146 11 29MB
German Pages 590 [576] Year 2005
Kapitalmarkt, Unternehmensfinanzierung und rationale Entscheidungen
Wolfgang Kürsten Bernhard Nietert Herausgeber
Kapitalmarkt, Unternehmensfinanzierung und rationale Entscheidungen Festschrift für Jochen Wilhelm
123
Professor Dr. Wolfgang Kürsten Friedrich-Schiller-Universität Jena Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbes. Finanzierung, Banken und Risikomanagement Carl-Zeiss-Straße 3 07743 Jena E-mail: [email protected] Privatdozent Dr. Bernhard Nietert Universität Passau c/o Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Finanzierung Innstraße 27 94032 Passau E-mail: [email protected]
Mit 56 Abbildungen und 22 Tabellen
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN-10 3-540-27691-2 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-27691-3 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: Erich Kirchner Herstellung: Helmut Petri Druck: Strauss Offsetdruck SPIN 11524830
Gedruckt auf säurefreiem Papier – 43/3153 – 5 4 3 2 1 0
Vorwort der Herausgeber
Die moderne Finanzierungstheorie hat in den letzten 50 Jahren eine stürmische Entwicklung genommen. Sie beginnt bei den klassischen Fragen der Portfolio Selection, der optimalen Kapitalstruktur und des Finanzmanagements der Unternehmung, reicht weiter über die Preisbildung auf arbitragefreien Kapitalmärkten und das Problem asymmetrisch verteilter Information in Finanzkontrakten, und „endet" gegenwärtig mit einer Vielzahl von aktuellen Forschungsgebieten, die teilweise eher Weiterentwicklungen von Bestehendem darstellen, teilweise aber auch neue Sichtweisen innerhalb des Faches „Finance" begründet haben. Zur ersten Kategorie dürfen wohl die Bewertung von Finanzderivaten, der Bereich des Corporate Finance oder das Financial Engineering gerechnet werden, während Modelle zur Marktmikrostruktur, die Theorie der Finanzintermediation oder der Ansatz des Behavioral Finance eher der zweiten Gruppe aktueller Forschungsgebiete angehören. In jüngerer Zeit treten auch zunehmend wieder Fragen der finanziellen Unternehmensführung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die Messung und Steuerung bank- und versicherungstypischer Risiken im Kontext regulatorischer Erfordernisse (Basel II, Solvency II) ist hierfür ebenso ein Beispiel wie die aktuelle polit-ökonomische Diskussion um das Shareholder Value-Prinzip und die Implikationen einer kapitalmarktorientierten Unternehmenssteuerung im Zeitalter der Globalisierung. Das Erklärungspotenzial des finanzierungstheoretischen Instrumentariums lässt sich schließlich dort beobachten, wo sich das Fach Problemstellungen zuwendet, die in Deutschland traditionell eher unter dem Blickwinkel anderer betriebswirtschaftlicher Teildisziplinen betrachtet werden. Ein aktuelles Beispiel für diese Entwicklung sind Fragen der wertorientierten Unternehmenssteuerung und der Unternehmensbewertung, denen in der Vergangenheit gerne das Augenmerk des Controlling oder des externen Rechnungswesens zuteil wurde, obwohl bei der Steuerung und Bewertung eines intertemporal-stochastischen und über Finanztitel am Kapitalmarkt handelbaren Zahlungsstromes „Unternehmen" eigentlich genuin finanzierungstheoretische Instrumentarien benötigt werden.
VI
Vorwort der Herausgeber
Jochen Wilhelm, der am 2. Oktober 2005 seinen 60. Geburtstag feiert, hat zu vielen Facetten der modernen Finanzierungstheorie beigetragen. Er studierte zunächst Mathematik und Volkswirtschaftslehre an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und war dann als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften (Bankseminar) der Universität Bonn bei Hans-Jacob Krümmel tätig. Dort erfolgten Promotion und Habilitation in Betriebswirtschaftslehre mit Arbeiten zu verallgemeinerten Lösungsprinzipien von Entscheidungsproblemen mit mehrfacher Zielsetzung sowie zur Kapitalmarkttheorie und Rationalität von Finanzentscheidungen der Unternehmung. Im Jahre 1984 wurde Jochen Wilhelm auf den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Finanzierung an der Universität Passau berufen, den er bis heute innehat. Rufe an die Universität GHS Siegen sowie an die Universität Bonn lehnte er ab. Mit der ihm eigenen Zurückhaltung und Bescheidenheit hat es Jochen Wilhelm stets vermocht, den Bück von Zuhörern und Lesern unvoreingenommen auf das fachlich Wesentliche zu lenken und seinem Umfeld konstruktive und fruchtbare Impulse zu geben. Sein Rat als akademischer Lehrer, Autor, Gutachter und Herausgeber wissenschaftlicher Beiträge sowie in fachlichen Diskussionen und Vorträgen bleibt gefragt. Kollegen, Freunde und Schüler sind ihm hierfür zu Dank verpflichtet und widmen ihm anlässlich seines Geburtstages die vorliegende Festschrift. Sie enthält 27 wissenschaftliche Artikel zu den verschiedensten Fragen der Finanzierungstheorie, der rationalen Entscheidungen an Kapitalmärkten sowie der finanziellen Unternehmenssteuerung, in denen an vielen Stellen der Beitrag des Jubilars zur Entwicklung des Faches sichtbar wird. Die Herausgeber haben die Festschrift in vier Themenkomplexe gegliedert, die sich von „klassischen" Problemstellungen, wie etwa der Portfolio Selection, dem Hedging mit Finanzderivaten oder den Faktormodellen der Kapitalmarkttheorie bis hin zu „aktuellen" Fragen, wie beispielsweise der anreizkompatiblen Kreditrisikomessung im Kontext von Basel II, der Theorie des Shareholder Value-Prinzips oder der Bewertung fondsgebundener Lebensversicherungen spannen. Die vier Themengebiete haben in den Arbeiten von Jochen Wilhelm immer wieder eine Rolle gespielt; die Gliederung der Festschrift hat sich insoweit an sein (Euvre angelehnt. Der erste Themenkomplex „Portfolio Selection und Anlageentscheidungen in Finanzmärkten" beginnt mit dem Beitrag „Treffen Investoren mit konstanter relativer Risikoaversion auch im Buy-and-Hold-Kontext myopische Portfolioentscheidungen" von Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp. Die Autoren nehmen eine vergleichende Betrachtung des Anlageerfolgs von Buy-and-Hold-Strategien und Umschichtungs-Strategien für Anleger mit konstanter relativer Risikoaversion (CRRA) vor; dabei erweisen sich Umschichtungs-Strategien als überlegen, womit nach Ansicht der Verfasser erklärt werden könne, weshalb Buy-and-Hold-Strategien bei Samuelson regelmäßig keine Erwähnung finden. Der Beitrag „Faktorstruktur und Marktmodelle" von Stefan Huschens befasst sich mit der häufig ungenügen-
Vorwort der Herausgeber
VII
den Trennschärfe hinsichtlich des Faktorbegriffs sowie der Ein- und MehrFaktormodelle in der Kapitalmarkttheorie. Huschens identifiziert vier Grundtypen von Faktoren und zeigt ihre Verbindung zur Statistik sowie zum Capital Asset Pricing Model (CAPM). Peter Steiner beschäftigt sich in seiner Abhandlung „Effiziente Portefeuillestrukturen: Von Harry Markowitz zur Kapitalmarktlinie" mit den wesentlichen Kenngrößen der klassischen Portfolio Selection. Er arbeitet die Bedeutung des global varianzminimalen Portfolios und der inversen Varianz-Kovarianz-Matrix zur Bestimmung optimaler Portfolios mit beliebigem Umfang heraus. Gerhard Speckbacher untersucht in dem Beitrag „Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung" die Bedeutung von Gleichheitsnormen für intertemporale Nutzenmaximierungsprobleme. Insbesondere lässt sich das Prinzip der nachhaltigen Planung als intertemporale Gleichheitsbedingung motivieren und für die Finanzanlageplanung nutzbar machen. Abgeschlossen wird der erste Themenkomplex mit dem Beitrag „Zur Makrostruktur von Finanzmärkten - Börsen als Finanzintermediäre im Wettbewerb" von Andreas Oehler, Der Autor identifiziert Börsen als Finanzintermediäre im weiteren Sinne und arbeitet den Netzwerkeffekt der Liquidität als wesentlichen Erfolgsfaktor heraus, der von „markt- vs. intermediärsbasierten" Finanzsystemen je nach der rechtlich-wirtschaftlichen Unabhängigkeit ihrer Intermediäre unterschiedlich effizient bereitgestellt wird. Den zweiten Themenkomplex „Messung und Steuerung von Risiken" eröffnen Christoph Kaserer und Niklas Wagner mit ihrem Beitrag „Zur Messung von Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments". Sie beschäftigen sich mit dem Problem der Schätzung von Verteilungsparametern bei fehlendem liquiden Sekundärmarkt und schlagen vor, die nicht direkt beobachtbaren Wertprozesse von Private Equity-Investments „trägheitsadjustiert" aus den veröffentlichten Buchwerten von Venture Capital Fonds zu entnehmen. Hermann Locarek-Junge und Christiane Buch diskutieren in ihrem Beitrag „Sind Bankenrisiken messbar?", inwieweit die Marktpreis-, Kredit- und operationeilen Risiken der Kreditinstitute einheitlich über den Value-at-Risk (VaR) erfasst werden können. Sie kommen zu dem für die Bankpraxis ernüchternden Ergebnis, dass insbesondere die Quantifizierungsproblematik bei den Diversifikationseffekten zwischen den drei Risikokategorien einer einheitlichen Verwendung von VaR-Konzepten entgegensteht. Marco Wilkens, Hendrik Scholz und Oliver Entrop präsentieren den Beitrag „Performancemessung und Kapitalallokation im Handelsbereich einer Bank - zur Marktphasenabhängigkeit von RORAC und RAROC". Die Autoren problematisieren die systematische Reagibilität risikoadjustierter Rentabilitätskennzahlen bei fallenden bzw. steigenden Märkten und schlagen vor, zur Vermeidung von Fehlsteuerungen auf „normalisierte" RORAC- und RAROC-Maße überzugehen. Günter Franke verfolgt in dem Beitrag „Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken" das Ziel, myopische Absicherungspolitiken für Export unternehmen zu identifizieren, die ohne Vorgabe einer konkreten Nutzenfunktion auskommen. Unter der Annahme eines Ornstein- Uhlenbeck-Plozesses für den realen Wechselkurs kann der Verfasser zeigen, dass ein auf kurzfristige Devisenterminkon-
VIII
Vorwort der Herausgeber
trakte angewiesenes Unternehmen eine einfache deltaneutrale Absicherungspolitik betreiben wird. Jack Wahl und Udo Broll untersuchen in dem Beitrag „Dynamisches Hedging" die Reichweite des Full-Hedge-Theorems diskreter Modellierungen für zeitstetige intertemporale Konsum- und Hedgingprobleme von Anlegern. Dabei können sie im Fall perfekt korrelierter Kursrisiken die Robustheit des Füll Hedge nachweisen, während sich bei vorhandenem Basisrisiko die intertemporale Konsum-Strategie des Anlegers nachhaltig ändert. Schließlich beschäftigt sich Wolf gang Kürsten in seinem Beitrag „Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung - mehr Fragen als Antworten" mit der Rolle von Hedging im Kontext des Shareholder ValuePrinzips. Nach der entscheidungstheoretischen Identifikation des kontextspezifischen Risikomaßes erweisen sich die aus dem Schrifttum bekannten Hedgingmotive als wenig tragfähig, was nach Ansicht des Autors die eher grundlegende Frage aufwirft, inwieweit Risikomanagement bei aktionärsorientierter Unternehmensführung überhaupt eine zielorientierte unternehmerische Aufgabe darstellt. Der dritte Themenkomplex „Asymmetrisch verteilte Information" beginnt mit einem Beitrag von Thomas Hartmann-Wendeis zum Thema „Anreizkompatible Kreditrisikomessung" im Kontext der Eigenmittelunterlegungsnormen von Basel IL Anhand einer speziellen Modellierung von Ratingklassen wird gezeigt, dass Banken zu einem wahrheitsgemäßen Rating motiviert werden können, wenn die Bankenaufsicht einen antitonen Zusammenhang zwischen der Rating-Zuordnung und dem nominalen Kreditzins vorschreibt. Rolf Bahner und Susanne Krenn legen in „Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen" eine empirische Untersuchung zum Ankündigungsverhalten von Unternehmen bei finanziellen Restrukturierungen vor. In einer Stichprobe der Meldungen von DAX 100 Unternehmen aus den Jahren 19912001 finden sie Evidenz für die Hypothese, dass vor allem neu berufene Vorstandsvorsitzende und Manager erfolgreicher Unternehmen eine glaubwürdige Kommunikationspolitik bevorzugen und keine Informationszurückhaltung zum Schutz der eigenen Wettbewerbsposition verfolgen. Hans Hirth^ Reno Basner^ Axel Cunow, Hans-Markus Callsen-Bracker und Sven Reichardt diskutieren in ihrer Abhandlung „Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt" ausgewählte Literaturbeiträge zur Unternehmenskontrolle bei heterogener Eigentümerstruktur. Zur Überwindung des Free Rider-Problems wird dort gerne die Existenz eines Großaktionärs empfohlen, mit dem aber Nebenwirkungen in Bezug auf die Risikoallokation sowie die Informationsproduktion und daher möglicherweise Fehlanreize für das Management verbunden sind. Peter Nippel geht in seinem Beitrag „Marktwertmaximierung im Rahmen von Kapitalerhöhungen bei ineffizientem Kapitalmarkt" der Frage nach, welche Auswirkungen Fehlbewertungen beim Aktienkurs auf das „Equity MarketTiming" von Managern haben. Der Verfasser entwickelt ein Modell, mit dem das gezielte Ausnutzen von Fehlbewertungen bei einer Kapitalerhöhung mit oder ohne Bezugsrecht beschrieben werden kann. Der Beitrag „Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information: ein didaktisch einfacher Zugang"
Vorwort der Herausgeber
IX
von Thomas Braun behandelt ebenfalls die Frage der geeigneten Finanzierungsform bei Vorliegen von Informationsvorteilen auf Seiten der internen Eigentümer. Für die Frage eines möglichen Verzichts auf rentable Neuinvestitionen im Sinne von Myers erweist sich als entscheidend, inwieweit bis zur Ankündigung der Kapitalerhöhung ein einheitlicher Informationsstand zwischen Alt- und Neuaktionären vorliegt. Thomas Schildbach widmet sich in dem Beitrag „Der Erfolg im Rahmen der internationalen Rechnungslegung konzeptionelle Vielfalt bei der Information des Kapitalmarkts" der Informationsaufgabe von Jahrsabschlüssen nach lAS/IFRS. Er arbeitet heraus, dass Jahresabschlüsse nach lAS/IFRS Lücken beim Vermögensausweis sowie Inkonsistenzen bei der Darstellung von Vermögensänderungen aufweisen und ihren Informationsaufgaben gegenüber Externen kaum hinreichend gerecht werden. Bernd Rudolph und Florian Haagen beschäftigen sich in ihrem Beitrag „Die Auswirkungen institutioneller Rahmenbedingungen auf die Venture Capital-Finanzierung in Deutschland" mit den institutionellen Unterschieden zwischen dem angelsächsischen und dem deutschen Venture Capital (VC)Markt. Die Autoren identifizieren landesspezifische Informationsasymmetrien und Vertragselemente der VC-Märkte und gehen insbesondere der Frage nach, ob sich Ursachen für die bislang vergleichsweise geringere Performance der VC-Industrie in Deutschland ausmachen lassen. Werner Neus untersucht in dem Beitrag „Kreditverträge, Vergleiche und Kredit Sicherheiten" die Robustheit eines Literaturresultats von Bester, wonach die Wahrscheinlichkeit der Einbeziehung von Kreditsicherheiten positiv von der Höhe des Projektrisikos abhängt, wenn der Kreditnehmer bei betrügerischem Verhalten mit harten Vertragsstrafen rechnen muss. Er weist nach, dass sich das Ergebnis unter einem Regime schwächerer Vertragsstrafen und kontextadäquater Risikomodellierung umkehrt, eine Schwäche agencytheoretischer Modelle, auf die Kürsten in ähnlichem Zusammenhang verschiedentlich hingewiesen hat. In eine vergleichbare Richtung geht der Beitrag „Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen: pragmatisch oder beliebig?" von Ralf Trost Er kommt zu dem Schluss, dass sowohl die additive Separierbarkeit von Anstrengung und Entlohnung in Nutzenfunktionen als auch die monetäre Messbarkeit des Arbeitsleids für sich genommen akzeptable Annahmen zur Komplexitätsreduktion darstellen, in Kombination theoretisch aber nicht mehr zu rechtfertigen sind. Eric Theissen testet in seinem Beitrag „Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel" für den deutschen Aktienmarkt empirisch die Vermutung, dass Makler ihre privilegierte Informationslage in Bezug auf die Identität ihres Transaktionspartners zu Lasten der Anleger ausnutzen könnten. Die Ergebnisse anhand von Daten des Frankfurter Parketthandels bestätigen die Hypothese, lassen aber keine Aussage darüber zu, ob ein Markt mit Maklerbeteiligung einem ansonsten identischen Auktionsmarkt ohne Maklerbeteiligung vorzuziehen ist. Den vierten Themenkomplex „Bewertung" eröffnet Bernhard Nietert mit dem Beitrag „Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien - eine bewertungstheoretische Annäherung". Der Autor präsentiert
X
Vorwort der Herausgeber
einen quantitativen Ansatz, der die Bewertung von Unternehmenszukäufen in Abhängigkeit der Wert-Treiber „Größe des Zukaufs" und „Verwandtschaftsgrad zum bisherigen Unternehmen" gestattet. Auch Harald Dyckhoff beschäftigt sich in seinem Beitrag „Semi-subjektive Unternehmensbewertung aus deskriptiv-entscheidungstheoretischer Sicht" mit der theoretischen Fundierung der Unternehmensbewertung. Ausgangspunkt ist die jüngst entstandene Kritik an der entscheidungstheoretischen Basis der Sicherheitsäquivalentmethode, die er um den Bezug zu einer Referenzalternative und in Anlehnung an einen präferenziellen Rahmen von Diedrich erweitert. In dem Beitrag „Derivatebewertung mit dem LIBOR-Marktmodell" von Matthias Muck und Markus Rudolf steht das Zinsmodell von Miltersen, Sandmann und Sondermann im Mittelpunkt, das als LIBOR-Marktmodell in die Literatur eingegangen ist. Die Verfasser demonstrieren die Anwendbarkeit des Modells bei der Bewertung von Zins-Caps. Markus Starck und Siegfried Trautmann beschäftigen sich in dem Artikel „Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung" mit der Bewertung von Credit Default Swaps; der Risikokäufer verpflichtet sich hier im Austausch gegen eine vereinnahmte Prämie, dem Risikoverkäufer bei Ausfall des Referenztitels eine Ausgleichszahlung zu leisten. Die Autoren untersuchen in einer Fallstudie, wie sich verschiedene Modellierungen des den Ausfallzeitpunkt bestimmenden Hazardprozesses auf die Bewertung von Credit Default Swaps in Reduktionsmodellen auswirken. Manfred Steiner und Bernhard Brunner wenden in ihrem Beitrag „Marktgerechte Bewertung von Power-Optionen" die Technik der marktgerechten Bewertung mittels impliziter Wahrscheinlichkeitsmaße auf pfadunabhängige PowerOptionen an. Einen Vergleich mit den auf Basis impliziter Volatilitäten bestimmten Black/Scholes-Fieisen zeigt, dass die relativ neue Technik bei einfachen Power-Optionen zu deutlichen Preisunterschieden führt. Der Beitrag „Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen" von Klaus Sandmann beinhaltet schließlich eine theoretische Betrachtung fondsgebundener Versicherungsverträge und der ihnen innewohnenden finanziellen Risiken. Die Integration versicherungstechnischer mit Marktrisiken erfordert hier die Verbindung des versicherungstechnischen Prämienprinzips mit dem Prinzip der arbitragefreien Bewertung und weist insbesondere optionspreistheoretischen Methoden eine wichtige Rolle zu. Wir wünschen den Lesern des Buches viel Freude bei der Lektüre der einzelnen Beiträge und hoffen, dass sie sie zu eigenen Überlegungen anregen werden. Am Jenaer Lehrstuhl haben Andreas Krostewitz mit perfektem Projektmanagement und großem Engagement, Stefan Hauke mit aufwendiger und sehr sorgfältiger technischer Umsetzung sowie Haike Basier im Sekretariat mit ihrer vielfältigen Unterstützung wesentlich dazu beigetragen, dass die Festschrift in der gebotenen zeitlichen Stringenz entstehen konnte. Wolf gang Boffo von der Dr. Peter & Company AG, Norbert Gritzmann von der FACT Unternehmensberatung GmbH, Engelbert Götz vom IKF - Institut für Kapitalmarktforschung und Finanzmarketing, Stefan Kleine-Depenbrock von der cash.life AG sowie Michael Kozikowski von der KPMG Bayerische Treuhand-
Vorwort der Herausgeber
XI
gesellschaft haben sich an der Finanzierung des Buches ebenso beteiUgt wie die WirtschaftswissenschaftUche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Martina Bihn und der Springer-Verlag haben keinen Moment gezögert, die Festschrift in das Verlagsprogramm aufzunehmen. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Unserem akademischen Lehrer danken wir für die vermittelten wissenschaftlichen Werte, die gewährte akademische Freiheit und manchen guten fachlichen und persönlichen Rat. Im Namen aller seiner Freunde und Kollegen wünschen wir ihm für die Zukunft Gesundheit und Schaffenskraft. Uns selbst wünschen wir, dass Jochen Wilhelm seine Freunde und Schüler auch weiterhin im Juli zur wissenschaftlichen Diskussion in seine Passauer Finanzwerkstatt und zum traditionellen Lehrstuhlausflug mit geselligem Beisammensein einladen wird.
Jena / Passau Im Juni 2005
Wolf gang Kürsten Bernhard Nietert
Inhaltsverzeichnis
Teil I Portfolio Selection u n d Anlageentscheidungen in Finanzmärkten Treffen Investoren mit k o n s t a n t e r relativer Risikoaversion auch im B u y - a n d - H o l d - K o n t e x t myopische Portfolioentscheidungen? Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner, Michael Krapp
3
Faktorstruktur und Marktmodelle Stefan Huschens
15
Effiziente Portefeuillestrukturen: von H a r r y Markowitz zur Kapitalmarktlinie Peter Steiner
35
Zur R a t i o n a l i t ä t des P r i n z i p s der nachhaltigen P l a n u n g Gerhard Speckbacher
57
Zur M a k r o s t r u k t u r von F i n a n z m ä r k t e n — Börsen als F i n a n z i n t e r m e d i ä r e im W e t t b e w e r b Andreas Oehler
75
Teil I I M e s s u n g u n d S t e u e r u n g von Risiken Zur M e s s u n g von R e n d i t e u n d Risiko bei P r i v a t e Equity-Investments Christoph Kaserer, Niklas Wagner Sind Bankenrisiken m e s s b a r ? Hermann Locarek-Junge, Christiane Buch
95 109
XIV
Inhaltsverzeichnis
P e r f o r m a n c e m e s s u n g u n d Kapitalallokation im Handelsbereich einer B a n k — zur M a r k t p h a s e n a b h ä n g i g k e i t von R O R A C u n d R A R O C Marco Wilkens, Hendrik Scholz, Oliver Entrop
129
Präferenzfreie S t r a t e g i e n z u m Absichern von Wechselkursrisiken Günter Franke
149
Dynamisches Hedging Jack Wahl, Udo Broll
169
Risikomanagement und aktionärsorientierte U n t e r n e h m e n s s t e u e r u n g - m e h r Fragen als A n t w o r t e n Wolfgang Kürsten
179
Teil I I I A s y m m e t r i s c h verteilte Information Anreizkompatible Kreditrisikomessung Thomas Hartmann- Wendeis
207
Veröffentlichungsverhalten Restrukturierungen Rolf Hühner, Susanne Krenn
223
bei finanziellen
Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt Hans Hirth, Reno Basner, Axel Cunow, Hans-Markus Callsen-Bracker, Sven Reichardt
245
M a r k t w e r t m a x i m i e r u n g im R a h m e n von K a p i t a l e r h ö h u n g e n bei ineffizientem K a p i t a l m a r k t Peter Nippel
271
Beteiligungsfinanzierung bei a s y m m e t r i s c h e r Information: ein didaktisch einfacher Zugang Thomas Braun
291
D e r Erfolg im R a h m e n der i n t e r n a t i o n a l e n Rechnungslegung konzeptionelle Vielfalt bei d e r Information des K a p i t a l m a r k t s Thomas Schildbach
311
Die A u s w i r k u n g e n institutioneller R a h m e n b e d i n g u n g e n auf die V e n t u r e C a p i t a l - F i n a n z i e r u n g in D e u t s c h l a n d Bernd Rudolph, Florian Haagen
329
K r e d i t v e r t r ä g e , Vergleiche u n d K r e d i t s i c h e r h e i t e n Werner Neus
353
Inhaltsverzeichnis
XV
Die Modellierung des „ A r b e i t s l e i d s " in P r i n c i p a l AgentModellen: p r a g m a t i s c h o d e r beliebig? Ralf Trost
377
Intermediation und Informationsasymmetrie Aktienhandel Erik Theissen
393
beim
Teil I V B e w e r t u n g Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien — eine b e w e r t u n g s t h e o r e t i s c h e A n n ä h e r u n g Bernhard Nietert
411
Semi-subjektive U n t e r n e h m e n s b e w e r t u n g aus deskriptiventscheidungstheoretischer Sicht Harald Dyckhoff
437
D e r i v a t e b e w e r t u n g mit d e m L I B O R - M a r k t m o d e l l Matthias Muck, Markus Rudolf
453
Reduktionsmodelle zur Kreditderivatebewertung Markus 0. Starck, Siegfried Trautmann
473
M a r k t g e r e c h t e B e w e r t u n g von P o w e r - O p t i o n e n Manfred Steiner, Bernhard Brunner
493
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- u n d Rentenversicherungen Klaus Sandmann
519
Anhang Kurzlebensläufe der A u t o r e n
555
Verzeichnis der Veröffentlichungen von J o c h e n W i l h e l m
569
Teill
Portfolio Selection und Anlageentscheidungen in Finanzmärkten
Treffen Investoren mit konstanter relativer Risikoaversion auch im Buy-and-Hold-Kontext myopische PortfoHoentscheidungen? Günter Bamberg^, Gregor Dorfleitner^ und Michael Krapp^ ^ Universität Augsburg, Institut für Statistik und Mathematische Wirtschaftstheorie, D-86135 Augsburg [email protected] michael.krappQwiwi.uni-augsburg.de ^ Wirtschaftsuniversität Wien, Institut für Finanzierung und Finanzmärkte, Nordbergstraße 15, A-1090 Wien gregor.dorfleitnerQwu-wien.ac.at
Gliederung 1
Einführung
4
2
Planungshorizont-Abhängigkeit im Portfolio-Kontext
5
3
Umschichtungs- versus Buy-and-Hold-Strategie
9
3.1
Strategievergleich für risikoneutrale Investoren
9
3.2
Strategievergleich für risikoaverse Investoren
10
4
Abschließende Bemerkungen
11
A
Anhang
12
A.l Vorüberlegung A.2 Beweis von Satz 1 Literaturverzeichnis
12 13 13
4
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp
1 Einführung Untersuchungen über Kapitalmärkte lassen sich zum einen danach gliedern, ob sie primär theoretisch oder empirisch orientiert sind. Zum anderen kann man sie untergliedern in präferenzabhängige und präferenzfreie Ansätze. Bei Letzteren wird von perfekten, arbitragefreien und vollständigen Kapitalmärkten ausgegangen; das Hauptinteresse gilt, wie zum Beispiel bei Wilhelm (1981), (1985), (2002), der präferenzfreien Bewertung von Derivaten oder von ganzen Unternehmungen. Sobald Kapitalmärkte nicht die für eine präferenzfreie Bewertung erforderlichen Eigenschaften besitzen, bleibt auch nach ausgeklügelten Hedging-Aktivitäten noch ein Restrisiko übrig,^ das präferenzabhängig behandelt werden muss. Die vorliegende Untersuchung ist bezüglich der oben verwendeten zweifach dichotomen Klassifikation dem Segment „theoretisch und präferenzabhängig" zuzuordnen. Ein Investor handelt per definitionem myopisch (kurzsichtig), wenn die in jeder Periode getroffene Portfolioentscheidung unabhängig von seinem Planungshorizont T ist. Eine weit verbreitete Ansicht ist, dass Investoren mit konstanter relativer Risikoaversion (CRRA) generell myopisch entscheiden. Wie P, A. Samuelson gezeigt und in vielen seiner Arbeiten^ argumentativ benutzt hat, handeln CRRA-Investoren in der Tat myopisch, wenn die zur Investition zur Verfügung stehenden Renditen unabhängig und identisch verteilt (das heißt i.i.d.) sind. Diejenige Rendite, die den EinperiodenNutzenerwartungswert des Endvermögens maximiert, maximiert auch den TPerioden-Nutzenerwartungswert für einen beliebigen Planungshorizont T. Bildet der Investor aus den basalen i.i.d. Renditen ein Portfolio, so ist die resultierende Portfoliorendite jedoch nur dann i.i.d., wenn er immer wieder, das heißt zu Beginn jeder Periode, durch Umschichtungen die zu Beginn der ersten Periode gültigen Gewichtungen erzeugt. Es gibt sicher Investoren, die eine derartige Umschichtungs-Strategie praktizieren. Wenn ein Aktienkurs relativ stark gestiegen ist, müssen solche Investoren zu Beginn der nächsten Periode ihr Engagement in der betreffenden Aktie reduzieren und dafür zurückgebliebene Aktien kaufen. Möglicherweise wird diese Strategie weniger (wie bei Samuelson) durch das BernouUi-Prinzip begründet als durch den vermeintlichen Schutz gegen Über- und Untertreibungen an der Börse. Letztere Begründung ist bei i.i.d. Renditen - im Gegensatz zu Renditen mit MeanReverting-Tendenzen - allerdings weniger überzeugend. Es gibt sicher auch Investoren, die auf permanente Umschichtungen und die strikte Einhaltung fester Portfoliogewichte verzichten. Die so genannten Market Timer schichten zwar in Abhängigkeit von der Kurshistorie und den neu gebildeten Erwartungen um, wollen aber dabei keine festen Portfoliogewichte wiederherstellen. Buy-and-Hold-Investoren (kurz: B+H-Investoren) verzichten dagegen aus ^ Vgl. z.B. Grünewald/Trautmann (1997) oder Albrecht/Maurer (2002, S. 471481). ^ Z.B. Samuelson (1971), (1990), (1991), (1994) oder Merton/Samuelson (1974).
Myopische Portfolioentscheidungen im Buy-and-Hold-Kontext?
5
Transaktionskostengründen, Vereinfachungsgründen oder ähnlichen Gründen gänzlich auf Umschichtungen. Ein B+H-Investor entscheidet trotz konstanter relativer Risikoaversion nicht myopisch. Das heißt, die Anlageentscheidung eines B+H-Investors ist auch unter der CRRA-Prämisse entscheidend vom Planungshorizont abhängig. Bei Bamherg/Dorfleitner/Lasch (1999) wurde dies für lognormale Renditen demonstriert, bei Van Eaton/Conover (1998) für dichotom verteilte Periodenrenditen. Die Beispiele in der letztgenannten Arbeit waren so gewählt, dass der Planungshorizont-Effekt nur minimal ausfällt. Im nachfolgenden Abschnitt 2 sind Beispiele zu finden, bei denen die Abhängigkeit vom Planungshorizont deutlicher erkennbar wird. Da keine der Samuelson-Avheiten die B+H-Strategie erwähnt, stellt sich die Frage, ob beziehungsweise in welchem Sinne die permanente Umschichtung ä la Samuelson der B+H-Strategie überlegen ist. In Abschnitt 3.1 werden die beiden Strategien für risikoneutrale Investoren^ verglichen, in Abschnitt 3.2 für risikoaverse Investoren. Im letztgenannten Fall ist unter Nichtbeachtung von Transaktionskosten der maximale Nutzenerwartungswert bei Verfolgung der Umschichtungs-Strategie in der Tat stets mindestens so groß wie bei Verfolgung der B+H-Strategie.^ In diesem Sinne kann Samuelsons demonstrative Nichterwähnung der B+H-Alternative gerechtfertigt werden. Mit einigen abschließenden Bemerkungen in Abschnitt 4 schließt die Arbeit.
2 Planungshorizont-Abhängigkeit im PortfoHo-Kontext Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf den Zwei-Asset-Fall, bei dem in jeder Periode t risikolos zum (konstanten) Periodenzins r oder risikobehaftet zur Rendite Rt (Rendite einer Aktie, eines Aktienindex etc.) investiert werden kann. Bildet man ein Portfolio mit dem Aktienanteil ai, so entsteht aus einem Anfangsvermögen WQ nach einer Periode das Endvermögen W,=wo'
[ai (1 + fii) + (1 - ai) (1 + r)] .
(1)
Analog entsteht durch die Aktienanteile a i , . . . , a^ das T-Perioden-Endvermögen WT
= wo'[ai ( l + Ä i ) + ( l - a i ) (1+r)]-. ..-[ÜT (l+i?T) + ( l - a T ) (1+r)] . (2)
Die Maximierung des Nutzenerwartungswerts EU{WT) bezüglich der Anteile a i , . . . ,aT ist ohne Prämissen bezüglich der Risikonutzenfunktion u äußerst schwierig. So kann der Maximierer ai von Eu{Wi) durchaus vom Anfangsvermögen Wo abhängen. Es wären unterschiedliche Anteile optimal, wenn beispielsweise 100 000 € oder 1000 000 € zu investieren wären. Entsprechend ^ Dies ist ein Sonderfall konstanter relativer Risikoaversion. ^ Dieser Satz wird im Anhang bewiesen.
6
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp
würde der optimale Anteil ÜT im Mehrperiodenfall von WQ abhängen und darüber hinaus auch von den Realisationen der vorangegangenen Periodenrenditen i ? i , . . . , RT-1' E S ist bekannt/ dass die Unabhängigkeit vom Anfangsvermögen WQ genau dann gilt, wenn die Risikonutzenfunktion u konstante relative Risikoaversion g besitzt, das heißt durch x^u{x)={l-g' Jnx,
für g ^ 1 '^^ für ^ == 1
(3)
gegeben ist. Deshalb wollen wir uns auf diese CRRA-Klasse (mit ^ ^ 0) beschränken und ohne Einschränkung der Allgemeinheit WQ = 1 setzen. Das Maximierungsproblem ist dann in den Anteilswerten a i , . . . , a^ (statt in zu investierenden Geldbeträgen) wohldefiniert. Da (3) nur positive Argumente zulässt, müssen wir Aktienkäufe auf Kredit {at > 1) und Leerverkäufe von Aktien {at < 0) ausschließen, das heißt 0 ^ a^ ^ 1 für alle t = 1 , . . . , T fordern. Der Nutzen des Endvermögens zerfällt wegen (3) multiplikativ oder additiv. 1
^
TT[a,(l4-i?t) + ( l - a , ) ( l + r ) ] i - ^
für
g^l
1 — p -••-•:
(4)
U{WT)
^ln[at(l+Ät) + (l-at)(l+r)],
für ^ = 1 .
t=i
Unterstellen wir ferner, dass die Periodenrenditen i ? i , . . . , RT stochastisch unabhängig sind, so zerfällt der Nutzenerwartungswert entsprechend: 1
EU{WT)
T
= y—
n m^t
(1 + Rt) + (1 - at) (1 + r)]i-^)
(5)
(1 + Rt) + (1 - at) (1 + r)] .
(6)
beziehungsweise für ^ = 1: T
Eln{WT) = Y,Eln[at t=i
Bei (5) wurde zusätzlich berücksichtigt, dass es sich bei den Anteilen a i , . . . , a^ um Zahlen handelt. Den Fall, dass at eine Funktion von ß i , . . . , Rt-i ist, diskutieren wir im Abschnitt 3.2. Man ersieht aus (5) und (6), dass der optimale Anteil a^ als Maximierer von Eu[at (1 + Rt) + (1 - at) (1 + r)]
(7)
bestimmt ist. Da (7) eine streng konkave Funktion von at darstellt, ist der optimale Aktienanteil a* eindeutig bestimmt. Ferner sieht man, dass der Planungshorizont T nicht in der Zielfunktion (7) vorkommt. Der CRRA-Investor, '^ Vgl. z.B. Schneeweiß (1967, S. 87) oder Mossin (1968).
Myopische Portfolioentscheidungen im Buy-and-Hold-Kontext?
7
der zu Beginn jeder Periode sein Portfolio aktiv (durch Optimierung von at) zusammenstellt, handelt demnach myopisch. Natürlich ist für die Myopie nicht nur die CRRA-Eigenschaft verantwortlich, sondern diese Prämisse in Verbindung mit den restlichen Annahmen (fixer sicherer Zinssatz, Unabhängigkeit der Periodenrenditen); hieraus resultiert eine konstante Opportunitätsmenge. Gehen wir mit den Prämissen noch einen Schritt weiter und schließen wir Kalenderanomalien in dem Sinne aus, dass alle Rt dieselbe Wahrscheinlichkeitsverteilung besitzen sollen, so ist der optimale Aktienanteil a^ von der Zeitperiode t unabhängig, die optimale Portfoliostrategie somit stationär und durch einen einzigen Anteil a* beschreibbar: Zu Beginn der ersten Periode wird der Aktienanteil a* festgelegt und zu Beginn jeder nachfolgenden Periode das Portfolio so umgeschichtet, dass der Aktienanteil wieder a* beträgt. Dabei ist a* = a r g m a x E t i [ a ( l + i ^ t ) + (l - a ) ( l + r ) ] . (8) a
Ein Buy-and-Hold-Investor verzichtet dagegen auf ein aktives Portfoliomanagement, bestimmt nur zu Beginn der ersten Periode einen Aktienanteil a und wartet dann bis zum Planungshorizont T ab. Für diesen Investortyp ist das Endvermögen natürlich nicht mehr nach (2) zu berechnen, sondern gemäß W^B+H f' = Wo
af[(l+ßt) + (l-a)(l+r)^
(9)
t=i
Die Maximierung des Nutzenerwartungswertes Eu{W^^^) bezüglich des (anfänglichen) Aktienanteils a liefert einen von T abhängigen optimalen Anteil a{T)^ wie die nachfolgenden Beispiele aufzeigen. Wir bleiben in dem oben abgesteckten Rahmen, das heißt CRRA-Investoren und i.i.d. Renditen Rt. Für T = 1 unterscheiden sich WT und W^"*"^ noch nicht, so dass a(l) = a* gilt. In den nachfolgenden Beispielen wird Rt jeweils als dichotom angenommen: (hoch)
(10)
{1 + Rt): (XZ n
(niedrig)
Beispiel 1. Wir übernehmen die von Samuelson (1991) verwendeten Beispielzahlen: p = 0,5; h = 3;n = 0;r = 0 sowie die Risikonutzenfunktion u{x) = lux. Das heißt, mit fifty-fifty-Wahrscheinlichkeit verdreifacht sich der Kurs beziehungsweise wird die Aktie wertlos. Hierfür berechnet man a(l) = a* = 0,25 sowie (mit Computerunterstützung):
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp Planungshorizont
optimaler
Aktienanteil a{T)
T
1
2
3
4
5
0,25
0,16
0,09
0,05
0,03
Wie man aus diesen Zahlen beziehungsweise der Abb. 1 ersieht, konvergiert der Aktienanteil mit wachsendem Planungshorizont T monoton gegen null. In diesem Beispiel ist der worst case katastrophal (Kurs verfällt völlig); deshalb wird a{T) laufend kleiner. a{T) > 0,25- • k
0,20«i.
0,150,10-
•i.
'•..
0,05-
'**• —1
1
1
2
1
1
3
4
1—
5
6
t >
7
8
9
10
Abb. 1. Vom Planungshorizont abhängiger Aktienanteil a{T) eines B+H-Investors
Dass der optimale Aktienanteil eines Buy-and-Hold-Investors auch mit T steigen kann, zeigen die nächsten beiden Beispiele. Beispiel 2. Die Daten des Beispiels 1 werden nur dahingehend verändert, dass der worst case etwas abgemildert wird: p = 0,5; h = 3; n = 0,4; r = 0; u{x) = Inx. Nun errechnet man Planungshorizont T 1 optimaler Aktienanteil a{T) 0,58
4
2 0,61
0,62
0,63
0,64
Beispiel 3. Als Nutzenfunktion wird jetzt eine Wurzelfunktion verwendet (entspricht g = 0,5): p = 0,5; h = 3; n = 0,2; r = 0; u{x) = y/x. Jetzt ergibt sich
Myopische Portfolioentscheidungen im Buy-and-Hold-Kontext?
Planungshorizont T 1 optimaler Aktienanteil a{T) 0,75
2
3
4
5
0,80
0,82
0,85
0,87
3 Umschichtungs- versus Buy-and-Hold-Strategie 3.1 Strategie vergleich für risikoneutrale Investoren Für den Sonderfall der Risikoneutralität ist in (3) die relative Risikoaversion g gleich 0 zu setzen. Es ergibt sich u(x) = x, so dass der Nutzenerwartungswert mit dem Erwartungswert des Endvermögens identisch ist. Aus (5) folgt für ^ = 0 und i.i.d. Renditen Rt'. E(Wr) = (E[a (1 + Rt) + (1 - a) (1 + r)])^ .
(11)
Aus (9) ergibt sich {wo = 1 gesetzt): E(W^|+«) = a(E(l + i?,))^ + (1 - a) (1 + r ) ^ .
(12)
Wegen E{WT)
= (aE(l + Rt) + (1 - a) (1 + r))^ ,
(13)
der Konvexität von (•)-^ für T ^ 2 und der Jensenschen Ungleichung folgt E{WT)
^ E(W^+^)
für alle a e [0; 1] .
(14)
Offensichtlich ist (12) eine lineare Funktion des Aktienanteils a; dagegen ist (13) eine konvexe Funktion von a (sofern T ^ 2 und E{Rt) ^ r sind). Die Maximalstelle ist deshalb ein Randmaximum, das für E(i?t) > r bei a = 1 liegt. Wegen (14) stellt sich die Situation wie in Abb. 2 dar. Da das Optimum bei a = 0 oder bei a = 1 liegt und dort die beiden Strategien (Umschichtung versus Buy-and-Hold) gleichwertig sind, besteht im Optimum ein Patt zwischen den beiden Strategien. Die abseits des Optimums gleichmäßige Überlegenheit der Buy-and-Hold-Strategie könnte die Vermutung suggerieren, dass es eine Risikoaversion ^ > 0, einen Planungshorizont T sowie eine Rendite Verteilung gibt, für die auch im Optimum die Buy-and-Hold-Strategie einen höheren Nutzenerwartungswert als die Umschichtungs-Strategie generiert. Die Suche nach einem derartigen Beispiel muss jedoch ergebnislos bleiben. Denn es gilt, wie im Abschnitt 3.2 begründet wird, die Ungleichung maxEii(W|+") S maxEt^(Wr) •
(15)
10
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp erwartetes Endvermögen
im+Rt)?
(l + r)
Abb. 2. Bei Risikoneutralität ist für jeden (optimalen oder suboptimalen) Aktienanteil die B+H-Strategie mindestens so gut wie die Umschichtungs-Strategie 3.2 Strategie vergleich für risikoaverse Investoren Die rechte Seite der zu verifizierenden Ungleichung (15) war auf den Sonderfall stationärer Portfoliostrategien zugeschnitten. Wir bleiben im Folgenden allgemeiner und setzen nur die Unabhängigkeit der Renditen i ? i , . . . , RT voraus. Legt man zu Beginn der Planung, das heißt in t = 0, die Aktienanteile a i , . . . , ay fest, so entwickelt sich das Endvermögen WT gemäß (2). Der Deutlichkeit halber wollen wir das Endvermögen mit WTC^^I? • • • ?Ö^T) bezeichnen. In Abschnitt 2 wurde der CRRA-Nutzenerwartungswert von Wriai,..., ar) bezüglich der Aktienanteile at maximiert. Im Optimum resultierten die (myopischen) Anteile a j . Die Optimalität der a^ gilt jedoch für eine weitaus größere Klasse von Portfoliostrategien: ai wird wie bisher definiert, a2 kann von der Realisation ri von J?i abhängen, usw. Allgemein kann at von der „Vorgeschichte" ( r i , . . . , rt-i) abhängen, das heißt at : IR^t-i
[0;1].
(16)
Dann ist der Nutzenerwartungswert von Wxiai,... ^ax) nicht mehr auf IR"^ zu maximieren, sondern auf einem (16) entsprechenden Funktionenraum. Im Optimum sind die bedingten Anweisungen (16) jeweils konstante Funktionen, deren Werte mit a^ übereinstimmen. Dies besagt das folgende im Anhang bewiesene Resultat: Satz 1. Die relative Risikoaversion g sei konstant, und die Periodenrenditen ü i , . . . , RT seien stochastisch unabhängig. Der Nutzenerwartungswert des Endvermögens WT sei bezüglich aller Portfoliostrategien, bei denen der Aktienanteil at von der Rendite-Realisation ( r i , . . . ,rt_i) abhängen darf, zu maximieren. Dann sind im Optimum die bedingten Anweisungen a t ( r i , . . . , r t - i )
Myopische Portfolioentscheidungen im Buy-and-Hold-Kontext?
11
konstant, das heißt jeweils eine von der Vorgeschichte unabhängige Zahl a*e[0;l]. Die Ausweitung der Optimalität von (aj,...,a2^) ist so weit reichend, dass auch die von der Buy-and-Hold-Strategie „ausgewählten" Aktienanteile erfasst werden. Denn wählt man bei der B+H-Strategie einen (anfänglichen) Aktienanteil ai, so ergeben sich die nachfolgenden Aktienanteile als ^/
^
^
ai-(l+ri)--(l4-rt-i) ai • (1 + ri) • • • (1 + rt-i) + (1 - ai) • (1 + r)* 1
Plant man vorab, das heißt in /; = 0, die Aktienanteile gemäß (17), so ist wie im Anhang gezeigt wird - das Endvermögen W T ( a i , . . . , ÜT) identisch mit dem bei der passiven B+H-Strategie erzeugten Endvermögen W^"^ (ai). Damit ist insgesamt nachgewiesen, dass im jeweiligen Optimum die B+HStrategie keinen höheren Nutzenerwartungswert des Endvermögens als die Umschichtungs-Strategie hervorbringen kann. Somit gilt in Verallgemeinerung von (15) für stochastisch unabhängige Periodenrenditen die Ungleichung msixEu[W^'^^{ai)]S
max E^[WT(ai,... ,aT)] .
(18)
Sind die Periodenrenditen Rt nicht nur unabhängig, sondern auch noch jeweils identisch verteilt (also i.i.d.), so gilt ai = • • • = ÜT- Die Ungleichung (18) ist dann mit der Ungleichung (15) identisch.
4 Abschließende Bemerkungen Haben CRRA-Investoren mehrere i.i.d. Renditen i?^, i?^, etc. zur Auswahl und müssen sie entscheiden, zu welcher Rendite sie ihr gesamtes Anfangsvermögen bis zum Planungshorizont T investieren wollen, so ist die Entscheidung unabhängig vom Planungshorizont. Diejenige Anlagealternative, die für eine Periode (das heißt für T = 1) optimal ist, maximiert auch für beUebiges T den Nutzenerwartungswert des Endvermögens. In diesem Sinne handeln CRRA-Investoren, die sich nur zwischen basalen Anlagemöglichkeiten entscheiden müssen, myopisch. Anders sieht es im PortfolioKontext aus. Dann muss zwischen Buy-and-Hold-Investoren unterschieden werden, die nur anfängliche Gewichtungen festlegen und danach bis zum Planungshorizont T passiv abwarten, welches Endvermögen sich realisiert hat, und zwischen Investoren, die eine Umschichtungs-Strategie zur permanenten Herstellung der anfänglichen Gewichte verfolgen. Im Portfolio-Kontext handeln Buy-and-Hold-Investoren auch dann nicht myopisch, wenn sie eine CRRA-Nutzenfunktion besitzen. Dagegen handeln CRRA-Investoren, die eine Umschichtungs-Strategie verfolgen, im Optimum stets myopisch. Deshalb ist es für den Portfolio-Kontext eine interessante Frage, ob in einem erweiterten Aktionenraum, in dem sowohl Buy-and-Hold-Strategien als auch
12
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp
Umschichtungs-Strategien zugelassen sind, für CRRA-Investoren die Buyand-Hold-Strategie optimal sein kann. In dem vorangegangenen Abschnitt wurde gezeigt, dass dann stets eine Umschichtungs-Strategie, und damit eine myopische Strategie, optimal sein muss. In diesem Sinne ist die (demonstrative?) Nichtbeachtung von Buy-and-Hold-Strategien in Samuelsons Arbeiten zu rechtfertigen. Mossin (1968) unterscheidet zwischen vollständiger Myopie^ und partieller Myopie. Letztere ist auch für alle Risikonutzenfunktionen mit linearer Risikotoleranz^ gültig. Sobald die Renditen nicht mehr stochastisch unabhängig sind, oder die relative Risikoaversion nicht mehr konstant ist, dürfte Myopie wohl kaum noch optimal sein. Wie die einschlägige Literatur über intertemporale Portfoliobildung {Wilhelm (1980), Ingersoll (1987, S. 235fr.)) zeigt, ist die optimale Umschichtungsstrategie in aller Regel nicht mehr myopisch, wenn wir unsere restriktiven Prämissen relaxieren. Die Beispiele in Samuelson (1991) zeigen, dass bei Renditen mit Mean-Reverting-Tendenzen auch CRRAInvestoren nicht mehr myopisch handeln. Ross (1999) gibt Bedingungen für die Renditeverteilung und für die Nutzenfunktion an, unter denen die Myopie selbst für i.i.d. Renditen verletzt ist.
A
Anhang
A . l Vorüberlegung Zunächst rechnen wir nach, dass bei der Wahl der Aktienanteile at gemäß (17) das Endvermögen WT{ai,... ^ÜT) identisch mit dem Buy-and-HoldEndvermögen W^'^^{ai) ist. Für den Fall T = 1 gilt offensichtlich Wi{ai) = ^ 1 ^ (^i)- Nun nehmen wir an, dass WT(Ö^I, • • • ? ^ T ) = Wj,^ (ai) gilt und schließen auf die Gültigkeit für T -h 1: ^T+i(ai,---,ö^T+i) =
= W T ( a i , . . . , a r ) • [aT+i (1 + i^r+i) + (1 - «T+i) (1 + r)] -
T+i
/
a i n ( l + i?t) = w^|-^>i)^Wf^>i) V
= 1
t=l
W^|+«(ai) ^ + 1
T
n
ain(l+i?t)\
f
+11
V /
T.
(1 + r)
W^+^{ar)
(19)
/ TT
T
\
ai n (1 + Rt) + K T ^ ' ' ( a i ) - ai n (1 + Rt)]^^ + r) '
= (l-ai)(l+r)^
Dieser Begriff wurde in der vorliegenden Untersuchung verwendet. ^ Diese Klasse wird als HARA (==Hyperbolic Absolute Risk Aversion) bezeichnet; sie umfasst CRRA.
Myopische Portfolioentscheidungen im Buy-and-Hold-Kontext?
13
A.2 Beweis von Satz 1 Der Nutzenerwartungswert EU{WT) des Endvermögens ist bezüglich der unbedingt beziehungsweise bedingt festlegbaren Aktienanteile ai, 02(^1)5 03(^1, ^2), . . . , «^(r'i,.. •, VT-I) ZU maximieren. Beim Beweis wird im Wesentlichen der Satz von der iterierten Erwartung und die Monotonie des Erwartungswertoperators ausgenutzt:^^ Eln(WT)^ (20) - 5 ; ^ E l n [ a , ( Ä i , . . . , Ä , _ i ) ( l + i?0 + ( l - a , ( Ä i , . . . , ß t - i ) ) ( l + r ) ] . ^ Wir konzentrieren uns auf den ^-ten Summanden und schreiben den Erwartungswertoperator E in der Form E^E^. Dabei bedeutet E^ die Erwartungswert-Bildung über i ? i , . . . , Rt-i und E^ die Erwartungswertbildung bezüglich Rt bei fester Realisation ( r i , . . . , r^-i) von ( i ? i , . . . , Rt-i)- Dann hat der t-te Summand von (20) die Form: EiE2ln[at(ri,...,rt_i)(l + ßt) + ( l - a t ( r i , . . . , r , _ i ) ) ( l - f r ) ] .
(21)
Im inneren Erwartungswert, das heißt in E^ln[-"], hat Rt wegen der Unabhängigkeit der Renditen für jedes ( r i , . . . ,rt_i) dieselbe Verteilung. Folglich wird der innere Erwartungswert maximal, wenn at(r'i,... ,rt_i) gleich dem (nur von r und der i?t-Verteilung abhängigen) Maximierer a* von Eln[a,(l + Rt) + (1 - at) (1 + r)]
(22)
gesetzt wird. Damit maximiert nur diejenige Vorschrift a t ( r i , . . . ,rt_i) den inneren Erwartungswert, die für alle ( r i , . . . ,rt_i) denselben Aktienanteil a* vorschreibt. Wegen der Monotonie von E^ wird von a* auch der t-te Summand (21) maximiert. Maximiert man in dieser Weise separat jeden Summanden, so ist natürlich auch der maximale Nutzenerwartungswert (20) erreicht. •
Literaturverzeichnis 1. Albrecht, R, Maurer, R. (2002): Investment- und Risikomanagement, Stuttgart, Schäffer-Poeschel-Verlag, 2002. 2. Bamberg, G., Dorfleitner, G., Lasch, R. (1999): Does the Planning Horizon Affect the Portfolio Structure?, in: W. Gaul und H. Locarek-Junge (Hrsg.): Classification in the Information Age, Berlin et al., Springer-Verlag, 1999, 100114. ^^ Wir führen den Beweis für ^ = 1, das heißt für u{x) = \nx. Für den Fall Q ^ 1 können dieselben Argumente genutzt werden; er ist aber von der Notation her etwas weniger durchsichtig.
14
Günter Bamberg, Gregor Dorfleitner und Michael Krapp
3. Grünewald, B., Trautmann, S. (1997): Varianzminimierende Hedgingstrategien für Optionen bei möglichen Kurssprüngen. In: Zeitschrift für betriebswirtschafthche Forschung, Sonderheft 38, 1997, 43-87. 4. Ingersoll, J. E. Jr. (1987): Theory of Financial Decision Making, Totowa 1987. 5. Merton, R. C., Samuelson, P. A. (1974): Fallacy of the Log-Normal Approximation to Optimal Portfolio Decision-Making Over Many Periods. In: Journal of Financial Economics, 1, 1974, 67-94. 6. Mossin, J. (1968): Optimal Multiperiod Portfolio Policies. In: Journal of Business, 41, 1968, 215-229. 7. Ross, S.A. (1999): Adding Risks: Samuelson's Fallacy of Large Numbers Revisited. In: Journal of Financial and Quantitative Analysis, 34, 1999, 323-339. 8. Samuelson, P.A. (1971): The „Fallacy" of Maximizing the Geometrie Mean in Long Sequences of Investing or Gambling, in: Proceedings of the National Academy of Sciences USA, 68, 1971, 2493-2496. 9. Samuelson, P. A. (1990): Asset Allocation Could be Dangerous to Your Health. In: The Journal of Portfolio Management, Spring 1990, 5-8. 10. Samuelson, P.A. (1991): Long-Run Risk Tolerance when Equity Returns are Mean Regressing: Pseudoparadoxes and Vindication of „Businessman's Risk", in: W. C. Brainard, W . D . Nordhaus und H.W. Watts (Hrsg.): Money, Macroeconomics, and Economic Theory. Essays in the Honor of James Tobin, Cambridge (Mass.), MIT-Press, 1991, 181-200. 11. Samuelson, P. A. (1994): The Long-Term Gase for Equities. In: Journal of Portfolio Management, 21, 1994, 15-24. 12. Schneeweiß, H. (1967): Entscheidungskriterien bei Risiko, Berlin et al., Springer-Verlag, 1967. 13. Van Eaton, R. D., Conover, J.A. (1998): Misconceptions about Optimal Equity Allocation and Investment Horizon. In: Financial Analysts Journal, March/April 1998, 52-59. 14. Wilhelm, J. (1980): Multiperiod Portfolio Selection and Capital Asset Pricing, In: Pandel, G. und Gal, T. (Hrsg.): Multiple Criteria Decision Making - Theory and Application, Berlin et al., S. 487-510. 15. Wilhelm, J. (1981): Zum Verhältnis von Capital Asset Pricing Model, Arbitrage Pricing Theory und Bedingungen für die Arbitragefreiheit von Finanzmärkten. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 33, 1981, 891-905. 16. Wilhelm, J. (1985): Arbitrage Theory, Berlin et al., Springer-Verlag (Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems), 1985. 17. Wilhelm, J. (2002): Risikoabschläge, Risikozuschläge und Risikoprämien - Finanzierungstheoretische Anmerkungen zu einem Grundproblem der Unternehmensbewertung, Diskussionsbeitrag B-9-02 (Betriebswirtschaftliche Reihe der WirtschaftswissenschaftHchen Fakultät der Universität Passau), 2002.
Faktorstruktur und Markt modeile Stefan Huschens Technische Universität Dresden, Lehrstuhl für Quantitative Verfahren, Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Mommsenstraße 13, D-01062 Dresden Stefan.huschensQmailbox.tu-dresden.de
Gliederung 1
Einleitung
16
2
Notation
16
3
Marktmodell, Marktfaktor und Marktportfolio
17
3.1 3.2
Ein Marktmodell mit unkorrelierten Störvariablen Ein Marktmodell mit korrelierten Störvariablen
17 18
3.3
Ein Marktmodell mit endogener Faktorrepräsentation
19
4
Logisch inkonsistente Modellbildungen
20
4.1 4.2
Inkonsistente Formulierung des Marktmodells Inkonsistente Einbettung des CAPM
20 21
4.3
Zur Einbettung einer linearen Bewertungsgleichung
23
5
Schlußbemerkungen
24
A
Anhang
27
A.l Beweise A.2 Faktoren, Hauptkomponenten und stochastische Regressoren in der Statistik Literaturverzeichnis
27 28 33
16
Stefan Huschens
1 Einleitung In der neueren finanzwirtschaftlichen Literatur, insbesondere derjenigen zur Risikoanalyse, gibt es eine gewisse terminologische Konfusion bezüglich des Faktorbegriffs und der Benennung eines Modells als Ein- oder Mehr-Faktormodell, als Ein- oder Mehr-Indexmodell, als Markt- oder Diagonalmodell. Ziel dieser Untersuchung ist die Klärung der unterschiedlichen stochastischen Annahmen dieser Modellvarianten und der Bezüge der verwendeten Faktorbegriffe zu den analogen Begriffen in der Statistik, wie stochastische Regressoren, Hauptkomponenten und Faktoren im Sinn der statistischen Faktorenanalyse. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf die sich um das ,Capital Asset Pricing Model' (CAPM) in der Standardversion rankenden Modellvarianten. Um den Rahmen dieses Beitrages nicht zu sprengen, erfolgt eine Beschränkung auf zeitdiskrete^ und endlich-dimensionale^ Modellierungen, wobei für alle Zufallsvariablen die Existenz endlicher Varianzen vorausgesetzt wird^. Auch soll nicht auf die inhaltUche Kritik am CAPM oder auf die anhaltende Debatte über die empirische Evidenz und Testbarkeit des CAPM^ eingegangen werden. Der Beitrag ist folgendermaßen aufgebaut. Im Abschnitt 2 wird die allgemeine Notation fixiert. Der Abschnitt 3 enthält grundlegende Begriffsbildungen zu Ein-Faktor- und Marktmodellen. Der Abschnitt 4 enthält einige Klarstellungen zu inkonsistenten stochastischen Annahmen bei Faktormodellen in der Kapitalmarkttheorie. Der abschließende Abschnitt 5 resümiert die unterschiedlichen Bedeutungsvarianten des Faktorbegriffs im Zusammenhang mit Marktmodellen und enthält eine Übersicht über verschiedene weitere Verwendungen des Faktorbegriffs in anderen Gebieten der Finanzmarkttheorie. Der Anhang enthält im Abschnitt A.l die Beweise zu den Theoremen und im Abschnitt A.2 eine Zusammenfassung und Abgrenzung der Begriffe Faktor, Hauptkomponente und stochastischer Regressor in der statistischen Bedeutung, da im Zusammenhang mit Faktor-, Index- und Marktmodellen immer wieder Begriffe aus der Statistik entlehnt, aber meistens modifiziert oder verallgemeinert verwendet werden.
2 Notation Vektoren werden als Spaltenvektoren aufgefaßt und mit X, Y usw. bezeichnet. Mit X ' wird der transponierte Vektor bezeichnet. Es bezeichnen E X den Er^ Für eine zeitstetige Modellierung des CAPM siehe Merton, R. (1990). Für Faktorstrukturen bei abzählbar unendlich vielen Anlagen siehe Chamherlain, G., M. Rothschild (1983). ^ Für Erweiterungen des CAPM bei endlichen Varianzen siehe Rachev, S., S. Mittnik (2000, S. 409-429), Huschens, S., J.-R. Kim (2000). ^ Siehe dazu Fama, E. F., K. R. French (2004), Barucci, E. (2003, S. 120-130), Jagannathan, R., Z. Wang (2002), Kruschwitz, L. (1999, S. 234-238), Roll, R. (1997).
Faktorstruktur und Marktmodelle
17
wartungswert einer Zufallsvariablen X, EX den Erwartungswertvektor eines Zufallsvektors X, YX die Varianz einer Zufallsvariablen X, VX die VarianzKovarianzmatrix eines Zufallsvektors X, C(X, Y) die Kovarianz der Zufallsvariablen X und y , C(X, Y) = E(X - EX)(Y - E Y ) ' = E(XYO - E X E Y ' die Kovarianzmatrix der Vektoren X und Y. Zwei Vektoren X und Y heißen unkorreliert, falls C(X,Y) eine Nullmatrix ist. Die Komponenten eines Zufallsvektors X heißen unkorreliert, falls VX eine Diagonalmatrix ist. Opxd bezeichnet eine p x d-NuUmatrix, Ipxd eine p x cf-Einsmatrix und I^^ eine ddimensionale Einheitsmatrix. r(A) bezeichnet den Rang einer Matrix A. Eine d X d-Matrix A heißt invertierbar oder regulär, falls r(A) = d, anderenfalls singulär.
3 Marktmodell, Marktfaktor und Marktportfolio 3.1 Ein Markt modeil mit unkorrelierten Störvariablen Das z. B. von Fama so bezeichnete Marktmodell^ für d Wertpapiere besteht aus der Gleichung Y = /x + /3F + U , (1) wobei Y der Vektor der stochastischen Renditen, F ein zunächst nicht näher spezifizierter Marktfaktor und U ein Vektor von Störvariablen ist, die als spezifische oder idiosynkratische Risikofaktoren interpretiert werden können. Die zentrale Modellannahme ist, dass die d + l Zufallsvariablen F und U insgesamt stochastisch unabhängig und symmetrisch stabil mit demselben Stabilitätsindex oder charakteristischen Exponenten 1 < a < 2 sind. Eine Implikation der Symmetrie ist E F = 0 und EU = O^xi, woraus sich E Y = /x ergibt. Im Fall 1 < a < 2 haben die Verteilungen zwar Erwartungswerte, aber keine endlichen Varianzen. Im Spezialfall a = 2 sind alle Faktoren normalverteilt und stochastisch unabhängig. Die folgende Definition eines Ein-Faktormodells umfaßt sowohl das Marktmodell von Fama in der oben angegebenen Formulierung für den Fall normalverteilter Renditen als auch verschiedene in der Literatur als Ein-Faktor- oder Ein-Indexmodell (single index model) bezeichnete ModelHerungen des Renditevektors. ^ Definition 1. Der Renditevektor Y erfüllt ein Ein-Faktormodell Faktor F, falls Y = oc-{-ßF-{-U
mit dem (2)
mit E U - C ( U , F ) = 0^xi
(3)
^ Fama, E. F. (1971). ^ Z.B. Sharpe, W. F., G. J. Alexander (1990, S. 217 u. 242), Jensen, M. C. (1969, S. 169).
18
Stefan Huschens
gilt. Falls die Varianz-Kovarianzmatrix von U eine Diagonalmatrix D mit positiven Diagonalelementen ist, liegt ein Ein-Faktormodell mit unkorrelierten Störvariablen vor. Das Ein-Faktormodell mit unkorrelierten Störvariablen wird in der Literatur auch als Diagonalmodell oder Ein-Indexmodell bezeichnet. Die Unkorreliertheit der Residualvariablen wird dabei als wesentlich für die Interpretation angesehen. „The key assumption of the single-index model is that e^ is independent of Sj for all values of i and j or, more formally, E{eiej) = 0. This implies the only reason Stocks vary together, systematically, is because of a co-movement with the market."^ Die Zufallsvariablen Cj im Zitat entsprechen den Komponenten des hier mit U bezeichneten Vektors. Ein Ein-Faktormodell mit unkorrelierten Störvariablen beschreibt, falls F eine unbeobachtbare (latente) Variable ist, eine Ein-Faktorstruktur im Sinne der statistischen Faktorenanalyse, vgl. Definition 3 im Abschnitt A.2.1. Falls F dagegen beobachtbar ist, handelt es sich um ein Regressionsmodell mit stochastischem Regressor, vgl. Abschnitt A.2.4. Ein grundsätzliches Problem bei dieser Modellklasse ist, dass die Zufallsvariable F nicht die Marktrendite, d. h. die Rendite des Marktportfolios, sein kann.^ Es gilt sogar viel weitergehend, dass es überhaupt kein Portfolio gibt, dessen Rendite sich wie der stochastische Marktfaktor F verhält. Theorem 1. Es gibt im Ein-Faktormodell mit unkorrelierten Störvariablen kein Portfolio mit einem Gewichtsvektor w, dessen Rendite w ' Y mit dem Marktfaktor F in dem Sinn identifiziert werden kann, dass P(w'Y = F) = 1 gilt. Zum Beweis siehe Abschnitt A.1.1. Typischerweise haben also alle Portfolios und damit auch alle irgendwie als Linearkombinationen gebildeten Indizes als Folge der additiven Störvariablen eine andere Stochastik als der Marktfaktor F. Dies macht eine Interpretation des Modells als „relating the return on a stock to the return on a stock market index"^ problematisch. Die Tatsache, dass die auf der linken Seite der Gleichungen stehenden Variablen Bestandteil der Rendite eines Marktindex oder eines Portfolios sind, führt dazu, dass die Störvariablen nicht unkorreliert sein können, wenn der Marktfaktor mit einer Rendite eines Portfolios identifiziert werden soll. 3.2 Ein Marktmodell mit korrelierten Störvariablen Das Ein-Faktormodell mit allgemeiner Struktur der Störvariablen, das durch (2) und (3) aus Definition 1 charakterisiert ist, wird von einigen Autoren, '^ Elton, E. J., M. J. Gruber (1995, S. 131). Natürlich impliziert E^eiCj) = 0 zusammen mit E{ei) = E{ej) = 0 die Unkorreliertheit, im Allgemeinen aber nicht die stochastische Unabhängigkeit. ^ Vgl. Fama, E. F. (1971, S. 46, Fußnote 17). ^ Elton, E. J., M. J. Gruber (1995, S. 130).
Faktorstruktur und Marktmodelle
19
die das Modell mit unkorrelierten Störvariablen Ein-Indexmodell oder Diagonalmodell nennen, als ,das Marktmodell' bezeichnet. „The market model is identical to the single-index model except that the assumption cov{ei, Sj) = 0 is not made."^° Der Marktfaktor F soll jetzt die Rendite des Marktportfolios sein. „Actually, although the single-index model can be defined in terms of any influenae (e. g., the rate of return on liverwurst), we usually think of the index as the rate of return on some market portfolio. The market model is always defined in terms of a market portfoUo."^^ Unabhängig von der inhaltlichen Interpretation gelten die Varianzzerlegungen YY = ßß'YF-\-YV (4) und V(w'Y) = {w'ßfYF
-f w ' V U w ,
(5)
die zur Risikozerlegung bei der Marktrisikomessung eingesetzt werden.^^ 3.3 Ein Marktmodell mit endogener Faktorrepräsentation Im folgenden Modell fungiert eine Linearkombination der Renditen als stochastischer Regressor. Diese Linearkombination kann die Rendite eines PortfoUos, z. B. des Marktportfolios, sein. Definition 2. Der d-dimensionale Renditevektor Y mit d > 1 erfülle ein Ein-Faktormodell mit dem Faktor F im Sinn von Definition 1. Falls eine Darstellung F = w ' Y mit einem geeigneten Vektor w 7^^ 0 existiert, heißt F endogener Faktor und man sagt, dass für Y ein Ein-Faktormodell mit endogener Faktorrepräsentation vorliegt. Mit dem Theorem 1 wurde gezeigt, dass ein Ein-Faktormodell, in welchem der Faktor durch die Rendite eines Port folios gegeben ist, unverträglich mit der Annahme unkorrelierter Störvariablen ist. Die entscheidende Annahme, welche die Identifikation des Marktfaktors mit der Rendite eines Portfolios verhindert, ist nicht die Diagonalgestalt der Varianz-Kovarianzmatrix VU und damit die Unkorreliertheit der Störvariablen, sondern die Annahme der Regularität der Varianz-Kovarianzmatrix der Störvariablen. Auch dann, wenn eine allgemeinere Struktur mit korreUerten Residualvariablen zugelassen wird, kann der Marktfaktor nur dann eine Rendite eines Port folios sein, wenn die Residualvariablen deterministisch linear abhängig sind, so dass VU eine singulare Matrix ist. Das folgende Theorem, dessen Beweis sich in Abschnitt A.1.2 findet, zeigt, dass die entscheidende Annahme, welche die Identifikation des Markt faktors mit der Rendite eines Port folios verhindert, die Regularität der Varianz-Kovarianzmatrix der Störvariablen ist. ^^ Elton, E. J., M. J. Gruber (1995, S. 152), z.B. auch Poddig, T., H. Dichtl, K. Petersmeier (2001, S. 256). ^^ Elton, E. J., M. J. Gruber (1995, S. 152). ^2 Huschens, S. (1998, S. 570-573).
20
Stefan Huschens
Theorem 2. Wenn im Ein-Faktormodell mit endogener Faktorrepräsentation die Varianz-Kovarianzmatrix von Y regulär ist, dann ist die VarianzKovarianzmatrix des Vektors U singulär.
4 Logisch inkonsistente Modellbildungen 4.1 Inkonsistente Formulierung des Marktmodells Die Postulierung eines Marktmodells der Form Yj=aj+ß^F^Uj,
i-l,...,d,
(6)
für d risikobehaftete Wertpapiere, wobei F die Rendite des Marktportfolios bezeichnet, zusammen mit den Annahmen EU = C ( U , F ) = Odxi und der Annahme, dass VU eine Diagonalmatrix mit positiven Diagonalelementen ist, ist logisch inkonsistent. Entweder ist die Varianz-Kovarianzmatrix von U eine reguläre Varianz-Kovarianzmatrix, z. B. eine Diagonalmatrix mit positiven Diagonalelementen, dann kann F nicht die Rendite des Marktportfolios sein (Theorem 1), oder F ist die Rendite des Marktportfolios, dann ist VU singulär (Theorem 2) und damit keine Diagonalmatrix mit positiven Elementen. Diese logisch inkonsistente Modellstruktur wird in Lehrbüchern zur Vereinfachung gern verwendet^^, um damit z.B. die Diversifikation des unsystematischen Risikos zu illustrieren, da sich mit unkorrelierten Störvariablen einfach argumentieren lässt. Wenig hilfreich ist es auch, die Begriffe ,Marktfaktor' und ,Rendite des Marktportfolios' synonym zu verwenden.-^^ Dass bei der Formulierung von Verteilungsannahmen Restriktionen bezüglich der Residualvariablen zu beachten sind, ist natürlich in der Literatur nicht unbemerkt geblieben. Beispielsweise wird in einem Marktmodell die Annahme w ' U = 0 für den Gewichtsvektor w des Marktportfolios gemacht^^, die V(w'U) = w'VUw = 0 und die Singularität von VU impliziert. „Wie schon angedeutet, hat dieser Ansatz [nämlich ein Ein-Faktormodell für die Renditen, S.H.] nur empirischen Gehalt, wenn über die Störterme weitere Annahmen getroffen werden; dem Sharpe'schen Indexmodell entsprechend, wird postuliert, dass die Störterme wechselseitig unkorreliert sind. Diese Annahme steht offenbar im Konflikt mit (5) [entspricht der Gleichung w ' U = 0 oben, S.H.], so dass die Störterme im Marktmodell grundsätzlich nicht diversifizierbar sind und daher, wie oben verdeutlicht, Preiseinfluss haben (müssen)."^^ Und noch deutlicher: „Insbesondere sind Marktmodell (in dieser Spezifikation) und CAPM unvereinbar."^^ ^^ Z.B. Sharpe, W. F., G. J. Alexander (1990, S. 216-217), Uhlir, H., P. Steiner (1994, S. 170-172). ^^ Z.B. Kahler, J. (2002, S. 39). ^^ Ingersoll, J. E. (1987, S. 150, 152, 154, 156, 157). 1^ Wilhelm, J. (2001, S. 90). ^'^ Wilhelm, J. (2001, S. 90).
Faktorstruktur und Marktmodelle
21
Irrig ist auch die Auffassung, dass eine Störgröße Uj und ein endogener Faktor F = w'Y deswegen nicht unkorreliert sein können, weil Uj ein Teil des Faktors oder Indexes F ist. „That is, if / is some average of security returns, then the assumption that Ui is uncorrelated with / cannot hold, since / contains Ui."^^ Da diese Auffassung die logische Widerspruchsfreiheit der in Definition 2 gemachten Annahmen grundsätzlich in Frage stellt, soll gezeigt werden, dass Darstellungen mit den in Definition 2 gemachten Voraussetzungen existieren. Das einfachste Beispiel für d = 2 ist durch die Gleichungen Y,=F
+ Ui,
Y2 = F + U2,
F=^ii^,
U2 =
-U,
gegeben. Das folgende allgemeine Konstruktionsverfahren zeigt gleichzeitig die grundsätzliche Vieldeutigkeit einer endogenen Faktorrepräsentation. ^^ Es sei Y ein d-dimensionaler Zufallsvektor mit E Y = fi und VY j^ Odxd- Gegeben sei ein Vektor w mit V(w'Y) = w'VYw > 0. Dann hat die Zufallsvariable F := w'Y eine positive Varianz, und mit ß := C(Y, F ) / V F ,
a := /x - /3wV,
\J:=Y-a-ßF
sind alle in Definition 2 gemachten Voraussetzungen erfüllt. Es lässt sich auch leicht verifizieren, dass bei dieser Konstruktion w'U = 0 und damit auch V(w'U) = 0 gilt2°, so dass VU singulär ist. Die entscheidenden Voraussetzungen dafür, dass aus der Gleichung (6) die Beziehung ßj = C{Yj,F)/YF folgt, sind EUj = 0 und C{Uj,F) = 0, während eine eventuelle Korrelation der Residualvariablen für diese Aussage irrelevant ist.21 4.2 Inkonsistente Einbettung des C A P M Das CAPM in seiner Standardform für d risikobehaftete Wertpapiere und eine risikofreie Anlage mit dem Zinssatz /io führt zu einer Bewertungsgleichung, die ein Ein-Faktormodell mit endogener Faktorrepräsentation im Sinn von Definition 2 impliziert.
^^ Jensen, M. C. (1969, S. 179). ^^ Zur Existenz, Konstruktion und Mehrdeutigkeit endogener Faktorrepräsentationen siehe Gourieroux, C. (1997, S. 162-168). 20 Aus
w'U = w'(Y -OL-ßF)
= F- wa - w'ßF
und w'/3 = 1, vgl. (11), erhält man w ' a = 0 und somit w ' U = 0. 2^ In diesem Punkt irrt Jensen, M. C. (1972, S. 364, Fußnote 23), ebenso wie in der Behauptung, dass die Unkorreliertheit der Residualvariablen unterschiedlicher Gleichungen zu den „usual regression assumptions" gehöre.
22
Stefan Huschens
T h e o r e m 3 ( B e w e r t u n g s g l e i c h u n g u n d E i n - F a k t o r m o d e l l ) . Wenn den Renditevektor Y mit fi = E Y und regulärer Varianz-Kovarianzmatrix Bewertungsgleichung M-/^oldxi+/3(EF-/io)
für die
(T)
mit Koeffizienten ßo, einem Vektor w ^0, F = w ' Y und ßj = C{Yj,F)/YF für j = l , . . . , d ^ erfüllt ist, dann impliziert dies ein Ein-Faktormodell mit endogener Faktorrepräsentation Y = a + /3F + U im Sinn von Definition
(8)
2.
Bei der Bewertungsgleichung des C A P M ist w der Vektor der Marktanteile und F die Rendite des Marktportfolios. Aus Theorem 2 folgt, dass die Varianz-Kovarianzmatrix von U in Gleichung (8) keine Diagonalmatrix sein kann. Damit kann der Renditevektor Y auch keine Ein-Faktorstruktur im Sinn der Faktorenanalyse (Definition 3, vgl. Abschnitt A.2.1) besitzen, und bei der üblichen Bezeichnung des C A P M als ein Ein-Faktormodell^^ liegt ein allgemeinerer Faktorbegriff als der in der Faktorenanalyse übliche zugrunde. Bei der E i n b e t t u n g des C A P M in ein Modell für die zufälligen Renditen der Wertpapiere und des Marktportfolios wird aus der Bewertungsgleichung des C A P M die folgende Darstellung für die zufälligen Renditen gefolgert^^ Y = //ol^xi+/3(F-/^o)4-U.
(9)
Dies ist prinzipiell möglich, d a (7) eine Gleichung ist, welche die Erwartungswerte verknüpft. Es stellt sich allerdings die Frage, welche Eigenschaften dem Zufallsvektor U zugeschrieben werden dürfen. T h e o r e m 4 . Die Voraussetzungen von Theorem 3 implizieren ditevektor Y eine Darstellung der Form (9) mit
für den
Ren-
E U = C ( U , F ) = Odxi und VU = (Id-/3wOVY. Die letzte Gleichung zeigt, dass die Varianz-Kovarianzmatrix von U weit davon entfernt ist, eine Diagonalmatrix zu sein. Dass diese M a t r i x singulär ist. ^^ Barucci, E. (2003, S. 115): „The Capital Asset Pricing Model is a one-factor model for portfolio risk premia", Barucci, E. (2003, S. 110): „... the risk premium of a portfolio is a linear function of some factor risk premia". ^^ Z.B. Sharpe, W. F., G. J. Alexander (1990, S. 211). Der Zusammenhang (9) wird dort als „characteristic line" und „a type of return-generating process" bezeichnet.
Faktorstruktur und Marktmodelle wird klar, wenn m a n von links mit dem Vektor w ' multipliziert und Wß berücksichtigt, siehe (11), d a n n resultiert nämlich
23 = 1
w'VU-OixdVY-Oixd. Eine im Zusammenhang mit Gleichung (9) getroffene Annahme, dass die Varianz-Kovarianzmatrix V U eine Diagonalmatrix ist, ist also höchst problematisch. Stochastische A n n a h m e n können selbst von Nobel-Preisträgern nicht einfach beliebig getroffen werden, „assuming t h e r a n d o m components of security returns are uncorrelated"^'^, sondern müssen zumindest logisch konsistent im Sinn der Widerspruchsfreiheit sein. E n g mit dieser Fragestellung verknüpft ist auch, ob es zulässig ist, in einem Ein-Faktormodell der ,Arbitrage Pricing Theory' ( A P T ) den Faktor mit der Rendite des Marktportfolios zu identifizieren u n d so das C A P M als einen Spezialfall der A P T darzustellen.^^ Wieder folgt aus den Theoremen 1 und 2, dass es inkonsistent ist, unkorrelierte Residualvariablen zu unterstellen u n d gleichzeitig den Faktor mit der Rendite des Marktportfolios zu identifizieren. Eine andere Art von Inkonsistenz ergibt sich, wenn die Renditen als multinormal verteilt unterstellt werden, so dass Unkorreliertheit und stochastische Unabhängigkeit äquivalent sind, und d a n n zwar richtig gefolgert wird, dass Y bedingt auf F = f multinormalverteilt mit E{Y\F
= f) = fioUxi
+ ßif
- fio)
und V(Y|F = /) = VU ist, aber V U als invertierbare Matrix behandelt wird.^^ Dieses Problem ist relativ leicht überwindbar. „Let us consider t h e factor model Yt = BFt + Ut, where the factors are observable and m a y eventually be interpreted as endogenous factors Ft = A!Yt. In t h e last case, t h e variance-covariance m a t r i x of t h e residual t e r m Ut is singular and of rank n — K. We m a y always restrict to t h e case of a regulär matrix by deleting K equations from t h e preceding System. "^"^ 4 . 3 Zur E i n b e t t u n g e i n e r l i n e a r e n B e w e r t u n g s g l e i c h u n g In einem Portfoliomodell mit d risikobehafteten Wertpapieren und einer risikofreien Anlage mit dem Zinssatz //Q führen Arbitrageüberlegungen in einem vollständigen Markt zu einer linearen Bewertungsgleichung^^ 24 Sharpe, W. F., G. J. Alexander (1990, S. 217). 2^ Uhlir, H., P. Steiner (1994, S. 199): „Wird ferner davon ausgegangen, dass dieser einzige Faktor die Rendite des Marktportfeuilles ist ... ist erkennbar, dass das CAPM ein Spezialfall der ,Arbitrage Pricing Theory' ist." 2^ Z.B. Campbell, J. ¥., A. W. Lo, A, C. MacKinlay (1997, S. 189-210). 2^ Gourieroux, C. (1997, S. 172). 2« Wilhelm, J. (1985, S. 85).
24
Stefan Huschens M = /ioldxi+/3(EG-/^o),
(10)
die formal der Gleichung (7) sehr ähnlich ist, mit dem Unterschied, dass an die Stelle des Marktportfolios ein so genanntes wertbestimmendes Portfolio^^ v tritt. Dabei gilt /x = EY, G = Y'Y und ßj = C{Yj, G)/YG. Die formale Analogie darf nicht zu dem Schluss verleiten, dass es sich um eine Herleitung des CAPM mit Hilfe von Arbitrageüberlegungen handelt. Die Rendite G ist nicht notwendigerweise die Rendite des Marktportfolios und die Beta-Koeffizienten sind in den beiden Gleichungen (7) und (10) voneinander verschieden. Das wesentUche Ergebnis ist aber, dass sich wesenthche Teile des CAPM, wie der Risk-Return-Tradeoff und die Zerlegung des Portfoliorisikos in einen systematischen und einen unsystematischen, diversifizierbaren Teil mit Arbitrageüberlegungen, unabhängig von individuellen Präferenzen, ableiten lassen. Die Tatsache, dass G kein unbestimmter Marktfaktor, sondern die Rendite eines Portfolios ist, ermöglicht die analoge Anwendung der Theoreme 3 und 4. Ein mit der Gleichung (10) verträglicher (i-dimensionaler Renditeprozeß muss also eine Gleichung Y = //oldxi+/3( 0, so dass die Gleichung V F = V F + w'VUw nur erfüllt werden kann, wenn VU nicht regulär ist. A.1.3 Beweis von Theorem 3 Für e := Y - fi gilt Es = O^xi und F = E F + w'e. Somit folgt aus der Bewertungsgleichung (7) die Gleichung Y = fioUxi + ß{F - w'e -ßo) + e.
(12)
Mit OL := /io(ldxi — ß) uiid U := e — ßWe folgt die Darstellung (8). Aus Ee = Odxi folgt EU = Orfxi. Außerdem gilt C ( U , F ) = 0 ^ x 1 , wegen C(U, F) = C(Y -OL-ßF,F)=
C(Y, F ) - C(/3F, F ) = /3VF -
ßYF.
A.1.4 Beweis von Theorem 4 Mit U aus Abschnitt A.1.3 lässt sich (12) in der Form (9) schreiben, so dass EU = C(U, F) = 0^+1 erfüllt ist. Aus der Zerlegung (4) für VY folgt VU = VY - ßß'YF. Aus ßj = C{Yj,F)/YF und F = w ' Y erhält man ^
wV^ VF
und damit VU = VY - /3w'VY = {Id - /3wOVY. A.2 Faktoren, Hauptkomponenten und stochastische Regressoren in der Statistik A.2.1 Faktoren in der statistischen Faktorenanalyse Die statistische Faktorenanalyse^^ ist ein multivariates Analyseverfahren, bei dem die Faktoren unbeobachtbare Variablen sind, die auch Konstruktvariablen genannt werden. Ein d-dimensionaler beobachtbarer Zufallsvektor Y ^^ Basilevsky, A. (1994), Mardia, K. V., J. T. Kent, J. M. Bihhy (1979, Kap. 9), Anderson, T. W. (1984, Kap. 14).
Faktorstruktur und Marktmodelle
29
mit Erwartungswertvektor fx = E Y und regulärer Varianz-Kovarianzmatrix S = VY wird in dem linearen Modellzusammenhang Y = /x + BZ + U
(13)
erklärt durch einen p-dimensionalen unbeobachtbaren Zufallsvektor Z, den Vektor der so genannten gemeinsamen Faktoren mit p < d, und einen ddimensionalen unbeobachtbaren Zufallsvektor U, den Vektor der spezifischen Faktoren oder Einzelrestfaktoren. Die Koeffizienten der reellwertigen d x pMatrix B heißen Faktor ladungen. Die unbeobachtbaren Variablen heißen auch latente Variablen. Für den Vektor Z wird EZ = Opxi und VZ = Ip unterstellt, so dass die p gemeinsamen Faktoren standardisiert und unkorreliert sind. Für den Vektor U wird EU = O^xi angenommen und dass VU eine Diagonalmatrix D ist. Außerdem wird C(Z,U) = Opxdi d.h. die wechselseitige Unkorreliertheit der gemeinsamen und spezifischen Faktoren, vorausgesetzt. Es gilt dann das so genannte Fundamentaltheorem der Faktorenanalyse S = BB'-hD.
(14)
Die Varianz-Kovarianzmatrizen E und D sind positiv definit, was äquivalent zur Rangbedingung r(I]) = r(D) = d ist. Die Varianz einer Linearkombination mit nichtstochastischen Koeffizienten w ist V(w'Y) = w'Ew = w'BB'w + w'Dw. Definition 3 (p-Faktorstruktur). Der Zufallsvektor Y mit der regulären dxd- Varianz-Kovarianzmatrix S hat eine p-Faktorstruktur (im Sinn der Faktorenanalyse), falls sich E als Summe einer Varianz-Kovarianzmatrix V mit r(V) = p < d und einer Diagonalmatrix D mit positiven Diagonalelementen darstellen lässt, S = V + D. Eine wesentliche Voraussetzung ist p < d. Für p = d ist eine Zerlegung möglich, bei der die Diagonalmatrix D eine Nullmatrix ist, und man erhält z. B. die Hauptkomponentenstruktur von S in der Form E = B B ' . Bestimmte statistische Test- und Schätzverfahren setzen die Kenntnis der gesamten Wahrscheinlichkeitsverteilung voraus. Typischerweise wird dann unterstellt, dass (Z,U) (p-h d)-dimensional multinormalverteilt ist, woraus dann folgt, dass die Vektoren Y und U d-dimensional und Z p-dimensional multinormalverteilt sind. Die Faktorenanalyse führt zu einer Zerlegung der Varianz der beobachtbaren Variablen in zwei Varianzanteile. Der erste Varianzanteil, die so genannte Kommunalität, wird durch die gemeinsamen Faktoren erklärt. Der zweite Varianzanteil, die so genannte spezifische Varianz, geht auf den jeweiligen spezifischen Faktor zurück. Zwei häufig bei der Faktorenanalyse verwendete Verfahren zur Bestimmung der Faktorladungen sind die Hauptfaktorenanalyse"^^ ^^ Mardia, K. V., J. T. Kent, J. M. Bibby (1979, Kapitel 9.3), Brachinger, H. W., F. Ost (1996, S. 662).
30
Stefan Huschens
(principal factor analysis), die auch Hauptachsen-Faktorenanalyse genannt wird, und die Hauptkomponentenmethode der Faktorenanalyse^^, die beide eine zentrale Idee aus der Hauptkomponentenanalyse, vgl. Abschnitt A.2.3, nämlich die Eigenwertzerlegung (Spektralzerlegung, Jordan-Zerlegung)^^ einer symmetrischen Matrix, verwenden.^^ A.2.2 Faktoren in der Varianzanalyse In der Varianzanalyse (analysis of variance, ANOVA) ist ein Faktor eine erklärende unbeobachtbare Variable, welche die Gruppenzugehörigkeit der Beobachtungen festlegt. Der Name Varianzanalyse ist insofern irreführend, als das Ziel der Varianzanalyse nicht in der Analyse von Varianzen, sondern in der Analyse von Mittelwerten besteht. Allerdings beruht die Varianzanalyse methodisch auf geeigneten Varianzzerlegungen, die dem Verfahren den Namen gegeben haben. Bei der einfachen oder einfaktoriellen Varianzanalyse wird eine erklärte Variable in mehreren disjunkten Gruppen beobachtet, wobei der Faktor mit den Ausprägungen r = 1 , . . . , i?, auch Faktorstufen genannt, die Zugehörigkeit zu R verschiedenen Gruppen festlegt. Bei einer Varianzanalyse mit mehreren Faktoren kann man inhaltlich Treatmentfaktoren und Klassifikationsfaktoren (z.B. Geschlecht, Altersgruppen) unterscheiden. Bei den Treatmentfaktoren erfolgt eine zufällige Zuordnung der Untersuchungseinheiten zu den Behandlungsstufen. Ein Faktor in der Varianzanalyse spielt die Rolle einer beobachtbaren, diskreten Regressorvariablen. A.2.3 Hauptkomponenten Die Hauptkomponentenanalyse^^ (principal component analysis) ist eine multivariate Analysetechnik für einen d-dimensionalen Zufallsvektor Y mit fj, = EY, bei der als Hauptkomponenten spezielle unkorrelierte Linearkombinationen H = A ( Y - /x) der erklärten Variablen Y bezeichnet werden, die eine Darstellung der Form Y = /x -h B H
(15)
ermöglichen.
^^ Brachinger, H. W,, F. Ost (1996, S. 661). ^^ Vgl. Mardia, K. V., J. T. Kent, J. M. Bihhy (1979, Theorem A.6.4). "^^ Für eine Klärung des Zusammenhanges zwischen Hauptfaktorenanalyse und Hauptkomponentenanalyse siehe Schneeweiß, H. (1995), und Schneeweiß, H., H. Mathes (1995) und Mardia, K. V., J. T. Kent, J. M. Bihhy (1979, Kap. 9.3). ^^ Jollife, L T. (2002), Mardia, K. V., J. T. Kent, J. M. Bihhy (1979, Kap. 8), Anderson, T. W. (1984, Kap. 11).
Faktorstruktur und Marktmodelle
31
Die erste Hauptkomponente Hi ist dabei diejenige Linearkombination a'i(Y — /x), die unter Beachtung der Normierung a'^ai — 1 maximale Varianz besitzt. Die zweite Hauptkomponente H2 ist eine Linear kombination a2(Y — /LA), die bezüglich der Restriktionen a2a2 = 1 und a2ai = 0 maximale Varianz besitzt, die dritte Hauptkomponente maximiert die Varianz von a3(Y—/Lt) bezüglich der Restriktionen aßas = 1, a3a2 = a3ai = 0, usw. bis zur d-ten Hauptkomponente.^^ Die Hauptkomponenten sind endogene Variablen, da sie Linearkombinationen der erklärten Variablen sind. A.2.4 Stochastische Regressoren Die im Zusammenhang mit den Modellen der Kapitalmarkttheorie relevanten Regressionskonzepte sind diejenigen mit stochastischen Regressoren. Wenn die Zufallsvariablen X und Y eine gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung mit endlichen Varianzen haben, dann ist durch die RegressionskoefBzienten ^ : - ^ ^ ^ ,
a-EY-ßEX
(16)
und die Residualvariable U:=Y-a-ßX das lineare Regressionsmodell Y = a + ßX + U
(17)
definiert. Es gelten dann EU = 0 und C(X, f/) = 0. In (17) nennt man die Zufallsvariable X einen stochastischen Regressor.^^ Die lineare Funktion f2{x) = a-\-ßx mit a und ß aus (16) heißt auch Regression 2. Art, wobei /2(^) den Ausdruck E ( ( y — a — hX)'^\X = x) bezüglich a und b minimiert. Dagegen ist die Regression 1. Art von Y auf X durch die Funktion fi{x) = E ( y | X = x) gegeben, die in der Regel nicht linear ist. Dabei minimiert fi{x) den Ausdruck E ( ( y - /(x))2|X = x) bzgl. aller f{x). Für die Parameterschätzung wird in der Regel die weitergehende Annahme gemacht, dass die Zufallsvariablen X und U stochastisch unabhängig sind oder dass zumindest E{U\X) = EU und Y{U\X) = YU gilt. Häufig betrachtet man ein Modell für n unabhängige Beobachtungen (Xe, Yi) bedingt auf n fixierte Werte x i , . . . , x^. Es gilt dann Yi = a-{- ßxi -\-Si,
i = 1,..., n
Dazu sind die Eigenwerte und Eigenvektoren der Varianz-Kovarianzmatrix E = VY zu bestimmen. Mit der Diagonalmatrix A der in abnehmender Größe sortierten Eigenwerte und einer Matrix zugehöriger orthonormierter Eigenvektoren mit BB' = I gilt dann BA = EB, BAB' - E und B'EB = A. Für H = A(Y - /i) mit A = B' gilt VH = AEA' = B'EB = A. Vgl. für eine Einführung in die Theorie der linearen Regression mit stochastischen Regressoren Schönfeld, P. (1971, Kap. 8).
32
Stefan Huschens
mit Si := Yi-
{a + ßxi).
Es gilt E{si\Xi = Xi) = E{Ui\Xi = Xi) und Y{s\Xi = Xi) = Y{Ui\Xi = Xi). Mit den zusätzlichen Annahmen E{Ui\Xi = Xi) = 0 und Y{Ui\Xi = xi) = o^ für i = 1 , . . . , n, wobei die Varianzen nicht von den x-Werten abhängen dürfen, erhält man dann eine Standardform des linearen Regressionsmodells mit nichtstochastischem Regressor. Diese beiden zusätzlichen Annahmen folgen aus der stärkeren Annahme der stochastischen Unabhängigkeit von Xi und Vi oder ergeben sich, falls die [Xi^Yi) bivariat normalverteilt sind. Falls EU = 0 erfüllt ist, gelten für die drei Annahmen A: ,[/ und X sind stochastisch unabhängig', B: ,E{U\X) = 0' und C: ,C(X, C/) = 0' die Implikationen A =^ B und B = > C, während die Umkehrungen im Allgemeinen falsch sind.^^ Das folgende Beispiel soll die Problematik verdeutlichen. Die Zufallsvariablen Z und X seien standardnormalverteilt und stochastisch unabhängig. Für U := ZX'^ + X^ — 1 gelten dann im Modell
Y:=a-\-ßX-{-U zwar die Standardeigenschaften EU = 0, YU > 0 und C(X, U) = 0,^^ aber es gilt U\X = X ~ N{x^ — l,x^) und damit insbesondere E{U\X = x) = x'^ — 1 und Y{U\X = x) = x^. Somit gilt zwar EY = a + /?EX, aber nicht E{Y\X) = a -h ßX. Falls U und X bivariat normalverteilt sind, folgt A aus C, so dass dann die drei Annahmen A, B und C äquivalent sind. Die Unterscheidung dieser Annahmen ist wesentlich für die Erwartungstreue der Schätzer nach der Methode der kleinsten Quadrate im Modell mit stochastischen Regressoren, die unter schärferen Annahmen als C bewiesen wird.^4 Eine Verallgemeinerung von (17) mit d simultanen Gleichungen für die erklärten Variablen Y i , . . . , V^ und einer erklärenden Variablen X erhält man mit
ßj:=^i^^,
aj:=EYj-ßjEX,
Uj :^Yj - aj - ßjX
und Y = a -|- ßX + U, wobei Y, a , /3 und U die entsprechenden ddimensionalen Vektoren sind. Dann gilt EU = C ( U , X ) = O^xi- Di^ VarianzKovarianzmatrix VU ist nicht notwendig eine Diagonalmatrix, so dass die Residualvariablen aus verschiedenen Gleichungen korreliert sein können. Wenn die Residualvariablen nicht unabhängig sind, liegt das Modell der seemingly unrelated regressions (SUR-Modell) vor. In diesem Modell gelten die Varianzzerlegungen VY = ßß'YX + VU und V(w'Y) = {w'ß)'^YX + w'VUw. ^2 Vgl. dazu Ingersoll, J. E. (1987, S. 15) und Schönfeld, P. (1971, S. 20-21). ^^ Diese erhält man aus EX = EX^ = 0, EX^ = 1 und EX^ = 3. ^"^ Vgl. z. B. Schönfeld, P. (1971, S. 21) oder Frohn, J. (1995, S. 143), auch wenn z. B. Kahler, J. (2002, S. 126) - allerdings ohne Beweis und Quelle - behauptet, die Erwartungstreue der KQ-Schätzer folge aus der Unkorreliertheit von Regressor und Residuen und damit mit der Annahme C.
Faktorstruktur und Marktmodelle
33
Literaturverzeichnis 1. Anderson, T. W. (1984): An Introduction to Multivariate Statistical Analysis, 2. Aufl., New York et al., John Wiley & Sons, 1984. 2. Barucci, E. (2003): Financial Markets Theory - Equilibrium, Efficiency and Information, London et al., Springer-Verlag, 2003. 3. Basilevsky, A. (1994): Statistical Factor Analysis and Related Methods - Theory and Applications, New York et al., John Wiley Sz Sons, 1994. 4. Brachinger, H. W., F. Ost (1996): Modelle mit latenten Variablen: Faktorenanalyse, Latent-Structure-Analyse und LISREL-Analyse, in: L. Fahrmeir, A. Hamerle und G. Tutz (Hrsg.): Multivariate statistische Verfahren, 2., erweiterte Aufl., Walter de Gruyter, Berlin und New York, 1996, S. 639-766. 5. Bucay, N., D. Rosen (2003): Applying portfolio credit risk to retail portfolios, in: G. Gaeta (Hrsg.): Frontiers in Credit Risk - Concepts and Techniques for Applied Credit Risk Management, Signapore, John Wiley k, Sons (Asia) Pte Ltd, 2003. 6. Campbell, J. Y., A. W. Lo, A. C. MacKinlay (1997): The Econometrics of Financial Markets, Princeton, Princeton University Press, 1997. 7. Chamberlain, G., M. Rothschild (1983): Arbitrage, factor structure, and meanvariance analysis of large asset markets. In: Econometrica, 51, 1983, 1281-1304. 8. Duffie, D. (1996): Dynamic Asset Pricing Theory, New-Jersey, Princeton, 1996. 9. Elton, E. J., M. J. Gruber (1995): Modern Portfolio Theory and Investment Analysis, 5. Aufl., New York, Wiley, 1995. 10. Fama, E. F. (1971): Risk, return, and equilibrium. In: Journal of Political Economy, 79, 1971, 30-55. 11. Fama, E. F., K. R. French (2004): The Capital Asset Pricing Model: Theory and Evidence, Center for Research in Security Prices Working Paper Series, Nr. 550, The University of Chicago, January, 2004. (http://gsbwww.uchicago.edu/fac/finance/papers) 12. Frohn, J. (1995): Grundausbildung in Ökonometrie, 2. Aufl., Berlin und New York, Walter de Gruyter, 1995. 13. Gourieroux, C. (1997): ARCH Models and Financial Applications, New York et al., Springer, 1997. 14. Huschens, S. (1998): Messung des besonderen Kursrisikos durch Varianzzerlegung. In: Kredit und Kapital, 31, 1998, 567-591, 15. Huschens, S., J.-R. Kim (2000): A stable CAPM in the presence of heavy-tailed distributions, in: J. Franke, W. Härdle und G. Stahl (Hrsg.): Measuring Risk in Complex Stochastic Systems, New York et al., Springer-Verlag (Lecture Notes in Statistics, 147), 2000, 175-188. 16. Jagannathan, R., Z. Wang (2002): Empirical evaluation of asset-pricing models: a comparison of the SDF and beta methods. In: The Journal of Finance, 57, 2002, 2337-2367. 17. Ingersoll, J. E. (1987): Theory of Financial Decision Making, Savage, Rowman k, Littlefleld, 1987. 18. Jensen, M. C. (1969): Risk, the pricing of capital assets, and the evaluation of Investment portfolio. In: Journal of Business, 42, 1969, 167-247. 19. Jensen, M. C. (1972): Capital markets: theory and evidence. In: Bell Journal of Economics and Management Science, 3, 1972, 357-398. 20. Jolliffe, I. T. (2002): Principal Component Analysis, 2. Aufl., New York et al., Springer, 2002.
34
Stefan Huschens
21. Kahler, J. (2002): Regressionsanalyse, in: M. Schröder (Hrsg.): Finanzmarktökonometrie - Basistechniken, Fortgeschrittene Verfahren, Prognosemodelle, Stuttgart, Schäffer-Poeschel Verlag, 2002. 22. Kiesel, R., U. Stadtmüller (2003): Dimensions of Credit Risk, in: M. Schwaiger, O. Opitz (Hrsg.): Exploratory Data Analysis in Empirical Research, Proceedings of the 25th Annual Conference of the Gesellschaft für Klassifikation e. V., University of Munich, March 14-16, 2001, Berlin und Heidelberg, Springer-Verlag, 2003, S. 463-471. 23. Kruschwitz, L. (1999): Finanzierung und Investition, 2. Aufl., München, Oldenbourg-Verlag, 1999. 24. Mardia, K. V., J. T. Kent, J. M. Bibby (1979): Multivariate Analysis, London et al., Academic Press, 1979. 25. Merton, R. (1990): Continuous-Time Finance, Oxford, Blackwell, 1990. 26. Poddig, T., H. Dichtl, K. Petersmeier (2001): Statistik, Ökonometrie, Optimierung - Methoden und ihre praktische Anwendung in Finanzanalyse und Portfoliomanagement, 2. erweiterte Auflage, Bad Soden/Ts., Uhlenbruch Verlag, 2001. 27. Rachev, R., S. Mittnik (2000): Stable Paretian Models in Finance, Chichester et a l , Wiley, 2000. 28. Roll, R. (1997): A critique of the asset pricing theory's tests. In: Journal of Financial Economics, 4, 1997, 129-176. 29. Ruppert, D. (2004): Statistics and Finance, New York et al., Springer-Verlag, 2004. 30. Schneeweiß, H. (1995): Factors and principal components: their approach to each other when the factor loadings are orthogonal, in: H. Rinne, B. Rüger und H. Strecker (Hrsg.): Grundlagen der Statistik und ihre Anwendungen, Festschrift für Kurt Weichselberger, Heidelberg, Physica-Verlag, 1995, 188-198. 31. Schneeweiß, H., Mathes, H. (1995): Factor analysis and principal components. In: Journal of Multivariate Analysis, 55, 1995, 105-124. 32. Schönfeld, P. (1971): Methoden der Ökonometrie, Band II: Stochastische Regressoren und simultane Gleichungen, Berlin, Frankfurt a. M., Verlag Franz Vahlen, 1971. 33. Sharpe, W. F., G. J. Alexander (1990): Investments, 4. Aufl., Englewood Cliffs, Prentice-Hall, 1990. 34. Uhlir, H., P. Steiner (1994): Wertpapieranalyse, Heidelberg, Physica-Verlag, 1994. 35. Wilhelm, J. (1981): Zum Verhältnis von Capital Asset Pricing Model, Arbitrage Pricing Theory und Bedingungen der Arbitragefreiheit von Finanzmärkten. In: Zeitschrift für betriebswirtschafthche Forschungen, 33, 1981, 891-905. 36. Wilhelm, J. (1985): Arbitrage Theory, Berlin et al., Springer-Verlag (Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems, 245), 1985. 37. Wilhelm, J. (2001): Beta-Risiko, in: R. Bühner (Hrsg.): Management-Lexikon, München et al., Oldenbourg Verlag, 2001. 38. Wilson, T. (1994): Debunking the myths. In: Risk, 7 (4), 1994, 67-73.
Effiziente Portefeuillestrukturen: von Harry Markowitz zur Kapitalmarktlinie Peter Steiner Universität Graz, Institut für Banken und Finanzierung, Universitätsstraße 15/F2, A-8010 Graz baf inQuni-graz,at 1
Einleitung
36
2
Voraussetzungen
37
3
Das Grundmodell
38
4
Das Minimumvarianzportefeuille
42
5
Spezielle Portefeuillevorgaben
44
5.1 5.2 5.3 5.4
Die Die Die Die
44 44 45 46
6
Zusammenfassung
48
A
Anhang
49
A.l A.2 A.3 A.4 A.5
Anhang Anhang Anhang Anhang Anhang
49 50 50 51 53
B
Abkürzungen
Struktur bei Vorgabe eines Portefeuilleertrags Struktur bei Vorgabe eines Portefeuillerisikos Linie risikoefiizienter Portefeuilles Struktur bei Existenz einer risikolosen Veranlagung
1 2 3 4 5
Literaturverzeichnis
54 54
36
Peter Steiner
1 Einleitung Die bahnbrechenden Arbeiten von Harry M. Markowitz (1952, 1959) gelten als Grundlage der modernen Portefeuilletheorie. Da bei den Zielsetzungen der Investoren nur zwei (monetäre) Kriterien unterstellt werden, nämlich Risk (gemessen in der Varianz der (Wertpapier-)Renditen) und Return (als erwarteter relativer Rückfluss), spricht man in diesem Zusammenhang auch vom mean-variance approach oder vom /i-cr-Prinzip. Diesem Ansatz ist bei Vorliegen annähernd normalverteilter (transformierter) Renditen-"^ nichts entgegenzusetzen - und man benötigt keine einschränkenden Annahmen bzgl. der Risiko-Nutzenfunktionen der Investoren. Ausgehend vom Zwei-Wertpapier-Fall werden folgende Überlegungen angestellt. OffensichtHch besitzt man im Zwei-Wertpapier-Fall nur einen Freiheitsgrad bei der Portefeuillebildung: Wird das Gewicht der ersten Portefeuillekomponente festgesetzt, so resultiert aus der Forderung, dass die Summe der Gewichte eins ergeben muss, sofort das Gewicht der zweiten Portefeuillekomponente und daraus folgt wiederum der Portefeuilleertrag und die Portefeuillevarianz. Durch entsprechende Umformung der oben genannten Beziehungen könnte nun eine beliebige Vorgabe gewählt werden - z . B . ein (erwarteter) Portefeuilleertrag r* oder ein bestimmtes Risikoniveau er* - und die restlichen Größen wie die Gewichte wi, W2 sowie app oder rpp ergeben sich zwangsläufig. Diese Aussagen lassen sich auf den P-Wertpapier-Fall folgendermaßen übertragen: Die Vorgabe einer bestimmten (erwarteten) Portefeuille-Rendite oder die Vorgabe eines bestimmten Risikoniveaus führt zu genau einem risikoefläzienten Portefeuille. Allerdings ist bei mehr als zwei Wertpapieren Folgendes zu beachten. Existiert bei zwei Wertpapieren genau eine Linie möglicher Portefeuilles, so existiert bei mehr als zwei Wertpapieren eine Fläche möglicher Portefeuilles. Abbildung 1 soll dies verdeutlichen.^ Wird eine bestimmte Rendite oder ein bestimmtes Risikoniveau gefordert, so ist die graphische Lösung dieses Problems gemäß Abb. 1 intuitiv einsichtig; risikoeffiziente Portefeuilles können nur auf der Umhüllenden liegen, wobei das Minimumvarianzportefeuille MVP (mit dem expected return EM und der Standardabweichung VM^/^) den Übergang von inferioren zu dominanten Portefeuilles markiert. Eine Renditevorgabe (Risikovorgabe) impliziert genau ein risikoeffizientes Portefeuille mit einem eindeutig bestimmbaren Risiko (Ertrag). Darüber hinaus muss gelten: Ein auf der Umhüllenden liegendes Portefeuille impliziert genau eine Tangente, welche die Return-Achse in einem bestimmten Punkt, dem intercept, schneidet. Es muss daher ein Zusammenhang zwischen (erwarteter) Portefeuille-Rendite, dem Portefeuille-Risiko und ^ Die übliche Transformation besteht aus dem Logarithmieren der Preis- bzw. Kursverhältnisse. ^ Eine (erste) analytische Herleitung findet sich bereits bei Merton (1972), der eine Lösung mit Hilfe der Kegelschnitttheorie gefunden hat. So spricht Merton von the frontier in meanvariance space is a parabola bzw. is a hyperbola im ^[r]-er-Raum.
Effiziente Portefeuillestrukturen
37
der Tangente bzw. deren Schnittpunkt mit der Return-Achse bestehen, da nur eine dieser Größen frei wählbar ist. Für risikoeffiziente Portefeuilles muss ferner gelten, dass die Renditevorgabe mindestens so groß sein muss wie die Rendite EM des Minimumvarianzportefeuilles bzw. allgemein gilt, dass die gewünschte Portefeuille-Varianz mindestens so groß sein muss wie die Varianz VM des Minimumvarianzportefeuilles. Ahnliches gilt für den intercept: Wird dieser als Zinssatz für risikolose Anlagen {= rp) interpretiert, muss für risikoeffiziente Portefeuilles rp < EM gelten.
E[rpF]
* - apF
Abb. 1. Fläche möglicher Portefeuilles In weiterer Folge werden die Zusammenhänge zwischen (erwartetem) Portefeuilleertrag, Portefeuillerisiko und Zinssatz für risikolose Anlagen untersucht, wobei die Größen EM und VM des Minimumvarianzportefeuilles besonders deutlich in den Vordergrund rücken.
2 Voraussetzungen Bei der Bestimmung von investorindividuellen optimalen Portefeuilles ist der Grad an Risikoaversion, dargestellt durch den Risk-Return Präferenzparameter 0 , maßgebend. Dieser kann auch als (individueller) Gleichgewichtsparameter zwischen übernommenem Risiko und Höhe des erwarteten Returns interpretiert werden. Mit Hilfe dieses Parameters können sämtliche portefeuillespezifischen Fragen in allgemeiner Form einheitlich gelöst werden, nämlich:
38
Peter Steiner
a) Wie lautet das optimale Portefeuille, wenn der Risk-Return Präferenzparameter bekannt ist? Dies ist sicherlich eine rein theoretische Frage, da Investoren in aller Regel ihre Nutzenfunktion nur hinsichtlich deren Eigenschaften spezifizieren können, nicht aber hinsichtlich der Höhe des Risk-Return Präferenzparameters. b) Wie lautet das optimale Portefeuille, wenn ein bestimmter (erwarteter) Portefeuilleertrag gefordert wird? Diese Frage scheint realitätsnäher zu sein - Investoren können sich hinsichtlich ihrer Renditevorstellungen vergleichsweise gut artikulieren; offen bleibt jedoch die Frage, ob bei vergleichsweise hohen Renditewünschen das zu übernehmende Risiko noch adäquat eingeschätzt werden kann. c) Wie lautet das optimale Portefeuille, wenn ein bestimmtes (Höchst-) Risikoniveau zur Bedingung gemacht wird? Diese Frage ist ebenfalls sehr realitätsnahe; in den letzten Jahren sind Investoren gegenüber Renditeschwankungen zunehmend sensibilisiert und Risiko- bzw. Risikomanagementkonzepte haben nicht nur in der akademisch-theoretischen Literatur längst ihren Einzug gefunden. OflFen bleibt hier jedoch die Frage, mit welchem (erwarteten) Return übernommenes Risiko „fair" abgegolten werden soll, was letztendlich in die Frage nach einem fairen Preis für das Gut Risiko mündet. d) Wie lautet das optimale Portefeuille, wenn zusätzlich die Möglichkeit einer risikolosen Veranlagung bzw. Verschuldung möglich ist? Die Möglichkeit einer zusätzlichen Veranlagung mit einem (nahezu) sicheren Return ist faktisch in jeder Volkswirtschaft gegeben; es stellt sich somit die Frage nach der optimalen AUokation zwischen einem riskless asset und einem Bündel bzw. Portefeuille von risky assets.
3 Das Grundmodell Bevor nun auf die eigentlichen Problemlösungen eingegangen wird, werden die Gleichungen für den Portefeuilleertrag und die Portefeuillevarianz (siehe Formel (1) bzw. (2)) angeschrieben; dabei wird das Symbol „~" für Unsicherheit vereinfachend unterdrückt: rpF = Yli^i
'^i'^i
w
= [wi,.,wp] X rp
bzw.
Xr
(1)
Effiziente Portefeuillestrukturen
39
ajyp = wl' a n + w^ • 0-22 + ... + w^ • app-\+ 2 . t(;i . t(;2 • (712 + 2 . t(;i • K;3 . cri3 + ... + 2 • 1(71 • t/;p . aip-\-\- 2 ' W2 ' Ws ' a23 + 2 ' W2 ' W4 ' a24 -\- '" -^ '^ ' ^^2 ' Wp ' [/*/©, können nun beliebig viele P u n k t e der Risiko-Nutzenfunktion im (r, cr)-Raum gefunden werden. Das Optimierungsproblem max f7(.,.) - siehe Formel (3) - lautet nun (man beachte, dass die Zielfunktion aufgrund der Varianz- bzw. Kovarianzbeziehungen nicht in linearer Form vorliegt; für den (einzig notwendigen!) LagrangeMultiplikator wird A geschrieben):
L = 0'rpF-
(jj>p - A • f Yli=i
'^i~^) max.
wobei sowohl rpp als auch a'pp durch die Gewichte Wi der Portefeuillekandid a t e n determiniert werden. ^ Anzumerken ist, dass eine explizite Darstellung nur von cr(r), nicht aber von r{a) möglich ist. ^ Da apF = 0 ein risikoloses Portefeuille impliziert, kann rpp an dieser Stelle nur den Zinssatz rp für risikolose Anlagen darstellen.
Effiziente Portefeuillestrukturen
41
Für die Lösung des Optimierungsproblems sind die partiellen Ableitungen nach Wi und A zu bilden und null zu setzen. Man erhält ( P -fl) - nun lineare - Gleichungen^: 0-ri
2 • (7ii ... 2 • (Jip 1
e-rp 1
2 • cpi ... 2 • dpp 1 1 ... 1 0
0.
Wp
X
Vereinfachend wird folgendes definiert: ^ 0 • ri ^ 0 • rp 1
A
Wird ferner mit C die um die Nebenbedingung erweiterte, zweifache VarianzKovarianz-Matrix bezeichnet, so kann geschrieben werden: C Xw =e und für die Gewichtungsstruktur erhält man: w = C~^ X e.
(4)
Bezeichnet man jene Elemente der inversen Matrix C~-^, die zu den zweifachen Varianzen-Kovarianzen korrespondieren, mit Vij (aufgrund der Symmetrie der Varianz-Kovarianz Matrix gilt auch für die inversen Elemente Vij = Vji) und die Elemente der letzten Zeile bzw. letzten Spalte (diese sind identisch) mit Qi bzw. 7, so erhält man: ^11 • • • viP
c-i =
9i
91
V Vpi . .. vpp 91
•"
gp
9P
9P
_9i ••• 9P 7
7 .
Die Elemente gi,i = 1 , . . . , P , summieren sich zu eins (siehe Anhang 1) und die Matrix V hat die Eigenschaft, dass die Zeilen- bzw. Spaltensumme der Vij jeweils null ergibt (siehe Anhang 2). Die Gewichtungsstruktur gemäß Formel (4) lautet demnach Wi
vn . • .
Wp
Vpi . .. Vpp
X
ViP
91 • "9P
" 0 • ri 1
9i'
gp
7 _
X
&
'rp\
1
\
Das Vorliegen von (P + 1) Gleichungen begründet sich durch die einzige Nebenbedingung. Allgemein erhält man bei n Nebenbedingungen (P -h n) Gleichungen.
42
Peter Steiner
bzw. als Gleichungssystem angeschrieben erhält man: ^^1 = ^1 + 0 • (^11 • ri + . . . + t^ip • rp) wp = gp-\-0'
{vpi • ri + . . . + ^PP • rp)
A == 7 + 6) • (pi • ri + . . . +
PP
• rp).
(5)
Vereinfachend wird nun die Summe der inversen Elemente der i-ten Zeile, multipliziert mit den entsprechenden (erwarteten) Returns, mit di definiert: di = ^
l,...,P.
Vij
(6)
Allgemein gilt somit: d=
Vx
(7)
Beziehung (5) kann nun wie folgt angeschrieben werden und für das Gewicht der i-teii Portefeuillekomponente in Abhängigkeit des Risk-Return Präferenzparameters & erhält man die allgemeine Lösungsgleichung: 'Wi = Qi + O 'di.
(8)
Werden ferner die Werte di mit den entsprechenden Erträgen r^ (nochmals) multipliziert und über alle Portefeuillekandidaten P aufsummiert, so erhält man eine Risk-Return spezifische Kennzahl, die in weiterer Folge mit RR bezeichnet wird: i;ii . ..
"^i]
Vip'
RR = 2_^._ di'ri = (ri...rp) x
= r^ xY xr. (9)
X
Vpi
, .. Vpp ^
_rp\
4 Das Minimumvarianzportefeuille Wie bereits an früherer Stelle argumentiert wurde, stellt & den Kehrwert des Anstiegs einer Tangente an die Linie der möglichen Portefeuilles im (r, cr^)Raum dar. Da im Minimumvarianzportefeuille der Anstieg der Tangente gegen unendlich strebt, gilt für den Risk-Return Präferenzparameter an dieser Stelle: 9
MVP
=1=0. OO
Somit lautet die Gewichtungsstruktur des Minimumvarianzportefeuilles: MVP
(10)
d. h. die Gewichte des Minimumvarianzportefeuilles sind aus der inversen Matrix C"-*^ direkt ablesbar und scheinen dort in der letzten Zeile bzw. in der
Effiziente Portefeuillestrukturen
43
letzten Spalte auf. Für den Ertrag EM des Minimumvarianzportefeuilles erhält man daher: EM = w^""
• n + ... + w^P
.TP = Y!',^^gi-n=g^x
r.
(11)
Da ferner gezeigt werden kann (siehe Anhang 3), dass das Element 7 der Matrix C~-^ die negative zweifache Varianz des Minimumvarianzportefeuilles darstellt, das heißt es gilt FM = - | , (12) bildet C"-*^ das Minimumvarianzportefeuille quasi perfekt ab und es kann geschrieben werden: MVP
>.-i
Vpi
... Vpp
MVP Wp^
Für den Lagrange-Multiplikator ergibt sich somit X = J + 9 • (gi • ri + ... + gp • rp) = -2-VM
+ 0-EM.
(13)
Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Gewichtungsstruktur eines risikoeffizienten Portefeuilles ergibt sich allgemein aus Wi^wf^^
+ G'di.
(14)
Die drei Kennzahlen EM, VM und RR reichen aus, um sämtliche angesprochenen Fragen bzgl. optimaler Portefeuilles bei Vorgabe einer Zielgröße vergleichsweise sehr einfach zu lösen. Der wesentliche Vorteil besteht darin, dass keine weiteren Restriktionen'^ bei der Portefeuille-Optimierung explizit zu berücksichtigen sind, wie etwa die Nebenbedingung, dass •
bei Vorgabe einer bestimmten Portefeuille-Rendite die Summe der gewichteten Einzelrenditen gerade den geforderten Ertrag ergeben muss;
•
bei Vorgabe eines bestimmten Varianz- bzw. Sigma-Niveaus die Summe der quadratgewichteten Varianzen/Kovarianzen gerade das entsprechende Risiko-Niveau ergeben muss;
^ Sollen Leerverkäufe ausgeschlossen werden, so ist die Nicht-Negativitätsbedingung für die Gewichte wi zu beachten. Für den Risk-Return Präferenzparameter O muss nun gelten: O > —gi/di für c?« > 0 bzw. G < —gi/di für d* < 0.
44 •
Peter Steiner eine risikolose Veranlagung zu rp möglich ist; bei vordergründiger Betrachtung ist die Nebenbedingung Summe der Gewichte Wi = 1 mit i = 1 , . . . , P insofern zu modifizieren, als dass nun die Summe der Gewichte plus dem Gewicht des risikolosen Wertpapiers eins ergeben muss: Die Optimierung umfasst nun nicht mehr P , sondern P + 1 Portefeuillekandidaten plus einer Nebenbedingung. Allerdings scheitert diese Vorgehensweise daran, dass aufgrund des risikolosen Wertpapiers stets nur dieses als Minimumvarianzportefeuille in der Inversen der erweiterten Varianz-Kovarianz-Matrix aufscheint.
5 Spezielle Portefeuillevorgaben 5.1 Die Struktur bei Vorgabe eines Portefeuilleertrags Wird der vorgegebene Portefeuilleertrag mit r* bezeichnet, so ist für die rechnerische Lösung folgender Weg einzuschlagen: Man bestimme den zu r* gehörigen Risk-Return Präferenzparameter 0 und setze in die allgemeine Lösungsgleichung (14) ein; als Resultat erhält man die Gewichtungsstruktur jenes Portefeuilles, welches gerade rpp = r* impliziert. Aufgrund folgender Überlegungen kann der Parameter 0 ermittelt werden. Wird in der Ertragsgleichung (1) das Gewicht Wi gemäß Formel (14) substituiert, so resultiert daraus:
Nun stellt aber der erste Summenausdruck obiger Gleichung den Ertrag EM des Minimumvarianzportefeuilles dar (vergleiche dazu Formel (11)) und der zweite Summenausdruck wurde in Gleichung (9) mit RR definiert. Es kann daher vereinfachend geschrieben werden: r* = EM -h 0 . RR,
(15)
d. h. ein beliebiger geforderter Ertrag in Höhe von r* ergibt sich aus der Rendite des Minimumvarianzportefeuilles plus Risk-Return Präferenzparameter 0 mal Kennzahl RR. Durch Umformung obiger Gleichung erhält man den Parameter 0 in Abhängigkeit des geforderten Ertrags: r*
-EM
Sinnvollerweise soll r* > EM gelten, da anderenfalls wegen 0 < 0 ein risikoineffizientes Portefeuille erzeugt wird. 5.2 Die Struktur bei Vorgabe eines Portefeuillerisikos Wird das vorgegebene Portefeuillerisiko - gemessen in der Standardabweichung - mit er* bezeichnet, so ist für die rechnerische Lösung folgender Weg
Effiziente Portefeuillestrukturen
45
einzuschlagen: Man bestimme den zu a* gehörigen (positiven) Risk-Return Präferenzparameter 0 und die Gewichtungsstruktur ergibt sich durch Einsetzen von 0 in die allgemeine Lösungsgleichung (14). Bei der Ermittlung von 0 ist folgendermaßen vorzugehen. Aus der Gleichung für die Portefeuille-Varianz (vergleiche Formel (2)) und unter Berücksichtigung von Beziehung (14) für die Portefeuillegewichte folgt: ll/2 (j
=
E E • 1/2
E'' E"" (^
,MVP
+ 0.cZ,).(t/;f^^ + 0 . c i , ) . a ,
E.=, E,=, -f"" • -r" • -^.-+ö^ • E.=, E,=, ^ '^ • ^.- • -^ 1/2
+ 2-0-E
E
it;
MVP
• dn ' Gi
Der erste Ausdruck der eckigen Klammer ergibt die Varianz VM des Minimumvarianzportefeuilles (vergleiche dazu Formel (12)). Für den zweiten bzw. dritten Ausdruck gilt (siehe Anhang 4 bzw. Anhang 5):
bzw.
ELE'-r"-^.-^i
0.
Somit ergibt sich zwischen einem geforderten Risikoniveau er* und dem RiskReturn Präferenzparameter 0 folgender Zusammenhang: 1/2
+ (VM + 0 2 . ^ )
(17)
Wird obige Beziehung nach Q aufgelöst, so erhält man als Lösung für den Parameter G in Abhängigkeit eines geforderten Portefeuille-Risikos von a*: 1/2
{(y*y
e=+
-VM\
RR
(18)
Wie aus Gleichung (18) ersichtlich ist, muss hier gelten, dass das geforderte Risikoniveau mindestens so groß ist wie die Varianz des Minimumvarianzportefeuilles, d.h. (ö-*)2> VM. 5.3 Die Linie risikoefflzienter Portefeuilles Werden die Beziehungen (15) und (16) bzw. (17) und (18) gemeinsam betrachtet, so erhält man:
46
Peter Steiner 1/2
rpF - EM _ RR
/2'{a%p.-VM)\
~ ^ ~ \
RR
)
bzw. rlpF-2' Im Risk-Return
rpF • EM + EM'^ = 2 - RR-a^p-2
RR- VM.
Raum erhält m a n somit die Beziehung rpF = EM-^[2'RR'
{a^p - VM)] ^'^
(19)
bzw.
4. = vM+(-|:JS!.
(20)
5.4 D i e S t r u k t u r b e i E x i s t e n z e i n e r r i s i k o l o s e n V e r a n l a g u n g Abbildung 2 demonstriert die graphische Lösung, wenn zusätzlich eine risikolose Veranlagung möglich ist.^ A n dieser Stelle ist zu erwähnen, dass nachfolgende Ausführungen als Alternative zur E r m i t t l u n g der Kapitalmarktlinie im Sinne des Capital Asset Pricing Model - angesehen werden können.^ Die Linie möglicher Portefeuilles zwischen dem risikolosen Wertpapier mit dem E r t r a g rp u n d der Standardabweichung ap = ^ u n d einem beliebigen Portefeuille PFH m i t dem E r t r a g rn u n d der Standardabweichung an stellt im (r, (7)-Raum eine Gerade d a r (nicht hingegen im Return-Varianz-Raum): Return
= ty • r / j -f- (1 — ^i^) • r^?
bzw. w =
Return
rn-rp
— rp ; 1 /9
Sigma
= \w^ - a%-\-{1 - wf - 0+ 2 - w - {1 - w)-ol Return rn
=
— rp -rp
Die explizite Berücksichtigung des ( P + l ) - t e n Wertpapiers bei der Optimierung scheitert daran, dass dieses Wertpapier risikolos ist. Abgesehen davon, dass die Inverse der Varianz-Kovarianz-Matrix nicht existiert, wird aufgrund von varlrp] = cov[rF;ri] = 0 das Minimumvarianzportefeuille zu 100% aus dem riskless asset gebildet und man erhält keine Information bezüglich der varianzminimierenden Zusammensetzung der risky assets. ^ In der Literatur wird - chronologisch-historisch bedingt - gerne von der Kapitalmarktlinie und Tobin-Separation einerseits und Beta und CAPM bzw. Beta und Sharpe/Lintner/Mossin andererseits gesprochen. Während z. B. Spremann (2003) diese Trennung konsequent beibehält, werden bei anderen Autoren die Herleitungen der Kapitalmarktlinie (im £^[r]-o--Raum) und der Wertpapiermarktlinie (im jEJ[r]-/3-Raum) mit einer gewissen Nonchalance verknüpfend dargestellt; siehe dazu beispielsweise Copeland/Weston/Shastri (2005) oder Elton/Gruher/Brown/Goetzmann (2003).
Effiziente Portefeuillestrukturen
47
E[rpFl
Abb. 2. Optimales Portefeuille unter Berücksichtigung einer risikolosen Veranlagung Daraus folgt die (bekannte) Beziehung Return
rp H
• oigma^ CTH
wobei der Anstieg k durch {rH—f^F)/ rp gilt. Wird ferner Beziehung (21) nach rp aufgelöst, so erhält man für einen gegeben Risk-Return Präferenzparameter © den (gleichgewichtigen) Zinssatz für risikolose Anlagen: G =
rF = EM -
2-VM 0 '
(22)
Die Beziehung zwischen rp und 0 impliziert ein Portefeuille, das von investorindividuellen Risiko-Nutzeneinstellungen unabhängig ist: Es ergibt sich aus der Linearkombination der sicheren Anlage mit dem Tangentialportefeuille PF* (Tobin-Separation; Tobin (1958)), ist offensichtlich das einzige risikoeflB.ziente Portefeuille und stellt (bei homogenen Erwartungen) das Marktportefeuille dar. Wilhelm (1983) hat dieses wie folgt sehr treffend charakterisiert: „Das Marktportefeuille ist die gedankliche Zusammenfassung aller am Markt ausstehenden Finanztitel der Art und der Stückzahl nach zu einem Portefeuille".
6 Zusammenfassung Abschließend kann festgehalten werden: Unabhängig von bestimmten Portefeuillevorgaben beschränkt sich der eigentliche Optimierungsvorgang auf das Invertieren einer (zweifachen) Varianz-Kovarianz-Matrix, erweitert um eine Zeile bzw. eine Spalte. Das Generieren von Isoexpected Return Lines oder Isovariance Ellipses, wie beispielsweise in Haugen (2001) für den DreiWertpapier-Fall gezeigt wird, kann entfallen; darüber hinaus besitzt dieser Ansatz den Vorteil, dass - sieht man vom rechnerischen Aufwand der MatrixInvertierung ab - die Optimierung auf beliebig große Portefeuilleumfänge ausgedehnt werden kann: Die Ermittlung der interessierenden Portefeuilledaten wie Portefeuille-Return und Portefeuille-Varianz ist unabhängig vom Portefeuilleumfang; lediglich der Rechenaufwand bzgl. der Ermittlung der optimalen Portefeuillegewichte steigt linear mit der Anzahl der Portefeuillekandidaten. Obige Aussagen werden noch zusammenfassend dargestellt: Die Inverse der erweiterten, zweifachen Varianz-Kovarianz-Matrix liefert die wesentlichen Daten Gewichtungsstruktur w^^^^ und Varianz VM des Minimumvarianzportefeuilles: W
2 • (Jii ... 2 • (Jip 1 2 -CTpi ... 2 • (Tpp 1 1 ... 1 0 w
MVP
W
MVP
MVP
-2'VM
Effiziente Portefeuillestrukturen
49
In Verbindung mit Gleichung (14) erhält man nun jene Gewichtungsstruktur, die ein optimales, das bedeutet risikoeffizientes Portefeuille impliziert: •^MVP-
fwi
'dl-
+ 0\_Wp
dp
_W^P_
Werden zusätzlich die Kennzahlen EM und RR ermittelt, so kann bei Vorgabe entweder einer Portefeuillerendite in Höhe von rpp^ eines Portefeuillerisikos von (7PF oder eines Zinssatzes für risikolose Anlagen in Höhe von rp der RiskReturn Präferenzparameter & bestimmt werden, wodurch sich wiederum die jeweils anderen relevanten Größen ermitteln lassen: Vorgabe/Ermittlung
Parameter
rpF=EM-\-9'
r\ _ rpF — EM ^ — RR
RR
_
RR\V'^ e^'^)
apF = {VM +
f%{P
'«-^P
n^^o
v-^P
'C-^P
D
Peter Steiner
54
B Abkürzungen C d
EM G
7 K A P
rp rpF (TpF CTij
VM w;wi
erweiterte, zweifache Varianz-Kovarianz-Matrix mit der Dimension ( P + 1 ) X ( P + 1 ) P-dimensionaler Vektor; resultiert aus der Multiplikation der Matrix V mit dem Renditevektor r ( P + l)-dimensionaler Vektor; resultiert aus dem erweiterten Renditevektor r (erwarteter) R e t u r n des Minimumvarianzportefeuilles (Hilfs-) Matrix mit der Dimension P x P (Gewichtungs-)Vektor mit der Dimension P ; Elemente der letzten Zeile bzw. letzten Spalte der Inversen der Matrix C Element der Hauptdiagonalen an der Stelle ( P + 1) x ( P + 1 ) der Inversen der Matrix C Varianz-Kovarianz-Matrix mit der Dimension P x P Lagrange-Multiplikator Anzahl der Portefeuillekandidaten Renditevektor mit der Dimension P ; Rendite der i-ten Portefeuillekomponente Zinssatz für risikolose Anlagen Portefeuillerendite Standardabweichung der Portefeuillerendite Kovarianz zwischen den Renditen der i-ten und der j - t e n Portefeuillekomponente Risk-Return Präferenzparameter (Teil-)Inverse der Matrix C mit den Elementen Vij und der Dimension P x P Varianz des Minimumvarianzportefeuilles Gewichtungsvektor mit der Dimension ( P + 1); Gewicht der i-ten Portefeuillekomponente, z = 1 , . . . , P
Literaturverzeichnis Breuer, Wolfgang; Gürtler, Marc; Schuhmacher, Frank (1999): Portfoliomanagement. Wiesbaden, Gabler. Copeland, Thomas E.; Weston, John F.; Shastri, Kuldeep (2005): Financial Theory and Corporate Policy. 4th ed., Addison Wesley. Elton, Edwin J.; Gruber, Martin J.; Brown, Stephen J.; Goetzmann, William N. (2003): Modern Portfolio Theory and Investment Analysis. 6th ed., John Wiley. Haugen, Robert A. (2001): Modern Investment Theory. 5th ed., Upper Saddle River, Prentice Hall. Lintner, John (1965): The Valuation of Risk Assets and the Selection of Risiky Investments in Stock Portfolios and Capital Budgets. In: The Review of Economics and Statistics, Vol. 47, 13-37. Markowitz, Harry M. (1952): Portfolio Selection. In: The Journal of Finance, Vol. 7, 77-91.
Effiziente Portefeuillestrukturen
55
7. Markowitz, Harry M. (1959): Portfolio Selection. Efficient Diversification of Investments. New Haven, Yale University Press. 8. Merton, Robert C. (1972): An Analytic Derivation of the Efficient Portfolio Frontier. In: Journal of Financial and Quantitative Analysis 7, 1851-1872. 9. Mossin, Jan (1966): Equilibrium in a Capital Asset Market. In: Econometrica, Vol. 34, 768-783. 10. Rubinstein, Mark E. (1973): A Comparative Statics Analysis of Risk Premiums. In: Journal of Business, Vol. 46, 605-615. 11. Sharpe, William F. (1964): Capital Asset Prices: A Theory of Market Equilibrium Under Conditions of Risk. In: The Journal of Finance, Vol. 19, 425-442. 12. Spremann, Klaus (2003): Portfoliomanagement. 2. Aufl., Oldenbourg. 13. Steiner, Manfred; Bruns, Christoph (2002): Wertpapiermanagement. 8. Aufl., Stuttgart, Schaff er-Poeschel. 14. Steiner, Peter; UhUr, Helmut (2001): Wertpapieranalyse. 4. Aufl., Heidelberg, Physica. 15. Tobin, James (1958): Liquidity Preference as Behavior Towards Risk. In: Review of Economic Studies, Vol. 25, 65-86. 16. Wilhelm, Jochen (1974): Ziele und Zielkonflikte bei Unsicherheit. Dissertation Bonn. 17. Wilhelm, Jochen (1983): Finanztitelmärkte und Unternehmensflnanzierung. Berlin et al., Springer.
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung Gerhard Speckbacher Wirtschaftsuniversität Wien, Institut für Unternehmensführung, Nordbergstraße 15, A-1090 Wien gerhard. speckbacherQwu-wien. a c . a t
Gliederung 1
Einführung
58
2
Kontextunabhängigkeit von Präferenzen als Rationalitätspostulat
59
3
Das Prinzip der Nachhaltigkeit
61
4
Utilitarismus vs. Nachhaltigkeit im Kontext intergenerationaler Verteilungsprobleme
62
Nachhaltige Planung und Kapitalwertkonsistenz bei Finanzinvestitionen
67
Ein einführendes Beispiel Modellorientierte Analyse
67 69
5 5.1 5.2
Literaturverzeichnis
72
58
Gerhard Speckbacher
1 Einführung Intertemporale Investitions- und Konsumplanungsprobleme sind hinsichtlich aller Sektoren einer Ökonomie von Bedeutung. Ebenso wie Individuen zwischen sofortigem Konsum und Ersparnisbildung abwägen, haben Unternehmen zwischen zusätzlichen Investitionen und zusätzlicher Dividendenausschüttung zu wählen, und staatliche Institutionen müssen entscheiden, in welchem Umfang heute Ressourcen verbraucht werden können, ohne die Entwicklungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden. In ökonomischen Entscheidungsmodellen erfolgt der Vergleich unterschiedlicher Entscheidungsalternativen üblicherweise anhand der induzierten intertemporalen Konsumprofile bzw. anhand der aus einer subjektiven Bewertung resultierenden Konsumnutzenprofile. In aller Regel wird hierbei das Nutzenkonzept zugrunde gelegt, d. h. es wird angenommen, jedem intertemporalen Konsumprofil (oder Konsumnutzenprofil) könne ein numerischer Wert zugeordnet werden, dessen Höhe die Vor Ziehenswürdigkeit des jeweiligen Profils zum Ausdruck bringt. Normative Ansätze, bei denen ein Vergleich von Alternativen allein anhand der durch eine (reellwertige) Wohlfahrtsfunktion aggregierten, subjektiv bewerteten Konsequenzen für die Betroffenen erfolgt, werden als utilitaristische Ansätze bezeichnet.^ Auf einzelwirtschaftlicher Ebene werden Ansätze, bei denen die Entscheidung ausschließlich anhand der mit einem Nutzenwert bewerteten Entscheidungskonsequenzen erfolgt, als Nutzenmaximierungsansätze bezeichnet. ^ Obwohl der utilitaristische Ansatz im Bereich der Wirtschaftswissenschaften nach wie vor der vorherrschende normative Ansatz ist, fanden auch alternative Prinzipien Eingang in die ökonomische Theorie, wobei insbesondere im Zusammenhang mit intergenerationalen Verteilungsproblemen Gleichheitsnormen betont werden.^ Daneben spielen Gleichheitsnormen auch auf Unternehmensebene und auf individueller Ebene eine wichtige Rolle. So ist die Forderung nach Kapitalerhaltung als intertemporale Gleichheitsnorm in Bezug auf die Kapitalbasis eines Unternehmens interpretierbar. Ebenso sind Gleichheitsforderungen in Bezug auf die Vermögensentwicklung (intertemporale Vermögenserhaltung) oder Gleichheitsforderungen in Bezug auf das intertemporalen Konsumprofil (etwa im Sinne einer „Maximin-Regel") von praktischer Relevanz für individuelle Konsumentscheidungen. Der vorliegende Beitrag problematisiert zunächst die dem Wohlfahrtsbzw. Nutzenmaximierungsansatz zugrunde liegende Bedingung der Kontextunabhängigkeit von Präferenzen und verdeutlicht, dass diese Bedingung gerade bei „prinzipiengeleitetem Verhalten" häufig nicht erfüllt ist (Abschnitt 2). ^ Einen Überblick zu utilitaristischen Ansätzen bietet Gorovitz (1971). Zur Kritik des Utilitarismus, vgl. insbesondere Sen/Williams (1982). ^ Zur Anwendung von Nutzenmaximierungsansätzen in der Portfolioplanung vgl. Wilhelm (1980). ^ Vgl. dazu Phelps/Riley (1978), Epstein (1986), Asheim (1991) oder Hellwig/Speckbacher (1995).
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung
59
Anschließend wird das Prinzip der nachhaltigen Planung als intertemporale Gleichheitsbedingung motiviert, die sich auf Konsum (nutzen) profile (konsumorientierte Nachhaltigkeit) oder auf die Entwicklung des eingesetzten, physisch gemessenen oder bewerteten Kapitalstocks (kapitalstockorientierte Nachhaltigkeit) beziehen kann (Abschnitt 3). In einem linearen StandardWachstumsmodell werden beide Ausprägungsformen des Nachhaltigkeitsprinzips operationalisiert und deren Vereinbarkeit mit dem utilitaristischen Ansatz der intertemporalen Nutzen- bzw. Wohlfahrtsmaximierung untersucht. Interessanterweise zeigt sich, dass die Forderung nach konsumorientierter Nachhaltigkeit einen Grenzfall des Wohlfahrts- bzw. Nutzenmaximierungsansatzes darstellt, während das Prinzip der kapitalstockorientierten Nachhaltigkeit kontextabhängige Präferenzen induziert und daher mit dem Nutzen- bzw. Wohlfahrtsmaximierungsansatz in fundamentaler Weise unvereinbar ist (Abschnitt 4). Abschließend wird dann in einem sehr einfachen Modellrahmen zur Finanzanlagenplanung ein spezielles Entscheidungskriterium zur nachhaltigen Planung diskutiert, welches die Forderung nach Kapitalerhaltung mit einer plausiblen Bedingung der Kapitalwertkonsistenz kombiniert (Abschnitt 5).
2 Kontextunabhängigkeit von Präferenzen als Rationalitätspostulat Unabhängig davon, welche konkrete Nutzenfunktion zugrunde gelegt wird, ist mit dem Nutzenmaximierungsansatz (utilitaristischer Ansatz) eine bestimmte Rationalitätsauffassung verbunden. Fundamentaler Bestandteil dieser Rationalitätsauffassung ist die Forderung, dass die Anordnung von je zwei zulässigen Alternativen (in den üblichen konsequenzialistischen Ansätzen identifiziert durch Ergebnisse bzw. Entscheidungskonsequenzen, z. B. Konsumbündel oder intertemporale Konsum (nutzen) profile) unabhängig davon sein muss, welche Alternativen in einer speziellen Entscheidungssituation sonst noch zulässig sind. Ein Entscheidungsverhalten wird nur dann als rational bezeichnet, wenn die Präferenz bezüglich Alternativen unabhängig vom speziellen Entscheidungskontext ist. Bei der Anwendung des Nutzenmaximierungsansatzes wird also vorausgesetzt, dass alle denkbaren Alternativen (durch eine Nutzenfunktion) konsistent angeordnet werden können, und die Anordnung zweier zulässiger Alternativen darf nicht davon abhängen, welche Teilmenge aus der Gesamtheit von Alternativen in einer speziellen Situation (neben diesen beiden Alternativen) zulässig ist. Insbesondere darf sich die Präferenz bezüglich zweier bestimmter, zulässiger Alternativen nicht ändern, wenn Alternativen wegfallen oder zusätzliche Alternativen hinzukommen. Die Kontextunabhängigkeit der Präferenzen im hier verwendeten Sinne ist offensichtlich eine notwendige Voraussetzung für die Darstellbarkeit von Präferenzen durch eine Nutzenfunktion. Von Kritikern dieser in der ökonomischen Theorie vorherrschenden Rationalität sauffassung wird angeführt, dass das Konzept kontextunabhängiger
60
Gerhard Speckbacher
Präferenzen sowohl in deskriptiver als auch in präskriptiver Hinsicht nicht haltbar ist.^ Zum einen zeigen zahlreiche Beispiele aus der Entscheidungspraxis, dass Handlungsalternativen in verschiedenen Entscheidungskontexten unterschiedlich angeordnet werden, zum anderen ist auch aus Sicht der präskriptiven Entscheidungstheorie unklar, warum kontextabhängiges Entscheidungsverhalten generell als irrational oder unvernünftig bezeichnet werden sollte.^ Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass rationales Verhalten in der Psychologie - im Gegensatz zu dem in der ökonomischen Theorie verbreiteten kontextunabhängigen Rationalitätsbegriff - üblicherweise situationsbezogen definiert wird.^ Häufig wird betont^, dass insbesondere „prinzipientreues" Verhalten der dem Nutzenmaximierungsansatz zugrunde liegenden Auffassung von Rationalität widerspricht. Anschaulich klar wird dies durch ein sehr einfaches Beispiel von Sen (1993), wonach das Prinzip, als Gast von einem angeschnittenen Kuchen nie das größte Stück zu nehmen, zu irrationalen Präferenzen im Sinne der üblichen ökonomischen Rationalitätsauffassung führt, obwohl das zugrunde liegende Verhalten begründbar, intersubjektiv nachvollziehbar und allgemein akzeptiert ist. W i r d in jeder Situation von den jeweils wählbaren Kuchenstücken auf keinen Fall das größte gewählt u n d werden die restlichen Stücke ihrer Größe nach präferiert, so ist die Anordnung von jeweils zwei Stücken kontextabhängig, d. h. sie hängt davon ab, ob eines der beiden Stücke das in dieser Situation insgesamt größte Stück ist. Das Entscheidungsverhalt e n ist also im Sinne der in der Ökonomie üblichen Rationalitätsauffassung irrational und insbesondere nicht durch eine Nutzenfunktion auf der gesamten Alternativenmenge (Menge aller Kuchenstücke von beliebiger Größe) charakterisierbar.^ Zum Rationalitätsparadigma in der Ökonomie, vgl. etwa Hogarth/Reder (1986). Zur Kritik, vgl. auch Sen (1993), Elster (1985) oder Anand (1993). Bei Sen (1993) und Anand (1993) findet sich auch der Begriff der Kontextabhängigkeit. Unabhängig davon kann Rationalität natürlich als kontextunabhängiges, an gewissen Axiomen orientiertes Entscheidungsverhalten definiert werden. Eine solche Definition ist aber offensichtlich willkürlich, obwohl zumindest die Wirtschaftstheorie durch diese Gleichsetzung von rationalem und kontextunabhängigem Verhalten entscheidend geprägt wurde (man denke etwa an die grundlegende und sehr einflussreiche Arbeit von Richter (1966)). Vgl. z.B. Simon (1986). Vgl. etwa Coughlin (1991), Elster (1985) oder Sen (1993). Dies zeigt sich bereits bei Betrachtung einer Grundgesamtheit von drei möglichen Kuchenstück-Größen („klein", „mittel", „groß"). Während in einer Situation, in der alle drei Kuchenstücke zulässig sind, das mittelgroße gegenüber dem kleinen Stück präferiert wird, wird in einer Situation in der nur das mittelgroße und das kleine Stück zur Wahl steht, gemäß dem obigen Höflichkeitsprinzip das kleine Stück gewählt. Die Präferenz auf der gesamten Alternativenmenge ist also nicht konsistent mit der Präferenz auf einer Teilmenge. Es kann daher insbesondere keine reellwertige Nutzenfunktion u{x) mit x ^ { „klein", „mittel", „groß"} geben, da ifc(„klein") > ^/(„mittel") und zugleich iA(„mittel") > ii(„klein") gelten müsste.
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung
61
Der folgende Abschnitt verdeutlicht, dass auch das Prinzip der kapitalstockorientierten nachhaltigen Planung kontextabhängige Präferenzen und damit inkonsistentes Entscheidungsverhalten im Sinne der in der Ökonomie üblichen Rationalitätsauffassung induziert, sofern sich die Nachhaltigkeitsforderung auf die Erhaltung des Kapitalstocks bzw. des (Anfangs-)Vermögens bezieht. Insbesondere gibt es keine Nutzenfunktion auf der Menge nichtnegativer intertemporaler Konsumpläne, die mit nachhaltiger Konsumplanung kompatibel ist. Im Sinne der in der Wirt Schaftstheorie üblichen Sichtweise liegt damit einer nachhaltigen Konsumplanung nicht maximierendes Verhalten zugrunde.^ Bezieht sich die im Nachhaltigkeitsprinzip zum Ausdruck kommende Gleichheitsbedingung nicht auf die Kapitalstockentwicklung, sondern auf die Konsumprofile selbst, so tritt diese Inkonsistenz nicht auf.
3 Das Prinzip der Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit ist ein für alle Bereiche der Rohstoffökonomik grundlegendes Planungsprinzip.-^^ Eine lange (speziell deutsche) Tradition hat das Prinzip der Nachhaltigkeit im Bereich der Forstwirtschaft.-^-^ Am Beispiel der Forstwirtschaft lässt sich auch anschaulich erkennen, dass eine konkrete Operationalisierung des Prinzips der nachhaltigen Entwicklung davon abhängt, wie „das über die Zeit zu Erhaltende", also die Größe, auf die sich die dem Nachhaltigkeitsprinzip zugrunde liegende Gleichheitsnorm^^ bezieht, definiert wird. Zum einen lässt sich das Nachhaltigkeitsprinzip durch die Forderung eines über die Zeit konstanten, möglichst hohen (physisch oder wertmäßig quantifizierten) Holzertrages ausdrücken. Da sich das Prinzip der Nachhaltigkeit dann auf die intertemporale Entwicklung der Konsumentnahmen bzw. des Wertes dieser Entnahmen bezieht, kann in solchen Fällen von einem konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept gesprochen werden. Die konkrete Ausgestaltung konsumorientierter Nachhaltigkeitskonzepte hängt von der zugrunde gelegten Bewertung der entnommenen Quantitäten (z. B. mit Preisen oder mit einem Nutzenindex) ab. Zum anderen kann eine Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips erfolgen, indem ein auf Dauer konstanter, physisch oder wertmäßig quantifizierter Baumbestand gefordert wird. In derartigen Fällen, in denen sich die Gleichheitsbedingung auf einen Kapitalstock bezieht, bietet sich an, von einem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitskonzept zu sprechen. ^^ ^ Vgl. z.B. Varian (1991, S. 116 ff.). ^° Vgl. z.B. Ströbele (1987). ^^ Vgl. Samuelson (1976). •^^ Für eine Diskussion der normativen Grundlagen des Nachhaltigkeitsprinzips und zu dessen Interpretation als Gleichheitsregel, vgl. im Einzelnen Speckbacher (1994). ^^ Auch dann, wenn der Kapitalstock im Sinne des Barwerts der Konsumentnahmen, d.h. als Erfolgskapital oder Ertragswert, definiert wird, kann von einem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitskonzept gesprochen werden. Eine am Er-
62
Gerhard Speckbacher
Sowohl die Entscheidung, welche der beiden hier unterschiedenen Ausprägungen des Nachhaltigkeitsprinzips zugrunde gelegt wird, als auch die Festlegung einer bestimmten Art der Quantifizierung und der Bewertung der Konsumentnahmen bzw. des Kapitalstocks sind mit einem Werturteil verbunden.-^^ In umweltökonomisch orientierten Arbeiten zum kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitskonzept^^ wird der konstant zu haltende Kapitalstock üblicherweise entweder physisch quantifiziert (was nur bei der isolierten Betrachtung einer homogenen Ressource unproblematisch ist) oder es wird eine Bewertung mit Preisen (Marktpreise oder Schattenpreise) vorgeschlagen. MögHchkeiten der Bewertung und insbesondere Fragen der technischen Substituierbarkeit von Ressourcen werden im Hinblick auf umweltökonomische Anwendungen kapitalstockorientierter Ansätze ausführlich von Pearce/Turner (1991) diskutiert. Unabhängig davon, wie das Bewertungsproblem gelöst wird, ist das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitskonzept aber offensichtlich nur anwendbar, wenn sich der betrachtete Kapitalstock im Zeitablauf (etwa durch physische Zunahme oder durch ansteigende Preise) vermehrt {Pearce/Turner 1991, S. 43 ff.).
4 Utilitarismus vs. Nachhaltigkeit im Kontext intergenerationaler Verteilungsprobleme Im Folgenden wird ein einfaches lineares Standardmodell zur Analyse intertemporaler Verteilungsprobleme zugrunde gelegt, wie es in ähnlicher Form etwa von Arrow (1973a) oder Epstein (1986) verwendet wurde. Zu entscheiden ist für einen endlichen Planungszeitraum über die periodigen Konsumentnahmen von einem Kapitalstock, der in jeder Periode mit einer festen Rate wächst, kt sei der zum Zeitpunkt t = 0 , . . . , T nach Tätigen der Konsumentnahmen vorhandene Kapitalstock, wobei der anfängliche Kapitalstock ko > 0 vorgegeben ist. Der Kapitalstock kt wächst bis zum Zeitpunkt t + 1 mit der Rate a^+i > 1. Bezeichnet c^+i die Konsumentnahmen zum Zeitpunkt t + 1, so ergibt sich der zum Zeitpunkt t + 1 nach Tätigen der Konsumentnahmen vorhandene Kapitalstock zu fct+i = at-^ikt - c t + i . Die Menge zulässiger Konsumprofile c = ( c i , . . . , c^^) ist dann in Abhängigkeit von den Parametern fco und a = ( a i , . . . , a^) gegeben durch C(fco,a) = {c= ( C I , . . . , C T ) >0:ct
= ath-i
- h, fct > 0, t = 1 , . . . , T } .
folgskapital orientierte Bewertung wurde bereits 1849 von Faustmann vorgeschlagen (vgl. dazu Samuelson 1976, S. 472 ff.). ^^ Eine Diskussion dieser Fragen findet sich in Pearce/Barhier/Markandya (1990), Pearce/Turner (1991), Daly (1990), Tietenberg (1988) und Speckbacher (1994). ^^ Beispielsweise Pearce/Turner (1991, insbesondere S. 48 ff.), Pearce/Barbier/Markandya (1990, S. 1), Arndt (1993) sowie Daly (1990).
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung
63
Von einem utilitaristischen Ansatz kann in diesem Zusammenhang gesprochen werden, wenn angenommen wird, dass die Bewertung von Handlungsalternativen (etwa alternativer Abbaupolitiken) ausschließlich anhand der Konsequenzen für den Konsumnutzen der betrachteten Generationen erfolgt, wobei der „trade-off" zwischen den Nutzenniveaus verschiedener Generationen durch eine Wohlfahrtsfunktion beschrieben wird. Formal wird dazu angenommen, dass alle Konsumprofile c = ( c i , . . . , c ^ ) > 0 durch eine reellwertige Wohlfahrtsfunktion W = W{Ui{ci),..., UT{CT)) angeordnet werden können. Hierbei bezeichnet Ut{ct) den kardinalen Konsumnutzen der zum Zeitpunkt t lebenden Population („t-Generation"), und Ut wird üblicherweise als streng monoton wachsend angenommen.-^^ Der normative Gehalt des utilitaristischen Ansatzes besteht nun in der Forderung, eine Abbaupolitik genau dann gegenüber einer alternativen Abbaupolitik zu bevorzugen, wenn der zugehörige Konsumplan c > 0 hinsichtlich seiner Nutzenkonsequenzen gegenüber dem durch die alternative Abbaupolitik induzierten Konsumplan c > 0 zu bevorzugen ist, wenn also W{Ui{ci),... ,UT{CT)) > W{Ui{ci),... ,UT{CT)) gilt. Durch eine bestimmte Wohlfahrtsfunktion W und durch bestimmte Nutzenbewertungen zu zukünftigen Zeitpunkten, Ut, wird also eine bestimmte Präferenz auf der Menge nichtnegativer Konsumprofile charakterisiert, die für jedes gegebene AUokationsproblem die optimale Abbaupolitik determiniert. Für jedes, durch gewisse Werte fcß und a* definierte AUokationsproblem ist genau dasjenige Konsumprofil optimal, welches die Wohlfahrtsfunktion W = W{Ui{ci),..., UT{CT)) über C{kQ,a*) maximiert. Im Unterschied zum utiUtaristischen Ansatz stellen Nachhaltigkeitskonzepte Anforderung an die Struktur des Konsum (nutzen) profils bzw. an das Profil der Kapitalstockentwicklung. Nach dem konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept ist ein Konsumprofil c GC{ko,a) genau dann nachhaltig, wenn Ui{ci) = U2{c2) = . . . = UT^CT) gilt. Offensichtlich existiert unter den üblichen Annahmen bezüglich der individuellen Nutzenfunktionen im vorliegenden Modell für jede Menge C(fco,ce) genau ein konsumorientiert nachhaltiges Konsumprofil; damit lässt sich eine Wahlfunktion 5^ definieren, die jedem Tupel (fco,a) das eindeutige, gemäß dem konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept aus der Menge C(fco,ce) gewählte Konsumprofil zuordnet. Der Zusammenhang zwischen diesem Nachhaltigkeitskriterium und dem Wohlfahrtsmaximierungsprinzip lässt sich leicht erkennen. Wird aus einer bestimmten Menge zulässiger Konsumprofile C{ko,a) gemäß dem konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept eindeutig das Konsumprofil c gewählt, gilt also Sj^{kQ, a) = c, so bedeutet dies, dass c gegenüber jedem anderen Konsumprofil in C{ko,(^) bevorzugt wird. Die Anwendung des konsumorientierten Nachhal^^ Vgl. z.B. Solow (1974). Auf eine Mitberücksichtigung des terminalen Kapitalstocks kT (bequest) im Kalkül wird hier aus Vereinfachungsgründen verzichtet. Die folgenden Überlegungen sind jedoch analog auf allgemeinere Modelle (insbesondere auf Modelle mit nicht endlichem Planungshorizont) übertragbar.
64
Gerhard Speckbacher
tigkeitskonzepts offenbart also eine bestimmte Präferenz: Ein Konsumprofil c wird gegenüber einem Konsumprofil c strikt „offenbart präferiert", wenn es ein Tupel {ko^a) und damit eine Menge zulässiger Konsumprofile C{ko,a) gibt, so dass c (eindeutig) aus C{ko,a) gewählt wird, während c für C{ko,a) zwar auch zulässig ist, aber nicht gewählt wird. Wird diese offenbarte Präferenz mit P^ bezeichnet, so gilt hiermit formal für c^c'^ CPAC
0 , a > l : c = 5^(^0,0;), c G C(fco,o^)].
Mit Hilfe der Wahl, die bei Vorliegen unterschiedlicher Mengen zulässiger Konsumprofile jeweils getroffen wird, kann die durch das zugrunde liegende Kriterium zum Ausdruck gebrachte Präferenz auf der Menge nichtnegativer Konsumprofile also „rekonstruiert" werden. Im vorliegenden Modell gilt (ebenso wie auch in wesentlich allgemeineren Modellen) offensichtlich CPAC
min{C/i(ci),..., /7T(CT)}.
Die durch das konsumorientierte Nachhaltigkeitskonzept zum Ausdruck gebrachten Präferenzen lassen sich damit durch eine Nutzenfunktion /(c) = min{C/i(ci),... ,C/T(CT)} auf der Menge nichtnegativer Konsumprofile repräsentieren.-^^ Das konsumorientierte Nachhaltigkeitskriterium erweist sich damit als Spezialfall der Wohlfahrtsmaximierung. Ähnliches gilt für den Fall, dass der Wohlfahrtsmaximierungsansatz, wie in ökonomischen Anwendungen gebräuchlich, auf zeit additive Wohlfahrtsfunktionen der Form W — W{Ui{')^..., U^i')) = Y^t=i ^t{Ut{'))qt eingeschränkt wird. Für den so spezifizierten utilitaristischen Ansatz stellt die konsumorientierte Nachhaltigkeitsbedingung einen Grenzfall dar,^^ denn mit W^p = ( ^ i ^ U;^) ^
gilt:
Um^ Wp = min{C/i,.... UT}.
Wp kann monoton transformiert werden in die äquivalente Wohlfahrtsfunktion Wp = Yjt=i(^t{'))~^' Dabei wird deutlich, dass die Nutzen-Gleichverteilung beim konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept nicht durch Diskontierung zukünftiger Nutzenniveaus erreicht wird. Vielmehr sind die „extremen"
18
Das hier gewählte Vorgehen der Rekonstruktion einer Präferenzrelation aus den auf unterschiedlichen Alternativenmengen getroffenen Entscheidungen gründet in der „Revealed Preference-Theorie". Diese Theorie geht auf Samuelson (1938) zurück; weitere „klassische" Arbeiten sind Richter (1971) und Sen (1971). Vgl. auch Fuchs-Seliger (1976). Diese Spezifikation einer (nicht stetigen) Wohlfahrtsfunktion wird gelegentlich als Rawls'sches Maximin-Prinzip bezeichnet, obwohl eine solche intergenerationale Verteilungsregel von Rawls (1971, insbes. S. 284 ff.) selbst nicht befürwortet wird. Vgl. dazu schon Solow (1974). Vgl. Solow (1974, S. 29). Eine Diskussion der Zusammenhänge mit dem utilitaristischen Ansatz findet sich in Arrow (1973a) und (1973b).
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung
65
Substitutionsbeziehungen^^ bei diesem Kriterium Resultat der Bewertungen der jeweiligen Nutzenniveaus. Obwohl beim konsumorientierten Nachhaltigkeitskriterium im Gegensatz zur utilitaristischen Auffassung ein Abweichen von einer egalitären Verteilung auch durch beliebig hohe Vorteile für viele Generationen nicht gerechtfertigt werden kann, sofern dadurch auch nur einer Generation (beliebig geringfügige) Nachteile entstehen, besteht nicht nur in formaler Hinsicht große Ähnlichkeit mit dem utilitaristischen Ansatz. Genau wie bei utilitaristischen Normen erfolgt die Beurteilung von Alternativen beim konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept ausschließlich anhand der induzierten Konsumnutzen-Konsequenzen.^^ Das konsumorientierte Nachhaltigkeitskonzept zeichnet sich lediglich durch die extreme Art des „intertemporalen Abwägens" dieser Konsumnutzen-Konsequenzen aus. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitskonzept im Gegensatz dazu nicht ausschUeßlich anhand der induzierten Nutzenkonsequenzen formalisierbar, d. h. es gibt keine widerspruchsfreie Präferenzordnung auf der Menge nichtnegativer Konsumprofile, die das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitskriterium charakterisiert. Nach dem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitskonzept ist im hier verwendeten Modell ein Konsumprofil c G C(fco, l : c = Seiko, a), c e C{ko,a)].
^^ Man prüft leicht nach, dass bei Verwendung der Wohlfahrtsfunktion Wp die Grenzraten der Substitution von Nutzenniveaus in verschiedenen Zeitpunkten für p -^ oo bei nicht identischen Nutzenniveaus null bzw. beliebig groß werden, d.h. es ergibt sich der Grenzfall „perfekter Komplemente" (z.B. Varian 1991, S. 37 f.). ^^ Der Ansatz ist also rein wohlfahrtsorientiert (welfarist). Dazu Sen (1979). ^^ Abschwächend könnte in (1) auch „f{c).
Bereits im Fall T = 3 ist allerdings das „schwache Axiom" verletzt. Dies kann unter Ausnutzen eines Ergebnisses von John (1995) aus der NichtHomogenität der Nachfragefunktion geschlossen werden, oder durch ein entsprechendes Rechenbeispiel nachgewiesen werden (vgl. Speckbacher 1998, Hellwig/Speckbacher/Wentges 2000). Damit kann es - im Gegensatz zum konsumorientierten Nachhaltigkeitskonzept - keine konsistente Präferenzordnung auf der Menge möglicher Konsumprofile geben, die das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitskonzept im Allgemeinen beschreibt. Die durch dieses Kriterium zum Ausdruck gebrachte Präferenz ist im Sinne der traditionellen Konsumtheorie „nicht maximierend"^^ obwohl stets eindeutige und intertemporal effiziente (also Pareto-optimale) Konsumprofile gewählt werden. Insbesondere gibt es unabhängig von den zugrunde gelegten Nutzenbewertungen Ut keine Wohlfahrtsfunktion W = W{Ui{ci),,.. ,UT{CT)), die das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitskonzept charakterisiert. Der Grund hierfür liegt darin, dass Konsumprofile nicht alle für eine Anordnung nach dem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitsprinzip relevanten Informationen enthalten. Ein bestimmtes Konsumprofil kann ebenso durch einen geringen Anfangskapitalstock und gute Transformationsmöglichkeiten zustande kommen, wie durch einen hohen Anfangskapitalstock und schlechte Produktivität. Dieses Konsumprofil wird nach dem kapitalstockorientierten Nachhaltigkeitsprinzip allerdings unter Umständen in beiden Situationen unterschiedlich präferiert. Werden lediglich Problemklassen mit gleichem AnErsetzt man „Anfangskapitalstock" durch „Haushaltseinkommen" und interpretiert man die Wachstumsraten at als relative Preise für die Güter c i , . . . ,CT, SO erkennt man in der obigen Formulierung des schwachen Axioms genau die in der Haushaltstheorie übHche Formulierung (vgl. z.B. Richter 1971). ^^ Vgl. z.B. Varian (1991, S. 116 ff.); Varian (1991, S. 117) bezeichnet derartiges Verhalten sogar als „absurd".
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung
67
fangskapitalstock betrachtet (d. h. kann wo o.B.d.A. gleich eins gesetzt werden), dann ist im Konsumprofil die gesamte relevante Information enthalten und die beschriebene Inkonsistenz kann nicht mehr auftreten (vgl. dazu Speckbacher 1998).
5 Nachhaltige Planung und Kapitalwertkonsistenz bei Finanzinvestitionen Im folgenden Abschnitt wird das kapitalstockorientierte Nachhaltigkeitsprinzip als Entscheidungskriterium für Finanzinvestitionen untersucht. Es zeigt sich, dass das Kriterium der Nachhaltigkeit allein in derartigen Situationen lediglich eine Vorauswahl ermöglicht. Soll eine eindeutige Entscheidung getroffen werden, so ist das Kriterium mit anderen Entscheidungskriterien zu kombinieren. Denkbar ist einerseits eine Kombination der Forderung nach kapitalstockorientierter Nachhaltigkeit mit „utilitaristischen Kriterien" (hierzu Hellwig/Speckhacher/Weniges 2000). Andererseits kann auch versucht werden, das Prinzip der Nachhaltigkeit mit weiteren plausiblen Anforderungen an die Entscheidung zu kombinieren. Eine solche Anforderung ist die Forderung nach Kapitalwertkonsistenz, welche auf Hellwig (1981, 1987, 1993) zurückgeht. Die Kombination des Nachhaltigkeitsprinzips mit der Forderung nach Kapitalwertkonsistenz wird im Folgenden in einem sehr einfachen Modell diskutiert, welches einen Spezialfall allgemeiner Modelle von Hellwig (1981, 1987, 1996, 1998, 2002) darstellt. 5.1 Ein einführendes Beispiel Zur Motivation diene ein einfaches Beispiel zur Finanzanlagenplanung. Ein Investor möchte einen bestimmten Betrag VQ anlegen. Dabei stehen zwei jeweils dreijährige, in beliebiger Höhe durchführbare Anlagealternativen zur Wahl. Weitere Anlagemöglichkeiten existieren nicht und auch ein Leerverkauf der Anlagen ist nicht möglich {Wilhelm 1981). Anlage A garantiert eine jährlich ausbezahlte Verzinsung des eingesetzten Kapitals von 5% (Sparbrief), während es sich bei Anlage B um einen Zero-Bond handelt, bei dem nach drei Jahren das 1.16-fache des eingesetzten Kapitals zurückgezahlt wird. Die jährliche Rendite (interne Verzinsung) von Anlage B beträgt somit etwa 5.072%. Eine Entscheidung für B könnte mit dem höheren internen Zins dieser Anlage begründet werden und würde zumindest zu einem intertemporal effizienten Konsumplan führen, da bei jeder anderen Entscheidung die Konsummöglichkeiten in der dritten Periode geringer wären. Die Entscheidung soll nun aber nicht nach der Höhe des internen Zinses getroffen werden, sondern es soll eine Entscheidung gewählt werden, die einen Konsumplan ermöglicht, der intertemporal effizient ist und bei dem das Vermögen über den Planungszeitraum konstant bleibt. Allerdings erfüllt im vorliegenden Beispiel offensichtlich jede Kombinationen der beiden Anlagen
68
Gerhard Speckbacher
diese Bedingung. Alle Aufteilungsentscheidungen, bei denen jeweils die Zinszahlungen konsumiert werden, führen zu einem effizienten Konsumplan und das investierte Kapital bleibt dabei in jeder Periode genau erhalten. Wird beispielsweise nur in A investiert und wird in jeder Periode genau 0.05Vo konsumiert, so bleibt das (nominelle) Vermögen konstant bei VQ. Dies gilt offensichtlich auch für das kapitaltheoretisch (als Barwert zukünftiger Konsumzahlungen zuzüglich dem Endwert in der letzten Periode) definierte Vermögen, sofern mit den für diese Entscheidung relevanten Zinsen Vt =0.05 diskontiert wird. Ist allgemein 0 < x < 1 der in Anlage A investierte Anteil des Anlagebetrages V^ und wird entsprechend in Anlage B der Betrag (1 — x)Vo investiert, so lautet der von der gewählten Aufteilung x abhängige Konsumplan bei Erhaltung eines EndVermögens Ws in Höhe von VQ: C = (Ci,C2,C3, Ws) = {xOmVo, xOmVo, x0mVo+{l-x)0.16Vo,
Vo).
Um zu einer Entscheidung zu kommen, wird nun neben der Nachhaltigkeit und der Effizienz des Konsumplanes die Vereinbarkeit der Entscheidung mit der Kapitalwertmethode gefordert. Kapitalwertkonsistenz in diesem Sinne wurde von Hellwig (1993) bereits für den Fall eines einperiodigen Portfoliomodells untersucht und dabei wurde die Äquivalenz dieses Kriteriums mit der Entscheidungsfindung anhand einer logarithmischen Risikonutzenfunktion nachgewiesen (vgl. dazu auch Friis/Speckbacher 1994). Jeder Anlageentscheidung sind Zinsen rt, t = 1,2,3, im Sinne von „Grenzraten der Transformation" zugeordnet, die den durch diese Entscheidung zum Ausdruck gebrachten „Trade-off" zwischen Zahlungen in verschiedenen Perioden beschreiben und sich als Opportunitätskosten der getroffenen Entscheidung interpretieren lassen. Wird beispielsweise der gesamte Anlagebetrag in Anlage A investiert, so erhält man rf = r2=r^= 0.05. Analog erhält man bei ausschheßlicher Investition in Anlage ß r f = r ^ = 0, r ^ = 0.16. Eine getroffene Entscheidung wird als kapitalwertkonsistent bezeichnet, wenn der resultierende Konsumplan bezüglich den dieser Entscheidung zugeordneten Zinsen kapitalwertmaximal auf der Menge aller zulässigen Konsumpläne ist. Es wird also gefordert, dass die dem gewählten (effizienten) Konsumplan zugeordneten Opportunitätskosten mit den Periodenrenditen übereinstimmen. Im vorliegenden linearen Modell impliziert Kapitalwertmaximalität (bzgl. bestimmter Abzinsungsfaktoren), dass ausschließlich in Anlagen mit nichtnegativem Kapitalwert investiert wird und dass Anlagen, in die nicht investiert wird, keinen positiven Kapitalwert haben. Wird der gesamte Betrag in Anlage A investiert und damit B abgelehnt, so darf der Kapitalwert von B - diskontiert mit den der Entscheidung für A zugeordneten Zinsen - nicht positiv sein, und der entsprechende Kapitalwert von A muss größer oder gleich Null sein. Entsprechendes muss bei ausschließlicher Investition in Anlage B gelten. Wird sowohl in A als auch B investiert, so muss der Kapitalwert beider Anlagemöglichkeiten (diskontiert mit den der „Mischinvestition" zugeordneten Zinsen) größer oder gleich Null sein.
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung
69
Die Entscheidung ausschließlich in A zu investieren (und damit B zu verwerfen) erfüllt dieses Kriterium nicht, denn der mit rf,r2^,r^ abgezinste Kapitalwert von B ist positiv. r^R/
^
X
0
(-^) = m
0
+ TmTöE
1.16^0
+ 1.05• 1.05• 1.05 " ^ " > ° -
^'^
Auch eine Entscheidung für B und gegen A ist nicht kapitalwertkonsistent, da der entsprechende Kapitalwert von A positiv ist: ^^.,
,
0.05Vb
0.05Fo
1.05Fo
,r
^
^ > ^ ) = ^ : ^ + i:öä:ö + i.o-i.o-i.i6-^°>Q-
^'^
Werden allerdings 72.3% des Anlagebetrages in Anlage A und der Rest in Anlage B investiert, so ergibt sich bei Konsum der Zinszahlungen in jeder Periode der Konsumplan C^ = {C^,C^,C^,Wi) = (0.036^0,0.036^0,0.08^0, Vb) und die zugeordneten Zinsen r f = r^ = 0.036, r f = 0.08. Die relevanten Kapitalwerte errechnen sich dann zu . ß
_ 1.051/0 1.05Vb 1.05Vb V -0 ^^^^ ~ 1.036 ^ 1.036 • 1.036 ^ 1.036 • 1.036 • 1.08 ~ ^ ~ '
^ ^
0 0 1.16Vb V -0 ^^^^ ~ 1.036 "^ 1.036 .1.036 ^ 1.036 • 1.036 • 1.08 ~ ^ ~ '
^^
woraus folgt, dass die Entscheidung für Z kapitalwertkonsistent ist. Wie im Folgenden noch gezeigt wird, ist die Entscheidung für Z die einzige zulässige Anlageentscheidung, die im Sinne der obigen Überlegungen kapitalwertkonsistent ist. C^ ist damit der einzige nachhaltige und kapitalwertkonsistent e Konsumplan. Die Idee hinter dem Kriterium der Kapitalwertkonsistenz ist Folgende: Ein Investor offenbart durch eine getroffene Entscheidung (bzw. durch den resultierenden Konsumplan) stets bestimmte Präferenzen bzgl. der intertemporalen Konsumverteilung. Diese Präferenzen werden durch die mit dem gewählten Konsumplan verbundenen „Transformationsraten", also durch die periodigen (Grenz-) Renditen beschrieben. Kapitalwertkonsistenz bedeutet nun die Forderung, dass die Entscheidung eines Investors bezüglich der durch diese Entscheidung offenbarten „Trade-oflFs" zwischen Konsum in verschiedenen Perioden (Periodenrenditen der gewählten Entscheidung) kapitalwertmaximal sein muss. 5.2 Modellorientierte Analyse Das Kriterium der Kapitalwertkonsistenz wird nun für das Problem der Aufteilung eines gegebenen Anlagebetrages auf zwei T-periodige, durch Zahlungsreihen charakterisierbare Finanzanlagen A und B in einem sehr einfachen Modell unter Sicherheit genauer analysiert und interpretiert. Die Anlagen A und
70
Gerhard Speckbacher
B können auch beliebige Kombinationen von Finanzanlagen sein, allerdings wird unterstellt, dass am Ende der Laufzeit eine Rückzahlung des Anlagebetrages (zuzüglich Zinsen) erfolgt. Zur Vereinfachung der Notation wird von einem Anlagebetrag in Höhe von einer Geldeinheit ausgegangen (VQ = 1). Anlagemöglichkeit A sei die Zahlungsreihe a = ( — l , a i , a 2 , . . . , l + a r ) zugeordnet, und Anlagealternative B sei durch b = (—1,6i, Ö2? • • • ? 1+6^) charakterisiert, wobei a 7^ 6. Es gelte (it^h > 0 für alle t = 1 , . . . , T . Zu entscheiden ist über die Aufteilung des Anlagebetrages zwischen den Anlagen A und B. Eine Entscheidung (x, 1—x) bedeutet, dass der Teil 0 < rr < 1 des Anlagebetrages in Anlage A investiert wird und der Rest in Anlage B. Die aus einer Aufteilung des Anlagebetrages auf A und B im Verhältnis x zu 1 —x resultierende Zahlungsreihe bei Investition einer Geldeinheit sei mit r{x) = (—1, ri(rr), r2(a:),..., l-{-rT{x)) bezeichnet, wobei rt{x) = xat + (1 — x)bt^ ^ = 1 , . . . , T. K{x,y) sei der Barwert der Rückflüsse bei einer Aufteilung im Verhältnis x zu 1—x und bei Berücksichtigung des Endvermögens WT = 1, bezogen auf die sich bei einer alternativen Entscheidung {y, 1 — y) ergebenden Verzinsungen r(y), d.h.
^^"'^)
i^niy)^''''^Ul-^\i^niy))^UUi-^niy))
'' ^'^
Eine Entscheidung (x^l—x) mit 0 < x < 1 ist nun genau dann kapitalwertkonsistent, wenn Folgendes gilt: Kapitalwertkonsistenz x>0=^
K{l,x)
> 0, x = 0^
a: < 1 =^ K{0,x) > 0, x = l ^
K{l,x)
0), so darf der Kapitalwert von A nicht negativ sein, wird in A aber nicht investiert (x = 0), so darf der Kapitalwert von A nicht positiv sein (Bedingung (7)). Bedingung (8) drückt diesen Sachverhalt analog bezogen auf Anlage B aus. Es gilt nun, dass im vorliegenden Modell genau eine Entscheidung existiert, die im Sinne von (7) und (8) kapitalwertkonsistent ist. Um dies zu erkennen, beachte man zunächst xK{l,x)
-h (1 - x)K{0, x) = 0.
(9)
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung
71
Für jede kapitalwertkonsistente Entscheidung (x, 1—x) mit 0 < x < 1 gilt daher K{l,x) = K{0,x) = 0, also K{y,x) = yK{l,x) + (1 - y)K{0,x) = 0 für alle y > 0. Gilt hingegen x = 0, so folgt aus (7) K{1,0) < 0 und aus (9) K{0,0) = 0 und damit K{y, 0) = yK{l, 0) + (1 - y)K{0,0) < 0 für alle ^ > 0. Analog folgt für x = 1 aus (8) und (9) K{y, 1) < 0 für alle y>0. Somit erfüllt jede kapitalwertkonsistente Entscheidung (x, 1—x) für alle y > 0 die Bedingung K{y,x) < 0. Umgekehrt prüft man leicht nach, dass eine Entscheidung (x, 1—x), die die Bedingung K{y,x) < 0 für alle davon verschiedenen, zulässigen Alternativentscheidungen (y, 1—y) erfüllt, auch die Bedingungen (7) und (8) erfüllt. Eine Entscheidung {x,l—x) ist also genau dann kapitalwertkonsistent, wenn sie K{y, x) 0 und K(0,1) > 0 dann folgt K{1,X) ist positiv für A = 0 und Null für A = 1. Andererseits ist if (0, A) positiv für A = 1 und Null für A = 0. K{1, A) ist also größer bzw. kleiner als K{0, A) für A = 0 bzw. A = 1. Es gibt daher genau ein (Monotonie und Stetigkeit) 0 < Ä < 1 mit K{1,X) = K{0,X). Wegen XK{1,_X) + (1 - Ä)X(0, Ä) = 0 folgt daraus K{1, X) = K{0, X) = 0. Es gilt also K{x,X) < 0 für alle zulässigen Alternativentscheidungen (x, 1—x).o Ist (x, 1—x) die kapitalwertkonsistente Entscheidung und wird in jeder Periode genau rt{x) (bzw. im Falle eines Anlagebetrages VQ: rt(x)Vo) konsumiert, so ist der resultierende Konsumplan effizient und das investierte (kapitaltheoretisch definierte) Vermögen bleibt in jeder Periode exakt erhalten. Das nominell zu jedem Zeitpunkt vorhandene Vermögen entspricht dabei jeweils dem kapitaltheoretischen Vermögen zu diesem Zeitpunkt (definiert als Barwert zukünftiger Konsumzahlungen zuzüglich Endvermögen, bewertet mit den der Entscheidung zugeordneten Opportunitätskosten, also diskontiert mit den Zinsen rt{x)). Durch das beschriebene Kriterium wird die Bedingung der Kapitalwertkonsistenz mit dem Kriterium der kapitalstockorientierten Nachhaltigkeit kombiniert. Dabei stellt das Nachhaltigkeitsprinzip eine Konsumregel dar, die im vorliegenden linearen Modell für jede effiziente Entscheidung erfüllbar ist (es werden jeweils die Zinsen auf das eingesetzte Kapital konsumiert). Da das Modell in Abschnitt 4 als Spezialfall des obigen Modells interpretierbar ist (nur eine, jeweils einperiodige Anlagemöglichkeit; Kapitalwertkonsistenz ist dann trivialerweise für alle zulässigen Entscheidungen erfüllt), kann es keine Konsumnutzenfunktion geben, die dieses Entscheidungsverhalten im Allgemeinen charakterisiert. Es lässt sich aber zeigen, dass auf der Klasse von Problemen mit einheitlichem Anfangsvermögen eine konsistente Präferenzordnung existiert, die als maximales Element eine Entscheidung liefert, die im obigen Sinne nachhaltig ist {Speckbacher 1998).
72
Gerhard Speckbacher
Offensichtlich ist obiges Kriterium der kapitalwertkonsistenten, kapitalstockorientierten Nachhaltigkeit eine Anwendung des von Hellwig (1980,1987, 1996, 1998, 2002) vorgeschlagenen Entscheidungskriteriums. Aufgrund der einfachen Struktur des hier verwendeten Modellrahmens lässt sich das Kriterium in eine Konsumregel (kapitalstockorientierte Nachhaltigkeit) und eine Investitionsregel (Entscheidung für ein bestimmtes Protfolio gemäß dem Kriterium der Kapitalwertkonsistenz) „zerlegen".
Literaturverzeichnis 1. Anand, P. (1993): Foundations of Rational Choice Under Risk, Oxford, Clarendon Press, 1993. 2. Arndt, H.W. (1993): Sustainable Development and the Discount Rate: Review Article. In: Economic Development and Cultural Change 41, 1993, 651-661. 3. Arrow, K.J. (1973a): Rawls' Principle of Just Saving. In: Swedish Journal of Economics 75, 1973, 323-335. 4. Arrow, K.J. (1973b): Some Ordinalist-Utilitarian Notes on Rawls' Theory of Justice. In: The Journal of Philosophy 70, 1973, 245-263. 5. Asheim, G.B. (1991): Unjust Intergenerational Allocations. In: Journal of Economic Theory 54, 1991, 350-371. 6. Coughlin, R.M. (1991): Morality, Rationality, and Efficiency, New York, M.E. Sharpe, 1991. 7. Daly, H.E. (1990): Towards some Operational Principles of Sustainable Development. In: Ecological Economics 2 (1), 1990, 1-6. 8. Elster, J. (Hrsg.) (1985): The Multiple Seif, Cambridge, Cambridge University Press, 1985. 9. Epstein, L.G. (1986): Intergenerational Consumption Rules: An Axiomatization of Utilitarianism and Egalitarianism. In: Journal of Economic Theory 38, 1986, 280-297. 10. Priis, S.H., Speckbacher, G. (1994): Present Value Based Portfolio Choice. In: Economics Letters 44, 1994, 261-265. 11. Fuchs-Seliger, S. (1976): Theorie der Revealed Preference, Meisenheim am Clan. 12. Gorovitz, S. (Hrsg.) (1971): Utilitarianism, with Critical Essays, Indianapolis, Bobbs-Merrill 1971. 13. Hellwig, K. (1980): Erfolgskapitalerhaltung bei unvollkommenem Kapitalmarkt. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 50, 1980, 1189-1200. 14. Hellwig, K. (1987): Bewertung von Ressourcen, Heidelberg, Physica-Verlag, 1987. 15. Hellwig, K. (1993): Renditeorientierte Portfolioplanung. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 63, 1993, 89-98. 16. Hellwig, K. (1996): Portfolio Selection under the Condition of Value Preservation. In: Review of Quantitative Finance and Accounting 7, 1996, 299-305. 17. Hellwig, K. (1998): Creating Value. In: International Review of Economics and Finance 7, 1998, 141-147. 18. Hellwig, K. (2002): Value Management. In: Quantitative Finance 2, 2002, 133138.
Zur Rationalität des Prinzips der nachhaltigen Planung
73
19. Hellwig, K., Speckbacher, G. (1995): Just Intergenerational Resource Sharing: An Axiomatic Approach, in: W.E. Diewert, K. Spremann, F. Stehling, (Hrsg.), Mathematical Modelling in Economics: Essays in Honor of Wolfgang Eichhorn, 2. Aufl., Berlin, Springer, 1995. 20. Hellwig, K., Speckbacher, G., Wentges, P. (2000): Utility Maximization under Capital Growth Constraints. In: Journal of Mathematical Economics 33, 2000, 1-12. 21. Hogarth, R.M., Reder, M.W. (Hrsg.) (1986): The Behavioral Foundations of Economic Theory, Journal of Business (Special Issue), Vol. 59, 1986. 22. John, R. (1995): The Weak Axiom of Revealed Preference and Homogeneity of Demand Functions. In: Economics Letters 47, 1995, 11-16. 23. Pearce, D.W., Barbier, E., Markandya, A. (1990): Sustainable Development: Economics and Environment in the Third World, London. Edward Elgar Publishing, 1990. 24. Pearce, D.W., Turner, R.K. (1991): Economics of Natural Resources and the Environment, London, Harvester Wheatsheaf, 1991. 25. Phelps, E.S., Riley, J.G. (1978): Rawlsian Growth: Dynamic Programming of Capital and Wealth for Intergeneration „Maximin" Justice. In: Review of Economic Studies, 1978, 103-120. 26. Rawls, J. (1971): A Theory of Justice, Cambridge, Harvard University Press, 1971. 27. Richter, M.K. (1966): Revealed Preference Theory. In: Econometrica 34, 1966, 635-645. 28. Richter, M.K. (1971): Rational Choice, in: J.S. Chipman, M.K. Hurwicz, H. Sonnenschein (Hrsg.), Preferences, utility, and demand, New York, Harcourt, 1971, 29-58. 29. Samuelson, P.A. (1976): Economics of Forestry in an Evolving Society. In: Economic Inquiry 14, 1976, 466-492. 30. Samuelson, P.A. (1938): A Note on the Pure Theory of Consumers' Behaviour. In: Economica 5, 1938, 61-71. 31. Sen, A.K, (1993): Internal Consistency of Choice. In: Econometrica 61, 1993, 495-521. 32. Sen, A.K. (1979): Utilitarianism and Welfarism. In: Journal of Philosophy 76, 1979, 463-489. 33. Sen, A.K. (1971): Choice Functions and Revealed Preference. In: Review of Economic Studies 36, 1971, 307-317. 34. Sen, A.K., Williams, B. (Hrsg.) (1982): Utilitarianism and Beyond, Cambridge, Cambridge University Press, 1982. 35. Simon, H.A. (1986): Rationality in Psychology and Economics, In: R.M. Hogarth, M.W. Reder (Hrsg.): The Behavioral Foundations of Economic Theory, Journal of Business (Special Issue) Vol. 59, 1986, 209-224. 36. Solow, R.M. (1974): Intergenerational Equity and Exhaustible Resources. In: Review of Economic Studies 41, 1974, 29-45. 37. Speckbacher, G. (1994): Sustainable Resource Management and Intergenerational Justice, Arbeitspapier zum 50. Kongress des International Institute of Public Finance (IIPF), Harvard University. 38. Speckbacher, G. (1998): Maintaining Capital Intact and WARP. In: Mathematical Social Sciences 36, 1998, 145-155. 39. Ströbele, W. (1987): Rohst offÖkonomik, Vahlen Verlag, München, 1987.
74
Gerhard Speckbacher
40. Tietenberg, T.H. (1988): Environmental and Natural Resource Economics. 2. Aufl., Glenview, Scott Foresman and Co, 1988. 41. Varian, H.R. (1991): Grundzüge der MikroÖkonomik, München, Oldenbourg Verlag, 1991. 42. Wilhelm, J. (1980): Multiperiod PortfoHo Selection and Capital Asset Pricing. In: Pandel, G. und Gal, T. (Hrsg.): Multiple Criteria Decision Making - Theory and Application, Springer Verlag, Berlin et al., 487-510. 43. Wilhelm, J. (1981): Zum Verhältnis von Capital Asset Pricing Model, Arbitrage Pricing Theory und Bedingungen für die Arbitragefreiheit von Finanzmärkten. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 33, 1981, 891-905.
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten Börsen als Finanzintermediäre im Wettbewerb Andreas Gehler * Universität Bamberg, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Finanz Wirtschaft, Kirschäckerstr. 39, D-96045 Bamberg finanzOsowi.uni-bamberg.de
Gliederung 1
Einführung
76
2
Finanzmärkte als Finanzintermediäre
78
3
Inter-Börsenwettbewerb
82
4
Intra-Börsenwettbewerb: Börsen als konkurrierende und komplementäre Intermediäre im Wertpapierhandel
84
Zusammenfassung
89
5
Literaturverzeichnis
89
* Der Autor dankt Joachim Fox, Dirk Schiefer und Martin Strobel für wertvolle Anregungen zu einer früheren Fassung.
76
Andreas Oehler
1 Einführung Die Allokation von Finanzmitteln gilt in den Wirtschaftswissenschaften als die herausragende Funktion eines Finanzmarktes. Wesentliche Unterstützung erfährt die AUokationsfunktion durch die Informations- und Bewertungsefßzienz der Preise, die an einem Finanzmarkt zustande kommen.-^ Erst die Voraussetzung, dass die Marktpreise den aktuell verfügbaren Informationsstand der Wirtschaftssubjekte reflektieren, erlaubt die Steuerung der Finanzmittel in die günstigste Verwendung. Die entscheidende Grundlage hierfür stellt die Liquidität eines Marktes dar, die hier in Anlehnung an Schmidt/Iversen (1991) und Kempf (1998) als die Möglichkeit definiert wird, ein Wertpapier jederzeit sofort in kleinen oder großen Mengen ohne großen Preisaufschlag (Preisabschlag) kaufen (verkaufen) zu können.^ Liquidität oder eigentlich präziser die Liquidität der maßgeblich durch die Marktorganisation (Mikrostruktur) beeinflussten, dort zugelassenen Wertpapiere wird als wichtigstes Kriterium der operativen Funktionsfähigkeit eines Marktes angesehen.^ Die operative ESizienz stellt eine notwendige Bedingung für die Informationseffizienz dar. Als wesentlicher Problemkreis wird der Einfluss der Liquidität eines Wertpapiers auf dessen Preis angesehen.^ Insofern haben Preisänderungen potenziell eine informations- und eine liquiditätsbasierte Komponente.^ Die Charakteristik der Liquidität ist für Netzwerkeffekte verantwortlich wie sie aus Infrastruktur- oder Netzwerkindustrien z. B. der Telekommunikation oder der Elektrizitätswirtschaft her bekannt sind und die (theoretisch) eine Zentralisierung des Handels induzieren. Eine Fragmentierung wird daher als ineSizient im oben genannten Sinne aufgefasst, da insbesondere eine Abschöpfung des Orderstroms uninformierter Investoren im außerbörslichen Handel anzunehmen ist. Andererseits besitzen die an einem Finanzmarkt tätigen Intermediäre (Händler, Makler) den Anreiz, die quasi zentripetale Eigenschaft der Liquidität („liquidity attracts liquidity") zur Steigerung ihres Profits zu nutzen und den Zugang zu beschränken. Dies wiederum fördert die Abschöpfung in außerbörslichen oder Satelliten-Plattformen und damit den Wettbewerb und reduziert einen Teil der Kosten der Zugangsrestriktionen. Herrscht dagegen freier Marktzutritt, so wird die Abschöpfung peripherer Märkte nur bestehen bleiben, wenn uninformierten Marktteilnehmern bessere Konditionen geboten werden (vgl. etwa IPO-„Schnäppchen"). Wird die Zen^ Vgl. Fama (1970, 1991) sowie die Erörterung in Bienert (1996); vgl. auch Wilhelm (1991, 2001a und 2001b). ^ Damit werden neben der Erneuerungskraft zwei Zeitdimensionen (Sofortigkeit und Marktbereitschaft) und zwei Preisdimensionen (geringer Preiseinfluss von Mindestschluss- und Blockorders) deutlich. ^ Vgl. Harris (1990), Schmidt/Iversen/Treske (1993). ^ Vgl. Schmidt (1970, S. 70-73); vgl. auch Amihud/Mendelson 1986 und 2000), Hu (1997), Kempf/Uhrig (1996). ^ Vgl. ausführlich hierzu Oehler/Hacker (2004).
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten
77
tralisierung bzw. der freie Marktzutritt (vgl. zur offenen Börse weiter unten) theoretisch auch die beste Lösung im Sinne der genannten Effizienzkriterien sein, so sieht sich eine so gerichtete Vorgehensweise in der Praxis den aus der Reguherung z. B. der Telekommunikation oder der Elektrizitätswirtschaft bekannten Schwierigkeiten gegenüber, solange die relevanten Zugangsund Preisfeststellungsintermediäre aufgrund ihrer property rights (z.B. an den Orderinformationen) Anreize und MögUchkeiten einer Beschränkung (direkt oder indirekt via Pricing) haben (Mautgutproblem). Das free riding auf börsengenerierten, teil-transparenten Preisinformationen und die genannte außerbörsliche Abschöpfung reduziert dabei Ineffizienzen teilweise. Wesentliche Komponenten eines zentralisierten Handels zum öffentlichen Gut zu regulieren birgt dagegen die Gefahr des Mispricing und damit von Überkonsum oder Unterproduktion von Kern-Börsenleistungen. Vor diesem Hintergrund und insbesondere beeinflusst durch das neoinstitutionalistische Paradigma^ wird das Schrifttum zur Finanzmarkttheorie und -empirie seit geraumer Zeit durch eine Diskussion der so genannten Mikrostruktur der Märkte geprägt. Die Debatte widmet sich dem Ausmaß der Effizienz der Entscheidungen der einzelnen Marktteilnehmer, der Organisationsstruktur eines Marktes (Grund- und Mikrostruktur) sowie des Marktergebnisses (Preis).^ Ein wesentlicher Diskussionsstrang beschäftigt sich mit der Fragestellung, in welcher Weise Marktteilnehmer Informationen zu einem Marktpreis aggregieren und welche Auswirkungen asymmetrische Informationsstände haben^, die z.B. in der Form auftreten, dass Wirtschaftssubjekte mit privaten Informationen privilegiert sind. Ein anderer wichtiger Forschungszweig beschäftigt sich mit den Grundtypen einer Marktstruktur und hier vor allem der Preisbildung, um unter anderem Aussagen abzuleiten, in welchem Ausmaß die Grund- und Mikrostruktur die Effizienz des Marktergebnisses beeinflusst. Eher etwas abseits steht bislang eine theoretische wie empirische Erörterung der Makrostruktur von Finanzmärkten, also einer Diskussion des Wettbewerbs und der Fragmentierung von Märkten bzw. Wertpapierbörsen.^ Meist nur angefacht durch einige praxisorientierte Ereignisse wie Börsenfusionen oder -allianzen (z.B. Euronext, Deutsche Börse AG und London Stock Exchange) oder die Einrichtung von Privatanlegerbörsen während des Hypes in der Zeit des Jahrhundertwechsels (NASDAQ Europe, Consors-Börse) tritt diese Thematik ans Licht. In der Makroperspektive Platz greifender erscheint in jüngerer Zeit eher eine Erörterung von Finanzsystemarchitekturen, wobei hier oft stärker unter dem Blickwinkel potenzieller oder tatsächlicher Finanzkrisen argumentiert ^ Vgl. den Überblick im Abgleich mit der Neoklassik in Wilhelm (1991). ^ Vgl. z.B. Brunnermeier (1997), Stoll (1999), Oehler (2001). ^ Vgl. im Kontrast hierzu die neoklassische Perspektive wie sie z.B. in Wilhelm (2001a und 2001b) kurz wiedergegeben wird. ^ Vgl. aber die neueren Quellen wie z. B. Oehler (2000b), Heilmann (2002), Andersen (2003), Ramos (2003).
78
Andreas Oehler
wird als unter der Perspektive der eingangs angeführten (AUokations-) Effizienz. Dabei wird im amerikanischen Schrifttum dominant die Dichotomie der finanzmarktbasierten (USA, GB) und der bank- oder intermediärbasierten Systeme („altes" Europa) gepflegt.-^^ Wie zu zeigen sein wird, verstellt dieses Leitbild etwas den Blick dafür, dass ein Finanzsystem aus der Interaktion verschiedenster Intermediäre resultiert, zu denen auch die Finanzmärkte gehören, zumal unter einem vertragstheoretischen oder neoinstitutionalistischen Paradigma. Die Zielsetzung der weiteren Ausführungen besteht darin, zunächst offen zu legen, dass Finanzmärkte bzw. die hier vor allem betrachteten Wertpapierbörsen auch nur eine Art von Finanzintermediären darstellen, die in Interessenkonflikt oder -harmonie mit anderen am Wertpapierhandel beteiligten Finanzintermediären wie Banken und Brokern existieren (Kapitel 2). Darüber hinaus wird die so gewonnene Erkenntnis in eine Wettbewerbsanalyse umgesetzt, die sich mit den Arten des Wettbewerbs genauso beschäftigt (Kapitel 3) wie mit den wesentlichen Erfolgsfaktoren und der spezifischen Intermediärstruktur des Intra-Wettbewerbs (Kapitel 4).
2 Finanzmärkte als Finanzintermediäre Arbeitsteiliges Wirtschaften erfordert in der Regel einen Ausgleich zwischen dem Finanzbedarf einzelner Wirtschaftssubjekte, der so genannten Finanzmittelnehmer, und dem Anlagebedarf anderer Wirtschaftssubjekte, der so genannten Finanzmittelgeber. In Anlehnung an die Definition in Bitz (2002) werden Unternehmen, deren primärer Geschäftszweck auf diesen Ausgleich gerichtet ist, als Finanzintermediäre im engeren Sinne bezeichnet. Als Anlageleistung nehmen sie einerseits Zahlungsmittel von originären Finanzmittelgebern gegen das Versprechen späterer Rückzahlung entgegen und stellen andererseits solche Zahlungsmittel als Finanzierungsleistung wiederum gegen das Versprechen späterer Rückzahlung zur Verfügung. Kernelement ist dabei, dass ein potenzielles Anspruchs- und Verpflichtungsverhältnis zwischen Finanzmittelgebern und Finanzmittelnehmern durch zwei eigenständige Verträge mit dem Finanzintermediär ersetzt wird. Hierbei werden die bekannten Transformationsleistungen bezüglich des Informationsbedarfs, des Betrages („Losgröße"), der Fristen und/oder des Risikos erbracht. ^^ Als ein Beispiel für viele: „Financial institutions and intermediaries and the role they play are largely ignored. In the US and UK financial markets do play an important role so the focus on markets is perhaps understandable in these countries. However, in most financial Systems, particularly those in Continental Europe, markets have played a much less important role historically. Banks and other intermediaries dominate the financial system.^^ {Allen (2002)). Vgl. auch Sabani (1993), Boot/Thakor (1995), Allen/Gale (2001), Tadesse (2001), Gorton/Winton (2002), Levine (2002), Rajan/Zingales (2003).
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten
79
Darüber hinaus erscheint es angesichts des Standes der Literatur und der realen Erscheinungsformen angemessen, den Begriff des Intermediärs weiter auszulegen und auch solche Unternehmen als Finanzintermediäre zu bezeichnen, die Kontrakte zwischen Finanzmittelgebern und Finanzmittelnehmern überhaupt ermöglichen oder einfacher und kostengünstiger herbeiführen. Solche Institutionen werden in Anlehnung an Bitz (2002) als Finanzintermediäre im weiteren Sinne bezeichnet. Sie erbringen Leistungen in den Bereichen der Vermittlung, Informationsabgabe und Risikoübernahme, die denen der Finanzintermediäre i.e.S. vergleichbar sind. Die genannten Leistungen der Finanzintermediäre i.e.S. und i.w.S. werden nun nicht nur durch ein einziges Unternehmen oder einen Intermediärtyp erbracht. Vielmehr besteht ein Finanzsystem aus einer Vielzahl interagierender und vertraglich verflochtener Finanzintermediäre. Typischerweise bestehen bzw. entstehen dabei nicht nur Kontrakte zwischen Finanzintermediären und originären Finanzmittelnehmern und/oder originären Finanzmittelgebern, sondern auch zwischen den Finanzintermediären selbst. Entsprechend lassen sich analog zu Bitz (2002) Finanzintermediäre auch nach den Adressaten und der Art ihrer (Transformations-) Leistungen klassifizieren. Abbildung 1 zeigt eine solche Einteilung der wesentlichen realen Erscheinungsformen. Finanzmittelne hmer (FN)
Zentralbanken Spezialbanken
KAG/Publikumsfonds
Wertpapiermakler
RückVersicherungsmakler
Versicherungsmakler
Rückversicherer
Börsendienste
Evidenzzentralen
Ratingagenturen
Wertpapierabwickler
KAG/Spezialfonds , T
(Universal-)banken
1
Realkreditinstitute
Leasing-ZFactoringgesellschaften Teilzahlungsbanken
Bausparkassen
KBGA/enture Financiers
Lebensversicherungen
Kreditvermittler
Sacliversicherungen
Kreditkartengesellschaften Finanzmittelgeber (FG)
Abb. 1. Finanzintermediäre und ihre Adressaten
80
Andreas Oehler
Der linke untere Quadrant der Abb. 1 zeigt die wesentlichen Typen von Finanzintermediären i.e.S., die gleichzeitig überwiegend originäre Finanzmittelnehmer und Finanzmittelgeber bedienen.^-^ Der rechte obere Quadrant dagegen führt Finanzintermediäre i.e.S. (z. B. Zentralbank, Rückversicherer) und i.w.S. (z.B. Evidenzzentrale, Rückversicherungsmakler) auf, die gleichzeitig Beziehungen zu überwiegend intermediären Finanzmittelnehmern und Finanzmittelgebern pflegen. Der rechte untere Quadrant enthält diejenigen Finanzintermediäre i.e.S. (z.B. Leasing- oder Factoringgesellschaft) und i.w.S. (z.B. Kreditvermittler), die sich typischerweise hinsichtlich der Finanzmittelverwendung nur an originäre Finanzmittelnehmer wenden. Der linke obere Quadrant der Abb. 1 hingegen berücksichtigt solche Intermediäre i.e.S. (z.B. Spezialfonds) und i.w.S. (z.B. Wertpapiermakler), die sich primär nicht an originäre Finanzmittelnehmer richten. Gleichzeitig wendet sich deren Leistungsangebot jedoch sowohl an originäre als auch an intermediäre Finanzmittelgeber, so dass dieser Quadrant etwas nach rechts, in die Mitte verschoben, erscheint. Eine Ausnahme stellen lediglich die Kapitalanlagegesellschaften dar, die in zwei Grundtypen am Markt auftreten. Wertpapierbörsen als wesentliche Glieder der Wertschöpfungskette im Wertpapierhandel (siehe unten, Abschnitt 4) werden in der neueren Finanzierungs- und Finanzmarkttheorie nicht mehr verstanden als ein anonymer Ort des Austausches von Angebot und Nachfrage risikobehafteter Zahlungsströme, die von „unsichtbarer Hand" (Leon Walras, Adam Smith) geordnet werden. Vielmehr wird eine Wertpapierbörse als eigenständige Institution, als ein Dienstleistungsunternehmen, verstanden, deren Funktion in der Intermediation zwischen Vertragspartnern besteht. Eine Börse ist also eine Unternehmensform, die als Leistung eine Handelsplattform für fungible Wertpapiere mit einer organisatorisch-technischen und einer rechtlichen Infrastruktur für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage zur Verfügung stellt. Ähnlich zu anderen bekannten Finanzintermediären übernimmt eine Börse also grundsätzlich Aufgaben wie die Informationsbedarfs- (Kursinformationen, Marktsegmentierung, potenzielle Handelspartner), die Risiko- (Zulassung, Aufsicht, Portefeuillebildung), die Fristen--^^ und die Betragstransformation (unterschiedliche Ordergrößen), insbesondere, wenn man Kontrakt- oder Primärmarkt und Titel- oder Sekundärmarkt gemeinsam betrachtet. Mit diesen Leistungen steht
^^ Zur Begründung, Lebens- und Sachversicherer hinzuzurechnen, vgl. Bitz (2002). Vor allem, wenn originäre Geldgeber aus einem Vorsorgemotiv heraus zukünftige Zahlungsansprüche erwerben wollen. Aus der Perspektive des Versicherungsnehmers bzw. des Anlegers können Versicherungsverträge und Anlageformen funktional ähnliche, substitutionale Alternativen darstellen (ggf. auch: Versicherer treten als Geldgeber auf, wenn die Einzahlungen (u. a. von Kunden) die Auszahlungen (u.a. an die Kunden) übersteigen). ^^ Nur insoweit, als hohe Liquidität eine hohe Rücknahmewahrscheinlichkeit erwarten lässt (Risiken aus der Preisänderung bleiben aber beim Finanzmittelgeber).
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten
81
sie teilweise in unmittelbarer Konkurrenz zu anderen Finanzintermediären wie Maklern, Brokern, Händlern von Banken etc. Finanzmrtteinehmer (FN) Zentralbanken
Finanzmittelgeber (FG)
Abb. 2. Finanzmärkte als Finanzintermediäre in Konkurrenz oder Komplementarität zu anderen Finanzintermediären im Finanzsystem An dieser Stelle löst sich die Dichotomie zwischen „Markt" und „Intermediär" bzw. markt- und intermediärbasierten Finanzsystemen auf. Das in Abb. 2 in Fortentwicklung der Abb. 1 typisierte Geflecht^^ zeigt, dass der „Markt" auch keine andere Funktion erfüllt als (seltener) selbst in Kontrakte einzutreten (z. B. die Terminbörse Eurex bei Derivaten) oder diese zu vermitteln und (auch kostenmäßig) zu erleichtern (Regelfall). Mit einer verwandten Terminologie könnte man auch etwas verkürzt formulieren, dass „Intermediäre" „over the counter" arbeiten, während Börsen als „Markt" in der Regel hoch organisiert produzieren. Aus der Perspektive der gehandelten Produkte weist ein Finanzmarkt in der Ausprägung der Wertpapierbörse damit im Unterschied zu anderen Finanzintermediären das Charakteristikum auf, dass aufgrund der Standardisierung der Handelsobjekte lediglich der Preis als Preiheitsgrad in
^^ Man beachte hierbei, dass die „Achsen" der 4-Felder-Tafel bereits rechts unten und links oben Intermediäre kennzeichnen; daher können die Pfeile zwischen den „Intermediären" selbst entfallen.
82
Andreas Oehler
der Verhandlung über die Vertragskomponenten^'^ verbleibt.-^^ Wie im Folgenden (Kapitel 4) zu zeigen sein wird, besteht allerdings eine weitere Besonderheit für Wertpapierbörsen darin, dass sie im eigenen Geschäftsbereich teilweise konkurrierend und teilweise komplementär zu anderen Finanzintermediären tätig sind, wobei jene Finanzintermediäre ggf. auch zu den Shareholdern und/oder zu den Kunden der Börse zählen. „Markt" stellt somit ein Geflecht verschiedener im Wertpapierhandel tätiger Finanzintermediäre, darunter die Wertpapierbörsen, dar, die nach festgelegten Regeln interagieren. Zunächst ist jedoch kurz auf die Unterscheidung in einen Inter- und einen Intra-Börsenwettbewerb einzugehen.
3 Inter-Börsenwettbewerb Wettbewerb lässt sich als eine Veranstaltung mindestens zweier natürlicher oder juristischer Personen kennzeichnen, die unter einer bestimmten Zielstellung (vgl. die Einführung) das Optimum oder die relativ beste Leistung zu erzielen versuchen. Er ist ein Austausch- und Parallelprozess der Wirtschaftssubjekte mit einer Rivalität zwischen diesen auf einer Marktseite. Wettbewerb kann im Wege der Innovation einen temporären monopolähnlichen Vorsprung bedeuten, der aber stets unter der Bedrohung der Imitation und Weiterentwicklung steht. Gegenstand des Wettbewerbs zwischen Wertpapierbörsen, der so genannte Inter-Börsenwettbewerb, ist das optimale oder zumindest relativ beste Angebot für fungible Wertpapiere zu schaffen. Es handelt sich also um einen Wettbewerb um Orders und ggf. - aufgrund der Folgegeschäfte - auch um Listings. ^^ Gemäß Abb. 3 lassen sich drei Typen des Inter-Börsenwettbewerbs unterscheiden. Der vertikale Wettbewerb betrifft die Ausdifferenzierung produktspezifischer Handelsplattformen wie sie z. B. aus den Markt- und Themensegmenten der deutschen Börsen bekannt sind. Entsprechend sind Zulassungsund Folgepflichten oder auch die Preisfeststellungsverfahren (siehe unten Kapitel 4) unterschiedlich ausgeprägt. Lateraler Börsenwettbewerb bezieht sich
Typische Vertragskomponenten von Finanzdienstleistungsverträgen sind die finanziellen Ansprüche während der Vertragslaufzeit, die RückZahlungsansprüche bei Kontrakt ende, die Mitwirkungs- und Kontrollrechte und die Rechtsstellung in der Insolvenz (vgl. Bitz (2002); vgl. auch Voit (2002)) bzw. alle Risiko- und Ertragsteilungsregeln. Das sog. Massen- oder Mengengeschäft der Banken und Versicherer gilt zwar auch als hoch standardisiert, jedoch ist im Unterschied zu den genannten Handelsobjekten der idiosynkratische Vertragsbestandteil immer noch deutlich stärker ausgeprägt (z.B. die Bonität im Girogeschäft oder die Gesundheit im Risikolebensversicherungsgeschäft) . Vgl. Oehler (2000b).
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten
83
Information und Zugang Routing und Abwicklung Preisfeststellung und Abschluß Regulierung und Gütesiegel
Abb. 3. Inter-Börsenwettbewerb dagegen stärker auf die Substitutionsbeziehungen zwischen den Handelsobjekten. Je nach Anlagestrategie werden Underlying- oder Terminbörsen benutzt und bei existierender Substituierbarkeit der Produkte von den Investoren nach Transaktionskosten- und Risikogesichtspunkten ausgewählt. Als horizontaler Börsenwettbewerb wird schließlich im Kern die Rivalität um Listings bzw. um multiple Listings verstanden. Die Gestaltung der entsprechenden Handelsplattformen ist oft auf einzelne Kundensegmente wie private oder institutionelle Investoren zugeschnitten oder versucht, durch flexible, liquiditätswahrende institutionelle Regelungen eine gemeinsame Plattform anzubieten. Der Wettbewerb bezieht sich somit auf Elemente der so genannten Marktmikrostruktur.-^"^ Konkretisiert man diese Überlegungen im Hinblick auf die zu wählenden Wettbewerbsstrategien, so lassen sich im Kontext der klassischen Alternativen einer Kosten- bzw. Preisführerschaft und einer Qualitätsführerschaft, die - wie auch neuere theoretische Analysen zeigen - nicht konfiiktär zu verstehen sind, wesentliche Komponenten ableiten. Die Qualitätsführerschaft, die auf die (relativ) höchste Qualität für die Börsendienstleistung nach Art und Umfang abstellt, befasst sich mit den beiden Komponenten der Liquidität (Sofortigkeit und Preiseinfluss, Tiefe, Breite, Erneuerungskraft des Orderbuches) und der Preisbildung (Anpassungsefiizienz, Preisstetigkeit, BewertungseSizienz, Transparenz, Integrität/Fairness). Im Rahmen der Kosten- bzw. Preisführerschaft, die auf den günstig (st )en Preis für die Börsendienstleistung fokussiert, sind der Preis für die Sofortigkeit (Immediacy), das Entgelt für die Preisfindung (Spanne, auch IntraSpanne), die Prämie für Risikoreduktion (Gegenparteiauswahl), die Provisi-
^^ Zur detaillierten Analyse einzelner Faktoren differenziert nach privaten und institutionellen Investoren vgl. Oehler (2000a).
84
Andreas Oehler
on/Kommission, der Preis für den Zugang (Order-Routing), das Entgelt für die Abwicklung und der Preis für Informationen zu differenzieren. Wie im nachfolgenden Abschnitt zu zeigen sein wird, sind diese Komponenten nicht alle vom Betreiber einer Handelsplattform selbst gestaltet bzw. gestaltbar, da auch eine Intra-Börsenkonkurrenz existiert, die innerhalb der Wertschöpfungskette des Wertpapierhandels stattfindet und sich u. a. auf Zugang, Information und Preisfeststellung bezieht.
4 Intra-Börsenwettbewerb: Börsen als konkurrierende und komplementäre Intermediäre im Wertpapierhandel Für die wettbewerbliche Analyse ganzer Finanzsysteme oder auch nur einzelner Wertpapierbörsen erscheint es sinnvoll, die aus dem Unternehmenscontrolling und den Shareholder-Value-Ansätzen gut bekannte Wertkettenanalyse zu nutzen. Das Dienstleistungsunternehmen Börse ist Bestandteil der Wertschöpfungskette des gesamten Wertpapierhandels (Abb. 4).-^^ Pre / Post trade
Orderstrom
[ Private Equity Service \ Angel Networl< \ Venture Management Going Public Service \ (Segment) i Anlege r"auf Klärung" fAd-hoc Publizität f Derivate / Indizes /Statistiken /Regel-Transparenz
Abb. 4. Wertschöpfungskette des Wertpapierhandels Ein erstes wesentliches Kettenglied besteht in der Informationsintermediation (Pre- und Post-Trade-Information), die sich nur auf den Titelnaarkt bezieht, aber auch den Primärmarkt mit einbinden kann (Venture Management, Vgl. Oehler (2000a).
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten
85
Private-Equity- und Going-Public-Service, Angel-Networking). Die Wertkette erweitert sich um die Zugangsintermediation, also die Steuerung des Orderstroms (Order-Routing), die insbesondere die zeitliche und die räumliche bzw. virtuelle Konsolidierung ermöglicht. Die Preisintermediation ist die eigentliche Kernleistung des Wertpapierhandels, die oft auch als Synonym für eine Wertpapierbörse interpretiert wird. Im Zentrum stehen das Pricing und Matching, wobei die individuelle Mikrostruktur eines Marktes (Preisermittlung Order- oder quote-driven, Aufsicht etc.) dessen wettbewerbliche Attraktivität wesentlich mitbestimmt. Letztes Glied der Wertkette ist die Abwicklungsintermediation mit Clearing und Settlement. Unterscheidet man Marktstrukturen^^ (Abb. 5) zunächst nach der Art der Preisintermediation, so lassen sich solche ohne und mit Bietprivilegien unterscheiden. Händlermärkte sind dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Marktteilnehmer das ausschließliche Recht besitzen, Gebote für Finanztitel auf Kaufund Verkaufsseite zu stellen. Je nach Anzahl der Privilegierten sind monopolistische (Händlermonopolmarkt) oder oligopolistische Strukturen (Händlerauktionsmarkt) differenzierbar.
Grundstrukturen eines Aktienmarktes
Preisintermediation/ Bietprivileg
Zugangsintermediation/ Anzahl der Privilegierten
Preisintensität
1 Händlermarkt
1a Händlerauktion
1b Händlermonopol
2 Anlegermarkt
2a Offene 2bAgency Börse Auction
Gesamtkurs
Einzelkurs
Abb. 5. Intermediation und Privilegien in den Grundstrukturen eines Aktienmarktes Anlegermärkte sind dagegen dadurch charakterisiert, dass für die Handelsobjekte auf Kauf- und Verkaufsseite mehrere Wirt Schaftssubjekte Gebote abgeben können, die zweiseitige Auktion also grundsätzlich ohne privilegierte Preisintermediäre zu Transaktionen führt. Wird jedoch der Zugang zugunsten von Zugangsintermediären (Banken, Broker) privilegiert, so wandelt sich der ^^ Vgl. die ausführliche Erörterung verschiedener Grundstrukturen in Heilmann/Oehler/Lag er (2000) und Schmidt/Küster/Simic (2000).
86
Andreas Oehler
Grundtyp der offenen Börse, der via Elektronisierung gerade eine Renaissance erlebt, zum gegenwärtig in der Realität noch am häufigsten anzutreffenden Typ der Agency Auction, in der die Anleger sich bestimmter Agenten zur Gebotsabgabe bedienen müssen. Findet die Anlegerauktion grundsätzlich (sofern Gebote verfügbar sind) kontinuierlich statt, so stellt der Preis jedes einzelnen Abschlusses, der sog. Einzelkurs, das Auktions- oder Marktergebnis dar. Bei diskreter Gestaltung zu festgelegten Zeitpunkten (im Abstand mehrerer Stunden) kommt ein Handel zum Gesamtkurs zustande, bei dem zur Einheitskursfeststellung alle Gebote im definierten Zeitfenster gesammelt werden. Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung der potenziellen Marktteilnehmer setzt neben den grundsätzlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten den Zugang zu den bewertungsrelevanten Informationen voraus. Nur bei kostenpflichtiger Informationsbeschaffung und bei asymmetrischer Informationsverteilung ergeben sich Anreize zur Informationsbeschaffung und zum Handel. Würden die bewertungsrelevanten Informationen allen Interessenten via Preis kostenlos zur Verfügung gestellt, so erlahmte die Suche nach neuen Informationen (so genanntes Informationsparadoxon^^). Informations(bedarfs)intermediäre im Wertpapierhandel werden also genau dann wertschöpfend tätig werden (wollen), wenn nicht alle verfügbaren Informationen allen potenziellen Marktteilnehmern kostenlos im Preis transparent werden (vgl. Abb. 6). Eine durch Beschaffung und Verarbeitung bedingte oder durch eine Börse mittels Regeln der Mikrostruktur festgelegte Informationsasymmetrie stellt also letztlich einen Trade off dar zwischen der Attrahierung des Orderstroms Interessierter durch aussagekräftige Preise einerseits und der Attraktivität der Informationsbeschaffung und -Verarbeitung durch Informationsintermediäre andererseits. Darüber hinaus muss ein weiterer Trade off zwischen der Markttransparenz bezüglich der Informationen über das gesamte Handelsgeschehen und der Liquidität eines Marktes (vgl. die Definition in der Einführung, Kapitel 1) gefunden werden. Während einerseits eine möglichst vollständige und sofortige Verfügbarkeit der Informationen über das Handelsgeschehen bzw. den Orderstrom die Kosten für die Anbahnung von Geschäften reduzieren und gleichzeitig die tatsächliche wie wahrgenommene Fairness und Integrität des Börsenhandels steigern wird, so werden (institutionelle) Investoren, die einen asymmetrisch hohen Informationsstand bzw. einen Informationsvorsprung haben, free riding und damit vollständige Transparenz vermeiden wollen. Piazierungen besonders großer Orders, soweit nicht bereits eine Aufspaltung in mittlere Orders versucht wird (stealth trading)^^, werden zur Vermeidung eines unerwünschten market impact nur sehr ausgewählten Kontraktpartnern offenbart. Solche Investoren sind eher an einem geschlossenen
^° Vgl. Grossmann/Süglitz (1976), Rudolph (1994). ^^ Vgl. zur Transparenz und zum offenen und geschlossenen Order buch Oehler/Unser (1998).
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten
für Investoren und Emittenten (Risk-Return Trade off)
zur Preisfeststellung; hohe Liquidität: oTeilnahme •Aufkommen (Breite, Tiefe) •Geschwindigkeit
kostengünstige, transparente Preisfeststellung,
87
(Abrechnung und Erfüllung) der Transaktionen
•kleine Spanne •geringer impact •häufige Feststellung
Trade oft iMmh^n LkißkMät mü Jmm^pmmz Abb. 6. Trade-ofF-Probleme im Intra-Börsenwettbewerb Orderbuch^^ und upstairs markets oder außerbörslichem Handel interessiert, um einer Verwässerung ihrer property rights an den potenziell kursbeeinflussenden Informationen ihrer Order vorzubeugen. Damit wird der Zeitpunkt der Veröffentlichung verzögert. Eine Verlagerung dieser Orderströme würde eine deutliche Senkung der Liquidität zur Folge haben, wodurch wiederum die Attraktivität der Börse im horizontalen Wettbewerb reduziert würde. Insofern ist es die Aufgabe einer Börse als Intermediär, durch Regeln der Markttransparenz zwischen Zugangs- und Preisfeststellungsintermediären einerseits und Preisfeststellungsintermediären und (potenziellen) Investoren andererseits einen Trade off zwischen orderstromattrahierender Liquidität und orderstromhemmender Transparenz herbeizuführen. Einerseits sind die Orderinformationen selbst soweit zu schützen, dass ein market impact zumindest ex ante vermieden und eine allgemeine Nutzung via free riding verhindert wird. Andererseits werden ex post die Kursinformationen (öffentlich) verbreitet, damit potenzielle Investoren über die Liquidität der Börse informiert werden. Die bisherige Erörterung hat zunächst gezeigt, dass die Börse nicht in erster Linie als Informationsproduzent, sondern eher als Informationsintermediär Regeln setzt und Informationen verbreitet, die die beiden Trade offs für einen möglichst effizienten Handelsprozess erlauben. Hinzu kommt noch eine weitere Perspektive: Im Wettbewerb mit anderen Börsen bzw. Handelsplattformen wird diejenige erfolgreich sein, die bei vergleichbarer Qualität die geringsten Transaktionskosten, also den niedrigsten Preis anbieten kann (vgl. oben Kapitel 3 zur Kosten-/ Preis- und QuaVgl. Oehler/Hacker (2004).
88
Andreas Oehler
litätsführerschaft). Aus der Sicht eines Börsenbetreibers wird es aber nicht sinnvoll sein, dem Wettlauf um Erlös- bzw. Kostenreduktion unbeteiligt zuzuschauen, sondern Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Solche Maßnahmen bestehen grundsätzlich darin, zu verhindern, dass Wettbewerber Anteile am Order aufkommen gewinnen oder vergrößern. Dies geschieht dadurch, dass der (weitere) Zutritt zum Ordervolumen oder zum so genannten Markt für Orders verhindert wird. Aus der Ökonomie der Märkte, insbesondere der Monopole, ist bekannt, dass wirksame Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren darin bestehen, dass ein Wettbewerber, der mit unterbietenden Preisen, also geringeren Transaktionskosten Ordervolumen attrahieren möchte, nicht (fast) ohne Investitionskosten eintreten und (fast) ohne sunk costs wieder austreten kann. Die Barrieren sind also um so effektiver bzw. die so genannte Zutrittsbedrohung ist um so kleiner, je höher die Markteintrittsinvestitionen einerseits und je geringer (je höher) die alternative Verwendbarkeit der Investitionen (die spezifischen Investitionen) beim Marktaustritt andererseits sind. Als Beispiel für eine (durch Regulierung erzeugte) relativ hohe Zutrittsbedrohung seien die Call-by-call-Tarife im Rahmen der Regulierung der Telekommunikationsindustrie genannt. Ein Beispiel aus dem Börsenbereich ist der aktuelle Versuch des Betreibers Deutsche Börse AG den deutschen Handel mit Optionsscheinen zu dominieren, indem (weitgehend) vorhandene Infrastrukturinvestitionen genutzt werden. Abbildung 4 hat das Zusammenwirken der Intermediäre im Wertpapierhandel und Abb. 5 die Grundstrukturen von Aktienmärkten verdeutlicht. Das Zugangsprivileg kann nun als Eintrittsbarriere verstanden werden, die die Nutzung der Handelsplattform der Börse limitiert. Liegt keine offene Börse vor, bei der im Extrem jeder Interessent oder „Orderlieferant" seine Orders ohne Nutzung eines Zugangsintermediärs (Broker, Banken) selbstständig den Preis(feststellungs)intermediären zuleiten kann, so existiert grundsätzlich die allererste Zutrittsbedrohung der Börse durch ihre jeweiligen Zugangsintermediäre. Diese können mit relativ geringem Aufwand den Order ström anderen Handelsplattformen oder Börsen zuleiten und eine Börse um die betriebsnotwendige Liquidität und Wettbewerbsattraktivität bringen. Diese Problematik des Intra-Wettbewerbs ist auch aus der Diskussion um die so genannte Orderinternalisierung, also die jeweilige intermediärinterne räumliche Orderkonsolidierung und Orderausführung bekannt. Inhouse-Systeme oder interne Märkte der Zugangsintermediäre leiten dann nur noch „Spitzen" an die Börse weiter und nutzen gleichzeitig die Preisinformationen dieser. Ein solches Vorgehen stünde möglicherweise gleichzeitig im Konflikt mit den Preisintermediären (Makler, Market Maker), denen dann Provisionseinnahmen entgingen. Neu belebt worden ist diese Problematik durch die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Investment Service Directive ISD) der EU, die u. a. einheitlich Zugang und Transparenz intermediärinterner Handelssysteme für andere Institutionelle wie Preisintermediäre regeln will.
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten
89
5 Zusammenfassung Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass letztlich die Verteilung des Einflusses der jeweiligen Intermediäre in der Governance-Struktur einer Börse darüber entscheidet, inwieweit die genannten Privilegien als Barrieren gegen andere Börsen genutzt werden können oder die Intermediäre, insbesondere die Zugangsintermediäre, eher unabhängig von einzelnen Börsen die Regeln festlegen. Nicht zuletzt dadurch wird deutlich, dass eine Börse als Dienstleister im Wertpapierhandel nur einen, wenn auch bedeutenden Wettbewerber in einer komplexen Intermediationsstruktur darstellt. Ein möglicher Unterschied in Finanzsystemen kann damit also nicht auf markt- vs. intermediärbasiert fokussiert werden als vielmehr auf Unterschiede in der rechtlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit der im Wertpapierhandel tätigen Finanzintermediäre im Geflecht „Markt", die gemeinsam die Netzdienstleistung Liquidität bzw. deren Ausgleich erbringen. Besteht eine hohe Abhängigkeit oder Identität je Wertkettenelement, so verdichtet sich der Befund „intermediärbasiert", dominieren dagegen unabhängige Intermediäre je Segment, so herrscht der Eindruck „marktbasiert" vor. Ferner wird deutlich, dass die Regulierung des Wertpapierhandels im Finanzsystem aufgrund des Netzwerkeffektes der Liquidität und der jeweils dominanten Intermediärstruktur national kaum lösbar sein kann, da eine (einseitige) Erhöhung der Zutrittsbedrohung die nationalen Intermediäre benachteiligte.
Literaturverzeichnis 1. Allen, F. (2002), The Structure of Financial Systems and Financial Stability, Launching Workshop of the ECB-CFS Research Network, Frankfurt, 2002. 2. Allen, F. / Gale, D. (2001), Banking and Markets, Working Paper, Wharton School, University of Pennsylvania, 2001. 3. Amihud, Y. / Mendelson, H. (1986), Asset Pricing and Bid-Ask Spread. In: Journal of Financial Economics, 17, 1986, 223-249. 4. Amihud, Y. / Mendelson, H. (2000), The Liquidity Route to a Lower Cost of Capital. In: Journal of Applied Corporate Finance, 12, 2000, 8-25. 5. Andersen, A. (2003), Competition between European Stock Exchanges, Working Paper, Helsinki, 2003. 6. Bienert, H. (1996), Der Marktprozess an Aktienbörsen, Gabler-Verlag, Wiesbaden, 1996. 7. Bitz, M. (2002), Finanzdienstleistungen, 6. Aufl., Oldenbourg-Verlag, München, 2002. 8. Boot, A. W. A. / Thakor, A. V. (1995), Financial System Architecture, CEPR Discussion Paper No. 1197, London, 1995. 9. Brunnermeier, M. K. (1997), Prices, Price Processes, Volume and their Information, LSF Financial Markets Group Discussion Paper 270, London, 1997. 10. Fama, E. F. (1970), Efficient Capital Markets. In: Journal of Finance, 25, 1970, 383-417.
90
Andreas Oehler
11. Fama, E. F. (1991), Efficient Capital Markets IL In: Journal of Finance, 46, 1991, 1575-1617. 12. Gorton, G. / Winton, A. (2002), Financial Intermediation, Working Paper 8928, NBER, Cambridge, 2002. 13. Grossman, S. J. / Stiglitz, J. E. (1976), Information and Competitive Price Systems. In: American Economic Review (AEA), 66, 1976, 246-253. 14. Harris, L. E. (1990), Liquidity, Trading Rules, and Electronic Trading Systems, New York Salomon Center (ed.), Monograph in Finance and Economics, Monograph 1990-4, New York Univ., New York, 1990. 15. Heilmann, K. (2002), Erfolgsfaktoren von Wertpapierbörsen im internationalen Wettbewerb, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden, 2002. 16. Heilmann, K. / Läger, V. / Oehler, A. (2000), Informationsaggregation, Insiderhandel und Liquidität in experimentellen Call Markets. In: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, 12, 2000, 361-371. 17. Hu, S.-Y. (1997), Trading Turnover and Expected Stock Returns: The Trading Frequency Hypothesis and Evidence from the Tokyo Stock Exchange, Discussion Paper, University of Chicago, 1997. 18. Kempf, A. (1998), Was messen Liquiditätsmaße? In: Die Betriebswirtschaft, 58, 1998, 299-311. 19. Kempf, A. / Uhrig, M. (1996), The Impact of Liquidity on Bond Prices, Working Paper 96-06, Universität Mannheim, 1996. 20. Levine, R. (2002), Bank-Based or Market-Based Financial Systems. In: Journal of Financial Intermediation, 11, 2002, 398-428. 21. Oehler, A. (2000a), Wertpapierbörsen im Wettbewerb - eine ökonomische Analyse. In: Sparkasse, 117, 2000, 351-357. 22. Oehler, A. (2000b), Das europäische Finanz- und Börsenwesen - Strukturveränderungen und Entwicklungstendenzen, Wirtschaftsforum Berlin, RingVerlag, Berlin, 2000, 16-28. 23. Oehler, A. (2001), XETRA, in: R. Bühner (Hrsg.), Management-Lexikon, Oldenbourg-Verlag, München et al., 2001, 889-890. 24. Oehler, A. / Hacker, M. (2004), Kurseinfluss mittlerer und großer Transaktionen am deutschen Aktienmarkt. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 74, 2004, 4 6 1 486. 25. Oehler, A. / Unser, M. (1998), Market Transparency and Call Markets; in: BAFIFO - Bank- und Finanzwirtschaftliche Forschung, Nr. 06, Diskussionsbeiträge des Lehrstuhl für BWL, insbes. Finanzwirtschaft, Universität Bamberg, 1998. 26. Rajan, R.G. / Zingales, L. (2003), Banks and Markets, Working Paper, University of Chicago 27. Ramos, S. B. (2003), Competition between Stock Exchanges: A Survey, Working Paper, FAME Research Paper No. 77, Lausanne, 2003. 28. Rudolph, B. (1994), Markttransparenz und Computerbörse. In: Die Betriebswirtschaft, 54, 1994, 426-430. 29. Sabani, L. (1993), Market-Oriented versus Bank-Oriented Financial Systems. In: Journal of International and Comparative Economics, 3, 1993, 279-307. 30. Schmidt, H. (1970), Börsenorganisation zum Schutz der Anleger, Mohr-Verlag, Tübingen, 1970. 31. Schmidt, H. / Iversen, P. (1991), Geld-Brief-Spannen deutscher Standardwerte in IBIS und Matis. In: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, 3, 1991, 209-226.
Zur Makrostruktur von Finanzmärkten
91
32. Schmidt, H. / Iversen, P. / Treske, K. (1993), Parkett oder Computer? In: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, 5, 1993, 209-221. 33. Schmidt, H. / Küster Simic, A. K. (2000), Zur Theorie der Geld-Brief-Spanne auf Anlegerauktionsmärkten: Der Einfluß der Orderbuchtransparenz auf die Abschlußunsicherheit. In: Kredit und Kapital, Sonderheft 15. 34. Stoll, H. R. (1999, ed.), Microstructure, Vol. I & II, Elgar-Verlag, Cheltenham, 1999. 35. Tadesse, S. (2001), Financial Architecture, W. Davidson Working Paper No. 449, University of South CaroHna, 2001. 36. Voit, M. (2002), Plattformstrategien im Retail-Banking, Gabler-Verlag, Wiesbaden, 2002. 37. Wilhelm, J. (1991), Spurensuche: Neoklassische Elemente in der „neuen" Finanzierungstheorie, in: D. Ordelheide, B. Rudolph und E. Büsselmann (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und Ökonomische Theorie, Tagungsband der 51. Wissenschaftlichen Jahrestagung des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. in Frankfurt am Main 1990, Stuttgart, Poeschel-Verlag, 1991, 173-196. 38. Wilhelm, J. (2001a), Capital Asset Pricing Modell, in: R. Bühner (Hrsg.): Management-Lexikon, München et al., Oldenbourg-Verlag, 2001, 129-131. 39. Wilhelm, J. (2001b), Kapitalmarkttheorie, in: R. Bühner (Hrsg.): ManagementLexikon, München et al., Oldenbourg-Verlag, 2001, 407-409.
Teil II
Messung und Steuerung von Risiken
Zur Messung von Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments Christoph Kaserer und Niklas Wagner Technische Universität München, Lehrstuhl für Finanzmanagement und Kapitalmärkte, D-80333 München [email protected] niklas.wagnerQwi.tum.de
Gliederung 1
Einleitung
96
2
Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments
98
2.1 2.2
Renditen auf Basis von Buchwerten Ein Modell für Glättungseffekte bei Buchwertrenditen
98 100
2.3
Parameterschätzung für das Modell
102
3
Empirische Untersuchung von Venture Capital Fonds
103
3.1
Beschreibung des Datensatzes
103
3.2
Schätzergebnisse
105
4
Zusammenfassung und Ausblick
106
Literaturverzeichnis
107
96
Christoph Kaserer und Niklas Wagner
1 Einleitung Die Vermögensanlage in so genannte „Private Equity" (PE)-Investments ist in den letzten Jahren weltweit zu einer Anlageklasse von hoher Bedeutung für institutionelle Anleger geworden. Als Gründe hierfür werden höhere erwartete Renditen sowie Diversifikationsvorteile genannt. Ausweislich der von der European Private Equity and Venture Capital Association (EVCA) veröffentlichten Statistiken wurden im Jahr 1992 4,2 Mrd. Euro in europäische PE-Fonds investiert; bis zum Jahr 2000 wurde dieses Anlagevolumen mehr als verzehnfacht. Insgesamt 48 Mrd. Euro flössen im Jahr 2000 den europäischen PE-Fonds zu. Nach den massiven Kursverluste an den Weltbörsen sank auch der Kapitalzufluss für PE-Fonds und stabilisierte sich auf 27 Mrd. € im Jahr 2002.-'^ Mittlerweile scheinen sich die Perspektiven dieser Branche wieder aufzuhellen. Glaubt man zumindest verschiedenen jüngst veröffentlichten Umfragen, so planen institutionelle Anleger wieder eine Erhöhung ihrer PE-Anlagen.^ So ist mittelfristig wohl damit zu rechnen, dass die Anlageklasse weiterhin eine wichtige Quelle der Unternehmensfinanzierung in Deutschland und Europa sein wird. Die wachsende Verbreitung der Anlageklasse Private Equity kann aus ökonomischer und kapitalmarktbezogener Sicht begründet werden. Da Management und Eigentum weniger stark voneinander getrennt sind als bei einer typischen Publikumsgesellschaft mit breit gestreuter Eigenkapitalfinanzierung, kann Private Equity möglicherweise Vorteile besserer Anreizmechanismen im Rahmen der Unternehmenskontrolle vorweisen. Aus Sicht des Kapitalmarktes kann auf etliche empirische Studien verwiesen werden, die - speziell in Bezug auf „Venture Capital", dem Teilsegment des „Private Equity", das der Finanzierung hochriskanter Gründungen dient - darauf hinweisen, dass derartige Anlagen Rendite- und insbesondere Diversifikationsvorteile bieten.^ Ungeachtet der möglichen Vorteile der Anlage in Private Equity, muss beachtet werden, dass das Fehlen eines organisierten, liquiden Sekundärmarktes für diese Anlageform zu bedeutsamen Nachteilen beim Eigentumstransfer führt.^ Dieses Liquiditätsrisiko äußert sich darin, dass ein gewünschter Transfer entweder gar nicht oder aber nur deutlich später und zu verschlechterten •"• Vgl. European Private Equity and Venture Capital Association EVCA, Financial Yearbook, Brüssel 2003, S.34. ^ Vgl. Mackewicz und Fleischhauer, Private Equity auf dem Vormarsch, Venture Capital Magazin, April 2004, S. 22-24, die bei einer Befragung von 200 europäischen institutionellen Investoren feststellen, dass diese ihren durchschnittlichen Anteil in PE von 1,1 auf 3,2% innerhalb der nächsten 5 Jahre erhöhen möchten. ^ Vgl. z.B. Cochrane (2001), Chen et al (2002), Kaplan und Schoar (2003), Ljungqvist und Richardson (2003), Rouvinez (2003) und Emery (2003). Eine Übersicht zu Venture Capital Anlagen und deren institutionelle Rahmenbedingungen findet sich beispielsweise in Gompers und Lerner (1999). ^ Eine entscheidende Frage hierbei ist, warum bestimmte Vermögensgegenstände nur wenig gehandelt werden. Das Fehlen eines liquiden Sekundärmarktes kann
Zur Messung von Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments
97
Konditionen durchführbar ist. Dies bedeutet zum einen, dass - anders als bei der Betrachtung üquider Märkte - die Liquidität neben Risiko und Rendite eine zentrale Variable im Investmentkalkül darstellen muss. Zum anderen stellt eine geringe Liquidität auch Herausforderungen an die statistische Messung der Rendite und insbesondere des Risikos der Anlageform. Dies bedeutet, dass die Liquiditätsproblematik bei Private Equity-Investments die Messung des Anlageerfolgs erschwert. Selbst wenn m a n nun die Anlageentscheidung aus der Sicht eines Investors betrachtet, für den die Liquidität seiner Vermögensgegenstände eher nebensächlich ist, (man denke etwa an eine Lebensversicherung mit wachsendem Versichertenbestand), b e t r i t t m a n wegen der oben beschriebenen Illiquidität der Anlageklasse Private Equity relativ schnell theoretisches und empirisches Neuland. Wie soll m a n etwa eine Anlageklasse in eine typische Vermögensallokationsentscheidung integrieren, wenn mangels Sekundärmarkthandel eine Veräußerung dieser Vermögensgegenstände nicht - oder zumindest nur mit erheblichen Schwierigkeiten - in Frage kommt? Inwiefern macht unter solchen U m s t ä n d e n die Maximierung einer erwarteten Endvermögensrendite bei gegebenem Streuungsrisiko Sinn? Natürlich hängt die Antwort auf diese Frage davon ab, was m a n hinsichtlich der Werthaltigkeit einer noch laufenden Private Equity-Anlage unterstellt. So könnte m a n argumentieren, dass es zwar keine organisierten Sek u n d ä r m ä r k t e gibt, die Beteiligungen aber dennoch werthaltig u n d damit auch veräußerbar sind.^ Folglich kommt es bei einer Definition des Anlageentscheidungsproblems darauf an, dass m a n die Verteilungsgesetze jenes Wertprozesses kennt, bei welchem eine jederzeitige Veräußerung der Private Equity-Beteiligung möglich ist. Damit bleibt aber eine entscheidende Frage offen: Wie soll m a n das Verteilungsgesetz des Wertprozesses schätzen, wenn m a n hierfür nur sehr wenige Beobachtungen von tatsächlich getätigten Transaktionen zur Verfügung h a t ? Genau dieser Frage widmet sich der vorliegende
grundsätzlich traditionell und institutionell begründet sein, aber möglicherweise darüber hinaus auch tiefergehende ökonomische Ursachen haben. So kann eine Ursache sein, dass Auszahlungen und Preis der Vermögensgegenstände durch die anderer Portfolios von Vermögensgegenständen dominiert werden und dies insbesondere dann, wenn Friktionen am Kapitalmarkt herrschen. Nietert und Wilhelm (2001) erweitern dementsprechend die Arbitragetheorie durch das Konzept nicht dominierter Portfolios, die als actively traded portfolios bezeichnet werden. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist die Vorteilhaftigkeit von Private EquityInvestments besonders kritisch zu hinterfragen. Tatsächlich gibt es einen wachsenden Sekundärmarkt für Private Equity-Beteiligungen. AltAssets schätzt, dass gegenwärtig 3-5% des Volumens, welches jährlich in Private Equity weltweit investiert wird, im Rahmen von Sekundärmarktransaktionen angelegt wird; vgl. h t t p : / / w w w . a l t a s s e t s . c o m / c a s e f o r / s e c t o r s / 2 0 0 2 / nz3261.php.
98
Christoph Kaserer und Niklas Wagner
Beitrag mit dem Ziel, einen ersten Vorschlag zu entwickeln, wie dieses Problem möglicherweise in den Griff zu bekommen ist.^ Der Beitrag befasst sich im Folgenden mit Methoden, die auf eine Erfolgsmessung bei Private Equity-Investments mit geringer Liquidität abzielen. Dazu wird in Abschnitt 2 ein Ansatz vorgestellt, welcher auf der Verwendung von Buchwertinformationen beruht. Eine wichtige Frage im Zusammenhang mit dem Buchwertansatz ist die, ob die Verwendung von Buchwerten zu Renditenäherungen führt, die einen Trägheitseffekt aufweisen. Abschnitt 3 beinhaltet eine empirische Untersuchung dieses Effektes. Die Ergebnisse werden auf Basis von europäischen Venture Capital Fonds des Zeitraumes 1980 bis 2002 erzielt. Abschnitt 4 beinhaltet eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des Beitrags.
2 Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments Bei der Betrachtung von Renditen von Private Equity-Investments gilt es generell die Renditen einzelner Anlagen („transaction level returns") und die Renditen von Fonds („funds level returns") zu unterscheiden. Bezieht man sich auf die Perspektive eines (institutionellen) Anlegers, so wird die Betrachtung üblicherweise von Fondsrenditen ausgehen. Das Fehlen eines liquiden Sekundärmarktes für Private Equity-Investments führt dazu, dass Vermögenstransfers nur sehr selten, und falls doch, dann möglicherweise mit starken Preisabweichungen vom fundamentalen Wert, beobachtet werden können. Es liegt damit keine verlässliche Renditezeit reihe vor. Um dennoch näherungsweise Angaben zum Wertprozess einer solchen Anlage machen zu können, muss auf andere Informationen der Anlage über ihre Laufzeit zurückgegrijSFen werden. Dabei bietet es sich an, auf üblicherweise vorhandene Buchwerte und auf realisierte Cash-Flows zurückzugreifen.^ 2.1 Renditen auf Basis von Buchwerten Beim Fehlen von Kapitalmarktinformationen zur Bewertung von Vermögensgegenständen ist die Verwendung von Buchwerten möglich. Da diese nicht auf Markttransaktionen beruhen, können sie allerdings nur als eine Näherung für den nicht beobachtbaren Marktwert verstanden werden. Langfristig, und insbesondere dann, wenn Restbuchwerte bei der Liquidation des betreffenden Fonds tatsächlich ausgeschüttet werden, bieten Buchwerte einen verlässlichen Renditemaßstab. Zwischenzeitig allerdings werden Bilanzierungsregeln ^ Für eine ausführliche Diskussion dieses Problems sowie einer Übersicht zu bislang in der Literatur diskutierten Lösungsvorschlägen vgl. Kaserer et al. (2004). ^ Alternativ könnte man auf die Verwendung von Buchwerten vollständig verzichten und sich lediglich auf realisierte Cash-Flows einer Private Equity-Anlage konzentrieren. Eine Diskussion dieser Vorgehensweise sowie konkrete Ergebnisse für europäische Private Equity Fonds findet sich in Kaserer und Diller (2004a, 2004b).
Zur Messung von Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments
99
und die Anwendung von Methoden der Bilanzpolitik zu einer Diskrepanz zwischen tatsächlich realisierter Rendite und Buchwertrendite führen. Dabei konzentrieren wir uns in diesem Beitrag vor allem auf das Vorhandensein von so genannten Trägheitseffekten, die dadurch auftreten, dass sowohl positive als auch negative Bewertungsveränderungen erst mit einer bestimmten Verzögerung in die Buchwerte eingehen. Die Problematik von Liquiditätseffekten bei der Messung von Risiken wurde im Bereich der empirischen Kapitalmarktforschung bereits seit Ende der GOiger Jahre diskutiert.^ Wir verwenden hier ein u. a. in dieser Literatur diskutiertes Zeitreihenmodell, um das Ausmaß der zeithchen Abhängigkeiten in den Buchwertrenditen zu beschreiben. Ausgangspunkt bildet ein idealer Markt, in dem sich - unter Informationseffizienz und vernachlässigbaren Transaktionskosten - sämtliche auszahlungsrelevante Information in einem Zeitpunkt t sofort im fairen Preis Pt widerspiegelt. Unter diesen Bedingungen sind die diskreten Periodenrenditen, Rt = Pt/Pt-i — 1, t = 1,...,T, stochastisch unabhängig. Verschärft man die statistischen Verteilungsannahmen, so wird man idealtypisch von unabhängig identisch verteilten (i.i.d.) Renditen Rt ausgehen, die einer gemeinsamen Verteilungsfunktion entstammen. Im vorliegenden Fall repräsentiert Rt die „wahre" Rendite eines Private Equity-Fonds für die Periode t, also die Renditerealisation, die der Investor unabhängig davon erzielen würde, ob er seine Anlage vorzeitig veräußern muss oder nicht. Im illiquiden Markt ist die wahre Rendite Rt nicht beobachtbar. Auf der Ebene eines einzelnen Private Equity-Investments ist stattdessen (im Fall der bereits erfolgten Liquidation) lediglich der Anfangswert (festgestellt am „vintage date") und der Liquidationswert (festgestellt am „exit date") des Investments bekannt. Wenngleich üblicherweise einige zusätzliche Transaktionen während der Laufzeit des Fonds stattfinden können, die weitere transkationsbezogene Bewertungen erlauben,^ so sind die Beobachtungen üblicherweise dennoch sehr spärlich. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn man die üblicherweise relativ lange Laufzeit der Fonds (z.T. zehn bis 15 Jahre) berücksichtigt. Betrachtet man das Problem auf der Ebene eines Fonds, so wird die Situation sogar noch schwieriger, da in diesem Fall lediglich aggregierte Daten vorliegen. Es kann nur auf den Anfangswert (festgestellt am „vintage date") und den Liquidationswert (festgestellt am „exit date") des Fonds zurückgegriffen werden. Zwischenzeitige Zahlungen von den Investoren zum Fonds oder umgekehrt erlauben in diesem Fall keine Aussage über die zwischenzeitige Bewertung des Fondsvermögens. ® Vgl. z.B. Scholes und Williams (1977), Roll (1981) und Cohen et al (1983), die sich mit der Frage der Schätzung von Beta-Koeffizienten, beschäftigen, sowie auch Lo und MacKinlay (1990) und Kapitel 2 und 3 in Campbell et al. (1997). Ein jüngerer Ansatz zu Modellierung von geglätteten Renditen stammt von Getmansky et al. (2003). ^ Beispiele hierfür sind Anfangsauszahlungen, die über mehrere Finanzierungsrunden aufgeteilt werden, oder auch spätere Teilverkaufe des bestehenden Fonds.
100
Christoph Kaserer und Niklas Wagner
Ein Weg aus diesem offensichtlichen Dilemma, der zumindest eine gewisse Bewertungsinformation bereitstellen kann, besteht darin, den Zusammenhang zwischen den unbeobachtbaren, wahren Renditen und den buchwertbasierten Renditen zu analysieren. Die Datengrundlage dafür bieten die Inventarwerte von Private Equity-Fonds, die vom Management halbjährlich oder quartalsweise bestimmt und an die Anleger berichtet werden. Die Bewertungsrichtlinien folgen meist einem Kodex der freiwilligen Selbstkontrolle und sind so ausgerichtet, dass als Bewertungsziel eine Ermittlung des fairen Wertes des Fonds erfolgen soll. Teilweise wird auch die Berücksichtigung des Kapitalmarktumfeldes bei der Fondsbewertung verlangt.-^^ Sicherlich spiegeln Bewertungen zu Buchwerten, JB^, nur in seltenen Ausnahmefällen den aktuellen Marktpreis, d. h. den Preis Pt zu dem der Fonds bzw. Fondsanteile am Markt erworben oder veräußert werden könnten, wider. Die Ursachen hierfür können vielschichtig sein. Zum einen können Bewertungsrichtlinien eine Erklärung liefern, da die Buchbewertung diesen Richtlinien folgen muss. Zum anderen spielt aber die Informationsverarbeitung durch das Fondsmanagement - im Vergleich zu einem, hier nicht vorhandenen, Markt - eine entscheidende Rolle. Als Folge unterliegt eine Bewertung zu Buchwerten sehr stark sowohl bilanziellen Richtlinien als auch individuellen, möglicherweise unbewussten, möglicherweise strategischen, Informationsverzerrungen. Eine beispielhafte Veranschaulichung des Sachverhaltes ist in Abb. 1 gegeben. Diese zeigt die Realisation eines wahren Preisprozesses (Pt) und gegebene Beobachtungen auf Buchwertbasis (Bt). 2.2 Ein Modell für Glattungseflfekte bei Buchwertrenditen Auf Grundlage der Buchwerte eines Fonds und der Cash-Flows einer Periode t, Ct, lassen sich die diskreten Periodenrenditen auf Buchwertbasis ermitteln. Es gilt: Qt = {Bt + Ct)/Bt-i - 1, t = 1,...,T. Ein allgemeiner Ansatz zur Modellierung der diskreten Periodenrenditen auf Buchwertbasis, Qt, basiert auf einem linearen Zeitreihenmodell aus der „autoregressive moving average" (ARMA)-Klasse.ii Nimmt man speziell an, dass sich längerfristig die Buchrenditen Qt aus einer Linearkombination der aktuellen Rendite Rt sowie aus k vergangenen Renditen ergeben, so kann man folgendes Modell formulieren: Qt=
y2^.
wiRt-i.
(1)
Um die Buchrendite als Summe von k -\- 1 wahren Renditen darzustellen, müssen sich die Gewichte Wi zu eins addieren, d.h. es muss gelten: ^° In Europa werden hier häufig die Bewertungsrichtlinien der EVCA als Maßstab herangezogen, in den USA erfüllen die U.S. Private Equity Valuation Guidelines (PEIGG) diese Punktion. Es handelt sich hier aber nicht um rechtsverbindliche Regelwerke. ^^ Vgl. Getmansky et al. (2003).
Zur Messung von Rendite und Risiko bei Private Equity-Investments
101
Abb. 1. Realisation eines wahren Preisprozesses und gegebene Beobachtungen auf Buchwertbasis. Wo + wi + ,.. -i- Wk = 1 für 0 < Wi < 1. Das Modell (1) basiert ferner auf der Annahme, dass die beobachteten Buchrenditen lediglich durch Trägheitseffekte von den wahren Renditen abweichen, nicht jedoch durch mögliches Rauschen überlagert werden. Das heißt, es wird ein Management unterstellt, welches den fairen Wert des Fonds lediglich verzögert, aber unverzerrt, feststellt. Dieser Bewertungsvorgang geschieht annahmegemäß ohne systematische oder auch zufällige Bewertungsabweichungen. Aufgrund der Trägheit der Buchrenditen folgt allerdings, dass die Varianz der wahren Renditen anhand der Buchrenditen in der Regel unterschätzt wird (wobei der degenerierte Fall t^o = 1 identische Varianzen impliziert). Es gilt: Var{Qt) = Var{Rt) ^^^^^ wf < Var{Rt),
(2)
Betrachtet man zwei Anlagen n und Z, so ergibt sich (unter wo-{-wi-\-,,.-i-Wk = 1 und Verwendung der Cauchy-Schwarz Ungleichung) folgende Beziehung zwischen dem Korrelationskoeffizienten auf Basis von Buchrenditen und dem auf Basis der wahren Renditen:
Corr{Q^,Ql) =
EloKwl \/Eto«)'EloH)^
Carr{R'^,Rl) 0.
ist, lässt sich diese Gleichung umschreiben zu
Rt{X:,et-i){l
- eth = cit + btet-i,
(12)
Hierin ist 9t = —dlnRt/dlnft-i die positive Elastizität des Exporterlöses bezüglich des Terminkurses, erzeugt ausschließlich durch KonkurrenzeflFekte. Gibt es keine Konkurrenz, dann ist 9t = 0. Ansonsten ist 9t G (0; 1). Es ist schwierig, genaue Aussagen zu den Konkurrenzeffekten zu machen (siehe auch Bodnar u. a. (2002)). Eine vereinfachende Annahme besteht darin, 9t als vom Wechselkurs unabhängig anzusehen. Dann wächst der Exporterlös Rt{X^,et-i) linear im Wechselkurs. Wenn also der Terminkurs um 1% steigt, sinkt der Exporterlös infolge der Konkurrenz um 9t%. Die Exportmenge muss dann so stark wachsen, dass nicht nur diese Erlösminderung ausgeglichen wird, sondern darüber hinaus der Exporterlös um 6^Z\et_ 1/7 wächst. Ast-i ist der zugehörige Anstieg des Wechselkurses e^-i. Bei konstanter Konvexität des Exportergebnisses und konstanter Elastizität 9t muss der Exporterlös gemäß (12) linear im Wechselkurs steigen. Folglich muss der Exporterlös in Heimatwährung eine quadratische Funktion des
160
Günter Franke
Wechselkurses sein. Demnach kann das abgesicherte Exportergebnis nur dann konstante Konvexität in et-i aufweisen, wenn auch die Kosten Ct {X^ (et-i)) hnear oder quadratisch im Wechselkurs sind. Die genannten Bedingungen sind auch hinreichend für konstante Konvexität des abgesicherten Exportergebnisses im Wechselkurs. Diese Ergebnisse fasst Proposition 4.2 zusammen. Proposition 4.2 Die Elastizität des Fremdwährungserlöses der Firma in Bezug auf den Wechselkurs, ausgelöst durch Konkurrenzeffekte, sei bei optimaler Exportpolitik vom Wechselkurs unabhängig. Das voll abgesicherte Exportergebnis weist in Bezug auf den Wechselkurs konstante Konvexität dann und nur dann auf wenn sowohl der voll abgesicherte Exporterlös in Heimatwährung als auch die Produktionskosten quadratische Funktionen im Wechselkurs sind. Proposition 4.2 enthält testbare Annahmen und Ergebnisse. Kritischer Überprüfung bedarf insbesondere die These, dass die Firma auch bei niedrigem Wechselkurs exportiert. Es mag sein, dass die Firma auch dann exportiert, weil sie in Erwartung zukünftig höherer Wechselkurse den Exportmarkt nicht aufgeben möchte. Dies ist insbesondere dann plausibel, wenn die Eintritts- und Austrittskosten des Exportmarktes vergleichsweise hoch sind oder/und der Wechselkurs rasch zum langfristigen Gleichgewicht zurück tendiert. Letztlich kann nur empirisch geklärt werden, ob das voll abgesicherte Exportergebnis konstante Konvexität im Wechselkurs aufweist. Immerhin mag dies eine vertretbare Approximation sein. 4.3 Die optimale Absicherungspolitik Aufgrund des Separationstheorems wurde die optimale Exportpolitik in einfacher Weise bestimmt. Der Fremdwährungserlös des Zeitpunktes t wird im Zeitpunkt (^ — 1) vollständig durch Devisenterminkontrakte gegen das Wechselkursrisiko abgesichert. Eine darüber hinausgehende spekulative Position in Terminkontrakten kommt nicht in Frage, weil im Devisenmarkt keine Risikoprämie verdient werden kann. Daher ist eine volle Absicherung im Zeitpunkt {t — 1) optimal. Das so erzielte Exportergebnis TT^ hängt jedoch vom Wechselkurs et-i ab, da die optimale Exportmenge Xt und der Terminkurs ft-i hiervon abhängen. Im Zeitpunkt {t — 2) ist et-i noch nicht bekannt. Folglich ist in diesem Zeitpunkt TT^ i^t-i) stochastisch. Die Firma entscheidet daher im Zeitpunkt {t—2) über ihre Absicherungspolitik. Verkauft die Firma im Zeitpunkt {t — 2) Zt-2 einperiodige Devisenterminkontrakte zum Terminkurs /t-2? so resultiert daraus im Zeitpunkt {t — 1) ein Ergebnis von Zt-2 {ft-2 — e^-i). Wird dieses bis zum Zeitpunkt t risikofrei angelegt, so ergibt sich im Zeitpunkt t insgesamt ein Ergebnis TT^ von TTt = 7rP{et-i) + Zt-2{ft-2
- et-i)rt-u^
(13)
Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken
161
Hierin bezeichnet Vt-i^t den risikofreien Aufzinsungsfaktor für Periode t. Die Bedingung für eine optimale Absicherung lautet dann Et-2Wt{7rt){ft-2
- et-i)] = Et-2H{7rt){-et-i)]
= 0.
(14)
Gemäß Lemma 4.1 ist die optimale Absicherungspolitik präferenzfrei, wenn Et-2{et-i\7rt{st-i)
=7rt) = 0 V TT^.
(15)
Dies folgt, weil bei einem Devisenterminkontrakt 3t-i= St-i gilt. Bedingung (15) ist z. B. erfüllt, wenn Proposition 4.3 gilt. Proposition 4.3 Das Exportergebnis TT^ i^t-i) weise konstante Konvexität auf und St-i gehorche einer um 0 symmetrischen Wahrscheinlichkeitsverteilung. Dann ist die optimale präferenzfreie Absicherung gegeben durch
det-i
(16) &t-i=Et-2{et-i)
Beweis. Die Absicherungspolitik (16) bedeutet eine deltaneutrale Absicherung des Exportergebnisses an der Stelle des erwarteten Wechselkurses Et-2{^t-i)' Diese Politik hat zur Folge, dass gemäß Gleichung (13) das Gesamtergebnis eine nach oben geöffnete Parabel ist, die ihren Scheitel bei et-i = Et-2 (et-i) hat. Folglich ist 7rt{Et-2{et-i) + st-i) = nt{Et-2{et-i)
- St-i);
V St-i,
(17)
Dann ist Bedingung (15) erfüllt, wenn V St-i die Wahrscheinhchkeit(sdichte) von -\-St-i mit der von —St-i übereinstimmt. Dies ist bei symmetrischer Wahrscheinlichkeitsverteilung der Fall. • Eine deltaneutrale Absicherung des Exportergebnisses an der Stelle des erwarteten Wechselkurses kann interpretiert werden als eine lokale Vollabsicherung, bezogen auf diesen Wechselkurs. Hiermit wird das Wechselkursrisiko minimiert. Eine spekulative Position entfällt auch im Zeitpunkt (t — 2), da keine Risikoprämie gezahlt wird. Die deltaneutrale Absicherung ist optimal, wenn Bedingung (17) gilt und St-i symmetrisch verteilt ist. Bedingung (17) ist bei deltaneutraler Absicherung auch erfüllt, wenn für das Exportergebnis gilt irPiEt-2{et-i) + e t - i ) - iTP{Et-2{et-i)) = 7rP(Et-2(et-i))-7rP(£t_2(et_i)-£t-i); V £t_i
^ ^
Gemäß dieser Bedingung weicht das Exportergebnis betragsmäßig von demjenigen beim erwarteten Wechselkurs gleichermaßen bei + 6 t - i und —St-i ab. Insofern besteht Symmetrie um den erwarteten Wechselkurs. Diese und eine
162
Günter Franke
symmetrische Verteilung von St-i genügen, um die Optimalität einer deltaneutralen Absicherung zu gewährleisten. Die Problematik der Bedingung (18) resultiert jedoch daraus, dass sie nicht gleichzeitig für verschiedene erwartete Wechselkurse Et-2 i^t-i) gilt, es sei denn, dass TT^ {^t-i) konstante Konvexität aufweist. Im Folgenden untersuchen wir die Absicherungspolitik in den vorangehenden Perioden und unterstellen einerseits konstante Konvexität von TT^ (^t-i) und andererseits, dass in jeder Periode r die Wechselkursinnovation Er symmetrisch um 0 verteilt ist. Dann lässt sich die optimale Absicherungspolitik in jeder Periode r charakterisieren. Vr^t sei der risikofreie Aufzinsungsfaktor zwischen den Zeitpunkten r und t. Proposition 4.4 Das Exportergebnis TT^ i^t-i) sei eine Funktion mit konstanter Konvexität; die Wechselkursinnovation Sr sei in jeder Periode symmetrisch um 0 verteilt. Dann ist es für die Firma optimal, im Zeitpunkt r Zr einperiodige Devisenterminkontrakte zum Kurs fr zu verkaufen mit 7
97rP(e(_i)
•
det-i
r = 0,...,*-2.
(19)
Beweis. Zunächst wird der Beweis für die Absicherungspolitik im Zeitpunkt {t — 2) erbracht. Das Gesamtergebnis im Zeitpunkt t ist bei Einbezug der Absicherungspolitik in den Zeitpunkten 0, ...,t — 2 gleich t-2 T=0
t-2
= 7rP(e,_i) - Y^ ZrSr+irr+i^t
(20)
r=0
Sei t-Oi-1
r=0
das Absicherungsergebnis aus den Perioden vor dem Zeitpunkt {t — a). Im Zeitpunkt {t — a) ist dieses bekannt. Daher beeinflußt es beide Seiten von (17) im Zeitpunkt (t — 2) gleichermaßen, so dass im Zeitpunkt {t — 2) die bereits diskutierte deltaneutrale Absicherungspolitik optimal ist. Diese Politik bewirkt, ausgehend von et-2, dass TT^ (et-i) eine nach oben geöffnete Parabel ist mit dem Scheitelpunkt bei et-i = Et-2 (^t-i)Jetzt wird die Absicherung im Zeitpunkt {t — 3) analysiert, ausgehend von der Politik Z^_2 {et-2)' Zts ist optimal, wenn gilt Et-s[u\7rt)st-2]=0, Aus Gleichung (1) folgt
(21)
Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken et-i
= 7^et_3 + (1 - 7^)e + 7^t-2 + ^ t - i -
163 (22)
St-i ist unabhängig von 6^-2- ^rt = TT^ (6:^-2,^t-i) wegen (22). Da St-2 und St-i symmetrisch verteilt sind, ist Bedingung (21) erfüllt, wenn
= 7rt{st-2,-et-i)
(23)
gilt. Zunächst sei Zt-2 = 0 unterstellt. Da Trf (^t-i) konstante Konvexität aufweist, bewirkt eine deltaneutrale Absicherung Z^-s, dass 7rt{£t-2,St-i)=M-^t-2,-et-i)]
V {et-2,st-i).
(24)
TTt ist eine nach oben geöflFnete Parabel, die ihr Minimum an der Stelle St-2 = £t-i = 0 aufweist. Bedingung (21) ist somit erfüllt. Wenn nun im Zeitpunkt {t — 2) eine optimale Absicherungspolitik Z^*_2 (et-2) = Zt-2 (^t-2) hinzugefügt wird, dann bewirkt diese, dass V St-2 7Tt{St-2,£t-l) =M^t-2^-et-l);
V £t-l.
(25)
Da aufgrund der deltaneutralen Politik Z^_^ auch (24) gilt, ist Bedingung (23) erfüllt. Analog verläuft der Beweis für die vorangehenden Zeitpunkte. • Proposition 4.4 wird in Abb. 1 veranschaulicht. Das Exportergebnis 7r^(et-i) ist eine ansteigende Kurve mit konstanter Konvexität. Durch Verkauf von Z^*_3 Devisenterminkontrakten im Zeitpunkt (^ — 3) erzielt die Firma ein deltaneutrales Gesamtergebnis an der Stelle Ets (e^-i). An dieser Stelle hat die Parabel TT^ (e^-i | Zts) ihr Minimum. Nach einer Periode, also im Zeitpunkt (t — 2), ändere sich der erwartete Wechselkurs des Zeitpunktes {t — 1) um 76:^_2 bzw. —^£^_2' Folglich ist die Position der Firma nicht mehr deltaneutral in Bezug auf den neuen Erwartungswert Et-2 (^t-i). Dies schlägt sich in der Zahl der Devisenterminkontrakte nieder, die die Firma im Zeitpunkt (t — 2) verkauft. Wäre Et-z (et-i) = Et-2 (^t-i)? dann würde sich die Zahl der Terminkontrakte im Zeitablauf nur ändern, weil der Aufzinsungsfaktor Vr^t kleiner wird und der Faktor 7*"'^"^ wächst. Dieser Faktor resultiert aus dem Ornstein-UhlenbeckProzess, wonach gilt dEr{et-i) der
^
,_^_i
Das Gesamtergebnis einschließlich der Absicherung im Zeitpunkt (t — 2) ist wiederum eine nach oben geöffnete Parabel, die ihr Minimum nun an der Stelle des neuen Erwartungswertes Et-2 (^t-i) annimmt.
164
Günter Franke
TT^iet-i)
TTtiet-ilZt-z,
Zt-2)
et-i Et-3(et-i)
+7€t-2
Abb. 1. Sie zeigt das ansteigende, konvexe Exportergebnis 7r^(et-i), ebenso das Gesamtergebnis TTt {et-i \ Zt-s) ohne Absicherung im Zeitpunkt (t —2) und schHeßhch das Gesamtergebnis TTt (et-i \ Zt-z^Zt-2) unter Einschluss der Absicherung im Zeitpunkt (t — 2); bedingt auf di7£°_2. Diese einfache Absicherungspolitik wird von folgenden Überlegungen gestützt: (1) Da es keine Risikoprämie im Devisenmarkt gibt, entfällt eine spekulative Position im Terminmarkt. (2) Konstante Konvexität des Exportergebnisses und symmetrische Verteilung der voneinander unabhängigen Wechselkursinnovationen erzeugen ein „voll symmetrisches" Absicherungsproblem. Daher gibt es keinen Anreiz für eine Teil- oder Übersicherung in der Mitte, d.h. an der Stelle des erwarteten Wechselkurses Er{et-i). (3) Diese Modellstruktur erzeugt keine Stochastik des zukünftigen Entscheidungsspielraums, gegen die sich die Firma ebenfalls absichern möchte. Daher ist die Absicherungspolitik besonders einfach. Sie ist jedoch nicht untypisch. Denn die deltaneutrale Absicherungspolitik in Periode r zielt nicht auf den erwarteten Wechselkurs am Periodenende, sondern auf den im Zeitpunkt (t — 1). Dennoch muss die Firma ein Restwechselkursrisiko tragen, weil sie nur Devisenterminkontrakte einsetzen kann. Dieses Risiko würde in einem zeitstetigen Modell mit einem Ornstein-Uhlenbeck-Diffusionsprozess verschwinden. Dann gäbe es einen dynamisch vollständigen Devisenmarkt, so dass alle Wechselkursrisiken abgesichert werden könnten.
Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken
165
5 Diskussion u n d Zusammenfassung Die in Proposition 4.4 angegebene Absicherungspolitik hat verschiedene Eigenschaften. Die Absicherungspolitik ist einfach. Komplexe intertemporale Strategien erübrigen sich. Um diese Politik zu implementieren, muss die Firma die Exportergebnisfunktion TT^ i^t-i) und den mean reversion-Parameter 7 kennen. Die Verteilungen der Wechselkursinnovationen muss sie nicht kennen. Allerdings müssen diese symmetrisch sein. Die deltaneutrale Absicherungspolitik ist präferenzfrei. Sie gilt für alle risikoaversen Firmen. Auch Belastungen, die vom Gesamtergebnis abhängen, wie z.B. Gewinnsteuern oder Kosten finanzieller Anpassung, verändern das Resultat nicht. Bisher wurde nur der Export in Periode t betrachtet. Dieselben Überlegungen gelten, wenn in jeder Periode exportiert wird. Die optimale Exportpolitik in Periode r wird ebenfalls anhand des Separationstheorems bestimmt. Wichtig ist, dass die Exportergebnisfunktion n^ (^r-i) ebenfalls konstante Konvexität aufweist. Dann kann für jede Exportperiode das Wechselkursrisiko gemäß Proposition 4.4 abgesichert werden. Die Gesamtzahl der zu verkaufenden Devisenterminkontrakte ist dann gleich der Summe der periodenbezogenen Kontrakte. Die Absicherungspolitik bleibt daher dieselbe. Häufig exportiert eine Firma mehrere Produktarten. Wichtig ist nun, dass das über alle Produktarten aggregierte Exportergebnis n^ i^t-i) konstante Konvexität aufweist. Dann bleibt die in Proposition 4.4 angegebene Absicherungspolitik optimal. Möglicherweise entscheidet die Firma über den Export erst, wenn sie den Wechselkurs, zu dem der Exporterlös abgerechnet wird, schon kennt. Dann ist die Exportentscheidung risikolos. Das Exportergebnis in Periode t ist dann Txf {et). Folglich sichert die Firma dieses Ergebnis nun auch in Periode t ab, nicht nur in den vorangehenden Perioden. Wenn i^f (e^) konstante Konvexität aufweist, ist es nach wie vor optimal, eine deltaneutrale Absicherungspolitik zu wählen, jetzt allerdings bezogen auf den Erwartungswert Er {et) anstelle von Er {et-i). Schließlich erlauben diese Ergebnisse auch einige Schlussfolgerungen bezüglich der Kontroverse zwischen Risikoaversionshypothese und Exportoptionshypothese. Die Ergebnisse stützen die zweite Hypothese. Wie Abb. 1 zeigt, begünstigt eine Zunahme der Wechselkursvolatilität die Firma. Die Firma nehme ihre Aktivitäten im Zeitpunkt {t — 3) auf. Wenn die Wechselkursvolatilität gering ist, liegt das Gesamtergebnis nahe beim Minimum von TTt {et-i I Zt-s). Je höher |^t-2| i^^? ^ ^ ^o höher ist das Gesamtergebnis. Eine Zunahme der Wechselkursvolatilität erzeugt daher eine Verbesserung im Sinne stochastischer Dominanz 1. Grades. Ähnlich wirkt eine Zunahme der Wechselkursvolatilität in Periode {t—1). Je größer \st-i\ ist, umso höher ist das Gesamtergebnis 7rt{et-2'-, ^t-i \ Zts, Zt-2)
166
Günter Franke
bei deltaneutraler Absicherung in den Zeitpunkten {t — 3) und {t — 2). Wied e r u m kommt es zu einer Verbesserung im Sinne stochastischer Dominanz 1. Grades. Die Risikoaversionshypothese greift nicht, weil das Exportrisiko in der Exportperiode gemäß dem Separationstheorem vollständig abgesichert werden kann. Wenn weitere nicht absicherbare Risiken bestehen, d a n n greift die Risikoaversionshypothese. Die Risikoaversion spielt d a n n eine Rolle für die Exportentscheidung. Dies impliziert nicht, dass Wechselkursvolatilität die F i r m a benachteiligt. Denn die Exportoption wächst i. a. im Wert mit der Wechselkursvolatilität. Allerdings ist zu fragen, ob bei einer Zunahme der Wechselkursvolatilität die Exportergebnisfunktion irf (et_i) unverändert bleibt. Wenn eine höhere Volatilität neue Wettbewerber zum Markteintritt oder vorhandene z u m M a r k t a u s t r i t t bewegt, d a n n ändert sich die Wettbewerbsintensität und d a m i t die Exportergebnisfunktion. Daher sind die Ergebnisse vorsichtig im Sinne einer komparativ statischen Analyse zu interpretieren, nicht im Sinn einer Gleichgewichtsanalyse, die auch den Zusammenhang zwischen Wechselkursvolatilität und Wettbewerbsintensität einbezieht.
Literaturverzeichnis 1. Adam-Müller, A. (1995), „Internationale Unternehmensaktivität, Wechselkursrisiko und Hedging mit Finanzinstrumenten", Heidelberg: Physica Verlag. 2. Adam-Müller, A. (2002), „What to Do If a Dollar is not a Dollar? The Impact of Inflation Risk on Production and Risk Management", Journal of Futures Markets, 22, 371-386. 3. Adam, T. (2002), „Why Firms Use Non-Linear Hedging Strategies", Discussion Paper, Hong Kong University of Science and Technology. 4. Allayannis, G. und Ofek, E. (2001), „Exchange Rate Exposure, Hedging, and the Use of Foreign Currency Derivatives", Journal of International Money and Finance, 20, 273-296. 5. Benninga, S., Eldor, R. und Zilcha I. (1985), „Optimal International Hedging in Commodity and Currency Forward Markets", Journal of International Money and Finance, 4, 537-552. 6. Bodnar, G.M., Dumas, B. und Marston, R.C. (2002), „Pass-Through and Exposure", Journal of Finance, 57, 199-231. 7. Breuer, W. (2000), „Unternehmerisches Währungsmanagement", 2.Auflage, Gabler, Wiesbaden. 8. Broll, U. und Wahl, J. (1992), „International Investments and Exchange Rate Risk", European Journal of Political Economy, 8, 31-40. 9. Broll, U., Wahl, J. und Zilcha, I. (1999), „Hedging Exchange Rate Risk: The Multiperiod Gase", Research in Economics, 53, 365-380. 10. Dixit, A. und Stiglitz J.E. (1977), „Monopolistic Competition and Optimum Product Diversity", American Economic Review, 67, 297-308. 11. Engle, C. (1996), „The Forward Discount Anomaly and the Risk Premium: A Survey of Recent Evidence", Journal of Empirical Finance, 3, 123-191. 12. Franke, G. (1991), „Exchange Rate Volatility and International Trading Strategy", Journal of International Money and Finance, 10, 292-307.
Präferenzfreie Strategien zum Absichern von Wechselkursrisiken
167
13. Pranke, G. (2003), „Changing Horses and Hedging", in Rauscher, M., Pethig, R., ed., Challenges to the World Economy, Berlin: Springer, 261-275. 14. Proot, K., Scharfstein, D. und Stein J. (1993), „Risk Management: Coordinating Investment and Pinancing Decisions", Journal of Pinance, 48, 1629-1658. 15. Guay, W. und Kothari, S.P. (2003), „How Much Do Pirms Hedge with Derivatives?", Journal of Financial Economics, 70, 423-461. 16. Gollier, C. (1995), „The comparative statics of changes in risk revisited", Journal of Economic Theory 66, 522-536. 17. Haushalter, G.D. (2000), „Pinancing Policy, Basis Risk, and Currency Hedging: Evidence from Dil and Gas Producers", Journal of Pinance, 55, 107-152. 18. Holthausen, D. (1979), „Hedging and the Competitive Pirm Under Price Uncertainty", American Economic Review, 69, 989-995. 19. Kawai, M. und Zilcha, I. (1986), „International Trade with Porward-Putures Markets under Exchange Rate and Price Uncertainty", Journal of International Economics, 20, 83-98. 20. Mello, A., Parsons, J. und Triantis, A.J. (1995), „An Integrated Model of Multinational Plexibility and Pinancial Hedging", Journal of International Economics, 39, 27-51. 21. Neuberger, A. (1999), „Hedging Long-Term Exposure with Multiple Short-Term Putures Contracts", Review of Pinancial Studies, 12, 429-459. 22. Sercu, P. und VanHulle, C. (1992), „Exchange Rate Volatility, International Trade and the Value of Exporting Pirms", Journal of Banking and Pinance, 16, 155-182. 23. Ungern-Sternberg, V. und Von Weizsäcker, C. (1990), „Strategie Poreign Exchange Management", Journal of Industrial Economics, 38, 381-395. 24. Ware, R. und Winter, R. (1988), „Porward Markets, Currency Options and the Hedging for Poreign Exchange Risk", Journal of International Economics, 2 9 1 302. 25. Wilhelm, J. (1992), „Pristigkeitsstruktur und Zinsänderungsrisiko - Vorüberlegungen zu einer Markowitz-Theorie des Bond-Portfolio-Management", Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 44, 209-246. 26. Wilhelm, J. (1999), „A Presh View on the Ho-Lee Model of the Term Structure Prom a Stochastic Discounting Perspective", in: Kürsten, W. und Wilhelm, J. (Hrsg.): „OR Spektrum Special Issue - Pinance and Banking", OR Spektrum, 21, 9-34.
Dynamisches Hedging Jack Wahl^ und Udo Broll^ ^ Universität Dortmund, Lehrstuhl für Investition und Finanzierung, Vogelpothsweg 87, D-44227 Dortmund f inanceOwiso. uni-dortmund. de ^ Technische Universität Dresden, Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Mommsenstraße 13, D-01062 Dresden udo.brollOmailbox.tu-dresden.de
Gliederung 1
Einführung
170
2
Zeitstetiger Konsum und Hedge
171
3
Perfektes Hedging
172
3.1
Konsum und Hedge-Rate
172
3.2
Intertemporales Konsumprofil
173
4
Imperfektes Hedging
175
4.1
Konsum und Hedge-Rate
175
4.2
Intertemporales Konsumprofil
176
5
Zusammenfassung
177
Literaturverzeichnis
177
170
Jack Wahl und Udo Broll
1 Einführung Bei der Globalisierung der Finanztitelmärkte zeigt die Kategorie Derivate den größten Steigerungfaktor. Die außergewöhnliche Expansion der Derivatemärkte in den Volkswirtschaften offenbart eine Änderung in der Art und Weise, wie Unternehmen, Banken und Anleger ihre Renditerisiken gestalten. Die Volatilitäten von Wertpapierrenditen, Zinssätzen, Wechselkursänderungen und Rohstoffpreisbewegungen haben die Entwicklung, Verbreitung und Vielfalt der Futures- und anderer Derivatemärkte stark gefördert. Wissenschaftliche Fortschritte in der theoretischen und empirischen Kapitalmarktanalyse, perfekte oder zumindest imperfekte Handelbarkeit von Renditerisiken und eine Neuorientierung der Risikenallokation in einem Marktsystem stellen einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der ökonomischen Effizienz nationaler und internationaler Finanztitelmärkte dar.^ Auch die wirtschaftwissenschaftliche Forschung in Deutschland hat sich schon vor geraumer Zeit intensiv mit Entscheidungsmodellen bei Risiko, Finanztitelmärkten und arbitrage-basierten Bewertungsmethoden beschäftigt.^ Im Lichte dieser Arbeiten ist es möglich, stochastische Entscheidungsmodelle, Probleme der effizienten Risikoallokation, Fragen zur Bedeutung der Handelbarkeit von Risiken im Risiko-Controlling und Auswirkungen des Einsatzes arbitragefrei bewerteter Derivate bei der Optimierung von zeitstetigen Portefeuilleentscheidungen zu behandeln. Unsere Untersuchung betrachtet einen Anleger mit einem Wertpapierbestand zur Finanzierung seiner Konsumauszahlungen. Die Wertpapierrendite ist unsicher und damit auch der realisierbare Konsum. Der Anleger hat die optimale intertemporale zeitstetige Konsum- und Hedgeentscheidung zu treffen. Das Renditerisiko wird als vollständig oder zumindest teilweise handelbar angesehen. Der risikoscheue Anleger entscheidet nach dem BernouUi-Prinzip auf einem friktionslosen Kapitalmarkt. Mittels eines Futures-Hedging ist der Anleger bestrebt, sein intertemporales Konsumprofil optimal zu gestalten^. Ziel unseres Beitrags ist es, die ökonomischen Auswirkungen eines dynamischen Hedgings mittels Futures auf der Grundlage geometrisch Brownscher Kursbewegungen zu untersuchen. Zum einen interessiert die Robustheit des FuU-Hedge-Theorems diskreter Modellierungen,^ zum anderen der Einfluss eines Futures-Hedging auf die Keynes-Ramsey-Regel für ein optimales intertemporales Konsumprofil.'^ Diese Regel ist Ausdruck der Bereitschaft des Anlegers, Konsum in der Gegenwart gegen Konsum in der Zukunft zu tauschen. Futures-Hedging erhöht diese Bereitschaft. ^ Vgl. Merton, R.C. (1971), Briys, E.; Crouhy, M.; Schlesinger, H. (1990) und Broll, U.; Wahl, J.E. (1996). ^ Vgl. die Monografien von Wilhelm, J. (1975), (1983) und (1985). ^ Vgl. Broll, U.; Wahl, J.E.; Zilcha, L (1995), Kürsten, W. (1997) und Broll, U.; Wahl, J.E.; Zilcha, L (1999). ^ Vgl. Benninga, S.; Zilcha, L; Eldor, R. (1984). "^ Vgl. Maußner, A.; Klump, R. (1996) und Turnovsky, S.J. (2000).
Dynamisches Hedging
171
Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Nach einer Einführung stellt Abschnitt 2 die zeitstetige intertemporale Konsum- und Hedgeentscheidung eines Anlegers dar. Abschnitt 3 behandelt perfektes Futures-Hedging und seine Implikationen für den Konsum, die Hedge-Rate und das intertemporale Konsumprofil. Abschnitt 4 untersucht imperfektes Hedging mittels Futures und stellt die Bedeutung der Hedging-Effektivität für die Konsumstrategie heraus. Die Zusammenfassung erfolgt in Abschnitt 5.
2 Zeitstetiger K o n s u m u n d Hedge Ein Anleger verfügt über einen Wertpapier-Anfangsbestand, z.B. über eine Anzahl von Partizipationsscheinen an einem Aktienindex. Der Marktwert des Bestandes beträgt W und unterliegt einem Kursrisiko. Der stochastische Kassakurs S folgt annahmegemäß einer geometrisch Brownschen Bewegung: dS = fxSdt + aSdz.
(1)
Hierbei kennzeichnet z einen Wiener Prozess mit ji und a als Erwartungswert bzw. Volatilität der zufälligen prozentualen Kursänderung im Zeitablauf. Bei vollkommenem und arbitragefreiem Kapitalmarkt mit dem risikolosen Zinssatz k muss der Kurs des Futures mit Basisinstrument S der geometrisch Brownschen Bewegung dF ^{^-
k)Fdt + crFdz
(2)
gehorchen. Ist E der Erwartungswertoperator und gilt F — E{S) = 0, so liegt ein sogenannter unverzerrter Terminkurs vor. Eine negative (positive) Differenz kennzeichnet eine positive (negative) Risikoprämie. Dieser Zusammenhang überträgt sich auf die Differenz ji — k. Beachte, dass unter den gegebenen Annahmen sowohl die Kassakurs- als auch die Terminkurs-Entwicklung demselben stochastischen Prozess unterliegt. Demnach ist der Kassakurs perfekt positiv mit dem Futureskurs korreliert. In einem späteren Abschnitt lassen wir eine imperfekte Korrelation zu. Der Anleger will aufgrund seiner Präferenzen dem Marktwertrisiko des Wertpapierbestandes entgegenwirken. Indem er Futures im Umfang von H verkauft und dadurch eine kurze Position in Terminkontrakten einnimmt, erreicht er ein Hedging. Dieses Verhalten dient der Verwirkhchung einer bestimmten Konsumstrategie C, die die folgende Vermögensentwicklung beachten muss: dW = WdS/S - Cdt - HdF/F, (3) Die Vermögensgleichung verdeutlicht den Charakter der kurzen Futuresposition als Gegengewicht zur langen Wertpapierposition.
172
Jack Wahl und Udo Broll
Unter Berücksichtigung der Kursprozesse (1) und (2) und der Hedge-Rate X = H/W ergibt sich für die Vermögensentwicklung (3) dW - {[// - X(/i - k)]W - C}dt + aW{l - X)dz.
(4)
Der risikoscheue Anleger mit der Konsumnutzenfunktion U{C) und U"{C) < 0 < U'{C) entscheidet nach dem Bernoulli-Prinzip über sein intertemporales Konsumprofil für eine Zeitpräferenzrate r und die Laufzeit des Futures T: max^; /
U{C)e-'''dt,
(5)
unter der Vermögensentwicklung (4). Unter gewissen Marktbedingungen des Terminmarktes bewirkt die Absicherung mittels Futures eine vollständige Verstetigung des intertemporalen Konsumprofils. Dies zeigen die nachfolgenden Ausführungen.
3 Perfektes Hedging Der Anleger hat über seine optimale Konsumstrategie und seine optimale Hedge-Rate zu entscheiden. Kassakurs und Terminkurs sind perfekt positiv korreliert, da sie von demselben Wiener Prozess beeinflusst werden. 3.1 Konsum und Hedge-Rate Zur Lösung des Entscheidungsproblems ziehen wir die Wertfunktion V = V{W,t) heran. Die optimale Entscheidung hat die stochastische BellmanGleichung zu erfüllen: 0 = max {U{C) - rV + E{dV/dt)} .
(6)
Mit den partiellen Ableitungen der Wertfunktion, Vw = Viy(W,t), Vi^vr = Vww{W,i) und Vt = T^(W, t), ergibt sich nach den Ito-Regeln der stochastischen Integration das totale Differential dV = Vtdt + VwdW + ^VwwidWf,
(7)
Unter Berücksichtigung der Vermögensentwicklung (4) und der Erwartungswertbildung gilt für den Erwartungswert in der Bellman-Gleichung (6): E{dV/dt) = Vt + Vw{[/^ - X{fi - k)]W -C}
+ ^Vww{l
- Xfa'^W^,
(8)
Die notwendigen Bedingungen für die erwartungsnutzenmaximale Konsum- und Hedgeentscheidung lauten auf der Grundlage der Bellman-Gleichung:
Dynamisches Hedging U'{C') = V„,
173 (9)
^• = 1 - ^ .
(10)
mit der relativen Risikoversion R = —VwwW/Vw' Die Optimierungsbedingungen führen zu folgendem Ergebnis 1. (A) Bei optimaler Konsumstrategie hat der Grenznutzen des Konsums mit dem Grenznutzen des Geldes in jedem Zeitpunkt und Zustand übereinzustimmen. (B) Es gilt das Full-Hedge-Theorem. Das bekannte FuU-Hedge-Ergebnis in diskreter Zeit behält seine Gültigkeit auch im zeitstetigen Fall. Damit gilt bei unverzerrtem Terminmarkt eine Hedge-Rate von 1; bei positiver (negativer) Risikoprämie ist eine geringere (höhere) Hedge-Rate optimal. Der Grund für das Ergebnis liegt im perfekten Hedging. 3.2 Intertemporales Konsumprofil Im Folgenden ist zu untersuchen, wie die Absicherungsmöglichkeit des Kursrisikos mittels Futures das optimale intertemporale Konsumprofil des Anlegers tangiert. Insbesondere interessiert die Frage, ob das optimale Konsumverhalten auch unter stochastischen Rahmenbedingungen mit der sogenannten Keynes-Ramsey-Regel der Wachstumstheorie beschrieben werden kann, d. h. die Differenz zwischen Sicherheitszins und Zeitpräferenzrate die entscheidende Größe ist. Wir betrachten die partielle Ableitung der Wertfunktion nach W, Vw = Vw{W,t). Die in der Folge notwendig werdende optimale Konsumumschichtung hat auf der Grundlage der stochastischen Bellman-Gleichung zu erfolgen. Differentiation nach W, Berücksichtigung der Optimalitätsbedingungen (9) und (10) für Konsum bzw. Hedge und Nullsetzen des Ergebnisses ergibt: Vw{k - r) + Vtw + Vww{[f^ - X{ß - k)]W - C} + \vwww{l
- X) V l ^ 2 ^ Q
^-^^^
Mit den partiellen Ableitungen der nach W differenzierten Wertfunktion, Vww = Vww{W,t),Vwww = ywww{W,t) und Vwt = ywt{W,t)^ errechnet sich nach den Ito-Regeln der stochastischen Integration das totale Differential dVw = Vwtdt + VwwdW -f- WwwwidW)'^.
(12)
Unter Berücksichtigung der Vermögensentwicklung (4) erhalten wir dVw={Vwt + Vwwill^ - X{fi - k)]W - C} + ^Vwwwil + aVwwW{l
- X)dz.
-
Xfa^W^}dt (13)
174
Jack Wahl und Udo Broll
Gleichung (13) eingesetzt in die mit dt multiplizierte Gleichung (11) liefert eine stochastische Differentialgleichung für den Grenznutzen des Geldes: dVw = {r-
k)Vwdt + aVwwW{l
- X)dz.
(14)
Schließlich folgt aus der Optimalitätsbedingung (9) dU^C) = dVw- Unter zusätzlicher Berücksichtigung der optimalen Hedge-Rate X* nach Gleichung (10) ergibt sich das optimale intertemporale stochastische Konsumprofil als dU^C") = {r-
k)U\C'')dt
+ '^^^U\C'')dz.
(15)
(7
Gleichung (15) stellt das durch den Wiener Prozess stochastisch überlagerte Konsumprofil dar. Im Erwartungswert folgt nach Division durch dt und den Grenzkonsumnutzen die Keynes-Ramsey-Regel: E[-dU'{C^)/dt] U'{C-)
-^
^'
^^^)
Zusammenfassend können wir folgendes Ergebnis festhalten: Ergebnis 2. (A) Sichert der Anleger das Kursrisiko mittels Futures ab, dann folgt seine optimale Konsumstrategie der Keynes-Ramsey-Regel. (B) Ist der Terminkurs unverzerrt, dann ergibt sich dieselbe Keynes-Ramsey-Regel wie unter Sicherheit. Ergebnis 2 kann leicht mit folgendem Beispiel näher erläutert werden. Gegeben sei eine Konsumnutzenfunktion mit konstanter relativer Risikoaversion, gemessen durch den Parameter 7 > 0. Dann lautet die Keynes-Ramsey-Regel E{dC^/dt)
c*
^ k - r
7 •
^^
Wenn der Sicherheitszins k über der Zeitpräferenzrate r liegt, dann wird heutiger Konsum in die Zukunft verlagert, um Opportunitätskosten zu vermeiden. Diese Verlagerung gilt jedoch nur im Erwartungswert, betrifft also den erwarteten zukünftigen Konsum. Beachte, dass bei unverzerrtem Terminkurs die Keynes-Ramsey-Konsumrate deterministisch wird. Für den optimalen Konsumplan folgt aus Gleichung (15) C*(0-C*(0)exp' '^"^ 7 Fallen keine Opportunitätskosten an, stimmen also k und r überein, wird der optimale heutige Konsum auf gleichem Niveau für alle Zukunft festgeschrieben.
Dynamisches Hedging
175
4 Imperfektes Hedging Im Folgenden werden der Kassakurs und der Terminkurs von positiv, aber imperfekt korrelierten und ansonsten identischen Wiener Prozessen zs bzw. zp beeinflusst: cov{dzs^dzF) = pdt, mit dem Korrelationskoeffizient p und 0 < / > < 1. 4.1 Konsum und Hedge-Rate Unter Berücksichtigung der imperfekt korrelierten Wiener Prozesse mit identischem Erwartungswert und identischer Volatilität verändert sich die Vermögensentwicklung (3) zur Budgetentwicklung dW = {[p - X{p - k)]W - C}dt + aW{dzs - Xdzp).
(18)
Einsetzen in den Erwartungswert aus der Bellman-Gleichung (6) unter Berücksichtigung der Gleichungen (7) und (18) liefert: E{dV/dt) = Vt-{- Vw{[ß - X{ß - k)]W - C) + \vww(j''W\{l
- Xf
+ 2X(1 - p)}.
(19)
Die optimale Konsum- und Hedgeentscheidung des Anlegers muss entsprechend der Bellman-Gleichung folgenden Bedingungen genügen: U'{C*) = Vw, X*=P-'^-
(20) (21)
Ergebnis 3. (A) Bei optimaler Konsumstrategie hat der Grenznutzen des Konsums mit dem Grenznutzen des Geldes in jedem Zeitpunkt und Zustand übereinzustimmen. (B) Es gilt das Beta-Hedge-Theorem. Das Beta-Hedge-Ergebnis in diskreter Zeit behält wie das FuU-HedgeErgebnis auch im zeitstetigen Fall seine Gültigkeit. Fasst man den stochastischen Zusammenhang zwischen Kassakurs und Terminkurs als Regressionsbeziehung auf, dann läßt sich p als Steigungsparameter ß einer Regression von F auf 5 interpretieren; denn es gilt ß = cov(5, F)/var(F) = pstd{S)/std{F). Da annahmegemäß der Kassakurs- und der Terminkursprozess dieselbe Volatilität aufweisen, stimmt der Steigungsparameter ß mit dem Korrelationskoeffizienten p überein. Bei unverzerrtem Terminmarkt ist die Hedge-Rate gleich ß; bei positiver (negativer) Risikoprämie ist eine geringere (höhere) Hedge-Rate optimal. Der Grund für das Ergebnis liegt im imperfekten Hedging.
176
Jack Wahl und Udo Broll
4.2 Intertemporales Konsumprofil Die optimale Konsumstrategie hat der imperfekten Korrelation zwischen Kassakurs und Terminkurs Rechnung zu tragen. Das durch die KeynesRamsey-Regel beschriebene intertemporale Konsumprofil des Anlegers verliert seine Gültigkeit. Die verallgemeinerte Kejnies-Ramsey-Regel hat die Risikoaversion und die Hedging-Effektivität zu beachten. Die Ableitung der Bellman-Gleichung nach W unter Berücksichtigung der Optimalitätsbedingungen (20) und (21) für Konsum bzw. Hedge und Nullsetzen des Ergebnisses erzeugen: Vw{k - r ) + Vtw + Vww{[fi - X{fi - k)]W - C + a^W{l - p){l + X)} + IVwwwa'W'iil
- X)' + 2X(1 - p)} = 0.
(22)
In Verbindung mit Gleichung (12) und Vermögensentwicklung (18) erhalten wir dVw = {Vwt + Vww{[p - X{fi - k)]W - C} + lvwww(T^W\{l + aVwwW{dzs
- Xf
+ 2X(1 - p)}}dt
- Xdzp).
(23)
Gleichung (23) eingesetzt in die mit dt multiplizierte Gleichung (22) liefert die stochastische Differentialgleichung für den Grenznutzen des Geldes: dVw = {(r - k)Vw - a'^VwwWil +aVwwW{dzs
- p){l + X)}dt
- Xdzp).
(24)
Wegen dU'(C*) = dVw nach Optimalitätsbedingung (20) und unter Einbeziehung der optimalen Hedge-Rate X* nach Gleichung (21) ergibt sich die verallgemeinerte Keynes-Ramsey-Regel für imperfekt (positiv) korrelierte Kursrisiken. Im Erwartungswert gilt ^^~'u'iC*)^''^
= (fc - r) + [M - fc - RaM
+ ,)](! - , ) .
(25)
Als Schlussfolgerung für das optimale intertemporale Konsumprofil kann festgehalten werden: Ergebnis 4. (A) Sichert der Anleger unter Basisrisiko das Kursrisiko mittels Futures ab, dann folgt seine optimale Konsumstrategie der Keynes-RamseyRegel für imperfekt korrelierte Risiken. (B) Auch ein unverzerrter Terminkurs vereinfacht die Keynes-Ramsey-Regel nicht zur Keynes-Ramsey-Regel des Sicherheitsfalls. Bei konstantem relativem Risikoaversionsgrad 7 und unverzerrtem Terminkurs ergibt sich als Keynes-Ramsey-Regel
Dynamisches Hedging
177
Sind Sicherheitszins und Zeit präferenzrate identisch, nimmt der erwartete Konsum infolge des imperfekten Hedgings eindeutig ab. Diese Tendenz verstärkt sich, wenn die Hedging-Effektivität, d.h p^, abnimmt. Der negativen Auswirkung der Volatihtät auf das Sparverhalten des Anlegers wird umso mehr entgegengewirkt, je geringer das Basisrisiko, d. h. je weniger Imperfekt das Hedging ist.
5 Zusammenfassung Unser Beitrag untersucht ein zeitstetiges intertemporales Konsum- und Hedgeproblem eines Anlegers unter Ungewissheit. Die stochastische Dynamik der Preisentwicklungen von Kassa- und Termingeschäft unterliegt geometrisch Brownschen Bewegungen, die auf zunächst perfekt und dann Imperfekt korrelierten Wiener Prozessen aufbauen. Es zeigt sich, dass die d3niamische Hedgeentscheidung des Anlegers mittels Futures einer Entscheidungsregel folgt, die aus diskreten Modellen bekannt ist. In diesem Sinne erscheinen die diskreten Ergebnisse robust: Es gilt das Beta-Hedge-Theorem, das die FuU-Hedge-Entscheidung imphziert, wenn alle Kursrisiken perfekt korreliert sind, d. h. keine Basisrisiken vorliegen. Ansonsten bestimmt bei fairem Terminkurs der Regressionsparameter ß die optimale Hedge-Rate. Das intertemporale Konsumprofil des Anlegers wird entscheidend von dem Futures-Hedging beeinflusst. Bei unverzerrtem Teminkurs und perfektem Hedging ergibt sich die Keynes-Ramsey-Konsumregel unter Sicherheit: Der zukünftige optimale Konsum bestimmt sich aus der Diff'erenz zwischen risikofreiem Zins und Zeitpräferenzrate. Bei imperfektem Hedging gibt es ein Basisrisiko. Die optimale Konsumstrategie des Anlegers wird nachhaltig verändert. Die Keynes-Ramsey-Regel für Imperfekt korrelierte Risiken zeigt, dass das Futures-Hedging dazu beiträgt, den durch die Kursrisiken begünstigten Gegenwartskonsum zugunsten zukünftigen Konsums zurückzunehmen. Je weniger Imperfekt das FuturesHedging ist, desto stärker wird die Sparquote des Anlegers gefördert.
Literaturverzeichnis 1. Benninga, S., Zilcha, L, Eldor, R. (1984): The optimal hedge ratio in unbiased futures markets. In: Journal of Futures Markets, 4, 1984, 155-161. 2. Briys, E., Crouhy, M., Schlesinger, H. (1990): Optimal hedging under intertemporally dependent preferences. In: The Journal of Finance, 45, 1990, 1315-1324. 3. Broll, U., Wahl, J.E. (1996): Imperfect hedging and export production. In: Southern Economic Journal, 62, 1996, 667-674.
178
Jack Wahl und Udo Broll
4. Broll, U., Wahl, J.E., Zilcha, I. (1995): Indirect hedging of exchange rate risk. In: Journal of International Money and Finance, 14, 1995, 667-678. 5. Broll, U., Wahl, J.E,, Zilcha, L (1999): Hedging exchange rate risk: The multiperiod case. In: Research in Economics, 53, 1999, 365-380. 6. Kürsten, W. (1997): Hedgingmodelle, Unternehmensproduktion und antizipatorisch-simultanes Risikomanagement. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Sonderheft 38, 1997, 127-154. 7. Maußner, A. und R. Klump (1996): Wachstumstheorie. Berhn et al., SpringerVerlag, 1996. 8. Merton, R.C. (1971): Optimum consumption and portfolio rules in a continuoustime model. In: Journal of Economic Theory, 3, 1971, 373-413. 9. Turnovsky, S.J. (2000): Methods of macroeconomic dynamics, 2nd ed.. Cambridge et a l , MIT-Press, 2000. 10. Wilhelm, J. (1975): Objectives and multi-objective decision making under uncertainty. Berlin et al., Springer-Verlag, 1975. 11. Wilhelm, J. (1983): Finanztitelmärkte und Unternehmensfinanzierung. Berlin et al., Springer-Verlag, 1983. 12. Wilhelm, J. (1985): Arbitrage theory: introductory lectures on arbitrage-based financial asset pricing. Berlin et al., Springer-Verlag, 1985.
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung - mehr Fragen als Antworten Wolfgang Kürsten Friedrich-Schiller-Universität Jena, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insb. Finanzierung, Banken und Risikomanagement, Carl-Zeiß-Str. 3, D-07743 Jena [email protected] ena.de
Gliederung 1
Problemstellung
180
2
Subjektivistische Ansätze zum Risikomanagement
182
3
Objektivistische Ansätze zum Risikomanagement
184
3.1 3.2
Vorbemerkung Das relevante Risikomaß bei aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung Erstes Literaturmotiv für Risikomanagement: Vermeidung von Insolvenzkosten Zweites Literaturmotiv für Risikomanagement: Verminderung der Steuerlast Drittes Literaturmotiv für Risikomanagement: Verminderung von Agency Costs
184
4
Weitere Literaturansätze zum Risikomanagement
196
5
Der Stakeholder-Ansatz „revisited"
197
6
Zusammenfassung
199
A
Anhang
200
3.3 3.4 3.5
Literaturverzeichnis
186 188 191 194
201
180
Wolfgang Kürsten
1 Problemstellung Risikomanagement und Hedging - wir verwenden beide Termini synonym für Maßnahmen zur Verringerung der Volatilität im Cash Flow des Unternehmens - gehören nach herrschender Auffassung zu den Grundaufgaben moderner Unternehmenssteuerung. Ihre Bedeutung für die Sicherung des Unternehmenserfolgs könnte, gerade im Zeichen von Globalisierung und volatileren Märkten, noch weiter zunehmen. Die wachsende Internationalisierung und einhergehende Wechselkurssensitivität der Unternehmenstätigkeit, kürzere Produktlebenszyklen und schnelllebige Kundenwünsche sowie zunehmende Kursschwankungen an den Kapitalmärkten sind gern genannte Indizien für diesen Trend. Angesichts der jüngsten Preisschwankungen an den Rohstoff markten wird ein dergestalt marktinduziertes Risikomanagement besonders für Firmen mit realwirtschaftlichem Fokus als relevant angesehen. Bei Banken und Versicherungen werden auch andere Ursachen für eine wachsende Aufmerksamkeit gegenüber dem Risikomanagement genannt. Hier sehen sich die Unternehmen gestiegenen Anforderungen beim Aufbau interner Risikomodelle gegenüber (z.B. beim Internal Ratings Based Approach von „Basel II" im Bankensektor), folgen damit freilich primär den Vorgaben von Regulierungsbehörden, die ein besonderes Schutzbedürfnis der Bankkunden und Versicherten sowie anderer Unternehmen vor Risiken im Finanzsektor ausgemacht zu haben glauben, betreiben insoweit regulierungsinduziertes Risikomanagement So vergleichbar diese Beispiele hinsichtlich der Notwendigkeit von Risikomanagement im Ergebnis anmuten, offenbaren sie doch zugleich einen wichtigen Unterschied in Bezug auf die veranlassenden Akteure: Regulierungsinduziertes Hedging von Finanzunternehmen orientiert sich am berechtigten oder unberechtigten - Schutzinteresse der Stakeholder, während marktinduziertes Hedging eine bewusste Entscheidung der Unternehmensleitung darstellt. Als solche muss sie mit dem Interesse der Shareholder kompatibel sein. Für die ökonomische Analyse von unternehmerischem Risikomanagement macht es einen Unterschied, ob es aus dem Blickwinkel schlecht diversifizierter, mit Fixansprüchen ausgestatteter und tendenziell risikoaverser Stakeholder oder aus dem Interesse wohl diversifizierter, Residualansprüche besitzender und tendenziell risikofreudiger Shareholder heraus deduziert werden soll.-^ Im ersten Fall liegt die Sinnhaftigkeit risikosenkender Maßnahmen auf der Hand, im zweiten Fall das Gegenteil. In wesentlichen Teilen des Schrift1
Natürlich sind bspw. Arbeitnehmer als Stakeholder insoweit keineswegs „schlecht diversifiziert", als auch sie über Investmentfonds eine Streuung ihres Aktienbesitzes bewirken können. Im Unterschied zum idealtypischen Shareholder bleiben sie aber - über ihr investiertes Humankapital - mit einem wesentlichen Vermögensanteil undiversifiziert positioniert. Die polit-ökonomische Diskussion wie auch die Literatur „pflegt" daher das Bild einer (vermeintlich) natürlichen Interessendivergenz zwischen „tendenziell risikoaversen" Stakeholdern und „tendenziell risikofreudigen" Shareholdern, das wir hier lediglich nachzeichnen. In wel-
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
181
t u m s wird dieser Aspekt bemerkenswerterweise nicht weiter problematisiert. Er wird vielmehr geschickt dadurch umgangen, dass die Autoren das hedgende Unternehmen als individualistisches, generell risikoaverses Wirtschaftssubjekt mit konkaver Nutzenfunktion modellieren,^ obwohl eine dem Shareholder Value-Prinzip verpflichtete Unternehmensleitung, wie schon gesagt, eigentlich risikofreudig agieren müsste. Ein anderer Teil der Literatur vermeidet die Modellierung über einen individualistischen Entscheidungsträger zu Gunsten einer objektivistischen Zielfunktion „Marktwertmaximierung", muss sich d a n n freilich mit der Irrelevanzaussage des Modigliani/Miller-Theoiems (1958) auseinandersetzen, das für Hedgingkontrakte nun aus diesem G r u n d keinen R a u m lässt.^ F ü r eine positive ökonomische Theorie des Risikomanagements im Kontext aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung erscheint der objektivistische Zugang angemessener, solange das Shareholder ValuePrinzip genuin einer Zielfunktion „Marktwert des Eigenkapitals" das Wort redet.^ Dennoch hinterlässt auch dieser Teil der Literatur dort offene Fragen, wo eine positive Rolle von Risikomanagement aus einer plausibilistischen Relaxierung einzelner Modigliani/Miller-Präniissen heraus begründet, auf eine modelltheoretische Explizierung aber verzichtet wird.^ Der Beitrag will hier ansetzen und sich u m eine kritische Rekapitulation und Neubewertung etablierter Literaturauffassungen zum Risikomanagement in aktionärsorientierten Unternehmen bemühen. Hierzu werden zunächst Argumentationslinien des subjektivistischen Ansatzes (Abschnitt 2) u n d d a n n solche des objektivistischen Ansatzes (Abschnitt 3) nachgezeichnet bzw. modelltechnisch konkretisiert. Es folgt eine kurze Würdigung weiterer, den beiden Kategorien nicht klar zuordenbarer Ansätze (Abschnitt 4), bevor wir eine neue Sichtweise des stakeholderorientierten Hedging entwickeln (Abschnitt 5). Eine vorläufige Einschätzung zur Rolle des Risikomanagements in shareholderorientierten Unternehmen, zumindest aus theoretischer Sicht, beschließt die Abhandlung (Abschnitt 6).
eher Weise Risikofreudigkeit von Aktionären aus dem optionsähnlichen Anspruch des Eigenkapitals folgt, wird weiter unten noch deutlich werden. Vgl. stellvertretend für viele etwa Ederington (1979), Kürsten (1991,1997a), Spremann (1986) oder Broll/Wong/Zilcha (1999). Unkritisch ist es dagegen, solange lediglich von risikoaversen „Anlegern" gesprochen (z.B. Broll/Wahl (2005)) und die entwickelten Hedging-Regeln nicht automatisch als Handlungsanweisungen für Unternehmen verstanden werden. Vgl. etwa Smith/Stulz (1985), S. 392 oder Bessembinder (1991), S. 519. Vgl. ausführlich Kürsten (2000) zu den finanzierungstheoretischen Grundlagen des Shareholder Value-Prinzips. Vgl. etwa die plausibilistische Argumentation zur hedgingbedingten Verringerung der Agency Costs aus Myers^ (1977) Unterinvestitionsproblem bei Mayers/Smith (1987) und diejenige in Abschnitt 3.5 dieses Beitrags.
182
Wolfgang Kürsten
2 Subjektivistische Ansätze z u m Risikomanagement Die Modellierung individuellen Entscheidungsverhaltens bei Risiko folgt in der ökonomischen Literatur überwiegend dem P a r a d i g m a von Neumann/Morgenstem''scher Erwartungsnutzenmaximierung {Bernoulli-Vimzvp). Das Erwartungsnutzenmodell wird bei finanzierungstheoretischen Fragestellungen gerne als (//, a)-Kriterium operationalisiert^ und schreibt dem (üblicherweise) risikoaversen Entscheider die Maximierung eines Präferenzfunktionais ^{E{'),Var{'))
- ^ max\
(1)
vor, das positiv vom Erwartungswert E{') und negativ von der Varianz Var{') der Ergebnisgröße abhängt: $i > 0, ^ 2 < 0. An dieser Stelle erscheint es schlüssig, wenn Stulz (1996) Varianzminimierung als „prevailing academic theory of risk management" (S. 8) apostrophiert, wenngleich asymmetrische Risikomaße wie etwa Ruinwahrscheinlichkeiten und Lower Partial Moments, der Value-at-Risk oder neuerdings der (kohärente) Conditional Value-at-Risk die klassische Varianz zunehmend v e r d r ä n g e n / Eine (erste) positive Rolle von Risikomanagement im Kontext des (//, a)Modells (1) folgt bei angenommener Risikoaversion des W i r t Schaftssubjekts aus der Positivität von Qf_y^j.\ > 0 und ist trivial. Dem Untersuchungsobjekt des hedgenden Unternehmers näher kommt indes die Frage, ob dieser trotz Risikoaversion und risikofreier Anlagealternative ü b e r h a u p t risikobehaftet in „seinem" Unternehmen investiert sein sollte. Bezeichnet VQ sein Anfangsvermögen, R die risikobehaftete Unternehmensrendite und ro die sichere Rendite der risikofreien Anlageform, berechnet sich der optimale, riskant im Unternehmen investierte Anteil 0 * aus der Aufgabe Ein prominentes Beispiel ist die klassische Portfoliotheorie nach Markowitz (1959). Die Einschränkung des Bernoulli-Frinzips auf ein (/x, cr)-Kriterium erfordert bekanntlich die (heroische) Prämisse einer quadratischen Nutzenfunktion oder normalverteilter Ergebnisgrößen (vgl. z.B. Bamberg/Coenenberg (2004), S. 103 ff.). Asymmetrische, an Ausfallwahrscheinlichkeiten angelehnte Risikomaße haben frühzeitig Anwendungen in den Entscheidungsregeln nach Roy (1952), Kataoka (1963) und Telser (1955) gefunden, konnten sich aber lange nicht gegen das (//, er)-Paradigma durchsetzen und erleben erst in neuerer Zeit eine Renaissance (vgl. Kaduff/Spremann (1996), Reichling (1996)). Die Festlegung eines geeigneten Risikomaßes ist ohnehin kontextabhängig und ein Entscheidungsproblem an sich. Im Fall des von der Finanzdienstleistungsaufsicht propagierten Value-at-Risk (VaR) beispielsweise überwog zunächst der Vorteil seiner intuitiven Zugänglichkeit als in monetären Einheiten gemessenes Risikokapital, während inzwischen der Nachteil der i. a. fehlenden Subadditivität die Suche nach geeigneten Alternativen befördert hat. Eine viel versprechende Alternative ist der Conditional Value-at-Risk (CVaR, vgl. Rockafellar/Uryasev (2002)), der alle Anforderungen an ein kohärentes Risikomaß {Artzner et al. (1999)) erfüllt und sich zu einem der klassischen (yu, cr)-Regel ähnlichem (//, CVaR)-Prinzip ausbauen lässt (vgl. hierzu ausführlich die Monografie von Hanisch (2004)).
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung G''=argmax
$ {E {V {9)), Var {¥{&))),
183 (2)
ÖG[0,11
mit V{9) = Vo . (0(1 + i?) + (1 - 0 ) ( 1 + ro)). Der Ausdruck für ein inneres Optimum 2
Vo • Var{R)
^^
mit der absoluten Risikoaversion ÄRA = — | ^ > 0 zeigt, dass eine positive erwartete Risikoprämie E{R) — ro > 0 stets Nachfrage nach riskantem Investment auslöst und das riskant investierte Volumen 0* • VQ i^it sinkendem Unternehmensrisiko zunimmt:
^(^*^°)
d{-Var{R))
>0
(4)
In diesem Volumeneffekt liegt eine (zweite) positive Rolle für Varianz-Hedging im subjektivistischen Ansatz. Sie setzt voraus, dass der Investor außerhalb seines Unternehmens keine weiteren riskanten Anlagen hält. Für eine Rechtfertigung von Risikomanagement im Kontext wohl diversifizierter Shareholder kommt das Argument damit nicht in Betracht. In der polit-ökonomischen Diskussion über die gesellschaftlichen Auswirkungen des Shareholder Value-Prinzips sind es vielmehr die Stakeholder in der Gestalt von Mitarbeitern, Gläubigern, Kunden und Lieferanten, denen der Nachteil einer wenig diversifizierten Position und deshalb ein besonderes Schutzbedürfnis gegenüber dem „Interessenmonismus" der Shareholder zugesprochen wird.^ In dieser Sicht ist (3) wie folgt zu interpretieren: Wenn ein Stakeholder (z. B. ein Mitarbeiter) die riskante Position L = O"" -VQ (Z. B . ein Arbeitsverhältnis) im Unternehmen übernehmen soll, ist ihm dafür eine Risikoprämie RP = E{R) — ro (z. B. Gehaltszulage gegenüber einer kündigungsrisikofreien Beschäftigung) in Höhe von RP = 2' ÄRA • Var{R) • L
(5)
zu zahlen. Die Risikoprämie nimmt mit dem Varianzrisiko des Unternehmens zu. Umgekehrt kann das Unternehmen Stakeholder zu günstigeren Konditionen „bekommen", also die Shareholder-Position aufwerten, wenn es zuvor sein Risiko hedgt. Erst in diesem Sinne offeriert der subjektivistische Ansatz eine (dritte) positive Rolle für Hedging, die dem Shareholder Value-Gedanken entspricht. Wir kommen darauf später noch zurück. Die Reichweite der subjektivistischen Argumentation bleibt auch aus anderen Gründen beschränkt. Kehrt man etwa von dem speziellen (^, cr)-Präferenzfunktional (1) zum allgemeinen Erwartungsnutzenprinzip E{u{')) —> maxi Vgl. Karsten (2001) mit weiteren Nachweisen.
(6)
184
Wolfgang Kürsten
mit konkaver Nutzenfunktion u zurück, wird Risikomanagement in Gestalt des Paradigmas „Varianzminimierung" nicht länger einmütig unterstützt. Vielmehr kann es sein, dass ein im (//, (j)-Sinne dominanter Cash Flow von bestimmten 5erno^^//i-Entscheidern abgelehnt wird - und sich die oben genannte (erste) positive Rolle von Hedging in ihr Gegenteil verkehrt.^ U m die einmütige Befürwortung risikosenkender M a ß n a h m e n wiederherzustellen, müsste Hedging zu „decreasing risk" im Sinne des Rothschild/Stiglitz-Y^iiteriums führen.-^^ Eine Äquivalenz mit der klassischen Varianzminimierung würde d a n n nur unter bestimmten ( z . B . Normal-) Verteilungsannahmen erreicht. Auch die beiden anderen Hedgingfunktionen sind im Erwartungsnutzenkonzept in gleicher Weise zu restringieren, d a die zu (2) korrespondierende Aufgabe 0 * = arg max E{u{V{G))) (7) 0€[O,1]
auf eine notwendige Bedingung führt E{u'{V{9)))
. {E{R) - ro) + cov{u\V{G)),
R) = 0,
(8)
die den optimalen Anteil 0 zunächst lediglich implizit enthält und noch keinen Bezug zum P a r a d i g m a des Varianzhedgings erkennen lässt. Erst unter der A n n a h m e normalverteilter Unternehmensrückflüsse gestattet das L e m m a von Rubinstein die aus (3), (4) und (5) v e r t r a u t e Darstellung, wenn m a n die absolute Risikoaversion ÄRA — —^ des (//,cr)-Prinzips durch die durchschnittliche absolute Risikoaversion ÄRA = —-wfrrTw ersetzt.-^^ Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass jenseits der Normalverteilungsprämisse alle drei positiven Rollen des klassischen Varianzhedgings im subjektivistischen Ansatz ihre Berechtigung wieder verlieren.
3 Objektivistische Ansätze zum Risikomanagement 3.1 V o r b e m e r k u n g Bei aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung sind Entscheidungen allein am monetarisierten Wohl der Aktionäre, also a m cum-Dividenden-Kurswert Ein numerisches Beispiel findet sich bei Hanoch/Levy (1969). Die im Sinne von Rothschild/Stiglitz^ (1970) „increasing risk" riskantere Verteilung wird von der weniger riskanten im Sinne stochastischer Dominanz 2. Ordnung dominiert (bei gleichen Erwartungswerten) bzw. unterscheidet sich von dieser durch einen „mean preserving spread". Sie wird von allen risikoaversen Bernoul/z-Entscheidern einmütig abgelehnt. Nach Rubinstein^s Lemma (1976) gilt für (fast) beliebige differenzier bare Funktionen / und gemeinsam normalverteilte Zufallsvariablen X und Y die Beziehung cov(f{X),Y) = E{f{X)) ' cov{X,Y), womit sich (8) auf die Form (3) bringen lässt.
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
185
ihrer Beteihgungstitel auszurichten. Alle Entscheidungen haben sich mit anderen Worten der Zielvorschrift „Maximiere den Marktwert des Eigenkapitals" unterzuordnen. Das Shareholder Value-Prinzip ruht daher, soweit es auf die Maximierung von Marktwerten abstellt, auf dem theoretischen F u n d a m e n t der neoklassischen Investitions- und Finanzierungstheorie. •'^'^ Benötigt wird erstens die Existenz eines linearen Preisfunktionais TT („Marktwert") zur objektivistischen Bewertung von monetären Ansprüchen und zweitens, dass die handelnden W i r t Schaftssubjekte den jeweiligen Wert ihrer Ansprüche einmütig als Zielfunktion akzeptieren („unanimity"). Die Existenz des Preisfunktionais wird duch die A n n a h m e eines arbitragefreien Kapitalmarktes gesichert, u n d die unanimity-Eigenschaft folgt aus den Prämissen competitivity, spanning und Information. Auf die zahlreichen Fallstricke, die bei allzu sorglosem Umgang mit beiden T h e m e n lauern, h a t der Jubilar wiederholt hingewiesen.^^ Die hier interessierende Diskussion von Risikomanagement im Shareholder Value-Kontext müsste also grundsätzlich innerhalb des neoklassischen Referenzmodells, d . h . insbesondere unter Akzeptanz der spanning-Prämisse geführt werden. Spanning bedeutet, dass sich alle zu bewertenden Zahlungsströme des Unternehmens durch gehandelte Wertpapiere duplizieren lassen. Die a m Unternehmensprozess beteiligten Shareholder und Stakeholder können ihre präferierte Risikoallokation d a n n auch selbst erreichen und werden allfälligem Hedging von Seiten der Unternehmensleitung indifferent gegenüberstehen - sofern sie ihre Position noch nicht eingenommen haben (ex ante-Sicht) und die zukünftige Geschäftspolitik „ihres" Unternehmens korrekt antizipieren konnten (information-Prämisse). Folglich kann Risikomanagement im Shareholder Value-Kontext aus ex ante-Sicht höchstens d a n n eine Rolle spielen, wenn entweder spanning oder Information nicht erfüllt sind.-^^ Belastbare Ergebnisse zum Risikomanagement im Allgemeinen sind hier ohne Zugrundelegung spezifischer PräferenzVgl. ausführlich Kürsten (2000) mit weiteren Nachweisen. Die Zielvorschrift des Shareholder Value-Prinzips, so wie sie im Schrifttum und in der polit-ökonomischen Diskussion interpretiert wird, sieht weitere (z.B. Fremdkapital-) Ansprüche von Aktionären im Sinne individueller Anfangsausstattungen also gerade nicht vor, bewegt sich insoweit „außerhalb" der neoklassischen Modelle. So können etwa im CAPM-Kontext streng genommen nur Proportionalfinanciers abgebildet werden, sofern Eigen- und Premdkapitaltitel als eigenständige Titel handelbar sind. Auch darauf wird in der Literatur erstaunlich selten hingewiesen (anders etwa Wilhelm (1989) oder Kürsten (2000)). ^^ Zur Arbitragefreiheit von Kapitalmärkten vgl. Wilhelm (1985) oder, mit einer Anwendung im Zinsbereich, Nietert/Wilhelm (2005), zum unanimity-Theorem siehe zunächst DeAngelo (1981) sowie, anstelle vieler, Wilhelm (1989). Eine die Zusammenhänge zwischen Arbitragefreiheit, Marktbewertung, Kapitalmarktmodellen und Zielfunktionsakzeptanz klärende Darstellung findet sich bei Wilhelm (1981). ^^ Streng genommen dürfte dann nicht mehr mit Marktwerten argumentiert werden. Vgl. zu dieser Problematik die Überlegungen bei Wilhelm (1991).
186
Wolfgang Kürsten
und Informationsstrukturen nicht zu erwarten, und dass Aussagen zum Management des Varianzrisikos im Besonderen erreichbar sind, scheint angesichts der Freiräume beim Relaxieren der spanning-Prämisse zweifelhaft. Wohl auch deshalb hat die Literatur einen anderen Weg begangen und Hedging aus der Sicht einer schon eingenommenen Aktionärsposition zu begründen versucht (ex post-Sicht). Insbesondere wurde vorgeschlagen, bestimmte Vermögenspositionen wie Steuern und Insolvenzkosten qua Annahme als nicht-marktfähig zu erklären bzw. nicht dem Unternehmenswert hinzuzurechnen, ein Zugang, der in der Theorie der optimalen Kapitalstruktur unter dem Etikett „exogene Friktionen" geführt wird.^^ Die wesentlichen Literatur-Argumente sollen im Folgenden nachgezeichnet und theoretisch konkretisiert werden. 3.2 Das relevante Risikomaß bei aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung Eine fruchtbare Diskussion über Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung verlangt zunächst eine begründbare Konkretisierung dessen, was unter Risiko in diesem Kontext verstanden werden soll. Die Literatur beschränkt sich hier auf die Intuition ansprechende Vorschläge, etwa dort, wo Shareholder Value-Orientierung ad hoc mit der Verringerung erwarteter Insolvenzkosten gleichgesetzt und daraus die Insolvenzwahrscheinlichkeit als relevantes Risikomaß abgeleitet wird.-"^^ Wir wollen einen anderen Weg gehen und ein mit der relevanten Zielfunktion „Marktwert des Eigenkapitals" kompatibles Risikomaß entwickeln - in analoger Weise zum subjektivistischen Ansatz, dessen Reichweite ja ebenfalls erst beurteilt werden konnte, nachdem Präferenzfunktional und Risikomaß „passig" aufeinander abgestimmt waren.^'^ In Anlehnung an das von risikoaversen Erwartungsnutzenmaximierern dort einmütig als präferenzsteigernd begrüßte Risikomanagement bezüglich der Varianz bzw. dem Rothschild/Stiglüz-Ylisiko bietet es sich auch im Shareholder Value-Kontext an, auf eine einmütige Präferenzreaktion bei den Aktionären abzustellen - mit dem Unterschied, dass der Optionscharakter des Eigenkapitals bei beschränkter Haftung auf ein genuin risikofreudiges und eben nicht risikoaverses Verhalten der Shareholder schließen lässt. Dieser Unterschied ist es wohl auch, der im Schrifttum die Einführung der oben genannten exogenen Friktionen befördert hat, mit deren Vermeidung ein quasi künstliches Risikoaversionsmotiv in die a priori-Risikofreudigkeit der Aktionäre eingefügt wurde. ^^ Vgl. Modigliani/Miller (1963), Kraus/Litzenberg er (1973) und DeAngelo/Masulis (1980). ^^ Vgl. Hahnenstein/R öder (2003), aber auch das Gegenbeispiel in Abschnitt 3.3. dieses Beitrags. "^^ Vgl. erneut Abschnitt 2 weiter oben. Die „Passigkeit" von Risikomessung, Präferenzfunktional und Risikoaversionsverständnis spielt auch in den Schriften des Jubilars eine Rolle, vgl. hierzu Wilhelm (1992).
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
187
Bezeichnet Y den unsicheren leistungswirtschaftlichen Rückstrom (Periodenendwert) des Unternehmens und D die RückZahlungsverpflichtung an die Gläubiger, zeigt sich die Risikofreudigkeit der Aktionäre an der Konvexität der charakteristischen Funktion des Eigenkapitals EK = max{Y
-D,0}.
(9)
Operationalisiert m a n im Erwartungswert gleiche, jedoch unterschiedlich riskante Projekt alternativen über den P a r a m e t e r a G [0,1], ordnet das Projekts p e k t r u m [0,1] ohne Beschränkung der Allgemeinheit nach zunehmendem Risiko und identifiziert das lineare Preisfunktional TT mit dem (empirischen) Erwartungswert, macht sich die Maximierung des Shareholder Value (SHV) in Bezug auf das Risiko a an der Aufgabe-^^ SHV{a,
D) = E{max{Y{a)
- D , 0})
—>
maxi
(10)
o:€[0,l]
fest. Wegen der dem Präferenzfunktional (10) inhärenten Risikofreudigkeit der Aktionäre ist für die Ableitung •^SHV{a,D) ein nicht-negatives Vorzeichen zu erwarten. Die geforderte Einmütigkeit unter den Aktionären wird erreicht, wenn das Vorzeichen für beliebige Premdkapitalnominale D nichtnegativ bleibt. Das nachfolgende Ergebnis zeigt, dass das relevante Risikomaß im Shareholder Value-Kontext damit eindeutig bestimmt ist. S a t z 1: (Beweis siehe Anhang) Das Unternehmen verfüge über ein nach dem Risiko differenziertes Spekt r u m (O;)Q;^[O,I] von möglichen einperiodigen Investitionsprojekten mit gleicher Anfangszahlung und gleichem Erwartungswert. Die Rückflüsse der Projekte Y{a) seien in dem Intervall [a, 6] mit der Verteilungsfunktion F ( a , y) verteilt. Die Haftung der Aktionäre für die RückZahlungsforderung der Gläubiger D ist auf das Unternehmensvermögen Y beschränkt u n d die Aktionäre bewerten ihre Position mit dem Erwartungs- bzw. Marktwert ^^ Theoretisch korrekt wäre der Erwartungswert in Bezug auf die risikoneutrale Verteilung. Die Literatur argumentiert jedoch fast durchgängig mit dem empirischen Erwartungswert, vgl. genauer etwa Kürsten (1997b), S. 826. Entsprechend differenziert ist, bei strenger Betrachtung, die Maximierung des Shareholder Value „in Bezug auf das Risiko a" zu verstehen. So wird sich ein mean preserving spread (bzgl. der empirischen Verteilung, vgl. Satz 1) nicht zwingend wertsteigernd für den (aus der risikoneutralen Verteilung berechneten) Shareholder Value auswirken. Auch dieser Aspekt wird hier, genauso wie im Schrifttum, nicht weiter problematisiert. Die Annahme gleicher Erwartungswerte schließlich erfolgt vor dem Hintergrund, zunächst nur reine RisikoeflPekte studieren und diese nicht mit Werteffekten vermischen zu wollen (vgl. hierzu Neveu (1969) i. V. m. Kürsten (1994), S. 14 f. und S. 28-30). Dass eine genaue Trennung zwischen Risiko- und Werteffekten der Schärfung der Argumente dienlich ist, wird in Abschnitt 5 noch einmal deutlich werden.
188
Wolfgang Kürsten (10) (Shareholder Value). Dann werden sich die Aktionäre bei der Auswahl zwischen zwei Projekten ai und «2 und beliebiger Gläubigerforderung D genau dann für das Projekt 0:2 entscheiden, wenn «2 ein höheres Risiko als a i im Sinne des Rothschüd/Stiglitz-Kiitenums aufweist.
Für die Rolle des Risikomanagements im aktionärsorientierten Unternehmen besagt das Resultat Folgendes: Sofern ein Wirt Schaftssubjekt die Position des Aktionärs schon eingenommen hat (ex post-Sicht), kann es seinen Shareholder Value erhöhen, wenn das Unternehmensrisiko im Rothschild/StiglitzSirme steigt und die Unternehmensleitung in diesem Sinne „negatives" Risikomanagement betreibt:
^SHV{a,D)
= -^J
F{a,y)dy=:F^{a,D)>0
(11)
Für eine positive Rolle von Hedging ist in einem shareholdergeleiteten Unternehmen mithin kein Platz: Das Subjektivistische Risikovermeidungsmotiv von risikoscheuen Wirt Schaftssubjekten und die objektivistische Risikofreude beschränkt haftender Aktionäre stehen sich bislang vielmehr unvereinbar gegenüber. 3.3 Erstes Literaturmotiv für Risikomanagement: Vermeidung von Insolvenzkosten In der Literatur wurde verschiedentlich vorgeschlagen, eine positive Rolle von Risikomanagement im Unternehmen aus der Verringerung erwarteter Insolvenzkosten (bankruptcy costs) als Folge von „financial distress" abzuleiten.^^ Über Hedging ließe sich, so die gängige Argumentation, eine Verringerung der Ausfallwahrscheinlichkeit POB (probability of bankruptcy) POB{a, D) = prob{Y{a) < D) = F ( a , D)
(12)
und damit eine Steigerung des Shareholder Value erreichen: „Risikomanagement schafft Shareholder Value, indem es durch eine Verringerung der Volatilität der Cash Flows und somit der Eintrittswahrscheinlichkeit finanzieller Schwierigkeiten den Barwert der bei finanziellen Schwierigkeiten entstehenden Transaktionskosten reduziert."^^ Bei Hahnenstein/Röder (2003) heißt es dazu gar: „The minimization of which (the POB, W. K.) can serve as a Substitute for the maximization of shareholders' wealth" (S. 316). Das Insolvenzkostenargument bemüht offensichtlich den plausibilistischen Charme des Risikomaßes „Ausfallwahrscheinlichkeit", ohne zuvor geprüft zu haben, ob ein Hedging der Ausfallwahrscheinlichkeit überhaupt im einmütigen ^^ Vgl. Smüh/Stulz (1985), Rawls/Smithson (1990), Fite/Pfleiderer (1995), Stulz (1996), Brown/Toft (2002) oder zuletzt Hahnenstein/Röder (2003). 20 Pntsch/Hommel (1997), S. 683.
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
189
Interesse der Shareholder liegt.^-^ Im Lichte des im Shareholder Value-Kontext relevanten Risikomaßes aus Satz 1 ist das gerade nicht zu erwarten, da das Rothschild/Stiglitz-Blsiko, und mit ihm der Shareholder Value, genauso zunehmen wie auch abnehmen kann, wenn die Ausfallwahrscheinlichkeit in Folge von Risikomanagement sinkt.^^ Werden die Insolvenzkosten in Höhe von C etwa zum Anteil /3 G [0,1] von den Aktionären u n d zum Anteil 1 — ß von den Gläubigern getragen, beträgt der Shareholder Value^^ SHV{a,
D, C) - E{Y -D\Y>D)'{1= SHV{a,D,0)
F{a, D)) - ßC • F ( a , D)
- ßC ' F{a,D).
(13)
Die Auswirkung eines Hedging der Ausfallwahrscheinlichkeit auf das Aktionärsvermögen lässt sich nun gedanklich auf eine Änderung des Rothschild/ Stiglitz-Risikos zurückführen und in zwei Faktoren zerlegen: ' -SHVia, D, C) ^ J^P^l^-^ d(-POB) V. , / ^ g^
^ ) \ \l J da
SHVia, D, 0) + ßC
= -F„{a,D)-'--^SHVia,D,0)+ßC
(14)
Zwar reagiert der Shareholder Value gemäß Satz 1 eindeutig positiv auf eine Zunahme des Rothschild/Stiglitz-Risikos (2. Faktor in (14)), doch ist die Auswirkung auf die Ausfallwahrscheinlichkeit ambivalent (1. Faktor in (14)). ^^ Von anderem theoretischen Interesse könnte die Frage der Kompatibilität zwischen dem Präferenzfunktional (•) = —POB{a, D) und dem Bernoulli-Pvimip sein. Hier lehrt ein Ergebnis von Schneeweiß (1967), S. 90, dass eine verteilungsunabhängige Übereinstimmung genau für die Nutzenfunktion u{y) — —1 {y < D) und u(y) = 0 {y > D) erreicht wird. Für das (/i, cr)-Prinzip wird Kompatibilität bekanntlich (verteilungsunabhängig) über die quadratische Nutzenfunktion erreicht, was sich ebenfalls auf das allgemeine Resultat von Schneeweiß zurückführen lässt. Vgl. hierzu Bamberg/Coenenberg (2004), S. 106 ff. ^^ Die Ursache liegt darin, dass sich die Verteilungsfunktionen Rothschild/Stiglitzdifferenzierter Projekte beliebig oft schneiden können, vgl. etwa die grafische Darstellung bei Kürsten (1997b), S. 830. ^^ Vgl. sinngemäß Smith/Stulz (1985), S. 395 f. oder Stulz (1996), hier wörtlich: „By eliminating the possibility of bankruptcy, risk management increases the value of the firm's equity by an amount roughly equal to Bc (bankruptcy costs) multiplied by the probability of bankruptcy if the firm remains unhedged (pBU)"(S. 13). Die Konkretisierung des Insolvenzkostenarguments (13) findet sich institutionell etwa in einer vereinbarten Nachschusspflicht für GmbH-Gesellschafter oder dort wieder, wo Manager-Eigentümer nach einer Insolvenz ihres Unternehmens eine neue Beschäftigung suchen und dabei Einbußen in Bezug auf ihr Privatvermögen hinnehmen müssen. Für nicht im Unternehmen beschäftigte Publikumsaktionäre kann man sich (13) dahingehend vorstellen, dass es insolvenzbedingt zu keiner Fortführung des Unternehmens und somit zu Vermögenseinbußen des Aktionärs aus künftigen Cash Flows kommt.
190
Wolfgang Kürsten
Insbesondere wird der im Schrifttum behauptete positive Effekt einer verringerten Ausfallwahrscheinüchkeit auf das Aktionärsvermögen nicht zwingend erreicht, wohl aber beispielsweise immer dann, wenn Fa{oL^D) < 0 ist, d.h. Rothschild/Stiglitz-Yiska,nteie Projekte weniger häufig ausfallen als sicherere. Schon diese (hinreichende) Bedingung für die genannte Literaturauffassung entspricht eher nicht der Intuition. Umgekehrt wird bei Fa{a,D) > 0 und „nicht zu großen" Insolvenzkosten C das Aktionärsvermögen nach einem Hedging der Ausfallwahrscheinlichkeit abnehmen. Ein numerisches Beispiel für beide Fälle geben wir jetzt an. (Gegen-)Beispiel: (für die Beziehung zwischen Ausfallwahrscheinlichkeit und Shareholder Value) Die Rückströme der beiden Projekte ai und a2
[95 Y — 18 = 0,50 • 45 - 0,25 • 18 = SHV{ai,bO,
18)
^
^
Trotz des größeren Shareholder Value^^ fällt Projekt a2 aber doppelt so oft aus wie Projekt ai POB{a2,50)
- 0,50 = 2 • 0,25 = 2 • POB{ai, 50)
(15c)
bzw. erzeugt doppelt so hohe erwartete Insolvenzkosten. Ein an der Ausfallwahrscheinlichkeit orientiertes Risikomanagement wäre hier aus Aktionärssicht kontraproduktiv. Dieses Beispiel entspricht dem Fall ^ ^ ( a , D) > 0 aus (14). Das Ergebnis dreht sich um, wenn die Gläubigerforderung auf D = 96 steigt. Die Aktionäre präferieren wegen 24
In einer mehrstufigen Modellierung mit mindestens zwei Entscheidungszeitpunkten könnte ein rationaler Aktionär von Projekt ai nach Eintritt der Realisation y = 40 netto den Betrag C — {D — y) = 8 sparen, indem er duch Zahlung von D — y= 10 die Insolvenz abwendet (ich danke Herrn cand. rer. pol. Matthias Bergner für einen entsprechenden Hinweis). Entsprechende Überlegungen sind nach unserer Kenntnis im Schrifttum bisher nicht anzutreffen, bieten aber Raum für weiterführende Forschungsarbeiten.
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung SHV{a2,96,18)
= -2>
- 1 8 = 5iJV(ai,96,18)
191 (15d)
zwar weiterhin das riskantere Projekt a2. Allerdings ist es nun dieses Projekt, dessen Ausfallwahrscheinlichkeit und erwartete Insolvenzkosten um die Hälfte niedriger sind als bei der Alternative a i : POB{a2,96)
= 0,5 - I • 1 = ^ • POB{au 96)
(15e)
Dieses Beispiel entspricht dem Fall Fa{o^,D) < 0 in (14). Ein an den bankruptcy costs orientiertes Risikomanagement wäre nun durchaus im Shareholder-Interesse. Offenbar ist es keineswegs so, dass die Situation „abnehmender Shareholder Value trotz sinkender Ausfallwahrscheinlichkeit" gewissermaßen nur einen seltenen Sonderfall darstellte, den man vernachlässigen könnte. Vielmehr kann die Beziehung zwischen Shareholder Value und Ausfallwahrscheinlichkeit bei sich häufig schneidenden Verteilungsfunktionen beliebig oft im Vorzeichen wechseln, da sich das Verhältnis zwischen Rothschild/Stiglitz-Risiko und Ausfallwahrscheinlichkeit an jedem Schnittpunkt umdreht.^^ Ein an der Verringerung der Ausfallwahrscheinlichkeit bzw. der erwarteten Insolvenzkosten orientiertes Risikomanagement gereicht den Aktionären dann ebenso oft zum Vorteil wie zum Nachteil:^^ Laplace' „Prinzip des unzureichenden Grundes" verbietet es dann, Risikomanagement bei aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung positiv durch das (Literatur-) Motiv verringerter Insolvenzkosten erklären zu wollen. 3.4 Zweites Literaturmotiv für Risikomanagement: Verminderung der Steuerlast Neben dem Insolvenzkostenargument ist im Schrifttum vorgeschlagen worden, eine positive Rolle von Risikomanagement an der Verringerung der erwarteten Ertragssteuerlast festzumachen, sofern „die unternehmerische Ertragssteuerlast durch eine konvexe Steuerfunktion bestimmt wird".^^ Hedging führe dann, so die Argumentation, wegen der Jensen^schen Ungleichung zu einer Verringerung der (konvexen) erwarteten Steuerlast und zu einer Steigerung des (konkaven) Nachsteuer-Firmenwerts. Smith/Stulz (1985) vertrauen der Vgl. erneut die grafische Darstellung bei Kürsten (1997b), S. 830. Die Beobachtung ist ein weiteres Beispiel für die häufig unzureichende Trennung zwischen den Unternehmensgesamtwert und den Shareholder Value steigernden Maßnahmen. Vgl. hierzu den ähnlich gelagerten Fall synergetischer Merger im Shareholder Value-Kontext bei Kürsten (2003). Pritsch/Hommel (1997), S. 684. Zum Steuerargument vgl. ursprünglich Mayers/Smith (1982) und Smith/Stulz (1985). Die empirische Evidenz des Arguments ist umstritten, vgl. hierzu Nance/Smith/Smithson (1993), Graham/Smith (1999) sowie Pritsch/Hommel (1997), S. 684 f. mit weiteren Nachweisen.
192
Wolfgang Kürsten
intuitiven Eingängigkeit ihres überwiegend grafisch gestützten Arguments: „While our treatment of taxes is not very sophisticated,... a more reahstic treatment of taxes would not add important insights to our analysis" (S. 396). Hier soll nun geprüft werden, ob das Steuerargument im Kontext des gemäß Satz 1 operationalisierten Shareholder Value-Prinzips tatsächlich Bestand hat. Dazu bezeichne s{y — D) den auf die Bemessungsgrundlage „Unternehmenswert abzüglich Gläubigerforderungen" im Fall y > D anzuwendenden Steuersatz. Die erwartete Steuerlast E{SL) lautet dann E{SL{a))
= E{max{s{Y{a)
- D) • {Y{a) - D), 0})
(16a)
und der Shareholder Value beträgt SHV{a)
= E{max{{l
- s{Y{a) - D)) • {Y{a) - D),0}),
(16b)
und beide hängen von der Risikopolitik a ab:
D
F{a, y)dy + {E{Y) - D)-\s{b
- D) • {b^ D)
j\s'{y -D).{y-D) + s{y - D)) • F{a, y)dy] l dE{SL{a)),, -Fc{a,D)
(17)
di-a)
Für den einfachen Fall einer linearen Steuerfunktion mit dem konstanten Grenzsteuersatz s{y — D) = s vereinfacht sich (17) zu ö ^ ( ^ ^ ( - ) ) . _ , . ^ ^ ( . , ^ ) < 0 und d{-a) dSHVja) = -{l-s)'Fc,{a,D) 0, fc'' < 0) und ro = 0 den risikofreien Zins, führt die Maximierung des Shareholder Value^^ SHV{a, D, I) = E{max{k{I)
• Y{a) - D, 0}) - / —^ max\
(22)
auf die notwendige Bedingung für das (opportunistisch) optimale Investitionsvolumen /* = /* {a) fc'(/). /
ydF{a,y)-1=0.
(23)
JD/k
Bei symmetrischer Information würden sich Gläubiger und Aktionäre auf das gesamtwertmaximale Investitionsvolumen /o ^^ Vgl. Jensen/Meckling (1976) zu den Grundlagen und Kürsten (1995, 1997b) zu den Grenzen des Ansatzes mit weiteren Nachweisen. ^^ Bessemhinder (1991), S. 520. Vgl. auch Mayers/Smith (1987) und Campbell/Kracaw (1990). ^^ Der Marktwert des Eigenkapitals ist hier gegenüber (10) um die verausgabte Investitionssumme zu korrigieren, da diese noch disponibel ist.
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung E{k{I) • Y{a)) -I gemäß der Bedingung (man beachte E{Y{a)) k\I)
—> max\
195 (24)
= E{Y) = const.)
. E{Y) - 1 = 0
(25)
einigen und offensichthch mehr als bei asymmetrischer Information investieren /* < /o.
(26)
Der resultierende Verlust an Unternehmensgesamtwert ist von den ManagerEignern selbst zu tragen, wenn die Gläubiger die Unterinvestition korrekt antizipieren, und führt dort zu einem Verlust an Shareholder Value (Agency Costs) in Höhe von AC = SHV{a, D, IQ) - SHV{a, D, /*) = {k{Io) - k{r{a)))
. E{Y) - (lo - r{a))
(27) > 0.
Kann Hedging nun, wie im Schrifttum behauptet, das Unterinvestitionsproblem entschärfen und den Shareholder Value erhöhen, d. h. gilt ^ 4 ^ < 0 ? Zur Klärung der Frage differenzieren wir die Agency Costs nach dem Risikoparameter a^^ .
eAC
-91*
.
(
SHVi^\
-D „ ( B \ ^ ( D = si,n|^.F„(^a,-^j+F.(^a,-^j}^^^^
(28)
und finden (man beachte Fa(-) ^ 0 wegen (11)), dass das gewünschte Vorzeichen höchstens dann resultieren kann - aber nicht muss - , wenn das Risikomanagement eine kleinere Ausfallwahrscheinlichkeit des Unternehmens nach sich zieht. Das ist wegen der ambivalenten Beziehung zwischen dem im Shareholder Value-Kontext relevanten Rothschild/Stiglüz-Kisiko und der Ausfallwahrscheinlichkeit genauso häufig zu erwarten wie das Gegenteil. Dementsprechend kann auch das Agency Cost-Argument zu einer positiven Theorie des Hedging wenig beitragen.^^ Man verwendet die notwendige Bedingung •§jSHV{') =: SHVj = 0 aus (23) sowie 1 - k\r) ' E{Y) < 0, nimmt die Bedingung 2. Ordnung SHVn < 0 als erfüllt an und differenziert (23) implizit nach a. Das gilt auch für Campbell/Kracaw^s (1990) Agency Cost-Argumentation in Bezug auf das asset substitution-Problem. Die Autoren sehen hier eine positive Rolle von Hedging (nur) für den Fall, dass das riskantere Projekt zugleich den im Vergleich zum weniger riskanten Projekt größeren Marktwert aufweist - wovon nicht allgemein auszugehen ist -, von den Gläubigern über restriktive Vertragsklauseln {Smith/Warner, 1979) aber verhindert werden kann. Das zitierte Argument wird weiter unten noch aus anderen Gründen verworfen (vgl. Abschnitt 5).
196
Wolfgang Kürsten
4 Weitere Literaturansätze zum Risikomanagement In der Literatur werden weitere Motive für Risikomanagement genannt, die sich nicht eindeutig dem subjektivistischen oder dem objektivistischen Ansatz zurechnen lassen. Zu ihnen gehört die Vorstellung, wonach risikoaverse Manager die fehlende Diversifizierbarkeit ihres Humankapitals zum Anlass nehmen werden, zunächst das Unternehmensrisiko und damit ihr eigenes Einkommensrisiko durch Hedging zu verringern.^'* Die Überwindung dieses spezifischen Risikoaversionsmotivs des Managements hat in den 90er Jahren als Argument für die Begebung von Aktienoptionen gedient, mit deren Hilfe ein stärker risikofreudiges (Investitions-) Verhalten im Interesse der Aktionäre erreicht werden sollte.^^ Im Lichte der Vorhersagen des Capital Asset Pricing Model mit nicht-marktfähigen Einkommen ist eine andere Reaktion der Manager wahrscheinlicher: Die Manager werden den Unternehmens-Cash Flow eher dahingehend steuern, dass ein möglichst großer Teil ihres Einkommens über marktfähige Wertpapiere dupliziert werden kann und nur ein entsprechend geringes „unsystematisches" Restrisiko verbleibt.^^ Mit klassischem Varianzhedging hat das a priori nichts zu tun. Ein anderes Argument rekurriert auf Informationsasymmetrien zu Gunsten des Managements, die den Aktionären die genaue Einschätzung der Managementleistung erschweren. Bei wenig detaillierter Berichterstattung könnten die Manager über Risikomanagement versuchen, ihre Managementleistung in günstigerem Licht erscheinen zu lassen oder das „Rauschen" des Cash Flow zu unterdrücken, um so glaubhaft ihre überdurchschnittlichen Managementfähigkeiten zu signalisieren.^^ Gegebenfalls macht der Informationsvorsprung des Managements es ohnehin erforderlich, dass die Aktionäre Hedgingentscheidungen an das Management delegieren.^^ Unseres Erachtens bleibt auch bei diesem Erklärungsmuster dahingestellt, warum gerade das klassische Varianzhedging resultieren sollte, das die Hedgingliteratur paradigmenhaft unterstellt. Schheßlich stellt ein häuj&g genanntes Motiv auf die Kosten externer Finanzierung ab, die über eine StabiUsierung des internen Cash Flow via Risi-
^^ Vgl. Amihud/Lev (1981), Stulz (1984) und Aggarwal/Samwick (2003). ^^ Kritik an diesem sowie weiteren Argumenten in Bezug auf Stock Options übt Kürsten (2001). ^^ Vgl. Mayers (1972) und Brito (1977) sowie, im Kontext des Risikovermeidungsmotivs der Manager, Kürsten (2001), S. 255 f. Der Grad der Duplizierbarkeit von Unternehmens-Cash Flows durch Finanzmarkttitel spielt auch eine wichtige Rolle bei Fragen der Unternehmensbewertung. Wilhelm (2005) hat hier jüngst eine Neuformulierung verbreiteter Methoden der traditionellen Unternehmensbewertungsliteratur vorgestellt, die das Gebiet auf eine (finanzierungs-) theoretische Grundlage stellt. ^"^ Vgl. DeMarzo/Duffie (1995), Breeden/Viswanathan (1998). ^^ Vgl. DeMarzo/Duffie (1991).
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
197
komanagement vermieden werden könnten.^^ Reicht der interne Cash Flow, so diese Argumentation, zur Finanzierung der geplanten Investitionsprojekte nicht aus, müssen externe Finanzierungsquellen in Anspruch genommen werden. Damit gehen Kosten einher, die letztlich von den Anteilseignern zu tragen sind. Beispielsweise führt externes Eigenkapital zu Kosten aus underpricing sowie Informationsdifferenzialen zwischen Alt- und Neuaktionären,^^ und Fremdfinanzierung zieht Agency Costs oder Rationierungseffekte nach sich.'*^ Mit Hilfe von Risikomanagement könnten nun nach Ansicht der Autoren die Abhängigkeit vom Kapitalmarkt verringert und externe Finanzierungskosten gespart werden. Die S3rmmetrie des traditionellen Varianzhedgings wird allerdings geringe Cash Flow-Realisationen genauso „abschneiden" wie hohe, so dass in der Logik des Arguments neben ersparten auch zusätzliche Kapitalkosten anfallen werden. Ohne Kenntnis des Einzelfalls ist das Argument einer Stabilisierung interner Cash Flows als positive Theorie für Hedging daher ebenfalls nicht brauchbar.
5 Der Stakeholder-Ansatz „revisited" Im Lichte der bisherigen Diskussion erweisen sich die verfügbaren Ansätze für eine positive Rolle von Risikomanagement in aktionärsorientierten Unternehmen theoretisch als wenig tragfähig."*^ Von Modellambivalenz weitgehend verschont und auch ökonomisch besonders eingängig erscheint uns lediglich das Argument, mit Hilfe von Risikomanagement zunächst den Fixanspruch der wenig diversifizierten, risikoaversen und daher „schutzbedürftigen" Stakeholder aufzuwerten, damit diese dann zu günstigeren Konditionen in das Unternehmen eintreten und den Residualanspruch der Shareholder auf der Kostenseite entlasten können. Wir bezeichnen diesen Ansatz, der in Abschnitt 2 schon einmal angeklungen war und dessen besonderes Schutzargument zu Gunsten der Stakeholder gerne als polit-ökonomische Rechtfertigung für die aufsichtsrechtliche Restringierung des Finanzsektors bemüht wird, als „Stakeholder-Ansatz".^^ Er lässt sich jenseits von (5) auch mit neoklassischen Marktwerten formulieren und kommt von daher grundsätzlich für eine positive Hedging-RoUe im Shareholder Value-Kontext in Betracht. Bezeichnet min{D^ Y{a)} die Position eines Stakeholders (z. B. Gläubiger, Arbeitnehmer, etc.) mit Fixanspruch D bei gegebenem Unternehmensrisiko a, lautet dessen Marktwert STV („Stakeholder Value") ^^ Vgl. Froot/Scharfstein/Stein (1993). ^° Vgl. Rock (1986), Myers/Majluf (1984) oder Braun (2005) in diesem Band. ^^ Vgl. Jensen/Meckling (1976) und Kürsten (1995, 1998). ^^ Auch die empirischen Befunde deuten nicht auf eine belastbare Bestätigung der Theorieansätze hin, vgl. etwa Nance/Smith/Smithson (1993) oder Berkman/Bradbury (1996) mit weiteren Nachweisen. ^^ Vgl. im Tenor ähnlich Stulz (1996), S. 13 f.
198
Wolfgang Kürsten STV{a, D) = E{min{D, Y{a)}).
(29)
Dabei besteht der Fixanspruch D = B - {1 -{-r) aus dem eingebrachten Ausgangsvermögen B (z.B. herausgelegter Kreditbetrag des Gläubigers, eingebrachtes Humankapital des Arbeitnehmers, etc.) und der geforderten Risikoprämie r (z. B. risikoadäquater Zins des Gläubigers, Humankapitalverzinsung des Arbeitnehmers, etc.) des Stakeholders. Der Marktwert des StakeholderEngagements entspricht im Gleichgewicht dem eingebrachten Vermögensbetrag 5 , d. h. der erwartete Kapitalwert (bzgl. des risikofreien Zinses VQ = 0) ist Null: STV{a,D)-B =0 (30) Die Logik des Stakeholder-Ansatzes setzt nun (implizit) voraus, dass die Stakeholder das Unternehmensrisiko a ex ante beobachten und ihre Risikoprämie r = r{a) daran anpassen können. Andernfalls könnten die Shareholder via Risikomanagement gar keine günstigeren Konditionen von Seiten der Stakeholder erwarten. Unter dieser Voraussetzung geht wegen der Konkavität ihres Anspruches ein höheres Risiko mit höheren bzw. ein Risikomanagement des Unternehmens mit niedrigeren Prämienforderungen der Stakeholder drja) d{-a)
^STV{a,DU STV{a,D)D
^^
.... ^ ^
einher, was den Residualanspruch der Aktionäre entsprechend be- bzw. entlastet. Haben wir damit eine positive Rolle von Risikomanagement aus Aktionärssicht gefunden? Wir meinen nein, denn die Risikopolitik der Shareholder wird nun der Aufgabe SHV(a,D)
—^
maxi
aG[0,l]
u. d. NB.
(32)
STV{a, ß • (1 + r{a))) -B
=0
folgen, die wegen der Wertadditivität SHV{a,D)
+ STV{a,D)
= E{Y{a))
(33)
äquivalent ist zu der Aufgabe, den Unternehmens^e5am^K;er^ zu maximieren: E{Y{a))
—> maxi
(34)
Q:G[0,1]
Ob Unternehmensgesamtwert-Maximierung gleichzeitig eine Präferenz der Aktionäre für Risikomanagement bedingt, hängt demnach von dem Zusammenhang zwischen „Wert" und „Risiko" innerhalb der Alternativenmenge, dem Risk-Return-Trade-Off ^ = d Risk{a)
^^^^
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung
199
ab. Die Einstellung der Aktionäre gegenüber dem Risikomanagement ist... ... positiv ... indifferent ... negativ
A0
(36)
gilt. Insbesondere resultiert aus dem Stakeholder-Ansatz ein positives HedgingMotiv nur dann, wenn wertvolle Projekte zugleich mit geringerem Risiko verbunden sind (A < 0). Genau um diesen Punkt greift Stulz^ (1996) Argumentation zu kurz: „To the extent risk management can protect ... corporate stakeholders, the Company can ... increase firm value" (S. 14). Ob der RiskReturn-Trade-Off A tatsächlich negativ ist, lässt sich allenfalls kasuistisch (und wohl empirisch) beurteilen. Etablierte theoretische Modelle wie etwa Markowitz' Portfolio Selection postulieren übrigens das Gegenteil (A > 0), hätten eine Präferenz für riskantere Unternehmenspolitiken zur Folge. Im Kontext Rothschild/Stiglitz-diSerenzierter Projekt alternativen schließlich, der weiter oben für eine aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung als sinnvolle Modellumgebung identifiziert wurde (vgl. Satz 1), verhalten sich dem Stakeholder-Ansatz folgende Anteilseigner dem Risiko gegenüber indifferent (A = 0).
6 Zusammenfassung Der Beitrag enthält eine Kategorisierung und kritische Diskussion verbreiteter Literaturauffassungen zur Rolle von Risikomanagement in aktionärsgeführten Unternehmen. „Subjektivistische" Ansätze leiten ein natürliches HedgingMotiv aus der angenommenen Risikoaversion der Entscheidungsträger ab, können zu dem Untersuchungsgegenstand eines den Marktwert des Eigenkapitals maximierenden Aktionärs aber wenig beitragen. Dieser agiert wegen des Optionscharakters des Eigenkapitals genuin risikofreudig. Die mit Marktwerten operierenden, „objektivistischen" Literaturansätze versuchen deshalb, Risikomanagement aus exogenen Friktionen und den damit verbundenen Kosten heraus zu rechtfertigen. Eine genaue Identifikation des im Shareholder ValueKontext relevanten Risikomaßes durch Rothschild/Stiglitz-T)om.ma,nz zeigt, dass die der Gestalt konkretisierten Vorhersagen des Schrifttums der Beliebigkeit anheim fallen und als theoretisch gestütztes Argument für eine positive Rolle von Risikomanagement deshalb wenig belastbar sind. Ähnliches gilt für eine Reihe anderer Literaturmotive, die auf spezielle Informationsasymmetrien zwischen Anteilseignern und Management rekurrieren, die Dominanz des klassischen Varianzhedgings in der einschlägigen Literatur aber ebenfalls nicht schlüssig zu erklären vermögen. Eine neue Sichtweise des Hedgingproblems wurde für den „StakeholderAnsatz" entwickelt, der eine Vorteilhaftigkeit von Risikomanagement aus der natürlichen Risikoaversion von Stakeholdern mit Fixanspruch ableitet. Für die
200
Wolfgang Kürsten
Logik dieses Ansatzes ist die Antizipationsfähigkeit der Stakeholder in Bezug auf das Unternehmensrisiko erforderlich; dies bedingt dann aber, dass die Aktionäre ihre Unternehmenssteuerung nicht am Risiko, sondern am Unternehmensgesamtwert festmachen. Eine Präferenz für Risikomanagement resultiert hieraus lediglich, wenn genau die risikoärmsten Projekte den größten Marktwert aufweisen. Es handelt sich dabei um eine Prämisse, die aus empirischer Sicht allenfalls kasuistisch überprüft werden kann und die theoretisch das Gegenteil dessen darstellt, was etwa in der Markowitz^sehen Portfolio Selection einem der Paradigmen der modernen Finanzierungstheorie - unterstellt wird. In der Gesamtsicht ist eine robuste Theorie zur Erklärung von Risikomanagement bei aktionärsorientierter Unternehmenssteuerung bislang nicht erkennbar. Wir sehen hier vielmehr Forschungsbedarf und die Notwendigkeit des Eingeständnisses, mit dem Thema „Risikomanagement in Unternehmen" vorsichtiger umgehen zu müssen. Gegebenenfalls besteht auch Anlass, die neuerdings zurückhaltenden Befunde hinsichtlich der empirischen Relevanz von Derivaten im unternehmerischen Risikomanagement^^ im Lichte der aufgezeigten Theoriedefizite zu bewerten.
A Anhang Beweis von Satz 1:^^ Unterscheiden sich die auf dem Intervall [a, b] verteilten Projekte a G [0,1] nach dem Rothschild/Stiglitz-KhteYmm (1970) und sind sie o. B.d. A. nach aufsteigendem Risiko geordnet, gilt für die integrierten Verteilungsfunktionen bekanntlich — /
F(a,y)dy =: — F{a,x)
= F^(a,^) \
^
sonst.
(Al) Insbesondere sind die Erwartungswerte aller Projekte gleich (man beachte E{Y{a)) = b — F ( a , 6) = const.). Der Shareholder Value bei Belastung mit der Gläubigerforderung D lässt sich vermöge partieller Integration gemäß SHV{a, D) = E{Y{a)) - E{min{D,
=
E{Y)-D-\-F{a,D)
Y{a)})
(A2)
schreiben, wobei die Eigenschaft identischer Erwartungswerte schon berücksichtigt ist. Vor die Wahl zwischen zwei Projekten mit unterschiedlichem Risiko gestellt, wird sich der Aktionär (unabhängig von D) für das Rothschild/Stiglitz-xiskaiateie Projekt entscheiden: ^^ Vgl. Brown (2001) oder Guay/Kothari (2003) mit weiteren Nachweisen. ^^ Vgl. technisch schon Kürsten (1994), S. 31-35, jedoch dort in anderem Zusammenhang.
Risikomanagement und aktionärsorientierte Unternehmenssteuerung ^
SHV{a,
D) = Fa[a,D)>0
201 (A3)
Das beweist die eine Richtung von Satz 1. Umgekehrt sei es nun so, dass ein erwartungswertneutraler, hinsichtUch des Risikobegriffs noch unspezifizierter Projektwechsel von den Aktionären unabhängig von der konkreten Gläubigerforderung D begrüßt wird: ^ SHV(a, da
D)>0
für alle D e (a, 6)
(A4)
Die Annahme, es handele sich dabei nicht u m ein im Rothschild/Stiglitz-Simie riskanteres Projekt, führt nun zum Widerspruch. Denn es existierte d a n n ein DQ G (a, h) mit F ( a , DQ) < 0 (man beachte, dass an den R ä n d e r n Do ^ { 1 - a (1 + c)rD
(10)
Im Folgenden soll davon ausgegangen werden, dass (10) gegeben ist. Diese Annahme spiegelt nicht nur den in der Realität beobachtbaren Interessenkonflikt zwischen Banken und Bankenaufsicht wider, sondern ergibt sich auch aus der Parameterkonstellation in (10), wenn wir für (1 — a) einen hinreichend kleinen Wert (z. B. 0,001) annehmen. Die Diskrepanz zwischen EK* und EKreg ist umso größer, je größer die Konditionsmarge {r — ro) und je geringer die Insolvenzkosten c sind. In Bezug auf // ist die DiJBFerenz zwischen regulatorischem und bankoptimalem Eigenkapital konstant.
3 Anreizkompatibles Rating Die aufgrund der Regulierung geforderte Eigenmittelunterlegung hängt von der Ausfallwahrscheinlichkeit, die hier durch den Erwartungswert des Cash Flows parameterisiert wird, ab. Dies ist sinnvoll, um die Mindesteigenkapitalausstattung der Bank in der Weise zu bemessen, dass eine als tolerabel angesehene (geringe) Ausfallwahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Problematisch wird eine solche Vorschrift jedoch, wenn die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers für die Aufsichtsbehörde nicht beobachtbar ist und die Bank keinen Anreiz hat, die „wirkliche" Ausfallwahrscheinlichkeit bekannt zu geben. Da die Bank eine niedrigere als die regulatorisch geforderte Eigenmittelausstattung präferiert, hat sie vielmehr einen Anreiz, das Ausfallrisiko aus der Kredit vergäbe geringer als tatsächlich von ihr erkannt auszuweisen. Um die Zuverlässigkeit des internen Ratings zu gewährleisten, fordert Basel II neben einer Überprüfung der Rating-Systeme durch statistische Tests und neben organisatorischen Maßnahmen, dass das Rating-System in die Unternehmenssteuerung einbezogen wird (vgl. Basel Committee (2004, §§ 444, 445)). Wir wollen hier einen speziellen Aspekt dieser Einbindung in die interne Unternehmenssteuerung herausgreifen, indem wir diese Vorschrift so interpretieren, dass der Nominalzinssatz, den die Bank vom Kreditnehmer fordert, an das Rating gekoppelt sein muss. Der geforderte Nominalzins muss
Anreizkompatible Kreditrisikomessung
217
umso kleiner sein, je besser das Rating des Kreditnehmers ist. Dabei unterstellen wir, dass jede Ausprägung des Erwartungswerts des Cash Flows einer Rating-Klasse entspricht. Die Bank steht damit vor folgendem Entscheidungsproblem: Ordnet sie dem Schuldner bewusst ein besseres Rating zu, als diesem aufgrund der der Bank vorliegenden Informationen zukäme, so kann sie die regulatorisch geforderte Eigenmittelunterlegung senken und diese näher an die bankoptimale Eigenmittelunterlegung heranführen. Hierdurch kann sie in größerem Umfang von der Finanzierung durch Depositen Gebrauch machen und den Marktwert der Bank erhöhen. Diesem Vorteil stünde allerdings als Nachteil ein geringerer Zinsertrag aus dem Kreditgeschäft gegenüber, wenn zusätzlich gefordert wird, dass ein besseres Rating mit einem geringeren Nominalzinssatz einhergehen muss. Der Signalling-Theorie (vgl. Spence (1973, 1974)) können wir die Bedingungen entnehmen, die erfüllt sein müssen, damit eine Bank keinen Anreiz hat, das Rating eines Schuldners zu positiv darzustellen. Zentrale Voraussetzung ist, dass die Vor- und Nachteile, die mit der Zuordnung eines bestimmten Ratings verbunden sind, in einer geeigneten Weise von der „wahren" Bonität des Schuldners abhängen. Ist die Höhe des Nominalzinssatzes an die Ratingeinstufung gebunden, so entscheidet die Bank jeweils über Kombinationen von Nominalzinssatz und Eigenmittelunterlegung entsprechend der Zuordnung zu einer Rating-Klasse. Die Bank hat also die Wahl zwischen einer niedrigen Eigenmittelunterlegung und einem niedrigen Nominalzinssatz und zwischen einer höheren Eigenmittelunterlegung und einem höheren Nominalzinssatz. Wir betrachten nun Isoertragskurven als geometrischen Ort solcher Kombinationen von Nominalzinssatz und Eigenmittelunterlegung, die den gleichen Ertrag erbringen. Die Steigung dieser Isoertragskurven, d.h. die Grenzrate der Substitution zwischen Eigenkapitalunterlegung und Nominalzinssatz erhalten wir aus: di^ _ dEK
dV/dEK dV/di^
_
(1 + c)rD • F {rD[I - EK]) - (r - rp) / . (1 Fii^I))
Die Steigung der Isoertragskurve (11) ist negativ für alle EK < EK*, sie entspricht Null für EK = EK* und ist positiv im Bereich EK > EK* (vgl. Abb. 1). Das von der Isoertragskurve repräsentierte Marktwertniveau ist umso größer, je weiter die Kurve von der Abszisse entfernt liegt. Die entscheidende Bedingung dafür, dass die Wahl zwischen den verschiedenen Kombinationen aus Nominalzinssatz und Eigenmittelunterlegung entsprechend der „wahren" Bonität erfolgt, ist, dass die Isoertragskurven umso steiler verlaufen, je besser die „wahre" Bonität des Kreditnehmers ist, d. h. je größer die Ausprägung von fi ist.
218
Thomas Hartmann-Wendels
EK*
EK
Abb. 1. Isoertragskurve hinsichtlich Eigenkapitalunter legung und Nominalzinssatz Wird (11) nach dem Erwartungswert abgeleitet, so wird deutlich, dass die Steigung der Isoertragskurven positiv mit /i korreliert ist: d_
rojl + e) . f{TD[I - EK]) • (1 / • [1 - F(i^/)]2
dEK
+
f(i^I).
F{i^I))
[mil + c) . F{rD[I - EK]) - (r - TD)]
(12)
/ . [1 _ F{i^I)Y
>0 Gleichung (12) wird auch als „Single-crossing-Bedingung" bzw. als „SpenceMirrlees-Eigenschaft" bezeichnet (vgl. Laffont/Marümort (2002, S. 91 ff.)). Die Bedeutung dieser Bedingung soll anhand von Abb. 2 erläutert werden. Wir betrachten zwei Kreditportfolien, deren Ausfallrisiken durch die Erwartungswerte /ii und /i2 mit /i2 > /^i parameterisiert werden, d. h. Kreditportfolio 1 ist mit einem höheren Ausfallrisiko als Kreditportfolio 2 verbunden. Mit ßi und ^2 sind die Isoertragskurven bezeichnet, die jeweils gelten, wenn fjii bzw. /Z2 das „wahre" Ausfallrisiko repräsentiert. Wird ein Kredit von der Bank in die zu /ii gehörende Rating-Klasse eingestuft, so beträgt die regulatorische Mindesteigenkapitalunterlegung EKi^ wird der Kredit dagegen in die zu //2 gehörende Rating-Klasse eingeteilt, so beläuft sich die Eigenkapitalunterlegung auf EK2 mit EKi > EK2> Die Nominalzinssätze, die zu diesen Rating-Klassen kompatibel sind, betragen i^^ und i^ mit i^ > 12 Wird das „wahre" Ausfallrisiko durch 112 gekennzeichnet, so ist es für die Bank vorteilhaft, die Kombination {i2,EK2) zu wählen, da hierdurch ein höheres Ertragsniveau erreicht werden kann als bei Wahl von (i^^EKi). In Abb. 2 ist dies daran zu erkennen, dass die zu /i2 gehörende Isoertragskurve, die durch den Punkt {i^,EK2) verläuft, oberhalb der Isoertragskurve /j,2
Anreizkompatible Kreditrisikomessung
219
i 1
l 2
EK2
EKj
EK
Abb. 2. Single-Crossing-Bedingung liegt, die durch den Punkt (i^^EKi) verläuft. Repräsentiert /^i dagegen das wahre Ausfallrisiko, so führt die Kombination {i^,EKi) zu einem höheren Ertragsniveau als die Kombination {i^,EK2)j da die zu fii gehörende Isoertragskurve, die durch den Punkt {i^, EKi) verläuft, oberhalb von //{ liegt, die durch (22^, EK2) verläuft. Die Single-Crossing-Bedingung stellt sicher, dass diese Eigenschaft für beliebige Werte von fi gilt, also auch dann, wenn /i nicht nur zwei Ausprägungen, sondern beliebige Werte (innerhalb eines Intervalls) annimmt.
4 Zusammenfassung u n d Ausblick Es konnte gezeigt werden, dass eine Bank zu einem wahrheitsgemäßen Rating motiviert werden kann, wenn zwischen Rating-Zuordnung und Kreditkonditionen eine eindeutige Beziehung besteht in der Weise, dass der Kreditzinssatz umso niedriger ist, je besser die Rating-Zuordnung ist. Zu beachten ist allerdings, dass dieses Ergebnis nur in einem Modell, das auf speziellen Annahmen beruht, erzielt wurde. In der Realität hängt die Rating-Zuordnung nicht von einem einzelnen Parameter der Wahrscheinlichkeitsverteilung künftiger Cash Flows ab, sondern von einer Vielzahl von Faktoren, wie z.B. der Ausprägung bestimmter Bilanzkennzahlen, der Beurteilung der Managementfähigkeiten und der Produkte des Kreditnehmers usw. (vgl. HartmannWendels/Lieberoth-Leden/Mählmann/Zunder (2005)). Aus der Vielzahl dieser Faktoren ergibt sich die Einstufung des Kreditnehmers in eine Rating-Klasse und die Zuordnung einer Ausfallwahrscheinlichkeit. Kreditrisiken unterschiedlicher Rating-Klassen lassen sich nicht - wie im Modell - nach dem Kriterium der stochastischen Dominanz erster Ordnung ordnen.
220
Thomas Hartmann-Wendeis
Auch die Beziehung zwischen dem geforderten Kreditzins und der Ausfallwahr scheinUchkeit ist wesentlich komplizierter als im Modell angenommen. Maßgeblich für die Kreditkonditionen sind neben der Ausfallwahrscheinlichkeit auch der vermutliche Verlust im Insolvenzfall (Löss Given Default). Anders als im Modell gibt es in der Realität keine eindeutige Beziehung zwischen Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlust im Insolvenzfall. Von Bedeutung sind auch die Laufzeit des Kredits sowie Art und Umfang der Besicherung, schließlich spielen auch Marktmacht und Verhandlungsgeschick eine Rolle. O b unter diesen Bedingungen Anreizkompatibilität des Rating-Systems gewährleistet werden kann, ist eine Frage, die durch das Modell nicht beantwortet werden kann. M a n wird somit nicht auf eine Überprüfung der Zuverlässigkeit von RatingSystemen mit Hilfe statistischer Tests verzichten können, eine Kompatibilität von Rating-Einstufung und Gestaltung der Kreditkonditionen sollte aber wie vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgeshen - ein ergänzendes Kriterium sein, anhand dessen die Glaubwürdigkeit von Rating-Einstufungen überprüft werden kann.
Literaturverzeichnis 1. Basel Committee on Banking Supervision (2004): International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards. A Revised Framework, Basel. 2. Bühler, W., Engel, C , Korn, C , Stahl, G. (2002): Backtesting von Kreditrisikomodellen. In: Oehler, A. (Hrsg.): Kreditrisikomanagement-Kernbereiche, Aufsicht und Entwicklungstendenzen, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, S. 181-217. 3. Bundesverband Deutscher Banken (2004): Statut des Einlagensicherungsfonds, Berlin. 4. Deutsche Bundesbank (2003): Validierungsansätze für interne Ratingsysteme. In: Monatsbericht September 2003, S. 61-74. 5. Prerichs, H., Löffler, G. (2003): Evaluating Credit Risk Models Using Löss Density Forecasts. In: Journal of Risk, vol. 5, S. 1-23. 6. Hartmann-Wendeis, T. (2003): Basel II. Die neuen Vorschriften zur Eigenmittelunterlegung von Kreditrisiken, Economica, Heidelberg. 7. Hartmann-Wendeis, T., Lieberoth-Leden, A., Mählmann, T., Zunder, I. (2005): Entwicklung eines Ratingsystems für mittelständische Unternehmen und dessen Einsatz in der Praxis. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Sonderheft 52/05, S. 1-29. 8. Hartmann-Wendeis, T., Pfingsten, A., Weber, M. (2004): Bankbetriebslehre, 3. Aufl., Springer, Berlin et al. 9. Hose, S., Huschens, S. (2003): Sind interne Ratingsysteme im Rahmen von Basel II evaluierbar? Zur Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten durch Ausfallquoten. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 73. Jg., S. 139-168. 10. Kollbach, W. (2002): Objektiv und zuverlässig: Die Entwicklung des Klassifizierungsverfahrens. In: Bankinformation und Genossenschaftsforum, 11. Jg. S. 10-17. 11. Kurbat, M., Korablev, I. (2002): Methodology for Testing the Level of the EDFTM Credit Measure, Working Paper, Moody's/KMV.
Anreizkompatible Kreditrisikomessung
221
12. Laffont, J.-J., Martimort, D. (2002) : The Theory of Incentives, Princeton University Press, Oxford. 13. Meyer zu Seihausen, H. (2004): Ist die Validierung von Kreditportfoliorisikomodellen prinzipiell unmöglich?, in: Österreichisches Bankarchiv, 52. Jg., S. 766-781. 14. Schierenbeck, H. (2001): Ertragsorientiertes Bankmanagement, 7. Aufl., Bd. 1, Gabler, Wiesbaden. 15. Spence, A.M. (1973): Job Market Signaling. In: Quarterly Journal of Economics, vol. 87, S. 355-374. 16. Spence, A.M. (1974): Market Signaling: Informational Transfer in Hiring and Related Processes, Cambridge, Harvard University Press. 17. Tasche, D. (2003): A Traffic Lights Approach to PD Validation, Deutsche Bundesbank, Working Paper. 18. Wilhelm, J. (1982): Die Bereitschaft der Banken zur Risikoübernahme im Kreditgeschäft. In: Kredit und Kapital, 15. Jg., S. 572-601. 19. Wilhelm, J. (1983): Finanztitelmärkte und Unternehmensfinanzierung, Springer, Berlin et al. 20. Wilhelm, J. (1991): Spurensuche: Neoklassische Elemente in der „neuen" Finanzierungstheorie, in: Ordelheide, D., Rudolph, B., Büsselmann, E. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und Ökonomische Theorie, Poeschel, Stuttgart, S. 173196.
Veröffentlichungsverhalten bei Restrukturierungen
finanziellen
Rolf Bühner und Susanne Krenn Universität Passau, Lehrstuhl für BWL mit Schwerpunkt Organisation und Personalwesen, Innstraße 27, D-94030 Passau buehnerOuni-passau.de krennSuni-passau.de
Gliederung 1
Einleitung
224
2
Einflussfaktoren auf die Wahl der Ankündigungsform
227
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
Vorstandswechsel Unternehmenserfolg Unternehmensgröße Branche Unsicherheit
227 227 229 230 231
3
Daten und Methoden
232
3.1
Messung der abhängigen Variable
233
3.2
Messung der unabhängigen Variablen
235
4
Ergebnisse
236
5
Zusammenfassung
240
Literaturverzeichnis
241
224
Rolf Bühner und Susanne Krenn
1 Einleitung Die Bedeutung von Informationen wird im Rahmen der Finanzierungsliteratur und -theorie ausführlich diskutiert.^ Auch in einigen Arbeiten von Jochen Wilhelm^ dem dieser Beitrag gewidmet ist, spielt dieses Thema eine zentrale Rolle. So untersucht er in Wilhelm (2003) die Wirkung zusätzlicher Informationen über die Zahlungsverteilung von Unternehmen im Zeitablauf^ und die damit einhergehende verringerte Unsicherheit auf den Unternehmenswert und hebt in Wilhelm (1989) die Bedeutung von Information für eine marktwertmaximale Investitionspolitik hervor.^ Im Unterschied zu seinen Arbeiten, die formal-mathematischer Natur sind, wird in der vorliegenden Arbeit auf empirische Weise ein wichtiger Teilaspekt der Information, nämlich die freiwillige Anlegerkommunikation untersucht. Frühe Arbeiten zu freiwilligen Veröffentlichungen konzentrieren sich vor allem auf die Kapitalmarktreaktionen in Bezug auf die Ankündigung von Gewinnprognosen oder von anderen ergebnisbezogenen Veröffentlichungen. Außerdem wurden die Motive freiwilliger Veröffentlichungen diskutiert sowie der Einfluss verschiedener Unternehmenscharakteristika auf die Veröffentlichungsentscheidung untersucht. In aktuelleren Studien wurde zunehmend auch auf die Veröffentlichung qualitativer, nicht-finanzieller Informationen eingegangen. Neben der Frage, ob und unter welchen Umständen derartige Informationen veröffentlicht werden, wird dabei auch die Qualität sowie der Inhalt der von Unternehmen präsentierten Informationen analysiert.^ Unter Bezugnahme auf diese neueren Studien untersuchen wir in der vorliegenden Arbeit Bedingungen, die Einfluss auf das Ankündigungsverhalten von Unternehmen bei Finanzrestrukturierungen haben. Unter Finanzrestrukturierungen sind signifikante Veränderungen der Kapitalstruktur eines Unternehmens zu verstehen.^ In dem verwendeten Datensatz sind darunter Eigenkapital-, Fremdkapitalund Dividendenänderungen sowie Maßnahmen der Innenfinanzierung zusammengefasst.^ Im Unterschied zu bisherigen Studien berücksichtigen wir in unserer Analyse, dass Unternehmen grundsätzlich zwei Möglichkeiten haben, um finanzielle Restrukturierungsereignisse anzukündigen. Entweder berichten sie über die Absicht, eine bestimmte Maßnahme durchzuführen, oder sie melden die tatsächliche/bereits abgeschlossene Durchführung einer Aktivität.^ Die erste Variante wird im Folgenden als Plan-Ankündigung bezeichnet, bei der zweiten Für einen umfassenden Überblick vgl. Healy, P.M. und Palepu, K.G. (2001). Vgl. Wilhelm (2003). Vgl. Wilhelm (1983, S. 529). Vgl. z.B. Frankel, R. et al. (1999), Narayanan, V.K. et al (2000), Bens, D.A. (2002), Bushee, B.J. et al. (2003). Vgl. Donaldson, G. (1994, S. ^-S). Für eine Übersicht der in der vorliegenden Studie einbezogenen Maßnahmen, vgl. Tabelle 2 auf S. 234. Vgl. HeaHh, D. und Zaima, H. (1986, S. 71).
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
225
Spielart sprechen wir von einer Ist- oder Implementierungs-Ankündigung. Da der Plan nicht immer mit dessen Implementierung einhergehen muss, unterscheiden wir drei Formen des Ankündigungsverhaltens: •
•
•
Plan-Ankündigungen, bei denen nur über die Absicht einer Restrukturierungsmaßnahme berichtet wird, eine Folgemeldung über die tatsächliche Umsetzung der Maßnahme jedoch ausbleibt. Implementierungs-Ankündigungen, bei denen nur die Realisierung einer Maßnahme gemeldet wird, ohne dass dieser eine Plan-Ankündigung vorausgeht. Plan-Ist-Ankündigungen, bei denen in zeitUcher Abfolge sowohl über die Absicht als auch über die erfolgte Implementierung berichtet wird.
Die Art und Weise, wie ein Unternehmen sich nach außen darstellt, hängt wesentlich vom (Informations-) Verhalten seiner verantwortlichen Manager, bei Aktiengesellschaften insbesondere dem Vorstandsvorsitzenden ab.^ Wir gehen davon aus, dass Manager^, die überwiegend über Implementierungen berichten, sich vorsichtig verhalten. Sie lassen die Anleger und andere Stakeholder über ihre Absichten im Unklaren und treten erst dann an die Öffentlichkeit, wenn das angestrebte Ziel erreicht ist. Eine mögliche Erklärung für dieses Verhalten liefert die Proprietary Cost Hypothese. Danach halten Unternehmen Informationen zurück, die ihrer Wettbewerbsposition schaden könnten. ^^ Ebenso ist denkbar, dass die Manager der Unternehmen negative persönliche Konsequenzen befürchten, falls sie die angekündigte Maßnahme nicht umsetzen können. Berichten sie in zeitlicher Abfolge sowohl über die Planung als auch über die Implementierung der Restrukturierungsmaßnahme, so werben sie bei den Adressaten ihrer Information um Vertrauen und schaffen eine Basis für ihre eigene Glaubwürdigkeit. Sie zeigen damit, dass sie ihre Versprechen halten und keine Erwartungen wecken, die sie nicht erfüllen können. Diese Form des Ankündigungsverhaltens dient zudem dazu, Informationsasymmetrien zwischen Eignern und Managern abzubauen. Dies gelingt nur, wenn die präsen-
Vgl. Staw, B.M. et al (1983, S. 586), Hamhrick, D.C. und Mason, P.A. (1984, S. 193). Der Begriff Manager wird im Folgenden mit dem Vorstandsvorsitzenden gleichgesetzt. Vgl. hierzu ausführlich u. a. Verrecchia, R.E. (1983), Darrough, M. und Stoughton, N. (1990), Wagenhofer, A. (1990), Feltham, G. und Xie, J. (1992), Darrough, M. (1993), Newman, P. und Sansing, R. (1993), Gigler, F. (1994), Verrecchia, R.E. (2001). In einer Umfrage unter US-amerikanischen Führungskräften wurde dieser Aspekt als sehr reales Risiko umfassender Berichterstattung über strategische Entscheidungen identifiziert (vgl. Higgins, R.B. und Diffenbach, J. (1989, S. 136)). Im Zusammenhang mit Finanzrestrukturierungen erscheint diese Begründung insbesondere dann ausschlaggebend, wenn die angekündigte Maßnahme Rückschlüsse auf strategische Schritte erlaubt.
226
Rolf Bühner und Susanne Krenn
tierten Informationen glaubwürdig sind.-^^ In der Literatur wird vorgeschlagen, die Glaubwürdigkeit von Informationen nach der Häufigkeit der Umsetzung früherer Plan-Meldungen zu beurteilen.-^^ Absichtserklärungen sind demnach nur dann glaubwürdig, wenn die angekündigten Pläne normalerweise auch in die Tat umgesetzt werden. Berichten die Manager nur über ihre Pläne, ohne dass in der Folge auch die Umsetzung der Maßnahmen gemeldet wird, so kann dies einmal daran liegen, dass die geplante Maßnahme (aus welchen Gründen auch immer) nicht umgesetzt wurde. Um nicht zusätzlich Aufmerksamkeit auf die NichtImplementierung zu lenken, wird auf eine entsprechende Meldung verzichtet. Weiterhin ist denkbar, dass bei manchen Ereignissen die Umsetzung (auch von der Öffentlichkeit) als selbstverständlich erachtet wird und deswegen keine Implementierungs-Meldung erfolgt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass eine Ankündigung erfolgt, ohne dass überhaupt die Absicht besteht, den Plan tatsächlich ausführen zu wollen. In diesem Fall kann die Ankündigung auf den bewussten Versuch des Managements zurückgeführt werden, außenstehende Stakeholder, insbesondere die Aktionäre zu beeindrucken. In der Verhaltensliteratur wird diese Form des Eindruckmachens als S3mibolisches Management bezeichnet.-^^ Im Folgenden wird untersucht, von welchen Faktoren die Wahl zwischen Plan-, Implementierungs- und Plan-/Ist-Ankündigungen abhängt. Auf Basis von Erkenntnissen früherer Studien zur Entwicklung einer Veröffentlichungstheorie^^ gehen wir dabei im Besonderen auf die Auswirkungen unternehmensspezifischer und externer Faktoren ein. Wir konzentrieren uns dabei auf die in diesem Zusammenhang am häufigsten diskutierten unternehmensspezifischen Faktoren des Unternehmenserfolgs und der Unternehmensgröße sowie auf die Branche und die Umwelt Unsicherheit als relevante externe Einflussfaktoren. Zunächst überprüfen wir, inwiefern sich ein Wechsel des obersten Managements auf die Wahl der Ankündigungsform auswirkt. Da wir börsennotierte Unternehmen untersuchen, konzentrieren wir uns auf den Wechsel des Vorstandsvorsitzenden, der normalerweise für die Unternehmenskommunikation verantwortlich zeichnet. Dieses Vorgehen ist durch die Upper Echelons Literatur gestützt, in der die Bedeutung und der Einfluss der Werte und kognitiven
Vgl. Healy, P.M. und Palepu, K.G. (2001). Signale im Allgemeinen und Anforderungen an ihre Glaubwürdigkeit werden in Wilhelm (1991) aus neoklassischer Sicht beleuchtet. Vgl. Weigelt, K. und Camerer, C. (1988, S. 444), Heil, O. und Robertson, T.S. (1991, S. 408). Vgl. hierzu u.a. Westphal, J.D. und Zajac, E.J. (1998, S. 129-131), Westphal, J.D. und Zajac, E.J. (2001, S. 205f.). Verrecchia, R.E. (2001, S. 98) weist darauf hin, dass bislang noch keine einheitliche Veröffentlichungstheorie existiert.
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
227
Einstellungen des obersten Managements auf unternehmerische Entscheidungen hervorgehoben wird.-^^
2 Einflussfaktoren auf die Wahl der Ankündigungsform 2.1 Vorstandswechsel Die Folgen eines Wechsels an der Unternehmensspitze wurden in der Finanzund Managementhteratur eingehend untersucht.-^^ Viele Autoren auf diesem Gebiet betonen, dass ein Wechsel an der Unternehmensspitze eine disruptive Änderung darstellt, durch die es den Unternehmen möglich ist, sich stärker den Anforderungen der Umwelt anzupassen.-^^ Neuberufene Manager fühlen sich weniger dem Status Quo verpflichtet und stellen existierende Ziele, Prozesse und Normen eher in Frage.^^ Dies mündet in einer Erwartungshaltung gegenüber neuberufenen Managern, dass sie Neues wagen und Änderungen durchsetzen. Soweit sich der neuberufene oberste Manager dieser Erwartungen bewusst ist, wird er bestrebt sein, zu beweisen, dass er diese auch erfüllen kann. Durch eine glaubwürdige Informationspolitik kann er diesen Beweis erbringen und das Vertrauen in seine Person und seine Fähigkeiten stärken. Er signalisiert dem Markt, dass mit ihm die richtige Wahl getroffen wurde und dass die an ihn gestellten Erwartungen erfüllt werden. Indem er sowohl über seine Pläne als auch über deren Umsetzung berichtet, kann er zudem zeigen, dass sein Handeln das Ergebnis sorgfältiger Planung ist, und dass er imstande ist. Versprochenes in die Tat umzusetzen.-^^ Wir gehen daher von der folgenden Hypothese aus: Hypothese 1:
Ein Wechsel des Vorstandsvorsitzenden erhöht die Wahrscheinlichkeit für Plan-/Ist-Veröffentlichungen.
2.2 Unternehmenserfolg Der Einfluss des Unternehmenserfolges auf das Ankündigungsverhalten wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Studien, die sich auf die „adverse selection"-Problematik stützen, kommen zu dem Schluss, dass Unternehmen ihre Ergebnisse nur dann veröffentlichen, wenn diese eine bestimmte Erfolgsschwelle überschreiten.^^ Umgekehrt wird argumentiert, dass die Angst vor ^^ Vgl. ausführlich zur Upper Echelons Theorie Hambrick, D.C. und Mason, P.A. (1984). ^^ Überbhcke geben, u.a. Furtado, E.P.H. und Karan, V. (1990), Kesner, I.F. und Sehora, T.C. (1994), Finkelstein, S. und Hambrick, D.C. (1996). ^^ Vgl. Virany, B. et al. (1992, S. 75f.). ^^ Vgl. u.a. Hambrick, D.C. und Fukutomi, G. (1991, S. 723). ^^ Vgl. Higgins, R.B. und Diffenbach, J. (1989, S. 133.). ^° Vgl. hierzu ausführlich u.a. Verrecchia, R.E. (1983), Jung, W. und Kwon, Y.K. (1988, S. 147-152), Wagenhofer, A. (1990, S. 348-351).
228
Rolf Bühner und Susanne Krenn
Aktionärsklagen zu einer vermehrten Veröffentlichung schlechter Nachrichten führt.^^ Auch der Einfluss des Unternehmenserfolgs auf die Wahrscheinlichkeit für die Preisgabe von Gewinnprognosen konnte nicht eindeutig festgestellt werden. So wird in einigen Untersuchungen ein positiver Zusammenhang zwischen dem Unternehmensergebnis und der Wahrscheinlichkeit für die Preisgabe von Gewinnprognosen konstatiert,^^ während andere Studien keinen bzw. gar einen negativen Zusammenhang aufzeigen.^^ Im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung der Unternehmensstrategie führen Higgins, R.B. und Diffenhach, J. (1989) an, dass kleine und gesunde Unternehmen weniger Vorteile aus einer umfassenden Kommunikation ziehen können als Unternehmen in einer Turnaround-Situation. Letztere würden davon profitieren, dass sie eine klare und glaubhafte Strategie präsentieren, mit deren Hilfe das Unternehmen gerettet werden kann.^^ Durch die Veröffentlichung ihrer Restrukturierungspläne können die Manager weniger erfolgreicher Unternehmen der interessierten Öffentlichkeit bzw. ihren (potenziellen) Anlegern signalisieren, dass sie die Notwendigkeit für Änderungen erkannt haben und aktiv an einer Verbesserung ihrer Situation arbeiten. Eine darauf folgende Meldung über die Umsetzung der angekündigten Maßnahme hilft ihnen, die Konstanz ihrer Aktivitäten und die Glaubwürdigkeit ihrer Informationen zu unterstreichen. Dadurch können sie Vertrauen in das Unternehmen sowie in ihre Managementfähigkeiten zurückgewinnen. Auch die so genannte Proprietary Cost Hypothese,^^ die zahlreichen theoretischen und empirischen Studien zugrunde liegt, liefert Hinweise auf einen möglichen Einfluss des Unternehmenserfolgs auf die Wahl der Ankündigungsform. Manager halten danach vertrauliche Informationen zurück, um ihre Wettbewerbsposition nicht zu gefährden. Insbesondere die Spitzenführungskräfte erfolgreicher Unternehmen müssen befürchten, dass neue Wettbewerber, angelockt durch ihren Erfolg, in ihre Märkte drängen.^^ Sie werden folglich bestrebt sein, ihren potenziellen wie aktuellen Konkurrenten keine Informationen zur Verfügung zu stellen, die diese in die Lage versetzen könnten, die Ursachen ihres Erfolges zu identifizieren.^^ Sie werden deshalb so wenig wie möglich über ihre Pläne bekannt geben. Es lassen sich demnach folgende zwei Hypothesen ableiten:
24
Vgl. ausführlich u.a. Skinner, D.J. (1994). Vgl. u.a. Penman, S.H. (1980, S. 150f.), Lev, B. und Penman, S.H. (1990, S. 60-67). Vgl. z.B. Ajinkya, B.B. und Gift, M.J. (1984, S. 436-438). Vgl. Higgins, R.B. und Diffenbach, J. (1989, S. 134). Vgl. Verrecchia, R.E. (1983, S. 181f.), Verrecchia, R.E. (2001, S. 141-160). Vgl. Porter, M. (1980, S. 14), Bain, J.S. (1987, S. 219f.). Vgl. Bens, D.A. (2002, S. 10).
VeröfFentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen Hypothese 2a:
Hypothese 2b:
229
Mit steigendem Unternehmenserfolg steigt die Wahrscheinlichkeit für Implementierungs-Veröffentlichungen. Mit sinkendem Unternehmenserfolg steigt die Wahrscheinlichkeit für Plan-/Ist-Veröffentlichungen.
2.3 U n t e r n e h m e n s g r ö ß e Für den Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Informationspolitik werden in der Veröffentlichungsliteratur mehrere Gründe angeführt. Einmal sind größere Unternehmen anfälliger für Schadensersatzverfahren seitens der Aktionäre, weil sie „tiefere Taschen" haben.^^ Diesen Aktionärsklagen versuchen die Manager der Unternehmen durch eine umfassende Veröffentlichungspolitik vorzubeugen. Weiterhin ist die Verbreitung von Veröffentlichungen für kleinere Unternehmen kostspieliger und schwieriger als für größere Unternehmen. Die Medien bringen beispielsweise eher Berichte über große Unternehmen und Analysten nehmen eher an Pressekonferenzen großer Unternehmen teil.^^ Hinzu kommt, dass auch in effizienten Kapitalmärkten Manager über bessere Informationen als Eigner verfügen.^^ Wie Barry, C.B. und Brown, S,J. (1986) zeigen konnten, bewirken hohe Informationsasymmetrien, dass das systematische Risiko einer Aktie steigt. Dies hat zur Folge, dass Investoren eine zusätzHche Prämie verlangen, um dieses Risiko zu kompensieren.^^ Indem die Manager ausführlich über ihre Pläne berichten und durch die Bekanntgabe der Umsetzung ihrer Vorhaben die Glaubwürdigkeit ihrer Informationen unterstreichen, können sie Informationsasymmetrien abbauen. Folglich wird das systematische Risiko der Aktie reduziert und die von Aktionären geforderte Risikoprämie sinkt. Insoweit können Manager durch eine glaubwürdige Unternehmenskommunikation die Kosten der Eigenkapitalbeschaffung mindern.^^ Da die Informationsasymmetrien zwischen Eignern und Managern bei größeren Unternehmen normalerweise höher sind als bei kleineren Unternehmen,^^ Vgl. Kasznik, R. und Lev, B. (1995, S. 124). Die Autoren konnten diesen Zusammenhang für die USA auch empirisch bestätigen. Sie stellten fest, dass Unternehmen dort umso mehr veröffentlichen, je größer der Umfang der gehandelten Aktien, da in diesem Fall der potentielle Schadensersatzanspruch steigt. Vgl. hierzu auch Lang, M. und Lundholm, R. (1993, S. 251). Vgl. Lang, M. und Lundholm, R. (1993, S. 250f.). Vgl. Healy, P.M. und Palepu, K.G. (2001, S. 420). Vgl. Barry, C.B. und Brown, S.J. (1985, S. 410-413), Barry, C.B. und Brown, S.J. (1986, S. 70). Zu einer ausführlicheren Diskussion von Risikoabschlägen, -Zuschlägen und -prämien aus finanzierungstheoretischer Sicht, vgl. Wilhelm, J. (2002). Für eine empirische Bestätigung dieses Zusammenhangs vgl. z. B. Graham, J.R. et al. (2004, S. 26). Vgl. Chow, C.W. und Wong-Boren, A. (1987, S. 538f.).
230
Rolf Bühner und Susanne Krenn
müssen sie sich mit Blick auf ihre Kapitalbeschaffungskosten verstärkt um eine Verringerung der Informationsunterschiede bemühen. Wir unterstellen daher folgenden Zusammenhang: Hypothese 3:
Mit zunehmender Unternehmensgröße steigt die Wahrscheinlichkeit für Plan-/Ist-Veröffentlichungen.
2.4 B r a n c h e Die Branche, in der ein Unternehmen tätig ist, wird in der Veröffentlichungsliteratur ebenfalls als wichtiger Einflussfaktor auf das Informationsverhalten diskutiert. So stellten Clarkson, P,M. et al, (1994) fest, dass die Wahrscheinlichkeit für Gewinnprognosen entscheidend von der Branchenzugehörigkeit der Unternehmen abhängig ist.^^ Sie führen beispielsweise die hohe Wahrscheinlichkeit für Ergebnisvorhersagen bei Unternehmen der Immobilienbranche auf die hier normalerweise üblichen langfristigen Projekte zurück. Die Zahlungsströme dieser Projekte ließen sich relativ gut prognostizieren, eine Nichterfüllung der Voraussagen sei daher eher unwahrscheinlich und die Prognose damit weniger riskant. Die relativ geringe Wahrscheinlichkeit für Gewinnprognosen bei Unternehmen der Metall verarbeitenden Industrie begründen sie dagegen mit der Unsicherheit über die Entwicklung der Rohstoff preise. Heil, 0. und Robertson, T,S. (1991) vermuten eine glaubwürdigere Unternehmenskommunikation bei Unternehmen, die in oligopolistischen Märkten agieren.^^ In diesen Märkten bestünden hohe Umsatz- und Gewinnabhängigkeiten zwischen den Unternehmen. Diese würden bewirken, dass jedes Unternehmen über genügend Marktmacht verfügt, um der gesamten Branche zu schaden oder zu nützen. Die potenziellen Kosten falscher Signale (und damit einer unglaubwürdigen Unternehmenskommunikation) wären in diesen Branchen damit sehr viel höher als in Branchen mit polypolistischer Struktur. Kasznik, R. und Lev, B. (1995) führen an, dass für Unternehmen, die in Branchen mit einem relativ hohen Risiko tätig sind, ein entsprechend hoher Anreiz zu einer umfassenden Informationspolitik darin besteht, den Argwohn der Aktionäre zu mindern und mögliche Schadensersatzforderungen abzuwehren.^^ Lang, M. und Lundholm, R. (1993) weisen darauf hin, dass der Einfluss der Branchenzugehörigkeit auf das Ankündigungsverhalten auch auf Unterschiede in den beobachtbaren Informationsasymmetrien zurückzuführen ist.^'' Die Autoren haben beispielsweise bei Bio-Tech-Unternehmen, bei denen die Informationsunterschiede zwischen Managern und Anlegern verhältnismäßig hoch sind, die Preisgabe von mehr freiwilligen Veröffentlichungen beobachtet. Das oben diskutierte Motiv, durch eine glaubwürdige Unternehmenskommunikation die Kosten der Kapitalbeschaffung zu senken, ist insbesondere ^^ Vgl. hierzu und zum Folgenden Clarkson, P.M. et al. (1994, S. 433). ^^ Vgl. hierzu und zum Folgenden Heil, O. und Robertson, T.S. (1991, S. 409). ^^ Vgl. Kasznik, R. und Lev, B. (1995, S. 124). ^^ Vgl. hierzu und zum Folgenden Lang, M. und Lundholm, R. (1993, S. 251f.).
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
231
auch für Unternehmen von Bedeutung, die in Branchen tätig sind, die einen höheren Eigenkapitalbedarf haben. Ihre Manager werden verstärkt darum bemüht sein, das Vertrauen von (potenziellen) Investoren/Anlegern durch eine glaubwürdige Informationspolitik zu gewinnen. Die vorgetragenen Argumente führen zu nachstehenden Hypothesen: Hypothese 4a:
Hypothese 4b:
Hypothese 4c:
Für Unternehmen, die in oligopolistischen Branchen tätig sind, steigt die Wahrscheinlichkeit für Plan-/ Ist-Veröffentlichungen. Für Unternehmen, die in Branchen mit hohen Informationsasymmetrien tätig sind, steigt die Wahrscheinlichkeit für Plan-/Ist-Veröffentlichungen. Für Unternehmen, die in kapitalintensiven Branchen tätig sind, steigt die Wahrscheinlichkeit für Plan-/ Ist-Veröffentlichungen.
2,5 Unsicherheit In Situationen mit hoher Umweltunsicherheit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Anpassungen der Strategie notwendig werden. Dies führt dazu, dass ehemals angekündigte Maßnahmen nicht mehr notwendig erscheinen bzw. nicht mehr richtig sind und deswegen nicht mehr weiterverfolgt werden. Für Außenstehende sind die Gründe einer Nicht-Implementierung jedoch nicht (immer) ersichtlich. Es besteht die Gefahr, dass sie die fehlende Implementierung angekündigter Maßnahmen als Widerspruch zu dem zuvor Gesagten interpretieren^^ und dafür mangelnde Managementqualitäten verantwortlich machen. Für den Manager drohen folglich negative persönliche Konsequenzen wie ein Verlust an Reputation oder ein Vertrauensentzug. Um dieses Risiko zu vermeiden, können Manager, deren Unternehmen mit einer instabilen Umwelt konfrontiert sind, entweder durch eine aktive Informationspolitik versuchen, den Strategiewechsel zu erklären, oder aber auf die Bekanntgabe ihrer Pläne verzichten. Da die erste Alternative mit relativ hohen Informationskosten verbunden ist und der Erfolg, Planabweichungen zu begründen, ungewiss ist, werden sie es vorziehen, über Maßnahmen erst zu berichten, wenn sie erfolgreich umgesetzt werden konnten. Aufgrund dieser Überlegungen vermuten wir den folgenden Zusammenhang: Hypothese 5:
Mit zunehmender Umwelt Unsicherheit steigt die Wahrscheinlichkeit für Implementierungs-Veröffentlichungen.
Vgl. Higgins, R.B. und Diffenbach, J. (1989, S. 136).
232
Rolf Bühner und Susanne Krenn
3 Daten und Methoden Grundlage der empirischen Analyse ist eine Erhebung von Unternehmensmeldungen über Finanzrestrukturierungsereignisse der Jahre 1991-2001. Im Rahmen der Untersuchung wurde eine Stichprobe von Unternehmen des DAX 100 gebildet. Die endgültige Stichprobe umfasst Meldungen von 65 Unternehmen, für die vollständige Datensätze verfügbar waren. Tabelle 1 zeigt die Unternehmen in der Stichprobe. Tabelle 1. Unternehmen in der Stichprobe Agiv AVA Beiersdorf BMW Continental Depfa-Bank Douglas FAG Gehe Henkel IKB Kampa-Haus KSB Metallgesellschaft RWE Spar Wella
Allianz AXA Bewag Brau und Brunnen Daimler Dt. Babcock Dresdner Bank Feiten & Guillaume Gerresheimer Hochtief IVG Karstadt Linde Porsche SAP Südzucker
Altana BASF BHF Buderus DBV Dt. Bank Dürr Fresenius Grohe Höchst IWKA Klöckner-Werke Lufthansa Preussag S chmalenbach- Lubeca Varta
AMB Bayer Bilfinger und Berger Commerzbank Degussa Deutz Escada GEA Heidelberger Zement Holzmann Jungheinrich Kolbenschmidt MAN Rheinmetall Siemens Volkswagen
Die Ermittlung der Ankündigungen erfolgte auf Basis von Unternehmensberichten, die in der Zeit von 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 2001 im Handelsblatt veröffentlicht wurden. Ankündigungstag ist der Tag der ersten öffentlichen Bekanntmachung in der ausgewählten Quelle. Von den ermittelten Ankündigungen wurden nur diejenigen berücksichtigt, die sich auf finanzielle Restrukturierungsaktivitäten bezogen. In einem weiteren Schritt wurde die Stichprobe um Folgemeldungen, d. h. Meldungen mit identischen Sachverhalten zu unterschiedlichen Ankündigungszeitpunkten, bereinigt. Dabei verblieb nur die Meldung in der Stichprobe, in der die Restrukturierungsaktivität erstmalig bekannt gegeben wurde, sowie die Meldung, in der erstmals über die Umsetzung der Maßnahme berichtet wurde. Die Daten zur Messung der unabhängigen Variablen wurden den Geschäftsberichten der Unternehmen entnommen.
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
233
Die Hypothesen wurden mit Hilfe des Verfahrens der multinomialen logistischen Regression getestet. Die angenommene logistische Funktion hat die folgende Form:
Pi steht für die Wahrscheinlichkeit einer Plan-Ankündigung, Xik sind die unabhängigen Variablen, und bk sind die zu schätzenden Koeffizienten. Pi kann auch geschrieben werden als: ^
expjbkXjk)
. .
Daraus folgt, dass Pi mit einer Erhöhung von bkXik monoton ansteigt und Werte zwischen Null und Eins annehmen kann. 3.1 Messung der abhängigen Variable In der Arbeit werden drei Ankündigungsarten unterschieden: •
•
•
39 40
Plan-Ankündigungen liegen vor, wenn nur über die Absicht bzw. die Ziele und Pläne einer Restrukturierungsmaßnahme berichtet wird. Eine Folgemeldung über die tatsächliche Umsetzung der Maßnahme bleibt jedoch aus. Ein typisches Beispiel für eine Plan-Ankündigung ist: „Die Mitteilung der Volkswagen AG erfüllte gerade die FormvorSchriften: Man mache von der Ermächtigung zum Rückkauf eigener Stammaktien von bis zu 10% des Grundkapitals Gebrauch, teilte der Konzern am Freitag mit. [...] Offen blieb, wann, in welchem Umfang und damit auch zu welchen Preisen VW die Papiere aus dem Markt nehmen wird."^^ Eine Folgemeldung über den tatsächlich erfolgten Aktienrückkauf blieb aus. Implementierungs-Ankündigungen liegen vor, wenn die Realisierung einer Maßnahme gemeldet wird, ohne dass dieser eine Plan-Ankündigung vorausgeht. Ein typisches Beispiel für eine Implementierungs-Ankündigung ist: „Die Hauptversammlung [der Preussag Stahl AG] beschloss gestern zudem die Umstellung der Aktien in 5-DM-Aktien und anschließend in Stückaktien, "^o Plan-Ist-Ankündigungen liegen vor, wenn in zeitlicher Abfolge sowohl über die Absicht als auch über die erfolgte Implementierung einer Maßnahme berichtet wird. Ein typisches Beispiel für eine Plan-Ist-Ankündigung ist:
o. V. (2000, S. 16). o. V, (1998, S. 19).
234
Rolf Bühner und Susanne Krenn Am 29.05.1998 erschien folgende Meldung im Handelsblatt: „[...] Finanzchef Diethart Breipohl kündigte für den 12. Juni die Einführung der Allianz Aktie in Paris an. Mittelfristig sei auch die Listung an der Börse New York geplant [...]"^i Die Implementierungs-Meldungen folgte am 03.11.2000: „[...] Die US-Börsenaufsicht SEC hatte am Dienstag grünes Licht für das Allianz-Listing gegeben. Am heutigen Freitag wird der Handel an der NYSE mit so genannten ADS (American Depositary Shares) offiziell unter dem Kürzel AZ aufgenommen TU 42
Die endgültige Stichprobe umfasst 1139 Ankündigungen. Davon liegt bei 512 Ankündigungen lediglich eine Plan-Meldung vor, bei 270 wird nur über die Implementierung einer Maßnahme berichtet und bei 357 handelt es sich um Plan-Ist-Ankündigungen. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die untersuchten Restrukturierungsmeldungen und die Häufigkeit ihrer Ankündigung. Für jedes Unternehmen und jedes Unternehmensjahr wird ermittelt, welche Ankündigungsart im jeweiligen Jahr dominiert. Das jeweilige Unternehmensjahr wird mit 1 für Plan-Ankündigungen, 2 für Implementierungs-Meldungen und 3 für Plan-Ist-Meldungen klassifiziert. Insgesamt werden 392 Unternehmensjahre berücksichtigt. Tabelle 2. Häufigkeit der Ankündigung von finanziellen Restrukturierungsereignissen Art der Ankündigung Restrukturierungsart: D ividendener höhung Dividende bleibt gleich Dividendensenkung Kapitalerhöhung, -minderung Kostensenkungsprogramme Aktiensplits Aktienrückkäufe Wechsel des Rechnungslegungssystems Aktien an neuer Börse listen/streichen F&E-Ausgaben Veränderung der Verbindlichkeiten Bonuszahlungen Aufiösung von Stimmrechtsbeschränkung Aktienverkäufe Gesamt
^^ o. V. (1998, S. 23). ^2 Busse, C. und Hussla, G. (2000, S. 28).
Gesamt
Plan Implementierung Plan-Ist 97 74 18 110 73 46 41 11 18 17 3 4 0 0 512
123 55 14 26 14 8 5 13 3 4 4 1 0 0 270
125 66 25 58 18 17 16 10 11 2 4 1 3 1 357
345 195 57 194 105 71 62 34 32 23 11 6 3 1 1139
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
235
3.2 Messung der unabhängigen Variablen Vorstandswechsel wird als dichotome Variable gemessen und zeigt einen Wechsel des Vorstandsvorsitzenden im betrachteten Jahr an. Der Unternehmenserfolg wird, wie in der Literatur üblich,^^ jahresweise mit Hilfe der Gesamtkapitalrendite gemessen. Diese Kennzahl wird berechnet als der Jahresüberschuss vor Ertragssteuern und Zinsaufwand (EBIT) geteilt durch das durchschnittliche Gesamtkapital.^^ Den Ansätzen empirischer Untersuchungen folgend, wird die Unternehmensgröße jahresweise als der natürliche Logarithmus der Unternehmensumsätze gemessen. ^^ Zur Überprüfung von Brancheneinflüssen werden neun Proxy-Variablen gebildet. Diese betreffen die Branchen „Maschinenbau und Investitionsgüter", „Versicherungen", „Pharma, Chemie und Life Sciences", „Handel und Konsumgüter", „Banken und Finanzdienstleister", „Energie- und Wasserversorgung", „Baugewerbe", „Automobil, Transport und Logistik" sowie „Software und Elektronik". Zu den kapitalintensiven Branchen zählen nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes in erster Linie „Energie- und Wasserversorgung", „Pharma, Chemie und Life Sciences" sowie „Banken und Finanzdienstleister" ^^. Eine geringe Kapitalintensität weist dagegen vor allem der Sektor „Baugewerbe" auf.^^ Die Konzentration in den einzelnen Wirtschaftszweigen berechnen wir über den Umsatzanteil der drei größten Unternehmen einer Branche.^^ Eine hohe Marktkonzentration ergibt sich danach vor allem für den Sektor „Automobil, Transport und Logistik". Hohe Informationsasymmetrien zwischen Eignern und Managern bestehen traditionell bei Chemie- und vor allem Pharma-Unternehmen.^^ ^^ Vgl. z.B. Westphal, J.D. und Zajac, EJ. (1994, S. 377), Zajac, E.J. und Westphal, J.D. (1995, S. 295), laquinto, A.L. und Fredrickson, J.W. (1997, S. 69), Gedajlovic, E.R. und Shapiro, D.M. (1998, S. 544). ^^ Vgl. Coenenberg, A.G. (2000, S. 1017f.). ^^ Vgl. z. B. Fomhrun, C. und Shanley, M. (1990, S. 245), Cannella, A. und Luhatkin, M. (1993, S. 779), Buchholtz, A.K. und Ribbens, B.A. (1994, S. 566), Boeker, W. (1997, S. 161), Westphal, J.D. und Zajac, E.J. (1998, S. 138), Narayanan, V.K. et al. (2000, S. 712), Sanders, W.G. (2001, S. 483). ^^ Das Statistische Bundesamt nimmt für die Ermittlung der Kapitalintensität eine etwas andere Brancheneinteilung vor, bei der die Bereiche Finanzierung, Vermietung (ohne Wohnungsvermietung) und Unternehmensdienstleister in einer Kategorie zusammengefasst werden. ^"^ Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2004, S. 26). ^^ Die Berechnung des in der Literatur üblichen „4-firm concentration ratio" (vgl. hierzu z.B. Harrigan, K.R. (1981, S. 396), Datta, D.K. und Rajagopalan, N. (1998, S. 842)) zur Ermittlung der Konzentration in einer Branche war aufgrund der uns verfügbaren Daten nicht möglich. Die Näherung über den Umsatzanteil der 3 größten Unternehmen erlaubt jedoch dennoch eine gute Beurteilung der Branchenkonzentration. '^^ Vgl. z.B. Cohen, L. (1992, S. Gl), Lang, M. und Lundholm, R. (1993, S. 251f.).
236
Rolf Bühner und Susanne Krenn
Die Messung der Unsicherheit folgt dem Ansatz von Dess, G. G. und Beard, D. W. (1984) und verwendet die Streuung um die Regressionsgerade, die man bei der Regressionsschätzung der Umsatzdaten über die Zeit erhält.^^ Für jedes Jahr im Untersuchungszeitraum und für jedes Unternehmen der Stichprobe existiert ein Unsicherheitsmaß auf Basis der Umsatzdaten der jeweils vorausgegangenen fünf Jahre. Das Unsicherheitsmaß wird ermittelt aus dem Standardfehler der Regressionskoeffizienten dividiert durch den Mittelwert, um den unterschiedlichen Unternehmensgrößen Rechnung zu tragen. Da diese Messgröße die Abweichung von einer Trendlinie misst, ist es möglich, Unsicherheit als eine unvorhersehbare Veränderung der Umwelt des Unternehmens zu messen. Während des Untersuchungszeitraums können Änderungen in den Rahmenbedingungen der Unternehmenskommunikation Anpassungen des Veröffentlichungsverhaltens insgesamt bewirkt haben. Durch die zum Ol. Januar 1995 in Kraft getretenen Vorschriften über die Ad-hoc-PubUzität gemäß §15 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sind Auswirkungen auf die Informationspolitik der Unternehmen denkbar. Danach sind Unternehmen verpflichtet, Informationen die den Aktienkurs wesentlich beeinflussen können, sofort zu veröffentlichen. Wir führen daher eine Zeitvariable als Kontrollgröße ein, die erfasst, inwieweit die Zeit die Wahl der Ankündigungsart beeinflusst.
4 Ergebnisse Tabelle 3 gibt die deskriptive Statistik wieder. Wie die Ergebnisse zeigen, liegen die Korrelationskoeffizienten zwischen den unabhängigen Variablen unter 0.2. MultikoUinearität zwischen den unabhängigen Variablen stellt daher kein Problem dar. Diese ist erst bei Korrelationskoeffizienten von 0.6 und größer anzunehmen. Tabelle 3. Deskriptive Statistik und Korrelationskoeffizienten nach Pearson MW
StA
1. Wechsel d. Vorstands0.880 vorsitzenden 2. Unternehmenserfolg 0.037 3. Unternehmensgröße 15.117 4. Branche 4.330 5. Unsicherheit 0.026 6. Jahr 1996.170
0.322
1.
2.
3.
4.
5.
0.045 0.144 1.428 0.028 -0.109 2.640 -0.012 0.166 0.114 0.023 -0.005 0.047 -0.212 0.085 3.014 0.052 0.121 0.155 -0.011 -0.020
Korrelationskoeffizienten von |.085| oder größer sind signifikant auf dem .05 Niveau oder weniger. Vgl. Dess, G.G. und Beard, D.W. (1984, S. 58).
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
237
Die Ergebnisse der multinomialen Regressionsanalyse sind in Tabelle 4 dargestellt. Tabelle 4. Ergebnisse der Regressionsanalyse (N=392)" Plan- vs. Plan-Ist-Ankündigungen
Implementierungs- vs. Plan-Ist-Ankündigungen
Plan- vs. ImplementierungsAnkündigungen
Parameterschätzer Wechsel des Vorstandsvorsitzenden Unternehmenserfolg Unternehmensgröße Branche 1 Maschinenbau u. Investitionsgüter 2 Versicherungen 3 Pharma, Chemie u. Life Sciences 4 Handel und Konsumgüter 5 Banken und Finanzdienstleister 6 Energieversorgung 7 Baugewerbe 8 Automobil, Transport u. Logistik 9 Software und Elektronik Unsicherheit
-1.208** -2.509 -0.030
-0.826^ -6.589^ -0.286*
0.382 -4.080 -0.256*
-1.093 -0.421 0.341 -1.113 -1.666^ -1.713^ -2.552** -0.513 0^ -0.534
-1.426 0.294 1.203 -1.497 -2.279* -1.938 -1.718^ -0.004 0^ -2.077
-0.332 0.715 0.862 -0.384 -0.613 -0.225 0.835 0.516 0^ -1.543
Nagelkerke's R'^: 0.346; ^ p < 0.100; * p < 0.050; ** p < 0.010; *** p < 0.001 " Die Koeffizienten der Jahres-Dummy-Variablen sind aus Übersichtlichkeitsgründen nicht angegeben. ^ Dieser Parameter wird auf Null gesetzt, weil er redundant ist. Bei der Interpretation der Ergebnisse sei der Leser daran erinnert, dass bei einer multinomialen Regressionsanalyse das Vorzeichen der Parameterschätzer für eine Kategorie die Wirkungsrichtung der Variable bezogen auf die Referenzkategorie anzeigt. Ein negatives Vorzeichen gibt an, dass bei einem hohen Wert der betrachteten Variable die Beobachtung eher der Referenzgruppe (Plan-Ankündigungen) angehört, bei einem positiven Wert des Parameterschätzers gehört die Variable eher der betrachteten Kategorie an. Ein negatives Vorzeichen weist mit anderen Worten also nicht auf einen negativen Zusammenhang zwischen der Variable und der betrachteten Kategorie hin. Es zeigt lediglich an, dass die Wirkung für die betrachtete Kategorie weniger stark ist als für die Referenzkategorie. Vorstandswechsel: Ein Wechsel des Vorstandsvorsitzenden erhöht nach den vorhegenden Ergebnissen die Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Meldungen. Die
238
Rolf Bühner und Susanne Krenn
Resultate sprechen demnach für den in Hypothese 1 vermuteten Zusammenhang, dass neuberufene Manager bestrebt sind, durch eine glaubwürdige Kommunikation finanzieller Restrukturierungsvorhaben das Vertrauen in ihre Person zu erhöhen. Sie versuchen zu beweisen, dass sie die an sie gestellten Erwartungen erfüllen können und dass mit ihnen die richtige Wahl getroflFen wurde. Unternehmenserfolg: Die Ergebnisse zeigen einen leicht signifikanten positiven Zusammenhang zwischen dem Erfolg eines Unternehmens und der Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Meldungen an. Dieses Ergebnis widerspricht den in den Hypothese 2a und 2b aufgestellten Vermutungen. Die Manager erfolgreicher Unternehmen halten ihre Finanzrestrukturierungspläne offensichtlich nicht zurück, um ihren Konkurrenten keine wettbewerbsrelevanten Informationen preiszugeben. Diese aus der Proprietary Cost Hypothese abgeleitete Überlegung kann demnach, wenigstens für den von uns untersuchten Kontext der Ankündigung finanzieller Restrukturierungsmaßnahmen, nicht bestätigt werden. Die Spitzenführungskräfte erfolgreicher Unternehmen scheinen vielmehr zu versuchen, durch eine glaubwürdige Kommunikationspolitik die Attraktivität ihres Unternehmens als Investitionsobjekt zu unterstreichen. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen empirischer Untersuchungen, die sich auf „adverse selection"-Argumente stützen und einen positiven Zusammenhang zwischen dem Unternehmenserfolg und einer umfassenden und informativen Kommunikationspolitik feststellen konnten.^^ Eine mögliche Erklärung weshalb bei weniger erfolgreichen Unternehmen keine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Ankündigungen festzustellen war, könnte sein, dass deren Manager sich in diesem Fall lieber vorsichtig verhalten. Sollten sie die angekündigten Pläne nicht umsetzen können, besteht die Gefahr, dass sie dadurch das Vertrauen der Anleger zusätzlich erschüttern. Unternehmensgröße: Den Ergebnissen zufolge sinkt mit zunehmender Größe eines Unternehmens die Wahrscheinlichkeit für Implementierungs-Meldungen. Dies bestätigt teilweise den in Hypothese 3 formulierten Zusammenhang. Ein Grund für dieses Ergebnis ist sicherlich darin zu sehen, dass die Aktivitäten großer Unternehmen seitens der Medien mit größerer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Ihre Manager sehen sich deswegen vermutlich vielfach gezwungen, über ihre Pläne zu berichten. Mit eine Rolle spielen dürfte aber auch die Tatsache, dass in größeren Unternehmen normalerweise höhere Informationsasymmetrien zwischen Eignern und Managern bestehen. Um den damit verbundenen höheren Kapitalbeschaffungskosten entgegenzuwirken, haben die Spitzenführungskräfte größerer Unternehmen unter Umständen einen höheren Anreiz für eine glaubwürdige Kommunikation ihrer Finanzrestrukturierungsaktivitäten. Das Argument, dass größere Unternehmen anfälliger für Aktionärsklagen sind und diesen durch eine glaubwürdige Unternehmenskommunikation vorzubeugen versuchen, erscheint dagegen für Deutsch^^ Vgl. z.B. Lang, M. und Lundholm, R. (1993, S. 264f.), Tasker, S.C. (1998, S. 158), Frankel, R. et al (1999, S. 139-141).
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
239
land und insbesondere für den von uns untersuchten Zeitraum weniger ausschlaggebend. Die diesbezüglich vorgebrachten Argumente früherer Studien der Veröffentlichungsliteratur beziehen sich in der Mehrheit auf Stichproben US-amerikanischer Unternehmen, für die Aktionärsklagen aufgrund unzureichender Informationspolitik eine sehr viel größere Rolle spielen. Branche: Unseren Vermutungen in den Hypothesen 4a-c zufolge wäre eine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Ankündigungen bei Unternehmen der kapitalintensiven Branchen „Energie- und Wasserversorgung", „Banken und Finanzdienstleister" und „Pharma, Chemie und Life Sciences" (bei letzteren bestehen zudem hohe Informationsasymmetrien) sowie bei Unternehmen der Branche „Automobil, Transport und Logistik", die die höchste Marktkonzentration aufweist, zu erwarten. Unsere Ergebnisse können diese Überlegungen nur zum Teil stützen. Zwar ergibt sich für Energieversorgungsunternehmen sowie für Banken und Finanzdienstleister eine tendenziell höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Ankündigungen. Dies spricht für die Vermutung, dass Unternehmen aus kapitalintensiven Branchen verstärkt darum bemüht sind, durch eine glaubwürdige Informationspolitik das Vertrauen (potenzieller) Anleger zu gewinnen. Allerdings ist auch bei Unternehmen der Bauindustrie, die eine geringe Kapitalintensität aufweisen, eine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Ankündigungen festzustellen. Ähnlich den Ergebnissen von Clarkson, P.M. et al. (1994) könnte dieses Ergebnis eventuell auf die hier normalerweise übliche Arbeit in langfristigen Projekten zurückzuführen sein. Diese führt unter Umständen dazu, dass es in diesen Unternehmen üblich ist, laufend über Pläne und später auch über deren Umsetzung zu berichten. Für Unternehmen der Branchen „Automobil, Transport und Logistik" und „Pharma, Chemie und Life Sciences" können wir dagegen keine signifikant höhere Präferenz für Plan-Ist-Ankündigungen feststellen. Eine hohe Marktkonzentration bzw. hohe Informationsasymmetrien haben bei Unternehmen in diesen Branchen offensichtlich keinen Einfluss auf das Ankündigungsverhalten bei finanziellen Finanzrestrukturierungsereignissen. Umweltunsicherheit: Entgegen der in Hypothese 5 aufgestellten Vermutung scheint eine unsichere Unternehmensumwelt keinen Einfluss auf die Wahl der Ankündigungsart zu haben. Manager, deren Unternehmen mit einer unsicheren Umwelt konfrontiert sind, scheinen demnach - wenigstens in dem von uns untersuchten Kontext der finanziellen Restrukturierungen - keine negativen Konsequenzen aus einer nicht erfolgten Umsetzung zu befürchten. Sie scheinen vielmehr darauf zu vertrauen, notwendige Strategiewechsel durch eine aktive Informationspolitik erklären zu können. Zeit: Es konnte zusammenfassend für den Zeitraum von 1991 bis 1997 ein signifikanter Einfluss der Zeit auf das Ankündigungsverhalten festgestellt werden. Tendenziell war in diesem Zeitraum eine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Meldungen zu verzeichnen. Eine eindeutige Interpretation dieses Ergebnisses erscheint schwierig. Denkbar ist, dass in vielen Unternehmen versucht wurde, die Umstellung auf die Vorschriften des WpHG vorwegzunehmen.
240
Rolf Bühner und Susanne Krenn
5 Zusammenfassung In der vorliegenden Studie wurden Einflussfaktoren auf das Ankündigungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen untersucht. Die vorhandene Stichprobe - Meldungen von DAX 100 Unternehmen aus den Jahren 1991-2001 umfasste dabei Eigenkapital-, Fremdkapital- und Dividendenänderungen sowie Maßnahmen der Innenfinanzierung. In Abgrenzung zu bisherigen Untersuchungen der Finanz- und Veröffentlichungsliteratur berücksichtigten wir, dass bei diesen Restrukturierungsereignissen für die verantwortlichen Manager die Wahl zwischen drei verschiedenen Ankündigungsarten besteht. Es kann nur über den Plan berichtet werden, eine Maßnahme durchzuführen (Plan-Ankündigungen) oder es kann lediglich die Umsetzung einer Aktivität gemeldet werden (Implementierungs-Ankündigungen). Daneben besteht die Möglichkeit, dass in zeitlicher Abfolge sowohl über den Plan als auch über dessen Umsetzung berichtet wird (Plan-Ist-Ankündigung). Wir haben unterstellt, dass für die Wahl zwischen diesen Ankündigungsalternativen maßgeblich der Vorstandsvorsitzende zuständig ist. Berichtet dieser überwiegend über Implementierungen, so verhält er sich vorsichtig. Entscheidet er sich vornehmlich für Plan-Ist-Ankündigungen, so ist ihm an einer glaubwürdigen Kommunikation gelegen. Eine überwiegende Verwendung von Plan-Ankündigungen kann auf mehrere Gründe zurückgeführt werden. Entweder konnte die geplante Maßnahme nicht umgesetzt werden, und es wurde auf eine entsprechende Meldung verzichtet. Oder die Umsetzung einer Maßnahme gilt als selbstverständlich und wird deswegen nicht explizit gemeldet. Daneben besteht die Möglichkeit, dass Ankündigung bewusst mit dem Ziel erfolgen. Stakeholder, insbesondere Anleger, zu beeindrucken, ohne dass die Absicht besteht, den Plan tatsächlich auszuführen. Ausgehend von den Ergebnissen bisheriger Studien der Veröffentlichungsund Managementliteratur untersuchten wir, inwieweit ein Wechsel an der Unternehmensspitze, unternehmensspezifische (abgebildet durch Größe und Erfolg des Unternehmens) sowie situative Faktoren (abgebildet durch Branchenzugehörigkeit und Umweltunsicherheit) die Wahl der Ankündigungsart beeinflussen. Daneben wurde eine Zeitvariable als Kontrollgröße eingeführt. Diese sollte erfassen, inwieweit im Zeitablauf Änderungen in der Wahl der Ankündigungsart zu beobachten waren. Die Ergebnisse bestätigen den von uns vermuteten Zusammenhang, dass neuberufene Vorstandsvorsitzende eine glaubwürdige Kommunikation von finanziellen Restrukturierungsereignissen bevorzugen. Dies bietet ihnen eine Möglichkeit, das Vertrauen in ihre Person zu erhöhen. Für den ersten der von uns untersuchten internen Einflussfaktoren konnten wir feststellen, dass sich die Manager größerer Unternehmen signifikant seltener für ImplementierungsAnkündigungen entscheiden. Zwei Begründungen erscheinen hierfür möglich. Einmal verfolgen die Medien die Aktivitäten großer Unternehmen mit größerer Aufmerksamkeit. Zum anderen sind große Unternehmen stärker gezwungen durch eine offene Kommunikationspolitik, welche unter anderem auch
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
241
durch die Veröffentlichung von Restrukturierungsplänen gekennzeichnet ist, Informationsasymmetrien zwischen Eignern und Managern abzubauen. Die Ergebnisse bezüglich des zweiten untersuchten internen Einflussfaktors Unternehmenserfolg zeigen, dass die Manager erfolgreicher Unternehmen eine glaubwürdige Kommunikationspolitik bevorzugen. Auf diese Weise können sie die Attraktivität ihres Unternehmens als Investitionsobjekt zusätzlich unterstreichen. Bei den situativen Einflussfaktoren Branche und Umweltunsicherheit ergab sich eine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-/Ist-Ankündigungen bei Energieversorgungsunternehmen, Banken und Finanzdienstleister sowie bei Unternehmen der Baubranche. Somit konnten unsere Erwartungen, dass Unternehmen aus kapitalintensiven Branchen sich eher für eine glaubwürdige Kommunikation von finanziellen Restrukturierungsereignissen entscheiden, nur teilweise bestätigt werden. F ü r die Vermutung, dass Unternehmen aus oligopolistisch strukturierten oder aus Branchen mit hohen Informationsasymmetrien Plan-Ist-Ankündigungen bevorzugen, konnten wir dagegen keine Hinweise finden. Zwischen Umwelt Unsicherheit und Wahl der Ankündigungsart konnten wir ebenfalls keinen Zusammenhang feststellen. In dem von uns untersuchten Kontext finanzieller Restrukturierungsereignisse scheint die Stabilität der Umwelt keinen Einfluss auf die Wahl der Ankündigungsart zu haben. Schheßlich kontrollierten wir noch, inwieweit im Zeitablauf eine Änderung bei der Wahl der Ankündigungsart festzustellen ist. F ü r die J a h r e 1 9 9 1 1997 bestand eine höhere Wahrscheinlichkeit für Plan-Ist-Ankündigungen. Eine mögliche Erklärung bietet die Einführung der Publizitätsvorschriften nach §15 W p H G . Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Umsetzung der Vorschriften von vielen Unternehmen vorweggenommen wurde.
Literaturverzeichnis 1. Ajinkya, B. B. und Gift, M. J. (1984): Corporate Managers' Earnings Forecasts and Symmetrical Adjustments of Market Expectations. In: Journal of Accounting Research, 22, 1984, 425-444. 2. Bain, J. S. (1987): Industrial Organization, 1987. 3. Barry, C. B. und Brown, S. J. (1985): Differential Information and Security Market Equilibrium. In: Journal of Financial and Quantitative Analysis, 20, 1985, 407-422. 4. Barry, C. B. und Brown, S. J. (1986): Limited Information as a Source of Risk. In: The Journal of Portfolio Management, 12, 1986, 66-72. 5. Bens, D. A. (2002): The Determinants of the Amount of Information Disclosed about Corporate Restructurings. In: Journal of Accounting Research, 40, 2002, 1-20. 6. Boeker, W. (1997): Strategie Change: The Influence of Managerial Characteristics and Organizational Growth. In: Academy of Management Journal, 40, 1997, 152-170. 7. Buchholtz, A. K. und Ribbens, B. A. (1994): Role of Chief Executive Officers in Takeover Resistance: Effects of CEO Incentives and Individual Characteristics. In: Academy of Management Journal, 37, 1994, 554-579.
242
Rolf Bühner und Susanne Krenn
8. Bushee, B. J., Matsumoto, D. und Miller, G. (2003): Open versus Closed Conference Calls: The Determinants and Effects of Broadening Access to Disclosure. In: Journal of Accounting Sz Economics, 34, 2003, 149-180. 9. Cannella, A. und Lubatkin, M. (1993): Succession as a Sociopolitical Process: Internal Impediments to Outsider Selection. In: Academy of Management Journal, 36, 1993, 763-793. 10. Chow, C. W. und Wong-Boren, A. (1987): Voluntary Financial Disclosure by Mexican Corporations. In: The Accounting Review, 62, 1987, 533-541. 11. Clarkson, P. M., Kao, J. L. und Richardson, G. D. (1994): The Voluntary Inclusion of Forecasts in the MD&A Section of Annual Reports. In: Contemporary Accounting Research, 11, 1994, 423-450. 12. Coenenberg, A. G. (2000): Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, Landsberg a.L., Verlag Moderne Industrie, 2000. 13. Darrough, M. (1993): Disclosure Policy and Competition: Cournot vs. Bertrand. In: The Accounting Review, 68, 1993, 534-562. 14. Darrough, M. und Stoughton, N. (1990): Financial Disclosure PoHcy in an Entry Game. In: Journal of Accounting and Economics, 12, 1990, 219-244. 15. Datta, D. K. und Rajagopalan, N. (1998): Industry Structures and CEO Characteristics: An Empirical Study Of Succession Events. In: Strategie Management Journal, 19, 1998, 833-852. 16. Dess, G. G. und Beard, D. W. (1984): Dimensions of Organizational Task Environments. In: Administrative Science Quarterly, 29, 1984, 52-73. 17. Donaldson, G. (1994): Corporate Restructuring. Managing the Change Process from Within, Boston (MA), Harvard Business School Press, 1994. 18. Feltham, G. und Xie, J. (1992): Voluntary Financial Disclosure in an Entry Game with Continua of Type. In: Contemporary Accounting Research, 9, 1992, 46-80. 19. Finkelstein, S. und Hambrick, D. C. (1996): Strategie Leadership: Top Executives and Their Effects on Organizations, St. Paul, MN, West Publishing, 1996. 20. Fombrun, C. und Shanley, M. (1990): What's in a Name? Reputation Building and Corporate Strategy. In: Academy of Management Journal, 33, 1990, 233258. 21. Prankel, R., Johnson, M. und Skinner, D. J. (1999): An Empirical Examination of Conference Calls as a Voluntary Disclosure Medium. In: Journal of Accounting Research, 37, 1999, 133-151. 22. Furtado, E. P. H. und Karan, V. (1990): Causes, Consequences, and Shareholder Wealth Effects of Management Turnover: A Review of the Empirical Evidence. In: Financial Management, 9, 1990, 6-75. 23. Gedajlovic, E. R. und Shapiro, D. M. (1998): Management and Ownership Effects: Evidence from Five Countries. In: Strategie Management Journal, 19, 1998, 533-553. 24. Gigler, F. (1994): Self-enforcing Voluntary Disclosures. In: Journal of Accounting Research, 32, 1994, 224-241. 25. Graham, J. R., Harvey, C. R. und Rajgopal, S. (2004): The Economic Implications of Corporate Financial Reporting. In: Working paper, Duke University, National Bureau of Economic Research and University of Washington, 2004. 26. Hambrick, D. C. und Fukutomi, G. (1991): The Seasons of a CEO's Tenure. In: Academy of Management Review, 16, 1991, 719-742.
Veröffentlichungsverhalten bei finanziellen Restrukturierungen
243
27. Hambrick, D. C. und Mason, P. A. (1984): Upper Echelons: The Organization as a Reflection of its Top Managers. In: Academy of Management Review, 9, 1984, 193-206. 28. Harrigan, K. R. (1981): Barriers to Entry and Competitive Strategies. In: Strategie Management Journal, 2, 1981, 395-412. 29. Healy, P. M. und Palepu, K. G. (2001): Information Asymmetry, Corporate Disclosure, and the Capital Markets: A Review of the Empirical Disclosure Literature. In: Journal of Accounting and Economics, 31, 2001, 405-440. 30. Hearth, D. und Zaima, H. (1986): Divestiture Uncertainty and Shareholder Wealth: Evidence from the U.S.A. (1975-1982). In: Journal of Business Finance & Accounting, 13, 1986, 71-85. 31. Heil, O. und Robertson, T. S. (1991): Toward a Theory of Competitive Market Signaling: A Research. In: Strategie Management Journal, 12, 1991, 403-419. 32. Higgins, R. B. und Diffenbach, J. (1989): Communicating Corporate Strategy The Payoffs and the Risks. In: Long Range Planning, 22, 1989, 133-139. 33. laquinto, A. L. und Fredrickson, J. W. (1997): Top Management Team Agreement about the Strategie Decision Process: A Test of Some of its Determinants and Consequences. In: Strategie Management Journal, 18, 1997, 63-75. 34. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2004): Deutschland in Zahlen, Köln, Deutscher Instituts-Verlag, 2004. 35. Jung, W. und Kwon, Y. K. (1988): Disclosure when the Market is Unsure of Information Endowment of Managers. In: Journal of Accounting Research, 26, 1988, 146-153. 36. Kasznik, R. und Lev, B. (1995): To Warn or Not to Warn: Management Disclosures in the Face of an Earnings Surprise. In: Accounting Review, 70, 1995, 113134. 37. Kesner, I. F. und Sebora, T. C. (1994): Executive Succession: Past, Present and Future. In: Journal of Management, 20, 1994, 327-372. 38. Lang, M. und Lundholm, R. (1993): Cross-Sectional Determinants of Analyst Ratings of Corporate Disclosure. In: Journal of Accounting Research, 31, 1993, 246-271. 39. Lev, B. und Penman, S. H. (1990): Voluntary Forecast Disclosure, Nondisclosure, and Stock Prices. In: Journal of Accounting Research, 28, 1990, 49. 40. Narayanan, V. K., Pinches, G. E., Keim, K. M. und Lander, D. M. (2000): The Influence of Voluntarily Disclosed Qualitative Information. In: Strategie Management Journal, 21, 2000, 707-722. 41. Newman, P. und Sansing, R. (1993): Disclosure Policies with Multiple Users. In: Journal of Accounting Research, 31, 1993, 92-112. 42. o. V. (1998). PREUSSAG STAHL - Nach fast einem Jahrzehnt lebt der Traditionsname Salzgitter wieder auf. In: Handelsblatt vom 24.04.1998, Nr. 79, S. 19. 43. o. V. (1998): ALLIANZ Aktie wird in Paris und später voraussichtlich auch in New York gelistet. In: Handelsblatt vom 29.05.1998, Nr. 102, S. 23. 44. o. V. (2000): Pläne für Aktienrückkauf geben dem Kurs neuen Schub - VW schürt Spekulationen um neue Zukaufe. In: Handelsblatt vom 18.09.2000, Nr. 180, S. 16. 45. Penman, S. H. (1980): An Empirical Investigation of the Voluntary Disclosure of Corporate Earnings Forecasts. In: Journal of Accounting Research, 18, 1980, 132-160. 46. Porter, M. (1980): Competitive Strategy - Techniques for Analyzing Industries and Competitors, New York, The Free Press, 1980.
244
Rolf Bühner und Susanne Krenn
47. Sanders, W. G. (2001): Behavioral Responses of CEOs to Stock Ownership and Stock Option Pay. In: Academy of Management Journal, 44, 2001, 477-492. 48. Skinner, D. J. (1994): Why Firms Voluntarily Disclose Bad News. In: Journal of Accounting Research, 32, 1994, 38-60. 49. Staw, B. M., McKechnie, P. I. und Puffer, S. M. (1983): The Justification of Organizational Performance. In: Administrative Science Quarterly, 28, 1983, 582-600. 50. Tanker, S. C. (1998): Bridging the Information Gap: Quarterly Conference Calls as a Medium for Voluntary Disclosure. In: Review of Accounting Studies, 3, 1998, 137-167. 51. Verrecchia, R. E. (1983): Discretionary Disclosure. In: Journal of Accounting and Economics, 5, 1983, 179-194. 52. Verrecchia, R. E. (2001): Essays on Disclosure. In: Journal of Accounting and Economics, 32, 2001, 97-180. 53. Virany, B., Tushman, M. und Romanelli, E. (1992): Executive Succession and Organizational Outcomes in Turbulent Environments: An Organization Learning Approach. In: Organization Science, 3, 1992, 72-91. 54. Wagenhofer, A. (1990): Voluntary Disclosure with a Strategie Opponent. In: Journal of Accounting and Economics, 12, 1990, 341-364. 55. Weigelt, K. und Camerer, C. (1988): Reputation and Corporate Strategy: A Review of Recent Theory and Applications. In: Strategie Management Journal, 9, 1988, 443-454. 56. Westphal, J. D. und Zajac, E. J. (1994): Substance and Symbolism in CEO's Long-term Incentive Plans. In: Administrative Science Quarterly, 39, 1994, 362. 57. Westphal, J. D. und Zajac, E. J. (1998): The Symbolic Management of Stockholders: Corporate Governance Reform and Shareholder Reactions. In: Administrative Science Quarterly, 43, 1998, 127-153. 58. Westphal, J. D. und Zajac, E. J. (2001): Decoupling Policy from Practice: The Gase of Stock Repurchase Programs. In: Administrative Science Quarterly, 46, 2001, 202-228. 59. Wilhelm, J. (1983): Marktwertmaximierung - Ein didaktisch einfacher Zugang zu einem Grundlagenproblem der Investitions- und Finanzierungstheorie. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 53, 516-534. 60. Wilhelm, J. (1991): Spurensuche: Neoklassische Elemente in der „neuen" Finanzierungstheorie. In: Ordelheide, D.; Rudolph, B. und Büsselmann, E. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und ökonomische Theorie - Tagungsband der Jahrestagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. in Frankfurt am Main 1990, Stuttgart, Poeschel Verlag, 1991, 173-196. 61. Wilhelm, J. (2002): Risikoabschläge, Risikozuschläge und Risikoprämien - Finanzierungstheoretische Anmerkungen zu einem Grundproblem der Unternehmensbewertung. In: Arbeitspapier Nr. B-9-02 der Passauer Diskussionspapiere, 2002, h t t p : / / w w w . w i w i . u n i - p a s s a u . d e / l e h r s t u e h l e / w i l h e l m / a r b e i t s p . html. 62. Wilhelm, J. (2003): Unternehmensbewertung - Eine finanzmarkttheoretische Untersuchung. In: Arbeitspapier Nr. B-10-03 der Passauer Diskusionspapiere. 63. Zajac, E. J. und Westphal, J. D. (1995): Accounting for the Explanations of CEO Compensation: Substance and Symbolism. In: Administrative Science Quarterly, 40, 1995, 283-308.
Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt Hans Hirth, Reno Basner, Axel Cunow, Hans-Markus Callsen-Bracker und Sven Reichardt Technische Universität Berlin, Wilmersdorfer Str. 148, D-10623 Berlin [email protected] [email protected] cLxel. cunowQtu-berlin. de hans-markus.callsen-brackerQtu-berlin.de sven.reichardtQtu-berlin.de
Gliederung 1
Unternehmenskontrolle und Corporate Governance
247
2
UnternehmenskontroUe und Anreizsetzung
248
3
Verwässerung von Aktionärsrechten
249
3.1 3.2
Ausgangssituation Unsicherheit über die Kosten der Übernahme und den Unternehmenswert nach einer erfolgreichen Übernahme
249 250
4
Interner Großaktionär
250
4.1 4.2 4.3
Ausgangssituation Vergleich der Handlungsalternativen Dividenden als Ersatz für Dilution
251 251 253
5
Risikoteilung
253
5.1
Ausgangssituation
253
5.2
Eigentümerstruktur
254
6
Insiderwissen
256
6.1 6.2
Ausgangsituation Die Interventionsentscheidung
256 257
6.3
Eigentümerstruktur
258
7
Marktliquidität und Informationskosten
259
7.1
Ausgangssituation
259
246
Hans Hirth et al.
7.2
Die Kosten des Monitoring
260
7.3
Die optimale Ausgestaltung des Managementvertrags
260
8
Marktliquidität
262
8.1
Ausgangssituation
262
8.2
Eigentümerstruktur
262
9
EfRzienzvergleich dreier Überwachungsalternativen
264
Ausgangssituation Effizienzvergleich Zielkonflikt zwischen Monitoring und Engagement des Managements 10.1 Ausgangssituation
264 265
10.2 Eigentümerstruktur
268
11
269
9.1 9.2 10
Fazit
Literaturverzeichnis
267 267
269
Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt
247
1 Unternehmenskontrolle und Corporate Governance Die Kontrolle eines Unternehmens kann innerhalb und außerhalb des Unternehmens erfolgen. Demzufolge kann zwischen einer internen und einer externen Unternehmenskontrolle unterschieden werden. In Kontinentaleuropa konzentriert sich die aktuelle Diskussion um die Corporate Governance vorwiegend auf die Festlegung von Regelungen, Normen und Vorschriften, die teilweise Gesetzescharakter, teilweise Empfehlungscharakter oder teilweise einen hybriden Charakter, wie z. B. Kodizes, haben. Ein wichtiger, in Deutschland entwickelter Kodex ist der German Code of Corporate Governance (GCCG). Ihm kann man eine Definition für Corporate Governance entnehmen, die das kontinentaleuropäische Verständnis dieses Begriffs widerspiegelt:^ „Corporate Governance bezeichnet den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens." Diese Definition ist sehr weit gefasst, da sie offen lässt, • •
was zum faktischen Ordnungsrahmen zählt (der rechtliche gehört offenbar nicht dazu) und durch wen die Überwachung eines Unternehmens vorgenommen wird.
Die Anglo-Amerikaner akzentuieren dagegen stärker die Bedeutung des Kapitalmarktes. Diese kapitalmarktorientierte Sichtweise lässt sich gut an einer Definition, die von Shleifer und Vishny (1997) stammt, nachvollziehen:^ „Corporate Governance deals with the ways in which suppliers of finance to corporations assure themselves of getting a return on their investment." Im Zusammenhang mit der eindeutigen Kapitalmarktorientierung ist hier also eher die externe Unternehmenskontrolle angesprochen. Genau darum soll es auch im vorliegenden Beitrag gehen. Im Vordergrund steht dabei das Freerider-Problem der Unternehmenskontrolle. Es existiert, da die Kontrolle eines Unternehmens durch einen Kapitalgeber grundsätzlich mit einem positiven externen Effekt auf andere Kapitalgeber des Unternehmens verbunden ist. Kontrollvorteile liegen vor, wenn ein Groj(?aktionär die Unternehmenskontrolle ausübt, da sich so der externe Effekt verringert. Allerdings ist eine geblockte Eigentümerstruktur mit einigen Begleiterscheinungen verbunden. Dazu zählen die inefüziente Risikoallokation, die Herabsenkung der Marktliquidität, mögliche Informationsvorteile des Großaktionärs sowie ein mögliches Minderengagement des Managements, falls die Art der Kontrolle produktive Entscheidungsspielräume einengt. Im Übrigen werden auch alternative Durchsetzungsmöglichkeiten eines Großaktionärs, die nicht die Erlangung des Besitzes der Aktienmehrheit voraussetzen, analysiert. ^ Berliner Initiativkreis German Code of Corporate Governance (2002), S. 4. 2 Shleifer und Vishny (1997) S. 737.
248
Hans Hirth et al.
2 UnternehmenskontroUe u n d Anreizsetzung Schon Coase (1937) betrachtete ein Unternehmen als die Menge aller Vertragsbeziehungen, die im Rahmen des Unternehmens bestehen. Jensen und Meckling (1976) und Fama und Jensen (1983a, b) setzten diese Sichtweise fort. Demnach lassen sich Probleme einer Unternehmung oft auf Probleme bei der Vertragsgestaltung und Anreizsetzung zwischen den Vertragspartner her unterbrechen. Diese Erkenntnisse gelten sowohl für unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Beziehungen. Um Letztere geht es hier. Vollständige Verträge zwischen Eigentümern und angestellten Managern könnten für jede denkbare Situation eine Handlung vorschreiben, die das Management dann jeweils auszuführen hat. Wegen der Vielzahl möglicher Situationen sind vollständige Verträge in der Regel nicht praktikabel, so dass beim Management gewisse Freiheitsgrade verbleiben, die es opportunistisch ausnutzen könnte und das so genannte Agency-Problem hervorrufen (zu Anreizverträgen beim Agency-Problem siehe Jensen und Meckling (1976), Fama (1980), Ross (1973), Stiglitz (1975), Mirrlees (1976), Holmström (1979, 1982)). Aber selbst wenn die Anzahl möglicher Situationen hinreichend begrenzt ist, müsste im Nachhinein immer noch kontrolliert werden, welche Situation vorlag und ob sich das Management vertragskonform verhalten hat. Allein der Nachweis dafür, dass eine bestimmte Situation vorgelegen hat, dürfte häufig schwer fallen und zum Agency-Problem führen, dem mit Anreizverträgen zu begegnen ist. Durch Anreizverträge soll das Management veranlasst werden, die Ziele der Eigentümer zu verfolgen. Wenn die Leistung des Managements selbst nicht Vertragsbestandteil sein kann, weil sie ex post nicht beobachtbar oder zumindest nicht vertraglich durchsetzbar ist, müssen sich die Anreize an geeigneten Ersatzgrößen orientieren. Dies ist vor allem dann problematisch, wenn das Management diese Ersatzgrößen auch auf anderem Weg als durch seine Leistung beeinflussen kann. Beispielsweise kann der Manager versucht sein, mit Blick auf seine Entlohnungsvereinbarung Bilanzzahlen zu manipulieren oder gute Nachrichten so lange zurückzuhalten, bis er Kaufoptionen als Vergütungsbestandteile durchgesetzt hat. Letztlich scheinen auch Anreiz vertrage nicht ohne ein Mindestmaß an zusätzlicher Kontrolle auszukommen. Alchian (1950) argumentiert, dass Kapitalkosten schon aus Wettbewerbsgründen minimiert werden müssen und der Markt selbst dafür geeignete Regelungen hervorbringt. Es verbleibt allerdings die Frage, wie solche Regelungen aussehen könnten. Im Folgenden werden einige Ansätze aus der Literatur vorgestellt, die eine unternehmenswertsteigernde Kontrolle des Managements durch große Kapitalgeber analysieren. Dabei wird regelmäßig unterstellt, dass die Eigentümer an der Maximierung ihrer Anteile an einem unverschuldeten Unternehmen interessiert sind.^
Zu den Schwächen dieses Ansatzes siehe Wilhelm (1987) und (2003).
Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt
249
3 Verwässerung von Aktionärsrechten 3.1 A u s g a n g s s i t u a t i o n Grossman und Hart (1980) legen in ihrem Modell die folgende Ausgangssituation zugrunde: Das amtierende Management eines im Streubesitz befindlichen Unternehmens leistet schlechte Arbeit und der Aktienkurs ist entsprechend tief. Ein Herausforderer schickt sich an, das Unternehmen gegen den Willen des amtierenden Managements zu übernehmen. Der Unternehmenswert v nach einer Übernahme wäre größer als der vor der Übernahme q, das heißt V > q. Die Übernahme wäre damit eine wohlfahrtsteigernde Marktreaktion im Rahmen des von Manne (1965) so bezeichneten „market for corporate control". Wenn allerdings v allen beteiligten Akteuren bekannt ist, entsteht das folgende Free-Rider-Problem: Kein Kleinaktionär möchte Aktien zu einem Preis P < v an den Herausforderer verkaufen, sondern an der Wertsteigerung {v — q) partizipieren. Die Kleinaktionäre verlangen deshalb einen Preis P = v. Falls die Übernahme selbst noch mit zusätzlichen Kosten K verbunden ist, kommt es überhaupt nicht zur Übernahme. Die Verhinderung künftiger vorteilhafter Übernahmen mindert natürlich bereits ex ante den Unternehmenswert, weil im Falle von Missmanagement das Problem nicht durch eine Übernahme gelöst werden kann. Um also bei einem Börsengang einen möglichst großen Erlös zu erzielen, könnten die Anfangsaktionäre über eine geschickte Ausgestaltung der Unternehmensverfassung dafür sorgen, dass es gegebenenfalls zu einer Übernahme kommen kann. Grossman und Hart (1980) schlagen hierzu die Dilution vor. Damit ist gemeint, dass sich ein Herausforderer nach einer erfolgreichen Übernahme an den verbliebenen Aktionären bereichern darf; ihre Rechte werden „verwässert". Das kann zum Beispiel durch ein überhöhtes Managergehalt oder durch den Verkauf von Aktiva unter dem Marktpreis an den Übernehmer geschehen. Auf diese Weise sinkt der Anreiz zum Free-riding und die Kleinaktionäre verlangen nur noch den Preis P = max{v—$, q), wobei $ den Betrag der „Bereicherung" des Herausforderers angibt. Der Gewinn G des Herausforderers beträgt dann: G = V — max{v — ^^q) — K — min{$, v — q) — K. Eine Übernahme findet also statt, wenn gilt: min{$, V — q) > K. Der Nutzen U des amtierenden Managements soll in diesem Fall UMin = 0 sein. Demgegenüber findet eine Übernahme nicht statt, wenn gilt: min{$, V — q) < K.
250
Hans Hirth et al.
In diesem Fall sei der Nutzen des amtierenden Managements U > 0. Dilution ist also eine freiwillige Transferleistung der Altaktionäre an den Herausforderer im Fall einer erfolgreichen Übernahme. Die Einführung einer Dilution ist vorteilhaft, wenn der ex ante Unternehmenswert dadurch wächst. 3.2 Unsicherheit über die Kosten der Übernahme und den Unternehmenswert nach einer erfolgreichen Übernahme Um zu überprüfen, ob der Unternehmenswert durch die Einführung der Dilution tatsächlich steigt, unterscheiden Grossman und Hart (1980) zahlreiche Fälle. Der allgemeinste Fall ist derjenige, bei dem sowohl Unsicherheit über die Kosten der Übernahme {K = K) als auch über den Wert des Unternehmens nach einer Übernahme {v — v) besteht. Bekannt ist allen Akteuren nur der Unternehmenswert q ohne Übernahmemöglichkeit und die Bedingung, dass V > q gilt. Bei Bewertung unter Risikoneutralität und möglicher Übernahme ergibt sich als Unternehmenswert damit: E{UW) = [1 — pr(^,q)]q + pr(^,q) • E[max{v — ^,q)\min{$, v — q) > K] mit pr(^, q) als Wahrscheinlichkeit einer Übernahme. Der Unternehmenswert setzt sich also aus zwei Termen zusammen. Der Unternehmenswert ohne Übernahmemöglichkeit {q) wird mit der Wahrscheinlichkeit dafür, dass keine Übernahme stattfindet, gewichtet. Mit der Gegenwahrscheinlichkeit wird der erwartete Unternehmenswert bei erfolgreicher Übernahme multipliziert. Selbst wenn man die realistische Annahme zugrunde legt, dass die Übernahmewahrscheinlichkeit pr(0 (2) Ex post sind natürlich Abweichungen von diesem erwarteten Wert als Ausdruck des systematischen und unsystematischen Risikos hinzunehmen. Die Unternehmensleitung kann versuchen, eine aktuelle Überbewertung der Unternehmung am Kapitalmarkt, Z\ > 0, die z. B. aufgrund allgemeiner oder eine einzelne Branche betreffenden Euphorie besteht, auszunutzen, indem sie eine Kapitalerhöhung durchführt. Dabei werden neue Aktien zu einem Preis emittiert, der maximal dem aktuellen Börsenkurs^^ entsprechen kann und demzufolge bei einer Überwertung der alten Aktien auch „zu hoch" sein kann. Die Entscheidung, „heute" (in t = 0) eine Kapitalerhöhung anzukündigen, obliegt i.d.R. dem Management. Diesem wird hier unterstellt, den zukünftigen erwarteten Marktwert der alten Aktien, d.h. in ^ = 1, zu maximieren. Der zukünftige Marktwert der gesamten Unternehmung bei Durchführung einer Kapitalerhöhung wird vom Management in Höhe von E{Pi) = V + E + b
(3)
erwartet, wobei E für den Netto-Emissionserlös und b für den Kapitalwert der zusätzlichen Investitionen aus Sicht des Managements steht. Demzufolge ist der (erwartete) zukünftige Kurs eine Aktie der Unternehmung gleich
K =^^±^.
(4)
m-\-n wobei m für die Anzahl alter Aktien, und n für die Anzahl neuer Aktien aus der Kapitalerhöhung steht. Ohne Kapitalerhöhung erwartet das Management einen Kurs in Höhe von V Kl = - . m Nach Ankündigung, aber vor Durchführung der Emission.
(5)
Kapitalerhöhungen
277
Damit kann eine Kapitalerhöhung unter den gegebenen Prämissen vom Management als vorteilhaft angesehen werden, wenn K[> Ki — m^n m E-\-h n TT ^ T > V -\-E-{-b " m + n
(6) = OL
~^
Für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung ist gemäß (6) natürlich die Höhe des Kapital wertes der mit den zusätzlichen Mitteln zu finanzierenden Projekte, 6, relevant. Des Weiteren ist die Kapitalerhöhung c.p. um so eher vorteilhaft, je weniger neue Aktien emittiert werden müssen, um den Emissionserlös von E zu erzielen, d. h. je geringer der Anteil a an der Unternehmung, der im Rahmen der Kapitalerhöhung veräußert wird. Die Anzahl der zu emittierenden neuen Aktien hängt bei gegebenem NettoEmissionsvolumen E von dem Emissionskurs je Aktie, KE-, und den direkten Transaktionskosten, T, ab: E =
UKE
-T^n=
^ ^
(7)
KE
Die Transaktionskosten resultieren aus dem Spread zwischen dem Emissionskurs, den die Investoren zahlen müssen, und dem Preis, zu dem die neuen Aktien vom Emissionskonsortium zwecks Platzierung übernommen werden. Der Emissionskurs KE kann maximal dem Börsenkurs entsprechen, der vom Kapitalmarkt unmittelbar nach Durchführung der Kapitalerhöhung erwartet wird.-^^ Dieser beträgt m-\-n wenn der Kapitalmarkt - wie hier zunächst angenommen wird - aufgrund der Kapitalerhöhung keine Änderung der Fehlbewertung vornimmt, und für den Kapitalwert der zusätzlichen Projekte eine Schätzung in Höhe von B einfließen lässt. B kann sich durchaus von der Erwartung b des Managements unterscheiden. Im Zeitpunkt der Entscheidung über die Kapitalerhöhung weiß das Management allerdings noch nicht, welche Bewertung der zusätzlichen Projekte, 5 , vom Kapitalmarkt vorgenommen werden wird. Diesbezüglich besteht also ein Prognoseproblem. ^^ Als besten Schätzer für B könnte das Management in die Prognose des Aktienkurses nach Kapitalerhöhung die eigene Schätzung des Kapitalwertes, 6, einfließen lassen. Damit wäre der Kurs K',^ = V + E + b + A ^^ Dies gilt unabhängig davon, ob die Kapitalerhöhung mit oder ohne Bezugsrechte erfolgt. 15 Vgl. auch Hax, 1971, S. 160 und 163.
278
Peter Nippel
die Obergrenze für den Emissionskurs im Entscheidungskalkül des Managements. Der tatsächliche Emissionskurs muss aber geringer gewählt werden, wenn die Markterwartungen, ß , weniger optimistisch sind als die des Managements, b. Um die Gefahr zu reduzieren, dass eine in der Planung als vorteilhaft identifizierte Kapitalerhöhung wegen eines zu hoch angesetzten Emissionskurses scheitert oder der Emissionskurs nach Ankündigung reduziert werden muss, kann also eine „vorsichtigere" Preissetzung schon in der Planung sinnvoll sein. Allgemein gelte daher: KE = XKOM=X
V +E +b+A E^T ^^^ ^ " ^ . ( T . + E + 6 + Z^)
^^^. ('')
mit X < 1. (1 — x) ist der prozentuale Discount, um den der geplante Emissionskurs unter dem prognostizierten Börsenkurs unmittelbar nach Kapitalerhöhung liegt. Der aus (10) resultierende Wert für den Anteil a, der auf die neuen Aktien entfällt, kann nun in das Entscheidungskriterium (6) eingesetzt werden. Man erhält damit als Bedingung für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung: E^b E+T > V-\-E-{-b x ( F + E + 6 + Z\) ^ + ^ -A + {b-^) V-\-E + b
+ ^^E>0
(11)
Offensichtlich ist die Kapitalerhöhung um so eher vorteilhaft, je größer die Fehlbewertung Z\, je größer der Kapitalwert 6, je geringer der Discount {1—x) und je geringer die Transaktionskosten T sind. Der positive Einfluss der Fehlbewertung auf die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung macht die Möglichkeit zur Ausnutzung einer Überbewertung deutlich. Wenn A hinreichend groß ist, lohnt sich unter den gegebenen Annahmen die Kapitalerhöhung sogar dann, wenn keine vorteilhaften Projekte zur Verfügung stehen (6 < 0). Die Emission überbewerteter neuer Aktien wirkt sich positiv auf den zukünftigen vom Management erwarteten Kurs K[ aus. 2.2.2 Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechten Im Falle einer Bezugsrechtsemission weicht das Entscheidungskriterium des Managements von (6) ab, wenn das Bezugsrecht in irgendeiner Weise einfließt. Davon ist auszugehen, wenn das Management das erwartete zukünftige Vermögen der Altaktionäre zu maximieren sucht. Denn der Wert des Bezugsrechts bzw. der Vorteil, mittels der Bezugsrechte neue Aktien „billig" erwerben zu können, fließt in diese Vermögensposition ein. Drei Alternativen für die Berücksichtigung des Bezugsrechts im Entscheidungskalkül des Managements sind zu unterscheiden: (a) den Altaktionären wird unterstellt, dass sie ihre Bezugsrechte komplett ausüben, (b), dass sie
Kapitalerhöhungen
279
die sog. Operation Blanche vornehmen, oder (c), dass sie alle Bezugsrechte veräußern. Unter der Annahme (a) würde eine Kapitalerhöhung dann im Interesse der Altaktionäre durchgeführt, wenn (l + -)K[-KE >Ki^b>T. (12) \ m/ m Hier spielt die Fehlbewertung am Kapitalmarkt naturgemäß keine Rolle, da die über- oder unterbewerteten neuen Aktien annahmegemäß nur an die Altaktionäre gehen. ^^ Unter Annahme (b) (Operation Blanche) beziehen die Altaktionäre nur genau so viele neue Aktien, wie sie mit dem Verkaufserlös des nicht benötigten Teils ihrer Bezugsrechte finanzieren können. Im Kalkül des Managements beträgt der rechnerische Wert eines Bezugsrechts^^ RM
= ^{KM
- KE),
(13)
wobei K'^f^ weiterhin für den vom Management erwarteten Kurs unmittelbar nach Kapitalerhöhung steht (vgl. (9)). Wenn Bezugsrechte zu diesem Preis veräußert werden können, muss ein Altaktionär einen Anteil von / f^(^^ . ^ seiner Bezugsrechte veräußern, um die Operation Blanche durchzuführen.^^ Damit wäre unter Berücksichtigung des vom Management prognostizierten Kurses i^oM ^^^ Kapitalerhöhung im Interesse der Altaktionäre, wenn
(I + ^^^P^—)K[>K,. V
(14)
m [n/m)KE + RM )
Einsetzen von (13) und einige Umformungen führen zu V
Z\ + ( 6 - T ) > 0 . ^E^h
(15)
Diese Bedingung für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung entspricht genau derjenigen im Fall ohne Bezugsrechte (vgl. (11)), wenn dort der Discount gleich null wäre, d. h. x = 1, Dann gäbe es auch im Fall einer Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte keine (antizipierte) Kapitalverwässerung. Die Identität von (15) mit (11) für x = 1 ist nicht verwunderlich, da bei Durchführung der Operation Blanche die Altaktionäre genauso wie die „passiven" Aktionäre bei der Emission ohne Bezugsrechte weder zusätzliches Geld investieren noch eine Einzahlung realisieren. ^^ Die Überlegung, dass im Falle von Bezugsrechtsemissionen Markt-Timing eine geringere Rolle spielt (vgl. etwa Burch et al., 2004, S.5) kann nur unter dieser Annahme bezüglich des Entscheidungskalküls des Managements gelten. ^^ Vgl. Krümmel, 1964, S. 491 f. und Hax, 1971, S. 158 f. ^^ Von Teilbarkeitsproblemen wird hier abgesehen.
280
Peter Nippel
Unter Annahme (c) ist der Verkauf der Bezugsrechte durch die Altaktionäre zu berücksichtigen. Das Vorteilhaftigkeitskriterium lautet damit: K[-^RM>KI.
(16)
Einsetzen von (13) führt zu K[-\--{Kl,M-KE)>K,^-^A + b-T>0. (17) m n-\-m Auch unter dieser Annahme spielt also die Unter- oder Überbewertung A eine Rolle in der Emissionsentscheidung. Für hinreichend hohe Werte von n, d. h. bei einem „geringen" Emissionskurs, ist unter Annahme (c) die Bedeutung der Fehlbewertung im Entscheidungskalkül größer als in den übrigen Szenarien: > 77 7:^—7 > 0 für „große" Werte von n. (18) n-\-m V + E-{-h "^ ^^ Die Relevanz der Anzahl neuer Aktien und damit des Emissionskurses für den Einfluss der Fehlbewertung ist bemerkenswert. Die Erklärung für diesen Zusammenhang ist darin zu sehen, dass in dem Kriterium (16) die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung aus Sicht eines „langfristig" engagierten, passiven Altaktionärs betrachtet wird. Für diesen ist bei Z\ > 0 eine höhere Anzahl neuer Aktien vorteilhaft, da damit auch ein größerer Anteil des Verlustes, der durch Abbau der Fehlbewertung im Zeitablauf resultiert, von anderen Aktionären zu tragen ist. Für den umgekehrten Fall mit Z\ < 0 ist ein möglichst hoher Emissionskurs und damit ein möglichst kleines n vorzuziehen, da dann die Altaktionäre maximal von dem zu erwartenden Ausgleich der Unterbewertung profitieren. Wenn das Management weniger die Position der Altaktionäre als vielmehr den reinen Kurseffekt im Auge hat, bleibt es auch im Falle einer Bezugsrechtsemission bei dem Kriterium K[ > Ki (vgl. (6)). Da bei diesem Emissionsdesign der Emissionskurs i.d.R. einen größeren Discount gegenüber dem Börsenkurs unmittelbar vor Durchführung der Kapitalerhöhung aufweist (aus technischen Gründen aufweisen muss), und damit a größer ist als im Fall ohne Bezugsrechte, ist hier der Raum für Kapitalerhöhungen kleiner. Der Vergleich der Ergebnisse unter den alternativen Annahmen zum Entscheidungskalkül des Managements macht deutlich, dass die Bedeutung der Fehlbewertung im Entscheidungskalkül des Managements im Falle von Bezugsrechtsemissionen keineswegs zwingend geringer ist als bei Kapitalerhöhungen ohne Bezugsrechte. Sie kann sogar größer sein. Wenn also der Kapitalmarkt doch aus der Ankündigung einer Kapitalerhöhung auf eine Fehlbewertung schließt, d.h. eine Erwartungsrevision nicht ausgeschlossen wird, muss diese im Fall ohne Bezugsrechte nicht zwingend größer ausfallen als bei einer Emission mit Bezugsrechten. Ein empirisch beobachteter Unterschied in den Ankündigungseffekten^^ der beiden Emissionsformen ist nicht ohne weiteres ^^ Für die USA werden (bei der Analyse von Kapitalerhöhungen ohne Bezugsrechte) typischerweise signifikant negative Ankündigungseffekte dokumen-
Kapitalerhöhungen
281
mit Hinweis auf einen geringeren Anreiz des Managements, Bezugsrechtsemissionen zu timen^^, d.h. eine Überbewertung auszunutzen, erklärbar.
3 Modellerweiterung: Erwartungsrevision und Kreditaufnahme als Finanzierungsalternative 3.1 Der Fall ohne Erwartungsrevision Falls der Kapitalmarkt, wie bisher angenommen, die Erwartungen nicht aufgrund einer Ankündigung von Finanzierungsmaßnahmen revidiert, gelten die zuvor hergeleiteten Bedingungen (11), (12), (15), resp. (17) für die vom Management ermittelte Vorteilhaftigkeit einer Kapitalerhöhung. Um die weitere Untersuchung überschaubar zu halten, wird im Folgenden explizit nur auf den Fall der Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte abgestellt. Der Fall mit Bezugsrechten ist darin allerdings als Spezialfall enthalten, wenn dabei den Altaktionären unterstellt wird, dass sie (im Durchschnitt) die Operation Blanche durchführen (Annahme (b)). Hierfür galt das Vorteilhaftigkeitskriterium (15), das wiederum als Spezialfall (mit x = 1) des Kriteriums (11) aus der Betrachtung der Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte angesehen werden kann. Der zukünftige erwartete Kurs Ki nach Durchführung der Kapitalerhöhung und Abbau der Fehlbewertung gemäß (4) ist über die in den Anteil a einfließende Fehlbewertung (vgl. (10)) von dieser abhängig:
"^ + " 1_ m
""
.
(19)
V-^E + b-\-A
Er ist um so höher, je höher die aktuelle Fehlbewertung A. Daher konnte oben (vgl. Abschnitt 2.2.1, Ungleichung (11)) argumentiert werden, dass eine (hinreichend große) Überwertung Ä > 0 eine Kapitalerhöhung vorteilhaft erscheinen lässt. Dieses Ergebnis ist natürlich angesichts der Annahme, dass der Kapitalmarkt nicht auf die Ankündigung der Emission mit einer Revision der Erwartungen reagiert, trivial. Wenn eine Unterbewertung vorliegt, d. h. A < 0, sollte hingegen auf eine Kapitalerhöhung verzichtet werden, es sei denn, der Kapitalwert 6, der mit dem Emissionserlös zusätzlich durchzuführenden Projekte ist hinreichend tiert, vgl. Eckho/Masulis. 1995. Für Bezugsrechtsemissionen lässt sich ein solcher negativer Ankündigungseffekt in Deutschland nicht nachweisen, vgl. Gehhardt/Heiden/Daske, 2001, in Spanien bspw. allerdings schon, vgl. PastorLlorca/Martin- Ugedo, 2004. ^^ Diese These findet sich bspw. bei Burch et al., 2004, S. 5: „[...] the incentive to time offers will be much weaker if not absent altogether in the case of rights offerings." Vgl. auch Pastor-Llorca/Martm-Ugedo, 2004, S. 194.
282
Peter Nippel
hoch. Jedoch ist selbst bei einem „hohen" Kapitalwert von einer Kapitalerhöhung abzusehen, wenn der Investitionsbetrag auch mittels einer anderen Finanzierungsmaßnahme, bei der es nicht zu einer Umverteilung zu Gunsten neuer Kapitalgeber kommt, aufgebracht werden kann. Wenn ein sicherer Kredit zur Finanzierung von E zu den gleichen Transaktionskosten von T aufgenommen werden kann, gilt für den zukünftigen Aktienkurs
womit diese Finanzierungsmaßnahme der Durchführung einer Kapitalerhöhung vorzuziehen ist, wenn
m
1^ + ^ + 6 - ^ + ^
m
y + E +6 V + E + b-^A
>
^+^+^
V-^E-{-b-\-A
(21)
X.
Wegen x < 1 ist also ein negativer Wert für A (Unterbewertung) schon hinreichend für die relative Vorteilhaftigkeit des Kredits. Wenn die Transaktionskosten der Kreditauftiahme geringer als T sind, steigt dadurch natürlich die relative Vorteilhaftigkeit des Kredits. Nur bei hinreichend hoher Überbewertung ist die Kapitalerhöhung vorzuziehen. Dann kann diese Maßnahme sogar vorteilhaft sein, wenn der Kapitalwert der zusätzlichen Investitionen kleiner ist als die Transaktionskosten. Unter den gegeben Annahmen (keine Erwartungsrevision) lässt sich also die wenig überraschende Schlussfolgerung ziehen, dass die Unternehmung bei (hinreichend hoher) Überbewertung zur Ausnutzung eben dieser Fehlbewertung eine Kapitalerhöhung durchführen sollte, bei Unterbewertung hingegen zur Finanzierung von vorteilhaften Projekten auf alternative Finanzierungsinstrumente zurückgreifen sollte, deren Wert nicht so stark wie bei Aktien vom „wahren Wert" der Unternehmung abhängt. Wenn jedoch gemäß dieser Überlegung tatsächlich nur bei Überbewertung eine Kapitalerhöhung durchgeführt würde, ist die Annahme, dass der Kapitalmarkt aus der Ankündigung keine Rückschlüsse auf die Fehlbewertung zieht, unsinnig. Im nächsten Abschnitt wird jedoch gezeigt, dass die gleichen Schlussfolgerungen fortbestehen, wenn eine Erwartungsrevision einbezogen wird, die jedoch nur unvollständig, beschränkt rational erfolgt. 3.2 Unvollständige Erwartungsrevision Die Erkenntnis, dass eine Kapitalerhöhung auf eine Überbewertung schließen läßt, wird zwar zu einer Erwartungsrevision seitens der Kapitalmarktteilnehmer führen, die einen Kursrückgang bedingt. Bei nicht vollständig rationalen Anlegern kann die Erwartungsrevision jedoch zu gering ausfallen. Es ist dann eine (fortbestehende) Inefßzienz in der Marktbewertung enthalten dergestalt.
Kapitalerhöhungen
283
dass der Aktienkurs immer noch „zu hoch" ist und die Aktienrendite in der Folge „gering" ausfällt, wenn die Überbewertung dann doch abgebaut wird. Darauf, dass eine solche Ineffizienz besteht und von Managern durch Ihre Finanzierungsentscheidungen ausgenutzt wird, weisen auch neuere empirische Untersuchungen hin.^^ Formal last sich die Marktineffizienz erfassen, indem angenommen wird, dass die Überbewertung von A > 0 auf i/A mit z/ G ]0,1 [ in Folge der Ankündigung der Kapitalerhöhung zurück geht, v = l wäre der im vorherigen Kapitel behandelte Fall ohne Erwartungsrevision, u = 0 würde unter den gegebenen Annahmen bei vollständiger Rationalität der Kapitalmarktteilnehmer und des Managements im Gleichgewicht folgen.^^ Insofern kann bei 1 > z/ > 0 von unvollständiger, beschränkt rationaler Erwartungsrevision gesprochen werden. Damit folgt für den Kurs K[ {u) nach Durchführung der Kapitalerhöhung und Abbau der Fehlbewertung:
"^^-i
V +E +l,-^^^
^ + ^ + '" V + E + b + i^A
(22)
Dieser Kurs ist bei a priori gegebener Überbewertung (Z\ > 0) und unvollständiger Erwartungsrevision (1 > z/ > 0) zwar geringer als der Wert in (19), aber immer noch größer als bei einer sicheren Kreditaufnahme, wenn der Discount nicht zu groß ist (d. h., x nicht zu klein ist):
^in < ^I(^) ^ ^"^^ ^ < 1m IF +E+6 m [ 4^ x>
E +T
V +E +b V + E-\-b-{-uA
V + E-\-b V-i-E + b + jyA (23)
Nur für u = 0 wäre die Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte aufgrund der mit X < 1 einhergehenden Kapitalverwässerung stets unterlegen. Eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechten (de facto gilt dann x = 1) ist wegen des Entfalls der Kapitalverwässerung hingegen im Falle einer Überbewertung immer mindestens so gut wie der sichere Kredit. Insgesamt folgt also, dass das Management eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechten c.p. einer Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechte und einer Kreditaufnahme vorziehen sollte, wenn eine Überbewertung vorliegt und zu erwarten ist, dass nur eine unvollständige Erwartungsrevision erfolgen wird. Die Kapitalerhöhung sollte durchgeführt werden, wenn die Überbewertung hinreichend groß ist, so dass
^^ Vgl. die in Fußnote 6 genannte Literatur. ^^ Dies entspricht der Überlegung bei Myers/Majluf, 1984, insbes. S. 208, wobei allerdings unterstellt werden muss, dass das Management bei Indifferenz eine Kreditfinanzierung bevorzugt.
284
Peter Nippel
K[{iy) + RM > Kl
^ - V + E + b-{E m E +b iyÄ + V + E +b
+ T)
V +E +b V > V + E + b + uA
{b-T)>0. (24)
Ein Kapitalwert b, der die Transaktionskosten T übersteigt, ist demzufolge für Z\ ^ 0 und u ^ 0 schon hinreichend für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung. Bei streng positiven Werten für A und u kann die Emission sogar bei einem geringeren Kapital wert vorteilhaft sein. 3.3 O v e r o p t i m i s m Die unter der Annahme unvollständiger Erwartungsrevision erzielten Ergebnisse gelten auch unter der Annahme, dass der Kapitalmarkt eine Überbewertung nach Ankündigung der Kapitalerhöhung zwar erkennt aber einen Fortbestand der Fehlbewertung auch in Zukunft für möglich hält.^^ Wenn die Wahrscheinlichkeit für den Fortbestand der Überbewertung in Höhe von A mit p G ]0,1[ angesetzt wird, können wieder neue Aktien zu einem Preis emittiert werden, der über dem fundamentalen Wert liegt. Für den Anteil an der Unternehmung, der auf die neuen Aktien entfällt, gilt dann E-hT a = x{V + E + b + pE{AK))
mit
(25)
X < 1,
wobei E{AK) die vom Kapitalmarkt aufgrund der Ankündigung der Kapitalerhöhung geschätzte Fehlbewertung sei. Wenn das Management - wie bisher durchweg unterstellt - aber davon ausgeht, dass bis zum zukünftigen Zeitpunkt t = 1 die Fehlbewertung doch abgebaut ist, erwartet es einen zukünftigen Kurs nach Kapitalerhöhung in Höhe von KÜP)
E +T V + E +b 1 V + E + bV + E + b + pE{AK)\ m
•
(26)
Die Durchführung der Kapitalerhöhung ist damit der Kreditaufnahme vorzuziehen, wenn r^/ T^n ^ V+b-T K[^ < Kiip) ^ - ^ ^
V + E +b E +T 1 V + E + b< X V + E + b + pE{AK) V + E +b
V + E + b+
PE{AK)'
(27) ^^ So auch in der Theorie spekulativer Blasen bei Rationalverhalten, vgl. Blanchard/Watson, 1982.
Kapitalerhöhungen
285
Diese Bedingung ist strukturell identisch mit (23). Sofern die vom Kapitalmarkt geschätzte Fehlbewertung E{AK) positiv ist und eine positive Wahrscheinlichkeit für ihr Fortbestehen angenommen wird, kann eine Kapitalerhöhung der Kreditaufnahme überlegen sein. Für x = 1 (also insbes. auch bei einer Bezugsrechtsemission) ist PE{AK) > 0 hinreichend für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung. Bemerkenswert ist, dass es gar keine Rolle spielt, wie die Erwartung E{ÄK) gebildet wird und in welchem Verhältnis sie zu der tatsächlichen Fehlbewertung steht. Solange das Management davon ausgehen kann, dass der Kapitalmarkt hinreichend optimistisch ist bezüglich der zukünftigen Marktbewertung, d.h., wenn PE{AK) hinreichend groß ist, lohnt sich die Kapitalerhöhung aus Sicht des Managements. Die im Vergleich zu den Erwartungen des Managements als zu optimistisch zu bezeichnenden Erwartungen des Kapitalmarktes (Overoptimism) führen dazu, dass neue Aktien zu einem „zu hohen" Preis emittiert werden können. Damit kommt es zu einer Vermögensumverteilung zu Gunsten der Altaktionäre, die sich positiv im zukünftigen Kurs niederschlägt. Die Vermögensumverteilung bei Overoptimism des Kapitalmarktes spricht aus Sicht des Managements sogar dann für eine Kapitalerhöhung, wenn tatsächlich eine C/n^erbewertung vorliegt. Bei Unterbewertung kann von Overoptimism gesprochen werden, wenn der Kapitalmarkt eine Kurssteigerung für wahrscheinlicher hält als das Management. Dann wäre ebenfalls eine Emission neuer Aktien zu einem „zu hohen" Preis möglich. Entscheidend ist nur, dass das Management einen Kursrückgang (in Folge des Abbaus einer Überbewertung) für wahrscheinlicher bzw. eine Kurssteigerung (in Folge des Abbaus einer Unterbewertung) für unwahrscheinlicher hält als der Kapitalmarkt. Unter diesen Bedingungen lohnt sich die Kapitalerhöhung aus der Sicht des Managements sogar dann, wenn es dem Kapitalmarkt gelingt, eine Überbewertung korrekt einzuschätzen, d. h. E{ÄK) = A. Dazu muss bei A > 0 (bei A < 0) die Wahrscheinlichkeit für das Fortbestehen der Fehlbewertung aber vom Management mit pM < p geringer (bzw. mit pM > p höher) eingeschätzt werden als vom Kapitalmarkt, so dass PM^ < pA. Das Management erwartet dann einen zukünftigen Kurs in Höhe von m -j- n
1 ^7^^^;.^
m
A
V + E + b + pMA
^ + T V + E + b^pMA' X
(28)
17 , L ,—T" V + E -^b-\-pA
Die Kapitalerhöhung ist durchzuführen, wenn sie gegenüber der Unterlassung und gegenüber der Kreditaufnahme vorteilhaft ist, wobei Letztere nur bei b > T vorteilhaft sein kann. Der Kurs nach Kapitalerhöhung ist größer als der erwartete Kurs ohne Kapitalerhöhung, wenn
286
Peter Nippel K[{P,PM)>KI
.r ^V ^
r. , ^ E + T V + E + b+PMÄ ,, + E + b+p ^ A - - ^ y + E + 6 + pZ^ > ^ + P M ^ b+E V + E + b + PMÄ E + T^^ V + E + b + pA '
(29)
Außerdem ist der Kurs nach Kapitalerhöhung größer als bei Kreditaufnahme, wenn K[{JP,PM)
1 •^.
>K[D
.
E + T V + E + b + pMA
m V + E + b + pMA
F , L ,—T V + E + 0 + pA
^""^
^
. ^
V + E + b + puA V + E + b + pA
X
V + b-T + pMA m
(30) Beide Bedingungen (29) und (30) sind erfüllt, wenn die Differenz pA—pM^ > 0 hinreichend groß ist, d. h. der Kapitalmarkt optimistischer ist als das Management. Für X = 1 - oder äquivalent: im Fall mit Bezugsrechten - ist ein Kapitalwert b >T schon hinreichend für die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung bei Overoptimism des Kapitalmarktes, d.h.. pA > PMA (vgl. (29)). 3.4 Grenzen der Ausnutzung einer Überbewertung Wie bereits in Kapitel 2.1 angesprochen wurde, sind Kapitalerhöhungen in Phasen mit „hohem" Kursniveau sehr viel häufiger zu beobachten. Dies „passt" zu den Überlegungen in den vorherigen Abschnitten, wenn man unterstellt, dass bei „hohen" Kursen eher mit einer Überbewertung zu rechnen ist. Dennoch führen nicht alle Unternehmen in solchen Phasen Kapitalerhöhungen durch, und die Zahl der neuen Aktien aus einer Kapitalerhöhung wird nicht beliebig groß gewählt, um den Vorteil aus der Fehlbewertung zu maximieren. Dies dürfte daran liegen, dass noch Grenzen der Ausnutzung der Fehlbewertung außerhalb des Modellrahmens zu beachten sind. Wenn zu erwarten ist, dass ein „sehr großes" Emissionsvolumen den Kapitalmarkt skeptisch macht, d. h. von den Anlegern die Gefahr gesehen wird, dass der nicht für vorteilhafte Projekte benötigte Teil des Emissionserlöses vom Management in unvorteilhafte Prestigeprojekte mit negativem Kapitalwert investiert wird, wird sich diese Befürchtung zunächst (nur) in dem Kurs KQ unmittelbar nach Durchführung der Kapitalerhöhung auswirken. Der zukünftige Kurs i^(, von dem angenommen wurde, dass er sich in Höhe des „wahren Wertes" einer Aktie einstellt, wird auch negativ beeinflusst, wenn sich die Befürchtungen der Anleger bewahrheiten, d. h. der tatsächliche Kapitalwert b negativ vom Emissionsvolumen abhängt. Die langfristige Kurssteigerung gelingt dem Management also nur insoweit, als es sich daran binden kann, den nicht benötigten Teil des Emissionserlöses in Projekten mit einen
Kapitalerhöhungen
287
Kapitalwert von null zu „parken", z.B. in geeigneten Anlagen am Kapitalmarkt. Ein anderer Aspekt, der die Möglichkeit zur Ausnutzung einer Überbewertung begrenzt, ist die Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarktes. Die neu emittierten Aktien müssen schließlich von irgendjemand gehalten werden. Dies wäre kein Problem auf einem effizienten Markt. Dort ist die Nachfragefunktion für Aktien bekanntlich sehr elastisch^^, weil ein nicht fundamental gerechtfertigter Kursrückgang Arbitrageure auf den Plan rufen würde, die die betreffenden Aktien nun verstärkt nachfragen und sich durch den Leerverkauf von äquivalenten Anlagemöglichkeiten hedgen. Wenn eine solche Arbitrage nicht (perfekt) funktioniert, etwa weil es keine perfekten Substitute gibt, oder weil Arbitrageure nur begrenzt willens und in der Lage sind, sog. Noise-TraderRisiko zu tragen^^, muss hingegen mit einer fallenden Nachfragefunktion gerechnet werden.^^ Von den „normalen" Anlegern wird i.d.R. nur dann eine größere Menge von Aktien der betreffenden Unternehmung gehalten, wenn die erwartete Rendite steigt, d.h. der Preis sinkt. Geht man von einer fallenden Nachfragefunktion für die Aktien der Unternehmung aus, so wird der Kurs nach Kapitalerhöhung also c.p. um so kleiner sein, je mehr neue Aktien emittiert werden.
4 Zusammenfassung Die Marktwertmaximierung ist bei vollkommenem und vollständigem Kapitalmarkt „die objektiv richtige Zielfunktion"^'^ für unternehmerische Entscheidungen. Finanzierungsentscheidungen erweisen sich unter diesen Bedingungen allerdings als irrelevant, sie können nicht zu einer Marktwertsteigerung beitragen.^^ Erst Marktunvollkommenheiten machen Finanzierungsentscheidungen interessant. Hier stand mit der Betrachtung von Kapitalerhöhungen bei ineffizientem Kapitalmarkt ein Aspekt im Vordergrund, der im Rahmen der neueren Finanzierungstheorie nur wenig Beachtung gefunden hat: Die Ausnutzung von temporären Fehlbewertungen durch entsprechend terminierte Emissionen. Eine Fehlbewertung setzt insofern einen unvollkommenen Kapitalmarkt voraus, dass nicht alle Kapitalmarktteilnehmer kostenlos alle bewertungsrelevanten Informationen beschaffen können. Die mangelnde Beachtung des Aspekts des „Market Timing" bei Emissionen von Finanzierungstiteln in der Theorie, trotz der Hinweise auf die Bedeu=^^ Vgl. z.B. Brealey/Myers, 2003, S. 368 ff. 2^ Vgl. Shleifer, 2000, S. 28 ff. 26 Empirische Hinweise auf eine fallende Nachfragefunktion finden sich z.B. bei Shleifer, 1986, und jüngst Biktimirov et al., 2004. 2^ Wilhelm, 1983, S. 531. ^^ Vgl. Modigliani/Miller, 1958.
288
Peter Nippel
tung dieses Aspekts in der Empirie^^ und in Befragungen von Praktikern^^, lässt sich leicht erklären: Market Timing im Sinne der Emission von überbewerteten jungen Aktien kann nur funktionieren, wenn der Kapitalmarkt nicht derart reagiert, dass er eine unverzerrte und damit im Ergebnis die Fehlbewertung vollkommen aufhebende Neubewertung der Unternehmensanteile zum Zeitpunkt der Ankündigung der Kapitalerhöhung vornimmt.^^ Dies in theoretischen Modellen zu erfassen, setzt ein Abweichen von der Annahme perfekter Rationalität der Kapitalmarktteilnehmer voraus. Deren Ergebnissen sind damit jedoch schnell dem Vorwurf der Beliebigkeit ausgesetzt. Diesen Vorwurf muss sich im Prinzip auch dieser Beitrag gefallen lassen. Allerdings konnte gezeigt werden, dass die Überlegungen in gewisser Weise robust sind. Die Vorteilhaftigkeit der Kapitalerhöhung bei Überbewertung ist unabhängig von dem Ausmaß der Abweichung von der Bewertung im Gleichgewicht bei rationalen Erwartungen der Kapitalmarktteilnehmer, sofern die Bewertung nach Ankündigung der Kapitalerhöhung zwischen dem ursprünglichen (zu hohen) Marktpreis und dem „wahren Wert" liegt. Auch „Overoptimism" im Sinne der Erwartung seitens des Kapitalmarktes, dass eine Überbewertung auch in Zukunft mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit fortbesteht, kann eine Kapitalerhöhung aus Sicht der Unternehmensleitung attraktiv erscheinen lassen. Voraussetzung dafür ist nur, dass das Management die Wahrscheinlichkeit für den Fortbestand der Überbewertung geringer einschätzt. Durch Marktunvollkommenheiten wird aber nicht nur die Möglichkeit zur Ausnutzung einer Überbewertung durch die Emission von neuen Aktien geschaffen, sondern auf der anderen Seite auch begrenzt. Einerseits kann am Kapitalmarkt die Befürchtung entstehen, dass mit dem Emissionserlös keine hinreichend vorteilhaften Projekte in der Unternehmung finanziert werden. Andererseits ist die Nachfrage nach den Aktien der Unternehmung nicht vollkommen elastisch, wenn der Markt unvollkommen und unvollständig ist. Dann führt die Emission neuer Aktien c.p. zu einem umso geringeren Kurs, je höher das Emissionsvolumen gewählt wird.
Literaturverzeichnis 1. Baker, M./Wurgler, J. (2000): The Equity Share in New Issues and Aggregate Stock Returns, in: Journal of Finance, 55, 2000, 2219-2257. 2. Baker, M./Wurgler, J. (2002): Market Timing and Capital Structure, in: Journal of Finance, 57, 2002, 1-32. 3. Bayless, M./Chaplinski, S. (1996): Is there a Window of Opportunity for Seasoned Equity Issuance?, in: Journal of Finance, 51, 1996, 253-278. 4. Biktimirov, E. N./Cowan, A. R./Jordan, B. D. (2004): Do Demand Curves for Small Stocks Slope Down?, in: Journal of Financial Research, 27, 2004, 161-178. ^^ Vgl. erneut die in Fußnote 6 genannte Literatur. ^° Vgl. Graham/Harvey, 2001, S. 215 ff, ^^ Vgl. Spiess/Affleck-Graves, 1995, S. 265.
Kapitalerhöhungen
289
5. Blanchard, O. J./Watson, M. W. (1982): Bubbles, Rational Expectations and Financial Markets, NBER Working Paper, 1982. 6. Brealey, R. A./Myers, S. C. (2003): Principles of Corporate Finance, 7. ed, McGraw-Hill, Boston, 2003. 7. Burch, T. R./Christie, W. G./Nanda, V. (2004): Do Firms Time Equity Offerings? Evidence from the 1930s and 1940s, in: Financial Management, 33, 2004, 5-23. 8. Choe, H./Masulis, R./Nanda, V. (1993): Common Stock OfFerings Across the Business Cycle: Theory and Evidence, in: Journal of Empirical Finance, 1, 1993, 3-31. 9. Denis, D.J./Sarin, A. (2001): Is the Market Surprised by Poor Earnings Realizitions FoUowing Seasoned Equity OfFerings?, in: Journal of Financial and Quantitative Analysis, 36, 2001, 169-193. 10. Deutsches Aktieninstitut (2003): DAI-Faktbook 2003. 11. Eckbo, B. E./Masulis, R. (1995): Seasond Equity Offerings: A Survey, in: Jarrow, R./Maksimovic, V./Ziemba, W. (Hrsg.): Finance, Handbook in Operations Research and Management Science, Elsevier, 1995, 1017-1072. 12. Franke, G./Hax, H. (2004): Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 5. Auflage, Springer, Berlin, 2004. 13. Gebhardt, G./Heiden S./Daske, H. (2001): Determinants of Capital Market Reactions to Seasoned Equity Offers by German Corportations, Working Paper, Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main, 2001. 14. Graham, J. R./Harvey, C. R. (2001): The Theory and Practice of Corporate Finance: Evidence from the Field, in: Journal of Financial Economics, 60, 187243. 15. Hax, H. (1971): Bezugsrecht und Kursentwicklung von Aktien bei Kapitalerhöhungen, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 23, 1971, 157-163. 16. Herfs, T. (2001): Kapitalerhöhungen gegen Einlagen - Eine theoretische Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Aktienbezugsrechts, Shaker, Aachen, 2001. 17. Jindra, J. (2000): Seasoned Equity Offerings, Overvaluation, and Timing, working paper, Ohio State University, 2000. 18. Krümmel, H.-J. (1964): Kursdisparitäten im Bezugsrechtshandel, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 16, 1964, 485-498. 19. Loughran, T./Ritter, J. (1995): The Operating Performance of Firms Conducting Seasoned Equity Offerings, in: Journal of Finance, 52, 1997, 1823-1850. 20. ModigHani F./Miller, M. (1958): The Cost of Capital, Corporation Finance and the Theory of Investments, in: American Economic Review, 48, 261-297. 21. Mola, S./Loughran, T. (2004): Discounting and Custering in Seasoned Equity Offering Prices, in. Journal of Financial and Quantitative Analysis, 39, 2004, 1-23. 22. Myers, S. C./Majluf, N. S. (1984): Corporate Financing and Investment Decisions when Firms have Information that Investors do not have, in: Journal of Financial Economics, 12, 1984, 187-221. 23. Pastor-Llorca, M. J./Martm-Ugedo, J. F. (2004): Long-run Performance of Spanish Seasond Equity Issues with Rights, in: International Journal of Financial Analysis, 13, 2004, 191-215. 24. Shleifer, A. (1986): Do Demand Curves for Stocks Slope Down? in: Journal of Finance, 41, 1986, 579-590.
290
Peter Nippel
25. Shleifer, A. (2000): Inefficient markets, Oxford Univ. Press, Oxford [u. a,], 2000. 26. Shleifer, A./Vishny, R. W. (2003): Stock Market Driven Acquisitions, in: Journal of Financial Economics, 70, 2003, 295-311. 27. Spiess, D. K./Affleck-Graves, J. (1995): Underperformance in Long-Run Stock Returns Following Seasoned Equity Offerings, in: Journal of Financial Economics, 38, 1995, 243-267. 28. Teoh, S. H./Welch, I./Wong, T. J. (1998): Earnings Management and the Underperformance of Seasoned Equity Offerings, in: Journal of Financial Economics, 50, 1998, 63-99. 29. Wilhelm, J. (1983): Marktwertmaximierung - Ein didaktisch einfacher Zugang zu einem Grundlagenproblem der Investitions- und Finanzierungstheorie, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 53, 1983, 516-534. 30. Wilhelm, J. (1991): Spurensuche: Neoklassische Elemente in der „neuen" Finanzierungstheorie, in: Ordelheide, D./Rudolph, B./Büsselmann, E. (Hrsg.): Betriebswirtschafslehre und Ökonomische Theorie, Poeschel, Stuttgart, 1991, 173-196.
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information: ein didaktisch einfacher Zugang Thomas Braun Universität Bielefeld, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwirtschaft, Postfach 10 Ol 31, D-33501 Bielefeld tbraunOwiwi.uni-bielefeld.de
Gliederung 1
Problemstellung
292
2
Modell
296
2.1 2.2
Annahmen Der Kalkül der Gründer
296 299
2.3
Die Gleichgewichte
301
3
Fazit
308
Literaturverzeichnis
309
292
Thomas Braun
1 Problemstellung Gegenstand des vorliegenden Beitrags sind die Bedingungen, unter denen Real-Investitionen mit Hilfe von Bar-Einlagen zuvor nicht beteiligter (Neu) Gesellschafter finanziert werden sollten, wenn alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Dabei tritt ein Problem auf, von dem sich der Markt für Aktien-Emissionen in Deutschland, der nach den Baisse-Jahren 2000 bis 2003 zwischenzeitlich völlig zum Erliegen kam, offensichtlich noch immer nicht erholt hat: Wenn das bereits investierte Unternehmensvermögen unterbewertet ist, findet ein Vermögenstransfer von den Alt-Gesellschaftern an die Neu-Gesellschafter statt, der es aus Sicht der Alt-Gesellschafter ratsam erscheinen lassen kann, eine günstige Real-Investitionsgelegenheit mangels alternativer Finanzierungsmöglichkeiten ungenutzt verstreichen zu lassen. Was für Baisse-Jahre gilt, gilt für Hausse-Jahre mit umgekehrtem Vorzeichen: Wenn das bereits investierte Unternehmensvermögen überbewertet ist, findet ein Vermögenstransfer zu Gunsten der Alt-Gesellschafter statt, der die in Rede stehende Finanzierungsvariante besonders attraktiv macht. Die in dieser Überlegung wurzelnde Skepsis gegenüber Kapitalerhöhungen, an denen die bisherigen Gesellschafter nicht teilnehmen, ist allerdings nicht nur in HausseZeiten angebracht, sondern immer dann, wenn von einem Informationsvorsprung der Alt-Gesellschafter bzw. des in deren Interesse handelnden Managements auszugehen ist. Selbst wenn man der Einfachheit halber unterstellt, dass jedermann den sicheren Gewinn aus dem zu finanzierenden Projekt auf Heller und Pfennig genau berechnen kann, kann die Ankündigung den Markt dazu veranlassen, sich von allzu kühnen Erwartungen über die Wertentwicklung des bereits investierten Unternehmensvermögens zu verabschieden und den weniger rosigen Szenarien dementsprechend größere Wahrscheinlichkeit zuzubilligen. Und zwar deshalb, weil er sich denken kann, dass eine allzu krasse Unterbewertung das Management unter den gegebenen Finanzierungsrestriktionen davon abgehalten hätte, das Projekt in Angriff zu nehmen. Unter diesen Umständen würde die Ankündigung einer Kapitalerhöhung, an der sich die Alt-Gesellschafter nicht beteiligen, vom Markt als schlechtes Zeichen mit entsprechenden Folgen für den Börsenkurs interpretiert. Der Kreis schließt sich, wenn das Management diese Anpassungsreaktion bei der Festlegung des Emissionskurses antizipiert und sich daher nur dann nicht von der Verwirklichung des Projektes abbringen lässt, wenn das bereits investierte Unternehmensvermögen tatsächlich überbewertet ist. Ob es soweit kommt, hängt maßgeblich davon ab, wie hoch die an das zu finanzierende Real-Investitionsprojekt geknüpften Gewinn-Erwartungen relativ zu der für möglich gehaltenen Unterbewertung sind. Je größer diese Relation ist, desto weniger skeptisch wird der Markt reagieren, weil die Szenarien, die das Management von einer Verwirklichung abhalten, immer unwahrscheinücher werden, so dass es immer weniger Anlass gibt, in einer tatsächlich angekündigten Kapitalerhöhung ein schlechtes Zeichen zu erkennen. Als Probe aufs Exempel mag der Fall dienen, in dem das Projekt einen höheren Gewinn verspricht als die größtmögliche bewertungsbe-
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
293
dingte Umverteilung zu Lasten der Alt-Gesellschafter. In diesem Fall ist jegliche Skepsis des Marktes gegenüber einer Kapitalerhöhung, an der sich die AltGesellschafter nicht beteiligen, unbegründet, weil sich die Alt-Gesellschafter aufgrund der überwältigenden Gewinn-Aussichten unter keinen U m s t ä n d e n von den spezifischen Nachteilen der einzig möglichen Finanzierungsform von der Realisierung des Projektes abhalten lassen würden. Erstmalig wurden die Auswirkungen rationaler Erwartungen im Kontext der hier zu Grunde gelegten Entscheidungssituation in einem viel zitierten Beitrag von Myers und Majluf^ beschrieben oder, besser gesagt, angedeutet.^ Viel Kritik brachte den Autoren der Versuch ein, mit ihrem Beitrag in die Diskussion u m die optimale Kapitalstruktur einzugreifen, obwohl sie genau genommen eine Situation analysieren, in der nur eine bestimmte Finanzierungsmöglichkeit oflFen steht. Daher können sie auch nicht mehr beisteuern als die Vermutung, dass andere Finanzierungsmöglichkeiten, wie z. B. Innenfinanzierung oder Fremdfinanzierung, oder flankierende Maßnahmen, wie z. B. Ausgründungen (Spin OflFs), vor allem deswegen bevorzugt werden, u m das Problem einer Umverteilung zu Lasten der Alt-Gesellschafter einzudämmen oder diesem zu entgehen. Am konsequentesten gelingt dies durch Innenfinanzierung, weil eine Umverteilung ausgeschlossen ist, solange keine neuen Ansprüche an das Unternehmensvermögen geschaflFen werden. Risikolose Fremdfinanzierung ist ebenfalls ein Weg zum Ziel, weil sie Ansprüche entstehen lässt, für deren Bewertung die Informationsasymmetrie irrelevant ist,^ und eine Ausgründung sorgt zumindest dafür, dass keine neuen Ansprüche an das bereits investierte Unternehmensvermögen entstehen. Die Kritik setzt konsequenterweise an den Prämissen an. Dabei lassen sich im Wesentlichen zwei Ansatzpunkte unterscheiden: Entweder wird die beschränkte Menge zulässiger Finanzierungsformen bzw. die unvollständige Erfassung von Handlungsoptionen in Gegenwart alternativer Finanzierungsformen kritisiert und dement^ Vgl. Myers und Majluf (1984). ^ Während Myers und Majluf (1984, S. 200) noch vage mit mehr oder weniger attraktiven Emissionskonditionen argumentieren und bspw. der wiederholt geäußerten (S. 201 u. 203) Feststellung, dass es im Fall allseitiger Gewissheit über den Marktwert des bereits investierten Unternehmensvermögens kein Problem gibt, einen eigenen Unterabschnitt widmen, nennen Harris und Raviv (1991, S. 307 ff.) das Kind beim Namen und weisen explizit auf eine Unterbewertung des bereits investierten Unternehmensvermögens und den dadurch bewirkten Vermögenstransfer von den Alt-Gesellschaftern an die Neu-Gesellschafter als Ursache des Problems hin. ^ Die auf Myers (1984) zurückgehende Metapher einer von der Innenfinanzierung angeführten Hackordnung (pecking order) der Finanzierungsformen erscheint auf den ersten Blick als Fehlgriff, weil risikoloses Premdkapital grundsätzlich ebenso wie die Innenfinanzierung geeignet ist, das durch eine Unterbewertung des bereits investierten Unternehmensvermögens verursachte Umverteilungsproblem gar nicht erst aufkommen zu lassen. Bedenkt man jedoch, dass in Wirklichkeit bei Fremdkapital stets ein, wenn auch möglicherweise sehr kleines, Restrisiko bleibt, hat die Metapher durchaus ihre Berechtigung.
294
Thomas Braun
sprechend erweitert"* oder es wird moniert, dass Myers und Majluf das ÜberInvestitionsproblem als Folge einer mit wachsendem Innenfinanzierungsspielr a u m schwindenden Kontrolle des Managements durch den Kapitalmarkt^ mit der A n n a h m e stets nicht negativer Kapitalwerte der Investitionsgelegenheiten bewusst ausklammern.^ Der vorliegende Beitrag akzeptiert die Prämissen von Myers und Majluf und geht daher von einer rein eigenfinanzierten, von den Gründern geführten Aktiengesellschaft aus^ und zeigt, dass asymmetrische Information für Gründer, die auf das Kapital neuer Gesellschafter angewiesen sind, unter U m s t ä n d e n gar kein Problem ist. Maßgeblich hierfür ist der Risiko-Zusammenhang zwischen den Marktwerten des bereits investierten u n d des neu hinzukommenden Unternehmensvermögens. Grundsätzlich basiert das Modell von Myers und Majluf (1984) auf der Vorstellung, dass Alt- und Neu-Aktionäre eines einzigen Unternehmens zunächst vollkommen homogene Erwartungen hinsichtlich des ökonomisch relevanten Entscheidungsfeldes der Alt-Aktionäre haben. Erst unmittelbar vor der Ankündigung der Kapitalerhöhung machen die Alt-Aktionäre eine Insider-Beobachtung. Die Neu-Gesellschafter sind sich dessen bewusst und prüfen daher gegebenenfalls, ob die von den Alt-Aktionären gefällte Entscheidung, den K a p i t a l m a r k t zwecks Verwirklichung eines beVgl. Harris und Raviv (1991, S. 309 ff.), wobei der hier zu findende Hinweis auf Brennan und Kraus (1987) besonders hervorzuheben ist. Brennan und Kraus zeigen, dass die Verwendung eines Teils des Emissionserlöses zur Rückzahlung von Krediten zum risikolos diskontierten Gegenwartswert der noch ausstehenden Zahlungen eine Unterbewertung signalisieren kann. Vgl. Jensen (1986). Einen ersten Versuch, Auswirkungen von Interessenkonflikten zwischen Eignern und Managern einerseits und asymmetrischer Information andererseits auf die optimale Kapitalstruktur simultan zu analysieren, findet sich bei Noe und Rehello (1996). Dadurch wird ausgeschlossen, dass die mit der Verwirklichung der Investitionsgelegenheit verbundene Vergrößerung der Haftungsmasse zu einer besseren Besicherung von Ansprüchen Dritter führt. Die damit verbundene Umverteilung zu Lasten der Eigner kann genau so wie die durch eine Beteiligungsfinanzierung ausgelöste Umverteilung dazu führen, dass an sich wertsteigernde Investitionsgelegenheiten ungenutzt bleiben. Dieser Sachverhalt ist seit Myers (1977) in der Literatur als Unter-Investitionsproblem bekannt. Aufgrund der Vorrangstellung von Gläubiger-Ansprüchen kann es offensichtlich zu einer Überlagerung des Problems der Beteiligungsfinanzierung durch das Unter-Investitionsproblem kommen. Nicht gesehen wurde bislang, dass dies der Skepsis des Marktes gegenüber Kapitalerhöhungen den Boden entziehen könnte, wenn allgemein bekannt ist, dass Gläubiger-Ansprüche eine an sich vorteilhafte Investitionsgelegenheit für die Eigner genau dann uninteressant machen, wenn das bereits investierte Unternehmensvermögen überbewertet ist. Dies ist nicht der einzige Hinweis darauf (s. Fn. 4), dass das von Myers und Majluf (1984) aufgeworfene Problem tendenziell an Brisanz verliert, wenn das Unternehmen in der Ausgangssituation bereits teilweise fremdfinanziert ist.
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
295
stimmten Projektes in Anspruch zu nehmen, mit allen zuvor für möglich gehaltenen Szenarien vereinbar ist. Dabei kommt ihnen die Tatsache entgegen, dass Alt- und Neu-Gesellschafter von einem ursprünglich gleichen Informationsstand ausgehen. Dies kann - muss aber nicht - zu einer vollständigen Entschlüsselung der Insider-Information führen. D a die Alt-Aktionäre die gleichen Vorstellungen von rationalen Erwartungen u n d angemessener Bewertung zukünftiger risikobehafteter Zahlungen haben wie die Neu-Aktionäre, sind die Alt-Aktionäre jedenfalls ihrerseits in der Lage zu antizipieren, welche Auswirkungen der Gang an den K a p i t a l m a r k t auf die Erwartungen potenzieller Neu-Aktionäre hat. Das versetzt die Alt-Aktionäre in die Lage, den höchsten Emissionskurs, zu dem die jungen Aktien platziert werden können, ohne die Hilfe einer Investmentbank bestimmen zu können.^ Im Einzelnen gehen Myers und Majluf davon aus, dass einerseits das Management den Marktwert der Investitionsgelegenheit im Zeitpunkt der Ankündigung der Kapitalerhöhung bereits mit Sicherheit kennt und andererseits der Markt ganz unspezifisch von stochastisch voneinander unabhängigen Marktwerten^ des bereits investierten und des erst noch anzuschaffenden Sachanlagevermögens ausgeht.^^ Damit wird z. B. ausgeschlossen, dass die folgende Überlegung zum Tragen kommt: Eine hinreichend positive Korrelation zwischen den relevanten Marktwerten vorausgesetzt,^^ könnte es sich dem Markt erschließen, dass die Gründer aufgrund der gerade d a n n mit hoher Wahrscheinlichkeit t r ü b e n Erfolgsaussichten der Investitionsgelegenheit ^^ im eigenen Interesse besser auf die Kapitalerhöhung verzichten, wenn das Unternehmen überbewertet ist. Dies würde Harris und Raviv (1991, S. 306 ff.) interpretieren das Modell von Myers und Majluf (1984) im Sinne einer Querschnittsbetrachtung, bei der nicht ein einziges Unternehmen über den Gang an die Börse nachdenkt, sondern viele. Die relativen Häufigkeiten von - gemessen am Marktwert des bereits investierten Unternehmensvermögens - guten und schlechten Unternehmen, die sich darunter befinden, treten an die Stelle der subjektiven Wahrscheinlichkeiten für hohe und niedrige Marktwerte des bereits investierten Unternehmensvermögens eines einzigen Unternehmens. Die guten Unternehmen müssen in Anbetracht allseits gleichwertiger Investitionsgelegenheiten abwägen, wie weit sie bereit sind, den Emissionskurs zu senken, um nicht mit den schlechten Unternehmen in einen Topf geworfen zu werden. Im Ergebnis unterscheiden sich diese beiden Interpretationen nicht. Letztendlich treten lediglich relative Häufigkeiten an die Stelle subjektiver Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt bestimmter Ereignisse. ^ Myers und Majluf (1984, S. 206, Legende zu Tabelle 1). ^° Sie schließen damit Kapazitätserweiterungsinvestitionen oder Investitionen mit Hedge-Charakter entweder aus oder unterstellen zumindest, dass der Markt nicht über den Zweck solcher Investitionen informiert ist. ^^ Im Sinne einer Querschnittsbetrachtung entspricht dies der Annahme, dass die Gruppe der wertvollen Unternehmen einen höheren Anteil von Unternehmen mit vergleichsweise höherwertigen Investitionsgelegenheiten aufweist als die Gruppe der weniger wertvollen Unternehmen. ^^ Dabei kann es sich um ein ex ante betrachtet durchaus viel versprechendes Investitionsvorhaben handeln.
296
Thomas Braun
der Mutmaßung den Boden entziehen, dass das Management vor der Ankündigung einer Kapitalerhöhung eine Überbewertung beobachtet haben könnte, und somit das Unter-Investitionsproblem von Myers und Majluf lösen.
2 Modell 2.1 Annahmen 1. Die im Interesse aller bisherigen Gesellschafter handelnden Gründer eines rein eigenfinanzierten Unternehmens haben die (exklusive) Gelegenheit, in ^2 eine Investition zu tätigen. Als Gegenleistung für eine sichere Auszahlung in Höhe von Z2 können dem bereits vorhandenen Sachanlagevermögen mit Marktwert O2 (O steht für old) weitere Vermögensgegenstände mit einem Marktwert von N2 {N steht für new) hinzugefügt werden. 2. Das Modell erstreckt sich über drei Zeitpunkte: ^2 ist der Planungshorizont, in dem das Projekt ggf. zeit gleich mit der Durchführung der Kapitalerhöhung realisiert wird, ti ist der Zeitpunkt, in dem die Kapitalerhöhung spätestens angekündigt werden muss, damit das Projekt in ^2 realisiert werden kann, to ist der letzte Handelszeitpunkt vor dem Zeitpunkt ^23. Zukünftige Zahlungen werden generell mit ihrem Erwartungswert bewertet. Diese Annahme kann etweder mit Risikoneutralität oder (nach einer Maßtransformation) mit der Replizierbarkeit der zu bewertenden Zahlungen begründet werden.-^^ 4. Sei V2 der Marktwert des gesamten Eigenkapitals in ^2 für den Fall, dass das Projekt umgesetzt wird. Da die Aktiengesellschaft rein eigenfinanziert ist und O2 > 0 gilt, kann die Vergrößerung der Haftungsmasse um den Marktwert der neu hinzukommenden Assets N2 > 0 nicht zu einer besseren Besicherung von Ansprüchen Dritter führen. ^^ Somit gilt V2 = 02 + N2.
(1)
5. Es gibt keine andere MögHchkeit der externen Finanzierung,^^ als zusätzlich zu den ria alten Aktien rij junge Aktien zum Emissionskurs fc, der in Die Existenz eines Informationsvorsprungs lässt sich allerdings nur dann mit arbitragefreier Bewertung in Einklang bringen, wenn der Markt unvollkommen und/oder unvollständig ist, da sich andernfalls die Gelegenheit ergibt, den Informationsvorsprung in unendlich große Arbitragegewinne umzumünzen; vgl. hierzu Wilhelm (1991, S. 186-189). Um solche Komplikationen zu vermeiden, wird im Folgenden Risikoneutralität unterstellt. Vgl. Karsten (2003) zu möglichen Konsequenzen einer besseren Besicherung von Gläubigern für die Eigenkapitalgeber im Fall von Unternehmenszusammenschlüssen. Ein Spin Off wird aus exogen gegebenen Gründen, wie z. B. hohen Transaktionskosten, nicht in Erwägung gezogen.
Beteiligungsfinanzierung bei asymmetrischer Information
297
f 1 bekannt gegeben wird aber erst in ^2 zu zahlen ist, an neue Gesellschafter auszugeben. Ein dem Markt bekannter Innenfinanzierungsspielraum wird stets konsequent genutzt. Damit reduziert sich der Kapitalbedarf in Höhe der Summe aus Anschaffungsauszahlung z^ und Emissions-Kosten C2 ggf. um den Marktpreis nicht betriebsnotwendiger Finanz-Aktiva fi Demnach gestatten weder die Finanzierungsform noch der Emissionserlös e : = n^k = Z2^- c^ - /2
(2)
Rückschlüsse auf die Information der Gründer. Mit der Kapitalerhöhung angekündigte Projekte werden stets entsprechend der Ankündigung durchgeführt. 6. Seien Q = {(^1,(^2,(^3,(^4} die Menge der Elementarereignisse und 02{(^l) = 0 2 ( ^ 2 ) =Oh
/
02M=02M=0,
^^^^^'^^
^ ^N
die Marktwerte für das bereits investierte Sachanlagevermögen in ^2- Diese können von den Gründern bereits in ^i beobachtet werden. In Verbindung mit den Definitionen Oh := {^ I 02(0;) = Oh} = {uJi,(^2} Ol := {uj> I 02{uj) = Ol} = {(jJ3,(u;4} lässt sich die Information der Gründer in den Zeitpunkten ti (i = 0,1,2) mit Hilfe der Zerlegungen
Zi = {0h,0i} 22 = {{^1}, {^2}, {^3}, {^4}} abbilden. 7. Der Markt verfügt in ti nur über die bereits in to bekannte öffentliche Information. Allerdings nimmt der Markt die Ankündigung einer Kapitalerhöhung zum Emissionskurs k in ti zum Anlass, bislang gehegte Erwartungen auf den Prüfstand zu stellen. Stellt sich dabei heraus, dass die Finanzierung des Projektes zu den angekündigten Konditionen bei Eintritt eines der beiden möglichen Ereignisse für die Gründer uninteressant ist, so dann kann sich der Markt denken, dass die Gründer das andere Ereignis beobachtet haben. 8. Bislang unterscheiden sich die Annahmen nicht wesentlich von denen des Modells von Myers und Majluf (1984). Der einzige wirklich nennenswerte Unterschied besteht darin, dass eine diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung für O2 an die Stelle der von Myers und Majluf angenommenen logarithmischen Normalverteilung tritt, was allerdings den nicht zu unterschätzenden Vorteil einer wesentlich einfacher nachzuvollziehenden Argumentation hat. Eine, wie sich zeigen wird, ökonomisch bedeutende Beschränkung der Allgemeinheit des Modells von Myers und Majluf besteht
298
Thomas Braun in der Annahme, dass die Gründer in t i nicht nur den zukünftigen Marktwert des bereits investierten Unternehmensvermögens mit Sicherheit bestimmen können, sondern auch den zukünftigen Marktwert des in Frage stehenden Investitionsvorhabens.^^ Im Allgemeinen erscheint es jedoch plausibler davon auszugehen, dass der Informationsvorsprung der Gründer in Bezug auf das bereits vorhandene Vermögen von anderer Qualität ist als ein eventueller Informationsvorsprung in Bezug auf das erst noch zu realisierende Projekt. Daher wird hier angenommen, dass die Gründer unter keinen U m s t ä n d e n bereits in ti Gewißheit über A^2 erlangen. Wegen Oh = {^1,^2} Ol = {us^u;^} erfordert dies A^2(^i) 7^ -^2('^2) und A^2(^3) 7^ ^2(004). Diese Bedingung ist unter den vereinfachenden Annahmen
N2{LÜ2)
= N2{u;4) =ni
^
< ^i/^j
erfüllt. Die subjektiven Wahrscheinlichkeitsvorstellungen der Marktteilnehmer seien durch
Po^ :=P({a>i, ks
^'^
(8)
Es ist ersichtlich, dass die Einführung der Bürgschaft das Verhalten der Bank nicht unmittelbar beeinflusst, während der Unternehmer schon bei geringeren Werten k für die Konkursauslösung von der strategischen Insolvenz Abstand nimmt. Die Beste-Antwort-Funktionen in Abhängigkeit von der Bürgschaft lassen sich wie folgt graphisch darstellen:
A
k(z)
r*: 1 • ks
1 :G3 1
1 1 1
1
•••
z3(B = 0) = zi k3(B = 0) = ki
•
1
•
|z(k)
• • •
i K?^ Dies wird im Weiteren unterstellt, so dass man erhält:
^
[
Unternehmer zahlt R
«--^
^ Erfolg der Investition r
U: H - R B: R
Unternehmer zahlt N
U: H - R - - B K B: R + ( l -•ß)-B
Konkurs
BC
•^'
Vergleich
U: H - N - B B: N + (l--ß)-B
j^
Misserfolg der Investition
^ Konkurs Vergleich
U: - B B: N - K f (l-ß)-B
U: - B B: N + (l--ß)B
Abb. 4. Insolvenzspiel mit Bürgschaft bei Schadensersatz. Der erwartete Gewinn von Bank und Unternehmer beträgt nunmehr
^^ Anderenfalls würde die Schadensersatzregel mangels Masse ins Leere laufen.
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten GB4 = T^-
371
[{l - z) • R + z • k • {R+ {1 - ß) • B) + z • {1 - k) • (N + (1 - ß) • B]
+ {1 -T:) • [k • (N - K + {1 - ß) • B) + {1 - k) • (N + {l - ß) • B]
beziehungsweise
Gu4 =
H{'^-z)iH-R)-^Z'kiH-R-K-B)+zil-k)'{H-N-B)]-{l-7r)'B.
Wiederum ist zunächst das Insolvenzspiel bei gegebenem Kreditvertrag {R, B) zu lösen. Für die Beste-Antwort-Funktionen erhält man 1 wenn z > z, (^ _ ^ ) . ^ k = { [0,1] wenn z = z^ = ^ , ^ _ ^ . , 0 wenn z < Z4 ^ ^ 1 wenn k < k4 [0,1] wenn k = k4 0 wenn k > k^
u _ AT _ n R-N
+ K
Infolge der verringerten Vertragsstrafe verändert sich zwar nicht die Struktur der möglichen Gleichgewichte des Insolvenzspiels bei Variation der Bürgschaft. Jedoch ist der Startpunkt G4 ein anderer, weil - wie oben erläutert - gilt: ^2 > kl und Z2 > zi. Bei Verwendung einer der Abb. 3 entsprechenden Graphik läge G4 also weiter rechts oben als G3. Mit der gleichen Logik und Algebra wie in Abschnitt 4.1 (Bürgschaft bei hoher Vertragsstrafe) erweist sich wieder lediglich die Wahl zwischen dem völligen Verzicht auf die Bürgschaft sowie der Vereinbarung der maximalen Bürgschaft als relevant. Insbesondere kann auch hier durch die Vereinbarung der Bürgschaft erreicht werden, dass im Gleichgewicht weder der Unternehmer eine positive Wahrscheinlichkeit für eine strategische Insolvenz wählt {z^ = 0) noch die Bank eine positive Wahrscheinlichkeit für die Auslösung eines Konkurses (^4 = 0). Bei Einbeziehung der Bürgschaft in den Kreditvertrag wird also - vorausgesetzt, die Einbeziehung ist überhaupt lohnend - unter der Schadensersat zregel die gleiche Lösung realisiert wie bei der hohen Vertragsstrafe: {l +
ri4 = riz — —
BA
= JBQ
=
i).I-{l-7r).ß.N l-{l-n)-ß il+i)-I-N l-(l-7r).^
^ - ^ - ( l - . ) . ^ - i ^ ^ ( ^ .
(11)
Die Lösung lässt sich auch so interpretieren, dass durch Einbeziehung der Bürgschaft in den Kreditvertrag die institutionellen Defizite, die mit einer Beschränkung auf die Schadensersatzregel verbunden sind, geheilt werden können.
372
Werner Neus
Offen ist nun noch die Frage nach der kritischen Grenze für die Bürgschaft skosten, bis zu der die Einbeziehung von Bürgschaften tatsächhch von Vorteil ist. Hier weichen die Ergebnisse der beiden Szenarien voneinander ab, weil sich die Ausgangspunkte unterscheiden. Der Vergleich von (6) und (11) führt zu ^ ' " (l + i ) . / - i V + ( l - 7 r ) . i f
^^^^
4.3 Zum Einfluss des Risikos auf die Nützlichkeit der Bürgschaft Die Hauptzielrichtung des vorliegenden Beitrags ist, den Zusammenhang zwischen dem Risiko eines Investitionsprojektes und der Vorteilhaftigkeit der Einbeziehung von Sicherheiten in den Kreditvertrag differenziert zu beleuchten. Nach den vorstehenden Herleitungen ist dies nun ohne weiteres möglich. Es lässt sich festhalten: •
•
Aus (10) ergibt sich: Im Modell mit hoher Vertragsstrafe führt eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit n c.p. zu einem niedrigeren kritischen Wert ßs für die Bürgschaftskosten. Nach der vielfach zitierten Lesart von Bester bedeutet dies, Bürgschaften werden eher bei riskanten Projekten vereinbart. Aus (12) ergibt sich: Beschränkt man die Vertragsstrafe auf den reinen Schadensersatz, steigt der kritische Wert /?4 für die Bürgschaftskosten bei zunehmender Wahrscheinlichkeit TT. Dies lässt die Folgerung zu, dass wie in den meisten anderen Modellen der Kreditfinanzierung auch - Bürgschaften eher mit geringeren Risiken einhergehen.
Die beiden genannten komparativ-statischen Folgerungen beziehen sich auf die isolierte Variation der Erfolgswahrscheinlichkeit des Investitionsprojektes. Jedoch ist dies bekanntlich ein fragwürdiges Risikomaß^^, weil zugleich der erwartete Cash-flow, also die Rendite der Investition verändert wird. Ob die Wirkungen tatsächlich durch das zunehmende Risiko oder aber vielleicht durch die abnehmende Rendite des Projekts ausgelöst werden, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Es ist demzufolge zweckmäßig, eine Variation von Risikomaßen so vorzunehmen, dass keine Uneindeutigkeiten zurückbleiben. Nimmt man eine solche Modifikation, wie in Abschnitt 2 beschrieben, vor, kommt man zu
^' = i + LGD + a.PD-
^^^'^
^^ Es sei überdies daran erinnert, dass bei einer reinen Risikoerhöhung im Sinne des Mean-preserving Spread ein erhöhtes Risiko bei einer festen Höhe der Rückzahlungsverpflichtung durchaus mit einer verringerten Ausfallwahrscheinlichkeit einhergehen kann. Siehe dazu nochmals Kürsten (1997), S. 830.
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
373
Diese Gleichungen zeigen eine für beide Szenarien übereinstimmende Wirkung einer Risikoerhöhung auf den kritischen Wert für die Bürgschaftskosten: •
Hält man die erwartete Rendite des Projekts konstant, betrachtet man also einen Mean-preserving Spread nach Rothschild und Stiglitz (1970), sinkt der kritische Wert für die Bürgschaftskosten bei zunehmendem Risiko^^. Es sind also die risikoarmen Projekte, bei denen eine Bürgschaft vereinbart wird. Dies gilt unabhängig davon, ob man Risiko durch die Ausfallwahrscheinlichkeit PD oder durch die bedingte Ausfallrate LGD misst, und auch unabhängig davon, ob eine hohe Vertragsstrafe vereinbart wird oder lediglich die Schadensersatzregel gilt.
Übersteigt der Kapitalwert der Investition die Konkurskosten (// — i > a), liegt der kritische Wert für ß bei der Schadensersatzregel (Fall 4) höher als bei hoher Vertragsstrafe (Fall 3). Dies ergibt sich letztlich daraus, dass der Ausgangspunkt ohne Einbeziehung von Sicherheiten eine inferiore Wohlfahrtssituation mit sich bringt. Die quantitative Abschätzung der kritischen Bürgschaft skosten mit der Parameterkonstellation wie in Abschnitt 3.4 führt zu ßs = 24,88% und /?4 = 26,64%. Da bei einer Bürgschaft keinesfalls davon auszugehen ist, dass sie mit anteiligen Transaktionskosten von über 20% verbunden ist, lässt sich folgern, dass in aller Regel Kreditverträge Bürgschaften enthalten sollten.
5 Zusammenfassung Das Hauptergebnis des vorliegenden Beitrags lässt sich schnell zusammenfassen: Das Modell von Bester (1994) zur Einbeziehung von Sicherheiten in Kreditverträgen impliziert zwar ein interessantes komparativ-statisches Ergebnis, nämlich einen positiven Zusammenhang zwischen dem Projektrisiko und der Wahrscheinlichkeit der Einbeziehung von Sicherheiten in den Kreditvertrag. Dieses Ergebnis ist jedoch in gleich zwei Richtungen höchst instabil: •
Zum einen führt eine (zwar aus theoretischer Sicht exogen vorgegebene, aus institutioneller Sicht aber sehr plausible) Beschränkung zulässiger Vertragsstrafen dazu, dass sich das Vorzeichen der Korrelation zwischen Projektrisiko und Nützlichkeit der Bürgschaft gegenüber dem Bester-Modell umkehrt ^^.
^^ A forteriori geht aus (10') hervor, dass es die wenig rentablen Projekte sind, die eher mit Sicherheiten einhergehen. Bei einer unkompensierten Reduktion der Erfolgswahrscheinlichkeit wirkt also die Verringerung der erwarteten Rendite, nicht das höhere Risiko. ^^ Das von Bester gewählte Szenario könnte im Übrigen auch im Hinblick auf die Art und Weise der Einbeziehung der Bürgschaft in Frage gestellt und sinnvoll modifiziert werden. Da die Bürgschaft akzessorisch ist, würde sowohl die Befriedigung der Hauptforderung im Konkurs als auch die Verminderung der Haupt-
374 •
Werner Neus Zum anderen führt auch eine sachgerechte Operationahsierung des Begriffs „Projektrisiko" dazu, dass unabhängig von dem die Vertragsstrafe betreffenden Szenario das Projektrisiko negativ auf die Wahrscheinhchkeit der Einbeziehung von Sicherheiten in den Kreditvertrag wirkt.
Die an verschiedenen Stellen des Beitrags vorgenommenen quantitativen Abschätzungen zeigen zwar, dass die Implikationen des Modells der allgemeinen Anschauung nicht offensichtlich widersprechen. Jedoch sollten die angegebenen Zahlen eher als plausibles Beispiel denn als eine Überprüfung der empirischen Validität angesehen werden. Insbesondere ist zu konstatieren, dass wesentliche Probleme der Kreditsicherung schon deshalb ausgeklammert bleiben, weil ein einziger Kreditgeber unterstellt wurde. Die Erweiterung des Modells auf mehrere Banken als Kreditgeber und die Modellierung des Nebeneinanders von haftungserweiternden Maßnahmen (wie eben der Bürgschaft) und Sicherheiten aus dem Unternehmensvermögen (zum Beispiel einer Grundschuld) wäre gewiss besonders lohnend. Dies liegt jedoch jenseits der Zielsetzung des vorliegenden Beitrags.
Literaturverzeichnis 1. Bester, H. (1994): The Role of Collateral in a Model Debt Renegotiation. In: Journal of Money, Credit and Banking, 26, 1994, 72-86. 2. Bigus, J., T. Langer und D. Schiereck (2004): Empirische Erkenntnisse zum Einsatz von Kreditsicherheiten. Manuskript. 3. Bolton, P., und D. S. Scharfstein (1990): A Theory of Predation Based on Agency Problems in Financial Contracting. In: American Economic Review, 80, 1990, 93-106. 4. Diamond, D. W. (1984): Financial Intermediation and Delegated Monitoring. In: Review of Economic Studies, 51, 1984, 393-414. 5. Elsas, R., und J. P. Krahnen (2002): Collateral, Default Risk, and Relationship Lending: An Empirical Study on Financial Contracting. CFS Working Paper 1999/13, aktuelle Version Dezember 2002. 6. Gale, D., und M. Hellwig (1985): Incentive-Compatible Debt Contracts. The One-Period Problem. In: Review of Economic Studies, 52, 1985, 647-663. 7. Innes, R. D. (1990): Limited Liability and Incentive Contracting with Ex-ante Action Choices. In: Journal of Economic Theory, 52, 1990, 45-67. 8. Kürsten, W. (1994): Finanzkontrakte und Risikoanreizproblem. Missverständnisse im informationsökonomischen Ansatz der Finanztheorie, Wiesbaden, Gabler Verlag, 1994. 9. Kürsten, W. (1997): Zur Anreiz-Inkompatibilität von Kredit Sicherheiten, oder: Insuffizienz des Stiglitz/Weiss-Modells der Agency-Theorie. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 49, 1997, 819-857. forderung im Vergleich dazu führen, dass die Bürgschaft hinfällig ist. Bei den Auszahlungen an den betreffenden Ästen des Spielbaums in Abb. 2 entfällt dann die Bürgschaft. Da dies zwar einige Aspekte quantitativ, nicht aber das hier interessierende Hauptergebnis qualitativ verändert, wird auf die Wiedergabe dieser Modifikation verzichtet.
Kreditverträge, Vergleiche und Kreditsicherheiten
375
10. Leitner, F. (2002): Multiple Kreditbeziehungen zu Banken, Aachen, Shaker Verlag, 2002. 11. Neus, W. (1998): Kreditsicherheiten und Modelle der Kreditfinanzierung. In: G. Pranke und H. Laux (Hrsg.): Unternehmensführung und Kapitalmarkt. Festschrift für Herbert Hax, Berlin et al., Springer-Verlag, 1998, 211-251. 12. Rothschild, M., und J. E. Stiglitz (1970): Increasing Risk: I. A Definition. In: Journal of Economic Theory, 2, 1970, 225-243. 13. Rudolph, B. (1984): Kreditsicherheiten als Instrumente zur Umverteilung und Begrenzung von Kreditrisiken. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 36, 1984, 16-43. 14. Stiglitz, J. E., und A. Weiss (1981): Credit Rationing in Markets with Imperfect Information. In: American Economic Review, 71, 1981, 393-410. 15. Thießen, F. (1996): Covenants. Durchsetzungsprobleme und die Folgen. In: D. Sadowski et al. (Hrsg.): Regulierung und Unternehmenspolitik, Wiesbaden, Gabler Verlag, 1996, 143-159. 16. Townsend, R. M. (1979): Optimal Contracts and Competitive Markets with Costly State Verification. In: Journal of Economic Theory, 21, 1979, 265-293. 17. Wilhelm, J. (1977): Risikohorizont und Kreditspielraum. In: Zeitschrift für betriebswirtschafthche Forschung, 29, 1977, 117-127. 18. Wilhelm, J. (1982): Die Bereitschaft der Banken zur Risikoübernahme im Kreditgeschäft. In: Kredit und Kapital, 15, 1982, 572-601. 19. Wilhelm, J. (1987): On Stakeholders' Unanimity. In: G. Bamberg und K. Spremann (Hrsg.): Agency Theory, Information, and Incentives, Springer-Verlag, Berlin et al., 1987, 179-204. 20. Wilhelm, J. (1991): Spurensuche: Neoklassische Elemente in der „neuen" Finanzierungstheorie. In: D. Ordelheide et al. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und ökonomische Theorie, Poeschel Verlag, Stuttgart, 1991, 173-196.
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen: pragmatisch oder beliebig? Ralf Trost Technische Universität Ilmenau Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, FG Finanzwirtschaft/Investition, Helmholtzplatz 3, D-98693 Ilmenau [email protected]
Gliederung 1
Einleitung
378
2
Das Principal Agent-Modell für den Moral Hazard-Fall . . . 379
2.1 2.2 2.3
Allgemeines Modell Vereinfachende Annahmen LEN-Modell
379 381 382
3
Nutzenunabhängigkeit von Entlohnung und Anstrengungsniveau
383
4
Gemeinsamkeit und Unterschied zwischen den Annahmen 386
5
Diskussion: Ist die neo-institutionalistische Theorie „beliebig"?
Literaturverzeichnis
387 389
378
Ralf Trost
1 Einleitung Das Paradigma der Principal Agent-Theorie ist ein zentrales Element der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie^ und beschreibt die Auswirkungen von Informationsasymmetrien in ökonomischen Beziehungen zwischen Parteien, deren Verhalten durch das Artefakt des homo oeconomicus, also reine Orientierung am Eigennutz, gekennzeichnet ist. Dabei delegiert ein Prinzipal Entscheidungsbefugnis an - im Standardmodell - einen Agenten, wodurch diesem diskretionäre Handlungsspielräume entstehen. „The relationship of agency is one of the oldest and commonest codified modes of social interaction"^, schreibt Ross, auf den auch die Bezeichnung „Agency" zurückgeht. Dabei ist der Begriff des „Delegierens" gegebenenfalls sehr weit und abstrahierend aufzufassen. Als einige wenige Beispiele für Principal Agent-Beziehungen seien genannt: Unternehmenseigner und angestellte Manager, Kreditgeber und Kreditnehmer oder Versicherer und Versicherte. Die vorliegende Arbeit befasst sich lediglich mit der als Moral Hazard oder auch Hidden Action bezeichneten Problematik und hierbei mit einem speziellen Modellierungsaspekt: Der Nutzen eines Resultates für den Agenten hängt nämlich zum einen von seiner erfolgsabhängigen Entlohnung ab, zum anderen aber auch vom so genannten Anstrengungsniveau, welches er für das Erzielen des Resultates aufgebracht hat. Der Agent hat somit eine auf diesen beiden Attributen definierte zweidimensionale Nutzenfunktion, die kalkulatorisch schwer zu beherrschen ist. Daher werden im Allgemeinen zusätzliche Annahmen gesetzt, die zu einer Simplifizierung der Nutzenfunktion führen. In der Literatur sind zwei solche Vereinfachungen anzutreffen, wobei die eine Bestandteil des insbesondere im deutschen Sprachraum breit verwendeten LEN-Modells und die andere Bestandteil des sogenannten First Order Approaches ist. Eine Analyse der inhaltlichen Bedeutung der Annahmen für die zugrunde liegende Präferenzordnung des Agenten zeigt ihre Unvereinbarkeit. Folglich sind in der Literatur vorzufindende Aussagen immer dann schlecht vergleichbar, wenn sie sich auf verschiedene der beiden Annahmen stützen. Werden gar beide Annahmen simultan gesetzt, bedeutet dies die Verwendung eines inkonsistenten Modells. Der Sachverhalt fügt sich ein in die grundsätzliche Diskussion über den Wert der neo-institutionalistischen Theorie. Das Papier ist folgendermaßen aufgebaut: In Abschnitt 2 werden zunächst das allgemeine Principal Agent-Modell und dann die beiden Vereinfachungen dargelegt. Ferner wird das LEN-Modell kurz dargestellt. Der Zusammenhang zwischen additiv bzw. multiplikativ separierbaren zweidimensionalen Nutzenfunktionen und der so genannten Nutzenunabhängigkeit der Attribute wird ^ Die Anwendung ist natürlich nicht auf dieses Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre beschränkt. 2 Ross (1973, S. 134).
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen
379
in Abschnitt 3 erläutert. Abschnitt 4 legt darauf aufbauend eine grundsätzliche Gemeinsamkeit, aber insbesondere auch die Unvereinbarkeit der beiden Annahmen dar. Abschnitt 5 ordnet die Feststellung in die Debatte um die neo-institutionalistische Finanzierungstheorie ein und weist auf eine in der Literatur anzutreffende fehlerhafte Modellbildung hin.
2 Das Principal Agent-Modell für den Moral Hazard-Fall 2.1 Allgemeines Modell Ein Agent übt im Auftrag eines Prinzipals eine Tätigkeit aus. Der Grund für die Delegation kann einfach sein, dass der Prinzipal die Tätigkeit aus Kapazitätsgründen nicht selbst ausführen kann, oder auch, dass der Agent über besseres einschlägiges Wissen oder Fähigkeiten verfügt. Wie bereits erwähnt wurde, ist dies gegebenenfalls sehr weit zu interpretieren: So kann bei einer Kreditbeziehung der Kreditnehmer als Agent angesehen werden, der im Auftrag des Kreditgebers (Prinzipal) ein Projekt durchführt. Die in der Modellierung verwendeten Begrifflichkeiten orientieren sich am unmittelbarsten Anwendungsfall, in dem zwischen dem Prinzipal und Agent eine hierarchische Beziehung wie zwischen Unternehmenseigner und angestelltem Manager besteht. Beide Parteien sind (individuelle) Nutzenmaximierer im Sinne des BernouUiprinzips.^ Das Ergebnis der Tätigkeit des Agenten wird monetär ausgedrückt. Es unterliegt neben der Aktivität (Anstrengung, Engagement, Sorgfalt) des Agenten zusätzlich unbeeinfiussbaren äußeren Einwirkungen, welche - zumindest aus Sicht der Beteiligten - „zufällig" sind. Seine Aufteilung zwischen Prinzipal und Agent wird durch eine als Entlohnungsfunktion bezeichnete Regel determiniert. Extremfälle dieser Regel sind die fixe, also ergebnisunabhängige Entlohnung des Agenten sowie die Pacht, bei der dem Prinzipal ein feststehender Betrag zufließt. Die Festlegung der Entlohnungsfunktion erfolgt ex ante durch den Prinzipal. Der Agent kann darauf eingehen oder auch nicht.^ Dies hängt davon ab, ob seine minimalen Erwartungen erfüllt werden (Kooperationsbedingung). Hierfür muss es mindestens ein Aktivitätsniveau geben, für welches sein Nutzenerwartungswert einen Mindestwert (Reservationsniveau) erreicht. Nachdem die Entlohnungsfunktion festhegt, folgt die Aktion des Agenten. Diese besteht aus der Wahl eines Aktivitätsniveaus. Die Informationsasymmetrien können unterschiedlicher Art sein und werden idealtypisch^ in drei Kategorien gefasst.^ Die hier betrachtete Kategorie ^ Der im Weiteren verwendete Terminus Nutzenfunktion ist als Synonym zum Begriff Risikonutzenfunktion zu verstehen. ^ Verhandlungstheoretische und/oder verhaltenswissenschaftliche Aspekte der Vertragsgestaltung werden auf diese Art aus den Überlegungen ausgeklammert. ^ In der Realität treten sie üblicherweise gemischt auf. ^ Vgl. Spremann (1990).
380
Ralf Trost
wird als Hidden Action (synonym: Moral Hazard*^) bezeichnet:^ Prinzipal und Agent haben ex ante die gleiche Information, allerdings kann der Prinzipal das vom Agenten gewählte Anstrengungsniveau nicht beobachten und auch nicht auf dieses aus dem eingetretenen Ergebnis zurückschließen. G r u n d ist die Einwirkung der exogenen Zufallsgröße. E x post liegt also Informationsasymmetrie vor. Angesichts dieser Situation versucht der Prinzipal, unter Antizipation des eigennützigen Verhaltens des Agenten die Entlohnungsfunktion derart festzulegen, dass der Agent in Verfolgung seines eigenen Interesses weitestmöglich zugleich auch im Sinne des Prinzipals handelt.^ Zur formalen Abbildung der geschilderten Sachverhalte werden folgende Bezeichnungen u n d A n n a h m e n eingeführt: • •
• • •
•
Anstrengungsniveau^^: a G A^ wobei A ein Intervall in ^ mit Unter grenze 0 ist. Erfolg (Gewinn•'^•^): vom gewählten Anstrengungsniveau a abhängige Zufallsvariable G{a) mit von a unabhängigem Träger; für ai > a2 ist G(ai) besser als G{a2) im Sinne der Stochastischen Dominanz 1. Ordnung. Entlohnung des Agenten: die von a £ A abhängige Zufallsvariable ß{G{a)) mit der Entlohnungsfunktion ß : 9? ^ 9^. Nutzenfunktion des Prinzipals: l i : 9i —> 3? mit u'{x) > 0 und u''{x) < 0 für alle x G 3? (Risikoneutralität bzw. Risikoaversion) ^^. Nutzen des Ergebnisses für den Prinzipal: Die von a G A abhängige Zufallsvariable u[G{a) — ß{G{a))\ ist der Nutzen des nach der Entlohnung des Agenten verbleibenden Residualgewinns. Der Nutzenerwartungswert istEu[G{a)-ß{G{a))]. Nutzenfunktion des Agenten: w\ ^ x A -^ '^ mit •^w{h^a) > 0 und •^w{b,a) < 0 für alle 6 G 5R und alle a e A (Risikoneutralität bzw. Risikoaversion in der Entlohnung) sowie •^w{b,a) < 0 für alle 6 G Si und alle ae A („ Arbeitsleid" )^^.
Die Einführung dieses Begriffes Hidden Action statt des älteren Moral Hazard geht (ebenso wie Hidden Information) auf Arrow (1985) zurück. ^ Im Falle der Hidden Information sind dem Prinzipal Charakteristika des Agenten wie Risikoeinstellung, Talent, Qualifikation oder sonstige Informationen ex ante nicht bzw. nicht vollständig bekannt. Hidden Intention beschreibt Situationen, in denen der Prinzipal auch eindeutig identifiziertes Fehlverhalten des Agenten ex post nicht sanktionieren kann. ^ Man spricht hier von einem anreizkompatiblen Entlohnungsmechanismus. ^^ Hierfür ist auch die aus dem Englischen übernommene Bezeichnung Effort gängig. ^^ Die für die Praxis der erfolgsabhängigen Entlohnungen zentrale Frage nach dem verwendeten Gewinnbegriff wird hier nicht problematisiert. ^^ Um die Notation einfach zu halten, wird vorausgesetzt, dass alle Funktionen in dieser Arbeit hinreichend oft differenzierbar sind. ^^ Die Einführung des Konstruktes „Arbeitsleid" in das ursprüngliche Modell von Ross (1973) geht auf Harris u. Raviv (1978) zurück.
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen • •
381
Nutzen des Ergebnisses für den Agenten: die von a E A abhängige Zufallsvariable w[ß{G{a)),a]. Der Nutzenerwartungswert ist Ew[ß{G{a)),a]. Reservationsniveau des Agenten: Wm-m-
Das Moral Hazard-Problem im Principal Agent-Modell ist damit durch folgendes Optimierungsproblem definiert: f Eu[G{a) - ß{G{a))] -^ max! unter (1) Kooperationsbedingung: Ew[ß{G{a))^a] > tt^min Anreizbedingung: a G arg max Ew[ß{G{ä)),ä] äeA Ohne zusätzliche Annahmen treten nicht nur Probleme mit Existenz und Eindeutigkeit der Lösung dieses Optimierungsproblems auf. Es ist auch mangels griffiger Lösungen für weitergehende Analysen ungeeignet. Wagenhof er und Ewert stellen hierzu fest: „Die Analyse stößt sehr rasch an Grenzen und erlaubt häufig nur mehr sehr wenig an generellen Einsichten in die Struktur der Lösung. Die mathematischen Schwierigkeiten führen bisweilen sogar dazu, dass überhaupt nur mehr der Ansatz des Problems aufgestellt werden kann, und eine formale Herleitung von generellen Ergebnissen - ganz zu schweigen eine Lösung - nicht einmal mehr versucht wird."^"^ 2.2 Vereinfachende Annahmen Die im Folgenden untersuchten Vereinfachungen beziehen sich beide auf die zweidimensionale Nutzenfunktion des Agenten. Um das Problem leichter handhabbar zu machen, wird diese auf eindimensionale Funktionen zurückgeführt. 2.2.1 Additive Separierbarkeit der Nutzenfunktion des Agenten (Ansatz A) Es wird angenommen, dass w in den Attributen Entlohnung und Anstrengungsniveau additiv separierbar ist: w{b,a) =: Vadd{b) - Ladd{a) ^/be^WaeA
(2)
Dabei ist Vadd{') eine eindimensionale Nutzenfunktion mit den übhchen Eigenschaften der Risikoneutralität bzw. Risikoaversion {Vadd(') ^ ^' '^add(') — 0). Die Funktion Ladd{') beschreibt das Arbeitsleid; sie ist positiv und streng monoton steigend. Meist wird sie als konvex angenommen. Diese Modellierung wird im Folgenden als Ansatz A bezeichnet und ist gängiger Bestandteil des so genannten First Order Approach^^, in dem die ^^ Wagenhof er u. Ewert (1993, S. 374). ^^ Die Einführung geht auf Holmstrom (1979) zurück.
382
Ralf Trost
Anreizbedingung durch die Betrachtung der ersten Ableitung des Nutzenerwartungswertes ersetzt wird. Diese Bedingung ist nicht hinreichend für ein Optimum und - wenn die optimale Lösung nicht eindeutig ist - noch nicht einmal notwendig.-^^ 2.2.2 Monetäre Messbarkeit des Arbeitsleids (Ansatz M) Ein anderer Weg wird bei der im Weiteren Ansatz M genannten Annahme beschritten. Hier wird mittels einer Funktion LM{') das Arbeitsleid in monetären Größen gemessen, so dass sich ein Trade-off zwischen der tatsächlichen Entlohnung ß{G{a)) und dem durch a e A hervorgerufenen, monetär gemessenen Arbeitsleid LM{O) ergibt. Die resultierende Ergebnisgröße kann nunmehr mittels einer „herkömmlichen" eindimensionalen Nutzenfunktion VM : 9i —^ 3ft mit v'^{') > 0 und t'j^(-) < 0 bewertet werden: w{b, a) =: VM{b - LM{a))
(3)
Für LM{') werden formal die gleichen Eigenschaften vorausgesetzt wie für Laddi') in Ansatz A (positiv, streng monoton steigend, konvex). Die Art der Skalierung ist aber eine andere: In Ansatz M werden die beiden Attribute auf monetärer Ebene saldierbar gemacht, während dies in Ansatz A auf Nutzenebene erfolgt. Ansatz M ist Teil des LEN-Modells. Wegen seiner breiten Verwendung für die Analyse finanzwirtschaftlicher Sachverhalte insbesondere im deutschen Sprachraum wird es im folgenden Unterabschnitt kurz skizziert. 2.3 LEN-Modell Das von Spremanv}'^ im deutschen Schrifttum^^ eingeführte LEN-Modell^^ engt das Principal Agent-Modell durch eine ganze Reihe sehr starker Annahmen ein, welche es dann ermöglichen, explizite Ergebnisse zu erhalten. Neben dem hier diskutierten Ansatz M sind dies: Die Entlohnung wird a priori als linear gesetzt (mit den Parametern Fixum F und Prämiensatz s). Sowohl für den Prinzipal als auch den Agenten wird konstante absolute Risikoaversion unterstellt (exponentielle oder lineare Nutzenfunktionen). Der erwirtschaftete Gewinn ist eine normalverteilte Zufallsvariable, wobei der Erwartungswert 16
Vgl. z.B. Kleine (1995, S. 55). Vgl. Spremann (1987), aber auch Grossman u. Hart (1983) und Holmstrom u. Milgrom (1987). Grossman u. Hart (1983) verwenden dabei ein in den Aktionen des Agenten diskretes Modell wie auch Kleine (1996). Vgl. Meinhövel (1999, S. 91): „... wurde im deutschen Sprachraum eine Fallkonstellation entwickelt, die den Vereinfachungsbestrebungen eine gemeinsame und gegenseitig anerkannte Basis bietet." Diedrich (2003, S. 451) nennt das LENModell „eine Erfolgsgeschichte". LEN steht für lineare Entlohnung, exponentielle Nutzenfunktionen, normalverteilte Zufallsvariablen.
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen
383
gleich dem Anstrengungsniveau multipliziert mit einem positiven reellen Parameter k (Produktivität) ist. Die Standardabweichung a ist bezüglich des Anstrengungsniveaus invariant (Homoskedastizität). Das Arbeitsleid wird als quadratisch mit Skalierungsfaktor £ > 0 angesetzt. Die Normalverteilungsannahme schlägt auf die für Prinzipal und Agent relevanten Ergebnisgrößen durch. Zusammen mit den konstanten absoluten Risikoaversionen führt dies dazu, dass die Sicherheitsäquivalente der relevanten Zufallsvariablen - mit denen anstelle der Nutzenerwartungswerte gerechnet werden kann - einfach bestimmt werden können.^^ Für den Agenten lautet das Sicherheitsäquivalent für alle a G A SÄ [ß{G{a)) - LM{a)] = E [ßiG{a))] - | • Var [ß{G{a))] - LMia).
(4)
a ist der Risikoaversionskoeffizient des Agenten. Aus (4) wird unter Verwendung der genannten Parameter dann konkret SÄ [ß{G{a)) - LM{a)] = s - k - a +F - £ - a'^ - ^ - s'^ - a^, ein Ausdruck, der in Analysen weiterer kalkulatorischer Behandlung einfach zugänglich ist. Das LEN-Modell stellt nicht nur die Basis vielfältiger Analysen dar. Es wurde auch gegenüber dem hier beschriebenen Grundmodell in den unterschiedlichsten Richtungen erweitert. Als Beispiele seien genannt: • • • • •
Kombination von Hidden Action und Hidden Information^^, mehrperiodige Modelle^^, asymmetrische Information über Reservationsniveau und Risikoaversion des Agenten^^, statt des Outputs ein (unpräzises) Maß für die Performance des Agenten als Basis des Entlohnungsschemas^'^, beschränkte oder diskrete Alternativenmengen des Agenten^^.
3 Nutzenunabhängigkeit von Entlohnung und Anstrengungsniveau In diesem Abschnitt sollen die speziellen Formen der Nutzenfunktion des Agenten mit den zugehörigen Eigenschaften der zugrunde liegenden Präferenzordnung in Zusammenhang gebracht werden. Auskunft gibt zum Beispiel ^° Vgl. ^^ Vgl. ^^ Vgl. 23 Vgl. 24 Vgl. 2^ Vgl.
Bamberg u. Spremann (1981). Hartmann-Wendels (1989). z.B. Holmstrom u. Milgrom (1987), Diedrich (2003) oder Franke (2003). Göx et al. (2002). Kopel (1998). Kleine (1996).
384
Ralf Trost
das einschlägige Standardwerk von Keeney und Raiffo?^. Definition: Das Attribut Entlohnung heißt nutzenunabhängig vom Attribut Anstrengungsniveau, wenn die Präferenzen zwischen Zufallsvariablen im Attribut Entlohnung unabhängig davon sind, welchen konkreten Wert a das Attribut Anstrengungsniveau annimmt Lemma 1. Das Attribut Entlohnung ist genau dann nutzenunabhängig vom Attribut Anstrengungsniveau, wenn es Funktionen hi{'), h2{')und hs{') gibt, mit denen die zweidimensionale Nutzenfunktion w die Darstellung w{b,a) = hi{a)-i-h2{a)'hs{b)
Wa£A
V6 G 3«
(5)
besitzt. Dabei ist hs{') eine (im Falle der Risikoaversion konkave) streng monoton steigende Nutzenfunktion und h2{-) > 0.'^'^ Der Sachverhalt ist schon anschaulich klar: hs{') ist eine Nutzenfunktion bezüglich der Entlohnung. Verschiedene Nutzenfunktionen vermögen ein und die selbe Präferenzordnung genau dann widerzuspiegeln, wenn sie positive monotone Transformationen voneinander sind. Der einzige Einfluss eines gegebenen Wertes a darf folglich in der Gestalt dieser Transformation liegen. Genau dies gibt (5) wieder. Wichtige Spezialfälle von (5) sind: 1. Additive Nutzenfunktion: Für /^2(•) = 1 ist die Nutzenfunktion additiv separierbar: w{b,a) = hi{a)^hs{b)
\/aeA
\/be^.
(6)
Mit den zusätzlichen Setzungen hi{a) = —Ladd{o) "^CL ^ A und hz{b) = Vadd{b) V6 G 3i ergibt sich genau die Nutzenfunktion gemäß (2) aus Ansatz A. 2. Multiplikative Nutzenfunktion: Für /ii(-) = 0 erhält man mit w{b,a) = h2{a)'hs{b)
WaeA
Wbe^
(7)
eine multiplikativ separierbare Nutzenfunktion. Lemma 1 gilt offenbar analog, wenn man die Rollen der beiden Attribute Entlohnung und Anstrengungsniveau vertauscht. Hierbei sei für den Moment davon abstrahiert, dass Zufallsvariablen im Attribut Anstrengungsniveau eigentlich nicht Teil des beschriebenen Principal Agent-Modells sind, da das Anstrengungsniveau gewählt wird, also deterministisch ist. Aus (5) und dem sich ergebenden spiegelbildlichen Pendant folgt die nächste Aussage. 2^ Vgl. Keeney u. Raiffa (1976). Vgl. auch Kleine (1995, S. 49f.). 2^ Vgl. Keeney u. Raiffa (1976, S. 226), Grossman u. Hart (1983, S. 11).
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen
385
L e m m a 2. Die Attribute Entlohnung und Anstrengungsniveau sind genau dann gegenseitig nutzenunabhängig, wenn die zweidimensionale Nutzenfunktion w mittels zweier eindimensionaler Funktionen auf den beiden Attributen entweder rein additiv (vgl (6)) oder rein multiplikativ (vgl. (7)) darstellbar ist. Die beiden Spezialfälle geben also genau die gegenseitige N u t z e n u n a b h ä n gigkeit wieder. Zur Interpretation der Nutzenunabhängigkeit des Attributes Anstrengungsniveau vom A t t r i b u t Entlohnung ist es instruktiver, sich die auf deterministische Ereignisse eingeschränkte Folgerung anzuschauen: Wenn die Nutzenfunktion w rein additiv oder rein multiplikativ in den beiden A t t r i b u t e n ist, gilt für alle a i , a 2 G A und alle 6 G 5R die Implikation^^ / i i ( a i ) + h2{ai) • hs{bi) > hi{a2) + /i2(a2) • hs{bi) => / i i ( a i ) + h2{ai) • hs{b2) > hi{a2) + /i2(ö^2) • hs{b2). Dies ist die von Grossman und Hart'^^ eingeführte Bedingung: Die Präferenzen bezüglich deterministischer Anstrengungsniveaus sind unabhängig von der Entlohnung. In der gegenseitigen Nutzenunabhängigkeit liegt also die Gemeinsamkeit von Präferenzen, welche durch additiv bzw. multiplikativ separierbare Nutzenfunktionen wiedergegeben werden. Das bedeutet offensichtlich aber nicht, dass zwangsläufig keinerlei Interdependenzen zwischen den beiden A t t r i b u t e n vorliegen. L e m m a 3 . Im Falle der additiv separierbaren Nutzenfunktion (6) ist die Reaktion des Nutzens w{b, a) auf eine (infinitesimale) Änderung in einem Attribut unabhängig vom gegebenen Niveau des anderen Attributes. Unter der multiplikativ separierbaren Nutzenfunktion ist dies nicht der Fall. Die Gültigkeit der Aussage ergibt sich unmittelbar aus den Ableitungen der Nutzenfunktionen. Unter der additiv separierbaren Nutzenfunktion (6) gilt für alle a E A und alle b e^ —w{b,a)
= h[{a)
bzw.
—w{b,a)
= h'^{b)
und unter der multiplikativ separierbaren Nutzenfunktion —w{b,a)
== h[{a) • /i3(6)
bzw.
-—w{b,a)
= h2{a) • /i3(6)
für alle a £ A und alle 6 € SR. ^^ Der Kürze wegen wurde hier die Darstellung für Additivität (/i2(-) = 1) und für Multiplikativität (/ii(-) = 0) wieder aggregiert. 29 Vgl. Grossman u. Hart (1983, S. 11).
386
Ralf Trost
4 Gemeinsamkeit u n d Unterschied zwischen den Annahmen Ansatz A ist identisch mit der Annahme (6) der additiven Separierbarkeit der Nutzenfunktion mit hi{a) = —Ladd{o) für alle a Q A und hz{h) = Vadd{b) für alle 6 G 5R. Ansatz M wird im Allgemeinen im Rahmen des LEN-Modells unterstellt, in dem insbesondere für den Agenten konstante absolute Risikoaversion angenommen wird, d.h. eine Nutzenfunktion der Gestalt —e~^'^. Das Argument X steht hier für die Differenz aus Entlohnung und auf monetärer Ebene gemessenem Arbeitsleid. Es gilt also für alle a e A und alle 6 G 3?:^^ w{b,a) = VM{b-LM{a))
= -e'^^^-^^^^)).
Somit impliziert Ansatz M die Annahme einer multiplikativ separierbaren Nutzenfunktion: w{b,a) = - e " ^ - ^ • e^'^^(^) = hs{b) • h2{a). Die Feststellungen aus Abschnitt 3 können damit auf Ansatz A und Ansatz M übertragen werden. Satz: (1) Unter Ansatz A wie auch unter Ansatz M (und damit sowohl im First Order Approach als auch im LEN-Modell) wird angenommen, dass sowohl die Präferenzen bezüglich der (zufallsabhängigen) Entlohnungen unabhängig vom vorliegenden Anstrengungsniveau sind als auch die Präferenzen bezüglich der (deterministischen) Anstrengungsniveaus unabhängig von der Entlohnung. (2) Unter Ansatz A (insbesondere im First Order Approach) ist die Nutzenänderung bei einer Änderung entweder in der Entlohnung oder im Anstrengungsniveau stets unabhängig vom gegebenen Wert der jeweils anderen Variablen. Unter Ansatz M (insbesondere im LEN-Modell) ist dies nicht der Fall. Über die Sinnhaftigkeit der in diesem Satz geschilderten Eigenschaften mag man spekulieren können. Die unter (1) beschriebene Eigenschaft der gegenseitigen Nutzenunabhängigkeit erscheint durchaus unproblematisch, ja sogar natürlich. Bezüglich des in (2) behandelten Gesichtspunktes sei die Meinung vertreten, dass es durchaus plausibel ist, wenn beispielsweise das Ausmaß der Nutzenabsenkung, welche durch eine zusätzliche Einheit des Anstrengungsniveaus hervorgerufen wird, davon abhängig ist, wie groß das Entlohnungsniveau ist. In diesem Sinne scheint dies für die Annahme M und damit auch in dieser Hinsicht - für das LEN-Modell zu sprechen.^^ ^° Vgl. auch Grossman u. Hart (1983, S. 11) für den Fall LM{a) = a. ^^ Die weiteren, sehr restriktiven Annahmen des LEN-Modells werden in dieser Arbeit nicht problematisiert. Es sei nur kurz die Problematik der Einschränkung
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen
387
5 Diskussion: Ist die neo-institutionalistische Theorie „beliebig"? Die Diskussion über die Erklärungs- oder gar Lösungsbeiträge, welche die neo-institutionalistische Finanzierungstheorie leisten kann, ist nicht neu. Insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erwarteten viele Forscher - motiviert durch die Defizite der neoklassischen Modelle - viel von den Modellen, die realistischere Modellierungen durch die Berücksichtigung von u. a. Informationsasymmetrien versprachen. Die Frage ist, ob die „neue" Finanzierungstheorie angesichts ihres fehlenden allgemeinen Modellrahmens in der Lage ist, über „weiche", den neuen Denkmustern folgende Überlegungen^^ hinaus eindeutige und glaubwürdige Ergebnisse zu erzeugen. So postulieren Franke und Hax: „Die Wahl der Finanzierungsweise kann . . . als Lösung eines Prinzipal-Agenten-Problems gesehen werden. "^^ Als allgemeine Aussage mag dies unbestreitbar sein, doch wie belastbar konkrete Schlüsse sind, ist die Frage. Hax et al. schreiben: „Im Gegensatz zu den kapitalmarkttheoretischen Gleichgewichtsmodellen ist die Analyse von Interessenskonflikten im Rahmen der principal-agent-Theorie jedoch ein geeigneter Ansatz, mit dem die Vielfalt an Finanzierungsformen und die Existenz zahlreicher institutioneller Regelungen wie beispielsweise Kreditbesicherung . . . erklärt werden kann."^^ Genau zu diesem Punkt aber arbeitet Kürsten^^ heraus, dass Kreditsicherheiten im so genannten Risikoanreizproblem sowohl anreizmildernd als auch anreizverschärfend wirken können und dass die Ursache in einer inadäquaten Operationalisierung des Agency-Problems liegt. So scheint die von Terberger geäußerte Euphorie bezüglich der neo-institutionalistischen Theorie zumindest übertrieben: „Die Einführung von Informations- und Anreizproblemen, so kann man wohl ohne Einschränkungen schlussfolgern, hat sich tatsächlich als trojanisches Pferd erwiesen, das die Mauern der neoklassischen Mikrotheorie zum Einsturz bringt."^^ Auf die Tatsache, dass die Argumentationsketten in der „neuen" Finanzierungstheorie ohne die Neoklassik „in der Luft hängen", hat aber bereits Wilhelm hingewiesen: „Die neoklassische Denkweise ist unverzichtbarer Bestandteil der 'neuen' Finanzieauf lineare Entlohnungsschemata erwähnt. Bereits Mirrlees (1974) wies darauf hin, dass hiermit im Allgemeinen die optimale Lösung von vornherein ausgeschlossen wird. Breuer (1993, 1995), Pfingsten (1995) und Wagenhofer u. Ewert (1993) erörtern, unter welchen Konstellationen lineare Entlohnungsschemata optimal sind. ^^ So z.B. bei Picot (1989), der anhand der unterschiedlichen Konstellationen von Informationsasymmetrien Anforderungen an betriebliche Informations- und Kommunikationssysteme ableitet. ^^ Franke u. Hax (2003, S. 425). ^^ Hax et al (1988, S. 711). ^^ Vgl. Kürsten (1997). ^^ Terberger (1993, S. 271).
388
Ralf Trost
rungstheorie . . . Nach der Beseitigung von typischen Informationsasymmetrien hegen meist wieder Situationen vor, für die neoklassische Überlegungen gelten."^^ Und: „Zumindest gewisse Modellansätze der 'neuen' Finanzierungstheorie kommen zu zweifelhaften Ergebnissen, gerade weil sie Grundresultate der neoklassischen Finanzierungstheorie nicht berücksichtigen . . . Es ist . . . die neoklassische Finanzierungstheorie nicht die Leiter, die man umstoßen kann, nachdem man auf ihr zu der 'neuen' Finanzierungstheorie aufgestiegen ist."3^ Den in dieser Arbeit diskutierten Sachverhalt näher bringt die Fortsetzung des obigen Zitats von Terberger: „Die ökonomische Theorie ist dadurch weicher geworden; sie wurde ihres strengen analytischen Skeletts beraubt und muss sich mit einem schwankenden theoretischen Fundament begnügen. . . . Gerade der Einsturz der theoretischen Basis ojffenbart also ganz neue Argumentations- und Handlungsspielräume, deren Nutzung allerdings einen gewissen Pragmatismus voraussetzt, um nicht ob der Fülle von unbeantworteten Fragen in Handlungsunfähigkeit zu versinken. "^^ Was nun „Pragmatismus" in der Bildung und Anwendung wissenschaftlicher Modelle ist, darüber mag man trefflich sinnieren können. Meinhövel stellt in seiner Fundamentalkritik^^ des Principal Agent-Modells die Behauptung auf (bezogen auf die Anwendung des Modells auf die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche): „Die Beliebigkeit des Konzepts ist bei dieser Form wissenschaftlicher Arbeit nahezu unbegrenzt... "^^ Um auf die separierbaren Nutzenfunktionen des Agenten zurückzukommen: Man mag es pragmatisch nennen oder beliebig - in der Verwendung des Principal Agent-Modells zur Analyse der unterschiedlichsten Situationen ist eine bunte Mischung anzutreffen von Arbeiten, welche dem LEN-Modell mit seiner multiphkativ separierbaren Nutzenfunktion vertrauen^^, und solchen, die auf den First Order Approach mit additiv separierbarer Nutzenfunktion setzen. "^^ Angesichts der vorne stehenden Sachverhalte jedoch steht fest, dass die Auswahl zwischen den Ansätzen A und M nicht beliebig ist und somit auch kei^'^ Wilhelm (1991, S. 194). ^^ Wilhelm (1991, S. 174). ^^ Terberger (1993, S. 271). ^^ Grob zusammengefasst moniert Meinhövel (1999) die seines Erachtens Unbrauchbarkeit des Vergleichs zwischen First Best-Lösung und realisierbarer Auftragstätigkeit, die mangelnde marktliche Einordnung sowie die empirische Überprüfbarkeit. ^^ Meinhövel (1999, S. 213). ^^ Vier Beispiele: Graßhoff u. Schwalbach (1999), Hofmann (2002, 2003), Wagenhof er (1996). In (deutschsprachigen) Lehrbüchern wird das LEN-Modell wegen seiner didaktischen Einfachheit ohnehin bevorzugt, vgl. z. B. Breuer (1998), Franke u. Hax (2003) oder Krakel (2004). ^^ Vier Beispiele: Hirschauer et al. (2004), Knobloch (2001), Petersen (1989), Winter (1996). Für einen Lehrtext vgl. Pf äff u. Zweifel (1998).
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen
389
neswegs nach „rechentechnischer Opportunität" getroffen werden sollte. Mit der Wahl einer der Modellierungen ist jeweils die Unterstellung einer charakteristischen Eigenschaft für die zugrunde liegende Präferenzordnung verbunden. Hier sollte jedenfalls stets eine bewusste Wahl getroJBFen werden und es sollte transparent gemacht werden, welche Eigenschaft der Präferenzordnung man damit unterstellt. Ansonsten setzt sich die neo-institutionalistische Theorie auch an dieser Stelle dem gegen sie erhobenen Vorwurf der Beliebigkeit, resultierend aus dem Fehlen eines festen, allgemein verbindlichen Modellrahmens, aus. Aber auch wenn man nur von einer gewissen Modell-Heterogenität sprechen möchte - die Gefahren sind nicht zu unterschätzen: In Arbeiten von Laux, von Kiener, von Müller und von Winter nämlich werden zum einen eine additiv separable Nutzenfunktionen gemäß (2) und zugleich Sicherheitsäquivalente gemäß (4) unterstellt.^^ Dies ist offensichtlich unmöglich, denn definitionsgemäß ist der Nutzen des Sicherheitsäquivalents gleich dem Nutzenerwartungswert. Der Nutzen ist eine zweidimensionale Funktion, so dass das Sicherheitsäquivalent damit eine zweidimensionale Größe sein muss, während sein Nutzen eindimensional ist: w{SÄ[ß{G{a)),a])
= Ew{ß{G{a)),a)
= Evadd{ß{G{a))) - Ladd{a).
Für diese zweidimensionale Größe gilt unter additiv separierbarer Nutzenfunktion, dass Sicherheitsäquivalente separat in den Attributen bestimmt werden können,^^ SÄ[/3(G(a),a] = (SÄ[/3(G(a))],SÄ(a)) = (SÄ[/?(G(a))],a), sie ist aber sicherlich nicht gleich der (eindimensionalen) Differenz aus dem Sicherheitsäquivalent der unsicheren Entlohnung und dem Arbeitsleid. Offenkundig wurden in den genannten Modellen die Ansätze A und M „gemischt"."^^ Eine solche Modellierung ist aber weder beliebig noch pragmatisch. Sie ist schlicht falsch.
Literaturverzeichnis 1. Arrow, K. J. (1985): The economics of agency. In: J. W. Pratt und R. J. Zeckhauser (Hrsg.): Principals and agents: the structure of business, Cambridge/Mass., Harvard University Press, 1985, 37-51. ^^ Vgl. Kiener (1990, S. 79), Laux (1990, S. 85/87), Müller (1995a, S. 63), Müller (1995b, S.135), Winter (1996, S. 900). ^^ Vgl. Keeney u, Raiffa (1976, S. 231 u. 242). ^^ Hierfür spricht bei Laux (1990, S. 85) auch die Aussage: „Das Arbeitsleid kann als monetäre Größe interpretiert werden." Dies ist unter der von ihm gewählten additiv separierbaren Nutzenfunktion gerade nicht der Fall. Vgl. analog auch Petersen (1989, S. 148).
390
Ralf Trost
2. Bamberg, G./K. Spremann (1981): Implications of constant risk aversion. In: Zeitschrift für Operations Research, 25, 1981, 205-224. 3. Breuer, W. (1993): Linearität und Optimalität in ökonomischen AgencyModellen: Eine Anmerkung. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 63, 1993, 1073-1076. 4. Breuer, W. (1995): Linearitäten in Anreizverträgen bei groben Informationsstrukturen, Wiesbaden, Gabler Verlag, 1995. 5. Breuer, W. (1998): Finanzierungstheorie, Wiesbaden, Gabler Verlag, 1998. 6. Diedrich, R. (2003): Das mehrperiodische LEN-Modell mit Kapitalmarkt. In: Wirtschaftswissenschafthches Studium, 32, 2003, 451-456. 7. Pranke, G. (2003): Kapitalmarktverfassung, Managerentlohnung und Bilanzpolitik, CoFe-Diskussionspapier, 03/08, 2003. 8. Pranke, G./H. Hax (2003): Pinanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 5.A., Berlin et al., Springer Verlag, 2003. 9. Göx, R. P./J. Budde/J. R. Schöndube (2002): Das Hneare Agency-Modell bei asymmetrischer Information über den Agentennutzen. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 72, 2002, 65-79. 10. Graßhoff, U./J. Schwalbach (1999): Agency-Theorie, Informationskosten und Managervergütung. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 51, 1999, 437-453. 11. Grossman, S. J . / O . D. Hart (1983): An analysis of the principal-agent problem. In: Econometrica, 51, 1983, 7-45. 12. Harris, M./A. Raviv (1978): Some remarks on incentive contracts with applications to education and employment, health insurance, and law enforcement. In: American Economic Review, 68, 1978, 20-30. 13. Hart mann-Wendeis, T. (1989): Prinzipal-Agent-Theorie und asymmetrische Informationsverteilung. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 59, 1989, 714-734. 14. Hax, H./T. Hartmann-Wendels/P. von Hinten (1988): Moderne Entwicklung der Finanzierungstheorie. In: F. W. Christians (Hrsg.): Finanzierungshandbuch, 2. A., Wiesbaden, Gabler Verlag, 1988. 15. Hirschauer, N./M. Odening/C. Oertel (2004): Moral Hazard in Wertschöpfungsketten des Agrar- und Ernährungsbereiches - Ableitung anwendungsorientierter mikroökonomischer Modelle. In: Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus, 39, 2004, 169-178. 16. Hofmann, C. (2002): Investitionssteuerung über Budgets oder Verrechnungspreise? In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 72, 2002, 529-556. 17. Hofmann, C. (2003): Using different budgeting procedures to coordinate principal/agent-relationships. In: Schmalenbach Business Review, 55, 2003, 2245. 18. Holmstrom, B. (1979): Moral hazard and observability. In: Bell Journal of Economics, 10, 1979, 74-91. 19. Holmstrom, B./P. Milgrom (1987): Aggregation and linearity in the provision of intertemporal incentives. In: Econometrica, 55, 1987, 303-328. 20. Keeney, R. L./H. Raiffa (1976): Decisions with multiple objectives: Preferences and value trade offs, New York et al., Wiley, 1976. 21. Kiener, S. (1990): Die Principal-Agent-Theorie aus informationsökonomischer Sicht, Heidelberg, Physica Verlag, 1990. 22. Kleine, A. (1995): Entscheidungstheoretische Aspekte der Principal-AgentTheorie, Heidelberg, Physica Verlag, 1995.
Die Modellierung des „Arbeitsleids" in Principal Agent-Modellen
391
23. Kleine, A. (1996): Auswirkungen unterschiedlicher Aktionenmengen in Principal-Agent-Modellen. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 48, 1996, 475-489. 24. Knobloch, A. P. (2001): Die staatliche Gründungsfinanzierung aus agencytheoretischer Sicht. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 71, 2001, 1459-1484. 25. Kopel, M. (1998): Zur verzerrten Performancemessung in Agency-Modellen. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 50, 1998, 531-550. 26. Krakel, Matthias (2004): Organisation und Management, 2. A., Tübingen, Verlag Mohr Siebeck, 2004. 27. Kürsten, W. (1997): Zur Anreiz-Inkompatibilität von Kreditsicherheiten, oder: Insuffizienz des Stiglitz/Weiss-Modells der Agency-Theorie. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 49, 1997, 819-857. 28. Laux, H. (1990): Risiko, Anreiz und Kontrolle, Berlin et al., Springer Verlag, 1990. 29. Meinhövel, H. (1999): Defizite der Principal-Agent-Theorie, Lohmar et al., Eul Verlag, 1999. 30. Mirrlees, J. A. (1974): Notes on welfare economics, Information, and uncertainty. In: M, S. Balch, D. L. McFadden und S. Y. Wu (Hrsg.): Essays in economic behavior under uncertainty, Amsterdam, North Holland, 1974, 243-258. 31. Müller , C. (1995a): Agency-Theorie und Informationsgehalt. In: Die Betriebswirtschaft, 55, 1995, 61-76. 32. Müller , C. (1995b): Mängel, Moden und Modelle. In: Die Betriebswirtschaft, 55, 1995, 134-138. 33. Petersen, T. (1989): Optimale Anreizsysteme, Wiesbaden, Gabler Verlag, 1989. 34. Pfaff, D./P. Zweifel (1998): Die Principal-Agent Theorie. In: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 27, 1998, 184-190. 35. Pfingsten, A. (1995): Lineare Bezahlungsfunktionen. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 65, 1995, 517-531. 36. Picot, A. (1989): Zur Bedeutung allgemeiner Theorieansätze für die betriebswirtschaftliche Information und Kommunikation: Der Beitrag der Transaktionskosten- und Principal-Agent-Theorie. In: W. Kirsch und A. Picot (Hrsg.): Die Betriebswirtschaftslehre zwischen Generalisierung und Spezialisierung, Wiesbaden, Gabler Verlag, 1989, 362-379. 37. Ross, S. A. (1973): The economic theory of agency: the principal's problem. In: American Economic Revue, 63, 1973, 134-139. 38. Spremann, K. (1987): Agent und Prinzipal. In: G. Bamberg und K. Spremann (Hrsg.): Agency theory, Information, and incentives, Berlin et al., Springer Verlag, 1987, 3-37. 39. Spremann, K. (1990): Asymmetrische Information. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 60, 1990, 561-586. 40. Terberger, E. (1993): Neo-institutionalistische Ansätze, Wiesbaden, Gabler Verlag, 1993. 41. Wagenhofer, A. (1996): The value of distorting overhead cost allocations in an agency setting. In: Management Accounting Research, 7, 1996, 367-385. 42. Wagenhofer, A./R. Ewert (1993): Linearität und Optimalität in ökonomischen Agency Modellen. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 63, 1993, 373-391. 43. Wilhelm, J. (1991): Spurensuche: Neoklassische Elemente in der „neuen" Finanzierungstheorie. In: D. Ordelheide, B. Rudolph und E. Büsselmann (Hrsg.):
392
Ralf Trost
Betriebswirtschaftslehre und ökonomische Theorie, Tagungsband der Wissenschaftlichen Jahrestagung des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft, Stuttgart, Poeschel Verlag, 1991, 173-196. 44. Winter. S. (1996): Relative Leistungsbewertung - Ein Überbhck zum Stand von Theorie und Empirie. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 48, 1996, 898-926.
Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel Erik Theissen Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, BWL I, Lehrstuhl für Finanzwirtschaft, Adenauerallee 24-42, D-53113 Bonn [email protected]
Gliederung 1
Problemstellung
394
2
Ein einfaches M o d e l l
396
3
Datenbasis
400
4
Empirische Ergebnisse
402
5
Schlussfolgerungen
407
Literaturverzeichnis
408
394
Erik Theissen
1 Problemstellung Die Kapitalmarkttheorie geht regelmäßig von der Annahme aus, die Wertpapiermärkte befänden sich im Gleichgewicht.-^ In diesem Gleichgewicht kann es für ein Wertpapier nur einen Preis geben, und dieser Preis reflektiert alle Informationen (zumindest alle öffentlich verfügbaren Informationen) über den Wert des Wertpapiers. Eine solche Betrachtungsweise ist für viele Anwendungen sinnvoll. Gleichgewichtsmodelle wie das Capital Asset Pricing Model (CAPM)^ ließen sich ohne solche Annahmen gar nicht herleiten. Ist man jedoch an einer detaillierten Analyse der Funktionsweise der Wertpapiermärkte interessiert wie sie die Marktmikrostrukturforschung anstrebt, so muss man derartige Annahmen aufheben. Die Frage etwa, wie neue Informationen Eingang in die Preise finden, lässt sich schlechterdings nicht beantworten, wenn man von vornherein annimmt, die Märkte befänden sich im Gleichgewicht. Die Antwort auf solche Fragen hängt davon ab, wie der Handel auf einem Wertpapiermarkt organisiert ist. Gestaltungsalternativen der Marktorganisation sind etwa die Wahl zwischen dem Auktionsprinzip und dem MarketMaker-Prinzip, die Wahl zwischen kontinuierlichem und diskontinuierlichem Handel und die Entscheidung, ob elektronisch oder auf dem Parkett gehandelt werden soll. Dabei ist der kontinuierliche Handel nach dem Auktionsprinzip die derzeit populärste Variante. Sie wird sowohl in elektronischen Handelssystemen als auch im Präsenzhandel angewendet. Beim Handel nach dem Auktionsprinzip wird Liquidität dadurch geschaffen, dass Investoren limitierte Kauf- und Verkaufsaufträge erteilen, die im Orderbuch gesammelt werden. Dadurch werden Handelsmöglichkeiten für andere Marktteilnehmer geschaffen, die durch die Erteilung uniimitierter Aufträge genutzt werden können. Viele Börsen vertrauen allerdings nicht allein auf die durch das Orderbuch geschaffene Liquidität, sondern setzen darüber hinaus einen Intermediär ein, der einerseits Abschlüsse vermitteln und andererseits zusätzliche Liquidität schaffen soll. Beispiele hierfür sind der Specialist an der New York Stock Exchange (NYSE), der Skontroführer (früher: Makler) an den deutschen Präsenzbörsen, der Designated Sponsor in Xetra oder der Animateur im Handelssystem von Euronext. Von diesen Intermediären wird erwartet, dass sie Liquidität bereitstellen, die ohne ihre Beteiligung nicht bereitgestellt würde. Das deutet darauf hin, dass diese Tätigkeit an sich nicht profitabel ist. Folglich muss ein Anreiz geschaffen werden, diese Tätigkeit auszuüben. Der Anreiz besteht regelmäßig darin, dass dem Intermediär bestimmte Privilegien eingeräumt werden. Diese können in reduzierten Transaktionskosten oder in verbessertem Informationszugang bestehen. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der zweiten Variante - verbessertem Informationszugang - und untersucht deren Auswirkungen am Beispiel ^ Für einen Überblick, vgl. Wilhelm (2001a). ^ Vgl. dazu etwa Wilhelm (2001b).
Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel
395
des Präsenzhandels an der Frankfurter Wertpapierbörse. Der Makler^ ist hier in zweierlei Hinsicht privilegiert. Erstens hat er im Gegensatz zu den anderen Marktteilnehmern Einblick in das Orderbuch und verfügt damit über bessere Informationen über die Auftragslage. Zweitens kann er nachdem er erfahren hat, wer der Transaktionspartner sein wird, entscheiden, ob er eine Transaktion auf eigene Rechnung durchführt oder ob er einen Auftrag aus dem Orderbuch zur Ausführung kommen lässt. Einen Abschluss auf eigene Rechnung (ein Aufgabegeschäft^), bei dem er selbst Gegenpartei wird, kann er allerdings nur dann herbeiführen, wenn er einen besseren Preis bietet als den des besten limitierten Auftrags im Orderbuch. Aus Sicht des Orderbuchs (bzw. aus Sicht der Investoren, die die darin enthaltenen Aufträge erteilt haben) kann sich hieraus ein Adverse-SelectionProblem (Informationsrisiko) ergeben. Unter den potenziellen Transaktionspartnern befinden sich regelmäßig auch Investoren, die private Informationen über den Wert des Wertpapiers haben. Transaktionen mit solchen Marktteilnehmern sind Verlust bringend, denn diese Marktteilnehmer werden nur dann handeln, wenn der Abschluss für sie Gewinn bringend ist.^ Wenn nun die Identität eines potenziellen Transaktionspartners Rückschlüsse auf sein Handelsmotiv zuläßt, so kann der Makler • •
bei einem Transaktionspartner, bei dem er keine überlegenen Informationen vermutet, selbst als Gegenpartei auftreten, bei einem Transaktionspartner, bei dem er überlegene Informationen vermutet, dagegen eine Transaktion gegen das Orderbuch durchführen.
Dieses Verhalten würde dazu führen, dass Transaktionen, in denen der Makler als Gegenpartei auftritt, ein geringeres Informationsrisiko aufweisen als Transaktionen, bei denen er nicht beteiligt ist. In diesem Sinne würden die Informationsrisiken an die Anleger, die limitierte Aufträge erteilt haben, weitergereicht. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die gerade implizit formulierte Hypothese empirisch zu testen. Die dazu verwendeten Daten entstammen dem Präsenzhandel an der Frankfurter Wertpapierbörse. Es wurde jedoch bereits darauf hingewiesen, dass Intermediäre mit Informationsprivilegien auch an anderen Börsen (und auch in elektronischen Handelssystemen) tätig sind. Daher sollten die Ergebnisse von Relevanz nicht nur für den Handel in Frankfurt, sondern auch darüber hinaus sein. ^ Der im empirischen Teil des Beitrags verwendete Datensatz stammt aus der Zeit vor der Novelle des Börsengesetzes, durch die die Makler durch Skontroführer ersetzt wurden. Daher wird in weiteren Verlauf stets von „Maklern" gesprochen. ^ Das Börsengesetz (in der im Zeitpunkt der Datenerhebung gültigen Version) unterscheidet Eigen- und Aufgabegeschäfte. Der Makler trägt jedoch in beiden Fällen das ökonomische Risiko aus der Transaktion, so dass eine Differenzierung für die Zwecke der vorliegenden Arbeit nicht erforderlich ist. ^ Vgl. grundlegend Glosten und Milgrom (1985).
396
Erik Theissen
Die Rolle von Intermediären im Aktienhandel ist bereits früher untersucht worden. Neben theoretischen Arbeiten^ gibt es auch eine Reihe empirischer Untersuchungen. Dabei konnte einerseits gezeigt werden, dass die Einschaltung von Maklern bzw. Specialists zur Erhöhung der Liquidität und zur Verbesserung der Preisbildung beiträgt.^ Andererseits gibt es aber auch Arbeiten, in denen den Intermediären ganz im Sinne der oben dargestellten Argumentation ein Ausnutzen ihres Informationsvorsprungs nachgewiesen wird.^ Für den deutschen Aktienmarkt wurde eine entsprechende Untersuchung bislang allerdings noch nicht durchgeführt.^ Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut. Im Folgenden Abschnitt wird ein einfaches theoretisches Modell formuliert, aus dem die zu testenden Hypothesen abgeleitet werden. Der sich anschließende Abschnitt beschreibt Datensatz und Methodik, der darauf folgende Abschnitt die Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Eine Zusammenfassung schließt den Beitrag ab.
2 Ein einfaches Modell In diesem Abschnitt wird ein sehr einfaches Modell eines Auktionsmarktes unter Einschaltung eines Intermediärs entwickelt. Die bereits diskutierten Informationsprivilegien des Intermediärs werden dabei berücksichtigt. Gehandelt wird ein riskantes Wertpapier im Austausch gegen ein riskoloses, zinsfreies Wertpapier (als Numeraire). Das riskante Wertpapier wird im Zeitpunkt ^2 liquidiert und hat dann mit gleicher Wahrscheinlichkeit einen Wert von H oder L mit H > L. Der unbedingte Erwartungswert des Liquidationswertes ist Vo = 0, b{H -f- L), Die Differenz a = {H — L) kann als Maß des Risikos des Wertpapiers interpretiert werden. Die Transaktionsgröße ist auf 1 normiert. Es gibt drei Arten von Marktteilnehmern: • •
Eine große Zahl von (als risikoneutral angenommenen) Anlegern, die limitierte Aufträge zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren erteilen. Eine große Zahl von Anlegern, die uniimitierte Aufträge zum Kauf oder Verkauf des Wertpapiers erteilen. Ein Anteil TT dieser Anleger ist informiert und kennt den Liquidationswert des Wertpapiers. Informierte Anleger kaufen Wertpapiere, wenn der Wert hoch ist und der Briefpreis kleiner als H ist; sie verkaufen Wertpapiere wenn der Wert niedrig und der Geldpreis Vgl. etwa Benveniste et al. (1992), Glosten (1989), Leach und Madhavan (1993), Seppi (1997). So etwa Madhavan und Sofianos (1998) für die USA und Freihube et al. (1999) für Deutschland. So Angel (1997) und Ready (1999). Oehler und Hacker (2004) untersuchen ebenfalls Aufgabegeschäfte der Makler. Der von Ihnen verwendete Datensatz enthält jedoch nur die Aufgabegeschäfte, so dass die Hypothese einer selektiven Maklerbeteiligung mit ihrem Datensatz nicht untersucht werden kann.
Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel
397
größer als L ist. Uninformierte Anleger kaufen oder verkaufen Wertpapiere mit gleicher Wahrscheinlichkeit; ihr Angebot bzw. ihre Nachfrage sind preisunelastisch. Ein Intermediär, der im Folgenden als Makler bezeichnet wird. Der Makler ist risikoneutral und maximiert den Erwartungswert des Gewinns aus der Teilnahme am Handel. Der Makler verwaltet das Orderbuch, bei ihm laufen alle Aufträge zusammen. Ein Händler, der einen uniimitierten Auftrag erteilt, wendet sich an den Makler. Dieser kann den Auftrag d a n n entweder gegen das Orderbuch ausführen oder selbst als Gegenpartei auftreten. In diesem Fall muss er einen besseren Preis bieten als derjenige Preis, der sich bei Ausführung gegen das Orderbuch ergäbe.
^0
Errichtung des Orderbuches durch limitierte Aufträge
ti
Händler erscheint Makler erhält Signal und entscheidet über Teilnahme an der Transaktion
t2
Transaktion findet statt Liquidation des Wertpapiers
A b b . 1. Zeitliche Struktur Abbildung 1 zeigt die zeitliche Struktur des Modells. Im Zeitpunkt ^o werden die limitierten Aufträge erteilt und dadurch das Orderbuch errichtet. Mit G bzw. B sei der Preis des höchstlimitierten Kaufauftrags bzw. der Preis des niedrigstlimitierten Verkaufsauftrags im Orderbuch bezeichnet. Im Zeitpunkt ti wird einer der Anleger, die uniimitierte Aufträge erteilen, zufällig ausgewählt. Dabei handelt es sich mit Wahrscheinlichkeit TT u m einen informierten Anleger. Bevor ein Investor mit dem Makler handeln kann, erhält der Makler ein Signal, das Informationen über das Handelsmotiv des Investors liefert.-"^^ Das Signal wird wie folgt modelliert: Ein Investor ist mit Wahrscheinlichkeit TT informiert. Das Handelsmotiv eines zufälUg ausgewählten Investors kann daher abgebildet werden durch eine Zufallsvariable z, die den Wert 1 annimmt. "^° Im vorliegenden Modell wird die Existenz eines solchen Signals vorausgesetzt und es wird untersucht, wie sie sich auf die Marktergebnisse auswirkt. Desgranges und Foucault (2002) entwickeln ein Mehrperiodenmodell, in dem ein Investor in jeder Periode entweder informiert oder uninformiert ist. Es existieren Gleichgewichte, in denen er dem Makler seine Informationen preisgibt. Dadurch sichert er sich bessere Konditionen in Perioden, in denen er keine Informationen hat, aber aufgrund eines Hedging-Bedarfs trotzdem an Transaktionen interessiert ist. In diesem Modell wird die Existenz eines informativen Signals somit endogen erklärt.
398
Erik Theissen
wenn der Investor informiert ist und den Wert 0 wenn der Investor uninformiert ist. z ist binomialverteilt mit Wahrscheinlichkeit TT. Bei Ankunft des (zufäüig gewählten) Investors erhält der Makler ein Signal ^, das mit Wahrscheinlichkeit Az + (1 — A)7r den Wert 1 und mit der Gegenwahrscheinlichkeit A(l - z) + (1 - A)(l - TT) den Wert 0 annimmt. Die Zufallsvariablen y und z sind bivariat binomialverteilt; der Parameter A, 0 < A < 1, ist der KorrelationskoefRzient. Ist die Korrelation 0, so ist das Signal des Maklers uninformativ. Ist die Korrelation dagegen 1, so verrät das Signal das Handelsmotiv des Investors mit Sicherheit. Die nachfolgende Tabelle zeigt die gemeinsame Verteilung der Zufallsvariablen y und z. Tabelle 1. Gemeinsame Häufigkeitsverteilung von Handelsmotiv z und Signal y 2=0
z=\
E
y=0 y= l
( l - 7 r ) 2 + A7r(l-7r) 7 r ( l - 7 r ) ( l - A)
7r(l - 7r)(l - A) TT^ + A7r(l - TT)
(1 - TT) TT
r
(I-TT)
TT
1
Der Makler nutzt sein Signal, um Rückschlüsse auf das Handelsmotiv des Investors zu ziehen. Anwendung der Regel von Bayes auf die in Tabelle 1 gezeigten gemeinsamen Wahrscheinlichkeiten liefert die bedingten Wahrscheinlichkeiten P{z = l\y = 1)= TT+ X{l-7r) P{z = 0\y = 0) = {1 - TT) + XTT
P{z = 0\y = 1) = {1 - X){1 - TT) P{z = l\y = 0) = {l-X)7r
Aus diesen Wahrscheinlichkeiten ergeben sich die Reservationspreise, also diejenigen Preise, die beim Kauf bzw. Verkauf durch einen Investor mit Signalrealisation 0 bzw. 1 gerade zu einem erwarteten Gewinn von 0 für den Makler führen würden: VB,y=i = P{z = l\y = l)H + P{z = 0\y = l)Fo = Vo + ! [ ± 0 _ z Z [ ) ^ ^ VB,y=o = P{z = l\y = 0)H + P{z = 0\y = 0)Vo = ¥0 + ""^^ ~ ^K VG,y=i =P{z = l\y = l)L-^P{z
= 0\y = 1)^0 = V^o -
VG,y=o = P{z = l\y = 0)L-^P{z
= 0\y = 0)^0 = V^o -
llSLlIll^a ^^^^^a
Der Makler wird diese Reservationspreise nun mit den besten Geld- bzw. Briefpreisen des Orderbuchs, G bzw. ß , vergleichen und daraufhin entscheiden, ob er ein Aufgabegeschäft tätigt oder den vorliegenden uniimitierten
Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel
399
Auftrag gegen das Orderbuch ausführt. Ein Aufgabegeschäft ist dann (im Erwartungswert) profitabel, wenn der Makler den besten Geld- bzw. Briefkurs des Orderbuchs verbessern kann (denn das muss er ja, wenn er ein Aufgabegeschäft abschließen will) und der erzielbare Preis immer noch günstiger ist als der Reservationspreis. Es muss also Vß^y < B — A bzw. Vc^y > G-\- A gelten, wobei A die Mindestpreisvariation (minimum tick size) ist. Im Folgenden wird die Mindestpreisvariation vernachlässigt; es wird implizit angenommen, sie sei beliebig klein. Wenn der Makler ein Eigenhandelsgeschäft tätigt, ist der resultierende Preis das Ergebnis einer Verhandlung zwischen dem Makler und dem Händler. Der Preis wird zwischen den Orderbuchpreisen G bzw. B einerseits und den oben definierten Reservationspreisen andererseits liegen. Wo genau er in diesem Intervall liegt, hängt von der Verhandlungsmacht der beteiügten Parteien ab. Für die qualitativen Implikationen des Modells ist das ohne Belang. Für den Fall eines uniimitierten Kaufauftrags zeigt die folgende Tabelle die Entscheidung des Maklers in Abhängigkeit vom besten Briefpreis des Orderbuchs. Der Fall eines uniimitierten Verkaufsauftrags ist symmetrisch. Tabelle 2. Die Entscheidung des Maklers über ein Aufgabegeschäft Signal des Maklers 0 1
Für den besten Briefkurs im Orderbuch gilt B > VB,y=i VB,y=i > B > VB,y=o B < VB,y=o Aufgabegeschäft Aufgabegeschäft
Aufgabegeschäft Orderbuch
Orderbuch Orderbuch
Diese Entscheidung des Maklers hat natürlich Rückwirkungen auf die Ausführung der limitierten Aufträge im Orderbuch und die daraus resultierenden Gewinne bzw. Verluste. Im Einzelnen gilt (für den Fall eines uniimitierten Kaufauftrags; der Fall des Verkaufs ist wiederum symmetrisch): • •
•
Falls B > VB,y=i, so wird nie ein limitierter Auftrag ausgeführt. Falls B < VB,y=o^ so wird der Makler nie ein Eigenhandelsgeschäft tätigen. Alle uniimitierten Aufträge werden gegen das Orderbuch ausgeführt. Daraus resultieren jedoch Verluste, denn der erzielte Preis ist kleiner oder gleich dem Reservat ionspreis, der sich im Fall einer Signalrealisation von 0 ergibt. Falls Vß^yz^i > B > VB,y=o, so tätigt der Makler im Fall einer Signalrealisation von 0 ein Aufgabegeschäft, bei einer Signalrealisation von 1 erfolgt dagegen die Ausführung gegen das Orderbuch. Solange VB,y=i > B gilt, entstehen dabei Verluste für die Anleger, die die limitierten Aufträge erteilt haben.
Aus den vorstehende Ausführungen folgt, dass es nur eine Konstellation gibt, in der limitierte Aufträge zur Ausführung gelangen, ohne dass die Anleger, die
400
Erik Theissen
die Aufträge erteilt haben, Verluste erleiden: Der beste Briefpreis im Orderbuch entspricht dem Reservationspreis für den Fall einer Signalrealisation von 1. Ist die Signalrealisation tatsächlich 1, so wird der Auftrag gegen das Orderbuch ausgeführt; der erwartete Gewinn aus der Ausführung ist 0. Ist dagegen die Signalreahsation 0, so führt der Makler ein Eigenhandelsgeschäft durch. Dieses Geschäft ist mit positivem Gewinn verbunden (es sei denn, die Verhandlungsmacht läge vollständig bei den Anlegern, dann wäre der Gewinn des Maklers 0). Die Situation auf der Geldseite des Orderbuchs ist symmetrisch. Das hierdurch beschriebene Gleichgewicht führt zu den folgenden empirisch testbaren Hypothesen: Hypothese 1. Die effektive Geld-Brief-Spanne ist bei Eigenhandelsgeschäften des Maklers kleiner als bei Transaktionen, die gegen das Orderbuch ausgeführt werden (da der Makler einen besseren Preis bieten muss). Hypothese 2. Die Informationsrisikokosten (gemessen durch die Adverse-Selection-Komponente der Geld-Brief-Spanne) sind bei den Aufträgen, die durch ein Aufgabegeschäft des Maklers ausgeführt werden, geringer als bei den Aufträgen, die gegen das Orderbuch ausgeführt werden. Hypothese 3. Der Bruttogewinn (gemessen durch die realisierte Geld-BriefSpanne) ist dagegen bei den Transaktionen größer, bei denen der Makler ein Eigenhandelsgeschäft ausführt. Diese Hypothesen werden im Folgenden empirisch getestet. Der Test basiert auf der Messung der Geld-Brief-Spanne und ihrer Zerlegung in zwei Bestandteile: Einen Teil (die Adverse-Selection-Komponente), der die Informationsrisikokosten misst und einen Teil (die realisierte Spanne), der den (Brutto) Gewinn der Liquiditätsanbieter misst.
3 Datenbasis Der für die empirische Untersuchung verwendete Datensatz umfasst eine Stichprobe von fünfzehn Aktien^^ im Zeitraum vom 26. September bis 25. Oktober 1996 (21 Handelstage). Tabelle 3 enthält Informationen zu Marktkapitalisierung und Handelsvolumen der in der Stichprobe enthaltenen Werte. Der Datensatz enthält jeweils die vollständigen Informationen über alle Kursfeststellungen und die im Orderleitsystem BOSS [Börsen-Order-ServiceSystem) zum Zeitpunkt der einzelnen Kursfeststellungen festgehaltenen Informationen über die Zusammensetzung des Orderbuches. Für die Analyse
^^ Für eine genauere Darstellung des Datensatzes, in der auch die Auswahl der Aktien erläutert wird, vgl. Freihube et al. (1999).
Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel
401
wurden die folgenden Informationen für alle Transaktionen des kontinuierlichen Handels^^ verwendet: • • • •
Kurs und Umsatz Beteiligung des Maklers (Stückzahl, Kauf oder Verkauf) Geld- u n d Briefpreis unmittelbar vor der Transaktion Geld- und Briefpreis unmittelbar nach der Transaktion
Die Geld- und Briefpreise sind die vom Makler im Verlauf des Präsenzhandels publizierten Pretrades. Diese sind zwar rechtlich nicht bindend (sie stellen Kurstaxen dar), faktisch können sie jedoch als verbindliche Geld- und Briefpreise betrachtet werden.
Tabelle 3. Die Aktien in der Stichprobe Unternehmen Bayer BMW Continental Daimler Deutsche Babcock Deutsche Bank Dresdner Bank FAQ Kugelfischer Heidelberger Zement Karstadt Mannesmann Siemens VEW Viag Volkswagen ungewichteter Mittelwert Standardabweichung
Markt kapitalisierung (Dez., 1996, Mio. DM)
Handelsvolumen (26.09.-25.10.1996, DM)
44.359 21.106 2.627 54.575 287 36.130 21.406 1.274 5.478 4.368 24.484 39.944 6.778 16.063 22.236 19.219 16.657
509.122.058 238.669.568 78.669.577 716.676.154 13.864.642 624.281.975 324.571.252 80.216.114 35.305.468 84.340.264 511.915.206 573.450.588 17.560.672 261.068.535 473.479.658 287.991.098 188.790.714
Die Angaben zur Marktkapitalisierung wurden dem Fact Book 1996 der Deutschen Börse AG entnommen. Die Angaben über das Handelsvolumen wurden auf Basis des hier verwendeten Datensatzes ermittelt und umfassen somit alle über BOSS-CUBE erfassten Geschäfte sowie die Zuruforder und die Aufgabegeschäfte der Makler im Parketthandel.
^^ Transaktionen zum Eröffnungs-, Kassa- und Schlusskurs sind folglich nicht enthalten. Außerdem wurden alle Beobachtungen eliminiert, bei denen der Transaktionspreis um mehr als 5% vom Spannenmittelpunkt abwich. Diese Filterregel zum Ausschluss von Ausreißern unterscheidet sich von der bei Freihube et al. (1999). Das führt dazu, dass die Ergebnisse bezüglich der Buchspanne und der quotierten Spanne zwar ähnlich, aber nicht identisch sind.
402
Erik Theissen
Die Daten aus dem elektronischen System BOSS wurden ergänzt um die Daten manuell erfasster so genannter Zuruforders. Diese Aufträge werden dem zuständigen Kursmakler im Verlauf des Präsenzhandels von den auf dem Parkett anwesenden Marktteilnehmern zur Berücksichtigung bei den laufenden Kursfeststellungen aufgegeben. Die Orderbuchinformationen und die Daten zu den Pretrades hat die Handelsüberwachungsstelle (HÜSt) an der Frankfurter Wertpapierbörse nach Einverständnis aller betroffenen Kursmakler bereitgestellt. Die von den Kursmaklern im Rahmen des Präsenzhandels getätigten Aufgabegeschäfte wurden von diesen selbst manuell erfasst. Der Datensatz enthält mit den Informationen zu den Eigengeschäften der Makler personenbezogene Daten. Im Folgenden werden daher nicht die Ergebnisse der individuellen Aktien dargestellt. Statt dessen werden die Aktien in drei nach Handelsvolumen gebildete Gruppen zusammengefasst und jeweils (ungewichtete) Durchschnittswerte für diese Gruppen berichtet.
4 Empirische Ergebnisse Tabelle 4 gibt zunächst einen Überblick über das Ausmaß der Partizipation der Makler am Handelsgeschehen. Der Makler ist an über 82% aller Transaktionen beteiligt. Dabei übernimmt er allerdings in vielen Fällen nur einen Spitzenausgleich, sein Anteil am Handelsvolumen ist geringer und liegt bei durchschnittlich 38%. Ein Vergleich der Maklerpartizipation zwischen den drei Gruppen verdeutUcht, dass die Maklerpartizipation bei den hquideren Aktien höher ist.-^^ Die Aktivität des Maklers sollte zu einer Erhöhung der Marktliquidität führen. Inwieweit das der Fall ist, lässt sich durch eine Analyse der GeldBrief-Spannen überprüfen.-^"^ Ausgangspunkt ist dabei die Buchspanne. Das ist diejenige Geld-Brief-Spanne, die sich alleine aufgrund der Aufträge im Orderbuch - also gerade ohne Beteiligung des Maklers - ergäbe. Die Buchspanne beträgt im Durchschnitt 0,67% und ist, wie zu erwarten, für Aktien mit geringerem Handelsvolumen höher. Die vom Makler in Form der Pretrades publizierte quotierte Geld-BriefSpanne ist deutlich geringer und beträgt im Durchschnitt 0,39%. In diesen quotierten Spannen kommt die Bereitschaft des Maklers zum Ausdruck, Aufgabegeschäfte zu tätigen und dabei zu Preisen abzuschließen, die (aus Sicht 13
Zu diesem Ergebnis (das dem von Madhavan und Sofianos (1998) für die New York Stock Exchange widerspricht) kamen bereits Freihube et al. (1999). Dort werden auch mögliche Erklärungen für den positiven Zusammenhang zwischen Handelsvolumen und Maklerpartizipation diskutiert. Die bei Abschlüssen auf dem Parkett zu zahlende Maklercourtage wird im Folgenden nicht berücksichtigt. Die dokumentierten Geld-Brief-Spannen unterschätzen daher die tatsächlichen Transaktionskosten.
Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel
403
des Kontrahenten) besser sind als die sich aus dem Orderbuch ergebenden Preise. Die quotierte Geld-Brief-Spanne überschätzt die Transaktionskosten dann, wenn es Transaktionen zu Preisen innerhalb der quotierten Spanne gibt. Da es im Frankfurter Parketthandel häufig zu solchen Abschlüssen kommt, sollte auch die effektive Geld-Brief-Spanne als Liquiditätsmaß verwendet werden. Sie wird üblicherweise nach der Formel
\Pt-MQ,\ berechnet, wobei P der Transaktionspreis und MQ der Mittelpunkt der quotierten Geld-Brief-Spanne vor der Transaktion ist. Diese Formulierung unterstellt, dass jede Transaktion zu einem Preis oberhalb des Spannenmittelpunkts eine käuferinitiierte Transaktion ist und entsprechend jede Transaktion zu einem Preis unterhalb der Spannenmitte eine verkäuferinitiierte Transaktion ist. Der hier verwendete Datensatz lässt jedoch erkennen, dass das nicht immer gerechtfertigt ist. Es gibt Fälle, in denen der Transaktionspreis unter [über] dem Spannenmittelpunkt liegt und trotzdem der Makler als Verkäufer [Käufer] auftritt. Daher wurden zunächst alle Transaktionen danach kategorisiert, ob sie käufer- oder verkäuferinitiiert sind. Dies geschah nach der folgenden Regel: • • •
Tritt der Makler als Käufer auf, ist die Transaktion verkäuferinitiiert; Tritt der Makler als Verkäufer auf, ist die Transaktion käuferinitiiert; Ist der Makler gar nicht an der Transaktion beteiligt, erfolgt die Kategorisierung gemäß dem Algorithmus von Lee und Ready (1991).
Diese Einteilung wird in der Indikatorvariable It zusammengefasst, die für käuferinitiierte Transaktionen den Wert 1 und für verkäuferinitiierte Transaktionen den Wert -1 annimmt. Auf dieser Basis wird dann die effektive Spanne definiert als:
Jt{P,-MQt) ''^'' = ^ MQ, Die Zahlen in Tabelle 4 zeigen, dass die effektive Spanne im Durchschnitt mit 0,16% deutlich niedriger ist als die quotierte Spanne.-^^ Das ist Ausdruck der Tatsache, dass zahlreiche Transaktionen zu Preisen innerhalb der quotierten Spanne stattfinden. Eine nicht unerhebliche Zahl von Abschlüssen erfolgt sogar zu einem Preis, der dem Mittelpunkt der quotierten Spanne entspricht. Bei diesen Transaktionen ist die effektive Spanne Null. Bis hier entsprechen die Ergebnisse denen früherer Arbeiten (insbesondere Freihube et al. 1999) und lassen die Tätigkeit der Makler in einem positiven ^^ Freihube et al. (1999) verwenden die oben angesprochene übliche Berechnungsweise der effektiven Spanne. Dementsprechend fallen die dort für die effektive Spanne angegebenen Werte höher aus.
404
Erik Theissen Tabelle 4. Maklerpartizipation und Geld-Brief-Spannen
Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 (ungew.) Mittelwert
Anteil Transaktionen mit Maklerpartizipation, in %
Partizipationsrate (Anteil am Handelsvolumen), in %
Buchspanne, in%
quotierte Spanne, in%
effektive Spanne, in%
94,00 79,46 72,68
51,77 39,01 23,84
0,2792 0,4606 1,2628
0,1139 0,2182 0,8447
0,0465 0,0908 0,3486
82,05
38,21
0,6675
0,3923
0,1620
Die Aktien wurden nach ihrem Handelsvolumen in drei Gruppen eingeteilt; Gruppe 1 enthält die Aktien mit dem höchsten Handelsvolumen Licht erscheinen. Sie quotieren Spannen, die enger sind als die Buchspanne und stellen auf diese Weise zusätzliche Liquidität bereit. Zudem schließen sie häufig zu Preisen innerhalb der quotierten Spanne ab, was zu einer weiteren Verringerung der Transaktionskosten führt. Die zentrale Hypothese des vorliegenden Beitrags ist aber nun, dass die Makler bei der Entscheidung für ein Aufgabegeschäft selektiv vorgehen. Sie werden tendenziell dann ein Aufgabegeschäft tätigen, wenn sie die Informationsrisikokosten gering einschätzen. Im Folgenden werden die aus dieser Überlegung heraus zuvor entwickelten Hypothesen getestet. Hypothese 1 besagt, dass die effektive Spanne bei Transaktionen mit Maklerbeteiligung geringer ist. Um diese Hypothese zu testen, werden zunächst alle Transaktionen nach der Partizipation des Maklers in drei Gruppen eingeteilt: • • •
Transaktionen ohne Maklerbeteiligung (Partizipationsrate 0) Transaktionen mit Maklerbeteiligung, bei denen aber der Makler nicht allein als Gegenpartei auftritt (Maklerpartizipation zwischen 0 und 1) Transaktionen, bei denen der Makler entweder einziger Käufer oder einziger Verkäufer ist (Partizipationsrate 1).
Tabelle 5 zeigt die durchschnittliche effektive Spanne für diese drei Gruppen. Bei Transaktionen ohne Maklerbeteiligung beträgt sie 0,296%. Bei Transaktionen mit teilweiser bzw. hundertprozentiger Maklerbeteiligung ist sie mit 0,102% bzw. 0,185% deutlich geringer. Derartige Unterschiede zwischen den effektiven Spannen bei Transaktionen mit und ohne Maklerbeteiligung zeigen sich bei allen 15 Aktien der Stichprobe. Bei 10 Aktien sind die Unterschiede statistisch signifikant auf dem 5%-Niveau, bei einer weiteren Aktie sind sie signifikant auf dem 10%-Niveau. Daher kann die erste Hypothese als bestätigt angesehen werden. Etwas seltsam erscheint auf den ersten Blick, dass die effektive Spanne bei teilweiser Maklerpartizipation deutlich kleiner ist als bei hundertprozentiger Partizipation. Eine mögliche Erklärung beruht auf der Tatsache, dass unter
Intermediation und Informationsasymmetrie beim Aktienhandel
405
den Transaktionen mit teilweiser Partizipation viele Abschlüsse sind, bei denen der Makler nur eine geringe Stückzahl zum Spitzenausgleich übernimmt. Er mag bereit sein, sich in diesem Fall mit einer geringen (oder sogar negativen) Spanne zufrieden zu geben, da er ja die Courtage für das gesamte Transaktionsvolumen erhält. Tabelle 5. Maklerpartizipation und effektive Halbspanne Partizipationsrate P Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 (ungew.) Mittelwert
0
effektive Spanne, i n % 0 0.
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
423
Berücksichtigung von Synergien bezieht und „Syn" auf solche, die ausschließhch aus Synergien bestehen, ß stellt die Varianz/Kovarianzmatrix der Unternehmensrendite und der riskanten Anlage dar und F den Vektor der Risikoänderungen, die die Unternehmens-Restrukturierung mit sich bringt. Laut Gleichung (10) setzt sich die vom kurzfristigen Investor geforderte kritische stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung aus drei Bestandteilen zusammen. Erstens, der stand alone Risikoprämie des alten Investitionsobjektes (1. Term in der ersten Zeile von Gleichung (10)), da sein Anteil am restrukturierten Unternehmen und damit seine Wirkung auf die Unternehmensrendite sinkt. Zweitens der Wirkung der Unternehmens-Restrukturierung auf die erwarteten Synergie-Renditen (2. Term in der ersten Zeile von Gleichung (10)). - Beide Effekte stellen auf reine ErwartungswertKonsequenzen der Unternehmens-Restrukturierung ab. Der dritte Effekt der Unternehmens-Restrukturierung besteht in ihrer bewerteten Risiko-Wirkung (zweite Zeile von Gleichung (10)). Die Risiko-Wirkung spiegelt sich im Vektor r wider und umfasst zwei grundsätzliche Risikoquellen: Risiko-Wirkungen im Zusammenhang mit dem Unternehmen (1. Zeile des Vektors F) und RisikoWirkungen im Zusammenhang mit der riskanten Anlage (2. Zeile des Vektors F). Risiko-Wirkungen im Zusammenhang mit dem Unternehmen beinhalten einerseits die Veränderung des Unternehmensrisikos - weg vom Risiko des alten Investitionsobjektes hin zu einer Mischung der Risiken aus altem Investitionsobjekt und Unternehmens-Restrukturierung 10neu --, andererseits die Reaktion der Synergie-Risiken auf das Ausmaß der Unternehmens-Restrukturierung. Die Risiko-Wirkungen im Zusammenhang mit der riskanten Anlage sind gekennzeichnet durch Änderungen der Kovarianz zwischen UnternehmensRendite inklusive Synergien mit der Rendite der riskanten Anlage. Die Bewertung beider Risikoquellen geschieht mit Hilfe des so genannten Marktpreises des Risikos (Gegenüberstellung des Vektors der Erwartungswerte des alten Investitionsobjektes sowie der riskanten Anlage und Risiko ß ) , der simultan aus dem Rendite-Risiko-Trade-off des gehandelten Unternehmens und der riskanten Anlage bestimmt wird. Gleichung (10) demonstriert aber auch, dass die vom kurzfristigen Investor geforderte kritische stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung präferenzunabhängig ist. Weil sowohl das Unternehmen als auch die riskante Anlage vom kurzfristigen Investor gehandelt werden können, liegt kein volumenmäßig exogenes Einkommen vor, dessen Risikobeitrag mittels einer Nutzenfunktion bewertet werden müsste. 2.2.2 Langfristiger Investor Abgesehen vom exogenen Unternehmensanteil wu ermittelt sich die vom langfristigen Investor geforderte kritische stand alone Risikoprämie für die Unter-
424
Bernhard Nietert
nehmens-Restrukturierung im Ausmaß iVneu auf dieselbe Weise wie die für den kurzfristigen Investor^^:
y^neu
"^Jkrit — ^alt
2
^
o -
ormal U
\
^f
J
(11) Laut Gleichung (11) setzt sich die vom langfristigen Investor geforderte kritische stand alone Risikoprämie für die Unternehmens-Restrukturierung aus prinzipiell denselben Bestandteilen wie die für den kurzfristigen Investor zusammen, d. h. erstens der stand alone Risikoprämie des alten Investitionsobjektes (1. Term in Gleichung (11)) und, zweitens, den Wirkungen der Unternehmens-Restrukturierung auf die erwarteten Synergie-Renditen (2. Term in Gleichung (11)). Neben diese beiden Erwartungswert-Konsequenzen treten die bewerteten Risiko-Wirkungen (3. und 4. Term in Gleichung (11)). Genau an dieser Stelle wird jedoch ein Unterschied zur kritischen stand alone Risikoprämie des kurzfristigen Investors deutlich. Lediglich das Risiko im Zusammenhang mit der riskanten Anlage wird mit dem Marktpreis des Risikos basierend auf der riskanten Anlage bewertet (3. Term in Gleichung (11)). Das Risiko im Zusammenhang mit dem Unternehmen muss dagegen mittels einer Nutzenfunktion bewertet werden (4. Term in Gleichung (11)). In ihm kommt nämlich das volumenmäßig und strukturell exogene Einkommen aus dem Unternehmen zum Ausdruck, das durch Transaktionen in wpfi{t) im Allgemeinen nicht vollständig eliminiert werden kann. Deshalb ist die kritische stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung lOneu für den langfristigen Investor sowohl ausstattungsabhängig - die Höhe des Unternehmensrisikos hängt von der Höhe des exogenen Unternehmensanteils wu ab - als auch eine Funktion der relativen Risikoaversion 1 — 7 des langfristigen Investors (Präferenzabhängigkeit). 2.2.3 Weiter gehende Analyse der kritischen stand alone Risikoprämie von Unternehmens-Restrukturierungen Der literaturübliche Zugang zur weiter gehenden Analyse von Bewertungsformeln besteht in einer ceteris paribus Analyse. Allerdings sind die Wechselwirkungen zwischen den Einflussfaktoren auf die kritische stand alone Risikoprämie für den kurz- (10) und den langfristigen (11) Investor zu vielfältig, um analytisch eindeutige Aussagen treffen zu können. 26
Vgl. Anhang A.2 für eine Herleitung.
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
425
Gewisse Einblicke in die Verlaufsmuster der kritischen stand alone Risikoprämien (10) und (11) lassen sich jedoch mit einem Zahlenbeispiel erreichen. Ein Zahlenbeispiel kann zwar keine generalisierbaren Aussagen über Verläufe kritischer stand alone Risikoprämien liefern, es ist aber zumindest in der Lage, zwei Zwecke zu erfüllen: Erstens kann es illustrieren helfen, dass die kritischen stand alone Risikoprämien (10) und (11) tatsächlich einen theoretischen Erklärungsansatz für Phänomene beinhalten, die in der empirischen Literatur lediglich beobachtet werden. Zweitens kann ein Zahlenbeispiel ParameterKonstellationen identifizieren, die Aussagen der (rein) beschreibenden Literatur widersprechen. Das Zahlenbeispiel greift auf folgende Rahmendaten zurück: Unternehmens-Restrukturierungen werden als beliebig teilbar angenommen, wobei die Obergrenze für Restrukturierungs-Maßnahmen auf w^^^^ = 0? ^ gesetzt sei, d. h. lOait und lOneu werden im Verhältnis eins zu eins durchgeführt. Diese Obergrenze ist durchaus großzügig bemessen, wenn man bedenkt, dass der Zusammenschluss von Daimler Benz mit dem Großunternehmen Chrysler ein Wneu ^ 0,38 mit sich brachte^^. Die Risikoprämien des alten Investitionsobjektes und der riskanten Anlage lauten aait — f = 0,12 sowie apf — r = 0,05, ihre Standardabweichungen aait = 0,6 sowie apf — 0,25; die Standardabweichung der Restrukturierungs-Maßnahme betrage cr^eu = 0,5. Bezüglich der Korrelationskoeffizienten wird unterstellt: palt Pf = PneuPf = paitsyn = PneuSyn = PPfSyn = 0,3. Synergie-Renditen seien in diesem Zahlenbeispiel ausschließlich als Funktion von Wneu modelliert, wobei der Zusammenhang für den Erwartungswert positiver Synergie-Renditen konkav, der für den Erwartungswert negativer Synergie-Renditen und die Standardabweichung der Synergie-Renditen konvex sei. Konkret: erwartete Synergie-Rendite bei positiven asyn = ^_. ' (\/l + '^neu — l) sowie bei negativen Synergien O^Syn = - ^
• {{l + Wneuf
" 1 j Uud jCWCils aSyn
= | ' ( ^ ( 1 + Wneuf
- 1j
für
die Standardabweichungen der Synergie-Renditen. Auf diesen Spezifikationen aufbauend, ermittelt man für die kritische stand alone Risikoprämie RPneu der Unternehmens-Restrukturierung für den kurzfristigen Investor in Abhängigkeit vom Ausmaß der Unternehmens-Restrukturierung Wneu (wquerneu). Mit Hilfe der Verläufe der kritischen stand alone Risikoprämie in Abb. 1 und Abb. 2 lassen sich nun die beiden Zwecke des Zahlenbeispiels, das Aufzeigen theoretischen Erklärungs-Potenzials bisher nur beschriebener Phänomene und das Widerlegen von Aussagen der (rein) beschreibenden Literatur, erreichen. Sirower (2001)^^ ermittelt empirisch einen negativen Zusammenhang zwischen Größe des Akquisitionsziels und negativer Kursreaktion beim akquirierenden Unternehmen. 2'' Vgl. Fußnote 13. 2^ Vgl. Sirower (2001, S. 193-194).
426
Bernhard Nietert
o 0
0.6-
o
0
/
0.40 /
"*"
0.2-
0
^^yi^o' 0.2 '^o'^^
0.3
0.4
0.5
wquerneu 0.1 + f + + + 10 0 0 0
0.4
0.5
rhoaltneu = 0.9 rhoaltneu = 0.4 rhoaltneu » 0
A b b . 2. kritische stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung (10) bei negativen unternehmensinternen Synergien
Laut Abb. 1 und A b b . 2 muss die kritische s t a n d alone Risikoprämie mit steigendem Restrukturierungsumfang (teilweise) stark zunehmen^^, obwohl die Synergie-Erwartungswerte ebenfalls steigen; d . h . der Kaufpreis der Akquisition muss einen wachsenden Größenabschlag in sich tragen. Bei einem höheren Restrukturierungsumfang gewinnen nämlich die Rendite-RisikoCharakteristika der Unternehmens-Restrukturierung zunehmend an Bedeut u n g und die Standardabweichung der Synergie-Renditen nimmt stärker zu als ihr Erwartungswert. - Das theoretische Erklärungspotenzial der kritischen Risikoprämie (10) für die von Sirower (2001) beobachtete negative Kursreaktion besteht in der Größenordnung der kritischen stand alone Risikoprämie. Die breiten Parameter-Konstellationen des Zahlenbeispiels legen nämlich nahe, dass eine solche kritische stand alone Risikoprämie bei einem hohen Restruk^^ Eine negative kritische stand alone Risikoprämie bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Durchführung der Unternehmens-Restrukturierung auf Grund ihrer Synergie- und Risiko-Wirkungen selbst dann im Interesse des kurzfristigen Investors ist, wenn die Restrukturierungs-Maßnahme für sich alleine betrachtet (stand alone) eine negative Risikoprämie aufweist.
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
427
turierungsumfang nur selten tatsächlich erzielt werden kann. Folglich werden Unternehmenseigner ihren Anteil am akquirierenden Unternehmen reduzieren, weil die Unternehmens-Restrukturierung nicht in ihrem Interesse ist; der Kurs des akquirierenden Unternehmens sinkt. Bachmann (2001)^^ beobachtet Unternehmen, von denen manche Diversifikationsstrategien betreiben, manche sich dagegen auf Kernkompetenzen konzentrieren. Operationalisiert man „Konzentration auf Kernkompetenzen" als Durchführung von Investitionsobjekten mit hohem Verwandtschaftsgrad und einen hohen Verwandtschaftsgrad als einen hohen positiven Korrelationskoeffizienten Paitneui dann illustrieren Abb. 1 und Abb. 2 das Erklärungspotenzial der kritischen Risikoprämie (10) für die Beobachtungen von Bachmann (2001): Hohe Verwandtschaftsgrade erfordern eine höhere stand alone Risikoprämie für die Unternehmens-Restrukturierung (bei identischen Synergie-Renditen) als niedrigere Verwandtschaftsgrade. Insofern stellt eine Konzentration auf das Kerngeschäft (bei identischen Synergien) höhere stand alone RenditeAnforderungen als eine Diversifikationsstrategie. Umgekehrt formuliert, selbst wenn sich ein Unternehmen auf sein profitables Kerngeschäft konzentriert und dadurch hohe tatsächliche Renditen erzielt, handelt es damit noch nicht automatisch im Sinne seiner Eigner, weil eine derartige Unternehmenspolitik laut Gleichung (10) auch eine hohe stand alone Risikoprämie erfordert. Achleitner/Simon (2003)^^ führen aus, Risikodiversifikation auf Unternehmensebene sei nicht erforderlich, weil Investoren selbst diversifizieren könnten. Laut Abb. 1 und Abb. 2 zieht jedoch eine sich mit dem Restrukturierungsumfang iJüneu ändernde Risikostruktur des Unternehmens selbst für einen optimal diversifizierten kurzfristigen Investor eine sofortige Anpassung der kritischen stand alone Risikoprämie nach sich. Deshalb ist ein kurzfristiger Investor gerade nicht indifferent gegenüber Risikodiversifikation im Unternehmen^^. Dies gilt umso mehr für einen langfristigen Investor, der seinen Anteil am Unternehmen nicht variieren kann. Zur Verdeutlichung dieser letzten Aussage seien in der Abb. 3 die Kombinationen für die relative Risikoaversion (RRA), den Unternehmensanteil wu (wUquer) und das Ausmaß der Unternehmens-Restrukturierung Wneu (wquerneu) eingetragen, für die die kritische stand alone Risikoprämie des lang- mit der des kurzfristigen Investors übereinstimmt („ÜbereinstimmungsRisikoprämie"). Für Parameter-Konstellationen oberhalb dieses Gebirges verlangt der kurzfristige Investor eine höhere kritische stand alone Risikoprämie für die Unternehmens-Restrukturierung, für solche darunter der langfristige. Die Tatsache, dass die kritische stand alone Risikoprämie für die Unternehmens-Restrukturierung des schlechter diversifizierten langfi:istigen Investors unter der des optimal diversifizierten kurzfristigen Investors liegen kann. ^° Vgl. Bachmann (2001, S. 59). ^^ Vgl. Achleitner/Simon (2003, S. 81). ^^ Dies wäre nur der Fall, wenn die Unternehmenszahlungen duplizierbar wären. Eine genauere Diskussion dieses Aspektes findet sich in Wilhelm (1989).
428
Bernhard Nietert
0.2 wquerneu
0-4
A b b . 3 . „Übereinstimmungsrisikoprämie" bei positiven unternehmensinternen Synergien
scheint auf den ersten Blick überraschend: Einerseits gehen Teile der Literatur, beispielsweise Zugehör (2001)^^, davon aus, der Renditeanspruch von Groß-Investoren sei höher als der von Klein-Eignem. Andererseits bedeutet eine schlechtere Diversifikation ein höheres Risiko, ein höheres Risiko müsste aber einen höheren Renditeanspruch nach sich ziehen. - Gerade dieses Diversifikations-Argument enthält jedoch den Schlüssel zum Verständnis der Abb. 3 und damit für eine partielle Widerlegung von Zugehör (2001). Da der langfristige Investor wegen des exogenen Unternehmensanteils üju (meist) schlecht diversifiziert ist, sieht er bereits kleine Verbesserungen der Diversifikation als vorteilhaft an und stellt deshalb keine so hohen Anforderungen (d. h. verlangt eine niedrigere kritische stand alone Risikoprämie) an die Unternehmens-Restrukturierung wie ein optimal diversifizierter kurzfristiger Investor. Dies gilt insbesondere bei hohem wu und hoher relativer Risikoaversion, mit anderen Worten: hohem Diversifikationsdruck. - Schließlich ist noch zu begründen, warum bei dem Restrukturierungsumfang Wneu = 0,1191 die kritischen stand alone Risikoprämien von kurz- und langfristigem Investor nicht in Übereinstimmung gebracht werden können (schluchtartiger Einbruch in Abb. 3). Bei einem derartigen Restrukturierungsumfang beträgt der präferenz- und Vgl. Zugehör (2001, S. 38).
Unternehmens-Restrukturierung und unternehmensinterne Synergien
429
ausstattungsabhängige vierte Term für den langfristigen Investor in Formel (11), d.h. ^ • (1 - 7) • r ^ j _cov{Rr^ormalu'.RpfHcov(Rsyr.u;Rpf) 1 * Wu, gerade null. Insofern spielen für die relative Lage der kritischen stand alone Risikoprämien von lang- und kurzfristigem Investor relative Risikoaversion und wu keine Rolle; die kritische Risikoprämie des langfristigen Investors liegt entweder immer unter der des kurzfristigen Investors (wie in Abb. 3) oder immer darüber. 2.3 Kritischer Erwartungsw^ert der Synergie-Rendite Laut Sirower (2001)^^ fehlt bisher in der Literatur eine theoretisch fundierte Beziehung zwischen Verwandtschaftsgrad eines Zukaufs von (Teil-) Unternehmen und der erwarteten Mindest-Synergie-Rendite dieses Zukaufs. Präziser formuliert untersucht eine derartige Bewertungsbeziehung, wie hoch bei gegebenem Synergie-Risiko und gegebener stand alone Risikoprämie der Unternehmens-Restrukturierung der Erwartungswert der Synergie-Rendite sein müsse, damit die Unternehmens-Restrukturierung im Umfang Wneu ™ Sinne der Unternehmenseigner sei. Umstellen von Gleichung (10) nach dem Synergie-Erwartungswert liefert /X O^Syn[yJneu)
daSyni'Wneu) ö^^
= Ck
/.o\ (12)
mit: {O^neu - r ) - {aalt " C/c = -^ —7
r)
irTß-i(J pTQ-1 1
A l - '^neu) \
' {OLalt " T ) "h Wneu ' (^!r"*--«^ ^^•O***^«^ • -T^Ks^
O 0.3 CQ
' • •^lft>^^^^'***m^_
'•^!||fL^
^**'***vtm ^ " ^ ^ ^ ^ P * * ^
^"••^»^^
0,2
^^*^^I3
0,1
modellendogene Ausfallhöhe 1 0
0
2
4
6
8
10
12
14
16
Restlaufzeit
Abb. 2. Wert von Null-Kuponanleihen und deren Wiedergewinnungswert
Abbildung 2 veranschaulicht die Höhe der nennwertbasierten, äquivalenten und marktwertbasierten Wiedergewinnung (A, ü bzw. •) einer Null-Kuponanleihe (NKA) mit Wiedergewinnungsquote 5 = 0,6 im Modell (Ml) mit A = 0,08, sowie r = 0,05 für Restlaufzeiten von T = 0 bis 20 Jahren. Im nennwertbasierten und äquivalenten Wiedergewinnungsmodell sind die absoluten Ausfallvolumina abhängig vom Nennwert bzw. Wert eines ausfallrisikolosen aber sonst gleichen Anspruchs. Im Falle nennwertbasierter Wiedergewinung kann es insbesondere bei NKA mit langen Restlaufzeiten vorkommen, dass der Wert der Wiedergewinnung oberhalb des Marktwertes des ausfallrisikobehafteten Anspruchs liegt.
Reduktionsmodelle zur Kredit der ivatebewertung
481
3 Risikoneutrale Bewertung Die Bewertung einer Option im klassischen Modell von Black/Scholes (1973) und Merton (1974) beruht auf der Duplikation ihrer Auszahlung durch ein zeitkontinuierlich angepasstes Portfolio aus Aktie und Geldmarktkonto.^ Damit der Markt arbitragefrei ist, müssen der Wert des Portfolios und der Wert der Option übereinstimmen. Die Duplikaton der Zahlungsströme einer ausfallrisikobehafteten Anleihe ist dagegen nicht möglich, da die Assets einer Unternehmung im Unterschied zu Aktien nicht am Markt gehandelt werden und deren Wert nicht ohne Weiteres feststellbar ist. Der Markt bzw. das Modell heißt dann auch unvollständig. Der Bewertungsansatz in Reduktionsmodellen besteht nun darin, die Parameter des Modells an gegebene Marktpreise von ausfallrisikolosen und ausfallrisikobehafteten Anleihen zu kalibrieren und anschließend die Zahlungsströme weiterer Kreditderivate mit diesem Modell zu bewerten. Der folgende Abschnitt beschreibt die Zahlungsprofile von häufig gehandelten Kreditderivaten und präsentiert die entsprechenden Bewertungsformeln. 3.1 Wertdarstellungen für Kredit der ivate Bei gegebenem Kassazinsratenprozess r lässt sich der Wert einer ausfallrisikolosen NKA mit Nennwert 1 und Laufzeit T durch Bo{T) =
EQ
darstellen. Der Wert einer unsicheren Zahlung einer Geldeinheit im Zeitpunkt T, die nur dann erfolgt, falls kein Ausfall im Zeitraum [0, T] stattfindet, entspricht dem Wert einer ausfallrisikobehafteten Null-Kuponanleihe mit Laufzeit T und Totalverlust bei Ausfall. Dieser Preis ist durch Bo{T)=EQ[lir>T}e-^o'sds definiert. Da wir im Folgenden Unabhängigkeit zwischen Zins- und Ausfallrisiken unterstellen, kann man diesen Wert wegen Bo{T) = EQ [l{r>T}] EQ [S'IO ^^''^] = Q{T > T)Bo{T) = EQ[e-^-]Bo{T)
(3)
auch als Produkt aus risikoneutraler Überlebenswahrscheinlichkeit und Kurs einer ausfallrisikolosen NKA angeben. In allgemeinster Form ist der Preis eines Kreditderivats mit kumulativem Cash Flow-Prozess C und mit Ausgleichszahlung Z (bzw. mit Wiedergewinnung Z bei Anleihen) im Ausfallzeitpunkt durch Zur klassischen Theorie der arbitragefreien Bewertung vgl. Wilhelm (1985).
482
Markus O. Starck und Siegfried Trautmann EQ
J{t,T]
(4)
J{t,T]
gegeben. Bielecki/Rutkowski (2002, S. 230) zeigen, dass für den heutigen Wert der Wiedergewinnung bzw. Ausgleichszahlung EQ [l^rti}Bo{U)
= EQ [l{, T } 5 O ( T ) + = EQ [l{,>T}ßo(T) + = Bo{T) +
l^r-
T-H CS
o^ iO
^
o (M r-H T}< 05 ^ CS ^ 05 o CO t> TT 00 CO rH Tf ^ (M
1
CO 1-1 co'^ 1—t IO 1 1-1 CS 1—1 CO
co^ (N CO O^ CO1 "^ ^
CO CO
rH
^^
T-^ 1—1 ^ CS 1> co'^ Tf t> x" X -^ rH CS CS X t^ (M (M t^
^^
CO
1
r^ r-i CO
l> 05
CO rH
CS LO CO
1
05 CS
^ CO ^
05 l> 0 1
1
r-i r-i
CO
rH
rH
1
rH
1
LO LO co t- 0 t- CO l> l> ^ CS CS t- CS CS
CS CS X X l> x" CS CS a^ CS bCS
rH
CO l- 10 fc^ Tt X 10 10 X X CS O rH CS 0
1—1 1
rH CS CO
X CO CS CO CO CS T—1 Tj< 1—1 1—1
1—1 1
co" 1
^^ CS o^ 05 o" CS
rH
X LO X o > l> CO ! CS
-^ o ^ ^^
TH CD o rH X CS CO O CO 05 o TH 10 kO Tl* X 40 CO fc- IO 05 CS 10 O 05 10 y-i CS O r-^ CS rH TH CO Cl Tj« o rH
1—1
1-H
^"
CO o^ co^ CO^ O ^ CO 05 r-i 05 co^ X CO CO*' co" N." t^ l> O co'^ CO 05 l> csTCS o" rH CS I> CS rH X CO CO >c tCO t> 1 1 1
T—(
O 05 05
r^
CS
tiO ^
1—1
rH
rH
CO O^ t> CO^ CS ^ co" h- co" CS CS r~i rH CS r-^
05 rH CS rH
CS 10
T-) 1
o
1
TH
^'^LO
TJ^ CO
r-i
LO'^ r-i
CS r-t
'^^r-i
CS es" 1—( 1—1 CS rH
CO'^ r-i
CS
1
CO Tt^ CO CS 05" LO rH
r^
1
CS
CO CS CS 0
1
05 CO CS CO r-i 1-H
cs^ CO^ X LO rH co" N-'^ co' rf rH CS
rH
10 CO CO Tt CO fc* t05 CS IO 05 CS t^ CS 10 CS 10 TH
o CS rH
LO 1—1
1—1
cs^ co^ LO X x'^ rH od'^ '^b-'^ CS
o IO CO IO
CS IO
1—1
co^ X^ CS LO 0 J> oo' CS 1LO -t CS
05 N CO rH O^ rf^ T-\ CO CO IO X CO rH 05 X rH rH^ Tf^ ;0 M rH ^f lO CO X rH 05 o X CO b» Tj< CO oo' b ^ CO rH 05 CO CS 05 N rH 05 CO rH 05 CO rH lO
iH T-i iH TH
T—1
CS '^ T-T r-T 1-1 ^ iO
CO^ (M co^ O^ CS X CS CS X 1—1
oT (N
M a> X CO CS CO CO t- rH X X 05 CO 05 Tl* X X CS Tf rH CS
^
^
05 CO iO ^ t- CO CO CO 05 05 iO CO rH CO 05 iO
r-i CO^ CO^ X O^ (M^ Ol CS^ i-T co'' ö^ t^ crT ^'^ l>^ ccT r-T T-H CS rH CS 05
^
l> r-T lO t^ X LO ^ (l -
\u)N{zu,2{K)) (8)
Für eine eventuelle numerische Berechnung des eindimensionalen Integrals existieren jedoch effiziente Algorithmen. Vgl. beispielsweise Schwarz (1988) [38], S. 319 ff., Piessens et al (1983) [31], S. 11 ff.
502 und für
Manfred Steiner und Bernhard Brunner K R
linear, strikt positiv und stetig seien muss. Insbesondere gilt somit H ( a . 5i(T) + ß . S2{T)) = a • H(5i) + ß • H(52), H(5(T)) > 0 falls 5(T, A) > 0 VA G F , H(0) = 0. Mit Blick auf den betrachteten Fondssparvertrag bedeutet dies, dass dieser genau dann fair ist, falls A = ^ H ( 5 ( T ) ) ^ ^ e ( 5 ( T ) ) = S{to), d.h., falls der Barwert des risikobehafteten Wertpapiers gleich dem Kurs des Wertpapiers zu Vertragsbeginn ist. U. a. setzt dieses Ergebnis voraus, dass ^ Mit F beziehungsweise IB werden die zugehörigen er-Algebren bezeichnet. ^ Vergleiche hierzu Harrison und Kreps (1979) sowie Harrison und Pliska (1981, 1983), Wilhelm (1981, 1985, 1999).
524 • • •
Klaus Sandmann keine Insider Informationen vorliegen, die zu einer Differenz zwischen dem gehandelten Wert des Wertpapiers und seinem Barwert führen, Dividenden, die zwischenzeitlich anfallen, reinvestiert werden, keine zusätzlichen Gebühren/Transaktionskosten für den Kauf oder Verkauf des Wertpapiers anfallen.
Zur Vereinfachung der nachfolgenden Überlegungen wird im Weiteren das risikobehaftete Wertpapier mit einem dividendengeschützten Fonds, d. h., Dividenden werden reinvestiert, gleichgesetzt. Aufbauend auf den beiden Formen festverzinslicher Sparvertrag und Fondssparvertrag bei einmaliger Prämie lassen sich nun zwei Varianten betrachten. Beiden gemeinsam ist, dass sie Kombinationen der zuvor genannten Verträge darstellen. Eine lineare oder konvexe Vertragskombination kommt einer Aufteilung des Anfangsvermögens auf die beiden vorgenannten Verträge gleich. Sei a G [0,1] der Investitionsanteil, so wird der Betrag a • A für den Erwerb der Fondsanteile verwendet und der Betrag (1 — a) • A in die festverzinsliche Sparform investiert. Die Rückzahlung zum Zeitpunkt T entspricht somit (l-a).A-ea;p{5-T}+a.^.5(T). Den vorherigen Überlegungen folgend, ist der Vertrag somit genau dann jair^ falls der Fonds fair ist und g = S gilt. Die Auszahlung der fondsgebundenen Anlage mit Mindestgarantie lässt sich auf zwei Arten interpretieren. Sei A wiederum der zu investierende Betrag, so gilt für die Auszahlung max
5(to)
• 5 ( r ) , A- e x p { 5 - r } | = A - e x p { 5 - T } + A - m a x | | | g - e x p { ö - T } , o | .
Diese Darstellung zerlegt die Auszahlung des Vertrages in einen festverzinslichen Sparvertrag mit einer garantierten Zinsrate g. Zusätzlich erhält der Investor einen Bonus proportional zur Anfangsinvestition, falls der Ertrag des risikobehafteten Fonds die garantierte Zinsrate g übersteigt. Umgekehrt lässt sich die Auszahlung auch darstellen als
Hier liegt nun die Interpretation einer Investition in einen risikobehafteten Fonds nahe, wobei zusätzlich eine zur Anfangsinvestition proportionale Zahlung erfolgt, falls der Ertrag niedriger als eine garantierte Zinsrate g ist. Die weitere Analyse setzt nun voraus, dass die Bewertungsregel H(.) auf den Versicherungsvertrag übertragen werden kann. Diese, auf den ersten Blick unkritische Vorgehensweise, stellt jedoch tatsächlich eine Annahme dar. Wilhelm (1981, S. 528ff.) folgend ist dies nur zulässig, falls durch die Einführung
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
525
des Versicherungsproduktes die Rendite-Risiko Allokation nicht verändert wird. Hinreichend hierfür wäre z.B. die Annahme, dass die Einzelverträge schon vor Einführung des Versicherungsvertrages gehandelt wurden. In einem allgemeineren Rahmen entspricht dies dem Konzept der relativen Bewertung d.h. einem partiellen Gleichgewicht in dem mögliche RückkopplungseJBFekte ausgeschlossen werden. Unter dieser Annahme verdeutlicht die erste Darstellung, dass füig = 5 kein fairer Vertrag vorliegt. Dies folgt unmittelbar aus der Positivität der Bewertungsregel H. Ein fairer Vertrag wäre gegeben, falls A=
A'exp{{g-ö)'T}+A'¥l
S{to)
- e x p { ^ . T } , o | >A^exp{{g-6yT},
woraus notwendig g < 6 folgt. Die zweite Darstellung verdeutlicht jedoch, dass kein fairer Vertrag existiert, falls es sich um einen fairen Fonds handelt. Vielmehr muss der Investor eine über den Investitionsbetrag hinausgehende Prämie leisten, um die obige Garantie zu erhalten. Dies verdeutlicht, dass die Garantieleistung des Vertrages nicht in dieser einfachen Form angegeben werden kann. Vielmehr ist es notwendig, analog der linearen oder konvexen Vertragsgestaltung, diese aus der Sicht einer Investitionsstrategie zu betrachten. Sei a wiederum der Investitionsanteil mit a £ [0,1[, so lässt sich die Auszahlung darstellen als (1 - a) • A . exp{^ • T} + a . max |
^
• ^(T), A • exp{^ • T}\ .
Die bisherigen Überlegungen verdeutlichen, dass für a = 1 kein fairer Vertrag vorliegt und im g = S notwendig a gleich Null folgt. Die sich stellende Frage ist somit, für welche Parameter g und a es sich um einen fairen Vertrag handelt. Die formale Bedingung an g und a lautet ausgehend von der ersten Darstellung: A = A.exp{(ö- S{to) • exp{g • T}) > 0, so folgt unmittelbar dRig) dg
d H dg
"^"^{Hy-^'p^^-'^^''}]
e [-T.exp{,.T}ir^^_^^^.,^j =
-T-exp{{g-S)-T}.I{
>-T-exp{{g-5)-T}.
.'^P^'^-^>te>exp{.T}}
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
527
Mit dieser Vorbemerkung folgt da{g) dg
_Ri9)-{-T-exp{{g-S)-T})-il-exp{ig-5)T}).^ Rig)^ (1 _ e(9-sy^) (_T • e^9-s)T^ + ( i _ eCs-^)^) . T • e(»-^)-^ _
d.h., a{g) ist streng monoton fallend in g. Die numerische Bestimmung der fairen Vertragskombinationen (p*,a*) ist im Weiteren abhängig von zusätzlichen Annahmen an die Kursentwicklung des Fonds. Da die entscheidende Komponente des Vertrages sich als eine Call-Option darstellen lässt, bietet es sich an, das Black-Scholes Modell anzuwenden. Unter den Annahmen des Black-Scholes Modells ergibt sich der Barwert der Schlussüberschussbeteiligung zu^ Rig) = H max
{^-»'(»•^'•°}
N{d,)-eKp{{g-5)-T}-N{d2),
{5-g±1/2-a^J-T wobei N{') die kumulative Standardnormalverteilung bezeichnet. Die Menge der fairen Fondssparverträge mit Mindestzinsgarantie g 0 Vi - 0, • • • , M - 1, so folgt wiederum, dass ad{g) streng monoton fallend ist. Eine darüber hinausgehende quantitative Auswertung muss natürlich auf einer speziellen Modellstruktur aufbauen. Wird sich auf das Black-Scholes Modell zurückgezogen, so erhält die Unabhängigkeit der logarithmierten Aktienkurszuwächse bei konstantem Marktzinssatz eine zusätzliche Bedeutung. Die Annahme über die Kursentwicklung des Fonds erlaubt es, diesen wie folgt darzustellen: S{U+i) = SiU) exp | ( ^ - ^a^)At + a{WiU+i) - Witi))\
.
Unter Ausnutzung der Unabhängigkeit der Zuwächse der Brown'schen Bewegung berechnet sich der Arbitragepreis einer einzelnen ÜberschussbeteiUgung unter dem äquivalenten Martingalmaß zu: E 3 - ^ ^ | | g m a x j ^ ^ - e^^^ o}] = e-^(^^^^ wobei dl/2 = —^ pj —, Vi = 0, • • • , M — 1. Die Summation über alle Zeitpunkte ti ergibt für den Wert der Größe Rd{gd) den nachfolgenden Ausdruck: M-l
Diese Berechnungen ermöglichen es, die Menge der fairen Verträge bei proportionaler Direktüberschussbeteiligung in überraschend einfacher Art und Weise darzustellen. Faire Verträge sind bestimmt durch 1 _ e^9-^)T OL{g) =
Rd{g)
i _ ^{9-S)At
N{di)-e(9-s)AtN^d^y
d.h. es besteht keine Abhängigkeit von der Restlaufzeit sondern eine Abhängigkeit von der Länge At = t^+i —U der Überschussperiode. Dieses Ergebnis ist nur für die spezielle Struktur des Black-Scholes Modell gültig, d. h.
532
Klaus Sandmann
Tabelle 2. Garantieverzinsung und Überschussbeteiligung bei proportionaler Direktüberschussbeteiligung Faire Fondssparverträge bei einmaliger Prämie mit proportionaler Direktüberschussbeteiligung, Volatilität 25%, Marktzinssatz 10%, Laufzeit 5 Jahre Garantierte Verzinsung
Proportionale Direktüberschussbeteiligung a{g)
g
-0,01 0,00 0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,06 0,07 0,08 0,09 0,10 0,11
Anzahl der Vergleichstermine pro Jahr 4 3 1 einmalige Prämie Schlussüberschuss
12
6
0.27289 0.2515 0.22949 0.20684 0.18352 0.15952 0.13482 0.10939 0.08322 0.05628 0.02855 0 -0.02938
0.36296 0.33627 0.30847 0.27952 0.24936 0.21795 0.18523 0.15115 0.11565 0.07867 0.04014 0 -0.04182
0.42453 0.39483 0.36361 0.3308 0.29631 0.26006 0.22195 0.18189 0.13977 0.0955 0.04894 0 -0.05146
0.47187 0.44023 0.40672 0.37124 0.33364 0.29382 0.25164 0.20695 0.15961 0.10946 0.05631 0 -0.05967
0.67068 0.63543 0.59648 0.55346 0.50593 0.45343 0.39542 0.33132 0.26049 0.18221 0.09567 0 -0.10579
0.92232 0.90111 0.87444 0.84096 0.79897 0.74637 0.68049 0.598 0.49471 0.36535 0.20326 0 -0.25511
wird beispielsweise zusätzlich die Zinsentwicklung als stochastisch angenommen, so ist diese Aussage nicht mehr gültig. Tabelle 2 verdeutlicht die quantitativen Effekte einer proportionalen Direktüberschussbeteiligung im R a h m e n des Black-Scholes Modells. Neben der proportionalen Überschussbeteiligung, die potenziell einen unbeschränkten Überschuss besitzt, ist auch eine maximale Beschränkung des Überschusses durch den Versicherungsgeber möglich. Dies kann als beschränkt e Direktüberschussbeteiligung bezeichnet werden. Formal stellt sich die beschränkte Direktüberschussbeteiligung zu einem Zeitpunkt im u> g wie folgt dar min|max j - ^
( 5 ( i , + i ) - 5 ( t , ) • e^'^*) , o | , ^ 5 ( i , ) ( e « - ^ * - e«-^*)|
Die Gesamtausschüttung dieses Vertrages ergibt sich wiederum durch Summation über die Zeitpunkte wobei die Zahlungen zum Zinssatz g verzinst werden, d.h. ^,...^|e..a-.....^|M(„»{S|l)_,,...„}_„»{|ffi)_e-..o})
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
533
Die Berechnung des Barwertes der Auszahlung beruht auf den folgenden Ergebnissen: E E
•"ti-lw-'"'•»} ^-5TSiß^{S(^_^,^, S{to)
\ S{U)
= e
-S{T-U)
( SAt
(e^^*iV(di)-e»^*7V(d2))
, o | l = e-^(^-*^)(e^^*iV(di)- e«^*Ar(d2)),
m i t dl /2 : = •
aVÄt (S-u±^a^)At '^"' '•= ^vTt
•
Die Menge der fairen Vertragskombinationen {g^^u"") mit beschränkter Direktüberschussbeteiligung lässt sich beschreiben als Lösung der Gleichung M-l i=0 1 _
p(9-S)T
N{di)-e^''-^^^'N{d2)
= N{di)-e^9-^^^'N{d2)
- 1 + e^9-5)At
Diese Beziehung zwischen g und u kann wie folgt interpretiert werden: Ist e^ der Basispreis einer Put-Option mit Restlaufzeit At^ so ist e^ der Basispreis einer sonst identischen Call-Option, so dass die beiden Optionswerte übereinstimmen. Hieraus folgt unmittelbar, dass u = g — 5 eine Lösung darstellt. Für g < 8 folgt aus der Put-Call-Parität, dass u> g gilt. Allgemein berechnet sich u{g) als Lösung des obigen Nullstellenproblems, wobei u streng monoton fallend in g ist. 2.2 Überschussbeteiligung bei periodischer Prämienzahlung Abschließend soll die Situation bei periodischer Sparleistung betrachtet werden. Seien hierzu wiederum {0 = to < ti < • • • < IM = T} mit At = ti^i — ti Vi = 0, • • • , M — 1 eine vorgegebene Diskretisierung der Zeitachse und TT die periodische Sparleistung zum Zeitpunkt t^, i = 0, • • • , M—1. Wiederum kann zwischen einer Schlussüberschussbeteiligung und einer Direktüberschussbeteiligung unterschieden werden. Mittels der periodischen Sparleistung können zu jedem Zeitpunkt Fondsanteile erworben werden. Sei a G [0,1[ wie zuvor der Investitionsanteil, so werden -^rfr Fondsanteile zum Zeitpunkt ti erworben. Der Wert des Portfolios zum Zeitpunkt tM =T ist somit gleich:
534
Klaus Sandmann M-l :-7r
^
.=0
^(**)'
wobei zum Zeitpunkt IM-I die letzte Sparleistung erfolgt. Die Auszahlung eines Fondssparvertrages mit proportionaler Überschussbeteiligung und garantierter Zinsrate g bei periodischer konstanter Sparleistung ist nun bestimmt durch: M-l
C
M-l
^(l-a).7r.e^-(^-*^)+a.maxi7r. E M-l
fM-1
^.rp^
i=0
l i=0
^^^')
^.rps
M-l
ITH'^ E
^
^"'^"^"'^^
M-l
^
i=0
)
Diese Gleichung lässt sich vereinfachen durch M-l
M-l
i=0
i=0
. _
_g.rp
Weiter ist der Barwert der eingezahlten Sparprämien gleich M-l
E-
e
'''^=7r-
\-e
S'T
i=0
Die Bestimmung der Fairen Prämie dieses Vertrages führt auf die Bewertung so genannter Asiatischer Optionen. Selbst unter den Annahmen des BlackScholes Models erweist sich die Bewertung Asiatischer Optionen als aufwändiges numerisches Problem. Gute Bewertungsschranken lassen sich aus den Arbeiten von Curran (1994) und Rogers und Shi (1995) ableiten. Die exakte Lösung der dortigen Integralgleichungen und eine Diskussion der verschiedenen Ansätze findet sich bei Nielsen und Sandmann (2003). Ohne deren Bewertung im Einzelnen zu untersuchen, gibt die folgende Abschätzung einen Hinweis auf die qualitativen Effekte.
- {!' l i - I ' — .o) . I'.axjig - ..-.).«} . Für den Barwert der Auszahlung gilt dann unter den Annahmen des BlackScholes Modells: H
".»rgf|-g.-..>o|
M-l
sE«[-«{|g-'(^-*^) •iV(d2(i))) M-l i=0
Mit diesen Vorüberlegungen lässt sich der Proportionalitätsfaktor a eines fairen Vertrages mit periodischer Prämienzahlung abschätzen durch M-l
^ - 1 Q^rp^
M-l
M-l
^
max ' ^ i=0
a(sf) =
H max{E.^-^|gl-Ei^ö^e.-(-*^),0}] >M-i
^5.t, _ jg-syr
v-M-i
^^.t,
N{di)-e(9-5)'T]sr(^d2)' wobei dl/2 •— ^1/2(0) = J^ - Diese grobe Abschätzung des Optionswertes lässt vermuten, dass bei einer periodischen Prämie der faire fondsgebundene Vertrag bei gleicher Mindestgarantie g einen höheren Proportionalitätsfaktor besitzt als der sonst identische Vertrag mit einmaliger Prämie in Höhe des Barwertes der Summe der periodischen Prämien. Insbesondere gilt dies auch für den Vergleich zur Direktüberschussbeteiligung.
3 Fondsgebundene Kapitallebensversicherung mit Mindestgarantie Die Grundidee dieses Versicherungsvertrages besteht in der nicht-linearen Kombination einer Kapitallebensversicherung und einer Investitionsstrategie. Zur Vereinfachung wird zunächst ein Versicherungsvertrag mit einmali-
536
Klaus Sandmann
ger Prämienzahlung zu Vertragsbeginn betrachtet.^ Die Vertragseigenschaften werden durch die folgenden Größen festgelegt: n = einmalige, zu Vertragsbeginn zu zahlende Prämie 6 = konforme (logarithmierte) Zinsrate, d.h., es wird zur Vereinfachung von einer flachen und deterministischen Zinsstruktur ausgegangen S(t) = Wert des Fonds zum Zeitpunkt t T = Vertragsende der fondsgebundenen Kapitallebensversicherung g^ (t) = Dichtefunktion der Todesverteilung eines Lebens im Alter x h = Mindestgarantie im Todesfall, h>0 a = Investitionsanteil der Prämie, a G [0,1] Zu Vertragsbeginn leistet der Versicherungsnehmer die Gesamtprämie 77. Der Betrag a • 77 wird genutzt zum Erwerb von Investitionsanteilen. Ist der Kurswert des Fonds zum Zeitpunkt t = 0 gleich 5(0), so werden f^ Fondsanteile erworben. Der Wert dieser Fondsanteile zu jedem Zeitpunkt t ist dann gleich a ' n • ^ 1 ^ . Der Versicherungsvertrag sieht nun folgende Auszahlung des Versicherers vor: •
Stirbt der Versicherte vor Vertragsende, d. h. zu einem Zeitpunkt 0 < t < T, so ist die Auszahlung der Versicherung gleich:
ma^U,«-iT.M,ol=;i+^". .,o] = h. -^(*) •""•m-^
Überlebt der Versicherte das Vertragsende, so ist die Auszahlung der Versicherung zum Zeitpunkt T gleich: /i, ,aa• - i 7 - | | } } = /^+^" - ^^^^ m a :< xU "•^•5(öy-'^.
In beiden Fällen entspricht die Auszahlung dem Maximum zwischen der garantierten Summe h und dem Fondsvermögen zu diesem Zeitpunkt. Zur Berechnung der Prämie einer fondsgebundenen Lebensversicherung wird angenommen, dass das Todesfallrisiko und das Fondsänderungsrisiko unabhängig voneinander sind. Unter dieser Annahme ist die Faire Prämie 77* einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung mit Mindestgarantie und einmaliger Prämienzahlung zu Vertragsbeginn bestimmt als Lösung der folgenden Gleichung: 0 = 77* -
/ (exp{-J -u} 'h^ call[u, a • 77*, h]) • gx{u)du Jo - {exp{-5 'T}'h + call[T, a • IT*, /i]) • (1 - G?^(T)).
^ Diese Vertragssituation eines fondsgebundenen Lebensversicherungvertrages wurde erstmals von Brennan und Schwarz (1976) untersucht. Während Brennan und Schwarz zu einem festen Investitionsbetrag und einer vorgegebenen Versicherungssumme die Prämie im Rahmen des Black-Scholes Modells berechnen, wird hier die fairen Prämie im Fall eines endogenen Investitionsanteils betrachtet.
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
537
Hierbei bezeichnet call[u,a • i7*,/i] den Preis (Barwert) der Auszahlung a • il* • ^tef — h\ zum Zeitpunkt u und Gx{t) = /Q gx{u)du die Todesverteilung eines Lebens im Alter x. Die Lösung dieser Gleichung der Fairen Prämie wird wesentlich beeinflusst von den Eigenschaften der Bewertung einer Call-Option, Zur Charakterisierung der Lösung dieses Vertrages ist es sinnvoll, zunächst die beiden Extremsituationen zu betrachten. Wird von einer reinen Kapitallebensversicherung ausgegangen, so entspricht dies einem Investitionsanteil in der Höhe Null, d. h. a = 0. In diesem Fall ist call[u^ 0, h] = 0, d. h. die Faire Prämie ist gleich der einer reinen Kapitallebensversicherung, 77*(a = 0) -
/
(exp{-5 'u}'h)
- gx{u)du + e x p { - ^ • T} • /i • (1 -
Gx{T)).
Darüber hinaus ist dies eine untere Schranke für die Faire Prämie bei a > 0, d.h., i7*(0) n — exp{—S - u} -h. Für h > 0 bedeutet dies: / (exp{—5 ' u} ' h-\- call[u, a • 77*, /i]) • gx{u)du Jo + {exp{-5 • T} • ^ + call[T, a • n"", h]) • (1 - Gx{T))
> [ n'gx{u)du^n'{i-Gx{T)) = n, Jo
d. h. in dieser Situation existiert keine Faire Prämie. Ist hingegen h = 0, so wird keine Garantieleistung gewährt, d. h. es handelt sich nur um einen Fondssparvertrag. In diesem Fall ist bei a = 1 jede Prämie eine Faire Prämie. Mit diesen Vorbemerkungen, die nicht von der Modellierung des Fondsänderungsrisikos abhängen, kann nun die Situation einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung betrachtet werden. Für einen Investitionsanteil a G]0, 1[, gilt es, die Lösung der Ausgangsgleichung 0 = i7* — / (exp{—(5' u} ' h -\- call[u, a • 77*, h]) • gx{u)du Jo - (exp{-5 • T} • /i -f- call[T, a • TT*, /i]) • (1 - Gx{T)) zu bestimmen und deren Eigenschaften zu charakterisieren. Wird nun h > 0 angenommen, so ist offensichtlich, dass die garantierte Versicherungssumme
538
Klaus Sandmann
h proportional zur Versicherungsprämie 77 sein muss. Weiter legt die Homogenität des Optionspreises es nahe, die Steigung der garantierten Versicherungssumme wiederum proportional zum Investitionsanteil a zu setzen, d. h. es bietet sich folgende Substitution an: h = ß%a)'n,
ß%a{b)) = a{b)'b.
Anders formuliert bedeutet dies: Für einen gegebenen Wert des Parameters b ist die Faire Prämie der fondsgebundenen Kapitallebensversicherung mit Mindestgarantie h und Investitionsanteil a{b) gleich h a{b)'b' Die verbleibende Aufgabe besteht darin, die Funktion a{b) zu berechnen. Wird die Substitution in die Bestimmungsgleichung eingesetzt und die Homogenität der Optionspreise ausgenutzt, so ergibt sich für den Investitionsanteil a{b) in Abhängigkeit von b : a{b)=
^
Riby T
R{b) := / (exp{—^ - u} -b-h call[u, 1,6]) • gx{u)du Jo + (exp{-(5 • T} • 6 + call[T, 1, b]) • (1 - G:,{T)). Da die Funktion R: [0, o o [ ^ R streng monoton wachsend und konvex ist mit \\iah-^oR{b) = 1 und lim^-^oo ^(^) = oo ist die Funktion a : [0, oc[—> [0,1] streng monoton fallend und konvex mit lim a{b) = 1 und 6—»0
lim a{b) = 0. 6—»-oo
Weiter gilt da{b) ' b _ d__b_ _ R{b) - b • g § ^ db ~ dbR{b)~ R^{b) Da der Call-Preis monoton fallend im Basispreis ist, gilt dR{b) d. h. die Funktion a{b) - b ist monoton wachsend in b. Für die Faire Prämie bedeutet dies, dass
als Funktion von a streng monoton wächst. Weiter lässt sich zeigen, dass die Funktion a{b) - b streng konkav in b ist. Hierzu ist es notwendig die zweite Ableitung zu betrachten, d. h.
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen d^a{b) -b Ö62
d^
539
b
962 ^(6)
i?3(6)
^^
^ 0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
0
100
200
300
400
500
600
700
900
Abb. 3. /5* als Funktion des Investi- Abb. 4. Garantierte Summe h als Funktionsanteils a. tion des Investitionsanteils OL. Die Schritte 1 bis 4 lassen sich auch mittels Tabelle 3 verdeutlichen. Wie zuvor besteht der eigentliche Rechenschritt in der Berechnung der Funktion des Investitionsanteils af(6). Tabelle 3 gibt schon die Umkehrabbildung wieder, d.h. die Funktion 6(a). Ebenso wird der in Abb. 5 dargestellte Zusammenhang zwischen dem Investitionsbetrag und dem Versicherungsbetrag in Abhängigkeit des Investitionsanteils berechnet. Eine andere Darstellung der Ergebnisse wird in Tabelle 4 gegeben. Hier zeigt sich die Abhängigkeit der Prämie vom Alter des Versicherungsnehmers und der Vertragslaufzeit. Wird im Unterschied zu der einmaligen Prämie eine periodische Prämie betrachtet, so ändert sich an der grundsätzlichen Lösungsüberlegung nichts. Aufgrund der periodischen Prämienzahlung erhält das Fondsvermögen jedoch eine veränderte Darstellung. Seien {0 = to < ti < • • • < t^v-i} die Zeitpunkte der periodisch zu zahlenden Prämie TT. Das Vertragsende sei gleich tiv = T. Werden zu jedem Zahlungstermin der periodischen Prämie wiederum Fondsanteile im Wert von ot • TT hinzugekauft, so ist das Fondsvermögen zu einem Zeitpunkt t G [0, T] gleich
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
543
Praemie einer Fondgebundenen Kapitallebensversichemng mit Mindestgarantie 1
1
T
•
J
•
•
1
'
•T
570 520
-
/h
470 420 370 CO
1
Gesamtpraemie
320
^y^
o
2 Q.
\
270 Praemie bei a=0
220
y"'
170 120 70 Investitionsbetrag 20 ^-- -""' 01
,
0.2
,
0.3
,
1
0.4
1
1
0.5 0.6 Investitionsanteil (a)
0.7
,
_i
0.8
0.
Abb. 5. Faire Prämie als Funktion des Investitionsanteils a. Tabelle 3. Berechnung der Fairen Prämie für ein Leben im Alter x = 30 Jahre einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung mit Laufzeit 30 Jahre, monatlicher Auszahlung, 6 = 0.06 und Mindestgarantie 1000 € . a
h
oo 0,0 0,05 101,2969881 0,17 29,12740194 0,25 19,23495839 0,37 12,18596027 0,45 9,457503674 0,57 6,661155804 0,65 5,280739311 3,605630334 0,77 0,85 2,628700197 0,97 1,061079957
/?* = a • 6
TT _ 1000 11 — ß*
0,0 5,064849405 4,95165833 4,808739598 4,508805301 4,255876653 3,796858808 3,432480552 2,776335358 2,234395167 1,029247559
197,0042805 197,4392366 201,9525446 207,9546999 221,7882417 234,9692159 263,3756088 291,3344984 360,1870348 447,5484081 971,5835532
a-n
(1 - a ) • 77
0,0 9,871961829 34,33193259 51,98867498 82,06164944 105,7361471 150,124097 189,367424 277,3440168 380,4161468 942,4360466
197,0042805 187,5672748 167,6206121 155,9660249 139,7265923 129,2330687 113,2515118 101,9670744 82,843018 67,13226121 29,1475066
n*{t)
P{t):=a^7r-
Yl S{t)
i=0
s{uy
wobei n*{t) := max{z G ¥l\ti < t}. Die Auszahlung der fondsgebundenen Kapitallebensversicherung mit Mindestgarantie und periodischer Prämie ist dann bestimmt durch:
544
Klaus Sandmann
Tabelle 4. Faire Prämie (einmalige Zahlung) einer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung mit Mindestgarantie 1000 € , Volatilität a = 0,25, 6 = 0.06 bei unterschiedlichem Investitionsanteil. Laufzeit a
ALTER
12
18
25
30
0 0 0 0.1 0.1 0.1 0.3 0.3 0.3 0.5 0.5 0.5 0.7 0.7 0.7 0.9 0.9 0.9
25 30 35 25 30 35 25 30 35 25 30 35 25 30 35 25 30 35
500.11 501.24 503.07 500.27 501.44 503.34 508.92 510.11 512.03 542.97 544.21 546.22 629.24 630.53 632.63 917.51 918.63 920.43
356.80 359.32 363.39 357.42 360.01 364.19 370.15 372.80 377.10 407.15 410.07 414.73 492.38 495.69 500.98 775.18 778.86 784.82
244.51 249.35 257.12 245.72 250.63 258.56 259.72 264.99 273.35 294.06 299.97 309.34 369.43 376.53 387.76 622.12 631.79 646.89
190.01 197.00 208.08 191.53 198.64 209.92 205.29 212.96 225.07 236.52 245.31 259.06 303.86 314.75 331.60 532.04 548.16 572.44
Stirbt der Versicherte vor Vertragsende, d. h. zu einem Zeitpunkt 0 < ^ < T, so ist die Auszahlung der Versicherung gleich: n*{t)
max
2*(t)
S{t) S{U)
/^'«•-EöM ='^+ i=0
a-TT'
J2 i=0
s{t) -h
S{ti)
Überlebt der Versicherte das Vertragsende, so ist die Auszahlung der Versicherung zum Zeitpunkt T gleich: N
max
.''"•'•Si3}
h+
a - T T - ^
i=0
S{T) S{ti)
Im Unterschied zur Situation bei einmaliger Prämie zu Vertragsbeginn muss nun der Wert einer Option bzgl. der durchschnittlichen Kurssteigerung bestimmt werden. Dieser Optionstyp ist eng mit so genannten Asiatischen Optionen verbunden. Eine einfache und geschlossene Lösung existiert nicht, d. h. es müssen Näherungslösungen verwendet werden. Die Faire Prämie TT* bei periodischer Prämienzahlung ist dann als Lösung der folgenden Gleichung bestimmt:
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
-
/ (exp{-5 -u] 'h^ Jo
545
callasian[u, a • TT*, /i]) • gx{u)du
- (exp{-(5 • T} • /i + callasian[T, a • TT*, Ji]) • (1 -
Gx{T)).
Hierbei bezeichnet callasian[^iOL • TT*, /i] den Preis (Barwert) der Auszahlung
Aus qualitativer Sicht zeigt sich wiederum, dass die periodische Prämie sich monoton und konvex im Investitionsanteil verhält.^ Darüber hinaus zeigt sich, dass die periodische Prämie dieses, von der durchschnittlichen Wertentwicklung des Fonds abhängigen, Vertrages geringer ist, als diejenige eines vergleichbaren Vertrages mit einmaliger Prämie. Diese Beobachtung ist für sich genommen noch nicht überraschend. Begründet ist dies in dem geringeren Risiko der durchschnittlichen Fondsentwicklung. Aus dieser Beobachtung ergibt sich jedoch auch unmittelbar, dass ein fondsgebundener Versicherungsvertrag bei periodischer Prämienzahlung und einer periodischen Überschussbeteiligung ein höheres Risiko für den Versicherungsgeber darstellt. Insofern führt ein derartiger Vertrag auch zu einer höheren Prämienbelastung. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion zur privaten Altersvorsorge ist diese Beobachtung von Bedeutung. Die derzeitige Vertragspraxis setzt eine periodische Überschussbeteiligung voraus. Begründet wird dies mit dem finanziellen Sicherungsbedürfnis des Versicherungsnehmers und einer vertragsorientierten und verursachungsgerechten Zuteilung der Überschüsse. Im Hinblick auf die private Altersvorsorge führt dies jedoch zu einer erheblichen finanziellen Belastung während der Erwerbstätigkeit, die den Erfolg sowohl aus gesellschaftlicher wie auch aus unternehmerischer Sicht beeinträchtigt. Dem Sicherungsbedürfnis des Versicherungsnehmers, wie auch der Verursachungsgerechtigkeit der Überschussbeteiligung trägt auch eine finanzielle Garantie hinsichtlich der durchschnittlichen Fondsentwicklung mit einer Schlussüberschussbeteiligung Rechnung.
^ Eine detaillierte Untersuchung zu dieser Vertragssituation unter Einschluss des Zinsänderungsrisikos findet sich in Nielsen und Sandmann (2002). Dort wird auch eine Näherungslösung für die finanzeilen Garantien hergeleitet, die es auch für lange Vertragslaufzeiten erlaubt, gute Abschätzungen anzugeben. Ebenso wird die Monotonie und Konvexität der periodischen Prämie nachgewiesen.
546
Klaus Sandmann
4 Erweiterung: Fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherung Der Ausgangspunkt der Überlegungen zu einer Lebens- und Rentenversicherung unterscheidet sich nicht grundlegend von der bisherigen Vertragsstruktur. Die Grundstruktur des Vertrages entspricht dem einer Rentenversicherung, d. h. der Versicherungsnehmer zahlt bis zum Laufzeitende T der Lebensversicherungsperiode eine zu Vertragsbeginn festgelegte periodische Prämie. Wie im Fall einer Risikolebensversicherung erhalten die Erben des Versicherungsnehmers bei seinem Tod vor dem Zeitpunkt T eine feste garantierte Summe. Überlebt der Versicherungsnehmer den Zeitpunkt T, so zahlt der Versicherungsgeber eine bei Vertragsbeginn festgelegte periodische Rente bis zum Tod des Versicherungsnehmers. Über diese Grundstruktur hinaus wird ein Anteil der periodischen Prämie des Versicherungsnehmers zum Aufbau eines Fondsvermögens verwendet. Ziel dieses Fondsvermögens ist es, eine über die garantierten Leistung hinausgehende Versicherungsleistung zu ermöglichen. Wird mit t^ = T der Verrentungszeitpunkt bezeichnet, so erhält der Versicherungsgeber zu jedem Zeitpunkt ti ^ T_ := {fd = IQ < ti < • • • < tiv-i}, tjsf-i T einen Zusatzbetrag, der von dem Fondsvermögen zum Zeitpunkt T abhängt. Die über den Zeitpunkt T hinausgehende Wertentwicklung des Fonds beeinflusst die Rentenzahlung nicht mehr. Anschaulich löst der Versicherungsgeber zum Zeitpunkt T das Fondsvermögen auf und dividiert den Betrag durch die Anzahl der erwarteten Rentenzahlungen L. Übersteigt dieser Betrag die garantierte Rentenzahlung, so erhält der Versicherungsnehmer eine Zusatzzahlung, andernfalls ist die Rentenzahlung durch den garantierten Betrag bestimmt. Zusätzlich werden die Rentenzahlungen mit dem risikolosen Zinssatz aufgezinst. Wird mit q{t) die Höhe der garantierten Rentenzahlung bezeichnet und gibt {r{t)}t den stochastischen Prozess des kurzfristigen Zinssatzes an, so ist die Höhe der Rentenzahlung zu jedem Zeitpunkt tj ,j>N bestimmt durch
Q{tj)-q{tj)^rj2
^.p{T,a,K)-q{tj)
wobei der (stochastische) Aufzinsungsfaktor ßt^r von Zeitpunkt t auf den Zeitpunkt T > t definiert ist durch /?t,r •= exp {f^ r{u)du} .^ Der Wert L gibt hierbei die erwartete Anzahl der verbleibenden Rentenperioden an u n d bestimmt sich somit aus der Todesverteilung. Die Konstante 772 € [0,1] stellt die R a t e der Überschussbeteiligung während der Rentenperiode dar. Die garantierte Rentenzahlung übernimmt die Funktion einer unteren Absicherung der Rentenhöhe. Zusätzlich zu der Rentenzahlung verbleibt die Zahlung Gp{') im Fall des Todes während der Rentenperiode zu klären. Unter dem Verrentungsverfahren I wird angenommen, dass der Versicherungsnehmer eine Garantie bezüglich der gesamten Rentenzahlung übernommen hat, d. h. in diesem Fall die Leist u n g bestimmt ist durch n*{t)
Gp{t):=r}s
\/t>T
= tN.
j=N
Der Parameter 773 G [0,1] stellt die R a t e der Überschussbeteiligung im Todesfall während der Rentenphase dar. Die Situation einer KapitallebensversicheMit Blick auf die Darstellung der Auszahlungen ist die Einführung eines stochastischen Zinsstrukturmodells nicht weiter problematisch. Hinsichtlich der Bewertung und der Bestimmung eines Fairen Vertrages ergeben sich jedoch weitgehende Konsequenzen. Ein erster Ansatz wäre beispielsweise die Verwendung der zeitstetigen Fassung des Ho-Lee Modells, vgl. hierzu z.B. Wilhelm (1999).
548
Klaus Sandmann
rung mit garantierter Versicherungssumme gi{t) und garantierter Rentenzahlung q{t) ist durch einen Investitionsanteil a gleich Null gegeben. Abbildung 6 gibt eine grafische Darstellung der unterschiedlichen Zahlungen und Zahlungszeitpunkte wieder.
überleben
m[9pitN+i)-Ef^^Q{tj)] Tod
*iV+l -h
Überleben V3\9PitN)-Ej=NQitj)\
Tod tjV
überleben Tod
il-a)-K{tN-i)
G(t):=5rj(t)+r7i[aEil"^'i^(ti)^-^/(*)]'^
K{tN-i)
*iV-l
= Prämie
a'K{tN-i) Fonds
Überleben
G(t):=gi(t)+m[c^j:Lo^(ti)mh-^'^^^r Tod
(l-a).X(ti) tl
+
K{ti) = Prämie
a'K{ti) Überleben
G(t) := 91 (t) + r/i [ a K ( t o ) ^ - gj{t)] ^ Tod
(l-a).K(to)
to +
K(to) = Prämie
a • K{to) Fonds
Abb. 6. Zahlungszeitpunkte und Zahlungen einer fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherung Eine weitere Möglichkeit der Definition der verschiedenen Zahlungen besteht darin, diese von der Wertentwicklung des Fonds auch über den Zeitpunkt T hinaus abhängen zu lassen (Verrentungsverfahrens II). Zum Zeitpunkt T ist die Anzahl der Fondsanteile gleich
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
549
Ohne eine darüber hinausgehende Versicherung könnte die Rentenhöhe in Übereinstimmung mit den vorherigen Überlegungen durch den Verkauf von j^ Portfolioanteilen zu jedem Zeitpunkt tj > T finanziert werden. Unter dem Verrentungsverfahren II wird nun eine finanzielle Sicherung dieses Betrages geboten, d. h. die periodische Rentenzahlung ist definiert durch:
-P{tj,a,K)-q{tj)
Q{tj):=q{tj)-h
\/tj =
t]S[,...,t]S[^L->
Qitj) := q{tj) wobei L wie zuvor definiert ist. Im Unterschied zum Verrentungsverfahren I ist die periodische Rentenzahlung nun abhängig von der Wertentwicklung des Fonds auch über den Zeitpunkt T hinaus. Darüber hinaus bietet es sich nun an, die Todesfallzahlung während der Rentenphase nicht mehr durch eine absolute Summe zu begrenzen, sondern an den verbleibenden Wert des Portfolios zu knüpfen, d. h. Gp{t):=7^^^P{t,a,K)
L + Ar-l-n*(t)1 +
\/t>T.
Im einfachsten Fall sind die verschiedenen garantierten Beträge vertraglich durch konstante Größen gegeben. Dies stellt jedoch nicht den einzigen interessanten Fall dar. Ein Beispiel für eine Zeitpunkt abhängige Definition der verschiedenen Garantiewerte ist: n*(t)
9l{^) ''= Y. ^^P{^i • (^ - ^^)> 'ßi'^'K
\/t G]0,T[,
i=0
q{t) := exp{62 • t} • /32 • a • X
Vt > T,
L-N
gp{t) := ^
q{U)
\/t > T,
i=N
wobei K > 0 die konstante periodische Prämie des Versicherungsnehmers angibt, ßi und /?2 nicht-negative Konstanten sind und ^i > 0 und ^2 > 0 garantierte interne Zinsraten darstellen. Ein wesentlicher Nachteil einer konstanten oder zeitabhängigen Definition der Garantieleistungen ist ihre Unabhängigkeit von der Inflationsrate. Mit Blick auf die Laufzeit der Verträge wird somit dem Sicherungsbedürfnis des Versicherungsnehmers nicht Genüge getan, d. h. eine vollständige Sicherung des Alterseinkommen durch derartige Verträge erscheint fraglich. Ein möglicher Ansatz dieses Problem zu berücksichtigen, besteht in der Einbeziehung der stochastischen Zinsrate. In diesem Fall werden die garantierten Beträge in Form des Barwertes zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses angegeben. Die Auszahlung ist insofern gleich dem aufgezinsten Betrag. Z. B. würde dies durch die folgende Festlegung erreicht:
550
Klaus Sandmann gi{t) := exp | / r{u)du\ g(0 :=expl
• gj = ßo,t • Qi
I r{u)du 1 • g - /3o,f ?
pp(t) :=: exp T, Vt > T,
wobei gi^gp und g positive Konstanten darstellen.
5 Schlussbetrachtung Ein fondsgebundener Versicherungsvertrag verbindet versicherungtechnische und Marktrisiken. Während das versicherungstechnische Risiko durch den Ausgleich im Kollektiv und den Ausgleich in der Zeit begrenzt wird, beruht die Begrenzung des Marktrisikos auf der Handelbarkeit. Aus der Übernahme derartiger Risiken folgt für das Versicherungsunternehmen die Notwendigkeit, die finanziellen Risiken durch aktive Handelsstrategien am Finanzmarkt zu begrenzen. Eine ausschließliche Diversifikation ist nicht ausreichend. Die Bewertung des Gesamtvertrages beruht auf einer Verbindung eines versicherungstechnischen Prämienprinzipes mit der Bewertung unter Ausschluss von Arbitrage. Wird im Fall der Lebensversicherung das Äquivalenzprinzip angewendet, so wird hiermit eine lineare Bewertungsregel angenommen. Ebenso handelt es sich bei der Bewertung unter Ausschluss von Arbitrage um eine Hneare Bewertungsregel. Diese Eigenschaften bleiben bei der Betrachtung der Fairen Prämie erhalten. Die Einführung von Mindestgarantien hat jedoch zur Folge, dass der Gesamtvertrag nicht in zwei getrennte Vertragswerke zerlegt werden kann. Insofern steuert das versicherungstechnische Risiko den Auszahlungszeitpunkt und das Markrisiko die Auszahlungshöhe. Ein wesentlicher Schwerpunkt der bisherigen Forschung ist die vertragsorientierte Analyse, wie sie sich in den Arbeiten von Aase und Persson (1993), Bacinello und Ortu (1994) sowie Nielsen und Sandmann (1996, 2002) findet. Im Zentrum steht hier die Prämienbestimmung spezieller Versicherungsvertäge in einen zunehmend allgemeineren Modell des Finanzmarktes. Die wichtige Frage der Risikobegrenzung wird in diesen Arbeiten nicht gestellt. Miltersen und Persson (2003) unternehmen einen Schritt in diese Richtung und untersuchen die Entwicklung der Risikoreserve eines Versicherungsgebers. Ihre Untersuchung befasst sich jedoch nicht mit der Finanzmarktstrategie des Versicherungsgebers, einer Fragestellung wie sie beispielsweise Hipp und Plum (2000) aufwerfen. Mit der Verabschiedung der Rentenreform erhält die private Altersvorsorge eine deutlich stärkere Bedeutung. Insbesondere durch fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen werden Todesfall-, Langlebigkeits- und Finanzmarktrisiken explizit miteinander verbunden. Die Ausführungen zu
Überschussbeteiligung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen
551
den verschiedenen Überschussbeteihgungen betreffen jedoch nur einen Aspekt der gesamten Fragestellung. Aus einer übergeordneten Perspektive muss ein Rentenversicherungssystem als ein komplexes dynamischen System verstanden werden. Neben den angesprochenen Risiken wirkt die Regulierung der Vermögensanlagen auf die Stabilität dieses Systems. Die Steuerungsmechanismen, die dem Versicherungsgeber zur Verfügung stehen, sind einerseits durch die Prämien- und Leistungsgestaltung gegeben. Andererseits ermöglichen die Struktur des Anlagevermögens und der Risikoausgleich innerhalb einer Risikoklasse eine Begrenzung der finanziellen Risiken. Insbesondere der Risikoausgleich innerhalb einer Risikoklasse sollte hierbei als ein wichtiges Instrument der Begrenzung der finanziellen Risiken verstanden werden. Die Ausgestaltung der Überschussbeteiligung hat hierbei eine wichtige Funktion.
Literaturverzeichnis 1. Aase, K. K. und Persson, S. (1994): Pricing of Unit-Linked Life Insurance Policies; Scandinavian Actuarial Journal, 26-52. 2. Bacinello, A. R. und Ortu, F. (1993): Pricing Equity-Linked Life Insurance with Endogenous Minimum Guarantees; Insurance, Mathematics and Economics 12, 245-257. 3. Brennan, M. J. und Schwartz, E. (1976a): The Pricing of Equity-Linked Life Insurance Policies with an Asset Value Guarantee; Journal of Financial Economics, 3, 195-213. 4. Brennan, M. J. und Schwartz, E. (1976b): Pricing and Investement Strategies for Equity Linked Life Insurance; Huebner Foundation Monograph 7, Wartoon School, University of Pennsylvania, Phildelphia. 5. Bühlman, H. (1996): Mathematical Methods in Risk Theory; Springer: Heidelberg. 6. Curran, M.: (1994): Valuing Asian and Portfolio Options by Conditioning on the Geometrie Mean Price; Management Science, 40(12), 1705-1711. 7. Ekern, S. und Persson, S.-A. (1996): Exotic Unit-Linked Life Insurance Contracts; The Geneva Papers on Risk and Insurance Theory, 21, 35-63. 8. Gerber, H. U. (1995): Life Insurance Mathematics; Springer: Heidelberg. 9. Harrison, J. M. und Kreps, D. M. (1979): Martingales and Arbitrage in Multiperiod Securities Markets; Journal of Economic Theory, 20, 381-408. 10. Harrison, J. M. und Pliska, S. R. (1981): Martingales and Stochastic Integrals in the Theory of Continuous Trading; Stochastic Processes and their Applications, 11, 215-260. 11. Harrison, J. M. und Pliska, S. R. (1983): A Stochastic Calculus Model of Continuous Trading: Complete Markets; Stochastic Processes and their Applications, 15, 313-316. 12. Hipp, C. und Plum, M. (2000): Optimal investment for insurers; Insurance, Mathematics and Economics, 27, 215-228. 13. Hüll, J. C. (2003): Options, Futures, and other Derivatives, Prentice-Hall, New York. 14. Miltersen, K. und Persson, S.-A. (2003): Guaranteed Investment Contracts: Distributed and Undistributed Excess Return; Scandinavian Actuarial Journal.
552
Klaus Sandmann
15. Nielsen, J. A. und Sandmann, K. (1996): Uniqueness of the Fair Premium for Equity-Linked Life Contracts; The Geneva Papers on Risk and Insurance Theory, 21, 65-102. 16. Nielsen, J. A. und Sandmann, K. (2002): The Fair Premium of an Equity Linked Life and Pension Insurance, in P. Schönbucher and K. Sandmann (eds.): Advances in Finance and Stochastics: Essays in Honor of Dieter Sondermann, Springer Verlag, Heidelberg. 17. Nielsen, J. A. und Sandmann, K. (2003): Pricing Bounds on Asian Options; Journal of Financial and Quantitative Analysis, 38(2), 449-473. 18. Rogers, L. und Shi, Z. (1995): The Value of an Asian Option; Journal of Applied Probability, 32, 1077-1088. 19. Steiner, J. und Wilhelm, J. (1998): Hypothekenversicherung versus Bankhypothek zur Finanzierung privat genutzten Wohneigentums; Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 68, 49-70. 20. Wilhelm, J. (1981): Zum Verhältnis von Capital Asset Pricing Model, Arbitrage Pricing Theory und Bedingungen der Arbitragefreiheit von Finanzmärkten; Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 33, 891-905. 21. Wilhelm, J. (1983): Marktwertmaximierung - Ein didaktisch einfacher Zugang zu einem Grundlagenproblem der Investitions- und Finanzierungstheorie; Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 53, 516-534. 22. Wilhelm, J. (1985): Arbitrage Theory; Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems, Springer Verlag, Berlin et al. 23. Wilhelm, J. (1999): A fresh view on the Ho-Lee model of the term structure from a stochastic discounting perspective - Eine Neubetrachtung des Ho-LeeModells der Zinsstruktur aus Sicht des stochastischen Diskontierens; Kürsten, W. / Wilhelm, J. (Hrsg.): Finance and Banking, Sonderheft CR Spektrum, Springer-Verlag 1999, Vol. 21, 9-34.
Anhang
Kurzlebensläufe der Autoren
Prof. Dr. Günter Bamberg Jg. 1940, studierte von 1960 bis 1966 Mathematik an den Universitäten Saarbrücken und Bonn. 1968 promovierte er an der Universität Saarbrücken mit einer Arbeit über Spieltheorie. Von 1966 bis 1970 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Karlsruhe tätig, zunächst zwei Jahre an der mathematischen Fakultät. Zwei weitere Jahre arbeitete er an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, wo er sich 1970 auch für Statistik und Ökonometrie habilitierte. Seit 1970 ist Günter Bamberg Inhaber des Lehrstuhls für Statistik der Universität Augsburg. Rufe an die Universitäten Osnabrück und Heidelberg lehnte er ab. In den Jahren 1983 bis 1999 war er Mitherausgeber der „Statistical Papers", seit dem Jahr 2000 gibt er das „Operations Research Spectrum" mit heraus. Günter Bambergs derzeitige Forschungsschwerpunkte sind Statistik, Operations Research, Entscheidungstheorie, Quantitative Managementansätze, Kapitalmarkttheorie. Dipl.-Kfm. Reno Basner wurde 1979 in Anklam geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er seit dem SS'99 an der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald Betriebswirtschaftslehre. Ab dem WS '99/00 arbeitete er als studentischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Personalökonomie und später in der gleichen Funktion am Lehrstuhl für Controlling. Mit Ablegen des Diploms wechselte Herr Basner im WS'02/03 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Lehrstuhl für Finanzierung und Investition der TU Berlin bei Prof. Dr. Hirth. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kapitalmarktgleichgewichte auf unvollkommenen Märkten und nationalökonomische Fragestellungen. Prof. Dr. Thomas Braun 1960 geboren in Bad Homburg v.d.H., 1978 Abitur daselbst, 1981-1985 Studium der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre mit Abschluss als Dipl.-Kfm. in Frankfurt a.M., 1986-1990 wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Jochen
556
Kurzlebensläufe der Autoren
Wilhelm (1989: Promotion), 1991-1997 Mitarbeiter von Prof. Dr. Ralf Ewert an den Universitäten Tübingen und Frankfurt a.M. (1996: Habilitation), seit 1998 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insb. Finanzwirtschaft der Universität Bielefeld. P D Dr. Udo Broll studierte nach kaufmännischer Ausbildung und Berufstätigkeit Volkswirtschaftslehre. Promotion und Habilitation über außenwirtschaftliche Themen an der Universität Konstanz. Danach Lehrstuhlvertretungen in München, Bonn und Saarbrücken. Seine Lehr- und Forschungsinteressen liegen in makround mikroökonomischen Fragestellungen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, des internationalen Handels und der Risikopolitik internationaler Unternehmen. Dr. Bernhard Brunner studierte Wirtschaftsmathematik an der Universität Augsburg. Parallel dazu arbeitete er im Risikomanagement der HVB in verschiedenen Bereichen. Nach Abschluss des Studiums war er für drei Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für Finanz- und Bankwirtschaft. Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit erhielt er verschiedene Auszeichnungen, so z. B. 2003 den Best Paper Award der Swiss Society for Financial Market Research. Neben seiner Tätigkeit als Dozent war er auch an mehreren Beraterprojekten in den Bereichen Risikomanagement und Financial Engineering beteiligt. Nach seiner Promotion über markt gerechte Optionsbewertung wechselte er als Financial Engineer zu risklab germany nach München. DipL-Vw. Christiane Buch Jahrgang 1973. Ab 1995 Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Potsdam. Abschluss als Diplom-Volkswirtin 2001. Seit 2002 wissenschafthche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Technischen Universität Dresden. Prof. Dr. Rolf Bühner ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Passau. Er promovierte und habilitierte an der Universität Augsburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet strategischer Wertfragen sowie im Organisations-, Qualitäts- und Personalbereich. Auf diesen Gebieten ist er beratend tätig und arbeitet mit der Praxis zusammen. Er ist Autor namhafter Bücher und hat in führenden Fachzeitschriften zahlreiche Artikel veröffentlicht. Seine Lehr- und Forschungstätigkeiten führten ihn nach Australien, Japan und in die Vereinigten Staaten. DipL-Ing. Hans-Markus Callsen-Bracker wurde 1977 in Husum geboren. Von 1997-2003 studierte er an der TU BerUn Wirtschaftsingenieurwesen mit den Schwerpunkten Finanzierung & Investiti-
Kurzlebensläufe der Autoren
557
on sowie Nachrichtentechnik. 2000-2001 studierte er mit Unterstützung eines DAAD-Stipendiums im MBA Programm der University of Illinois in UrbanaChampaign. Zur Zeit arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Hans Hirth. Sein Forschungsschwerpunkt ist Bilanzpolitik und Kapitalmarktreaktion. Dipl.-Kfm. Axel Cunow wurde 1979 in TempUn/Uckermark geboren. Nachdem er dort im Sommer 1998 sein Abitur erworben hatte, nahm er ab Oktober ein betriebswirtschaftliches Studium an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald auf. Seit dem 3. Semester arbeitete er als Tutor für Statistik, Einführung in die BWL und Investition und Finanzierung. Im Herbst 2000 wurde er als Stipendiat in die Begabtenförderung der Stiftung der Deutschen Wirtschaft aufgenommen. Im Dezember 2001 schloss er sein Studium ab und ist seit Januar 2002 Mitarbeiter von Prof. Dr. Hirth, zunächst in Greifswald und seit Oktober 2002 an der TU-Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Kapitalmarkttheorie und Informationsökonomik. Prof. Dr. Gregor Dorfleitner Jg. 1967, 1988-1990 Studium der Elektrotechnik an der Berufsakademie Ravensburg, Dipl.-Ing. (BA); anschließend Studium der Mathematik an der Universität Augsburg, Diplom-Mathematiker 1995. Von 1996 bis 2004 Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Bamberg, 1998 Promotion zum Dr. rer. pol., 2003 Habilitation in Betriebswirtschaftslehre. Seit April 2004 ist Gregor Dorfleitner Professor für Finanzierung an der Wirtschaftsuniversität Wien. Interessensgebiete: Risiko-Management, Derivate, Statistik, empirische Kapitalmarktforschung. Prof. Dr. Harald Dyckhoff Jg. 1951, studierte nach zweijährigem Wehrdienst von 1971 bis 1978 zunächst Mathematik und Physik sowie anschließend Operations Research an der RWTH Aachen. An der FernUniversität Hagen promovierte er 1982 in Wirtschaftstheorie und habilitierte sich 1987 für Betriebswirtschaftslehre. Nach der Übernahme einer Professur an der Universität Essen erhielt er Rufe an die RWTH Aachen, die FU Berhn und die LMU München. Seit 1988 ist er Inhaber des Lehr Stuhls für Unternehmenstheorie, insbesondere Umweltökonomie und industrielles Controlling, an der RWTH Aachen (bis 1996 Industriebetriebslehre). Seine Hauptforschungsgebiete sind die Produktions- und Entscheidungstheorie, das Wertschöpfungscontrolling sowie das Performance Measurement. Dipl.-Math. Oliver Entrop ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Finanzierung und Bankbetriebslehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in Ingolstadt. Nach dem Studium der Mathematik
558
Kurzlebensläufe der Autoren
und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Göttingen war er dort bis zum Wechsel nach Ingolstadt wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Betriebswirtschaftliche Geldwirtschaft. Prof. Dr. Günter Franke geb. 1944, studierte von 1963 bis 1967 Betriebswirtschaftslehre zunächst an der Universität Hamburg, dann an der Universität des Saarlandes. Nach seiner Promotion ging er im Jahr 1971 als Visiting Associate Professor an die Pennsylvania State University. 1975 habilitierte er sich an der Universität des Saarlandes im Bereich Betriebswirtschaftslehre. Bis 1983 war er als Ordinarius für Finanzwirtschaft an der Universität Gießen tätig, seitdem ist er Ordinarius für Internationales Finanzmanagement an der Universität Konstanz. Seit 1998 leitet er das interdisziplinäre „Zentrum für Finanzen und Ökonometrie" an der Universität Konstanz. Jetzt koordiniert er die transregionale DFG-Forschergruppe „Preis-, Liquiditäts- und Kreditrisiken: Messung und Verteilung". Dipl. Kfm. Florian Haagen ist nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre seit Juni 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Kapitalmarktforschung und Finanzierung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Derzeitiges Forschungsprojekte umfassen die Finanzierungsstrukturen wagniskapitalfinanzierter Unternehmen in Deutschland sowie die Bedeutung externer Ratings für den deutschen Mittelstand. Prof. Dr. Thomas Hart mann-Wendeis wurde 1957 in Düsseldorf geboren. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Köln war er Mitarbeiter von Herrn Professor Dr. Herbert Hax am Seminar für Finanzierungslehre an der Universität zu Köln. Der Promotion 1985 über „Dividendenpolitik bei asymmetrischer Informationsverteilung" folgte 1990 die Habilitation an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Das Thema der Habilitationsschrift lautete „Rechnungslegung der Unternehmen und Kapitalmarkt aus informationsökonomischer Sicht". Noch im gleichen Jahr wurde er auf einen Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Betriebliche Finanzwirtschaft an die RWTH Aachen berufen und lehrte dort das Fach „Finanzierung und Banken". 1997 wurde er zum Prorektor für Haushaltsplanung und Finanzen der RWTH Aachen gewählt. Zum Wintersemester 1998/99 folgte er einem Ruf auf den Finanzierungslehrstuhl der Universität zu Köln, von dort wechselte er zum Wintersemester 1999/2000 auf den Bankenlehrstuhl an der gleichen Fakultät. Die Haupt arbeitsgebiete von Herrn Professor Dr. Hart mann-Wendeis sind die Neue Institutionenökonomik, die Theorie der Regulierung sowie das Risikomanagement bei Banken, insbesondere das Management von Kreditrisiken.
Kurzlebensläufe der Autoren
559
Prof. Dr. Hans Hirth wurde 1963 in Wilhelmshaven geboren. Nach einer Tätigkeit als Zeitsoldat bei der Marine studierte er in Kiel und Köln mit Abschluß als Diplom-Kaufmann und Diplom-Volkswirt. 1994 erfolgte die Promotion an der Universität Köln, 1996/97 eine Lehrstuhlvertretung an der Universität Bonn und 1999 die Habilitation an der Universität Tübingen. Anschließend folgte Professor Hirth einem Ruf an die Universität Greifswald auf eine Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Interne Unternehmensrechnung und Controlling. Einen Ruf an die Universität Stuttgart-Hohenheim auf eine Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen, lehnte er ab und nahm 2002 einen Ruf an die TU Berlin an. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Kapitalmarkttheorie und Informationsökonomik. Prof. Dr. Stefan Huschens ist seit 1994 Inhaber des Lehrstuhls für Quantitative Verfahren, insbesondere Statistik an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Dresden. Die Promotion mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Dissertation und die Habilitation in Statistik und Volkswirtschaftslehre erfolgten an der Universität Heidelberg. Die wichtigsten Forschungsgebiete sind zur Zeit statistische Methoden und stochastische Modelle der Markt- und Kreditrisikomessung ( h t t p : //www. t u - d r e s d e n . de/wwqvs/publ). Prof. Dr. Christoph Kaserer ist wissenschaftlicher Direktor des an der Technischen Universität München (TUM) ansässigen Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) und seit April 2002 Ordinarius an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der TUM und Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftlehre - Finanzmanagement und Kapitalmärkte. Das CEFS beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Fragen der Unternehmensfinanzierung, insbesondere auf nicht organisierten Kapitalmärkten. Zu den Forschungsschwerpunkten des Lehrstuhls gehören insbesondere Fragen der Unternehmensfinanzierung und -kontrolle, empirische Kapitalmarktforschung, Risiko- und Portfoliomanagement sowie Fragenstellungen im Bereich der Finanzintermediation. Die Arbeiten von Herrn Univ.Prof. Dr. Kaserer wurden in führenden internationalen und deutschen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Er ist Herausgeber der Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft und verfügt in Ergänzung zu Forschung und Lehre über umfangreiche Erfahrungen als Berater und Gutachter, nicht zuletzt auch im Auftrag für die schweizerische und deutsche Regierung und die European Venture Capital Association (EVCA). Vor seiner Tätigkeit an der TUM war er ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzmanagement und Rechnungswesen, an der Universite de Fribourg (CH). Nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wien, Österreich, promovierte und habilitierte er sich an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Würzburg, wo er auch als wissen-
560
Kurzlebensläufe der Autoren
schaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bank- und Kreditwirtschaft tätig war. Dr. Michael Krapp Jg. 1971, Michael Krapp studierte von 1991 bis 1993 Sozioökonomie und von 1993 bis 1996 Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg, 2000 promovierte er zum Dr. rer. pol., 2005 habilitierte er sich für Betriebswirtschaftslehre. Seit 1996 ist Michael Krapp als wissenschaftUcher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Professor Bamberg tätig. In den Jahren 2001 bis 2004 nahm er einen Lehrauftrag für Entscheidungstheorie und Operations Research an der KathoUschen Universität Eichstätt-Ingolstadt wahr. Seine Arbeitsgebiete sind Entscheidungstheorie, Institutionenökonomik und Quantitative Planungsmethoden. DipL-Kffr. Susanne Krenn ist seit Oktober 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Organisation und Personalwesen, Universität Passau. Ihr Studium absolvierte sie in Passau. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Auslandsdiversifikation und Unternehmenskommunikation. Prof. Dr. Wolfgang Kürsten Jahrgang 1960, studierte von 1978 bis 1983 Mathematik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Von 1983 bis 1987 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Wolfgang Harbrecht an der Universität Passau tätig und promovierte mit einer Arbeit über Secondhand-Märkte und geplante Obsoleszenz in Volkswirtschaftslehre. Danach wechselte Wolfgang Kürsten zum Zentralbereich Unternehmensplanung und -entwicklung der Siemens AG nach München. Von 1989 bis 1993 arbeitete er als akademischer Rat a. Z. am Lehrstuhl von Jochen Wilhelm an der Universität Passau und habilitierte sich dort mit einer finanzierungstheoretischen Arbeit über das Risikoanreizproblem. Es folgten 1993 der Ruf auf einen Lehrstuhl für Finanzwirtschaft an der TU Braunschweig, eine Lehrstuhlvertretung daselbst und weitere Rufe an die Universitäten Bielefeld und Magdeburg sowie an die TU Dresden. Von 1994 bis 1997 war er Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insb. Finanzierung und Finanzmärkte an der Universität Magdeburg. 1997 folgte er dem Ruf auf den Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insb. Finanzierung, Banken und Risikomanagement an der Universität Jena, den er bis heute innehat. Weitere Rufe an die Universitäten Hannover, auf das Ordinariat für Bankbetriebslehre an der Universität Zürich sowie an die Katholische Universität Eichstätt lehnte er ab. Von 1997 bis 2001 war Wolfgang Kürsten Mitherausgeber des OR Spectrum - Quantitative Approaches in Management. Seit 2001 ist er als Schriftführender Herausgeber bzw. Department Editor der Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB) tätig. Von 1999 bis 2001 leitete er die Arbeitsgruppe Finanzwirtschaft und Finanzinstitutionen in der Gesellschaft für Operations Research und
Kurzlebensläufe der Autoren
561
von 2002 bis 2004 war er Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission der Erich-Gutenberg-Arbeitsgemeinschaft. Seit 2004 ist er Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission Bankbetriebslehre/Finanzierung im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft. Zu seinen Hauptforschungsgebieten zählen anreizkompatible Finanzkontrakte, bankbetriebliches Risikomanagement, Hedging mit Finanzderivaten, UnternehmensbeWertung und kapitalmarktorientierte Unternehmenssteuerung. Prof. Dr. Hermann Locarek-Junge Jahrgang 1957. 1978-1983 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg, 1980-1986 Parallelstudium der Informatik an der Fernuniversität Hagen, 1987 Promotion zum Dr. rer. pol., seit 1995 Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Technischen Universität Dresden. Dr. Matthias Muck schloss sein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Unternehmensführung im Herbst 2000 als Diplomkaufmann an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) - Otto Beisheim Hochschule ab. Im Sommer 2003 wurde er an der WHU aufgrund seiner Dissertationsschrift „Arbitragemodelle der Zinsstruktur: Implementation und Bewertung von Zinsderivaten" promoviert. Seitdem ist er als Wissenschaftlicher Assistent am Dresdner Bank Stiftungslehrstuhl für Finanzen von Professor Dr. Markus Rudolf und als Dozent an der WHU tätig. Seine Publikationen beschäftigen sich mit Zinsstrukturmodellen, Risikomanagement und Basel IL Prof. Dr. Werner Neus geb. 1959 in Bonn; Studium der Betriebswirtschaftslehre in Köln; Diplom 1985; 1984-1994 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Herbert Hax am Lehrstuhl für Finanzierungslehre der Universität Köln; Promotion 1988; Habilitation 1994; 1993-1994 Lehrstuhlvertretungen in Bonn, Aachen und Tübingen; seit 1995 Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft an der EberhardKarls-Universität Tübingen; Ruf an die Ruhr-Universität Bochum 1999; seit 1998 Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Finanzwirtschaft (DGF); seit 2002 Mitglied des Vorstands der German Economic Association for Business Administration (GEABA); seit 1998 Sprecher des Graduiertenkollegs „Unternehmensentwicklung, Marktprozesse und Regulierung in dynamischen Entscheidungsmodellen". P D Dr. Bernhard Nietert ist seit 2003 wissenschaftlicher Oberassistent am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Finanzierung der Universität Passau. Sowohl Promotion (Thema: „Dynamische Portfolio Selektion") als auch Habilitation (Thema: „Theoretische Erklärungsansätze für die unternehmensinterne Steuerung von Risiken") erfolgten an der Universität Passau und
562
Kurzlebensläufe der Autoren
wurden von Professor Dr. Jochen Wilhelm betreut. Die wichtigsten Forschungsgebiete von PD Dr. Bernhard Nietert sind Arbitrage- und Bewertungstheorie, Investitions- und Beteiligungs-Controlling, Portfolio Selektion und Risiko Management (http://www.wiwi.mii-passau.de/lehrstuehle/ wilhelm/wimitarb. html). Prof. Dr. Peter Nippel geb. 1963, Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Trier und Köln. Assistententätigkeit, Promotion und Habilitation in Köln. 1996 Lehrstuhlvertretung an der Universität Bonn, seit 1997 Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Interessensgebiete: Unternehmensfinanzierung, Investitionstheorie. Prof. Dr. Andreas Oehler Jahrgang 1960, studierte in Mainz und Mannheim mit Abschluss DiplomKaufmann 1985 und promovierte an der Universität Mannheim zum Dr. rer. pol. 1989. Daran schloss sich eine kürzere Zeitspanne bei einer internationalen Unternehmensberatung in Frankfurt an. Von 1991 bis 1994 leitete Herr Oehler ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziertes Forschungsprojekt im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Empirische Kapitalmarktforschung" und wurde im September 1994 an der FernUniversität Hagen im Fach Betriebswirtschaftslehre habilitiert. Seit Sommersemester 1994 hat Herr Oehler den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwirtschaft, an der Universität Bamberg inne. Arbeits- und Interessengebiete sind: Finanz Wirtschaft, insbes. Finanzmärkte, empirische und experimentelle Finanzmarktforschung, Kreditrisikomanagement, Marktmikrostrukturtheorie sowie Behavioral Finance und Bankbetriebslehre, insbes. kundenorientierte Organisationsstrukturen, Multi-Channel Banking sowie Direct Banking. DipL-Ing. Sven Reichardt wurde 1975 in Goslar geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er an der TU Berlin Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Technische Chemie. Seit 1998 arbeitet er am Lehrstuhl für Finanzierung und Investition der TU Berlin zunächst als Tutor bei Prof. Dr. Serfling und daran anschließend seit 2002 als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Hirth. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Venture Capital. Prof. Dr. Markus Rudolf ist Ordinarius und Inhaber des Dresdner Bank Stiftungslehrstuhls für Finanzen an der WHU Otto-Beisheim-Hochschule sowie Leiter des Finanzzentrums an der WHU. Er ist seit 2000 Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er promovierte im Herbst 1994 und habilitierte sich im Mai 1999 an der Universität St. Gallen. Unter anderem verbrachte er Forschungsaufenthalte an der University of Cahfornia at Los Angeles (UCLA), an der Uni-
Kurzlebensläufe der Autoren
563
versity of British Columbia (UBC) in Vancouver und an der Kellogg Business School in Evanston, Illinois. Seine jüngsten Publikationen beschäftigen sich mit der Bewertung von Wachstumsunternehmen, Surplus Management und Zinsstrukturmodellen. Er ist zudem akademischer Direktor der „Campus for Finance Neujahrskonferenz". Außerdem ist er Co-Editor der Zeitschrift „Financial Markets and Portfolio Management" und akademischer Direktor der jährlichen Konferenz der Schweizerischen Gesellschaft für Finanzmarktforschung (SGF). Prof. Dr. Bernd Rudolph Banklehre; Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Bonn; Promotion zum Dr. rer. pol. und Habilitation an der Universität Bonn. Von 1979 bis 1993 Professor an der Universität Frankfurt, seit 1993 Universitätsprofessor an der Universität München: Institut für Kapitalmarktforschung und Finanzierung. Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Bankhistorische Forschung, Frankfurt a. M. und des Deutschen Aktieninstituts, Frankfurt a. M.; Mitglied des Verwaltungsrats des ifo-Instituts, München; verschiedene Aufsichtsrats- und Beiratsmandate in deutschen Unternehmen. Herausgeber der Schriftenreihe Risikomanagement und Finanzcontrolling, Mitherausgeber der Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen sowie der Schriften zur quantitativen Betriebswirtschaftlehre. Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift Kredit und Kapital, Mitherausgeber der Zeitschrift Perspektiven der Wirtschaftspolitik des Vereins für Sozialpolitik. Prof. Dr. Klaus Sandmann ist seit 2002 Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Rheinischen Friedrich- Wilhelms- Universität Bonn. Nach dem Abschluss des Studiums der Mathematik an der Universität des Saarlandes 1986, erfolgte 1990, unter seinem akademischen Lehrer Dieter Sondermann, die Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Bonn. Die Dissertationsschrift zur Bewertung von Zinssatzoptionen wurde 1991 mit dem GEFRUB- und 1992 mit dem GMÖORPreis ausgezeichnet. 1996 erfolgte die Habilitation an der Universität Bonn. 1996 wurde er als Professor für Betriebswirtschaftslehre an die Johannes Gutenberg- Universität Mainz berufen, wo er bis 2002 lehrte. Die wichtigsten Forschungsgebiete betreffen die Finanzmarkttheorie, insbesondere die Bewertung exotischer Optionen, die Modellierung der Zinsunsicherheit sowie die Untersuchung fondsgebundener Lebens- und Rentenversicherungen. Zu den wichtigsten Beiträgen gehört die Entwicklung des LIBOR Market Modells. Er ist Autor eines Lehrbuchs zur Stochastik der Finanzmärkte. Seine wissenschaftlichen Arbeiten wurden veröffentlicht u. a. in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft, im Journal of Financial and Quantitative Analysis, in Finance and Stochastics, in Mathematical Finance und im Journal of Finance.
564
Kurzlebensläufe der Autoren
Prof. Dr. Thomas Schildbach geb. 1945, ist seit 1981 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Revision und Unternehmensrechnung an der Universität Passau. Er hat an der Universität zu Köln Betriebswirtschaftslehre studiert und dort auch in diesem Fach promoviert (1973) sowie sich habilitiert (1979). Seine Forschungsgebiete sind die Entscheidungstheorie, das interne und das externe Rechnungswesen, die Unternehmensbewertung und die Theorie der Prüfung (www.wiwi.uni-passau.de/lehrstuehle/schildbach/index.html). Dr. Hendrik Scholz ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Finanzierung und Bankbetrieblehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in Ingolstadt. Nach der Berufsausbildung zum Bankkaufmann studierte Hendrik Scholz Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik an der Universität Göttingen. Vor seinem Wechsel nach Ingolstadt promovierte er dort zum Thema „Performanceanalyse von Aktieninvestment fonds" und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Betriebswirtschaftliche Geldwirtschaft. Prof. Dr. Gerhard Speckbacher 1985-1990 Studium der Wirtschaftsmathematik und Begleitstudium der Philosophie an der Universität Ulm, Diplom-Wirtschaftsmathematiker (Dipl. Math.oec), 1992 Promotion zum Dr. rer. pol., 1997 Habilitation und Lehrbefugnis für Wirtschaftswissenschaften, 1997-1998 Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Internes Rechnungswesen und Controlling an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensrechnung an der Kathohschen Universität Eichst ätt-Ingolstadt. Seit April 2000 Professor für Unternehmensführung und Vorstand des Instituts für Unternehmensführung an der Wirtschaftsuniversität Wien. DipL-Math. oec. Markus O. Starck, M.Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am CoFaR Center of Finance and Risk Management an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er studierte Wirtschaftsmathematik an der Universität Karlsruhe und Apphed Mathematics an der University of Massachusetts at Amherst, MA, USA. Im Rahmen seiner Dissertation beschäftigt sich Herr Starck mit Reduktionsmodellen zur Kreditderivatebewertung und mit der Portfolio-Optimierung beim Index Tracking. Prof. Dr. Manfred Steiner ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanz- und Bankwirtschaft der Universität Augsburg. Nach mehrjähriger Tätigkeit im Bankwesen studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Universität München und promovierte und habilitierte an der Universität Augsburg. Er erhielt zahlreiche Berufungen an Universitäten im deutschsprachigen Raum. Vor seiner Tätigkeit in Augsburg lehrte
Kurzlebensläufe der Autoren
565
er an der Universität Münster. Er ist der Verfasser bekannter Lehrbücher aus dem Bereich der Finanzwirtschaft und des Wertpapiermanagements. Forschungsschwerpunkte, die sich in zahlreichen Veröffentlichungen niedergeschlagen haben, sind empirische Kapitalmarktforschung, Computational Finance, Risikomanagement und Bewertung von Finanzinstrumenten. Er ist Mitglied im Arbeitskreis „Finanzierungsrechnung" der Schmalenbachgesellschaft, Ges. für Betriebswirtschaft und im Organisationskomitee der internationalen Konferenz „Computational Finance". Prof. Dr. Peter Steiner Geboren am 19.12.1951 in Wien. 1970-1975 Studium Wirtschaftsingenieurwesen/Maschinenbau an der Technischen Universität Graz; 1975-1981 Studium Betriebswirtschaftslehre an der Karl Franzens Universität Graz und Sponsion zum Mag.rer.soc.oec. sowie 1985 Promotion zum Dr.rer.soc.oec. 1989 Habilitation und venia legendi für das Fach Betriebswirtschaftslehre. Im Wintersemester 1990/91 Vertretung der C4 Professur „Finanzierung und Banken" an der Universität Osnabrück. 1991-1994 an der Wirtschaftsuniversität Wien; Leiter des Extraordinariats ABWL/DCF (Department of Corporate Finance). 1995-1997 an der Universität Ulm, Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften; Leiter der Abteilung „FinanzWirtschaft". Seit 1997 an der Karl Franzens Universität Graz, Vorstand des Instituts für „Banken und Finanzierung". Member der European Finance Association und der Southern und Southwestern Finance Association; Mitglied der German Finance Association; Gründer (gemeinsam mit Prof. Dr. H. Uhlir) der Austrian Working Group on Banking and Finance; Vorstandsmitglied der Österreichischen Bankwissenschaftlichen Gesellschaft; Fachvorsitzender der wissenschaftlichen Abteilung Forum für Bankmanagement; Schriftleiter des Bankarchiv. Wichtigste Publikationen: Beiträge in Fachzeitschriften, insbesondere aus den Bereichen des Corporate Finance und der Security Analysis. Sein Buch „Wertpapieranalyse" befindet sich bereits in der fünften Auflage, die Monographie „Betriebliche Finanzierung" wird voraussichtlich 2005 erscheinen. Hauptarbeitsgebiete stellen Themen aus Bewertungstheorie, Corporate Finance, Financial Economics, Informationsökonomik und Wertpapieranalyse dar. Prof. Dr. Erik Theissen Jahrgang 1965, lehrt Finanzwirtschaft an der Rheinischen Friedrich WilhelmsUniversität Bonn. Nach einer Banklehre und dem Studium der Betriebswirtschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen promovierte er 1997 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt. Nach einem zwischenzeitlichen einjährigen Forschungsaufenthalt an der HEG, Jouy-en-Josas / Frankreich habilitierte er sich 2001 ebenfalls in Frankfurt. Seit April 2001 ist er ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre in Bonn. Seine Hauptforschungsgebiete
566
Kurzlebensläufe der Autoren
sind die Organisation von Wertpapiermärkten und allgemein die empirische Kapitalmarktforschung. Prof. Dr. Siegfried Trautmann ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft an der Johannes GutenbergUniversität Mainz. Er studierte an der Universität Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Operations Research und Informatik. Nach Promotion und Habilitation an der Universität Karlsruhe lehrte er bis August 1990 an den Universitäten Karlsruhe, Bonn und Stuttgart. Er war Gastprofessor an der Universität Basel und dem lAS Wien sowie Gastwissenschaftler an der Cornell University und der UCLA. Sein Forschungsinteresse gilt insbesondere der Preisbildung und der Absicherung von Finanzderivaten in vollständigen und unvollständigen Finanzmärkten, der Portefeuilleoptimierung und der Performancemessung. Er hat dazu eine Reihe von Arbeiten in Fachzeitschriften (u. a. European Finance Review, Journal of Banking and Finance, Mathematical Methods of Operations Research) veröffentlicht. Prof. Dr. Ralf Trost Studium der Mathematik an der TH Darmstadt (Diplom 1985); wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Statistik der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg (Dr. rer. pol. 1989); Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Statistik der Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg (Dr. rer. pol. habil. 1995); Vertretung Professur „Controlling" an der Universität Ulm (Sommersemester 1991); Vertretung Professur „Betriebswirtschaftslehre (Quantitative Methoden)" an der Universität Bielefeld (Sommersemester 1995); Inhaber der Professur „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbes. Finanzwirtschaft/Investition" und Leiter des Fachgebietes „Finanz Wirtschaft/Investition" an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Ilmenau (seit Wintersemester 1995/1996) F D Dr. Niklas Wagner studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit quantitativem Schwerpunkt in Augsburg, anschließend 1998 Promotion zum Dr. rer. pol. (Universität Augsburg). Von 1998 bis 2000 Post-Doc in den U.S.A. (U.C. Berkeley und Stanford University). 2004 Habilitation im Fach Betriebswirtschaftslehre (TU-München). Tätigkeiten als Hochschulassistent (TU-Dresden und TU-München). Praxiserfahrung als Mitarbeiter der HypoVereinsbank AG. VeröflFentlichungen u. a. im Journal of Banking and Finance, Journal of Empirical Finance, Statistical Papers, OR Spectrum. Gutachter für internationale Fachzeitschriften. Mitgliedschaften u.a.: AFA, DGF, GOR. Prof. Dr. Jack Wahl ist Inhaber des Lehrstuhls für Investition und Finanzierung an der Universität Dortmund. Er ist Diplom-Kaufmann der Universität Saarbrücken, promovier-
Kurzlebensläufe der Autoren
567
te an der Universität Gießen und habilitierte sich an der Universität Konstanz. Neben einer mehrjährigen Tätigkeit in einem Sonderforschungsbereich war er Visiting Scholar am MIT und Visiting Assistant Professor of Finance an der University of Michigan Business School. Seine Forschungsinteressen liegen in Fragestellungen zur Risikogestaltung bei Banken und Unternehmen, zum Unternehmenshedging, zur Risikoaversion und zur Informationseffizienz. Prof. Dr. Marco Wilkens ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Finanzierung und Bankbetriebslehre an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in Ingolstadt. Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufonann und anschließender zweijähriger Berufspraxis studierte er an der Hochschule für Wirtschaft und Politik und an der Universität Hamburg Betriebswirtschaftslehre. Nach seiner Promotion wechselte er an die Universität Göttingen, wo er sich habilitierte und bis zum Wechsel nach Ingolstadt am Institut für Betriebswirtschaftliche Geldwirtschaft tätig war.
Verzeichnis der Veröffentlichungen von Jochen Wilhelm
Monographien Objectives and Multi-Objective Decision Making Under Uncertainty, in: Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems, Springer Verlag, Berlin et al., 1975. Finanztitelmärkte und Unternehmensfinanzierung, in: Heidelberger betriebswirtschaftliche Studien, Springer Verlag, Berlin et al., 1983. Arbitrage Theory, in: Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems, Springer Verlag, Berlin et al., 1985.
Aufsätze in Zeitschriften, Sammelwerken, Tagungsbänden u n d Festschriften (mit Pandel, G.): Rational Solution Principles and Information Requirements as Elements of Multiple Criteria Decision Making, in: Thieriez,H./Zionts, S. (Hrsg.): Multiple Criteria Decision Making - Jouy-enJosas, France, 1975, Berhn-Heidelberg-New York, 1976, S. 215-230. Der effektive Jahreszins - Begriff, Bedeutung und Rechentechnik, in: Teilzahlungswirtschaft 23, 1976, S. 12-15. Ein verallgemeinertes Konzept von Lösungsprinzipien für Entscheidungsprobleme bei mehrfacher Zielsetzung, in: Dathe, H. N. et al. (Hrsg.): Proceedings in Operations Research 1976, Physica-Verlag, Würzburg-Wien, 1976, S. 123-133.
570
Verzeichnis der Veröffentlichungen von Jochen Wilhelm
(mit Pandel, G.): Zur Entscheidungstheorie bei mehrfacher Zielsetzung (wiederabgedruckt in russischer Sprache in: Statistitscheskie Modell, Moskau, 1979, S. 215-230), in: Zeitschrift für Operations Research 20, 1976, S. 1-21. (mit Pandel, G.): Dwa algorithma reschenija sadatschi vektornoj optimiszii (Zwei Lösungsalgorithmen für das Vektormaximumproblem), Wiederabdruck in: Two algorithms for solving vector-optimization problems, in: Plenum Pubhshing Corporation, Jg. 1977, S. 1721-1727, in: Avtomatika y Telemechanika Heft 11, 1976, S. 109-117. Generalized Solution Principles and Outranking Relations in Multi-Criteria Decision-Making, in: European Journal of Operational Research 1, 1977, S. 376-385. Risikohorizont und Kreditspielraum, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Porschung 29, 1977, S. 117-127. Zur Diskussion über das Bernoulli Prinzip - Anmerkungen zu einem Aufsatz von Bitz und Rogusch, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 47, 1977, S. 203-205. Zur Bewertung von Optionen und Optionsscheinen (Warrants), in: Kredit und Kapital 11, 1978, S. 497-516. Multiperiod Portfolio Selection and Capital Asset Pricing, in: Pandel, G./Gal, T. (Hrsg.): Multiple Criteria Decision Making - Theory and Application, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1980, S. 487-510. Zum Verhältnis von Capital Asset Pricing Model, Arbitrage Pricing Theory und Bedingungen der Arbitragefreiheit von Pinanzmärkten, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Porschung 33,1981, S. 891-905. Bilanzpolitik, Mehrperiodendiversifikation und kapitaltheoretische Unternehmenswerte - Anmerkungen zu dem gleichnamigen Beitrag von Klaus Spremann und Günther Bamberg -, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 52, 1982, S. 863-867. Die Bereitschaft der Banken zur Risikoübernahme im Kreditgeschäft, in: Kredit und Kapital 15, 1982, S. 572-601. Arbitrage, Transaction Costs, and the Structure of Asset Returns, in: Göppl, H./Henn, R. (Hrsg.); Geld, Banken und Versicherungen, 1982/Band I, Verlag Versicherungswirtschaft e.V., Karlsruhe, 1983, S. 651-666. Die Risikostruktur der Zinssätze - Eine Anwendung der Theorie der Pinanztitelmärkte, in: Mazanec, J./Scheuch, P. (Hrsg.), Marktorientierte Unternehmensführung, Pachverlag an der Wirtschaftsuniversität Wien, Wien, 1984, S. 111-131.
Verzeichnis der Veröffentlichungen von Jochen Wilhelm
571
Marktwertmaximierung - Ein didaktisch einfacher Zugang zu einem Grundlagenproblem der Investitions- und Finanzierungstheorie, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 53, 1983, S. 516-534. A Consistent Model for the Pricing of Derivative Assets in a Discrete Time Framework, in: Bamberg, G./Spremann,K. (Hrsg.): Risk and Capital, Springer Verlag, Berlin et a l , 1984, S. 122-137. Bernoulli-Prinzip - und kein Ende? in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 55, 1985, S. 635-639. Die Vorteilhaftigkeit des Leasing aus finanzierungstheoretischer Sicht, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 37, 1985, S. 485-499. Zum Verhältnis von Höhenpräferenz und Risikopräferenz - Eine theoretische Analyse, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 38, 1986, S. 467-492. On Stakeholders' Unanimity, in: Bamberg, G./Spremann,K. (Hrsg.): Agency Theory, Information, and Incentives, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg, 1987, S. 179-204. Arbitrageorientierte Bewertung von Finanztiteln: Eine Neuformulierung, in: Heilmann,W.-R. et al. (Hrsg.): Geld, Banken und Versicherungen, 1987/Band H, Verlag Versicherungswirtschaft e.V., Karlsruhe, 1988, S. 1155-1177. Der Teilwert und seine Ermittlung auf der Grundlage des GümbelAlgorithmus' - Eine arbitrage-theoretische Analyse, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschafthche Forschung 40, 1988, S. 360-369. Erwartungsstruktur und bestandsökonomische Darstellung aus kapitalmarkttheoretischer Sicht, in: Rudolph, B./Wilhelm, J. (Hrsg.): Bankpolitik, finanzielle Unternehmensführung und die Theorie der Finanzmärkte - Festschrift für Hans-Jacob Krümmel zur Vollendung des 60. Lebensjahres, Duncker & Humblot, Berlin, 1988, S. 475-500. Spurensuche: Neoklassische Elemente in der „neuen" Finanzierungstheorie, in: Ordelheide, D./Rudolph, B./Büsselmann,E. (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und Ökonomische Theorie - Tagungsband der Jahrestagung des Verbandes für Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. in Frankfurt am Main 1990, Stuttgart, 1991, S. 173-196. Fristigkeitsstruktur und Zinsänderungsrisiken - Vorüberlegungen zu einer Markowitz-Theorie des Bond-Portfolio-Managements, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschafthche Forschung 44/3, 1992, S. 209-246.
572
Verzeichnis der Veröffentlichungen von Jochen Wilhelm
(mit Brüning, L.): Die Fristigkeitsstruktur der Zinssätze: Theoretisches Konstrukt und empirische Evaluierung - Untersuchung mit Daten des Kapitalmarktes der Bundesrepublik Deutschland, in: Kredit und Kapital 25/2, 1992, S. 259-294. (mit Steiner, J.): Hypothekenversicherung versus Bankhypothek zur Finanzierung privat genutzten Wohneigentums - ein Vorteilhaftigkeitsvergleich, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 68, 1998, S. 49-70. A fresh view on the Ho-Lee model of the term structure from a stochastic discounting perspective - Eine Neubetrachtung des Ho-Lee-Modells der Zinsstruktur aus Sicht des stochastischen Diskontierens, in: Kürsten,W./Wilhelm, J. (Hrsg.), Finance and Banking, Sonderheft OR Spektrum, Springer-Verlag, 1999, Vol. 21/1-2, S. 9-34. Das Gaußsche Zinsstrukturmodell - Eine Analyse auf der Basis von Wahrscheinlichkeitsverteilungen, in: Schmidt,H./Ketzel,E./Prigge,S. (Hrsg.): Wolfgang Stützel - Moderne Konzepte für Finanzmärkte, Beschäftigung und Wirtschaftsverfassung, J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, 2001, S. 245-269. Unternehmensbewertung - Eine finanzmarkttheorethische Untersuchung, erscheint in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 75, Heft 6, 2005. Bemerkungen über Kapitalkosten vor und nach Steuern - Anmerkungen zu dem gleichnamigen Beitrag von Kruschwitz und Löffler, erscheint in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 75, 2005. Replik zu Kruschwitz und Löffler, erscheint in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 75, 2005. (mit Nietert,B.): Non-Negativity of Riskless Interest Rates, Arbitrage Theory, and the Null-Alternative Cash, erscheint in: Finance Letters, 2005.
Handbuchartikel Ausschüttungspolitik, in: Wittmann, W. et al. (Hrsg.): Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Teilband 1 A-H, 5. Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 1993, Sp. 213-227. Zinsstruktur, in: Gerke,W./Steiner,M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bankund Finanzwesens, 2. Überarb. und erw. Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 1995, Sp. 2051-2060.
Verzeichnis der Veröffentlichungen von Jochen Wilhelm
573
Capital Asset Pricing Model, in: Bühner, R. (Hrsg.): Management-Lexikon, R. Oldenbourg Verlag, München-Wien, 2001, S. 129-131. Kapitalmarkttheorie, in: Bühner, R. (Hrsg.): Management-Lexikon, R. Oldenbourg Verlag, München-Wien, 2001, S. 407-409. Zinsstruktur, in: Gerke, W./Steiner,M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bankund Finanzwesens, 3. Auflage, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 2001, Sp. 2357-2366.
Buchbesprechungen Bohr,K./Drukarczyk, J./Drumm,H./Scherrer, G. (Hrsg.): Unternehmensverfassung als Problem der Betriebswirtschaftslehre (Tagungsband des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft Regensburg 1981), in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 54, 1984, S. 922-927 (Besprechung mit H. Bruse). Süchting, J.: Bankmanagement, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 54, 1984, S. 627-629. Müller, S.: Arbitrage Pricing of Contingent Claims, in: Journal of Instititutional and Theoretical Economics 142, 1986, S. 642-643. Kischka, R: Bestimmung optimaler Portfolios bei Ungewißheit, in: Journal of Economics 46, 1986, S. 334-335. Kobold, K.: Interest Futures Markets and Capital Market Theory, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics 143, 1987, S. 688-689. Devinney, T. M.: Rationing in an Theory of the Banking Firm, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 57, 1987, S. 435-436. Bromiley, R: Corporate Capital Investment - A Behavioral Approach, in: Journal of Economics 48, 1988, S. 105-107. Fischer, E. O.: Dynamische Kapitalstrukturoptimierung unter Unsicherheit: Theorie und Empirie, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 110, 1990, S. 609-610. Büschgen, H.: Zinstermingeschäfte, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics 146, 1990, S. 387-388. Franke, G./Hax,H.: Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, in: Kredit und Kapital 23, 1990, S. 284-286.
574
Verzeichnis der Veröffentlichungen von Jochen Wilhelm
Loistl, O.: Kapitalmarkttheorie, in: Kredit und Kapital 26, 1993, S. 329-332. Schöbel,R.: Kapitalmarkt und zeitkontinuierliche Bewertung, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 50, 1998, S. 501-503 (Besprechung mit B. Nietert).
Sonstige Beiträge Diskussionsergebnisse des Arbeitskreises B2, Tagung Bankmanagement für neue Märkte 1986, in: Krümmel,H.J./Rudolph, B. (Hrsg.): Bankmanagement für neue Märkte, Frankfurt/M., 1987, S. 174-176. Diskussionsergebnisse des Arbeitskreises A2, Tagung Finanzintermediation und Risikomanagement 1988, in: Krümmel, H. J./Rudolph, B. (Hrsg.): Finanzintermediation und Risikomanagement, Frankfurt/M., 1989, S. 131132. Leasing aus finanztheoretischer Sicht (Vortrag anläßlich der Fachtagung „Leasing in Theorie und Praxis" in Köln 1988), in: Mitteilungen und Berichte Nr. 7 (1989) des Forschungsinstituts für Leasing an der Universität zu Köln, 1989, S. 11-33. Diskussionsergebnisse des Arbeitskreises B2, Tagung Corporate Finance 1990, in: Krümmel, H. J./Rudolph, B. (Hrsg.): Corporate Finance, Frankfurt/M., 1991, S. 169-172.
Herausgeberschaften BankpoUtik, finanzielle Unternehmensführung und die Theorie der Finanzmärkte - Festschrift für Hans-Jacob Krümmel zur Vollendung des 60. Lebensjahres (hrsg. mit B. Rudolph), Duncker & Humblot, Berlin. Finance and Banking (hrsg. mit W. Kürsten), Sonderheft OR Spektrum, Springer-Verlag 1999. Die Dimensionierung des Unternehmens (hrsg. mit R. Bühner und K.D. Haase), SchäflFer-Poeschel Verlag, Stuttgart 1995.