Möglichkeit, Wünsche zu befriedigen, neben seiner Reiselust auch durchaus noch andere Facetten. Wobei ich ohnehin glaube, daß Geld die Eigenschaften

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annimmt, die wir ihm zuteilen. Und die müssen nicht immer angenehm und ehrenhaft sein. Was die angenehmen Seiten betrifft, so kann Geld beziehungsweise der Mangel daran durchaus die Phantasie anregen, sofern man sie pflegt, denn vorhanden ist sie in jedem Fall. Wer nämlich nicht imstande ist, sich jeden materiellen Wunsch sofort zu erfüllen - und ich behaupte, die Mehrheit der Menschheit befindet sich in diesem Zustand -, der muß sich etwas einfallen lassen, improvisieren, um das Fehlende oder Gewünschte in irgendeiner Form zu erreichen. Das haben Sie sicherlich schon am eigenen Leib erfahren. Und? Waren Sie nicht stolz auf Ihren Erfindungsgeist? Na eben! Also hat auch das Nichtvorhandensein des Mammons eine positive Seite. Ich könnte stundenlang von Beispielen berichten, die das bestätigen. So sind die Ärmsten der Armen wahre Weltmeister des Erfindens, des Improvisierens. Die Menschen in Äthiopien stellen zum Bei-

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spiel aus alten Autoreifen Sandalen her, Kinder in Zentralafrika machen aus Drahtstückchen und den verschiedensten Materialien, die andere weggeworfen haben, Spielsachen, die wir in der westlichen Welt bewundern. Es würde den Rahmen dieses Buches sprengen und vor allem der Thematik nicht gerecht werden, wenn ich mich in noch mehr Beispielen dieser Art verlieren würde. Vielleicht finde ich ein anderes Mal Gelegenheit, Ihnen von diesen mich berührenden und auch genialen Dingen zu berichten. Eine weitere angenehme Facette des Geldes betrifft die Vorfreude. Das Sparen auf etwas, was man sich wünscht. Der Weg, also die Zeitspanne bis zur Erfüllung des Wunsches, bis zum Besitz des ersehnten Gegenstandes, der Reise oder was auch immer, dieser Weg, diese Zeitspanne ist im besten Fall eine genußvolle Strecke, falls Sie das so sehen und empfinden können. Ich kann das, und es macht mir Spaß. Und wenn Sie das wirklich wollen, können Sie es auch.

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Das sofortige Erstehen, sprich: hier der Wunsch, da der Erwerb, beschert mir im allgemeinen eine eher kurze Befriedigung. Aber das kennen Sie ja sicherlich auch. Sie wissen schon, wovon ich rede. Ich erwähne es nur deshalb, weil man diese Dinge gern vergißt und oft lieber jammert, wenn man etwas nicht gleich haben kann. Drehen Sie den Spieß einfach um und sagen Sie sich: Ich kann mich einfach länger auf etwas freuen, was ein anderer schon längst hat. Damit bin ich schon fast beim Neid angelangt, bei den Dingen, die andere haben, um die wir sie beneiden. Und bei den Dingen, die wir besitzen und die uns zum Neidobjekt werden lassen. Was die Schattenseiten des Geldes betrifft, sie allein würden ein Buch füllen. Vermutlich gibt es auch jede Menge Literatur darüber. Ich habe aber keine Lust, mich in jene dunklen Abgründe zu begeben, wo Korruption, Betrug und Verbrechen als Resultat der Geldgier zu finden sind. Ich halte es für weitaus interessanter nach41

zuschauen, wie man trotz Neid, Geiz und Gier ein angenehmes Leben führen kann. Folgen Sie mir und meinen Gedanken einfach auf die nächsten Seiten. FAZIT: Geld macht nie und nimmer glücklich. Auch Sie nicht. Geld ist beruhigend, erfüllt die Wünsche, die mit Geld zu erfüllen sind, macht mitunter unabhängig. Die schönsten Dinge im Leben sind gratis. Und: Walther von der Vogelweide hatte recht.

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Die Neider sterben wohl, doch niemals stirbt der Neid. MOLIÈRE, TARTUFFE

DAS MUSS DER NEID UNS LASSEN

Er ist, wie er ist. Unsterblich und international. Und aus unerfindlichen Gründen mit der Farbe Grün behaftet. Mit einem offenbar sehr negativen Grün, denn die positive Schattierung dieser Farbe gehört meines Wissens der Hoffnung. Aber das ist nicht das Thema. Das Thema ist der Neid. Und damit vor-erst zu jenem österreichischer Prägung. Denn ihn gibt es. Der allgemeine internationale Neid mit seinen tausend Facetten bekommt in meiner Heimat noch eine rot-weiß-rote Schärpe ums unzufriedene Bäuchlein gewickelt. Und es wird peinlichst darauf geachtet, daß dieses 45

schmückende Beiwerk auch nicht verrutscht. Sonst macht die Sache keinen Spaß. Und Spaß muß auch der Neid uns lassen! Finden Sie nicht? Wir in Österreich - und da vor allem in Wien - finden das schon. Bei uns kommt selbst beim Neid der sogenannte Schmäh nicht zu kurz. Im allgemeinen ist Neid ja eine durchaus ernstzunehmende Angelegenheit, weil er mit unserem Alltag zu tun hat. Und das bedeutet ja täglich. Er tritt in den verschiedensten Verkleidungen in Erscheinung, ist nicht immer als solcher sofort zu erkennen und macht einem, wenn man zu seinem Objekt wird, das Leben schwer. Die Gründe für sein Erscheinen sind vielfältig, und ich will mich damit auch gern näher beschäftigen. Zunächst aber möchte ich versuchen, den Neid als solchen in seiner österreichischen Ausgabe zu definieren. Neid bedeutet im allgemeinen, daß man einem anderen nicht gönnt, was dieser hat,

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wie er ist, was er darstellt, was er kann, was er geleistet hat usw. Weil man es besser kann, weil man es mehr verdient als der andere oder warum eigentlich? Weil man - und das ist die österreichische Variante - sehr wohl dem anderen was auch immer nicht gönnt, es zwar nicht haben möchte, weil man damit ja nichts anfangen kann, aber der andere soll es auch nicht haben. Mögliche Aktionen des Neiders derartiger Prägung: Verhindern oder Ruinieren als Selbstzweck. Kurze Schadenfreude, weiter zum nächsten Opfer. So was kann eine Lebensaufgabe sein. Zum Glück nicht meine. Wie ich dazu komme, derartiges zu behaupten? Ich habe in vielen Ländern Europas gelebt, auch in den USA, wie Sie ja bereits wissen, und natürlich ist mir der Neid auf der ganzen Welt in irgendeiner Form begegnet oder aufgefallen. Doch Neid als Selbstzweck, der zu nichts nutze ist, ist nach meinen Erfahrungen eine Spezialität meiner Heimat. Er ist der Gipfel einer kleinkarierten Rachsucht unzufriedener Menschen, die an ihrem

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eigenen Leben wenig Freude haben. Und daran können nur die anderen schuld sein. Auch Antipathie ist ein feiner, gemeiner Grund, im Negativen aktiv zu werden. Mitunter ist das die einzige Aktivität, die manche Mitbürger erfaßt. Dieser gewissermaßen branchenunabhängige oder sinnlose Neid steht im Gegensatz zum sinnvollen, zielorientierten Neid, der zumindest nach einem greifbaren Resultat strebt. Nicht, daß ich diesen goutiere, aber ich kann ihn verstehen. Diese Form von Neid ist international, auf der ganzen Welt zu Hause und tritt vor allem im Berufsleben auf. Er ist für den, den er erfaßt, die Triebfeder, einen Job, eine Arbeit oder Tätigkeit zu ergattern, die das eigene Gebiet betrifft, das man, nach eigener Ansicht, auch besser beherrscht als das Neidobjekt. Eine Frage der Selbsteinschätzung? Auch das. Und es kann ja sogar stimmen: Man könnte tatsächlich der Bessere sein. Dann ist es meiner Meinung nach angebracht, den Neid umzufunktionieren, ihn sich als Ehrgeiz einzuverleiben, den inneren Mo48

tor neu zu starten und einfach in seinem Revier besser zu sein als je zuvor oder sichtbar besser für die Umgebung zu agieren. Das wäre zumindest eine positive Umwandlung des Neides und angenehmer für einen selbst, als im eigenen Saft zu schmoren, finden Sie nicht? Denn eines möchte ich Ihnen gern vor Augen halten, Ihnen eindringlich sagen: Neid ist in jedem Fall rückbezüglich. Er macht häßlich, unlustig und mitunter sogar krank. Und nicht das Opfer, sondern Sie selbst. Und das können Sie doch einfach nicht wollen, stelle ich mir vor. Außerdem ist der sichtbare Neid auch ein Kompliment an das Neidobjekt: Er ist keine besonders schöne, aber dafür eine starke Form der Bewunderung. Noch dazu eine nicht gewollte. Überlegen Sie sich das einmal! Überlegen Sie sich überhaupt, was Ihnen der Neid bringt! Macht er Ihr Leben schöner, bunter, erfreulicher und Sie damit liebenswerter? Na, ganz bestimmt nicht. Im Gegenteil. 49

Er bleibt ja auch nicht ewig unsichtbar für die anderen. Auch wenn Sie das vielleicht glauben. Wenn er von Ihnen Besitz ergriffen hat, so kontrollieren nicht Sie ihn, sondern umgekehrt: er Sie. Und das wird irgendwann auch für die Umgebung sichtbar. Weltweit betrachtet, präsentiert sich der Neid in den verschiedensten Formen und Verkleidungen, das habe ich schon angedeutet. Er ist ein wahrer Meister der Verstellung, wenn er es will. Er kann sich ganz klein machen, so daß er fast nicht entdeckt wird oder zumindest über lange Zeit nahezu unsichtbar bleibt. Wenn Sie genau hinhören, so können Sie ihn manchmal in einem winzigen Wort entdecken. Ein Beispiel aus eigener Erfahrung: Ich habe mir ein altes zerfallenes Haus gekauft, das jahrelang leer stand, das niemand haben wollte. Es stand neben einem Bach mitten auf der Wiese, nur durch eine kleine Brücke von der Straße getrennt. Durch ein Loch rann der Regen ungehindert ins Haus. Der Garten war verwüstet, die Wühlmäuse hatten den Boden derart aufgelockert, daß 50

man bei jedem Schritt das Gefühl hatte, auf einer sumpfigen Wiese oder einer Luftmatratze spazierenzugehen. Alles in allem nicht gerade das, was jedermann sofort in helles Entzücken versetzt. Mitleidige Nachbarn versuchten mir das Projekt mit den Worten: »Warum wollen Sie sich das antun?« auszureden. Mein Entschluß war aber gefaßt. Ich wollte dem kleinen Hexenhaus wieder ein schmuckes Äußeres und Inneres verpassen und mich darin häuslich niederlassen. Das habe ich auch getan, und daher sitze ich jetzt in einem sehr gemütlichen Arbeitszimmer und schreibe diese Zeilen. Gut und schön, werden Sie jetzt sagen: Wo bleibt die Pointe? Wo ist das kleine verdächtige Wort, in dem Neid sich verrät oder versteckt? Geduld, hier ist es: Jene mitleidigen Seelen, die mir vom Hauskauf abraten wollten, kamen natürlich auch, um das Endergebnis meiner Renovierungsarbeiten zu begutachten. Und mehr als einmal fiel der Satz: »Nein, das ist ja eh schön!« Es ist das »Nein«, das die kleine, feine Miß51

gunst verrät. Kein starker Neid, keine zerstörerische Form desselben, lediglich eine kleine Mißgunst, wie sie überall vorkommt. Denn wer sich mit Ihnen über etwas freut, der sagt ganz bestimmt nur: »Ja, das ist wirklich schön!« Wenn man auf die Sprache der anderen achtet und natürlich auch auf die eigene, dann kann man sehr wohl erkennen, wie man »dran« ist. Bedenken Sie das und überprüfen Sie einmal sich selbst und Ihre Umgebung im Umgang miteinander. Sorgfältiges Hinhören ist ein guter Lehrmeister und eröffnet interessante Perspektiven. Ich habe dieses kleine, unspektakuläre Beispiel nur deshalb gewählt, um zu zeigen, wie harmlos sich Neid darstellen kann, wie er mitunter leise vor sich hin döst, kurz wach wird, um bei Gelegenheit fast routinemäßig sein zartes Stimmchen zu erheben. Denn seien Sie ehrlich - ich versuche es zumindest -, man kommt nicht perfekt auf diese Welt und auch nicht frei von Neid. Darum muß man sich schon selbst kümmern. 52

Natürlich habe ich auch immer angenommen, daß in mir kein Neid wohnt. Und ich höre von vielen Menschen, denen ich von diesem Buch und seinem Inhalt erzähle, daß ihnen Neid fremd ist. Also ehrlich gesagt, glaube ich das nicht. Ich weiß es ja auch von mir selbst. Neid war keine meiner besonders ausgeprägten Eigenschaften, ist mir nie besonders stark aufgefallen oder in die Quere gekommen. Aber es gab Zeiten in meiner persönlichen Entwicklung, da war er eindeutig vorhanden. Nur im kleinen, nur gelegentlich, aber er war da. Er ließ mich grübeln, ließ mir manchmal keine Ruhe, aber - und das ist das Schöne daran - er ließ sich im Laufe meines Lebens abstellen. Und zwar für immer. Wie? Darüber später. Und unter uns gesagt: Wie sollte ich denn überhaupt auch nur eine Zeile über den Neid schreiben, wenn ich ihn gar nicht kenne? Na eben. Nur weil er mir schon begegnet ist, von innen und von außen, aktiv und passiv, kann ich mit ihm umgehen, konnte ich gegen ihn auch 53

etwas unternehmen. Sprich: mich von ihm freispielen. Das ist harte Arbeit, die allerdings auch Freude macht und ihre vergnüglichen Seiten hat, zumal das Endresultat ein besonders angenehmer Zustand ist. Man nennt ihn Zufriedenheit. Ich persönlich halte diese spezielle Zufriedenheit für erstrebenswert. Im allgemeinen glaube ich ja, daß auch eine gewisse Unzufriedenheit ihre Berechtigung hat, sozusagen als Garant für den Fortschritt. Das ist meinerseits eine sehr allgemeine Betrachtung, die Ihnen vielleicht sogar mißfallen könnte. Aber wie Sie bereits wissen, stört mich das nicht. Nur: Das gehört nicht zum Thema Neid, sondern zu einer anderen Geschichte, die ich mir noch genau überlegen möchte, bevor ich Sie damit konfrontiere. Abgesehen davon, sollte ich auch darauf achten, nicht zu weit vom Thema abzuschweifen. Das kann leicht passieren. Sie kennen das sicher aus eigener Erfahrung. Also, bitte um Nachsicht! Im Laufe der Jahre habe ich entdeckt, wie schön und angenehm sich mein Leben ohne Neid gestalten läßt. Wie gelassen und ruhig 54

ich meinen Weg gehen kann, wie sehr ich meinen eigenen »Garten des Lebens« genieße und mich auch an den Blumen in Nachbars Garten erfreuen kann - wenn es die Zeit zuläßt und ich Lust dazu habe. Das funktioniert aber nur, weil mein Leben erfüllt ist - mit allem, was dazugehört: mit dem Schönen, dem Traurigen, dem Bösen, dem Ärger, der Freude und nicht zuletzt mit der Liebe. Und dafür bin ich schon selbst verantwortlich. Sie übrigens auch! Ich habe viel zu tun, die wichtigen Dinge in mir, um mich herum und in meinem Leben zu pflegen. Da scheint es mir nur natürlich und sinnvoll, nicht über den »Zaun« zu schielen, sondern darauf zu achten, meinen eigenen Garten in Ordnung zu halten. Damit bin ich voll ausgelastet, wenn ich die Sache auch wirklich ernst nehme. Alles andere wäre Zeitverschwendung. Und Zeit halte ich für ein sehr kostbares Gut. Jetzt frage ich Sie: Welche Funktion soll also der Neid in einem ausgefüllten Leben übernehmen? Wo ist Platz für ihn? Wer will ihn haben? Was kann man damit anfangen? 55

Ich sage Ihnen: In einem ausgefüllten und zufriedenen Leben hat er keine Funktion und keinen Platz. Niemand will ihn haben, und er ist sinnlos. Wenn Sie das erkennen, geht es Ihnen gut. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Vielleicht erleben Sie es ja auch gerade. Ich habe für mich sogar entdeckt, wie genüßlich es ist, jedem das zu gönnen, was er haben möchte und was er erreicht hat. Was mich das angeht? Was ich davon habe und was daran so genüßlich ist? Das will ich Ihnen gerne sagen! Vielleicht können Sie damit etwas anfangen, falls es Sie interessiert und Sie Lust dazu haben. Es klingt banal, und doch ist es für mich eine Wahrheit, mit der ich mich gut anfreunden kann und die mir auch logisch erscheint. Vielleicht können Sie das auch nachvollziehen. Mal sehen: Nehmen wir an, jeder Mensch könnte das erreichen, was er anstrebt - das sein eigen nennen, was er sich sehnlichst wünscht. Mit

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anderen Worten: Er wäre dann wunschlos glücklich. Ein glücklicher Mensch ist ein angenehmer Mensch, weil er von Freude erfüllt ist, von Licht und Liebe. Das strahlt naturgemäß auch auf die Umgebung, auf seine Mitmenschen aus. Und damit wird es für alle im Umfeld eines glücklichen Menschen ein leichtes sein, mit ihm auszukommen, ja, man wird sogar gern in seiner Gesellschaft verweilen. Der für mich logische Schluß: Wenn jeder das hat, was er möchte, egal was es ist, wird er ein zufriedener Mensch sein und damit ein angenehmer Zeitgenosse. Und das ist genau das, was ich zum Beispiel sehr schätze und auf dieser Welt für erstrebenswert halte: daß Menschen kultiviert und freundlich miteinander umgehen, andere respektieren und deren Würde nicht verletzen, sich an Erfolgen anderer erfreuen und ihr eigenes Licht nicht unter den Scheffel stellen müssen, um nicht am Neid zu zerbrechen oder sich zumindest einen Kratzer zu holen. Sie meinen, daß sich hinter diesem meinem 57

vielleicht naiven Wunsch ein recht handfester Egoismus verbirgt? Sie haben völlig recht. Dahinter steckt jener Egoismus, der uns alle am Leben erhält. Das können auch Sie nicht abstreiten, wenn Sie zu sich selbst ehrlich sind. Denn Sie wollen doch auch lieber die angenehmen und fröhlichen Menschen treffen als die grantigen und frustrierten. Die Voraussetzung dafür ist eine gewisse Zufriedenheit Ihres Gegenübers. Diese Zufriedenheit entsteht aber nur aus der Erfüllung der wie auch immer gearteten Sehnsüchte und Wünsche. Und deshalb soll meiner Meinung nach jeder Mensch, so gut er kann, das erreichen, was er anstrebt. Denn es könnte ja sein, daß ich es mit ihm zu tun bekomme, daß ich ihn irgendwo auf dieser Welt treffe, und dann kommt es sicher zu einer Begegnung der angenehmen Art. Und deshalb frage ich Sie nochmals: Was kann der Neid zu so einer angenehmen Begegnung beitragen? Nichts! Absolut gar nichts. Und mit dieser Erkenntnis und dem handfesten Egoismus, mit einer gewissen 58

Sehnsucht nach Harmonie ist es ein leichtes, sich vom eigenen Neid, so klein oder groß er auch sein mag, zu verabschieden. Leicht aber nur dann, wenn man sich seiner selbst bewußt ist. Aber das wissen Sie ja ohnehin. Schwierig ist nur die Vorarbeit, um dieses »Sich-selbst-bewußt-Werden« zu erlangen. Aber es ist möglich. Dieses Thema war mir übrigens bereits ein ganzes Buch wert, und es hat mir Freude bereitet, es zu schreiben. Eine recht wirksame Methode, dem Neid zu Leibe zu rücken, habe ich selbst erfolgreich praktiziert und gebe das gern an Sie weiter. Vielleicht können Sie damit auf Ihre besondere Art etwas anfangen; vielleicht können Sie aus meiner Erfahrung für Ihre besondere Situation eine kleine Anregung mitnehmen. Ich habe eine um zwei Jahre jüngere Schwester, die naturgemäß in unserer gemeinsamen Kindheit stets meinen Vorsprung als Vorgabe für ihr eigenes Verhalten akzeptieren mußte. Das ist sicher nichts Besonderes und liegt, wie gesagt, in der Natur der Sache. Nur führt es - und das werden Sie vielleicht wissen,

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falls Sie Geschwister haben - zu einer gewissen Auflehnung, zu einer bestimmten Aggression, wenn nicht behutsam eingegriffen wird oder die Einzigartigkeit jedes Menschen auch schon in der Kindheit berücksichtigt wird. Heute weiß man das. Zu meiner Zeit, knapp nach dem Zweiten Weltkrieg, hatten Eltern aber andere Sorgen. Zum Beispiel: Wie bekommt man für seine Kinder genug zu essen? Was kann man gegen Rachitis, Vitaminmangel und drohende Lungenentzündung tun? Wo bekommt man warme Kleidung für die Kleinen? Soweit der Tatbestand. Meine Schwester und ich wuchsen heran. Eine gewisse Rivalität, wie sie auch heute unter Geschwistern zu finden ist, war auch zwischen uns entstanden. Sie sollte sich allerdings bald in Neid verwandeln. Auslöser dafür war mein Beruf. Während meine Schwester noch auf der Suche nach einem Job war, arbeitete ich bereits als Fotomodell und war auf dem Weg - ich habe es ja schon erwähnt - in die Studios der europäi-

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schen Modefotografen. Ich lächelte von Titelblättern, strahlte von Plakaten und agierte vergnügt in Werbefilmen mit scheinbarer Leichtigkeit, flott und locker. Und nichts sah auch nur im geringsten nach Arbeit aus. Im Gegenteil: Für all diesen Spaß, den ich scheinbar hatte, kassierte ich auch noch pro Tag mehr, als meine Schwester in einem Monat verdiente. Das ging in ihren Augen einfach zuweit. Und das bekam ich auch zu hören. Neid pur! Glauben Sie nicht, daß mich das gefreut hätte. Im Gegenteil: Es tat mir weh, sie tat mir leid. Ich liebte ja meine Schwester - war ich doch schon als Zwerg mit eineinhalb Jahren von ihrer Ankunft begeistert -, aber ich wußte nicht, wie ich diese Stimmung gegen mich hätte ändern können. Meine Schilderungen über die Anstrengungen meines Jobs wurden lediglich milde belächelt und mit einer nichtigen Handbewegung abgetan. Insgesamt war das ein ziemlich gestörtes Verhältnis, könnte man sagen. Der berühmte »Zufall« kam mir zu Hilfe. Für einen Werbespot in Österreich für ein 61

Shampoo für besonders feines und dünnes Haar wurde ein Modell gesucht. Man rief meine Agentur in Zürich an, um mich zu buchen. Aber mein Terminkalender war bereits voll. Da hatte ich die Idee, man möge doch meine Schwester vorschlagen. Sie hatte die gewünschte Haarqualität - ein Familienerbe - und war auch nett anzusehen. Mein Vorschlag fand Anklang. Meine Schwester wurde gefragt, sagte begeistert zu und freute sich auf das leichtverdiente Taschengeld, wie sie meinte. Die Dreharbeiten fanden auf den Kanarischen Inseln statt. Sonne, Sand und Meer und eine ansehnliche Gage: Ein Traum wurde wahr! So schien es. Nach vier Tagen kam meine Schwester zurück. Ich war natürlich gespannt, was sie zu erzählen hatte. Und sie hatte zu erzählen. »Das mach ich nie wieder! Ich mußte jeden Tag um vier Uhr früh aufstehen. Ständig sagte man mir, was ich zu tun hätte, und dauernd mußte ich dasselbe wiederholen. Das ist kein Job für mich.«

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Nein, Sie haben nicht recht! Es war nicht Schadenfreude, die von mir Besitz ergreifen durfte. Ganz ehrlich nicht. Ich war froh, daß meine Schwester Elfi am eigenen Leib erfahren konnte, wie das so war und auch noch heute ist mit dem sogenannten Traumjob. Dieser Ausflug in die Glitzerwelt war die beste Medizin gegen ihren Neid. Er war mit einem Schlag verschwunden. Und es ging uns wieder gut miteinander. Nun können Sie mit Recht sagen, daß man nicht oft Gelegenheit hat, auf diese Art einen Mitmenschen von der Sinnlosigkeit seiner Neidattacken zu überzeugen. Nur: Sollte sich auch in Ihrem Leben jemals eine winzige Möglichkeit in dieser Richtung anbieten, so ergreifen Sie sie. Machen Sie sich so eine Gelegenheit zunutze. Sie haben gesehen: Es wirkt Wunder. Wer etwas haben möchte, auf etwas neidisch ist, der sollte sich darauf einstellen, daß er immer mit einem Gesamtpaket rechnen muß. Was das bedeutet? Na, ganz einfach: Man sieht ja von den anderen Menschen nicht alles. Man kennt ja nicht deren Leben, deren 63

Sorgen im verborgenen, deren Ängste und Schwächen. Vor allem der Neider, der sogenannte Neidhammel, sieht und ahnt davon schon gar nichts. Er sieht nur die tolle Villa, das große Auto, die teuren Klamotten. Und das will er auch alles haben. Verständlich, warum auch nicht. Aber möchte er auch wirklich das Leben des Beneideten führen? Möchte er womöglich dieselben Sorgen haben, die er ja gar nicht deutlich wahrnehmen kann? Weiß er überhaupt genug über das »Gesamtpaket«? Möchte er denn wirklich mit dem anderen tauschen? Überlegen Sie! Möchten Sie ernsthaft Ihr Leben gegen ein Ungewisses Dasein tauschen, von dem Sie nach außen hin nur die schönen Dinge sehen und alles andere nicht? Ich nehme an, daß Sie ein intelligenter Mensch sind. Damit ist die Frage beantwortet. Außerdem ist alles, was ich zu sagen habe, in erster Linie meine Angelegenheit, die Sie auch nicht unbedingt zu der Ihren machen müssen. Es ist nur meine Sicht der Dinge.

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Mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Eine besondere Form von Neid, die ich fast vergessen hätte, ist mir gestern durch einen kleinen Zwischenfall wieder bewußt geworden. Es ist die Prahlerei. Sie soll ja beim Gegenüber bewußt Neid erzeugen, um die eigene Person aufzuwerten und dadurch interessanter zu machen. Bei aller Milde, manche Dinge zu betrachten, scheint dahinter sehr wohl ein starkes Minderwertigkeitsgefühl zu stecken. Aber es kann fallweise auch ein Signal dafür sein, daß die so lebensnotwendigen Streicheleinheiten, daß Liebe und Anerkennung einem Menschen fehlen, wie die folgende Geschichte zeigt: Vor meiner Apotheke standen zwei alte Menschen, die sich offenbar über ihre Krankheiten unterhielten. Und weil jeder den anderen an Greulichkeiten ziemlich lautstark überbieten wollte, konnte ich einfach nicht anders - und auch weil ich ein neugieriger Mensch bin -, als mich in meine Handtasche zu vertiefen, um das Gespräch zu belauschen. Es war höchst interessant und zugleich auch traurig. 65

Die alte Dame versuchte dem alten Herrn klarzumachen, daß seine Krankheiten und Operationen im Vergleich zu ihrem Leidensweg beinahe lächerlich seien. Der alte Herr widersprach ein paarmal, daß doch seine Krankheitsgeschichte die wohl dramatischere sei, beschränkte sich dann aber nur mehr auf ein paar kurze »aber...«, als die Lady auf ihren Tablettenkonsum und auf ihre diversen Spitalsaufenthalte mit fast tödlichem Ausgang hinwies. Ich wurde also Zeugin eines Krankheitsgeschichtenwettstreites unter dem Motto: »Alles, was du hast, das hab ich viel ärger!« Der Zweck der Veranstaltung schien mir klar. Ein großer Leidensweg erzeugt Mitleid. Und wer mehr zu leiden hat als ein anderer, kann auch logischerweise mit mehr Mitleid rechnen, bekommt mehr Beachtung. Und wer von irgend etwas mehr bekommt als ein anderer in einer ähnlichen Konstellation, damit dann auch noch prahlt, der erzeugt Neid. Genau das schien hier beabsichtigt. Ich sah mir die Dame, die vorgab, in einem 66

elenden Zustand zu sein, etwas näher an. Sie war vielleicht Mitte Siebzig, gut gekleidet, stand aufrecht und in Angriffshaltung vor dem gebeugten Mann und machte alles in allem keinen schwerkranken Eindruck. Ja, ich weiß, der Schein kann trügen. Nur, ehrlich gesagt, die feste und laute Stimme, der rasche Schritt, mit dem sie sich dann entfernte, also die Körpersprache hatte anderes zu sagen als ihr Mund. Und die Körpersprache ist es ja, die uns allen mehr verrät als ein gesprochenes Wort, da werden Sie mir sicher zustimmen. Ein Mensch mit hängenden Schultern und hängenden Mundwinkeln wird uns kaum glaubhaft versichern können, daß er noch nie so glücklich gewesen ist wie gerade in diesem Moment. Ich hörte dann gerade noch, wie der alte Mann mit leiser Stimme sagte: »Du hast ja recht! Eigentlich geht es mir ja wirklich ganz gut!« und traurig davonhumpelte, körpersprachlich eindeutig vermittelnd: »Da kann ich wirklich nicht mithalten.« Dieses

Sich-gegenseitig-mit-Krankheitsge-

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schichten-überbieten-wollen, scheint mir nichts anderes zu sein als die Sehnsucht nach Anerkennung, weil ausreichende Zuwendung und Liebe gerade für alte und einsame Menschen in unserer Gesellschaft immer weniger werden und damit für die Betroffenen zu einem Problem. Soviel zu dem kleinen, aber nicht unbedeutenden Zwischenfall, den ich belauschte. Über die ganz gewöhnliche Prahlerei oder Angeberei, um den Neid anderer zu erregen, will ich nicht besonders viele Worte verschwenden. Sie ist vor allem, wie schon gesagt, eine Sache des Selbstbewußtseins und des Selbstwertgefühls. Daran müssen Sie schon selbst arbeiten, falls es Sie betrifft. Eigentlich könnte ich jetzt ein neues Kapitel beginnen, aber ich möchte lediglich einen kleinen Abstand zu meinen nächsten Reflexionen einbauen, weil das, was folgt, mit dem, was Sie bereits gelesen haben, eng verbunden ist.

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Eine besonders nahe Verwandte des Neides ist die Eifersucht. Sie gipfelt in einer übersteigerten Angst, die Liebe oder Zuneigung eines angebeteten oder verehrten Menschen mit einem anderen oder auch mehreren teilen zu müssen. Für alle Beteiligten kein angenehmer Zustand, wie Sie vielleicht aus eigener Erfahrung wissen. Trotzdem hat die Eifersucht für manche Menschen - im Gegensatz zum Neid - sogar etwas Sympathisches an sich. Vermutlich weil sie scheinbar im Umfeld der Liebe angesiedelt ist. Denn das haben Sie sicherlich auch schon gehört, daß »zur Liebe halt auch ein bißchen Eifersucht gehört. Aber nur nicht zuviel!« Aber wo ist da bitte die Grenze, und wann ist es zuviel? Gut, eindeutig zuviel ist es bei Shakespeares Othello, dem klassischen Eifersüchtigen, der, von Eifersucht gepeinigt, sogar zum Mörder und Selbstmörder wird. Ich liebe Shakespeare, weil er so zeitlos ist und auch heute noch Stoff für handfeste Krimis liefern könnte. Aber was hat er sich

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eigentlich bei der Figur Othellos gedacht? Wie naiv muß dieser angesehene Diplomat gewesen sein, obwohl er doch mit Intrigen, Taktieren und genauer Recherche schon aus beruflichen Gründen hätte vertraut sein müssen. Es ist kaum zu glauben, daß Othello, dieser edle Mensch, der so sehr liebt, seiner Angebeteten so wenig Vertrauen entgegenbringt. Ganz im Gegenteil: Er ist bereit, allen anderen mehr Gehör zu schenken als dem geliebten Geschöpf. Und das ist der Punkt: Eifersucht ist mit Mißtrauen behaftet. Und das finde ich nicht sympathisch und schon gar nicht liebenswert. Ich halte es für eine ziemliche Unverschämtheit, von wahrer und ewiger Liebe zu reden und trotzdem dem anderen nicht über den Weg zu trauen. Die Basis einer Liebe besteht unter anderem auch aus Vertrauen - das ist eine wichtige Zutat im Zusammenspiel zweier oder auch mehrerer Menschen, zum Beispiel innerhalb einer Freundschaft, einer körperlichen und geistigen Verbindung, innerhalb jeder Form 70

von Beziehung, die von starken Gefühlen geprägt ist. Wie unsicher muß ein Mensch sein, wenn er für ein geliebtes Wesen dieses negative Gefühl des Mißtrauens in sich entwickeln kann? Wieviel stärker wird dieses Gefühl diesen Menschen im Umgang mit anderen, weniger geliebten Geschöpfen beherrschen. Sie wissen es, und ich weiß es auch: Es ist nahezu unerträglich. Solche Menschen wollen permanent für alles Rechenschaft, Beweise, Alibis und was weiß ich noch alles. Ich hoffe für Sie, daß Sie nicht dazugehören. Es genügt, Opfer zu sein. Aber auch das sollte sich in Grenzen halten. Dabei sollten Sie nicht vergessen: Nur Sie können das abstellen. Nur Sie können entscheiden, ob Sie derartiges ertragen wollen, ob Ihnen das schmeichelt, ob Sie das alles zu Ihrem Wohlbefinden brauchen. Ich brauche es nicht, und ich nähre auch Eifersucht nicht in mir. 71

Eifersucht ist - wie schon kurz erwähnt - auch ein Ausdruck persönlicher Unsicherheit. Und von dieser Unsicherheit habe ich mich schon lange verabschiedet. Sie hoffentlich auch! Denn wenn Sie wissen, wer Sie sind, wenn Sie sich gut kennen und akzeptieren, dann hat die Unsicherheit in Ihrem Inneren keinen Platz. Und somit findet auch die Eifersucht kein gemütliches Eckchen, in dem sie sich einnisten kann und langsam, aber stetig Ihre persönliche Energie für ihre Zwecke ausnützt. Meiner Meinung nach - und wie immer müssen Sie diese nicht teilen - ist Eifersucht ganz und gar kein Liebesbeweis. In keiner Beziehung - nicht zwischen Geschwistern, nicht zwischen Eltern und Kind, nicht zwischen Freunden und Liebespaaren usw. Sie birgt lediglich den Keim für unnötige Auseinandersetzungen, die sich bis zum Exzeß - siehe Othello - ausweiten können. Sie ist nicht das Salz in einer Beziehung, sondern ein Gift, das langsam wirkt und für das es kein Gegenmittel von außen her gibt. Denn auch Sie haben sicher schon erlebt, daß 72

Beteuerungen, Beweise und Schwüre bei chronisch kranken Eifersüchtlingen zu nichts führen. Nur der »Kranke« mit Krankheitseinsicht und das ist Schwerarbeit - wird sich selbst befreien können. Ihm sei gesagt, daß er es schaffen kann, sofern er sich darum bemüht. Mitunter kann auch ein Fachmann hilfreich eingreifen, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß. Dazu sind Fachleute da. Fairerweise muß ich auch sagen, daß der Eifersüchtige natürlich furchtbar unter seinem Zustand zu leiden hat. Aber Ihr persönliches Mitleid ist keine gute Medizin. Ich kenne niemanden, der sich freiwillig zum Märtyrer machen möchte, mitleiden will oder bereit ist, an der Eifersucht des anderen zu zerbrechen. Man muß einfach auch einmal imstande sein, die Flucht zu ergreifen, um seine eigene Haut zu retten, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Ich hatte einmal eine - anfangs zauberhafte Liebesbeziehung, in der sich langsam die 73

Eifersucht breitmachte. Ich wollte es zuerst nicht wahrhaben und war sogar, weil ziemlich jung und unerfahren und von Klischees geprägt, ein wenig geschmeichelt, wie sehr ich doch geliebt wurde. Bis zu dem Zeitpunkt, wo ich Rechenschaft über Träume abgeben mußte und ganz genau beschreiben sollte, wie, wo und mit wem ich in »seiner« Abwesenheit den Tag verbracht hatte. Nachdem ich wahrheitsgemäß eines Abends von meinem Tagesablauf berichtet hatte und nicht im geringsten mit einer Auseinandersetzung rechnete, fiel seinerseits während des eifersüchtigen Verhörs der für mich entscheidende Satz: »Da fehlt eine Stunde!« Ich konnte dieser Provokation nicht widerstehen und verabschiedete mich für immer mit den Worten: »Das muß die Stunde gewesen sein, in der ich mich während des Einkaufens mit dem Bäckermeister in der Backstube vergnügt habe.« Natürlich hat es weh getan, diese Beziehung zu beenden, denn dieser extrem eifersüchtige

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Mensch hatte auch liebenswerte Seiten, die ich besonders schätzte, wie Sie sich vorstellen können. Heute weiß ich, daß meine sogenannte Flucht der für mich einzige Weg war, meine Haut zu retten, denn Sie können sich leicht ausmalen, wohin diese Eifersucht noch geführt hätte. Vergessen Sie nicht: Eifersucht ist nicht gleich Liebe, sie ist nicht dazu angetan, einen Menschen an sich zu binden. Ganz im Gegenteil. Liebe besteht darin, dem anderen seinen Freiraum zu gönnen, ihm zu vertrauen und auch sein Vertrauen zu genießen. Eifersucht ist nie und niemals der Beweis für echte und tiefe Liebe. Sie ist der Ausdruck von Besitzgier auf einer ganz bestimmten Ebene. Einen Menschen kann man nun einmal nicht besitzen wie ein Möbelstück, ein Auto oder ein schönes Bild. Eifersucht ist auch - wie schon mehrmals erwähnt, und es scheint mir wichtig, es immer wieder zu betonen - der Beweis für die Anwe-

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senheit von Unsicherheit und Mißtrauen. Das alles wollen Sie doch nicht für sich beanspruchen oder über sich ergehen lassen? Na eben! Sie wollen sich, wie ich - dessen bin ich mir sicher! -, wohlfühlen, das Leben genießen und sich nicht beherrschen lassen von Neid, Mißgunst und Eifersucht. Es liegt an Ihnen, Sie haben es in der Hand! Sie entscheiden, wie es Ihnen geht, und darum geht es Ihnen - hoffentlich - gut. Eine ganz bestimmte Mischform aus Eifersucht und Neid habe ich mir zum Abschluß dieses Kapitels für Sie aufgehoben. Was ich Ihnen hier zu sagen habe, ist mir besonders wichtig, denn es berührt in irgendeiner Form fast jeden von uns, mehr oder weniger: die Sehnsucht nach ewiger Jugend. Oder sollte ich vielleicht besser sagen: der Jugendkult? Daraus resultiert nämlich nicht nur ein gewisser Prozentsatz, der dem Generationskonflikt innewohnt, sondern auch die Angst vor dem Älterwerden. Dadurch entsteht mitunter der Neid, die Eifersucht auf Jugend, auf Mitmenschen, die jünger sind als man selbst. 76

Auf mich, das kann ich mit gutem Gewissen sagen, trifft das ganz bestimmt nicht zu. Ich habe damit kein Problem und genieße jeden Tag meines Lebens. Das werde ich vermutlich auch noch mit achtzig tun, falls es mich dann noch gibt. Aber ich weiß, daß es diesen Neid, diese Art der Eifersucht gibt: zwischen Geschwistern, zwischen Mutter und Tochter, zwischen Vater und Sohn, also zwischen Verwandten, aber auch unter Freunden oder ganz einfach allgemein: zwischen Älteren und Jüngeren, egal welcher Provenienz. Es ist beileibe kein schönes Gefühl und auch einer guten Lebensqualität nicht zuträglich. Aber das wissen Sie ja. Vielleicht wissen Sie auch, daß sich Jugend nicht in der äußeren Hülle manifestiert, sondern ganz woanders stattfindet und von dort aus strahlt. Die schönsten Worte dafür hat ein »Wahlwiener« vor etwa tausendachthundert Jahren gefunden. Diese weisen Sätze des römischen Kaisers Marc Aurel, der in Wien gestorben ist, möchte ich Ihnen gern zum Abschluß meiner Ausführungen über Neid und Eifersucht 77

mitgeben: »Jugend kennzeichnet nicht einen Lebensabschnitt, sondern eine Geisteshaltung; sie ist Ausdruck des Willens, der Vorstellungskraft und der Gefühlsintensität. Sie bedeutet den Sieg des Mutes über die Mutlosigkeit, den Sieg der Abenteuerlust über den Hang zur Bequemlichkeit. Man wird nicht alt, weil man eine gewisse Anzahl Jahre gelebt hat: Man wird alt, wenn man seine Ideale aufgibt. Die Jahre zeichnen zwar das Äußere; Ideale aufgeben zeichnet aber die Seele. Vorurteile, Zweifel, Befürchtungen und Hoffnungslosigket sind Feinde, die uns nach und nach zur Erde niederdrücken und uns noch vor dem Tode zu Staub werden lassen. Jung ist, wer noch staunen und sich begeistern kann, wer noch wie ein unersättliches Kind fragt: Und dann?, wer die Ereignisse herausfordert und sich freut am Spiel des Lebens. Ihr seid so jung wie euer Glaube, so alt wie eure Zweifel, so jung wie euer Selbstvertrauen und eure Hoffnungen, so alt wie eure Nie-

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dergeschlagenheit. Ihr werdet jung bleiben, so lange ihr aufnahmebereit bleibt: empfänglich für das Schöne, das Gute und das Große; empfänglich für die Botschaften der Natur, der Mitmenschen, des Unfaßlichen. Sollte eines Tages euer Herz verätzt werden von Pessimismus, zernagt werden von Zynismus, dann möge Gott Erbarmen haben mit eurer Seele, der Seele eines Greises.« So sprach Marc Aurel. Und wie recht er hatte und immer noch hat. Sollte sich also bei Ihnen womöglich die von mir beschriebene Variante des Neides, die Eifersucht, bemerkbar machen, so ersticken Sie die Ansätze dazu im Keim, indem Sie sich die Worte des römischen Kaisers in Erinnerung rufen. Das ist eine leichte und sehr hilfreiche Übung, mit sich ins reine zu kommen. Ich wünsche Ihnen dazu gutes Gelingen, falls es Sie betrifft. Wenn nicht, dann erfreuen Sie sich einfach an den gescheiten Sätzen eines interessanten Menschen.

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Die gefährlichsten Herzkrankheiten sind immer noch Haß, Neid und Geiz. PEARL S. BUCK

ICH BIN'S, DER GEIZ

Es muß Ihnen jetzt in einer ganz bestimmten Hinsicht einfach besser gehen als mir! Wieso? Na, ganz einfach: Sie können, wenn Sie wollen, dieses Kapitel überspringen. Das kann ich nicht! Obwohl ich es - ehrlich gesagt - gern täte. Aber ich habe meinem Verleger fünf Kapitel versprochen, und daran muß ich mich wohl halten, denn würde ich mit Kapiteln geizen, täte er es vermutlich mit meinem Honorar! Und das möchte ich ja auch nicht. Warum ich mich derart gebärde? Na ja, ich habe mit dem Geiz so mein Problem. Ich 81

weiß nicht viel über ihn, obwohl ich ihn erkennen kann, wenn ich es mit ihm zu tun bekomme. Aber ich selbst erlebe ihn nicht in mir und habe ihn auch nie erlebt. Das heißt, er ist mir nur passiv bekannt, da allerdings schon auf verschiedenen Ebenen. Denn es ist ja nicht so, daß Geiz sich lediglich auf Hab und Gut bezieht. Die Ebenen, Geiz auszuleben, sind vielfältig. Ich aber geize weder mit Gefühlen noch mit irgendwelchen Konsumgütern, auch nicht mit Geld, schon gar nicht mit Liebe, Streicheleinheiten, Lob und erst recht nicht mit Worten. Im Gegenteil: Ich rede ohnehin manchmal zuviel. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich kenne also den Geiz in mir selbst nicht. Ich glaube, daß das vielen Menschen so geht, die nach außen offen sind und in sich ruhen und ihre innere Balance gefunden haben. Meiner Meinung nach sind das auch jene Menschen, die sich ihrer selbst bewußt sind, die loslassen, teilen und Freude spenden können, weil sie sensibel, aufmerksam und auch neugierig durchs Leben gehen. 82

Halten Sie von mir, was Sie wollen: Ich zähle mich zu dieser Gruppe! Wenn Sie auch dazugehören, so werden Sie jetzt nach diesem Elaborat verstehen, warum es mir schwerfällt, über den Geiz zu schreiben, und ich mich viel lieber der Gier widmen möchte. Damit kenne ich mich einfach besser aus. Doch - wie gesagt - Geiz muß sein. Und so werde ich versuchen, so gut ich es vermag, mich in diesen zu vertiefen. Was mich an der Existenz des Geizes fasziniert, ist die Tatsache, daß er wie kein anderes »Laster« in der Literatur sogar personifiziert wird. Soviel mir bekannt ist, kann man das vom Neid oder von der Gier nicht behaupten. Schon die alten Griechen waren dem Geiz wortgewaltig auf der Spur, aber besonders Molière hat mit seinem Geizigen - Harpagon dem Geiz ein klassisches literarisches Denkmal gesetzt. Ich wage zu behaupten, daß fast jeder davon zumindest schon einmal gehört, wenn schon nicht das ganze Stück gesehen oder gelesen hat. 83

Molière beschränkt sich allerdings auf den Geiz, so wie er auch im Duden beschrieben wird, als: »Unfreundlich-abstoßende Eigenschaft eines Menschen, die sich darin äußert, daß er von seinem Besitz nichts oder nur wenig und auch das nur ungern gibt.« Dasselbe gilt auch bei Charles Dickens für seinen Scrooge, dem alten Geizkragen aus den Weihnachtserzählungen. Und nicht zu vergessen: auch für Walt Disneys geizige Ente Dagobert Duck. Mehr Geizhälse literarischer Provenienz fallen mir im Moment nicht ein, aber ich meine, die drei sollten als Beispiele genügen, denn der eine oder andere ist Ihnen sicher schon untergekommen. Nun meine ich aber - und ich habe es auch schon erwähnt -, daß sich Geiz nicht nur auf Besitz oder Geld beziehen muß. Es gibt weitaus subtileren Geiz. Aber davon später. Zunächst zu jener Ausgabe, die einem immer wieder begegnet und die leicht zu erkennen ist. Diese Form von Geiz schafft eine unübersehbare Distanz vom Geizigen zu seiner Umgebung. Oder auch das genaue Gegenteil. Eine opportunistische Nähe, die jene 84

versuchen zu erreichen, die sich doch noch etwas vom Geizigen erhoffen. Ein ziemlich beschämendes Bild für einen sensiblen Betrachter. Ich glaube, daß Besitz und noch mehr Besitz unter Umständen die Distanz von einem Menschen zu anderen vergrößert, einfach weil zuviel dazwischen ist, um das man bangt, das man nicht verlieren möchte. Ich habe selbst erfahren, daß Menschen, die wenig haben, kaum vom Geiz geplagt werden, also auch keine Angst haben, das wenige womöglich zu verlieren. Im Gegenteil: Oft rücken sie näher zusammen und sind bereit, das wenige auch noch mit anderen zu teilen. Als der Eiserne Vorhang noch ein düsterer Begriff in unser aller Leben war, hatte ich öfter Gelegenheit - als Fernsehmoderatorin des ersten deutschsprachigen Satellitenprogramms 3-Sat -, in Budapest zu arbeiten. Es war das Frühlingsfestival, das von Ungarn aus in die Welt übertragen wurde, und ich habe via Bildschirm durch den Abend be85

gleitet. Meine Kollegen vom ungarischen Fernsehen waren freundlich und hilfsbereit. Das ist nichts besonderes im Umgang mit einem Gast, denke ich. Was mich beeindruckte, und deshalb erzähle ich es hier, war die Gastfreundschaft, die man mir - weit über das höfliche Maß hinaus entgegenbrachte. Ich hatte mein Hotelzimmer, war bestens betreut, und es gab seitens meiner ungarischen Kollegen keine Veranlassung, mich außerhalb der Arbeit auch noch privat zu treffen oder sogar zu sich einzuladen. Aber genau das geschah. Ich fand mich in einer Wohnung inmitten einer Gruppe fröhlicher Menschen wieder, die - durch das politische System bedingt -viel weniger besaßen als ich und die mit mir ihr karges Mahl auch noch teilten. Es wurde gesungen, gelacht, getanzt, und es war ein bezaubernder Abend. Ich werde diese Menschen nie vergessen! Im Gegensatz dazu habe ich in Wien in meinem engsten Umfeld einmal folgendes erlebt: Bei einem Kurzbesuch - nur so mal zwi-

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schendurch, wie das bei Familienmitgliedern oder sehr engen Freunden üblich ist - hat mein Magen durch Knurren kundgetan, daß ihm ein kleiner Happen eßbarer Materie durchaus willkommen wäre. Ich ging also weil auch das durchaus üblich - zum Eisschrank, um mir eventuell ein Butterbrot einzuverleiben. Ich fand Gefallen an einem kleinen Stück Käse und fragte, ob ich das haben könne. Die Antwort war verblüffend: »Nein. Das brauche ich noch!« Da war sogar ich sprachlos. Denn - und das muß gesagt werden - ich befand mich weder in einem Flüchtlingsquartier noch bei einer Familie, die von der Sozialhilfe leben mußte und nicht wußte, wie sie ihre Kinder ernähren sollte. Ich befand mich, was den sozialen Status betraf, unter meinesgleichen. Eine sehr spezielle Variante von Geiz, finden Sie nicht auch? Ist mir auch nie wieder untergekommen. Übrigens: Ich habe bis heute nicht herausfinden können, welche delikate Speise durch die Abwesenheit von einem Stück Käse in der

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Größe einer Streichholzschachtel den Genuß derselben wesentlich beeinträchtigt. Wobei ich schon zugeben muß, daß ich keine besonders großartige Köchin bin und deshalb vielleicht auch nicht genügend über besonders raffinierte Zubereitungen besonders raffinierter Gerichte informiert bin. Was den Geiz im allgemeinen betrifft, weiß ich aber ganz sicher - habe es ja auch schon eingangs erwähnt -, daß Geiz nicht einfach Geiz ist. Seine Auswirkungen können sehr unterschiedlich sein! Zum einen ist er rückbezüglich, zum anderen zielt er nach außen. Was das heißt? Na, ganz einfach: Sie kennen vermutlich auch jene Geizkragen, die nichts mit anderen teilen wollen, aber sich selbst auch nichts gönnen. Diese Menschen schmoren sozusagen im eigenen Saft und können mitunter beim Betrachter sanftes Mitleid bis Unverständnis auslösen. In der anderen Variante, die nur nach außen wirkt, läßt es sich der Geizkragen selbst an nichts fehlen; er ist aber nicht bereit, auch nur das Geringste an seine Mitmenschen 88

abzugeben - und sei es auch nur ein kleines Trinkgeld für Leistungen, die andere berufsmäßig für ihn erbringen und dadurch sein Leben genußvoller machen. Beide Arten, Geiz auszuleben, sind Ihnen sicherlich schon untergekommen. Und eines hoffe ich sehr für Sie und alle, die Ihnen begegnen, daß keine der beiden Spielarten Ihnen zu eigen ist. Wenn ja, so tut es mir von Herzen leid. Nämlich für Sie und auch für Ihre Umgebung. Wobei es natürlich nie zu spät ist - und ich meine nie! -, korrigierend an sich zu arbeiten, falls Ihnen Ihr eigenes Verhalten gelegentlich auf die Nerven geht. Allein durch Erkennen der Situation können Sie selbst mit ganz gezielter Kontrolle Veränderungen im Verhaltensmuster herbeiführen, die Ihnen eine bessere Lebensqualität bescheren. Vorausgesetzt, daß Sie das auch wirklich wollen. Es bleibt natürlich, wie immer, ganz Ihnen überlassen. Die erste Gruppe der »Sich-selbst-nichtsGönner« hat für mich persönlich etwas Tra89

gisches an sich. Und es gibt ja auch einige tragische Geschichten und Erzählungen über diese Menschen. Sie kennen sie wahrscheinlich auch: Vor allem die schon klassische, oft strapazierte Geschichte vom armen zerzausten Bettler, der hungernd und frierend sein Leben fristete und nach seinem Tod der Welt - sprich: dem Fiskus - Millionen hinterließ; versteckt, verstaut in irgendwelchen Winkeln und unter irgendwelchen Matratzen in seiner ärmlichen Behausung. Das ist traurig, bestürzend und ziemlich sinnlos. Aber - und das ist das entscheidende an dieser Art zu leben - der wahre Schaden richtet sich in erster Linie gegen den »Täter« und nur im geringen Maß gegen seine Mitmenschen, sofern er nicht Sozialleistungen in Anspruch nimmt, die ihm auf Grund seiner tatsächlichen finanziellen Situation nicht zustehen. Die Tragik für mich besteht einfach darin, daß es in meinen Augen fast eine Sünde ist, das Leben nicht zu genießen, wenn man dazu die Möglichkeit hat. Es kann der Sinn des Lebens 90

nicht sein, nicht der Wunsch einer überirdischen Macht, nicht der göttliche Plan, wenn Sie so wollen, daß wir in einer Art Masochismus unser Dasein fristen sollen. Und genau das scheint ja die hervorragende Eigenschaft der »Sich-selbst-nichts-Gönner« zu sein. Ich bin ja keine Fachfrau in Sachen Psyche, aber ich denke mir, daß diese spezielle Lust am Leiden, am Armsein, eine Form von Krankheit ist, die man vielleicht heilen kann, sofern die engere Umgebung um die Situation eines sogenannten »Pseudoarmen« weiß und der Betroffene sich selbst nicht helfen kann - aus welchen Gründen auch immer -, es aber möchte. Fragen Sie mich bitte nicht, wie man da helfen kann! Ich weiß es nicht, aber ich könnte mir vorstellen, daß es möglich ist und daß es dafür bestimmt ausgezeichnete Fachleute gibt. Wem nicht geholfen werden kann, weil er es nicht will, dem ist allerdings nicht zu helfen. Das gilt für viele Bereiche des Lebens, aber das wissen Sie ja selbst am besten. 91

Sie und ich, wir wissen zwar nicht, was in einem »Sich-selbst-nichts-Gönner« vorgeht, aber seine Sicht der Dinge, der Welt muß wohl aus der Mitte gerückt sein. In vielen Fällen wird die unmittelbare Umgebung über die tatsächliche Situation eines derartig orientierten Mitmenschen nichts wissen, denn wir sehen ja oft nur das, was wir sehen wollen und was der flüchtige Blick über eine dargebotene Oberfläche zuläßt. Es passiert ja auch andererseits, daß man von manchen Mitmenschen annimmt, sie seien finanziell im Bereich der Millionäre zu finden, aber es trifft keineswegs zu. Weil eben ein flüchtiger Blick zu oberflächlich ist, um sich wirklich zu informieren, oder weil man gerne Klischees benützt, was ja bekanntlich sehr bequem ist. Was ich damit meine? Lesen Sie, wenn Sie Lust dazu haben, das Folgende, über das ich schon eingangs geschrieben habe, aber ich finde, es paßt auch noch einmal ganz gut hierher. Sie haben ja mittlerweile schon bemerkt, daß ich gern für mich wichtige Dinge wiederhole! 92

Also, bitte sehr, hier ist die Wiederholung! Als Fernsehfrau, die schon ziemlich lange im Einsatz ist, bin ich - wie Sie ja schon wissen natürlich so etwas wie ein öffentlicher Mensch. So weit, so gut - ich kann damit leben. Was viele Menschen aber nicht wissen, ist die Tatsache, daß ein öffentlich bekannter Mensch nicht unbedingt ein sehr reicher oder überhaupt ein wohlhabender Mensch ist. Das trifft auch auf mich zu. Ich bin nicht arm, aber auch nicht reich. Ich gehöre zur Mittelschicht. Die wahren Reichen sind eher unbekannt und vermeiden es oft tunlichst, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen. Wie weise! Denn damit bleibt ihnen einiges - im wahrsten Sinne des Wortes - erspart. Ich höre zum Beispiel immer wieder - und hier endet die Wiederholung - von den sogenannten Besserwissern den folgenden Satz: »Es trifft ja keine Arme!«, wenn es für mich darum geht, etwas zu erstehen, was zum Bei93

spiel für meine Sicherheit oder Gesundheit notwendig, aber teuer ist und daher meine Bedenken äußere. Sie können sich vorstellen, wie sehr ich mich über derartige Bemerkungen freue. Warum ich Ihnen das erzähle? Einfach so, als Beispiel dafür, daß sich hinter manchen Dingen mehr verbirgt, als man auf den ersten Blick erkennen kann. Daß Klischees dazu da sind, widerlegt zu werden, und daß ein oberflächlicher Eindruck leicht täuschen kann. Was ja vor allem auf die von mir speziell angesprochenen, nahezu masochistischen Geizkrägen zutrifft. Wir als Außenstehende werden nie genau wissen, wie viele von ihnen unter uns weilen. Und - ehrlich gesagt - ich will es auch gar nicht wissen, weil es mich traurig macht. Und das möchte ich, wenn ich es vermeiden kann, nicht sein. Die zweite Gruppe, deren Geiz sich vor allem gegen andere richtet, scheint mir nach meinen Beobachtungen nicht nur wesentlich größer zu sein, sondern in ihrer Art auch mehr 94

Schaden anzurichten. Und um persönlich zu werden: mitunter sogar in meiner Brieftasche! Wieso das? Lesen Sie ruhig weiter, dann werden Sie es erfahren. Es gab einmal in meinem Leben einen - wie es zunächst schien - ganz netten Flirt - dabei ist es übrigens auch geblieben -, der für eine beruflich recht angesehene Position auch den entsprechenden Obolus kassierte. Nicht, daß mich ein betuchter Mann fasziniert, weil er betucht ist, aber wenn ein Mann mich fasziniert, bin ich auch nicht ungehalten darüber, wenn er nicht am Hungertuch nagt. Ansonsten ist mir die finanzielle Situation der meisten Menschen ziemlich egal. Ich mag sie, oder ich mag sie nicht. Das allein ist für mich entscheidend. Interessant für mich sind nur meine eigenen Finanzen, denn ich bin für mich auch in dieser Hinsicht verantwortlich, und das sogar sehr gern. Vielleicht geht es Ihnen genauso, dann können Sie sich sehr gut vorstellen, wie ich mich fühle. Nämlich sehr gut. 95

Zurück zu besagtem Flirt! Mein erstes Rendezvous war eine Einladung zum Abendessen. Ich machte mich fein und freute mich auf das ganz spezielle italienische Restaurant, von dem ich wußte, daß der Koch fast ein Genie war. Sie müssen nämlich wissen, daß ich die italienische Küche liebe! Mein Flirt und ich tafelten fürstlich, es war ein ganz bezaubernder Abend. Mein Gegenüber war charmant, intelligent und betete mich offensichtlich an, was ich mindestens so sehr liebe wie italienisches Essen. Ehrlich gesagt glaube ich ja, daß das jeder Mensch gern hat. Und damit meine ich nicht das Essen. Die Zeit verging wie im Fluge, bald waren nur noch wenige Gäste im Lokal, und der Chef des Hauses hatte uns bereits zu einem Digestif eingeladen, was ich zwar immer sehr nett finde, aber dankend ablehnen muß, denn es steht mir ganz und gar nicht, aus einem Lokal zu torkeln. Schnaps - wie auch immer ist nicht mein Ding. Die Rechnung wurde gebracht - und da passierte es! Mein Gegenüber hatte offen-

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sichtlich seine Brieftasche mit sämtlichen goldenen, platinenen oder in sonst einer exklusiven Ausgabe gefertigten Kreditkarten im Büro vergessen. Sie werden zugeben, daß das jedem passieren kann. Es war ihm auch sichtlich peinlich, aber schließlich gehöre ich auch zu den Verdienenden, und so habe halt ich die Rechnung mit meiner ganz gewöhnlichen, in hellblau gehaltenen Kreditkarte bezahlt. Es tat meiner Stimmung keinen Abbruch, und für mich war es ein gelungener Abend. Und der »Spesenersatz« - wurde mir versichert sollte mir umgehend zukommen. Abgesehen davon bin ich jederzeit bereit, für mich selbst zu bezahlen, und es spielt für mich keine Rolle, auch einmal einen Mann einzuladen. Bei engen Freunden tue ich das sogar besonders gern, wenn es mir gerade sehr gut geht - womöglich besser als ihnen und ich es mir leisten kann. »Also, wo ist das Problem?« werden Sie sich vielleicht jetzt fragen. Hier ist es: Bei unserem zweiten Treffen - Sie merken schon an der Wahl meiner Worte, daß ich nicht mehr in so romantischer Stimmung 97

bin, wenn ich davon erzähle - wiederholte sich die Szenerie des ersten Meetings. Nur mit dem Unterschied, daß ich nicht mehr willens war, für uns beide zu bezahlen. Ich beglich meinen Anteil und war dahin. Und das für immer. Diese Art Geizkragen gehört für mich seit damals - mehr als je zuvor - in die Kategorie »Schnorrer«. Und die mag ich nicht! Zu den weitaus subtileren Nuancen von Geiz gehört meiner Meinung nach der Liebesentzug, zu wem auch immer. Sei es zu einem Kind, zum Lebenspartner, zu Freunden, zu einem Haustier oder auch zu einer Pflanze und vor allem zu sich selbst. Übrigens ist alles, was Sie hier lesen, ausschließlich meine Meinung, ich kann das gar nicht oft genug betonen. Wer sich nicht liebt, kann auch nicht lieben und wird vermutlich auch nicht geliebt. Nachzulesen in meinem ersten Buch. Diese Form von Geiz, also der Liebesentzug, richtet viel mehr Schaden an als die materielle Version.

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Es ist allgemein bekannt, daß ein Baby, das nicht berührt und liebkost wird, an diesem Liebesentzug sterben kann. Es ist auch nicht zu übersehen, daß in Beziehungen, in denen Streicheleinheiten fehlen und Liebesentzug zum Alltag gehört, sich zumindest Frust breitmacht oder in der Folge sogar schwere seelische Störungen beim Betroffenen auftreten. Ich glaube, daß jeder Psychiater das bestätigen kann. Für mich ist es logisch, daß ein »sich nicht kümmern« - und Liebesentzug gehört ja wohl dazu - alle lebenden Geschöpfe auf die Dauer verkümmern läßt. Und das ist besonders traurig, weil ja jedes Geschöpf die Liebe in sich verborgen trägt und auch imstande wäre, Liebe zu empfangen. Hier bietet sich ein kurzer Blick auf Machtgelüste und Minderwertigkeitsgefühle an. Denn meiner Meinung nach sind die Wurzeln für den von mir beschriebenen subtilen Geiz vielfach in der einen oder anderen von mir erwähnten Facette menschlichen Verhaltens zu finden. Wobei ich, ehrlich gesagt, glaube, daß ein

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starkes Machtbedürfnis sehr oft aus Minderwertigkeitsgefühlen resultiert und somit diese beiden - soll ich sagen Eigenschaften? eng miteinander verbunden sind. Vermutlich nicht immer, das möchte ich schon betonen, damit ich nicht in die Verallgemeinerung schlittere. Genauso wie Sie es vielleicht schon miterlebt haben, kenne auch ich Situationen, wo Kinder um die Zuwendung ihrer Eltern nahezu betteln, sie aber nicht erhalten. Aus welchen Gründen auch immer! Das ist für mich die klassische Form von Liebesentzug eines »Machthabenden« gegenüber einem Abhängigen. Ein weiterer Klassiker ist wohl auch in manchen Ehen zu finden, wo der körperliche Liebesentzug sogar in vielen Fällen - wie ich höre - als Druckmittel - oder soll ich es Erpressung nennen? - eingesetzt wird, um etwas zu erreichen, was mit anderen Mitteln nicht möglich scheint. Vielleicht würden Sie das alles, worüber ich jetzt geschrieben habe, nicht unter Geiz einreihen. Möglich! Aber dann sagen Sie mir bit100

te, was es sonst ist. Was meine Beobachtungen betrifft, so hat der Geiz in jeder seiner Erscheinungsformen entweder eine masochistische oder eine sadistische Seite an sich. Wenn man das weiß, dann kann man sich auch selbst ganz gut überprüfen, wie sehr man wohin tendiert und ob der Geiz überhaupt einem zu eigen ist. Allein die Auseinandersetzung damit hilft mir zum Beispiel sehr, in meinem Umfeld zu erkennen, mit wem ich es zu tun habe. Ich kann Ihnen verraten, es erleichtert einem das Leben sehr, wenn man den Dingen auf den Grund geht. Oberflächliche Betrachtungen verleiten dazu, Fehlschlüsse aus ihnen zu ziehen, und das oft zum eigenen Nachteil. Habe ich ja schon erwähnt. Und das können Sie für sich nicht wollen. Ich jedenfalls möchte es nicht. Bei allem, was ich über den Geiz zu sagen habe, darf eine Facette nicht vergessen werden - und das ist die Sparsamkeit! Ich 101

betrachte sie als nützlichen Grenzwert zum Geiz und halte selbst viel davon. Aber - und das scheint mir wichtig - die Sparsamkeit ist mit einer kleinen Tücke behaftet, derer man sich bewußt sein sollte! Denn wer das hübsche Wort »Umwegrentabilität« vielleicht nicht kennt, dem könnte die Sparsamkeit auch zum Verhängnis werden. Mit anderen Worten: Sparen am falschen Platz kann einen oft teuer zu stehen kommen.* Aber das wissen Sie vermutlich ohnehin. Ich habe diese Bemerkung nur zur Sicherheit eingebaut, damit ich auch nichts vergesse. Allerdings - und das könnte Sie vielleicht verwirren - hat auch die Verschwendung manchmal für mich einen ganz großen Reiz und Zauber. Vielleicht fragen Sie sich jetzt wieder einmal: Was will sie eigentlich? Einmal so und einmal so! Ganz einfach: Das Leben ist für mich von so strahlender Buntheit und Vielschichtigkeit, weil ja so vieles zur selben Zeit im persönlichen göttlichen Geschenkkorb Platz hat. Ich glaube, man muß nur die passenden Dinge *

(Siehe John Ruskin im Kapitel: Money, Money, Money) 102

im richtigen Moment aus dem Korb nehmen, dann hat man auch Freude daran. Und so ist es auch mit der Sparsamkeit und der Verschwendung! Sparsamkeit richtig eingesetzt, kann einem vieles im Leben erleichtern. Verschwendung zur richtigen Zeit und bei passender Gelegenheit kann unglaubliche Freude und Liebe bringen. Ich hoffe und glaube, daß Sie selbst, wenn Ihnen Ihre Person allen Ernstes, aber auch mit der gebotenen Leichtigkeit und dem nötigen Humor wichtig genug ist - mit allen Vorzügen und Nachteilen, die jeder von uns in sich birgt - und Sie sich nicht mit oberflächlichen Betrachtungen zufrieden geben und bereit sind, auch eine ehrliche Selbstanalyse durchzuführen, daß Sie dann genau das Richtige für sich entscheiden, es auch tun und damit richtig reagieren. Fragen Sie sich doch einmal ganz ehrlich, so wie ich es auch schon beim Neid vorgeschlagen habe, was Geiz Ihnen bringen kann, falls er Ihnen innewohnt. Fragen Sie sich, welche Vorzüge Geiz für Sie

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hat, wie er Ihr Leben schöner und sinnvoller macht. Glauben Sie mir, er tut nichts für Sie! Er wird Sie auf lange Sicht einsam und ungeliebt machen und um viele schöne Dinge und Momente im Leben bringen. Und wenn er Ihnen außerhalb Ihrer Person begegnet, in welcher Version auch immer, so werden Sie wissen, daß die Menschen, die davon befallen sind, in Wahrheit zu bedauern sind, weil sie viele schöne Seiten des Lebens gar nicht kennenlernen. Jetzt könnten Sie unter Umständen anmerken: »Was man nicht kennt, kann man nicht vermissen!« Das stimmt schon. Sie haben völlig recht. Aber: Je weniger Freude man im Leben hat, desto lustloser wird sich dieses gestalten, und das strahlt ein Mensch dann auch aus. Und das, was man ausstrahlt, bekommt man ja auch bekanntlich zurück. Sie sehen also, wie wichtig ein lustvolles, von Freude und Liebe erfülltes Leben ist. Für Sie, Ihre Umgebung und damit wieder für Sie! Ich weiß, es ist nicht leicht, sich diese Einstellung anzueignen, falls sie einem fremd ist. 104

Aber es ist ja insgesamt nicht leicht, ein bewußtes wachsames Leben zu führen. Es ist harte Arbeit, vor allem an sich selbst, aber es ist eine schöne Arbeit, die sich lohnt. Falls meine Gedanken, die ich Ihnen hier anbiete und die natürlich auch sehr intim sind, Ihnen unsinnig erscheinen, so kann ich wahrlich nichts dagegen tun. Ich werde auch keine großen Gedanken an Sie verschwenden, weil es nicht meine Aufgabe ist, Sie zu missionieren oder zu überreden. Wenn Sie von meinen Zeilen etwas für sich mitnehmen können, dann freut es mich. Aber, wie schon erwähnt: Machen Sie, was Sie wollen. Das Ergebnis Ihrer Handlung, wie auch immer, läßt vielleicht auf sich warten, aber ausbleiben wird es nicht. Das kann ich garantieren. FAZIT: Geiz hat, wie der Neid, viele Gesichter. Geiz auf seelischer Ebene kann schweren psychischen Schaden anrichten. Geiz macht einsam. 105

Ich habe in keinem einzigen Buch ein passendes Zitat über die Gier gefunden. Vielleicht ist sie uns allen sehr peinlich?

... UND ÜBER ALLEM: DIE GIER!

Gestern abend war es wieder einmal soweit. Ich kann es natürlich leugnen, denn es gibt dafür keine Zeugen, aber wenn ich ehrlich sein soll - und das will ich -, dann muß ich es einfach zugeben: Ich hatte eine klassische Attacke von Gier! Klassisch deshalb, weil sie immer wieder kommt und ich mit ihr bestens vertraut bin. Es war ein wunderschöner Sommerabend, ein Vollmond wie im Bilderbuch, ich hatte Freunde bei mir, und wir saßen gemütlich auf der Terrasse meines Gartens. Es wurde ziemlich spät, und als alle gegangen waren, da geschah es: Im gleißenden Mondlicht, gemütlich in einen Gartensessel gekuschelt, habe 107

ich ohne Unterbrechung eine ganze Familienpackung Eiscreme verschlungen. Ich konnte einfach nicht aufhören. Es war wundervoll! Selbst der Gedanke an mein normalerweise sorgfältig unter Kontrolle gehaltenes Gewicht konnte mich nicht bremsen: Innerhalb kurzer Zeit war die eiskalte Köstlichkeit in meinem Magen verschwunden. Es tat mir nicht leid, meine Kilos waren mir in diesem Moment egal. Ich ließ meiner Gier freien Lauf, denn ich liebe Eiscreme. Und wenn ich sie schon einmal im Hause habe, dann wird sie von mir auch genüßlich verzehrt. Im allgemeinen ist mir nach dem Verzehr so kalt, daß ich die Sauna aufdrehe, um mich dann dort wieder aufzuwärmen. Verrückt? Ja, vermutlich schon ein wenig. Lance, mein Lebenspartner, der meine Eigenheiten nach zwanzig Jahren am besten kennt, hatte bis dahin zu meinen jeweiligen Eisattacken immer nur schmunzelnd folgendes zu bemerken: »Warum ißt du dein Eis nicht gleich in der Sauna?« Eigentlich keine schlechte Idee! Vielleicht sollte ich das doch wirklich einmal versuchen.

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Jetzt können Sie natürlich mit Recht sagen: »Wozu kaufen Sie sich das Zeug überhaupt, wenn Sie sich nicht beherrschen können?« Das ist ein gutes Argument. Meistens erstehe ich die kühle Köstlichkeit ohnehin nur für Gäste, aber gestern wollte keiner etwas davon. Der Rest ist bekannt. Diese Form von Gier - und das ist es ja wohl gehört in die Rubrik: Relativ harmlos, weil sie ja nur mir »schadet«. Die Gier an sich ist aber niemals wirklich harmlos. Schon deshalb nicht, weil kein Mensch auf der Welt davon frei ist. Sie ist in allen Lebensbereichen zu finden, ist eine übergeordnete Kraft, die sehr zerstörerisch sein kann. Sie kann sich auf jede unserer Regungen beziehen als: Gier nach Macht Gier nach Ruhm Gier nach Reichtum Gier nach Schönheit Gier nach Anerkennung usw. 109

Ich könnte diese Liste endlos fortsetzen, aber ich will Sie nicht langweilen, außerdem können Sie das ja auch selbst weiterführen. Ich bin sicher, es fällt Ihnen viel dazu ein. Fest steht: Auch Sie können sich der Gier nicht entziehen, in welchem Bereich auch immer. Das werden Sie selbst am besten wissen und beurteilen können, falls Sie ehrlich mit sich umgehen, was ich Ihnen wünsche. Es ist zwar schwierig, aber letzten Endes eine Bereicherung der eigenen Person und beschert Ihnen eine wunderbare Lebensqualität. Die Gier steht über allem: über dem Neid, dem Geiz, über der Eifersucht. Sie beherrscht uns fast immer und wird in den meisten Fällen nicht von uns beherrscht. Wir lassen sie oft genug zu. Sie verbirgt sich hinter immer wiederkehrenden Versuchungen, die auf unsere Schwächen abgestimmt sind. Darum ist es von großem Vorteil, auch im Umgang mit der Gier, über sich selbst Bescheid zu wissen. Sie zu erkennen und ihr nachzugeben, kann mit110

unter eine Art von persönlichem Sieg sein. Wieso das? Das will ich Ihnen gerne sagen: Meine Eiscremeorgien scheinen zwar sehr unkontrolliert zu sein, das stimmt schon, aber allein die Tatsache, daß ich diese Schwäche genau kenne und somit auch Gegenmaßnahmen ergreifen kann, indem ich eben keine Eiscreme nur für mich allein einkaufe, ist der Beweis dafür, daß ich zumindest versuche, der Gier die Stirn zu bieten. Mit mehr oder weniger großem Erfolg. Aber sie ist mir jedenfalls bewußt. Ich gebe Ihnen hier ein harmloses Beispiel, weil ich glaube, daß die kleinen Dinge, die unseren Alltag betreffen, von uns auch leichter erkannt werden und damit auch besser in den Griff zu bekommen sind. Eine Pflanze zum Beispiel entsteht ja auch durch ein kleines Samenkorn und ist nicht einfach plötzlich da. Ja, ja, ich weiß schon: »Wie banal kann ein Mensch nur sein!« Ehrlich gesagt, es ist mir einmal mehr egal, ob Sie das banal finden oder nicht. Für mich ist es ein hilfreicher Anfang, meine Gedanken 111

weiterzuspinnen, um dann daraus Schlüsse zu ziehen, die mir und vielleicht auch Ihnen im Umgang mit der Gier weiterhelfen, sofern Sie das überhaupt wollen. Ich für meinen Teil will das schon. Ich bestimme gern selbst über mich und über meinen persönlichen Kosmos. Ich lasse mich ungern von meinen Lastern und Untugenden beherrschen. Ich möchte auch nicht, daß ungezügeltes Verlangen, nach wem oder was auch immer, meine Handlungen und damit mein Leben bestimmt. Und Gier ist ja nichts anderes als heftiges, ungezügeltes Verlangen, seine Wünsche zu befriedigen. Und das manchmal um jeden Preis! Das macht die Gier so gefährlich. Am gefährlichsten aber ist die Machtgier! Sie ist die größte zerstörerische Kraft und imstande, im Extremfall ganze Völker und Länder zu vernichten. Die Geschichtsbücher sind voll davon. Im alltäglichen Machtgehabe läßt sich der Schaden an den Mitmenschen meist auf Einzelschicksale begrenzen, was auch noch schlimm genug ist. Ich habe versucht, die Machtgier etwas näher 112

unter die Lupe zu nehmen und sie zu analysieren; einfach mit meinem Hausverstand und ohne Anspruch auf wissenschaftliche Gültigkeit. Ich habe lediglich aus meinen Beobachtungen Schlüsse gezogen. Und die sehen folgendermaßen aus: Die Machtgier scheint in den meisten mir bekannten Fällen - wohlgemerkt nicht in allen - eine Lücke in der charakterlichen Entwicklung der betreffenden Personen auszufüllen. Gewissermaßen ein Ersatzprogramm für unterentwickelte Charaktere! Ich weiß, das klingt ziemlich bösartig, gehört aber für mich zu den Tatsachen des Lebens. Wie ich das meine und was ich damit meine? »Ganz einfach«, wie ich zu sagen pflege. Ein verkümmertes oder kaum vorhandenes Selbstwertgefühl dringt auch nach außen. Es signalisiert der Umgebung meist Unsicherheit und Unfähigkeit, zu was auch immer. Die Reaktionen darauf sind dementsprechend. Man nimmt den Betroffenen meist nicht ernst oder ignoriert ihn sogar. Manche Menschen können damit leben und verkriechen sich in sich selbst, was natürlich 113

traurig ist. Andere Menschen verkraften die Reaktion der Umwelt ganz und gar nicht und sinnen auf Rache. Diese Vorstellung von Rache an den anderen hat meist eine recht pubertäre Qualität: »Wenn ich einmal am Drücker bin, dann werdet ihr schon sehen!« Ist dieses Gefühl nach Macht stark genug, dann wird der Betroffene alles daransetzen und wird keine Mühen scheuen, sein Ziel zu erreichen. Und wenn das gelungen ist, dann wehe den anderen! Denn der Treibstoff für den Motor dieser Menschen ist, wie gesagt, die Rache und daher für die Umwelt höchst ungesund. Mit den unglaublichsten und heimtückischsten Mitteln katapultieren sich diese Mitmenschen an die Spitze von Vereinen, Unternehmen, Parteien und sogar von ganzen Staaten. Denn Unzulänglichkeit und Bedeutungslosigkeit gehen nicht notgedrungen einher mit Dummheit oder mit Blindheit für die eigene Situation. Wäre das der Fall, würden so manche Mitmenschen ihr Geschick - oder besser: ihr Un-

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geschick - nicht erkennen, der Frust und die Rache könnten von ihnen nicht Besitz ergreifen. Weil das aber in den genannten Beispielen nicht so ist, man sehr wohl die Situation einschätzen kann, werden die Betroffenen zu gefährlichen Mitbürgern, werden sie mit List und Tücke und durch Täuschung der anderen - um nicht zu sagen, durch deren Dummheit zu Neros, Napoleons, Stalins, Hitlers, Perons und Khomeinis. Das sind die Extremfälle, die Sie auch alle kennen, denke ich. Fanatismus inbegriffen. Die gefährlichste »Nebenerscheinung« der Machtgier! Übrigens: Ist Ihnen eigentlich schon einmal aufgefallen, daß sich in dem Wort schmächtig auch der Begriff mächtig verbirgt? Es bleibt, wie immer, Ihnen überlassen, daraus Ihre Schlüsse zu ziehen. Was sich in Ihrem eigenen Umfeld in dieser Hinsicht und auf diesem Gebiet abspielt, das werden Sie an Hand meiner Ausführungen jetzt vielleicht selbst nachvollziehen können. Wobei - und das möchte ich extra betonen 115

das, was ich über die Machtgier zu sagen habe, nicht auf jeden Inhaber der Macht zutrifft. Aber ich wage zu behaupten, daß Ausnahmen auch hier die Regel bestätigen. In vielen mir bekannten Geschichten haben die Machtmenschen eine Leere auszufüllen, und das tun sie eben am besten mit der Macht. Und Macht macht gesellig! Auf eine ganz artifizielle Weise. Ich höre auch, daß Macht etwas Erotisches an sich haben soll! Offenbar wirkt diese Erotik auf mich bis jetzt noch nicht. Aber wer weiß? Machthaber sind von außen anscheinend nie einsam und allein. Sie sind stets umgeben von einer Schar sogenannter Bewunderer, Jasager und Einflüsterer. Gesellschaft ist garantiert. Und hier schließt sich für mich der Kreis: Machthaber können gar nicht allein sein, sie brauchen ja dringend die Reflexion und dazu die anderen, ohne diese können sie nicht existieren. Und deshalb sind sie im Grunde genommen einsame Menschen. Denn wer nicht allein sein kann, der fürchtet sich vor der Einsamkeit. Wer allein ist, muß aber des116

halb noch lange nicht einsam sein. Wer genußvoll allein sein kann, der hat zu sich selbst gefunden, der weiß, wer er ist, der kennt seinen eigenen Kosmos, kennt seine Fehler und Tugenden, kann damit gut umgehen, herrscht nur über sich selbst und ist in seiner Balance. Wer sein seelisches Gleichgewicht gefunden hat - in seiner Mitte ist -, der will nicht über andere herrschen, über andere befinden, kurz: der will nicht über andere Macht haben und auf seine Mitmenschen Druck ausüben. Allerdings gibt es eine Macht, die nicht auf der Gier basiert, sondern natürlich entsteht. Eine Macht, in die Menschen langsam hineinwachsen, auf Grund ihrer Persönlichkeit und ihrer Ausstrahlung. Diese Macht wird ihnen von anderen gegeben, wird ihnen quasi attestiert. Man schaut zu ihnen auf und akzeptiert sie als ganz natürliche Gegebenheit. Im besten Fall sind das die »Chefs«, die von uns allen geliebt und auch respektiert werden. Als berühmteste Beispiele möchte ich nur kurz Ghandi und den Dalai Lama erwähnen. 117

Von diesen Menschen kann es für mich auf der Welt gar nicht genug geben. Es ist also nach meinen Überlegungen nicht die Macht, die so gefährlich ist, sondern die Gier danach. Sie mobilisiert jene Kräfte, die Menschen befähigt, sich eiskalt über andere hinwegzusetzen, ja sogar über Leichen zu gehen. Beispiele dafür gibt es genug. Ich habe eingangs erwähnt, daß die Gier viele Bereiche des Lebens beherrschen kann, je nachdem, was uns unwiderstehlich erstrebenswert erscheint. Ich möchte die vielen verschiedenen Bereiche nicht alle einzeln anführen und untersuchen. Das können Sie auch selbst, wenn Sie Lust dazu haben. Es schien mir nur wichtig, die Machtgier etwas ausführlicher zu beleuchten. Das Verhaltensmuster ist ja in allen Fällen von Gier gleich. Nur die Auswirkungen - siehe Machtgier - sind je nach dem Objekt der Gier recht unterschiedlich. Die Intensität der Be-Gier-de hat meines Erachtens jeweils mit dem Temperament

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eines Menschen zu tun. Lange vor meinem höchst persönlichen ungezügelten Verlangen nach »Eiszeit« waren es besonders cremige Torten, die es mir angetan hatten. Und so fuhr ich eines Tages zum Demel, Wiens berühmtesten Zuckerbäcker, und bestellte mir drei Tortenstücke vom Feinsten. Normalerweise kann man die Köstlichkeiten im berühmten Kaffeehausambiente auch gleich verzehren. Ich wollte das lieber gemütlich zu Hause tun. Aber meine Gier hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kaum saß ich im Auto, hatte ich auch schon seitlich in das Tortenpaket einen Eingang gebohrt und holte mir auf höchst unzivilisierte Art und Weise Stückchen um Stückchen der begehrten Süßigkeiten. Soll ich Ihnen meine Ankunft zu Hause wirklich beschreiben? Ich glaube, Sie können sich ganz gut vorstellen, welcher Anblick sich mir bot, als ich den noch verbliebenen Rest aus dem Papier schälte. Und das passierte mir, einer Person, die sich - auch wenn allein - den Frühstückstisch dekorativ deckt, mit Blumen 119

und Kerzen usw. Das ist Gier! Lange her, harmlos, aber noch in guter Erinnerung. Niemand ist also vor ihr sicher, und sei es, wie erwähnt, auch noch so harmlos! Harmlos ist auch die Geschichte jenes jungen Mannes in Mailand, dessen »Objekt der Begierde« ich kurzfristig wurde. Ich war damals 22 Jahre alt, Fotomodell, soeben von den USA nach Mailand gekommen, und wollte mir nach dem langen Flug durch einen Spaziergang etwas Bewegung verschaffen. Da bemerkte ich einen jungen Mann, der mich scheinbar verfolgte. Ich wollte wissen, ob das Zufall oder Absicht war. Also blieb ich in kurzen Abständen immer wieder vor einer Auslage stehen, um in der Glasscheibe zu sehen, was er macht. Und er blieb auch stehen. Dieses Spielchen dauerte eine Weile, mein Rundgang durch die Galleria, dem Einkaufsviertel rund um den Mailänder Dom, war fast beendet, als sich der junge Mann offenbar einen Ruck gab, an meine Seite eilte, um mich anzusprechen. 120

Und da passierte es. Kaum hatte er den Mund aufgemacht, befiel ihn ein Hustenanfall der bekannt lästigen Art: Er konnte nicht mehr aufhören. Ich ließ ihn mit rotem Kopf stehen, huschte um die Ecke in mein Hotel und hatte Mühe, mein Lachen zu unterdrücken, während ich vom Portier den Zimmerschlüssel verlangte. Der arme Mann hat nur den Kopf geschüttelt. Models! Eine, wie gesagt, harmlose Geschichte! Sie lenkt aber meine Gedanken in schmerzvoller Weise zu einer anderen Form von Gier, die - wie das ungezügelte Verlangen nach Macht - in letzter Konsequenz in Abscheulichkeiten ausartet: die Gier nach Sex! Die Zeitungen sind täglich voll davon, in mehr oder weniger spektakulärer Aufmachung wird berichtet, welchen seelischen und körperlichen Schaden einzelne Menschen dadurch erleiden. Auf das grauenhafte Kapitel der Kinderschändung und der Vergewaltigung möchte ich nicht näher eingehen. Ich überlasse es den Fachleuten, ihre Stimmen zu 121

erheben, einzugreifen, wo immer es möglich und notwendig ist. Sie bitte ich nur, mitzuhelfen, nicht einfach wegzuschauen, wenn Sie helfen könnten. Wichtig scheint mir aber in diesem Zusammenhang, einzusehen und zu verstehen, daß das sogenannte horizontale Gewerbe nicht einfach zu verurteilen ist, daß Prostituierte einen wichtigen Platz in der Gesellschaft einnehmen, auch wenn Teile dieser Gesellschaft das vielleicht nicht wahrhaben wollen. Diese Damen sind es, die mitunter dafür garantieren, daß die Sexgier gegen bare Münze bei ihnen befriedigt wird und nicht anderswo mit roher Gewalt. Und wenn diverse Sendungen im Fernsehen das Thema Sex und Liebe quotengerecht aufbereiten, wenn Mann sich via Internet durch Cybersex höchst privat, anonym und womöglich auch nur mit sich selbst die ersehnte Befriedigung verschaffen kann, so trägt das, wie ich hoffe und glauben möchte, letzten Endes doch auch dazu bei, daß die Gier nach Sex auf eine Weise befriedigt wird, die niemandem schadet. 122

Denn das muß schon klar sein: Sie ist nicht wegzuleugnen. Es gibt sie, wie auch die Gier nach Macht. Heuchelei ist hier nicht angebracht und Verlogenheit schon gar nicht! Diese Seite ist hier für mich zu Ende. Dieses Kapitel noch nicht. Wenn Sie wollen, blättern Sie um.

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Ganz kurz habe ich noch etwas zur Besitzgier zu sagen, bevor ich Ihnen jemanden vorstelle, der zwar mit der Gier verwandt ist, aber elfengleich durch unser Leben schwebt. Das Anhäufen von Besitz, der dringende ungestüme Wunsch, etwas unbedingt haben zu müssen, und das auf der Stelle, ist auch mir nicht unbekannt. Vor allem in meiner Jugend, in meiner Zeit als Fotomodell, als ich das erste Mal auch wirklich das nötige Geld zur Verfügung hatte, mir selbst lang ersehnte Wünsche zu erfüllen, war ich von dieser Besitzgier besessen. Etwas sehen und haben müssen. Das ging Hand in Hand. Interessanterweise ist diese Neigung, dieser »Trieb« zum Konsum, im Laufe meines Lebens immer weniger geworden. Das ist, wie ich höre, nichts Besonderes. Ich habe oft mit meinen Freunden über die Themen, die ich in diesem Buch behandle, diskutiert und dabei auch unter anderem herausgefunden, daß es einigen von ihnen mit der Besitzgier ähnlich geht wie mir. Ich für meinen Teil entdecke sogar, daß ich Besitz abbaue, das heißt mich von Dingen 124

trenne, die ich nicht unbedingt brauche und auch nicht aufbewahren möchte, auch nicht für den Fall, daß ich sie eventuell einmal brauchen könnte! Dieser Aspekt ist für mich irrelevant geworden. Es kommt jetzt auch immer öfter vor, daß ich Besitz als Belastung empfinde, das heißt, ich könnte mir nicht vorstellen - und das wäre ja möglich -, in verschiedenen Teilen meines Landes oder auch auf der Welt verteilt Häuser oder Wohnungen zu besitzen. Allein der Gedanke daran macht mich nervös und unruhig. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich. Vielleicht empfinden Sie das genauso wie ich. Vielleicht befinden Sie sich in einer ähnlichen Phase des Loslassens. Es ist wie »sich Luft machen« oder »Ballast abwerfen«. Anders kann ich dieses Gefühl nicht beschreiben. Trotzdem gibt es auch unter meinen Freunden welche, die meine Ansicht oder Einstellung zu Besitz ganz und gar nicht teilen. Vor allem jene, die eine Schar Kinder um sich haben und meinen, man müsse diesen ja auch einmal genügend hinterlassen. Auch das ist

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mir recht. Jedem das Seine. Es gibt aber auch Freunde, die keine Kinder haben und immer wieder auf der Suche nach neuen Häusern und Latifundien sind. Freunde, die sich mittlerweile ein kleines Imperium geschaffen haben und ständig unterwegs sind, um eines ihrer zahlreichen Häuser zu besuchen. Auch das ist eine Art zu leben, und auch das ist absolut zu respektieren. All das gehört zu den harmlosen Auswirkungen der Besitzgier. Aber es geht auch anders, wie wir alle wissen. Es geht sogar so weit, daß mit allen Mitteln versucht wird, einem anderen seinen Besitz abspenstig zu machen, weil man ihn unbedingt haben möchte. In letzter Konsequenz führt diese Besitzgier bis zur Kriminalität. Und das ist die andere Seite der Medaille. Ich wollte das nur einmal angesprochen haben, weil man viele Dinge unbewußt gespeichert hat, aber an der Oberfläche nicht realisiert. Das heißt, ich versuche einfach, Unbewußtes bewußt zu machen, weil das meiner Meinung nach zu einer besseren Lebensqualität beiträgt. 126

Man geht dann nicht mehr mit halboffenen Augen durch die Welt, ist dadurch auch wach und neugierig und kann sich somit seine eigene Meinung bilden, weil man das nötige Gedankengut besitzt, aus dem man schöpfen kann. Es ist wie mit der Sprache: Ich kann mich nur mit den Worten ausdrücken, die ich kenne, und je geringer mein Wortschatz ist, um so weniger kann ich anderen sagen, was ich meine und möchte. Und das ist - das werden Sie zugeben - ganz bestimmt kein Vorteil. Eine ganz andere Form des »Haben-wollens« ist die Sehnsucht, eine scheue und stille Verwandte der aggressiven Gier. Sie nistet sich in unserem Inneren ein und will dort auch von niemand anderem als von uns selbst gesehen werden. Sie ist schmerzlich-schön und von zartem Gemüt. Sie konzentriert ihr Verlagen auf Menschen, die wir lieben, auf ferne Länder und Gegenden, in denen wir gern wären, auf Erlebnisse, die wir uns wünschen. Die Sehnsucht ist der sensibelste Wegbegleiter zum Ziel. Sie ist wehmütig und - wie erwähnt mitunter auch schaurig - schön. Und sie ist 127

dem Traum nicht fern. Träume sind dazu da, verwirklicht zu werden, finden Sie nicht? Zumindest, was das reale Leben betrifft. Im Gegensatz dazu spielt die unerfüllte Sehnsucht in der Weltliteratur eine große Rolle. Vielleicht schon deshalb, weil es die romantische Saite in uns Menschen zum Klingen bringt. Denken Sie nur an die zahlreichen Liebesgeschichten, die uns mit keinem Happy-End verwöhnen, wie bei Romeo und Julia oder Cyrano de Bergerac; Geschichten, in denen Liebe und Verzicht die Hauptrollen spielen. Auch die modernen Literaten und Filmemacher kommen ohne diese Form von Sehnsucht nicht aus. Offenbar tut es uns allen gut, die unerfüllten Sehnsüchte fiktiver Gestalten mitzuerleben, mitzuleiden, um die eigene Realität besser verarbeiten zu können. Ich weiß es nicht, wenn ich ehrlich sein soll, aber ich glaube, es könnte damit zusammenhängen. Und teilweise ist es ja auch so - wenn ich meine eigenen Erfahrungen betrachte und Sie vielleicht die Ihren -, daß die Sehnsucht manchmal schöner sein kann als ihre Erfüllung.

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Die umgekehrte Variante ist mir allerdings lieber. Sie beinhaltet die natürliche Steigerung bis zum Höhepunkt, und das ist dann die tatsächliche Erfüllung. Es ist ein Wohlgefühl reinster Güte, eine der wichtigsten Qualitäten im Leben. Ich bin ja davon überzeugt, daß es eine Verpflichtung ist, sich wohlzufühlen und zu genießen, was das Leben an schönen Dingen zu bieten hat. Ja, ich weiß, das ist nicht immer möglich! Aber die Summe der harmonischen Momente am Ende eines Lebens sollte größer sein als die der »unrunden« Tage. Zumindest strebe ich das an, und je älter ich werde, um so eher gelingt das auch. Das heißt, es fällt mir immer leichter - weil ich auch viel aufmerksamer geworden bin -, jedem Tag eine schöne Kleinigkeit abzugewinnen. Vielleicht gehört es ja auch zum göttlichen Plan? Wer weiß. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß dieser vorwiegend unser aller Elend auf der Welt beinhalten soll, wenn es auch manchmal den Anschein hat. Nun überlasse ich es Ihnen, sich mit der Gier, vielleicht sogar in meinem Sinne, auseinan129

derzusetzen, immer vorausgesetzt, daß Sie Lust dazu haben. Ich selbst habe Ihnen ja nur einige Beispiele aus der bunten Palette gezeigt, Beispiele, die mir im Umgang mit der Gier wichtig schienen. Natürlich habe ich nicht vergessen, daß auch die Neu-Gier dazu gehört, daß die Leidenschaft eine große Rolle spielt, im Positiven wie im Negativen. Ich denke dabei an leidenschaftliche Liebe oder an Spielleidenschaft und vieles mehr. Überlegen Sie selbst, wenn Sie wollen, welche Extremformen sich in bezug auf die Gier entwickeln können. Sie werden staunen, was Ihnen selbst dazu einfällt. Meine Denkarbeit darüber habe ich geleistet, und es sollte für Sie nur eine Anregung sein, dort weiter zu analysieren, wo ich vielleicht nur angedeutet habe. Ich glaube nämlich sehr wohl, daß es wichtig und produktiv ist, seine ganz persönliche Sicht der Dinge einfließen zu lassen, auch wenn jemand wie ich seine Gedanken für Sie ordnet; nicht weil ich so klug bin, sondern weil es mir hilft, mich weiterzuentwickeln. 130

Und im Zuge dieser Entwicklung weiß ich jetzt sehr wohl, daß vor allem was die Gier betrifft das Maßvolle angesagt ist. Was für den Neid gilt, ist auch für die Gier zutreffend: Überlegen Sie, was Ihnen die Gier langfristig bringt. Sicher nicht das große Glück und die totale Befriedigung! Schon deshalb nicht, weil die extreme Gier sich ja nicht befriedigen läßt. Aber das wissen Sie vermutlich ohnehin. Gier erzeugt noch mehr Gier - und wohin das führt, das beweist die Geschichte, und das können Sie auch im täglichen Leben beobachten. Gier macht unglücklich. Und das wollen Sie vermutlich so wenig sein wie auch ich. Egal, auf welcher Seite Sie stehen, ob Sie aktiv oder passiv von der Gier betroffen sind, Ihr ganz persönlicher Blick nach innen, ehrlich und deshalb vielleicht schmerzvoll, wird letzten Endes eine große Hilfe sein, der Gier dann und wann die Stirn zu bieten und den Weg zum inneren Gleichgewicht zu finden, falls Sie es nicht ohnehin schon längst erreicht haben.

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Sollte das bereits der Fall sein, dann gratuliere ich Ihnen von ganzem Herzen. FAZIT: Das Verhaltensmuster ist in allen Fällen von Gier gleich. Nur die Auswirkungen sind je nach dem Objekt der Gier recht unterschiedlich. Gier ist mitunter gefährlich. Für die anderen und für Sie selbst. Gier macht unglücklich!

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Glück ist Talent für das Schicksal. NOVALIS

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ZUM GLÜCK!

Ich finde, Novalis hat recht. Ich hätte mir wohl dieses Zitat sonst gar nicht ausgesucht. Seine Worte sind aber gleichzeitig auch eine Herausforderung für mich. Ich möchte dazu einiges sagen, in meinem letzten Kapitel. Ich glaube, daß das Glück so viele Gesichter hat, wie es Menschen auf dieser Erde gibt. Glück bedeutet für jeden etwas anderes, so wie jeder Mensch sein eigenes Schicksal hat, in das er selbstverständlich eingreifen kann da bin ich sicher! - und dem er nicht nur einfach ausgeliefert ist, wie der oft gehörte Seufzer: »Das ist halt Schicksal« resigniert ausdrückt. 135

Es ist nicht einfach Schicksal, Glück zu haben, und es ist schon gar nicht Schicksal zu meinen, Glück hätten immer nur die anderen. Glück ist Arbeit. Es erfordert eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben, und es scheint, daß manche Menschen das geradezu vermeiden wollen. Ihnen sei gesagt, daß sie eine Menge versäumen, womöglich sogar das Leben, das ihnen zustünde, zum Beispiel auf Grund ihrer verborgenen Talente, die sie nicht in sich suchen, dadurch auch niemals entdecken. Somit verzichten sie auch auf die gehörige Portion Glück. Denn soviel steht für mich schon fest: Das Glück ist kein breit ausgelegter weicher Teppich, über den wir leichten Fußes schlendern. Das Glück ist portioniert, und zwar für jeden. Das können Sie selbst an sich und auch in Ihrer unmittelbaren Umgebung beobachten. Achten Sie einmal darauf, und Sie werden vielleicht meiner Überlegung etwas abgewinnen können. Wenn Sie über Ihr Leben nachdenken, so 136

wird Ihnen vielleicht der eine oder andere Glücksmoment besonders stark im Gedächtnis sein, manche erlebten Glücksgefühle werden selbst in Gedanken daran noch Glücksgefühle als Nachschwingungen erzeugen, wenn das Erlebnis besonders stark war. Aber es wird sich immer nur in Momenten manifestieren, in einer Reihe von Momenten oder eben in einem winzigen Augenblick. Glück ist mit Sicherheit kein Dauergast, der sich gemütlich in Ihrem Kosmos einnistet. Glück ist ein besonderer Gast, der auf einen besonderen Empfang Wert legt, ein Gast, der auf Grund des gebotenen Ambientes entscheidet, ob er kommen möchte oder nicht. Mit anderen Worten: Sie sind derjenige, der dieses Ambiente, dieses angenehme Umfeld für den besonderen Gast bereiten muß. Und das ist die Arbeit, von der ich gesprochen habe. Sie beinhaltet das Zulassen von Licht und Liebe, von Offenheit und Erkennen, vor allem sich selbst erkennen. Und das umfaßt auch alles, worüber ich in diesem Buch geschrieben habe: den Neid, den Geiz und die Gier.

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Diese Eigenschaften gehören zweifelllos zu den menschlichen Schattenseiten und sind ein Teil unseres Lebens. Und mit ihnen muß man sich auseinandersetzen, wenn man ein bewußtes Leben führen will. Und das - so nehme ich doch an wollen Sie auch. Die Auseinandersetzung mit den genannten Eigenschaften ist, wie Sie gelesen haben, mitunter keine leichte Übung. Es ist auch nicht genußvoll, an sich selbst diese oder jene Eigenschaft zu entdecken. Im Gegenteil, es ist ziemlich unangenehm. Lustvoll wird es erst, wenn Sie die Dinge in den Griff bekommen. Und das ist eigentlich mein Anliegen. Daß es all das gibt, worüber ich geschrieben habe, daran besteht kein Zweifel. Es wäre weltfremd anzunehmen, daß das Leben nur eitel Wonne und Freude ist. Es ist wie in einer Liebesbeziehung: Niemand ist perfekt, weder Sie noch ich, noch der geliebte Partner. Es ist die leichteste Übung der Welt, die angenehmen Eigenschaften eines Menschen zu mögen, ihn dafür zu lie138

ben. Mit jenen Eigenschaften, die uns vielleicht am anderen nicht so gefallen, wird es meist schon schwieriger. Aber das ist der Punkt! Das ist die Kunst und der Weg zum Glück: die sogenannten schlechten Eigenschaften, die Unarten eines anderen akzeptieren zu lernen, damit umgehen zu können und vielleicht auch durch sanften persönlichen Einfluß diese Eigenschaften zu entschärfen. Es scheint mir ein profunder Weg zum sogenannten Glück zu sein, die eigene Einstellung zu überprüfen, nicht nur kritisch dem anderen gegenüber, sondern auch gegen sich selbst zu sein. Auch Milde dem anderen gegenüber zu entwickeln, das führt meiner Meinung und auch meiner Erfahrung nach zu Glücksmomenten in nicht geringer Zahl, zu Harmonie und Zufriedenheit. Insgesamt ein wunderbarer Zustand, ein wunderschönes Gefühl! Ein Zustand, den wohl jeder anstrebt, glaube ich. Was die persönliche Einstellung zu Gefühlen wie Neid, Gier und Geiz betrifft, vorausgesetzt, daß Sie einiges davon in sich spüren, so 139

glaube ich, daß es Energieverschwendung ist, diese Gefühle zu hegen und weiterzuentwickeln. Es lohnt sich nicht, Kraft, Zeit und Energie dahingehend zu investieren, denn das bringt Sie menschlich nicht weiter. Es fördert nicht Ihre Entwicklung, Ihr Horizont erweitert sich nicht, und die Kommunikation mit anderen Menschen wird dadurch nicht verbessert. Sie haben also nichts davon. Deshalb ist es wohl besser, diese Gefühle abzubauen, sie verkümmern zu lassen, denn Sie brauchen sie nicht. Für nichts, niemanden und niemals. Es ist zu schade um die Zeit - auch um Ihre Zeit, denn sie ist ja für jeden von uns auf dieser Welt nur begrenzt -, um sie mit unnützen, ja schädlichen- und zerstörerischen Dingen zu verbringen. Es ist sinnlos und nicht nur schade um die Zeit, sondern auch schade um Ihre Energie. Und mit Sicherheit kein Weg zu glücklichen Momenten. Anstatt Ihre Energie für sinnlose und kaum zielführende Gefühle zu verschwenden, können Sie weitaus Besseres damit anfangen,

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glauben Sie mir. Sie können, wenn Sie das wollen - und ich will das zum Beispiel immer -, um Ihr Glück kämpfen. Dazu sei gesagt, daß ich kein Anhänger des Wortes »kämpfen« bin, vor allem nicht im Zusammenhang mit Frieden, Liebe und auch Glück. Aber mir fällt einfach kein besserer Ausdruck dafür ein. Selbst das »Sich darum bemühen« oder »Sich dafür anstrengen« ist mir einfach zu schwach. Also bleibe ich bei dem Wort kämpfen, um Ihnen die Intensität des Einsatzes um das Glück anschaulich zu machen. Glück ist geballte und gezielte Energie wert. Das wunderschöne Gefühl des Glücks ist eine Wohltat für Seele und Körper. Es durchflutet uns im besten Fall von Kopf bis Fuß, sendet intensive und positive Strahlen in den kleinsten Winkel unseres persönlichen Kosmos, vermittelt allen Zellen unseres Körpers gute Nachrichten, läßt unsere Seele und unseren Geist tanzen und schweben - und mitunter auch uns selbst. Glücksgefühle und -momente - und seien sie 141

auch noch so gering - sind für unseren Organismus die beste Medizin gegen alles, was unseren Abwehrmechanismus schwächen könnte. Und dazu gehören unter anderem auch Neid, Gier, Geiz und Co. Glück ist aus meiner Sicht Stärkung für unser Immunsystem. Ich nehme an, daß Sie das auch aus eigener Erfahrung kennen. Vielleicht haben Sie es auch schon unmittelbar erlebt. Wer zum Beispiel einsam und krank darniederliegt, braucht sicher länger für seine Genesung als jemand, der von Liebe umgeben ist, umhegt und umsorgt wird. Das alles erzeugt gute Gefühle, beschert kleine oder größere Glücksmomente, die dafür sorgen, daß es einem schneller besser geht. Das Glück hat für mich eine ähnliche Konsistenz wie die Liebe: Es erzeugt Wärme im Herzen, in der Seele. Und darum bin ich davon überzeugt, daß es sich lohnt, um das Glück zu kämpfen. In aller Fairneß, aber auch mit aller Bestimmtheit. Lassen Sie sich nicht abhalten, Ihren eigenen Weg zu gehen. Verlieren Sie Ihre Ziele nicht aus den Augen, auch wenn andere meinen,

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Ihre Bemühungen würden ohnehin zu nichts führen. Leben Sie Ihr Leben! Lassen Sie sich nicht beirren in Ihren Bestrebungen, und hören Sie auf Ihre innere Stimme, auf Ihren »Bauch«, wenn Sie so wollen. Lassen Sie sich in aller Friedfertigkeit aber auch nichts gefallen! Es ist nicht Aggressivität, die Sie dazu brauchen. Im Gegenteil. Es ist die Beharrlichkeit und nicht die mit Emotionen aufgeladene Batterie, die Sie gegen andere einsetzen, falls diese Ihre Kreise stören oder Sie von Ihrem Weg abbringen wollen, von Ihrem Weg zu einem mit Glücksgefühlen bereicherten Leben. Ich habe eingangs erwähnt, wie verschieden das Glück sein kann, wie es für jeden von uns etwas anderes bedeutet. Aber wie auch immer es aussieht, in welcher Form auch immer es uns begegnet oder wie auch immer wir uns das Glück für uns selbst vorstellen - das Endergebnis ist immer ein schönes Gefühl.

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Es gibt aber auch eine Form von Glück, die man weder sucht noch anstrebt: ein Glück, das einem einfach passiert und das in seinen Ansätzen nicht einmal als solches zu erkennen ist. Ja, im Gegenteil: Zunächst einmal fühlt man sich in den Zustand der Irritation, des Ungehaltenseins versetzt. Ein Beispiel: Ich bin in meiner Tätigkeit als Fernsehmoderatorin von 3-Sat sehr oft, das heißt alle drei Wochen, von Wien nach Frankfurt geflogen. Meist ziemlich zeitig in der Früh, und das ist für mich acht Uhr. Oft genug, und das ist nichts Besonderes im heutigen Flugverkehr über Europa, mußten wir über Würzburg kreisen - sprich: in die Warteschleife -, weil man in Frankfurt nicht landen konnte. Zuviel Verkehr! Aber wie gesagt, nichts Besonderes. Besonders ärgerlich aber fand ich es, wenn ich um fünf Uhr früh aus dem Bett mußte, pünktlich am Flughafen war und dort dann eine Stunde oder länger auf den Abflug warten mußte. Das kam zwar selten vor, aber es kam vor.

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Eines Tages war es wieder einmal soweit. Ich saß geschlagene zwei Stunden in Wien in Warteposition und war ziemlich grantig. Nicht nur, daß ich länger in meinem gemütlichen Bett hätte bleiben können, versäumte ich auch noch eine wichtige Sitzung in Sachen Tagesmoderation. Und das hieß für mich, nach der Ankunft beim ZDF in ziemlicher Hektik und unter Streß den Programmablauf durchzugehen, meine Moderationen in Windeseile vorzubereiten - die diversen Sendungen im Fernsehen beginnen ja immer zu festgelegten Zeiten, wie Sie wissen, und nicht erst dann, wenn der Moderator einzutreffen geruht. Also war ich, wie man so schön sagt, ziemlich sauer. Als ich dann endlich in Frankfurt landete, war ich zunächst einmal geschockt. Dort, wo ich normalerweise nach pünktlicher Ankunft durchgegangen wäre, hatte jemand eine Bombe geworfen, während wir noch in der Luft auf dem Weg nach Frankfurt waren. Gott sei Dank hielt sich niemand in dem Raum auf. Kein Mensch wurde verletzt oder getötet. Der Sachschaden war allerdings 145

beträchtlich. Und ich habe mir nur sehr kurz vorgestellt, was geschehen wäre, wenn alle Passagiere inklusive meiner Person, pünktlich durch den betroffenen Raum gegangen wären. So war also die ärgerliche Verspätung des Flugzeuges unser aller Glück. Unvorhersehbar und von uns selbst nicht beeinflußbar. Eben eine der vielen Formen und Nuancen, in denen einem das Glück begegnen kann. Im gegenteiligen Fall, also bei pünktlichem Abflug, hätte ich Ihnen diese Geschichte vermutlich nicht erzählen können. Ich denke mir, daß auch Sie von solchen oder ähnlichen Erlebnissen berichten können. Ich nenne das »Glück im Unglück«. In meinem Leben gibt es dafür viele Beispiele. Ich könnte auch sagen: »Da hab ich noch mal Schwein gehabt«, eine volkstümliche Redewendung, die im deutschen Sprachraum sehr häufig verwendet wird und wie Sie wissen soviel bedeutet wie: Glück gehabt! Was aber hat das von mir - lebendig! - ob seiner Intelligenz sehr geschätzte Borstenvieh 146

eigentlich mit dem Glück zu tun? Und wie ist es zu dieser Redewendung gekommen? Ich habe mir so meine Gedanken gemacht, bevor ich herausfand, was es mit dem »Schwein haben« wirklich auf sich hat. Ich habe mir vorgestellt, daß dieser Begriff aus dem ländlichen, bäuerlichen Raum stammen könnte, wo »Schwein haben« vermutlich eine Art Reichtum bedeutet, denn Schwein ist Besitz, läßt sich züchten und verkaufen und steht in unseren Breiten auch auf den Speisekarten. Und das bedeutet wiederum, daß man zu essen hat. Und wer nicht hungern muß, dem geht es besser als demjenigen, der nichts auf dem Teller hat. Soweit meine Spekulationen. Tatsächlich ist es so, daß »Schwein haben« eine Art Trostpreis bedeutet: »Gerade noch Glück haben.« Die Redewendung stammt laut Duden aus dem 19. Jahrhundert und geht wohl auf den alten Schützenbrauch zurück, dem schlechtesten Schützen eine Sau als Trostpreis zu geben. Und der hat dann eben »Schwein«. Ich hatte auch einmal besonderes »Schwein«

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und war gar nicht glücklich darüber. Für eine Silvestershow im österreichischen Fernsehen sollte ich in einem hautengen ketchupfarbenen Paillettenkleid mit einem Babyschweinchen im Arm über eine Showtreppe »gleiten«. Für verschiedene andere Szenen in dieser Show probten wir etwa insgesamt zwei Wochen und hatten das Schweinchen gleich zu Beginn der Proben von einem Bauern ins Studio geholt, damit es sich an die Atmosphäre gewöhnen sollte. Ich liebe Tiere und lege großen Wert darauf, daß man ihnen nichts antut. Und so verlangte ich, daß man es dem Schweinchen so gemütlich wie möglich machte. Ein kleiner provisorischer Saustall in meiner Garderobe diente als Aufenthalt. So weit, so gut! Als wir dann die Szene mit dem Schweinchen probten, begann das Tier so erbärmlich zu quieken, daß ich vor lauter Mitleid mit dem kleinen Geschöpf kein Lächeln zustande brachte und fast die Treppe runterfiel. So ging's also wirklich nicht, es sollte ja eine lustige Show sein.

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Also hat man mir die Ohren zugestopft, und dann ging's besser. Es wurde mir auch hoch und heilig versichert, daß das Quieken nichts zu bedeuten hätte; kleine Schweine würden auch völlig grundlos vor sich hin quieken. Nach der Probe wurde das Tier wieder abgeholt und sollte am Tag der Aufzeichnung der Sendung, zwei Wochen später, wieder gebracht werden. Und so geschah es auch. Allerdings war mein kleiner tierischer Partner mittlerweile ein ziemlicher Brocken geworden, so daß ich ihn kaum tragen konnte. Aber was half's? The show must go on! Und so schleppte ich mit mehr oder weniger angestrengtem Gesicht das schwere »Baby« über die Treppe und hätte fast die Szene geschmissen. Einziger Vorteil: Das halbstarke Schweinchen war diesmal ganz still, hat die Show sehr genossen und zum Abschied noch meine große Zehe angeknabbert. Also von »Schwein gehabt« und damit »Glück« kann in diesem Fall nicht die Rede sein. Soviel zu einigen meiner persönlichen Begegnungen mit dem Glück. 149

Ein interessantes Phänomen in Sachen Glück ist mir auch wieder einmal bei meinen sprachlichen Hobby-Recherchen untergekommen. Ich weiß nicht, ob ich es erwähnt habe, aber es macht mir Spaß, in verschiedenen Sprachen die korrespondierenden Begriffe mit der deutschen Sprache zu vergleichen, wie zum Beispiel in diesem Fall und für dieses Kapitel den Begriff »Glück« in der englischen, französischen und italienischen Sprache. Dabei habe ich herausgefunden, daß es für uns in der deutschen Sprache nur ein Wort für Glück gibt, eben Glück! Anders bei den Romanen. So haben die Franzosen zum Beispiel, soviel ich weiß, etwa sechs oder sieben Wörter für Glück, wie »le bonheur« oder »la fortune«, um nur einige zu nennen. Auch die Italiener haben mehr als ein Wort für Glück parat. Und in den USA und in England gibt's zumindest »happy« und »lucky«. Welchen Schluß ich daraus ziehe? Das will ich Ihnen gerne sagen: Ich komme zu keinem Schluß. Aber ein paar Überlegungen gehen

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mir schon durch den Kopf. Wenn eine bestimmte Sache sich in großer Vielfalt präsentiert, so kann man doch von einem gewissen Reichtum sprechen - oder finden Sie nicht? Heißt das jetzt, daß zum Beispiel die Franzosen ein facettenreicheres Glück erleben können als wir in Österreich, in Deutschland oder in der Schweiz? Oder hat eine Sache nicht mehr Gewicht, wenn sie einmalig ist und nicht aufgesplittert in viele Details? Ist sie dann nicht ernsthafter, profunder? Ich sage Ihnen, ich weiß es nicht, aber es ist ein interessantes Gedankenspiel, zumindest für mich. Ich wollte es Ihnen nicht vorenthalten, falls auch Sie Spaß an derartigen Gedankenspaziergängen haben. Ich glaube, es ist dem Glück egal, in welcher Gegend, auf welchem Kontinent oder Planeten Sie zu Hause sind oder wie viele Wörter Sie dafür in Ihrer Sprache haben. Wichtig ist nur, daß Sie »bei sich«, mit sich zu Hause sind, dann wird es sich gern einstellen. Ich habe bereits erwähnt, daß niemand von 151

uns perfekt ist, niemand frei von Fehlern, Unarten und schlechten Angewohnheiten. In jedem von uns existiert auch alles - mehr oder weniger -, was es an guten und schlechten Eigenschaften gibt, an Unzulänglichkeiten, Talenten, Sehnsüchten, an Wünschen usw. Aber was man daraus macht, das ist das Entscheidende. Es ist für uns alle die große Chance, unser Talent für das Schicksal zu entdecken und zu entwickeln. Das gibt uns allen etwas zu tun. Mit uns selbst, in uns selbst und miteinander. Und ich halte das für ein Glück, auf diese Art beweglich zu bleiben, vor allem im Geist. Denn das ist es, was von uns bleibt; unauslöschlich vermerkt im großen Buch der Menschheit. Die vielen Nuancen Ihres persönlichen Glücks können Sie für sich selbst bestimmen, wenn Sie sich selbst bestimmen, analysieren können - wenn Sie sich einmal kennengelernt haben. Falls Sie auf dem Weg dahin sind, dann gratuliere ich Ihnen.

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Falls Sie bereits das Stadium des Loslassens erreicht haben - für mich die höchste Stufe des Glücks -, dann freue ich mich von ganzem Herzen und bin glücklich darüber, daß es Sie gibt. Denn das Loslassen, das ist auch Befreiung von Neid, Gier, Geiz und Co. Es ist alles, was uns Menschen ausmacht, ob gut oder schlecht, in jedem von uns vorhanden. Aber Sie haben es in der Hand, damit höchstpersönlich, höchst individuell in einer Form umzugehen, die Sie nicht so leicht aus dem Gleichgewicht bringt wie die Frustrierten, die Unzufriedenen unter uns. Ihre persönliche Kreativität, Phantasie und Beweglichkeit des Geistes beschert Ihnen mehr angenehme Stunden und Tage als unangenehme.

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FAZIT:

Glück ist Arbeit. Glück braucht ein gepflegtes Ambiente. Glück ist individuell. Glück ist niemals Dauergast. Glück muß man einfach genießen. Glück stärkt die Abwehrkräfte.

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ZUM SCHLUSS

Fast wehmütig verabschiede ich mich von Ihnen. Meine schriftlichen Betrachtungen über das Leben sind hiermit zu Ende. Meine Gedankenübungen und Beobachtungen gehen jedoch weiter. Solange es mich geben wird und solange mein Geist wach bleibt. Wach für alles, was rund um mich und mit mir geschieht. Das wünsche ich mir und auch Ihnen. Es ist sehr lehrreich für mich, meine Gedanken wieder einmal auf dem Papier zu sehen. Wie immer ist es eine Art Therapie, mich schriftlich mit mir selbst und dem Leben aus-

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einanderzusetzen. Vielleicht können Sie davon profitieren, von irgendeiner Betrachtungsweise etwas für sich gewinnen. Es würde mich freuen. Ich werde manchmal bei Lesungen meines ersten Buches gefragt, wo denn Gott in meinen Schriften bliebe? Vielleicht fragen Sie sich das auch nach der Lektüre dieser Zeilen. Ich sage Ihnen: Er ist ohnehin immer da. Ich muß ihn nicht zwischen zwei Buchseiten pressen, damit Sie ihn sehen. Er ist in uns, weil er uns nach seinem Vorbild geschaffen hat - und darum ist er so wie wir, nur noch viel mehr. Soviel mehr, daß wir ihn nicht erklären können. Deshalb ist er auch Gott. Egal, wie Sie ihn nennen. Und deshalb möchte ich Ihnen zum Abschluß noch eine Geschichte erzählen, die ich gern und immer wieder erzähle. Diese Geschichte ist nicht von mir, aber sie wurde mir vor langer Zeit von einem alten Mann in Jamaika erzählt. Ich finde sie so schön, daß ich sie am liebsten allen Menschen erzählen würde. Sie stammt, soviel ich weiß,

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von einem brasilianischen Dichter. Und hier ist sie: Ein Mensch machte einen Spaziergang am Strand, an der Seite Gottes. Beider Schritte zeichneten hinter ihnen eine doppelte Fußspur in den Sand. Der Mensch drehte sich um und hatte plötzlich eine Vision: Er erkannte, daß jeder dieser Schritte ein Tag seines Lebens war. Zwischendurch, an einigen Stellen sah er aber nur eine statt zwei Fußspuren. Und er wußte sofort: Das waren die schwersten Tage seines Lebens. Tage der Angst und Unsicherheit, Tage der Prüfung und des Zweifels. Es waren die unerträglichen Tage, an denen er sich selbst als unerträglich empfunden hatte. Der Mensch wandte sich vorwurfsvoll an Gott: »Du hast doch versprochen, alle Tage mit uns zu sein. Warum hast du mich in den schlimmsten Momenten meines Lebens allein gelassen? An Tagen, an denen ich dich am meisten gebraucht hätte?« Und Gott antwortete: »Mein Freund! An den Tagen, an denen du nur eine Fußspur im Sand siehst, an diesen Tagen habe ich dich getragen.« 157

Ich wünsche Ihnen ein gesundes und zufriedenes Leben. Ich wünsche Ihnen das Leben, das Sie sich wünschen.

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