Integrativ-Prozessuales Marketing : eine Einführung ; mit durchgehender Schwarzkopf & Henkel-Fallstudie [3., aktualisierte Aufl] 9783834904027, 3834904023 [PDF]


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Integrativ-Prozessuales Marketing : eine Einführung ; mit durchgehender Schwarzkopf & Henkel-Fallstudie [3., aktualisierte Aufl]
 9783834904027, 3834904023 [PDF]

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Zitiervorschau

Roland Mattmüller Integrativ-Prozessuales Marketing

Roland Mattmüller

Integrativ-Prozessuales Marketing Eine Einführung Mit durchgehender Schwarzkopf & Henkel-Fallstudie

3., aktualisierte Auflage

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Univ.-Prof. Dr. Roland Mattmüller ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Strategisches Marketing, an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (ebs), International University Schloß Reichartshausen in Oestrich-Winkel.

1. Auflage Oktober 2000 2., überarbeitete und erweiterte Auflage August 2004 3., aktualisierte Auflage November 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Barbara Roscher / Renate Schilling Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8349-0402-3 ISBN-13 978-3-8349-0402-7

Vorwort zur dritten Auflage Die Bedeutung eines prozessorientierten Verständnisses von Marketing und damit seiner Querschnittsfunktion ist – neben der wissenschaftlichen Diskussion – auch und gerade in zahlreichen Unternehmen in letzter Zeit immer stärker erkannt worden. Damit einher geht auch die Diskussion über die organisatorische Einbettung des Marketing, über die Rolle und das Aufgabenspektrum „traditioneller“ Marketingabteilungen und -ressorts. Letztere sind dabei immer noch häufig mit rein kommunikativen Funktionen betraut und können somit den strategischen Aufgaben schon allein aus ihrer hierarchischen Position heraus selten gerecht werden. Hier gilt es, Marketing als einen ganzheitlichen Prozess zu verstehen, dessen Verantwortung sich von der Vorbereitung bis zur Realisierung eines Tauschprozesses bzw. einer Geschäftsbeziehung erstreckt. Daneben steht die notwendige Bearbeitung der unterschiedlichen Bezugsgruppen eines Unternehmens: so zentral die Rolle des Kunden selbstverständlich in einem Marketingkonzept ist, so wichtig sind die durchgängige Berücksichtigung der Interessen und Ansprüche auch der anderen Bezugsgruppen einerseits bzw. die Erreichung der Zielsetzungen des Unternehmens diesen Gruppen gegenüber andererseits (etwa im Sinne der grundlegenden Kausalkette aus Mitarbeiterzufriedenheit und -loyalität als Basis zur Erzielung von Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität). In der Wahrnehmung dieser Aufgabe und strategischen Querschnittsfunktion liegt das Verständnis eines Integrativen Marketingkonzepts begründet. In der vorliegenden dritten Auflage wurden vor allem anfallende Aktualisierungen und Ergänzungen eingearbeitet. Für die Unterstützung darf ich mich an dieser Stelle insbesondere bei Frau Dipl.-Kffr. Nina Jochheim und in schon bewährter Funktion bei Frau Beate Wenzl recht herzlich bedanken. Besonderer Dank gilt auch wiederum Herrn Prof. Dr. Uwe Specht und seinem Team von Schwarzkopf & Henkel in Düsseldorf für die Überarbeitung der „Schauma-Fallstudie“ sowie an Frau Roscher und Frau Schilling, Betriebswirtschaftlicher Verlag Th. Gabler, für die erneute Zusammenarbeit.

Roland Mattmüller Schloß Reichartshausen

6

Vorwort

Vorwort zur zweiten Auflage Die Diskussion über den grundsätzlichen Ansatz des Marketing und dessen theoretische Fundierung sowie über die hieraus abzuleitenden Implikationen gewann gerade in jüngster Zeit seit Erscheinen der ersten Auflage dieses Buchs erheblich an Dynamik. Insbesondere hat (jetzt) auch die anglo-amerikanische Literatur diese Fragestellungen aufgegriffen und plädiert in hohem Maße für eine konzeptionelle Überarbeitung traditioneller Denkmuster von Aufgaben und „Zuständigkeiten“ des Marketing: „The classic marketing model needs to be future-fitted. Marketing must be deconstructed, redefined, and stretched” (Kotler/Jain/Maesincee: Marketing Moves, Boston 2002, preface). Dabei handelt es sich hier keineswegs um eine rein akademische Auseinandersetzung. Unabhängig von der unbestrittenen Notwendigkeit sinnvoller Abgrenzungen im Wissenschaftsgebäude geht es vielmehr um das Selbstverständnis des Marketing in realen Unternehmen und damit um die Frage nach Aufgabengebieten, nach hierarchischen Freiräumen und daher immer auch um Gestaltungsräume des Marketing. Letztendlich stehen das Maß an Kundenorientierung in Unternehmen und die Verbindung zwischen den marktorientierten strategischen Zielsetzungen und der geeigneten Vorgehensweise zu deren Erreichung auf dem Prüfstand. Gerade der strategische Aspekt des Marketing wird daher in der nun vorliegenden zweiten Auflage nochmals betont. Daneben wurden weitere Ergänzungen und Aktualisierungen eingearbeitet. Für die hierfür unverzichtbare und tatkräftige Unterstützung darf ich mich vor allem bei Herrn Dipl.-Kfm. Thomas Müller-Rehkopf und erneut bei Frau Beate Wenzl von meinem Lehrstuhl für Strategisches Marketing an der EUROPEAN BUSINES SCHOOL, International University Schloß Reichartshausen, bedanken – außerdem bei Dr. Ralph Tunder, Dr. Bodo Reuter, Dipl.-Kfm. Tim Bendig und Dipl.-Kfm. Sven Franzen. Mein Dank geht wiederum auch an Prof. Dr. Uwe Specht und sein Team von Schwarzkopf & Henkel in Düsseldorf für die Aktualisierungen der Fallstudie „Schauma“ sowie an Frau Roscher und Frau Schilling, Betriebswirtschaftlicher Verlag Th. Gabler GmbH in Wiesbaden, für die sorgfältige Betreuung des Buchs und für die erneut reibungslose Zusammenarbeit.

Roland Mattmüller Schloß Reichartshausen

Vorwort

7

Vorwort zur ersten Auflage Marketing ist die systematische und zielgerichtete Gestaltung eines Tauschprozesses. Letzterer ist daher grundlegender Untersuchungsgegenstand der Marketing-Wissenschaft und Ziel ihrer praktischen Ausgestaltung. Von diesem Standpunkt aus fällt es leicht, einen Bogen zur Neuen Institutionenökonomie zu schlagen, die das Denken der Wirtschaftswissenschaftler in letzter Zeit auf vielen Feldern geprägt und verändert hat. Vieles davon ist für die Verwendung als grundlegende Basis des Marketing geradezu prädestiniert, wie etwa das Verständnis von den Verfügungsrechten (Property Rights) als den eigentlichen Tauschobjekten, die Annahme unvollkommener Information und opportunistischen Handelns sowie vieles andere mehr. Vor allem aber begründet die Transaktionskostentheorie (als wesentlicher Baustein der Neuen Institutionenökonomie) mit ihrer Zerlegung eines Tauschvorgangs in seine einzelnen Stufen und mit der Zuordnung entsprechender Kosten und Erträge die konstitutiven Phasen eines Tauschprozesses. Ergänzt um die notwendige Integration der unterschiedliche Bezugsgruppen einer Einzelwirtschaft (also etwa der Wettbewerber, Mitarbeiter, Anteilseigner, Kunden etc.) ist damit ein wesentliches Fundament des hier vorgestellten Marketingverständnisses gelegt – des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes. Der Prozessgedanke hat dabei noch eine weitere Ausprägung. Es geht um die konsequente Ausrichtung der betroffenen unternehmerischen Aktivitäten an einem durchgängigen Marketingprozess (Denkgebäude der Marketingfunktionen), um somit Schnittstellen, etwa zwischen Marketing und Vertrieb, weitgehend zu vermeiden. In der Umsetzung führt dies auch zu einer Entscheidungsorientierung, die sich in einer Zerlegung der MarketingAufgaben nach Konzeption, Planung, Ausführung und Kontrolle niederschlägt und damit den funktionalen Marketingansatz meines akademischen Lehrers Paul W. Meyer aufgreift. Diese entscheidungsorientierte Vorgehensweise liegt auch dem vorliegenden Buch zugrunde. Innerhalb der einzelnen Abschnitte – also etwa Marktforschung oder Kommunikation – werden die anfallenden Aufgaben nach den eben genannten Managementfunktionen gegliedert (mit Ausnahme des Strategischen Marketing, das in sich ja schon zwangsläufig entscheidungsorientiert strukturiert ist). Die einzelnen Abschnitte des Buches bauen dabei – im Sinne des durchgängigen Prozessgedankens – aufeinander auf und sollten vom Leser prinzipiell auch in dieser Reihenfolge nachvollzogen werden. Gleichwohl können die Abschnitte auch separat genützt werden, etwa wenn ein Überblick nur über einen einzelnen Aufgabenbereich des Marketing gewünscht wird – für diesen Fall ist beispielsweise die Abfolge der Managementfunktionen bewusst mehrfach dargestellt worden. Es empfiehlt sich dann aber, zum Verständnis des Prozessgedankens und der institutionenökonomischen Grundlagen den einleitenden Abschnitt „Charakterisierung des Marketing“ vorab zu bearbeiten.

8

Vorwort

Somit versucht dieses Buch, sowohl eine fundierte wissenschaftliche Basis für den Marketingprozess bzw. für seine einzelnen Aufgabenbereiche (Funktionen) als auch umsetzungsorientierte Handlungsanweisungen gleichermaßen zu liefern. Diesem Zweck dient – neben den Shortcases und Beispielen im Text – vor allem auch die verwendete Fallstudie „Schauma“. Für die hervorragende Kooperation, für die Überlassung der benötigten Daten und Informationen sowie für die jederzeitige Gesprächsbereitschaft bedanke ich mich ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. Uwe Specht, persönlich haftender Gesellschafter der Henkel KGaA und seinem Team in Düsseldorf (einige Zahlen der Fallstudie wurden – aus sicherlich nachvollziehbaren Gründen – verfremdet, was jedoch an ihrer grundsätzlichen, inhaltlich-didaktischen Aussage nichts ändert). Mein Dank geht vor allem auch an die Mitarbeiter an meinem Lehrstuhl für Marketing und Handel an der EUROPEAN BUSINESS SCHOOL, die in erheblichem Maße zur Fertigstellung dieses Buches beigetragen haben. Namentlich möchte ich nennen Herrn Dipl.-Kfm. Tim Fischer, Frau Dipl.-Kffr. Angelika Kunz, Herrn Dipl.-Kfm. Matthias Tewes, Herrn Dipl.-Kfm. Thomas Weisshaupt sowie Frau Beate Wenzl. Ganz besonders bedanke ich mich bei Herrn Dr. Ralph Tunder: er hat dieses Buchprojekt seit der Konzeption maßgeblich begleitet und während der Planungs- und Ausführungsphase mit dem ihm eigenen Engagement vorangetrieben. Im Sinne der nun folgenden Kontrolle – durch den Leser – hoffen wir gemeinsam auf ein positives Feedback. Abschließend geht mein Dank an den Betriebswirtschaftlichen Verlag Dr. Th. Gabler GmbH und dort an Frau Barbara Roscher für Aufnahme und Betreuung des Buches.

Roland Mattmüller Schloß Reichartshausen

Inhaltsverzeichnis

Charakterisierung des Marketing Teil A: Aufgaben und Selbstverständnis des Marketing

19 20

1.

Historische Betrachtung

20

2.

Orientierungsphasen: Auf dem Weg zum integrierten Marketing

22

3.

Explananda der Marketingwissenschaft und grundlegende Abgrenzungen

30

3.1 Anbieterseite

31

3.2 Nachfragerseite

33

3.3 Austauschobjekte (Versorgungsobjekte)

34

3.4 Institutionelle Rahmenbedingungen

38

3.5 Auswirkungen auf die Gesellschaft

40

Teil B: Marketing-Ansätze

42

1.

Instrumenteller Ansatz

43

2.

Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM)

46

2.1 Fundament I: Transaktionskostentheorie und Grundgedanken der Neuen Institutionenökonomie

47

2.2 Fundament II: Tauschprozess und abgeleitete Marketingfunktionen

52

2.3 Fundament III: Integrationsgedanke

54

2.4 Das Ergebnis: Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM)

58

2.4.1 Darstellung des Ansatzes

58

2.4.2 Kundenzufriedenheit und -loyalität als zentrale Zielgrößen

60

10

Inhaltsverzeichnis 3.

Zur Umsetzung des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes

64

Teil C: Case Study „Schauma”

70

Literatur

80

Marktforschung Teil A: Einordnung und Grundlagen

83 84

1.

Marktforschung als Funktionsbereich des Marketing

84

2.

Entwicklung und Aufgaben der Marktforschung

86

3.

Kaufverhaltensforschung als zentraler Untersuchungsbereich der Marktforschung

88

Teil B: Management der Marktforschung 1.

2.

91

Konzeption der Marktforschung

91

1.1 Zielsetzung und Motivation

91

1.2 Operationalisierung von Konstrukten

92

Planung der Marktforschung

97

2.1 Auswahl der Informationsquellen

97

2.2 Auswahl der Erhebungseinheiten

100

2.3 Auswahl der Erhebungsmethoden

104

2.3.1 Befragung

2.3.2

104

2.3.1.1 Befragungsarten

105

2.3.1.2 Weitere Differenzierungsmöglichkeiten

108

2.3.1.3 Fragebogenentwicklung

108

Beobachtung

111

2.3.2.1 Allgemeine Charakterisierung

111

2.3.2.2 Differenzierungsansätze

113

Inhaltsverzeichnis 2.3.3

11 Experiment

115

2.3.3.1 Allgemeine Charakterisierung

115

2.3.3.2 Ausgewählte Anwendungen

116

2.3.4 Eigen- oder Fremddurchführung 3.

4.

119

Ausführung der Marktforschung

120

3.1 Feldphase

120

3.2 Analysephase

121

3.3 Interpretationsphase

125

Kontrolle der Marktforschung

126

Teil C: Case Study „Schauma“

129

Literatur

133

Strategisches Marketing (MarktprogrammErstellung) Teil A: Einordnung und Grundlagen

135

136

1.

Charakterisierung einer strategischen Vorgehensweise

136

2.

Aufgaben der Marktprogramm-Erstellung

138

Teil B: Elemente eines Marktprogramms 1.

141

Programmstruktur

142

1.1 Das Strategische Geschäftsfeld (SGF) als Basiselement

142

1.2 Strategische Optionen (Unternehmensstrategien)

146

1.2.1

Beibehaltung

1.2.2 Diversifikation

146 147

1.2.2.1 Dimensionen

148

1.2.2.2 Arten

150

1.2.2.3 Ziele

152

12

Inhaltsverzeichnis

1.2.3

1.2.4

1.2.2.4 Umsetzungsformen

154

Reduktion

155

1.2.3.1 Dimensionen und Ziele

156

1.2.3.2 Umsetzungsformen

158

Konversion

161

1.2.4.1 Dimensionen und Ziele

161

1.2.4.2 Arten und Umsetzungsformen

162

1.2.5 Multiplikation (und Kontraktion)

1.2.6 2.

3.

4.

5.

164

1.2.5.1 Dimensionen und Ziele

164

1.2.5.2 Umsetzungsformen

166

Gesamtstrategischer Zusammenhang

168

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

171

2.1 Struktur des Objektprogramms

172

2.2 Objektgestaltung

177

2.2.1

Ausgewählte Aspekte des Markenmanagement

184

2.2.2

Ausgewählte Aspekte des Preismanagement

193

Zielgruppenprogramm

203

3.1 Struktur des Zielgruppenprogramms

204

3.2 Zielgruppenbestimmung

212

Positionierungsentscheidungen

217

4.1 Grundlagen

218

4.2 Methodisches Vorgehen

219

4.3 Positionierungsstrategien

222

Programmvorgaben

223

Teil C: Case Study „Schauma”

226

Literatur

230

Inhaltsverzeichnis

13

Marktkommunikation

237

Teil A: Einordnung und Grundlagen 1.

2.

238

Einordnung der Marktkommunikation

238

1.1 Geschichtliche Entwicklung der Werbung

238

1.2 Institutionenökonomische Begründung der Marktkommunikation

240

Erscheinungsformen und kommunikationstheoretische Grundlagen

241

2.1 Erscheinungsformen der Marktkommunikation

242

2.2 Unterfunktionen der Marktkommunikation/Anbahnung

247

2.3 Der allgemeine Kommunikationsprozess und seine Bedeutung für die Werbung

251

Teil B: Management der Werbung 1.

2.

257

Konzeption der Werbung

257

1.1 Motivation und Ziele werblichen Handelns im Zusammenhang

257

1.2 Präzisierung der Werbeziele

258

1.2.1

Anforderungen an Werbeziele

258

1.2.2

Arten von Werbezielen

259

1.2.2.1 Werbekontakte als Werbeziele

260

1.2.2.2 Werbewirkungen als Ansatzpunkte zur Werbezielformulierung

261

1.2.2.2.1 Kenntnisse

263

1.2.2.2.2

Interessen

264

1.2.2.2.3

Einstellungen

264

1.2.2.2.4

Verhaltensabsichten

265

Planung der Werbung

266

2.1 Werbeobjekt

266

2.1.1

Quantitative Aspekte der Werbeobjektplanung

267

2.1.2

Qualitative Aspekte der Werbeobjektplanung

269

14

Inhaltsverzeichnis 2.2 Werbesubjekt

269

2.3 Kommunikationsform

270

2.4 Werbemittel und Werbeträger

271

Begriff und Typologisierung

271

2.4.1.1 Werbemittel der Streuwerbung

272

2.4.1.2 Werbemittel der Direktwerbung

273

2.4.1.3 Werbemittel am Ort des Kundenkontakts

274

2.4.2

Beurteilungskriterien bei der Wahl der Werbemittel

274

2.4.3

Werbeträger

275

2.4.3.1 Begriff und Typologisierung

275

2.4.3.2 Auswahl der Werbeträger

281

2.4.1

2.5 Werbegestaltung

282

Grundlagen der Werbepsychologie

283

2.5.1.1 Aktivierende Prozesse

283

2.5.1.2 Widerstände gegen werbliche Beeinflussung

287

2.5.2

Die Copy-Strategie

289

2.5.3

Gestaltung ausgewählter Werbemittel

289

2.5.3.1 Gestaltung einer Anzeige

289

2.5.3.2 Gestaltung eines TV-Spots

291

2.5.3.3 Gestaltung eines Funk-Spots

293

2.5.1

2.6 Werbebudgetierung

293

2.7 Werbezeit

296

2.7.1

Planungszeitraum der werblichen Aktivitäten

296

2.7.2

Zeitpunkt des Werbeeinsatzes

296

3.

Ausführung der Werbung

299

4.

Kontrolle der Werbung

300

5.

Agenturauswahl

301

5.1 Gründe für eine Auslagerung an eine externe Werbeagentur

301

5.2 Der Entscheidungsfindungsprozess bei der Agenturauswahl

304

Inhaltsverzeichnis

15

Teil C: Case Study „Schauma”

307

Literatur

313

Abschluss Marktvertrag

315

Teil A: Einordnung und Grundlagen

316

1.

Allgemeiner Bezugsrahmen und spezielle Problembereiche

316

2.

Grundlagen der Abschlussfunktion

318

2.1 Begriffsbestimmung und Einordnung

318

2.2 Die Systematik der Abschlussentscheidungen

320

2.2.1

Vertragsarten

320

2.2.2

Abschlussformen

323

Teil B: Management des Verkaufs

326

1.

Konzeption des Verkaufs

326

2.

Planung des Verkaufs

327

2.1 Verkaufsform und Verkaufsorgane

327

2.2 Kapazitätsplanung

331

2.3 Entlohnungsplanung

332

3.

2.3.1

Anforderungen an Entlohnungssysteme

332

2.3.2

Komponenten eines Entlohnungssystems

333

2.4 Budgetplanung

336

2.5 Verkaufsorganisation

337

2.5.1

Gesamtorganisatorische Einbindung des Verkaufs

337

2.5.2

Organisationsformen

338

2.5.3

Verkaufsbezirkseinteilung

344

2.6 Besuchsplanung

345

Ausführung des Verkaufs

346

3.1 Verkaufsaktivitäten

346

16

Inhaltsverzeichnis

4.

3.1.1

Zusammenspiel von Innen- und Außendienst

346

3.1.2

Verkaufsförderung als ausgewählter Aktivitätsbereich

347

3.2 Verkaufssteuerung

349

Kontrolle des Verkaufs

350

4.1 Verkaufsberichtswesen

350

4.2 Vertriebsinformationssysteme (VIS)

351

4.3 Ergebnis- und Prozesskontrolle

352

Teil C: Case Study „Schauma“

355

Literatur

359

Realisierung

361

Teil A: Einordnung und Grundlagen

362

1.

Bedeutung der Realisierung im Marketingprozess

362

2.

Ablauf der Realisierung (Unterfunktionen der Realisierung)

364

2.1 Qualifizierung zur Abgabe der Leistung

365

2.2 Abgabe und Annahme von Leistung und Gegenleistung

366

2.3 Begleitung der Leistungsnutzung

368

2.4 Einleitung der Folgetransaktion

368

Teil B: Management der Realisierung 1.

2.

370

Konzeption der Realisierung

370

1.1 Zeitpunkt- und zeitraumorientierte Dimension der Realisierung und abgeleitete Ziele

371

1.2 Operationalisierung der Realisierungsziele

372

Planung der Realisierung

377

2.1 Planung der Distributionsleistung

377

2.1.1

Komponenten und Aufgabenbereiche

377

Inhaltsverzeichnis 2.1.2

17 Efficient Replenishment als ausgewählter Planungsbereich

2.2 Planung des Informationsmanagement

383 387

2.2.1

Komponenten und Aufgabenbereiche

388

2.2.2

Proaktives Beschwerdemanagement als ausgewählter Planungsbereich

389

3.

Ausführung der Realisierung

394

4.

Kontrolle der Realisierung

400

4.1 Wirkungskontrolle

401

4.2 Wirtschaftlichkeitskontrolle

404

Teil C: Case Study „Schauma“

407

Literatur

411

Stichwortverzeichnis

413

Charakterisierung Charakterisierungdes des Marketing Marketing

x Sie kennen die historischen Wurzeln der Marketing-Wissenschaft. x Sie erhalten eine Übersicht über wichtige Untersuchungsgebiete und Zielgrößen des Marketing in Anwendung und Forschung. x Sie verstehen die Grundlagen eines integrierten Marketingverständnisses. x Sie können die Bedeutung der Neuen Institutionenökonomie für einen prozessorientierten Marketingansatz nachvollziehen. x Sie kennen somit die Basis des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes und verstehen seine Zusammenhänge. x Sie können ausgewählte (organisatorische) Konsequenzen für die praktische Marketingtätigkeit in Unternehmen nachvollziehen.

20

Charakterisierung des Marketing

Teil A: Aufgaben und Selbstverständnis des Marketing 1.

Historische Betrachtung

Marketing als Tätigkeit

Marketing ist die Gestaltung eines Tauschprozesses, der in der Realität unterschiedlich systematisch und durchgängig, sowie mit entsprechend unterschiedlichem Erfolg angegangen und beendet wird. Insofern stellt Marketing eine ausgeübte Tätigkeit dar, die zum Untersuchungsgegenstand wissenschaftlicher Überlegungen – der Marketing-Wissenschaft – werden kann.

Marketing als Wissenschaft

In diesem Sinne haben die Menschen immer schon Marketing betrieben, denn im Rahmen von Tauschprozessen fielen seit jeher Aufgaben an, die heute der Marketing-Disziplin zugeordnet werden – wie etwa Angebots- und Preisgestaltung, Werbung, Verkauf etc. Marketing ist also keineswegs – wie immer wieder zu lesen und zu hören ist – etwas „Neues“, „Modernes“ oder gar „Modisches“. Modern in unserem Verständnis sind allenfalls die Methoden zur Analyse tauschrelevanter Probleme und die Vielzahl der mittlerweile entwickelten Instrumente zu ihrer Lösung, um Tauschprozesse dadurch effizienter gestalten zu können. Dennoch: Die Zusammenfassung von bereits seit langer Zeit betriebener Tätigkeit und ihrer methodischen wissenschaftlichen Analyse und Unterstützung zu einer als eigenständig anerkannten Disziplin in Forschung und Praxis könnte dabei als die Geburtsstunde des Marketing im heutigen Sinne bezeichnet werden. So betrachtet kann das Marketing – wie auch die Betriebswirtschaftslehre als solche – auf eine gut einhundertjährige Geschichte zurückblicken (wobei die Zugehörigkeit des Marketing zur BWL von verschiedenen Seiten aus immer wieder auch kritisch diskutiert oder – etwa in Bezug auf die verhaltenswissenschaftliche Forschungsrichtung – sogar verneint wurde).

MarketingBegriff

Der Begriff Marketing tauchte kurz nach der Jahrhundertwende im amerikanischen Sprachraum auf. Von Henry Charles Taylor wird berichtet, er habe bereits 1901 im Rahmen einer Vorlesung an der University of Wisconsin über „Distribution and Marketing of Farm Products“ referiert (Jones, 1994, S. 71). 1912 hielt Arch W. Shaw am Harvard College Vorträge über das Konzept der Marketingfunktionen, und Marketing gehörte an der dortigen Business School bereits kurz nach ihrer

Historische Betrachtung

21

Gründung im Jahre 1908 zum festen Bestandteil des Ausbildungsprogramms. Ralph Starr Butler proklamierte für sich, etwa zur gleichen Zeit den Terminus „Marketing Methods“ begründet zu haben. Unabhängig von der sprachlichen Festlegung war die Idee einer systematischen und wissenschaftlichen Analyse von Austauschprozessen und der dabei angewandten einzelnen Komponenten – wie etwa Werbung oder Verkaufsaktivitäten – zur damaligen Zeit bereits seit längerem in Deutschland vorzufinden. An Handelshochschulen bzw. Universitäten – namentlich beispielsweise Berlin, Halle, Heidelberg, Jena und Leipzig – wurde der Grundstock zunächst der deutschen bzw., unter Berücksichtigung von Wien, der deutschsprachigen MarketingForschung und -Lehre gelegt (damals allerdings noch beispielsweise als „Absatzlehre“ bezeichnet). Sie war stark durch ihren handelsbetrieblichen Ursprung geprägt, wie ja die gesamte Betriebswirtschaftslehre ihre Ursprünge in der Betrachtung handelsspezifischer Fragen zum einen und agrarökonomischer Belange zum anderen hatte (eine Tatsache, die aufgrund der später erfolgten Zuwendung der BWL zum Industriebetrieb lange Zeit in Vergessenheit geriet). Durch zahlreiche Studienaufenthalte amerikanischer Studenten und Wissenschaftler an den eben genannten Hochschulen gelangten die Grundgedanken einer absatzbezogenen Betrachtung in die Vereinigten Staaten, wo sie – wie bereits oben erwähnt – relativ zielstrebig zu einer allgemeinen Marketing-Theorie ausgebaut wurden. Bereits ab Mitte des ersten Jahrzehnts trafen sich Marketingvertreter im Rahmen der American Economic Association – 1924 wurde daraus die National Association of Teachers of Marketing and Advertising gegründet (Jones, 1992, S. 5 ff. sowie Hansen/Bode, 1999, S. 54).

Geschichte der MarketingWissenschaft

Die deutschsprachige „Absatzlehre“, die sich vor allem in den 20er Jahren spürbar zu entfalten begann, vollzog gleichzeitig den Übergang zu einer industrieorientierten Betrachtung. Dabei schälten sich zunehmend die einzelnen Komponenten einer systematischen Vermarktung heraus und entwickelten sich weiter (man denke unter anderem auch an die Fortschritte der Marktforschung durch Vershofen und Schäfer). Dennoch: nicht zuletzt auch bedingt durch die nach dem Jahrhundertwechsel heftig geführte Diskussion über die Eigenständigkeit der Privatökonomie (der späteren BWL) und ihrer einzelnen Teilgebiete gegenüber der damals bereits etablierten Nationalökonomie (der späteren VWL) sowie natürlich auch durch die schlechten, kriegsbedingten Umstände für wirtschaftswissenschaftliche Betätigung dauerte die Entwicklung eines geschlossenen Lehr- und Forschungsgebäudes in Deutschland länger als der vergleichbare Prozess in den Vereinigten Staaten (Hansen/Bode, 1999, S. 59 ff.; Schneider, 2001, S. 44). Schon damals zeichnete sich – ungeachtet der oben skizzierten, ursprünglichen Ausgangs-

Absatzlehre

Wurzeln des Marketing

22

Charakterisierung des Marketing lage – eine Zeitverschiebung ab, die das Verhältnis von amerikanischer und deutschsprachiger Marketingforschung lange Zeit kennzeichnete und dies sicherlich auch heute noch zumindest stellenweise tut.

Marketing als durchgängige Bezeichnung

In den sechziger Jahren kam es schließlich und fast konsequenterweise zur Übernahme des Terminus „Marketing“ und zur weitgehenden Ablösung entsprechender deutschsprachiger Begriffe. Dieser Vorgang wird heute noch vielfach als die Geburtsstunde des Marketing schlechthin bezeichnet. Die obigen Ausführungen sollten aber zeigen, dass sich zu dieser Zeit eben nicht die akademische Disziplin an sich – unabhängig von der ihr zugrunde liegenden praktischen Tätigkeit – sondern lediglich eine unbestritten griffige Bezeichnung zu etablieren begann.

2.

Orientierungsphasen

Orientierungsphasen: Auf dem Weg zum integrierten Marketing

Im Verlauf seiner bisherigen Geschichte haben sich die Inhalte und Schwerpunkte des Marketing sowohl in der Anwendung und Bedeutung innerhalb der Unternehmen als auch in der Forschung mehrfach verändert. Im Wesentlichen lassen sich dabei die folgenden Orientierungsphasen voneinander abgrenzen, die vor allem auch durch die jeweiligen Marktverhältnisse (Käufer- oder Verkäufermärkte) und die Wettbewerbsverhältnisse geprägt wurden (Meffert, 1999a, S. 6 f.; Hansen/Bode, 1999, S. 103 ff.): Produktions- und Distributionsorientierung

Produktionsund Distributionsorientierung

Kennzeichnend für diese erste Orientierungsphase des Marketing im modernen Sinne war die auf den meisten Märkten zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorzufindende Konstellation des Verkäufermarkts (Nachfrage übersteigt Angebot). Vorherrschend waren gleichzeitig die zunehmende Massenproduktion vor dem Hintergrund einer scheinbar unbegrenzten Nachfrage und das Bemühen um Verbesserung der Produktionsmethoden zur Erzielung von Skaleneffekten. Es galt also, die Versorgung der (produzierenden) Unternehmen mit den in immer größeren Mengen benötigten Input-Faktoren (Rohstoffe, Vorprodukte etc.) sicherzustellen. Die Beschaffungsseite bildete folgerichtig häufig den eigentlichen Engpass der Unternehmen, da man sich absatzseitig auf die Distribution/Verteilung der fertig produzierten Güter auf einem

Orientierungsphasen: Auf dem Weg zum integrierten Marketing

23

prinzipiell aufnahmebereiten Markt beschränken konnte. Letzteres schließt nicht aus, dass die Unternehmen – wie immer schon – etwa zur Information über neuartige Produkte auch Methoden der Werbung einsetzten oder sich erste – und zum Teil bis heute vorzufindende – Markenartikel insbesondere im Konsumgüterbereich herausbildeten. Mit Letzterem wurde gleichzeitig ein zentrales Konstrukt des Marketing geschaffen, das Forschung und praktische Anwendung seitdem vielfach beschäftigt. Verkaufsorientierung Die im Laufe der Zeit und dabei in den verschiedenen Branchen unterschiedlich schnell einsetzenden ersten Sättigungserscheinungen (Entwicklung zu Käufermärkten) oder auch durch wirtschaftliche Rahmenbedingungen bedingten Kaufzurückhaltungen der Nachfrager zwangen die Anbieter zu verstärktem Einsatz absatzpolitischer Instrumente, wie etwa zu erhöhten Werbeaufwendungen oder auch zu aktiven und zum Teil auch zunehmend aggressiven Verkaufsmethoden. Allgemein standen diese beiden Funktionsbereiche – also Kommunikation/Werbung einerseits und Verkauf andererseits – im Mittelpunkt des damaligen Marketingverständnisses bzw. Marketing bestand in den Augen der Entscheidungsträger letztendlich aus diesen zwei Aufgaben. Historisch betrachtet lässt sich diese Orientierung beispielsweise in den USA der 20er Jahre nachweisen, in Deutschland reichte sie auf vielen Märkten bis hinein in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Verkaufsorientierung

Diese ersten beiden Orientierungsphasen haben zusammenfassend gemeinsam, dass das Marketing – auf die Absatzseite bezogen – erst am Ende der Wertschöpfungskette, also nach der Produktion, auf die Bühne tritt und bereits fertige Produkte im Markt zu verteilen (Distributionsorientierung) bzw. aktiver zu vermarkten (Verkaufsorientierung) hat. Ein Rückgriff auf andere betriebliche Funktionen – mit Ausnahme der teilweise vorzufindenden Beschaffungsorientierung – fand in der Regel nicht statt. Produktorientierung Eine erste Änderung dieser eben beschriebenen Beschränkung des Marketing findet sich in der Phase der Produktorientierung. Produktqualität und Produkteigenschaften werden hierbei als die wesentlichsten Voraussetzungen für den Unternehmenserfolg verstanden. Für das Marketing rückt als Folge die (Mit-)Verantwortung für die Produktgestaltung zunehmend in den Vordergrund, wobei dies in der Realität jedoch häufig auf einzelne Komponenten des Produkts, wie etwa Design und Verpackungsfragen, bezogen bleibt. Angebotspolitisch versucht das Marketing gleichzeitig, Impulse beispielsweise für Produktinnova-

Produktorientierung

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Charakterisierung des Marketing tionen und -differenzierungen zu geben. Eine wesentliche, organisatorische Konsequenz der Produktorientierung zeigt sich in frühen Ausprägungen des Produktmanagements, das seitdem in vielen Unternehmen die Aufbauorganisation prägt. Kunden- bzw. Bedürfnisorientierung

Kunden- bzw. Bedürfnisorientierung

Auf Käufermärkten rücken die Bedürfnisse der Nachfrager als zentrale Vorgaben in den Mittelpunkt unternehmerischer Entscheidungen. Damit dreht sich die Perspektive eines Unternehmens: statt einer von innen nach außen gerichteten Betrachtung des Geschehens (das Unternehmen weiß, was gut und wichtig ist) dominiert jetzt eine von außen nach innen orientierte Einstellung (das Unternehmen fragt den Nachfrager, was für diesen gut und wichtig ist). In der Marketing-Forschung dieser Phase spielen dementsprechend verhaltenswissenschaftliche Ansätze eine wichtige Rolle. Gleichzeitig wird die Verantwortung des Marketing als generelle Managementkonzeption zur Ausrichtung aller unternehmerischen Aktivitäten auf den Markt betont.

Risiken einer Bedürfnisorientierung

Die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Nachfrager darf dabei jedoch nicht als absolute Forderung missverstanden werden. Zum einen sind die Nachfrager häufig gar nicht in der Lage, ihre zukünftigen Erwartungen – und diese sind für Neuentwicklungen ja letztendlich relevant – an die Angebote der Unternehmen zu formulieren. Oder aber sie nehmen heute bereits erhältliche Komponenten und übertragen diese mehr oder weniger linear in die Zukunft. Fragt man also beispielsweise einen heutigen Computernutzer nach seinen anwendungsbezogenen Wünschen für die mittlere Zukunft, so wird er diese mehrheitlich auf Basis der heutigen Leistungsmerkmale von Computern formulieren (noch flachere Bildschirme, leistungsfähigere Sprachsteuerung etc.). Echte und originäre innovative Sprünge wird er nur selten zu leisten vermögen. Diese für konsumgüternahe Märkte charakteristische Problematik sieht bei Investitions- und Produktionsgüter hingegen in den meisten Fällen anders aus. Hier stehen dem Anbieter entsprechende Experten auf Kundenseite gegenüber, die durchaus ihre Probleme und die von Lieferanten erwarteten Lösungsmöglichkeiten definieren und Vorgaben ableiten können. Häufig erfolgen sogar gemeinsame Entwicklungen zwischen Anbieter und späterem Abnehmer im Rahmen von langfristigen Beziehungen.

Innovationsstärke

Zum anderen würde die Innovationsstärke eines Unternehmens leiden, wenn sich dieses ausschließlich an den bereits vorhandenen Bedürfnissen und Erwartungen orientiert. So wichtig also das frühzeitige Aufgreifen von Marktimpulsen und die Überprüfung des jetzigen Status auf den Märkten, beispielsweise durch regelmäßige Kundenzufriedenheitsstudien, auch sind, so unverzichtbar sind stets auch innovative Entwick-

Orientierungsphasen: Auf dem Weg zum integrierten Marketing

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lungen durch die Anbieterseite. Ihre Erfolgsaussichten sind auch durch noch so ausgefeilte Marktforschung ex ante nur eingeschränkt überprüfbar. Unter dieser Prämisse betrachtet, bleiben jedoch trotzdem die übergreifende Ausrichtung eines Unternehmens an seinen relevanten Märkten und damit die Aufgabe einer einseitigen Inside-OutPerspektive wesentliche Fortschritte der Kunden- bzw. Bedürfnisorientierung auf dem Weg zu einem durchgängig marketingorientierten Unternehmen. Integrationsorientierung Diese vorerst letzte Orientierungsphase des Marketing wird einerseits ausgelöst durch die veränderten Ansprüche der Nachfrager bzw. der Gesellschaft als Ganzes gegenüber den Anbietern – beispielsweise hinsichtlich ökologischer, ethischer und sozialer Belange. Zum anderen zeigen sich in ihrer Bedeutung gewachsene Anforderungen und unterschiedliche Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen eines Unternehmens bzw. Zielsetzungen, die gegenüber diesen Gruppen zu verfolgen sind und die sich gegenseitig beeinflussen. Beispielhaft sind hier zu nennen die Lieferanten, die Wettbewerber, die Kunden sowie – innerhalb der Unternehmung – Mitarbeiter und Anteilseigner (sowie jeweils potenzielle Zielgruppen, also zukünftige Mitarbeiter auf dem Personalmarkt, Kapitalgeber etc.). Diese erfordern eine stärker ganzheitliche Sicht des Marketing, das hierdurch zu einer zentralen Querschnittsfunktion im Unternehmen zur Sicherstellung der Berücksichtigung der verschiedenen internen und externen Zielgruppen wird. Im Sinne dieser Integrationsaufgabe ist Marketing als grundlegende Führungs- und Unternehmensmaxime zu verstehen (siehe hierzu ausführlich Mattmüller/Tunder 2004, S. 15 ff.)

Integrationsorientierung

Die zentrale These eines integrierten Marketing lautet deshalb: „Ein dauerhafter Markterfolg ist nur gewährleistet bei dauerhaftem und ausgewogenem Abgleich von Interessen und (bei) Erfüllung von Bedürfnissen aller relevanten Zielgruppen auf Absatz- und Beschaffungsmärkten, innerhalb der Einzelwirtschaft und in der Gesellschaft“ (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 812). Grönroos argumentiert ähnlich, wenn er dem Marketing die Aufgabe zuordnet, „... den Aufbau, die Aufrechterhaltung und Verstärkung der Beziehungen zum Kunden, anderen Partnern (Stakeholdern) und gesellschaftlichen Anspruchsgruppen zu gestalten“ (Grönroos, C. 1994, zitiert nach Meffert, 1999b, S. 41).

Integriertes Marketing

Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist unter anderem, die strategische Rolle des Marketing zu akzeptieren und seine immer noch häufig anzutreffende Beschränkung auf eher operative Aufgaben zu verlassen (siehe hierzu auch Abschnitt „Strategisches Marketing“).

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Charakterisierung des Marketing Einige Beispiele sollen diese obigen Ausführungen zum integrierten Marketing verdeutlichen.

Gesellschaft als Bezugsgruppe

Reputation als Zielgröße

Anteilseigner als Bezugsgruppe

So ist etwa gegenüber der Gesellschaft auf eine gute Reputation des Unternehmens zu achten, weil damit die Basis für die Glaubwürdigkeit des Unternehmens bei den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen und Entscheidungsträgern gelegt wird. Verspielen Unternehmen ihre Reputation, so ergeben sich entsprechende Folgewirkungen auf einer Vielzahl von Gebieten. Als Beispiel sei hier die Shell und ihr Vorhaben der Versenkung der Ölplattform Brendt Spar genannt, das in unmittelbarer Folge und aufgrund des Boykottaufrufs durch Greenpeace spürbare Umsatzverluste nach sich zog. Dabei sind mittelbare Konsequenzen einer Reputationsschädigung bei anderen als der meistens im Vordergrund stehenden Zielgruppe „Abnehmer“ häufig sogar noch langwieriger und gefährlicher: beschädigte Unternehmen tun sich auch schwer, ausreichend Personal akquirieren zu können: so leidet in Deutschland gegenwärtig die gesamte Versicherungsbranche darunter, vakante Agenturen mit Nachwuchskräften oder Quereinsteigern nicht in ausreichendem Maße besetzen zu können – nicht zuletzt eben auch aufgrund des nach wie vor in weiten Kreisen verbesserungswürdigen Rufs der Branche. Die Reputation einer Einzelwirtschaft ist eine den Bezugsgruppen gestellte „Geisel“ – je länger und mit je mehr Aufwand eine gute Reputation aufgebaut wurde, um so mehr wird die Einzelwirtschaft in ihren Aktivitäten mögliche Konsequenzen für die Reputation berücksichtigen, um die dort gebundenen Investitionen nicht zu gefährden. Damit lässt sich etwa auch der Vertrauensvorschuss rechtfertigen, der etablierten Anbietern beim Nachfrager häufig zukommt. Betrachtet man das jeweilige Unternehmen, so stellen die Anteilseigner bzw. Eigenkapitalgeber eine wichtige Zielgruppe dar, die im Rahmen eines durchgängigen Marketing genauso zielgerichtet und systematisch wie etwa externe Kunden zu bearbeiten sind – beispielsweise durch regelmäßige Informationen über den Geschäftsverlauf und die erzielten Ergebnisse etc. Der Wettbewerb um potenzielle Kapitalgeber spielt gerade bei börsennotierten Unternehmen eine entscheidende Rolle und wurde in der Vergangenheit hinsichtlich seiner Bedeutung und Eigenständigkeit häufig vernachlässigt. Stichworte wie Shareholder Value oder Investor Relations deuten jedoch darauf hin, dass sich dies bereits zu ändern beginnt. Die zielgerichtete Vermarktung vor Börseneinführungen oder auch bei der Neuausgabe von Aktien hat nicht zuletzt durch die bekannten Kampagnen der Telekom in den Jahren 1996 und 1999 oder von Mannesmann im Jahr 1998 neue Maßstäbe erhalten. Der um den Jahreswechsel 1999/2000 erbittert geführte Wettkampf von Vodafone um die Zustimmung der Aktionäre von Mannesmann für eine Übernahme – bzw. der Versuch von Mannesmann, eine solche zu ver-

Orientierungsphasen: Auf dem Weg zum integrierten Marketing

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hindern – ist ein weiteres und in seiner Tragweite zumindest für europäische Verhältnisse bis dato nicht vorhandenes Beispiel für diese Bezugsgruppe und deren Bearbeitung.

Nachfrager

eigenes Unternehmen

Integriertes Marketing 0

Wettbewerber

Gesellschaft

Lieferanten

Abb. 1: Integrationsfelder und -beziehungen des integrierten Marketing (Mattmüller/Tunder, 2004, S. 16; Meffert, 1992, S. 4)

Als weitere Untergruppe innerhalb des Unternehmens sind auch die Mitarbeiter als Zielgruppe eines integrierten Marketingverständnisses aufzufassen (Internal Marketing), etwa bei Informations- und Kommunikationsmaßnahmen, bis hin zur organisatorischen Gestaltung eines Unternehmens durch interne Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen. Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeiter stellen letztendlich wesentlichste Voraussetzungen für die gleichen Konstrukte auf Kundenseite dar, also für Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität. Auf diese beiden zentralen Zielgrößen des Marketing wird an einer späteren Stelle noch intensiv einzugehen sein.

Mitarbeiter als Bezugsgruppe

Die Notwendigkeit eines aufeinander abgestimmten Vorgehens im Sinne des hier beschriebenen integrierten Marketing ergibt sich beispielsweise bei Werbemaßnahmen: eine TV- oder Print-Kampagne wird ja nicht nur von den Umworbenen als Angehörige der Zielgruppe „Abnehmer“ sondern – neben der allgemeinen Öffentlichkeit – auch von

Integrierte Kommunikation nach innen und außen

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Charakterisierung des Marketing den Angehörigen des eigenen Unternehmens, den Mitarbeitern gesehen. Die in der Kampagne getroffenen Werbebotschaften sollten dabei zwangsläufig auch mit dem Eigenbild übereinstimmen, das die Mitarbeiter von ihrem Unternehmen oder dessen Angeboten haben. Zeigt sich ein Unternehmen in der Kommunikation nach außen beispielsweise als sehr kundenorientiert und gegenüber Beschwerden als sehr kulant, im Innenverhältnis aber herrscht bei den Führungskräften keinerlei Bereitschaft, Kritik der eigenen Mitarbeiter zu akzeptieren, so wirkt das nach außen vermittelte Bild bei Letzteren aufgesetzt und wenig nachvollziehbar. Als Konsequenz leidet die Glaubwürdigkeit des Unternehmens bei seinen Mitarbeitern, was wiederum Auswirkungen auf deren Motivation haben kann. Die Interdependenzen der einzelnen Anspruchsgruppen wurden in diesem Fall nicht beachtet bzw. die notwendige Querschnittsfunktion hat versagt.

Wettbewerber als Bezugsgruppe Komparative Konkurrenzvorteile als Zielgröße

Steht hinsichtlich der Anspruchsgruppe der Lieferanten das Ziel einer langfristigen und betriebswirtschaftlich effizienten Beziehung im Vordergrund, so geht es bei der Bezugsgruppe Wettbewerber um den Aufbau „Komparativer Konkurrenzvorteile (KKV)“. Unter letzteren ist das Bemühen zu verstehen, bei den aus Kundensicht wichtigen Leistungsbereichen besser zu sein als die relevanten Konkurrenten (wobei sowohl die Frage, wer besser oder schlechter ist als auch wer relevanter Wettbewerber ist, stets nur der Kunde beantworten kann). Die obige Einteilung in Orientierungsphasen des Marketing ist nicht trennscharf im Sinne eines historisch ablaufenden Prozesses zu verstehen. Das jeweilige Marketingverständnis war und ist nicht bei allen Unternehmen zur gleichen Zeit in einer vergleichbaren Orientierungsphase. So gibt es sicherlich auch heute noch Branchen, deren Wettbewerbsbedingungen eine Orientierung aus einer eher frühen Phase zulassen, etwa bei oligopolistischen oder gar monopolistischen Konstellationen. Auch gibt es Unternehmen, die zu spät erkennen, dass sie ihre Marketingorientierung hätten weiterentwickeln müssen.

Beispiel

Ein Beispiel hierfür sind die großen Energieversorgungsunternehmen (EVU), deren Marketingverständnis bis vor kurzem bestenfalls als distributionsorientiert zu kennzeichnen war – sofern Marketing überhaupt eine explizite Rolle in diesen Unternehmen gespielt hat. Erst mit der Deregulierung des Strommarkts im Jahr 1999 wandelten sich die Wettbewerbsverhältnisse geradezu radikal und die Anbieter waren gezwungen, auf eine aktive Marktbearbeitung der gewerblichen und auch privaten Abnehmer umzustellen (zunehmende Phase der Verkaufsorientierung). Die Tatsache, dass sich das Marketingverständnis der etablierten EVU`s erst spät – und im Vergleich zur Marktdynamik sowie zu branchenfremden, auf den Strommarkt drängenden Konkur-

Orientierungsphasen: Auf dem Weg zum integrierten Marketing

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renten fast zu spät – weiterentwickelt hat, lässt dabei interessante Verschiebungen in den nächsten Jahren erwarten. Mit der obigen Charakterisierung sollte zudem gleichzeitig eine Zielrichtung deutlich werden: modernes bzw. zukünftiges Marketing hat die Integrationsorientierung anzustreben und damit seiner Rolle als Querschnittsfunktion im Unternehmen, als treibende Kraft zur Sicherstellung der Marktausrichtung gerecht zu werden. In diesem Sinne und vor einer noch folgenden Betrachtung der einzelnen Bestandteile, sprich Funktionen oder Instrumente, ist Marketing daher an dieser Stelle zunächst als Konzept abzugrenzen:

Querschnittsfunktion des Marketing

„Marketing ist marktorientiertes Denken und Handeln, ist steuernde Funktion zur Ausrichtung aller einzelwirtschaftlichen Aktivitäten in Absatz- und Beschaffungsmärkten“ (Meyer/Mattmülller, 1999, S. 812).

Definition

Der bereits bei Schär verwendete Einzelwirtschaftsbegriff wurde hier deswegen beibehalten, weil er die Anwendbarkeit des MarketingKonzepts auf alle persönlichen und juristischen Personen signalisiert, die sich an Tauschprozessen beteiligen (also beispielsweise traditionelle Unternehmen und Betriebe, aber auch Privathaushalte, Behörden, Freie Berufe, Spenden- und Umweltschutzorganisationen, Universitäten etc.).

Einzelwirtschaft

Die Übertragung des Marketing und seines Instrumentariums auf nichterwerbswirtschaftliche Organisationen bzw. Betätigungsfelder war dabei unter dem Schlagwort des „Broadening the Concept of Marketing“ bereits seit den siebziger Jahren Gegenstand entsprechender Forschungen (bis hin zu Kotler’s „Generic Concept“ aus den frühen 70er Jahren, wonach letztendlich alle menschlichen Handlungen im Sinne von Tauschbeziehungen durch Marketing gestaltbar sind). Im Ergebnis zeigt sich heute das Sozio-Marketing als ein ausdifferenzierter eigenständiger Themenbereich in der Marketingwelt und umfasst Aufgaben auf der Beschaffungsseite (Spendenwerbung, Fund Raising) und auf der Absatzseite (hier etwa Aufklärung und Information oder angebotene nichtkommerzielle Dienstleistungen wie Gesundheitsvorsorge im Rahmen von Impfaktionen, Anti-Aids-Kampagnen etc.). Daneben erfolgte als „Deepening the Concept of Marketing“ stufenweise eine stärkere Ergänzung der kommerziellen Zielsetzungen erwerbswirtschaftlicher Unternehmen durch zusätzliche Zielinhalte, wie Mitarbeiterinteressen, ökologische Belange etc. Letzteres spiegelt sich auch in der obigen Integrationsorientierung und dem zugrunde liegenden Anspruchsgruppenkonzept wieder.

„Broadening and Deepening"

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Charakterisierung des Marketing

3.

Explananda der Marketingwissenschaft und grundlegende Abgrenzungen

Explanandum

Diejenigen Erscheinungen, die durch eine Wissenschaft – nach der Beschreibung als erster Erkenntnisstufe – erklärt werden sollen, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten (deskriptive, explikative und praktisch-normative bzw. ethisch-normative Komponente wissenschaftlichen Arbeitens) werden Explananda genannt. Ein Explanandum wird durch das Explanans (gleich Gesetzesaussagen in Verbindung mit Rahmenbedingungen) erklärt. Explananda stellen dabei sowohl Einzelfragen dar, können aber im weitesten Sinne auch als grundlegende Fragegebiete einer Wissenschaft verstanden werden.

Konstitutive Elemente eines Tauschprozesses

Wenn die praktische Ausprägung von Marketing in ihrem Kern die Gestaltung eines Tauschprozesses ist, dann ergibt sich daraus für die Marketing-Wissenschaft als zwingend logische Aufgabe, diesen Tauschprozess zu analysieren und aufzuarbeiten. Als konstitutive Elemente eines Tausch- oder Transaktionsprozesses lassen sich die beteiligten Tauschpartner (Anbieter und Nachfrager) sowie das betreffende Tauschobjekt nennen. Zudem sind Rahmenbedingungen gegeben (z.B. gesetzliche Restriktionen), die das Umfeld für Tauschprozesse schaffen. Ausgehend von diesen Bestandteilen einer Transaktion und von der gesellschaftlichen Einbettung – wie sie in der obigen integrierten Marketingorientierung deutlich gewordenen ist – lassen sich in Anlehnung an Hunt (Hunt, 1983, S. 13) fünf grundlegende Explananda der MarketingWissenschaft festhalten:

Grundlegende Explananda der MarketingWissenschaft

1. das Verhalten der Anbieter im Austauschprozess, 2. das Verhalten der Nachfrager im Austauschprozess, 3. die transaktionsbeeinflussenden Eigenschaften von Austauschobjekten, 4. die institutionellen Rahmenbedingungen, die Tauschprozesse erst ermöglichen oder diese verhindern (können), 5. die Auswirkungen des Verhaltens der Anbieter und Nachfrager sowie der diese betreffenden institutionellen Rahmenbedingungen auf die Gesellschaft.

Explananda der Marketingwissenschaft und grundlegende Abgrenzungen

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Systematisiert anhand dieser Explananda können nachfolgend einige grundlegende, terminologische und inhaltliche Abgrenzungen getroffen werden.

3.1 Anbieterseite So verbergen sich etwa unter dem Begriff „Anbieter“ ganz unterschiedliche Einzelwirtschaften, die nach ihrer jeweiligen spezifischen Leistungserstellung und charakteristischen Aufgabe im Tauschprozess folgendermaßen zu unterscheiden sind (Meyer, 1973, S. 85 ff. und S. 134 ff.; Meyer/Mattmüller, 1999, S. 864 ff.): a) Erste Anbieter (1.A.) Erste Anbieter sind Einzelwirtschaften, die Austauschobjekte erstmalig erstellen bzw. auf Märkte bringen. Darunter sind nicht etwa Innovationen im Sinne einer originär-erstmaligen Neuigkeit zu verstehen – gemeint ist vielmehr die Erstellung des jeweiligen einzelnen Objekts, egal ob es sich dabei um das erste oder x-tausendste Stück handelt, und das entsprechende Anbieten auf Märkten.

Erster Anbieter

Zu den Ersten Anbietern gehören x Grund- und Rohstoffproduktion (also Land- und Forstwirtschaft und naheliegende Gebiete sowie Bergbau, Energie etc.); x Fertigungsindustrie (zentrale, arbeitsteilige, maschinen-dominante und auf Massenfertigung ausgerichtete Arbeitsweise, sowohl bei Halbfertig- als auch bei Fertigerzeugnissen); x Manufakturwesen (zentrale, zwar arbeitsteilige, aber handwerklichdominante Arbeitsweise, in der Regel bei Serienproduktion – als Sonderausprägung bei dezentraler Leistungserstellung zeigt sich das Verlagswesen, heute noch etwa im Rahmen von Heimarbeit vorzufinden); x Veredelung (zum Zwecke der Konservierung, der Verbesserung der Verwendungsfähigkeit – etwa bei der Imprägnierung von Stoffen – und der Multiplikation, z.B. Druckereien); x Erstellendes Handwerk (handwerklich-dominante, im Gegensatz zur Manufaktur aber nicht streng arbeitsteilige und in der Regel nur auf Einzelstücke ausgelegte Arbeitsweise);

Ausprägungen der Ersten Anbieter

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Charakterisierung des Marketing x Dienstleistung (Dienstleistung verstanden als immaterielle Leistungsfähigkeiten, die an externen Faktoren erbracht werden und dabei jedes Mal eine mehr oder weniger standardisierte oder individualisierte erstmalige Leistung darstellen); x Anbieter ökonomischer Chancen (beispielsweise von Versicherungsleistungen, Lotterielosen, etc.) (siehe hierzu auch in diesem Abschnitt Kap. 3.3). b) Händler

Händler

Neben den Ersten Anbietern zeigen sich Händler als Zwischennachfrager und Zwischenanbieter, die von den Ersten Anbietern bereits erstellte Objekte beschaffen und absetzen. Dies setzt handelbare Tauschobjekte voraus, was etwa bei persönlich erbrachten Dienstleistungen aufgrund deren Bindung an die Person des Dienstleisters nicht gegeben ist (nur vorher veredelte Dienstleistungen, beispielsweise eine Vorlesung oder ein Seminar als Videoaufzeichnung, können gehandelt werden). Kennzeichen von Händlern, die an den gehandelten Objekten keine substantielle Veränderung vornehmen, ist der Umschlag von Sortimenten als ihre spezifische Leistungserstellung, wobei als konstitutives Merkmal ein zweifacher Eigentumsübergang (beim Einkauf und beim Verkauf) resultiert.

Konsequenzen des Eigentumsübergangs

Neben erhöhten Risiken (z.B. Verlustrisiko) und betriebswirtschaftlichen Konsequenzen (etwa Finanzierungsbelastung, Kapitalbindung etc.) sind mit dem Eigentumskriterium auch rechtliche Belange verbunden: so können Handelsbetriebe in Deutschland aufgrund des prinzipiellen Verbots der „Preisbindung der zweiten Hand“ die Preise für ihre angebotenen Objekte de jure selbst bestimmen (Preisautonomie des Händlers), wobei sich im deutschem Recht gleichzeitig einige Ausnahmen gehalten haben (etwa – zumindest bisher noch – bei Druck und Verlagserzeugnissen). c) Absatzmittler

Absatzmittler

Absatzmittler sind selbständige Gewerbetreibende, die im Auftrag von Ersten Anbietern oder auch von Händlern (etwa für Großhändler zur Bearbeitung des Einzelhandels) tätig werden können. Auch sie übernehmen also die Tauschobjekte von anderen Einzelwirtschaften, erwerben aber im Gegensatz zu Händlern kein Eigentum an den Objekten. Im Einzelnen lassen sich nennen:

Ausprägungen von Absatzmittlern

x Handelsvertreter bzw. Agenturen (Tätigkeit erfolgt im fremden Namen und auf fremde Rechnung – Beispiele hierfür stellen etwa auch die meisten Tankstellen der großen Mineralölgesellschaften in

Explananda der Marketingwissenschaft und grundlegende Abgrenzungen

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Deutschland dar, deren Pächter beim Absatz von Treibstoffen und Motorölen als Agenturen auftreten); x Kommissionäre (Tätigkeit erfolgt im eigenen Namen und auf fremde Rechnung); x Makler (bringen die Abschlussinteressenten zusammen, haben keine Abschlussvollmacht).

3.2 Nachfragerseite Auch der Begriff des Nachfragers aus dem zweiten Explanandum ist genauer abzugrenzen, zumal er mit einer Vielzahl von Bezeichnungen belegt wird (Kunde, Käufer, Konsument etc.). Dabei ist vor allem auch zwischen dem Erwerb eines Objekts einerseits und der Verwendung andererseits zu differenzieren (Meyer, 1996, S. 23 f.): a) Letzter Nachfrager Als Gegenstück zum Ersten Anbieter ist in Fortsetzung unseres Marktmodells der Letzte Nachfrager zu sehen: er entnimmt ein Tauschobjekt zum letzten Mal dem Vermarktungs- oder Tauschprozess. Dabei kann es sich sowohl um einen Privathaushalt handeln, der beispielsweise Lebensmittel eingekauft hat, als auch um ein Unternehmen, das etwa Rohstoffe für die Weiterverarbeitung erwirbt. In beiden Fällen werden die erworbenen Objekte als solche nicht mehr Gegenstand eines weiteren Tauschprozesses, sondern verbleiben zum Zweck der Versorgung bzw. zur Benutzung innerhalb der erwerbenden Einzelwirtschaft. Der Letzte Nachfrager kann also durchaus die erworbenen Objekte für die Erstellung anderer Objekte verwenden und letztere dann wieder – als Erster Anbieter – auf Märkte bringen (Beispiel: Kauf einer Blechpressmaschine durch einen Automobilhersteller als Letzter Nachfrager dieser Maschine, Herstellung von PKW, Angebot der Autos als Erster Anbieter).

Letzter Nachfrager

b) Letzter Verwender Mit der oben beschriebenen Entnahme von Objekten aus dem Tauschprozess ist keineswegs die gleichzeitige Verwendung durch dieselbe Einzelwirtschaft verknüpft. Eltern kaufen Spielsachen für ihre Kinder, Unternehmen beschaffen Arbeitsgeräte für die einzelnen Mitarbeiter etc. Neben dem Letzten Nachfrager steht daher noch der Letzte Verwender von Tauschobjekten. Der Sinn dieser Unterscheidung hängt beispielsweise mit der Frage nach der umworbenen Zielgruppe zusammen: soll etwa ein Spielwarenhersteller mehr die Erwachsenen als Letzte

Letzter Verwender

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Charakterisierung des Marketing Nachfrager umwerben oder die Kinder als Letzte Verwender? Im ersten Fall dürften didaktische Inhalte, Hinweise auf die verwendeten Materialien etc. eine stärkere Rolle spielen, während im zweiten Fall Spielmöglichkeiten und die Einbettung in bestehende Phantasiewelten im Vordergrund stehen. Deutlich wird in diesem Zusammenhang, dass die üblicherweise verwendeten Begriffe äußerst unscharf sind. So wird bei „Konsument“ nicht ersichtlich, ob der Letzte Nachfrager oder Verwender gemeint ist. Käufer bzw. Kunde deutet dabei eher auf ersteren hin.

Geschlossener Markt (Direktabsatz) versus Marktkette

Vollzieht sich der Leistungsaustausch unmittelbar zwischen Erstem Anbieter und Letztem Nachfrager (Verwender), d.h. das Eigentum geht beispielsweise vom Hersteller eines Guts direkt auf den Nachfrager über, so wird damit die Marktform des geschlossenen Markts (Direktabsatz bzw. Direktbeschaffung) begründet. Auch der Einsatz der oben beschriebenen Absatzmittler ändert an dieser Marktform nichts, da diese ja nicht das Eigentum an den Austauschobjekten erwerben. Hingegen wird durch Händler und dem damit verbundenen Eigentumsübergang die Marktform der Marktkette begründet. In der Realität finden sich häufig Aneinanderreihungen dieser beiden Marktformen (z.B. geschlossener Markt zwischen Rohstoff- oder Teilelieferanten und einem PKWHersteller, Absatz der fertigen Autos über Händler). So wird etwa auch ein spezielles Haarshampoo für Kinder ganz anders zu bewerben sein (etwa bei der Gestaltung eines Werbespots) als ein Shampoo für Erwachsene (siehe beispielsweise die Kommunikation für „Schauma Kids“).

3.3 Austauschobjekte (Versorgungsobjekte) Abgrenzung der Austauschobjekte

Zur Abgrenzung der möglichen Austauschobjekte (auch als Versorgungsobjekte bezeichnet) als drittem konstitutiven Bestandteil eines Transaktionsprozesses liegen in der relevanten Literatur verschiedenartige Vorschläge vor. So wird gängigerweise etwa nach der Verwendungssphäre in Konsum- bzw. Produktivgüter unterschieden, wobei dann nach der Dauer erstere in kurzfristige Verbrauchs- und langfristige Gebrauchsgüter und letztere analog in Produktions- und Investitionsgüter eingeteilt werden. Unter anderem wegen der dabei auftretenden Überschneidungen sind für die Ableitung konkreter Marketingmaßnahmen andere Systematisierungen besser geeignet. Dabei sind die Austauschobjekte sowohl aus einer eher anbieter- als auch eher nachfrageorientierten Sichtweise zu betrachten. Erstere führt zu einer Eintei-

Explananda der Marketingwissenschaft und grundlegende Abgrenzungen

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lung, wie sie teilweise bereits im obigen Zusammenhang mit den Kategorien der Ersten Anbieter erwähnt wurde (Meyer, 1996, 16 f.): x Waren: sie sind als relativ einfache Kategorie von Objekten dadurch gekennzeichnet, dass sie als natürliche oder künstliche Erzeugnisse im Sinne der Vermarktungsfähigkeit nicht zerleg- oder auflösbar sind (womit Umwandlungs- oder Auflösungsprozesse bei der Verwendung bzw. Nutzung nicht ausgeschlossen sind). Beispiele für Waren sind etwa Waschmittel, Nägel, Lebensmittel oder Bleistifte.

Waren

x Dienste: sie stellen immaterielle Leistungsfähigkeiten dar, die entweder zur Erstellung anderer Objekte geeignet sind (Erstellungsleistung, etwa das maßgenaue Bauen eines Schranks durch einen Schreiner) oder unmittelbar an Personen oder Objekten (externe Faktoren) konkretisiert werden (Dienstleistungen). Beispiele für letztere sind die Dienstleistungen von Ärzten, Anwälten, Beratern, Dozenten, Friseuren oder auch eine Autoreparatur.

Dienste

x Ökonomische Chancen: darunter sind Ansprüche auf Realisierung einer mindestens zweiseitigen Vereinbarung zu verstehen. Als Untergruppen zeigen sich erstens Wagnis-Chancen mit dem Anspruch auf Beteiligung an Gewinn- bzw. Verlustmöglichkeiten (z.B. Lotterie); zweitens Absicherungs-Chancen als Ansprüche zum Ausgleich von eingetretenen Risiken bzw. Schäden (z.B. Versicherungen). Drittens belegen objektgebundene Chancen Ansprüche auf Verwendung bzw. Nutzung anderer Tauschobjekte (z.B. Kaufverträge, Eintrittskarten für ein Konzert). Viertens stehen Tausch-Chancen für die Austauschfähigkeit mit grundsätzlich allen anderen Objekten (z.B. geltende Währungseinheiten).

Ökonomische Chancen

x Objektsysteme: sie stellen Aggregate aus mindestens zwei gleichoder verschiedenartigen Austauschobjekten der drei obigen Kategorien dar, also beispielsweise ein Kugelschreiber mit den beiden Waren „Hülle“ und „Mine“.

Objektsysteme

Diese Kategorisierung von Austauschobjekten ermöglicht dem Anbieter weitreichende Einblicke in die spezifischen Vermarktungsfähigkeiten. So zeigen sich etwa Unterschiede, ob ein normaler Holzbleistift vermarktet werden soll oder ein Druckbleistift. Stellt ersterer als Ware eine im Sinne der Vermarktungsfähigkeit nicht weiter zerlegbare Einheit dar, so lassen sich bei letzterem die äußere Hülle und die Minen getrennt anbieten. Gelingt es dabei, ein sogenanntes geschlossenes Objektsystem zu schaffen, d.h. dass in die Hülle eines bestimmten Herstellers ausschließlich nur dessen Minen passen, so ist der Folgekauf letztendlich für den Zeitraum der Benutzung durch den Nachfrager gesichert. Diesen Weg versuchen viele Hersteller im erwähnten Bereich

Geschlossene Objektsysteme

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Charakterisierung des Marketing der Schreibgeräte, aber etwa auch bei Kamerasystemen zu gehen. Andererseits kann eine zu starke Geschlossenheit den Nachfrager auch vom Kauf abhalten, wie Beispiele aus dem Computerbereich zeigen (lange Zeit eingeschränkte Kompatibilität von Apple-Mackintosh Computern).

Beispiele für Unterscheidung der Austauschobjekte

Ein weiteres Anwendungsbeispiel für diese Unterscheidung stellt eine Briefmarke dar. Sie ist als simple Ware zunächst nur ein mehr oder weniger buntes Stückchen Papier. Als objektgebundene Chance berechtigt sie jedoch, die Beförderungs-Dienstleistung der Deutschen Post AG in Anspruch zu nehmen – als Tausch-Chance kann sie etwa bei der Anforderung von Informationsmaterial statt Geldnoten eingesetzt werden („Legen Sie bitte € 10.- in Scheinen oder in Briefmarken bei!“) – für den Sammler ist sie unter Umständen eine Wagnis-Chance. Für die Deutsche Post AG als Anbieter stellen dabei die beiden zuletzt genannten Möglichkeiten die interessantesten dar, wird doch das Stückchen Papier für beispielsweise 0,55 € gekauft, ohne dass eine Dienstleistung erbracht werden muss. Entsprechend bearbeitet die Post den Sammler von Briefmarken als eine für sie äußerst lukrative Zielgruppe. Abschließend soll noch auf ein Beispiel aus dem Bereich der ökonomischen Chancen eingegangen werden. Eine Eintrittskarte für ein ausverkauftes Konzert stellt auf dem „Schwarzmarkt“ vor der Halle ein unter Umständen sehr profitables Austauschobjekt dar, noch lange bevor die eigentlich dahinter stehende Dienstleistung in Anspruch zu nehmen ist. Der Kaufvertrag für ein begehrtes und mit langen Wartezeiten versehenes Auto kann – sofern der Hersteller solche Übertragungen nicht ausgeschlossen hat – an einen Dritten im Sinne eines Bezugsrechts häufig mit einem deutlichen Zuschlag weiterverkauft werden, obwohl die endgültige Auslieferung des Autos (als Objektsystem) noch einige Zeit in Anspruch nimmt. Deutlich wird an diesen Beispielen nochmals die Eignung dieser Einteilung zur anbieterorientierten Analyse von Austauschobjekten hinsichtlich ihrer Vermarktungsbesonderheiten (siehe hierzu auch den Ansatz der Property Rights in diesem Abschnitt Kap. B 2.1).

Informationsökonomische Unterscheidung

Dieser anbieterbezogenen Perspektive steht eine Betrachtung aus Nachfragersicht gegenüber, die aus der Informationsökonomik (als einem Bereich der im weiteren Verlauf noch näher zu betrachtenden Neuen Institutionenökonomik) stammt (Weiber, 1993, S. 60; siehe hierzu auch Abschnitt „Marktkommunikation“, Kap. A 1.2). Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass das Verhalten des Nachfragers im Transaktionsprozess unter anderem stark von seinem Informationsstand einerseits und seinen Informationsmöglichkeiten über die gewünschten Austauschobjekte andererseits abhängt (womit diese Theorie gleichzeitig auch ein

Explananda der Marketingwissenschaft und grundlegende Abgrenzungen

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Beispiel für Untersuchungen im Rahmen des zweiten Explanandum, des Verhaltens der Nachfrager, darstellt). Hierzu lassen sich Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften von Objekten festhalten. Besitzen Objekte Sucheigenschaften, so kann der Nachfrager diese vor dem Vertragsabschluss ohne größeren Aufwand durch Informationsbeschaffung und -auswertung beurteilen (etwa hinsichtlich ihrer Qualität). Bei Erfahrungseigenschaften muss nach Vertragsabschluss das Objekt verbzw. gebraucht oder in Anspruch genommen werden, um zu einer Beurteilung zu kommen und bei Vertrauenseigenschaften kann der Nachfrager nicht einmal durch die bzw. nach der Nutzung ein Urteil abgeben. Es bleibt ihm daher in letzterem Fall nur das Vertrauen übrig, dass ihm zugesicherte Eigenschaften und Qualitäten vorliegen oder bestimmte Ergebnisse sich eingestellt haben (bzw. einstellen werden). Ein Beispiel für ein Objekt mit überwiegend Sucheigenschaften stellt etwa ein Druckbleistift dar. Um die Qualität eines Autos zu testen, ist es über längere Zeit hinweg zu nutzen (überwiegend Erfahrungseigenschaften). Nach einer medizinischen Operation muss sich der Patient schlichtweg darauf verlassen, dass das Erforderliche getan wurde – wie bei vielen sogenannten Experten-Dienstleistungen liegen hier fast ausschließlich Vertrauenseigenschaften vor.

Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften

Wie gerade auch schon angedeutet, kann einem Austauschobjekt in der Regel nie genau nur eine Eigenschaft zugeordnet werden. Vielmehr liegt häufig eine Kombination aus Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften vor, wobei die eine oder andere jeweils stärker vorkommt oder dominiert. Die Eigenschaftsanteile summieren sich hierbei stets zu 100%. Diese Schwerpunktsetzung erfolgt durch die Tauschpartner, hier vor allem durch den Nachfrager, durchaus subjektiv und im Zeitablauf unterschiedlich. Objekte, die beim ersten Kauf überwiegend Erfahrungsoder gar Vertrauenseigenschaften aufweisen, zeigen für den geübten Käufer und nach dem wiederholten Kauf vielleicht bereits stärker Sucheigenschaften auf (z.B. exotische Früchte). Der Nachfrager sucht zu diesem Zweck Schlüsselinformationen („Information Chunks“), die ihm seine – wie erwähnt zwangsläufig auch subjektive Informationsverarbeitung – erleichtern oder sogar erst ermöglichen („Screening“). Für den Anbieter gilt es, den Nachfrager hierbei beispielsweise durch bekannte Markennamen, Gütesiegel oder etwa Testurteile zu unterstützen und die unter Umständen kaufhemmende Unsicherheit abzubauen („Signaling“) (siehe Abschnitt „Marktkommunikation“, Kap. A. 1.2).

Screening and Signaling

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Charakterisierung des Marketing Ausmaß an Vertrauenseigenschaften

100%

100%

Ausmaß an Sucheigenschaften

100%

Ausmaß an Erfahrungseigenschaften

Abb. 2: Transparenzeigenschaften von Austauschobjekten (Weiber, 1993, S. 74)

3.4 Institutionelle Rahmenbedingungen Marketing und Recht

Führen wir institutionelle Rahmenbedingungen hier etwas vereinfacht auf rechtliche Restriktionen zurück, so kann wahrscheinlich jeder Leser schon aus eigener Erfahrung als Nachfrager bestätigen, wie eng Marketing und Recht verknüpft sind.

Beispiele für rechtliche Restriktionen

Hier seien nur einige Beispiele genannt: so ist etwa im Einzelhandel bzw. allgemein gegenüber „Letztverbrauchern“ (so der gesetzliche Terminus) die Angabe von Preisen und ihre Darstellung durch die Preisangabenverordnung (PAngV) geregelt. Die Frage, in welchem Umfang der Einzelhändler überhaupt sein Geschäft öffnen darf, bestimmt das Ladenschlussgesetz (LschlG). Gleichzeitig sind die Niederlassungsmöglichkeiten größerer Handelsbetriebe durch die Baunutzungsverordnung (BauNVO) beschränkt. Ein weiteres Beispiel ist der Versandhandel für pharmazeutische Produkte, der in Deutschland bis zum 1. Januar 2004 gesetzlich verboten war.

Explananda der Marketingwissenschaft und grundlegende Abgrenzungen Hersteller haben bereits bei der Entwicklung von Produkten eine Vielzahl von unterschiedlichen Regelungen (z.B. Normierungen) zu beachten, die zudem alles andere als international oder zumindest europaweit einheitlich sind. Im Außenauftritt ergeben sich weitere wesentliche Punkte etwa aus dem Markengesetz. Werbung für bestimmte Produkte (z.B. Tabakwaren) ist durch eine EU-Richtlinie bei der Medienauswahl begrenzt. Die Preispolitik der Hersteller hat – bei Absatz über die Marktkette – in der Kommunikation das Verbot der „Preisbindung der zweiten Hand“ zu berücksichtigen – gleichzeitig bleiben Druck- und Verlagserzeugnisse davon ausgenommen (es sei denn, sie erscheinen auf elektronischen Datenträgern). Berücksichtigt man darüber hinaus die zunehmende Verlagerung gerade dieser Fragen auf die europäische Ebene (etwa die Festlegung der Rechte und Pflichten von Franchisegeber und -nehmer), so wird die Bandbreite juristischer Regelungen selbst für den „Eingeweihten“ nahezu unübersichtlich.

39 Verbot der "Preisbindung der zweiten Hand"

Ohne an dieser Stelle eine notwendigerweise ausführlichere Diskussion über Nutzen oder Schaden dieser oder anderer Restriktionen führen zu können, so zeigen doch die wenigen Beispiele, dass viele MarketingMaßnahmen ohne detaillierte Kenntnis und Berücksichtigung gegebener rechtlicher Bedingungen gar nicht durchführbar sind oder eben bestimmte Tauschprozesse dadurch verhindert werden. Andererseits ist auch offensichtlich, dass funktionierende Märkte ohne rechtlichen Schutz nicht möglich wären – dies zieht sich wie ein roter Faden durch die Wirtschaftsgeschichte hindurch. Ohne gesicherte Vertragsfreiheit mit dem Recht auf freiwillige Annahme oder Ablehnung eines Angebots kommt keine Tauschbeziehung zustande, wie sie unserem Verständnis von Marketing als zwangsfreiem System zugrunde liegt. Gleichwohl muss vor dem gegenwärtigen Hintergrund für Deutschland eine insgesamt sehr restriktive Haltung des Gesetzgebers und der gerichtlichen Institutionen festgestellt werden. Dabei halten sich auch nicht wenige Regelungen, die ihren eigentlichen und oft nur aus dem historischen Umfeld heraus zu verstehenden Sinn längst verloren haben. So stammte etwa die bis zum Jahr 2001 geltende Zugabeverordnung aus dem Jahr 1932: sie war Bestandteil der damaligen „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz der Wirtschaft“ und ist vor dem Hintergrund eines damals auch stark ideologisch gefärbten Kampfs gegen „preisaggressive“ Einheitspreisgeschäfte, wie etwa Woolworth, zu sehen. Ähnliches galt auch für das Rabattgesetz vom November 1933.

Zugabeverordnung und Rabattgesetz

Die oftmals vorgetragene Begründung, diese Gesetze würden in ihrer Summe auch heute noch – neben der Sicherung eines fairen Wettbewerbs – vor allem den (privaten) Verbraucher schützen wollen, ist dabei

Beispiel „Lands' End"

40

Charakterisierung des Marketing nicht immer nachvollziehbar – wie etwa das Beispiel des Versenders Lands’ End zeigt. Diesem wurde im Herbst 1999 gerichtlich untersagt, für seine „Guaranteed. Period.“ zu werben. Unter diesem Begriff ist eine „lebenslange Umtauschgarantie“ zu verstehen, die nach Meinung der Klägerin („Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.“) und des Gerichts ein Verstoß gegen die damals noch geltende Zugabeverordnung darstellte. Die Meinung der Nachfrager wurde in diesem Zusammenhang nicht abgeprüft. Erst im Zusammenhang mit notwendigen Harmonisierungen des europäischen Wettbewerbsrechts („Fernabsatzgesetz") kam es in den letzten Jahren zu einer Lockerung bzw. einer Abschaffung gerade von Rabattgesetz und Zugabeverordnung, welche dann vom Gesetzgeber im Jahr 2001 aufgehoben wurden.

Marketing und Politikberatung

Angesichts der unbestritten starken Einflüsse des Rechts auf Marketingmaßnahmen ist es um so verwunderlicher, dass sich die MarketingWissenschaft bisher nur in sehr geringem Umfang mit dieser Schnittstelle beschäftigt hat. Notwendig ist aber eine Aufarbeitung nicht nur aus rein juristischer Sichtweise: vielmehr muss die Kompetenz des Marketing bereits bei der vorbereitenden Gestaltung der Rechtsnormen ein stärkeres Gewicht erhalten. Dabei ist neben der Beschreibung und umsetzungsgerechten Darstellung der gegebenen Restriktionen – und der durch sie ausgelösten Wirkungen – eine aktive Beratung der entsprechenden Verantwortlichen erforderlich. Hier zeigt sich ein noch relativ unbearbeitetes und von der praktischen Akzeptanz her gleichzeitig äußerst attraktives Feld für Marketing-Wissenschaftler.

3.5 Auswirkungen auf die Gesellschaft Marketing und gesellschaftliche Belange

Die Untersuchungsziele und -inhalte dieses fünften Explanandum ergeben sich aus der Integrationsorientierung des Marketing und der dortigen Berücksichtigung der Gesellschaft. Versteht sich die MarketingWissenschaft – wie es die Betriebswirtschaftslehre insgesamt tut oder tun sollte – als eine kritische und zur Kritik bereite Wissenschaft, so muss sie zwangsläufig auch Auswirkungen der von ihr empfohlenen Handlungen analysieren und bewerten. Sie wird damit ihrer ethischnormativen Verantwortung gerecht. Diese Forderung lag – wie schon weiter oben erwähnt – auch dem „Deepening the Concept of Marketing“ zugrunde und fand beispielsweise Ausdruck in der Beachtung ökologischer Belange.

Explananda der Marketingwissenschaft und grundlegende Abgrenzungen

41

In der Tat muss im Rahmen einer Folgeabschätzung beispielsweise auch bedacht werden, welche Konsequenzen die Vermarktung des Autos als Massenverkehrsmittel mit sich bringt. Ist es mit Blick auf den Treibhauseffekt wirklich wünschenswert, etwa in Ländern wie China oder Indien eine fast explosionsartige Zunahme der dort abgesetzten PKW anzustreben bzw. wer sollte auf welcher Grundlage über mögliche (Selbst-)Beschränkungen entscheiden? Welche Auswirkungen hat Marketing für Tabakprodukte für die Nichtraucher, die sich nur beschränkt gegen die bekannten gesundheitlichen Folgen dieser Produkte wehren können (eine freie Willensentscheidung der aktiven Raucher im Sinne einer Eigenverantwortlichkeit für ihr Tun unterstellt)?

Folgeabschätzung

Letztendlich hat jeder Entscheidungsträger, der in Unternehmen bzw. Organisationen entsprechende Entscheidungen trifft, sich diese Fragen zu stellen und Verantwortung zu übernehmen. Keinesfalls darf diese Diskussion als eine rein abstrakte Veranstaltung abgetan werden (frei nach dem Motto: „Der Markt zwingt uns dazu – wenn wir es nicht tun, dann eben die Konkurrenz“). Die Marketing-Wissenschaft kann hier eine wichtige Funktion als Spiegelbild übernehmen und auch schon im Interesse ihrer eigenen Reputation auf Fehlentwicklungen hinweisen. Nicht zuletzt zeigen die durchaus nicht wenigen Beispiele etwa ökologieorientierter Unternehmen, dass sich im Zusammenspiel von intrinsischer Motivation der Entscheider, aber sicherlich auch von Druck durch Nachfrager und Öffentlichkeit sowie unbestreitbar auch von Stellungnahmen, Kommentaren und Hilfestellungen der Wissenschaft einige Verbesserungen ergeben haben.

Verantwortung der Entscheidungsträger

42

Charakterisierung des Marketing

Teil B:

Marketing-Ansätze

Paradigma

In den bisherigen Ausführungen standen die historische Entwicklung des Marketing und sein sich in den einzelnen Orientierungsphasen widerspiegelndes Selbstverständnis im Mittelpunkt. Parallel dazu formten sich die Schwerpunkte und Untersuchungsgebiete der Marketingwissenschaft heraus, die sich nach verschiedenen und bis heute teilweise nebeneinander existierenden Paradigmen strukturieren lassen. Unter einem Paradigma einer wissenschaftlichen Disziplin ist eine der einzelnen Aufgabenstellung übergeordnete und für eine abgrenzbare Forschungsrichtung stehende Betrachtungsweise zu verstehen, in der sich das gemeinsame Grundverständnis von Forschern der jeweiligen Richtung über die Auswahl der zu stellenden Fragen und Vorgehensweise zu deren Beantwortung widerspiegelt. Im Folgenden sollen zur Verdeutlichung kurz zwei paradigmatische Grundströmungen herausgegriffen werden (Mattmüller, 1998, S. 13 ff.; Meffert, 1999b, S. 44 ff.):

Verhaltenswissenschaftliches Paradigma

Ein solches grundsätzliches Paradigma des Marketing stellt etwa die verhaltenswissenschaftliche Orientierung dar. Unter Bezug auf psychologische und soziologische Erkenntnisse stehen die Erforschung vor allem des Konsumentenverhaltens und so zentraler Konstrukte wie Einstellungen, Motive und Verhaltensweisen im Vordergrund. Im Laufe der Zeit wurden etwa grundlegende Modelle zur Kaufprozessforschung entwickelt und die Basis zur Image- und Positionierungsforschung gelegt. Dem verhaltenswissenschaftlichen Paradigma kommt dementsprechend im Bereich der Kommunikation und des Verkaufs, aber eben auch bei strategischen Fragen eine hohe Bedeutung zu. Aufgrund seiner unumgänglichen Nähe vor allem zur Psychologie wurde es in der Vergangenheit – zu Unrecht – als nicht-ökonomisch bezeichnet und teilweise sogar aus der Betriebswirtschaftslehre ausgegrenzt.

Entscheidungsorientiertes Paradigma

In enger Übereinstimmung mit dem betriebswirtschaftlichen Ideal steht hingegen das entscheidungsorientierte Paradigma. Sein Ziel ist die Abbildung von unternehmerischen Problemen in Entscheidungsmatrizen, um – unter Zielannahmen – Handlungsalternativen, Umweltzustände und Reaktionen bewerten zu können. Dem entscheidungsorientierten Denken entspricht auch eine das Marketing bis heute bestimmende Systematisierung der konkreten Werkzeuge zur Gestaltung des Tauschprozesses: der instrumentelle Ansatz (Marketing-Mix), der daher nachfolgend genauer zu betrachten ist.

Instrumenteller Ansatz

1.

43

Instrumenteller Ansatz

Die Antwort auf die Fragen: „Was ist eigentlich Marketing? Was machen die Marketing-Mitarbeiter?“ war lange Zeit durch das instrumentelle Denken geprägt – und ist dies durchaus auch heute noch. Darunter wird eine Systematisierung der konkreten Instrumente des Marketing verstanden, die mit Blick auf die jeweils angestrebten Ziele zu einer optimalen Mischung – dem Marketing-Mix – abzustimmen sind. Es war insbesondere das Verdienst von McCarthy, der aufbauend auf entsprechenden Vorarbeiten diesen Ansatz gegen Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entwickelte (Hansen/Bode 1999, S. 106 f.). Seine Gliederung wurde als 4P-Ansatz berühmt (Product, Price, Promotion, Place) und fand auch im deutschsprachigen Raum unter x

Produktpolitik,

x

Preispolitik,

x

Kommunikationspolitik und

x

Distributionspolitik.

Instrumenteller Marketing-Ansatz

„4 P-Ansatz“

weite Verbreitung, sowohl als Plattform für Forschungsarbeiten in den jeweiligen Gebieten als auch als Strukturierung der Aufgaben in der Marketingpraxis. Im Verlauf der Zeit wurden einerseits die Marktforschung als Datengrundlage und andererseits die Marktsegmente als Zielgrößen explizit ergänzt. Die Verdienste dieses Ansatzes für die Verbreitung des Marketinggedankens sind unbestritten. Dabei hat auch die Tatsache nicht stören können, dass sein eigentliches Ziel – eben die Gestaltung des optimalen Instrumenteneinsatzes in Form des Mix – nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Anwendung nur schwer operationalisierbar bzw. nicht ermittelbar ist. Zudem ist die Frage zu stellen, auf welcher Gewichtung diese vier Instrumente beruhen, warum es also gerade diese sein sollen, die eine geeignete Systematisierung der Marketingwerkzeuge bieten. Beispielsweise zeigen sich Ungleichgewichte zwischen der umfassenden Produktpolitik einerseits und der speziellen Preispolitik andererseits, weswegen der letztgenannte Bereich in überarbeiteten Fassungen auch häufig als Teil der Produktpolitik aufgeführt wird. Neben der Straffung brachte etwa auch die verstärkte Berücksichtigung des Dienstleistungs-Marketing eine Ausweitung der Instrumente mit sich: so führen einige Autoren mittlerweile insgesamt sechs oder sieben Teilpolitiken auf (etwa die Ergänzung der bekannten vier P´s durch Power und Publicity, siehe hierzu Meffert, 1999b, S. 39).

Modifikation des „4 PAnsatzes“

44

Charakterisierung des Marketing

Marktsegmente

Kontrahierungspolitik

Kommunikationspolitik

Produktpolitik

Distributionspolitik Marktforschung Abb. 3: Instrumenteller Marketing-Ansatz (Mix-Ansatz) Kritikpunkte

Unabhängig von der konkreten Zahl bleibt aber aus wissenschaftlicher Sicht vor allem das dahinter stehende Konzept unklar. Die Entscheidungskriterien für die Selektion der Instrumente werden selten oder häufig gar nicht begründet – mit leider nur wenigen Ausnahmen – bzw. geraten in Vergessenheit. Es verbleibt der Eindruck einer mehr oder weniger willkürlichen Auswahl ohne theoretisches Gerüst: „the four Ps now are regarded as merely a handy framework“ (Day/Montgomery, 1999, S. 3). Könnte man dies mit dem Hinweis, es handele sich nichtsdestotrotz um eine weithin anerkannte Konvention noch abmildern, so hat dieses instrumentelle Marketingverständnis allerdings auch einige ernst zu nehmende Fehlentwicklungen gefördert, die für das Marketing in der praktischen Anwendung sehr hinderlich waren.

Rückzug auf die instrumentelle Ebene

So stellt Marketing in vielen Unternehmen bis heute einen eher nachgelagerten, weil eben auf der instrumentellen Ebene angesiedelten Funktionsbereich dar, der sich an den Vorgaben der strategischen Planung bzw. Unternehmensführung auszurichten hat. Auf die Umsetzung vor allem von kommunikativen Teilaufgaben (Werbung, Verkaufsförderung im weitesten Sinne) beschränkt, hat Marketing wenig Durchgriffsmöglichkeiten auf grundlegende Entscheidungen (wie etwa auf Definition und Auswahl der zu bearbeitenden Strategischen Geschäftsfelder, siehe hierzu auch Abschnitt „Strategisches Marketing“, Kap. B 1.1). Häufig wird Marketing in Unternehmen mit dieser hierarchischen Einbettung immer noch schlichtweg mit Werbung bzw. Kommunikati-

Instrumenteller Ansatz

45

on gleichgesetzt. Als Konsequenz sind solche Unternehmen von einem integrierten Marketingverständnis noch weit entfernt. Insbesondere in technikdominierten Unternehmen herrscht dabei nach wie vor eine Inside-out-Perspektive vor, wie sie kennzeichnend für die in Kapitel A 2 beschriebenen frühen Orientierungsphasen des Marketing war und ist. Letztendlich beruht das Gerüst des Mix-Ansatzes auf einer Vorstellung, der zufolge der Kunde – sozusagen als Zielobjekt – nur mit den richtigen Instrumenten bzw. mit deren optimaler Kombination bearbeitet werden muss und dann fast zwangsläufig auch kaufen wird.

Inside-outPerspektive

Dabei zeigt sich zudem keine durchgängige Klammer über alle Instrumentalbereiche hinweg bzw. eine solche spielt zumindest explizit keine Rolle (sie wurde erst im Rahmen der Diskussion um das strategische Marketing oder die Marketing-Managementkonzeption nachgeholt). Vor allem aber richtet sich das instrumentelle Verständnis nicht am grundlegenden Erkenntnisgegenstand des Marketing aus, der bereits mehrfach in den obigen Ausführungen betont wurde: dem Austauschprozess bzw. an dessen Gestaltung und Koordination. Das Beziehungsgeflecht zwischen Anbieter und Nachfrager findet in diesem Ansatz nur eine unzureichende Berücksichtigung (Bruhn, 2001, S. V). Damit wird auch verständlich, warum einige Themen, die sich im Prinzip eigentlich zwangsläufig aus einer Prozessbetrachtung ergeben (beispielsweise das „Beziehungs-Marketing“), in jüngster Zeit häufig als „Neuerungen“ dargestellt wurden – obwohl sie dieses gar nicht sind. Insofern verengt das Denken in der instrumentellen Gliederung den Blickwinkel und so entgeht „... uns vieles, weil es nicht in das Schema der ‘4 P’s’ ...paßt“ (Dichtl, 1998, S. 47).

Mangelnde Ausrichtung am Tauschprozess

Vor dem Hintergrund dieser Kritik ist es notwendig, ein Marketingverständnis zu entwickeln, das sich unmittelbar am Tauschprozess orientiert und neben einer tragfähigen Plattform für dessen wissenschaftliche Aufarbeitung vor allem auch die hierarchische Position des Marketing in der Praxis zu verändern hilft: der Integrativ-Prozessuale Marketingansatz.

46

Charakterisierung des Marketing

2.

Hauptfunktionen einer Einzelwirtschaft

Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM)

Um wirtschaftlich bestehen zu können, muss jede Einzelwirtschaft – sofern sie nicht auf reine Selbstversorgung abstellt – vier grundlegende Aufgaben mehr oder weniger bewusst erfüllen (Meyer, 1996, S. 26): es gilt, x notwendige Input-Faktoren (Materialien, Finanzmittel, Mitarbeiter etc.) zu beschaffen, x auf dieser Basis eine Leistung zu erstellen (Produktion bei den Ersten Anbietern; Sortimentsumschlag bei gleichzeitigem Eigentumsübergang bei den Händlern; Leistungsübertragung und -konkretisierung am externen Faktor bei den Dienstleistern), x die Leistung abzusetzen (bei Dienstleistungen geschieht dies gleichzeitig mit der Leistungserstellung – uno actu-Prinzip) und x diese Funktionen zu koordinieren bzw. zu leiten. Diese Aufgaben können als wirtschaftliche Hauptfunktionen einer Einzelwirtschaft bezeichnet werden.

Leitung

Beschaffung

Leistungserstellung

Absatz

Abb. 4: Hauptfunktionen einer Einzelwirtschaft Teilfunktionen

Stellt man Beschaffung und Absatz gegenüber, so ergibt dies den Tausch- oder Transaktionsprozess, der ja bereits mehrfach als grundlegender Untersuchungsgegenstand des Marketing betont wurde. Dieser kann wiederum in einzelne Phasen eingeteilt werden, woraus die zu erledigenden Aufgaben (Teilfunktionen) des Marketing resultieren. Berücksichtigt man dabei noch die Mitwirkung der anderen Marktseite

Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM)

47

(aus Anbietersicht also des Nachfragers), so gelangt man zu dem hier vorzustellenden Marketingverständnis. Dessen drei Fundamente sollen nachfolgend aber zunächst genauer erklärt werden.

2.1 Fundament I: Transaktionskostentheorie und Grundgedanken der Neuen Institutionenökonomie Die Transaktionskostentheorie ist zentraler Baustein der Neuen Institutionenökonomie und hat mit dieser zusammen in der jüngeren Vergangenheit das Denken der Wirtschaftswissenschaftler auf vielen Feldern geprägt bzw. verändert. Erste gezielte Versuche, dieses Gedankengut auch im Marketing zu verwenden, wurden zwar bereits etwa gegen Anfang der achtziger Jahre unternommen, jedoch findet eine stärkere Auseinandersetzung erst seit einigen Jahren statt. An dieser Stelle sollen nun nur im Überblick die Grundzüge der Neuen Institutionenökonomie bzw. der Transaktionskostentheorie vermittelt werden, soweit diese zum Verständnis des nachfolgenden Marketingansatzes notwendig sind.

Neue Institutionenökonomie und Transaktionskostentheorie

Ausgangspunkt der Verbreitung der Neuen Institutionenökonomie ist die Kritik an der Modellwelt der Neoklassik. In dieser werden Angebot und Nachfrage allein über den Preis geregelt – Initiierung, Gestaltung und Durchführung ökonomischer Transaktionen verursachen gleichzeitig keinerlei Kosten (Richter/Furobotn, 1996, S. 9). In dieser Modellwelt besteht für alle Marktbeteiligten dementsprechend kostenlos vollkommene Information sowohl über Preise und Güter als auch über alle Zustände und Rahmenbedingungen, die zum Zeitpunkt einer (Kauf-) Entscheidung existieren oder eintreten könnten. Auch Erfahrungen der Vergangenheit spielen keinerlei Rolle bei der Entscheidungsfindung. Die daran Beteiligten weisen vollkommene Rationalität auf und können folgerichtig vollständige, d.h. keinerlei Unklarheiten oder offene Punkte hinterlassende Verträge schließen. Die einzige notwendige Einrichtung (Institution) zum Funktionieren dieser Welt ist der vollkommene Markt, der über seinen Preismechanismus für eine kostenlose und effiziente Koordination der einzelwirtschaftlichen Funktionen (Beschaffung, Absatz etc.) sorgt (Kaas, 1995, S. 2; Gümbel/Woratschek, 1995, Sp. 1008 ff.).

Neoklassik

48 Realitätsferne

Charakterisierung des Marketing Es ist unmittelbar einsichtig, dass viele Inhalte des Marketing in dieser Modellwelt kaum bzw. gar nicht notwendig sind und dass das Marketing seit jeher Probleme hatte, dieses realitätsfremde Fundament zu akzeptieren (so wäre etwa die verhaltenswissenschaftliche Forschungsrichtung des Marketing bei der obigen Rationalitätsannahme gar nicht vorstellbar).

Annahmen der NIÖ

Demgegenüber beruht die Neue Institutionenökonomie auf weitaus realitätsnäheren Annahmen, die den Austauschprozess erst überhaupt problematisieren und die sich hervorragend auf die „Marketing-Welt“ übertragen lassen:

Unvollkommene Information

x Unvollkommene Information: die Tauschbeteiligten verfügen nur über eine begrenzte Fähigkeit zur Informationsverarbeitung. Demnach ist es nicht möglich, sämtliche verfügbaren Informationen zu sammeln, hinsichtlich ihrer Qualität und Quantität aufzuarbeiten und auszuwerten. Zwar können die Tauschbeteiligten versuchen, im klassischen Sinne streng rational zu handeln, werden dies in der Realität aber eben nur eingeschränkt auch können. Da vollkommene Information also nicht erreicht werden kann, bedeutet dies auch, dass Tauschpartner nie den gleichen Informationsstand haben. So weiß der Anbieter eines Gutes in der Regel mehr über dessen Schwächen und/oder Stärken als der Nachfrager (asymmetrische Informationsverteilung).

Opportunismus

x Opportunismus: begrenzte Fähigkeiten zur Informationsverarbeitung und asymmetrische Informationsverteilung schaffen die Möglichkeit, seinen Tauschpartner übervorteilen zu können. Unter Opportunismus wird hier – etwas abweichend von dem üblichen deutschen Sprachgebrauch – verstanden, dass der einzelne Tauschpartner seine individuellen Ziele mit Hilfe von List, aber auch von aktiver Täuschung, Betrug etc. verfolgt. Die Neue Institutionenökonomie unterstellt also, dass die Beteiligten ihre Handlungen stets am eigenen Vorteil ausrichten und dabei möglicherweise auch gegen miteinander vereinbarte Abmachungen oder auch gegen allgemein gültige Werte und Normen verstoßen. Dies schlägt sich im übrigen auch in der Prinzipal-Agenten-Theorie als Teilbereich der NIÖ nieder, die Probleme einer Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung im weitesten Sinne analysiert und nach Lösungsmöglichkeiten sucht (siehe hierzu auch die Ausführungen im Abschnitt „Abschluss Marktvertrag“, etwa zum Verhältnis von Verkaufsleitung und Außendienstmitarbeiter).

PrinzipalAgentenTheorie

Unsicherheit

x Unsicherheit: aus unvollkommener Information und den deswegen vorhandenen Möglichkeiten zu Opportunismus resultiert Unsicherheit bei den Tauschpartnern (Verhaltensunsicherheit neben der au-

Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM)

49

ßerdem vorhandenen Unsicherheit über mögliche externe Ereignisse, politisch-rechtliche Veränderungen etc.). So sind insbesondere die Nachfrager bei ihren Entscheidungen unsicher, etwa hinsichtlich der wirklichen Qualität und Verwendungsfähigkeit der Objekte sowie der Leistungsversprechen der Anbieter. Hieraus folgen entsprechende Aktivitäten der Nachfrager zur Informationsbeschaffung bzw. der Anbieter zur Informationserteilung, womit jeweils auch Kosten verbunden sind (die bereits im Kap. A 3.3 erwähnten Screening- und Signaling-Maßnahmen, die eine wesentliche Fundierung etwa der werblichen Kommunikation darstellen, siehe hierzu auch die Einführung zum Abschnitt „Marktkommunikation“). In der durch diese drei Grundannahmen charakterisierten Welt spielen nun marktregelnde Institutionen eine zentrale Rolle, um bei aller Unsicherheit überhaupt eine funktionsfähige Grundlage für Tauschprozesse schaffen zu können. Der zentrale Grundbegriff der Institution steht dabei allgemein definiert für ein System formaler und/oder informaler Regeln mit allgemeiner Anerkennung durch die Tauschbeteiligten, sodass dadurch eine wechselseitige Verhaltenserwartung entsteht (Richter/Furobotn, 1996, S. 7). Institutionen erfüllen also Informations- und Überwachungsfunktionen und wirken konfliktmindernd (Picot, 1991, S. 144). Unter dieser Abgrenzung lassen sich etwa Märkte, Verträge und Gesetze, Handelsbräuche oder auch bekannte Firmen- und Produktnamen sowie Markenbezeichnungen als Institutionen verstehen. Diese können sowohl ad hoc entstehen, als auch über die Zeit hinweg sich zur Gewohnheit entwickeln oder gezielt durch eine verbindliche Autorität geschaffen werden.

Institutionen

Im Übrigen spiegeln sich diese Grundannahmen und das Institutionenverständnis in den weiter oben bereits betrachteten Explananda der Marketingwissenschaft wider, wie die folgenden beispielhaften Fragen verdeutlichen: Wie und warum verhalten sich Anbieter und Nachfrager in Abhängigkeit ihrer (stets unvollkommenen) Informationslage und inwieweit neigen sie zu Opportunismus (erstes und zweites Explanandum)? Welche Rolle spielen dabei Güter etwa mit hohen Erfahrungsoder gar Vertrauenseigenschaften, bei denen das Informationsgefälle zu Ungunsten des Nachfragers sowie seine Unsicherheit besonders stark ausgeprägt und die Möglichkeiten zum Opportunismus für den Anbieter entsprechend groß sind (drittes Explanandum)? Welche institutionellen Rahmenbedingungen schafft beispielsweise die Autorität Staat zur Überwindung tauschhemmender Unsicherheiten, wie etwa Gütesiegel etc. (viertes Explanandum)? Welche Konsequenzen ergeben sich für die gesellschaftliche Ordnung bei fortgesetzter Missachtung von Gesetzen durch Anbieter und/oder Nachfrager bzw. wie verhält sich die Kostenverteilung bei der Inanspruchnahme von Ressourcen, Rohstoffen und

Rückgriff auf Explananda des Marketing

50

Charakterisierung des Marketing deren Entsorgung nach der Produktion zwischen Produzenten und der Gesellschaft (fünftes Explanandum)?

Definition der Transaktion

Nachvollziehbarerweise erfordern beispielsweise Schaffung und Benutzung, aber auch der Schutz von Institutionen im Rahmen von Tauschprozessen (Transaktionsprozessen) den Einsatz von Ressourcen, den sogenannten Transaktionskosten. Unter Transaktion sollen dabei zunächst alle wechselseitigen Aktivitäten zwischen Anbieter und Nachfrager zum Zweck der Vereinbarung und Abwicklung des Austauschs von Objekten (einschließlich der damit verbundenen Rechte) verstanden werden. In ihrer Summe ergeben sie einen Tauschprozess (Mattmüller/Tunder, 2005, S. 36; zu einer frühen Definition der Transaktion siehe Ouchi, 1980, S. 130).

Property RightsTheorie

Der Gedanke, dass ein Tauschobjekt erst dann von ökonomischem Wert ist, wenn neben der Verfügungsgewalt auch ein Verfügungsrecht vorliegt, stammt aus der Property Rights-Theorie, die gleichzeitig als theoretisches Fundament der Neuen Institutionenökonomie bezeichnet wird. Ihr zufolge ist also der Tausch eines Objekts letztendlich der Tausch eines Rechtsbündels (neben der physischen Übertragung). So ist der Wert eines Grundstücks sicherlich weitaus geringer, wenn es der Käufer nur als landwirtschaftliche Fläche statt als Baugrund nutzen kann – das Grundstück als Ware ist dabei stets dasselbe, die verbundenen Verfügungsrechte unterscheiden sich jedoch deutlich (wobei in diesem Fall der Staat als bestimmende Autorität auftritt). Es lassen sich in diesem Zusammenhang vier Komponenten unterscheiden (Mattmüller/Tunder, 1999, S. 444):

Ausprägungen von Property Rights

x Nutzungsrechte (usus): ermöglichen die Benutzung/Verwendung eines Objektes; x Gewinnaneignungsrechte (usus fructus): erlauben die Aneignung des Ertrags aus der Nutzung des Objektes; x Veränderungsrechte (abusus): gestatten die Veränderung der Form bzw. Substanz des Objekts; x Veräußerungsrechte (transductus): berechtigen zur ganzen oder teilweisen Veräußerung des Objekts und der verbundenen Verfügungsrechte.

Transaktionskosten

Im Sinne der Transaktionskostentheorie geht es dabei nicht um die physische Übertragung eines Objekts, sondern um die Koordination des Tauschs, deren Kosten eine Rolle spielen. Unter Kosten wiederum sind auch erlittene Nachteile oder Aufwendungen in Form von Zeit und Mühe zu verstehen. Solche Kosten fallen während des gesamten Tauschprozesses an, der sich unter diesem Aspekt in mehrere Phasen einteilen

Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM) lässt. Letztere unterscheiden sich durch ihre inhaltlichen Aufgaben und deren spezifische Anforderungen an die Tauschparteien. In der Literatur liegen hierfür unterschiedlich ausdifferenzierte Vorschläge zur Unterteilung vor, so etwa die relativ grobe Strukturierung von Williamson: er differenziert in ex ante- und ex post-Transaktionskosten und nimmt dabei entsprechend Bezug auf den Zeitpunkt vor bzw. nach Vertragsabschluss. Eine darüber hinausgehende und für die Ableitung von Marketingmaßnahmen – wie noch zu zeigen sein wird – geeignetere Unterteilung beruht häufig auf einer genaueren Strukturierung in Suchbzw. Informationskosten, Verhandlungs- und Entscheidungskosten sowie Überwachungs- und Durchsetzungskosten (etwa Richter/Furobotn, 1996, S. 50 ff.). Zusammenfassend kann an dieser Stelle kurz festgehalten werden: Die Neue Institutionenökonomie und dabei insbesondere die Transaktionskostentheorie stellen ein erstes theoretisches Fundament dar, um zu einem Marketingverständnis zu gelangen, das den Tauschprozess als Ganzes – und nicht einzelne Instrumente – als Basis verwendet. Als wesentliche und hier nur kurz zu skizzierende Beiträge sind zu nennen: x die realitätsnäheren Grundannahmen über Verhalten und Umfeldbedingungen der Tauschpartner; x die Herausarbeitung von Institutionen und ihrer konfliktmindernden Bedeutung für Transaktionen bzw. Tauschprozesse, um Informationsgefälle auszugleichen, Opportunismus abzumildern und Unsicherheit auszugleichen; x die Betonung, dass der Objekttausch stets auch oder sogar letztendlich überwiegend ein Tausch von Verfügungsrechten ist; x die Analyse der durch die Tauschkoordination verursachten Kosten (Transaktionskosten) und deren Einteilung nach Tauschphasen.

51

52

Charakterisierung des Marketing

2.2 Fundament II: Tauschprozess und abgeleitete Marketingfunktionen Integrierte Marketingfunktionen

Der Gedanke der Transaktionskostentheorie, Tauschprozesse in einzelne Phasen einzuteilen, findet sich im funktionalen Marketingansatz wieder. Funktionen im Sinne von durchzuführenden Aufgaben waren dabei immer schon Grundlage von Systematisierungsversuchen, im Übrigen auch – und dies mag überraschen – als Basis der Ableitung der einzelnen Marketinginstrumente bei McCarthy (Hansen/Bode, 1999, S. 64 und 106). Jedoch fehlte eine prozessorientierte Struktur. Diese findet sich erst im Ansatz der Integrierten Marketingfunktionen von Paul W. Meyer, der damit gleichzeitig eine überraschende, weil zu Beginn der 70er Jahre relativ frühe Nähe zur Modellwelt der Neuen Institutionenökonomie erkennen lässt (siehe insbesondere Meyer, 1973). Allerdings ist von einer parallelen Entstehung auszugehen, da vor dem damaligen zeitlichen Hintergrund eine Reihe von Ergebnissen der Neuen Institutionenökonomie noch gar nicht berücksichtigt werden konnte.

Prozessorientierung des Marketing

Die Basis des funktionalen Ansatzes wurde bereits eingangs dieses Kapitels bei den Hauptfunktionen einer Einzelwirtschaft deutlich: Ausgangspunkt ist stets die Frage nach den Aufgaben, die von einer Einzelwirtschaft im Rahmen wirtschaftlicher Tauschprozesse zu erfüllen sind. Führt dies auf einer noch relativ abstrakten Ebene zu den schon bekannten Hauptfunktionen, so ergeben sich bei Gegenüberstellung der Hauptfunktionen Beschaffung und Absatz die Teilfunktionen als Beschreibung der einzelnen Prozessphasen: welche Aufgaben – sprich Funktionen – sind von Anbieter und Nachfrager zu erfüllen, damit ein Tauschprozess zwischen diesen beiden zustande kommt?

Absatz- und BeschaffungsMarketing

In diesem Sinne ist Marketing immer auch als spiegelbildliche Tätigkeit zu verstehen – Absatz-Marketing der einen Einzelwirtschaft ist Beschaffungs-Marketing einer anderen. Im Gegensatz wiederum etwa zum instrumentellen Denken liegt damit von Anfang an eine duale Sichtweise vor. Der Kunde ist kein Zielsubjekt, sondern – unabdingbar – Beteiligter eines Tauschprozesses. Letzterer lässt sich bei ausreichender Gliederungstiefe in vier maßgebliche Phasen einteilen: Vorbereitung der Marktteilnahme, Anbahnung (Marktkommunikation), Abschluss Marktvertrag und Realisierung (Meyer, 1996, S. 24), die nachfolgend nur kurz in ihrem Zusammenhang zu charakterisieren sind (sie werden später in ihren jeweiligen Abschnitten ausführlich behandelt).

Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM)

53

a) Vorbereitung der Marktteilnahme Ausgangspunkt und damit erste Marketing-Teilfunktion ist die Vorbereitung auf den Tausch bzw. Tauschprozess. Zerlegt man diese Teilfunktion wiederum in ihre einzelnen Aufgaben (Unterfunktionen), so gilt es zunächst, alle diejenigen Informationen zu beschaffen, auszuwerten und zu interpretieren, die für die Erstellung von Marketingstrategien als darauf folgendem Aufgabenblock notwendig sind. Zusammenfassend handelt es sich dabei also um die Aufgaben der Marktforschung und des strategischen Marketing (Marktprogramm-Erstellung).

Vorbereitung der Marktteilnahme

b) Anbahnung (Marktkommunikation) Nach diesen eher internen „Hausaufgaben“ folgt die unabdingbare Kontaktaufnahme mit dem Tauschpartner. Strukturiert nach den Unterfunktionen bedeutet dies aus Sicht des Anbieters konkret, dass er dem Nachfrager sich und/oder sein Angebot mittels Werbung bzw. Kommunikation bekannt zu machen und diesen darüber zu informieren sowie ein (positives) Image als Voraussetzung einer möglichen Handlungsauslösung zu schaffen hat. Letztere kann dann beispielsweise den sofortigen Kauf des Objekts, aber etwa auch die Anforderung weiterer Informationen etc. bedeuten.

Anbahnung (Marktkommunikation)

c) Abschluss Marktvertrag Damit ist bereits die nächste Prozessphase angesprochen: die Abschlussphase. Hierbei haben die Tauschbeteiligten eine vertragliche Vereinbarung zu schließen (etwa einen Kaufvertrag, Miet- oder Pachtvertrag, Dienstvertrag etc.), zu deren Zweck der Anbieter beispielsweise persönliche oder mediale Abschlussorgane einsetzen kann. Inhaltliche Aufgaben (Unterfunktionen) bleiben unabhängig davon die herbeizuführende Einigung über das Objekt selber (z.B. Beschaffenheit, Eigenschaften, Nutzungsmöglichkeiten), dessen Menge, die Gegenleistung (Preis) und die begleitenden Konditionen (z.B. Zahlungsfristen).

Abschluss Marktvertrag

d) Realisierung Mit der vertraglichen Vereinbarung ist der Tauschprozess als solches noch nicht beendet. Auch wenn es in der Realität oft vergessen wird: es muss jetzt in einer letzten Prozessphase noch das realisiert werden, was vertraglich festgelegt wurde. Zerlegt nach den einzelnen Unterfunktionen bedeutet dies die Qualifizierung zur Abgabe der Leistung (etwa Herstellung der Lieferfähigkeit), die Abgabe und Annahme von Leistung und Gegenleistung (z.B. eigentliche Lieferung eines bestellten Geräts an den Kunden und dortige Installation sowie Fakturierung), die Begleitung der Leistungsnutzung (etwa Nachbetreuung im Rahmen des

Realisierung

54

Charakterisierung des Marketing After-Sales-Management, proaktives Beschwerdemanagement) und die Einleitung der Folgetransaktion. Die nachfolgende Abbildung 5 zeigt das hier zugrunde liegende Verständnis eines Tauschprozesses und der davon abgeleiteten MarketingTeilfunktionen – soweit bisher erarbeitet – im Überblick.

Phasen des Tauschprozesses

Die Phaseneinteilung korrespondiert mit der oben bereits skizzierten Zerlegung eines Tauschprozesses, wie sie auch in der Transaktionskostentheorie vorgenommen wird. Auch deswegen kann die Transaktionskostentheorie als wesentliche theoretische Basis eines prozessorientierten Marketingverständnisses gelten. Nachfrager

Vorbereitung

Anbahnung

Abschluss

Realisierung

Anbieter

Abb. 5: Tauschprozess und abgeleitete Marketing-Teilfunktionen (Meyer, 1996, S. 24)

2.3 Fundament III: Integrationsgedanke Integrationsorientierung des Marketing

Die unumgängliche Einbeziehung des Tauschpartners in die Betrachtung und damit die dyadische, spiegelbildliche Sichtweise unseres Marketingverständnisses wurde bereits mehrfach betont. Gleichzeitig zeigt die Integrationsorientierung des Marketing im allgemeinen auf, dass daneben auch die anderen Bezugsgruppen einer Einzelwirtschaft in den Kontext mit einzubeziehen sind (siehe nochmals in diesem Abschnitt Kap. A 2). Der dyadische Kern unseres Marketingverständnisses steht also der mittlerweile häufig geforderten Netzwerk-Orientierung keineswegs entgegen, sondern stellt vielmehr deren unverzichtbare Basis dar.

Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM)

55

Diese Einbeziehung kann dabei einerseits als gedankliche Integration und als reale, physische Integration andererseits vorliegen, die nachfolgend aus der Sicht des Anbieters betrachtet wird. Konkret bezogen auf den Tauschprozess und seine einzelnen Phasen kann dieser nach dem Grad der Nachfragerintegration in zwei große Abschnitte unterteilt werden. In der Vorbereitungsfunktion, also im Rahmen der Marktforschung und des strategischen Marketing, vollzieht sich eine (lediglich) gedankliche Einbeziehung. Auch wenn es im Rahmen der Primärforschung – also etwa bei Befragungen von Konsumenten – zu einer Kontaktaufnahme zwischen Anbieter und Nachfrager kommen kann, so ist eine physische Integration des letzteren zur Erfüllung der einzelnen Aufgaben in dieser Prozessphase nicht zwingend erforderlich. Es kann daher von einer quasi-transaktionalen oder mit Bezug auf den gesamten Austauschprozess von einer pre-transaktionalen Phase gesprochen werden.

Grad der Nachfragerintegration

Im Gegensatz hierzu sind die Aufgaben der nachfolgenden Phasen bzw. Teilfunktionen (Kommunikation, Abschluss, Realisierung) vom Anbieter nur dann zu erfüllen, wenn der Nachfrager sich selbst auch physisch in einem Mindestmaß mit einbringt. So setzt erfolgreich übermittelte Information in der Werbung deren Aufnahme und Verarbeitung durch den Umworbenen voraus; die Einigung während der Vertragsschließung erfordert als zwingend zweiseitige Kommunikation zumindest die Zustimmung des Vertragspartners; die Realisierung bleibt ohne Bereitschaft zur Gegenleistung und deren Erbringung unvollständig bzw. im Rahmen von Dienstleistungen kann eine solche nur durch Integration des externen Faktors erbracht werden (siehe beispielsweise die Leistung eines Friseurs). Bei Dienstleistungen wird der Kunde so zum CoProduzenten, zum „Prosumer“ (als Kombination aus Producer und Consumer). Vergleichbares findet sich in der Investitionsgüterindustrie, wo es bereits im Rahmen der Entwicklung häufig zu engen Netzwerken zwischen Lieferant und späterem Abnehmer kommt.

Prosumer

In allen diesen drei eben erwähnten Phasen liegen also konkrete Anbieter-Nachfrager-Wechselbeziehungen vor, womit ein de facto-transaktionaler Teil des Prozesses begründet wird. Letzterer endet auf den ersten Blick mit der Realisierung, wobei jedoch beispielsweise Rückkopplungen aus dieser letzten Phase – etwa im Rahmen eines Beschwerdemanagements – wiederum als Marktforschungsinformationen dienen, die Impulse für eventuelle Überarbeitungen der Angebotsstrategie oder des kommunikativen Auftritts etc. geben können. In diesem Sinne kann das Ende der einen Transaktion bereits wieder die Basis für folgende Transaktionen bilden bzw. letztere stellen in ihrer Gesamtheit

Beziehungsgedanke

56

Charakterisierung des Marketing eine mehr oder weniger langfristige Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager dar.

Phasen des Transaktionskreislaufs

Überträgt man dieses Prozessverständnis und die bisher grob beschriebenen Teilfunktionen des Marketing (gleich Prozessphasen) sowie deren Integrationsintensität in ein Gesamtmodell, so resultiert daraus die nachfolgende Abbildung. Sie stellt eine erste, auch graphische Grundlage des hier zugrunde liegenden Marketingansatzes dar.

quasi-transaktional Vorbereitung

Anbahnung

AnbieterNachfragerBeziehung Realisierung

Abschluß Abschluss de facto-transaktional

Abb. 6: Phasen des Transaktionskreislaufs (Mattmüller/Tunder, 1999, S. 442) Transaktionskosten und Transaktionsnutzen

Während der Einzeltransaktion, noch mehr aber während einer andauernden Tauschbeziehung ist den dabei entstehenden und bereits beschriebenen Transaktionskosten auch ein Transaktionsnutzen gegenüberzustellen (Bagozzi, 1986, S. 90 ff. und ähnlich Plinke, 1989, S. 310 ff. bzw. Kaas, 1992, S. 8 ff.). Letzterer besteht nicht nur aus der Realisierung des Tauschvorgangs im eigentlichen Sinne – so wichtig dieses Endresultat auch unbestritten ist. Vielmehr ist für beide Tauschparteien ein eigenständiger Nutzen auch in den vorangehenden Prozessphasen möglich. So erlangt der Anbieter durch den Tauschprozess Erfahrungen und Wissen sowohl über den Nachfrager und dessen Präferenzen als auch über die bestimmenden Vorgänge eines Tauschvorgangs als solches. Die so gewonnenen Informationen und Erfahrungen aus dem einen Transaktionsvorgang sind von Nutzen für nachfolgende Tauschprozesse mit demselben oder auch mit anderen Nachfragern. Für den Nachfrager seinerseits spielen solche Erfahrungen und Lerneffekte

Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM)

57

ebenfalls eine entscheidende Rolle, um sich auf kommende Entscheidungen vorbereiten zu können. Außerdem kann bereits der Prozess des Vergleichens und der Auswahl aus Alternativen einen eigenständigen Wert vermitteln („Einkaufserlebnis“). Aus der Gegenüberstellung der Transaktionskosten einerseits und des Transaktionsnutzens andererseits ergibt sich der Transaktionswert eines Tauschprozesses. Bei seiner Bewertung berücksichtigen die beiden Tauschpartner auch, dass eine einzelne Transaktion durchaus negative Werte annehmen kann, aber dennoch durchgeführt wird, sofern im Sinne eines Erwartungswerts Aussicht auf Ausgleich in folgenden Transaktionen besteht (z.B. ein unter den Herstellungskosten liegender Preis für eine Maschine, mit der sich ein Anbieter den Einstieg in eine Beziehung mit einem Neukunden sichern möchte). Mit dem Integrationsgedanken und seiner formalen Berücksichtigung in Form eines Transaktionswerts für den Anbieter wie auch für den Nachfrager ist das dritte Fundament für ein prozessorientiertes Marketingverständnis gelegt. Dieses kann nun im folgenden Abschnitt in seiner Gesamtheit dargestellt werden. !

TW t 0, wobei TWGesamt

n

¦ (ONt  TNt )  (OKt  TKt ) t 0

mit: TW t ON TN OK TK

= = = = = =

Transaktionswert Transaktionsindex Objektnutzen Transaktionsnutzen Objektkosten Transaktionskosten

Abb. 7: Struktur des Transaktionswerts (Mattmüller/Tunder, 1999, S. 440)

Transaktionswert

58

Charakterisierung des Marketing

2.4 Das Ergebnis: Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM) 2.4.1

Darstellung des Ansatzes

IntegrativProzessualer Marketingansatz (IPM)

Neben dem gerade aufgezeigten Integrationsgedanken beruht der Integrativ-Prozessuale Marketingansatz (IPM) – wie dargestellt – auf der theoretischen Basis der Neuen Institutionenökonomie, von der für das nachfolgende Modell insbesondere das Phasenkonzept eines Transaktionsprozesses stammt. Das nach Haupt-, Teil- und Unterfunktionen gegliederte Funktionengerüst dient der Detaillierung dieses Verständnisses und gleichzeitig der Zerlegung in einzelne konkrete Arbeitsbereiche des Marketing.

Entscheidungsorientierung

Diese erfordern im Sinne eines entscheidungsorientierten Vorgehens ein in sich stimmiges Verhalten, zu dem eine weitere Funktionenebene beiträgt: die nach Konzeption, Planung, Durchführung und Kontrolle zu unterscheidenden Managementfunktionen (Meyer, 1973, S. 78).

ManagementFunktionen

In der ersten Phase dieses Managementkreislaufs – der Konzeption – werden die jeweiligen Ziele definiert und mit einer Begründung (Motivation) versehen. In der sich daran anschließenden Planung erfolgt eine Umsetzung dieser Ziele in die zur Erreichung notwendigen konkreten Soll-Vorgaben und Arbeitsschritte, welche in der nachfolgenden Durchführung ihre Umsetzung erfahren. Im Sinne eines umfassenden Marketing-Controlling-Systems werden die Ziele aus der Konzeption sowie die Vorgaben der Planung mit den erreichten Ergebnissen verglichen und hinsichtlich vorhandener Abweichungen kontrolliert. Dabei kann sich diese Controllingfunktion auch als permanenter Monitoringprozess vollziehen und – je nach Themenstellung – auf Ergebnisse der (begleitenden) Marktforschung zurückgreifen (etwa im Rahmen der Werbeerfolgskontrolle).

Management der Teilfunktionen

Dieser Managementprozess ist zum einen auf jede einzelne Teilfunktion anzulegen und konkretisiert sich also – beispielsweise bei der Marktkommunikation – in den Zielen der Werbung und deren Begründung in der Werbekonzeption, darauf aufbauend in den verschiedenen Schritten einer vollständigen Werbeplanung, in deren Umsetzung im Rahmen der Werbedurchführung und in der abschließenden bzw. eben bereits begleitenden Werbekontrolle.

Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM)

59

Zum anderen ist auch der gesamte Transaktionsprozess als solcher zu konzipieren, zu planen, durchzuführen und zu kontrollieren. Hierbei soll nochmals auf die wichtige Rolle der Marktforschung hingewiesen werden, die als Instrumentarium zur Kontrolle des Gesamtprozesses dient.

Management des Gesamtprozesses

Kontrolle

Planung

Konzeption

Planung

Ausführung

Kontrolle

Ausführung

Imagebildung

Handlungsauslösung

Anbieter Nachfrager

Einleitung der Folgetransaktion

Begleitung der Leistungsnutzung

Konzeption

Planung

Konzeption

Planung

Kontrolle

Ausführung

Kontrolle

Ausführung

ru sie ali Re ng

Abgabe u. Annahme von Leistung u. Gegen- Qualifizierung zur Abgabe leistung der Leistung

Einigung über Kondition(en)

Ausführung

Abb. 8: Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (Mattmüller/Tunder, 1999, S. 445)

Einigung über Objekt(e) Einigung über Menge(n)

Einigung über Gegenleistung

Planung

Informationserfassung

Konzeption

Information

Ab sc hlu ss

Kontrolle

Informationsauswertung

Bekanntmachung

ng

Informationsinterpretation

Marktprogrammerstellung

u hn ba An

Vo rb er eit un g

Konzeption

60

Charakterisierung des Marketing Die vorherige Abbildung gibt den Aufbau des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes mit seiner im Mittelpunkt stehenden, kurz- wie langfristig denkbaren Anbieter-Nachfrager-Beziehung in seiner Gesamtheit wieder. Bezogen auf die Konzeption des gesamten Transaktionsprozesses und dessen Ziele spielt die Kundenzufriedenheit eine herausragende Rolle. Diese ergibt sich aus der Bedeutung der Kundenzufriedenheit als notwendige – wenngleich nicht hinreichende – Bedingung für das daraus resultierende Ziel der Kundenloyalität und den damit erzielbaren Verbesserungen der Gewinnsituation, auf die nachfolgend noch eingegangen wird.

2.4.2

Kundenzufriedenheit und -loyalität als zentrale Zielgrößen

Kundenzufriedenheit

Unter Kundenzufriedenheit wird das Ergebnis eines vom Kunden durchgeführten Abgleichs seiner Erwartungen einerseits und der von ihm wahrgenommenen Leistungen andererseits verstanden. Bei Übereinstimmung dieser beiden Konstruktniveaus bzw. bei einem positiven Ergebnis wird von Zufriedenheit gesprochen – ein negativer Abgleich äußert sich folgerichtig in Unzufriedenheit (Confirmation/ Disconfirmation-Paradigma der Zufriedenheitsforschung). Je nach Ausgang dieses Bewertungsvorgangs ergeben sich verschiedene Handlungsmöglichkeiten für den Kunden, die nachfolgend in der Übersicht dargestellt sind.

Kundenloyalität

Aus Kundenzufriedenheit kann Kundenloyalität entstehen, d.h. dass der Kunde bereit ist, auch weitere Käufe bei dem selben Anbieter zu tätigen. Bei der konkreten Abwicklung dieser Folgetauschprozesse spielt dabei auch der jeweilige Transaktionswert wiederum eine Rolle. So kann etwa ein zufriedener Kunde wieder den selben Anbieter aufsuchen, aber im Verlauf dieses zweiten Prozesses zu einer negativen Bewertung gelangen (fehlende oder ungenügende Informationen, schlechtes Verhalten des Verkaufspersonals oder etwa auch aus Sicht des Kunden ungeeignete Angebote). In diesem Zusammenhang ist auch zwischen „echter“ Kundenloyalität einerseits und Kundenbindung („unechte Kundenloyalität“) andererseits zu unterscheiden. Letztere äußert sich zwar auch in Folgekäufen des Kunden – sie beruht aber beispielsweise auf langfristigen und vom Kunden nicht aufzukündigenden Verträgen oder auf hohen spezifischen Investitionen des Kunden (z.B. in komplexe EDV-Anlagen), die ihn zu einem Folgekauf (etwa von Ersatzteilen) zwingen. Unter Umständen

Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM)

61

handelt es sich dabei aber sogar um einen unzufriedenen Kunden, der sich spätestens bei freier Entscheidung am Ende der Gebundenheit durch Anbieterwechsel, vor allem aber während seiner Gebundenheit durch negative Kommunikationswirkung „rächen“ wird.

Angebotsnutzung

Abgleich Erwartung/ wahrgenommene Leistung

Eigener oder fremder Angebots - Einfluss

Zufriedenheit

Unzufriedenheit Mehrstufige Kommunikation

Kundenloyalität

Kundenabwanderung

Beschwerde

Kundenresignation

Abb. 9: Handlungsmöglichkeiten bei Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit Kundenzufriedenheit stellt somit eben nur die Grundvoraussetzung dar, um bei eventuellen Folgeprozessen (bei denselben oder auch bei anderen Angebotsbereichen) als möglicher Anbieter überhaupt eine Berücksichtigung zu finden. Gleichwohl wechseln auch zufriedene Kunden den Anbieter, beispielsweise weil sie im Moment der Kaufentscheidung das Angebot eines Konkurrenten als das aus ihrer Sicht bessere bewerten (ob dies wirklich so ist, zeigt sich erst wieder während der Nutzungsphase und während des dabei ablaufenden Abgleichs von Erwartungen und Wahrnehmung). Bei Angeboten mit eher niedrigem finanziellen Aufwand und problemloser Rückkehr zum ursprünglichen Anbieter – etwa im Bereich Lebensmittel etc. („fast moving consumer goods“) – spielt häufig auch die Neugier des Kunden auf etwas Neues, der Wunsch nach Abwechslung eine entscheidende Rolle. Zudem kann sich das Angebot des ursprünglichen Anbieters zwischenzeitlich so verändert haben, dass der Kunde bei aller vorhandenen Zufriedenheit mit den bisherigen Leistungen dennoch abwandert (beispielsweise bei einem Modellwechsel in der Automobilbranche). Kundenloyalität als die eigentlich wichtigere Zielgröße wird durch weitaus mehr Faktoren als nur durch die Zufriedenheit des Kunden beeinflusst.

Wechselgründe zufriedener Kunden

62

Charakterisierung des Marketing

Optionen unzufriedener Kunden

So sehr also auch zufriedene Kunden „wechselgefährdet“ sind, so lässt sich doch ebenso empirisch feststellen, dass zufriedene Kunden ihre aktive Informationssuche nach Alternativen zum jetzigen Anbieter/Angebot deutlich einschränken. Unzufriedene Kunden hingegen haben ein nachvollziehbares Interesse an möglichen Alternativen und suchen aktiv nach einer solchen – spätestens vor dem nächsten anstehenden Kauf. Bis dorthin ist der Kunde unter Umständen gezwungen, mit dem ihn unzufrieden stellenden Objekt „leben zu müssen“, etwa weil bei einem Auto oder auch bei einem teueren Investitionsgut der nächste Kauf schon aus finanziellen Gründen nicht sofort erfolgen kann: es liegt Kundenresignation vor, von der auch gesprochen wird, wenn der Kunde auf eine (weitere) Beschwerde verzichtet.

Beschwerdezufriedenheit

Bei einer Beschwerde beginnt der in Abbildung 9 dargestellte Ablauf von vorne. Der Beschwerdeführer vergleicht seine Erwartungen mit den von ihm wahrgenommenen Problemlösungen, mit dem Verhalten des Anbieters bzw. seiner Mitarbeiter. Entsprechend entsteht Beschwerdezufriedenheit oder -unzufriedenheit. Beschwerdezufriedenheit wiederum stellt einen der wichtigsten Hebel für die Gesamtzufriedenheit eines Kunden dar. Der Kunde hat erfahren, dass der Anbieter ihn auch im Problemfall nicht alleine lässt und sich um seine Beschwerde ernsthaft kümmert. Als Konsequenz steigen Vertrauen des Kunden in den Anbieter und dessen Reputation (zum Thema Beschwerdemanagement und Beschwerdezufriedenheit siehe Abschnitt „Realisierung“, Kap. B 2.2.2).

Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit

Eine höhere Kundenzufriedenheit kann zu weiteren positiven Teilergebnissen führen: so besteht ein wichtiger Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit einerseits und Mitarbeiterzufriedenheit andererseits (zufriedene bzw. loyale Mitarbeiter sorgen für zufriedene bzw. loyale Kunden und vice versa).

Customer Lifetime Value

Außerdem dient eine hohe Kundenzufriedenheit der besseren Ausschöpfung des Customer Lifetime Value („Kundenlebenszeitwert“). Darunter wird der mit einem Kunden erzielbare Gesamtgewinn verstanden, sofern der Kunde sich „lebenslang“ loyal verhält. Mit dieser Potenzialbetrachtung ist die Erkenntnis verbunden, dass im Verlauf einer langfristigen Kundenbeziehung und Wertausschöpfung gleichzeitig die mit dem Kunden realisierbaren Gewinne steigen (u.a. durch abgeschriebene Kosten für die Erstakquisition, höhere Volumina durch gestiegenes Vertrauen des Kunden bei Folgekäufen und Kostendegression für die Weiterbetreuung des Kunden gemessen an den erzielten Umsätzen) (Reichheld/Sasser, 1990, S. 108). Die Kenntnis des Customer Lifetime Value (CLV) relativiert auch Investitionen, beispielsweise in ein effizientes Beschwerdemanagement-System, da dessen Kosten nun-

Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM) mehr die dadurch zu rettenden Umsätze und Gewinnpotenziale gegenübergestellt werden können (eine aktuelle empirische Studie zum Zusammenhang zwischen CLV und der wertbezogenen Evaluierung von Marketingstrategien findet sich beispielsweise bei Rust/Lemon/ Zeithaml, 2004, S. 109 ff.). Rechnerisch ergibt sich der CLV als Summe der diskontierten Ein- und Auszahlungen oder Cash-flows, die ein Kunde über die prognostizierte Lebensdauer seiner Beziehung mit einem bestimmten Anbieter erzeugt (anbieterspezifischer Customer Lifetime Value). Damit wird die Höhe des CLV durch drei maßgebliche Faktoren bestimmt: durch die prognostizierten saldierten Rückflüsse des Kunden (Ein- und Auszahlungen), durch die Dauer der Beziehung mit dem Kunden (Prognosezeitraum) sowie durch den zugrunde gelegten Diskontierungsfaktor (Risikokomponente). Formal ergibt sich also der folgende Berechnungsansatz (Tewes, 2003, S. 138 ff.; zur Bestimmung der Faktoren siehe dort insbesondere Kapitel 4):

T

CLV mit:

Et  At

¦ 1  r

t

t 0

Et = kundenspezifische Einzahlungen At = kundenspezifische Auszahlungen r

= risikoadäquater Diskontierungsfaktor

T = voraussichtliche Dauer der Kundenbeziehung Abb. 10: Berechnung des anbieterspezifischen Customer Lifetime Value (Tewes, 2003, S. 139; Fischer/Decken, 1999, S. 70) Um es zusammenfassend nochmals zu betonen: der IntegrativProzessuale Marketingansatz (IPM) orientiert sich – wie in seinem Kern dargestellt – an der Anbieter-Nachfrager-Beziehung, wobei damit nicht zwangsläufig eine langfristige Beziehung gemeint sein muss (jede Einzeltransaktion ist eine unter Umständen „kurzfristige Beziehung“). Gleichwohl ist es für viele Anbieter auch betriebswirtschaftlich sinnvoll, eine möglichst lang andauernde Loyalität des Kunden anzustreben, womit die Kundenzufriedenheit zu einem notwendigen, aber keineswegs hinreichenden Subziel wird.

63

64

Charakterisierung des Marketing

3.

Umfeldkonstellationen

Zur Umsetzung des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes

Im Zusammenhang mit der Integrationsorientierung (siehe in diesem Abschnitt Kap. A 2) wurde bereits auf die Bedeutung des Marketing als Querschnittsfunktion hingewiesen. Die Möglichkeiten, dieser Anforderung gerecht werden zu können, hängen zwangsläufig von der hierarchischen Einordnung des Marketing und seiner formellen bzw. informellen Autorität innerhalb des Unternehmens ab. In diesem Zusammenhang können drei grundsätzliche Umfeldkonstellationen unterschieden werden: a) Geringe Marktorientierung Das Unternehmen ist nur wenig marktorientiert ausgerichtet – Entscheidungen werden von einem eher internen Blickwinkel heraus getroffen. Unternehmenskulturen dieser Art finden sich häufig bei technologiedominierten Unternehmen, in denen Entscheidungsträger mit technischem Berufshintergrund eine entsprechend starke Dominanz – etwa in Fragen der Angebotsgestaltung – aufweisen („auf den Markt kommt das, was technisch machbar ist“). Dem Marketing als betriebliche Funktion wird eine Autorität bewusst verweigert, entsprechend ist die Bedeutung von Marketingmitarbeitern bzw. einer eventuellen Marketingabteilung nur gering und zudem inhaltlich meist auf „typisch“ derivative Aufgaben beschränkt (insbesondere auf kommunikative Umsetzungen). Hier kommt dem Marketing zunächst die Aufgabe einer gewissen „Missionierung“ und Emanzipation zu, d.h. es muss sich selbst als Gedankengut und Entscheidungsinstanz gleichermaßen etablieren. b) Grundlegende Marktorientierung Das Unternehmen zeigt bereits eine gewisse Marktorientierung – Marketing bzw. eine entsprechende organisatorische Einheit steht in Abstimmung mit anderen betrieblichen Funktionsbereichen, wobei es jedoch noch nicht – zumindest nicht bewusst – als verantwortliche und koordinierende Kraft anerkannt ist. Typisch für diese Situation sind starke Schnittstellenprobleme und Reibungsverluste in der Zusammenarbeit mit anderen Organisationseinheiten (wie etwa wiederum mit technischer Entwicklung, Produktion, aber auch mit traditioneller strategischer Planung etc.). Das Marketing hat hier an einer weiteren Sen-

Zur Umsetzung des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes

65

sibilisierung der Entscheidungsträger gerade auch hinsichtlich der Bedeutung einer stärkeren Prozessorientierung zu arbeiten. c) Starke Marktorientierung Das Unternehmen ist stark marktorientiert – die Rolle des Marketing als Querschnittsfunktion, als prozesskoordinierende Instanz ist anerkannt und spiegelt sich beispielsweise in einer auch strategisch angelegten Verantwortlichkeit des Marketing wider. Dementsprechend besteht die weitere Aufgabe des Marketing eher in einer Absicherung dieser Rolle. Ist im Fall der Situation a) eine Marketingabteilung (Marketingressort etc.) als Träger der notwendigen Etablierung sinnvoll, so ist unter der Bedingungslage c) eher an eine Auflösung traditioneller Marketingabteilungen zu denken (was von „Gegnern“ des Marketing dann allerdings nicht als falsches Signal verstanden werden darf). Wenn Marketing nicht nur als Instrumentarium verstanden wird, „so ist es offensichtlich, dass sich das Marketing weder vom Grundsatz noch von der konkreten organisatorischen Einbettung her auf eine Abteilung oder auf andere Teilgrößen beschränken lässt. Marketingressorts, wie sie in vielen Unternehmen im Verlaufe ihrer individuellen Entwicklung hin zu mehr Marktorientierung geschaffen wurden, sind demnach eher hinderlich und im Prinzip wieder aufzulösen, um der durchgängigen Implementierung des Marketing und der Marktorientierung nicht im Wege zu stehen“ (Meyer/Mattmüller, 1993, S. 14).

Marketingabteilungen

Dabei geht es ja eben nicht um die Abschaffung des Marketing als Funktion oder Aufgabenbündel im Sinne konstitutiver Bestandteile des Tauschprozesses. Vielmehr hat sich das Gedankengut des Marketing (verstanden als die Notwendigkeit einer durchgängigen Marktorientierung bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Bezugsgruppen) dann im Unternehmen verbreitet und greift nicht nur bei „FulltimeMarketeers“ (also etwa bei Mitarbeitern im Aufgabenbereich Kommunikation), sondern auch bei sogenannten „Parttime-Marketeers“ (beispielsweise im Bereich Personal). „In einer durch und durch marketingorientierten Organisation kann man gar nicht sagen, wer zur Marketingabteilung gehört. Alle Mitarbeiter bedenken und berücksichtigen bei jeder Entscheidung, welche Auswirkungen sie auf den Kunden haben wird“ (Burnett, zitiert nach Kotler, 1999, S. 2).

Diffusion des Marketinggedankens

Was bleibt, ist die unumgängliche Notwendigkeit von Fachspezialisten, die ihr Expertenwissen zu den einzelnen Marketing-Teilfunktionen etwa in projektbezogene, funktionsübergreifende Teams einbringen (z.B. im Bereich Werbung, Steuerung von Vertriebssystemen etc.) bzw. diese aus einer kunden- und prozessorientierten Verantwortung heraus steuern.

Funktionsübergreifende Strukturen

66

Charakterisierung des Marketing

Schnittstellenprobleme

Diesem Ziel stehen verschiedene und aus den obigen Konstellationen ableitbare Schnittstellenprobleme mit entsprechenden Reibungsverlusten entgegen. Sie ergeben sich zum einen um so stärker, je traditioneller Marketing noch als isolierte Funktion im Unternehmen gesehen wird bzw. je eindeutiger einzelne Prozesse noch abgegrenzt nebeneinander ablaufen. Aus dem Anspruch der Querschnittsverantwortung heraus resultieren dann Abstimmungsprobleme mit diesen anderen betrieblichen Prozessen bzw. organisatorischen Verantwortungsträgern.

Probleme zwischen Marketing und F&E

Letzteres betrifft insbesondere die Zusammenarbeit mit eher technisch geprägten Instanzen. Die Symptome reichen von unzureichender Weitergabe von Informationen, mangelnder Abstimmung zwischen Marketing und Forschung und Entwicklung (F&E) bei der Neuproduktentwicklung bis hin zu deutlich ausgeprägtem Gruppenegoismus und gegenseitiger Behinderung bei deutlicher Ablehnung von Mitarbeitern und Aktivitäten des jeweils anderen Bereichs. Als Ursachen für diese in der Praxis oft sehr deutlich ausgeprägte Spannung werden in der relevanten Literatur insbesondere folgende Punkte herausgearbeitet (Mattmüller/Susen, 1995, S. 175 ff.): a) kulturelle Probleme, z.B. x technikorientierter Entwickler versus markt- und kundenorientiertem Marketingmitarbeiter, x naturwissenschaftliche („Denken in Gesetzmäßigkeiten“) versus kaufmännische Denkhaltung („Anerkennung von Szenarien und Bandbreiten sowie qualitativer Begründungslogik“), x unterschiedliche Fachsprachen, x unterschiedliche Arbeits- und Verhaltensweisen, x Unkenntnis der Leistungsfähigkeiten des jeweils anderen Fachgebiets (insbesondere Unkenntnis der Techniker gegenüber der Validität und Fundierung von Marketingerkenntnissen). b) situativ-organisatorische Probleme, z.B. x räumliche Distanz zwischen F&E- und Marketingressort, x mangelhaft institutionalisierte Kommunikation, x historisch gewachsene, streng funktionale Arbeits- und Verantwortungsbereiche.

Marketing und Vetrieb

Zum anderen bestehen jedoch auch Defizite durch die Auftrennung des Marketingprozesses als solchem, wie es häufig mit der organisatorischen Teilung in eine Marketingabteilung und eine Vertriebsabteilung geschieht. Daraus resultiert eine weitere und durch die Aufbauorganisa-

Zur Umsetzung des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes

67

tion zementierte Schnittstelle, die einer wirklich durchgängigen Prozessorientierung entgegensteht. Vertrieb ist jedoch letztendlich nur eine andere Bezeichnung für die Abschlussfunktion und daher integrierter Teil des gesamten Marketingprozesses – er ist daher konsequenterweise auch organisatorisch in letzteren einzuordnen. Marketing trägt die Verantwortung für die Gestaltung dieses Prozesses und benötigt daher auch eine Durchgriffshaftung für zumindest alle betroffenen Teilfunktionen. Die Trennung von Marketing und Vertrieb führt in der unternehmerischen Praxis zu einer von betroffenen Mitarbeitern mehrheitlich bestätigten Kluft zwischen beiden „Bereichen“. Die Heraustrennung des Vertriebs reduziert viele sogenannte „Marketingabteilungen“ häufig auf kommunikative Aufgaben und Kontaktfunktionen mit externen Dienstleistern (Werbeagenturen, Marktforschungsinstitute, Messegestaltung) und damit auf einen eingeschränkten Verantwortungsbereich, der dem Marketingverständnis nicht gerecht wird. Als Folge erscheinen viele dieser Abteilungen als Stabstellen ohne hierarchische Kompetenz und – aus Sicht der Vertriebsmitarbeiter – mit eingeschränktem Bezug zur Realität „an der Verkaufsfront“. Regelmäßige Konsequenzen dieser organisatorisch bedingten Abschottung sind gegenseitige Schuldzuweisungen nach dem Motto: „Marketing entwirft theoretische Konzepte am grünen Tisch, die wir im Verkauf durchsetzen sollen“ bzw. von der anderen Seite „Wir im Marketing kümmern uns um ausgefeilte und abgestimmte Strategien und die Vertriebsmitarbeiter sind unfähig, diese beim Kunden umzusetzen.“

Nachteile einer organisatorischen Trennung

Der eigentliche Grund für diese organisatorische Trennung liegt nicht im inhaltlichen, sondern in der historischen Entwicklung des Marketingverständnisses (siehe in diesem Abschnitt Kap. A 2). Während in vielen Unternehmen Verkaufs- bzw. Vertriebsabteilungen in der Regel schon vorhanden waren, wurden häufig in den sechziger und siebziger Jahren zusätzliche Marketingabteilungen implementiert, ohne dabei die eigentlich notwendige Integration zu vollziehen. Als Basis diente vielmehr das damals vorherrschende Modell einer stark funktionsabgrenzenden Aufbauorganisation mit Stab-Linien-Charakter. Die Folge ist seitdem eine Doppelspurigkeit mit erheblich prozessstörenden Konsequenzen. Wie schon mehrfach angedeutet liegt die eigentliche organisatorische Konsequenz aus der Implementierung eines integrativ-prozessualen Marketingverständnisses in der Auflösung traditioneller Bereichs- bzw. Abteilungsgrenzen. Die Durchsetzung der Markt- bzw. Marketingorientierung erfordert zudem die Gestaltung des Tauschprozesses aus einer Hand und Verantwortlichkeit. Als Grundlage dienen hierzu die Strategischen Geschäftsfelder (SGF) eines Unternehmens, die sich als Kom-

Implementierung des IPM

68

Charakterisierung des Marketing bination von Angebot und Zielgruppe definieren (siehe Abschnitt „Strategisches Marketing“, Kap. B 1.1). Liegen mehrere Geschäftsfelder vor, so sind – neben der Steuerung über alle SGF hinweg durch eine marktorientierte Unternehmensleitung – die Marketing-Teilfunktionen innerhalb jedes einzelnen Geschäftsfelds an die spezifischen Anforderungen anzupassen. Hierbei und bei eventuell vorhandenen international ausgelegten Organisationsstrukturen (z.B. Ländergesellschaften) können dann einzelne Teilfunktionen zentralisiert werden (etwa die Marktforschung), während andere in der Regel dezentral zu implementieren sind (z.B. die Vertriebsfunktion). Der Integrativ-Prozessuale Marketingansatz gibt somit – neben seinem Beitrag zur theoretischen Fundierung des Marketing – der Marketingpraxis ein Konzept an die Hand, das eine isolierte Anwendung einzelner Marketinginstrumente zu vermeiden hilft. Er erleichtert als Ablaufplan im Sinne eines durchgängig aufeinander abgestimmten Prozesses die Gestaltung dauerhafter Kundenbeziehungen. In den nachfolgenden Abschnitten werden die einzelnen Teilfunktionen des IPM nun im Detail vorgestellt.

Zur Umsetzung des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes

x Welche Orientierungsphasen des Marketing lassen sich unterscheiden und welche Charakteristika weisen sie auf? x Nennen Sie die zentrale These des Integrierten Marketing! x Was versteht man unter „Einzelwirtschaft“? x Charakterisieren Sie die wichtigsten Anspruchsgruppen einer Einzelwirtschaft! x Geben Sie eine Kurzdefinition von Marketing! x Mit welchen Explananda beschäftigt sich die Marketingwissenschaft? x Wie lassen sich „Erste Anbieter“, „Letzte Nachfrager“ und „Letzte Verwender“ charakterisieren? x Welche Konsequenzen bringt der Eigentumsübergang als konstitutives Merkmal beim Händler? x Wie können die Austauschobjekte einerseits aus Anbietersicht und andererseits aus Nachfragersicht charakterisiert werden? x Nennen Sie die vier Teilpolitiken des Marketing-Mix-Ansatzes! x Welche vier Hauptfunktionen einer Einzelwirtschaft lassen sich unterscheiden? x Von welchen Grundannahmen geht die Neue Institutionenökonomie aus? x Welche Verfügungsrechte gibt es? x Wie lauten die Teilfunktionen des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes? x Was versteht man unter einem „Transaktionsnutzen“? x In welche Funktionen lässt sich ein entscheidungsorientierter Managementprozess zerlegen? x Welche Rolle spielt die Kundenzufriedenheit als Zielgröße des Marketing? x Welche drei Umfeldkonstellationen können im Zusammenhang mit Autorität und hierarchischer Einordnung des Marketing im Unternehmen unterschieden werden?

69

70

Charakterisierung des Marketing

Teil C: Case Study „Schauma“ Schauma – die Entwicklung eines Markenklassikers

Als deutscher Marktführer in der Haarkosmetik verfügt Schwarzkopf & Henkel1 über eine Anzahl etablierter Marken, einige davon haben bereits den Status eines Klassikers, wie die Marke Schauma. Als die Familie Schwarzkopf in Berlin 1898 die gleichnamige Drogerie eröffnete, wurde die geringe Nachfrage nach kosmetischer Bedürfnisbefriedigung von Drogisten bzw. Apothekern meist in Form von Einzelfertigungen befriedigt. Für die Haarwäsche wurde seinerzeit Kernseife verwendet. Das änderte sich, als 1902 an die Drogerie Schwarzkopf der Kundenwunsch herangetragen wurde, ein Haarreinigungsmittel zu entwickeln, das folgende Eigenschaften aufweisen sollte: x

es sollte gut reinigen;

x

es sollte gut schäumen;

x

es sollte gut riechen;

x

es sollte volles, glänzendes Haar geben.

Daraufhin gelang es Hans Schwarzkopf 1903 das erste Pulverhaarwaschmittel (mit Veilchengeruch) anzubieten. Unter der Bezeichnung „Schaumpon“ (Warengruppe Schampoon) und mit dem schwarzen Kopf als Warenzeichen wurde das Haarwaschmittel mittels Versand an Apotheken, Drogerien und Parfümerien in aller Welt abgesetzt. 1927 führte Schwarzkopf neben der Pulverform auch das erste flüssige Haarwaschmittel ein und konnte 1933 mit einer weiteren Innovation aufwarten, als man als Erster ein alkalifreies Shampoo auf den Markt brachte. 1949 schließlich wurde Schauma in den Markt eingeführt. Aufgrund des oben geschilderten historischen Kontexts lag es dabei nahe, bei der den Launch begleitenden Printkampagne auf einen Kompetenztransfer von Schwarzkopf auf Schauma zu setzen. Zusätzlich wurden über die Key Visuals „üppiger Schaum“ und „Familie“ Nutzenaussagen herausgestellt, wie: 1 Die Firmierung Schwarzkopf & Henkel besteht seit der Akquisition der

Schwarzkopf GmbH durch die Henkel KGaA im Jahre 1996. Aus Gründen der Vereinfachung wird diese Bezeichnung in der Schauma-Fallstudie auch für die Zeit vor 1996 verwendet.

Case Study „Schauma“ x

sanfte und gründliche Reinigung,

x

glänzendes schönes Haar,

x

praktische, einfache Anwendung,

x

attraktives Preis-Leistungsverhältnis.

Insofern wurde bereits frühzeitig der Grundstein für die spätere synonyme Verknüpfung „Schwarzkopf = Schauma = Shampoo“ gelegt.

Abb. 11: Schaumpon: das erste Pulverhaarwaschmittel (1903)

In den fünfziger Jahren galt es, sich gegenüber aufkommenden Wettbewerbern zu positionieren (z.B. Shamtu von Blendax). Hierzu wurde Schauma als „Deutschlands Lieblingsshampoo“ definiert und der folgende Claim kommuniziert: „Zur Haarwäsche: Schwarzkopf, denn Schwarzkopf kennt nur eine Aufgabe: schönes Haar“. Darüber hinaus wurde 1958 ein Revival durchgeführt, indem die Packungen mit kontrastreicheren Farben aktualisiert wurden. Ab 1962 wurde Schauma in verschiedene Varianten differenziert, die sich nach bestimmten Haartypen und entsprechenden Wirkstoffen unterschieden. Die Kommunikation erfolgte über variantenspezifische Printkampagnen. Ferner löste Ende der sechziger Jahre eine tropfenförmige Kunststoffflasche Tube und Faltschachtel ab.

71

72

Charakterisierung des Marketing

Abb. 12: Objektprogramm ab 1962

Abb. 13: Einführung der tropfenförmigen Kunststoffflasche (1967) Mit Beginn der siebziger Jahre veränderte sich das Nachfrageverhalten hin zu einer stärkeren Individualisierung der Ansprüche, worauf der Wettbewerb mit einer zunehmenden Differenzierung in verschiedene Varianten reagierte. Schauma hingegen betonte seine Unique Selling

Case Study „Schauma“ Proposition (USP) als Marke für die ganze Familie – mittels Menge (400 ml) und Design (Familie) der Flaschen. Gleichzeitig wurde eine neue Nutzenaussage kommuniziert: „Schauma reinigt nicht nur mild und gründlich, es kräftigt auch das Haar“. Die Familie und die tropfenförmige Flasche sind noch heute beim Nachfrager präsent.

Abb. 14: Objektprogramm der siebziger Jahre Ausgehend von einem wachsenden Trend zu „Pflege“ und „Milde“ kam es Anfang der achtziger Jahre auf dem Haarpflegemarkt zu einem zunehmenden Angebot an spezialisierten und höherpreisigen Produkteinführungen. Schauma reagierte mit einer weiteren Variantendifferenzierung und dem Versuch einer neuen Positionierung, indem die „Pflege“ in der Nutzenaussage besonders betont wurde: „Das milde Schauma pflegt Ihr Haar bis in die Spitzen“. Gleichzeitig sollte der Pflegeanspruch durch einen veränderten Packungsauftritt und die Verwendung neuer Werbebilder verstärkt werden. Die Kommunikation betonte zunehmend emotionale Aspekte („Lifestyle-Orientierung“) und entfernte sich von dem ursprünglichen Fokus der „Produkterklärung“.

73

74

Charakterisierung des Marketing

Abb. 15: Lifestyle-betonte Anzeige von 1987 Im Ergebnis verlief dieser Anpassungszwang an die veränderten Megatrends der achtziger Jahre für Schauma nicht besonders glücklich, zudem reiften mit Nivea und El´Vital starke Konkurrenten heran. 25 21,0

20

18,2

17,6

16,6

15

15,4 12,6 12,2

12,6

10

Nivea El'Vital

5 0 1979

Schauma

1981

1983

1985

1987

1989

Abb. 16: Prozentuale Entwicklung des Marktanteils von Schauma in den achtziger Jahren

Case Study „Schauma“ Die veränderte Nutzenaussage hin zur „Pflege“ verwässerte die angestammte USP „Kräftigung“ und wurde von den Nachfragern offensichtlich nur bedingt akzeptiert. In Fortsetzung dieser Nutzenaussage kam es zu Beginn der neunziger Jahre zunächst zur konsequenten Einführung von Pflegeprodukten (Kuren, 1990; Schaumbalsam, 1994; Konzentrate, 1995), um Schauma einen neuen Schub zu verleihen. Allerdings konnte damit die negative Marktentwicklung der achtziger Jahre nicht mehr umgekehrt werden. Mitte der neunziger Jahre verliert Schauma erstmalig seine wertmäßige Marktführerschaft.

Abb. 17: Objektprogramm 1992 Ab 1996 versuchte man, sich wieder auf die Kernkompetenz der Marke Schauma zu besinnen. Der damit einhergehende Relaunch knüpfte von Neuem an die Leistungsbotschaft „Kräftigung“ an und hob die besondere Kompetenz von Schwarzkopf hervor. Gleichzeitig kam es zu einer umfangreichen Straffung des Objektprogramms sowohl in der Breite als auch in der Tiefe. Im Ergebnis dieser umfangreichen Maßnahmen festigte sich Schauma wieder und konnte zum Ende der neunziger Jahre erneut positive Ergebnisse verbuchen. Zum 50. Geburtstag ist Schauma mit einem mengenmäßigen Marktanteil von über 25 Prozent das beliebteste Shampoo Deutschlands. Von den ca. 450 Mio. €, die 1998 in Deutschland für Shampoos ausgegeben wurden, entfielen mehr als 60 Mio. € auf Schauma. Mit einem gestützten Bekanntheitsgrad von 95 Prozent fungiert die Marke beinahe schon als Gattungsbegriff für Shampoo.

75

76

Charakterisierung des Marketing

Abb. 18: Relaunch Schauma 2005 Nach der Jahrtausendwende wurde wieder ein Ausbau in verwandte Segmente angestrebt, um weiteres Wachstum der Marke sicherzustellen. Anfang 2001 trat Schauma erneut in das sehr pflegende Segment der Kuren ein. Dabei wurde primär die „Kraft“ in den Fokus der Produktpositionierung gerückt. Im Jahre 2002 wurde die Form der Flasche weiter optimiert und 30% mehr Kraft wurde der neue Claim. Drei Jahre später wurde die Formel erneut verbessert, sodass seither ein neues Label „bis zu 80% mehr Kraft“ verspricht.

Case Study „Schauma“ Im gleichen Jahr wurde mit der Easy Aufbau Maske die erste Tiegelkur unter Schauma gelauncht. Das Portfolio wurde 2006 durch den Eintritt in das intensiv pflegende Segment mit der neuen Repair & Pflege Linie und der Leave-in Kur Easy Pflege Fluid erweitert, ohne dass der Kernnutzen „Kraft“ aufgegeben wurde.

Abb. 19: Repair Range - Einführung der Repair & Pflege Linie 2006 mit den neuen Kuren Easy Aufbau Maske und Easy Pflege Fluid.

77

78

Charakterisierung des Marketing

1949

Schauma – eine Weiterentwicklung des ersten Shampoos von Schwarzkopf aus dem Jahr 1903 – wird in den Markt eingeführt. Das erste Objektprogramm von Schauma weist zwei Varianten auf: x „Schauma Blond“, x „Schauma Mild“, die in der Faltschachtel bzw. Tube erhältlich sind.

1958

Beim ersten Revival werden Faltschachtel und Tube farblich verändert. Der typische Schriftzug von Schauma bleibt, findet sich jetzt allerdings in Längsschrift auf der Packung.

1969

Faltschachtel und Tube werden nach und nach durch die heute noch typische tropfenförmige Flasche abgelöst.

1974

Schauma positioniert sich offensiv als FamilienShampoo und kann damit seinerzeit einen mengenmäßigen Marktanteil von 26,3 Prozent erzielen. Das Objektprogramm von Schauma erfährt eine weitere Variante: x „Apfelblüte“, die jedoch acht Jahre später durch die Variante x „Wiesenduft“

1977

ersetzt wird. 1987

Zusätzlich zu den Shampoos bietet Schauma drei Spülungen an. Damit erfährt das Objektprogramm das erste Mal eine Erweiterung in der Breite.

1990-1995

Sukzessive Erweiterung des Objektprogramms um spezialisierte Pflegeprodukte

ab 1996

Rückbesinnung auf die Kernkompetenz der Marke und zunächst umfangreiche Straffung des Objektprogramms. Mit einer neuen Rezeptur (mit AufbauVitamin) und der zentralen Nutzenaussage „Kraft bis in die Spitzen“ kommt es zu einem breit angelegten Relaunch. Andererseits wird das Objektprogramm um ein Shampoo für Kinder erweitert: „Schauma Kids“ ist auf Anhieb Marktführer im Kindersegment.

Case Study „Schauma“

1999

2000-2006

Zum 50. Geburtstag von Schauma erfolgt ein kompletter Relaunch – gleichzeitig wird die Variante „Grüner Apfel“ als Reminiszenz an „Apfelblüte“ eingeführt. Regelmäßige Modernisierung der Marke in Verpackung, Kommunikation und Sortiment mit Anreicherung durch Varianten wie „Repair & Pflege“, „Nutri&Glanz“ und „Aroma“, die den aktuellen Verbrauchertrends entsprechen. Erweiterung des Programms durch Produkte neuer Anwendungsart im Kurensortiment: x Easy-Aufbau-Maske, x Easy-Pflege-Fluid.

Abb. 20: Die Entwicklung einer Marke im Überblick

79

Marktforschung Marktforschung

x Sie kennen die Erfordernisse für eine qualitativ hochwertige und damit zuverlässige Marktforschung als Entscheidungsgrundlage. x Sie sind mit dem idealtypischen Ablauf einer Marktforschung vertraut. x Sie kennen die gängigen Auswahlverfahren und Erhebungsmethoden der Marktforschung und können eine problemadäquate Auswahl treffen. x Sie können den idealtypischen Ablauf zur Operationalisierung theoretischer Konstrukte nachvollziehen und entsprechend der Sie interessierenden Fragestellung anwenden. x Sie sind in der Lage, potenzielle Fehlerquellen, die die Aussagekraft der Marktforschung einschränken, im Vorfeld zu erkennen und bestmöglich einzugrenzen.

84

Marktforschung

Teil A: Einordnung und Grundlagen 1.

Unvollkommene Information

Marktforschung als Funktionsbereich des Marketing

Die reale wirtschaftliche Welt ist unter anderem gekennzeichnet durch eine Situation unvollkommener Informationen – so wie es die neoinstitutionenökonomische Modellwelt explizit zugrunde legt und daraus die bekannten Konsequenzen der Möglichkeit zu opportunistischem Verhalten und letztendlich resultierender Unsicherheit der Marktbeteiligten ableitet. Unentbehrliche Voraussetzung für eine marktorientierte Unternehmensführung ist daher die Entscheidungsunterstützung durch verlässliche Informationen. Wichtig ist dabei die systematische und nicht nur zufällige Erhebung dieser Informationen einerseits und deren konsequente Auswertung und Umsetzung in konkrete unternehmerische Entscheidungen andererseits. Eine derartige systematische Marktforschung stellt somit die Grundlage für eine durchgängige Marktbearbeitung dar.

Funktionen der Marktforschung

Marktforschung beinhaltet somit systemübergreifend und funktional betrachtet die zielgerichtete und systematische Beschaffung, Auswertung und Interpretation von Daten und Informationen, um auf dieser Grundlage abgesicherte unternehmerische Entscheidungen treffen zu können. Datenbeschaffung, Datenauswertung und Dateninterpretation stellen gleichzeitig die ersten drei Unterfunktionen der Teilfunktion „Vorbereitung der Marktteilnahme“ dar. Funktional betrachtet steht die Marktforschung zusammen mit der Marktprogrammerstellung – als vierter Unterfunktion – am Beginn des Marketingprozesses. Ihnen schließen sich die anderen Teilfunktionen „Marktkommunikation“, „Abschluss Marktvertrag“ und „Realisierung“ an, um dann erneut – mit der Zielsetzung Kundenloyalität – über Kundenzufriedenheit in eine (langfristige) Beziehung, in einen kontinuierlich wiederkehrenden Interaktionskreislauf, einzutreten.

Marktforschung als Funktionsbereich des Marketing Somit können diese Unterfunktionen als Stufenkonzept gesehen werden – eine Besonderheit der Marktforschung ist jedoch, dass diese auch in jeder der anderen Funktionen wirkt. Die Ergebnisse der Marktforschung geben im Sinne der Erfolgskontrolle einzelner Marketingaktivitäten Hilfestellung für deren konkrete Ausgestaltung (etwa im Rahmen der Werbeerfolgskontrolle durch experimentelle Designs zur Überprüfung der Wirkung von Werbemitteln auf den Umworbenen). Gleichzeitig dient die Marktforschung als Instrument zur Erfüllung der Managementfunktion „Kontrolle“ im Rahmen der Überprüfung des gesamten Transaktionsprozesses.

85 Marktforschung und der Managementprozess

Die in diesem Zusammenhang in der Literatur hin und wieder vorzufindende Trennung zwischen der auf die Analyse von Märkten gerichteten Marktforschung im eigentlichen Sinne einerseits und der für die einzelnen Marketingaktivitäten – wie eben beispielsweise für die Werbemittelanalyse – verantwortlichen Marketingforschung andererseits wird hier nicht übernommen. Auch die Untersuchungsbereiche der Marketingforschung im Sinne der oben erwähnten Kontrollfunktion innerhalb der Teilfunktionen sind auf Märkte gerichtet – „letztendlich wäre eine Marketingforschung, die nicht direkt oder zumindest indirekt marktorientierte Aktivitäten zum Inhalt hat, ein Widerspruch in sich“ (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 815 f.). Im Folgenden wird daher Marktforschung als der umfassendere Begriff verwendet. Zur intersubjektiven Überprüfung der durch Marktforschung erzielten Ergebnisse zieht man verschiedene Gütekriterien zu Hilfe – als wesentliche Kriterien sind zu nennen (Hermann/Homburg, 1999, S. 23 f.): x Aktualität Die Informationsgrundlage für Entscheidungen darf nicht veraltet sein; x Zeitlicher Bezug Längerfristige/strategische Entscheidungen müssen auch durch längerfristig orientierte Untersuchungen gestützt werden; x Validität = Gültigkeit Werden tatsächlich diejenigen Sachverhalte gemessen, die gemessen werden sollen? x Reliabilität = Zuverlässigkeit Werden bei wiederholten Messungen bei Verwendung der gleichen Verfahren die gleichen Ergebnisse erzielt? Sind die Messwerte präzise und stabil? x Objektivität = Neutralität Neutralität in allen Phasen der Marktforschung: in Beschaffung, Auswertung und Interpretation.

Gütekriterien

86

Marktforschung

2.

Entwicklung und Aufgaben der Marktforschung

Marktforschung beinhaltet die systematische Erforschung der Unternehmens-Märkte (bzw. der Märkte einer Einzelwirtschaft). Ebenso wie Marketing im Allgemeinen ist auch die Marktforschung eine alte Funktion des wirtschaftlich handelnden Menschen, so beispielsweise im Sinne einer – wenn auch methodisch relativ einfachen – Markterkundung durch Beobachtung des Konkurrenz- und Käuferverhaltens. Entwicklungsstufen

Als zeitliche Entwicklungsstufen, gekennzeichnet durch eine ständig erweiterte Funktionsübernahme und sich daraus ableitenden veränderten Anforderungen an die Marktforschung, können folgende Stufen unterschieden werden (Meffert, 1992, S. 18): x 1. Stufe: retrospektive Marktforschung Ausgangspunkt der Marktforschung ist die Analyse von Vergangenheitsdaten. Durch das Sammeln und Auswerten geeigneter Marktdaten der Vergangenheit über längere Zeiträume hinweg können Märkte und ihre Strukturen beschrieben, Effektivität und Effizienz eigener und fremder Marketingaktivitäten überprüft und Gesetzmäßigkeiten bestimmter Entwicklungen gesucht werden. Der Aufbau und die Pflege von Berichtssystemen sind eng mit dieser zurückblickenden Marktforschung verbunden. x 2. Stufe: prospektive Marktforschung Aufbauend auf den Erkenntnissen der ersten Stufe wird nun eine zukunftsbezogene Datenbearbeitung vorgenommen. Neben der unverändert wichtigen Nachbearbeitung von Informationen werden dabei Entwicklungs- und Wirkungsprognosen durchgeführt, um auf dieser Grundlage Entscheidungen treffen zu können. x 3. Stufe: rekogniszierende Marktforschung Bei dieser Form der absichernden Marktforschung werden permanent die erwarteten und tatsächlichen Wirkungen von Marketingmaßnahmen begleitend überprüft. Durch den Einsatz von Expertensystemen wird eine kontinuierliche Entscheidungsunterstützung als sog. „Just in time-Forschung“ integriert.

Entwicklung und Aufgaben der Marktforschung

87

Allgemein – und je nach Stand der Marktforschung im Sinne der obigen Entwicklungsstufen in der Zielerreichung unterschiedlich erfüllt – hat Marktforschung drei hauptsächliche Aufgaben wahrzunehmen: Auf der Grundlage der bereits mehrfach erwähnten unvollkommenen Information ist zunächst der Abbau von Unsicherheiten bei den Entscheidungsträgern zu nennen (Unsicherheitsreduktionsfunktion). Mit Hilfe der Marktforschung können des Weiteren relevante Informationen – vor dem Hintergrund einer ständig wachsenden „Informationsflut“ – ausgewählt und nutzergerecht aufbereitet werden (Selektions- und Strukturierungsfunktion). Darüber hinaus hilft Marktforschung, Risiken (Frühwarnfunktion) und Chancen (Innovationsfunktion) frühzeitig zu erkennen, abzuschätzen (Früherkennungsfunktion) und schließlich die Erkenntnisse in den darauf folgenden Marketingfunktionen umzusetzen (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 816; Meffert, 1992, S. 17).

Aufgaben

Dabei kommt neben den eher „klassischen“ beiden ersten Aufgaben insbesondere der strategischen Früherkennung eine zunehmend wichtige Bedeutung zu. Grundlage dieses Konzepts ist das Konstrukt der schwachen Signale (Weak Signals) (Mattmüller, 2001, S. 315 f.). Dessen Kern ist die Erkenntnis, dass sich wesentliche und strukturell entscheidende Veränderungen im Umfeld eines Unternehmens selten abrupt – von heute auf morgen – einstellen, sondern sich durch mehr oder weniger zuordenbare, in ihrer Aussagekraft deswegen jedoch noch diffuse Signale vorher ankündigen. Beispiele hierfür sind etwa erste Berichte über sich verändernde Einstellungen von relevanten Bezugsgruppen in den Medien, Äußerungen von Mitarbeitern im eigenen und von fremden Unternehmen, Beobachtungen auf Messen, Stellungnahmen von Interessensverbänden etc. Im Rahmen der Marktforschung gilt es, solche schwachen Signale zu erfassen, zu verdichten und auf der Grundlage entsprechender weiterführender Analysen längerfristige Trends und Entwicklungsprognosen abzuleiten.

Schwache Signale

Mit Blick auf alle Aufgabenstellungen ist der Servicecharakter der Marktforschung deutlich hervorzuheben, aus dem sich auch eine wichtige organisatorische Konsequenz ergibt. Die Marktforschung als Institution bereitet Entscheidungen vor und spricht Empfehlungen aus – ist also lediglich eine Entscheidungshilfe. Entscheidungen als solche sollte die Marktforschung jedoch nicht selbst treffen. „Dort wo diese Differenzierung nicht vorgenommen wird, bzw. nicht vorgenommen werden kann, besteht ansonsten die Gefahr, dass der Marktforscher nicht mehr objektiv und kritisch, sondern voreingenommen und auf die später von ihm zu verantwortenden Entscheidungen hin bezogen analysiert” (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 817; vgl. dazu auch Joas, 1996, S. 32).

Servicecharakter

Frühwarn-, Innovationsund Früherkennungsfunktion

88

Marktforschung

3.

Untersuchungsbereiche

Kaufverhaltensforschung als zentraler Untersuchungsbereich der Marktforschung

Abgeleitet aus den aufgezeigten Aufgaben der Marktforschung lässt sich eine – nicht abschließend dargestellte – Vielzahl von Untersuchungsbereichen nennen, die durch Marktforschung zu betrachten sind (siehe hierzu auch die Integrationsfelder im Abschnitt „Charakterisierung des Marketing“, Kap. A 2): Absatz- und Beschaffungsmärkte Markt allgemein z.B. - Marktvolumen heute - zukünftiges Marktpotenzial Finale Zielgruppen (Nachfrager) z.B. - Zielgruppenstruktur - Nutzenerwartungen - Veränderungen im Nachfrageverhalten - Kundenzufriedenheit Subfinale Zielgruppen z.B. - Meinungsbeeinflusser

Wettbewerb Branchenstruktur z.B. - Marktanteile - strategische Gruppen - Wettbewerbsintensität - Kooperationen Einzelkonkurrenten z.B. - Ziele - Strategien - Stärken/Schwächen

Eigenes Unternehmen

Umwelt Wirtschaftliche Umwelt z.B. - Kapitalmärkte - Konjunktur Ökologische Umwelt z.B. - Energie - Umweltschutz Technologische Umwelt z.B. - Innovationen Politische Umwelt z.B. - Wirtschaftspolitik - Gesetzgebung

Finanzen z.B. - Erfolgskennzahlen Personal z.B. - Qualifikation Rechnungswesen z.B. - Deckungsbeiträge Organisation z.B. - Marktorientierung Leistungserstellung z.B. - Kapazität

Absatz- u. Beschaffungswege z.B. - Marktstrukturen u. deren Ausschöpfung - Veränderungen auf Lieferantenseite

Abb. 21: Untersuchungsbereiche der Marktforschung (Joas, 1996, S. 33)

Kaufverhaltensforschung als zentraler Untersuchungsbereich der Marktforschung

89

Eine herausragende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Erforschung des Kaufverhaltens des Nachfragers zu, da Letzteres nachvollziehbar die meisten Entscheidungen im Marketing direkt oder indirekt beeinflusst. Die Kaufverhaltensforschung nimmt daher innerhalb der Marktforschung traditionell einen entsprechend großen Raum ein.

Kaufverhaltensforschung

Die zentralen Fragestellungen, für die die Kaufverhaltensforschung möglichst allgemeingültige Antworten bzw. Wenn-Dann-Aussagen sucht, lassen sich wie folgt zusammenfassen (Meffert, 1992, S. 22):

Zentrale Fragen

x Wer kauft? x Was wird gekauft? x Warum wird gekauft? x Wie wird gekauft? x Wie viel wird gekauft? x Wann und wie oft wird gekauft? x Wo bzw. bei wem wird gekauft? Die Modelltypen zur Prognose des Konsumentenverhaltens können in Strukturmodelle mit Partial- oder Totalansatz bzw. in Stochastische Modelle eingeteilt werden. Die Stochastischen Modelle untersuchen nicht die im Organismus ablaufenden Prozesse. Als behavioristischer Erklärungsansatz werden einerseits nur beobachtbare und messbare Variablen betrachtet, also verschiedene Stimuli (durch Marketingaktivitäten steuerbare Einflussfaktoren) und das Kaufverhalten als Reaktion auf diese Stimuli (z.B. Kaufentscheidung für ein bestimmtes Shampoo) andererseits. Im Inneren einer Person ablaufende Prozesse entziehen sich dieser „Black Box Betrachtung“. Als S-R-Modell wird der Zusammenhang zwischen Stimulus und Reaktion unter Einbeziehung einer Zufallskomponente analysiert. So wird beispielsweise über eine Regressionsanalyse der Zusammenhang zwischen Werbeeinsatz als Stimulus und der Nachfragemenge als Reaktion ermittelt. Andere Einflussgrößen werden in einer stochastischen Störvariable erfasst.

Stochastische Modelle

Die Strukturmodelle versuchen hingegen, die innerhalb eines Organismus ablaufenden Prozesse zu erfassen und zu ordnen, um sie damit erklärbar zu machen. Diese neo-behavioristische Betrachtungsweise strebt danach, die Prozesse durch sogenannte „intervenierende Variablen“ zu erklären. Solche Variablen, wie beispielsweise Einstellungen, Images etc. wirken wie Filter, die die einströmenden Stimuli entsprechend verarbeiten und zu einer individuellen Reaktion führen. Deshalb

Strukturmodelle

90

Marktforschung werden diese Ansätze als S-O-R-Ansätze bezeichnet. Die Totalmodelle unter ihnen versuchen, das Kaufverhalten möglichst vollständig mit Hilfe aller relevanter Einflussfaktoren zu erklären. Sie erzielen somit höchst komplexe Aussagen, die sich jedoch nur sehr eingeschränkt empirisch überprüfen lassen. Im Gegensatz dazu betrachten die Partialmodelle nur Ausschnitte des Konsumentenverhaltens und die Wirkungsweise einzelner durch Marketingmaßnahmen steuerbarer Einflussfaktoren sowie erzielte Resultate, wie beispielsweise eine durch Werbung veränderte Markenwahl des Käufers. Dabei wird je nach betrachteter Variable in psychologisch und soziologisch orientierte Modellansätze differenziert.

Behaviorismus Neo-Behaviorismus

Stimuli

Organismus

Reaktionen

intervenierende Variablen (hypothetische Konstrukte) x aktivierende Prozesse x kognitive Prozesse

Soziologische Aspekte

Abb. 22: S-R- bzw. S-O-R-Betrachtung Anwendungsbereiche

Struktur- und Prozessmodelle des Käuferverhaltens weisen häufig Schwierigkeiten im Hinblick auf Aggregation und Validierung auf – ihr Vorteil liegt in der Erklärung von komplexen Zusammenhängen des Kaufverhaltens. Die Prognose von Kaufvorgängen ist eher die Stärke der Stochastischen Modelle. In methodischer Hinsicht ergänzen sich die Modellvarianten. Die Ansätze zur Kaufverhaltensforschung helfen somit, die geforderte Validität der Marktforschung bei Operationalisierungsproblemen theoriegestützt gewährleisten zu können.

Konzeption der Marktforschung

91

Teil B: Management der Marktforschung Konzeption, Planung, Ausführung und Kontrolle stellen das grundsätzliche Ablaufschema zur konkreten Ausgestaltung und Verwirklichung der einzelnen Teilfunktionen dar. Im folgenden Kapitel soll das Management der Marktforschung mit seinen einzelnen Aufgaben dargestellt werden.

1.

Konzeption der Marktforschung

1.1 Zielsetzung und Motivation Jede Konzeption besteht aus Zielsetzung und deren Begründung (Motivation). Abgeleitet von ihrer Funktion und Aufgabe für den gesamten Transaktionsprozess ist es dabei das allgemeine Ziel der Marktforschung, relevante Sachverhalte zu messen, um diese beurteilen zu können. Die Marktforschung sucht also bestimmte Merkmale, die für die jeweilige Problemstellung relevant sind (z.B. Schauma-Verwender), sowie die Ausprägungen dieser Merkmale bei Merkmalsträgern (z.B. ja/nein), um diese Ausprägungen bestimmten Symbolen (Zahlen, Zeichen) nach bestimmten Regeln zuzuordnen. Dabei auftretende Unterschiede werden verglichen und bewertet. Eine Messung ist somit ein Vorgang der Quantifizierung – Daten sind das Ergebnis von Messungen.

Bestandteile einer Konzeption

In diesem Zusammenhang sind in der Konzeption der Marktforschung die jeweils relevante Problemstellung und der entsprechende Untersuchungsgegenstand zu bestimmen, womit eine Zielsetzung im engeren Sinne vorgenommen wird. Die Konzeption kann daher auch als Definitionsphase eines Marktforschungsvorhabens verstanden werden.

Konzeption als „Definitionsphase“

92

Marktforschung Konkret geht es also beispielsweise um die Auswahlentscheidung, ob Einstellung (a) oder Kundenzufriedenheit (b) oder etwa Erinnerungswerte nach einer Werbekampagne (c) gemessen werden sollen (Zielsetzung i.e.S.) und warum dies im gegebenen Kontext von Bedeutung ist (Motivation) – hier etwa zur Überprüfung des Generalziels Kundenloyalität bei (a) und (b) bzw. zur Kontrolle der Werbung bei (c).

1.2 Operationalisierung von Konstrukten Theoretische Konstrukte

Beispiele

Dimensionen und Skalierung

In der Marktforschung tritt häufig ein bereits im Zusammenhang mit der Kaufverhaltensforschung erwähntes Forschungsproblem auf: die Messung nicht unmittelbar erfassbarer Merkmale und deren Ausprägungen bzw. nicht direkt beobachtbarer Sachverhalte, die „innerhalb“ einer Person wirksam werden. Es handelt sich um sogenannte „subjektive Sachverhalte“ oder „intervenierende Variablen“, wie z.B. Emotionen, Einstellungen, Wertungen, Zufriedenheit, Glück, Motivation, Bewusstsein, Bildung, Liebe. Diese Größen sind nicht direkt quantifizierbar und haben zunächst noch keinen nachprüfbaren Wirklichkeitsbezug. Man spricht auch von (theoretischen) Konstrukten. Um einen indirekten Wirklichkeitsbezug messen und durch empirische Aussagen überprüfen zu können, werden diese qualitativen Merkmale zunächst mittels Hilfsgrößen (abgeleitete Begriffe, Dimensionen) umschrieben und handhabbar gemacht und danach skaliert, also in quantitative Größen transformiert. Die nachfolgende Abbildung zeigt den idealtypischen Weg einer solchen Operationalisierung von Konstrukten zunächst in einer allgemein gültigen Darstellung. Um das theoretische Konstrukt einem Skalenwert zuordnen zu können, werden zwei Betrachtungsebenen differenziert: die Ebene der erklärenden Theorie und die Ebene der messenden Theorie.

Einstellung als Beispiel

Die Vorgehensweise der Operationalisierung soll nachfolgend am Beispiel der Einstellung verdeutlicht werden. Einstellung ist ein Schlüsselbegriff der Sozialpsychologie und der Kaufverhaltensforschung und bezeichnet die Prädisposition (Bereitschaft) eines Individuums, auf bestimmte Stimuli positiv oder negativ zu reagieren, bzw. diese positiv oder negativ zu bewerten (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 2002, S. 168; Stroebe, 1980, S. 142; vgl. auch zum Einstellungs-Verhaltens-Zusammenhang: Ajzen/Fishbein, 1980). Dies beinhaltet eine Gegenstandsbeurteilung, z.B. als Basis der Kaufabsicht, so dass positive Einstellungen (also Präferenzen gegenüber einem Angebot) die Kaufchancen

Konzeption der Marktforschung

93

vergrößern. Um diese Präferenz beurteilen zu können, ist eine Konzeptualisierung – in Form einer Erarbeitung der relevanten Konstruktdimensionen – und darauf aufbauend eine Operationalisierung – also die Entwicklung eines geeigneten Messinstruments – notwendig.

Theoretischer Begriff

Abgeleitete Begriffe (Dimensionen)

Indikatoren

Meßinstrument (z.B. Skala)

0 V1 B1

V2

1

V3 B

V4

2

V5 B2

V6

3

V7 V8

4

Abb. 23: Operationalisierung eines theoretischen Begriffs: vom theoretischen Konstrukt über Indikatoren zum Skalenwert (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 2002, S. 689) Auf der Ebene der erklärenden Theorie bzw. der theoretischen Ebene wird nun zunächst die zu untersuchende Variable genauer analysiert, werden Einflussfaktoren isoliert und somit ein grundlegendes Verständnis des Konstrukts erarbeitet. Auf dieser Ebene wird also danach gefragt, wie sich Einstellungen bilden, verändern und welche Faktoren darauf einwirken. Hierzu stehen unter Umständen mehrere theoretische Ansätze zur Verfügung. So kann die Einstellung gemäß der – vorherrschenden – Lerntheorie durch Lernen und Erfahrungen gebildet werden, also durch Konditionierung, Verstärkung und Nachahmung. Nach der Funktionalen Theorie etwa begründen sich Einstellungen durch Übertragung des Selbstbilds eines Individuums und seiner Wertvorstellungen. Die Gleichgewichtstheorien wiederum führen Einstellungen auf kognitive Konsistenz bzw. Inkonsistenz zurück, indem inkonsistente Informationen verdrängt bzw. konsistente Informationen betont werden.

Ebene der erklärenden Theorie

Das Ergebnis dieser Überlegungen ist die Eingrenzung des Konstrukts (Begriffsbildung) mit der Modellierung der Einwirkungen (Ursachen, Einflussfaktoren) und die Festlegung daraus abgeleiteter Begriffe (Di-

Begriffsbildung

94

Marktforschung mensionen), die grundsätzlich in zwei verschiedene Merkmalsklassen eingeordnet werden können:

Affektive und kognitive Dimension

x affektive (emotionale) Dimension (Komponente): alle mit der Variablen verbundenen gefühlsmäßigen Einschätzungen des Objekts; x kognitive Dimension (Komponente): alle mit der Variablen verbundenen rationalen Gedanken über das Objekt. In der Literatur wird teilweise auch eine dritte Dimension vermerkt, die konative Komponente, womit die mit der Variablen verbundenen Handlungstendenzen (z.B. Kaufbereitschaft) beschrieben werden. Diese Dimension ist jedoch nicht unumstritten, da sie eher als resultierende und weniger als bestimmende Größe zu betrachten ist. Auf Ebene der erklärenden Theorie sind diese Zwischenergebnisse noch nicht in Daten überführbar.

Ebene der messenden Theorie

Erst auf der Ebene der messenden Theorie (empirische Ebene) findet die Operationalisierung im engeren Sinne statt. Zunächst ist hierzu nach geeigneten Indikatoren zu suchen. Es handelt sich dabei um empirische Größen, die durch Beobachtung oder Befragung anzeigen, ob und inwieweit das theoretische Konstrukt vorliegt (z.B. Kundenzufriedenheit als theoretisches Konstrukt; Wiederkaufrate als Indikator). Im Beispiel der Einstellung werden – aufbauend auf den festgelegten Einstellungsdimensionen – etwa mit dem Objekt verbundene gefühlsmäßige Regungen oder kognitive Äußerungen erfasst und Reaktionen – z.B. physiologische Veränderungen über Hautwiderstandsmessungen (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 2.3.2.1) – beobachtet.

Skalierung

In einem nächsten Schritt ist die Skalierung festzulegen. Hierunter ist die Auswahl einer Skala zur Messung von Merkmalsausprägungen und somit die eigentliche Messung durch die Zuordnung von Zahlen zu Objekten oder Eigenschaften zu verstehen. Den einzelnen Indikatoren werden direkte oder indirekte Skalenwerte zugeordnet, womit sie mathematisch-statistischen Analyseverfahren zugänglich gemacht werden. Eine Skala liefert also einen Maßstab, sozusagen das Ziffernblatt eines Messinstruments, auf dem die Ausprägungen als Skalenwerte zahlenmäßig abgelesen werden können. Skalen können von unterschiedlichen mathematischen Eigenschaften geprägte Messwerte liefern.

Messniveaus, Skalenarten

Man differenziert Skalen nach ihren Messniveaus, also nach formalwissenschaftlichen Kriterien, in der Regel nach vier unterschiedlichen Skalenarten (Messniveaus, Maßstabsarten):

Konzeption der Marktforschung

95

Nominalskalierte Daten geben lediglich Auskunft, ob ein bestimmtes Merkmal vorliegt oder nicht (ja/nein). Diese Zuordnung als einfachste Art des Messens erlaubt nur Aussagen über Häufigkeitsverteilungen, ansonsten sind keine statistischen Operationen möglich. Ordinalskalierte Daten (Präferenz- oder Urteilsdaten) ermöglichen die Bildung einer Rangfolge, ohne aber den Abstand von einer Kategorie zur anderen zahlenmäßig angeben zu können (besser als ...). Bei intervallskalierten Daten weisen die verschiedenen Stufen feste, gleich große Abstände auf (z.B. typische Schulnoten-Skala), bei verhältnisskalierten Daten (Kardinal-, Ratioskalen) zusätzlich einen absoluten Nullpunkt. Mit diesen beiden letztgenannten metrischen Daten können daher auch umfangreiche statistische Analysen durchgeführt werden (vgl. dazu Green/Tull, 1982, S. 153 ff.). Mit zunehmendem Messniveau wachsen Aussagekraft und Informationsgehalt der Daten. So ist z.B. die Bildung eines Mittelwerts bei dem nominal skalierten Merkmal „Geschlecht“ nicht möglich, bei dem verhältnisskalierten „Umsatz pro Monat“ dagegen schon. Die Wahl des geeigneten Messniveaus ist zunächst abhängig vom Untersuchungsgegenstand. Oft ist es aber besser, ein höheres Messniveau zu wählen, da eine Vereinfachung – beispielsweise von intervallskalierten Daten zu ordinalskalierten Daten – möglich ist, der umgekehrte Weg dagegen nicht. Eine genaue Konstruktgestaltung im Rahmen der Konzeption ist somit Grundlage für empirische Studien sowie wichtiges Kriterium und Qualitätsindikator für eine methodisch fundierte Marktforschung.

Wahl des Messniveaus

96

Marktforschung Nichtmetrische Daten Messniveau Nominalniveau

Ordinalniveau

Mathematische Eigenschaften der Messwerte

A=AzB

A>B>C

Beschreibung der Messwerteigenschaften

Klassifikation:

Rangordnung:

- Zuordnung von Merkmalsausprägungen - Die Messwerte zweier Einheiten sind identisch oder nicht identisch

Statistische Messzahlen

- Häufigkeit

- Rangreihe zur Ordnung von Merkmalsausprägungen ohne Abstandsangaben - Messwerte lassen sich auf einer Merkmalsdimension als kleiner/größer/ gleich einordnen Zusätzlich zum Nominalniveau:

- Modalwert

- Median - Prozentrangwerte Beispiele

Zweiklassig:

Präferenz- und Urteilsdaten:

- Geschlecht

- Verwendungshäufigkeit

Mehrklassig:

- Marke X gefällt mir besser/gleich gut/weniger als Marke Y

- Augenfarbe

Metrische Daten Messniveau Intervallniveau

Rationiveau (Verhältnisskala)

Mathematische Eigenschaften der Messwerte

A > B > C u. A - B = B - C

A = x. B

Beschreibung der Messwerteigenschaften

Rangordnungs- und Abstandsbestimmung:

Absoluter Nullpunkt:

- Rangreihe mit festen Abständen zwischen den Messwerten

- Rangreihe mit festen Abständen und einem absoluten Nullpunkt - Neben Abstandsbestimmungen können auch Messwertverhältnisse berechnet werden

Planung der Marktforschung Statistische Messzahlen

Beispiele

97

Zusätzlich zum Ordinalniveau:

Zusätzlich zum Intervallniveau:

- Arithmetisches Mittel

- Geometrisches Mittel

- Standardabweichung

- Variationskoeffizent

- Notenskala

- Alter

- Kalenderzeit

- Gewicht

- Temperatur

- Länge - Geschwindigkeit - Jahresumsatz

Abb. 24: Messniveaus und ihre Eigenschaften (Berekoven/Eckert/Ellenrieder, 1999, S. 71)

2.

Planung der Marktforschung

Entspricht die Konzeption einer „Definitionsphase“, so ist die Planung der Marktforschung als „Designphase“ zu verstehen. Hier werden die Vorgaben der Konzeption in konkrete Schritte und Sollvorgaben im Sinne abzuarbeitender Entscheidungsbereiche umgesetzt. Im Wesentlichen lassen sich drei Planungsbereiche herausstellen, die für die nachfolgend zunächst zu unterscheidende Sekundär- versus Primärforschung jedoch von unterschiedlicher Bedeutung sind.

Planung als „Designphase“

2.1 Auswahl der Informationsquellen Je nachdem, ob für den konkreten Forschungsbedarf vorhandenes Material ausgewertet oder neue Daten originär erhoben werden müssen, wird zwischen Sekundär- und Primärforschung unterschieden. Bei der Datenbeschaffung aus Sekundärquellen (Sekundärforschung, Desk Research) wird auf bereits vorhandene Daten zurückgegriffen, die „selbst oder von Dritten für ähnliche oder auch ganz andere Zwecke bereits erhoben wurden. Dieses Datenmaterial wird unter den speziellen Aspekten der Fragestellung gesammelt, analysiert und ausgewertet”

Sekundärquellen

98

Marktforschung (Berekoven/Eckert/Ellenrieder, 1999, S. 42 f.). Sekundärdaten können aus betriebsinternen oder -externen Quellen stammen.

Unternehmensinterne Quellen

Beispiele

Jeder Betrieb verfügt über eine Vielzahl unternehmensinterner Quellen, die in Hinblick auf konkrete Fragestellungen der Marktforschung ausgewertet werden können – am einfachsten natürlich, wenn diese internen Quellen in Datenbanken oder Informationssystemen organisiert sind. Aufgrund der Vielzahl unternehmensintern vorhandener Daten kommt der Analyse dieses internen Sekundärmaterials eine besondere Bedeutung zu. Entscheidend ist hier die Kenntnis über die vorliegenden Datensätze, deren effektive Auswahl und Verdichtung sowie Interpretation. Häufig handelt es sich dabei aus Sicht der Marktforschung sozusagen um „Abfallprodukte“, die aus bestimmten Gründen ohnehin erstellt werden mussten und jetzt mit Blick auf die für die Marktforschung relevante Fragestellung lediglich (nochmals) ausgewertet werden müssen. So ist etwa eine aus der Fakturierungstätigkeit heraus entstandene und aktualisierte Kundendatenbank ein wertvolles Kapital und verlässliche Basis vieler Marketingaktivitäten. Beispiele für interne Informationsquellen der sekundärstatistischen Marktforschung sind u.a.: Innerbetriebliche Quellen, z.B.: x Absatzstatistiken, x Kundenstatistiken und -karten (u.a. aus Liefer- und Rechnungsanschriften etc.), x Buchhaltungs- und Kostenrechnungsunterlagen, x Lieferantenstatistiken, x Statistiken über Kundenbeschwerden, x Berichte und Mitteilungen außenorientierter Abteilungen, x frühere Primärerhebungen (z.B. eine bereits früher durchgeführte Kundenbefragung), x bereits vorhandene außerbetriebliche Sekundärquellen. Abb. 25: Betriebsinterne Quellen der Sekundärforschung (Kunz, 1999, S. 92)

Betriebsexterne Sekundärquellen

Ergänzend zu den im Unternehmen bereits vorhandenen Daten können interessante weitere Informationen aus zahlreichen betriebsexternen Sekundärquellen gesammelt werden. Beispiele für betriebsexterne, sekundärstatistische Informationsquellen sind:

Planung der Marktforschung

99

Außerbetriebliche Quellen, z.B.: x amtliche Statistiken, x Veröffentlichungen von Verbänden, x Handbücher und Nachschlagewerke, x Verlagsuntersuchungen, x Veröffentlichungen von wirtschaftswissenschaftlichen Instituten, x Fachzeitschriften/-zeitungen, x Daten von Marktforschungsinstituten, Adressverlagen, Werbeagenturen, x Firmenveröffentlichungen. Abb. 26: Betriebsexterne Quellen der Sekundärforschung (Kunz, 1999, S. 92) Prinzipiell weist die Sekundärforschung verschiedene Vorteile auf:

Vorteile

x Sekundärforschung verursacht im Vergleich zur Primärforschung geringere Kosten; x sie reduziert den für die Marktforschung notwendigen Zeitaufwand; x sie erleichtert den Einstieg in das Forschungsproblem x und sorgt, falls als regelmäßiger Prozess institutionalisiert, für eine Kontinuität in der Informationsbeschaffung. Diesen unbestrittenen Vorteilen stehen jedoch auch Nachteile, zumindest potenzielle Risiken gegenüber, die sich in folgenden Fragen widerspiegeln: x Ist die Aktualität der Informationen aus den Sekundärquellen noch gewährleistet? x Sind die Daten auf die konkrete Problemstellung anwendbar und im Detaillierungsgrad passend? x Sind die Sekundärdaten zuverlässig und aussagefähig? x Sind die Daten bei Längsschnittanalysen vergleichbar? Zeitlich gesehen sollte am Anfang jeder Marktforschungsuntersuchung zunächst eine Sekundäranalyse erfolgen, da hiermit ein relativ schneller und kostengünstiger Einstieg in den Untersuchungsbereich möglich ist. Falls über die Analyse des vorhandenen Datenmaterials hinaus noch Fragen unbeantwortet bleiben, ist es notwendig, eine Primärerhebung anzuschließen. Es ist somit nicht prinzipiell zwischen Primär- oder Se-

Nachteile

100

Marktforschung kundärforschung zu entscheiden, sondern vielmehr die Frage nach zusätzlich notwendiger – über die Sekundäranalyse hinausgehender – Primärforschung zu stellen.

Primärquellen

Eine Datenbeschaffung aus Primärquellen (Primärforschung, Field Research) liegt vor, wenn für eine konkrete Fragestellung unmittelbar neue und originäre Informationen (z.B. durch eine Befragung) erhoben werden. In diesem Zusammenhang sind – neben Kosten-/Nutzenüberlegungen – vor allem methodische Fragen relevant, die zu den nachfolgenden Planungsschritten führen.

2.2 Auswahl der Erhebungseinheiten Grundgesamtheit

Bei der Auswahl der zu untersuchenden Merkmalsträger ist zu entscheiden, „welche“ und „wie viele“ Merkmalsträger in die Erhebung mit einbezogen werden sollen, um Repräsentativität zu gewährleisten. Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage muss stets die Definition der Grundgesamtheit sein, also die Bestimmung der Gesamtmenge aller für die konkrete Fragestellung relevanten Merkmalsträger.

Vollerhebung

Werden alle Elemente der Grundgesamtheit in die Marktforschungsuntersuchung mit einbezogen, so spricht man von einer Vollerhebung. Für sie liegt somit kein methodisch zu lösendes Auswahlproblem vor.

Teilerhebung

Aus Kosten- und Zeitgründen ist jedoch meistens eine Teilerhebung bei einer Stichprobe (Sample, Teilmasse) durchzuführen. „Dabei ist darauf zu achten, dass die in der Teilmasse ermittelten Ergebnisse möglichst denen entsprechen, die sich bei einer denkbaren Vollerhebung ergeben hätten, also repräsentativ für die Grundgesamtheit sind. Die für die Marktforschung zentrale Forderung nach Repräsentativität ist immer dann erfüllt, wenn die Verteilung der relevanten Merkmale in der zahlenmäßig kleineren Stichprobe mit denen in der größeren Grundgesamtheit übereinstimmt“ (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 825).

Repräsentativität

Zur Auswahl repräsentativer Stichproben können verschiedene Verfahren angewendet werden, die sich in zwei Gruppen, nämlich in die Verfahren der Zufallsauswahl und in die Verfahren der bewussten Auswahl einteilen lassen. Zufallsauswahl

Die Verfahren der Zufallsauswahl beruhen auf wahrscheinlichkeitstheoretischen Überlegungen und gewährleisten, dass jedes Element der Grundgesamtheit die gleiche, berechenbare Chance hat, in die Stichprobe gewählt zu werden. Bei diesen Verfahren entscheidet also der Zu-

Planung der Marktforschung

101

fall, welche Merkmalsträger in die Untersuchung mit einbezogen werden. Zu nennen sind hier vor allem die Verfahrensvarianten der reinen Zufallsauswahl, der geschichteten Zufallsauswahl, die Klumpenauswahl und das Random-route-Verfahren (siehe hierzu z.B. Berekoven/Eckert/Ellenrieder, 1999, S. 51 ff. sowie Meffert, 1992, 192 ff.). Bei der reinen Zufallsauswahl wird die Stichprobe aus der vollständig vorliegenden Grundgesamtheit gezogen, entsprechend einer Lotterie. Die Auswahl kann auch mit Hilfe von Zufallszahlen, durch Schlussziffern oder durch eine Buchstabenauswahl erfolgen. Beliebte Anwendungsmöglichkeit der reinen Zufallsauswahl ist das Abzählverfahren, bei dem beispielsweise jeder zwanzigste Besucher beim Verlassen eines Konzerts nach seinen Eindrücken befragt wird.

Reine Zufallsauswahl

Vor allem bei einer sehr heterogen strukturierten Grundgesamtheit ist die Durchführung der geschichteten Zufallsauswahl (Stratified Sampling) empfehlenswert. Durch die Bildung homogener Unterklassen (Schichten) soll der systemimmanente Zufallsfehler reduziert werden. Hierzu wird die Grundgesamtheit zunächst in möglichst homogene Schichten eingeteilt, um danach innerhalb der jeweiligen Untergruppen gängige Zufallsverfahren anzuwenden. Unterscheiden kann man hier wiederum zwischen einer proportional geschichteten Stichprobe (jede Schicht ist in der Stichprobe im gleichen Verhältnis wie in der Grundgesamtheit vertreten) bzw. einer disproportional zur Anzahl geschichteten Stichprobe (relativ kleinen Schichten mit einer besonderen Bedeutung für das Untersuchungsergebnis wird in der Stichprobe ein vom Verhältnis in der Grundgesamtheit abweichender Anteil eingeräumt).

Geschichtete Zufallsauswahl

Im Rahmen der Klumpenauswahl (Cluster Sampling) wird die Gesamtmasse in Untergruppen (Klumpen) eingeteilt. Einige Klumpen gehen – zufällig ausgewählt – komplett in die Stichprobe ein, der Rest bleibt unberücksichtigt. Dies kann nur bei einer für die Fragestellung homogen strukturierten Grundgesamtheit sinnvoll sein, damit keine Ergebnisverzerrungen durch sogenannte Klumpeneffekte vorkommen können. So wäre beispielsweise eine regionale Klumpenauswahl (sog. Area Sampling) einzelner Stadtbezirke, um die Meinung zur kommunalen Familienpolitik zu erheben, problematisch, da je nach Auswahl von Arbeiter-, Prominentenvierteln oder Stadtbezirken mit Altersheimen oder Neubaugebieten mit einer Ergebnisverzerrung zu rechnen sein wird.

Klumpenauswahl

Im Random-route-Verfahren werden Ausgangspunkte zufällig ermittelt und den Interviewern vorgegeben. Von diesen Starthaushalten aus werden nach genau festgelegten Regeln die Haushalte entlang eines bestimmten Zufallswegs aufgesucht. Die Erhebungsarbeit ist somit in einem begrenzten Gebiet durchführbar.

RandomrouteVerfahren

102

Marktforschung

Verfahren der bewussten Auswahl

Im Gegensatz zur Zufallsauswahl werden bei den Verfahren der bewussten Auswahl die Untersuchungseinheiten nach „definierten, relevanten Merkmalen bewusst und gezielt ausgewählt, um das gewünschte verkleinerte Abbild der Grundgesamtheit zu erhalten” (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 825). Voraussetzung ist jedoch die Kenntnis der relevanten Merkmale und Merkmalsausprägungen in der Grundgesamtheit.

QuotaVerfahren

So wird beim Quota-Verfahren die prozentuale Merkmalsverteilung in der Grundgesamtheit auf die Zusammensetzung der Stichprobe übertragen. Ein einfaches Beispiel einer Stichprobe von 200 Personen, quotiert nach Wohnbezirken, Geschlecht und Alter soll diesen “Übertragungsgedanken” verdeutlichen:

Relevante Merkmale Wohnbezirk Bezirk 1 Bezirk 2 Bezirk 3 Bezirk 4 Bezirk 5 Geschlecht - männlich - weiblich Alter - bis 30 Jahre - 31 bis 45 Jahre - 46 bis 60 Jahre - 61 Jahre und älter ...

Prozentuale Verteilung in der Grundgesamtheit

Vorgabe für eine 200er Stichprobe

30 % 15 % 5% 20 % 30 % 100 %

60 30 10 40 60 200

55 % 45 % 100 %

110 90 200

25 % 35 % 25 % 15 % 100 % ...

50 70 50 30 200 ...

Abb. 27: Beispiel Quotaverfahren, Vorgaben für eine 200er Stichprobe Die konkrete Auswahl der Merkmalsträger darf der Interviewer selbständig treffen, wichtig ist dabei nur die Einhaltung der vorgegebenen Quoten.

Planung der Marktforschung

103

Quotaverfahren Vorteile x x x

Nachteile x qualitative Merkmale (Einstellungen, Meinungen) können nicht bzw. nur sehr schwer quotiert werden x Gefahr der Ergebnisverzerrung durch Befrager

kostengünstig schnell flexibel

Abb. 28: Vor- und Nachteile des Quotaverfahrens Der Vollständigkeit halber sind noch zwei weitere Verfahren der bewussten Auswahl zu nennen, die jedoch – nicht zuletzt wegen der oft eingeschränkten Eignung – weniger Praxisrelevanz besitzen. Das Cutoff-Verfahren beschränkt sich auf Untersuchungseinheiten, denen ein besonderer Erklärungsbeitrag zugesprochen wird (z.B. die fünf umsatzstärksten Handelsunternehmen). Die typische Auswahl untersucht – wie der Name schon sagt – nur „typische“ Merkmalsträger (z.B. den typischen Schauma-Kunden, der mit Hilfe von Durchschnittskennzahlen ermittelt werden muss).

Cut-offVerfahren

Typische Auswahl

Auswahlverfahren

Vollerhebung

Teilerhebung

repräsentative Auswahl

bewusste Auswahl

Zufallsauswahl

einfache Zufallsauswahl

uneingeschränkte Zufallsauswahl: Lotterieauswahl

Sonderformen

Auswahltechniken: z.B. systematische Zufallsauswahl

willkürliche Auswahl

geschichtete Auswahl

proportional

Quotenauswahl

Klumpen-Auswahl

disproportional

Abb. 29: Übersicht über Auswahlverfahren (Berekoven/Eckert/Ellenrieder, 1999, S. 62)

Auswahl nach dem Konzentrationsprinzip

typische Auswahl

104

Marktforschung Eine abschließende Wertung der repräsentativen Auswahlverfahren im Vergleich zwischen den Verfahren der Zufallsauswahl und den Verfahren der bewussten Auswahl ist nicht eindeutig möglich, da beide Verfahrensgruppen gute Ergebnisse liefern können. Die Verfahren der Zufallsauswahl und der bewussten Auswahl stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Die Anwendung ist abhängig vom konkreten Forschungsproblem und vom Kenntnisstand über die Grundgesamtheit. In der Praxis werden oft auch mehrstufige, kombinierte Verfahren verwendet.

Willkürliche Auswahl

Abzugrenzen von den repräsentativen Verfahren der Zufallsauswahl und der bewussten Auswahl ist die nicht-repräsentative willkürliche Auswahl. Hier werden die zu untersuchenden Merkmalsträger „auf´s Geradewohl“ ausgewählt. Weder der Zufall noch vorher definierte Quoten entscheiden, wer in die Untersuchung mit einbezogen wird – vielmehr bestimmen die Interviewer willkürlich, ohne festgelegte Regeln und nach eigenen Präferenzen, wer befragt wird und wer nicht. Wenn überhaupt, dann können solche nicht-repräsentativen Untersuchungen höchstens als Stimmungsbild oder für eine Vorstudie, um etwa die Verständlichkeit des Fragebogens zu testen, sinnvoll sein.

2.3

Auswahl der Erhebungsmethoden

Zur Erhebung von Primärdaten stehen prinzipiell drei verschiedene Methoden zur Verfügung, die einzeln oder kombiniert angewendet werden können: x Befragung, x Beobachtung, x Experiment.

2.3.1

Befragung

Die wichtigste Erhebungsmethode der Praxis stellt die Befragung dar, mit deren Hilfe nicht nur äußerlich wahrnehmbare Sachverhalte, sondern auch beispielsweise Motive und Einstellungen eruiert werden können.

Planung der Marktforschung Die Befragung erhebt Daten über Subjekte (bzw. indirekt über Objekte) mit Hilfe von Fragen, die in Gegenwart eines Befragers oder mit räumlicher Trennung von diesem gestellt werden oder mit Hilfe von Befragungsmitteln an den Befragten herangetragen werden.

2.3.1.1

105 Definition

Befragungsarten

Nach der Art der Durchführung lassen sich vier unterschiedliche Befragungsarten differenzieren: x unmittelbare Befragung (mündliche Befragung), x mittelbare, mediale Befragung, -

schriftliche Befragung,

-

telefonische Befragung,

-

Online-Befragung.

Nur bei mündlicher Befragung kommt ein unmittelbarer Kontakt zustande, bei schriftlicher, telefonischer und Online-Befragung (als reiner Mensch-Maschine-Dialog) findet der Kontakt zwischen Befrager und Befragtem nur mittelbar über ein Medium statt.

Charakterisierung

Eine unmittelbare, direkte Befragung in Form eines persönlichen „Faceto-face“-Interviews ist oft zu zeitintensiv und kostspielig. Schriftliche, telefonische und auch die Online-Befragungen haben in vielen Bereichen entscheidende Vorteile, insbesondere dann, wenn bestimmte Kundendaten bereits vorliegen. Nicht übersehen werden dürfen jedoch gewisse Einschränkungen der Aussagekraft wegen der Unkontrolliertheit der Befragungssituation (antwortet beispielsweise wirklich der Adressat der Befragung oder vielleicht eine andere Person?). Als weitere Beispiele für notwendige Ergebnisrelativierungen sind Verständnis- oder Konzentrationsprobleme der Befragten anzumerken. Grundsätzlich dürfen der Zielperson keine zu langen Fragebögen zugemutet werden. Zur Steigerung der Rücklaufquote ist an einen besonderen Anreiz zur Beantwortung der Fragen zu denken (beispielsweise Teilnahmemöglichkeiten an Verlosungen oder Einkaufsgutscheine).

Anwendungsprobleme

106

Marktforschung Mündliche Befragung Vorteile

Nachteile

x Umfang, Thematik weitgehend unbeschränkt x Befragungstaktik (Beeinflussbarkeit, Steuerung der Abfolge der Fragen) x Erhebungsstichtag lässt sich genau festlegen x Antwortquote (oft über 90%) x Kontrolle der Befragungssituation, Störungen kann entgegengewirkt werden x Repräsentativität überprüfbar (gewünschte Person antwortet) x Illustration (Unterstützung der Fragestellung durch Erklärung, Illustrationsmaterial)

x Kosten (Schulung, Suchkosten, Befragungskosten) x Feldarbeit (Planung u. Organisation, z.B. Zeitplan, Personaleinsatzplan, Routenplanung) x Zeitaufwand x Personal (Qualifikation) x Interviewereinflüsse (Verzerrungen durch persönlichen Kontakt)

Abb. 30: Vor- und Nachteile der mündlichen Befragung Schriftliche Befragung Vorteile x keine Feldorganisation erforderlich x Interviewerkosten entfallen weitgehend x räumliche Entfernungen sind unerheblich x Wahrung der Anonymität (zwischen den Befragten)

Nachteile x Repräsentanz eingeschränkt (Rücklaufproblem) x Fragebogenumfang begrenzt x Befragungstaktik eingeschränkt x längerer Durchführungszeitraum erforderlich x Befragungssituation unkontrolliert x Rückfragen kaum möglich x Adressmaterial muss vorliegen

Abb. 31: Vor- und Nachteile der schriftlichen Befragung

Planung der Marktforschung

107

Telefonische Befragung Vorteile

Nachteile

x direkter Kontakt x Zeit x Kosten (ca. halb so teuer wie ein persönliches Interview) x keine aufwendige Feldorganisation notwendig

x Umfang eingeschränkt x Thematik eingeschränkt x nonverbale Reaktionen können nicht registriert werden x Befragungshilfen (z.B. Kartensätze) nicht einsetzbar x Kontrolle begrenzt x Kreis der Auskunftspersonen beschränkt

Abb. 32: Vor- und Nachteile der telefonischen Befragung Die Online-Befragung ist schließlich durch einen reinen MenschMaschine-Dialog gekennzeichnet, wobei der Befragte die Fragen und Antwortoptionen am PC online abliest und die angeklickten Antworten per Web-Formular direkt an den Träger der Befragung versendet. Von der Online-Befragung ist die computergestützte Befragung als MenschMensch-Dialog abzugrenzen. Hierbei handelt es sich um ein persönliches Interview, in dem der Interviewer seine Fragen etwa vom Laptop abliest und die Antworten direkt wieder in diesen eingibt. Online-Befragung Vorteile

Nachteile

x geringe variable Kosten bei weltweitem Befragungsareal x unmittelbare, integrierte Auswertung und Fehlerminimierung durch Online-Datenimport x Filterfragen und dynamischer Fragebogenaufbau möglich x Statusabfrage in Echtzeit jederzeit möglich (z.B. Rücklaufquote)

x hohe Fix- bzw. Investitionskosten (Serverkapazität und Fragebogenprogrammierung) x Programmieraufwand x Beschränkung auf standardisierte Fragen x In „überbeanspruchten“ Zielgruppen häufig geringe Teilnahmebereitschaft und hohe Abbruchquote

Abb. 33: Vor- und Nachteile der Online-Befragung

108

Marktforschung

2.3.1.2

Weitere Differenzierungsmöglichkeiten

Im Hinblick auf einzelne Erscheinungsformen der Befragung lassen sich verschiedene Differenzierungen aufzeigen: Thematische Unterscheidung

1. Bei der thematischen Unterscheidung werden Einthemenbefragungen, sog. Exklusivbefragungen, einerseits und Mehrthemen- oder Omnibusbefragungen andererseits unterschieden. Bei letzterer werden mehrere wenig komplexe Themen meist für mehrere Auftraggeber zusammen abgefragt (für diese mit Kostenvorteilen verbunden - so kostet eine geschlossene Frage in einem Omnibus bei 2000 Personen ca. € 900,-, eine offene Frage ca. € 1.300,-).

Zahl der Befragten

2. Je nach der Zahl der Befragten unterscheidet man Einzel- von Gruppenbefragungen. In der Gruppe (ideal sind zwischen sechs und zehn Personen) spiegelt sich ein breites Spektrum von Meinungen, Ansichten und Ideen wider. Dies kann beispielsweise ideale Grundlage für die Konzeption von quantitativ orientierten Befragungen einzelner Personen sein.

Freiheitsgrade

3. Mit abnehmenden Freiheitsgraden in bezug auf die Frageformulierung des Interviewers und die Antwortformulierung des Befragten wird unterschieden in: Tiefeninterview oder Exploration (nur grobes Themengebiet ist festgelegt), freies Interview (die Inhalte des Gesprächs sind vorher definiert), strukturiertes Interview (die einzelnen Fragen sind vorher ausformuliert) und standardisiertes Interview (zusätzlich liegen schematisch aufbereitete Antwortmöglichkeiten vor).

Häufigkeit und Turnus

4. Je nach Häufigkeit bzw. Turnus der Befragung wird zwischen einer zeitpunktbezogenen Einfachbefragung (Querschnittanalyse) und einer zeitreihenorientierten Mehrfachbefragung (Längsschnittanalyse) zur Ermittlung von Veränderungen im Zeitablauf unterschieden.

2.3.1.3 Anforderungen an Fragebogenentwicklung

Fragebogenentwicklung

Vor allem für die schriftliche Befragung ist die richtige Gestaltung des Fragebogens ein zentraler Erfolgsfaktor. Die Fragebogenentwicklung wird in der Literatur häufig auch als „Kunstlehre“ bezeichnet, da es sich meist als überraschend schwierig erweist, eine allgemein verständliche und übersichtliche Fragenformulierung zu realisieren. Dabei spielen Erfahrungen aus Psychologie und Soziologie sowie ein hohes Maß an Kreativität, Einfühlungsvermögen und Sprachgefühl eine wichtige Rolle. Neben einer verständlichen bzw. zielgruppenadäquaten Sprache unterstützt eine optisch klare Darstellung der Antwortmöglichkeiten die Bearbeitung des Bogens durch den Befragten.

Planung der Marktforschung

109

Als Grundsätze der Fragenformulierung gelten: x Einfachheit, Verständlichkeit (zielgruppenadäquate Sprache!), x Neutralität (keine Wertung in der Fragestellung),

Grundsätze der Fragenformulierung

x Genauigkeit, Eindeutigkeit, x Einheitlichkeit (bei persönlichen Interviews: für Vergleichbarkeit Fragen bei jedem Interview immer gleich formulieren). Bei einer schriftlichen Befragung muss zudem bei der Gestaltung und Formulierung der Fragen berücksichtigt werden, dass die Befragten den Bogen nach Erhalt häufig vorab vollständig lesen und somit eine spezielle Fragenfolge nur eingeschränkt Wirkung zeigen kann. Um den Rücklauf zu steigern, empfiehlt sich ein sorgfältig formuliertes Begleitschreiben mit Kurzinformationen zur Befragung, wie etwa:

Begleitschreiben

x Träger der Befragung, x Zweck und Zielsetzung der Befragung, x Hinweise zum Ausfüllen des Fragebogens, x Verweis auf Anonymität und Datenschutz, x spätester Rücksendetermin. Weitere Mittel zur Rücklaufsteigerung sind: x ansprechende Gestaltung des Briefumschlags, x materielle Anreize,

Rücklaufsteigerung

x Zusendung eines Kurzberichtsbands mit ausgewählten Ergebnissen der Studie, x frankierter und adressierter Rückumschlag , x Nachfassaktion(en) mit zweitem Fragebogen. Bezüglich des Fragebogenaufbaus können vier Teilbereiche unterschieden werden, die so auch beispielsweise bei der Gestaltung eines Leitfadens für eine persönliche Befragung gelten (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 2002, S. 738): 1. Einleitungsphase mit Kontaktfragen und Eisbrecherfragen, 2. Phase der Informationsgewinnung mit Sachfragen, 3. Kontrollphase mit Kontrollfragen, 4. Angaben zur Person mit soziodemographischen Fragen.

Fragebogenaufbau

110

Marktforschung Dabei soll der Befragte x durch Steigerung seines Interesses immer intensiver teilnehmen, x ohne Mühe von einfachen zu komplizierten Fragen geführt werden, x sich nicht frühzeitig gegen problematische Fragen sperren, x nicht zu einer Antwort gezwungen werden, die ihn verlegen macht, x behutsam von einem Thema zum anderen geleitet werden.

Schwierigkeiten der Befragung

Trotz aller Sorgfalt hinsichtlich der eben aufgezeigten Punkte lassen sich einige Schwierigkeiten der Befragung nicht vollständig umgehen. Als solche gelten insbesondere (für alle Befragungsarten) (Berekoven /Eckert/Ellenrieder, 1999, S. 99 f.): 1. „Äußere Umstände“: x Uninteressante, unangenehme Befragungsthemen, x Überlängen, Zeitmangel, störende Umstände, x Aversionen gegen Interviewer oder Auskünfte am Telefon. 2.

Menschliche Unzulänglichkeiten (kognitiver Bereich): x Verständnisvermögen, x Erinnerungsvermögen, x Vorstellungsvermögen, x Urteilsvermögen, x Konzentrationsvermögen, x Verbalisierungsvermögen.

3. Drang zur Selbstachtung und Selbstdarstellung: x Über-/Untertreibungen, x Verdrängungen, x Ausweichen, x Lügen, x Anpassen. 4. Beantwortungs-Taktik: x Lernen aus vorangegangenen Fragen, x Herauslesen bzw. -hören von erwünschten Wertvorstellungen, x Bemühen um Widerspruchsfreiheit mit vorausgegangenen Antworten, x Beantwortung unter dem Gesichtspunkt der sog. sozialen Erwünschtheit, x Abbruch der Beantwortung, wenn die gegebenen Antworten als ausreichend empfunden werden, x Wahl der „erstbesten“ Antwortvorgabe, x Wahl von Skalenwerten, die im Mittelpunkt liegen.

Planung der Marktforschung

2.3.2

Beobachtung

Die (Markt-)Beobachtung beschafft planmäßig und zielgerichtet Daten über Beobachtungssubjekte/-objekte mit Hilfe der Wahrnehmung und der Registrierung des Wahrgenommenen (Joas, 1996, S. 39).

2.3.2.1

111

Definition

Allgemeine Charakterisierung

Mit Hilfe der Beobachtung können (nur) äußerlich wahrnehmbare Sachverhalte erfasst werden. Dabei werden unter der Erhebungsform „Beobachtung“ neben dem Sehen auch alle anderen menschlichen Sinne zur Wahrnehmung bestimmter Merkmale subsummiert – also etwa auch Fühlen, beispielsweise zur Beurteilung der Haptik bei Verpackungstests, oder Schmecken und Riechen für Degustations- und Geruchstests im Rahmen von Produktanalysen für die Angebotsgestaltung.

Bandbreite

Brauchbare Ergebnisse bietet die Beobachtung als Methode der Datenerhebung, wenn sie als wissenschaftliches Verfahren angewendet wird. Dafür muss sie verschiedene Bedingungen erfüllen:

Wissenschaftliches Verfahren

1. Sie muss zielgerichtet sein, d.h. einem bestimmten Forschungszweck dienen; 2. Sie muss systematisch geplant werden und darf nicht dem Zufall überlassen werden; 3. Sie muss eine systematische Aufzeichnung der wahrnehmbaren Sachverhalte beinhalten; 4. Das Verfahren muss wiederholten Prüfungen hinsichtlich Validität (Gültigkeit) und Reliabilität (gleiche Messung, gleiches Ergebnis) standhalten. Der besondere Vorteil der Beobachtung ist die unmittelbare, direkte und somit weitgehend unverfälschte Möglichkeit der Datenerhebung – zumindest soweit die Beobachtung unbemerkt durchgeführt werden kann (Atteslander, 2003, S. 141ff). Zur Beobachtung zählt auch die Wahrnehmung und Registrierung von Sachverhalten mittels technischer Hilfsinstrumente wie Videokameras, Diktier- und Zählgeräten sowie einer Vielzahl von speziellen technischen Apparaturen (z.B. Blickaufzeichnungsgeräte, sog. Tachistokope). Neben der bereits erwähnten Beschränkung auf äußerlich wahrnehmbare Sachverhalte sind jedoch auch weitere Nachteile anzumerken – wie etwa die potenzielle Mehrdeutigkeit der erhobenen Daten und damit verbunden eine oft beschränkte Aussagekraft.

Vor- und Nachteile

Subjektive Sachverhalte, die sich auf die Psyche von Personen beziehen, können nur insoweit beobachtet werden, wie die psychischen Ge-

Anwendungsbeispiele

112

Marktforschung gebenheiten Ausdruck in physischen Aktivitäten finden. Aus Veränderungen der Pupillenweite, des Lidschlags, der Pulsfrequenz, des Gesichtsausdrucks oder der psychogalvanischen Hautreaktionen kann unter Umständen auf Einstellungen und Emotionen geschlossen werden. Bei der Verengung der Pupillenöffnung – bei ansonsten gleichbleibenden Lichtverhältnissen – wird eine Ablehnung bzw. Frustration angenommen, Vergrößerungen der Pupillen deuten auf Begeisterung und Akzeptanz hin. Mit steigender Erregung wird die Schweißabsonderung erhöht und somit der sinkende galvanische Widerstand durch ein Hautwiderstandsmessgerät aufgezeichnet. Beobachtung Vorteile

Nachteile

x Unmittelbare, direkte Erfassung x Unabhängig von Zustimmung x Unverzerrtes Verhalten

x Ergebnisse in hohem Maße abhängig von Fähigkeiten und Kompetenz des Beobachters x Beobachtungen selbst sind nur begrenzt aussagefähig und nicht frei von Mehrdeutigkeiten x Bestimmte, äußerlich nicht wahrnehmbare Sachverhalte sind durch Beobachtung nicht feststellbar x Möglichkeiten, zu einer repräsentativen Stichprobe zu gelangen, sind stark eingeschränkt

Abb. 34: Vor- und Nachteile der Beobachtung Einschränkungen

Es gelingt zwar somit, unreflektiertes Verhalten der Testpersonen zu ermitteln – die Erklärung der festgestellten Verhaltensmuster oder das Aufdecken tiefer gehender Inhalte, wie die Messung von Meinungen, Motiven, Einstellungen, Beweggründen und Verhaltensabsichten, entzieht sich jedoch der Beobachtung und bleibt der Befragung vorbehalten. Durch diese Einschränkungen der Beobachtung als Erhebungsform in der Marktforschung wird eine Beobachtung i.d.R. durch eine Befragung ergänzt (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 821).

Planung der Marktforschung

2.3.2.2

113

Differenzierungsansätze

Nach der Art der Durchführung einer Befragung kann wie folgt differenziert werden: a) Beteiligung des Beobachters: Je nachdem, ob der Beobachter involviert ist, wird zwischen Selbstbeobachtung und Fremdbeobachtung unterschieden. b) Sichtbarkeit der Beobachtung: Bei der offenen Beobachtung kann oder soll der Beobachter bemerkt werden, während dies bei der verdeckten (voll-biotischen) Beobachtung nicht der Fall sein darf, damit sich die Beobachteten völlig natürlich und unverfälscht verhalten. Viele Sachverhalte lassen sich jedoch nur schwer verdeckt beobachten, weil sie z.B. in der häuslichen, privaten Umgebung stattfinden. Deshalb bedient man sich oft der maskierten Beobachtung. Bei dieser quasi-biotischen Beobachtung weiß der Teilnehmer zwar, dass er beobachtet wird, er kennt jedoch nicht den genauen Zweck. So werden beispielsweise Probanden zum Geschmackstest und zur Beurteilung einer neuen Joghurt-Sorte eingeladen. Der eigentliche Hauptzweck der Beobachtung ist jedoch zu beobachten, ob die Untersuchungspersonen mit dem Handling der Verpackung zurecht kommen.

Selbst-/ Fremdbeobachtung Offene, verdeckte, quasibiotische Beobachtung

c) Engagement des Beobachters: Bei der distanzierten Beobachtung verhält sich der Beobachter völlig passiv, während er bei der teilnehmenden Beobachtung konkret in die Situation - z.B. im Rahmen von Testkäufen - einwirkt und damit auch bestimmte zu beobachtende Verhaltensweisen provozieren kann.

Distanzierte/ teilnehmende Beobachtung

d) Wirklichkeitsnähe: Je nachdem, ob die Untersuchung in künstlicher oder natürlicher Umgebung stattfindet, wird zwischen Labor- und Feldbeobachtung unterschieden. Methodenforschungen haben gezeigt, dass im Vergleich die Ergebnisse der Laborforschung zwar deutlich polarisierter waren als die Resultate der Feldforschung – die Tendenzen waren jedoch bei beiden Durchführungsarten gleich.

Labor-/ Feldbeobachtung

Eine besonders relevante Ausprägung der Beobachtung stellt die Form eines Panels dar, welche nachfolgend kurz charakterisiert wird. Neben der regelmäßigen artikelgenauen Erfassung am Point-of-Sale durch Scannerkassen im Rahmen von Handelspanels haben dabei insbesondere die Haushaltspanels eine große Bedeutung in der Praxis.

Panel

114

Marktforschung

Definition

Zunächst einmal bedeutet eine Paneluntersuchung, dass in bestimmten zeitlichen Abständen, bei prinzipiell gleichbleibenden Untersuchungseinheiten, dieselben Merkmale bzw. Variablen erhoben werden, um somit Entwicklungen im Zeitablauf zu ermitteln. Es handelt sich bei Paneluntersuchungen also um Längsschnittanalysen mit der Besonderheit gleichbleibender Auskunftspersonen. Die Teilnehmer der Haushaltspanels beobachten dazu regelmäßig ihr eigenes Einkaufsverhalten und die Einkäufe, die in Formblätter oder Haushaltsbücher eingetragen werden müssen oder per Bar-Code-Scanner eingelesen und dann an das erhebende Marktforschungsinstitut weitergeleitet werden.

Abfrageinhalte

Abfrageinhalte sind im Haushaltspanel die eingekauften Artikel – aufgegliedert nach verschiedenen Warengruppen mit Angaben wie Datum des Einkaufs, Einkaufsort, Preis. Die Daten dieser Paneluntersuchungen werden für Standardanalysen für die Markenartikelunternehmen sowie für Sonderauswertungen verwendet.

Grenzen

Im Zusammenhang mit Paneluntersuchungen muss jedoch auf einige methodeninhärente Grenzen hingewiesen werden, die nie ganz eliminiert werden können. Die wichtigsten sind das sog. „Overreporting“, die „Panelsterblichkeit“ und – am gravierendsten bezüglich der Aussagekraft – der „Paneleffekt“.

„Overreporting“

Die Anwerbung und Auswahl der teilnehmenden Haushalte erfolgt gemäß eines repräsentativen Quotenplans. Untersuchungen haben ergeben, dass in den ersten Wochen oft – evtl. aus falsch verstandener Pflichterfüllung oder wegen Prestigeantworten – überhöhte Einkaufsmengen gemeldet werden. Um dieses „Overreporting“ zu eliminieren, laufen neue Panelhaushalte einige Wochen „blind“ mit, bevor die Werte in die allgemeine Analyse mit einfließen.

„Panelsterblichkeit“

Die längerfristige Einhaltung der Repräsentanz der Panelmasse gemäß Quotenvorgaben ist schwierig, da sich die Struktur der Panelhaushalte durch Umzug, Heirat, Scheidung, Tod, etc. ständig ändern kann. Um diesen Effekt der „Panelsterblichkeit“ abzufangen, werden permanent ca. 10 % Reserve-Haushalte zusätzlich erfasst, die übergangslos einen ausscheidenden Panelhaushalt ersetzen können.

„Paneleffekte“

Unter „Paneleffekte“ werden mögliche Verzerrungen verstanden, die bei dieser Art der Datenerhebung auftreten können. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Verhalten derjenigen, die nach kurzer Zeit das Interesse verlieren und wieder ausscheiden, oft von denjenigen abweicht, die längerfristig dabeibleiben. Trotz vereinfachter Erfassung der Einkäufe durch die Handscanning-Geräte muss eine gewisse Begeisterung für diese Form der Marktforschung und eine Gewissenhaftigkeit in

Planung der Marktforschung

115

der Durchführung bei den teilnehmenden Personen vorliegen (mögliche Einschränkung der Repräsentativität). Durch die längerfristige aktive und bewusste Selbstbeobachtung des Einkaufsverhaltens können sich zudem Verhaltensänderungen im Zeitablauf ergeben. Dieser Paneleffekt kann sich beispielsweise in Bezug auf ein höheres Preisbewusstsein bei den regelmäßig eingekauften Produkten einstellen oder dahingehend, dass andere – beispielsweise vermehrt gesündere – Produkte gekauft werden. Die Marktforschungsinstitute versuchen diese aufgezeigten systematischen Fehlerpotenziale bei der Datenerhebung im Haushaltspanel durch regelmäßige Motivation, Betreuung und Pflege der Teilnehmer (neben den bereits erwähnten Maßnahmen) in Grenzen zu halten.

2.3.3

Experiment

Beim Experiment werden die Daten zwar mittels Befragung und Beobachtung erhoben, wegen der bewussten Versuchsanordnung stellt das Experiment jedoch eine eigenständige dritte Erhebungsmethode im Rahmen der Marktforschung dar (Joas, 1996, S. 43).

2.3.3.1 Allgemeine Charakterisierung Ein Experiment besteht in der bewussten Konstruktion einer Versuchsanordnung, die mit der Absicht in Aktion gesetzt wird, eine von dieser Aktion abhängige Wirkung festzustellen. Es geht somit bei Experimenten um die Überprüfung von Hypothesen, also von kausal angenommenen Beziehungen zwischen mindestens zwei Variablen (Joas, 1996, S. 43 f.).

Definition

Als konstitutive Elemente einer experimentellen Versuchsanordnung sind eine Kausalhypothese (z.B. unterschiedliche Packungsgestaltung beeinflusst das Kaufverhalten), eine unabhängige Variable als Wirkfaktor (Packungsgestaltung) und eine davon abhängige, durch den Wirkfaktor zu beeinflussende Variable (Kaufverhalten) zu unterscheiden. Eine experimentelle Untersuchung ist durch eine kontrollierte Situation mit konstanten oder kontrollierten Rahmenbedingungen gekennzeichnet, in der weitere einflussnehmende Faktoren (z.B. saisonale Schwankungen) eliminiert oder zumindest erfasst und berücksichtigt werden.

Konstitutive Elemente

Konkretes Ziel eines Experiments im Marketing ist es, den Einfluss unabhängiger, durch Marketingaktivitäten gestaltbarer Variablen (z.B. Verpackung, Preise, Werbung, Absatzförderung, Vertriebsweg usw.) auf abhängige Variablen – gleichzusetzen mit Marketing(unter-)zielen,

116

Marktforschung wie z.B. Absatz, Umsatz, Image, Kundenzufriedenheit usw. – zu untersuchen. Das Feststellen des angenommenen kausalen Zusammenhangs sowie dessen relativen Ausmaßes, also das Messen der Wirkungen, erfolgt beim Experiment mit Hilfe der Befragung oder/und der Beobachtung.

2.3.3.2

Ausgewählte Anwendungen

Storetest/Markttest/Testmarkt Storetest

Unter einem Storetest werden generell Experimente verstanden, in denen ein probeweiser Verkauf unter kontrollierten Bedingungen in ausgesuchten, repräsentativen Einzelhandelsgeschäften stattfindet. Im Regelfall wird ein Storetest eingesetzt, um folgende unabhängige Variablen zu überprüfen: x Preis, x Verpackungsgestaltung, x Abpackgrößen, x Displayeinsatz und Platzierung, x Werbung am Point-of-Sale. Ein Storetest wird meist mit einer kleinen Stichprobe von 15 - 30 Testgeschäften durchgeführt. In dieser Form der Versuchsanordnung ist es möglich, eine oder mehrere unabhängige Variablen systematisch zu variieren, gegeneinander abzutesten und gleichzeitig alle anderen Einflussfaktoren weitgehend zu kontrollieren, um gültige und aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.

Markttest, Testmarkt

In einem Markttest werden neue oder modifizierte Produkte bei Einsatz ausgewählter oder sämtlicher Marketingmaßnahmen in einem geographisch abgegrenzten Raum – dies ist der ausgewählte Testmarkt – experimentell überprüft. Diese Maßnahme auf begrenztem Gebiet ist sozusagen als „Generalprobe“ für eine endgültige Markteinführung zu verstehen.

MiniTestmärkte

Große Marktforschungsinstitute bieten auch sogenannte „MiniTestmärkte“ – stark verkleinerte, regionale, repräsentative Markttests – an. Grundlage des Mini-Testmarkts ist ein Haushaltspanel, das zur Ermittlung von Erst- und Wiederkäuferanteil dient. Über eine Identifikationskarte können sämtliche Einkäufe den einzelnen Haushalten zugeordnet werden. Neben Direktwerbung und Werbung am Point-of-Sale bestehen auch Möglichkeiten zur Anzeigenschaltung über eine an die Panel-Haushalte verteilte Fernsehzeitschrift mit Testwerbeanzeigen

Planung der Marktforschung oder zum gezielten Einsatz von Werbespots, die – für die teilnehmenden Haushalte unmerklich – bundesweit gesendete Werbeblöcke durch Testwerbung überblenden. Trotz hoher Kosten stellt ein Markttest das zuverlässigste und marktnaheste Instrument dar, um komplexe Marketingentscheidungen und somit die Marktchancen neuer oder modifizierter Produkte zu überprüfen.

117

118

Marktforschung

Storetest zur Preisbestimmung Marktforschungsstudien ergaben, dass in den unterschiedlichsten Produktkategorien (z.B. Zahnpflege) ein Trend zu zielgruppengerechten Angeboten für Kinder festzustellen war. Unter der Kompetenz der Familienmarke Schauma wurde deshalb die Einführung eines Kindershampoos geplant. Für die Bestimmung des Preises für die neu einzuführende Range Schauma Kids war es Schwarzkopf & Henkel durch Sekundärstudien bereits bekannt, dass in diesem Wachstumssegment eine größere Bereitschaft für höherpreisige Produkte mit entsprechender Qualitätsassoziation vorzufinden ist, im Sinne von „für unsere Kleinen nur das Beste“. In einer Marktsimulation sollte nun der optimale Preis ermittelt werden. Dazu wurden alle Wettbewerbsprodukte auf konstantem Preisniveau gehalten, während Schauma Kids im Preis variiert wurde. Unter der Annahme von ansonsten vergleichbaren Rahmenbedingungen (z.B. keine Werbeaktionen der Wettbewerber, keine weiteren Produktneueinführungen in diesem Segment) kam es bei zunehmenden Preiserhöhungen für Schauma Kids zu folgenden Präferenzverschiebungen.

Planung der Marktforschung

119

Preis 1 Preis 2 Preis 3 Preis 4 Preis 5 Preis 6 Schauma-Kids Marke a Marke b Marke c Marke d Marke e Sonstige

16,9 25,1 18,2 10,1 9,4 7,9 12,4

17,1 25,3 18,4 10,2 8,5 8 12,5

17,5 26 18,8 10,4 6,6 8,2 12,5

17,9 26 18,8 10,4 6,4 8,1 12,4

17,5 26,1 19,1 10,5 6,1 8,3 12,4

17,1 26,2 19,1 10,6 6,2 8,4 12,4

Das Preisniveau 4 wurde als optimal für Schauma Kids getestet. Hier ergab sich ein größtmöglicher Marktanteil von 17,9 %. Bei dieser Art der Marktsimulation kann festgestellt werden, wie preiselastisch eine Marke ist, wo Preisschwellen und Optimalpreise liegen.

2.3.4

Eigen- oder Fremddurchführung

Im Rahmen der Bestimmung der Erhebungsmethoden ist der Arbeits-, Zeit- und Kostenplan zu erstellen und zu entscheiden, ob die zur Verfügung stehenden Ressourcen für eine Selbstdurchführung oder für eine Auslagerung an ein Institut sprechen. Für diese Entscheidung können die nachfolgenden Punkte herangezogen werden. Eigenforschung Vorteile x Bessere Vertrautheit mit dem zu lösenden Problem x Einfachere Koordination x Bessere Ausnutzung vorhandener, teilweise nicht schriftlich fixierter Informationen x Größerer Informations- und Datenschutz x Synergieeffekte durch oftmals längere Erfahrungen mit dem speziellen Problem

Nachteile x x x x

„Betriebsblindheit“ Methodische Rückständigkeit Geringere Objektivität Oft höhere Kosten

Abb. 35: Vor- und Nachteile der Eigenforschung (Meyer, 1996, S. 89 f.)

120

Marktforschung Forschung durch beauftragte Institute Vorteile Nachteile x x x x

Einsatz von Spezialisten Hohe Methodenerfahrung Ausgebildeter Interviewerstab Möglichkeit zum Ergebnisvergleich mit anderen Untersuchungen x Größere Objektivität x Oft Kostenersparnisse

x Erfolgszwang x Mögliche Ergebnisverfälschungen x Koordinationsprobleme Auftraggeber/Institut x Daten und Ergebnisschutz nach Projektabschluss nicht sicher gewährleistet x Zu hohe Standardisierung und Routinierung

Abb. 36: Vor- und Nachteile der Auftragsforschung (Meyer, 1996, S. 89 f.)

3.

Ausführung der Marktforschung

Die Ausführung der Marktforschung umfasst die Umsetzung der in der Planung festgelegten Schritte auf der Basis der dort getroffenen Auswahlentscheidungen. Es handelt sich nunmehr – nach der Definitionsphase der Konzeption und der Designphase der Planung – um die Feldund Analysephase sowie um die abschließende Interpretation der gewonnenen Ergebnisse.

3.1 Feldphase Mit der Feldphase wird – sofern Primärforschung notwendig war – gleichzeitig die Unterfunktion der Datenbeschaffung abgeschlossen, um somit die Voraussetzungen für Datenauswertung und -interpretation zu schaffen. Pretest

Im Rahmen der konkreten Durchführung der entsprechenden Erhebungsmethode, also beispielsweise einer Befragung, empfiehlt es sich zunächst, das Untersuchungsdesign im Rahmen eines Pretests an einer

Ausführung der Marktforschung

121

kleinen Stichprobe zu überprüfen. Verbesserungen und Modifikationen, etwa hinsichtlich der Verständlichkeit der Fragen etc., können dann vor der eigentlichen Durchführung der Datenerhebung noch eingearbeitet werden. Eine wichtige Rolle insbesondere bei Befragungen spielt die Auswahl und Schulung der Interviewer, da die Qualität der Untersuchung zwangsläufig eng mit der Qualität der Interviewer verbunden ist. So können wesentliche sogenannte systematische Fehler (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 4) durch den Interviewer – durch den sog. Interviewer-Bias – hervorgerufen werden, wie beispielsweise durch die Verzerrung des Auswahlplans (Quotenfälschung oder Selbstausfüllung) oder durch Verzerrung der Antworten (Beeinflussung der Auskunftspersonen durch das äußere Erscheinungsbild und das Auftreten der Interviewer bzw. durch suggestives Vorbringen der Fragen). Für den Erfolg der Untersuchung ist es also wichtig, geschulte und gewissenhafte Interviewer einzusetzen, um dieses Fehlerpotenzial zu minimieren. Die Formulierung von Qualitäts- und Durchführungsrichtlinien sowie deren Verinnerlichung durch die beteiligten Personen erhöhen die Qualität und Zuverlässigkeit von Marktforschungsuntersuchungen (hierzu Noelle-Neumann, 1998, S. 10 ff.; Bliesch, 1998, S. 66 ff., Reuband, 1998, S. 138 ff.).

Auswahl und Schulung der Interviewer

Qualitätsund Durchführungsrichtlinien

3.2 Analysephase In der sich anschließenden Analysephase sind die mit Hilfe der Sekundär- und Primärforschung beschafften Daten zusammenfassend zu verdichten und im Hinblick auf die interessierenden Fragestellungen durch die Ermittlung von Strukturen, Zusammenhängen und Abhängigkeiten auszuwerten. Die so erhaltenen Ergebnisse sind abschließend hinsichtlich ihres repräsentativen Charakters zu bewerten. Zunächst sind die gesammelten Daten für die Datenanalyse vorzubereiten. In Abhängigkeit von der Stichprobengröße, dem Fragebogenumfang und den Untersuchungsinhalten werden qualitative Daten mit kleinem, überschaubarem Umfang überwiegend manuell, ansonsten mit Hilfe statistischer Softwarepakete (z.B. SPSS 11.0) ausgewertet. Zunächst werden die Fragebögen hinsichtlich Vollständigkeit und Plausibilität überprüft, ein Codierungs- und Variablenplan erstellt und eventuell vorhandene offene Fragen ausgewertet, indem letztere sinnvollen Antwortkategorien zugeordnet werden. Erst dann kann die Datenmatrix durch die Erfassung der Antworten erstellt werden.

Strukturen, Zusammenhänge, Abhängigkeiten

122 Datenanalyse

Marktforschung In der eigentlichen Datenanalyse gilt es nun, mit mathematischstatistischen Methoden die Daten mit Blick auf die Ergebnisgewinnung und -überprüfung problembezogen zu komprimieren und zu transformieren. Je nach Anzahl der zu verarbeitenden und zu untersuchenden Variablen werden monovariate, bivariate und multivariate Verfahren der Datenanalyse unterschieden, wobei in Abhängigkeit vom vorliegenden Skalenniveau (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 1.2) verschiedene statistische Maßzahlen berechnet werden können.

Monovariate Verfahren

Bei den monovariaten Verfahren wird nur eine Variable der Grundgesamtheit zur Ergebnisgewinnung verarbeitet, z.B. die Notenverteilung bei einer Klausur, die durchschnittlichen Verkaufspreise eines Shampoos etc. Monovariate Verfahren dienen zur Ermittlung von: x Häufigkeitsverteilungen (absolute, relative Häufigkeitswerte), x Lageparametern: arithmetisches Mittel, Modus (häufigster Wert), Median (Mitte der Rangreihe), x Streuungsparametern: Spannweite (Differenz zwischen kleinstem und größtem Wert), Standardabweichung, Varianz.

Bivariate Verfahren

Bei den bivariaten Verfahren werden gleichzeitig zwei Variablen berücksichtigt. Somit können bivariate Analysen die gegenseitigen Beziehungen zwischen zwei Variablen aufzeigen, z.B. die unterschiedlich starke Nachfrage nach einzelnen Produkten in Abhängigkeit vom Geschlecht. Bivariate Verfahren dienen zur Ermittlung von: x Verhältniszahlen (Beziehungs-, Messzahlen), x Kreuztabellierungen mit zwei Merkmalen und Häufigkeiten, x einfache Korrelationsanalyse (Stärke des Zusammenhangs), x einfache Regressionsanalyse (Art des Zusammenhangs), x Faktorenanalyse (wechselseitiger Zusammenhang).

Multivariate Verfahren

Bei den multivariaten Verfahren werden die Beziehungen zwischen mehr als zwei Variablen untersucht.

Ausführung der Marktforschung

123

Multivariate Verfahren dienen z.B. zur Durchführung von: x Korrelationsanalysen: Die multiple Korrelation ist dadurch gekennzeichnet, dass einer Variablen mindesten zwei gegenüberstehen und die Stärke dieses Zusammenhangs gemessen wird. x Regressionsanalysen: Durch Regressionsanalysen wird der Einfluss der metrisch skalierten unabhängigen Variablen (Preis, Sorte, Werbebudget) auf die metrisch skalierte abhängige Variable (z.B. Absatzmenge) gemessen (vgl. hierzu etwa Albers/Skiera, 1999, S. 203 ff.). x Korrespondenzanalysen: Korrespondenzanalysen zeigen beispielsweise, welche Produktgruppen durch welche Eigenschaftsbündel charakterisiert werden können (vgl. hierzu etwa Meyer/Diehl/Wendenburg, 1999, S. 515 ff.). x Diskriminanzanalyse: Durch eine Linearkombination mehrerer unabhängiger Variablen werden Objekte gegeneinander abgegrenzt und Unterschiede erklärt (vgl. hierzu Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 2002, S. 797 ff.). x Clusteranalysen: Ziel einer Clusteranalyse ist es, eine Menge von Objekten (Nachfrager, Standorte, Produkte,...) mit Hilfe von im Vorfeld festgelegten Merkmalen in Gruppen einzuteilen, innerhalb derer eine möglichst große Homogenität besteht, wobei zwischen verschiedenen Clustern eine möglichst große Heterogenität vorliegt (vgl. hierzu etwa Büschken/v. Thaden, 1999, S. 339 ff.). Zu den häufig angewendeten multivariaten Verfahren der Marktforschung zählen insbesondere die Multidimensionale Skalierung (MDS) (siehe Abschnitt „Strategisches Marketing“, Kap. B 4.2), das Conjoint Measurement (CM) und die Pfad- bzw. Kausalanalyse. Durch die Verbundmessung im Rahmen der Conjoint Analyse werden im Gegensatz zu anderen Verfahren einzelne als entscheidungsrelevant erkannte Teilbereiche, z.B. Preis, Verpackung, Produktname, nicht isoliert beurteilt und zu einer Gesamtbewertung aggregiert. Vielmehr werden hier Gesamturteile ermittelt und der Zusammenhang zwischen dieser Objektbewertung und den einzelnen, diese Einschätzung definierenden Objektmerkmalen bestimmt, also die Bedeutung der einzelnen Produkteigenschaften für diese Globalbewertung ermittelt. Das Conjoint Measurement stellt somit einen dekompositionellen Ansatz der Einstellungs- oder Präferenzmessung dar. Große Bedeutung hat

Conjoint Analyse

124

Marktforschung dieses Verfahren z.B. beim Konzepttest für neue oder modifizierte Produkte. So werden alle relevant erachteten Objektmerkmale systematisch kombiniert und den Auskunftspersonen als unterschiedliche – jedoch ganzheitliche – Produktvarianten vorgelegt und die Präferenzreihe abgefragt. Ziel des Conjoint Measurement ist nun, aus den Werten dieser globalen Präferenzurteile den Beitrag einzelner Produktmerkmale zu bestimmen. Bei der einfachsten Verfahrensvariante, dem linearadditiven Teilwertmodell, wird angenommen, dass sich die Globalpräferenz eines Produkts aus der Summe der Teilpräferenzen bzgl. der einzelnen Objektkomponenten zusammensetzt. Schwierigkeit dieser Variante der multivariaten Analysemethoden ist jedoch, dass bei etwa nur drei Objektmerkmalen mit jeweils fünf verschiedenen Ausprägungen bereits 243 Kombinationen in eine Rangreihe gebracht werden müssen (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 2002, S. 828 ff.; Schubert, 1995, Sp. 376 ff.).

Pfad- und Kausalanalyse

Ein zentrales Anliegen der Marktforschung besteht darin, Kausalzusammenhänge zwischen nicht direkt beobachtbaren, hypothetischen Konstrukten nachzuweisen (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 1.2 „Operationalisierung von Konstrukten“). Um derartige Fragestellungen beantworten zu können, bedient man sich der Pfad- oder der Kausalanalyse. Dabei werden die Ausprägungen der hypothetischen Konstrukte über eine Reihe von Indikatorvariablen erhoben (z.B. Kundenloyalität über die Indikatoren Wiederkaufrate, Wechselabsicht und Weiterempfehlungsabsicht) und Hypothesen über die Kausalbeziehungen zwischen den Konstrukten aufgestellt. Anschließend lassen sich anhand der empirisch erhobenen Varianz- und Kovarianzstruktur der Indikatorvariablen, durch Parameterschätzung und unter Berücksichtigung auftretender Messfehler, Rückschlüsse auf die Abhängigkeitsstruktur der zugrunde liegenden Konstrukte ziehen. Die modernen Formen der Pfad- und Kausalanalyse basieren zum Teil auf unterschiedlichen Prozeduren zur Parameterschätzung. Im Marketing sind insbesondere der Komponenten-basierte Ansatz der Partial Least Squares Regression (PLS) und der Kovarianz-basierte Lineare Strukturgleichungsansatz (LISREL) von Bedeutung, für die inzwischen umfangreiche Softwarepakete zur Verfügung stehen. Die folgende Abbildung zeigt die unterschiedlichen Anwendungsvoraussetzungen beider Verfahren.

Ausführung der Marktforschung

125

Software-Pakete für die Pfad- bzw. Kausalanalyse LISREL 8.53 PLS Graph x Normalverteilung und metri- x Weder Verteilungsform noch sches Messniveau der Daten spezifisches Skalenniveau der gefordert Daten gefordert x Erfordert mittlere bis große x Bei kleinen StichprobenumStichprobenumfänge fängen anwendbar x Effizientere Parameterschätx Geeignet zur Varianzerklärung zung x Geeignet zum Testen von Hypothesen Abb. 37: Anwendungsbedingungen für die Ansätze der Pfad- bzw. Kausalanalyse Als Methoden der Ergebnisüberprüfung werden verschiedene Tests (t-Test, P-Test, Chi-Quadrat-Test) zur Absicherung der Ergebnisse durchgeführt, um Rückschlüsse von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit treffen und Verteilungen zulassen zu können. Somit kann überprüft werden, ob ein Ergebnis im statistischen Sinne signifikant oder nur als zufällig zu betrachten ist. An dieser Stelle sei auf die ausführliche Literatur zur Statistik und Datenanalyse verwiesen (Bortz/Döring, 2005; Backhaus et al., 2003).

Ergebnisüberprüfung

3.3 Interpretationsphase Aufbauend auf den Ergebnissen der Datenauswertung folgt als letzter Schritt des konkret ablaufenden Marktforschungsprozesses die Dateninterpretation. In dieser letzten Stufe der Marktforschung sind weiterführende Aussagen zu treffen, Erkenntnisse abzuleiten und Handlungsempfehlungen zu geben. Wie bereits in den Gütekriterien allgemeingültig angemerkt wurde ist auch und insbesondere an dieser Stelle eine objektive und möglichst neutrale Interpretation der Ergebnisse gefordert. Um es in diesem Zusammenhang nochmals zu betonen: Marktforschung liefert operationalisierte Informationen als Entscheidungsgrundlagen – Marktforschung kann und darf jedoch nicht die eigentliche Entscheidung selbst sein!

Handlungsempfehlungen

In der konkreten Ergebnisdarstellung, auch Kommunikationsphase der Marktforschung genannt, ist ein Bericht (mit verbalen, zahlenmäßigtabellarischen und graphischen Elementen) mit mindestens vier Basis-

Ergebnisdarstellung

126

Marktforschung bestandteilen zu erstellen. Häufig ist auch eine mündliche Präsentation des Ergebnisberichts erforderlich. Die Basisbestandteile eines Ergebnisberichts sind: 1. Zielsetzung/Aufgabe der Analyse, 2. angewandte Methodik, 3. Textteil mit Illustrationen der Ergebnisse, 4. Tabellenteil zur Ergebnisdokumentation (mit Fragebogen, verwendeten Text- und Bildvorlagen, Literaturquellen...).

4.

Kontrolle der Marktforschung

Die Kontrolle im Rahmen der Marktforschung konzentriert sich auf die sach- und fachgerechte Durchführung der Untersuchung. So werden die durchgeführten Aktivitäten hinsichtlich methodisch korrekter Vorgehensweise, Relevanz und Effizienz überprüft.

Zufallsfehler

Systematische Fehler

Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung (= Datenauswertung und Dateninterpretation) einer Marktforschungsstudie erfordern eine Reihe von einzelnen, parallel oder hintereinander ablaufenden Programmschritten. Die meisten dieser Programmstufen werden von Menschen durchgeführt, wodurch sich Fehler, d.h. Ergebnisverzerrungen durch falsche bzw. mehr oder weniger subjektive Beurteilungen nie ganz vermeiden lassen. Eine absolut und objektiv zuverlässige Marktforschungsuntersuchung bleibt deshalb stets ein angestrebtes Ideal. Neben den Zufallsfehlern (berechenbare Fehler), die auf wahrscheinlichkeitstheoretischen Überlegungen bei einer Teilerhebung mit Hilfe der Zufallsauswahl beruhen, existiert eine Vielzahl möglicher systematischer Fehler, die alle übrigen, nicht berechenbaren Fehlerquellen beschreibt. Systematische Fehler gehorchen im Gegensatz zu Zufallsfehlern keinen exakten mathematischen Regeln. Zwar ist es möglich, dass sich einzelne systematische Fehler in ihrer Wirkung gegenseitig wieder aufheben, genauso können sie sich jedoch addieren oder multiplizieren, so dass keine wahrscheinlichkeitstheoretischen Aussagen mehr möglich sind.

Kontrolle der Marktforschung

127

Systematische Fehler können in den verschiedenen Phasen eines Marktforschungsvorhabens vorkommen und ganz unterschiedliche Ursachen und Erscheinungsformen haben. So können im Ablauf der Untersuchung in allen Phasen der Marktforschung Fehler begangen werden, beispielsweise bereits durch fehlerhafte Konstruktbildung, durch die Verwendung eines ungeeigneten Auswahlverfahrens, durch den bereits besprochenen Interviewer-Bias oder durch mangelhafte Auswertung der Daten und oberflächliche Interpretation.

Ursachen

Aufgrund der vielfältigen Erscheinungsformen und Quellen der systematischen Fehler wird deutlich, dass diese nicht berechnet, sondern nur als „qualitative“ Störgrößen berücksichtigt werden können. Es gilt daher, diese Fehler durch fundiertes und genaues Arbeiten in allen Stufen einer Untersuchung möglichst gering zu halten und insbesondere Akquisition und Schulung der beteiligten Personen entsprechend gewissenhaft durchzuführen. Diesen Prozess permanent und kontinuierlich überlagernd ist eine Kontrollfunktion in den einzelnen Phasen durchzuführen – etwa durch verdeckte Beobachtung von eingesetzten Interviewern bei einer Straßenbefragung – um systematische Fehler weitgehend minimieren zu können.

Kontrollfunktion

128

Marktforschung

x Wie verläuft der idealtypische Ablauf einer Marktforschungsuntersuchung? x Zeichnen Sie die zeitlichen Entwicklungsstufen der Marktforschung nach! x Welche Quellen stehen für Marktforschungszwecke zur Verfügung? x Nennen und beschreiben Sie Verfahren der Zufalls- und der bewussten Auswahl! x Nennen und beschreiben Sie Vor- und Nachteile der verschiedenen Erhebungsmethoden! x Was unterscheidet ein Experiment von einer Befragung oder Beobachtung als Erhebungsform? x Nennen und charakterisieren Sie die Unterfunktionen der Marktforschung! x Welche Gütekriterien müssen qualitativ aussagekräftige Marktforschungsuntersuchungen erfüllen? x Mit welchen Fehlerquellen ist im Rahmen von Marktforschungsuntersuchungen zu rechnen? x Welche Grundsätze sollten bei der Fragenformulierung beachtet werden? x Beschreiben Sie die Unterschiede zwischen willkürlicher und repräsentativer Auswahl!

Case Study „Schauma“

Teil C: Case Study „Schauma“ Produktanalyse

Mitte der neunziger Jahre musste Schwarzkopf & Henkel feststellen, dass Schauma die Marktführerschaft verloren hatte und nun Pantene die Nummer 1 im Markt der Shampoos war. Ziel war es damals, die verlorene Marktführerschaft schnellstmöglich zurückzuerlangen. In der Marktforschungsabteilung wurde nun fieberhaft versucht, nachzuvollziehen, welche Veränderungen im ShampooMarkt dieser Entwicklung zugrunde lagen, wo besondere Stärken des direkten Konkurrenzprodukts lagen und welche Schwächen es bei Schauma zu verbessern galt. Zu diesem Zweck wurden Haushaltspaneldaten analysiert, die ein überraschendes Resultat brachten: Zwischen Pantene und Schauma gab es fast keine Affinitäten. Der Markterfolg von Pantene resultierte aus anderen Gründen als der Abwanderung bisheriger Schaumakunden. Es wurde klar, dass es fast unmöglich war, die Präferenz der Panteneverwender auf Schauma zu lenken. Ein weiteres überraschendes Ergebnis war, dass die Verwender von Nivea und Schauma als sehr ähnlich zu bewerten waren und demzufolge die verlorenen Marktanteile leichter aus dem Segment der Niveakunden zurückzugewinnen wären. Eine Stärken- und Schwächenanalyse zeigte jedoch, dass folgende Produktkomponenten Niveakunden davon abhielten, Schauma-Shampoo zu kaufen: Die Verpackung und das Image von Schauma wirkten zu altmodisch, eine intensive Pflegeeigenschaft wurde bei Schauma vermisst und das Angebot insgesamt als zu unspezifisch empfunden („Die Marke bietet nichts Spezielles für mich!“). Aufbauend auf den Ergebnissen dieser und weiterer Marktforschungsarbeiten wurde damals die neue Sorte „Milch-Protein“ entwickelt. Damit wurde ein spezifischeres und gleichzeitig auf die Niveakunden abgestimmtes Angebot in den Markt eingeführt. Parallel hierzu kam es zu einer Überarbeitung der Verpackung. Zu deren Beurteilung wurde von Schwarzkopf & Henkel eine in der Praxis weit verbreitete Methode – das Semantische Differential (= Polaritätenprofil) – verwendet. Ausgangspunkt und maßgebliche Vorausset-

129

130

Marktforschung zung zur aussagekräftigen Anwendung dieses Verfahrens ist die Kenntnis der relevanten Indikatoren (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 1.2). Danach werden relevante Produkteigenschaften als Gegensatzpaare (teuer – billig, hohe Qualität – geringe Qualität) formuliert und bezogen auf das zu untersuchende Produkt einzeln abgefragt. Oftmals wird dabei auch Bezug auf ein Konkurrenzprodukt oder Idealprodukt genommen. Dabei ist es oft schwierig, diese Gegensatzpaare ausreichend verständlich zu formulieren, man hilft sich dann mit einem Statement (z.B. „Dieses Shampoo erfüllt speziell die Bedürfnisse der weiblichen Zielgruppe“) in Kombination mit der Aussage „trifft völlig zu – trifft überhaupt nicht zu“. Die Bewertungen werden dann in einer bipolaren (z.B. –2,...,+2) oder monopolaren Skala (0,...,5) abgetragen. In der Regel werden 4 bis 9 Skalenstufen verwendet, um die Diskriminanzfähigkeit der Befragten nicht zu überfordern. Eine gerade Anzahl an Skalenstufen hat den Vorteil, dass die Auskunftsperson sich nicht in der „profillosen Mitte verstecken“ können. Meist werden aber fünf-, sieben oder neunstufige Skalen verwendet, denn auch die Mitte – als Indifferenz zwischen zwei Gegensatzpaaren – kann als Ergebnis aussagekräftig sein. Den nach geeigneten Verfahren der Zufalls- oder der bewussten Auswahl (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 2.2) bestimmten Auskunftspersonen (bei Schwarzkopf & Henkel wurde eine Quotenauswahl vorgenommen) werden die Skalen vorgelegt und es wird nach ihrer Bewertung gefragt. Nach Vorliegen der Untersuchungsergebnisse werden für jeden Indikator die Mittelwerte aus allen Beurteilungen errechnet und in Form von sog. Imageprofilen dargestellt. Zusätzlich kann auch die differenzierte Darstellung einzelner Kundensegmente (z.B. Schauma-Verwender und Nicht-Kunden) oder die Angabe der Spannweite der Ergebnisse die Aussagekraft erhöhen. Die neue Verpackung wurde in einem Semantischen Differential gegen die bisherige Packung getestet:

Schauma

General Acceptance

Hairtype Suitability

Strengthening

Care

Lastingness

Mildness

Effectiveness/ Efficiency

Suppleness

High Quality

Family Product

Confidence

Brand Character

Modernity

Spontaneous Acceptance

0 4

Max. Value

2 8

Min. Value

6

10

Schauma packaging after relaunch 0

Schauma

General Acceptance

Hairtype Suitability

Strengthening

Care

Lastingness

Mildness

Effectiveness/ Efficiency

Suppleness

High Quality

Family Product

Confidence

Brand Character

Modernity

Spontaneous Acceptance

2

Max. Value

4 8

Min. Value

6

Schauma packaging before relaunch 10

Case Study „Schauma“ 131

Abb. 38: Semantisches Differential der Schauma Verpackung vor dem Revival

Abb. 39: Semantisches Differential der Schauma Verpackung nach dem Revival

132

Marktforschung Der Vergleich der Beurteilungen vor und nach dem Verpackungsrevival zeigt, dass Schauma insgesamt besser beurteilt wird, so konnten z.B. die spontane Akzeptanz, die moderne Anmutung, der Charakter der Marke sowie die Vertrauenskomponente verbessert werden. Mit dem eben skizzierten Maßnahmenpaket aus neuer Variante und Verpackungsrevival konnte die Marktführerschaft zurückgewonnen werden. Dieser Erfahrung folgend findet seither eine kontinuierliche Anpassung des Sortiments hinsichtlich der Konsumentenbedürfnisse statt: So wurde im Jahr 2006 mit Repair & Pflege eine neue Schauma Linie in dem stark wachsenden Intensiv-Pflege-Segment eingeführt.

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

x Sie kennen die Zusammenhänge eines kompletten strategischen Marketingprogramms und die wichtigsten Aufgabenbereiche. x Sie können die grundlegende Bedeutung von Strategischen Geschäftsfeldern als Basisbausteine des strategischen Marketing nachvollziehen. x Sie erhalten eine Übersicht über die zur Verfügung stehenden strategischen Marketingoptionen. x Sie können das Gerüst für eine durchgängige und aufeinander abgestimmte Produktpolitik nachzeichnen. x Sie entwickeln Verständnis für ausgewählte Managementaspekte der Markenführung und der Preispolitik. x Sie sind mit den Entscheidungsbereichen des Zielgruppenprogramms vertraut. x Sie kennen die Absatzwegealternativen des Herstellers und können dabei eine mögliche Selektion von Handelsunternehmen herbeiführen. x Sie haben die Bedeutung der Positionierung erfahren und können das methodische Rüstzeug zu deren Festlegung anwenden.

136

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

Teil A:

Einordnung und Grundlagen

Aufbauend auf den Ergebnissen der vorangegangenen Marktforschung erfolgt – bei einem zeitlich idealtypisch dargestellten Tauschprozess – die Ableitung entsprechender Strategien zur Marktbearbeitung. Gleichwohl ist offensichtlich, dass die Marktforschung in der Regel durch zumindest erste strategische Überlegungen über mögliche Märkte oder tragfähige Angebote ausgelöst wird. Insofern besteht zwischen diesen beiden Hauptkomponenten der Teilfunktion Vorbereitung eine wechselseitige Beziehung.

1.

Charakterisierung einer strategischen Vorgehensweise1 1

Etymologischer Ursprung

Der Begriff der Strategie bzw. seine Verwendung ist äußerst vielschichtig. Etymologisch aus dem militärischen Sprachgebrauch stammend (in der griechischen Sprache steht beispielsweise „strategos“ für „Heerführer“) bezeichnet Strategie dort übergreifende, allgemeingültige Regelungen, die durch situativ anzupassende und mit Instrumentalcharakter versehene taktische Maßnahmen umzusetzen sind. Ihren expliziten Einzug in die Betriebswirtschaftslehre hielt die Strategie erst im Rahmen der Spieltheorie in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Strategie und Ziele

Eine zwangsläufig enge Verbindung besteht zwischen Strategie und Zielen. Zum einen lösen Ziele den Prozess der Strategiefindung und -festlegung aus (z.B. Ziel der Umsatzerhöhung und Strategie der Diversifikation). Zum anderen sind aus Strategien wiederum Ziele abzuleiten, denen dann zur weiteren Präzisierung der Strategie bzw. zu deren Umsetzung ein instrumenteller Charakter zukommt (z.B. Strategie der Diversifikation und derivatives Ziel: Suche nach tragfähigen Zielgruppen). Ziele sind also Anfangs- und Endpunkte, Initiatoren und Ergebnisse strategischer Überlegungen gleichermaßen. Strategische Zusammenhänge dieser Art finden sich auf allen Ebenen eines Unternehmens: von 1 Anmerkungen befinden sich auf S. 225.

Charakterisierung einer strategischen Vorgehensweise

137

den Oberzielen über Bereichsziele bis hin zu detaillierten Zielsetzungen, die im Rahmen der Konzeptionen einzelner Marketing-Teilfunktionen festzulegen sind (beispielsweise die Bestimmung der Werbeziele, siehe hierzu Abschnitt „Marktkommunikation“, Kap. B 1). Strategien werden dabei oft mit langfristigen Ausrichtungen gleichgesetzt. Während im Gegenzug nicht alle langfristig wirksamen Dispositionen zwangsläufig strategischen Charakter aufweisen müssen (etwa grundsätzliche Bestimmungen im administrativen Bereich), so erfordern Strategien sicherlich (siehe die eingangs erwähnten militärischen Wurzeln) eine die Aktualität überdauernde Wirkung. Dennoch sind auch Strategische Festlegungen permanent zu evaluieren und gegebenenfalls – etwa bei veränderten Rahmenbedingungen – einer Modifikation zu unterziehen. Im Sinne der bereits bekannten Managementfunktion „Kontrolle“ ist also ein Strategieaudit oder -controlling einzurichten, das eventuelle Abweichungen zwischen prognostizierten und realen Rahmenbedingungen, den Zielerreichungsgrad der Strategie als Soll-IstVergleich und die Strategie selbst einer kritischen Überprüfung unterzieht.

Strategie und Zeitbezug

Strategieaudit

Strategien dienen einer Lenkungsfunktion – sie stecken die Routen ab, auf denen vorher festgelegte Ziele erreicht werden sollen. Dabei sind häufig mehrere Strategien denkbar, weswegen eine Auswahlentscheidung zu treffen ist. Zusammenfassend lassen sich Strategien durch folgende Merkmale charakterisieren: „Strategien x sind von der Leitung (Management) festgelegte Handlungsvorgaben, welche die Entwicklungsrichtung und den hierauf abgestimmten Aktionsrahmen zur Erreichung relevanter Ziele zum Inhalt haben; x werden durch instrumentelle Schritte auf taktischer Ebene umgesetzt; x generieren zur Zielerreichung wiederum selbst Ziele; x werden durch Veränderungen der Umfeldbedingungen beeinflusst; x bedürfen daher vor dem Hintergrund der jeweils gegebenen Situation und der bereits realisierten Ergebnisse einer permanenten, selbstkritischen Evaluierung und gegebenenfalls einer Modifikation, wobei zwischen notwendigen Veränderungen des taktischen Handelns und der(n) zugrunde liegenden Strategie(n) zu differenzieren ist; x können sich auf alle Aktivitätsfelder einer Einzelwirtschaft beziehen;

Merkmale von Strategien

138

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) x benötigen – da in der Regel mehrere Strategien gleicher oder unterschiedlicher Ebenen von derselben Einzelwirtschaft verfolgt werden – eine gegenseitige Abstimmung durch die Leitung (Management)“ (Meyer/Mattmüller, 1993, S. 20).

Strategie und Flexibilität

Strategische Dispositionen und Flexibilität sind in diesem Sinne keine Gegensätze. Das Grundverständnis von Strategien als Entwicklungsrichtung und Aktionsrahmen lässt die Existenz von Spielräumen explizit zu. Gehen letztere zugunsten eines zu hohen Detaillierungsgrads bei der Ausformulierung verloren, so enthält die Strategie in hohem Maße bereits operative, taktische Komponenten und kann damit ihrer übergreifenden Lenkungsfunktion häufig nicht mehr gerecht werden. Insbesondere leidet in solchen Fällen die Möglichkeit zur Anpassung von Strategien.

2.

Aufgaben der Marktprogramm-Erstellung

Wie weiter oben aufgezeigt, finden sich Strategien – nicht nur in der sprachlichen Verwendung sondern auch im inhaltlichen Sinne – auf den unterschiedlichsten Ebenen eines Unternehmens wieder. Im hier zugrunde liegenden funktionalen Verständnis kommt der Teilfunktion „Vorbereitung“ die lenkende Verantwortung für alle nachfolgenden Marketing-Teilfunktionen und damit ein strategisches Gewicht auf höchstem Niveau zu. Die im nachfolgenden zu betrachtende Erstellung sogenannter (strategischer) Marktprogramme umfasst also Entscheidungen für die marketingrelevante Ausrichtung des Gesamtunternehmens (Ebene der Unternehmensstrategien). Hierarchische Einordnung des Marketing

Im Verlauf ihrer Entfaltung hat sich die Marketingdisziplin stärker auch strategischen Fragen zugewandt. Allerdings führte das vorherrschende instrumentelle Verständnis von Marketing im Sinne des Mix-Ansatzes (siehe hierzu Abschnitt „Charakterisierung des Marketing“, Kap. B 1) in der Praxis lange Zeit zu einer Einstellung, die Marketing als einen der eigentlich entscheidenden strategischen Ebene nachgelagerten Bereich betrachtete. Dessen Aufgaben reduzierten sich eben auf die instrumentelle Umsetzung innerhalb der Teilpolitiken (Produkt, Preis, Kommunikation, Distribution) bzw. der dabei festzulegenden Teilbereichsstrategien. Von der unternehmensstrategischen Ebene und den dortigen Parametern – insbesondere von der im folgenden im Mittelpunkt ste-

Aufgaben der Marktprogramm-Erstellung

139

henden Geschäftsfeldbildung und den strategischen Marketingoptionen – war Marketing in der Hierarchie der meisten Unternehmen weit entfernt (und ist dies zum Teil auch heute noch). Und auch in der Marketingwissenschaft und ihren durchaus vorhandenen Bemühungen um Aufarbeitung strategischer Fragen bildet – sofern das instrumentelle Denken die paradigmatische Basis bildet – das strategische Marketing eher eine parallele Ebene. In der betrieblichen Realität blieben dementsprechend die Einordnung eines strategischen Marketing in das Organisationsgefüge eines Unternehmens häufig unklar und die damit verbundenen Fragen nach Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten unbeantwortet, obwohl sich aus der von uns hier geforderten Zuständigkeit des Marketing für den gesamten Tauschprozess eigentlich eine klare Rolle ableiten lässt. Die Stellung des strategischen Marketing im Gesamtplanungsprozess und die Überschneidungen bzw. Abgrenzungen zur herkömmlichen strategischen Unternehmensplanung sind unzureichend bzw. aus Sicht des Marketing unbefriedigend geklärt (siehe hierzu etwa nochmals die Ausführungen zu den Umfeldkonstellationen und zur Technologielastigkeit im Abschnitt „Charakterisierung des Marketing“, Kap. B 3). In vielen Unternehmen lag noch vor wenigen Jahren bzw. liegt häufig noch heute eine strikte Trennung zwischen strategischer Planung einerseits und strategischem Marketing andererseits vor. Die spezifische Markt- bzw. Kundenorientierung und die besondere Marketingexpertise kommen dabei nur unzureichend zum Tragen.

Strategische Planung

Zumindest in der wissenschaftlichen Ausarbeitung setzt sich dagegen mehrheitlich die Forderung durch, beide Bereiche zusammenzulegen. Untermauern lässt sich diese Auffassung durch genauere Betrachtung der wesentlichen Erfolgspotenziale, an denen sich die strategische Unternehmensplanung zur Erreichung ihres Generalziels, der dauerhaften Existenzsicherung, auszurichten hat. Als solche Potenziale werden genannt (Coenenberg/Baum, 1987, S. 33): x Fähigkeit zur Lösung nachhaltiger Kundenprobleme; x Auswahl tragfähiger Marktsegmente; x Besetzung verteidigbarer Positionen im Wettbewerbsumfeld. Diese Komponenten entsprechen weitgehend bekannten marketingrelevanten Leitthemen (Denken in Problemlösungen für den Kunden statt reiner Angebots- oder Technologieorientierung, Zielgruppengedanke und Marktsegmentierung, Positionierung des eigenen Leistungsangebots im Abgleich mit Nachfragererwartungen und Wettbewerb). Konsequenterweise ist daher das strategische Marketing bzw. – in der Ablaufbetrachtung – die strategische Marketingplanung als Kern der strategi-

Erfolgspotenziale der Strategischen Planung

Planungsbereiche

140

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) schen Unternehmensplanung zu betrachten. Letztere umfasst darüber hinaus weitere und aufeinander abzustimmende Planungsbereiche, wie etwa die Personal-, Finanz-, Produktionsplanung oder beispielsweise auch Elemente aus der Aufbauorganisation. Die Entscheidungsparameter eines strategischen Marketing lassen sich in einem Marktprogramm bündeln, welches als normalerweise schriftliche Zusammenstellung von strategischen Marketingentscheidungen die zukünftige Ausgestaltung aller weiteren Marketingfunktionen eines Unternehmens bzw. einer Einzelwirtschaft determiniert (programmiert) (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 829). Die nachfolgend getroffenen allgemein gültigen Ausführungen zu Marktprogrammen sind bei der Umsetzung insbesondere durch systemspezifische Anforderungen zu ergänzen, etwa mit Blick auf die Besonderheiten einer (umfangreichen) Sortimentsgestaltung im Handel versus eines (beschränkten) Angebotsprogramms eines Spezialherstellers.

Aufgaben der Marktprogramm-Erstellung

Teil B:

141

Elemente eines Marktprogramms

Ein vollständiges Marktprogramm, das hier schwerpunktmäßig aus Sicht der Absatzfunktion betrachtet werden soll, umfasst als konstitutive Elemente die Programmstruktur, das Objekt- und das Zielgruppenprogramm sowie die zielgruppenspezifische Objektpositionierung. Diese Komponenten werden durch Programmvorgaben als Verbindung mit den anderen Marketing-Teilfunktionen (bzw. -Unterfunktionen) und durch die Bestimmung eines Gesamtbudgets ergänzt. Den formalen Aufbau eines Marktprogramms gibt die nachfolgende Abbildung wieder.

Planungsparameter

Programmstruktur Angebotsprogramm Zielgruppenprogramm Positionierung

Konzeptionsvorgaben und Budgetrestriktionen

Vorbereitung

Anbahnung

Abschluss

Realisierung

Abb. 40: Bestandteile eines Marktprogramms (in Anlehnung an Meyer, 1996, S. 56) Wenngleich alle diese Bestandteile miteinander verknüpft sind und in einem interdependenten Zusammenhang stehen, so liegt doch eine gewisse Dominanz der Programmstruktur vor, insbesondere bei erstmaliger Erstellung des Marktprogramms bzw. allgemein aufgrund der dort zu durchlaufenden, zentralen Entscheidungsbereiche.

Bestandteile eines Marktprogramms

142

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

1. Aufgabe der Programmstruktur

Programmstruktur

Aufgaben der Programmstruktur sind zum einen die Analyse des strategischen Status quo des Unternehmens und zum anderen die Festlegung des (weiteren) strategischen Vorgehens, wozu die nachfolgend noch genauer zu betrachtenden Marketingoptionen (Unternehmensstrategien) zur Verfügung stehen. Hierbei sind die gegebenen einzelwirtschaftlichen Oberziele zu berücksichtigen. Als geeignetes Basiselement sowohl für die Analyse als auch für die abzuleitenden Strategien dient das Konstrukt des Strategischen Geschäftsfelds (SGF), das daher zunächst erklärt werden soll.

1.1 Das Strategische Geschäftsfeld (SGF) als Basiselement2 Angebots-/ ZielgruppenKombination

Die Kernfrage marktorientierten strategischen Vorgehens lautet letztendlich: welches Angebot für welche Zielgruppe? Angebots-/Zielgruppen-Kombinationen werden daher folgerichtig als Strategische Geschäftsfelder (SGF) bezeichnet. Sie sind zunächst gedankliche Konstrukte und erlauben eine markt- d.h. zielgruppenorientierte Zerlegung eines Unternehmens in seine einzelnen Aktivitätsfelder. Nicht jede denkbare Kombination eines einzelnen Angebots/Produkts und einer Zielgruppe begründet bereits ein Strategisches Geschäftsfeld. Jedoch bestehen für die Festlegung der SGF und ihre gegenseitige Abgrenzung auch keine allgemeingültigen Regeln, die das Angebots- und Zielgruppenspektrum eines Unternehmens sozusagen zwangsläufig in verschiedene Geschäftsfelder zerlegen würden. Letztendlich besteht dabei immer Spielraum für den einzelnen Entscheidungsträger. Hauptzweck muss es sein, in sich stimmige und dabei gleichzeitig voneinander abzugrenzende SGF zu definieren, die jeweils eine unterschiedliche Marktbearbeitung erfordern. Dieses Kriterium stellt auch letztendlich den Hauptgrund für die Verwendung des SGF-Konstrukts dar: die einzelnen SGF sind hinsichtlich verschiedener Teilstrategien (z.B. Positionierung, Servicekomponenten, langfristige Preisstellung etc.) unterschiedlich zu bearbeiten, um so ihren spezifischen Anforderungen gerecht zu werden. Somit sichert ein Unternehmen durch die Verwendung des SGF-Konstrukts seine marktorientierte Grundeinstellung ab.

Programmstruktur

143

Ergänzend zu diesem Hauptkriterium bzw. gleichzeitig als Ursache für die geforderte unterschiedliche Bearbeitung lassen sich folgende Kriterien zur SGF-Abgrenzung heranziehen (Brixle, 1993b, S. 243): x Eigenständige Marktaufgabe (unterscheiden sich die einzelnen Geschäftsfelder durch ein jeweils eindeutig definierbares, unterschiedliches Kundenproblem, das es durch das jeweilige Angebot zu lösen gilt?);

Kriterien zur SGF-Bildung

x Strategische Unabhängigkeit (können die einzelnen SGF strategisch unabhängig voneinander geführt werden, d.h. strategische Maßnahmen innerhalb eines SGF berühren nicht die anderen bearbeiteten SGF des Unternehmens – wird also dem obigen Kerngedanken einer jeweils angepassten Strategie für die unterschiedlichen SGF und deren spezifischen Anforderungen Rechnung getragen?); x Unterschiedliche Wettbewerbsverhältnisse (befinden sich die einzelnen SGF in verschiedenen Wettbewerbssituationen – liegen unterschiedliche Konkurrenten vor – lassen sich die SGF über ihre jeweiligen Markteintritts- bzw. Austrittsbarrieren kennzeichnen?); x Zeitliche Stabilität (liegen die unterschiedlichen Kundenprobleme auf Dauer vor, sodass sich der Aufwand der Einordnung in ein SGF und insbesondere die daraus resultierende eigenständige Strategieentwicklung rechtfertigen?). In der Unternehmenspraxis erfordern diese Kriterien ein mehrstufiges „Herantasten“ an die geeignete Tragfähigkeit unterschiedlicher Geschäftsfelder. Hierzu werden ähnliche Angebots-/ZielgruppenKombinationen mit ständig prüfendem Blick auf die obigen Fragen so lange zu einem Geschäftsfeld zusammengefasst, bis die Grenze einer noch gemeinsamen Marktbearbeitung (im Sinne einer gemeinsamen Strategie) überschritten wird. Diese Verdichtung läuft dabei anfänglich vor allem über die Angebotsachse, da die Zielgruppe in der Regel die konstantere Größe darstellt. Konkret ist also zu entscheiden, welche Angebote mit Blick auf die Anforderungen (d.h. Problemstellung) einer definierten Zielgruppe zu einer in sich geschlossenen, eine gemeinsame Vermarktungsstrategie fordernden Einheit zusammenzuführen sind. Beispiele für hinreichend abgegrenzte Strategische Geschäftsfelder wären also etwa „Personalcomputer für Gewerbetreibende“ oder „Reiseveranstaltung für preisbewusste Jugendliche“. Hingegen bewirken verschiedene Varianten eines PC’s sicherlich kein jeweils eigenständiges SGF im hier geforderten, voneinander unabhängigen Sinne.

Bildung von SGF

144

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Angebotsachse

Angebotsachse

„PC“

„Reiseveranstaltung“

SGF

„Gewerbetreibende“

SGF

Zielgruppenachse

„Preisbewußte Jugendliche“

Zielgruppenachse

Abb. 41: Beispiel einer Geschäftsfeldabgrenzung

Dreidimensionaler Ansatz

Die bisher zugrunde gelegte Einteilung von SGF geht nach einem bekannten Ansatz von Ansoff zweidimensional vor, also durch die Zusammenfassung einer Angebots- und einer Zielgruppenachse, wie es die obigen Beispiele eben grafisch aufgezeigt haben. Eine Ausdifferenzierung brachte später ein Vorschlag von Abell bzw. Abell und Hammond, der eine Aufgliederung der Angebotskomponente aufwies. Die resultierende Dreidimensionalität wird durch die folgenden drei Achsen aufgespannt (Abell, 1980, S. 17): x „Customer groups served; x Customer functions served; x Technologies utilized“. Neben der reinen Zielgruppenebene werden die vom Nachfrager erwartete Erfüllung einer bestimmten Funktion (z.B. Transport von Gütern) und die dafür verwendeten und im übertragenen Sinne als Angebote zu übersetzenden „Technologien“ (also etwa Transport mittels LKW, Bahn, Schiff etc.) berücksichtigt.

Systemspezifische Modifikation

Als grundsätzliches methodisches Rüstzeug reichen diese beiden Ansätze aus, wenngleich sie mit Blick auf die Charakteristika einzelner Systeme bzw. Branchen zu modifizieren sind. So ist etwa insbesondere für die relativ komplexe Ausarbeitung handelsspezifischer Geschäftsfelder der dreidimensionale Ansatz durch die Verwendung des Betriebstypus (Warenhaus, Discounter etc.) weiter zu verfeinern, ohne an dieser Stelle auf diese Überarbeitungen im Einzelnen eingehen zu können (siehe hierzu etwa Mattmüller, 1998, S. 96 ff.; Mattmüller/Tunder, 2004, S. 56 ff.). Für die weiteren Ausführungen soll daher zum einfacheren Verständnis auf den zweidimensionalen Ansatz zurückgegriffen werden.

Programmstruktur

145

Ein für die Implementierung von SGF äußerst wichtiger Punkt ist die Trennung von Geschäftsfeldern einerseits und von Elementen der Aufbauorganisation andererseits. SGF sind nicht mit organisatorischen Elementen, wie etwa Geschäftseinheiten, -bereichen oder Divisions etc. zu verwechseln. Die Frage, welche organisatorische Einheit (vorhandene oder neu zu schaffende Abteilungen, ausgelagerte Tochterfirmen, Projektgruppen - um nur eine Auswahl zu nennen) für die Bearbeitung der Geschäftsfelder konkret verantwortlich ist, stellt stets einen zweiten Schritt dar, dem die gedanklich-planerische Abgrenzung einzelner Angebots-/Zielgruppen-Kombinationen vorangehen muss. Das häufig vorzufindende Verständnis Strategischer Geschäftsfelder als zwangsläufig damit festgelegter Aufbaustruktur verwendet dieses gedankliche Konstrukt für eine falsche Fragestellung. Dabei besteht auch die Gefahr, dass die Geschäftsfelder als zu große Gebilde bestimmt werden – weil sie eben von Anfang an als mit entsprechenden organisatorischen Trägern identisch gesehen werden – und somit ihren eigentlichen Sinn verlieren. Eine terminologische Präzisierung mag darin bestehen, zwischen Strategischen Geschäftsfeldern (Angebots-/Zielgruppen-Kombinationen) einerseits und Strategischen Geschäftsbereichen (Business Units, Sparten etc.) als organisatorischer Größe andererseits zu unterscheiden (Meyer/Mattmüller, 1993, S. 25).

SGF versus SGE

Das Konstrukt des Strategischen Geschäftsfelds stellt einen fundamentalen Baustein eines Marktprogramms bzw. des strategischen Marketing im allgemeinen dar. Zahl und grundsätzliche Ausrichtung der einzelnen Geschäftsfelder werden dabei im Geschäftsfeld-Portfolio eines Unternehmens abgebildet. Zu seiner Steuerung stehen insgesamt fünf strategische Marketingoptionen zur Verfügung, die aufgrund ihrer zentralen Bedeutung für die gegebene bzw. zukünftige Struktur eines Unternehmens als Unternehmensstrategien verstanden werden können: die Beibehaltung sowie fünf Änderungsstrategien (Diversifikation, Reduktion, Konversion sowie Multiplikation und Kontraktion). Sie werden nachfolgend jeweils in ihren wesentlichen Grundzügen und Fragestellungen charakterisiert (siehe ausführlicher etwa die einzelnen Beiträge in Mattmüller/Tunder, 2004; Meyer/Mattmüller, 1993).

SGFPortfolio

146

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

1.2

Strategische Optionen (Unternehmensstrategien)3

1.2.1

Beibehaltung

Definition

Die Strategie der Beibehaltung bezeichnet die Fortschreibung der vorhandenen Struktur des SGF-Portfolios: weder an der Zahl der bearbeiteten Geschäftsfelder als Ganzes noch an der inhaltlichen Abgrenzung der SGF im Einzelnen wird eine Veränderung unternommen. Dies ist nun aber keineswegs mit dem strategischen „Nichtstun“ zu verwechseln. Vielmehr können auch bei der – auf das Portfolio bezogenen – Beibehaltung eine Reihe von strategischen Maßnahmen innerhalb der einzelnen Geschäftsfelder ergriffen werden, die zur Intensivierung dieser Geschäftsfelder dienen (neben allen damit verbundenen operativ-taktischen Maßnahmen). Als solche lassen sich insbesondere nennen (Becker, 1998, S. 150 f. sowie Meyer/Mattmüller, 1999, S. 862 f.):

Ausprägungen

a) Erhöhung der Nachfrage bei bereits vorhandenen Kunden Erhöhte Umsätze mit den bisherigen Kunden lassen sich beispielsweise durch intensivere Bearbeitung im Sinne von gezielten und durch Database gestützten Angeboten nach individueller Präferenz des Kunden (Segment-of-one) oder auch durch Erhöhung der Verwendungsrate (vor allem bei Konsumgütern, wie etwa durch Einführung eines Shampoos für die tägliche Haarpflege) erreichen. Alle diese Vorhaben erfordern zur Umsetzung einen entsprechenden Einsatz operativ-taktischer Maßnahmen, insbesondere aus dem Bereich der Kommunikation. Als strategische Grundlage dient häufig eine feinere Segmentierung der bisher bearbeiteten Zielgruppe, die dann zu den eben erwähnten spezifischeren Angeboten führt (beispielsweise eine Aufgliederung der Kunden eines EDV-Lieferanten nach Angehörigen Freier Berufe, unterschiedlich großen Gewerbebetrieben, Ämtern etc.). Nachvollziehbare Voraussetzung dieser Intensivierungsmaßnahmen ist eine nachhaltig hohe Zufriedenheit der bisherigen Kunden mit dem jeweiligen Anbieter und seinen bisher erbrachten Leistungen. b) Akquisition neuer Kunden (derselben Zielgruppe) Die Akquisition neuer Kunden innerhalb der definierten Zielgruppe läuft zum einen über Abwerbungen von der Konkurrenz. Letzteres lässt sich beispielsweise über die Gewährung von Preisvorteilen bzw. anderer

Programmstruktur

147

zentraler kaufentscheidender Nutzensbestandteile erreichen (etwa auch über vergleichsweise deutlich bessere Garantieleistungen). Zum anderen können neue Kunden aus Bereichen stammen, die zwar der definierten Zielgruppe zuzuschreiben sind, die jedoch aus bestimmten Gründen das relevante Angebot bisher noch nicht genutzt bzw. verwendet haben. Als Beispiel mögen elektronische Terminbücher dienen, die innerhalb der relevanten Zielgruppe (etwa als „Time-Management-orientierte Führungskräfte“ zu bezeichnen) nur eine bestimmte und im Vergleich mit traditionellen Terminplanern eine immer noch geringere Verwendungsrate aufweisen. Für die „Nichtverwendung“ können sowohl eher psychologische Hindernisse eine Rolle spielen wie auch objektiv-sachliche Gründe (bzw. eine Mischung aus beiden). Zu ersteren zählen etwa der Abschied von liebgewordenen Gewohnheiten oder die Furcht vor Umstellungen („von Papier zu Elektronik“) – zu letzteren beispielsweise eine aus Nutzersicht eingeschränkte Lesbarkeit der Displays oder umständliche Bedienung der Geräte. Entsprechend sind die Argumentationsketten aufzubauen, um diese bisherigen Nicht-Kunden zu gewinnen (etwa Möglichkeiten zum kostenlosen Testen der Geräte, um die Nutzungshemmschwelle abzubauen). Mit der strategischen Option der Beibehaltung wird also eine Strukturfortschreibung des bisherigen SGF-Portfolios beschlossen. Maßnahmen – auch strategischen Charakters – innerhalb der einzelnen Geschäftsfelder bleiben davon unberührt.

1.2.2

Diversifikation

Als erste der hier betrachteten Änderungsstrategien nimmt die Diversifikation aufgrund ihrer Konsequenzen für die Struktur des Geschäftsfeld-Portfolios eines Unternehmens und insbesondere wegen der sich daraus ergebenden Chancen und Risiken eine herausragende Stellung ein. Sie gilt gleichermaßen als die „klassische“ Ausweitungsstrategie bestehender Unternehmen. Unter Diversifikation wird nachfolgend eine Erweiterung des Portfolios um eine für das Unternehmen neuartige, bisher nicht angebotene Leistung und/oder eine neuartige, bisher nicht bearbeitete Zielgruppe im Sinne eines zusätzlichen Strategischen Geschäftsfelds verstanden (Graßy, 1993, S. 34).

Definition

148

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

1.2.2.1

Dimensionen

Eine frühe inhaltliche Belegung des Diversifikationsbegriffs fand durch Ansoff statt, der darunter eine zwangsläufige Kombination eines neuen Leistungsangebots und einer bisher unbearbeiteten Zielgruppe verstand. Diese Eingrenzung auf die gleichzeitige Neuartigkeit von Angebot und Zielgruppe ist jedoch vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Ursprungs dieser und einer Reihe anderer Prägungen der Diversifikation zu verstehen, durch welche die dabei häufig ablaufenden lateralen, also von den bisherigen Geschäftsfeldern weit wegführenden Diversifikationsaktivitäten beschrieben wurden. Damit werden jedoch – gerade auch für europäische und deutsche Wachstumsprozesse viel eher kennzeichnende – interessante Spielarten dieser Unternehmensstrategie vernachlässigt (Graßy, 1993, S. 32). Dimensionen

Aus diesem Grund wird nachfolgend eine differenziertere Betrachtung der Diversifikation angelegt, wie sie auch in der obigen Definition zum Ausdruck kommt und die an den beiden konstitutiven Achsen eines Strategischen Geschäftsfelds ansetzt (siehe etwa auch Bühner, 1985, S. 20 f.; Köhler, 1981, S. 268; Schüle, 1992, S. 8). Eine Diversifikation liegt demnach vor, wenn das neue, zusätzlich zu bearbeitende Geschäftsfeld x durch ein neuartiges Leistungsangebot bei Beibehaltung der bereits bearbeiteten Zielgruppe (eindimensional; Angebotsdiversifikation) oder x durch die Bearbeitung einer neuen Zielgruppe bei Beibehaltung der bereits angebotenen Leistungen (eindimensional; Zielgruppendiversifikation) bzw. x durch eine Kombination aus neuem Leistungsangebot und neuer Zielgruppe (zweidimensional) begründet wird. Damit wird nicht zuletzt auch der Tatsache Rechnung getragen, dass eine eindimensionale Diversifikation – etwa durch ein völlig neuartiges Leistungsangebot – für ein Unternehmen von gleicher strategischer Tragweite sein kann, wie eine zweidimensionale Diversifikation. Unabhängig von der Dimensionalität wird durch eine Diversifikation ein zusätzliches Strategisches Geschäftsfeld begründet: die bisher bearbeiteten Geschäftsfelder bleiben erhalten, womit – auch strategisch relevante – Änderungen innerhalb dieser Felder (etwa veränderte Kommunikationsstrategien oder etwa auch die Grenzen des jeweiligen Geschäftsfelds nicht überschreitende Angebotserweiterungen) natürlich nicht ausgeschlossen sind.

Programmstruktur

149

Die Dimensionen der Diversifikation verdeutlicht nochmals die nachfolgende Abbildung: Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe) Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe)

SGFalt SGFalt

eindimensionale Diversifikation über die Angebotsachse

Friseurbetriebe

SGFneu

Friseurbetriebe

Schulungen zur Betriebsführung

Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe)

SGFalt

Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe)

eindimensionale Diversifikation über die Zielgruppenachse Friseurbetriebe

SGFneu

SGFalt

private Nachfrager

Friseurbetriebe

Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe) Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe)

SGFalt SGFalt

zweidimensionale Diversifikation über die Angebots-/ Zielgruppenachse Friseurbetriebe

private Nachfrager

Friseurbetriebe

SGFneu

Wellness-Programme

Abb. 42: Dimensionen der Diversifikation (Mattmüller/Tunder, 1998, S. 593) Ausgehend von dem grundsätzlichen Verständnis der Diversifikation als Aufnahme zusätzlicher, neuartiger Tätigkeiten wird deutlich, dass die erstmalige Strukturierung eines bestehenden Unternehmens nach Strategischen Geschäftsfeldern demnach keine Diversifikation darstellt. Vielmehr werden in einem solchen Fall die bisher ja bereits ergriffenen, unterschiedlichen Aktivitäten nach geschäftsfeldrelevanten Kriterien lediglich „neu“ geordnet, um damit für das Unternehmen die Vorteile

150

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) des SGF-Konstrukts (eigenständige Führung, Schaffung von Transparenz hinsichtlich des Risikos des Unternehmens etc.) nutzbar zu machen. Erst die Bearbeitung eines im Vergleich zum Status quo als Referenzmaßstab originär neuen Geschäftsfelds begründet eine Diversifikation. Analog gelten diese Einschränkungen auch dann, wenn die zusätzlichen Geschäftsfelder lediglich durch eine feinere Segmentierung entstehen, sie sich aber im Kern in keinster Weise von den bisherigen Gesamtaktivitäten der Unternehmung unterscheiden. Mit anderen Worten: die Diversifikation als Änderungsstrategie auf Unternehmensebene läuft stets über die Bearbeitung neuer, zusätzlicher Strategischer Geschäftsfelder ab – nicht jedes „neue“ Geschäftsfeld in einem Unternehmen begründet jedoch eine Diversifikation. Dies bedeutet im Umkehrschluss natürlich nicht, dass Unternehmen, die das Konstrukt der Strategischen Geschäftsfelder nicht verwenden, keine Diversifikation durchführen könnten. Bei diesen Unternehmen vollzieht sich die Diversifikation über die gleichen, geschäftsfeldrelevanten Achsen (Angebot, Zielgruppe), jedoch sind diese eben nicht explizit zu Geschäftsfeldern als strategischer Manövriermasse verknüpft worden, womit das Unternehmen seinerseits auf die bereits erwähnten Vorteile des SGF-Ansatzes verzichtet.

1.2.2.2

Arten

Eine weitergehende Differenzierung der Diversifikation kann anhand ihrer Richtungen, des zugrunde liegenden Aktivitätsgrads und der Erkennbarkeit vorgenommen werden. a) Richtungen Horizontal

Hinsichtlich der verfolgten Richtung kann die Diversifikation horizontal ablaufen, worunter in der Literatur zum einen der Verbleib im bisherigen Marktbearbeitungssystem bzw. auf der bisherigen Marktstufe verstanden wird: ein Industrieunternehmen bearbeitet beispielsweise ein neues SGF im Bereich der Herstellung von Gütern bzw. ein Einzelhändler diversifiziert innerhalb des Einzelhandels. Zum anderen wird damit ein bestehender starker Verwandtschaftsgrad zwischen dem neuen Strategischen Geschäftsfeld und den bisherigen Aktivitäten des Unternehmens bezeichnet, die eine entsprechende Übertragung vorhandenen Know-hows, ausgeprägter Potenziale oder anderer Ressourcen erlauben (Bühner, 1985, S. 28). In diesem zuletzt verstandenen Sinne verläuft eine eindimensionale Diversifikation stets in horizontaler Richtung. Umgekehrt muss jedoch nicht jede horizontale Diversifikation ausschließlich eindimensionalen Charakter aufweisen, etwa wenn auch bei einer

Programmstruktur

151

zweidimensionalen Diversifikation auf gegebenem Know-how aufgebaut werden kann.

In der Automobilindustrie hat sich in letzter Zeit die „Über-KopfMontage“ bei der Fertigung durchgesetzt, d.h. die Rohkarosserien werden von automatischen Greifarmen erfasst, hochgehoben und durchlaufen an Hochbändern aufgehängt wesentliche Fertigungsabschnitte. Diese Art der Bandmontage erlaubt es, ursprünglich sehr anstrengende Arbeiten an der Unterseite des Autos – wie etwa die Montage der Bodengruppe, der Auspuffanlage etc. – nun relativ bequem, unter dem Auto stehend durchzuführen. Ein bekannter österreichischer Hersteller von Skiliften und Seilbahnen hat diesen Trend rechtzeitig erkannt und sich als Anbieter solcher Fertigungsstraßen – neben seinem angestammten Geschäftsfeld (Skilifte und Seilbahnen für die Zielgruppe privater und kommunaler Betreiber dieser Anlagen) profiliert. Aus der Sicht dieses Unternehmens handelt es sich um eine zweidimensionale Diversifikation, da ein zusätzliches Strategisches Geschäftsfeld durch ein neues Angebot (PKWFertigungstechnologie) an eine neue Zielgruppe (Unternehmen der Automobilindustrie) begründet wurde. Gleichzeitig lässt die Angebotsachse mit Blick auf die zugrunde liegende Basistechnologie und das Know-how eine gemeinsame Linie im Sinne einer Kernkompetenz erkennen. Als vertikale Diversifikation wird – begrenzt auf die Betrachtung der Marktstufe – ein zusätzliches Geschäftsfeld in vor- oder nachgelagerten Märkten bezeichnet, wie es beispielsweise für industrielle Anbieter im Bereich des Handels oder umgekehrt (anderes Marktbearbeitungssystem und andere Marktstufe) bzw. etwa innerhalb des Handels in der Unterscheidung zwischen Groß- und Einzelhandel (andere Marktstufe) begründet liegt.

Vertikal

Eine vertikale Diversifikation kann dabei eng mit der dritten grundsätzlich gegebenen Richtung zusammenhängen – mit der lateralen Diversifikation. Letztere ist zunächst dadurch gekennzeichnet, dass kein sachlicher Zusammenhang mit den bisherigen Geschäftsfeldern bzw. mit den zugrunde liegenden Leistungssubstanzen des Unternehmens besteht.

Lateral

In diesem Sinne schließen sich die Kennzeichnungen einer vertikalen und einer lateralen Diversifikation nicht gegenseitig aus, sondern können – aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln – ein- und denselben strategischen Sachverhalt beschreiben. Hingegen besteht ein inhaltlicher Ausschluss zwischen lateraler und horizontaler Diversifikation, sofern

152

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) letztere auf den inhaltlichen Verwandtschaftsgrad angelegt wird, und zwischen vertikaler und horizontaler Unterscheidung bei einer Beschränkung auf die Marktstufe. Gleichzeitig wird hier nochmals deutlich, dass eine Beschreibung der Diversifikation anhand ihrer Dimensionen einerseits – unabhängig davon, dass diese ohnehin mehr auf die konkreten Ausgestaltungsmöglichkeiten gerichtet sind – und anhand der Richtungen andererseits keine synonyme, sondern eine sich ergänzende Charakterisierung erlaubt. b) Aktivitätsgrad

Offensiv

Defensiv

Mit Blick auf den zugrunde liegenden Aktivitätsgrad der Diversifikation ist einerseits ein offensives, durch rechtzeitiges und proaktives Handeln gekennzeichnetes Vorgehen zu unterscheiden, das eine entsprechende Identifikation und Selektion von geeigneten Strategischen Geschäftsfeldern und passenden Eintrittsstrategien erlaubt. Dem steht eine eher defensive Orientierung gegenüber, bei welcher eine Diversifikation als Reaktion auf eingetretene Verschlechterungen in den bisherigen Geschäftsfeldern – und damit meist unter aktivistisch geprägtem Zeitdruck – vorgenommen wird (Graßy, 1993, S. 39). Aufgrund des mit einer Diversifikation verbundenen Ressourcenaufwands und der – nachfolgend noch zu betrachtenden Risiken – sollte diese Änderungsstrategie jedoch nicht als Heilmittel für bereits kränkelnde Unternehmen gesehen werden (Meyer, 1971, S. 9). Diversifikationen und die damit verbundenen Kraftanstrengungen sind von starken und im Kern gesunden Unternehmen anzugehen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass der Schub für den Aufbau des neuen Geschäftsfelds nicht ausreicht und gleichzeitig die bestehenden Strategischen Geschäftsfelder bei der Ressourcenzuwendung vernachlässigt werden. c) Erkennbarkeit

Offen

Verdeckt

Diversifikationen können für die Marktseite, insbesondere für die Nachfrager, offen und mit erkennbarem Zusammenhang zwischen dem neuen Geschäftsfeld und dem dieses bearbeitenden diversifizierenden Unternehmen durchgeführt werden. Bei verdeckten Diversifikationen ist dieser Zusammenhang nicht offensichtlich, wie es beispielsweise bei der Gefahr möglicher negativer Imagetransfers von der Reputation des Unternehmens auf das neue Strategische Geschäftsfeld einerseits oder auch bei einem Scheitern des Engagements rückwirkend auf das Unternehmen andererseits anzuraten ist.

1.2.2.3 Rendite und Risiko

Ziele

Die einer Diversifikation zugrunde liegenden Ziele leiten sich ihrerseits von den Oberzielen des Unternehmens ab, die das Marktprogramm ins-

Programmstruktur

153

gesamt beeinflussen und sind insofern zwangsläufig in eine übergreifende Zielhierarchie eingebunden. Gleichwohl zeigen sich zwei Ziele bzw. Zielbündel, die typische Auslöser für Diversifikationen darstellen: Renditeverbesserung und Risikoreduktion, die dabei durch ihre inhaltliche, betriebswirtschaftliche Verknüpfung – höhere Rendite ist nur durch höheres Risiko erhältlich – ohnehin in einer Gesamtbetrachtung zu sehen sind (Graßy, 1993, S. 41 ff.). Ausgehend von einem Unternehmen, das nur ein einziges Strategisches Geschäftsfeld bearbeitet, wird die hier betrachtete Risikoreduzierung deutlich. Durch Diversifikation in andere SGF werden weitere Standbeine aufgebaut, das Unternehmen wird von Schwankungen im bisherigen Geschäftsfeld – z.B. Nachfrageverschiebungen, verstärkte Konkurrenzaktivitäten, Beschaffungsprobleme etwa auch im Personalbereich – unabhängiger. Dieser Effekt der Reduzierung des Risikos, der sich durch eine stärkere Streuung des Portfolios der bearbeiteten Geschäftsfelder einstellt, tritt zum einen bei gar nicht oder nur schwach diversifizierten Unternehmen am stärksten ein: je breiter die Aktivitäten bereits gestreut sind, je mehr Geschäftsfelder bereits bearbeitet werden und je unterschiedlicher diese dabei sind, desto geringer fällt eine weitere Risikosenkung bei fortgesetzter Diversifikation aus. Zum anderen ist offensichtlich, dass der Grad der Risikoreduzierung von der gewählten Diversifikationsdimension und -richtung abhängt. Zweidimensionale, laterale Diversifikationen bewirken die stärkste Senkung des portfoliotechnischen Risikos – eindimensionale Diversifikationen pauschal betrachtet die geringste Reduzierung.

Risikoreduzierung

Dieser bisher dargestellten Risikosenkung stehen jedoch die mit der Diversifikation ihrerseits verknüpften Gefahren gegenüber, die hier – vereinfachend – als Umsetzungsrisiko bezeichnet werden. Unter diesem Aspekt weist wiederum eine zweidimensionale, laterale Diversifikation das größte Risiko auf, da die Entfernung von den bisherigen Aktivitäten des Anbieters am weitesten und die übertragbaren Potenziale am geringsten ausfallen. Ein wesentlicher Bestimmungsfaktor des Umsetzungsrisikos ist die dabei gewählte Umsetzungsform (also z.B. Eigenaufbau oder Akquisition), weswegen im nachfolgenden Kapitel nochmals auf diesen Zusammenhang einzugehen sein wird.

Umsetzungsrisiko

Zunächst kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass das Umsetzungsrisiko einer zweidimensionalen, lateralen Diversifikation oft die andererseits bewirkte portfoliotechnische, durch Streuung der Aktivitäten bewirkte Risikosenkung übersteigt und damit die Gefahr eines Misserfolgs für das Gesamtunternehmen eher steigt. Dies belegen auch die meisten empirischen Studien zum Zusammenhang von Diversifika-

154

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) tion und Risikoreduzierung (siehe etwa die Zusammenstellung bei Graßy, 1993, S. 54 ff.; Szeless/Müller-Stewens, 2002, S. 526 f.)

Renditeverbesserung

Damit ist auch das zweite maßgebliche Ziel einer Diversifikation betroffen, das sich in einer erhofften Verbesserung der Rendite ausdrückt. Neue, zusätzliche Geschäftsfelder erbringen über den zusätzlich erzielten Umsatz – und zumindest mittelfristig einen positiven Ertrag unterstellt – eine erhöhte Rendite des eingesetzten Kapitals. Als Gründe hierfür werden im Sinne von Synergieeffekten beispielsweise die bessere Auslastung vorhandener Produktionskapazitäten genannt – sofern eine produktionstechnische Nähe zwischen neuen und alten SGF besteht.

1.2.2.4

Umsetzungsformen

Als Umsetzungsformen bzw. Eintrittsstrategien in das neue Geschäftsfeld stehen dem Unternehmen zunächst zwei grundsätzliche Alternativen zur Auswahl, von denen die erste als autonome Diversifikation ohne die An- oder Eingliederung unternehmensfremder Einheiten und die zweite gemeinschaftlich durch Zusammenarbeit oder Zusammenschluss von rechtlich selbständigen Unternehmen abläuft (siehe zu den folgenden Differenzierungen Graßy, 1993, S. 47 ff.). Eigenaufbau

Als erste Variante der autonomen Umsetzungsformen bietet sich der Eigenaufbau an, bei dem die neuen Leistungsangebote auf der Grundlage unternehmenseigener Ressourcen bzw. Potenziale definiert und/oder die neuen Zielgruppen auf dieser Basis bearbeitet werden.

Lizenzerwerb

Das benötigte Know-how – insbesondere bei Angebotsdiversifikationen oder bei zweidimensionalen Diversifikationen – kann auch auf dem Wege des Lizenzerwerbs oder über die Teilnahme an einem Franchisesystem beschafft werden, womit sich gleichzeitig die Zeit bis zum Markteintritt im Vergleich zum Eigenaufbau abkürzt und – bei entsprechend ausgereiften und eingeführten Systemen – das Eintrittsrisiko abmildern lässt. Als dritte Variante einer autonomen, d.h. das Geschäftsfeld in eigenständiger Gestaltung bearbeitenden Diversifikation, bietet sich der Zukauf von Handelsware an.

Franchising

Kooperation versus Akquisition

Bei den Eintrittsstrategien, die zusammen mit anderen Unternehmen ablaufen, ist nochmals in Kooperation einerseits und in Akquisition andererseits zu differenzieren. Konkrete Umsetzungsformen für die zuerst 4 genannte Eintrittsstrategie stellen die Lizenzvergabe oder die Gründung gemeinsamer Tochtergesellschaften (Joint Ventures) zur kooperativen Bearbeitung des neuen Geschäftsfelds dar. Unter Akquisition soll hier primär der Kauf des organisational/rechtlichen Trägers eines Geschäftsfelds verstanden werden, also von bestehenden Einheiten eines fremden Unternehmens oder von Letzterem als Ganzes. Wie teilweise auch

Programmstruktur

155

schon die Kooperation, so erlaubt vor allem die Akquisition einen raschen Markteintritt. Die Integration gekaufter Einheiten in die eigene Unternehmensstruktur und -kultur erfordert dabei jedoch häufig große Kraftanstrengungen und bedingt einen wesentlichen, kritischen Erfolgsfaktor für diese Eintrittsstrategie. Generell kann – unter Rückgriff auf das bereits nach den Dimensionen und Richtungen einer Diversifikation behandelte Eintrittsrisiko – festgehalten werden, dass sich die Akquisition in der Empirie insbesondere im Vergleich mit dem Eigenaufbau als risikoreiche Umsetzungsform erweist. Neben der Integrationsproblematik ist es das im eigenen Unternehmen fehlende, zwar nun zugekaufte, aber damit keineswegs automatisch verinnerlichte Know-how, das zu Schwierigkeiten führt (etwa aufgrund eines unterschiedlichen Kenntnisstands im Management der akquirierenden und der akquirierten Unternehmung). Dieser Effekt wird entsprechend verstärkt, wenn die Akquisition zur Umsetzung einer zweidimensionalen und dabei lateralen, also von der bisherigen Tätigkeit weit wegführenden Diversifikation dient. Gerade diese damit entstandene Kombination einer bestimmten Diversifikation und Umsetzungsform muss mit Blick auf die diskutierten Ziele der Risikoreduzierung und der Renditeverbesserung äußerst kritisch gesehen werden.

1.2.3

Risiken der Akquisition

Reduktion

Während die Strategie der Diversifikation auf Wachstum abzielt, umschreibt die Reduktionsstrategie den Rückzug aus bereits bearbeiteten Strategischen Geschäftsfeldern und somit in der Regel die Schrumpfung der Unternehmenskapazitäten. Infolgedessen stellt die Reduktionsstrategie das Pendant zur Diversifikationsstrategie dar. Galt es hierbei noch bis in die 80er Jahre hinein als Eingeständnis einer unternehmerischen Niederlage, sich aus angestammten Geschäftsfeldern – freiwillig oder gezwungenermaßen – zurückzuziehen, erfährt die Reduktionsstrategie in der heutigen Zeit einen Bedeutungswandel. So führt mittlerweile die Bekanntgabe eines „geordneten“, sprich strategisch geplanten und zielorientierten Rückzugs aus angestammten Strategischen Geschäftsfeldern häufig sogar zu einer Aufwertung des Shareholder Value. Trotz dieser auch empirisch mehrfach nachgewiesenen Relevanz wurde die Reduktion sowohl in der Literatur als auch in der Praxis lange Zeit nur unzureichend als eigenständige strategische Marketingoption herausgestellt und gewürdigt (Trautmann, 1993, S. 140). Spiegelbildlich zur Diversifikation wird unter einer Reduktion eine strategische Marketingoption (Unternehmensstrategie) des gezielten Rück-

Definition

156

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) zugs von bisher angebotenen Leistungsbereichen und/oder von bisher bearbeiteten Zielgruppen – im Sinne von Strategischen Geschäftsfeldern – verstanden. Dieses Begriffsverständnis geht über den mit der Reduktion verwandten und aus den Portfolioansätzen bekannten Begriff der Desinvestition hinaus, da letzterer sich ausschließlich auf den Verkauf von ganzen oder teilweisen Unternehmensteilen beschränkt (Jansen, 1986, S. 32) und somit eher eine mögliche Umsetzungsform der Reduktion als eine umfassendere, auf Strategische Geschäftsfelder bezogene Marketingoption darstellt.

1.2.3.1 Dimensionen

Dimensionen und Ziele

Nicht jede Aktivitätseinschränkung entspricht gleich einer Reduktionsstrategie. Vielmehr ist es für die strategische Marketingoption der Reduktion – analog zu den obigen Ausführungen zur Diversifikation – charakterisierend, dass sie an den beiden Dimensionen zur Bestimmung eines Strategischen Geschäftsfelds – zum einen die Angebotsleistung, zum anderen die Zielgruppe – ansetzt. Infolgedessen kann ein Unternehmen einerseits eindimensional – entweder über seine Angebotsleistung oder seine Zielgruppe – oder andererseits über beide Dimensionen zusammen reduzieren (Trautmann, 1993, S. 147 ff.). Im Ergebnis führt eine Reduktion demzufolge immer zur Auflösung eines Strategischen Geschäftsfelds. a) Eindimensionale Reduktion auf Angebotsebene

Abgrenzung zum Objektprogramm

Bringt ein Leistungsangebot keinen ausreichenden Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele, so wird das entsprechende Leistungsangebot in der Regel aus dem Markt genommen. Die betrachtete Reduktion als Unternehmensstrategie greift allerdings weiter als das allgemeine Begriffsverständnis über Leistungselimination bzw. -standardisierung. Während die beiden letztgenannten eine Straffung in der Programmbreite (d.h. Einschränkung der additiven Auswahl) bzw. in der Programmtiefe (d.h. Einschränkung der alternativen Auswahl) innerhalb eines Geschäftsfelds umfassen (siehe hierzu in diesem Abschnitt Kap. 2.1), beinhaltet die Angebotsreduktion als strategische Marketingoption die Herausnahme eines kompletten Leistungsangebots und somit die Auflösung der Angebotsdimension eines Strategischen Geschäftsfelds. Die bis dahin bearbeitete Zielgruppe wird jedoch nicht aufgegeben, sondern mit einem anderen, bereits bestehenden Leistungsangebot weiter bedient, womit mindestens zwei ursprüngliche Geschäftsfelder vorausgesetzt werden.

Programmstruktur

157

b) Eindimensionale Reduktion auf Zielgruppenebene Erscheint eine Zielgruppe als zu klein (quantitativer Grund) oder als zu ertragsschwach (qualitativer Grund), um weiterhin als tragfähige Dimension zur Definition eines Strategischen Geschäftsfelds zu dienen, wird gewöhnlich die Bearbeitung der Zielgruppe eingestellt. Diese zweite Art der eindimensionalen Reduktion beschreibt demnach den Rückzug von bestehenden Zielgruppen, ohne jedoch das Leistungsangebot zu reduzieren. Die übriggebliebene Angebotsachse dient weiterhin zur Definition anderer, auch zukünftig zu führender Geschäftsfelder. Analog zur Angebotsreduktion sei darauf hingewiesen, dass die Zielgruppenreduktion weiter geht als die allgemeine Straffung der Zielgruppenprogrammbreite oder -tiefe, die zwar in ihrem Ergebnis zu Umstrukturierungen innerhalb eines Strategischen Geschäftsfelds führen, jedoch nicht zu dessen Auflösung (siehe im gleichen Abschnitt Kap. B 3.1). c) Zweidimensionale Reduktion auf Angebots- und Zielgruppenebene Die dritte Art der Reduktion stellt eine Kombination aus Angebots- und Zielgruppenreduktion dar und ist häufig die Folge fehlgeschlagener Diversifikationsprojekte. In diesem Fall trennt sich das Unternehmen sowohl von einem Leistungsangebot als auch von einer Zielgruppe. Mit der Reduktionsstrategie werden die unterschiedlichsten Ziele verfolgt, die sich aus veränderten Wettbewerbsbedingungen, aus der gesellschaftlichen Wertedynamik oder aus unternehmensinternen Veränderungen ableiten lassen (Meffert/Kirchgeorg, 1992, S. 74 f.). Der Versuch, diese Ziele zu kategorisieren, führt über eine Trennung in marketingstrategisch und finanzstrategisch geleitete Ziele zu dem Oberziel der Konzentration auf die Kernkompetenzen einerseits und dem Oberziel der Abschöpfung eines maximal möglichen Verkaufspreises andererseits. Das erstgenannte Oberziel findet seinen Auslöser in dem gegenwärtig intensiv diskutierten Phänomen der betrieblichen Überkomplexität, welches sich vor allem durch ein konfus heterogenes Leistungsangebot, durch eine übertriebene, unwirtschaftliche Marktsegmentierung und letztendlich durch Ausbleiben von erwarteten Synergieeffekten ergibt (Roever, 1991, S. 220). Im Sinne des zweiten Oberziels stellt eine Reduktionsstrategie demnach häufig die Antwort auf eine vorhergegangene, in ihrer Zielerreichung gescheiterte Diversifikationsstrategie dar.

Ziele

158

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe) Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe)

SGF1 Friseurbetriebe

eindimensionale Reduktion über die Angebotsachse

SGF1

SGF2

Friseurbetriebe

Schulung zur Betriebsführung

Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe)

Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe)

SGF2

SGF1

private Nachfrager

eindimensionale Reduktion über die Zielgruppenachse

SGF1 Friseurbetriebe

Friseurbetriebe

Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe) Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe)

SGF1

zweidimensionale Reduktion über die Angebots-/ Zielgruppenachse

SGF1

private Nachfrager

Friseurbetriebe Friseurbetriebe

SGF2

Wellness-Programme

Abb. 43: Dimensionen der Reduktion (Mattmüller/Tunder, 1998, S. 598 f.)

1.2.3.2 Verkauf versus Stilllegung

Umsetzungsformen

Mit dem Verkauf einerseits und mit der Stilllegung andererseits können zwei grundsätzliche Umsetzungsformen einer Reduktionsstrategie unterschieden werden, wobei an dieser Stelle nochmals darauf hinzuweisen ist, dass das Strategische Geschäftsfeld ein gedankliches Konstrukt darstellt und somit selbst nicht verkauft werden kann, sondern dieses

Programmstruktur

159

ausschließlich mit den organisationalen und/oder rechtlichen Trägern eines Strategischen Geschäftsfelds geschieht. Da nicht immer komplette, rechtlich selbständige Tochtergesellschaften als Reduktionsobjekte gehandelt werden, können auf der Seite der Leistungsdimension auch beispielsweise einzelne Faktoren wie Produktionsanlagen, allgemeine Hilfsmittel, Computer, Büro- und Geschäftsräume bzw. -ausstattungen sowie Verfügungsrechte (z.B. Markenzeichen, Patente, Lizenzen oder auch Beratungskonzepte) verkauft werden. Auf der Seite der Zielgruppendimension kämen zum Beispiel Kundenkarteien, spezielle Kundenerfahrungswerte etc. als verkaufsfähige Elemente infrage. Des Weiteren hängt die Entscheidung über die zu wählende Umsetzungsform von den Austrittsbarrieren ab bzw. von den Potenzialen der jeweiligen Umsetzungsform, diese Barrieren zu überwinden (Jansen, 1986, S. 73). Da die Zielgruppendefinition lediglich ein gedankliches Konstrukt ist, existieren bei der eindimensionalen Reduktion auf Zielgruppenebene keine reellen Austrittsbarrieren. Anders verhält es sich bei der sowohl ein- als auch zweidimensionalen Reduktion mit betroffenem Leistungsangebot. In diesen Fällen lassen sich die Austrittsbarrieren nach Porter in drei Gruppen einteilen (Porter, 1976, S. 21), die jedoch nicht überschneidungsfrei zueinander stehen.

Austrittsbarrieren

Zur ersten Gruppe zählen die strukturellen und ökonomischen Austrittsbarrieren (Harrigan/Porter, 1984, S. 10). Strukturelle Barrieren liegen in Form von eingeschränkter Liquidationsmöglichkeit des Anlagevermögens oder – beispielsweise bei Stilllegung einer personalintensiven Dienstleistung – als relativ hohe Kosten etwa durch das Aufstellen und Finanzieren von Sozialplänen für die freizusetzenden Mitarbeiter vor. Außerdem sind in diesem Zusammenhang Kosten einzukalkulieren, die dadurch anfallen, dass mit Bekanntwerden einer beabsichtigten Stilllegung die Motivation der betroffenen Mitarbeiter sinkt, das allgemeine Betriebsklima sich verschlechtert, Proteste und Streiks drohen und letztendlich die Produktivität unter Umständen des gesamten Unternehmens abnimmt (Meffert/Ohlsen, 1982, S. 186 ff.). Letzteres gilt nicht unbedingt beim Verkauf des Reduktionsobjekts. Dieser könnte bei einem interessanten und imageträchtigen Akquisiteur sogar motivations- und leistungsfördernd auf die Mitarbeiter wirken. Darüber hinaus sind bei langfristigen vertraglichen Schuldverhältnissen Kosten hinzuzurechnen, die durch die möglicherweise nicht fristgerechte Aufkündigung von Vertragsbeziehungen zwischen dem Anbieter und dem Nachfrager entstehen (z.B. bei Wartungsverträgen). Beim Verkauf hingegen steigern diese langfristigen Vertragsbeziehungen unter Umständen sogar den Verkaufspreis.

Strukturelle und ökonomische Barrieren

160

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Deutlich werden an dieser Stelle zum einen der Zusammenhang zwischen den Austrittsbarrieren und den Konsequenzen für die einzelnen Bezugsgruppen eines Unternehmens sowie zum anderen die Notwendigkeit eines hierbei abgestimmten Vorgehens. Dies gilt im besonderen Maße für die Auswirkungen auf die Reputation in der Öffentlichkeit/Gesellschaft und auf die Loyalität/Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter (siehe hierzu „Charakterisierung des Marketing“ Kap. 2).

Strategische Konsequenzen

Die zweite Gruppe von Austrittsbarrieren betrifft die strategischen Konsequenzen einer Reduktion. Hierzu können vor allem jene Austrittsbarrieren zugeordnet werden, die sich über wechselseitige Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Angebotsbereichen ergeben, sodass bei Reduktion einer Angebotsachse der Verlust von Verbundvorteilen (Synergieeffekten) bei anderen Angeboten droht (wobei dieser Zusammenhang im Sinne der strategischen Unabhängigkeit der einzelnen SGF eigentlich nur bei über die Zielgruppenachse noch verbundenen, also über eine eindimensionale strategische Option begründeten Geschäftsfeldern eintreten darf). Des Weiteren gelten auch bestimmte gedankliche Verknüpfungen zwischen dem zu reduzierenden Geschäftsfeld und dem Unternehmen als Austrittsbarriere, wenn diese Assoziationen die Identität oder das Image des Gesamtunternehmens (bzw. seiner Mitarbeiter) definieren und mit der Reduktion des Strategischen Geschäftsfelds die „Eigenheit“ des Unternehmens verloren geht. Diese Austrittsbarrieren treten sowohl bei der Stilllegung als auch beim Verkauf gleichermaßen auf. Bei der zuletzt genannten Umsetzungsform wird jedoch eine weitere strategische Austrittsbarriere relevant. So ist bei der Erfolgsbewertung des Verkaufs zu berücksichtigen, dass der Käufer eventuell als bereits existierender Wettbewerber gestärkt wird oder erst zum Wettbewerber gemacht wird. Ansatzpunkte für eine gewisse Steuerung des Wettbewerbsverhältnisses nach dem Verkauf bietet das Management Buy-out (Verkauf von Unternehmensteilen an das eigene Management) als Sonderform der Verkaufsoption (vgl. Hoffmann/Ramke, 1992, S. 19 ff. und S. 25 ff.).

Managementbezogene Austrittsbarrieren

Die Widerstände des Management bei einer Reduktion stellen die dritte Gruppe von Austrittsbarrieren dar, die sowohl bei der Stilllegung als auch beim Verkauf von Bedeutung sind. Diese managementbezogenen Austrittsbarrieren sind nicht nur rational, sondern vor allem psychologisch, emotional motiviert zu verstehen. Häufig blockieren Entscheidungsträger insbesondere eine Stilllegung aus Sorge um die eigene Karriere und um das persönliche Image sowie nicht zuletzt auch aus Stolz vor dem bisher Geleisteten. Dagegen kann – je nach Attraktivität des Investors – der Verkauf durchaus positiv auf die betroffenen Führungskräfte wirken.

Programmstruktur Als Ergebnis kann demzufolge festgehalten werden, dass die Umsetzungsform der Stilllegung – die analog zum Eigenaufbau bei der Diversifikation als „Eigenabbau“ (Trautmann, 1993, S. 145) bezeichnet wird – im Vergleich zum Verkauf sowohl aus betriebswirtschaftlichen als auch aus sozialen Aspekten weitaus komplexer und zugleich bei den Entscheidungsträgern unbeliebter ist (Napp, 1990, S. 1 ff.). In diesem Zusammenhang wird seit einigen Jahren das Konzept des Downsizing diskutiert, das darauf abzielt, über eine sukzessive „Gesundschrumpfung“ die negativen Begleiterscheinungen einer sofortigen Stilllegung abzufangen (Appelbaum/Simpson/Shapiro, 1987, S. 68 ff.).

1.2.4

Downsizing

Konversion

In Abgrenzung zu den bereits vorgestellten, diametral zueinander stehenden strategischen Marketingoptionen – Diversifikation und Reduktion – lässt sich als Synthese der beiden die Strategie der Konversion einordnen. Die Konversion beschreibt dabei eine Strategie der vollständigen oder teilweisen Substitution bisher bearbeiteter Strategischer Geschäftsfelder durch neue Geschäftsfelder, wobei konstitutiverweise die freiwerdenden Ressourcen des nicht mehr zu bearbeitenden Geschäftsfelds als Grundstock für das neue Geschäftsfeld herangezogen werden, sodass die Unternehmenskapazitäten im Unterschied zur Reduktion nicht verloren gehen. Letzteres stellt zugleich das Hauptmotiv für eine Konversion dar (Brixle, 1993a, S. 91 ff.).

1.2.4.1

161

Definition

Dimensionen und Ziele

Ausgehend von den beiden Dimensionen zur Bestimmung Strategischer Geschäftsfelder kann eine Konversion am Leistungsangebot und/oder an der Zielgruppe ansetzen. In analoger Weise zu den bisherigen Ausführungen wird demnach zwischen ein- und zweidimensionaler Konversion unterschieden. a) Eindimensionale Konversion auf Angebotsebene Bei der Angebotskonversion ersetzt das Unternehmen ein bestehendes Leistungsangebot durch eine neue Leistung, ohne jedoch geschäftsfeldrelevante Änderungen in der Zielgruppendefinition vorzunehmen. Das neue Geschäftsfeld wird also durch ein neues Angebot und durch vertraute Nachfragersegmente definiert.

Dimensionen

162

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) b) Eindimensionale Konversion auf Zielgruppenebene Erfolgt ein Austausch der bisherigen Zielgruppe durch eine neue, ohne jedoch dieser gleichzeitig auch eine neue Leistung anzubieten, wird von einer Zielgruppenkonversion gesprochen. Diese ausschließliche Substitution der Zielgruppe erfordert je nach Kenntnisstand über die neuen Nachfrager die geringsten innerbetrieblichen Umstellungsaufwendungen und ermöglicht demzufolge eine relativ schnelle, flexible und einfache Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen. c) Zweidimensionale Konversion auf Angebots- und Zielgruppenebene Im Rahmen der zweidimensionalen Konversion substituiert ein Unternehmen sowohl sein Leistungsangebot als auch die bisherige Zielgruppe durch jeweils eine neue Komponente. Dementsprechend ist es nachvollziehbar, dass sich der Konversionsprozess in diesem Fall am komplexesten darstellt, da der Anbieter sowohl intern seine Ressourcen umzustellen als auch sich extern an eine neue Zielgruppe anzupassen hat. Je weniger dabei das neue Strategische Geschäftsfeld vertraut ist, desto höher sind die Umstellungsaufwendungen und umso größer ist das Misserfolgsrisiko (Brixle, 1993a, S. 97). Je nachdem, ob eher eine Diversifikations- oder eine Reduktionsbestrebung Auslöser für die Konversionsstrategie war, können unterschiedliche Ziele mit der Konversion verfolgt werden. Auf der einen Seite – diversifikationsgeleitet – strebt ein Unternehmen mit der Konversion eines bestehenden Strategischen Geschäftsfelds sowohl eine Reduzierung des Portfoliorisikos als auch eine Verbesserung der Kapitalverzinsung an. Auf der anderen Seite – reduktionsgeleitet – wird mit der Konversion außerdem eine Konzentration auf die Kernkompetenzen oder die Abschöpfung eines maximal möglichen Verkaufserlöses für die zu substituierende Dimension beabsichtigt, um mit der dadurch gewonnenen finanziellen Kraft den Eintritt in ein neues Strategisches Geschäftsfeld zu realisieren.

1.2.4.2 Vollständige versus partielle Konversion

Arten und Umsetzungsformen

Die Arten einer Konversion können anhand des Umfangs unterschieden werden, in welchem die freigesetzten Ressourcen die Basis des neuen Geschäftsfelds bilden. Im Idealfall – der vollständigen Konversion – werden sämtliche freigesetzten Finanz-, Sach- und Personalmittel übernommen. Dieses ist jedoch nur im Rahmen einer Zielgruppenkonversion oder bei bisherigen Geschäftsfeldern mit geringem bzw. wenig spezifischem Sachmitteleinsatz (z.B. leicht umstellbare Produktionsanlagen) und flexibel einsetzbaren Mitarbeitern realistisch. Wirklichkeitsnäher ist daher die partielle Konversion, die die bisherigen Ressourcen in einem

Programmstruktur

163

möglichst großen, aber aufgrund bestimmter Zwänge nicht in vollem Umfang überführt.

Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe) Friseurbetriebe

SGFalt

eindimensionale Konversion über die Angebotsachse

SGFneu

Friseurbetriebe Schulungen zur Betriebsführung

Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe)

SGFalt

Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe)

eindimensionale Konversion über die Zielgruppenachse

Friseurbetriebe

SGFneu private Nachfrager

Haarpflegeserie (Shampoo, Spülung, Farbe) private Nachfrager

SGFalt

zweidimensionale Konversion über die Angebots-/ Zielgruppenachse

SGFneu

Friseurbetriebe Wellness-Programme

Abb. 44: Dimensionen der Konversion (Mattmüller/Tunder, 1998, S. 603) Die Umsetzung einer Konversion beinhaltet zwar Formen der Reduktion einerseits und der Diversifikation andererseits, dennoch kommt nach dem Eigenverständnis der Konversion nur eine Kombination aus Eigenabbau und Eigenaufbau als Umsetzungsform infrage, denn eine solche Kombination bedingt die Verwendung der eigenen (freigesetzten) Ressourcen (Müller-Stewens, 1990, S. 134). Andere Umsetzungsformen, wie einerseits der Verkauf und andererseits die Kooperation oder Akquisition sollten den Konversionsprozess nur begleitend unterstützen. Sie haben daher allenfalls „Brückenkopffunktion“ (Brixle, 1993a, S. 102 f.).

Eigenabbau und Eigenaufbau

164

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

1.2.5 Definition

Multiplikation (und Kontraktion)

Während die drei bisherigen Änderungsstrategien – Diversifikation, Reduktion und Konversion – Veränderungen am Kern der bearbeiteten Geschäftsfelder bzw. des Geschäftsfeld-Portfolios bewirken, übernimmt die Multiplikation die vorhandenen Strategischen Geschäftsfelder und „unterzieht diese bzw. ihre einzelnen Komponenten sozusagen einem Vervielfältigungsprozess, durch welchen die Veränderung im Vergleich zum Ausgangsstatus bewirkt wird“ (Meyer/Mattmüller, 1993, S. 26). Die Multiplikation wird daher auch als rahmenverändernde Option bezeichnet. Ihr entscheidendes Merkmal ist dabei die Orientierung an der räumlichen Struktur, innerhalb derer die Vervielfältigung abläuft. So ist es einerseits möglich, bereits bearbeitete geographische Gebiete verstärkt auszuschöpfen (Multiplikation zur Gebietsdurchdringung) oder seine Aktivitäten auf bisher nicht bearbeitete Marktgebiete zu erstrecken (Multiplikation zur Gebietsausweitung). Im Gegenzug vollzieht die Kontraktion eine Straffung des bisher bearbeiteten Marktgebiets (Kontraktion zur Gebietsschrumpfung, etwa des Einzugsgebiets eines Einzelhändlers) oder gar die völlige Aufgabe eines bestimmten Gebiets und damit die Konzentration auf die verbleibende(n) Region(en). Da die Kontraktion in diesem Sinne die genau gegensätzliche Option zur vorherigen Multiplikation darstellt, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die Charakterisierung der Multiplikation.

1.2.5.1 Dimensionen

Dimensionen und Ziele

Da bei der Multiplikation per Definition neben dem Leistungsangebot stets auch die Zielgruppe unverändert erhalten bleiben muss, wird deutlich, dass letztere lediglich hinsichtlich geographischer Merkmale variieren darf, um einerseits die geforderte inhaltliche Konstanz aufzuweisen und um andererseits die charakteristische Vervielfältigung zu ermöglichen. Unter dieser Bedingung kann auch die Multiplikation, wie schon die bisherigen Optionen, nach ein- und zweidimensionalen Vorgehensweisen unterschieden werden.

Programmstruktur Nachdem bei einer eindimensionalen Multiplikation auf der Ebene des Leistungsangebots folgerichtig selbst das geographische Merkmal der bearbeiteten Zielgruppe unverändert bleiben soll, zeigt sich als einzige Umsetzungsmöglichkeit die verstärkte Bearbeitung dieser Zielgruppe. Um diese eindimensionale Multiplikation von der reinen Beibehaltung – als der ersten der SGF-bezogenen Unternehmensstrategien – und deren einzelnen Möglichkeiten einer intensiveren Marktbearbeitung abzugrenzen, muss das Leistungsangebot in vervielfältigter Form vorliegen. Damit wird deutlich, dass die konkrete Umsetzung dieser Option aus der Multiplikation der Absatz- bzw. Verkaufsstellen innerhalb eines definierten und bisher bereits bearbeiteten Gebiets besteht. Die eindimensionale Multiplikation auf der Ebene des Leistungsangebots wird also mit dem Ziel einer stärkeren Gebietsdurchdringung (Marktausschöpfung) angegangen. Im zwangsläufigen Gegenzug ergibt sich, dass bei einer alleinigen eindimensionalen Multiplikation auf der Zielgruppenebene keine neuen, vervielfältigten Verkaufsstellen hinzukommen dürfen, gleichzeitig aber sich die bearbeiteten Zielgruppen nach dem geographischen Merkmal unterscheiden müssen (und nur nach diesem Kriterium unterscheiden dürfen). Dieser Ausprägung liegt daher das Ziel zugrunde, Nachfrager aus bisher unbearbeiteten Regionen an die bereits bestehende(n) Verkaufsstelle(n) heranzuziehen („Nachfragerimport“). Werden neue, zusätzliche Verkaufsstellen in neuen Marktgebieten eröffnet, so liegt demzufolge eine zweidimensionale Multiplikation mit der Zielsetzung der Gebietsausweitung (Marktausweitung, Marktexpansion) vor (Hübner, 1993, S. 197 f.). Würden sich die in den neuen Gebieten bearbeiteten Zielgruppen nicht nur anhand des geographischen Kriteriums, sondern auch anhand weiterer segmentierungsrelevanter und wesentlicher Merkmale unterscheiden (z.B. Kaufverhalten), so würde eine eindimensionale Diversifikation auf Zielgruppenebene vorliegen. Die unmittelbare praktische Konsequenz dieser Differenzierung liegt in der Frage, inwieweit in einem solchen Falle Konsequenzen auf anderen strategischen Ebenen zu ziehen sind: „Multiplikation zur Marktausweitung definiert sich durch die Neubearbeitung potentieller, mit bereits eingesetzten Systemen bearbeitbarer, regional unterschiedlicher Märkte. Bei der Diversifikation hingegen zwingen generell neue Märkte zu einer entsprechenden Neugestaltung der Systeme zur Marktbearbeitung“ (Hübner, 1993, S. 194).

165

Marktausschöpfung

„NachfragerImport“

Marktausweitung

166

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Das Einzugsgebiet von stationären Einzelhändlern ist in der Regel vor allem durch die vorhandene Konkurrenz (regionale Streuung und Attraktivität) sowie durch den Anfahrtsweg, allgemein durch die „Beschaffungsmühe“ der Nachfrager begrenzt. So wird heutzutage wohl kein Kunde mehr Fahrtzeiten von mehr als etwa 20 Minuten zu einem durchschnittlichen Lebensmittel-Supermarkt in Kauf nehmen. Hingegen haben es – speziell in Süddeutschland – einige große Einrichtungshäuser in den letzten Jahren geschafft, ihr Einzugsgebiet erheblich auszuweiten (durch Verbesserung des Angebots, der Serviceleistungen, überregionale Kommunikationsanstrengungen etc.). Konkret bedeutet dies, dass deren Kunden mittlerweile Fahrtzeiten von bis zu zwei Stunden auf sich nehmen, um das Outlet zu erreichen. Statt einer Filialisierung – mit den damit verbundenen Kosten, Aufwendungen und resultierenden Risiken – haben diese Einzelhändler mit großem Erfolg in das Heranziehen von Kunden aus bisher nicht bearbeiteten Gebieten investiert.

1.2.5.2

Umsetzungsformen

Filialisierung und Franchising

Zur konkreten Umsetzung der Multiplikation – zweidimensional bzw. eindimensional auf Ebene des Leistungsangebots – stehen zwei Konzepte zur Verfügung: Filialisierung und Franchising. Ist ersteres insbesondere durch die Eigentümeridentität und durch die Zentralität der hierarchisch gegliederten Leitung gekennzeichnet, so stellt das Franchisesystem als vertikaler Vertragsverbund zwischen zumindest rechtlich selbständigen Partnern eine Art „freiwilliger Filialisierung“ dar, da dieses Konzept von außen, also beispielsweise vom Nachfrager aus gesehen, in der Regel nicht von Filialisten im eigentlichen Sinne zu unterscheiden ist.

Franchisegeber und Franchisenehmer

Beteiligte eines Franchisesystems sind der Franchisegeber und der Franchisenehmer. Ersterer stellt dem Nehmer ein möglichst unverwechselbares Marketingkonzept (inklusive Markennamen, Schutzrechte etc.) für dessen Marktteilnahme zur Verfügung und beliefert den Nehmer mit den anzubietenden Objekten (bzw. versorgt ihn mit dem entsprechenden Know-how beim Dienstleistungsfranchising). Als Gegenleistung zahlt der Nehmer in der Regel eine „Eintrittsgebühr“ (für die Aufnahme in das System) sowie laufende, vom Umsatz abhängige Gebühren („Royalties“). Das System tritt wie erwähnt einheitlich am Markt auf und ist gleichzeitig durch ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Weisungs- und Kontrollsystem des Franchisegebers zur Aufrechterhaltung eines systemkonformen Verhaltens gekennzeichnet. Als allgemeine Vorteile des

Programmstruktur

167

Franchising können die folgenden Punkte genannt werden (Mattmüller/Killinger, 1998, S. 581): Vorteile für den Franchisegeber (im Vergleich zur Filialisierung): x Auswahl motivierter und zur Selbständigkeit bereiter Partner (SelfSelection-Eigenschaft von Franchisesystemen); x geringerer Kapitaleinsatz (durch Verlagerung auf die Franchisenehmer) und schnellerer Kapitalrückfluss (durch Einstiegsgebühr und laufende Zahlungen der Franchisenehmer);

Vorteile für Franchisegeber

x Gate-keeper-Rolle für alle relevanten Zulieferungsbereiche (z.B. Ladenausstattung etc.) mit entsprechenden Ertragsmöglichkeiten; x niedrigeres Risiko. Vorteile für den Franchisenehmer (im Vergleich zur isolierten Selbständigkeit bzw. zum Angestelltenverhältnis): x Übernahme eines bewährten Vermarktungskonzepts; x Unterstützungsmaßnahmen durch Franchisegeber (beispielsweise Beschaffungsvorteile, nationale Kommunikation, Schulungsleistungen) und aus dem Kreis der anderen Franchisenehmer (etwa Arbeitskreise, Erfahrungsaustausch etc.); x erhöhte Wettbewerbsfähigkeit; x Wahrung der Selbständigkeit; x niedrigeres Risiko. Franchising stellt dabei eine typische Prinzipal-Agenten-Problematik dar, bei welcher der Franchisegeber als Prinzipal und die –nehmer als Agenten charakterisiert werden können. Vor diesem Hintergrund hat der Franchisegeber mögliches opportunistisches Verhalten der Franchisenehmer zu verhindern und letztere zur Zielerreichung in seinem Sinne zu bewegen. Dabei ist es neben der Erzielung entsprechender Umsätze vor allen Dingen auch wichtig, dass die Franchisenehmer in die Reputation des Systems investieren, sich also mit anderen Worten vor Ort im Umgang mit ihren Kunden (etwa bei der Beratung, bei der Erbringung von Serviceleistungen etc.) so verhalten, wie es dem Image des Systems entspricht. Letztendlich würde bei anhaltender mangelhafter Leistungserfüllung eines Franchisenehmers nicht nur dessen Outlet, sondern auch das Image und auf Dauer der wirtschaftliche Erfolg der anderen Franchisenehmer und damit auch des Franchisegebers leiden (Mattmüller, 2002, S. 188-194).

Vorteile für Franchisenehmer

168

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Im Sinne von Anreiz- und Sanktionsmöglichkeiten kann der Franchisegeber dabei beispielsweise eine schrittweise Erhöhung der spezifischen Investitionen der Franchisenehmer und damit deren Selbstbindung beabsichtigen (also von Investitionen, die dem Nehmer nur während der Zugehörigkeit zum System von Nutzen sind bzw. nach dem Ausscheiden „Sunk costs“ darstellen). Neben der Eintrittsgebühr bietet sich hierzu etwa die systemgebundene Ausstattung der Betriebsstätten der Franchisenehmer an (Mattmüller/Tunder, 2004, Teil V, Kap. 1.3.3). Zudem gesteht auch der Gesetzgeber dem Franchisegeber einige Regelungen zu, die diese Gestaltungsaufgabe erleichtern (wobei Regelungen von vertraglichen Vertriebssystemen, wie etwa hier des Franchising, zunehmend auf europäischer Ebene bestimmt werden). So kann beispielsweise der Franchisenehmer vertraglich verpflichtet werden, alle seine angebotenen Waren ausschließlich vom Franchisegeber zu beziehen (Alleinbezugsverpflichtung bzw. Markenexklusivität) (siehe hierzu im Einzelnen Mattmüller/Geiseler, 2002, S. 398 f.). Aufgrund der aufgezeigten Vorteile wird dem Franchising – gerade unter dem Blickwinkel der Existenzgründung – eine herausragende Rolle als Umsetzungsform der Multiplikation zukommen. Mit deren Betrachtung soll die Darstellung der strategischen Marketingoptionen an dieser Stelle beendet und abschließend auf den Gesamtzusammenhang der Programmstruktur eingegangen werden.

1.2.6

Gesamtstrategischer Zusammenhang

Wie in den obigen Ausführungen aufgezeigt wurde, ist es die grundlegende Aufgabe der Programmstruktur, die Aktivitätsbereiche eines Unternehmens (die einzelnen Strategischen Geschäftsfelder) und die damit zusammenhängenden Strategien zur Steuerung des GeschäftsfeldPortfolios zu bestimmen. Strategische Ebene

Dieser, die Gesamtunternehmung betreffenden Ebene, folgt ein zweiter strategischer Aufgabenbereich, der sich mit der Führung und konkreten Ausgestaltung jedes einzelnen Geschäftsfelds beschäftigt und also innerhalb der einzelnen Felder die anderen konstitutiven Komponenten eines Marktprogramms (etwa das genaue Angebot im Einzelnen) und die nachgeordneten Instrumentalstrategien (z.B. Kommunikation) bestimmt. Zur Analyse der übergreifenden strategischen Ausgangssituation des Unternehmens und des Status der einzelnen Geschäftsfelder einerseits sowie der Auswirkungen der auf Gesamtunternehmensebene und zur Steuerung der Geschäftsfelder angewandten Strategien anderer-

Programmstruktur seits werden auf allen Ebenen die verschiedenen Verfahren der strategischen Analyse herangezogen (wie etwa Portfolio-Analyse, StärkenSchwächen- und Chancen-Risiko-Analyse etc.). Diese werden im weiteren Verlauf aber nicht näher betrachtet; vielmehr muss an dieser Stelle auf die entsprechende Grundlagenliteratur verwiesen werden (vgl. hierzu etwa Kreikebaum, 1997). Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht diesen strategischen Bezugsrahmen nochmals in der Übersicht. Im Ergebnis muss also folgerichtig für jedes bearbeitete Strategische Geschäftsfeld ein spezifisches Marktprogramm erstellt werden, um so die oben erwähnte Präzisierung von Angebots- und Zielgruppenprogramm, der Positionierung sowie der Programmvorgaben (als Verbindungsglieder zu den Instrumentalstrategien) vornehmen zu können. Bearbeitet ein Unternehmen nur ein einziges SGF, so liegt dementsprechend auch nur ein Marktprogramm vor. Kommt es nun beispielsweise zu einer Diversifikation, so ist für das hinzukommende neue SGF konsequenterweise ein eigenes Marktprogramm zu erstellen. Dieses umfasst auch eine Programmstruktur, welche dann eine koordinierende Funktion insbesondere für das Objekt- und Zielgruppenprogramm des neuen SGF übernimmt. Auf der anderen Seite steht das Marktprogramm des bisherigen und bei einer Diversifikation ja nach wie vor zu bearbeitenden Geschäftsfelds. Für Letzteres sind weiterhin eine Reihe von strategischen Entscheidungen zu treffen, die sich etwa auf Überarbeitungen des Angebots (z.B. technische Verbesserungen der Produkte), auf Veränderungen der Positionierung oder beispielsweise auf kommunikations- und verkaufspolitische Maßnahmen beziehen können.

169

170

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

Strategische Analyse (z.B. Portfolio- oder SWOT-Analyse)

Unternehmensstrategien (Gesamtunternehmensebene)

SGF-Struktur des Gesamtunternehmens SGF 1

SGF 2 (...)

SGF 1 spezifische Strategie

SGF 2 spezifische Strategie

(...)

SGF n

SGF n spezifische Strategie

Abb. 45: Unternehmensstrategien und SGF-spezifische Strategien im schematischen Zusammenhang (Mattmüller, 1998, S. 160) Im vorliegenden Beispiel ist für das Gesamtunternehmen, das nun zwei SGF bearbeitet, eine geschäftsfeldübergreifende Programmstruktur zu erstellen. Diese bildet dann die Grundlage für weitere unternehmensstrategische Optionen vor dem Hintergrund des nun geänderten, erweiterten SGF-Portfolios. In der nachfolgenden Abbildung wird dieser Zusammenhang – der für die anderen kernverändernden Optionen analog gilt – am hier verwendeten Beispiel der Diversifikation schematisch verdeutlicht.

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

171

Positionierung

Positionierung

Abb. 46: Konsequenzen einer Diversifikation für das Marktprogramm (Mattmüller, 1998, S. 164)

2.

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

Im vorherigen Abschnitt galt das Augenmerk der Programmstruktur, die sich als SGF-Portfolio einer Unternehmung abbilden lässt. Dabei wurden grundsätzliche Entscheidungen über die Art und Weise der Bearbeitung der vorhandenen oder der geplanten SGF getroffen. Auf Basis dieser Überlegungen gilt es nun, die konkrete Ausgestaltung der Angebotskomponente eines SGF festzulegen, wobei die hier relevanten Schritte zwangsläufig in einem engen Bezug zu dem später folgenden Zielgruppenprogramm stehen (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 3).

Positionierung

172

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

Definition des Objektprogramms

Das Objektprogramm umfasst somit alle Maßnahmen und Entscheidungen, die sich auf Austauschobjekte als solche beziehen und deren zukünftiges Angebot determinieren. Dies gilt sowohl für bereits angebotene Austauschobjekte als auch für solche, deren Markteinführung geplant ist. Dabei bezieht sich ein Objektprogramm auf eine Gruppe von einzelnen Produkten, die in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen, da sie ähnliche Funktionen erfüllen, eine aufeinander abgestimmte Nutzenaussage aufweisen, an dieselbe Zielgruppe gerichtet sind und letztlich über eine in sich geschlossene Positionierung verfügen.

Entscheidungsebenen des Objektprogramms

In diesem Zusammenhang beinhaltet das Objektprogramm zwei Entscheidungsebenen. Auf der ersten Ebene wird die Struktur des Objektprogramms abgesteckt. Synonyme hierfür sind beispielsweise Leistungsprogramm, Produktsortiment, Angebotspalette oder Produktlinie. Anschließend widmet man sich auf der zweiten Entscheidungsebene der Gestaltung einzelner Objekte, d.h. hier werden die kennzeichnenden Merkmale eines Produkts bestimmt (Meyer, 1996, S. 65). Während man sich also auf der ersten Entscheidungsebene mit dem Zusammenspiel der verschiedenen Produkte eines Objektprogramms beschäftigt, fällt der Blick im Rahmen der zweiten Entscheidungsebene auf die Gestaltung des einzelnen Produkts.

2.1 Struktur des Objektprogramms In der Regel besteht ein SGF nicht nur aus einem Produkt, sondern setzt sich aus einer Vielzahl verschiedener Varianten und zusätzlicher Angebotskomponenten zusammen. Um hier eine in sich homogene Struktur zu bewahren, werden zu Beginn Leitlinien definiert, an denen sich die Entscheidungen auszurichten haben. Leitlinien des Objektprogramms

Bei der Formulierung dieser Leitlinien lassen sich unterschiedliche Ansatzpunkte beobachten. So kann sich ein Anbieter beispielsweise an der Herkunft der von ihm erstellten bzw. nachgefragten Objekte orientieren. Diese Herkunfts- oder Beschaffungsorientierung ist nicht nur typisch für ein Handelsunternehmen, sondern zeigt sich auch in Form einer Materialorientierung in der Industrie, nämlich bei der Verwendung bestimmter Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe, um dann seine Produkte zum Beispiel als ökologisch unbedenklich zu positionieren. Im Einklang mit der Materialorientierung steht auch die Orientierung an bestehenden Fertigungsverfahren, etwa wenn die vorhandenen Produktionsanlagen keinen Spielraum für andere Materialien oder Fertigungstechniken zulassen.

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

Die Gebrüder Benetton beschränkten sich anfangs vornehmlich auf die Herstellung von Strickwaren, weil sie hier einen USP mittels eines bestimmten Fertigungsverfahrens erzielen konnten. Um bei den aktuellen Modefarben selbst Trendgeber zu sein und dabei auch auf länderspezifische Unterschiede eingehen zu können, werden die Strickwaren zunächst ohne besonderen Farbton produziert. Erst unmittelbar vor und während der Saison wird die eingelagerte Ware sukzessive mit den entsprechenden Modefarben eingefärbt. Sollte man sich trotz umfangreicher Marktforschungen wider Erwarten mit einem Farbton vertan haben, kann so direkt über ein ausgefeiltes Informations- und Logistiksystem gemeinsam mit den verbundenen Franchisenehmern reagiert werden. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Benetton-Boutiquen immer mit Waren aktuellster Farbgebung bestückt werden. Weiterhin ist es denkbar, dass die Planung des Objektprogramms durch das spezifische Know-how des Anbieters bestimmt wird. Diese Wissens- und Erfahrungsorientierung liegt beispielsweise bei Unternehmen vor, die auf die Verwertung von Patenten angewiesen sind. In diesem Zusammenhang führte bei Mercedes Benz ein Abweichen von der bis dahin vorliegenden Know-how-Treue zu dem bekannten Problem („Elch-Test“), als man 1998 bei der Einführung der A-Klasse erstmalig ein Auto nicht mit Heck-, sondern mit Frontantrieb ausrüstete. Zu guter Letzt kann bzw. sollte ein Anbieter sich natürlich auch an den Problemen und Bedürfnissen seiner Zielgruppe orientieren. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der einmal erworbene Kundenkreis zum Bezugspunkt des absatzpolitischen Verhaltens wird. Diese Problemoder Bedürfnisorientierung kann zwar auf der einen Seite zu einer gewissen Abhängigkeit gegenüber den bestehenden Kunden führen; auf der anderen Seite jedoch eröffnet diese implizite Kundennähe die Chance, dass der Anbieter über die Probleme seiner Kunden auf Innovationen stößt und so zum Träger des technischen Fortschritts wird. So orientiert sich beispielsweise Schwarzkopf & Henkel bei Entscheidungen hinsichtlich der Struktur des Objektprogramms von Schauma an der „unkomplizierten Haarpflege für jeden in der Familie, für jedes Pflegebedürfnis, für jeden Tag.“ Zusammenfassend lassen sich somit folgende generelle Leitlinien festhalten, an denen sich die Struktur des Objektprogramms ausrichten kann:

173

174

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) x Herkunfts- oder Beschaffungsorientierung, x Materialorientierung, x Orientierung an bestehenden Fertigungsverfahren, x Wissens- und Erfahrungsorientierung, x Bedürfnisorientierung.

Breite und Tiefe des Angebots

Anknüpfend an den Leitlinien wird der Gestaltungsspielraum für die Struktur des Objektprogramms durch die Breite und Tiefe des Angebots bestimmt. Die Programmbreite spiegelt die Anzahl unterschiedlicher Produktkomponenten (Warengruppen, Angebotsgruppen etc.) wider. Für den Nachfrager stellt die Breite eines Programms eine additive Auswahlmöglichkeit dar – der Anbieter hält für ihn ein breites oder enges Angebot an Produkten bereit. Dagegen bietet die Programmtiefe dem Nachfrager eine alternative Auswahlmöglichkeit. Die Tiefe eines Angebots beschreibt somit den Grad der Ausdifferenzierung eines Objekts in unterschiedlicher Größe, Qualität, Preislage etc., was mit dem Begriffspaar tiefes oder flaches Angebot zu bezeichnen ist. Beispiele für die Breite eines Angebots: x Melitta-Kaffee: Kaffeepulver und Filterpapier und Kaffeeautomaten, x Du darfst-Brotbelag: Wurst und Käse und Konfitüre, x Schauma: Shampoo und Spülung und Schauma Kids. Beispiele für die Tiefe eines Angebots: x Melitta-Kaffeepulver: mild oder stark oder entkoffeiniert etc., x Du darfst-Käse: Gouda oder Emmentaler, etc., x Schauma-Shampoo: z.B. „7 Kräuter“ oder „Pfirsich“ oder „Grüner Apfel“ oder „Frucht & Vitamin“. Breite und Tiefe des Angebots können jeweils gestrafft oder erweitert werden. Zusätzlich mit der Beibehaltung ergeben sich für eine bereits bestehende Angebotsstruktur somit insgesamt fünf Gestaltungsmöglichkeiten. Für den Fall der erstmaligen Festlegung einer Angebotstruktur wird jeweils der Grad der beabsichtigten Angebotstiefe und -breite bestimmt.

ObjektInnovation

Mit der Erweiterung der Programmbreite werden neue Objekte in das Programm aufgenommen. Beispiel hierfür ist der Werdegang bei Melitta: ausgehend vom Kaffeefilter wurden im Verlauf der Zeit auch noch Kaffeepulver und -maschinen angeboten. Die hinter einer Erweiterung der Programmbreite stehende Objekt-Innovation ist jedoch von einer

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

175

Angebotsdiversifikation (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 1.3.2.1) zu unterscheiden. Während bei der Diversifikation das neue Angebot auch ein neues Strategisches Geschäftsfeld begründet, liegt bei der ObjektInnovation im Rahmen der Erweiterung der Programmbreite eine so enge Verbundenheit zwischen den bereits bestehenden Objekten und dem neuen Objekt vor, dass die Generierung eines neuen Strategischen Geschäftsfelds nicht sinnvoll ist. Sollte dennoch der Fall vorliegen, dass die Objekt-Innovation ein neues SGF bedingt, dann sind die bereits getroffenen Entscheidungen in der Programmstruktur (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 1) zu überdenken, gegebenenfalls zu revidieren und mit allen sich ergebenden Konsequenzen – u.a. für das SGF-Portfolio des Gesamtunternehmens – umzusetzen. Programmbreite Erweiterung

Straffung

ObjektInnovation Straffung

ObjektStandardisierung Straffung

Programmtiefe

ObjektBeibehaltung

Erweiterung

ObjektElimination Straffung

Programmtiefe

Erweiterung

ObjektDifferenzierung

Erweiterung Programmbreite

Abb. 47: Gestaltungsmöglichkeiten des Objektprogramms (Meyer, 1996, S. 67) Das Pendant zur Objekt-Innovation ist die Elimination. Ein wesentlicher Grund für die Objekt-Elimination im Besonderen und für die Straffung des Objektprogramms im Allgemeinen liegt in der „Konkurrenz der Produkte um knappe Ressourcen des Unternehmens“ (Meffert, 1998, S. 435). So führen Engpässe beispielsweise in den Produktionskapazitäten, beim Marketingbudget oder beim Personalbestand, aber auch beim Regalplatz im Einzelhandel zum Sachzwang, dass das Objektprogramm gestrafft werden muss. Im Unterschied zur Marketingoption der Reduktion (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 1.1.1.3) bedeutet jedoch in diesem Fall die Objekt-Elimination nicht gleichzeitig die Auflösung eines Strategischen Geschäftsfelds. Nur in dem Ausnahmefall des „EinProdukt-Objektprogramms“ bleibt eine Gedankenschleife zu der vorste-

ObjektElimination

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Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) henden Programmstruktur nicht aus, denn hier läge im Fall der ObjektElimination tatsächlich der Sachverhalt der Reduktion vor.

ObjektDifferenzierung und -Standardisierung

Die Erweiterung des Objektprogramms in der Tiefe und damit die Objekt-Differenzierung zählt zu den beliebtesten Wachstumsstrategien, weil sie mit weniger Risiko verbunden ist als die Objekt-Innovation oder gar die Diversifikation. Dabei wird ein weiteres Produkt als eine Variation zu einem bereits im Markt etablierten und weiterhin wachstumsträchtigen Objekt eingeführt. Insbesondere in den Achtzigern und Anfang der neunziger Jahre wurde diese Maßnahme häufig statt der Objekt-Innovation ergriffen. Allerdings gingen die erhofften Erlöseffekte bei zunehmender Ausdifferenzierung des Objektprogramms häufig mit einem gestiegenen Koordinationsaufwand einher. Den wenigen Erlösbringern bestimmter Varianten standen nicht selten weitaus mehr Kostentreiber gegenüber. Als Antwort auf diese Schieflage wird in der jüngsten Zeit vermehrt eine Standardisierung des Objektprogramms angestrebt. Als Beispiel für diese Entwicklung kann Pampers angeführt werden, wo die Objekt-Differenzierung in geschlechtsspezifische Babywindeln „Boys“ und „Girls“ in den achtziger Jahren zurückgenommen und nur noch eine standardisierte Unisex-Windel angeboten wurde.

ObjektBeibehaltung

Die fünfte Gestaltungsmöglichkeit des Objektprogramms stellt die Objekt-Beibehaltung dar, die nicht zwangsläufig mit Passivität oder Stillstand einhergeht. Vielmehr lässt die Beibehaltung so lange Gestaltungsspielraum, wie von den Maßnahmen keine Breiten- oder Tiefenwirkung ausgeht. Dabei sind grundsätzlich zwei Alternativen denkbar: nämlich die Objekt-Modifikation und die Objekt-Substitution.

ObjektModifikation

Unter Objekt-Modifikation wird eine leichte Überarbeitung bestehender Produkte verstanden, die sich in Form eines Revivals oder eines Relaunchs widerspiegeln. Als Revival wird die „Wiederbelebung“ etablierter Produkte durch Aktualisierung äußerer Gestaltungsmerkmale bezeichnet (z.B. Persil mit der „Roten Schleife“). Dadurch liegt hier ein enger Bezug zu den Entscheidungsbereichen der Objektgestaltung vor (siehe nachfolgendes Kapitel). Während ein Revival somit nur an Äußerlichkeiten ansetzt, geht ein Relaunch tiefer. Mit einem Relaunch wird die Veränderung der Nutzenaussage eines Objekts für den Nachfrager und damit eine Änderung der Positionierung des Angebots bei den Nachfragern verstanden. Diese Änderung geht auf die subjektive Wahrnehmung des Kunden zurück. Hier liegt somit eine inhaltliche Interdependenz zu der noch folgenden zielgruppenspezifischen Objektpositionierung vor (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 4).

Revival und Relaunch

ObjektSubstitution

Die Objekt-Substitution schließlich stellt den Austausch meist technisch veralteter Objekte gegen neue dar. Im Unterschied zur Strategie der Konversion (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 1.3.2.3) wird dabei je-

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm) doch nicht ein bestehendes Strategisches Geschäftsfeld zugunsten eines neuen aufgelöst, sondern es wird lediglich eine alte Produktgeneration durch eine neue ersetzt, ohne dass sich die Struktur des Objektprogramms im Wesentlichen ändert.

Die fünf Gestaltungsmöglichkeiten im Objektprogramm sollen anhand des Beispiels VW-Golf nochmals verdeutlicht werden. Ausgehend vom ursprünglichen Basismodell stellte die Einführung des Golf-Variants (Kombi) eine Objekt-Innovation dar. Eine ObjektElimination erfolgte mit dem Golf-Country (Geländewagen). Eine Erweiterung des Objektprogramms in der Tiefe, also eine ObjektDifferenzierung, ergibt sich z.B. durch die Bandbreite der Motorvariationen. Eine Objekt-Standardisierung liegt vor, indem mittlerweile die Golf-Variation mit 55 PS nicht mehr angeboten wird. Die Einführung zumeist limitierter Sondermodelle stellt ein Revival dar, und die Objekt-Substitution erfolgt durch den Wechsel von Golf 4 zu Golf 5. Diese Entwicklungen in der Struktur des Objektprogramms „Golf“ waren dabei nicht von solcher Tragweite, dass sich dadurch gleichzeitig die Struktur des Strategischen Geschäftsfelds verändert hätte und eine der Strategischen Marketingoptionen (Diversifikation, Reduktion oder Konversion) berührt worden wäre. Ein anderer Fall läge etwa dann vor, wenn Volkswagen ein „Volksmotorrad“ – einen „Golf-Cruiser“ – einführen würde: dann ist durchaus nicht mehr nur von einer Erweiterung des Objektprogramms in der Breite auszugehen (Objekt-Innovation), sondern vielmehr von einer zweidimensionalen Diversifikation.

2.2 Objektgestaltung Nachdem die Struktur des Objektprogramms bestimmt wurde, ist auf der zweiten Entscheidungsebene des Objektprogramms die Gestaltung des einzelnen Objekts festzulegen. Dabei eröffnet bereits die vorgenommene Typologie von Austauschobjekten (siehe hierzu „Charakterisierung des Marketing“ Kap. A 3.3) den Blick auf den Facettenreichtum der Objektgestaltung, denn diese kann sich auf einfache Waren, komplexe Objektsysteme (wie Maschinenanlagen) oder auf immaterielle Objekte wie Dienstleistungen und ökonomische Chancen beziehen. Vor diesem Hintergrund sollen hier nur jene Parameter angesprochen werden, die Allgemeingültigkeit haben und die im Wesentlichen unabhän-

177

178

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) gig von der Objekttypologie sind. Zu diesem Zweck und auch aus Gründen der Veranschaulichung wird die Objektgestaltung in Objektkern, -grundmerkmale und -zusatzmerkmale unterteilt, wenngleich sich diese Bereiche gegenseitig bedingen und somit nicht immer eindeutig voneinander abzugrenzen sind (Meyer, 1996, S. 76 ff.). Aufgrund dessen wird die Objektgestaltung durch drei konzentrische Kreise abgebildet, wie die folgende Abbildung zeigt.

Objektzusatzmerkmale Serviceleistung Objektgrundmerkmale

Objektkern Nutzen

Verbundleistung

Transaktionsleistung

Preis

Markierung

Garantieleistung

Abb. 48: Konzentrische Kreise der Objektgestaltung (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 836) Objektkern

Ausgangspunkt der Objektgestaltung ist der Objektkern. Von ihm geht der zentrale Nutzen aus, den ein Produkt für den Nachfrager stiftet. Kotler/Bliemel (1999, S. 670 f.) sprechen daher beispielsweise vom Kernnutzen und Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (1997, S. 234 ff.) vom Leistungskern. Der zentrale Nutzen bzw. die damit verbundenen Nutzenversprechungen eines Objekts können in vier Nutzenkategorien liegen (Meyer, 1973, 48 ff.):

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

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1. Grundnutzen: Der Grundnutzen resultiert aus der stofflich-technischen Dimension des Produkts und wird deswegen auch als Gebrauchs- oder Zwecknutzen bezeichnet. Die Nutzenwahrnehmung erfolgt rein rational (Beispiel: Schreibfähigkeit eines Füllfederhalters). 2. Persönlicher Nutzen: Der persönliche Nutzen entsteht durch eine bestimmte Beziehung des Nachfragers zum Produkt (Beispiel: haptisches Gefühl bei Berührung des Füllfederhalters, das von Individuum zu Individuum – je nach Vorliebe für einzelne Materialien – unterschiedlich ist). 3. Soziologischer Nutzen: Der soziologische Nutzen – auch Geltungs- oder Demonstrationsnutzen genannt – basiert auf einer Wechselbeziehung mit anderen Individuen. Er führt dazu, dass sich ein Nachfrager gegenüber anderen soziologischen Gruppen absetzen kann (Beispiel: Statuseffekt eines teueren Füllfederhalters einer Edelmarke). 4. Magischer Nutzen: Der magische Nutzen entspricht der Intuition. Er entsteht dadurch, dass man mit dem Produkt ein ganz bestimmtes Gefühl verbindet, indem beispielsweise das Produkt als Glücksbringer fungiert (Beispiel: „Wichtige Verträge unterschreibe ich immer mit diesem Füller – dies hat mir auch schon in der Vergangenheit Glück gebracht!“). Der zweite konzentrische Kreis der Objektgestaltung beschäftigt sich mit den Grundmerkmalen eines Objekts, wozu der Preis und die Markierung gehören. Beide haben gemeinsam, dass sie über alle Typen von Austauschobjekten hinweg zwingend für die Objektgestaltung sind. So benötigt ein Produkt eine bestimmte Markierung, um bei einer erneuten Nachfrage wiedererkannt zu werden, ebenso wie einen bestimmten Preis, der einerseits vom Nachfrager als generelles Äquivalent für die Leistungserbringung eines Anbieters und andererseits vom Anbieter selbst als generelles Äquivalent für Kostenerstattung zuzüglich eines Gewinnaufschlags gewertet wird.

Objektgrundmerkmale

Aus Sicht des Nachfragers ist der Preis somit Ausdruck für die Honorierung der gesamten Leistung eines Anbieters, wobei Leistung als Synonym für die Gesamtheit der dinglichen wie auch ideellen Nutzenstiftung eines Austauschobjekts steht. Demgegenüber sieht der Anbieter in dem Preis (inklusive eines Gewinnaufschlags) die Begleichung all seiner Kosten, die ihm bei der Leistungserstellung und beim Leistungsaustausch entstehen – von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Absatz und der Übergabe an den Nachfrager. Der Preis und die Leistungserbringung bilden somit ein unzertrennliches Ganzes, sodass der Preis nie isoliert von der Leistung betrachtet werden sollte. Unternehmen, die vorgeben, sie leiden unter einem Preisproblem, haben in Wirk-

Preis (als Leistungsund Kostenäquivalent)

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Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) lichkeit auch ein Leistungsproblem (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 1997, S. 297 f.).

Markierung

Ebenso wie der Preis hat auch die Markierung eine übergeordnete Bedeutung, denn mit der Markierung wird das Austauschobjekt aus der Anonymität herausgehoben und erfährt so eine zumindest äußere Individualität für den Nachfrager (Dörtelmann, 1997, S. 77; Dichtl, 1992, S. 4). Die Markierung schafft damit die Voraussetzung, dass der Nachfrager beim ersten Kaufvorgang das Produkt überhaupt von anderen Produkten unterscheiden und bei Folgekäufen auch wiedererkennen kann. Insbesondere bei erneuten Kaufabsichten können bereits gemachte Erfahrungen nur dann genutzt werden, wenn der Nachfrager seine Erfahrungen auch den jeweiligen Austauschobjekten zuordnen kann. Die Markierung übernimmt somit die Rolle eines „Übertragungsmediums zwischen Erfahrung und Austauschobjekt, ohne Markierung des Austauschobjekts lassen sich Erfahrungen für folgende Transaktionen nicht instrumentalisieren“ (Tunder, 2000, S. 173).

Markenrecht

Eine Markierung stellt somit ein Kennzeichen dar, mit dem der Anbieter sich bzw. seine Objekte von den Konkurrenten bzw. ihren Angeboten absetzen kann. Den Exklusivcharakter des Kennzeichens (Marke) regelt seit dem 1. Januar 1995 das Markengesetz. Es hat das von 1874 stammende Warenzeichengesetz abgelöst und zugleich spezialgesetzliche Regelungen zum Schutz von geschäftlichen Bezeichnungen sowie von geographischen Herkunftsangaben, die teils früher in anderen Gesetzen geregelt waren, eingebunden. Das Markengesetz, das im Wesentlichen auf der Umsetzung einer europäischen Richtlinie aus dem Jahre 1988 (89/104/EWG) basiert, ist Bestandteil des Kennzeichenrechts, zu dem auch das bürgerlich rechtliche Namensrecht und das Recht des Firmennamens aus dem Handelsgesetzbuch gehören. Demnach können nach § 3 Abs. 1 des Markengesetzes als Kennzeichen „insbesondere Wörter, einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden.“ Voraussetzung für den rechtlichen Schutz ist jedoch, dass das Kennzeichen überhaupt geeignet ist, „Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden“ (§ 3 Abs. 1 MarkenG), womit natürlich ein gewisser Spielraum für Auslegungen und u.U. auch für gerichtliche Auseinandersetzungen bleibt.

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm) Den rechtlichen Schutz für ein Kennzeichen (Marke) kann man nach § 4 MarkenG auf drei Wegen erlangen: 1. wenn das Zeichen in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte (Marken-)Register eingetragen wird oder 2. wenn das Zeichen innerhalb seines Geltungsbereichs Verkehrsgeltung erlangt hat oder 3. wenn das Zeichen im Sinne des Art. 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft notorisch bekannt ist. x Schutz durch Eintragung: Zuständig für die Eintragung einer Marke ist das Deutsche Patentund Markenamt (DPMA) mit Sitz in München. Gegen die Beschlüsse des DPMA im Rahmen des Eintragungsverfahrens kann Beschwerde gem. § 67 MarkenG beim Bundespatentgericht erhoben werden. Darüber hinaus ist in begründeten Fällen die Rechtsbeschwerde vor dem BGH gem. § 83 MarkenG zulässig. In allen sonstigen Kennzeichenstreitsachen sind gem. § 140 MarkenG ausschließlich die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert zuständig. Gegen die Entscheidungen des ersten Rechtswegs ist dann die Berufung vor dem Oberlandesgericht und in nächster Instanz die Revision vor dem Bundesgerichtshof zulässig. Die Schutzdauer eines Zeichens bzw. einer Marke beträgt gem. § 47 MarkenG 10 Jahre, beginnend am Anmeldetag. Der Markeninhaber kann jedoch gem. § 47 Abs. 2 MarkenG die Schutzdauer beliebig oft um weitere zehn Jahre verlängern lassen. Verlängert er die Schutzdauer nicht, so wird die Marke in dem Register gelöscht. Für die internationale Rechtsprechung sind generell die Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ), das Madrider Markenübereinkommen und die Verordnung der Europäischen Union über die Gemeinschaftsmarken (EG Nr. 40/94) zu beachten. x Schutz durch Verkehrsgeltung: Der für die Bestimmung der Verkehrsgeltung maßgebliche Durchsetzungsgrad (Bekanntheitsgrad) des Kennzeichens ist von seinem sogenannten Freihaltebedürfnis abhängig. Das Freihaltebedürfnis ist Ausdruck für die Differenzierungsqualität eines Kennzeichens: umso mehr ein Kennzeichen zur Markierung (durch Differenzierung) geeignet ist, desto geringer ist sein Freihaltebedürfnis. Besteht ein solches Freihaltebedürfnis – also das Kennzeichen ist nicht sonderlich unterscheidungskräftig – dann verlangt die BGH-Rechtsprechung einen Durchsetzungsgrad von mehr als 50 Prozent. Ist dagegen das Zeichen nicht freihaltungsbedürftig, also unterscheidungskräftig genug, reicht ein Durchsetzungsgrad von etwa 20 Prozent aus.

181

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Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) x Schutz durch notorische Bekanntheit: Der Schutz der Marke aufgrund der sogenannten notorischen Bekanntheit gilt für ausländische Marken, die auch in Deutschland eine überragende Bekanntheit genießen. Mit diesem Grundsatz will der Gesetzgeber internationalen Marken auch ohne förmliche Registrierung Markenschutz gewähren. Da sowohl die Markierung als auch der Preis eine herausragende Stellung einnehmen, werden im Anschluss an diese allgemeinen Ausführungen zur Objektgestaltung noch ausgewählte Managementaspekte der Markierung (Marke) und des Preises vertieft (siehe in diesem Abschnitt die Kap. 2.2.1 und 2.2.2).

Objektzusatzmerkmale

Value-AddedService

Nachdem soweit der Objektkern und die Objektgrundmerkmale dargestellt wurden, ist nun auf die Objektzusatzmerkmale und damit auf den dritten konzentrischen Kreis der Objektgestaltung einzugehen. Im Gegensatz zu den Grundmerkmalen und natürlich auch zum Objektkern sind die Zusatzmerkmale eines Objekts nicht ursächlich für deren Nachfrage bzw. Kauf, vielmehr begleiten sie (nur) den Nachfrage- bzw. Austauschprozess. Dennoch haben die Zusatzmerkmale Einfluss auf die Kaufentscheidung des Nachfragers; sie entscheiden nicht zuletzt bei vergleichbaren Preis-Leistungs-Kombinationen über die Präferenzbildung des Nachfragers. So können die Zusatzmerkmale in Anlehnung an die Dienstleistungsterminologie generell auch als Value-Added-Service (VAS) verstanden werden, die in Form von Sekundärleistungen nur in Kombination mit einem Primärleistungsbündel (Objektkern und -grundmerkmale) angeboten werden (Meffert, 1998, S. 428 ff.). Mit Hilfe der unterschiedlichen Ausgestaltung von Value-Added-Service gewinnen so nahezu identische Primärleistungen innerhalb des selben Objektprogramms ein unterschiedliches, voneinander abgrenzbares Profil (IntraObjekt-Profilierung). Darüber hinaus dient ein Value-Added-Service auch der Profilierung gegenüber den Wettbewerbern (Inter-ObjektProfilierung). Selbst wenn die Objektzusatzmerkmale ihres Verständnisses entsprechend beinahe unbegrenzte Facetten aufweisen, lassen sie sich vier Bereichen zuordnen.

Transaktionsleistungen

Zunächst sind jene Merkmale eines Objekts zu nennen, die für den Nachfrager den Transaktionsprozess nutzenstiftend bereichern oder die dazugehörigen Transaktionskosten senken. Beispiele für nutzenstiftende Transaktionsleistungen sind Probierstände oder Kinderhorte am Point of Sale. Zu den kostensenkenden Transaktionsleistungen zählen beispielhaft die Verfügbarkeit des Produkts im Handel (Ubiquität) oder der Informationsgehalt der Werbung für das Produkt.

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

183

Im analogen Zusammenhang zu den Transaktionsleistungen stehen die After-Sales-Leistungen (siehe hierzu Abschnitt „Realisierung“ Kap. B), die jedoch von den Garantieleistungen zu unterscheiden sind. Dabei wird die Garantie erst dann zu einem Objektzusatzmerkmal und zu einem Bestandteil des Value-Added-Service, wenn sowohl der Umfang als auch die Frist der Garantie über die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Gewährleistungspflicht hinausgehen.

After-SalesLeistungen

Als vierter Bereich der Zusatzmerkmale sind Verbundleistungen (Wechselbeziehungen) eines Objekts zu anderen Objekten aus dem selben Objektprogramm zu nennen. Verbundleistungen treten je nach Umstand in Form eines Bedarfs-, Nachfrage- oder Kaufverbunds auf, wobei die entsprechenden Objekte jeweils in einer komplementären Beziehung zueinander stehen. Im Falle von Schauma liegen beispielsweise Verbundleistungen zwischen Shampoo und Spülung vor. Durch die gezielte Ausrichtung eines Objekts nach den Verbundbeziehungen zu anderen Objekten lassen sich erhebliche Wettbewerbsvorteile erzielen, da man sich nicht nur auf ein Detailproblem beschränkt, sondern das Kundenproblem generell zu lösen versucht.

Verbundleistungen

Zur empirischen Erfassung von Verbundleistungen kann auf asymmetrische und symmetrische Verbundmodelle zurückgegriffen werden. Die asymmetrischen Modelle gehen von einer gerichteten Verbundwirkung aus, d.h. sie differenzieren einen Ursachen-Wirkungs-Zusammenhang in Grund- und Folgekäufen. Als Grundkauf wird ein Kaufvorgang bezeichnet, sobald der Kunde gezielt das Angebot eines bestimmten Unternehmens (auf-)sucht (z.B. Produkte aus dem Hause Henkel, denn „da weiß man, was man hat“). Der Folgekauf wird durch den Grundkauf induziert, z.B. in Form von Impulskäufen. Dieser Ursachen-WirkungsZusammenhang kann zum Beispiel über Wahrscheinlichkeitsanalysen oder intervallskalierte Regressionsanalysen abgetragen werden. Da allerdings mit den asymmetrischen Verbundmodellen keine Aussagen über die gegenseitige Intensität der Verbundbeziehung gemacht werden können, bieten sich hierfür symmetrische Verbundmodelle in Form von Assoziations- oder Korrelationsanalysen an. Insgesamt weist jedoch der gegenwärtige Stand an Verfahren zur Messung und Steuerung von Verbundeffekten noch theoretische Defizite auf, sodass deren Anwendung häufig auf praktische Probleme stößt: schließlich sind Verbundeffekte immer auch ein Ergebnis von eigenen und auch fremden marketingspezifischen Aktivitäten (siehe hierzu vertiefend Mattmüller/Tunder, 2004, S. 193 ff.; Möhlenbruch, 1995, Sp. 2551 ff.).

Verbundeffekte

Garantien

184

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

2.2.1

Allgemeines Begriffsverständnis der Marke

Definition der Marke

Differenzierung von Markenartikeln

Ausgewählte Aspekte des Markenmanagement

Wenngleich die Marke bzw. der Markenartikel unstrittig zum Allgemeingut in der betriebswirtschaftlichen Praxis wie auch Literatur gehören, kennt der Gesetzgeber – wie im vorherigen Kapitel bereits erwähnt – beide Begriffe erst seit dem Inkrafttreten des Markengesetzes 1995. Allerdings liegt dem allgemeinen Begriffsverständnis der Marke ein Ansatz zugrunde, der nicht frei von Kritik ist. So wird der Markenartikel fälschlicherweise immer noch häufig nur mit dem Konsumgüterbereich in Verbindung gebracht; dass Marken auch bei Investitionsgütern oder im Business-to-Business-Bereich Bedeutung haben, wird oft übersehen. Der Deutsche Markenverband e.V. in Wiesbaden geht sogar noch einen Schritt weiter, indem etwaige Konsumgütermarken des Handels nur als so genannte „No Names“ bezeichnet werden. Diese eindimensionale Sichtweise der Marke lässt die Wirkungsweise einer Marke beim Nachfrager völlig außer Acht. Der Nachfrager verbindet mit einer Marke in erster Linie eine subjektive Wertschätzung, die ihren Ursprung nicht unbedingt nur in den klassischen Merkmalen einer Marke hat (wie etwa Qualität), sondern die sich als umfassende Klammer aller Marketingaktivitäten darstellt. „Demzufolge sind Marken das, was die Nachfrager als solches bezeichnen bzw. empfinden“ (Brauer, 1996, S. 18). In diesem Sinne und in Anlehnung an Meyer (1978, S. 97 u. 171; 1988, S. 72) wird die Marke als ein in sich geschlossenes Marktbearbeitungssystem definiert, dass bei Anwendung systemgerechter Markentechnik über das Vertrauen zum Leistungsversprechen eine subjektive Wertschätzung beim Nachfrager erzielt. Dabei beschränkt sich der Markenartikel nicht allein nur auf ein bestimmtes Austauschobjekt, sondern kann sich ebenso auf den Markeninhaber als Ganzes oder auf einzelne Unternehmensteile bzw. -funktionen beziehen. Von dieser Definition ausgehend und im Rückgriff auf die rechtlichen Grundlagen der Marke bzw. eines Kennzeichens, wird der Markenartikel in verschiedener Weise differenziert. So beispielsweise nach der Art der Markierung: x Wortmarken (Schauma, Persil), x Bildmarken (Schwarzkopf, Mercedes-Stern, Krokodil bei Lacoste), x Kombination aus Wort- und Bildmarken (VW-Zeichen). der Art des Markennamens: x Personenmarken (Henkel, Siemens, Porsche), x Firmenabkürzungen (BMW, IBM, AEG), x Kombination aus Wort- und Bildmarken (VW-Zeichen).

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

185

dem Inhaber der Markenrechte: x Herstellermarken (Schauma von Schwarzkopf & Henkel, Pampers von Procter & Gamble), x Handelsmarken (A&P von Tengelmann, Salto von Rewe, Tandil von Aldi), x Dienstleistungsmarken (Genion von O2, InfoFly Service von der Lufthansa, Mod´s Hair Friseurkette). Im Falle der Dienstleistungsmarke ist anzumerken, dass Dienstleistungen selbst nicht zu markieren sind, da sie immaterieller Natur sind. Die Markierung erfolgt daher an den materiellen externen Produktionsmitteln des Dienstleisters bzw. an den Mitarbeitern (z.B. Uniformen) und an den Produkten bzw. Personen, an denen die Dienstleistung vollbracht wird. Im weiteren Verlauf wird der Schwerpunkt auf die Herstellermarke gelegt,5 wobei die Marke für den Hersteller unterschiedliche Funktionen erfüllt. Das Spektrum reicht von der Kundenbindungsfunktion (Stichwort: Markentreue) über die Profilierungsfunktion gegenüber den Wettbewerbern und der Differenzierungsfunktion von leicht substitutiven Objekten (wie etwa bei Parfüm, Zigaretten oder Bier) bis hin zur Listungsfunktion gegenüber dem Handel (Dichtl, 1992, S. 20 ff.; Rüschen, 1994, S. 123 ff.). Alle diese Funktionen sind natürlich nicht trennscharf voneinander abzugrenzen und bedingen sich zum Teil gegenseitig. Diese Funktionen bauen auf dem akquisitorischen Potenzial einer Marke als gemeinsamem Nenner auf. Das akquisitorische Potenzial6 kann durch eine Reihe von Maßnahmen gegenüber dem jeweiligen Nachfrager (Zwischen- oder Letztnachfrager) erzielt werden, wobei sich im Ergebnis bei ihm eine präferenzbildende Wertschätzung gegenüber dem Produkt abzeichnet. Diese subjektive Wertschätzung durch den Nachfrager kann wiederum verdichtend über das Konstrukt der Marke abgebildet werden, sofern dem Verständnis der Marke ein wirkungsbezogener Ansatz zugrunde liegt.7 Die Hauptfunktion einer Marke liegt also im Aufbau eines akquisitorischen Potenzials, woraus sich alle weiteren – oben angesprochenen – Funktionen ableiten lassen. Ausgangspunkt aller Überlegungen hinsichtlich der Funktion einer Marke ist somit deren Wirkung beim Nachfrager, womit sich die Argumentation nahtlos in das Denkmuster des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes einordnet (Tunder, 2000, S. 158).

Allgemeine Funktionen der Marke

Aus Sicht des Nachfragers liegt die Wirkung der Marke zum einen in der objektgerichteten Nutzenstiftung und zum anderen in der transaktionsgerichteten Kostensenkung. In Bezug auf den Objektnutzen stiftet die Marke über den Grundnutzen hinaus einen zusätzlichen Nutzen (Brand Added Value). Dieser Zusatznutzen definiert sich über die sub-

Wirkungsdimension der Marke für den Nachfrager

186

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) jektive Einschätzung der persönlichen, soziologischen und magischen Nutzenkategorien (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 2.2). Die transaktionsgerichtete Kostensenkung bezieht sich auf die Wirkung der Marke, den Transaktionsaufwand zu entlasten.

Rationalisierungsfunktion

Substitutsfunktion

Nach dem Integrativ-Prozessualen Marketingansatz liegt das transaktionskostensenkende Wirkungspotenzial der Marke sowohl auf der Prozess- als auch auf der Integrations- bzw. Verhaltensebene. Während die Marke einerseits prozessbezogen eine Reduzierung des Informationsaufwands (Screening) herbeiführt, trägt sie andererseits verhaltensbezogen dazu bei, dass das opportunistische Verhalten des Herstellers gebannt wird. Dabei gibt die vom Nachfrager subjektiv vorgenommene Einordnung eines Austauschobjekts in die informationsökonomische Gütertypologie vor (siehe hierzu „Charakterisierung des Marketing“ Kap. A 3.3), ob und in welchem Umfang die Marke prozess- oder verhaltensbezogen Transaktionskosten senkt. So zielt die prozessbezogene Reduzierung des Informationsaufwands verstärkt auf die Problematik der Sucheigenschaften ab, indem die Marke über ihre Markierung, Werbung (im originären Sinne) und Ubiquität den Aufwand zur Informationsgenerierung beim Nachfrager komprimiert bzw. rationalisiert (Rationalisierungsfunktion der Marke). Demgegenüber greift die verhaltensbezogene Bannung des opportunistischen Verhaltens des Herstellers die Besonderheiten der Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften auf. Für diese nach dem Kauf nur begrenzt überprüfbaren Eigenschaften eines Austauschobjekts dient die Marke dem Nachfrager als eine Art Substitut für die Glaubwürdigkeit des Herstellers (Substitutsfunktion der Marke), indem der Nachfrager vor allem die Reputation der Marke als Geisel nutzt. Natürlich sind die Rationalisierungs- und Substitutsfunktion interdependent; sie dienen dem Nachfrager gemeinsam zur Reduzierung seiner Unsicherheit (Tunder, 2000, 167 ff.). Die nachfolgende Abbildung fasst schematisch nochmals die Wirkungsdimensionen einer Marke für den Nachfrager zusammen.

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

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Objektnutzen

+ Persönlicher Nutzen

Soziologischer Nutzen

Magischer Nutzen

Subjektive Wertschätzung

Marke prozessbezogen

Letztnachfrager

verhaltensbezogen

Marke als Rationalisierer des Informationsaufwandes (Rationalisierungsfunktion)

Marke als Substitut der Glaubwürdigkeit (Substitutsfunktion)

-

-

Sucheigenschaften

Erfahrungseigenschaften

Informationsasymmetrie

Vertrauenseigenschaften

Opportunistisches Verhalten

-

Transaktionskosten

Abb. 49: Wirkungs- und Funktionsdimensionen der Marke (Tunder, 2000, S.170) Die Gestaltung eines Markenportfolios berührt die Frage nach den verschiedenen markenstrategischen Alternativen eines Anbieters. In Anlehnung an Becker können drei grundsätzliche Entscheidungsbereiche unterschieden werden (Becker, 2004, S. 683 ff.):

Unsicherheit

Eigenschaftsdimensionen

Austauschobjekt

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Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) 1. Entscheidung über die Anzahl an Objekten, die unter einer Marke angeboten werden (Kompetenzbreite); 2. Entscheidung über das Anspruchsniveau einer Marke (Kompetenzhöhe); 3. Entscheidung über den Absatzraum einer Marke (Kompetenztiefe). a) Kompetenzbreite einer Marke Die quantitative Entscheidung über die Anzahl an Produkten, die unter einer Marke geführt werden, gibt die sogenannte Kompetenzbreite der Marke vor. Es werden dabei drei strategische Alternativen unterschieden, nämlich die Einzel-, Dach- und Familienmarkenstrategie.

Einzelmarke

Die Einzelmarkenstrategie entspricht dem klassischen Markenartikelkonzept. Bei dieser Option schafft der Anbieter für jedes seiner Produkte eine eigene Marke. Somit bleibt die Identität des Anbieters im Hintergrund, sodass der Nachfrager unter Umständen den Namen des verantwortlichen Unternehmens überhaupt nicht kennt. Beispiele für Einzelmarken sind Nutella, Hanuta, Duplo (alle Ferrero) oder Ariel, Meister Proper, Pampers, Lenor (alle Procter & Gamble). Häufig werden Einzelmarkenstrategien von Unternehmen genutzt, um relativ homogene Produkte voneinander zu differenzieren und damit unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen, wie zum Beispiel bei Zigaretten- und Parfümanbietern.

Dachmarke

Gewissermaßen das Pendant zur Einzelmarke ist die Dachmarke. Bei dieser Markenstrategie werden sämtliche Produkte eines Unternehmens unter einer Marke angeboten. Im Vordergrund steht somit nicht mehr das einzelne Produkt, sondern das anbietende Unternehmen und mit ihm entweder seine Kompetenz (speziell bei Investitionsgütern und Dienstleistungen) oder seine Sympathie bzw. sein Image (speziell bei Konsumgütern). Beispiele für Dachmarken sind Siemens, Bosch, Allianz, Deutsche Bank, Escada, Jil Sander. Diese Beispiele zeigen bereits, dass eine Dachmarkenstrategie oft verfolgt wird, wenn: x der Umfang des Unternehmensangebots zu atomistisch ist, um eine ökonomisch vertretbare Einzelmarkenstrategie aufzubauen (Siemens, Bosch) oder x eine tragfähige zielgruppenspezifische Objektpositionierung nur schwer möglich ist, da sich die einzelnen Angebote kaum differenzieren lassen (Allianz, Deutsche Bank) oder x das Angebotsprogramm oder ein wesentlicher Teil daraus starken Modeschwankungen ausgesetzt ist (Escada, Jil Sander).

Familienmarke

Zwischen den Polaritäten Einzel- und Dachmarke liegt als Kombination von beiden die Familienmarke. Hierbei umklammert eine Marke be-

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

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stimmte Produktgruppen oder sie steht stellvertretend für ein gesamtes Objektprogramm. Einer Entscheidung zur Familienmarkenstrategie geht in der Regel die Bedingungslage voraus, dass zwischen den Produkten Verbundbeziehungen vorliegen, die eine gemeinsame Markenbildung rechtfertigen. Häufig kommt diese Verbundbeziehung durch eine gemeinsame Nutzenphilosophie zum Ausdruck. Neben der Alternative, sich auf eine strategische Ausrichtung festzulegen, sind auch Kombinationen aus Einzel-, Dach- und Familienmarken zu beobachten. So betreibt beispielsweise Henkel für seine Produkte immer eine Kombination aus Dach- und Einzelmarke (z.B. Persil, Der General, Spee) oder Dach- und Familienmarke (z.B. Schauma, Fa, Patex). Im Automobilbereich finden sich sogar Fälle, wo es zu einer Kombination aus allen drei strategischen Ausrichtungen kommt: Dachmarke Volkswagen, Familienmarke Passat, Golf oder Polo und Einzelmarke TDI oder GTI. Im Zusammenhang mit der Kombination verschiedener Markenstrategien richtet sich der Blick auf die Entwicklung von Marken. Ausgehend von den zwei Polen Einzel- und Dachmarke lassen sich zwei Entwicklungsrichtungen unterscheiden. Zum einen kann eine Dachmarke in mehrere Familienmarken bzw. Einzelmarken zersplittert werden („Brand Splitting“) oder eine Einzelmarke entwickelt sich zu einer Familien- oder gar Dachmarke („Brand Evolution“ oder „Line Extension“).

Dachmarke

Brand Splitting

Familienmarke Brand Evolution Line Extension Einzelmarke

Abb. 50: Entwicklungsrichtungen von Markenstrategien (Becker, 2004, S. 653)

190

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Vorteile

Einzelmarkenstrategie

Familienmarkenstrategie

Dachmarkenstrategie

Nachteile

x konzentrierte zielx aufwendige Markengruppenspezifische führung Positionierung mög- x hoher Investitionsbelich darf zum Aufbau eix große Darbietungsner „Brand Identity“ spielräume x umfassende Prüfung x hohe Freiheitsgrade von Schutzrechten x Profilierungsmögx Markenerosion bei lichkeit über ProÜberdehnung der blemlösungssystem Nutzenphilosophie (markenspezifische x Gefahr von negativen Nutzenphilosophie) Ausstrahlungseffekx große Familienmarten (Carry-overken suggerieren Effekte) Kompetenz und Stär- x eingeschränkte zielke gruppenspezifische x erleichterte MarktPositionierung einführung von neuen Produkten grundsätzlich vice versa zur Einzelmarkenstrategie – insbesondere keine eigenständige Profilierung von Innovationen möglich, dafür aber ökonomische Vorteile in der Markenführung

Abb. 51: Bewertung von Einzel-, Familien- und Dachmarkenstrategie b) Kompetenzhöhe einer Marke Die Entscheidung über das Anspruchsniveau einer Marke greift den qualitativen Aspekt der Markenführung auf. Dabei geht es letztlich um die Kompetenzhöhe einer Marke im Vergleich zum Wettbewerb. Analog zur Kompetenzbreite können auch hier drei Arten unterschieden werden, nämlich die Premiummarke, die klassische Marke und die Basismarke. Premiummarke

Die Premiummarke zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich auf der rational-ökonomischen Seite als Qualitäts- und Innovationsführer behauptet, womit sie auf der emotionalen-psychologischen Seite eine hohe Identifikations- und Demonstrationsfunktion erfüllt. Dieses Nutzenspektrum ist Grundlage dafür, dass der Nachfrager bei einer Premiummarke einen höheren Preis wie auch einen selektiven Absatzweg akzeptiert bzw. sogar erwartet.

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

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Im Gegensatz dazu befriedigt die klassische Marke den differenzierten Massenbedarf. Einhergehend mit einer starken kommunikativen Präsenz ist für sie eine umfangreiche Präsenz im Handel (Ubiquität) ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dabei nimmt die klassische Marke für sich nicht unbedingt in Anspruch, Qualitäts- oder Innovationsführer zu sein, sondern sie orientiert sich lediglich an deren Benchmarks. Dementsprechend ist ihre Preislage unterhalb der Premiummarke einzuordnen.

Klassische Marke

Die Basismarke schließlich ist mit dem geringsten Anspruchsniveau ausgestattet. Ihre Qualität erfüllt lediglich Mindestanforderungen, sodass sie auch kaum Ansatzpunkte bietet, Identifikations- und Demonstrationsfunktionen zu erfüllen. Selbst wenn der historische Ursprung der Basismarke bei den Handelsmarken liegt, dürfen diese beiden Markentypen nach dem heutigen Verständnis von Markenartikeln nicht gleichgesetzt werden. Für Handelsmarken gilt das gleiche Spektrum an Anspruchsniveaus wie für Herstellermarken – so nimmt beispielsweise die Marke „Erlenhof“ (Rewe) eine Premiumposition unter den Handelsmarken ein.

Basismarke

Während die Bezeichnungen Premium- und Basismarken im Großen und Ganzen selbsterklärend sind, bedarf es im Falle der klassischen Marke einer weitergehenden Erläuterung. Zum einen bedeutet „klassisch“, dass hierunter jene Markenartikel fallen, für die die oben genannten klassischen Merkmale einer Marke noch zutreffen. Zum anderen betont das Adjektiv eine gewisse historische Dimension, denn aus der Position der klassischen Marke haben sich über Jahrzehnte hinweg schrittweise Premium- bzw. Basismarken herausgeschält. So ging von der klassischen Marke schließlich die Differenzierung aus, neben ihrer selbst noch die Premium- und Basismarke zu unterscheiden. Während am Anfang dieser Entwicklung noch häufig versucht wurde, mit der klassischen Marke gleichzeitig über ein Trading-up das Marktpotenzial der Premiummarke bzw. über ein Trading-down das der Basismarke abzuschöpfen, konzentriert man sich nun in der Regel auf eine bestimmte Markenschicht. Zum Beispiel besetzt Henkel alle drei Markenschichten mit jeweils eigenständigen Marken: Persil im Bereich der Premiummarke, Der weiße Riese im Bereich der klassischen Marke und Spee im Bereich der Basismarke.

Begriffsklärung „klassische“ Marke

c) Kompetenztiefe einer Marke Der dritte Entscheidungsbereich greift zu guter Letzt den räumlichen Aspekt der Markenführung auf. Dabei wird der Absatzraum einer Marke analog zu den vorangegangen Entscheidungsbereichen in drei Größen differenziert, nämlich in nationale, internationale und globale Marke. Die nationale Marke gilt als Ausgangspunkt der geopolitischen Reichweite einer Marke, wenngleich auch heute noch eine Vielzahl von Mar-

Nationale Marke

192

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) ken nur teilnational (regional) penetriert sind. Insbesondere bei kleinund mittelständisch strukturierten Branchen (z.B. Konserven- und Brotwarenindustrie) oder bei regional bedingten Konsumpräferenzen (etwa bei Bier oder Feinkostwaren) erfahren Marken häufig nur in einem engen Absatzraum Akzeptanz (Beispiel: „Der Duden“ als nationale Marke oder „Süßer Hausmacher Senf“ als teilnationale Marke).

Internationale Marke

Stagniert die Entwicklung einer nationalen Marke im Heimatmarkt, wird nicht selten der Sprung ins benachbarte Ausland gewagt. Sobald die Marke über zwei Ländergrenzen hinweg angeboten wird, spricht man von einer internationalen Marke. Neben dem vordergründigen Ziel, ein bestimmtes Marktpotenzial im Ausland abzuschöpfen, werden bei der Internationalisierung von Marken zwei weitere generelle Ziele verfolgt: 1. Erzielung von Kostensenkungen durch Skalen- und Verbundeffekte (Economics of Scale and Scope) bei der Realisierung einheitlicher Markenkonzepte; 2. Erzielung eines internationalen Markenimage zur Stärkung des allgemeinen akquisitorischen Potenzials der Marke mit positivem Ausstrahlungseffekt (Spill-over Effekt) auf dem heimischen Markt. Diese Ziele bauen im wesentlichen darauf, dass ein Markenkonzept standardisiert im Heimat- wie im Auslandsmarkt funktioniert. Allerdings lassen sich Markenkonzepte in der Regel nicht „Eins zu Eins“ über verschiedene Länder hinweg übertragen. Allein schon in Europa stößt eine Standardisierung nicht nur auf sprachliche, kulturelle oder normative Grenzen, sondern auch auf unterschiedliche Konsumpräferenzen. Deswegen werden bei internationalen Marken zwei Identitätsstufen unterschieden: 1. Modulare internationale Markenkonzepte: d.h. aufbauend auf einem Basiskonzept werden für jedes Land spezifische Veränderungen bzw. Modifikationen in der Markenführung zugelassen; 2. Gebündelte internationale Markenkonzepte: d.h. für ausgewählte Länder, die zu einem bestimmten Ländercluster zusammengefasst werden, wird ein einheitliches Markenkonzept erstellt; dieses variiert aber mit Konzepten zu anderen Länderclustern.

Globale Marke

Beschränkt sich der Absatzraum einer internationalen Marke nicht nur auf einen Kontinent, sondern erstreckt sich auf mindestens zwei Kontinente, wird bereits von einer globalen Marke gesprochen. Kritischer Erfolgsfaktor einer solchen globalen Strategie ist, dass die Marke möglichst weltweit schutzfähig und mit einheitlicher Identität versehen ist. Allerdings gibt es bis auf wenige Ausnahmen keine reinen Weltmarken, (wie etwa Coca Cola, Sony oder Mercedes Benz), sondern das Spektrum

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

193

globaler Marken reicht vom dezentral bis zentral geführten Markenmanagement mit jeweils unterschiedlich ausgeprägter Ländermodifikation. Als Einordnungshilfe für den Verantwortungsbereich einer Marke und damit auch als Zusammenfassung der drei Entscheidungsbereiche der Markenführung dient der dreidimensional aufgespannte markenstrategische Raum.

Kompetenzhöhe

Premiummarke

Kompetenztiefe

klassische Marke

global

international Basismarke national Kompetenzbreite Einzelmarke

Familienmarke

Dachmarke

Abb. 52: Markenstrategischer Raum (Becker, 2004, S. 669)

2.2.2

Ausgewählte Aspekte des Preismanagement

Der Preis ist das einzige Instrument im Marketing, bei dessen Anwendung im Vorfeld keine Ausgaben im Sinne von Investitionen getätigt werden müssen. So bedarf es in der Regel keinerlei Vorleistungen, um beispielsweise kurzfristig den Preis zu verändern (langfristig muss natürlich ein Kostenbezug bestehen), während z.B. kommunikations- oder distributionsrelevante Maßnahmen meistens eine lange Vorlaufzeit zur Umsetzung benötigen. Allerdings hat dieses auch zur Konsequenz, dass die Konkurrenz ebenfalls schnell auf Preisveränderungen reagieren kann (wie etwa bei der Mineralölwirtschaft und deren Tankstellenpreisen). Deswegen sind (kurzfristige) preispolitische Aktivitäten auch kaum da-

Besonderheiten des Preises

194

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) zu geeignet, dauerhafte Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Darüber hinaus reagieren auch die Nachfrager bedeutend sensibler und damit auch schneller auf preispolitische Maßnahmen als auf andere absatzgerichtete Aktivitäten. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Konkurrenz nicht nur schneller, sondern auch stärker auf Preisveränderungen reagiert, als beispielsweise auf Werbeaktivitäten.

Bedeutung des Preismanagement

Trotz dieser spezifischen Besonderheiten des Preises wird die Bedeutung des Preismanagement unterschiedlich bewertet. Für den klassischen Konsumgüterhersteller, der über den Handel seine Produkte an den Letztnachfrager absetzt, ist die Einflussnahme auf die konkrete letztnachfragerbezogene Preisfestsetzung mit Aufhebung der vertikalen Preisbindung (1.1.1974) stark gemindert worden. Letztendlich betreibt zwar der Konsumgüterhersteller im Vorfeld Studien zur optimalen Preispositionierung (siehe hierzu in diesem Abschnitt die Ausführungen zu den Positionierungsentscheidungen, Kap. B 4), jedoch ist er bei deren Umsetzung auf den Goodwill des Handels angewiesen (Tunder, 2000, S. 183 ff.). Anders verhält sich die Situation im Business-to-BusinessBereich: aufgrund des dort häufig anzutreffenden direkten Absatzsystems behält der Anbieter naturgemäß die Entscheidungsgewalt über die Preise seiner Produkte. Allerdings ist hier die Preisfestsetzung weniger das Ergebnis umfangreicher Studien, als vielmehr Ausdruck der Verhandlungsstärke und des Verhandlungsgeschicks von Anbieter und Nachfrager. Darüber hinaus wird im Business-to-Business-Bereich das Preismanagement erschwert, wenn – wie im Falle der Einzel- bzw. Auftragsfertigung – kaum vergleichbare Marktpreise existieren (Backhaus, 1997, S. 404 ff.). Eine analoge Problematik besteht bei der Preisbestimmung von persönlich erbrachten Dienstleistungen, wo insbesondere aufgrund der Immaterialität und der Integration von externen Faktoren (wie etwa dem Nachfrager selbst) die Vergleichbarkeit von PreisLeistungs-Verhältnissen erschwert wird (Meyer, 1993, S. 183 f.; Woratschek, 1998, S. 40 ff.).

Preisbestimmung durch ConjointMeasurement

Zur Bestimmung eines aus Kundensicht optimalen Preis-Leistungsverhältnisses stellt das Conjoint-Measurement ein darauf zugeschnittenes Analyseverfahren dar (siehe Abschnitt „Marktforschung“, Kap. B 3.2). Im Gegensatz zu den klassischen Methoden der Preispräferenzanalyse, wie etwa dem Preisschätzungs-, Preisempfindungs-, Preisbereitschafts- oder dem Preiswürdigkeitstest (siehe hierzu vertiefend Diller, 1991, S. 134 ff.), beruht das Conjoint-Measurement nicht auf einer isolierten Herausstellung einzelner Produktmerkmale (einschließlich des Preises), sondern berücksichtigt deren gegenseitige Interdependenzen. Dabei wird die Bedeutung des Preises für das Gesamturteil eines PreisLeistungs-Vergleichs in einen Merkmalsraum abgetragen, der den Preis zu allen anderen Produkteigenschaften in Relation setzt. Es kommt so-

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

195

mit zu einem gegenseitigen Abwägen der subjektiven Bedeutung einzelner Produkteigenschaften in Bezug auf einen Gesamtpreis. Da diese Einschätzung vom Probanden häufig unbewusst erfolgt, kann sie auch in der Regel nicht direkt befragt werden. Aus diesem Grund werden globale Präferenzurteile über alle möglichen Kombinationen von Produkteigenschaften im Verhältnis zu einem bestimmten Gesamtpreis erfragt und anschließend in separate Nutzenfunktionen pro Produkteigenschaft und jeweiliger Preisausprägung zerlegt. Die Analyse dieser Nutzenfunktionen erfolgt im Falle von ordinal skalierten Globalurteilen mit Hilfe von Algorithmen der nichtmetrischen mehrdimensionalen Skalierung (siehe hierzu in diesem Abschnitt Kap. B 4.2). Im Ergebnis einer Conjoint-Analyse lässt sich dann unmittelbar ablesen, wie hoch der relative Beitrag jeder Produkteigenschaft zur Gesamtpräferenz ist und um wie viele Einheiten sich das subjektive Preis-Leistungs-Verhältnis verändert, falls der Preis oder einzelne Produkteigenschaften variiert werden (Diller, 1991, S. 139 ff.). Im Zusammenhang mit einer Conjoint-Analyse wird deutlich, dass nicht alle potenziellen Kunden einer Zielgruppe bereit sind, den gleichen Preis zu zahlen, weil deren individuelle Einschätzung eines PreisLeistungs-Verhältnisses jeweils von unterschiedlichen Bedarfssituationen ausgeht. Deswegen bietet es sich an, nicht nur eine einzige PreisLeistungs-Kombination anzubieten, sondern den Preis entsprechend unterschiedlicher Kundenbedürfnisse und Leistungsspektren zu variieren, wobei vier unterschiedliche Ansätze der Preisdifferenzierung unterschieden werden (Sebastian/Kolvenbach, 2000, S. 69 f.):

Preisdifferenzierung

a) Preisdifferenzierung nach Produktqualität Die ursprünglichste Form der Preisdifferenzierung bietet dem Nachfrager eine Auswahl an verschiedenen Qualitätsstufen. So werden in der Automobilindustrie beispielsweise unterschiedliche Ausstattungspakete angeboten (Mercedes Benz E-Klasse: Classic, Elegance, Avantgarde), oder bei Fluglinien wird zwischen First, Business und Economy Class unterschieden. Im Theater, in der Oper oder im Kino werden Sitzpositionen mit verschiedenen Preiskategorien versehen, oder Parfümhersteller bieten mehrere Flakongrößen zu unterschiedlichen Preis-MengenRelationen an. Darüber hinaus erlauben moderne Informations- und Fertigungstechnologien eine sogenannte Mass Customization, wonach auf individuelle Kundenwünsche hin industriell maßgefertigt wird, z.B. Computer, Kleidung, Kosmetik u.v.m. Mit der damit verbundenen Preisindividualisierung kann der Anbieter zum einen die Vergleichbarkeit von Produkt und Preis erschweren und zum anderen die Zahlungsbereitschaft seiner Zielgruppe optimal abschöpfen (Share of Wallet).

Mass Customization

196

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) b) Preisdifferenzierung nach Kunden In diesem Fall gelten unterschiedliche Preise für unterschiedliche Kundengruppen. Üblicherweise werden zu dieser Differenzierung soziodemographische Merkmale einer Zielgruppe zugrunde gelegt, wie Alter, Geschlecht, Beruf, Einkommen (siehe hierzu in diesem Abschnitt Kap. B 3.2). So gibt es z.B. bei der Bahn Studenten- oder Seniorentarife, bei Versicherungen bestimmte Risikozuschläge oder generelle Preisnachlässe für Kinder oder Familien. Dabei ist zu beachten, dass das entsprechende Selektionskriterium auch eindeutig bei der relevanten Kundengruppe vorliegt und dass die Selektion selbst nicht gegen Werte und Normen in der Gesellschaft verstößt. c) Preisdifferenzierung nach Kaufbedingungen

Nichtlineare Preispolitik und mehrstufige Preissysteme

Diese Form der Preisdifferenzierung entspricht einer nichtlinearen Preispolitik, wonach der Kunde in Abhängigkeit zur gekauften Menge (Rabatte) oder zur Dauer der Geschäftsbeziehung (Bonusprogramme) unterschiedliche Preisnachlässe erfährt. In diesem Zusammenhang sind auch die mehrstufigen Preissysteme einzuordnen, die auf einem einmalig pro Periode zu zahlenden Grundpreis zuzüglich einem weiteren Preis pro Nutzungseinheit basieren (wie etwa bei Mietwagen-, Telefon- oder Stromtarifen). d) Preisdifferenzierungen nach Regionen und Zeit

Yield Management

Eine regionale Preisdifferenzierung ist nicht nur eine Antwort auf unterschiedliche Wettbewerbssituationen (Tankstellenpreise), sondern trägt auch regionalen Unterschieden hinsichtlich der Kaufkraft und damit der Zahlungsbereitschaft Rechnung (Stadt-Land-Gefälle). Ziel der zeitlichen Preisdifferenzierung ist es in erster Linie, etwaige zeitabhängige Nachfrageschwankungen zu stabilisieren, um die vorhandenen Kapazitäten optimal nutzen zu können (Yield Management). So gibt es zeitabhängige Preistarife bei der Nutzung von Hotels, Mietwagen oder Flugreisen. Telekommunikationsanbieter, Elektrizitätswerke und auch Kinobetreiber unterscheiden beispielsweise zwischen Nachttarifen bzw. Früh- und Spätvorstellungen.

Preisbündelung (Bundling)

Ein weiteres Konzept, um unterschiedliche Preis-Leistungs-Kombinationen anzubieten, ist neben der Preisdifferenzierung die Preisbündelung bzw. das sogenannte Bundling. Dabei werden verschiedene Produkte zu einem Bündel zusammengefasst und mit einem Gesamtpreis versehen, der günstiger ist als die Summe der einzelnen Produktpreise. Für den Anbieter ergibt sich hieraus der Vorteil, dass seine Kosten durch Standardisierungen in der Leistungserstellung reduziert werden können. Darüber hinaus kann er in der Regel mit einem höheren Mehrabsatz pro Kunde rechnen, da der Umfang des Produktbündels häufig

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

197

über den ursprünglichen Bedarf des Kunden hinausgeht. Ein weiterer Nebeneffekt der Preisbündelung ist das Kaschieren der Preistransparenz und damit auch eine Reduzierung der Preissensitivität des Nachfragers (Sebastian/Kolvenbach, 2000, S. 70). Als Beispiele für Preisbündelungen können Pauschalreisen (Flug inkl. Hotel und Leihwagen bis hin zum All Inclusive), Versicherungskombis (z.B. aus Hausrat-, Haftpflichtund Unfallversicherung) oder Menüpakete vor allem im FastfoodBereich angeführt werden. Die bisherigen Ausführungen zur Gestaltung einer optimalen PreisLeistungs-Kombination lassen in der Tat den Schluss zu, dass ein Anbieter nur zwei Alternativen hat, um dauerhaft einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen:

Wettbewerbsstrategien

1. Der Anbieter tritt auf dem Markt mit einer relativ höheren Leistung an, in der Hoffnung, der Nachfrager respektiert diese Leistung und ist auch bereit, für die überlegene Leistung einen höheren Peis zu zahlen; 2. Der Anbieter verfügt über die gleiche Leistung wie die Konkurrenz, kann jedoch zu niedrigeren Kosten die Leistung erstellen und somit dem Kunden einen günstigeren Preis bieten. Diese beiden Optionen liegen auch den sogenannten generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter zugrunde, wobei hier noch ein räumlicher Bezug aufgestellt wird (siehe hierzu Abbildung 53). Allerdings ist die starke Polarisierung in „entweder niedriger Preis oder hohe Leistung“ vor dem Hintergrund gesättigter Märkte nicht mehr vorbehaltlos zu übernehmen. Während der Pionier aufgrund seiner Innovationsleistung am Anfang durchaus einen höheren Preis im Markt durchsetzen kann (Pionierrente), muss er im Verlauf damit rechnen, dass Konkurrenten durch die Pionierrente angelockt werden und mit einem niedrigeren Preis in den Markt eintreten. Der damit verbundene Preisverfall fordert vom Pionier neben der beizubehaltenden Leistungsorientierung eine zusätzliche Kostensensibiliät bzw. Preisaggressivität. Der Pionier sieht sich also gezwungen, im Sinne einer sogenannten Überholstrategie bzw. Outpacing Strategy (Gilbert/Strebel, 1985) sowohl eine Preis- als auch eine Leistungsführerschaft zu erzielen, um auf Dauer wettbewerbsfähig zu bleiben (Kleinaltenkamp, 1987, S. 44 ff.).

Outpacing Strategy

198

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

Breit Eng

Marktabgrenzung

Preis-Leistungs-Verhältnis Preisbezogen Leistungsbezogen

Preis-/ Kostenführerschaft

Leistungs-/ Qualitätsführerschaft

Führerschaft durch Spezialisierung (Nischenpolitik)

Preisführer

Preisführer

Wettbewerbsvorteil

Abb. 53: Wettbewerbsstrategien im Rahmen des Preismanagement (Porter, 1992, S. 67)

a tp Ou

SOLL

ra St g cin

te g

y

Leistungsführer

IST

Leistungsführer

Zeitablauf

Abb. 54: Outpacing Strategy (Becker, 1998, S. 374)

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

199

Einhergehend mit der Outpacing Strategy stellt sich auch die Frage der Preisbestimmung in der dynamischen Betrachtung. In diesem Zusammenhang werden zwei grundsätzliche strategische Vorgehensweisen unterschieden: x Skimming Strategy, x Penetration Strategy.

Preis

Bei der Skimming Strategy wird eine Innovation zu einem relativ hohen Preis auf dem Markt eingeführt, der dann im Zeitablauf sukzessiv gesenkt wird. Der Pionier erhofft sich dabei, dass die Vorlaufinvestitionen bzw. F&E-Aufwendungen über den hohen Preis möglichst schnell amortisiert werden. Allerdings verstärkt diese Vorgehensweise die Entwicklung zur Outpacing Strategy. Eine Möglichkeit, diese Entwicklung hinauszuschieben, besteht mit Hilfe der Penetration Strategy, indem die Innovation zu einem vergleichsweise niedrigen Preis auf dem Markt eingeführt wird. Der Pionier verzichtet in diesem Fall auf seine Pionierrente zugunsten einer höheren Eintrittsbarriere für Me-too-Anbieter. Darüber hinaus spekuliert der Pionier auf eine schnelle Marktpenetration seiner Innovation und damit auf die Chance, dass sein Produkt Standardgeber wird. Die folgende Abbildung stellt die beiden Strategien nochmals schematisch dar.

Skimming Strategy

Penetration Strategy

Skimming Strategy

Penetration Strategy

Zeit

Abb. 55: Skimming und Penetration Strategy Wie bereits den bisherigen Ausführungen in weiten Teilen zu entnehmen ist, geht vom Preis eine Wirkung aus, die unmittelbar Absatzmenge, Umsatz oder Marktanteil steuert. Dieser Wirkungshebel beinhaltet große Chancenpotenziale, aber auch Risiken, die in ihrer Konsequenz zum Teil irreversible Schäden zur Folge haben. In diesem Zusammen-

Preiselastizität

200

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) hang sei beispielsweise an die Gefahren einer falschen Einschätzung der Preiselastizität der Nachfrager verwiesen. Die Preiselastizität misst die Wirkung von Preisänderungen auf den Absatz und wird durch den Quotienten aus relativer Absatzänderung zur relativen Preisänderung definiert.

Preiselastizität =

prozentuale Absatzänderung prozentuale Preisänderung

Abb. 56: Preiselastizität der Nachfrager Bis auf wenige Ausnahmen, etwa wenn der Preis als Indikator für die Qualität interpretiert wird oder der Preis als Prestigesymbol fungiert (Snob- oder Veblen-Effekt), ist die Preiselastizität der Nachfrage negativ: bei Preissenkung reagiert der Nachfrager mit einer Ausweitung seiner Nachfragemenge. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, wann ein Verlust aus einer Preissenkung durch eine Steigerung der Nachfragemenge überkompensiert wird et vice versa. Dabei sind auf Basis der linearen Preis-Absatzfunktion, die den geometrischen Ort aller denkbaren Preis-Absatz-Kombinationen darstellt, zwei Szenarien denkbar: a) Preissenkung um eine Geldeinheit im elastischen Bereich Preiselastizität < -1

Im elastischen Bereich der Preis-Absatzfunktion hat die Preiselastizität einen Wert der unter -1 liegt. In diesem Fall besteht kaum ein Preisspielraum nach oben, weil sich Preiserhöhungen umsatzschmälernd auf das Betriebsergebnis auswirken. Dagegen existiert jedoch ein hoher Preisspielraum nach unten, da es bei Preissenkungen zu überproportionalen Umsatzzuwächsen kommt. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht diesen Zusammenhang nochmals, wobei hier der Umsatzrückgang von 200 Geldeinheiten aufgrund der Preissenkung um eine Geldeinheit (von 5 auf 4) durch eine gleichzeitige Umsatzsteigerung von 400 Geldeinheiten aufgrund der Absatzsteigerung kompensiert wird.

Angebotspolitische Entscheidungen (Objektprogramm)

201

Menge

800 700 600 Elastizität < - 1

500 400 300 400

200

200 100

Preis 1

2

3

4

5

6

7

8

Abb. 57: Preissenkung im elastischen Bereich der PreisAbsatzfunktion b) Preissenkung um eine Geldeinheit im unelastischen Bereich Im unelastischen Bereich der Preis-Absatzfunktion ist der Wert der Elastizität größer als -1. In diesem Fall hat ein Anbieter keinen Preisspielraum mehr nach unten, da das Umsatzplus einer höheren Nachfragemenge geringer ausfällt als der Umsatzrückgang aufgrund der Preissenkung. Dieser Zusammenhang wird durch die folgende Abbildung verdeutlicht, wo eine Preissenkung um eine Geldeinheit (von 2 auf 1) einen Gesamtverlust von 400 Geldeinheiten zur Folge hat, weil der Mengeneffekt geringer ist als der Preiseffekt.

Preiselastizität > -1

202

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Menge

800 700 Elastizität > - 1 600 100 500 400 500

300 200 100

Preis 1

2

3

4

5

6

7

8

Abb. 58: Preissenkung im unelastischen Bereich der PreisAbsatzfunktion Bedeutung der Preiselastizität

In der Literatur wird immer wieder erneut von zahlreichen Analysen zur Preiselastizität ausgewählter Produkte bzw. Warengruppen berichtet. Obwohl ihre Vergleichbarkeit in vielerlei Hinsicht problematisch ist, wagt Tellis (1988, S. 331 ff.) den Versuch, 367 Preiselastizitätswerte (im Wesentlichen aus der Konsumgüterindustrie) miteinander zu vergleichen und einen Mittelwert von -1,76 zu errechnen. Im gleichen Zusammenhang betont er jedoch, dass bei Berücksichtigung unterschiedlicher Abweichungen (wie die unterschiedliche Einbeziehung von bestimmten Variablen) eigentlich ein Wert von -2,5 herauskommen müsste. Allerdings ist die Betrachtung derartiger Mittelwerte problematisch, da aufgrund der Heterogenität von Produkten, Zielgruppen und Wettbewerbssituationen sehr unterschiedliche Messvoraussetzungen gegeben sind. Zu recht weist Simon vor diesem Hintergrund auf einen Einzelfall hin, der die große Spannweite empirisch ermittelter Preiselastizitäten vermitteln soll: „Ein Beispiel ist die Zigarettenmarke `West´ im bundesdeutschen Markt, bei der eine prozentuale Preissenkung von 13,15% im Januar 1983 einen Marktanteilszuwachs vom 1300% bewirkte, was einer Preiselastizität von -98,8 entspricht“ (Simon, 1992, S. 138).

Zielgruppenprogramm Dennoch werden immer wieder Untersuchungen unternommen, um Bedingungen zu identifizieren, die ausschlaggebend für eine niedrige bzw. hohe Preiselastizität sind. So wird beispielsweise davon ausgegangen, dass Produkte mit hoher Qualität oder dass markentreue Nachfrager jeweils eine vergleichsweise niedrige Preiselastizität aufweisen. Obwohl vor der Pauschalisierung solcher Aussagen gewarnt wird, können bestimmte Kausalzusammenhänge geknüpft werden. So sprechen folgende Bedingungen tendenziell für eine vergleichsweise hohe Preiselastizität (Simon, 1992, S. 140):

203 Determinanten der Preiselastizität

x hohe Substitutionsgefahr zwischen konkurrierenden Produkten, x allgemeine Preis- und Qualitätstransparenz, x hohe Kauffrequenz, x niedriges Markenbewusstsein, x hoher absoluter Preisbetrag, x hohe Preisspanne (insbesondere bei Investitionsgütern).

3.

Zielgruppenprogramm

Die im vorangegangenen Kapitel behandelten angebotspolitischen Entscheidungen (Objektprogramm) stehen natürlich nicht isoliert da, sondern sind von der relevanten Zielgruppe abhängig. Entscheidungen im Objektprogramm sind also mit den Entscheidungen im Zielgruppenprogramm zu verknüpfen und auf ihre gegenseitigen Wechselbeziehungen zu überprüfen. In der Realität laufen Entscheidungen bezüglich Objektund Zielgruppenprogramm folglich nicht getrennt, sondern fast immer simultan ab. Im Kern geht es im Zielgruppenprogamm darum, das gesamte Nachfragerpotenzial des jeweiligen Strategischen Geschäftsfelds in in sich homogene Käufersegmente zu unterteilen, wobei hinsichtlich Anspracherichtung und -wirkung von Marketingaktivitäten zunächst zwischen finalen und subfinalen Zielgruppen zu unterscheiden ist (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 838 f.): x Zu den finalen Zielgruppen gehören alle Einzelwirtschaften (Personen, Haushalte, Unternehmen, Organisationen etc.), die aufgrund nachfragerelevanter Merkmale homogen sind und bezogen auf das

Finale Zielgruppe

204

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Objektprogramm als Letztnachfrager bzw. -verwender (Nutzer) angesprochen werden;

Subfinale Zielgruppe

x Zu den subfinalen Zielgruppen zählen jene Einzelwirtschaften, die aufgrund einflussrelevanter Merkmale homogen sind und das Nachfrageverhalten der finalen Zielgruppen direkt oder indirekt beeinflussen (Meinungsbildner) oder den Absatz an die finale Zielgruppe als Zwischennachfrager/Zwischenanbieter (Händler) erst ermöglichen. Das Zielgruppenprogramm ist in seinem Aufbau analog zum Objektprogramm zu verstehen, d.h. zunächst einmal wird die Struktur des gesamten Zielgruppenprogramms festgelegt, bevor im Einzelnen die Definition einer bestimmten Zielgruppe erfolgt.

3.1 Struktur des Zielgruppenprogramms Breite und Tiefe des Zielgruppenprogramms

So wie die Struktur des Objektprogramms bestimmen die beiden Dimensionen Breite und Tiefe die Struktur des Zielgruppenprogramms. Dabei bezieht sich die Breite auf die Anzahl der zu bearbeitenden finalen Zielgruppen, während die Tiefe die Anzahl der zu bearbeitenden subfinalen Zielgruppen vorgibt. Im Falle der Tiefe des Zielgruppenprogramms werden im Weiteren die Meinungsbildner als subfinale Zielgruppen vernachlässigt und Schwerpunkte auf die Zwischennachfrager/Zwischenanbieter gelegt. Dabei variiert die Tiefe zwischen den Extremen des einstufigen, direkten Absatzwegs und des mehrstufigen, indirekten Absatzwegs. Für eine bestehende Struktur des Zielgruppenprogramms ergeben sich somit durch Straffung oder Erweiterung von Breite bzw. Tiefe sowie durch die Beibehaltung der bisherigen Struktur insgesamt fünf Gestaltungsmöglichkeiten (siehe Abbildung 59). Für den Fall der erstmaligen Festlegung einer Zielgruppenstruktur wird jeweils der Grad der beabsichtigten Zielgruppentiefe und -breite bestimmt.

ZielgruppenBeibehaltung

Unter einer Zielgruppen-Beibehaltung wird sowohl die Fortschreibung als auch die Modifikation der bisherigen Struktur des Zielgruppenprogramms verstanden. Dabei ist zu beachten, dass die Modifikation nicht zum Aufbrechen der bisherigen Struktur führen darf, sondern allein nur marginale Anpassungen beinhaltet, die insbesondere die personen- bzw. verhaltensbezogenen Merkmale bei der Zielgruppenbestimmung betreffen (siehe hierzu in diesem Abschnitt Kap. B 3.2).

Zielgruppenprogramm

205 Programmbreite (finale Zielgruppe) Erweiterung

Straffung

ZielgruppenInnovation Straffung

AbsatzwegeStandardisierung Straffung

Programmtiefe (subfinale Zielgruppe)

ZielgruppenBeibehaltung

Erweiterung

ZielgruppenElimination Straffung

Programmtiefe (subfinale Zielgruppe)

Erweiterung

AbsatzwegeDifferenzierung

Erweiterung Programmbreite (finale Zielgruppe)

Abb. 59: Gestaltungsmöglichkeiten des Zielgruppenprogramms (Meyer, 1996, S. 71) Die Zielgruppen-Innovation bzw. -Elimination führen zu Veränderungen in der Breite des Zielgruppenprogramms. Dabei kommt es jedoch weder zur Aufnahme einer generell neuen Zielgruppe noch zu einer kompletten Aufgabe einer bereits bearbeiteten Zielgruppe (siehe hierzu in diesem Abschnitt die Ausführungen zur Diversifikation bzw. Reduktion Kap. B 1.2.2 u. 1.2.3), sondern lediglich zu einer Veränderung der Segmentierung („Mikrosegmentierung“) einer bereits vorhandenen Zielgruppe. Die Maßnahmen hierzu werden durch den Grad der Differenzierung einer bestimmten Zielgruppe und den Umfang der Marktabschöpfung bestimmt. Grad der Differenzierung

Umfang der Marktabschöpfung

Undifferenziert

Differenziert

Vollständig

Undifferenzierte Differenzierte ZielZielgruppensegmen- gruppensegmentietierung rung

Unvollständig

Konzentrierte Zielgruppensegmentierung

Selektiv differenzierte Zielgruppensegmentierung

Abb. 60: Arten zielgruppenspezifischer Segmentierung

ZielgruppenInnovation bzw. -Elimination

206

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Die Tiefe des Zielgruppenprogramms berührt Fragestellungen hinsichtlich der subfinalen Zielgruppen, wie Meinungsbeeinflusser und Händler. Insbesondere den Letztgenannten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da im Zusammenhang mit ihnen die Entscheidungen über die Absatzwegewahl verbunden sind. Grundsätzlich wird zwischen direktem und indirektem Absatzweg unterschieden, jeweils abhängig davon, ob das Eigentum zwischen Erstanbieter und Letztnachfrager direkt oder indirekt via Zwischennachfrager/Zwischenanbieter übergeht (siehe „Charakterisierung des Marketing“ Kap. A 3.1). a) Möglichkeiten des direkten Absatzes Der Absatzweg von Konsumgütern lässt sich grob nach stationären und ambulanten Formen sowie nach Versandformen untergliedern (Eichmann, 1993, S. 34 ff.).

Stationärer Absatz

Beim stationären Absatz sind zunächst einmal die herstellereigenen Filialen zu nennen. Sie sind häufig in ihrer Aufmachung nicht von einem filialisierten Handelsunternehmen zu unterscheiden. Ihr Spektrum reicht von Shop-in-shop Systemen bis hin zu kompletten Outlets, die in Eigenregie betrieben werden. Insbesondere Letztere sind vom Franchisesystem abzugrenzen. Hierbei handelt es sich um einen vertikalen Vertragsverbund, bei dem nicht nur der Franchisegeber, sondern auch der Franchisenehmer rechtlich selbständig bleiben (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 1.2.5.2). Zwischen beiden Parteien findet also ein Eigentumsübergang statt, allerdings mit der besonderen Charakteristik, dass hier aufgrund der systemimmanenten (wirtschaftlichen) Abhängigkeit zwischen Franchisegeber und -nehmer kein eindeutig indirekter Absatz vorliegt. Vielmehr handelt es sich beim Franchising um eine Hybridform zwischen direktem und indirektem Absatz. Zu den stationären Absatzformen gehören neben den herstellereigenen Filialen noch Fabrikläden und sogenannte Repräsentationsgeschäfte. Beide erfüllen in ihrer ursprünglichen Bedeutung nur bedingt eine Absatzfunktion. So waren Fabrikläden anfangs „für den kontrollierten Abfluss von Restbeständen, Mustern, Zweite-Wahl-Artikeln und Retouren gedacht“ (Eichmann, 1993, S. 34). Mittlerweile hat sich daraus eine eigenständige Absatzform herausgebildet, aus der neben den Verkaufsstellen am Produktionsstandort auch dezentrale Factory Outlet Center hervorgingen. Eine hierzu gegensätzliche Funktion geht von den Repräsentationsläden aus. Sie dienen in erster Linie der Imageförderung des gesamten Unternehmens bzw. der Markenprofilierung im Einzelnen. Repräsentationsläden befinden sich in erstklassigen, aber häufig für den selbständigen Handel unrentablen Lagen, die vom Hersteller jedoch nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus kommunikativen Gründen be-

Zielgruppenprogramm

207

vorzugt werden. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise die Outlets der Haut Couture auf Sylt oder in St. Moritz zu nennen. Neben dem stationären Absatz hat der Ambulant- und Versandabsatz eine weitaus geringere Bedeutung. Der Unterschied zwischen den beiden Absatzformen macht sich in der Realisierungsfunktion fest. Während es beim ambulanten Absatz zur sofortigen Übergabe des gekauften Produkts kommt, liegt beim Versandabsatz eine zeitliche Verzögerung zwischen Bestellung und Auslieferung vor. Der Ambulant- wie auch Versandabsatz kann über Markt-, Messe und Partyveranstaltungen (z.B. Tupperware) oder mittels Reisenden bzw. Marktmittlern erfolgen. Darüber hinaus ist für den Versandabsatz eine weitere Alternative von Bedeutung: der Absatz via Internet, der jedoch letztendlich nur die technologische Fortschreibung des althergebrachten Katalogversands darstellt.

Ambulanter Absatz Versandabsatz

b) Möglichkeiten des indirekten Absatzes Der indirekte Absatzweg konstituiert sich über die klassische Marktkette, wenn neben dem Einzelhandel auch der Großhandel eingeschaltet ist. Der Absatz über den Großhandel wird insbesondere bei einer atomistischen Einzelhandelsstruktur oder bei gewerblichen Letztnachfragern (wie Gastronomiebetrieben) mit entsprechend kleinen Bedarfsmengen gewählt. Allerdings führen Einkaufskooperationen sowie Unternehmensfusionen zu einer vermehrten Bündelung der Einzelhandelsnachfrage, weswegen einzelne Funktionen des Großhandels zunehmend zwischen Hersteller und Einzelhandel aufgeteilt werden, um so die Großhandelsspanne bei der Warenversorgung einzusparen. Insbesondere im Falle des deutschen Lebensmitteleinzelhandels kommt es deswegen zu einer Ausschaltung des selbständigen Großhandels. In diesem Zusammenhang hat der Hersteller zu entscheiden, welche Einzelhandelsunternehmen als subfinale Zielgruppe für ihn überhaupt infrage kommen. Der entsprechende Entscheidungsprozess verläuft in zwei Stufen. In der ersten Stufe legt der Hersteller den gewünschten Grad der Distribution fest. Er entscheidet dabei über die gewünschte Anzahl der einzuschaltenden Einzelhandelsunternehmen. Sein Entscheidungsspielraum bewegt sich auf einem Kontinuum zwischen extensiver und intensiver Distribution. x Bei der extensiven Distribution wird prinzipiell jeder Händler vom Hersteller beliefert. Der Hersteller grenzt von sich aus die Anzahl der Händler nicht ein. Er nimmt somit auch keine Selektion von bestimmten Betriebsformen des Handels vor. Als Betriebsformen gelten beispielsweise das Fachgeschäft, der Fachmarkt, der Discounter oder das Warenhaus; die Betriebsform ist somit Ausdruck eines be-

Erste Stufe der Selektion

208

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) stimmten Geschäfts- oder Ladentyps (siehe hierzu vertiefend Mattmüller/Tunder, 2004, S. 39 ff.). x Die intensive Distribution beinhaltet die Konzentration auf ausgewählte Betriebsformen im Handel. In diesem Fall selektiert der Hersteller bestimmte Geschäftstypen, um so für seine Produkte die kommunikative und physische Präsenz im Handel zu kontrollieren. Er versucht damit, das Marketing für seine Produkte über alle Absatzstufen hinweg zu bestimmen. Die Entscheidung der intensiven Distribution geht also einher mit der Frage nach der Marketingführerschaft im Absatzkanal.

Zweite Stufe der Selektion

Nachdem sich der Hersteller also auf (eine) bestimmte Betriebsform(en) im Handel festgelegt hat, steht für ihn in der zweiten Stufe die Entscheidung an, mit welchen konkreten Handelsunternehmen er zusammenarbeiten möchte. Grundsätzlich ist natürlich denkbar, dass er für die zuvor ausgewählte Betriebsform keine weitere Einschränkung vornimmt. In diesem Fall würde der Hersteller jedes Handelsunternehmen, das die entsprechende Betriebsform aufweist, beliefern. Diese Kombination aus intensiver (1. Stufe) und extensiver (2. Stufe) Distribution entspräche dem Fall einer extensiven Distribution auf Ebene einer ausgewählten Betriebsform. Verfolgt der Hersteller jedoch die Absicht, auf der Ebene einer ausgewählten Betriebsform nur bestimmte Handelsunternehmen zu beliefern, liegt eine intensive Distribution auf beiden Selektionsstufen vor. Der Zusammenhang zwischen intensiver und extensiver Distribution wird in der nachfolgenden Abbildung nochmals verdeutlicht. Bei der Auswahl von bestimmten Handelsunternehmen für eine zuvor festgelegte Betriebsform legt der Hersteller die Kriterien Fähigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit zugrunde (Irrgang, 1989, S. 72 f.). x Die Bewertung der Fähigkeit der Zusammenarbeit erfolgt entweder nach rein qualitativen Kriterien oder nach qualitativen Kriterien kombiniert mit einer quantitativen Auswahl (Zahl der Handelspartner). Die Auswahl nach qualitativen Kriterien berücksichtigt objektive wie auch subjektive Maßstäbe, wobei allerdings nur die objektiven Größen wie Standort, Ladenfläche, Geschäftsausstattung oder Qualifikation des Verkaufspersonals juristisch von Bedeutung sind. Die subjektiven Maßstäbe wie Mindestabnahmemengen, Bestellrhythmus oder Lieferantentreue, haben dagegen keine juristische Relevanz. Eine Kombination der qualitativen Auswahl mit einer quantitativen Beschränkung beinhaltet eine exklusive Marktbearbeitung und führt im Extremfall zum Alleinvertriebssystems. Im Rahmen eines Alleinvertriebssystem wird einem bestimmten Händler das Recht eingeräumt, dass nur er während der Vertragsdauer in einem bestimmten Absatzgebiet und/oder für eine bestimmte Kundengruppe

Zielgruppenprogramm

209

mit den Produkten des Herstellers beliefert wird. In diesem Zusammenhang ist nochmals zu betonen, dass eine quantitative Auswahl nur in Kombination mit einer qualitativen Selektion vor Gericht Bestand hat. Die alleinige quantitative Beschränkung wäre ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (§ 20 Abs. 1 bzw. 2 GWB), wonach kein Marktbeteiligter in der Ausübung seiner einzelwirtschaftlichen Tätigkeit durch ein marktmächtigeres Unternehmen behindert werden darf (Mattmüller/Geiseler, 2002, S. 399 f.).

1. Stufe der Selektion

2. Stufe der Selektion

extensive Distribution

intensive Distribution

keine Auswahl einer bestimmten Betriebsform im Handel

Auswahl einer bestimmten Betriebsform im Handel

extensive Distribution

intensive Distribution

keine Auswahl von bestimmten Händlern pro Betriebsform

Auswahl von bestimmten Händlern pro Betriebsform

Abb. 61: Selektionsstufen von Handelsunternehmen x Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit zielt natürlich zunächst einmal auf die Frage ab, ob der Handel überhaupt gewillt ist, die Produkte des Herstellers in sein Sortiment aufzunehmen. Diesem nachgeordnet hat der Hersteller das grundsätzliche Verhältnis zu seinen ausgewählten Handelsunternehmen kritisch zu hinterfragen. Die Beziehung zwischen Hersteller und Handel ist seit jeher geprägt durch einen systemimmanenten Konflikt, bei dem es um die Verteilung der Funktionen und um die Aufteilung der Verdienstspannen zwischen Produktion und Konsumtion geht (Irrgang, 1989, S. 8). In diesem Konfliktfeld sieht sich der Hersteller aufgrund eines zugunsten des Handels veränderten Machtgefüges häufig bzw. in vielen Branchen in der Defensive. Sein bisher hierarchisches Selbstverständnis zum Handel sollte er

HerstellerHandelKonflikt

210

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) daher zugunsten eines dyadischen Verständnisses aufgeben, um sich in eine bessere Position gegenüber dem Handel zu bringen. Danach hat der Hersteller den Handel nicht mehr als vertikalen Konkurrenten und schon gar nicht als Erfüllungsgehilfen zu begreifen, sondern sollte ihn als gleichberechtigten Absatzpartner anerkennen (Tunder, 2000, S. 98 ff.). In diesem Zusammenhang steht seit einigen Jahren eine Verhaltensabstimmung zwischen Hersteller und Handel im Mittelpunkt der Diskussion, die unter der Bezeichnung Efficient Consumer Response läuft.

Efficent Consumer Response

Efficient Consumer Response (ECR) ist ein strategisches Konzept, um Ineffizienzen im Warenfluss zwischen Hersteller und Handel unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Letztnachfragers auszuräumen. Das dabei propagierte Win-Win-Ergebnis baut im Wesentlichen darauf, dass Hersteller und Handel in ihren jeweiligen Distributionssystemen an ihre spezifischen Rationalisierungs- und Effektivitätsgrenzen gestoßen sind, sodass Wachstum nur noch durch Auflösung des systemimmanenten Konfliktfelds möglich ist („weg vom Gegeneinander – hin zum Miteinander“). Die Methodik von ECR beruht auf Steuerung, Koordination und Kontrolle des gesamten Waren- und Informationsflusses zwischen Hersteller und Handel, wobei der entsprechende Takt vom Letztnachfrager vorgegeben wird. Wie der folgenden Abbildung zu entnehmen ist, besteht ECR aus fünf Modulen.

Efficient

Efficient

Store Assortment

Promotion Category Management

Efficient

Efficient

Product Introduction

Replenishment

Abb. 62: Module des Efficient Consumer Response Category Management

Das Herzstück von ECR stellt das Category Management dar, das eine zweifache Ausrichtung hat:

Zielgruppenprogramm

211

x zum einen umfasst es die Definition von Warengruppen, sogenannten Categories, die als eine Art Strategisches Geschäftsfeld als Handlungsmaßstab der Hersteller-Handel-Beziehung fungieren; x zum anderen wird der Gedanke der Categories in die Organisationsformen von Hersteller und Handel übertragen, indem nicht mehr produktbezogene, sondern warengruppenbezogene Funktionen geschaffen werden, was sich letztendlich in den Funktionsbezeichnungen Category Manager oder spezieller Category Consultant bzw. Category Captain widerspiegelt. Vom Efficient Store Assortment geht eine quantitative und qualitative Wirkung aus. Quantitativ versucht Efficient Store Assortment den am Point-of-Sale zur Verfügung stehenden Platz maximal auszunutzen; qualitativ zielt es auf die bedarfsgerechte Gestaltung der Regalfläche ab. Bei der Umsetzung dieser beiden Aspekte bedient man sich des Space Management. Hierbei handelt es sich um ein Instrument zur optimalen Aufteilung der Warenträger (d.h. Abmessung und Anordnung der Regale) und der optimalen Präsentation der einzelnen Artikel (d.h. Aggregation der Artikel nach Verbundeffekten). Ziele des Space Management sind

Efficient Store Assortment

x eine maximale, aber kundengerechte Nutzung von Fläche und Raum, x eine Vermeidung von Bestandslücken oder Überständen in den einzelnen Warenträgern und x eine verkaufswirksame Gestaltung des Regalbilds durch gleichzeitige horizontale und vertikale Blockbildung einzelner Artikel. Efficient Replenishment umfasst die Koordination des Warenflusses zwischen Hersteller und Handel mittels Electronic Data Interchange. Im Vordergrund steht dabei die Reduzierung der Aufwendungen für die operative Warenlogistik, indem Hersteller und Handel ihre vorhandenen Transportkapazitäten optimal aufeinander abstimmen. Als Nebeneffekt sollen dann kostenintensive Überbevorratungen und verlustbringende Unterbevorratungen im Handel vermieden werden. Während Efficient Store Assortment und Efficient Replenishment jeweils ihren Schwerpunkt auf die Supply Side legen, zielen die Maßnahmen zu Efficient Product Introduction und Efficient Promotion auf die Demand Side ab, wobei deren Bezeichnungen bereits Programm sind. So steht bei Efficient Product Introduction die Reduktion der Floprate bei Neuprodukteinführungen im Vordergrund. Hierzu führen Hersteller und Handel in gemeinsamer Verantwortung Store-Tests durch, die die Akzeptanz von Produkt-Innovationen nicht erst kurz vor deren Marktreife, sondern bereits während ihrer Grobkonzeption (Dummy) testen.

Efficient Replenishment

Efficient Product Introduction

212

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Darüber hinaus wird der rege Informationsaustausch zwischen Hersteller und Handel auch dazu genutzt, frühzeitige Veränderungen im Konsumentenverhalten am Point-of-Sale in die Entwicklung von Neuprodukten einzubringen.

Efficient Promotion

Bei Efficient Promotion schließlich geht es um die gegenseitige Abstimmung zwischen Hersteller und Handel bei Verkaufsförderungsaktionen. Dabei sollen nicht nur Doppelarbeiten vermieden, sondern vor allem die Gefahren von Produktionsengpässen seitens der Hersteller (bei einseitigen Aktionen durch den Handel) und die Gefahren von Leerbeständen seitens des Handels (bei einseitigen Aktionen durch den Hersteller) gebannt werden. Des Weiteren verzichten Hersteller und Handel auf besondere Preisaktionen, um das Nachfrageverhalten der Konsumenten zu stabilisieren und um keine Grundlage für Bevorratungskäufe zu schaffen. In diesem Zusammenhang einigen sich Hersteller und Handel auf ein „Every Day Low Pricing“, d.h. die Produkte werden zu einem konstant niedrigen Preis angeboten, der sich als arithmetisches Mittel aus den Preisvariationen eines bestimmten Zeitraums errechnet.

Erfolgsbilanz von ECR

Die bisherige Erfolgsbilanz von ECR ist zwiespältig. Zahlreiche empirische Befunde und veröffentlichte Erfahrungsberichte einzelner Unternehmen bestätigen zwar einerseits einen Erfolg auf der Supply Side, andererseits aber wird gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, wie schwer es ist, ein positives Ergebnis auf der Demand Side nachzuweisen (vgl. etwa Swoboda, 1997, S. 451; Töpfer, 1995, S. 187; Möhlenbruch 1997, S. 122 f.; Meyer, 1999, S. 306 ff.; Seiffert, 2001, S. 60 ff.). Die Gründe hierfür sind vielschichtig: zum Teil blockiert die Angst vor opportunistischem Verhalten trotz Kooperationsbekundungen ein effektives Arbeiten auf der eher erlösorientierten Demand Side (Tunder, 2000, S. 207 ff.; Moll, 2000, S. 187; Schmickler/Rudolph, 2002, S. 15 ff.).

3.2 Zielgruppenbestimmung Die aufgezeigten Entscheidungsbereiche zur Struktur des Zielgruppenprogramms stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der grundsätzlichen Bestimmung der zu bearbeitenden Zielgruppe(n). Dabei gilt es, aus der Gesamtmenge aller potenziellen Nachfrager eine Teilmenge zu definieren, die einerseits in sich homogen ist und sich andererseits heterogen zu anderen Teilmengen absetzt. So soll gewährleistet werden, dass Nachfrager der entsprechenden Zielgruppe gleiche oder zumindest ähnliche Reaktionen auf bestimmte Unternehmens- bzw. Marketingaktivitäten aufweisen. Allerdings können entsprechende Reaktionskoeffi-

Zielgruppenprogramm

213

zienten nur schwer ermittelt werden (Freter, 1983, S. 45 ff.). Deshalb wird auf Ersatzkriterien zurückgegriffen, an die folgende Anforderungen gestellt werden (Meffert, 1998, S. 178 f.): x Kaufverhaltensrelevanz: Die Ersatzkriterien sollen als Indikatoren für das Kaufverhalten dienen. Es sind somit Eigenschaften und Verhaltensweisen der potenziellen Zielgruppe zu erfassen, die typisch für den Kaufprozess eines Produkts sind.

Anforderungen für Kriterien zur Zielgruppenbestimmung

x Operationalität: Die Ersatzkriterien als solches wie auch ihre unterschiedlichen Ausprägungen müssen messbar sein, sonst wären mathematischstatistische Verfahren zur Identifikation von Zielgruppen nicht anwendbar. Für theoretische Konstrukte, wie Motive und Einstellungen, sind geeignete Ersatzindikatoren aufzustellen (siehe hierzu Abschnitt „Marktforschung“, Kap. B 1.2). x Erreichbarkeit und Umsetzungsfähigkeit: Die Ersatzkriterien müssen gewährleisten, dass die mit ihrer Hilfe abgegrenzte Zielgruppe auch gezielt durch Marketingaktivitäten angesprochen werden kann. Nur wenn die Kriterien einen gezielten Einsatz von Marketingaktivitäten ermöglichen, sind sie für eine Zielgruppenbestimmung geeignet. x Wirtschaftlichkeit: Die Ersatzkriterien müssen eine Zielgruppenbestimmung zulassen, deren Nutzen im Ergebnis größer ist als die anfallenden Kosten bei der Bildung der Gruppen. x Zeitliche Stabilität: Die Ersatzkriterien müssen zu Informationen führen, deren Gehalt über einen bestimmten Planungszeitraum hinweg stabil ist. Auf Basis dieses Anforderungsprofils sind in Theorie und Praxis eine Vielzahl von Ersatzkriterien entwickelt und zumeist auch empirisch getestet bzw. angewendet worden (vgl. z.B. Freter, 1993, S. 46; Stegmüller, 1995, S. 164). Zur Systematisierung werden diese Kriterien in personen- und verhaltensbezogene Gruppen unterteilt (Meyer, 1996, S. 74 ff.). Die zwei folgenden Abbildungen geben einen Überblick über die verschiedenen Kriterien und deren mögliche Merkmale zur Zielgruppenbestimmung.

Personenund verhaltensbezogene Kriterien

214

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

personenbezogene Kriterien

geografische Kriterien • Nationen makrogeografische • Regionen Merkmale • Gemeinden • (...) • Ortsteile mikrogeografische • Wohngebiete Merkmale • Straßen • (...)

soziodemografische Kriterien demografische Merkmale

soziografische Merkmale

• Geschlecht • Alter • Familienstand • (...) • Ausbildung • Beruf • Einkommen • (...)

psychografische Kriterien allgemeine PersönlichkeitsMerkmale

• Werte • soziale Orientierung • Aktivitäten • Interessen • allg. Einstellungen • (...)

Lifestyle

• Motive produktspezifische • Nutzenpräferenzen Persönlichkeits• spezifische Einstellungen Merkmale • (...)

Abb. 63: Personenbezogene Kriterien zur Zielgruppenbestimmung (Meyer, 1996, S. 75; Meffert, 1998, S. 180) Geografische Kriterien

Die Einsatzfähigkeit der einzelnen Kriterien ist sehr unterschiedlich zu bewerten, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass in der Regel nicht nur ein einziges Kriterium bei einer Zielgruppenbestimmung ausschlaggebend ist. So dienen beispielsweise die geografischen Kriterien – und hier insbesondere die mikrogeografischen Merkmale – häufig als Ausgangspunkt für eine tiefer gehende Analyse von soziodemographischen und psychographischen Informationen. Hintergrund dieser Vorgehensweise ist die sogenannte „Nachbarschafts-Affinität“, wonach die These vertreten wird, dass „Personen mit gleichem oder ähnlichem sozialen Status und Lebensstil sowie, daraus resultierend, vergleichbarem Kaufverhalten benachbart beziehungsweise in ähnlichen regionalen Bezirken wohnen“ (Meffert, 1998, S. 183).

Zielgruppenprogramm

215

verhaltensbezogene Kriterien

Informationsverhalten • Mediennutzung, -gewohnheiten • Kommunikationsverhalten (Meinungsführerschaft) • Informationsaufnahme, -verarbeitung • (...)

Kaufverhalten • Einkaufsstättenwahl • Markenwahl, -treue • Preissensibilität • (...)

Verwendungsverhalten • Art der Nutzung • Nutzungsdauer, -intensität • Wartungsverhalten • (...)

Abb. 64: Verhaltensbezogene Kriterien zur Zielgruppenbestimmung (Meyer, 1996, S. 75; Meffert, 1998, S. 180) Bei den soziodemographischen Kriterien werden die einzelnen Merkmale vielfach nur in kombinierter Form eingesetzt. Dabei erfüllen insbesondere die demographischen Merkmale eine Art Vorfilterfunktion, da bei ihnen – abhängig vom Produkt – unmittelbar ein Zusammenhang zum Kaufverhalten hergestellt werden kann. Allerdings ist beim Alter zwischen kalendarischem und psychologischem Alter zu unterscheiden, denn die Identifikation einer Person zu einer bestimmten Altersgruppe hat einen weitaus höheren Aussagegehalt, als das tatsächliche Alter. Die Merkmale Ausbildung und Beruf lassen insbesondere dann auf ein bestimmtes Kaufverhalten schließen, wenn vom Kunden bei der Kaufentscheidung ein hohes Involvement abverlangt wird. Das Einkommen wiederum gilt als das am häufigsten verwendete sozidemographische Merkmal zur Zielgruppenbestimmung, wenngleich kein direkter Wirkungszusammenhang zwischen Einkommen und Kaufverhalten hergeleitet wird, sondern nur indirekt über die Kaufkraft besteht.

Soziodemographische Kriterien

Während in der Vergangenheit häufig die geografischen und soziodemographischen Kriterien bei der Zielgruppenbestimmung zugrunde gelegt wurden (nicht zu Letzt wegen ihrer relativ einfachen Erhebungsmethodik), wird mittlerweile verstärkt auf die psychographischen Kriterien Wert gelegt. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass das Verhalten der Nachfrager zunehmend von ihrem eigentlichen geografischen wie auch soziodemographischen Kontext abweicht (Stichwort: Hybrides Kaufverhalten). So werden seit Mitte der achtziger Jahre vor allem sogenannte Lifestyle-Typologien aufgestellt, die stellvertretend beispielsweise für ein bestimmtes Markenbewusstsein oder eine bestimmte Einkaufsstättenpräferenz sind (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 840).

Psychographische Kriterien

216

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Dabei stellt ein Lifestyle ein Beziehungssystem dar, dass sich aus drei Dimensionen aufspannt (AIO-Approach) (Wells/Tigert, 1971):

AIOApproach

x Situative Faktoren und beobachtbare Handlungen (Activities), x Emotional bedingtes Verhalten (Interests), x Kognitive Orientierungen und Wertvorstellungen (Opinions). Bei der Erhebung von Lifestyles-Typologien können praxis- und theoriegeleitete Ansätze unterschieden werden, ohne damit eine Wertaussage ihrer spezifischen Ergebnisse treffen zu wollen.

Praxisgeleitete Ansätze

Die zahlreichen praxisgeleiteten Ansätze gehen in der Regel auf Marktforschungsinstitute, Werbeagenturen und Verlage zurück. Sie dienen in erster Linie kommerziellen Zielen, wie u.a. der Gewinnung von Werbekunden oder der Steigerung des eigenen Bekanntheitsgrads durch entsprechende Publicity der Ergebnisse. Vor diesem Hintergrund besitzen diese Ansätze in der Regel auch „keine theoretische Basis bzw. enthalten in den der Öffentlichkeit zugänglichen Darstellungen keine oder nur sehr bruchstückhafte Informationen über die methodische Vorgehensweise“ (Lingenfelder, 1995, Sp. 1379). Nichtsdestotrotz wurden gerade diese Lifestyle-Typologien als Allgemeingut anerkannt. YUPPIES MAPPIES DINKS SITKOMS TAFIES SLITS

Young Urban Professional People Middle Aged Professional People Double Income, No Kids Single Income, Two Kids, Oppressive Mortgage Technologically Advanced Families Still Living In The Sixties

Abb. 65: Ausgewählte Lifestyle-Typologien praxisgeleiteter Ansätze Theoriegeleitete Ansätze

Zu den theoriegeleiteten Ansätzen zählen z.B. die Studien der SINUSLebensforschung, die auf dem Milieu-Ansatz beruhen, wonach der Lifestyle als Baustein des sozialen Milieus begriffen wird (sogenannter Everyday-Life-Research-Approach). Lifestyles beziehen sich demzufolge auf Erscheinungsformen des Alltags und spiegeln sich in der objektbezogenen Ästhetik und in den Präferenzen der Individuen wider (z.B. in Form von Bekleidungs- oder Wohnstilen). Insofern wird die Kausalkette geknüpft, dass die milieuspezifische Wertorientierung bestimmte Konsum- bzw. Lebensstile steuert, die wiederum das ästhetische Empfinden und den Geschmack des Einzelnen prägen (Lingenfelder, 1995, Sp. 1379).

Positionierungsentscheidungen

217

Das SINUS-Institut in Heidelberg nimmt seit 1979 in regelmäßigen Abständen eine Lifestyle-Analyse der deutschen Bevölkerung vor, wobei diese in kombinierte Werte- und Sozialschichtgruppen segmentiert werden. Im Ergebnis werden „Lebenswelten“ von Zielgruppen unter Berücksichtigung von veränderten Einstellungen und Wertorientierungen erfasst. Unter eine Lebenswelt fallen alle Erlebnisbereiche, mit denen ein Einzelner tagtäglich zu tun hat, wie etwa Familie, Arbeit, Freizeit, Konsum, Unterhaltung etc., und die maßgeblich die Entwicklung von Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmustern bestimmen. Vorreiter der Umsetzung der SINUS-Studien waren Autohersteller (Mercedes-Benz, BMW, Porsche), die bereits Mitte der achtziger Jahren versuchten, ihre Markenpositionierung auf bestimmte Lifestyle-Typen auszurichten (Meffert, 1998, S. 192 ff.). Trotz der zunehmenden Akzeptanz von Lifestyle-Typologien bleibt abschließend jedoch festzuhalten, dass über deren Einsatzfähigkeit unterschiedlich geurteilt wird. Während sie mittlerweile als notwendige Bedingung zur Identifikation von Zielgruppen angesehen werden, wird ihre Aussagekraft dagegen bei der konkreten Umsetzung von Marketingaktivitäten kritisch hinterfragt. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass die Bedeutung der Lifestyle-Typologien umso höher einzuschätzen ist, je mehr ein High-Involvement bei der relevanten Zielgruppe unterstellt werden kann (Stegmüller, 1995, S. 269 ff.; Meffert, 1998, S. 192).

4.

Positionierungsentscheidungen

Die zielgruppenspezifische Positionierung stellt neben der Programmstruktur, dem Objekt- und dem Zielgruppenprogramm das vierte konstitutive Element eines vollständigen (Absatz-)Marktprogramms dar.

Bewertung

218

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

4.1 Grundlagen Definition und Beispiele

Unter Positionierung wird die Einordnung von Angeboten (bzw. von Anbietern, Objekten im allgemeinen) in den Nutzensraum (Wahrnehmungsraum, Urteilsraum) des Nachfragers (Interessenten) verstanden (Steffenhagen, 1991, S. 109). Es geht also um die „Verankerung“ im Bewusstsein des Kunden: Marlboro steht für den amerikanischen Traum von Freiheit, Abenteuer und Wild-West-Romantik; Porsche für Sportwagen; Lufthansa für Sicherheit im Flugverkehr und Volvo für diese Eigenschaft bei PKWs etc. Dabei ist Positionierung ein Prozess, der letztendlich vom Nachfrager vorgenommen wird, auch wenn der Anbieter auf diesen Vorgang einzuwirken versucht (Kotler, 1999, S. 390).

Grundlegende Annahmen

Das Konstrukt der Positionierung beruht auf zwei grundlegenden Annahmen: 1. Der Nachfrager verfügt über einen Nutzenraum, der durch seine nachfragerelevanten Eigenschaften aufgespannt wird; 2. Der Nachfrager ist in der Lage, ihm bekannte Marken, Anbieter, Objekte in diesen Nutzenraum einzuordnen, wobei er beurteilt, inwieweit die für ihn relevanten Eigenschaften jeweils erfüllt werden.

Positionierung und KKV

Komponenten

Die sich damit einstellende Konkurrenzorientierung ist auch ein wesentlicher Unterschied zum Konstrukt „Image“. Gleichzeitig wird die inhaltliche Nähe zum Konzept der Komparativen Konkurrenzvorteile deutlich, wo es bekanntlich – als Zielsetzung – darum geht, bei den für den Nachfrager wichtigen Parametern aus dessen Sicht besser zu sein als die Wettbewerber. Stellen die KKV also das zugrunde liegende Konzept dar, so kann die Positionierung als erzieltes Ergebnis verstanden werden (siehe Abschnitt „Charakterisierung des Marketing“, Kap. B 2). Für den Anbieter, der den Prozess der Positionierung beeinflussen will und eine bestimmte Position im Nutzensraum seiner Nachfrager anstrebt, resultieren daraus drei Komponenten, die durch Marktforschung festzustellen sind (Meyer/Mattmüller, 1999, S. 843): 1. die für den Nachfrager (für die jeweilige Zielgruppe) relevanten Eigenschaften (Parameter) und deren Gewichtung (Priorisierung) im Sinne eines Idealobjekts; 2. Realpositionierung eventuell vorhandener Konkurrenzangebote; 3. Realpositionierung des eigenen Angebots (sofern bereits vorhanden). Auf dieser Grundlage kann entschieden werden, ob die Positionierung des eigenen Angebots bereits der vom Anbieter gewünschten Zielpositionierung entspricht oder ob geeignete Maßnahmen zur Veränderung

Positionierungsentscheidungen

219

(z.B. Kommunikation, Überarbeitung des Angebots etc.) vorzunehmen sind.

4.2 Methodisches Vorgehen Die Erfassung des Nutzenraum des Nachfragers erfordert die Abbildung mehrerer Eigenschaften, die sich jedoch in der Regel auf einige wenige Nutzenbündel oder Dimensionen zurückführen lassen. Die nachfolgende Abbildung zeigt als Beispiel den vereinfachten Nutzenraum eines Autokäufers, dessen vielfältige erwartete Parameter auf drei Dimensionen zurückgeführt werden konnten (es fehlen noch die Einordnungen der Objekte/Anbieter).

Nutzenraum

Als methodisches Werkzeug wird hierzu die Mehrdimensionale Skalierung (MDS) bzw. die Externe Präferenz-MDS verwendet, die nachfolgend nur in ihren Grundzügen geschildert werden soll (zur Vertiefung insbesondere Wührer, 1995, Sp. 1908 ff.).

Mehrdimensionale Skalierung (MDS)

Das Verfahren der MDS wird mittels persönlicher Interviews mit repräsentativ ausgewählten Personen durchgeführt, die in einem ersten Schritt die ihnen bekannten Objekte (Produkte, Marken, Anbieter etc.) jeweils paarweise ausschließlich hinsichtlich deren Globalähnlichkeit bewerten sollen (z.B. die Marken A und B sind „vollkommen ähnlich“ bis „vollkommen unähnlich“). Dabei wird unterstellt, dass aus Sicht des Befragten sehr ähnliche Objekte auch leichter substituierbar sind, während sehr unähnliche Objekte zumindest deutliche Unterschiede in der Beurteilung des Befragten aufweisen (wobei in diesem ersten Schritt des Verfahrens noch nicht bekannt ist, wie gut oder wie schlecht die sehr ähnlichen Objekte sind bzw. welches der sehr unähnlich eingeordneten Objekte jeweils besser/schlechter ist als das Gegenstück). Die Ergebnisse der globalen Ähnlichkeitsbewertung der einzelnen Paare werden in einer Affinitätsmatrix zusammengefasst und mittels entsprechender Software in eine erste grafische Umsetzung gebracht, in der die ermittelten Ähnlichkeiten anhand der Entfernungen der Objekte wiedergegeben werden. Das nachfolgende Beispiel zeigt, dass die Objekte A und B als sehr ähnlich, das Objektpaar D und E hingegen als unähnlichstes bewertet wurden. Entsprechend ergeben sich die Abstände in der Grafik, die einen ersten Schritt zur Modellierung des Nutzenraumes des Nachfragers (bzw. der repräsentativ befragten Zielgruppe) darstellt.

Globalähnlichkeit

220

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

Design Sound Sitze

...

Sportlichkeit

Ak sys tive F tem ah re

Bre ver msh al Au ten sch fprall utz -

Ans c fung hafspre is

We r kos kstattte n Spr i verb trauc ... h

...

Motorleistung

Reifengröße

Air bag s

AB S

Sicherheit

Wirtschaftlichkeit

Abb. 66: Vereinfachter Nutzenraum eines Autokäufers A

B

C

D

A



B

1



C

6

4



D

8

3

2



E

5

9

7

10

Abb. 67: Affinitätsmatrix

A

B D

E

C

Abb. 68: Grafische Umsetzung der Affinitätsmatrix

E



Positionierungsentscheidungen

221

Im nächsten Schritt des Verfahrens bestimmt der Befragte seine relevanten Parameter, die er in der Regel aus einem ihm vorgelegten Maximalkatalog möglicher kaufentscheidender Eigenschaften auswählt und gleichzeitig mit einer Gewichtung (beispielsweise von „sehr wichtig“ bis „vollkommen unwichtig“) versieht. Abschließend bewertet er auf der Basis der von ihm als relevant ausgewählten Parameter, inwieweit die ihm bekannten Objekte seine gewünschten Anforderungen erfüllen oder nicht (etwa anhand einer klassischen Schulnotenskala). Die so gewonnenen Rohdaten können (bei Vorliegen bestimmter Anforderungen, wie etwa konsistenter Bewertungen) mittels spezieller Software in eine grafische Zusammenfassung übergeführt werden. Dabei werden die Pfeilspitzen der abgebildeten Dimensionen (Nutzenbündel, Nutzenvektoren) als positive Ausprägungen interpretiert. Die Positionen der einzelnen Objekte, die sich aus dem dritten Befragungsschritt des Verfahrens ableiten lassen, werden nun durch Fällen des Lots auf die jeweiligen Di8 mensionen abgelesen. Dabei ist zur Bewertung der relative Abstand des Lotpunkts zur Pfeilspitze im Vergleich zu den Wettbewerbern entscheidend. Problemlösung

Kompetente Beratung

Leistungsvielfalt

IV IO

Relevante Parameter und Objektbeurteilung

I II III V

Preisgünstigkeit

Abb. 69: Beispiel für eine vereinfachte MDS-Darstellung (Computeranbieter) Im obigen Beispiel ergibt sich, dass der Anbieter V hinsichtlich der Dimensionen „Kompetente Beratung“ und „Leistungsvielfalt“ (bzw. der diese Dimensionen bildenden einzelnen Parameter, wie etwa „Freundlichkeit des Personals“, „Fachkenntnis“, „Auskunftsbereitschaft“ etc.) als schlechtester der bewerteten Wettbewerber eingestuft wurde. Ähn-

Beispiel

222

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) lich negativ ist seine Position bei der Dimension „Problemlösung“, wo er mit Konkurrent III vergleichbar liegt. Die vom Nachfrager gewünschte Optimalkombination dieser Dimensionen – ihre Gewichtung ergibt sich aus dem zweiten Schritt des Verfahrens – ist über IO ablesbar und zeigt, dass in erster Linie „Problemlösung“ und „Kompetente Beratung“ gewünscht sind, die durch eine gewisse „Leistungsvielfalt“ und „Preisgünstigkeit“ abgerundet werden.

4.3 Positionierungsstrategien USP

ImitationsStrategie (Me-too)

Im Allgemeinen kann zwischen Abhebungs- und Imitationsstrategien unterschieden werden. Erstere streben den Aufbau einer USP, also einer Unique Selling Proposition, an und versuchen, eine vom Nachfrager deutlich wahrzunehmende Differenzierung gegenüber den Konkurrenten zu erreichen. Dieses kann auch durch die Besetzung einer Marktnische geschehen. Darunter ist eine bestimmte Kombination (und Gewichtung) kaufentscheidender Dimensionen zu verstehen, die – aus Sicht der betroffenen Zielgruppe – noch durch kein existentes Angebot abgedeckt wird. Imitationsverhalten – auch Me-too-Strategie genannt – beabsichtigt hingegen, die Positionierung eines erfolgreichen Wettbewerbers mitzunutzen und in der Regel dabei Preisvorteile als Kaufargument zu bieten. Für Anbieter V ergäbe sich im vorliegenden obigen Beispiel in erster Linie die Konsequenz zur Verbesserung seiner Problemlösungsfähigkeit und der Beratungskompetenz. Hierzu ist es wichtig, dass beispielsweise eingeführte Verbesserungen der Produkte oder Qualifizierungsmaßnahmen der Mitarbeiter (oder etwa auch eine verbesserte Kommunikation vorhandener Stärken) vom Nachfrager auch als solche erkannt und besser bewertet werden, sodass sich in Folge die Positionierung von V auch im positiven Sinne verändert (Positionierung läuft im Kopf des Kunden ab!). In diesem Sinne ist zwischen Maßnahmen im Bereich der Angebotspolitik einerseits und der kommunikativen Übermittlung andererseits zu differenzieren. Dabei muss zunächst unterstellt werden, dass sich die Dimensionen und deren Gewichtung nicht grundlegend verändern, bevor die obigen Verbesserungen greifen. So wäre es ja durchaus denkbar, dass die Nachfrager in einiger Zeit die bisher gewünschte Beratungskompetenz gar nicht mehr benötigen und so entsprechende Maßnahmen des Anbieters V ins Leere laufen würden. Deutlich wird die Notwendigkeit, die Zusammensetzung des Nutzenraums der Nachfrager

Programmvorgaben

223

und die Gewichtung der Dimensionen in gebotenen Abständen zu kontrollieren.

5.

Programmvorgaben

Den obigen Ausführungen ist zu entnehmen, dass notwendige Verknüpfungen zwischen den konstitutiven Elementen eines Marktprogramms und den nachfolgenden Teil- (bzw. Unterfunktionen) bestehen müssen. Somit wird gewährleistet, dass die strategischen Dispositionen sich in den nachfolgenden Entscheidungsbereichen widerspiegeln und sich wie ein „roter Faden“ durch diese hindurchziehen. Gleichzeitig ist eine verdichtende Budgetfestlegung vorzunehmen.

Funktion der Programmvorgaben

Dabei können innerhalb des Marktprogramms natürlich keineswegs alle – auch nicht alle strategischen – Entscheidungen der anderen Funktionen getroffen werden. Vielmehr gilt es, Bandbreiten abzustecken und notwendige Vorgaben zu treffen, um diese Durchgängigkeit sicherzustellen. Die entsprechenden Details werden dann innerhalb der Funktionen – konkret in den dort ablaufenden Managementfunktionen, vor allem in der Konzeption und Planung – bestimmt. So ist es also beispielsweise notwendig, im Rahmen einer Angebots-Innovation Kernpunkte für die Kommunikation des neuen Angebots zu definieren, wobei insbesondere auf die festgelegte Positionierung hinzuweisen ist. Diese Richtlinien sind dann in der Werbekonzeption vor allem in taugliche Werbeziele umzusetzen und in den einzelnen Schritten einer vollständigen Werbeplanung zu konkretisieren (siehe Abschnitt „Marktkommunikation“). Nach der Durchführung hat die Werbekontrolle dann auch zu evaluieren, inwieweit sich Abweichungen von den Programmvorgaben aus dem Marktprogramm ergeben haben und ob diese für eventuelle Fehlentwicklungen ursächlich waren.

Bandbreite

Deutlich wird an dieser Stelle nochmals das in sich abgestimmte und aufeinander aufbauende Vorgehen im Rahmen des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes.

224

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

x Nennen Sie alle konstitutiven Elemente eines AbsatzMarktprogramms! x Warum bezeichnet man Strategische Geschäftsfelder als Basisbausteine/Basiselemente des strategischen Marketing? x Welche Anforderungen müssen Strategische Geschäftsfelder bei ihrer Abgrenzung erfüllen? x Welche Dimensionen einer Diversifikation können vorliegen? x Welche Austrittsbarrieren stehen einer Reduktion entgegen? x Welche besondere Charakteristik weist die Konversion auf? x Welche Dimensionen einer Multiplikation können vorliegen? x Worin liegt der Unterschied zwischen Breite und Tiefe des Objektprogramms? x Welche Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich im Objektprogramm? x Warum sind der Preis und die Markierung ein zwingendes Objektmerkmal? x Auf welchen drei Wegen kann man Schutz für ein Kennzeichen (Marke) erlangen? x Was verstehen Sie unter einer Marke? x Welche Funktionen erfüllt die Marke? x Welche drei grundsätzlichen Entscheidungsbereiche werden in der Markenführung unterschieden? x Warum ist eine Basismarke nicht unbedingt gleichzusetzen mit einer Handelsmarke? x Nennen Sie die Möglichkeiten der Preisdifferenzierung! x Was wird unter Preisbündelung verstanden? x Welche Beweggründe führen zu einer Outpacing Strategy? x Was ist der Unterschied zwischen Skimming und Penetration Strategy? x Was passiert bei einer Preissenkung im elastischen Bereich der Preis-Absatzfunktion? x Wie lauten die Gestaltungsmöglichkeiten im Zielgruppenprogramm? x Wie läuft das Verfahren zur Selektion von Handelspartnern ab? x Was wird unter Efficient Consumer Response verstanden? x Auf welchen grundlegenden Annahmen beruht das Konstrukt der Positionierung? x Wie lautet das Standardverfahren zur Feststellung von Positionierungen?

Programmvorgaben

Anmerkungen 1

Vgl. zum Folgenden Meyer/Mattmüller, 1993

2

Vgl. hierzu Mattmüller, 1999, S. 136 ff.

3

Vgl. zu diesem Abschnitt Mattmüller/Tunder, 1998, S. 591 ff.

4

Während der Lizenzerwerb dem erwerbenden Unternehmen dann die eigenständige Bearbeitung des absatzseitig zu definierenden Geschäftsfelds ermöglicht, erfordert die Lizenzvergabe eben dieses – aus Sicht des Lizenzgebers fremde – Unternehmen, das für den Geber den Absatz durchführt. Daher wird der Lizenzerwerb als autonome Eintrittsstrategie in das zu bearbeitende Geschäftsfeld gewertet, die Lizenzvergabe als Form der – absatzseitig gerichteten – Kooperation.

5

Für die Handelmarkenstrategie siehe Mattmüller und Tunder (2004, S. 949 ff.).

6

Die Bezeichnung „akquisitorisches Potenzial“ geht auf Gutenberg zurück, der diese Bezeichnung für die Gesamtheit der bei potenziellen Nachfragern präferenzschaffenden Marketingaktivitäten eines Anbieters einführte (Gutenberg, 1979, S. 243).

7

In der Literatur gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zum Verständnis von Marken. Bruhn beispielsweise unterscheidet sieben miteinander konkurrierende Ansätze, nämlich den wirkungsbezogenen Ansatz, den merkmalsorientierten, den intensitätsbezogenen, den herkunftsstrukturierten, den instrumentalen, den absatzorientierten und schließlich den erfolgsorientierten Ansatz (Bruhn, 2004, S. 8 ff.).

8

Die Anordnung der durch die Pfeile dargestellten Dimensionen ergibt sich durch eine mehrfache Optimierung auf der Basis der umfangreichen Rohdaten. Dabei ist keine kausale Verknüpfung der einzelnen Nutzensbündel ablesbar: im verwendeten Beispiel stehen also „Kompetente Beratung“ und „Preisgünstigkeit“ nicht ursächlich diametral zueinander – die grafische Anordnung ergibt sich allein aus der gestellten Aufgabe, Globalähnlichkeit, relevante Parameter und Bewertung der Objekte hinsichtlich der Leistungserfüllung auf der Fläche abbilden zu müssen.

225

226

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung)

Teil C: Case Study „Schauma“ Relaunch einer Marke

Zu Beginn der neunziger Jahre stand Schwarzkopf & Henkel unter Zugzwang. Auf der einen Seite traten neue Marken mit hohen Werbeaufwendungen in den Markt ein (z.B. Wash & Go, Sanara, Pantene, Organics), auf der anderen Seite verlangten die Nachfrager zunehmend nach sogenannten High-Tech-Produkten der Haarpflege. Gleichzeitig galt es, der negativen Marktentwicklung von Schauma in den achtziger Jahren entgegenzuwirken. Vor diesem Hintergrund startete Schwarzkopf & Henkel Anfang der neunziger Jahre mit einer breit angelegten Produktoffensive. Das bis dahin relativ eng ausgelegte Objektprogramm wurde in kürzester Zeit um mehrere Produktinnovationen erweitert. x Einführung der Schauma „Pflege-Haar-Kuren“ in vier Varianten (1990); x Einführung eines 2 in 1 Produkts (1991); x Einführung von Schaumbalsam in drei Varianten (1994); x Einführung des Shampookonzentrats „Schauma Plus“ als Premiummarke und damit Markenführung über zwei Schichten hinweg (Premium und Klassik) (1995). Zudem wurde im kommunikativen Auftritt auf die Visualisierung des ursprünglichen Familiengedankens verzichtet. Man griff den Trend nach Individualisierung auf und bot für unterschiedliche Kundenprobleme spezifische Lösungen an. Einzig die tropfenförmige Flasche wurde beibehalten, wobei anstatt einer Personen- bzw. Familiendarstellung eine Tropfenzeichnung als Key Visual diente. Gleichzeitig wurde das Logo „auf den Kopf gestellt“, also vertikal auf der Flasche angebracht. Wider Erwarten honorierte der Kunde die Anstrengungen von Schwarzkopf & Henkel nicht. So konnte sich Schauma im Bereich Kuren nicht sonderlich durchsetzen und der Schaumbalsam hielt dem Wettbewerbsdruck nicht stand.

Case Study „Schauma“

227

24

19

El'Vital

14

10,7

Nivea

9

8,8

8,7

7,7

6,4 6,6

Schauma

4

1990

1991

1992

1993

1994

1995

Abb. 70: Entwicklung im Spülungsmarkt (Marktanteile in Prozent)

20

15

El'Vital Gliss Kur

10

5 1,9

2,9

3,1

2,2

1,3

1990

1991

1992

1993

0,8

Schauma

0

1994

1995

Abb. 71: Entwicklung im Kurenmarkt (Marktanteile in Prozent) Zudem bestätigten Marktforschungen die Gefahren, die man mit der Produktoffensive bewusst in Kauf genommen, aber in ihren Ausprägungen unterschätzt hatte. So führte der Ausbau des Pflege- und KurenBereichs bei gleichzeitiger Beibehaltung der sehr großen Preisspreizung innerhalb des Gesamtprogramms zu einer mangelnden Glaubwürdigkeit. Ferner bedeutete die Aufgabe des USP „Kräftigung des Haars“ und der Familienpositionierung einen Bruch mit der Schauma-Historie. Die zunehmende Spezialisierung und die Konzentration auf den Pflegeund Kurenbereich gefährdeten zusätzlich den Markenkern von Schauma. Das Resultat dieser Entwicklungen ließ sich Mitte der neunziger Jahre beobachten: Schauma verlor erstmals die wertmäßige Marktführerschaft im Shampoo-Bereich.

228

Strategisches Marketing (Marktprogramm-Erstellung) Ausgehend von dieser Situation besann man sich 1996 zu einem umfassenden Relaunch, der drei wesentliche Maßnahmen beinhaltete: 1. Rückbesinnung auf den wahren Markenkern von Schauma; 2. Konzentration auf das eigentliche Kerngeschäft: Shampoo & Spülung (Bereinigung des Objektprogramms um Spezialangebote); 3. Überarbeitung der (äußerlich wahrnehmbaren) Markenidentität, Rückbesinnung auf das ursprüngliche Markenbild. Im Einklang mit diesem Maßnahmenkatalog wurde die Kommunikation angepasst. Hierzu wurde eine „Brücke geschlagen“ zu den erfolgreichen siebziger Jahren, indem man zum einen den damaligen Claim in modifizierter Form erneut verwendete: „Schauma pflegt nicht nur, es kräftigt auch das Haar bis in die Spitzen“. Zum anderen wird bewusst auf die erfolgreiche Historie verwiesen: „Nur weil ich Schauma schon als Kind benutzt habe, ist mein Haar heute so kräftig“. Darüber hinaus knüpfte das Layout der Flasche wieder an den Packungsauftritt der früheren Jahre an.

Abb. 72: Relaunch 1996 Im Ergebnis führten dieser Relaunch und Revival unmittelbar zu einem Markterfolg. Der wertmäßige Marktanteil steigerte sich sprunghaft innerhalb weniger Monate um mehr als zwei Prozent. Aufbauend hierauf wurde der eingeschlagene Weg bei der Einführung neuer Varianten

Case Study „Schauma“

229

konsequent weitergegangen. 1999 wurde dank dieser konsistenten Markenführung die Marktführerschaft von Pantene zurückgewonnen, die bis heute gegen Maßnahmen der Konkurrenz verteidigt werden konnte. Darüber hinaus modernisierte man den Marktauftritt von Schauma mittels eines überarbeiteten Designs, einer verbesserten Rezeptur und aktualisierter Düfte. Dies geschah im Einklang mit dem mittlerweile wieder gestärkten Markenkern von Schauma.

Schauma

Kräftigung und Pflege

Schauma

Ein Angebot für jeden in der Familie

Schauma

komplettes Haarpflegeangebot

Schauma

von Schwarzkopf

Abb. 73: Markenidentität von Schauma In den folgenden Jahren wurden Sortiment und Auftritt wiederholt unter Berücksichtigung aktueller Verbrauchertrends aktualisiert. Dabei lag der Fokus jedoch auf dem Markenkern „Kraft“. Als Resultat dieser Maßnahmen kann Schauma auf einen im Vergleich zu 1996 stark gestiegenen Marktanteil blicken: Schauma ist das mit Abstand meistverkaufte Shampoo. Bei jeder vierten Haarwäsche in Deutschland wird Schauma verwendet. 16 14

Schauma Pantene Elvital Nivea

12 10 8 6 4 2

04

03

02

01

00

99

98

05 20

20

20

20

20

20

19

19

96

95

94

93

92

91

97 19

19

19

19

19

19

19

19

90

0

Abb. 74: Entwicklung des wertmäßigen Marktanteils von Schauma im Vergleich zu den stärksten Konkurrenzprodukten in Prozent

Marktkommunikation Marktkommunikation

x Sie können institutionenökonomisch begründen, inwiefern Werbung zur Reduktion von Unsicherheit beitragen kann. x Sie entwickeln ein Verständnis für die verschiedenen Marktkommunikationsformen. x Sie kennen den Ablauf und die Zusammenhänge der wesentlichen Aufgaben in der Werbung. x Sie kennen die Determinanten des allgemeinen zwischenmenschlichen Kommunikationsprozesses und sind für die spezifischen Wirkungsweisen der Marktkommunikation sensibilisiert. x Sie können den Ablauf des Werbemanagements nachvollziehen. x Insbesondere sind Sie für die besondere Problematik der Werbezielformulierung sensibilisiert und verstehen die Ausrichtung der Entscheidungsbereiche auf klare Werbeziele. x Sie kennen den Ablauf der Agenturauswahl.

238

Marktkommunikation

Teil A:

Einordnung und Grundlagen

1.

Einordnung der Marktkommunikation

Zur zweiten Phase eines Tauschprozesses – der Marktkommunikation oder Anbahnung – zählen Aufgaben aus dem Bereich der eher angebotsbezogenen Werbung einerseits sowie der gesamtunternehmensbezogenen Öffentlichkeitsarbeit andererseits. Vor einer näheren Abgrenzung dieser beiden Säulen soll im Folgenden zunächst auf die historische Komponente dieser sicherlich sehr alten Teilfunktion des Marketing eingegangen werden, wobei zunächst vereinfachend von Werbung gesprochen wird.

1.1 Geschichtliche Entwicklung der Werbung Etymologischer Ursprung

Der etymologische Ursprung des Worts Werbung liegt im althochdeutschen Wort „werban“ bzw. „wervan“, was soviel bezeichnet wie „sich drehen“, „hin- und hergehen“ oder „etwas betreiben“. Das erste Werbemittel war dabei sicher die menschliche Stimme, mit deren Hilfe umherwandernde Ausrufer auf dem Markt ihre Waren anpriesen. Auch die babylonischen Keilinschriften, die sämtliche Angebote in Stein gemeißelt auflisteten, dienten dazu, Kunden aufmerksam zu machen (Schweiger/Schrattenecker, 1982, S. 1; Tietz, 1982, S. 3110). In der Antike wurden beispielsweise bereits Tonlampen in Massenfertigung erstellt, die dann mit einer Münze oder einem Stempel des Herstellers gekennzeichnet wurden. Diese sogenannten Firmalampen trugen also bereits eine erste Prägung, die man als Marke bezeichnen kann – mit allen kommunikationstheoretischen Vorzügen einer Markierung (wie etwa Abgrenzung vom Wettbewerb, Wiedererkennbarkeit etc.).

Einordnung der Marktkommunikation

239

Im Mittelalter war Werbung weitgehend verboten. Lediglich den Zünften war es in Ausnahmefällen vorbehalten, sogenannte Ausrufer zu entsenden, die das Volk beispielsweise zum Steinhausbau auffordern sollten (aus Angst vor Feuerbrünsten und zum Schutz der Städte). Zur gleichen Zeit nutzte die Kirche Illustrationen, Bilder und ähnliche Hilfsmittel, um Schichten zu erreichen, die nicht lesen und schreiben konnten. Erst mit dem zunehmenden Aufstieg der Städte im Spätmittelalter nahm die Bedeutung der Werbung wieder zu. So gab es beispielsweise „professionelle Ausrufer“, die im Auftrag fremde Waren anpriesen. Durch Johannes Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks wird es Anfang des 15. Jahrhunderts schließlich möglich, die werbliche Aussage zu vervielfältigen und so ein breites Publikum anzusprechen. Seit Beginn der industriellen Revolution ist die Werbung in einem permanenten Entwicklungsprozess, stets auf der Suche nach neuen Werbemitteln oder -trägern. So wird Mitte des 19. Jahrhunderts der Anzeigenraum in Zeitungen für die Werbung entdeckt: als Konsequenz gewinnen die Zeitungen drastisch an Bedeutung als Werbeträger. Mit diesem Aufschwung der Zeitung entstehen auch die ersten Werbeagenturen, deren Hauptaufgabe in der Vermittlung und Platzierung von Anzeigen liegt. So wird etwa 1869 in den USA die erste Werbeagentur N.W. Ayer gegründet. Auf sie geht die auch heute noch übliche Vermittlungsprovision für Agenturen von 15% der Medienaufwendungen zurück (MeyerHentschel, o. J., S. 225). Die Entstehung von Rundfunk und Film verschafft weitere, bis dorthin ungeahnte Möglichkeiten. In der gleichen Zeitepoche setzt sich in Deutschland auch das Plakat als Werbemittel durch, nachdem es bereits ca. 30 Jahre früher in den USA erfunden worden war. Nach dem zweiten Weltkrieg erlebt das Werbefernsehen dann endlich seinen Durchbruch und entwickelt sich zu einem der führenden Werbeträger. Später folgen weitere „neue elektronische Medien“, wie z.B. CDROMs oder Internet, die sich wachsender Beliebtheit erfreuen (Bruhn, 2003, S. 71ff.). Im Printbereich haben sich bis heute die verschiedenen Satztechniken über Offset-Druck bis hin zu Desktop-Publishing immer weiter verbessert.

Erste Werbeagentur 1869

240

Marktkommunikation

1.2 Institutionenökonomische Begründung der Marktkommunikation Informationsasymmetrie

Signaling und Screening

Der Austausch von Versorgungsobjekten wird unabdingbar durch den Tausch von Informationen begleitet bzw. setzt diesen voraus. Dabei liegen aufgrund unvollständiger Informationen Informationsasymmetrien mit endogener Unsicherheit als Konsequenz vor. Zur Überbrückung dieser Informationslücken bzw. -asymmetrien werden in der Informationsökonomik Unsicherheitsreduktionsstrategien dargestellt, die einen Ausgleich ermöglichen sollen und somit auch die entsprechenden Transaktionskosten zu senken helfen. Diese Unsicherheitsreduktionsstrategien beziehen sich auf den bereits angesprochenen Informationsaustausch, wobei zwei Vorgehensweisen der tauschenden Parteien unterschieden werden: einerseits die Informationsübermittlung (Signaling) und andererseits die Informationsbeschaffung (Screening). Signaling beschreibt dabei die Übertragung von Informationen durch die besser informierte Seite - in der Regel durch den Anbieter - auf die schlechter informierte Seite, den Kunden. Gerade Signaling spielt im Marketing im Allgemeinen und im Bereich der Anbahnung im Besonderen eine herausragende Rolle. So kann etwa die anbietende Einzelwirtschaft durch Signale glaubwürdige Informationen senden, um sich so von den Wettbewerbern abzuheben. Aus Sicht des Nachfragers kann Werbung als das Heranziehen von Information verstanden werden. Werbung dient dazu, die Residualunsicherheit soweit zu senken, dass es so zu einer – aus Sicht des Anbieters positiven – Handlungsentscheidung (=Handlungsauslösung) kommt. Die Unsicherheitserwägungen des Käufers (bzw. des Umworbenen) sind wiederum abhängig von seinem Kosten-Nutzen-Kalkül und von den bereits an früherer Stelle kurz charakterisierten informationsökonomischen Eigenschaften der Tauschobjekte (Differenzierung in Such-, Erfahrungsund Vertrauenseigenschaften, siehe hierzu Abschnitt „Charakterisierung des Marketing“, Kap. A 3.3).

Werbung bei Sucheigenschaften

Bei Sucheigenschaften kann das Versorgungsobjekt bereits vor dem Kauf relativ leicht inspiziert werden. Deswegen besteht für den Werbungtreibenden auch kein Anreiz, in der Werbung mehr zu versprechen, als das Versorgungsobjekt erfüllen kann. Diese Verhaltensweise kann wiederum vom Nachfrager antizipiert werden, weswegen er der Werbung ein höheres Vertrauen entgegenbringt.

Erscheinungsformen und kommunikationstheoretische Grundlagen

241

Bei Erfahrungseigenschaften können Unsicherheiten vor dem Kauf beispielsweise durch Garantien, aber auch durch die schlichte Höhe der produktbezogenen Werbeausgaben reduziert werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von leistungsbezogenen Informationssubstituten (Kaas, 1995, S. 971).

Werbung bei Erfahrungseigenschaften

Bei Versorgungsobjekten mit überwiegenden Vertrauenseigenschaften sind die Kosten zur Überprüfung der gemachten Werbeaussagen für den Umworbenen prohibitiv hoch bzw. eine Überprüfung ist faktisch unmöglich. Hier liegt ein Glaubwürdigkeitsproblem der Werbung vor: die gegebene Unsicherheit muss durch leistungsübergreifende Informationssubstitute – wie etwa durch die Anbieterreputation, das Firmenimage oder durch den Bekanntheitsgrad der Produkte bzw. der Unternehmung als solches – überwunden werden (Kaas, 1990, S. 544).

Werbung bei Vertrauenseigenschaften

Marktkommunikation bzw. Werbung stellt also – aus Anbietersicht – eine Form des Signaling dar, die es dem interessierten Nachfrager – im Sinne eines Screening – ermöglicht, angebotene Informationen aufzunehmen und dadurch seine Unsicherheit sowie daraus resultierende Transaktionskosten zu senken.

2.

Erscheinungsformen und kommunikationstheoretische Grundlagen

Jedes Unternehmen muss, um seine Ziele der Existenzsicherung und Ertragserzielung zu erreichen, mit der Beschaffungs- und mit der Absatzseite in Verbindung treten. Nur in einem Netz von Beziehungen ist es für die Einzelwirtschaft möglich, die benötigten Ressourcen für die Leistungserstellung zu erhalten und andererseits diese auch auf dem Markt abzusetzen. Daher ist es für die Einzelwirtschaft zwingend notwendig, diese Beziehungen anzubahnen, d.h. in einen Kommunikationsprozess mit den Marktpartnern in den vor- und nachgelagerten Märkten zu treten. Der Wirkungskreis der Marktkommunikation als Umsetzung des integrierten Marketingverständnisses erstreckt sich also konsequenterweise auf alle Anspruchsgruppen der Einzelwirtschaft/Unternehmung – etwa auf die Lieferanten bei der Beschaffungswerbung, auf potenzielle Anteilseigner im Rahmen von Börsengängen, auf (potenzielle) Kunden

Wirkungskreis der Marktkommunikation

242

Marktkommunikation etc. (siehe hierzu nochmals Abschnitt „Charakterisierung des Marketing“, Kap. A 2).

Aufgabe der Marktkommunikation

Konkrete Aufgabe der Marktkommunikation ist die planmäßige und zielgerichtete Übermittlung von Botschaften/Signalen zum Zwecke der Beeinflussung anderer Einzelwirtschaften (Schineis, 1996, S. 108). Dabei umfasst die Marktkommunikation sowohl die objektbezogene Werbung einerseits als auch die auf die Unternehmung allgemein ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit anderseits. Diesen beiden Säulen sind weitere Arten der Informationsübermittlung zuzuordnen, wie etwa Sponsoring, Product Placement, Messeauftritte u.a. Im Folgenden werden diese Erscheinungsformen der Marktkommunikation und ihre Spielarten kurz übergreifend charakterisiert.

2.1 Erscheinungsformen der Marktkommunikation Als eine besondere Erscheinungsform der Marktkommunikation ist zunächst die Werbung zu beschreiben: sie ist durch absichtlichen Mitteleinsatz gekennzeichnet, in ihrer Zielsetzung beeinflussend, aber absolut zwangfrei und somit nicht manipulativ, sondern höchstens persuativ. Ziel der Werbung ist die Anbahnung von Beziehungen zum Zwecke des Absatzes oder der Beschaffung von Versorgungsobjekten (Meyer/Hermanns, 1981, S. 26). Bereiche der Werbung

Werbung ist jedoch ebenso im privaten Umfeld zu finden, wie beispielsweise bei der Bewerbung um einen neuen Arbeitsplatz. Sie spielt aber etwa auch im kulturellen, im politischen (z.B. bei Mitgliederwerbungen) und im sozialen Bereich eine wichtige Rolle (siehe das nachfolgende Beispiel aus der AIDS Aufklärungskampagne).

Erscheinungsformen und kommunikationstheoretische Grundlagen

243

Abb. 75: AIDS-Kampagne 2006: Passt auf jede Gurke (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) Da Werbung in fast alle gesellschaftliche Bereiche mit einfließt, lässt sich daraus schließen, dass sie überall dort zu finden ist, wo ein Kommunikationsproblem überwunden werden muss. Die Öffentlichkeitsarbeit stellt den zweiten Schwerpunkt der Marktkommunikation dar: bei ihr geht es um die Gestaltung positiver Kommunikationsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und anderen sozialen Gruppen in der Öffentlichkeit (z.B. öffentliche Verwaltung, Parteien, Verbände, Interessengruppen, etc.), um dadurch Vertrauen und Reputation für die Einzelwirtschaft in der Öffentlichkeit zu schaffen. Im Folgenden werden die wesentlichen Unterschiede zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Werbung herausgestellt:

Öffentlichkeitsarbeit

244

Marktkommunikation

Werbung

Öffentlichkeitsarbeit

Anbahnung von Beziehungen in Anbahnung von Beziehungen in Absatz- und Beschaffungsmärk- der Öffentlichkeit bzw. in deren ten Teilbereichen mit dem finalen Ziel, Marktver- mit dem finalen Ziel der Schafträge abzuschließen fung von öffentlichem Vertrauen bezieht sich auf einzelne Versor- bezieht sich auf das gesamte gungsobjekte bzw. Angebote Unternehmen untersteht funktional dem Ab- untersteht funktional der Leisatz- bzw. dem Beschaffungs- tung des Unternehmens marketing Abb. 76: Abgrenzung von Werbung und Öffentlichkeitsarbeit (Schineis, 1996, S. 109) Wesentliche Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit im Vergleich zur Werbung ist es also, positive Rahmenbedingungen für die gesamte Einzelwirtschaft zu schaffen. Die so geschaffene Reputation ist zur Erreichung verschiedener Subziele des Unternehmens wichtig: der Rekrutierung von qualifiziertem Personal, der Ansprache von Investoren und der Kommunikations- und Handlungsfähigkeit in Krisenfällen bspw. gegenüber Umweltgruppen. Da die Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit das gesamte Unternehmen betreffen, ist die Öffentlichkeitsarbeit funktional der Unternehmensleitung zu unterstellen. Kurze Hierarchiewege ermöglichen eine schnelle Reaktionszeit, die vor allem im Falle eines Krisenmanagements notwendig ist (etwa bei einem Schadstoffaustritt in der Produktion eines Chemieunternehmens). Damit verbunden ist auch die Entscheidungsgewalt der Unternehmensleitung und ein in der Regel höheres Know-how über alle Unternehmensbereiche, was sich in der aktiven Betreuung der Medien als Vorteil erweist. Neben diesen beiden grundsätzlichen Erscheinungsformen gibt es noch weitere Arten der Marktkommunikation, die je nach verfolgter Zielsetzung einer der beiden Säulen der Kommunikation zugeordnet werden können. Die Existenz weiterer Kommunikationsformen lässt sich u.a. damit begründen, dass bestimmten Branchen – etwa der Tabakindustrie – die Nutzung bestimmter Werbeträger, wie des Fernsehens, in Deutschland verschlossen ist.

Erscheinungsformen und kommunikationstheoretische Grundlagen Allgemein versteht man unter Sponsoring die Zuwendung von Finanzund/oder Sachmitteln und/oder Dienstleistungen von einer Einzelwirtschaft (Sponsor), an eine andere Einzelwirtschaft, wie eine Einzelperson, eine Personengruppe, eine Organisation oder Institution (Gesponserte), gegen die Gewährung von Rechten an der Person des Gesponserten und/oder Rechten an den Aktivitäten des Gesponserten zur kommunikativen Nutzung, auf Basis einer vertraglichen Vereinbarung (Schweiger/Schrattenecker, 1995, S. 231 f.). Sponsoring erfüllt damit eine Art Doppelfunktion: auf der einen Seite stellt es eine Ressourcenbeschaffung/Mittelfinanzierung für den Gesponserten dar und auf der anderen Seite eine Art der Marktkommunikation für den Sponsor.

245 Sponsoring

Sponsoring ist häufig im Sportbereich vorzufinden, etwa durch Kennzeichnung von Ausrüstungsgegenständen. Aber auch in anderen Bereichen, wie etwa Kultur (z.B. durch Finanzierung von Konzerten oder Ausstellungen) gewinnt Sponsoring zunehmend an Bedeutung. Eine relativ junge Form des Sponsoring stellt das sogenannte Bildungssponsoring mit der Unterstützung von Forschungs- und Bildungsinstitutionen bzw. deren Projekten dar. Eine weitere Art der Marktkommunikation ist das Product Placement. Hierbei geht es um die werbewirksame und zielgerichtete Platzierung bzw. Integration von Objekten in den Handlungsablauf eines Kinofilms oder Fernsehprogramms (selten in Printmedien), ohne dass dieses vom Zuschauer als direkte kommunikationspolitische Maßnahme eines Werbungtreibenden identifiziert werden kann. Ein herausragendes Beispiel stellen die James Bond Filme dar, etwa mit der Präsentation von Omega Uhren und vor allem von verschiedenen BMW Autotypen im Rahmen deren Markteinführung (beispielsweise Z 3, Z 8). Ein wesentlicher Vorzug des Product Placement aus Sicht des Werbungtreibenden ist es, das Produkt unterschwellig in einem lebensnahen Umfeld ohne den tendenziell aufdringlichen Charakter der Werbung vorstellen zu können. Ein wesentlicher Transfer besteht außerdem aus der möglichen Übertragung eines positiven Images der Darsteller auf das verwendete Produkt. Als wesentlicher Nachteil steht jedoch der (oftmals) nur geringe Einfluss der Werbungtreibenden auf den Verlauf der Handlung und damit auch auf die Darstellungsmöglichkeiten der präsentierten Produkte gegenüber.

Product Placement

246

Marktkommunikation

Product Placement bei James Bond Bereits 1983 im Film Octopussy wurde James Bond erstmals von BMW Fahrzeugen (zwei 5er und ein Motorrad) verfolgt. Ein richtiges Product Placement setzte für BMW aber erst 1995 mit dem Film Golden Eye ein. Hier fuhr der britische Geheimagent den BMW Z3. Im Jahre 1997 fuhr Bond in „Tomorrow never dies” einen 7er BMW und das BMW Cruiser Motorrad, welches sich zum bestverkauften Motorrad des Jahres entwickelte. Zum Bond Film „The world is not enough” (1999) startete der Münchner Automobilhersteller eine neue Cross-promotion für den neuen Roadster Z8. Dabei dient das Product Placement im Film mehr einer Imagewerbung als der Handlungsauslösung, da die Zielgruppe in der Regel älter als 40 Jahre ist, das Kinopublikum dagegen meist unter 30. Die Verträge für die Produktplatzierung in einem TV- oder Kinofilm werden i.d.R. vor dem Dreh direkt mit den Filmproduktionsgesellschaften abgeschlossen. Damit die Produktplatzierung nicht als Schleichwerbung und damit rechtswidrig identifiziert wird, ist es entscheidend, den Einsatz des Produkts als dramaturgisch notwendig darzustellen. Die Vergütung für die Platzierung der Produkte im Film erfolgt meist durch die Bereitstellung und evtl. Umbauten an den Fahrzeugen. Dennoch ist nicht gewährleistet, dass das Produkt in der endgültigen Kinofassung zu sehen ist, da dies immer noch der kreativen Freiheit der Regisseure obliegt. Seit 2002 ist wieder die englische Nobelmarke Aston Martin ‚offizieller Automobil-Lieferant’ von 007. Hinzu kommen weitere Product-Placements von Marken wie Motorola, Fujitsu-Computers, Omega etc., die allesamt im Umfeld des Geheimagenten ihre Marke mit den Attributen des Protagonisten aufladen möchten.

Erscheinungsformen und kommunikationstheoretische Grundlagen

247

2.2 Unterfunktionen der Marktkommunikation/Anbahnung Betrachtet man den Transaktionskreislauf aus Vorbereitung, Anbahnung, Abschluss und Realisierung, so wird mit der Marktkommunikation die quasi-transaktionale Phase der Vorbereitung verlassen und die Einzelwirtschaft tritt in die de facto-transaktionale Phase ein. Wie bereits erwähnt, geht es im Rahmen dieser Phase darum, Beziehungen zwischen den Tauschinteressenten anzubahnen. Zur Erfüllung dieser Aufgabenstellung werden in der Marktkommunikation wiederum vier Unterfunktionen durchlaufen, die sich in Bekanntmachung, Information, Imagebildung und Handlungsauslösung aufgliedern lassen (Schineis, 1996, S. 118).

Vier Unterfunktionen der Marktkommunikation

Die Bekanntmachung stellt die Grundstufe der Marktkommunikation dar. Sie ist die Basis zur Erfüllung der weiteren Unterfunktionen. Ihre Aufgabe besteht darin, dem Kommunikationspartner zu übermitteln, dass die Einzelwirtschaft existiert, Versorgungsobjekte erstellt und diese auf dem Markt absetzen möchte. Die Bedeutung dieser ersten Unterfunktion ergibt sich aus der schlichten Erkenntnis, dass Versorgungsobjekte offensichtlich nur gekauft werden, wenn potenzielle Nachfrager von ihrer Existenz wissen. Aus diesem Grund kommt dem Bekanntheitsgrad einer Einzelwirtschaft als Ganzes (im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und der Werbung) oder eines Versorgungsobjektes (im Rahmen der Werbung) eine herausragende Stellung zu, wie dies bei den Ausführungen zum Signaling bereits verdeutlicht wurde.

Bekanntmachung

Beispielhaft für die Bekanntmachung eines unbekannten, (für Deutsche) schwer richtig auszusprechenden und exotisch klingenden Namen war die Einführungskampagne von Daewoo. Gleichzeitig stellt Daewoo jedoch auch ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit eines ganzheitlich-integrierten Marketingansatzes dar. Denn auch eine gelungene Kommunikationskampagne konnte den koreanischen Autobauer nicht davor bewahren, sich wegen Erfolglosigkeit seiner Produkte vom Deutschen Markt fast vollständig wieder zurückziehen zu müssen.

248

Marktkommunikation

Der Fall Daewoo: Bekanntmachung: 1995 startete die Agentur von Mannstein für ihren Kunden Daewoo eine Kampagne, die darauf zielte, das bis dato unbekannte Unternehmen bzw. den Unternehmensnamen Daewoo bekannt zu machen. Die Kampagne startete im Radio und im TV mit der Einblendung von roten Lippen und von Jennifer Rush die aus dem „off“ die bekannte Banana-Boat-Melodie mit neuem Inhalt belebte (Daewoo und Du).

Diese Kampagne verfolgte klassische Unterziele innerhalb der Bekanntmachung. Zunächst wurde nur der Name der Unternehmung vorgestellt und in Wort und Bild dargestellt, wie Daewoo auszusprechen ist. Innerhalb von 10 Tagen erreichte die LaunchKampagne einen gestützten Bekanntheitsgrad von 57%. Von gestützter Bekanntheit wird gesprochen, wenn den Befragten Markennamen vorgelesen werden und die Befragten angeben, wen oder was sie damit verbinden. Ungestützte Bekanntheit liegt vor, wenn die Befragten – ohne Vorlagen – Markennamen bspw. einer Branche nennen sollen. Nachdem die Unternehmung als solche bekannt gemacht worden war, verknüpfte man nun den Unternehmensnamen mit den angebotenen Produkten – den Autos. Darüber hinaus können auch Zeichen, wie z.B. Markenlogos und Bilder des Produkts, dargestellt werden. Information

Nach der Bekanntmachung folgt die zweite Unterfunktion: die Information. Die Aufgabe dieser Unterfunktion besteht darin, den potenziellen Nachfrager über die reine Bekanntheit hinaus mit weiterführenden In-

Erscheinungsformen und kommunikationstheoretische Grundlagen

249

formationen zu versorgen. Inhalte der vermittelten Informationen sind primär die vier Nutzenkategorien, die mit dem Versorgungsobjekt verbunden sind. Im Rahmen der Objektgestaltung wurde bereits auf die verschiedenen Formen eingegangen (siehe hierzu Abschnitt „Strategisches Marketing“, Kap. B 2.2). So ist der Grundnutzen der einzige Nutzen, der objektiv vermittelt werden kann. Die weiteren Nutzenarten (persönlicher Nutzen, soziologischer Nutzen und magischer Nutzen) sind lediglich subjektiv bewertbar und stellen daher bei der Informationsvermittlung eine besondere Herausforderung dar. Beispiele für Informationsvermittlung sind etwa Anwendungsmöglichkeiten bei Kosmetika oder technische Details, wie der Benzinverbrauch bei einem PKW. Bei der Öffentlichkeitsarbeit können ebenfalls Informationen übermittelt werden, wie etwa der Geschäftszweck, Unternehmensziele oder – grundsätze sowie Daten aus dem Geschäftsbericht etc. Im Rahmen des Signaling kommt dieser zweiten Unterfunktion eine wesentliche Bedeutung zu, etwa durch die Verwendung von Informationen aus Testurteilen, Güteklassifizierungen etc. Es reicht jedoch nicht aus, den Absatz eines Versorgungsobjektes lediglich über Bekanntmachung und Information anzubahnen. Darüber hinaus muss der Anbieter bei den potenziellen Nachfragern ein positives Image aufbauen. Dieses Image konkretisiert sich in der Bereitschaft der Nachfrager, das angebotene Versorgungsobjekt als wünschenswert zu akzeptieren. Für den Imageaufbau können dabei alle Informationen über die Einzelwirtschaft oder das Versorgungsobjekt relevant sein, natürlich auch solche Informationen, die nicht von der Einzelwirtschaft selbst ausgegeben werden (z.B. Presseberichte).

Imagebildung

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wird entsprechend versucht, ein positives Image des Gesamtunternehmens aufzubauen. Dabei versucht die Öffentlichkeitsarbeit, das Eigen- mit dem Fremdbild der Unternehmung in Einklang zu bringen. Die vierte und letzte Unterfunktion bildet die Handlungsauslösung. Sie stellt das endgültige Ziel der Marktkommunikation dar und ist zugleich das Bindeglied zur nächsten Transaktionsphase – dem Abschluss eines Marktvertrags. Man unterscheidet dabei drei mögliche Kategorien der Handlungsauslösung: x Handlung führt zum sofortigen Eintritt in die Abschlussphase: beispiele hierfür geben Medien mit direkter Responsemöglichkeit wie beispielsweise beim Teleshopping oder auch diverse Online-Shops mit der sofortigen Möglichkeit einer Reaktion des Umworbenen.

Handlungsauslösung

250

Marktkommunikation x Handlung führt zur Beschaffung zusätzlicher Informationen: diese Handlungsauslösung findet sich häufig bei Print- sowie OnlineAnzeigen, die eine Responsemöglichkeit (Coupon, e-MailNewsletter etc.) haben. Der Nachfrager kann durch Einsenden bspw. eines Coupons zusätzliche Informationen erhalten. Auch das Einblenden von Freecall-Nummern in Werbespots ist ein Beispiel für diese zweite Kategorie der Handlungsauslösung. x Handlung führt zu einer Weitervermittlung der kommunikativen Aussage an Dritte (mehrstufige Kommunikation): Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit ist hierunter etwa eine Pressekonferenz zu verstehen. Dabei wird zunächst eine Information auf direktem Wege an die Presse vermittelt, damit diese Informationen dann in Form redaktioneller Beiträge an die relevanten Bezugsgruppen weitergegeben werden.

Vollständiges Werbewerk

Idealtypisch sollte jede Werbekampagne alle Phasen durchlaufen, wobei dann von einem vollständigen Werbewerk gesprochen wird (Meyer, 1973, S. 62). Diese vier Unterfunktionen werden daher auch als die Generalziele der Werbung bezeichnet, die an späterer Stelle noch entsprechend zu operationalisieren sind. Bevor auf das Management der Werbung eingegangen wird, soll zunächst dargelegt werden, wie Kommunikation allgemein abläuft, welche Implikationen dies für die Werbung als spezielle Erscheinungsform der Marktkommunikation hat und welche Ausprägungen der werblichen Kommunikation existieren.

Erscheinungsformen und kommunikationstheoretische Grundlagen

251

2.3 Der allgemeine Kommunikationsprozess und seine Bedeutung für die Werbung Kommunikation stammt vom lateinischen „communis“ und steht für „gemeinsam“. Wenn Individuen kommunizieren, dann versuchen sie also auch „eine Gemeinsamkeit“ herzustellen, um auf dieser Grundlage Informationen austauschen zu können. Jeder Kommunikationsprozess verläuft dabei nach einem übergeordneten Schema ab, das Laswell in seiner Kommunikationsformel wie folgt zusammengefasst hat: „Wer sagt was, zu wem, auf welchem Kanal, mit welcher Wirkung?“ (Laswell, 1960, S. 117). Dem Kommunikationsprozess liegen vier konstitutive Elemente zugrunde, die in jeder Kommunikation vorhanden sein müssen: der Sender, eine Botschaft, ein Träger der Botschaft und ein Empfänger. Der allgemeine Kommunikationsprozess läuft dabei nach folgendem Modell ab:

Kommunikator

Verschlüsselung

Botschaft

Träger der Botschaft

Entschlüsselung

Vier konstitutive Elemente der Kommunikation

Rezipient/ Empfänger

Rückkopplung (feed back) Kommunikationswirkung

Abb. 77: Der allgemeine Kommunikationsprozess (Schineis, 1996, S. 111) Unter dem Sender sind alle Individuen zu subsumieren, die die Fähigkeit haben, Informationen abzugeben. Die Kodierung ist die Umsetzung der vermittelten Informationen in einen Zeichencode durch den Sender, wie z.B. Morsezeichen oder das Binärzeichensystem mit 0 und 1 bei Computern. Als Botschaft wird dann das übermittelte Zeichen oder Zeichensystem verstanden. Dabei kann die Botschaft lediglich eine einfache Ja-Nein-Botschaft sein oder aber ein komplexer Sinnzusammenhang.

Sender

252 Träger

Botschaft

Marktkommunikation Da nicht immer anzunehmen ist, dass sich Sender und Empfänger zur selben Zeit am selben Ort befinden und eine direkte, unmittelbare Kommunikation zu Stande kommen kann, dient der Träger zur Übertragung der Botschaft über Zeit und Raum. Die Dekodierung findet dann auf der Seite des Empfängers statt. Hier erfolgt die Übersetzung der vermittelten Zeichen oder Zeichensysteme (Botschaft) und damit die Aufnahme der vermittelten Informationen. Der Empfänger muss denselben Code bzw. die gleiche Sprache zur Dekodierung verwenden, da es sonst zu Missverständnissen kommen kann (siehe den folgenden Short Case). Analog zum Sender können als Empfänger bzw. Adressaten der Botschaft alle Individuen auftreten, die in der Lage sind, Informationen aufzunehmen. Entscheidend für jeden Kommunikationsprozess ist das Element der Rückkopplung. Diese liegt bereits dann vor, wenn der Empfänger zu erkennen gibt, ob er die Nachricht erhalten hat oder nicht.

Beispiel für falsche Dekodierung: Anfang der 80er Jahre zeigte der österreichische Wäscheartikelhersteller Palmers Plakate, die Frauen in reizenden Dessous zeigten mit Slogans wie „Komm bald heim“ und „Ich liebe Dich“. Die Aussage „Trau dich doch“ wurde jedoch falsch entschlüsselt. Obwohl die Botschaft die Frauen auffordern sollte, diese Wäsche zu tragen, wurde diese Aufforderung von Mitgliedern der Frauenbewegung als sexistisch empfunden, da sie die Frau auf ein zu „benutzendes Objekt“ reduziere.

(Schweiger/Schrattenecker, 1995, S. 23)

Erscheinungsformen und kommunikationstheoretische Grundlagen Die Kommunikationswirkung schließlich ist ein vom Sender absichtlich in Gang gesetzter Prozess, um eine bestimmte Zielerreichung beim Empfänger auszulösen. Sie kann sich beispielsweise auf dauerhafte Gedächtniswirkungen beziehen.

253 Kommunikationswirkung

Aufgrund der verschiedenen Möglichkeiten des räumlichen und zeitlichen Zusammentreffens des Senders und des Empfängers sind vier verschiedene Formen der Kommunikation abzuleiten. Diese lassen sich nochmals anhand der Rückkopplungsmöglichkeiten in zwei Gruppen zusammenfassen: originäre, einstufige Kommunikationsprozesse und derivative, mehrstufige Kommunikationsprozesse, bei denen eine Rückkopplung – wenn überhaupt – nur indirekt möglich ist: Form der Kommunikation

Zeitliche und räumliche Trennung der Kommunikationspartner

Beschreibung

originär, einstufig direkte zur selben Zeit am selunmittel- ben Ort bare Kommunikation

Hier ist eine sofortige Rückkopplung möglich. Eine solche direkte Kommunikation vollzieht sich i.d.R. in einem wiederholten Rollenwechsel der Kommunikationspartner; d.h. die Rollen zwischen Sender und Empfänger wechseln sich ab. Man nennt dies auch ein kommunikatives Wechselspiel. Dies ist z.B. denkbar bei einem (Werbe)gespräch.

direkte zur selben Zeit, aber bei mittelba- örtlicher Trennung re Kommunikation

Eine sofortige Rückkopplung ist möglich, diese ist aber weitaus eingeschränkter, da man nicht mehr auf physische Signale des Gegenüber reagieren kann. Eine denkbare Situation ist z.B. ein Telefongespräch.

254

Marktkommunikation

derivativ, mehrstufig indirekt

räumliche und zeitliche Trennung

Eine sofortige Rückkopplung und ein Rollenwechsel sind unmöglich. Aus diesem Grund setzt eine indirekte Kommunikation zwei Dinge voraus: a) ein Transportmedium (Träger) zur Überbrückung der räumlichen Distanz, z.B. die Tageszeitung. Daher ist eine indirekte Kommunikation auch immer eine mediale Kommunikation. b) die Botschaft muss konservierbar sein.

zweiStufenKommunikation

räumliche und zeitliche D.h. entweder: Trennung mit Kopplung a) Weitergabe einer Botschaft durch einen einer direkten und einer Sender mittels direkter Kommunikation, die indirekten Kommunikadieser vorher als Empfänger in einem indition rekten Kommunikationsprozess aufgenommen hat. Das Feedback nimmt hier aber mit räumlicher und zeitlicher Trennung immer weiter ab und stellt somit ein Problem für den Sender der Nachricht dar. oder: b) Weitergabe einer Botschaft mittels indirekter Kommunikation, die vorher über eine direkte Kommunikation aufgenommen wurde. Hier wird man in der Regel aber kaum Feedback erhalten. Daher ist in der Kommunikation darauf zu achten, einen größeren Erklärungsbeitrag (Unterfunktion: Information) zu leisten. Abb. 78: Formen der Kommunikation Nach der allgemeinen Betrachtung eines Kommunikationsprozesses soll abschließend eine Fokussierung auf die Werbung als eine der beiden maßgeblichen Erscheinungsformen der Marktkommunikation (neben der Öffentlichkeitsarbeit) vorgenommen werden.

Individualund Kollektivwerbung

Der Sender der Botschaft ist mit dem Werbungtreibenden gleichzusetzen. Dabei kann weiterführend zunächst die Individualwerbung von der Kollektivwerbung abgegrenzt werden. Bei der Individualwerbung ist eine Einzelwirtschaft der Auslöser – bei der Kollektivwerbung sind mehrere Werbungtreibende beteiligt. Die Kollektivwerbung wiederum

Erscheinungsformen und kommunikationstheoretische Grundlagen

255

ist aufgrund der Wirtschaftsstufe und der Marktsituation der Werbungtreibenden zu differenzieren. Die folgende Abbildung verdeutlicht den Zusammenhang: Kollektivform

Marktsituation

Wirtschaftsstufe

Gemeinschafts- Ist der Zusammenschluss mehrerer zumeist kleihorizonwerbung ner Unternehmen zu einer Zweckgemeinschaft tal/vertikal mit dem Ziel, ein gemeinsames finanzielles, sachliches oder personelles Problem der Kommunikation zu lösen. Dabei werden die einzelnen Anbieter namentlich nicht genannt. Häufig handelt es sich um den Zusammenschluss von Anbietern der gleichen Produktgattung/Branche, mit dem Ziel: x x x x

Schaffung neuer Märkte Rückgewinnung/Haltung von Marktanteilen Überwindung konjunktureller Schwankungen Verbesserung des Images der Branche/Produkte x Veränderung im Konsumentenverhalten x Abwehr von substitutiven Gütern/Konkurrenz Gruppenwerbung

Stellt eine Sonderform der horizontalen Gemeinschaftswerbung dar. Es handelt sich hier immer um einen Zusammenschluss gleichartiger Anbieter.

Verbundwerbung

Im Gegensatz zur Gemeinschaftswerbung handelt horizones sich hier um die Zusammenarbeit von mind. tal/vertikal zwei Einzelwirtschaften auf der gleichen oder auf vor-/nachgelagerten Wirtschaftsstufen, bei der die Namen der einzelnen Werbungtreibenden jedoch genannt werden.

Sammelwerbung

Dies stellt die Zusammenarbeit mehrerer Einzelwirtschaften dar, deren Produktionsprogramm, Angebot bzw. Dienstleistungen in keinem Zusammenhang stehen. Im Vordergrund steht hier die Herausstellung des eigenen Firmennamens. Hierunter fallen z.B. die Gelben Seiten, Werbetafeln am Ortseingang etc.

Abb. 79: Formen der Kollektivwerbung

horizontal

horizontal/vertikal

256

Marktkommunikation

Kommunikationsformen

Auch bei der Betrachtung der Botschaft ergeben sich verschiedene Formen der Kommunikation. So kann die Botschaft einerseits in persönlicher Form übermittelt werden, wenn es sich um einen originären, direkten Kommunikationsprozess handelt oder aber in konservierter/medialer Form, wenn ein derivativer, indirekter Kommunikationsprozess vorliegt. Die wesentlichen Unterschiede werden an späterer Stelle im Rahmen der Werbeplanung (Kommunikationsform) behandelt.

Akzidentielle und dominante Werbeträgereinzelwirtschaften

Das dritte wesentliche Element der Kommunikation stellt der Träger dar, dessen Aufgabe die Übermittlung der Botschaften ist. Zu den klassischen Werbeträgern zählen Zeitschriften, Zeitungen, TV und Radio. Diese Träger werden in der Regel von sogenannten akzidentiellen Trägereinzelwirtschaften bereit gestellt. Deren Hauptaufgabe besteht nicht darin, werbliche Botschaften zu übermitteln – letzteres stellt lediglich eine Teilaktivität dar. Abzugrenzen sind sie von Einzelwirtschaften, deren Tätigkeit hauptsächlich darin besteht, Botschaften zu übermitteln, wie z.B. Informationsbrokern. Des Weiteren können noch die Trägermedien selbst nach sachlichen (z.B. ein Firmenfahrzeug) und personellen Trägermedien (z.B. die Mitarbeiter des Unternehmens) unterschieden werden. Das letzte Element stellt der Empfänger der Nachricht dar. Im Falle der Werbung handelt es sich hierbei um die werbliche Zielgruppe bzw. im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit um die gesellschaftlichen Anspruchsgruppen.

Konzeption der Werbung

Teil B:

257

Management der Werbung

Nach der Einordnung und den Grundlagen der Marktkommunikation erfolgt nun eine Umsetzung anhand der bekannten Managementfunktionen: wie alle Teilfunktionen des Integrativ-Prozessualen Marketingansatzes wird auch die Marktkommunikation bzw. Anbahnung durch Konzeption, Planung, Ausführung und Kontrolle gesteuert. Die folgenden Ausführungen beziehen sich dabei schwerpunktmäßig auf die Werbung.

1.

Konzeption der Werbung

Unter der Werbekonzeption ist die gedankliche, schriftliche oder mündliche Vorwegnahme eines durch Werbung zu erreichenden Zustands mit Hilfe von Werbezielen zu verstehen, wobei der gewünschte Zustand eine Begründung, eine Motivation, erfährt. Eine Werbekonzeption besteht aus Zielsetzung und Motivation als konstitutiven Elementen (Meyer/Hermanns, 1981, S. 69).

Werbekonzeption

1.1 Motivation und Ziele werblichen Handelns im Zusammenhang Die Motivation werblichen Handelns findet ihren endgültigen Ausdruck in dem Wunsch, die angebotenen Versorgungsobjekte abzusetzen. Dies wurde bereits in der Unterfunktion Handlungsauslösung deutlich. Ziel ist es, die Vereinbarung von Marktverträgen „anzubahnen“, damit diese in der Phase des Abschlusses vollzogen werden können. Damit stellt die Anbahnung also die notwendige Voraussetzung für den Abschluss dar.

Motivation werblichen Handelns

Bei der Darstellung der vier Unterfunktionen (siehe Kapitel A.2.2) wurde bereits auf deren Rolle als Generalziele hingewiesen. Diese geben erste Richtungen für eine konkretere Ausgestaltung vor und können dabei beispielsweise folgendermaßen operationalisiert werden:

Operationalisierung der Generalziele der Werbung

258

Marktkommunikation x Bekanntmachung: Prozentuale Veränderung des ungestützten Markenbekanntheitsgrads innerhalb der werblichen Zielgruppe; x Information: Erhöhung des Kenntnisstands bezüglich bestimmter Produkteigenschaften/-funktionen; x Imagebildung: Übereinstimmung bzw. Abweichung von Eigenbild (Sollbild) einer Marke und Fremdbild (z.B. mittels Semantischem Differenzial); x Handlungsauslösung: Erfassung der Rücklaufquote bei Couponanzeigen. Dennoch fehlt es diesen Generalzielen aufgrund ihres Charakters als Oberziele manchmal an einer eindeutigen Zurechenbarkeit zur Werbewirkung, wie beispielsweise im Falle der Imagebildung, die nicht nur durch den werblichen Einsatz bestimmt wird. Damit der Einsatz von Werbung steuerbar und damit auch messbar wird, bedarf es genauerer Zielsetzungen. Zunächst soll daher im folgenden Abschnitt geklärt werden, welche Anforderungen geeignete Werbeziele erfüllen müssen, um dann konkrete Werbeziele ableiten zu können.

1.2

Präzisierung der Werbeziele

1.2.1

Anforderungen an Werbeziele

Werbeziele drücken die angestrebten, gewünschten Ergebnisse des werblichen Handelns aus. Sie leiten sich aus dem Absatzmarktprogramm ab und weisen daher keinen originären, sondern einen derivativen Charakter auf. Betrachtet man klassische Marketingziele, wie Umsatzsteigerung, Marktanteilsausweitung, etc., so werden diese Ziele ebenfalls von anderen Marketingbereichen, wie etwa dem Verkauf/Vertrieb mitgesteuert. Hier fehlen also noch eine klare Differenzierung der Ziele und eine Ausrichtung auf die Spezifika der Werbung.

Konzeption der Werbung Bei der Formulierung geeigneter Werbeziele sind vier wesentliche Anforderungen zu erfüllen (Steffenhagen, 1993, S. 288): 1. Die Konsequenzen des werblichen Handelns müssen überwiegend werbebedingt und aus Sicht des Werbungtreibenden in der Entscheidungssituation wünschenswert sein. Es muss also Messbarkeit des durch die werbliche Handlung angestrebten Zustands gewährleistet sein. Aufgrund der Ziele sollen effektive Maßnahmen und abschließende Kontrollen der Zielerreichung durchgeführt werden können, da sonst ein Problem der Zurechenbarkeit vorliegt.

259 Vier wesentliche Anforderungen an geeignete Werbeziele

Messbarkeit

2. Die Zielvariablen müssen für den Werbungtreibenden eine selektive Steuerungskraft bezüglich zu ergreifender werblicher Handlungen aufweisen: es sind zumindest Inhalt, Ausmaß und zeitlicher Bezug festzulegen. Diese Forderung lässt sich als Faustformel in fünf wesentliche Zielformulierungsfragen einbetten: - Angabe der Zielart: Was wollen wir erreichen? („Hohe Werbeerinnerung schaffen, Aufmerksamkeit erreichen“); - Angabe des angestrebten Ausmaßes: Wie viel soll erreicht werden? („5 % Steigerung“); - Angabe des Zeitbezugs: Innerhalb welchen Zeitraums soll das Quantum erreicht werden? („Innerhalb der nächsten 5 Monate“); - Angabe des Objektbezugs: Für wen oder was wollen wir dies erreichen? („Bekanntheitsgrad des Produkts XYZ“); - Angabe der Zielgruppe: Bei wem... („bei der Zielgruppe der 1429 jährigen“).

Steuerungskraft

3. Die Zielvariablen müssen für die Gesamtheit der Marketingziele relevant sein. Im Zusammenhang lässt sich diese Anforderung als Kaufverhaltensrelevanz der angestrebten Werbewirkungen verstehen.

Relevanz

4. Werbeziele müssen sich kompatibel zu anderen Marketingzielen verhalten. Kompatibilität ist gegeben, wenn sich die Werbeziele zueinander komplementär oder indifferent verhalten. Sie sind nicht miteinander kompatibel, wenn eine Zielkonkurrenz vorliegt.

Kompatibilität

1.2.2 Arten von Werbezielen In der Betriebswirtschaftslehre werden häufig ökonomische und außerökonomische Werbeziele unterschieden. Zielvariablen, die auf ökonomischen Größen beruhen (Umsatz, Gewinn, Kosten, ...), werden jedoch durch das gesamte Markt-/Marketinghandeln einer Einzelwirtschaft beeinflusst. Wie weiter oben bereits erwähnt, steht dies im Widerspruch

Ökonomische und außerökonomische Ziele

260

Marktkommunikation zur Forderung nach einer hohen werbebedingten Reagibilität der Zielgrößen. Es entsteht also das Problem der Zurechenbarkeit der werblichen Aktivitäten bezogen auf das (ökonomische) Ziel. Taugliche Werbeziele sind nur solche, bei denen die wünschenswerten Ergebnisse (Zielgrößen) ausschließlich oder zumindest dominant durch Werbung herbeigeführt werden. Daher sind außerökonomische Werbeziele (kommunikative Ziele), wie z.B. psychische Wirkungen und Prozesse bzw. Ergebnisse psychischer Prozesse (beispielsweise Erinnerungen, ...) als Ziele geeigneter, da sie den bereits beschriebenen Anforderungen eher entsprechen.

Taugliche Kategorien

Um nun taugliche Werbeziele abzuleiten, geht man von den Konsequenzen (Ergebnissen) werblichen Handelns aus. Diese Konsequenzen der Werbung lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen (Steffenhagen, 1993, S. 288): 1. Entstehung von Kontaktchancen (quantitative Dimension): Kontakte zwischen den Adressaten der Werbung und den eingesetzten Werbemitteln bzw. Werbeträgern; 2. Entstehung von Werbewirkung (qualitative Dimension) als Reaktion der Zielpersonen auf werbliche Reize.

Werbliches Handeln

Werbekontakte als Konsequenzen Quantitative Dimension

Werbewirkungen als Konsequenzen

Übergeordnete Konsequenzen

Qualitative Dimension

Ansatzpunkte zur Ableitung von Werbezielen

Abb. 80: Ansatzpunkte zur Ableitung von Werbezielen (Steffenhagen, 1993, S. 289)

1.2.2.1 Kontaktzahlen

Werbekontakte als Werbeziele

Im Rahmen der Mediaselektion ist es ein erklärtes Ziel, möglichst hohe Kontaktzahlen zu erreichen, d.h. eine möglichst große Teilmenge der werblichen Zielgruppe soll mit dem Medium in „Kontakt“ gekommen sein. Die Möglichkeiten der Operationalisierung sind sehr vielseitig – hierzu gehören z.B. Gross Rating Points bzw. Brutto- und Nettoreichweiten:

Konzeption der Werbung

261

x Reichweite: bezeichnet den Anteil der Bevölkerung, der zu einer bestimmten Zeit Kontakt zu einem bestimmten Werbeträger hatte. x Bruttoreichweite: bei Mehrfachbelegung werden einzelne Reichweiten ohne Berücksichtigung von Überschneidungen addiert. Diese werden auch Gross Rating Points (GRP) genannt. x Nettoreichweite: bei Mehrfachbelegung werden einzelne Reichweiten nach Abzug von Überschneidungen addiert. x Wirksame Reichweite: Anteil der Personen einer bestimmten werblichen Zielgruppe mit Werbe-Awareness.

1.2.2.2 Werbewirkungen als Ansatzpunkte zur Werbezielformulierung Nach der Zeitspanne zwischen Werbereiz und Wirkung ist zu unterscheiden in (Steffenhagen, 1993, S. 288): momentane Wirkungen (kurze Zeitspanne), dauerhafte Gedächtniswirkungen sowie finale Verhaltenswirkungen (lange Zeitspanne). Verhalten Zeitspanne „Reiz-Wirkung“

Inneres

Äußeres

(nicht-beobachtbares)

(beobachtbares)

Verhalten

Verhalten Momentane Wirkungen

kurz

lang

Dauerhafte

Finale

Gedächtniswirkungen

Verhaltenswirkungen

Abb. 81: Werbewirkungskategorien (Steffenhagen, 1993, S. 290) Momentane Wirkungen sind Reaktionen der Umworbenen, die in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Werbekontakt stehen. Dazu gehören innere (nicht-beobachtbare) und äußere (beobachtbare) Verhaltensweisen. So kann es beispielsweise beim Kontakt mit einer Anzeige zu Desinteresse des Umworbenen kommen: er beginnt zu gähnen, sein Blick schweift ab (beobachtbar) oder aber die Anzeige löst einen Denkprozess beim Betrachter aus (nicht-beobachtbar). Hinsichtlich ihrer Werbezieltauglichkeit nach den bereits erwähnten Anforderungen

Momentane Wirkungen

262

Marktkommunikation sind momentane Wirkungen zwar deutlich werbebedingt. Sie sind jedoch zeitlich in der Regel weit vom erwünschten finalen Verhalten (Handlungsauslösung) entfernt, so dass eine notwendige UrsachenWirkungs-Beziehung zu übergeordneten Zielen fehlt. Allerdings sind momentane Wirkungen (Reaktionen) Voraussetzung für dauerhafte Gedächtniswirkungen – man könnte sie daher als Subziele verstehen.

Finale Verhaltenswirkungen

Finale Verhaltenswirkungen beziehen sich auf Ausprägungen des äußeren Verhaltens eines Umworbenen. Hierzu zählen z.B. die Markenoder Lieferantenwahl, die Wahl des Kaufzeitpunkts, das Aufsuchen einer Einkaufsstätte, etc. Die finalen Verhaltenswirkungen erfüllen die Anforderungen an taugliche Werbeziele nur eingeschränkt, da das Kaufverhalten nicht ausschließlich oder überwiegend von der Werbung abhängig ist, sondern beispielsweise auch vom Preis oder speziellen Verkaufsförderungsmaßnahmen im Laden.

Dauerhafte Gedächtniswirkungen

Dauerhafte Gedächtniswirkungen sind Reaktionen der Adressaten, die als Ergebnis einer Beeinflussung des (inneren) Verhaltens auch noch nach Ablauf einer unter Umständen beträchtlichen Zeitspanne anzutreffen sind. Dazu gehören z.B. Kenntnisse, wertende Einschätzungen, Besitz- und Verwendungswünsche sowie Kaufabsichten. Die dauerhaften Gedächtniswirkungen erfüllen alle Anforderungen an taugliche Werbeziele: sie sind in hohem Maße werbebedingt, weisen eine hohe Steuerungskraft auf und besitzen Verhaltensrelevanz. Sie werden daher im Folgenden näher betrachtet. Mit dem Ausdruck „dauerhafte Gedächtniswirkungen“ wird auf Inhalte des Langzeitgedächtnisses abgezielt. Sie prägen das Bewusstsein und Denken eines Menschen längerfristig, sind aber nicht starr, sondern durchaus veränderbar. Als maßgebliche Inhalte dauerhafter Gedächtniswirkungen lassen sich Kenntnisse, Erwartungen, Wünsche, Einstellungen, Motivationen, Überzeugungen etc. nennen.

Inhalte des Langzeitgedächtnisses

Diese Termini sind dabei in ihrer Bedeutung nicht trennscharf und überlappen sich teilweise. Steffenhagen hat versucht, die werberelevanten Inhalte des Langzeitgedächtnisses überschneidungsfrei zu definieren und wie folgt zu gruppieren: x Kenntnisse („Wissen“), x Interessen („Wünschen/Gewichten“), x Einstellungen („Werten“), x Verhaltensabsichten („Wollen“).

Konzeption der Werbung

1.2.2.2.1

263

Kenntnisse

Kenntnisse, die durch Werbung aufgebaut oder wachgehalten werden sollen, werden wiederum eingeteilt in: x

Ereigniskenntnisse,

x

Werbekenntnisse,

x

Bezeichnungskenntnisse,

x

Eigenschaftskenntnisse.

Ereigniskenntnisse stehen im Vordergrund von Kampagnen, bei denen auf kommende Veranstaltungen oder Termine hingewiesen wird.

Ereigniskenntnisse

Werbekenntnisse lassen sich weiter auffächern in:

Werbekenntnisse

x Werbe-Awareness: Die Werbe-Awareness bezeichnet das Wissen oder die Erinnerung einer Person, dass für eine bestimmte Marke oder Firma o.ä. in letzter Zeit geworben wurde. Wenn sich die Person auch an den eingesetzten Werbeträger (z.B. TV, Hörfunk, Internet oder Zeitschriften) erinnert, liegt eine medienspezifische Werbe-Awareness vor. Kann die Person darüber hinaus Aussagen treffen, wie häufig die Werbung wahrgenommen wurde, so spricht man vom wahrgenommenen Werbedruck.

WerbeAwareness

x Spotbekanntheit, Sloganbekanntheit: Die Spotbekanntheit bezeichnet die Kenntnis einer befragten Person über die eingesetzten Werbemittel und deren Elemente, wie z.B. die Erinnerung an den Slogan („Gute Preise – gute Besserung!“ - Ratiopharm), an auftretende Personen (Herr Kaiser, HamburgMannheimer Versicherung), oder an Jingles („Sail away“ – Becks Bier).

Spotbekanntheit und Sloganbekanntheit

Bezeichnungskenntnisse sind Kenntnisse über Namen oder Symbole beworbener Objekte (Angebote, Einkaufsstätten, Unternehmen, Institutionen). Hierzu zählt auch eines der am häufigsten verwendeten Werbeziele: „Auf- oder Ausbau von Markenbekanntheit“ (brand awareness). Diese ist nicht zu verwechseln mit der obigen Werbe-Awareness, die lediglich eine Aussage darüber trifft, ob ein(e) bestimmte(r) Spot/Anzeige bekannt ist.

Bezeichnungskenntnisse

Eigenschaftskenntnisse äußern sich dadurch, dass eine Person einem (beworbenen) Objekt gewisse Eigenschaften zuordnen kann. Eigenschaftskenntnisse können sich auf „technische Merkmale“ (= objektive Qualität) oder auf „Nutzenmerkmale“ (= subjektive Qualität) beziehen. Es geht also um den in der Werbung vermittelten Nutzen.

Eigenschaftskenntnisse

264

Marktkommunikation Durch Werbung erreichte Kenntnisse können in aktiver oder passiver Form vorliegen. Aktive Kenntnisse fallen einer Person in einem bestimmten Kontext ein (z.B. bei der Vorbereitung einer Einkaufsliste, in der Kaufsituation im Geschäft, während eines Marktforschungsinterviews). Passive Kenntnisse sind Erinnerungen, die erst nach einer „Stützung“, beispielsweise durch Vorlage eines Bilds während einer Befragung, zurückkehren.

1.2.2.2.2

Interessen

Bei den Interessen als Werbezielen sind zwei Erscheinungsformen relevant: Gegenstandsgerichtete Interessen

zum einen die gegenstandsgerichteten Interessen:

Eigenschaftsgerichtete Interessen

zum anderen die eigenschaftsgerichteten Interessen:

x Werbekampagnen lösen einen Besitz- oder Verwendungswunsch, ein generelles Produktinteresse, ein markenbezogenes Probierinteresse oder ein bestimmtes Informationsinteresse aus. Bei institutionellen Kampagnen (z.B. für Schutzimpfungen) sollen Adressaten beispielsweise für ein Thema sensibilisiert werden.

x Hier handelt es sich um Werbemaßnahmen, die gewisse Eigenschaften eines Produkts hervorheben, die als besonders wichtig und beachtenswert gelten (beispielsweise „BMW – Freude am Fahren“).

1.2.2.2.3

Einstellungen

Wie schon im Rahmen der Marktforschung aufgezeigt, spielt die Einstellung eine herausragende Rolle bei der Erklärung des Konsumentenverhaltens bzw. bei dessen Steuerung. Entsprechend groß ist auch ihre Bedeutung als Werbeziel. Einstellungen, die durch Werbung beeinflusst werden sollen, sind insbesondere gerichtet auf x die Werbung, das Werbemittel, die Kampagne selbst. In diesem Fall besteht das Werbeziel darin, dass die Werbung selbst nicht als aufdringlich, sondern als unterhaltsam, als fröhlich, witzig, etc. empfunden wird und auch in Erinnerung bleibt. Dies gilt als eines der wichtigsten Zwischenziele der Werbung, dessen Erreichung weitere Werbeziele zu erfüllen hilft; x das beworbene Produkt, die Firma, die Einkaufsstätte. In den meisten Fällen zielt Werbung unmittelbar auf die Beeinflussung der Einstellung zum beworbenen Objekt ab;

Konzeption der Werbung

265

x die zu beeinflussenden Verhaltensweisen. Durch Werbung sollen bestimmte Wertungen zu gewissen Verhaltensweisen aufgebaut werden. Die Kraft der Werbung ist in der Beeinflussung der Verhaltensweise allerdings begrenzt – sehr viel stärker werden Verhaltensweisen durch das soziale Umfeld geprägt.

1.2.2.2.4

Verhaltensabsichten

Als vierte Werbezielkategorie zeigen sich die Verhaltensabsichten, die gleichzeitig große Nähe zur obigen letzten Subkategorie „Einstellungen zu Verhaltensweisen“ aufweisen. Der Unterschied besteht darin, dass mit den Verhaltensabsichten eine stärkere zeitliche und situationsorientierte Ausrichtung verbunden wird: die Zielpersonen nehmen sich vor, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder bei einem bestimmten Anlass die beworbenen Verhaltensweisen auch wirklich zu ergreifen. Dennoch wird es der Werbung trotz prinzipiell positiver Einstellung zu einer Verhaltensweise nicht immer gelingen, auch die gewünschten Verhaltensabsichten auszulösen. Es ist möglich, dass mehrere positiv bewertete Verhaltensweisen miteinander in Konkurrenz stehen. So steht vielleicht die positive Einstellung zur Frühgymnastik im Gegensatz zur als positiv bewerteten Verhaltensabsicht der Bequemlichkeit.

Werbliches Handeln

Werbekontakte als Konsequenzen

Werbewirkungen als Konsequenzen

Übergeordnete Konsequenzen

Kenntnisse Interessen Einstellungen Verhaltensabsichten

Abb. 82: Zusammenfassende Übersicht zu den Werbewirkungen

Zeitliche und situationsorientierte Ausrichtung

266

Marktkommunikation

2.

Planung der Werbung

Nach dem Abschluss der Konzeption folgt die Planungsphase. Hier werden, gemäß der Vorgaben aus der Konzeption, die einzelnen Entscheidungen für die nun folgenden Bereiche getroffen (analog wäre die Planung der Öffentlichkeitsarbeit vorzunehmen). CopyStrategie

Eine entscheidende Klammer der Werbeplanung ist die Copy-Strategie oder auch Creative Brief genannt, die alle Entscheidungen umfasst, die zusammen betrachtet als Anleitung oder Bezugsrahmen für die Gestaltung der konkreten Werbebotschaft gelten. Die Copy-Strategie bildet den Orientierungsrahmen für die visuelle, verbale oder akustische Umsetzung der Werbebotschaft und gibt gestaltungsrelevante Informationen und Vorgaben. Ziel der Copy-Strategie ist es, die kreative Arbeit zu disziplinieren und den kreativen Output in die richtige Richtung zu steuern.

Elemente der CopyStrategie

Zu den Elementen einer Copy-Strategie zählen alle Bereiche der Werbekonzeption und der nachfolgend beschriebenen Werbeplanung, wie das Werbeziel, das Werbeobjekt, die werbliche Zielgruppe, das gewählte Werbemittel und der Werbeträger. Die Copy Strategie stellt somit das Bindeglied zwischen den in der Konzeption festgelegten Zielen und in der Planung festzulegenden Maßnahmen dar. Darüber hinaus werden auch konkrete Aussagen zu verschiedenen Bereichen der Gestaltung getroffen, die in Kapitel 2.5.2 näher erläutert werden.

2.1 Quantitative und qualitative Aspekte

Werbeobjekt

Eine der ersten Entscheidungen in der Werbeplanung betrifft die Wahl des zu bewerbenden Versorgungsobjekts, wobei sich diese Frage zwangsläufig lediglich für Mehrproduktunternehmen stellt. Man unterscheidet bei der Planung sowohl quantitative Aspekte (welche Versorgungsobjekte werden überhaupt beworben) als auch qualitative Aspekte (mit welcher Intensität sollen die ausgewählten Objekte beworben werden).

Planung der Werbung

2.1.1

267

Quantitative Aspekte der Werbeobjektplanung

Umsatzveränderungsrate

Umsatzkurve

Die Auswahlentscheidung (quantitativer Aspekt) kann am Model des Produktlebenszyklus verdeutlicht werden:

Wachstum

Gewinn- und Verlustkurve

Schrumpfung

Gewinn

Verlust

Einführung

Wachstum

Reife

Abb. 83: Lebenszyklen (Meining, 1995, S. 1398)

Sättigung

Rückgang

268

Marktkommunikation In der Einführungsphase sind erhebliche Investitionen notwendig, um einen Marktdurchbruch zu erzielen. Im Vordergrund steht hier meistens auch die Erfüllung des ersten Generalziels der Werbung, der Bekanntmachung. Hat ein Unternehmen mehrere Produkte in verschiedenen Lebenszyklusphasen, so kann durch entsprechende Marktforschung untersucht werden, inwieweit das Ziel der Bekanntmachung erreicht ist und damit evtl. auch die Werbung für einzelne Objekte eingeschränkt werden kann. Letzteres geschieht häufig in der Wachstumsphase, also nach grundsätzlicher Akzeptanz des Angebots im Markt. In der Reifephase ist unterstützend zu werben, da andere Wettbewerber auf den Markt treten. Meist wird der Produktlebenszyklus hier durch einen Relaunch und damit auch durch einen veränderten Werbeauftritt verlängert. Der Relaunch soll die Akzeptanz in der Zielgruppe steigern und gleichzeitig auch die Marktposition verteidigen. Oftmals entscheidet aber auch die strategische Bedeutung eines einzelnen Objekts, ob dieses beworben wird. So ist es vorstellbar, dass ein Imageträger oder ein Traditionsprodukt beworben wird, auch wenn dies rein finanziell auf den ersten Blick eigentlich wenig Sinn zu machen scheint.

Spill-overEffekt

Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Objekt hängt auch davon ab, ob es zu substitutiven oder komplementären Spill-over-Effekten kommen kann. Ein substitutiver Spill-over-Effekt liegt dann vor, wenn eine Unternehmung für ein Objekt wirbt, das die gleiche oder eine sehr ähnliche Nutzenversprechung wie ein weiteres Objekt der Unternehmung hat. Hier kann es dann zu Kannibalisierungseffekten kommen, wenn zum Beispiel beide Objekte beworben würden. Im Falle eines komplementären Spill-over-Effekts, liegen positive Ausstrahlungseffekte des Objekts vor. Durch die Bewerbung eines einzelnen Objektes werden ähnliche Objekte gleich mitbeworben. So bietet es sich beispielsweise für einen PKW-Hersteller wie BMW an, bei einer allgemeinen, imagebildenden Kommunikation ein „neutrales Mittelmodel“, etwa den 5er BMW, zu verwenden, da so auch alle anderen Modelle davon profitieren.

Planung der Werbung

2.1.2

269

Qualitative Aspekte der Werbeobjektplanung

Liegt eine Auswahl der zu bewerbenden Objekte vor, so ist die Frage zu beantworten, mit welcher Intensität die ausgewählten Objekte zu bewerben sind. Die Gewichtung erfolgt hier anhand der Bedeutung der einzelnen Produkte für die Unternehmung. Dabei sind fünf Alternativen möglich: x Alle Objekte werden mit gleicher Intensität beworben. Dies ist in der Praxis relativ selten zu finden und nur sinnvoll bei gerade in den Markt eintretenden Mehrproduktunternehmen, bei denen die einzelnen Produkte nicht in irgendeiner Weise hervorgehoben werden müssen. Ein Beispiel wäre ein Safthersteller mit verschiedenen Saftsorten; x Alle Objekte werden generell mit gleicher Intensität beworben – innerhalb der jeweiligen Maßnahmen erfolgt jedoch eine Herausstellung eines Objektes; x Alle Objekte werden mit unterschiedlicher Intensität beworben. Dies wird häufig unter der Berücksichtigung saisonaler Schwankungen durchgeführt; x Ausgewählte Objekte werden mit gleicher Intensität beworben. Beispielsweise könnte die Werbung bei Produkten mit monopolartiger Marktstellung oder bei Produkten, deren Eliminierung (Reduktionsstrategie) geplant ist, zurückgefahren werden, während sie bei den anderen Angeboten eher verstärkt wird; x Ausgewählte Objekte werden mit unterschiedlicher Intensität beworben. Hier werden quantitative und qualitative Aspekte gleichermaßen berücksichtigt.

2.2 Werbesubjekt Bei der Festlegung der Werbesubjekte handelt es sich um die Bestimmung der werblichen Zielgruppe. Diese ist in ihrem maximalen Umfang bereits durch das Zielgruppenprogramm des Marktprogramms determiniert. Im Rahmen der Werbesubjektplanung ist daher zu entscheiden, ob sich die vorgesehene werbliche Maßnahme auf die gesamte definierte Absatzzielgruppe oder nur auf einzelne Teile davon bezieht. Dabei ist

Mögliche Intensitätsstufen

270

Marktkommunikation eine eventuell im Marktprogramm getroffene Differenzierung zwischen Letzten Nachfragern versus Letzten Verwendern (z.B. bei Babynahrung) sowie zwischen finalen und subfinalen Zielgruppen zu berücksichtigen. So werden in der Kommunikation häufig auch Meinungsbildner angesprochen (subfinale Zielgruppe), die dann die werbliche Botschaft an den Letzten Nachfrager weiterleiten (etwa bei Sportlehrern, die als Meinungsbildner einen Einfluss auf das Kaufverhalten ihrer Schüler haben).

Fach- und Publikumswerbung

Daraus leitet sich auch der Unterschied von Fach- und Publikumswerbung ab. Ist erstere auf eine fachkundige subfinale Zielgruppe gerichtet, so spricht Publikumswerbung, auch Endverbraucherwerbung genannt, den Letzten Nachfrager an.

2.3

Kommunikationsform

Die Wahl der Kommunikationsform ist abhängig von der werblichen Zielgruppe (insbesondere ihrem Mediennutzungsverhalten und anderen verhaltens- und personenbezogenen Merkmalen), der Art der zu übermittelnden Werbebotschaft, der Erklärungsbedürftigkeit der Werbeobjekte und der Marktbearbeitungsform (Direktabsatz oder Marktkette). Dabei ergeben sich drei – an anderer Stelle bereits allgemein geschilderte – Alternativen:

x die Übermittlung einer persönlichen Botschaft (z.B. in Form eines Werbegesprächs),

x die Übermittlung einer konservierten Botschaft (z.B. ein TV-Spot, der sich bei einer großen Zielgruppe mit großer geographischer Streuung anbietet) oder

x eine Kombination von persönlicher und konservierter Kommunikation über Meinungsbeeinflusser (zweistufige Kommunikation, wie im Beispiel der Pressekonferenz). Streuwerbung

Die Kommunikationsform lässt sich zudem nach unterschiedlichen Anspracheformen differenzieren: zum einen kann Streuwerbung vorliegen, worunter die anonyme Ansprache von namentlich nicht bekannten, durch Gruppenmerkmale definierten Zielgruppen verstanden wird.

Direktwerbung

Zum anderen besteht die Möglichkeit der Direktwerbung: sie ist die personifizierte Ansprache von Umworbenen, die durch einzelwirtschaftsbezogene Merkmale definiert sind (Schineis, 1996, S. 130).

Planung der Werbung

271

Auf die verschiedenen Vor- und Nachteile dieser beiden Anspracheformen wird im Zusammenhang mit den nachfolgenden Ausführungen zu Werbemitteln und -trägern eingegangen werden.

2.4

Werbemittel und Werbeträger

2.4.1

Begriff und Typologisierung

Es wurde bereits mehrfach erläutert, dass werbliche Botschaften in direkter unmittelbarer (persönlicher) oder mittelbarer (konservierter) Form vorliegen können. Konservierte Botschaften werden dann eingesetzt, wenn eine zeitliche oder räumliche Überbrückung erfolgen muss oder die finanzielle Situation des Unternehmens eine direkte unmittelbare Kommunikation nicht zulässt. Ein Werbemittel stellt eine materialisierte Werbebotschaft dar. Werbemittel sind an Träger (Zeitschriften, Fernsehen, Radio, Eintrittskarten, etc.) gebundene werbliche Botschaften, die an die Stelle des unmittelbaren persönlichen Kontakts zwischen Werbungtreibenden und Umworbenen treten. Werbemittel sind somit reproduzierbar und in gleicher Form beliebig oft verwendbar. Zu den gängigen Werbemitteln gehören beispielsweise die Anzeige, der Rundfunk- oder TV-Spot, Kataloge, Plakatanschläge, Kinowerbung, Telefon- und Adressbuchwerbung und Werbebriefe. Obwohl Werbemittel begrifflich eher der Werbung zugehörig sind, finden diese auch ihren analogen Einsatz in der Öffentlichkeitsarbeit.

Werbemittel

Von besonderer praktischer Bedeutung zur Systematisierung von Werbemitteln ist eine Unterscheidung, die von den Einsatzbedingungen der Werbemittel ausgeht und sich gleichzeitig an den weiter oben bereits beschriebenen Anspracheformen orientiert. In diesem Sinne können drei Werbemittelgruppen unterschieden werden: Werbemittel der Streuwerbung, Werbemittel der Direktwerbung und Werbemittel am Ort des Kundenkontakts (Point of Sale, POS).

Systematisierung von Werbemitteln

272

Marktkommunikation

2.4.1.1 Werbemittel der Streuwerbung Grundfunktionen und Wirkungen ausgewählter Werbemittel

Häufig eingesetzte Werbemittel der Streuwerbung sind Anzeigen, Beilagen, Plakate, Verkehrsmittelwerbung, FFF-Werbung (Film-, Funk-, Fernsehwerbung), aber auch Werbung durch Hauswurfsendungen. Im Folgenden wird kurz auf einige Grundfunktionen und Werbewirkungen ausgewählter Werbemittel hingewiesen.

Anzeige

x Anzeige Der Großteil (70%) der erfassbaren Werbeaufwendungen im Jahre 2005 bezog sich auf die Anzeigenwerbung (ZAW – Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft, 2006). Die Anzeige dient – gerade durch die Möglichkeit einer großen Darbietungsmenge – in erster Linie der Informationsübermittlung. Enthält die Anzeige weniger Informationen, dann ist sie eher für die Aufmerksamkeits- oder Erinnerungsfunktion geeignet. Neben der Anzeigenge-staltung spielt auch die Platzierung der Anzeige eine wesentliche Rolle (höhere Aufmerksamkeit etwa durch Platzierung im redaktionellen Umfeld);

Plakat

x Plakat Das Plakat hat eine sehr hohe Reichweite bei geringen Kontaktzeiten. Es dient daher in erster Linie der Fundierung und Aktivierung von Erinnerungen bzw. der Bekanntmachung und wird häufig begleitend zu anderen Print- oder TV-Kampagnen eingesetzt. Zielgruppen sind hauptsächlich jüngere, mobile und berufstätige Personen;

TV-Spot

x TV-Spot Durch seine optischen, akustischen und motorischen Darstellungsmöglichkeiten wirkt diese Werbung sehr dynamisch. Der TV-Spot kann dabei auch zur Erläuterung von Funktionsabläufen genutzt werden. Durch die Ansprache des optischen und des akustischen Sinns können mehr Informationen transportiert werden, weswegen sich der TV-Spot nicht nur für die Bekanntmachung, sondern auch für die Informationsvermittlung sehr gut eignet. Die relativ langen Kontaktzeiten (ca. 22 Sekunden im Durchschnitt) schaffen bei gleichzeitiger Ansprache der verschiedenen Sinne Atmosphäre und erzeugen Stimmungen und Emotionen. Der TV-Spot eignet sich damit auch für die Imagebildung eines Versorgungsobjekts.

Planung der Werbung

273

Dennoch ist der TV-Spot nicht frei von Kritik: Fernsehen gilt als ein low-involvement Medium. In diesem Fall bedeutet low-involvement, dass der Zuschauer passiv vor dem Gerät sitzt und leicht durch andere Tätigkeiten von der Betrachtung des TV-Spots abgelenkt werden kann. Zudem besteht eine zunehmende Gefahr durch das sogenannte Zapping. Der Zuschauer neigt durch die zunehmende Programmzahl dazu, bei Werbeblöcken das Programm zu wechseln. Untersuchungen zeigen, dass lediglich ein Drittel der Zuschauer sich während des Werbeblocks ausschließlich dem Fernseher widmet. x Hörfunk-Spot Mit ca. 196 Minuten pro Tag (in 2004) bei rund 85% der gesamten Bundesbevölkerung ab 14 Jahren ist der Hörfunk zusammen mit dem TV (202 Minuten pro Tag) das meistgenutzte Massenmedium (Quelle: Horizont 4/2006). Der Hörfunk-Spot dient somit insbesondere der Steigerung der Reichweite und dabei vor allem der Erinnerung und Aktualisierung von Werbeauftritten über andere Medien. Auch hier gelten die gleichen Kritikpunkte eines low-involvement Mediums wie beim TV-Spot.

Hörfunk-Spot

x Internet-Banner Durch die rasant steigende Nutzung (58 Minuten / Tag) des Internets und einer bis 2010 prognostizierten Verdoppellung der Nutzungszeiten (Quelle: Horizont 4/2006), wachsen auch die Werbespendings für so genannte Internet-Banner, die als animierte Anzeigen beschrieben werden können, beständig.

2.4.1.2 Werbemittel der Direktwerbung Direktwerbung ist die personifizierte Ansprache von Umworbenen. Als Werbemittel der Direktwerbung kommen beispielsweise infrage: personifizierte Werbebriefe, Kundenzeitschriften, Telefongespräche etc. Obwohl die Werbeträgerkontaktwahrscheinlichkeit nahezu gleich eins ist, da jeder Umworbene seinen Brief erhält (geringe Streuverluste), ist die Werbemittelkontaktwahrscheinlichkeit im Vergleich zu den Streumedien nicht selten geringer. Viele Umworbene neigen dazu, „Werbebriefe“ – zumindest schlecht gestaltete – ungelesen oder nicht vollständig gelesen wegzuwerfen. Daher sind die Werbemittel der Direktwerbung durch einen relativ hohen Tausenderkontaktpreis gekennzeichnet. Der Tausenderkontaktpreis stellt eine Maßzahl dar, die medienübergreifend den Preis für 1000 erreichte Kontakte angibt. Eine genauere Erläuterung und eine Beispielrechnung werden in Kap. B 2.4.3.2 dargestellt.

Werbemittel der Direktwerbung

274 Directmail und Telefonwerbung

Marktkommunikation Neben dem Werbebrief – auch Directmail genannt – gibt es auch die Möglichkeit der Telefonwerbung. Diese in den USA stark verbreitete Form der Werbung findet auch in Deutschland starken Anklang, wobei sie rechtlich limitiert ist (Verbot sogenannter „Kaltanrufe“). So ist Telefonwerbung bei Privatpersonen verboten, auch wenn mit diesen bereits eine Geschäftsbeziehung besteht. Telefonwerbung ist nur dann zulässig, wenn der Umworbene dies ausdrücklich wünscht und dies etwa schriftlich durch die Zusendung einer Postkarte bestätigt. Ähnliches gilt für Fax und E-Mail Werbung (Schröder, 1999, S. 599). Ein wesentlicher Vorteil der Direktwerbung ist, dass eine ausführliche Produktbeschreibung möglich ist, die sich gerade für erklärungsbedürftige Angebote gut eignet. Die Direktwerbung in Form eines persönlichen Briefs oder Anrufs empfiehlt sich zudem vor allem bei kleinen, geographisch breit gestreuten Zielgruppen, die nicht durch den Einsatz von Mitarbeitern besucht werden können.

2.4.1.3 Werbemittel am Ort des Kundenkontakts POSWerbemittel

Werbemittel am Ort des Kundenkontakts (auch Point of Sale-, also POS-Werbemittel genannt) sind Werbemittel, die unmittelbar am Ort des Kundenkontakts platziert sind. Darunter versteht man Werbemittel wie Innenplakate, Displays, Deckenhänger u.ä. Diese haben insbesondere die Aufgabe, potenziellen Kunden nochmals einen letzten Anstoß zur Erreichung eines Werbeziels, i.d.R. der Handlungsauslösung, zu geben. In manchen Fällen ist eine Unterscheidung zwischen Werbemittel und Werbeträger schwierig, da Träger und Mittel zusammenfallen. So unterscheidet man werbeträgergebundene Werbemittel, wie z.B. die Anzeige (sie erfordert zwingend Zeitung bzw. Zeitschrift als Träger) und werbeträgerungebundene Werbemittel, wie z.B. Prospekte.

2.4.2

Beurteilungskriterien bei der Wahl der Werbemittel

Zur Beurteilung der Wahl des richtigen Werbemittels bieten sich in der Literatur eine Fülle von Kriterien. Im Folgenden soll der Abgrenzung von Schineis gefolgt werden (Schineis, 1996, S. 132):

Planung der Werbung

275

Ziel der Werbung Unterschiedliche Werbeziele bedingen unterschiedliche Werbemittel. So eignet sich eine LKW-Beschriftung besser zur Bekanntmachung als zur Imagebildung. Werbliche Zielgruppe

Unterschiedliche Zielgruppen weisen unterschiedliche Präferenzen bzgl. der Werbemittel auf. So kann es bestimmte Korrelationen zwischen den lifestylebezogenen Merkmalen der Zielgruppen und ihrem Mediennutzungsverhalten geben.

Werbeobjekte

Das Werbemittel sollte dem Werbeobjekt angepasst sein, d.h. die Darstellbarkeit des Werbeobjekts bestimmt auch das Werbemittel. Dies sollte sich auch weitestgehend mit den Vorstellungen der Konsumenten über das Versorgungsobjekt decken. So macht es wenig Sinn, Luxusgüter, wie Autos, Pelze oder Juwelen, über Handzettel zu bewerben.

Werbemittel der Konkurrenz

Hier stellt sich die Frage, ob die gleichen Werbemittel der Konkurrenz eingesetzt werden oder man sich durch den Einsatz anderer Werbemittel abheben sollte (Abhebungs- versus Anpassungsstrategie).

Absatzweg

Erfolgt der Absatzweg über mehrere Stufen, dann sollten die eigenen Werbemittel mit denen der nachfolgenden Stufen abgestimmt werden.

Rechtliche Bestimmungen

Rechtliche Bestimmungen, die den Einsatz des Werbemittels sowie den zur Streuung notwendigen Werbeträger betreffen, sind zu berücksichtigen. So scheiden z.B. TV-Spots als Werbemittel für Tabakwaren aufgrund des Werbeverbots aus.

Abb. 84: Beurteilungskriterien für Werbemittel

2.4.3

Werbeträger

2.4.3.1 Begriff und Typologisierung Die Werbeträger haben die Aufgabe, persönliche Werbebotschaften oder Werbemittel an die Umworbenen zu übertragen. Neben der Möglichkeit der personalen Verteilung (Bote) sind hier insbesondere die sachlichen Werbeträger (Medien) von Interesse. Eine Systematisierung kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden, die nicht als erschöpfend zu sehen ist, aber zumindest die gängigen Werbeträgerkategorien wiedergibt (das Internet gehört dabei streng genommen zu den elektronischen Medien, bietet aber immer wieder neue Anwendungsund Interaktionsmöglichkeiten, weshalb es in der folgenden Tabelle immer noch als sog. „Neues Medium“ aufgeführt wird).

Systematisierung der Werbeträger

276

Werbeträger

Marktkommunikation

Beschreibung

Print-/ Insertionsmedien

z.B. Zeitungen, Zeitschriften, sonstige Druckerzeugnisse wie Telefonbücher oder Gelbe Seiten

Zeitung

Die Zeitung ist ein Werbeträger, der Aktuelles in regelmäßiger Folge einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Nach dem Aufkommen des Fernsehens in den fünfziger Jahren sagte man der Zeitung ihr baldiges Ende voraus, doch Zeitung und Fernsehen haben sich nicht gegenseitig ersetzt, sondern ergänzt. Folgende Angebotsformen sind vorhanden: x Überregionale Tageszeitungen, wie die FAZ oder Welt x Regionale Tageszeitungen, wie der Wiesbadener Kurier x Sonntagszeitungen, wie die BamS oder WamS. x Boulevardzeitungen, wie der Kölner Express, BILD oder tz x Wochenzeitungen x Anzeigenblätter

Funktion

Die Zeitung ist ein Basismedium für den lokalen Einzelhandel und für Markenartikelanbieter im Rahmen eines Testmarkts. Ansonsten ist sie eher ein Ergänzungsmedium. Sie dient zur Aktualisierung gewisser Angebote, stärkt kurzfristig die Nachfrage und steuert den Abverkauf in lokalen Märkten. Als Medium für nationale Kampagnen ist sie in Verbindung mit kooperierenden Aktivitäten des lokalen Handels denkbar. Ein wesentlicher Vorteil besteht in der fast uneingeschränkten Verfügbarkeit für Werbungtreibende.

Planung der Werbung Zeitschrift

Man unterscheidet drei Gruppen von Zeitschriften: x Publikumszeitschriften: richten sich an breite Bevölkerungsschichten zum Zwecke der Unterhaltung x Special-Interest-Zeitschriften: konzentrieren sich auf ein Thema x Fachzeitschriften: richten sich an bestimmte Berufsgruppen zur Wissensergänzung bzw. vertiefung

277

Zeitschriften gelten als klassische Basismedien. Aufgrund ihrer Vielfalt erreichen sie sowohl die Gesamtbevölkerung als auch differenziertere Zielgruppen (Special-Interest-Titel). Zeitschriften erreichen eine hohe Kontaktdichte bei einer hohen Wirtschaftlichkeit. Durch die aktive Nutzungssituation – Zeitschriften lesen lässt kaum eine Nebentätigkeit zu – kommt es zu intensiven und ausführlichen Kontakten mit den Werbebotschaften. Zeitschriften eignen sich für Aufbau und Festigung von BeFolgende Platzierungsmöglich- kanntheit, Markenbild und Image. keiten bestehen bei Zeitschriften: Die Vielfalt der Angebotsformen und x Teilbelegungsmöglichkeiten technischen Möglichkeiten ermög(nur ein Teil der Ausgabe in licht rationale wie emotionale Wereinem bestimmten Nielsenge- bebotschaften. Selbst aktivitätsauslöbiet enthält die Anzeige) sende Werbebotschaften sind x Split-run-Verfahren (in vermöglich. schiedenen Nielsengebieten werden unterschiedliche Anzeigenmotive verwendet. Dies eignet sich vor allem bei Werbewirkungstests) x Beilagen x Beikleber x Beihefter x Gate-folder Anzeigen (es handelt sich hierbei um großformatige Anzeigen, die ausklappbar sind) x Prospektanzeigen u.v.m.

278

Marktkommunikation

Elektronische z.B. Fernsehen, Funk, Film Medien TV-Spot

Fernsehen gehört zu den elektronischen Medien und ist durch seine optischen, akustischen und motorischen Demonstrationsmöglichkeiten eines der einprägsamsten Medien.

Das Werbefernsehen zählt zu den Basismedien, auch wenn diese Funktion nur mit sehr hohen Investitionen zur Erreichung der Kontaktdichte erfüllt werden kann. Erst durch die private Konkurrenz zu den öffentlichrechtlichen Fernsehanstalten entstand eine fast unbegrenzte Verfügbarkeit. Bekanntheit und Imagebildung lassen sich durch das Fernsehen erreichen, weil es große Möglichkeiten der Emotionalisierung durch die multisensorische Ansprache (Bild, Ton, Bewegung) bietet. Das Fernsehen eignet sich auch sehr gut zur Demonstration von Nutzen und Anwendung von Produkten. Negativ ist die passive Nutzung des Fernsehens bei Werbung: zu umfangreiche Werbeblöcke veranlassen die Zuschauer zum „Zapping“ (Umschalten) oder „Grazing“ (Wandern über die Kanäle).

HF-Spot

Der Rundfunk gehört zu den elektronischen Medien, dessen Werbemittel, durch Einsatz von Sprache, Musik und Geräuschen, der Funkspot darstellt.

Der Rundfunk dient gleichrangig der Information und Unterhaltung. Er ist nur bedingt als Basismedium geeignet, weil die Flüchtigkeit der Kontakte sehr hoch ist, aufgrund einer Überlagerung mit anderen Tätigkeiten, wie z.B. Autofahren oder Haushaltsarbeit. Daher kann der HF-Spot nur ein Ergänzungsmedium sein, das dazu dient, eine Erhöhung des Bekanntheitsgrads und der Aktualisierung von TV-Spots oder Print-kampagnen zu erreichen. Die Selektionsfähigkeit von Zielgruppen ist darüber hinaus sehr beschränkt.

Planung der Werbung

279

Kino-Spot Das Kino dient als Werbeträger für Das Kino bietet Unterhaltung, ErhoWerbefilme und Werbedias. lung und Identifikationsmöglichkeiten und vermittelt somit in hohem Werbeformen sind: Maße Emotionen, da man zumeist in x Werbefilm Begleitung von Partnern/Freunden x Werbekurzfilm das Kino besucht. Das Kino stellt eix Kinospot ne aktive, bewusste Freizeitbeschäfx Diawerbung tigung dar, in der sich der Be-trachter x Tönendes Dia der Werbung nicht entziehen kann. x Dia auf Film Er wird darüber hinaus nicht abgelenkt. Bei bestimmten Angeboten kann unmittelbar nach der Vorführung das Produkt verkauft werden (Eiscreme, Popcorn, Merchandise). Trotz dieser qualitativen Vorteile dient das Kino nur als Ergänzungsmedium, wegen x geringer Reichweiten x hoher 1000-Kontakt-Preise x sehr hoher Produktionskosten

Fortsetzung S. 280

280

Marktkommunikation

Außen- z.B. Litfasssäule, Verkehrsmittel, werbung Banden in Sportstadien Stationäre Außenwerbung (Plakat)

Das Plakat gehört wie die Verkehrsmittelwerbung und die Lichtwerbung zur Außenwerbung. Hierunter werden alle Werbemittel verstanden, die dem Werbesubjekt auf öffentlichen Straßen und Plätzen begegnen. Werbeformen sind: x „Allgemeine Anschlagstellen“ x Ganzanschlagstellen x Großflächen x Kleintafeln und Spezialstellen x Superposter x Infoscreen x Rollende Plakatwand x On-Line Medienwand x Jumbotron-Videowand

Das Plakat ist durch eine passive Nutzung, hervorgerufen durch zufälliges „Vorbeikommen“, gekennzeichnet. Insoweit dient das Plakat nur als Ergänzungsmedium zur Aktualisierung und Imagebildung. Formal und inhaltlich kann das Plakat nur Kurzinformationen vermitteln. Ausnahmen stellen insbesondere die Litfasssäulen dar, die z.B. lokale kulturelle Angebote ankündigen, da hier längere Kontaktzeiten möglich sind.

Mobile Außenwerbung

Hierzu gehört in erster Linie die Verkehrsmittelwerbung. Ein weiterer Bereich ist die sog. Akzidenzwerbung, worunter z.B. die Transport-LKWs der Post oder Fremdwerbung auf Taxis verstanden werden.

Verkehrsmittelwerbung erzielt hohe Reichweiten. Darüber hinaus ist eine Abgrenzung gegenüber anderer Werbung durch die Alleinstellung sehr gut möglich. Mobile Außenwerbung bietet sich vor allem für lokale Anbieter an. Für nationale Anbieter stellt es lediglich ein Ergänzungsmedium dar.

Sonstige Außenwerbung

Hierzu gehören Abribus-Stellen, dies sind beleuchtete, hinter Glas geschützte Flächen an den Haltestellen öffentlicher Nahverkehrsmittel. Daneben gibt es noch Shopping-Center-Stellen, wie z.B. Plakatflächen auf Parkplätzen großer Einkaufszentren und Dauerwerbung, wie z.B. bemalte Häuserwände. Alle diese sind Werbemittel, die non-print oder dreidimensional sind.

Hier gelten die gleichen Funktionen wie bei der stationären Außenwerbung. Abribus-Stellen erzielen meist hohe Aufmerksamkeit, sind jedoch sehr kostspielig. Hauptwerber ist die Tabakindustrie. Vorteil ist, dass sie von allen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen werden.

Planung der Werbung Neue Medien

Es handelt sich um elektronische Kommunikationsformen, die sich durch neuartige oder modifizierte Formen der Daten- und Bildübertragung, -verarbeitung und -speicherung auszeichnen.

Internet

Das Internet, in Form des World Wide Web, bietet eine Fülle von Möglichkeiten, um den Umworbenen anzusprechen. Neben der klassischen Bannerwerbung bieten Videos, Töne oder Spiele Möglichkeiten, um das Involvement zu steigern. Darüber hinaus bietet es sowohl ein großes Interaktionspotenzial innerhalb des Mediums als auch die Möglichkeit zu einem einfachen Medienwechsel, z.B. mittels eines „Call-Back Buttons“.

281

Ähnlich wie Zeitschriften stellt das Internet ein high-involvement Medium dar. Der Umworbene sucht aktiv nach Informationen. Das Internet eignet sich aber bisher nur als Ergänzungsmedium, da die Funktion der Bekanntmachung nur schwer erfüllt werden kann. Es eignet sich sehr gut zur Erfüllung der Informationsfunktion, um den Umworbenen in Ergänzung zur klassischen Media-werbung mit Informationen zu versorgen.

Abb. 85: Typologisierung Werbeträger

2.4.3.2 Auswahl der Werbeträger Die Auswahl des geeigneten Werbeträgers (auch Mediaselektion oder Mediaplanung genannt) entscheidet oftmals über den Gesamterfolg der Werbemaßnahmen. Empfohlen wird ein zweigeteiltes Vorgehen nach dem Intra- und Intermediavergleich. Beim Intermediavergleich werden die einzelnen Werbeträgergattungen (Printmedien, elektronische Medien oder Medien der Außenwerbung) auf ihre spezifische Eignung zur Erreichung der Werbeziele untersucht. Man entscheidet sich dann für die geeignete Werbeträgergattung.

Intermediavergleich

Beim Intramediavergleich wird, wenn möglich zeitlich parallel mit der Intermediaselektion, die Bestimmung des konkreten Werbeträgers vorgenommen, also etwa die Auswahl der einzelnen Zeitschriften oder des geeigneten Rundfunksenders.

Intramediavergleich

Die Auswahl der geeigneten Werbeträger orientiert sich folgerichtig an den verfolgten kommunikativen Zielen, den eventuell gegebenen rechtlichen Restriktionen sowie an der Kostenbelastung der Unternehmung. Hierfür stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, die Kosten der einzelnen heterogenen Werbeträger gegeneinander abzuwägen.

282 Tausenderkontaktpreis

Marktkommunikation Dies geschieht in der Regel mit dem Tausenderkontaktpreis (TKP). Dieser TKP berechnet das Verhältnis der Belegungskosten zu den erreichten Kontakten mal 1000. Er stellt also den Preis dar, der zu zahlen ist, um 1000 Kontakte zu erreichen.

Der Tausenderkontaktpreis (TKP): Kosten der Belegung Reichweite

1000

Beispielhafte Tausenderkontaktpreise in 2005: Kino Internet Tageszeitungen TV Quelle: Horizont 49/2004

78,27 US$ 19,15 US$ 10,72 US$ 6,58 US$

Konkrete TKPs: RTL Television (2004) Sat. 1 (2004) Quelle: Horizont 30/2004

18,58 € 17,00 €

Wirtschaftswoche (2006) Quelle: Horizont.net

24,62 €

2.5 Werbegestaltung Die Werbegestaltung im Rahmen der Werbeplanung ist für die Erstellung konkreter Vorgaben der einzelnen Kommunikationsmittel zuständig, wobei die Gestaltung selbst - also im physischen Sinne - im Rahmen der Durchführung erfolgt. Ziel der Gestaltungsvorgaben ist es, eine zielgruppenadäquate Formulierung und Gestaltung der Werbebotschaften bzw. Werbemittel zu erreichen. Bevor im Folgenden auf konkrete Gestaltungselemente eingegangen wird, sind zunächst einige Grundlagen der Werbepsychologie zu erarbeiten.

Planung der Werbung

2.5.1

283

Grundlagen der Werbepsychologie

Die Psychologie beschäftigt sich mit der Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung und der Verhaltenssteuerung durch Informationen bei Lebewesen und ihren Gruppen. Da Kommunikation mit der Übertragung von Informationen zu tun hat, spielt die Psychologie auch in der Marktkommunikation und insbesondere in der Werbung eine herausragende Rolle. Untersuchungen zeigen, dass der Mensch bei der Entscheidungsfindung (z.B. beim Kauf von Objekten) nur einen kleinen Teil der verfügbaren Informationen nutzt. Nach entsprechenden Untersuchungen wird überhaupt nur ein sehr geringer Prozentsatz des Informationsangebots von den Umworbenen beachtet (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 519). Dies ist durch die begrenzte Kapazität der menschlichen Informationsaufnahme, der Verarbeitung und Speicherung und durch die einhergehende Informationsüberlastung der Menschen zu erklären. Das Individuum wird mit einer Informationsmenge konfrontiert, die seine Verarbeitungskapazität überschreitet („Information-overflow“) und zu einer Erschwerung der Entscheidungsfindung führt. Als wesentlicher Ausweg bietet sich die Methodik der Aktivierung an.

Informationoverflow

2.5.1.1 Aktivierende Prozesse Aktivierende Prozesse sind Vorgänge, die mit inneren Erregungen und Spannungen verbunden sind. Sie versorgen das Individuum mit Energie und treiben es an (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 46 ff.). Die Aktivierung nimmt Einfluss auf die gesamte Informationsverarbeitung des Menschen, d.h. von der ersten Entschlüsselung des Reizes bis zum Wiedererinnern der vermittelten Informationen. Die Wirkung der Aktivierung auf die Leistungsfähigkeit des Menschen wird durch die sogenannte „umgekehrte U-Hypothese“ angegeben (siehe nachfolgende Seite). Für die Analyse der U-Hypothese ist es zweckmäßig, sie in drei Elementarphasen zu zerlegen. In der Phase der Minimalaktivierung wird deutlich, dass zunächst ein bestimmtes Mindestmaß an Aktivierung benötigt wird, um den Umworbenen aus der Schlafphase in eine Wahrnehmungsphase zu bringen. In der Phase der Normalaktivierung nimmt mit zunehmender Aktivierung auch das Leistungspotenzial des Umworbenen zu, d.h. er ist in der Lage, mehr Informationen zu verarbeiten. Bei einer Überaktivierung nimmt ab einem bestimmten Punkt die Leistung bei jeder weiteren Aktivierung ab. Dies kann bei emotionalem Stress oder Panik der Fall sein. Es kommt also in der Werbung auf den richtigen Grad der Aktivierung an.

Umgekehrte U-Hypothese

Aktivierung

284 Reizwirkungen

Marktkommunikation Für die gezielte Auslösung der Aktivierung steht eine reichhaltige Sammlung bewährter Reize zur Verfügung. Im allgemeinen unterscheidet man emotionale Reizwirkungen, kognitive Reizwirkungen und physische (physikalische) Reizwirkungen. Leistung

Optimalniveau

Aktivierung Schlaf

Starke Panik Enstpannte Wache WachAufmerk- Erregung samkeit samkeit

Abb. 86: Umgekehrte U-Hypothese (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 76) Emotionale Reizwirkung

Kindchenschema

Erotische Attrappe

Emotionale Reizwirkungen gehören zum klassischen Instrumentarium der Werbung, um Aufmerksamkeit und Spannung zu erzeugen. Hierunter fallen vor allem biologische Schlüsselreize, die eine vorprogrammierte Reaktion beim Betrachter bewirken. Diese Schlüsselreize können durch sogenannte Attrappen ausgelöst werden. Beispielhaft sei hier zum einen das Kindchenschema genannt. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Bildmotive kleiner Kinder oder Tiere, die einen großen runden Kopf, Kulleraugen, eine kleine Stupsnase und einen Schmollmund aufweisen. Sie appellieren an verschiedene Schlüsselreize beim Betrachter. Bei Frauen appellieren sie an den „Aufzuchtinstinkt“, bei Männern lösen sie das Gefühl des Beschützens aus. Eine zweite Form der emotionalen Reizwirkungen stellen die erotischen Attrappen dar. Hierbei handelt es sich um Bildmotive mehr oder minder bekleideter Personen in entsprechend erotischen Positionen. Die erotische Attrappe eignet sich sehr gut zur Aktivierung, da sie sich relativ

Planung der Werbung wenig abnutzt. Dennoch besteht eine deutliche Gefahr der Ablenkung von der eigentlichen Werbebotschaft, wenn die Reizwirkung überwiegt.

Abb. 87: Beispiel Mercedes Benz – Kindchenschema

Abb. 88: Beispiel Hennessy – Erotische Reizwirkung

285

286 Kognitive Reizwirkung

Marktkommunikation Kognitive Reizwirkungen entstehen durch gedankliche Konflikte sowie durch Widersprüche und Überraschungen. Die eigentliche Wahrnehmung steht so vor einem unerwarteten gedanklichen Problem, welches die Informationsverarbeitung stimuliert. Ein Problem der kognitiven Reizwirkungen ist ihre schnelle Abnutzung, wenn das Problem erkannt wurde. Zudem kann es zu nachteiligen Assoziationen kommen, welche die Glaubwürdigkeit der Botschaft infrage stellen, etwa wenn der Widerspruch gedanklich nicht gelöst werden kann. Die Folge ist eine Ablehnung der Werbung wegen Unverständnis.

Abb. 89: Beispiel Trill – Kognitive Reizwirkung

Planung der Werbung Physische oder physikalische Reizwirkungen arbeiten mit der Aktivierung durch besondere Größe oder Farbe des Bildmotivs. Dabei wirkt sich die Größe einer Anzeige auf die Betrachtungszeiten aus. Es gilt: je größer die Anzeige, desto länger die Kontaktzeiten.

287 Physische Reizwirkung

2.5.1.2 Widerstände gegen werbliche Beeinflussung Gegen die soeben beschriebenen Aktivierungen kann es allerdings auch zu Widerständen kommen, wenn der Umworbene das Gefühl hat, in irgendeiner Weise manipuliert zu werden. Es zeigen sich Gegenreaktionen (Reaktanzen), die im Extremfall zu einem genau gegensätzlichen Verhalten führen (Bumerang-Effekt). Zur Vermeidung solcher Reaktanzen bestehen mehrere Möglichkeiten. Zum einen kann die beabsichtigte Beeinflussung kaschiert werden, beispielsweise durch den Einbau einer Anzeige in einen längeren Fließtext. Dieser wird vom Umworbenen vielleicht gar nicht gelesen, erweckt aber bei ihm den Eindruck, gut informiert zu sein.

Abb. 90: Kaschierung der Beeinflussung

Reaktanzen

288

Marktkommunikation Eine weitere Möglichkeit besteht darin, von der beabsichtigten Beeinflussung abzulenken. Zu den Ablenkungstechniken gehören u.a. Verfremdungstechniken, wie verzerrte Sprecherstimmen, ungewöhnliche Musik, etc. Diese Techniken werden in der Praxis aber nur vereinzelt genutzt, da sie eventuell die eigentliche Werbebotschaft zu stark verfremden.

Kognitive Dissonanz

Postdecisional Regret

Intrusion

Neben der beschriebenen Reaktanz kann es beim Umworbenen auch zu kognitiven Dissonanzen kommen. Unter kognitiver Dissonanz versteht man eine als unbequem empfundene psychische Spannung, die dann eintritt, wenn zwischen dem Handeln und dem Wissen eines Individuums Widersprüche bestehen (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 176 ff.). So weiß die Mehrheit der Raucher wohl sehr gut über die Krebsgefahr des Rauchens Bescheid, raucht aber dennoch. Zur Wiederherstellung des psychischen Gleichgewichts suchen Raucher beispielsweise dann Informationen, die zeigen, dass Krebs auch durch andere Stoffe oder Verhaltensweisen verursacht werden kann bzw. dass Raucher aus Familie oder Freundeskreis ein hohes Alter bei guter Gesundheit erreichten. Dissonanzen entstehen dann, wenn zwei oder mehrere Wahrnehmungen als widersprüchlich angesehen werden. Als Entstehungsgründe können verschiedene Situationen infrage kommen. Es kann sich zum einen um den Postdecisional Regret handeln, also um eine Situation, in der beispielsweise ein Käufer die Nachteile des gekauften Objekts mit den Vorteilen des nicht gekauften Objekts abwägt. Zum anderen kann die Situation der Intrusion vorliegen. Sie entsteht während bzw. nach dem Kaufentscheidungsprozess durch Informationen, die dem Umworbenen mehr oder weniger zufällig bekannt werden und seine Entscheidung fragwürdig erscheinen lassen. Ein Beispiel für Intrusion findet man häufig beim Computerkauf. Auf diesem sehr dynamischen Markt kommt es häufig vor, dass ein gerade erst gekaufter PC schon nach wenigen Wochen zum halben Preis oder mit besserer Ausstattung angeboten wird. In einem solchen Fall kann Intrusion vorliegen, wenn der Käufer nach dem Kauf die Information erhält, dass sein Gerät in Kürze erheblich preisgünstiger zu haben sein wird. Die empfundene kognitive Dissonanz ist um so stärker, je mehr Kaufalternativen vorhanden sind, je schwieriger der spätere Widerruf des Kaufes wäre und je geringer der Informationsgrad über das zu kaufende Objekt bei der Kaufentscheidungsfindung ist. Eine der wesentlichen Aufgaben der Werbegestaltung ist es nun, solche kognitiven Dissonanzen zu beseitigen bzw. zu vermeiden. Ziel sollte es daher sein, den Informationsstand des Umworbenen bereits vor dem

Planung der Werbung

289

Kauf zu verbessern. Dies kann wiederum im Sinne der Signalingstrategie durch kommunikative Hervorhebung der Qualität und der Überlegenheit des beworbenen Versorgungsobjekts oder durch Koppelung der Werbung an Testergebnisse etc. geschehen. Es besteht auch die Möglichkeit, mit Hilfe von sogenannten Testimonials, in Form von Aussagen zufriedener Kunden oder Prominenter, die Überlegenheit des eigenen Angebots zu demonstrieren. Nach dem Kauf kann durch gezielte Nachkaufwerbung etwa in Form von Direct-mail-Aktionen das Vertrauen des Kunden in das gekaufte Produkt gesteigert werden.

2.5.2

Die Copy-Strategie

Wie zu Beginn des zweiten Kapitels beschrieben umfasst die CopyStrategie alle Entscheidungen, die zusammen betrachtet als Anleitung oder Bezugsrahmen für die Gestaltung der konkreten Werbebotschaft gelten. Neben den oben bereits beschriebenen Aufgaben muss eine Copy-Strategie zudem eine Aussage über den zu vermittelnden Consumer Benefit (Nutzenaussage) treffen, der sich aus der Objektgestaltung – dort vor allem aus den Nutzenkategorien – ableitet. Ein weiterer Bestandteil sollte die Reason Why – die Kaufbegründung – sein. Will Werbung überzeugen, so müssen die in der Werbung aufgestellten Behauptungen glaubwürdig sein. Das letzte noch fehlende Element der Copy-Strategie stellt die Tonality oder auch Anspracherichtung dar. Diese bezeichnet den Grundton der Werbung, also ob es sich eher um eine emotionale oder eine rationale Botschaft handelt.

2.5.3

Consumer Benefit

Reason Why

Tonality

Gestaltung ausgewählter Werbemittel

Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über gängige Gestaltungsvariablen bei verschiedenen Werbemitteln.

2.5.3.1 Gestaltung einer Anzeige Ein wesentliches Element einer Anzeige stellt die Headline oder Überschrift dar. In ihr soll sich die Hauptnutzenaussage der Werbebotschaft widerspiegeln. Man spricht daher auch vom Claim (der Behauptung) der Werbebotschaft. Die Headline ist in der Regel sehr exakt und pointiert zu formulieren, denn knapp 80% der Betrachter einer Anzeige lesen nur diese Schlagzeile.

Headline

Claim

290

Key Visual

Body Copy

Pack Shot

Marktkommunikation Das zweite grundsätzliche Gestaltungselement ist der Key Visual (Blickfang), den 90% der Betrachter einer Anzeige wahrnehmen. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass der Betrachter lieber bildliche als textliche Informationen aufnimmt. Der Blickfang sollte daher dazu dienen, die Aussage der Überschrift zu unterstützen. Als dritte Säule erweist sich die Body Copy (Fließtext). Hier sollten weitere Informationen über die beworbene Leistung bereitgestellt werden und eine Begründung der Behauptung aus der Überschrift erfolgen (Reason Why). Neben diesen Elementen findet sich häufig auch noch das Firmenlogo oder ein Pack Shot (Verpackungsdarstellung). Version 1:

Version 2: (1) (2) (2) (1)

(3)

(3) (5)

(3) (4)

(4) (5)

(1) (2) (3) (4) (5)

Headline = Claim = Consumer benefit Blickfang = Key visual Copy-Body = reason why = proof Werbekonstante z.B. Firmenlogo oder Packungs- bzw. Produktabbildung Baseline = Slogan = Werbekonstante

Abb. 91: Idealtypische Elemente einer Anzeige Werbekonstante

Die sogenannte Werbekonstante sollte – vor allem bei Anzeigenkampagnen mit mehreren Motiven – ein wiedererkennbares Erscheinungsbild liefern. Durch Blickregistrierungstests wurde festgestellt, dass sich gemäß der „westlichen“ Leserichtung die untere rechte Anzeigenecke am besten für die Werbekonstante eignet.

Baseline/ Slogan

Die Baseline oder der Slogan bilden das letzte Element innerhalb der Anzeigengestaltung. Für die Anordnung gelten die gleichen Empfehlungen wie bei der Werbekonstante.

Planung der Werbung

291

Abb. 92: Klassischer Aufbau einer Anzeige

2.5.3.2 Gestaltung eines TV-Spots Besonderer Vorteil dieses Werbemittels sind seine spezifischen Darstellungsmöglichkeiten mit der Chance, sehr starke Emotionen aufbauen zu können. Für die konkrete Umsetzung haben sich die nachfolgenden Basisempfehlungen bewährt: x Die Technik der Produktpersönlichkeit/-demonstration Bei dieser Technik steht die Demonstration des Produkts bzw. seiner Funktionen im Vordergrund. Dabei wird die Darstellung des Produkts in seiner „natürlichen“ Umgebung gezeigt, z.B. Haushaltsgeräte in der Küche oder vor einem „Limbo“, einer weißen Fläche. So wird die Aufmerksamkeit nur auf das Produkt gelenkt („the product is the hero“).

The product is the hero

x Die Testimonial-/Präsenter-Technik Bei dieser Technik präsentiert eine glaubhafte und vom Umworbenen akzeptierte Person das beworbene Versorgungsobjekt. Wird statt einem anonymen Präsenter ein Käufer oder Benutzer oder eine bekannte Persönlichkeit zur Präsentation verwendet, so handelt es sich um die Testimonal-(Zeugen-)Technik. Wichtig bei beiden Techniken

Präsenter

292

Marktkommunikation ist, dass die Ausstrahlung des Präsentierenden die eigentliche Werbebotschaft nicht überstrahlt.

Abb. 93: Anke Engelke und Franz Beckenbauer als Präsenter für O2 x Die Slice-of-Life-Technik

Slice-ofDeath

Diese Technik fand zunächst in den USA eine weite Verbreitung, wobei ihre Bedeutung auch in Deutschland schnell zunahm. In den achtziger Jahren nutzten namhafte Unternehmen diese Technik (Procter&Gamble etwa bewarb damit damals ca. zwei Drittel der eigenen Produkte). Kennzeichen dieser Technik ist die Darstellung einer Alltagssituation mit einem durch das beworbene Objekt zu lösenden Problem (häufig umgesetzt in Form eines Interviews mit „betroffenen“ Kunden). Eine etwas neuere Variante dieser Technik stellt die sog. Slice-of-Death-Technik dar, in der lebensbedrohliche oder andere gefährliche Situationen geschildert werden (wie z.B. der Verlust des Jobs, das Scheitern eines wichtigen Projekts etc.), die wiederum nur durch den erfolgreichen Einsatz des beworbenen Produkts bzw. der beworbenen Leistung verhindert werden können. x Die Life-Style-Technik Bei dieser Technik wird im Spot ein gewisser Lebensstil vorgeführt, in dessen Rahmen das beworbene Objekt eingepasst wird. Somit soll dieses Lebensgefühl auf das Produkt und sein Image übertragen wer-

Planung der Werbung den. Einer der ersten diesbezüglichen Spots in Deutschland war Langnese „Like ice in the sunshine“ – aber auch aktuellere Spots wie der Bacardi-Spot gehören in dieses Genre. Natürlich können die verschiedenen Copy Techniken auch kombiniert werden.

2.5.3.3 Gestaltung eines Funk-Spots Auch bei Funk-Spots gibt es eine Reihe von verschiedenen Copy Techniken. So findet sich auch hier die Möglichkeit des Presenter/Testimonial-Spots, wobei vor allem mit bekannten Sprecherstimmen gearbeitet wird. Auch Slice-of-Life-Spots, ähnlich wie beim TV, sind denkbar. Die gängigste Form stellt allerdings der Dialog-Spot dar. Hier findet ein Dialog zwischen zwei oder mehreren Personen statt, in dem die besonderen Produktvorteile und der Produktname genannt werden. Wesentliches Element jedes Funk-Spots sollte der Werbejingle sein, worunter der musikalisch umgesetzte Werbeslogan zu verstehen ist (so etwa McDonalds mit „Ich liebe es“ oder „Nichts ist unmöglich – Toyota“).

2.6 Werbebudgetierung Das Werbebudget (auch Werbeetat genannt) ist die Gesamtheit der Ausgaben für werbliche Zwecke eines Werbeplanungszeitraums (Pepels, 2001, S. 132). Aufgabe der Werbebudgetierung ist dabei zum einen die Bestimmung der Budgethöhe und zum anderen die sachliche Verteilung des Werbebudgets. Letztere orientiert sich stark an den Vorgaben der Werbeobjektplanung. Es ist zu entscheiden, welcher Teil des Budgets für welches Werbeobjekt bzw. zur Ansprache welcher werblichen Zielgruppe verwendet werden soll. Um einen optimalen Einsatz der Mittel zu gewährleisten, sollten die beiden Aufgaben, also Höhe und Verteilung des Budgets, simultan geplant werden. Als beeinflussende Rahmenbedingungen sind zu berücksichtigen: x die Vorgaben aus dem Absatzmarktprogramm, x die Abstimmung mit Budgets anderer Marketingbereiche, x die finanzielle Situation des Unternehmens, x die Maßnahmen der Konkurrenz.

293

294

Marktkommunikation Daneben stehen als unmittelbare Einflussfaktoren die einzelnen Entscheidungsbereiche aus der Werbekonzeption und -planung, wie Werbeziele, Werbeobjekte, werbliche Zielgruppen, Werbemittel und –träger. Im Folgenden sollen gängige Methoden der Budgetierung vorgestellt werden. Man unterscheidet praxis-determinierte Ansätze, die auf gemachten Erfahrungen der Marketingpraxis basieren und theorie-determinierte Ansätze, die auf Basis theoretischer Überlegungen Budgetierungsmöglichkeiten bieten. Letztgenannte finden aber aufgrund der fehlenden Umsetzbarkeit wenig Anwendung und können daher vernachlässigt werden. Die folgende Tabelle stellt die wesentlichen Ansätze vor:

Umsatzbezogene Werbebudgetierung

Der Werbeetat wird als ein fester Prozentsatz des zu erwartenden Umsatzes oder des Umsatzes der Vorperiode oder eines Durchschnittswerts vergangener Jahre berechnet. Diese Methode stellt allerdings den postulierten Wirkungszusammenhang, dass Werbung den Umsatz beeinflusst, auf den Kopf, da das Budget durch den Umsatz bestimmt wird. Darüber hinaus werden marktanteilsschwache Werbeobjekte eher benachteiligt. Gerade für den Markt neue Objekte, die noch keinen großen Marktanteil halten, sollten jedoch durch Werbung gestützt werden. Des Weiteren hat diese Methode eine prozyklische Wirkungsweise. In Jahren mit geringem Umsatz werden auch die entsprechenden Versorgungsobjekte schwächer beworben. Dabei sollten werbliche Maßnahmen gerade dann verstärkt werden, wenn sich eine rezessive Nachfrage abzeichnet.

Gewinnbezogene Werbebudgetierung

Die gewinnbezogene Werbebudgetierung arbeitet wie die umsatzbezogene Methode, orientiert sich aber an Gewinnen. Da diese aber finanztechnisch manipuliert werden können, kann es zu Verzerrungen in der Verteilung des Budgets kommen.

Festbetrag pro Bei dieser Methode wird ein Festbetrag pro geplanter VerkaufsStück-Methode („per einheit festgelegt. Hier gelten die gleichen Bedenken wie bei der unit-method“) umsatzbezogenen Methode.

Planung der Werbung

295

Konkurrenzorientierte Budge- Hierbei orientiert man die Werbeausgaben an den Austierung gaben der Konkurrenz. So wird die Budgethöhe gemäß dem eigenen Marktanteil aus den gesamten Werbeausgaben einer Branche oder eines Markts berechnet. Problematisch ist es allerdings, die exakten Werbeausgaben der Konkurrenz zu kennen. Auch die Unterstellung, dass es einen proportionalen Zusammenhang zwischen Marktstellung und Werbeniveau gibt, ist nicht zwingend. Zudem fehlt meistens eine qualitative Analyse der verwendeten Werbemittel. All you can afford-Methode

Diese Restwertmethode berechnet das Budget anhand der verbleibenden Mittel in der Unternehmung. Nach Abzug aller sonstigen Aufwendungen, werden die verbleibenden Mittel der Werbung zugeschlagen. Dabei wird das Verhältnis zwischen Werbung und Erfolg total vernachlässigt. Dieses Verfahren ist als sehr willkürliche Methode daher gänzlich abzulehnen.

Werbezielorientierte Budgetierung

Diese Budgetierungsmethode richtet sich streng an den jeweiligen Marketingzielen aus. Dabei werden zunächst alle Werbeziele in der Konzeptionsphase sowie die notwendigen Schritte der Werbeplanung festgelegt und anschließend die erforderlichen Ressourcen bestimmt. Der so ermittelte Budgetvorschlag kann dann nochmals revidiert werden und mit den Budgetvorstellungen des Finanzbereichs abgeglichen werden. Liegt das Budget außerhalb des Rahmens, so müssen Ziele oder Maßnahmen neu hinterfragt werden. Diese Methode weist einen dynamischen und zukunftsorientierten Charakter auf und ist daher eine sehr geeignete Methode zur Budgetierung der Werbeausgaben.

Abb. 94: Übersicht praxis-determinierte Ansätze der Werbebudgetierung

296

Mikro -Timing

MakroTiming

Marktkommunikation

2.7

Werbezeit

2.7.1

Planungszeitraum der werblichen Aktivitäten

Die Länge des Planungszeitraums für werbliche Aktivitäten wird nach kurz-, mittel- und langfristigen Werbeplänen unterschieden. Kurzfristige Werbepläne beziehen sich auf einen Zeitraum, der kürzer als ein Geschäftsjahr ist. Dies betrifft Werbeaktivitäten, die ex ante mit einer engen zeitlichen Begrenzung durchgeführt werden sollen, wie z.B. Werbeaktivitäten des Einzelhandels, die im Rahmen eines Schlussverkaufs oder eines Saisongeschäfts getätigt werden (Mikro-Timing). Die mittelfristigen Werbepläne gelten in der Regel für ein Geschäftsjahr. Sie umfassen die Planungen für regelmäßig durchzuführende Werbeaktivitäten und sind die in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Werbepläne (Makro-Timing). Die langfristigen Werbepläne reichen über ein Jahr hinaus. Sie erfolgen in enger Abstimmung mit der langfristigen (strategischen) Marketingplanung und sind eher relativ selten in der Praxis zu finden.

2.7.2

Zeitpunkt des Werbeeinsatzes

Neben der Planung des Zeitraums ist auch der genaue zeitliche Einsatz der Werbung von Bedeutung. Konjunkturelle Aspekte des Werbeeinsatzes

Dieser hängt von einer Reihe von Faktoren ab. So können etwa konjunkturelle Aspekte drei Verhaltensweisen im zeitlichen Einsatz bedingen. Zum einen kann der Werbeeinsatz prozyklisch gestaltet sein, d.h. die Intensität des Werbeeinsatzes nimmt etwa mit steigendem Umsatz zu. Im Falle eines konjunkturellen Aufschwungs wird ein solches Verhalten empfohlen, um der überproportionalen Nachfragesteigerung gerecht zu werden und sich gegen die Konkurrenz kommunikativ behaupten zu können. Dem gegenüber steht ein antizyklisches Verhalten. Hier erfolgt der werbliche Einsatz genau entgegengesetzt zu den konjunkturellen Entwicklungen, d.h. bei steigendem Umsatz nimmt die Intensität ab. Als dritte Verhaltensweise bietet sich ein nivelliertes Vorgehen an, bei dem die Werbung unabhängig von der ökonomischen Entwicklung auf einem festen Niveau verläuft.

Planung der Werbung

297

Neben den konjunkturellen Aspekten sind auch saisonale Gegebenheiten zu berücksichtigen. Hierbei ist der Einsatz der Werbung leichter bestimmbar, da die Schwankungen kurzfristiger und leichter prognostizierbar sind. So unterscheidet man ein prosaisonales Verhalten (Werbung erfolgt kurz vor oder während der Saison) einerseits und ein antisaisonales Verhalten, bei welchem in der Saison relativ wenig und außerhalb derselben sehr viel geworben wird, andererseits. Ein Beispiel für ein typischerweise prosaisonal beworbenes Versorgungsobjekt ist Sekt, der vor allem in der Weihnachts- und Neujahrszeit beworben wird. Ein Beispiel für antisaisonales Verhalten stellt die Bewerbung von Eiscreme dar. Hier versucht man, Umsatzeinbrüche durch verstärkte Werbeauftritte in den „kalten Monaten“ aufzufangen.

Saisonale Aspekte des Werbeeinsatzes

Die zeitliche Verteilung der zu kommunizierenden Werbebotschaft (Streuungs- und Schaltzeitpunkte) ist auch unter werbewirkungsbezogenen Aspekten relevant. Kotler hat eine Einteilung in eine zeitlich konzentrierte, kontinuierliche oder intermittierende Verteilung vorgenommen. Dabei können die Werbebotschaften mit gleichmäßig steigender, abfallender oder alternierender Frequenz gesendet werden. Daraus ergibt sich folgende Matrix:

Werbewirkungsbezogene Aspekte des Werbeeinsatzes

Gleichmäßig

Steigend

Fallend

Alternierend

Konzentriert

Kontinuierlich

Intermittierend

Abb. 95: Klassifizierungsschema für zeitliche Verteilungsmuster von Werbeschaltungen (Kotler/Bliemel, 2006, S. 1008)

298

Marktkommunikation

Gründe für einen kontinuierlichen Werbeeinsatz

Die Entscheidung für die verschiedenen Zeitmuster ist dabei insbesondere von den Faktoren Käuferumschlagsrate, Wiederkaufrate und Erinnerungswert der Werbebotschaft abhängig. In diesem Zusammenhang formuliert Kotler beispielsweise folgende Thesen für einen kontinuierlichen Einsatz von Werbung: es sollte um so eher ein kontinuierlicher Einsatz erfolgen, je höher die Käuferumschlagsrate ist, d.h. je schneller neue Käufer auf dem Markt hinzukommen (um diese neuen Kundenpotenziale zu erfassen), je höher die Wiederkaufsrate ist (um die Käufer ständig an das Produkt zu erinnern) und je schneller die Nachfrager beim Ausbleiben werblicher Aktivitäten das Werbeobjekt vergessen (Kotler/Bliemel, 2006, S. 1008). Die hohen Kosten für Werbung und i.d.R. saisonale Absatzschwankungen sprechen aber häufig gegen einen kontinuierlichen Werbeeinsatz. Erfolgt der Absatz etwa nur in einer bestimmten Saison, so eignet sich eher ein konzentrierter Einsatz.

Werbeintensität und Erinnerungswerte

Zielske untersuchte in diesem Zusammenhang, wie sich die unterschiedliche Intensität, also die Konzentration von Werbung, auf das Erinnerungsvermögen von Umworbenen auswirkt. Der abgebildete Kurvenverlauf zeigt, dass bei einer stark konzentrierten Werbung das Erinnerungsvermögen sehr stark ansteigt, dann aber nach Beendigung des Werbeeinsatzes ebenso schnell zurückfällt. Dagegen zeigt ein stetiger Einsatz der Werbung über einen größeren Zeitraum einen nicht ganz so hohen Erinnerungswert, dafür bleibt dieser aber über einen längeren Zeitraum erhalten. Erinnerung in %

60 50 40 30 20 10 Woche des Jahres 10

20

30

40

50

Abb. 96: Erinnerungsverlauf (Schweiger/Schrattenecker, 1995, S. 76)

Ausführung der Werbung

299

Neben den werbewirkungsbezogenen Faktoren kann es aber auch zu unvorhergesehenen Einflüssen kommen, die eine zeitliche Planung verändern, wie z.B. eine überraschende Marktoffensive eines Konkurrenten, die kurzfristig kommunikative Gegenmaßnahmen erfordert.

3.

Ausführung der Werbung

Bei der dritten Managementphase, der Ausführung, geht es um die Umsetzung der in der Planung getroffenen Entscheidungen zur Erreichung der in der Konzeption festgelegten Ziele. Dabei können drei Phasen unterschieden werden: In der Phase der Gestaltung der Kommunikationsmittel werden die Vorgaben aus der Copy-Strategie (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 2.5.2) nun umgesetzt. Dies ist in der Regel die Arbeit einer Werbeagentur (siehe auch Kapitel „Agenturauswahl“). In dieser Phase findet auch eine Bewertung alternativer Ideen bzw. Vorschläge in Form eines Werbekonzepttests statt. Unabhängig von der endgültigen Entscheidung für ein konkretes Werbemittel wird beim Konzepttest eine Art „Rohentwurf“ vorgelegt, bei dem vor allem die Elemente aus der Copy-Strategie – wie Tonality, Benefit, etc. – unabhängig vom verwendeten Werbemittel überprüft werden.

Werbekonzepttest

Neben dem Konzepttest gibt es auch noch den Werbemitteltest, worunter eine werbezielorientierte Bewertung von zu Testzwecken bereits fertiggestellten Werbemitteln verstanden wird.

Werbemitteltest

An diese Phase schließt sich die Produktion der Kommunikationsmittel an, also die physische Vervielfältigung der Werbemittel. Schließlich kommt es dann zur dritten und abschließenden Phase der Streuung bzw. der Zustellung der Werbemittel an den Umworbenen.

Streuung und Zustellung

300

Marktkommunikation

4.

Kontrolle der Werbung

In der letzten Managementphase ist der letztendliche Erfolg der werblichen Aktivitäten zu kontrollieren. Es geht zunächst allgemein um den Vergleich der aufgestellten Ziele aus der Konzeption und der SollVorgaben aus der Planung mit den tatsächlich erreichten Ergebnissen nach der Durchführung der Werbung. Im Einzelnen lässt sich die Kontrolle in zwei Bereiche aufteilen: die Wirkungskontrolle misst, welche Veränderungen die Werbung beim Umworbenen bewirkt hat – die Wirtschaftlichkeitskontrolle betrachtet die ökonomische Bedeutung dieser Veränderung, also wie groß der wirtschaftliche Erfolg der Werbung war. Wirkungskontrolle

Carry-over Effekt

Pretest

Posttest Wirtschaftlichkeitskontrolle

Die Messung der Werbewirkung muss überlappende Effekte aus den anderen Marketingbereichen berücksichtigen (Interaktionseffekte), die die eigentliche Werbewirkung beim Umworbenen verzerren (z.B. Wirkung einer Werbekampagne einerseits und von Aktivitäten des Außendienstes andererseits). Auch können Ausstrahlungseffekte von früheren Kampagnen noch eine „Restwirkung“ haben (Carry-over Effekt). Zur Messung der Werbewirkung zieht man die an früherer Stelle bereits vorgestellten dauerhaften Gedächtniswirkungen heran und versucht, den Zielerreichungsgrad durch entsprechende Marktforschungsmethoden zu evaluieren. Grundsätzlich können dabei zwei Typen von Werbewirkungstests durchgeführt werden: Pretests, die vor der Streuung der Werbemittel stattfinden, wie Blickregistrierung, Aktivierungstest sowie Tachistoskopentest und Posttests, die nach der Streuung stattfinden, wie z.B. Recognition- oder Recall-Verfahren. Die Kontrolle der Werbewirtschaftlichkeit erweist sich als besonders problematisch. Da der ökonomische Erfolg nicht allein werbebedingt ist, lassen sich die erzielten Resultate auch nur sehr schwer isolieren. Lediglich im Bereich der Direktwerbung, wie bei Direct-Mailings, ist es möglich, anhand der Rücklaufquote oder des Bestellverhaltens eine direkte Korrelation zwischen werblicher Aktivität und betriebswirtschaftlichen Erfolgsgrößen herzuleiten (Schineis, 1996, S. 137).

Agenturauswahl

5.

301

Agenturauswahl

5.1 Gründe für eine Auslagerung an eine externe Werbeagentur In der Regel wird eine Unternehmung Teile der Werbeaktivitäten oder letztere als Summe komplett einer Agentur überlassen. Diese Entscheidung findet bereits in der Konzeptionsphase statt bzw. ist dieser noch vorgelagert. Man unterscheidet Full-Service-Agenturen, die sämtliche Unter- und Managementfunktionen der Werbung übernehmen, und Spezial-Agenturen, die nur eine Teilaufgabe abwickeln, wie z.B. DirectMail-Agenturen. Die Full-Service-Agentur arbeitet an der Strategieentwicklung mit, bietet Konzepte an und ist auch für die konkrete Umsetzung der Strategie zuständig. Häufig werden neben der konzeptionellen und der gestalterischen Aktivität auch noch Medialeistungen, wie Platzierungen in den entsprechenden Trägern, angeboten. Die nachstehenden Abbildungen zeigen das aktuelle Ranking der deutschen Werbeund PR-Agenturen nach Umsatz und Kreativpotenzial. Rang 2005 (2004)

Agentur

1 (5)

Springer & Jacoby

2 (6)

DDB

3 (1)

Jung von Matt

4 (2)

Ogilvy & Mather

5 (3)

Scholz & Friends

6 (7)

BBDO

7 (13)

Grabarz & Partner

8 (24)

Neue Digitale

9 (4)

Kolle Rebbe

10 (18)

Nordpol

Abb. 97: Top 10 Kreativ-Agenturen 2005, in: Horizont 1/2006

Full-Service Agentur

Direct-Mail Agentur

302

Marktkommunikation Rang, Hauptsitz

Agentur, Gross In- Gross In- Ver- än- Mitarb. come come derung 2005 2005 in 2004 in Mio. Euro Mio. Euro

1. Serviceplan, München

Pro-KopfUmsatz in Euro

74,2

58,27

27,34%

522

142.000

2. Jung von Matt, Hamburg

41,46

40,16

3,22%

424

98.000

3. Media Consulta Gruppe, Berlin

31,79

28,2

12,74%

161

197.000

4. Select Comm., Koblenz

29,2

26,1

11,88%

184

158.000

5. Pact, München

23,35

23

1,52%

119

196.000

6. Schaffhausen Comm., Elmshorn

23,05

16,23

42,03%

236

98.000

7. Cayenne Group, Düsseldorf

18,45

17,91

3,01%

171

108.000

15,8

14,6

8,22%

112

141.000

9. b+d, Köln

12,25

11,1

10,36%

130

94.000

10. WOB, Viernheim

11,25

11,13

1,14%

102

110.000

11. Combera, München

10,71

10,3

4,04%

145

74.000

10,5

8,85

18,64%

58

181.000

10,48

9,86

6,35%

106

99.000

14. trio-group, Mannheim

10,2

9,2

10,87%

105

97.000

15. arsmedium, Nürnberg

9,97

9,23

8,01%

86

116.000

16. Zum goldenen Hirschen, Hamburg

9,36

8,15

14,85%

96

98.000

8. Ges. f. Visuelle Komm., Lüneburg

12. Chromedia, München 13. Kolle Rebbe, Hamburg

Agenturauswahl

17. Gingco.Net, Braunschweig 18. Wächter & Wächter, München 19. Dialogfeld Sales Prom., Nürnberg 20. UGW, Wiesbaden

303

9,3

8,82

5,45%

88

106.000

9,21

9,11

1,04%

78

118.000

9

5,5

63,64%

60

150.000

8,9

8,6

3,56%

110

81.000

Abb. 98: Top 20 der deutschen Werbeagenturen 2005, in: www.wuv.de Eine Reihe von Gründen spricht dafür, die Werbeaktivitäten einer Agentur zu übertragen, da man so beispielsweise Betriebsblindheit durch zu engstirniges, einseitiges Arbeiten vermeidet. Darüber hinaus ergeben sich finanztechnische Vorteile, da keine Fixkosten anfallen. Somit ist auch ein leichterer Wechsel des Mitarbeiterpotenzials durch Austausch der Agentur möglich (im Vergleich zu einer InhouseWerbeabteilung im Unternehmen). In der Regel kann eine Unternehmung bei einer Agentur auch auf ein wesentlich größeres Kreativitätspotenzial zurückgreifen und auf die speziellen Erfahrungen und das Knowhow von Spezialisten bauen.

Gründe für Auslagerung

304

Marktkommunikation

5.2 Der Entscheidungsfindungsprozess bei der Agenturauswahl Die Wahl der richtigen Agentur durchläuft üblicherweise einen Entscheidungsprozess mit vier Phasen. Bei der ersten Phase, der Grobauswahl, ist anhand der nachfolgend aufgestellten Kriterien eine Auswahl von maximal 10 potenziellen Agenturen zu treffen. Leistungsangebot der Agentur

Handelt es sich um eine Full-Service- oder eine SpezialAgentur? In welchen Branchen ist die Agentur tätig? Welche Dienstleistungen bietet sie an?

Agenturphilosophie und -methodik

Nach welchen Prinzipien arbeitet die Agentur? Wo setzt die Agentur ihre Schwerpunkte? Ist sie eher eine kreative oder eine beratende Agentur?

Größe und Standorte der Agentur

Entspricht die Größe (Umsatz, Mitarbeiter) der Agentur den Anforderungen des Kundenunternehmens? Wo befinden sich die Außenstellen/Niederlassungen der Agentur? Ist ein örtlicher Kontakt leicht zu realisieren?

Kundenbetreuung

Wie groß sind die Beraterteams, die den Kunden betreuen? Gibt es Ausschließlichkeitsbindungen für die Berater, die verhindern, dass die Berater noch für andere Kunden arbeiten?

Art der Leistungsabrechnung

Wird ein festes Honorar vereinbart oder gelten Provisionszahlungen? Stimmt das Kosten-Leistungs-Verhältnis?

Internationalität

Ist die Agentur in der Lage, auf eine eventuelle internationale Ausrichtung des Kunden zu reagieren, d.h. ist sie auch international vertreten?

Kunden-/Referenzliste

Welche Kunden weist die Agentur vor? Wo hat sie bereits Expertise erlangt? Welche Referenzen kann sie vorweisen?

Alter der Agentur

Wie groß ist das agenturspezifische Erfahrungspotenzial? Wie sieht es mit der Kontinuität der Arbeit der Agentur aus?

Bekanntheitsgrad

Wurden bisherige Arbeiten der Agentur mit Preisen oder Auszeichnungen gewürdigt oder wie bekannt wurden bisherige Kampagnen?

Personal

Welche Ausbildung weisen die Mitarbeiter der Agentur auf? Wie hoch ist die Fluktuationsrate? Abb. 99: Entscheidungskriterien Agenturauswahl

Agenturauswahl In der sich anschließenden Phase der Vorgespräche mit den ausgewählten Agenturen präsentieren diese sich beim Kunden. In der Agenturpräsentation werden die Agenturphilosophie, erste Überlegungen für ein Konzept und bisherige Kundenlisten oder Erfahrungen in der Branche präsentiert. Anhand dieser Gespräche erfolgt dann eine engere Auswahl von maximal drei bis fünf Agenturen, die sogenannte „Short List“. Diese Agenturen treten in einen Wettbewerb und werden über ein Briefing zu einer Wettbewerbspräsentation aufgefordert. In dem Briefing erhalten die Agenturen Informationen über: x den Auftraggeber und die zu bewerbenden Versorgungsobjekte/Angebote, x die Wettbewerber, x den Markt und Trends. Nach den Präsentationen, die man auch Pitch nennt, erfolgen dann in der vierten Phase die eigentliche Auswahl und die Vertragsverhandlungen mit der Agentur.

305

306

Marktkommunikation

x Welche herausragende Aufgabe kommt der Werbung aus institutionenökonomischer Sicht zu? x Was ist unter den Generalzielen der Werbung zu verstehen? x Welche Faktoren konstituieren den Kommunikationsprozess? x Was ist der Unterschied zwischen Werbekontakten und Werbewirkungen? Wie lassen sich Werbewirkungen operationalisieren? x Welche typischen Phasen durchläuft der Werbemanagementprozess? x Was verstehen Sie unter einer Copy-Strategie? x Wie gehen Sie gegen die Widerstände werblicher Beeinflussung vor? x Was ist ein Tausender-Kontakt-Preis? x Was versteht man unter dem Begriff Aktivierung? x Was ist der Unterschied zwischen Inter- und Intramediavergleich? x Wofür stehen die Begriffe Reichweite und Kontakte?

Case Study „Schauma”

Teil C: Case Study „Schauma“ Zurück zur Tradition

In den Achtzigern entwickelte sich im Shampoo Markt ein neuer Trend hin zu mehr Pflege und Milde. Die Wettbewerber von Schwarzkopf & Henkel antworteten auf diesen Trend mit dem Angebot spezialisierter und höherpreisiger Produktangebote. Auch Schwarzkopf & Henkel wollte diesem Trend folgen: Neben dem in den Siebzigern verfolgten Claim der Reinigung und Kräftigung des Haars sollte nunmehr die Pflege eine entscheidende Rolle spielen. So kam es 1987 zum Launch der Schauma Spülung im Rahmen einer Line Extension. Dabei wurden auch neue Werbebilder zur Darstellung der verschiedenen Sorten und der Pflege erstellt. Gleichzeitig erfuhr der Verpackungsauftritt von Schauma eine Überarbeitung, wobei insbesondere eine Reduktion des „Familienbilds“ – welches die Käufer aus den Siebzigern gewohnt waren – vorgenommen wurde. Trotz dieser auf den ersten Blick zeitgemäßen Veränderungen erlitt Schauma Ende der Achtziger starke Marktanteilseinbrüche. Die Abkehr von dem ursprünglichen Markenbild, wie von der Familienorientierung und von der Kräftigung sowie die gleichzeitige Fokussierung auf den Aspekt der „Pflege“ führten offensichtlich zu einer vom Verbraucher nicht mehr eindeutig und klar wahrnehmbaren Markenidentität – ein Problem, das sich bis in die Mitte der Neunziger fortsetzte. Ab diesem Zeitpunkt begann man daher an einer Rückbesinnung und der Weiterentwicklung der Kernwerte der Marke, wie Leistungsorientierung (Kräftigung), historische Markenwerte (Familie/Schaum) und Hersteller-Kompetenz (von Schwarzkopf) zu arbeiten. So sah der Relaunch von 1996 die nachfolgend skizzierte Copy Strategy vor (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 2.5.2): Als Positionierung definierten die Verantwortlichen, Schauma als „das Beste von Schwarzkopf“ zu präsentieren. Dabei sollte vor allem der Nutzenaspekt (Benefit) im Vordergrund stehen: „Schauma pflegt nicht nur, es kräftigt auch das Haar bis in die Spitzen.“ Die Kaufbegründung (Reason Why) sollte darlegen, dass Schauma das hochwirksame Aufbau-Vitamin enthält, welches tief in das Haar eindringt und es bis in die Spitzen stärkt.

307

308

Marktkommunikation

Abb. 100: Schauma Anzeige mit Testimonial Im Rahmen der Werbegestaltung wurde dabei auf die Testimonial/Presenter-Technik zurückgegriffen und F. Selen – Frauenboxchampion – als Presenter für das „neu erstarkte“ Schauma gewonnen. Die entsprechende Anzeige wurde als City-Light Poster national geschaltet und ist idealtypisch aufgebaut (siehe in diesem Abschnitt Kap. B 2.5.3.1).

Case Study „Schauma” Ein weiterer Relaunch 1999 führte zu einer zusätzlichen Modernisierung des Markenauftritts, in dem ein überarbeitetes Verpackungsdesign, verbesserte Rezepturen und aktualisierte Düfte im Objektprogramm integriert wurden, ohne dabei an den bewährten Markenwerten zu rütteln. So wurde der Trend nach neuen Düften durch die Einführung von „Grüner Apfel“ aufgegriffen, der an den Klassiker „Apfelblüten“ aus den 70er Jahren erinnerte. Die Marke Schauma stand zu diesem Zeitpunkt für die bereits erwähnten Markenwerte wie Familie, Tradition, Kräftigung bis in die Spitzen. Schauma wies eine breite Verwendung in den Altersklassen von 14 bis 70 Jahren auf, allerdings mit einer Kernzielgruppe der 20 bis 49 jährigen. In der Haarpflege wurde ein Trend hin zu Fruchtdüften/botanischen Düften sowie der Verwendung von Vitaminen erkennbar, so dass das Aufgreifen des Grünen Apfels als eine denkbare Lösung erschien.

Abb. 101: Schauma Apfelblüten 1977 und Grüner Apfel 1999 Als herausragendes Werbeziel ging es dabei vor allem um die Bekanntmachung der neuen Variante „Grüner Apfel“. Daneben stand die Steigerung der Kenntnisse im Vordergrund (siehe in diesem Abschnitt Kap. A 1.2.2.2.1), wobei besonderer Wert auf die Marken-, als auch auf die Eigenschaftskenntnisse von Schauma (Kräftigung: „Kraft bis in die Spitzen“) gelegt wurde. Im Rahmen der Mediaplanung wurde ein Mix aus Print- und TV-Werbung eingesetzt, um sowohl die ältere als auch die junge und mobile Zielgruppe über das Fernsehen zu erreichen, wo-

309

310

Marktkommunikation bei Letztere zusätzlich über das Medium Citylight-Plakat umworben wurde. Dabei sollten vor allem über das Basismedium Fernsehen die noch nicht gelernten und für die Zielgruppe neuen Kommunikationsinhalte (neuer Duft, Kräftigung) verständlich gemacht werden. Für die jüngere Zielgruppe wurden vor allem Programme ausgesucht, die hohe Nettoreichweitenbeiträge in jugendnahen Sendern hatten. Der Einsatz der Plakatkampagne erfolgte dann kurz nach dem Einsatz der TVSpots, um so die neue Schaumavariante schneller bekannt zu machen und die Eigenschaftskenntnisse über „Kräftigung“ zu untermauern. Daraus resultierte folgende – hier verkürzt wiedergegebene – Mediaplanung:

Zielgruppe 20-49 J.

Gesamtbevölkerung über 3 Jahre

77,2 %

67,7 %

Durchschnittskontakte

7,3

6,2

GRP

563

421

Nettoreichweite

Sender

Prozentualer Anteil an GRP-Leistung

Pro 7

37 %

RTL

29 %

RTL 2

22 %

SAT 1

12 %

Abb. 102: Auszug aus der Mediaplanung Bei der Planung der verschiedenen TV-Spots wurde der Agentur Grothgar, Manchot & Partner die bereits erwähnte Copy Strategy vorgegebenen. Auf dieser Basis entwickelte die Agentur erste Ideen für mehrere Spots. Diese Ideen wurden dann den verantwortlichen Produktmanagern von Schauma in Form von sogenannten Storyboards vorgestellt, die eine Kurzzeichnung der Handlung des Spots darstellen (werden diese auch noch abgefilmt und vertont, so spricht man von Animatics). Nach der Verabschiedung des TV-Spots ging es dann in die Produktion und Streuung des Spots in den bereits in der Mediaplanung ausgewählten Sendern und Programmen.

Case Study „Schauma”

Abb. 103: Ausschnitt Storyboard Schauma Spülung 2001 begann ein neues Kapitel der Markenkommunikation: Dabei blieb die „Rückblende in die Kindheit“ erhalten, aber das Gesicht zur Marke wurde substituiert. Man entschied sich, ein Testimonial zu verpflichten, der einerseits die Modernität der Marke erneut unterstützen und an-

311

312

Marktkommunikation dererseits die Emotionalität stark steigern sollte. Die Wahl fiel auf Verona Feldbusch, die von 2001 bis 2004 v.a. den Markenwert „Kraft bis in die Spitzen“ verkörperte und die somit zur kontinuierlichen Markenaktualisierung beitrug. Nach 2004 kehrte man von einem Testimonial gestützten Ansatz zurück zu einer Kommunikation, die die Familienwerte wie Vertrauen, Zuverlässigkeit und Harmonie, die Schauma verkörpert, unterstreicht. Mit diesem modernen Ansatz der „Rückblende in die Kindheit“ erzielte Schauma bei der Einführung der neuen Repair & Pflege Linie 2006 einen erfolgreichen Start. Die Image- und Bekanntheitswerte der Marke konnten auf hohem Niveau gesteigert werden und das Modernitätsempfinden bei der Zielgruppe stieg.

Abschluss Abschluss Marktvertrag Marktvertrag

x Sie kennen die Aufgaben der Abschlussfunktion. x Sie erhalten einen Überblick über Vertragsarten und Abschlussformen. x Sie kennen den Ablauf und die Zusammenhänge der Managementfunktionen des Abschlusses. x Sie erhalten im Besonderen eine Übersicht über die einzelnen Aufgaben der Verkaufsplanung. x Sie können die besondere Bedeutung der Entlohnungsplanung im Verkauf nachvollziehen. x Sie entwickeln Verständnis für die spezifischen Probleme bei Aufbau und Führung eines Außendienstsystems.

316

Abschluss Marktvertrag

Teil A:

1.

Einordnung und Grundlagen

Allgemeiner Bezugsrahmen und spezielle Problembereiche

Nach der Beschreibung von Vorbereitung und Anbahnung als ersten beiden Teilfunktionen des Marketing wird im Folgenden die Teilfunktion des Abschlusses betrachtet. Im Rahmen der hier zu untersuchenden Abschlussphase entscheidet sich, ob es zwischen den beteiligten Tauschpartnern – bzw. bisher allenfalls Tauschinteressierten – überhaupt zu einer Transaktion kommt. Der Begriff Transaktion

Im Sinne der Neuen Institutionenökonomie als theoretischem Bezugsrahmen stellt der erfolgreich getätigte Abschluss den Übertragungsvorgang (bzw. dessen Vereinbarung) der mit den jeweiligen Tauschobjekten verbundenen Property Rights vom anbietenden zum nachfragenden Transaktionspartner dar. Über die Aufgabe der Ausgestaltung der mit den Tauschobjekten verbundenen und damit wertbestimmenden Property Rights hinaus ergeben sich institutionenökonomisch gerade im Bereich des Absatzabschlusses „klassische“ Prinzipal-Agenten-Probleme zwischen den Marktbeteiligten. Ausgangspunkt sind die Grundannahmen, dass die Tätigkeit des Agenten vom Prinzipal nicht unmittelbar beobachtet werden kann (verstecktes Handeln) bzw. der Agent aufgrund von Beobachtungen o.ä. einen Informationsvorsprung vor dem Prinzipal erlangt (versteckte Information). Aufgrund dessen ergibt sich eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen Prinzipal und Agent, die Letztgenannter zu seinem eigenen Vorteil ausnutzen kann. Eine Angleichung des Informationsstands und eine damit einhergehende geringere Abweichung der Handlungen des Agenten von dem durch den Prinzipal vorgegebenen „gewünschten Handeln“ ist möglich, verursacht aber sogenannte „Vertretungskosten“ (Agency Costs). Diese ergeben sich aus

Allgemeiner Bezugsrahmen und spezielle Problembereiche

317

x den Überwachungskosten des Prinzipals, x den Kautionsausgaben des Agenten und x dem Residualverlust (Wohlfahrtsverlust aus Divergenz zwischen dem tatsächlichen Handeln des Agenten und den wohlfahrtsmaximierenden Idealentscheidungen). Im Rahmen des Absatzabschlusses lassen sich diesbezüglich zwei Ebenen unterscheiden: einerseits die Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen Hersteller und Handel (sofern der Hersteller den indirekten Absatzweg gewählt hat) und andererseits die Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen Unternehmensleitung und Verkaufsmitarbeiter. Während eine ausführliche Diskussion der erstgenannten Beziehung den Rahmen dieses Abschnitts bei weitem sprengen würde und dementsprechend hier vernachlässigt werden muss (siehe hierzu Mattmüller/Tunder, 2004, S.121-187, Mattmüller/Tunder, 2001, S. 3-26 und Tunder, 2003, S. 205-220), werden die spezifischen Probleme in der Beziehung zwischen Unternehmensleitung (Prinzipal) und Verkaufsmitarbeiter (Agent) einer genaueren Betrachtung unterzogen. So wird aufbauend auf den Ergebnissen der Prinzipal-Agenten-Theorie beispielsweise die Ausgestaltung der Entlohnungsplanung mit den entsprechenden Anreiz-/Sanktionsauswirkungen im Rahmen der Verkaufsplanung zu berücksichtigen sein. Des Weiteren liegt etwa auch der Ausgestaltung einer Verkaufsorganisation eine Prinzipal-AgentenProblematik zugrunde. Letztere findet sich zudem sowohl im Rahmen der Verkaufsdurchführung (Stichwort: Überwachungskosten) als auch der Verkaufskontrolle: so kann der Agent (Verkaufsmitarbeiter) beispielsweise ein elementares Interesse daran haben, den Informationsstand des Prinzipals auf einem niedrigen Niveau zu halten, um sich bzw. seine spezifischen Marktkenntnisse soweit wie möglich unersetzbar zu machen. Bei diesen ausgewählten Punkten werden im Einzelnen jedoch keine Vorgaben i.S. der normativen Prinzipal-Agenten-Theorie abgeleitet. Es erfolgt „lediglich“ aus positivistischer Sicht eine Beurteilung der relativen Vorteilhaftigkeit der vorgestellten Maßnahmen. Bezogen auf die Hersteller-Letztnachfrager-Beziehung gilt es außerdem, Erkenntnisse aus der Informationsökonomik zu berücksichtigen. Aus Sicht des Marketing stellt sich beispielsweise zum einen die Frage, welche Rolle der Verkaufsorganisation bzw. dem Verkaufsmitarbeiter bei der Informationsweitergabe vom (i.d.R. besser informierten) Anbieter an den (i.d.R. schlechter informierten) Kunden zufällt (so dienen die vom Verkäufer kommunizierten Nutzenversprechen der entsprechenden Angebote ja zu deren Leistungsbe-

Die zwei Arten von PrinzipalAgentenBeziehungen

318

Abschluss Marktvertrag gründung). Zum anderen kann diskutiert werden, ob sich die Informationen und Kontaktpunkterlebnisse von Verkaufsmitarbeitern im Sinne eines „Outside-in“-Verständnisses auch zur Leistungsfindung und somit zur Generierung von nutzenerwartungs- und problemlösungsadäquaten Nutzenversprechungen heranziehen lassen.

Aus der Neuen Institutionenökonomie ableitbare Maßnahmen

Zusammenfassend lassen sich aus der Neuen Institutionenökonomie – aufbauend auf der grundlegenden Forderung nach einer größeren Effizienz in unternehmerischen Abläufen – folgende übergreifende Maßnahmen ableiten: x Maßnahmen für organisatorische Verbesserungen, x Maßnahmen für Verbesserung der Anreizstrukturen, x Maßnahmen zur Risikominderung, x Maßnahmen zur Vertrauensstärkung.

2.

2.1

Grundlagen der Abschlussfunktion

Begriffsbestimmung und Einordnung

Gemeinsamkeiten mit der werblichen Kommunikation

Wie bereits erwähnt, entscheidet es sich in der Abschlussphase, ob zwischen den beteiligten Tauschpartnern eine Transaktion zustande kommt. In Übereinstimmung mit der Kommunikationsstruktur in der vorgelagerten Anbahnungsphase handelt es sich auch im Rahmen der Abschlusskommunikation um gleichberechtigte Kommunikationspartner, wobei der Verkäufer naturgemäß versucht, den potenziellen Käufer zu beeinflussen. Letzterem steht es wiederum frei, ob er die „Botschaften“ des Verkäufers annimmt.

Unterschiede zur werblichen Kommunikation

Es ergeben sich jedoch andererseits auch einige inhaltliche Unterschiede zwischen diesen sicherlich eng miteinander verknüpften Phasen. Handelt es sich bei den Kommunikationsinhalten der Anbahnungsphase um Aussagen bzgl. Bekanntmachung, Information, Imagebildung und Handlungsauslösung, so müssen sich die Kommunikationspartner in der Abschlussphase über bestimmte Inhalte einigen, d.h. es muss – im Ge-

Grundlagen der Abschlussfunktion

319

gensatz zur werblichen Kommunikation – eine aktive gegenseitige Kommunikation erfolgen. Konkret müssen sich die beiden Tauschpartner einigen über x das Tauschobjekt (Beschaffenheit, Eigenschaften oder Nutzungsmöglichkeiten), x die auszutauschende Menge, x die entsprechende Gegenleistung (den Preis) x sowie über die der Transaktion zugrunde liegenden Konditionen (Zahlungsbedingungen, Lieferbedingungen, Nebenleistungen) (Muser, 1996, S. 151). Einige der geläufigen Gestaltungsvarianten der Konditionen sind in der nachfolgenden Abbildung zusammengefasst.

Konditionen Zahlungsbedingungen •Zahlungsweise •Zahlungsabwicklung •Zahlungsfristen •Zahlungssicherung •Zahlungsabzüge

Lieferbedingungen •Lieferkosten •Lieferfristen •Lieferzeitpunkt •Lieferort

Nebenleistungen •Kundendienst •Garantie •Rücktrittsrechte •Gerichtsstand •Leasing

Abb. 104: Konditionsarten in der Übersicht (Muser, 1996, S. 156) Erzielen nun Anbieter und Nachfrager Einigung in allen vier Bereichen – sind also die Bemühungen des Anbieters erfolgreich – kommt es zum Abschluss eines Vertrags zwischen den beteiligten Tauschparteien, in welchem die mit dem jeweiligen Tauschobjekt verbundenen Verfügungsrechte (Property Rights) festgelegt werden.

Verkaufsabschluss

320

Abschluss Marktvertrag

2.2

Die Systematik der Abschlussentscheidungen

2.2.1 Vertragsarten Im Folgenden werden einige ausgewählte Vertragsarten mit ihren entsprechenden Charakteristika in Grundzügen vorgestellt, um die vertragliche Spannweite der Abschlussfunktion aufzuzeigen. Tauschvertrag

Kaufvertrag

Dienst- bzw. Werkvertrag

Werden zwei Versorgungsobjekte ohne Zwischenschaltung einer Generaltauschware (beispielsweise Geld) zwischen den Vertragsparteien ausgetauscht, so spricht man von einem Tauschvertrag (nachdem der ursprünglich relevante Paragraph §515 BGB entfallen ist, wird der Tauschvertrag nur noch in einer Verweisung erwähnt – laut §480 BGB finden die Vorschriften für den Kaufvertrag eine entsprechende Anwendung für den Tausch) (Kallwass, 2005, S. 127). Hierbei ergeben sich keine versorgungsobjektspezifischen Einschränkungen, d.h. es können generell alle Versorgungsobjekte miteinander getauscht werden. Diese Urform des Leistungsaustauschs hat auch in der heutigen Zeit ihre Daseinsberechtigung: vor allem in ländlichen Gemeinden gibt es vermehrt Ansätze zu einem Neuaufbau von Tauschkreisläufen. Der Kaufvertrag (§ 433 ff. BGB) beschreibt die entgeltliche Veräußerung von Versorgungsobjekten. Jedoch werden im Rahmen eines Kaufvertrags lediglich Regelungen zur Veräußerung von materiellen Versorgungsobjekten festgehalten. Handelt es sich bei den Tauschobjekten um Dienstleistungen, so greift hingegen der Dienst- bzw. Werkvertrag (§ 611 ff. und 631 ff. BGB). Hier liegt die besondere Situation vor, dass die Tauschobjekte im Moment des Vertragsabschlusses noch nicht erstellt wurden, d.h. der Vertragsabschluss findet vor der eigentlichen Leistungserstellung statt. Dabei regelt der Dienstvertrag die Abgabe von Dienstleistungen gegen eine entsprechende Vergütung (z.B. Friseur, Theatervorführung, Livekonzert). Im Rahmen des Werkvertrags werden Vertragsverhältnisse definiert, die sich auf die Herstellung bzw. Veränderung von Versorgungsobjekten gegen eine entsprechende Vergütung beziehen (z.B. die Erstellung eines Schranks durch einen Schreiner). Im Gegensatz zum Dienstvertrag wird hier nicht die „reine“ Tätigkeit an sich vereinbart, sondern der entsprechende „Erfolg“, d.h. also der Schrank und dessen Funktionsfähigkeit.

Grundlagen der Abschlussfunktion

321

Der Mietvertrag (§ 535 ff. BGB) regelt die entgeltliche Gebrauchsüberlassung eines Versorgungsobjekts auf Zeit. Am Ende der vereinbarten Mietzeit erfolgt vertragsgemäß eine Rückgabe des ver- bzw. gemieteten Versorgungsobjekts. Eine vergleichbare entgeltliche Gebrauchsüberlassung von Geld oder anderen Versorgungsobjekten wird im Darlehensvertrag (§ 607 ff. BGB) festgelegt. Im Unterschied zum Mietvertrag erfolgt beim Darlehen die Rückgabe eines Versorgungsobjekts in gleicher Art, Güte und Menge (z.B. Kredit). Im Rahmen eines Pachtvertrags (§ 581 ff. BGB) erfolgt schließlich ebenfalls eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung von Versorgungsobjekten, wobei über die reine Nutzung des Versorgungsobjekts hinaus zusätzlich der „usus fructus“, also das Recht zum „Genuss der Früchte“, eingeschlossen ist (z.B. Verpachtung eines Gartens).

Mietvertrag

Unabhängig von den oben vorgestellten spezifischen Vertragsarten eröffnet die Neue Institutionenökonomie eine weitergehende Systematisierung von Verträgen: so werden vollkommene (klassische) Verträge, sich selbst durchsetzende (implizite) Verträge sowie relationale (unvollkommene) Verträge unterschieden.

Vertragsarten in der NIÖ

Vollkommene Verträge beruhen auf einer expliziten Vereinbarung bei zugrunde liegender symmetrischer Informationsverteilung der beteiligten Vertragspartner und sind aus Sicht der Neuen Institutionenökonomie wenig problematisch. Kommt es nämlich im Laufe der Vertragsbeziehung (hierbei ist es unerheblich, ob es sich um formelle oder informelle Verträge handelt) zu Streitigkeiten, können die vertraglichen Regelungen mit Hilfe Dritter (also etwa von Schiedsstellen bzw. Gerichten) durchgesetzt werden.

Vollkommene Verträge

Sich selbst durchsetzende Verträge stellen einen Extremfall von rechtlich unverbindlichen (weil nicht mit Hilfe von Dritten durchsetzbaren) Vereinbarungen dar. Hierbei wird grundsätzlich von vollkommener Information ausgegangen. Allerdings wissen die beteiligten Transaktionspartner nicht, ob die jeweils andere Seite verlässlich bzw. ehrlich ist. Dritte können außerdem weder feststellen, ob Vereinbarungen gebrochen wurden, noch dafür Sorge tragen, dass die Versprechen der Transaktionspartner erfüllt werden. Stattdessen obliegt es den Transaktionspartnern selbst, einerseits herauszufinden, ob die Vereinbarungen eingehalten wurden bzw. andererseits die Verträge im Falle der Nichteinhaltung ggf. mit Hilfe der impliziten Drohung, die Vereinbarung zu lösen, durchzusetzen. Implizite Vereinbarungen werden dementsprechend nur eingehalten („setzen sich nur dann selbst durch“), wenn die beteiligten Vertragspartner der Überzeugung sind, dass Ehrlichkeit (und damit die Einhaltung der vertraglichen Regelungen) lohnender ist als Unehrlichkeit. In diesem Zusammenhang kommt „Geiseln“ – die etwa

Sich selbst durchsetzende Verträge

Darlehensvertrag

Pachtvertrag

322

Abschluss Marktvertrag als Investitionen in Markennamen oder in Reputation vorliegen – eine wichtige Rolle zu. Die Reputation bzw. eigentlich genauer der Reputationsverlust im Falle der Nichteinhaltung der Vereinbarungen – insbesondere, wenn diese Nichteinhaltung von „Außenstehenden“ zu beobachten ist – stellt einen wichtigen Durchsetzungsmechanismus der Verabredungen zwischen den Vertragspartnern dar (als Beispiel ist hier etwa an die Bedeutung dieser Zusammenhänge bei Internetforen und -auktionen zu denken). Hierbei muss einschränkend hervorgehoben werden, dass sich diese Ehrlichkeit natürlich nur dann auszahlt, wenn die beteiligten Tauschparteien ein gemeinsames Interesse an einer langfristigen Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen haben.

Relationale Verträge

Relationale Verträge beziehen sich schließlich auf eine durch „duale Selbstverpflichtung“ gekennzeichnete Geschäftsbeziehung. Aufgrund von Transaktionskosten werden langfristige Verträge sogar in wichtigen Punkten unvollständig sein, da es zu kostenintensiv wäre, bereits im Vorfeld alle möglichen Kontingenzen zu berücksichtigen und entsprechend in die vertraglichen Vereinbarungen zu integrieren. Die Unvollständigkeit der Verträge begründet sich dabei zum einen durch die Existenz von Transaktionskosten, zum anderen aber auch durch die fehlende Überprüfbarkeit beispielsweise von Handlungen der Vertragspartner. Relationale (unvollständige) Verträge zeichnen sich demnach durch eine symmetrische Informationsverteilung zwischen den Vertragspartnern und eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen den Vertragspartnern auf der einen Seite und Außenstehenden wie etwa Gerichten auf der anderen Seite aus (Richter/Furubotn, 2003, S. 248). Inhalte, die ursprünglich nicht Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung waren, können im Laufe der Zeit zu Teilen solcher Vereinbarungen und damit durch Außenstehende durchsetzbar werden.

Kooperative Signale

Vor dem Hintergrund der eingangs beschriebenen Vertragsarten muss also fallweise bestimmt werden, welche institutionenökonomische Vertragsform vorliegt. Für den Fall von vollständigen Verträgen ist eine gesonderte Analyse allgemein überflüssig. Liegen sich selbst durchsetzende Vereinbarungen bzw. relationale Verträge vor, können die Transaktionspartner im ersten Fall zu entsprechenden vertrauensbildenden Maßnahmen (z.B. Einsatz von Reputation) und im zweiten Fall beispielsweise zu einer Festlegung von Neuverhandlungsrichtlinien im Urvertrag oder zu einer entsprechend langen Vertragslaufzeit greifen, um der Gegenseite über das Signal des fehlenden Willens zur Ausnutzung von opportunistischen Handlungsspielräumen einen entsprechenden Vertragsabschluss zu erleichtern (Aghion/Dewatripont/Rey, 1990, S. 323).

Grundlagen der Abschlussfunktion

323

2.2.2 Abschlussformen Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Vertragsarten, die die inhaltliche Spannweite illustriert haben, zeigen die im Folgenden dargestellten Abschlussformen die Durchführungsmöglichkeiten der Transaktion und damit die Art und Weise, wie der Anbieter dem Nachfrager die Tauschobjekte bzw. die damit verbundenen Property Rights unter Abschlussaspekten anbieten kann. Hierbei lassen sich analog zu einer bereits bei der Marktkommunikation getroffenen Differenzierung generell der persönliche und der mediale Abschluss unterscheiden. Beiden Abschlussformen liegt dabei eine Zweiwege-Kommunikation zugrunde. Kommt es zu einem direkten Kommunikationsprozess zwischen den Abschlussinteressenten (oder Beauftragten), also zu einem persönlichen Gespräch, spricht man vom persönlichen Abschluss. Liegt demgegenüber ein indirekter Kommunikationsprozess vor – und damit eine räumliche und eventuell auch zeitliche Trennung – und muss im Rahmen des Kommunikationsprozesses dementsprechend ein Trägermedium eingeschaltet werden (beispielsweise Internet, Versandkatalog, Verkaufsautomat), wird von einem medialen Abschluss gesprochen.

Art und Weise der Transaktionsgestaltung

Generell ist hervorzuheben, dass der persönliche Abschluss vor allem bei neuen, teuren und erklärungsbedürftigen Versorgungsobjekten vorherrscht, denn die persönliche Kommunikation mit dem potenziellen Käufer ermöglicht ein direktes und umgehendes Eingehen auf die Kundenwünsche. Nachvollziehbarerweise sind beim persönlichen Verkauf die Qualifikation und die Motivation der Mitarbeiter von besonderer Bedeutung. Entsprechend wichtig sind qualifizierende und motivierende Maßnahmen, die jedoch Kostenbelastungen mit sich bringen. Demgegenüber eignet sich die mediale Verkaufsform vor allem für den Verkauf von problemlosen und wenig erklärungsbedürftigen Versorgungsobjekten. Dabei ist selbstverständlich auch eine Kombination der beiden vorgestellten Abschlussformen denkbar.

Persönlicher vs. medialer Abschluss

Eine zusammenfassende Bewertung des persönlichen und des medialen Abschlusses findet sich in der nachfolgenden Abbildung.

324

Abschluss Marktvertrag Persönlicher Abschluss

Medialer Abschluss

Vorteile

Vorteile

x Aufnahme von Feedback x Anpassungsmöglichkeiten x Höhere direkte Beeinflussbarkeit des Kunden

x unabhängig vom Abschlusspersonal und dessen Qualifikation x keine örtlichen und zeitlichen Beschränkungen x höhere Kontaktzahlen sind möglich x geringere Kosten x gute Kontrollmöglichkeiten

Nachteile

Nachteile

x höhere Kosten wegen Perso- x fehlender direkter Kundenkontakt nalintensität x keine direkte Beeinflusx begrenzte Arbeitskapazität sungsmöglichkeit während x Wirkung der Kommunikation des Abschlusses ist abhängig von Qualifikation, Motivation und Einsatzwillen der Mitarbeiter Abb. 105: Bewertung des persönlichen und des medialen Abschlusses (In Anlehnung an Muser, 1996, S. 147-151) Eine über diese allgemeine Bewertung hinausreichende genauere Beurteilung der Vorteilhaftigkeit des persönlichen bzw. des medialen Abschlusses muss auf Grundlage der jeweiligen Problemstellung erfolgen. Hier sind dann beispielsweise die Eigenschaften des Versorgungsobjekts (z.B. die Höhe des Beratungsaufwands) und die Akzeptanz der jeweiligen Abschlussform bei der angesprochenen Zielgruppe zu überprüfen. Somit ist festzuhalten, dass das Problemverständnis hinsichtlich des Versorgungsobjekts des Kunden auf den Grad der Interaktion und die Wahl der Abschlussform Einfluss nehmen sollte. Vorteile des medialen Abschlusses

So erweist sich etwa bei zunehmender Akzeptanz des Internets respektive des E-Commerce bei wachsenden Zielgruppen der mediale Abschluss bei vielen Versorgungsobjekten als geeignete Alternative. Gleichzeitig bietet sich hierbei durch den weitgehenden Verzicht auf Verkaufspersonal sowohl für den Anbieter als auch für den Nachfrager die Möglichkeit zu einem kostengünstigeren Tausch.

Grundlagen der Abschlussfunktion

Die Tendenz hin zum medialen Verkauf lässt sich am Beispiel des PC-Markts verdeutlichen. So greifen neben Unternehmen wie DELL zunehmend auch solche Unternehmen auf die mediale Form zurück, die vorher ausschließlich im persönlichen Verkauf tätig waren. In diesem Zusammenhang schalten Hersteller dabei in einem ersten Schritt häufig beauftragte Dienstleister ein, die die Akzeptanz des medialen Verkaufs im Markt testen und die entsprechende Infrastruktur aufbauen sollen. Stößt die Vorgehensweise im Markt auf eine gute Akzeptanz, können in einem nächsten Schritt die sonstigen, eigenen Verkaufsaktivitäten verringert werden. Im Extremfall sorgt dann der externe Dienstleister für die Bereitstellung der vorwiegend technischen Infrastruktur und der Kunde tritt über das Medium Internet direkt mit dem Hersteller in Kontakt und bestellt beispielsweise über einen Konfigurator das gewünschte Produkt. Die in der Extremform dieser Vorgehensweise auftretende Ausschaltung des Handels belastet dabei naturgemäß die Beziehung der Hersteller mit eventuellen Partnerunternehmen im Handel. Ein analoges „Herantasten“ an den medialen Abschluss findet sich gegenwärtig etwa auch im Automobilbereich. Allerdings sind es hierbei zur Zeit zumindest noch überwiegend Händler, die diese mediale Abschlussform einsetzen.

325

326

Abschluss Marktvertrag

Teil B:

Management des Verkaufs

Wie weiter oben aufgezeigt, stellt der Verkauf nur eine von mehreren Vertragsarten der Abschlussfunktion dar. Gleichwohl kommt ihm in der Realität sicherlich die größte Bedeutung zu. Im Folgenden wird daher vereinfachend vom Verkauf als dem zugrunde liegenden Vorgang ausgegangen.

1.

Konzeption des Verkaufs

Zielsetzung und Motivation

Die beiden konstitutiven Bestandteile einer Konzeption sind die Zielsetzung und deren Motivation. Im Zusammenhang mit dem Verkauf sind dessen Ursache und Motivation gleichermaßen, dass nur bei einem erfolgreichen Vertragsabschluss der Tauschprozess als solches vereinbart und damit gesichert werden kann.

Derivative Verkaufsziele

Die Festlegung der derivativen Verkaufsziele muss in Abstimmung mit den Vorgaben aus dem Absatzmarktprogramm erfolgen; diese wiederum stehen in engem Zusammenhang mit den Zielen der Einzelwirtschaft. Die Zielvorgaben werden also auf den Verkaufsbereich heruntergebrochen, um so einerseits die Gesamtverantwortung für den Verkauf als betriebliche Funktion bzw. Organisationseinheit (Abteilung etc.) und andererseits entsprechende Verantwortungsbereiche für die Verkaufsmitarbeiter zu definieren. Gerade im Bereich des Verkaufs ist es von besonderer Bedeutung, dass eindeutige Zielvorgaben und Verantwortlichkeiten festgelegt werden, um den einzelnen Mitarbeiter – beispielsweise im Verkaufsaußendienst – stärker in die Ergebnisverantwortung nehmen zu können. Wegen der bereits eingangs erwähnten ausgeprägten Prinzipal-Agenten-Problematik sind zudem entsprechend geeignete Anreiz- und Sanktionssysteme zur Erreichung einer hohen Eigensteuerung von großer Bedeutung (Goehrmann, 1984, S. 33-39).

Quantitative Verkaufsziele

Es lassen sich quantitative und qualitative Verkaufsziele unterscheiden. Quantitative Ziele – wie beispielsweise eine Umsatz- bzw. Marktanteilsverbesserung, die Erhöhung der Anzahl der abgeschlossenen Kaufverträge, die Durchsetzung der Preisvorgaben oder auch die Steigerung der Anzahl der Kundenkontakte – sind im Verkauf relativ leicht nach-

Planung des Verkaufs

327

zuvollziehen und damit auch zu kontrollieren (im Gegensatz etwa zu den Beiträgen der Werbung). Demgegenüber ergeben sich im Rahmen der Beurteilung der qualitativen Verkaufsziele – etwa sorgfältige Beratung der Kunden, Motivation des Verkaufspersonals und Schaffung von Kundenzufriedenheit und Loyalität – häufig erhebliche Mess- und Zuordnungsprobleme. Die Evaluierung der Zielvorgaben im qualitativen Bereich verursacht daher häufig hohe Kontrollkosten, die zu einer spürbaren Erhöhung der Transaktionskosten führen können. In der unternehmerischen Praxis ist daher eine Orientierung an quantitativen Zielen vorherrschend.

2.

Planung des Verkaufs

Die Verkaufsplanung beinhaltet die Umsetzung der Verkaufskonzeption in zukünftige Schritte und Sollvorgaben. Im Rahmen der Verkaufsplanung erfolgt die Festlegung der Verkaufsform und Verkaufsorgane, die Bestimmung der benötigten Kapazität, die Entlohnungsplanung, die Budgetplanung, die Definition der Verkaufsorganisation (und damit verbunden die Verkaufsbezirkseinteilung) und die Besuchsplanung. Nicht alle Bestandteile sind dabei stets von konstitutiver Natur: so erübrigt sich die Festlegung von Verkaufsbezirken, wenn etwa der mediale Verkauf gewählt oder nicht mit einem Außendienstsystem gearbeitet wird.

2.1 Verkaufsform und Verkaufsorgane Die Verkaufsform ist die Art und Weise, wie an den Nachfrager herangetreten wird (persönlich oder medial). Grundlegende Charakteristika des persönlichen bzw. des medialen Verkaufs wurden weiter oben bereits vorgestellt (siehe in diesem Abschnitt Kap. A 2.2.2). Daher sollen an dieser Stelle lediglich einige weitere Kriterien ergänzt werden, mit deren Hilfe die Entscheidung für eine problemlösungsadäquate Verkaufsform erleichtert werden kann.

Qualitative Verkaufsziele

328 Kriterien zur Bestimmung der Verkaufsform

Unternehmenseigene vs. unternehmensfremde Verkaufsorgane

Abschluss Marktvertrag In diesem Zusammenhang lässt sich als erstes Kriterium zunächst die Flexibilität der gewählten Verkaufsform hinsichtlich Markt-, Nachfrager- und Konkurrenzveränderungen herausarbeiten. So kann beim persönlichen Verkauf festgestellt werden, dass beispielsweise durch entsprechende Schulungen eine relativ leichte Anpassung an Nachfragerveränderungen stattfinden kann. Ein zweites Kriterium ergibt sich durch den Aktivitätsgrad bzw. den Interaktionsbedarf, dem mit der gewählten Verkaufsform Rechnung getragen werden muss. Ausgangspunkt ist die Fragestellung, welcher Aktivitätsgrad vom Nachfrager gewünscht wird bzw. welcher Interaktionsbedarf auf Seiten des Nachfragers besteht. So kann beispielsweise bei einem niedrigen Interaktionsbedarf des Nachfragers der mediale Verkauf ausreichend und empfehlenswert sein. Abschließend ergibt sich aus dem Kostenaspekt ein weiteres Kriterium zur Auswahl. Hier lässt sich problemlos nachvollziehen, dass der mediale Verkauf – vor allem durch den erheblich geringeren Personalbedarf – eindeutige Vorteile vor dem persönlichen Verkauf hat (bezogen auf den einzelnen Verkaufsvorgang). Unabhängig von der jeweiligen Verkaufsform lassen sich außerdem unternehmenseigene (z.B. angestellte Verkäufer oder etwa zu deren Unterstützung bei Großaufträgen auch die Verkaufs- oder Geschäftsleitung) und unternehmensfremde Verkaufsorgane unterscheiden. Beispiele für Letztere sind die bereits an anderer Stelle erwähnten Absatzmittler, wie etwa Handelsvertreter (siehe Abschnitt „Charakterisierung des Marketing“, Kap. A 3.1). Vor allem aus Wirtschaftlichkeits- oder auch Spezialisierungsaspekten bietet es sich dabei häufig an, verschiedene (oder auch alle) Verkaufsaufgaben auf ein externes Dienstleistungsunternehmen zu übertragen. Die am häufigsten fremdvergebenen Bereiche sind dabei der (Internet gestützte) Telefonverkauf bzw. die Regalpflege im Handel. Neben den o.g. Vorteilen der Fremdvergabe muss jedoch beachtet werden, dass vor allem Motivation und Leistung der Mitarbeiter eines beauftragten Unternehmens ungleich schwerer zu kontrollieren sind. Den möglichen Ersparnissen stehen demnach entsprechende Kosten im Rahmen der Vertragsgestaltung und der Kontrolle gegenüber. Diese Problematik lässt sich auch am Beispiel des „klassischen“ Vergleichs der Vorteilhaftigkeit von Handelsvertreter und Reisendem illustrieren. Der Handelsvertreter, als rechtlich selbständiger Gewerbetreibender, übernimmt von einem bzw. von mehreren beauftragenden Unternehmen die Verkaufsaufgabe. Er handelt demnach im fremden Namen und auf fremde Rechnung. Demgegenüber gehört der Reisende zu den unternehmenseigenen Verkaufsmitarbeitern und arbeitet als angestellter Mitarbeiter seines Arbeitgebers.

Planung des Verkaufs

329

Eine allgemeingültige Entscheidung kann weder für die spezielle Fragestellung Reisender vs. Handelsvertreter noch für die allgemeine Frage nach unternehmenseigenen bzw. unternehmensfremden Verkaufsorganen getroffen werden. Je nach Interessenlage und Zielvorgaben muss ein individueller Abgleich der Chancen und Risiken durchgeführt werden. Als Beurteilungskriterien ergeben sich dabei beispielhaft: x Motivation und Potenzial der Verkaufsmitarbeiter, x Kontrolle und Steuerbarkeit, x Flexibilität, x Wirtschaftlichkeit, Kosten und Finanzmittelbedarf. Beispielhaft für einen ersten Beurteilungsschritt sind in der folgenden Abbildung die entsprechenden Kriterien zur Evaluierung der Vor- und Nachteile des Einsatzes von Handelsvertretern bzw. Reisenden zusammengefasst:

Kriterium Vertragliche Bindung

Reisender §§ 59 ff. HGB, unselbständig, stark weisungsgebunden

Einfirmenvertreter

Mehrfirmenvertreter

§§ 84 ff. HGB, selbstän- in der Regel wie Einfirmendig, grundsätzlich nicht vertreter weisungsgebunden

Arbeitszeit und Tätigkeit Vorgabe durch das Unternehmen, Umsatzsoll

freie Gestaltung im Rahmen des Vertrags

in der Regel wie Einfirmenvertreter

Entgelt

Gehalt, evtl. Provision und Prämie

Provision vom erzielten Umsatz (Deckungsbeitrag)

in der Regel wie Einfirmenvertreter

Zusätzliche Kosten

Kfz-Kosten, Bürokosten, eventuell aus Vertrag, z.B. Erstattung der KfzSozialleistungen, TeleKosten fonkosten, Tagegelder, Übernachtungsgelder

in der Regel keine

Kostencharakter

größtenteils fix

in der Regel variabel

Kundenbearbeitung

wie Einfirmenvertreter, weitgehend nach Vorga- nach eigener EntscheiÜberschneidungen können dung in Abstimmung be durch die Verkaufsauftreten mit der Verkaufskonleitung zeption und -planung des Unternehmens

fast nur variabel

330

Abschluss Marktvertrag Kriterium

Reisender

Einfirmenvertreter

Mehrfirmenvertreter

Kontakte zu Kunden

sehr vielseitige Kontakte auf der Basis des Verauf der Basis des Verkaufsprogramms und per- kaufsprogramms und per- durch das breite Verkaufsprogramm von verschiedesönlicher Beziehungen sönlicher Beziehungen nen Unternehmen

Interessenlage

vertritt vorwiegend Interessen des Unternehmens

Änderung der Verkaufs- grundsätzlich leicht mögbezirke lich

vertritt Interessen des Unternehmens und „eigene“ Interessen

vertritt vorwiegend sein Interesse und das seiner Kunden

schwieriger, nur mit Einverständnis des Vertreters, sonst Änderungskündigung

wie Einfirmenvertreter

Berichterstattung

kann von Verkaufsleitung muss vertraglich vereinbart werden genau vorgeschrieben werden

wie Einfirmenvertreter

Einsatzmöglichkeiten

grundsätzlich im gesamten Unternehmen

nur im Rahmen des Vertrags

Rücksichtnahme auf die anderen vertretenen Unternehmen

Arbeitskapazität

steht dem Unternehmen voll zur Verfügung

steht dem Unternehmen voll zur Verfügung

verteilt sich auf mehrere Unternehmen

Arbeitsweise

weitgehend unternehmensorientiert

unternehmens- und einkommensorientiert

vorwiegend einkommensorientiert

Verkaufstraining

integrierter Bestandteil der Aus- und Weiterbildung

entsprechend des Vertrags

schwieriger möglich, nur im Rahmen des Vertrags

Nebenfunktionen

Verkaufsförderung, Markterkundung, Kundendienst

entsprechend der vertraglichen Vereinbarungen

schwieriger möglich, nur im Rahmen des Vertrags

Kündigung

wie bei jedem Angestellten

Sonderregelung, evtl. Ausgleichsanspruch nach § 89 HGB

wie Einfirmenvertreter

Abb. 106: Kriterien für die Wahl Handelsvertreter bzw. Reisender (Weis, 2004, S. 367)

Planung des Verkaufs

331

2.2 Kapazitätsplanung Die Planung der Verkaufskapazität soll nachfolgend anhand des Personalumfangs erfolgen (Kapazitätsberechnung etwaiger medialer Formen bleiben unberücksichtigt). Im Allgemeinen stehen zwei Verfahren zur Verfügung: Potenzial- und Arbeitslastverfahren. Ausgehend von der (optimistischen) Grundannahme, dass die Produktivität aller Verkaufsmitarbeiter sowohl im Verkaufsaußen- als auch im Verkaufsinnendienst gleich ist, ergibt sich die angemessene Mitarbeiterzahl nach dem Potenzialverfahren aus dem Quotienten von avisiertem Umsatzvolumen und dem gewünschten Umsatz pro Verkaufsmitarbeiter (Winkelmann, 2006, S. 291 f.).

Personalumfang

Als wesentlich realitätsnäheres Verfahren erweist sich das Arbeitslastverfahren. Hier resultiert die Anzahl der Verkaufsmitarbeiter aus dem Quotienten von Gesamtarbeitsbelastung (vor allem durch Reisezeiten, Kundengespräche und Gesprächshäufigkeit, Besuchsberichte etc.) und der erwünschten Arbeitslast pro Mitarbeiter. Im Detail werden zur Bestimmung der Mitarbeiterzahl im Rahmen des Arbeitslastverfahrens die folgenden Planungsschritte durchlaufen (Witt, 1996, S. 137 f.):

Arbeitslastverfahren

x Festlegung der zu bearbeitenden Kunden, x Zuordnung der Kunden entsprechend ihrer Wertigkeit (Ertrag, Umsatz, etc.) in Größenklassen, x Festlegung der Soll-Besuchshäufigkeit für die einzelnen Größenklassen, x Multiplikation der Kunden in den Größenklassen mit der geplanten Besuchshäufigkeit und Summierung über alle Größenklassen zur Bestimmung der nötigen Gesamtbesuchszahl pro Jahr, x Definition der jährlichen Reisetage der Außendienstmitarbeiter (Arbeitstage abzgl. Krankheit, Besprechungen, Konferenzen, Schulungen etc.) und der Anzahl der täglichen Kundenbesuche, x Multiplikation der Reisetage mit den entsprechenden Kundenbesuchen pro Tag zur Bestimmung der max. Kundenbesuche eines Mitarbeiters im Jahr, x Division der Gesamtbesuchszahl durch die von einem Mitarbeiter zu bewältigenden Besuche ergibt Anzahl der Außendienstmitarbeiter.

332

Abschluss Marktvertrag

2.3

Entlohnungsplanung

2.3.1

Anforderungen an Entlohnungssysteme

Entlohnung als Anreizmechanismus

Im Rahmen der verschiedenen Planungsbereiche des Verkaufs kommt der Entlohnungsplanung ein herausragender Stellenwert zu. Das Entlohnungssystem stellt einen der wesentlichsten Anreizmechanismen des Prinzipals (also der Unternehmens- bzw. Verkaufsleitung) zur Steuerung von Verhalten und Leistung des Agenten (des Verkaufsmitarbeiters, speziell wiederum des unter räumlicher Entfernung arbeitenden Außendienstmitarbeiters) dar.

Leistungsorientierung und Zielorientierung als wesentliche Anforderungen an Entlohnungssysteme

Zu diesem Zweck sind allerdings einige grundlegende Anforderungen zu erfüllen. Zunächst muss ein klarer Zusammenhang zwischen der Entlohnung und der entsprechend zugrunde liegenden Leistung erkennbar sein, d.h. das Entlohnungssystem hat in diesem Sinne gerecht (die Entlohnung steht in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben bzw. Leistungen des Mitarbeiters) und leistungsbezogen zu sein. Die vom Mitarbeiter erbrachte (und dann belohnte) Leistung kann sich dabei auf qualitative (z.B. Beratungsqualität oder Kundenzufriedenheit) oder auf quantitative Ergebnisse (etwa den erzielten Umsatz oder den generierten Deckungsbeitrag) beziehen. Des Weiteren soll das ausgewählte Entlohnungssystem – auch bzw. gerade aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben der Verkaufsmitarbeiter – zielorientiert wirksam (ursächlicher Zusammenhang zwischen Zielen und Entlohnung) und damit motivationsfördernd sein. Die Motivationsförderung (also die Motivation zu den im Rahmen der Zielsetzung vereinbarten Verkaufsleistungen) steht dabei natürlich wiederum in einem sehr engen Zusammenhang mit der Leistungsbezogenheit. Darüber hinaus muss das gewählte Entlohnungssystem transparent und einfach nachvollziehbar sein. So kann beispielsweise eine feste Prämie für jeden gewonnenen Neukunden die Erreichung des Verkaufsziels „Neukundenakquisition“ erheblich verbessern. Vor dem Hintergrund der Zielorientierung des Entlohnungssystems ist daher die Frage zu diskutieren, welche unternehmens- bzw. verkaufspolitischen Ziele mit dem Entlohnungssystem verfolgt werden sollen. Ausgewählte Beispiele hierfür sind in der folgenden Abbildung überblickartig zusammengestellt.

Planung des Verkaufs

333

Unternehmenspolitische Ziele

Verkaufspolitische Ziele

x Zukunftssicherung des Unternehmens x Gewinnung von qualifizierten Mitarbeitern x Förderung der Kundenorientierung bei den Mitarbeitern x Motivation der Mitarbeiter x Förderung des Teamgedankens x Förderung der Weiterbildungsbereitschaft x Bindung der Mitarbeiter

x Steigerung von Umsatz, Marktanteil, Deckungsbeitrag x Verbesserung der Kundenstruktur x Pflege des Kundenstamms x Erreichen von Verkaufsquoten x Gewinnung von Neukunden x Senkung der Vertriebskosten x Verbesserung der Beratungsqualität x Erfolgreiche Neuprodukteinführung x Durchsetzung des angestrebten Preisniveaus

Abb. 107: Ausgewählte unternehmenspolitische bzw. verkaufspolitische Ziele Abschließend sind beim Entwurf eines Entlohnungssystems die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu beachten: so ist beispielsweise bei festangestellten Mitarbeitern ein Mindestgehalt einzuhalten. Die nachfolgend dargestellten wesentlichen Komponenten von Entlohnungssystemen werden nun anhand der obigen Anforderungen charakterisiert.

2.3.2

Komponenten eines Entlohnungssystems

Nach Klärung der angestrebten Ziele können nun die Komponenten eines Entlohnungssystems aus Festgehalt, Provision, Prämien und Nebenleistungen zusammengestellt werden. Beim Festgehalt handelt es sich um eine für einen längeren Zeitraum festgelegte Vergütung, die sowohl für den Mitarbeiter als auch für die Verkaufs- bzw. Unternehmensleitung eine gewisse Planungssicherheit impliziert. Aufgrund des fehlenden unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Verkaufsleistung und der Vergütung ergibt sich in der Gesamtbeurteilung des Festgehalts, dass sich diese Gehaltskomponente lediglich als Grundbestandteil in einem gemischten Vergütungssystem im Verkauf eignet. Vor allem die fehlende Motivations-,

Festgehalt

334

Abschluss Marktvertrag Anreiz- und Kontrollwirkung ist zu bemängeln. Durch die fehlende Flexibilität des Festgehalts kann dementsprechend nur über regelmäßige Gehaltsanpassungen eine geringe Leistungsorientierung eingebracht werden.

Provision

Demgegenüber ermöglicht die Provision, die als Prozentsatz auf eine festgelegte Bemessungsgrundlage (etwa auf Umsatz oder Deckungsbeitrag) gezahlt wird, eine positive Beeinflussung der Mitarbeitermotivation und kann dementsprechend zur direkten Mitarbeitersteuerung eingesetzt werden. Dabei sind verschiedene Ausprägungen der Provision zu unterscheiden. Die lineare Provision (über die Bemessungsgrundlage gleichbleibender Provisionssatz) bietet eine längerfristige Motivationsund Anreizwirkung, während die progressive Provision (über die Bemessungsgrundlage zunehmender Provisionssatz) eine eher kurzfristige Anreiz- und Motivationswirkung hat und – beim Umsatz als Basis – darüber hinaus die Gefahr birgt, Umsätze über Preisnachlässe zu „erkaufen“. Auch die Wahl der Bemessungsgrundlage hat eine entsprechende Anreizwirkung, die von der Verkaufs- bzw. Unternehmensleitung zu berücksichtigen ist. So vermittelt die Wahl des Umsatzes als Bemessungsgrundlage einen sehr starken Anreiz, die Verkaufsanstrengungen erheblich zu erhöhen. Dies bietet auf der einen Seite den Vorteil, dass die Berechnung der (variablen) Provision recht einfach ist. Es birgt allerdings auf der anderen Seite die Gefahr, dass in Folge der konsequenten Umsatzorientierung häufig Beratung und sonstige Serviceleistungen zugunsten des reinen Abverkaufs vernachlässigt werden. Dieser Problembereich gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund zunehmend kooperativer Tendenzen in der Beziehung zwischen Hersteller und Handel an Bedeutung. Nichtsdestotrotz ist die Umsatzprovision die in der Praxis am häufigsten anzutreffende Ausprägung der Provisionen.

Umsatzorientierte vs. deckungsbeitragsorientierte Provision

Wird demgegenüber der Ertrag (etwa in Form des Deckungsbeitrags) als Bemessungsgrundlage gewählt, fördert dies ein entsprechend ertragsorientiertes Denken der Mitarbeiter und verhindert somit die oben beschriebene reine Umsatzorientierung. Im Gegensatz zur reinen Umsatzgenerierung haben die Verkaufsmitarbeiter in diesem Fall nämlich auch die Erlöswirkung zu berücksichtigen, die durch Preisnachlässe und durch mit dem Auftrag verbundene Kosten beeinflusst wird. Trotz der generell positiven Bewertung von ertragsorientierten Provisionen und der daraus folgenden sehr guten allgemeinen Eignung ergeben sich allerdings in der Anwendung verschiedene Probleme. So ist vor allem eine sofortige und leichte Nachvollziehbarkeit für den Verkaufsmitarbeiter nur schwer oder – aufgrund der erst nachträglich zu ermittelnden Kosten und des anfallenden Deckungsbeitrags – erst lange Zeit nach der Auftragserteilung möglich.

Planung des Verkaufs Eine weitere mögliche Komponente eines Entlohnungssystems stellen Prämien dar. Zum einen ermöglichen sie einen kurzfristigen Anreiz (etwa im Rahmen von Aktionen bzw. Neuprodukteinführungen), zum anderen existieren allerdings gleichermaßen eher längerfristig orientierte Prämien (Produktentwicklungen, Verbesserungsvorschläge). Zielgrößen von Prämien können dementsprechend beispielsweise

335 Prämien

x das Erreichen einer bestimmten Umsatzschwelle, x die erfolgreiche Durchführung von Aktionen (z.B. Altkundenbetreuung, Beschwerdeabwicklung) x oder die Neukundengewinnung sein. In diesem Zusammenhang bieten sich neben Individualprämien – also Prämien, die direkt und ausschließlich an einen bestimmten Verkaufsmitarbeiter gehen – auch Team- bzw. Gruppenprämien an, wodurch auch der Teamgedanke unterstützt wird. Allerdings ist vor diesem Hintergrund zusätzlich eine homogene Zusammensetzung des Teams hinsichtlich der eingebrachten Fähigkeiten einerseits sowie der vorhandenen Motivationsstrukturen der einzelnen Mitglieder andererseits zu beachten, da Teamentgelte bei entsprechender Nichtberücksichtung zu gegenteiligen Effekten führen können. Vor allem in Kombination mit der oben beschriebenen ertragsorientierten Provision lässt sich also mit den verschiedenen Prämienspielarten eine Vielzahl von Verkaufszielen unterstützen. Insbesondere etwa vor dem Hintergrund kooperativer Beziehungen zwischen Hersteller und Handel – wie sie sich im ECR-Ansatz und seinen Modulen widerspiegeln – ist darüber nachzudenken, ob die Zielerreichung des Handels nicht auch in die Entlohnung der Verkaufsmitarbeiter des Herstellers eingehen soll. Wenn durch die Kooperation tatsächlich ein zusätzlicher Nutzen entsteht, so sollten die Mitarbeiter motiviert sein, diesen Nutzen zu steigern und beispielsweise für die Verbesserung des Sortiments im Gesamten und dessen Ertrag im Handel belohnt werden (Mattmüller/Franzen, 2004, S. 20-22). Als letzte Komponente von Entlohnungssystemen dienen darüber hinaus Nebenleistungen und Incentives. Neben fest vereinbarten gesetzlichen bzw. tariflichen Leistungen (z.B. vermögenswirksame Leistungen, betriebliche Altersvorsorge) zählen etwa auch die Bereitstellung von Firmenfahrzeugen (auch zur privaten Nutzung) oder betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen zu den Nebenleistungen. Incentives beziehen sich demgegenüber beispielsweise auf Imagezuwendungen (Mitarbeiter des Monats) oder auf die Erlebnisebene (Flugreise).

Nebenleistungen und Incentives

336 Entlohnungssysteme in der Praxis

Abschluss Marktvertrag Leistungsorientierte Vergütungsformen lassen sich gleichermaßen im Verkaufsaußendienst und im Verkaufsinnendienst einsetzen, wobei lediglich die zugrunde liegenden Leistungskennziffern bzw. Leistungskriterien an die spezifischen Aufgabenbereiche anzupassen sind. Reine Provisionssysteme sollten dabei – wie oben erarbeitet – durch zielgerichtete Prämiensysteme ergänzt werden. Dieser Empfehlung wird auch in der unternehmerischen Realität zunehmend entsprochen. Eine entsprechende Ausgestaltung des Entlohnungssystems kann so in hohem Maße zur Senkung der Monitoring Costs des Unternehmens beitragen.

2.4

ZielAktivitätenMethode

Budgetplanung

Wie schon bei der Werbebudgetierung dargestellt, kann auch das Verkaufsbudget auf Grundlage von Vergangenheitsdaten (Relation zwischen den in der Vergangenheit ermittelten Verkaufskosten und Umsätzen), als Restgröße (also je nach noch zur Verfügung stehenden Finanzmitteln) bzw. als branchentypische Größe (z.B. durch die Orientierung an den Wettbewerberbudgets) ermittelt werden. Während diese drei Arten der Budgetierung vor allem aufgrund des starken Vergangenheitsbezugs und der geringen Zielorientierung wenig empfehlenswert sind, um die entsprechenden Zielvorgaben umzusetzen, ist auch hier die Ziel-Aktivitäten-Methode als Basis zur Festlegung eines zieladäquaten Verkaufsbudgets zu empfehlen. Die Ziel-AktivitätenMethode beruht zunächst auf der konsequenten Formulierung der spezifischen quantitativen und qualitativen Ziele des Verkaufs. Auf dieser Basis werden die zur Erreichung der Verkaufsziele notwendigen Maßnahmen bzw. Aktivitäten festgelegt und die Kosten letzterer ermittelt. Somit ergibt sich das Verkaufsbudget aus den geplanten Verkaufsaktivitäten und den damit verbunden Kosten. In der unternehmerischen Realität hat sich die Planung des Verkaufsbudgets allerdings häufig an einem in der Gesamtplanung festgelegten Maximalbudget zu orientieren. Dementsprechend wird im Rahmen der Budgetplanung dann weniger die Höhe, als vielmehr die Verwendung des Budgets (z.B. für Schulungen oder Verkaufsveranstaltungen) festgelegt.

Planung des Verkaufs

337

2.5 Verkaufsorganisation Im Rahmen der Verkaufsplanung wird in einem weiteren Schritt die Art der Verkaufsorganisation festgelegt, d.h. es erfolgt eine organisatorische Strukturierung. Die folgenden Ausführungen berücksichtigen dabei auch die besonderen Anforderungen einer Verkaufsorganisation bei Vorhandensein eines Verkaufsaußendiensts. Neben der Auswahl der grundsätzlichen Organisationsform steht daher als zweiter Bestandteil dieses Planungsblocks noch die Einteilung der Verkaufsbezirke zur Entscheidung an.

2.5.1 Gesamtorganisatorische Einbindung des Verkaufs Vorab sind jedoch einige grundlegende Anforderungen an die gesamtorganisatorische Einbindung des Verkaufs/Außendiensts aufzuzeigen. Diese ergeben sich aus der häufig anzutreffenden organisatorischen Trennung in eine Marketingabteilung einerseits und in eine Vertriebsbzw. Verkaufsabteilung andererseits, wobei beiden dann formal eine hierarchisch gleichrangige Stellung zukommt (siehe hierzu Abschnitt „Charakterisierung des Marketing“, Kap. B 3). Dadurch entstehen unternehmensinterne Schnittstellen, die vor allem den Informationsfluss innerhalb des Unternehmens sowie zwischen dem Verkauf als Organisation und dem Kunden beeinträchtigen. Bei den Überlegungen zur grundsätzlichen Einbindung des Verkaufs in die Gesamtunternehmensstruktur muss die Unternehmensleitung daher das Ziel verfolgen, einen möglichst effizienten Informationsfluss sicherzustellen.

Die Verkaufsabteilung in der Gesamtorganisation

Dabei können zwei grundsätzliche Typen von Informationsbarrieren unterschieden werden (Mattmüller/Tewes, 2007, S. 714-719): Die erste Barriere kann im Outside-in-Informationsfluss liegen. Informationen, die durch den direkten Kontakt zwischen einem Verkaufsmitarbeiter und einem Nachfrager generiert werden, liegen zwar im Verkauf vor, werden anderen Abteilungen im Unternehmen aber nicht oder nur unzureichend zur Verfügung gestellt. Die wohl bedeutendste Ursache hierfür stellt das Ressortdenken dar, in dessen Folge jede Abteilung versucht, Erfolge möglichst der eigenen Arbeit zuzuschreiben. Neben diesem eher opportunistisch motivierten Verhalten kann auch die schlichte Unkenntnis über Auswertungs- und Verwendungsmöglichkeiten der gewonnenen Daten sowie über die bei anderen Abteilun-

Behinderung des Informationsflusses durch Ressortdenken

338

Abschluss Marktvertrag gen benötigten Informationen zu einer Fehleinschätzung der Relevanz der vorliegenden Daten führen. Die Konsequenz dieser Barriere sind hohe Kosten, die zum einen durch Doppelarbeiten in den verschiedenen Abteilungen anfallen und zum anderen durch die Kontrolle und Koordination des Informationsaustauschs zwischen den Abteilungen.

Falsche Zielsysteme

Die zweite Barriere bezieht sich auf den Informationsfluss Inside-out. Hier verbleiben aus Sicht des Gesamtunternehmens und insbesondere des Marketing wichtige Informationen in der Verkaufsabteilung und werden nicht an den Nachfrager weitergeleitet. Häufig fehlt den Verkaufsmitarbeitern der umfassende Einblick in die hinter den Marketingkonzepten stehenden Überlegungen, so dass diese Konzepte durch die Verkaufsmitarbeiter oftmals nicht umgesetzt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zielsetzung und die Entlohnung von Verkaufsmitarbeitern häufig noch an direkt quantifizierbare Größen gekoppelt sind. Der Einfluss der Marketingkonzepte steht jedoch – zumindest vordergründig – nicht immer in Verbindung mit diesen Größen. Es ist Aufgabe der Führung, diese Informationsbarrieren zu überwinden. Um die Gefahr eines opportunistischen Verhaltens der Mitarbeiter zu minimieren, kann die Verkaufsleitung – neben Kontrollaspekten und autoritärer Führung – auf die extrinsische Motivation über materielle Anreize im Rahmen des Entlohnungssystems zurückgreifen. Tiefgreifender und hinsichtlich der motivationalen Wirkung ausgeprägter scheint die intrinsische Motivation über immaterielle Anreize, wie z.B. über einen großen Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu sein. Grundlage hierfür ist auch die nachfolgend betrachtete organisatorische Struktur des Verkaufs (Organisationsformen) und der dem Mitarbeiter zugewiesenen Gebiete (Verkaufsbezirkseinteilung).

2.5.2 Organisationsformen Als Entscheidungshilfe bei der Auswahl der Verkaufsorganisation dienen im Wesentlichen vier Kriterien: die Flexibilität der Verkaufsorganisation, die mögliche Marktausschöpfung, die Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten der gewählten Verkaufsorganisation inklusive der Sicherstellung der oben thematisierten Informationsströme und die durch Aufbau und Pflege der jeweiligen Verkaufsorganisation verursachten Kosten. An dieser Stelle lassen sich keine allgemeinverbindlichen Aussagen zur Vorteilhaftigkeit einer bestimmten Verkaufsorganisation treffen, da eine solche naturgemäß von den entsprechenden Rahmenbedingungen und der speziellen Aufgabenstellung abhängt. Es werden daher im Folgenden verschiedene, gebräuchliche Verkaufsor-

Planung des Verkaufs

339

ganisationen auf einer allgemeinen Ebene bewertet. Im Einzelnen werden dies die gebietsorientierte, die produktorientierte, die kundenorientierte und die funktionsorientierte Verkaufsorganisation sowie die Matrixorganisation und das Key-Account-Management (KAM) sein. Die Organisationsformen werden anhand eines Unternehmens dargestellt, das mit den Produktgruppen „Medikamente“, „medizintechnische Geräte“ und „Hilfsstoffe“ (etwa auch Arbeitskleidung etc.) die Zielgruppen „niedergelassene Ärzte“, „Kliniken“ und „Pflegeheime“ bearbeitet. Das wesentliche Charakteristikum einer reinen gebietsorientierten Verkaufsorganisation ist die Zuständigkeit eines Verkaufsmitarbeiters für alle Versorgungsobjekte und alle Zielgruppen im entsprechenden Verkaufsgebiet. Das bedeutet in unserem Beispiel also, dass der Verkaufsmitarbeiter in seiner Region alle drei Zielgruppen mit allen drei Produktgruppen betreut. Als Vorteile dieser Organisationsform zeigen sich die relativ leichte Steuerung bzw. Kontrolle und die Möglichkeit zur Abdeckung eines ganzen Verkaufsgebiets durch nur einen Verkaufsmitarbeiter bei geringer Kostenbelastung. Demgegenüber birgt vor allem die Notwendigkeit, dass der Verkaufsmitarbeiter alle Versorgungsobjekte des Anbieters betreuen muss, die Gefahr einer geringen Beratungsqualität in sich (zumindest in Teilen des Angebotsprogramms). Zudem lässt die Bearbeitung aller Zielgruppen durch nur einen Verkaufsmitarbeiter eine relativ geringe Zielgruppenorientierung vermuten. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Unterschiede der bearbeiteten Zielgruppen und der betreuten Produktgruppen berücksichtigt. Dementsprechend werden rein gebietsorientierte Verkaufsorganisationen vor allem bei problemlosen (d.h. wenig erklärungsbedürftigen) Versorgungsobjekten bzw. Zielgruppen eingesetzt bzw. in Unternehmen, deren Angebotsprogramm nur wenige unterschiedliche Produkte bzw. Produktgruppen umfasst. Gleichwohl ist eine Gebietszuordnung als solche häufig unverzichtbare Basis auch der nachfolgenden Organisationsformen.

Gebietsorientierte Verkaufsorganisation

340

Abschluss Marktvertrag

Medikamente

med. technische Geräte

Hilfsstoffe

Verkaufsmitarbeiter A

niederg. Ärzte

Kliniken

Pflegeheime

Abb. 108: Gebietsorientierte Verkaufsorganisation Produktorientierte Verkaufsorganisation

Bei einer produktorientierten Verkaufsorganisation ist ein Verkaufsmitarbeiter für ein Versorgungsobjekt (bzw. eine Objektgruppe) verantwortlich und betreut mit diesem Versorgungsobjekt alle relevanten Zielgruppen. Daraus ergibt sich als hauptsächlicher Vorteil, dass der Verkaufsmitarbeiter ein hohes produktspezifisches Know-how aufbauen kann und in der Regel eine sehr gute Beratungsqualität zu liefern vermag. Die Nachteile der produktorientierten Verkaufsorganisation liegen zum einen im hohen Koordinationsaufwand (bei einem Kunden ergeben sich unter Umständen an nur einem Tag mehrere Kundenkontakte durch die verschiedenen Verkaufsmitarbeiter) und den dadurch verursachten Kosten. Zum anderen fehlt auch hier eine konsequente Zielgruppenorientierung.

Planung des Verkaufs

341

Medikamente

med. technische Geräte

Hilfsstoffe

Verkaufsmitarbeiter A

Verkaufsmitarbeiter B

Verkaufsmitarbeiter C

niederg. Ärzte

Kliniken

Pflegeheime

Abb. 109: Produktorientierte Verkaufsorganisation Die Zielgruppenorientierung ist hingegen Grundlage der kundenorientierten Verkaufsorganisation, bei der ein Verkaufsmitarbeiter nur eine bestimmte Zielgruppe betreut, wobei er andererseits für das gesamte Produktspektrum verantwortlich ist. Diese Verkaufsorganisation ermöglicht eine erheblich bessere Bearbeitung der entsprechenden Zielgruppe – bspw. im Rahmen einer besseren Erschließung möglicher Cross-Selling-Potenziale – und entspricht damit in hohem Maße dem Marketingkerngedanken. Sie ist allerdings bei Mehrproduktunternehmen mit einem erhöhten Koordinationsaufwand, höheren Kosten und einer aufgrund des größeren Produktspektrums häufig geringeren Beratungsqualität verbunden. Letzteres lässt sich durch die Bereithaltung von „Produktspezialisten“ lösen, die bei Bedarf vom Kundengruppenbetreuer hinzugezogen werden.

Kundenorientierte Verkaufsorganisation

342

Abschluss Marktvertrag

Medikamente

med. technische Geräte

Hilfsstoffe

Verkaufsmitarbeiter A

Verkaufsmitarbeiter B

Verkaufsmitarbeiter C

niederg. Ärzte

Kliniken

Pflegeheime

Abb. 110: Kundenorientierte Verkaufsorganisation Funktionsorientierte Verkaufsorganisation

Die funktionsorientierte Verkaufsorganisation beruht auf der Aufteilung der Verkaufsmitarbeiter hinsichtlich bestimmter Funktionen: so lassen sich beispielsweise Verkaufsteams für die Neukundengewinnung einerseits bzw. für die Altkundenbetreuung andererseits bilden. Die Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterteams können dann in ihrer spezifischen Funktion ein entsprechend hohes Know-how aufbauen. Nachteilig bei der funktionsorientierten Verkaufsorganisation sind jedoch der wiederum hohe Koordinationsaufwand und die Gefahr der „Zweiklassengesellschaft“ unter den Verkaufsmitarbeitern. Darüber hinaus hat der Kunde mehrere Ansprechpartner, was vor allem vor dem Hintergrund des Vertrauensaufbaus unerwünschte Nebeneffekte haben kann. So müssen Neukunden nach einer gewissen Zeit auf ihren für die Neukundengewinnung zuständigen Verkaufsmitarbeiter verzichten, obwohl im Rahmen der Geschäftsbeziehung erst mühsam eine Vertrauensbasis zu diesem Mitarbeiter aufgebaut wurde. Mit dem dann zuständigen „Altkundenbetreuer“ muss diese gemeinsame Basis erst neu erarbeitet werden.

Matrixorganisationen

Matrixorganisationen ergeben sich aus der Überlagerung zweier Organisationsformen, beispielsweise der produkt- und der kundenorientierten Organisationsform. Der wesentliche Vorteil einer Matrixorganisation besteht in der zwangsläufigen Zusammenführung der Aufgaben. Hierbei besteht allerdings ein sehr hohes Konfliktpotenzial und ein hoher Koordinationsaufwand durch die Doppelunterstellung der Mitarbeiter.

Planung des Verkaufs

343

Vertriebsleiter Nord

Medikamente

Vertriebsleiter Süd

Verkaufsmitarbeiter A

med. technische Geräte

Hilfsstoffe

Abb. 111: Matrixorientierte Verkaufsorganisation Im Rahmen des Key-Account-Management (KAM) werden Groß- bzw. Schlüsselkunden von einem Key-Account-Manager betreut. KeyAccount-Manager sind dabei vor allem mit der Vorbereitung und Abwicklung der „Jahresgespräche“ betraut und dienen als kompetente Ansprechpartner für das Top-Management insbesondere des Handels. Die Entwicklung des KAM lässt sich vornehmlich durch die in den letzten Jahren zunehmenden Konzentrationsprozesse im Handel begründen. Nur über ein effizientes KAM mit entscheidungsbefugten, kompetenten und qualifizierten Key-Account-Managern ist es der Industrie gelungen, Jahres- oder auch Listungsgespräche erfolgreich abzuschließen. Vor dem Hintergrund der steigenden Akzeptanz des Catagory Managements und des Efficient Consumer Response-Konzepts kommt dem KAM weiter eine steigende Bedeutung zu. Ging es bisher für den KeyAccounter „nur“ um das erfolgreiche „Überstehen“ der Listungs- bzw. Jahresgespräche, wird er in der Zukunft zum einen in großem Ausmaß an der Bildung von Warengruppen (Categories) und zum anderen an der Sicherung der im Rahmen des ECR geforderten Effizienzsteigerungen beteiligt sein (Mattmüller/Tunder, 2001, S. 3-26). Insofern ist ein wesentlicher Bestandteil des ECR die Kooperation mit den KeyAccounts (Homburg/Krohmer, 2003, S. 976). Die Vorteile des KAM liegen in der oben beschriebenen Bereitstellung eines kompetenten Ansprechpartners für die Entscheidungsträger der Verhandlungspartner. Demgegenüber ergibt sich in der Praxis häufig

Key-AccountManagement

344

Abschluss Marktvertrag das Problem, dass der Key-Accounter im Regelfall nicht auf eine eigene Verkaufsmannschaft zurückgreifen kann. Die Umsetzung der mit den Großkunden abgesprochenen Vorgehensweise (beispielsweise die Durchführung von POS-Aktionen) muss also dem operativen Verkauf überlassen bleiben und entzieht sich somit zumindest dem direkten Einflussbereich des Key-Account-Managers. Dies bedeutet einen steigenden Koordinations- und Kontrollaufwand.

2.5.3 Verkaufsbezirkseinteilung Auf Basis der ausgewählten Verkaufsorganisation ist im Folgenden eine Einteilung der Verkaufsbezirke vorzunehmen. Ziele der Verkaufsbezirkseinteilung sind dabei die wirtschaftliche und kostengünstige Bearbeitung der einzelnen Verkaufsbezirke, die optimale Ausschöpfung des Markt- bzw. Kundenpotenzials, die Ermöglichung von zuverlässigen Kontrollmöglichkeiten bzw. die Sicherstellung der Inside-out- und Outside-in-gerichteten Informationsflüsse und die gerechte und gleichmäßige Auslastung der Verkäufer. Einteilungskriterien bei der Verkaufsbezirkseinteilung

Zur Umsetzung stehen verschiedene Ansätze zur Verfügung. So bieten sich zunächst geographische bzw. politische Grenzen als Einteilungskriterium an. Diese Vorgehensweise lässt sich leicht umsetzen, erlaubt allerdings kaum eine optimale Ausschöpfung des Markts, weil die rein regionale Einteilung keinerlei Rückschlüsse auf die tatsächliche Nachfrageverteilung zulässt. So erfordern vor allem Regionen mit einer höheren Anzahl von Ballungsräumen erheblich mehr kundenbezogenen Bearbeitungsaufwand als Regionen ohne Ballungszentren, in denen wiederum eventuell mehr Reisezeiten anfallen. Als ähnliches Kriterium zeigt sich die künstliche geographische Einteilung von Verkaufsbezirken etwa anhand von Postleitzahlen. Das aus Marketingsicht geeignetste Kriterium stellt die Orientierung am tatsächlichen Nachfragepotenzial (Kaufkraft, Absatz) dar – die entsprechenden Kennziffern können von namhaften Marktforschungsinstituten abgerufen werden.

Vorgehensweise bei der Verkaufsbezirkseinteilung

Die Verkaufsbezirkseinteilung läuft in den folgenden Stufen ab: zunächst werden Basisbezirke festgelegt (Kriterien hierfür können z.B. verkehrsbedingte Anforderungen an die Tourenplanung sein), für die in einem zweiten Schritt das Nachfragepotenzial ermittelt wird. Anschließend werden die Basisbezirke so strukturiert, dass es zu einer ungefähren Gleichverteilung des Nachfragepotenzials kommt. Es folgt eine Arbeitslastanalyse, in der die in den einzelnen Bezirken anfallenden Arbeitslasten erarbeitet werden. Auf Grundlage der Ergebnisse dieser Arbeitslastanalyse sind die Basisbezirke so umzustrukturieren, dass ei-

Planung des Verkaufs

345

ne ungefähre Gleichverteilung der Arbeitslast auf alle Mitarbeiter gewährleistet ist. Abschließend erfolgt die Zuordnung der Mitarbeiter auf die entsprechenden Basisbezirke (Weis, 2000, S. 203).

2.6 Besuchsplanung Die letzte Komponente der Verkaufsplanung stellt die Besuchsplanung dar. Im Rahmen der Besuchsplanung werden Kontaktqualität, Kontaktquantität und Kontaktperiodizität festgelegt. Bei der Kontaktqualität werden Ausgestaltung und Ablauf des Verkaufsgesprächs bestimmt, bei der Kontaktquantität erfolgt die Planung der Anzahl der Verkaufskontakte mit jedem einzelnen Kunden in einem bestimmten Zeitraum und die Kontaktperiodizität definiert die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Kundenkontakten. Hierbei sind die Faktoren Quantität und Periodizität selbsterklärend. Im Rahmen der Definition der Besuchsqualität werden beispielhaft x der bzw. die Gesprächspartner (Funktion, Interessenlage), x Ursache und Ziel des Besuchs (z.B. vorzustellende Angebote, Sonderaktionen etc.), x zentrale Inhalte (etwa die wesentlichen Produktvorteile im Konkurrenzvergleich), x vorzubereitende Unterlagen festgelegt, wobei selbstverständlich die derzeitigen bzw. geplanten Geschäftsbeziehungen (etwa Preis-Mengenkonstellationen etc.) mit dem Kunden berücksichtigt werden sollten. Auch wenn die Besuchsplanung definitionsgemäß auf die Außendienstmitarbeiter abstellt, ergibt sich auch für den Verkaufsinnendienst eine analoge Planung, etwa im Rahmen telefonischer Verkaufsaktivitäten. Auch hier ist eine Gesprächsplanung vorzunehmen, die inhaltlich mit den oben beschriebenen Planungsvariablen Qualität, Quantität und Periodizität übereinstimmt.

Qualität, Quantität und Periodizität

346

Abschluss Marktvertrag

3. Zwei Ebenen der Verkaufsdurchführung

Ausführung des Verkaufs

Im Rahmen der Ausführung bzw. der Verkaufsdurchführung sind zwei Ebenen zu unterscheiden. Zum einen geht es für die einzelnen Verkaufsorgane – sowohl im Innen- wie auch im eventuell vorhandenen Außendienst – um die Tätigkeit des Verkaufens an sich sowie um die Durchführung unterstützender Maßnahmen (Verkaufsförderung). Zum anderen steht für die Verkaufsleitung die zielgerichtete Umsetzung der in der Planung getroffenen Entscheidungen und festgelegten Maßnahmen in die Realität an, woraus sich die Notwendigkeit zur entsprechenden Steuerung der beauftragten Organe ergibt. Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich an dieser Reihenfolge.

3.1

Verkaufsaktivitäten

3.1.1 Zusammenspiel von Innen- und Außendienst Aufgaben von Innen- und Außendienst

Verkaufsinnendienst und Verkaufsaußendienst haben hauptsächlich Verkaufsgespräche zu führen, um neue Kunden zu akquirieren bzw. bestehende Kunden weiter zu betreuen und dabei entsprechende Vertragsabschlüsse zu generieren. Als allgemeine Aufgaben für den Verkaufsinnen- bzw. Verkaufsaußendienst ergeben sich die folgenden beispielhaften Tätigkeitsbereiche (Witt, 1996, S. 20): x Erstellung von Anforderungskatalogen, x Ausarbeitung von Angeboten, x Kontaktaufnahme mit dem Kunden, x Einsatz von Werbematerial, x Präsentation von Angeboten, x Demonstration von Produkten, x Verkaufsverhandlungen, x Nachfassen nach Verkaufsgesprächen,

Ausführung des Verkaufs

347

x Entgegennahme von Aufträgen, x Entgegennahme/Weiterleitung von Beschwerden bzw. Anregungen der Kunden. Bei ihren Verkaufsaktivitäten werden Verkaufsinnen- und Verkaufsaußendienst häufig von Verkaufsassistenten unterstützt. Diese übernehmen dabei die Erstellung von Angeboten bzw. das Nachfassen nach Verkaufsgesprächen sowie die Auftragsabwicklung und die Beantwortung von allgemeinen Fragen der Kunden. Somit entlasten sie sowohl den Verkaufsinnen- als auch den Verkaufsaußendienst, die sich somit auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren können. Durch das zunehmend kooperative und sich ergänzende Aufgabenverständnis von Außen- und Innendienstaktivitäten entschärft sich ein Problem, das bisher häufig zu großen Reibungsverlusten im Verkauf geführt hat: die Rivalität von Innen- und Außendienst. Waren nach altem Begriffsverständnis nur die Außendienstmitarbeiter mit Verkaufsgesprächen betraut (und stellten dementsprechend die eigentlichen Verkaufsmitarbeiter dar, die zudem hierarchisch über dem nur unterstützenden Innendienst eingeordnet waren), so wird heute zu Recht auf eine stärkere Teamorientierung geachtet (Schröder, 1993, S. 44). Diese äußert sich beispielsweise auch in einer gemeinsamen Beteiligung der jeweiligen Mitarbeiter im Außen- und Innendienst an Provisionen und Prämien.

3.1.2 Verkaufsförderung als ausgewählter Aktivitätsbereich Ein wesentlicher Tätigkeitsbereich von Außendienstsystemen ist die Verkaufsförderung, die daher im Folgenden anhand einiger ausgewählter Maßnahmen dargestellt wird. Unter Verkaufsförderung (häufig als Sales Promotion bezeichnet) ist die Funktionsunterstützung subfinaler Zielgruppen durch zeitlich befristete Maßnahmen mit Aktionscharakter zu verstehen, soweit sie in den Verantwortungsbereich des Verkaufs fällt. Konkret geht es also um die Verstärkung der Marketingbemühungen von Absatzpartnern, wobei letztere sich aus den einzelnen Handelsstufen sowie auch aus Marktmittlern zusammensetzen können (Gedenk, 2002, S. 11). Im Wesentlichen lassen sich drei Ziele von Verkaufsförderungsmaßnahmen nennen:

Definition Verkaufsförderung

348 Ziele der Verkaufsförderung

Abschluss Marktvertrag x Herausstellung bestimmter Produkte oder Leistungen durch verkaufsaktive Warenpräsentation am Point of Purchase, x Abverkaufsbeschleunigung durch preisliche oder andere Aktionen, x Erhöhung der Produkt- und Markenkenntnis beim Verkaufspersonal der Absatzpartner.

Verkaufsförderung bei Handel und Marktmittlern

Zu den Verkaufsförderungsmaßnahmen beim Handel bzw. bei Absatzmittlern (betrieben durch den Hersteller, aber auch durch einen Großhändler bei belieferten Einzelhändlern bzw. Absatzmittlern) zählen beispielsweise: x Aktionen (wie etwa gemeinsam initiierte Preisausschreiben, Probieraktionen in den Verkaufsstätten des Handelspartners), x Bereitstellung von Abverkaufshilfen (beispielsweise Displays, Schütten, Deckenhänger, Regalstopper oder sonstige Zweitplatzierungshilfen), x Regalpflege (z.B. die Regalbestückung, Platzierung der einzelnen Artikel, etwa im Rahmen von vereinbarten Category Management Konzepten) sowie x Schulungsprogramme für die Mitarbeiter des Absatzpartners, um diese dadurch positiv zu beeinflussen und in ihren Verkaufsanstrengungen zu unterstützen. Darüber hinaus erfolgt beispielsweise die Verteilung von Produktproben (etwa von Getränken) als verkaufsfördernde Maßnahme auch außerhalb von Betriebsstätten der belieferten Händler oder Absatzmittler, also direkt am jeweiligen Aufenthaltsort von (privaten) Letztnachfragern. Hierbei ergibt sich jedoch auch eine allerdings nicht unbedingt auszudiskutierende Schnittstelle zur Marktkommunikation: letztendlich ist jede an den Konsumenten gerichtete Kommunikationsmaßnahme etwa eines ausschließlich über die Marktkette absetzenden Herstellers (z.B. ein national betriebenes Preisausschreiben) als Verkaufsförderung der subfinalen Zielgruppe zu interpretieren. Gleichwohl stellt eine solche Maßnahme eine werbliche Kommunikation dar, die zudem – eben auch organisatorisch – nicht mehr in den Verantwortungsbereich der Abschlussfunktion fällt. Somit bedürfen Maßnahmen der Verkaufsförderung einer sorgfältigen Abstimmung mit dem bestehenden Kommunikationskonzept und einer Integration in dasselbe.

Ausführung des Verkaufs

349

3.2 Verkaufssteuerung Wie weiter oben beschrieben, zählt zur Verkaufsdurchführung auch die Verkaufssteuerung als Hauptaufgabe der Verkaufsleitung. Hierbei ergeben sich mit der Führung und der Koordination zwei wesentliche Aufgabenbereiche.

Hauptaufgaben der Verkaufsleitung

Unter Führung lassen sich die notwendigen Steuerungsaktivitäten der Verkaufsleitung zusammenfassen, die zur möglichst „unverfälschten“ Umsetzung der Planungsvorgaben durch die Verkaufsmitarbeiter ergriffen werden. Als Basis dienen entsprechende Anreiz- und Motivationssysteme (vertragliche Vereinbarungen, Entlohnungssysteme). Auf dieser Grundlage muss die Verkaufsleitung die Mitarbeiter in die Lage versetzen, ihre notwendigen Tätigkeiten motiviert durchführen zu können.

Führung

Hierzu dienen vor allem Verkäuferschulungen und die Gestaltung des Informationsflusses (etwa in Form von Argumentationstrainings bzw. Produktschulungen), Verkäuferwettbewerbe (z.B. in Form von saisonalen Wettbewerben) und andere Motivationsmaßnahmen sowie – grundlegend – die Ausstattung mit Sachmitteln (z.B. Sales Folder, Produktproben, sonstige Unterlagen) zur argumentativen Unterstützung des Verkaufsgesprächs beim Kunden. Darüber hinaus obliegt es der Verkaufsleitung, die einzelnen Bereiche der Verkaufsorganisation zu koordinieren. Hier muss zum einen Sorge getragen werden, dass die Verkaufsaktivitäten der jeweiligen Verkaufsorgane (Verkaufsinnendienst, Verkaufsaußendienst, unter Umständen auch Verkaufs- oder Geschäftsleitung sowie jeweilige mediale Komponenten) aufeinander abgestimmt werden. Zum anderen sollte die Verkaufsleitung Sammelstelle für Informationen der Mitarbeiter sein, um diese Informationen im Sinne eines organisationalen Lernens an alle relevanten Mitarbeiter weiterzugeben und somit Lerneffekte und Effizienzsteigerungen für das gesamte Unternehmen zu erzielen. Wichtige Ziele der Verkaufssteuerung werden im Folgenden zusammengefasst:

Koordination

x Verbesserung der Marktkenntnis,

Ziele der Verkaufssteuerung

x Verbesserung der Warenkenntnis, x Verbesserung von Verkaufs- und Argumentationstechniken, x Erhöhung des Einsatzwillens und Stimulierung der Verkaufsanstrengungen, x Verbesserung der Verkaufsproduktivität,

350

Abschluss Marktvertrag x Verringerung der Mitarbeiterfluktuation im Verkauf, x Festigung der Kundenbeziehungen und Neukundengewinnung. Zur Erreichung dieser Ziele spielt neben den entsprechenden Steuerungsaktivitäten der Verkaufsleitung auch die Eigensteuerung der Verkaufsmitarbeiter eine große Rolle. So kann sowohl die gezielte Übertragung von Verantwortung als auch ein leistungs- und motivationsförderndes Entlohnungssystem zu einer Verbesserung der Eigensteuerung führen, indem der Mitarbeiter sein Denken und Handeln aus Sicht des Unternehmens bzw. eines eigenverantwortlichen „Unternehmers“ überprüft und entsprechend anpasst. Die mit der Verkaufssteuerung zwangsläufig eng verbundene Verkaufskontrolle, insbesondere die Kontrolle der Verkaufsmitarbeiter und deren Aktivitäten, ist Gegenstand der nachfolgenden Managementfunktion.

4. Definition der Verkaufskontrolle

Kontrolle des Verkaufs

Die Verkaufskontrolle ist die systematische, kritische und unvoreingenommene Prüfung und Beurteilung der Verkaufstätigkeiten und Verkaufsergebnisse. Sie besteht aus einem Vergleich der Sollvorgaben aus der Planung mit den tatsächlich erreichten Resultaten und stellt den Zielerreichungsgrad der Verkaufsaktivitäten dar. In diesem Zusammenhang liefert das Verkaufsberichtswesen die Grundlage der Kontrollaktivitäten.

4.1 Verkaufsberichtswesen Übermittlung von Markt-, Kunden und Verkaufssystemdaten

Die Erstellung eines Verkaufsberichtswesens dient der Übermittlung von Markt-, Kunden und Verkaufssystemdaten (z.B. ergriffenen Aktivitäten des Verkaufspersonals) und ermöglicht gleichermaßen eine Ergebnis- und eine Prozesskontrolle. Verkaufsberichte können in unterschiedlicher Form vorliegen. Beispielhaft können an dieser Stelle Besuchsberichte, Tagesberichte oder auch Wochenberichte angeführt werden. In jedem dieser Verkaufsberichte werden – bei unterschiedlichem Detaillierungsgrad –

Kontrolle des Verkaufs

351

Informationen zum besuchten Kunden, zu Gesprächsdauer und -inhalt, zu getroffenen Vereinbarungen und abgeschlossenen Verträgen festgehalten. Somit können diese Verkaufsberichte sowohl zur Eigenkontrolle durch das Verkaufspersonal als auch zur Fremdkontrolle durch die Verkaufsleitung herangezogen werden.

4.2 Vertriebsinformationssysteme (VIS) Auf den Informationen aus den Besuchsberichten aufbauend, lassen sich zumeist EDV-gestützte Vertriebsinformationssysteme entwickeln. Dabei werden neben den Informationen aus den Besuchsberichten und Verkaufsstatistiken u.a. Umsätze und Deckungsbeiträge aus der Buchhaltung, allgemeine Daten aus der Kundenkartei, Beschwerdestatistiken, Marktforschungsberichte, Preislisten, Lagerbestandsmeldungen oder auch Protokolle von Verkäuferkonferenzen in einer umfassenden Datenbank integriert. Diese Datenbank dient dann zum einen den Verkaufsmitarbeitern bereits im Vorfeld des Kundenbesuchs zur detaillierten Information über den Kunden. Zum anderen erhält auch die Unternehmens- bzw. Verkaufsleitung tagesaktuelle Informationen über die verschiedenen Kunden, die gerade auch im Zusammenhang mit Angebotsüberarbeitungen von großer Bedeutung sein können. Zur Erstellung einer entsprechenden Datenbank steht heute geeignete Standardsoftware zur Verfügung. Das Einpflegen der tagesaktuellen Daten erfolgt dann beispielsweise per Modem (Stender/The/Rack, 2001, S. 93-98).

Inhalte eines Vertriebsinformationssystems

Um ein funktionierendes und leistungsstarkes VIS zu entwickeln, müssen jedoch verschiedene Anforderungen erfüllt werden. So sollte neben Aussagefähigkeit, Aktualität und Zuverlässigkeit der Daten im VIS auch darauf geachtet werden, dass nur wesentliche Daten in das VIS aufgenommen werden und eine benutzerfreundliche Oberfläche gewählt wird. Darüber hinaus darf bei der Erstellung eines VIS auch der Wirtschaftlichkeitsaspekt nicht vergessen werden: der Nutzen eines VIS muss in Relation zu den durch den Aufbau generierten Kosten stehen. Die nachfolgende Abbildung zeigt einen möglichen Aufbau eines Vertriebsinformationssystems mit den entsprechenden Datengruppen:

Anforderungen an ein VIS

352

Abschluss Marktvertrag

Mögliche Datengruppen in einem VIS x Allgemeine Informationen über den Kunden x Bisherige Bearbeitung des Kunden (Kundenhistorie) x Kundenverhalten x Laufende Geschäfte mit dem Kunden x Geplante Kundenbearbeitung x Planergebnisse x Marktdaten x Marktposition Abb. 112: Mögliche Datengruppen eines Vertriebsinformationssystems

4.3 Ergebnis- und Prozesskontrolle Quantitative vs. qualitative Überprüfung

Unter Ergebniskontrolle wird die Erreichung von quantitativen Zielvorgaben verstanden – die Messung erfolgt anhand von primären Leistungskennziffern wie Umsatz, Ertrag, verursachte Kosten etc. Im Rahmen der Ergebniskontrolle wird also die Leistung des Verkäufers und dementsprechend die Frage „Was wurde erreicht?“ überprüft. Demgegenüber wird im Rahmen der Prozesskontrolle die Arbeitsweise des Verkaufsmitarbeiters, also das „Wie wurde es erreicht?“, kontrolliert. In diesem Zusammenhang wird dann auf entsprechende sekundäre Leistungskennziffern (z.B. Zahl der besuchten Kunden, Länge eines Kundenbesuchs) zurückgegriffen, die nicht unmittelbar mit den Absatzzielen verknüpft sind (vgl. Reuter, 2004). Die Verkaufskontrolle zeigt sich dabei als ein typisches PrinzipalAgenten-Problem, das im Außendienst aufgrund der räumlichen Entfernung eine besondere Charakteristik aufweist. Der Agent (Verkaufsmitarbeiter) kann ein elementares Interesse daran haben, den Informationsstand des Prinzipals auf einem niedrigen Niveau zu halten, um sich und seine spezifischen Marktkenntnisse soweit wie möglich unersetzbar zu machen bzw. auch, um seine reale Arbeit zu erleichtern (z.B. falsche Angaben über tatsächliche Reisezeiten, Besuchsdauer beim Kunden, aber auch die Vernachlässigung von Kontaktdaten etc.). Unterstellt man diese in der Praxis häufig vorzufindende „Verweige-

Kontrolle des Verkaufs rungshaltung“, so hat der Prinzipal für Strukturen zu sorgen, die den Informationsfluss zwischen Verkaufsmitarbeiter und Unternehmensbzw. Verkaufsleitung unterstützen können. Hierbei spielen wiederum materielle bzw. immaterielle Anreize eine Rolle, so dass ein funktionierender Informationsfluss belohnt wird (Prämien). Zum anderen könnten reputationsbildende Maßnahmen – v.a. bezogen auf die Reputation als verantwortungsvoll handelnder Arbeitgeber – das Vertrauen in den Arbeitgeber (Verkaufsleitung) stärken und die eigenverantwortliche sowie ehrliche Mitarbeit des Verkäufers fördern. Gerade vor dem Hintergrund der Notwendigkeit zum Aufbau eines VIS, bei der die Mitwirkung der Verkaufsmitarbeiter von essentieller Bedeutung ist, erscheinen diese reputations- und vertrauensbildenden Maßnahmen dringend angeraten.

353

354

Abschluss Marktvertrag

x Beschreiben Sie den Begriff „Verkauf“ mit eigenen Worten! x Welche Funktionen werden im Rahmen des Absatzabschlusses erfüllt? x Welche wesentlichen Unterschiede bestehen zur werblichen Kommunikation? x Welche Verkaufsformen kennen Sie? x Illustrieren Sie die vorgestellten Vertragsarten mit entsprechenden Beispielen! x Erarbeiten Sie mögliche Einsatzgebiete für den medialen sowie den persönlichen Verkauf! x Beschreiben Sie mit eigenen Worten die Aufgaben, die im Rahmen der Verkaufskonzeption abgearbeitet werden müssen! x Nennen und erläutern Sie die wichtigsten Komponenten eines Entlohnungssystems. Welche Anforderungen müssen Sie beachten? x Empfehlen Sie eine geeignete Vorgehensweise für die Verkaufsbudgetplanung! Gibt es Rahmenbedingungen, die Sie dabei beachten müssen? x Welche Ausprägungen der Verkaufsorganisation gibt es? x Verdeutlichen Sie die Problematik der Zusammenarbeit zwischen Innen- und Außendienst anhand einiger Stereotypen der beteiligten Gruppen! x Erläutern Sie an einem selbstgewählten Beispiel den Unterschied zwischen Prozess- und Ergebniskontrolle!

Case Study „Schauma“

Teil C: Case Study „Schauma“ Verkaufsstrukturen bei Schwarzkopf & Henkel

Die Marke Schauma ist dem Unternehmensbereich „Kosmetik/Körperpflege“ zugeordnet. Dabei wird der Verkauf bei Schwarzkopf & Henkel im Wesentlichen über zwei Vertriebsschienen abgewickelt: x Friseurgeschäfte, x Groß- und Einzelhandel. Als einer der weltweit führenden Kosmetikanbieter gliedert sich der Vertrieb bei Schwarzkopf & Henkel in nationale und internationale Einheiten bzw. in Innen- und Außendienst sowie Supportfunktionen auf. Dabei setzt Schwarzkopf & Henkel auf eine matrixähnliche Struktur aus eigenem Außendienststab und Key Account Management, weil so am besten x eine zieladäquate Distribution geschaffen und erhalten wird, x eine kontinuierliche Imagepflege/Beratung gegenüber den Absatzpartnern durchzuführen ist, x neue Produkte effizient eingeführt werden können, x die Identifikation von Schwarzkopf & Henkel gewährleistet ist x und ein direkter Informationsfluss zwischen Kunden und Unternehmen erhalten bleibt. Um den Einfluss auf allen Vertriebsstufen bis hin zum Letztnachfrager sichern zu können, setzt Schwarzkopf & Henkel auf die Organisationsstruktur des Key Account Managements. Diesem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Marktpotenziale nur durch die spezifische Bearbeitung der Absatzpartner auszuschöpfen sind. Die besondere Behandlung von Key Accounts durch spezielle für diese Kunden verantwortliche Mitarbeiter erkennt dabei gleichzeitig die Notwendigkeit eines eigenen Business-to-Business Marketing im Konsumgüterbereich an. Das Organisationskonzept des Key Account Management wird bis auf wenige Ausnahmen nur auf der Ebene der Entscheidungszentralen der Absatzpartner angewandt. Eine Anwendung bis auf die Outlet-Ebene stößt auf Wirtschaftlichkeitsprobleme und scheidet deswegen im Großen und Ganzen aus. Darüber hinaus weisen die großen Key Accounts zumeist eine verstärkte zentralistische Entscheidungsstruktur auf, so-

355

356

Abschluss Marktvertrag dass selbst von Seiten der Absatzpartner nicht die Notwendigkeit für ein auf Outlet-Ebene betriebenes Key Account Management besteht. Punktuelle Notwendigkeiten werden über regionale Key Account Verantwortlichkeiten einzelner Außendienstmanager abgefangen. Abstimmungsfragen innerhalb des Key Account Management erfordern eine zentral geführte Informationsverteilung und Koordination. Die Vorteile dieses einheitlichen Informationssystems führen bei Schwarzkopf & Henkel zu einer zentralen Lokalisierung des Key Account Management. Dabei kann der Verantwortungsbereich des einzelnen Managers wie folgt umrissen werden: x Umsetzung der vertrieblichen Ziele (bezogen auf die Sortimente in den Handelskanälen); x Umsatz- und Ergebnisverantwortung; x Offenhalten der Vertriebskanäle für die Vermarktungsaktivitäten und Produktmaßnahmen; x Abstimmung der Marketingaktivitäten von Schwarzkopf & Henkel mit den Aktivitäten der Absatzpartner; x Konsequente Umsetzung des Efficient Consumer Response (ECR) zur optimalen Umsatz- und Ergebnissteigerung sowie zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit; x Durchführung von Jahresgesprächen mit Abschlussverantwortung. Insbesondere die Umsetzung von ECR verlangt vom Key Account Management, dass die Analyse von Märkten und die Entwicklung von Konzepten zur Ausschöpfung von Potenzialen in die Planung, Abstimmung und Durchführung von Vermarktungsmaßnahmen mit den Handelspartnern einfließen. Hier koordiniert der Account Manager alle notwendigen Maßnahmen zur Erhöhung des Absatzerfolgs durch ECR im Allgemeinen und Category Management im Besonderen im Hinblick auf die von ihm betreuten Kunden. Das Key-Account-Management wird bei Schwarzkopf & Henkel nach klaren quantitativen und qualitativen Zielsetzungen geführt, wobei sich die quantitativen Ziele in Umsatz- und Distributionsleistungen und die qualitativen Ziele u.a. in der Umsetzung des ECR-Ansatzes widerspiegeln. Die Hauptanforderungen an ein Zielvorgabensystem des Key Account Management sind Einfachheit, Transparenz und Leistungsorientierung. Deswegen dienen u.a. operative Ziele als wesentliche Messkriterien für die Betreuungsleistung des Key Account Management, hierzu zählen beispielsweise:

Case Study „Schauma“ x Marktanteile je Category, x Listungsbreite und -tiefe, x Anzahl an Zweitplatzierungen, x Kommunikative Präsenz im Handel, x Qualität des Regalplatzes. Das Entlohnungssystem basiert im Wesentlichen auf diesen Zielvorgaben. Des Weiteren sind die Leistungsanreize so gesetzt, dass sie im ausreichenden Maße individuelle Leistungen von teamabhängigen differenzieren, ohne jedoch dabei den Teamgedanken zu konterkarieren. Das führt zu einem Mischsystem von fixen und variablen Gehaltsbestandteilen. Der variable Teil ist dabei so gesetzt, dass er auf der einen Seite die Dynamik im Verkauf unterstützt, aber auf der anderen Seite nicht generell zu einer provisionsabhängigen Entlohnung führt. In Zusammenarbeit mit dem Key Account Management greift der Außendienst den ECR-Gedanken bei der einzelnen Outlet-Betreuung auf. Die klassische Aufgabe des Verkaufens, das Regalgeschäft und das Merchandising, gehen aufgrund der Zentralisierung solcher Aufgaben auf die Inlet-Betreuung über. Im Outlet selbst geht es mehr und mehr darum, Controlling und PoS-Marketing zu betreiben. Dabei gilt es, die auf der Inlet-Ebene vereinbarten Konzepte in ihrem Umsetzungsgrad vor Ort zu überprüfen und geeignete Maßnahmen für eine optimale Umsatz- und Ergebniserzielung zu definieren. Das wesentliche Glied in der Umsetzung von Vertriebsstrategien auf der Ebene einzelner Outlets ist bei Schwarzkopf & Henkel der Außendienst. Größe und Struktur der Außendienstorganisation werden den Einflussmöglichkeiten und Marktstrukturen angepasst. Vor diesem Hintergrund lauten die generellen Aufgabenstellungen des Außendienstes: x Zieladäquate Distribution neuer Produkte und Regalplatzsicherung bestehender Produkte, x Ständige Imagepflege gegenüber dem Absatzpartner, x Informationsgewinnung über Markt und Wettbewerb. Aus diesen generellen Aufgaben erwächst eine Vielzahl von Detailaufgaben, wobei diese nicht in allen Fällen vom Außendienst selbst, sondern von sogenannten Funktionsspezialisten erbracht werden. Zu den Detailaufgaben zählen beispielsweise: x Umsetzung der Listung, Distribution und Platzierung aller Produkte, x Aktivierung von Promotions und Zweitplatzierungen,

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Abschluss Marktvertrag x Disposition von Streckenaufträgen und Mengenkontrakten, x Produktberatung, x Steuerung von Merchandising-Agentur-Mitarbeitern, x Einsatzplanung von Verkaufsförderungsmaterial, x Information über Werbeaktivitäten sammeln und weiterleiten, x Informationstransfer zwischen den Absatzpartnern und der Zentrale von Schwarzkopf & Henkel gewährleisten. Dabei wird der Außendienst nach klaren quantitativen und qualitativen Vorgaben entlohnt. Zu den quantitativen Größen gehören beispielsweise: x Umsatzpläne (gesamt), x Umatzpläne nach Produktarten auf Gebietsebene, x Umsatzpläne auf Bezirksebene je Monat, Verkaufsrunde, Halbjahr und Jahr. Unter qualitative Vorgaben fallen beispielsweise: x Regalplatzierungen, x Warenbestand (Vermeidung von Out of Stocks), x Zweitplatzierungen. Die operativen Ziele, die sich z.B. in Standards für Besuche pro Arbeitstag, Erfolgsquoten, Mindestauftragsgrößen niederschlagen, stellen die Messkriterien für die kontinuierliche Beurteilung der Außendienstleistung dar.

Realisierung Realisierung

x Sie entwickeln ein Verständnis für die Bedeutung der Realisierung für die Beziehung zwischen Nachfrager und Anbieter. x Sie kennen die zweidimensionale Sichtweise der Realisierung. x Sie kennen den Ablauf und die Zusammenhänge der wesentlichen Aufgaben in den Unterfunktionen der Realisierung. x Sie können die entscheidende Rolle der Realisierung für die Erzielung von Kundenloyalität nachvollziehen. x Sie sind für die herausragende Bedeutung des Beschwerdemanagements und seiner Instrumente sensibilisiert. x Sie kennen die Kontrollmöglichkeiten in den zwei Dimensionen der Realisierung.

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Realisierung

Teil A: Einordnung und Grundlagen

1.

Bedeutung der Realisierung im Marketingprozess

Sind sich Anbieter und Nachfrager in der Abschlussphase über die Ausgestaltung des Leistungsaustauschs vertraglich einig geworden, so geht es in der den Transaktionsprozess abschließenden vierten Phase um die Realisierung ihres Schuldverhältnisses. In Bezug auf die Inhalte bzw. die Form der Realisierung bedarf es hierzu einer grundlegenden Unterscheidung zwischen tangiblen und intangiblen Versorgungsobjekten. Bei tangiblen Versorgungsobjekten (z.B. bei Waren und Objektsystemen) ist streng genommen zunächst wiederum zwischen solchen zu unterscheiden, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits erstellt sind (z.B. standardisierte Verbrauchs- und Gebrauchsgüter) und solchen, deren Erstellung erst nach Vertragsabschluss erfolgt (z.B. individualisierte Auftragsfertigung in der Investitionsgüterindustrie). Unabhängig vom Zeitpunkt der Fertigung eines tangiblen Versorgungsobjekts ist mit dem Vertragsabschluss i.d.R. auch eine Einigung über die Ausgestaltung der Verfügungsrechte und die Ausgestaltung ihrer Übertragung vom Anbieter auf den Nachfrager zustande gekommen, sodass der „Inhalt“ der Realisierungsphase bei tangiblen Gütern insbesondere aus der physischen Übertragung des Objekts aus dem Verfügungsbereich des Anbieters in den des Nachfragers besteht. In Bezug auf intangible Versorgungsobjekte (z.B. Dienstleistungen) ist festzustellen, dass eine solche physische Übertragung der Leistung aufgrund ihrer konstitutiven Immaterialität nicht erfolgen kann, da zwischen dem Dienstleistungsanbieter und –nachfrager zu keiner Zeit ein Transferobjekt existiert, das vom Anbieter zum Nachfrager wechselt. Die Realisierung von Dienstleistungen besteht folglich aus der Übertragung, Überführung und Konkretisierung der menschlichen oder maschinellen Leistungsfähigkeiten des Anbieters auf den Nachfrager bzw. genauer auf den externen Faktor, wobei Leistungserstellung, -abgabe

Bedeutung der Realisierung im Marketingprozess

363

und -konsumption identisch sind und nach dem uno-actu-Prinzip erfolgen (Meyer/Mattmüller, 1987, S. 187-195). Die Realisierung einer Dienstleistung ist folglich mit ihrer eigentlichen Erbringung gleichzusetzen. Unabhängig von der Art der Versorgungsobjekte kommt der Realisierung in Bezug auf das langfristige und allen Teilfunktionen zugrunde liegende Ziel der Kundenzufriedenheit – als notwendige Bedingung zum Aufbau von Kundenloyalität – eine besondere Bedeutung zu: Obwohl die Zufriedenheit des Kunden bereits durch die Gestaltung der Funktionen im Rahmen der Anbahnung und des Abschlusses beeinflusst wird, kann der Nachfrager die tatsächliche Leistung (bzw. die Erfüllung des Leistungsversprechens) erst nach dem physischen Tausch (bzw. erst nach der Inanspruchnahme der Dienstleistung) – und damit während bzw. nach der Realisierung – beurteilen und den Grad seiner Zufriedenheit durch den Abgleich mit seinen Erwartungen bestimmen. Vor diesem Hintergrund ist die Realisierungsphase ein wichtiger und weitgehend ursächlicher Gestaltungsraum zur Erzielung der Kundenzufriedenheit. Entscheidend ist hierbei, dass sich dieser Beurteilungsprozess des Nachfragers sowohl auf den Zeitpunkt des Tauschs (bzw. auf den Zeitpunkt des Beginns der Leistungserstellung des Dienstleisters) und die zu diesem Zeitpunkt beurteilbaren Parameter als auch auf den Zeitraum während und nach der Nutzung des Objekts (bzw. während oder nach der Erstellung der Dienstleistung) und die in dieser Zeitspanne für ihn relevanten Größen bezieht.

Kundenzufriedenheit bzw. -loyalität als zentrale Zielgrößen

Aufgrund der zahlreichen marketingrelevanten Besonderheiten intangibler Versorgungsobjekte, wie der Dienstleistung, soll auf deren explizite Betrachtung im Folgenden verzichtet und auf die einschlägige Literatur zum Dienstleistungsmarketing bzw. zur Dienstleistungsqualität verwiesen werden (siehe hierzu insbesondere Meyer/Mattmüller, 1987, S. 187 ff.). Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich demnach schwerpunktmäßig auf die Realisierungsphase tangibler Versorgungsobjekte. Nach Abschluss eines Marktvertrags und vor Übergabe der Leistung ist auf eine strenge Unterscheidung zwischen Transport- und Transaktionskosten zu achten. Während Transportkosten als pagatorische Kosten der Leistungsübertragung bezeichnet werden können, stellen Transaktionskosten „Reibungsverluste“ dar, die aufgrund der Koordination anfallen. Transaktionskosten entstehen in der Realisierung zunächst vor allem in Form von Kontrollkosten, die in der Überwachung von Terminen, Qualitäten, Mengen und Preisen des Abgabeprozesses der Leistung begründet liegen. Daneben fallen Transaktionskosten in Form von Anpassungskosten an (etwa im Bereich des Beschwerdemanage-

Transport- vs. Transaktionskosten

364

Realisierung ments). Neben den Transaktionskosten kann ein Anbieter aus dem Realisierungsprozess – vor allem aus der sogenannten Nachkaufkommunikation – auch einen Transaktionsnutzen ziehen, der sich in Erfahrungen und Wissen des Anbieters über den Nachfrager zeigt. Diese gewonnenen Informationen können ihm durch ihre Anwendung im Rahmen nachfolgender Transaktionsprozesse von Nutzen sein.

2.

Die vier Unterfunktionen der Realisierung

Ablauf der Realisierung (Unterfunktionen der Realisierung)

Zunächst hat der Anbieter Voraussetzungen zu schaffen, die ihn in eine Bereitschaft zur Abgabe seiner Leistung versetzen. Auf dieser Basis erfolgen dann sowohl die eigentliche Abgabe der Leistung als auch die Annahme der Gegenleistung und damit der Leistungsaustausch im engeren Sinne. Zur Begleitung des Abnehmers auch während der Nutzung des Tauschobjekts hat der Anbieter zudem Dialogsysteme vorzuhalten, die ihm eine aktive Pflege der entstandenen Beziehung mit dem Nachfrager gestatten. Hierzu ist insbesondere ein proaktives Beschwerdemanagement zu zählen, in dessen Rahmen es gegebenenfalls zu einer Anpassung der bisher erbrachten Leistung kommen kann. Aus dieser Beziehung heraus können dann Folgetransaktionen eingeleitet werden. Die Teilfunktion der Realisierung umfasst damit die folgenden vier Unterfunktionen: x Qualifizierung zur Abgabe der Leistung, x Abgabe und Annahme von Leistung und Gegenleistung, x Begleitung der Leistungsnutzung, x Einleitung der Folgetransaktion.

Zeitpunktbezogene Betrachtung

Im Gegensatz zu herkömmlichen Betrachtungen erfährt die Realisierungsfunktion hier eine wesentliche Erweiterung und Neuorientierung: Die erste und zweite Unterfunktion umfassen insbesondere den Aspekt der Logistik sowie den Aufbau von Potenzialen für die Abgabe der Leistung, die häufig unter dem Begriff des Distributionsmanagements bzw. der physischen Distribution zusammengefasst werden. Diese Funktionen unterliegen eher einer zeitpunktbezogenen Betrachtung, die auf die Übergabe von Leistung und Gegenleistung, also auf die physische Realisierung abstellt. Auch die Lieferung von komplexen Investi-

Ablauf der Realisierung (Unterfunktionen der Realisierung)

365

tionsgütern kann in diesem Sinne als auf einen Zeitpunkt bezogen interpretiert werden. Wie schon im einleitenden Abschnitt dieses Buches dargestellt wurde, sind die für eine Transaktion zwingend notwendigen Aufgaben mit dem Abschluss der zweiten Teilfunktion eigentlich erfüllt. In der dritten und vierten Unterfunktion wird dagegen eine Zeitraumbetrachtung gewählt, deren Inhalte zum einen die Begleitung des Nachfragers durch den Anbieter über die gesamte Nutzungsdauer (bzw. den Erstellungsprozess einer Dienstleistung) und zum anderen die aktive Einleitung einer neuen Transaktion umfassen. Diese beiden Aufgaben wurden bisher nur selten im Zusammenhang mit der Realisierung betrachtet, sind jedoch für den Anschluss von Folgetransaktionen und für eine langfristige Beziehung essenziell. Die durchgängige Begleitung des Nachfragers nach dem Austausch der Leistungen – wo dieses möglich und sinnvoll ist – erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Folgekaufs: zum einen hat der Nachfrager die Möglichkeit, sich an den Anbieter zu wenden, um weitere Informationen zu erhalten oder sich bei Problemen zu beschweren. Zum anderen kann eine Anpassung des Versorgungsobjekts bzw. der erbrachten Leistung erfolgen. Außerdem kann der Anbieter durch eine von ihm ausgehende Nachkaufkommunikation seine Wertschätzung gegenüber dem Nachfrager deutlich herausstellen.

Zeitraumbezogene Betrachtung

Die einzelnen Unterfunktionen werden nachfolgend näher charakterisiert.

2.1 Qualifizierung zur Abgabe der Leistung Den Ausgangspunkt der Realisierung stellt die Qualifizierung zur Abgabe einer Leistung dar. Grundlage hierfür sind zum einen der Aufbau und die Bereitstellung von Potenzialen, die dem Anbieter den Austausch der Versorgungsobjekte und die Erledigung der dabei anfallenden Aufgaben ermöglichen. Hierzu sind entsprechende Ressourcen, wie Lagerkapazitäten und -bestände, Transportstrukturen und -kapazitäten, Produktionsstrukturen und auch Humankapazitäten bereitzuhalten. Zum anderen geht es um die Steuerung des mit diesem Austausch verbundenen Informationsflusses. Erforderlich sind leistungsfähige Informationssysteme, die die in der Abschlussphase anfallenden Daten erfassen, verdichten und an die jeweils betroffenen Stellen, wie z.B. das Lagerwesen, die Produktion oder das Transportmanagement, weiterleiten.

Aufbau und Bereitstellung von Potenzialen zur Realisierung

366

Realisierung

2.2 Abgabe und Annahme von Leistung und Gegenleistung Physischer Tausch von Versorgungsobjekten

In der Unterfunktion der Abgabe der Leistung und der Annahme der Gegenleistung erfolgt nun der physische Tausch des Versorgungsobjekts. Wichtige Entscheidungsbereiche bei der Abgabe der Leistung sind die Verpackung bzw. Umverpackung der Versorgungsobjekte sowie der Transport des Versorgungsobjekts vom Anbieter zum Nachfrager. Ist die Leistung vom Anbieter auf den Nachfrager übergegangen, sind für den Abschluss der Transaktion die Anforderung und die Annahme der Gegenleistung notwendig. Allgemein formuliert geht es dabei um alle Maßnahmen eines Anbieters, die es dem Nachfrager ermöglichen, seine Gegenleistung – unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Möglichkeiten, diese zu erbringen – in den Verfügungsbereich des Anbieters zu übertragen. Als zentrale Entscheidungsund Aufgabenbereiche sind hier die Rechnungsstellung und die Fakturierung sowie das Zahlungsmanagement zu nennen.

Zeitlicher Ablauf

Die Abgabe der Leistung und die Anforderung und Annahme der Gegenleistung erfolgen in der Regel in dieser Reihenfolge oder zeitgleich. Es ist jedoch auch möglich, dass die Gegenleistung, die entweder in Form von Geld oder aber durch Naturaltausch erfolgt, vor der Abgabe der Leistung zu erbringen ist. Als Beispiel sind hier insbesondere Dienstleistungen und umfangreiche Investitionsgüter zu nennen, bei denen der Nachfrager im vorhinein die noch zu erbringenden Leistungen entweder teilweise, im Sinne einer Anzahlung, oder vollständig bezahlt. Im Falle eines zeitlichen Auseinanderfallens zwischen dem Vertragsabschluss und der Abgabe der Leistung sollte der Anbieter vor dem Hintergrund der angestrebten Kundenzufriedenheit zudem eine aktive Betreuung des Nachfragers gewährleisten, um eine Ausgleichswirkung zu der verlängerten Realisierungszeit zu schaffen.

Ablauf der Realisierung (Unterfunktionen der Realisierung) Besteht zwischen dem Signal der Bereitschaft zur Abgabe einer Leistung seitens des Anbieters und dem Erhalt der Leistung auf Nachfragerseite ein zeitlicher Verzug, so kann die wahrgenommene Qualität des Abgabeprozesses aus Sicht des Kunden sinken. Ein klassisches Beispiel ist der Autokauf. Die Lieferzeit von Kraftfahrzeugen beträgt manchmal bis zu einem halben Jahr. Nach Vertragsabschluß kann der Kunde über den Kauf nachdenken und kognitive Dissonanzen aufbauen (siehe Abschnitt „Marktkommunikation“, Kap. B 2.5.1.2). Bereits vor Auslieferung des Wagens sollte dem Kunden eine emotionale Beziehung zu seinem neuen Auto vermittelt werden. Ein Hersteller muss diesen Prozess unter der Integration aller Beteiligten planen und implementieren. Händler und Produktion sind informatorisch zu verbinden, so dass der Kunde jederzeit den Status seines Auftrags erfragen kann bzw. der Händler die Auslieferung rechtzeitig und in passendem Rahmen (evtl. mit Foto des Wagens in der Bauphase) dem Kunden ankündigen kann. Neueste Entwicklungen lassen sogar eine kontinuierliche Beobachtung des Erstellungsprozesses via Internet zu. Nach Fertigstellung kann vom Hersteller aus eine Abholung des Wagens angeboten werden, in deren Rahmen nicht nur die Überführungskosten gespart werden können, sondern auch eine Präsentation des Unternehmens oder eine Werksführung stattfinden kann. Das Involvement des Kunden im Abgabeprozess wird gesteigert – kognitive Dissonanzen werden in der Regel abgebaut. Die Übergabe eines Autos stellt für die Händler einen Routinevorgang dar. Für eine große Anzahl von Kunden bedeutet die Übergabe des Wagens jedoch die Erfüllung eines lange gehegten Wunsches. Die damit verbundenen hohen Erwartungen an den Moment der Übergabe können bei Nicht-Erfüllung die Zufriedenheit des Kunden stark beeinträchtigen.

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Realisierung

2.3 Begleitung der Leistungsnutzung Informationsgenerierung zum Zweck der Kundenloyalisierung

Eventuelle Anpassung der Leistung

Wie an anderer Stelle bereits mehrfach betont wurde, reicht die alleinige Abgabe der vertraglichen Leistung für den Aufbau einer langfristigen Beziehung zum Nachfrager in der Regel nicht aus. Vielmehr sollte der Anbieter den Nachfrager auch während der Nutzung des Versorgungsobjekts aktiv begleiten. So kommt dem Anbieter auch in dieser Phase des Prozesses die Aufgabe zu, auf aktive Weise Informationen über den Nachfrager und dessen Leistungsnutzung zu generieren (z.B. durch ein proaktives Beschwerdemanagement, das dem Nachfrager eine Rückkopplung mit dem Anbieter ermöglicht). Diese vom Anbieter initiierte aktive Informationsaufnahme ist von entscheidender Bedeutung für die Einleitung einer Folgetransaktion. Während der Anbieter vor der Abgabe der Leistung einen höheren Informationsstand in Bezug auf das Versorgungsobjekt hatte, wendet sich dieses Informationsverhältnis im Rahmen der Nutzung häufig zu Gunsten des Nachfragers. Treten während der Nutzung Probleme auf oder ist der Kunde mit der Leistung des Versorgungsobjekts unzufrieden, kann der Anbieter seine Leistung nur bei Kenntnis dieser Probleme und Schwachstellen anpassen. Neben der Begleitung des Kunden durch eine proaktive Informationsgenerierung ist die Anpassung der Leistung folglich als weiterer Aufgabenbereich in dieser Unterfunktion zu nennen. Die Anpassung kann dabei zum einen durch das Angebot ergänzender Informationen in Bezug auf die Nutzung des Versorgungsobjekts erfolgen oder aber zum anderen durch die Behebung von Mängeln, etwa durch den Service-Außendienst.

2.4 Einleitung der Folgetransaktion Brückenschlag zur Folgetransaktion

Die vierte und letzte Unterfunktion zielt darauf ab, den endgültigen Brückenschlag zur Folgetransaktion herzustellen. Im Unterschied zur dritten Unterfunktion ist nun nicht mehr eine Anpassung der Leistung das Ziel des Anbieters, sondern der Absatz eines weiteren Versorgungsobjekts.

Verbindung mit der Marktforschung

Zu den hierbei anfallenden Aufgaben zählt insbesondere die Gestaltung der Informationsflüsse, die die während des Transaktionsprozesses anfallenden kundenspezifischen Daten sammeln und für die Folgetransaktion aufbereiten. Dabei gilt es, die Daten so zu strukturieren, dass eine erneute zielgerichtete (individuelle) Angebotserstellung, kommunikati-

Ablauf der Realisierung (Unterfunktionen der Realisierung) ve Ansprache, der Abschluss und die Realisierung ermöglicht werden. Um die Folgetransaktion insgesamt zu beschleunigen, sollten diese Daten auch direkt an die jeweils betroffenen Stellen weitergeleitet werden. Der Übergang zum Aufgabenbereich der Marktforschung ist an dieser Stelle fließend.

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370

Realisierung

Teil B: Management der Realisierung Umsetzung anhand der Managementfunktionen

Nach der Einordnung und Charakterisierung der Unterfunktionen der Realisierung erfolgt nun, wie schon bei den anderen Teilfunktionen, eine Umsetzung anhand der bekannten Managementfunktionen Konzeption, Planung, Ausführung und Kontrolle. Wie bei der Differenzierung der Unterfunktionen bereits deutlich wurde, können in der Realisierungsphase unter zeitlichem Aspekt zwei Dimensionen (Zeitpunkt versus Zeitraum) unterschieden werden. Die inhaltliche Ausgestaltung der Managementfunktionen orientiert sich daher im Folgenden an dieser Zweiteilung.

1.

Konzeption der Realisierung

Die Managementaufgabe der Konzeption steht für die Festlegung von Zielen und deren Motivation. Letztere leitet sich bei der Realisierung aus der bereits erwähnten Tatsache ab, dass erst durch die Realisierung der angestrebte Tausch vollzogen und somit auch die Basis für eine angestrebte längerfristige Beziehung mit dem Nachfrager gelegt wird. Zielformulierung

Die Realisierungsziele leiten sich aus den Zielen der Einzelwirtschaft bzw. den Marketingzielen ab. Gleichzeitig müssen bei der Gestaltung der Teilfunktion Realisierung die Interdependenzen zu allen anderen Teilfunktionen sowie insbesondere auch zu den Programmvorgaben des Absatzmarktprogramms berücksichtigt werden.

Übergang zu einer Geschäftsbeziehung

Vor diesem Hintergrund gilt es in der Realisierung, den Übergang von einer einmaligen Transaktion zu einer langanhaltenden Geschäftsbeziehung zu gestalten. Eine Folgetransaktion ist allerdings nur möglich, wenn die Realisierungsaufgaben zur Zufriedenheit der Nachfrager erfüllt werden. Die Kundenzufriedenheit wiederum wird maßgeblich durch den direkten Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager in der Realisierungsphase determiniert. Die Schaffung von Kundenzufriedenheit kann somit als Generalziel der Realisierung betrachtet werden.

Konzeption der Realisierung

371

1.1 Zeitpunkt- und zeitraumorientierte Dimension der Realisierung und abgeleitete Ziele Schwerpunkt der zeitpunktbezogenen Betrachtung der Realisierung stellt der physische Transfer der Versorgungsobjekte, also die Warenlogistik dar. Maßgebliches Ziel der Warenlogistik ist die Sicherstellung der Versorgungskette: Die Warenlogistik hat dafür zu sorgen, dass das richtige Versorgungsobjekt (was), in der richtigen Menge (wieviel), zur richtigen Zeit (wann), am richtigen Ort (wo), im richtigen Zustand (wie), bei adäquaten Kosten bereitgestellt wird.

Ziel der Logistik

Diese Definition der Zielsetzungen der Warenlogistik verbindet dabei zwei oftmals gegenläufige Gestaltungsgrößen, nämlich zum einen die Realisierungsqualität, die sich aus den Leistungen hinsichtlich Versorgungsobjekt, Zeit, Menge und Ort zusammensetzt und zum anderen die Realisierungskosten. Kein Warenlogistiksystem kann jedoch die Realisierungsqualität maximieren bei gleichzeitiger Minimierung der Realisierungskosten. Eine maximale Realisierungsqualität erfordert in der Regel große Lagerbestände, schnelle und teure Transportmittel und ein weitläufiges Netz von Lagerstandorten, was in der Konsequenz zu höheren Kosten führt. Minimale Realisierungskosten dagegen werden durch preiswerte Transporte, niedrige Lagerbestände und ein beschränktes Netz von Lagerstandorten erreicht (Kotler/Bliemel, 1999, S. 914).

Realisierungsqualität und Realisierungskosten

Für die zweite zeitliche Realisierungsdimension, die den gesamten Zeitraum nach dem physischen Transfer des Versorgungsobjekts betrachtet, kann ausgehend von dem eingangs definierten Generalziel der Kundenzufriedenheit das Ziel einer optimalen Nachkaufbetreuung durch ein umfassendes Informationsmanagement und durch eine eventuelle Anpassung der abgegebenen Leistung abgeleitet werden. Allgemein kann formuliert werden: Das Ziel der zweiten Dimension der Realisierung ist die aktive Generierung und Aufnahme von Informationen durch den Anbieter bei adäquaten Kosten sowie die zeitnahe, zuverlässige und kompetente Lösung der Probleme des Nachfragers, die während und nach der Nutzung eines Versorgungsobjekts auftreten.

Ziel der optimalen Nachkaufbetreuung

Analog zur ersten Dimension der Realisierung treten auch bei der Zielformulierung der zweiten Dimension zwangsläufige Konflikte zwischen der Realisierungsqualität und den Realisierungskosten auf. Ein hochqualifizierter Berater in der Nachkaufbetreuung, der über verschiedene Kanäle wie E-Mail, Telefon und Postweg erreichbar ist und der zudem

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Realisierung sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag verfügbar ist, verursacht höhere Kosten als eine einfache Beschwerdestelle, die Anfragen nur mit großem Zeitverzug schriftlich beantwortet. Die bisher noch allgemein gehaltenen Generalziele beider Dimensionen sind im Folgenden einer umsetzungsorientierten Operationalisierung zu unterziehen.

1.2 Operationalisierung der Realisierungsziele Der Begriff der Realisierungsqualität

An betriebswirtschaftliche Zielformulierungen werden bekanntlich drei grundsätzliche Anforderungen gestellt: Erstens muss ein Ziel operational, d.h. möglichst quantitativ bestimmbar sein. Zweitens besteht die Forderung nach Eindeutigkeit (d.h. eine unmittelbare Beziehung zwischen den Variablen muss erkennbar und nachvollziehbar sein) und schließlich müssen die Ziele kompatibel sein. Die Forderung nach einem „hohen“ Niveau an Realisierungsqualität genügt diesen Anforderungen nur unzureichend und muss daher für die spätere Planungsphase weiter präzisiert werden. Um den Begriff der Realisierungsqualität zu konkretisieren, werden operationalisierbare Größen wie Realisierungszeit, Realisierungsbereitschaft und Realisierungsflexibilität herangezogen. a) Realisierungszeit:

Realisierungszeit

Die Realisierungszeit beschreibt jene Zeitspanne, die – bezogen auf die erste Dimension der Realisierung – zwischen der Auftragserteilung und dem Übergang der Versorgungsobjekte in den Verfügungsbereich des Nachfragers (bzw. bis zur Erstellung der Dienstleistung) verstreicht. In der zweiten Realisierungsdimension bezieht sich die Realisierungszeit auf die Zeitspanne zwischen Informationsanfragen bzw. dem Eingang von Serviceaufträgen und deren Bearbeitung. Eine bedeutende Komponente der Realisierungszeit ist zudem die Schnelligkeit, mit der die von den Nachfragern aufgezeigten Schwachpunkte im Transaktionsprozess bzw. beim einzelnen Versorgungsobjekt behoben werden. Empirische Untersuchungen zu diesem Thema haben gezeigt, dass Nachfrager, deren Beschwerden schnell bearbeitet wurden – auch wenn die Beschwerdeursachen nicht sofort behoben werden konnten – deutlich zufriedener waren, als Nachfrager, deren Beschwerden nur langsam verfolgt und behoben wurden.

Konzeption der Realisierung

373

Kurze Realisierungszeiten bieten sowohl im Investitionsgüter- als auch im Konsumgüterbereich einen zentralen Ansatzpunkt zum Aufbau von komparativen Konkurrenzvorteilen gegenüber den Wettbewerbern. Insbesondere auf Märkten mit zunehmend homogenen Angeboten spielen Leistungen, die über die eigentliche Produktleistung hinausgehen (wie z.B. eine kurze Realisierungszeit), häufig die entscheidende Rolle bei der Präferenzbildung des Kunden und damit bei seiner Kaufentscheidung.

Kurze Realisierungszeiten als präferenzbildende Maßnahme

Für die Formulierung von Realisierungszeitvorgaben gibt es insbesondere drei Möglichkeiten:

Realisierungszeitvorgaben

x Selektiv festgelegte Realisierungszeiten für einzelne Versorgungsobjekte, Versorgungsobjektgruppen oder Nachfragergruppen, d.h. es werden beispielsweise A-Kunden innerhalb von zwei Tagen beliefert, während bei B-Kunden eine Realisierungszeit von vier Tagen nicht überschritten werden sollte; x Auf Prozentzahlen der Nachfrager bezogene Vorgaben, d.h. es wird eine Realisierungszeit von beispielsweise drei Tagen für 50% aller Kunden und eine Realisierungszeit von fünf Tagen für 80% aller Kunden angestrebt; x Die Orientierung der Realisierungszeit an den Erwartungen der Kunden, d.h. insbesondere eine Orientierung an den branchenüblichen Zeiten, da diese das Erwartungsniveau des Nachfragers maßgeblich beeinflussen. b) Realisierungsbereitschaft Eng mit der Realisierungszeit ist die Realisierungsbereitschaft verknüpft. Nur wenn die Bereitschaft bzw. Fähigkeit zur sofortigen Realisierung besteht, kann den Anforderungen der Nachfrager nach einer zeitnahen und schnellen Erfüllung ihrer Bedürfnisse bzw. Behebung ihrer Probleme entsprochen werden. Eine hohe Realisierungsbereitschaft wirkt sich somit unmittelbar auf die Realisierungszeit aus und ist die notwendige – wenn auch nicht hinreichende – Bedingung für kurze Realisierungszeiten. Die Realisierungsbereitschaft unterliegt somit einer potenzialbezogenen Betrachtungsweise, die, je nach Realisierungsphase, unterschiedliche Gestaltungsgrößen und damit Ansatzpunkte bietet. In der ersten Dimension der Realisierung, die den physischen Tausch von Leistung und Gegenleistung beinhaltet, ist die Realisierungsbereitschaft im Wesentlichen als Lieferbereitschaft zu interpretieren. Im industriellen Bereich hat eine hohe Realisierungsbereitschaft beispielsweise weitreichende Auswirkungen auf die Kapazitätsplanung und die Lagerhaltung. Für einen Anbieter von Dienstleistungen bedingt eine

Realisierungsbereitschaft

Zeitnahe Befriedigung der Kundenbedürfnisse

374

Realisierung hohe Realisierungsbereitschaft die Notwendigkeit, ausreichend interne Faktoren für eine termingerechte Leistungserstellung bereitzuhalten (Potenzialqualität). In der zweiten Dimension der Realisierung, die im Wesentlichen durch einen Dienstleistungscharakter geprägt ist, ist die Realisierungsbereitschaft ebenfalls als die Bereitstellung eines hohen Leistungspotenzials technischer und humaner Faktoren zu verstehen.

Determinanten der Realisierungsbereitschaft

Die Realisierungsbereitschaft – auch als Realisierungszuverlässigkeit bezeichnet – wird in der Regel als prozentuale Kennzahl formuliert. Sie gibt vor, wieviel Prozent der Aufträge bzw. Anfragen innerhalb der zugesagten Realisierungszeit erfüllt werden. Wichtige Determinanten der Höhe der Realisierungsbereitschaft sind: x Substituierbarkeit der Versorgungsobjekte, x Technisch-physikalische oder modische Eigenschaften der Versorgungsobjekte, x Produktlebenszyklus, x Marktkonstellation, x Kundenstruktur. c) Realisierungsflexibilität

Realisierungsflexibilität

Die Realisierungsflexibilität ist die Maßzahl für die Fähigkeit eines Anbieters, auf die realisierungsspezifischen Anforderungen eines Nachfragers eingehen zu können. Für die erste Dimension der Realisierung bedeutet dies beispielsweise, dass der Anbieter in der Lage ist, Aufträge auf den unterschiedlichsten Wegen entgegenzunehmen und den anschließenden Tausch von Leistung und Gegenleistung entsprechend der Bedürfnisse des Nachfragers flexibel zu gestalten (z.B. durch den Einsatz unterschiedlicher Zahlungssysteme, Logistiksysteme bis hin zu beschafferkompatiblen Verpackungseinheiten und Materialien). Für die zweite Dimension kann der Begriff der Realisierungsflexibilität mit einer hohen Offenheit gegenüber dem Nachfrager gleichgesetzt werden, die sich zum einen in den unterschiedlichsten Kontakt- und Responsemöglichkeiten und zum anderen in einem hohen Aktivitätsgrad des Anbieters ausdrückt. Als Maßstäbe können hier unter anderem die Kontakthäufigkeiten nach dem Kauf, die Anzahl der umgesetzten Verbesserungen im Transaktionsprozess oder auch die Anzahl der umgesetzten Verbesserungen des Versorgungsobjekts genannt werden, die auf Anregungen der Nachfrager beruhen. Darüber hinaus zeugt auch die Möglichkeit, Serviceleistungen individuell den jeweiligen Kundenbedürfnissen anzupassen, von einer hohen Realisierungsflexibilität.

Konzeption der Realisierung Es wurde bereits mehrfach auf das Dilemma zwischen einer hohen Realisierungsqualität und den damit verbundenen Realisierungskosten hingewiesen. In bisherigen Darstellungen zu diesem Thema wurde insbesondere auf die Kosten der Warenlogistik eingegangen, die sowohl gesamtwirtschaftlich als auch aus einzelwirtschaftlicher Perspektive einen beachtlichen Block darstellen. Eine genaue Ermittlung der Logistikkosten gestaltet sich schwierig, da die Definition von Logistikosten unternehmens-, branchen- und länderspezifisch stark variiert, was z.B. auf die Verwendung unterschiedlicher Kostenrechnungssysteme zur Bestimmung der Kosten zurückgeführt werden kann. Eine 1999 veröffentlichte Studie, die Unternehmen in Europa, den USA und Asien vergleicht, beziffert die Logistikkosten auf 4-13% des unternehmerischen Umsatzes. Gesamtwirtschaftlich belaufen sich die Logistikkosten genannter Länder auf 18-52% des Bruttosozialprodukts (Pfohl, 2004, S. 51-57; Mayer, 1999, S. 8).

375 Durchschnittliche Realisierungskosten

Die Realisierungskosten sind jedoch nicht nur ein bedeutender Kostenblock, sondern zudem auch eine wichtige strategische Gestaltungsvariable, die die Konkurrenzfähigkeit in hart umkämpften Märkten entscheidend determiniert. Die Kosten der Warenlogistik setzen sich dabei im Wesentlichen aus den Transportkosten und den Lagerkosten zusammen (Kotler/Bliemel, 1999, S. 916; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 2002, S. 507). Neben diesen reinen Logistikkosten spielen die in der zweiten Dimension anfallenden Kosten der Kundenbetreuung eine zunehmend bedeutendere Rolle. Problematisch ist hier jedoch, dass diese Kostenblöcke nur schwer dem einzelnen Versorgungsobjekt zugeordnet werden können. Neben den genannten pagatorischen Kosten sind zudem Transaktionskosten bei der Zielformulierung und der späteren Planung zu beachten, die als erlittene Nachteile oder betriebene Aufwendungen in Form von Zeit und Mühe zu interpretieren sind. Transaktionskosten fallen in beiden Dimensionen der Realisierung in Form von Kontroll- und Anpassungskosten an. Unter den Kontrollkosten werden sämtliche Kosten für die Überwachung von Terminen, Qualitäten, Mengen und Preisen verstanden. Unter den Anpassungskosten werden analog die Kosten der Durchsetzung von vereinbarten Terminen, Qualitäten, Mengen und Preisen verstanden.

Kontroll- und Anpassungskosten

In der Realisierung lassen sich nun zwischen der Realisierungsqualität (die sich über die Realisierungsbereitschaft, die Realisierungsflexibilität und die Realisierungszeit bestimmt) und den Realisierungskosten folgende „klassische“ Zielrelationen festhalten:

Zielrelationen

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Realisierung x Mit gegebenen Realisierungskosten soll eine maximale Realisierungsqualität erreicht werden; x Eine bestimmte Realisierungsqualität ist mit minimalen Realisierungskosten zu verwirklichen.

Determinanten der Zielrelation

Welche der Zielrelationen von einer Einzelwirtschaft verfolgt werden können, ist in der Regel von den Usancen der jeweiligen Branche abhängig. Wichtige Einflussfaktoren dieser branchenspezifischen Gewohnheiten sind versorgungsobjekt-, produktlebenszyklus- und kundenspezifische Charakteristika bzw. Anforderungen sowie gesetzliche Bestimmungen und Verordnungen. Dies soll im Folgenden anhand einiger Beispiele erläutert werden. Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen besteht für Apotheken beispielsweise die Pflicht, ein genau definiertes Programm an Arzneimitteln permanent verfügbar zu haben, was einer hohen Realisierungsqualität entspricht. In der Konsequenz führt dies natürlich auch in den vorgelagerten Stufen des Absatzkanals, so etwa beim Pharmagroßhandel, zu bestimmten Anforderungen an Lagerhaltung und Transportzeiten und beeinflusst in erheblichem Maße die Realisierungskosten. Letztere müssen vor dem Hintergrund der wichtigen Realisierungsqualität (Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Medikamenten) jedoch in Kauf genommen werden. Ähnliche Anforderungen an die Realisierungsqualität ergeben sich etwa auch in der Konsumgüterindustrie – hier jedoch nicht aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, sondern nachfrageinduziert: So hat Procter & Gamble festgestellt, dass rund 22% der Letztnachfrager von Babywindeln zu einer anderen Marke greifen, wenn die gewünschte Variante nicht im Regal des Handels zu finden ist und 46% in ein anderes Geschäft wechseln, um das gesuchte Produkt zu finden. Beide Szenarien sind weder für den Hersteller noch für den Handel wünschenswert, da durch den Marken- oder Einkaufsstättenwechsel grundsätzlich die Gefahr besteht, einen Kunden auch langfristig zu verlieren. Auch hier sind die Realisierungskosten zunächst nur zweitrangig. Allerdings setzen insbesondere Konzepte wie ECR an dieser Stelle mit dem Ziel an, die Realisierungskosten sukzessive zu reduzieren, ohne jedoch eine einmal erreichte Realisierungsqualität aufzugeben. Anders stellt sich die Situation bei vielen Dienstleistungsangeboten dar, bei denen der Nachfrager über die Realisierungskosten die Realisierungsqualität bestimmt. Beispielhaft kann der Bereich der Expresszu-

Planung der Realisierung

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stellung genannt werden. Hier entscheidet der Nachfrager, wieviel er für die Zustellung von Objekten ausgeben möchte (Realisierungskosten) und determiniert damit die Realisierungsqualität.

2.

Planung der Realisierung

Im Zusammenhang mit der Planung der Realisierung wird erneut auf die in der Realisierungskonzeption vorgenommene inhaltliche Unterscheidung der Dimensionen zurückgegriffen. Während im Rahmen der Entwicklung des Marketing der erste Bereich – also die Abgabe und Annahme von Leistung und Gegenleistung – immer schon eine Rolle gespielt hat (siehe auch bereits die frühe Distributionsorientierung), stellt der Teil des After-Sales-Marketing und insbesondere die Nachkaufkommunikation ein vergleichbar neues und trotz seiner großen Relevanz bisher noch keineswegs ausgereiftes Feld dar.

2.1

Planung der Distributionsleistung

2.1.1

Komponenten und Aufgabenbereiche

Distribution und Nachkaufbetreuung

Die strategische Entscheidung über die Absatzwegewahl wurde bereits im Rahmen der Marktprogrammerstellung, genauer im Zusammenhang mit der Zielgruppendefinition, getroffen (siehe Abschnitt „Strategisches Marketing“, Kap. B 3). Im Mittelpunkt der Planung der Distributionsleistung steht daher nun die konkrete Ausgestaltung der innerhalb der entsprechenden Absatzwege anfallenden Aufgaben, die der Umsetzung des gegenseitigen Leistungsaustauschs dienen. Hierbei sind physische, wertmäßige und integrierte informatorische Prozesse betroffen.

Planungsinhalte

Dabei wird die Gestaltung der Distribution maßgeblich aus Sicht des Herstellers betrachtet, wobei natürlich auch die Entscheider der Handelsstufen innerhalb der Marktkette eigene Entscheidungen zur Produkt-Distribution zu treffen haben.

Sichtweise des Herstellers

378 Aufgabenbereiche des Distributionsmanagement

Realisierung Nach Specht umfasst der Aufgabenbereich der Distributions- oder Marketinglogistik die folgenden Aktivitäten (Specht, 1998, S. 72): x Gestaltung von Lagern, x Lagerumschlag (Strukturierung), x Verpackung, x Auftragsabwicklung, x Transport.

Determinanten der Realisierungsbereitschaft

Als kritischer Faktor innerhalb eines logistischen Systems und somit auch des Problembereichs Realisierungsplanung ist zunächst das Bestandsmanagement zu nennen. Als wesentliche Bestimmungsgröße für die Realisierungsbereitschaft dient dieser Aufgabenbereich der Überbrückung zeitlicher und quantitativer Spannungen. Dabei entstehen nicht unerhebliche Kosten der Lagerhaltung, Bestellkosten und Out-ofstock-Kosten, die wesentliche Entscheidungsfaktoren der Lagerbestandshaltung darstellen (siehe nachfolgende Abbildung).

• Lagerwarenwert • Lagerunterhaltungskosten • Abrechnungsmethode • Lieferzyklus • Zahlungsmethode

•Zahl der Bestellungen •Bestellmengen •Distributionskosten pro Bestellung •Rüstkosten der Produktion

Lagerhaltungskosten

Bestellkosten

Out-of-stock-Kosten •Sicherheitsbestand •Zahl der Bestellzyklen pro Jahr/ Bestellzeitpunkte •DB bei mehrverkaufter Einheit •Kosten durch Wartezeit •Verfügbarkeit von Substituten •Schwankung des Nachfrageniveau

Abb. 113: Entscheidungsfaktoren im Lagerbestandsmanagement (Meffert, 1998, S. 648) Transportkosten

Daneben stehen als zweiter großer Kostenblock die Transportkosten. Der Transport als logistische Aufgabe befasst sich mit allen betriebsfremden und betriebseigenen Transporteinrichtungen. In der Realisierungsplanung ist zu untersuchen, welches Transportmittel bzw. welcher Transportweg die Realisierungsziele am besten zu erfüllen verspricht.

Planung der Realisierung

379

Neben den klassischen Transportmitteln PKW/LKW, Bahn, Schiff und Flugzeug gewinnen Leitungsnetze (Kabel, Satelliten) zunehmend an Bedeutung. Folgende Abbildung zeigt die wesentlichen Einflussgrößen bei der Auswahl der Transportmittel auf:

Nachfragerspezifische Einflussgrößen

Produktspezifische Einflussgrößen

Transportmittelspezifische Einflussgrößen

• Lagerstandorte • Absatzstandorte • Anforderungen an die Belieferung • Bestellmengen • ...

• Gewicht • Volumen • Wert • Verderblichkeit • Technische Eignung • ...

• Transportzeit • Transportkosten • Zuverlässigkeit • Flexibilität • Häufigkeit und Regelmäßigkeit • ...

Transportmittel LKW, Bahn, Schiff, Flugzeug, Leistungsnetze

Abb. 114: Einflussgrößen auf die Transportmittelwahl Bei der Planung der Prozesse in diesem sensiblen Bereich – der Anbieter kommt spätestens durch die Transportfunktion mit dem Nachfrager in physischer oder informatorischer Form in Kontakt – müssen die obigen Determinanten nicht nur unter dem Ziel des rein physischen Absatzes, sondern auch mit Blick auf ihre Auswirkungen auf den Nachfrager analysiert werden. Beispielhaft für den Einfluss von Kundenwünschen auf Distributionssysteme ist der prägende Einfluss umweltbewusster Konsumenten. Unter Berücksichtigung ökologischer Anforderungen bzw. Bedürfnisse von Letztnachfragern soll im Folgenden modellhaft auf die Planungsdeterminanten für Logistiksysteme aus Anbietersicht eingegangen werden.

Einfluss von Kundenwünschen

Bei der Gestaltung einer ökologieorientierten Distribution muss dem Warenfluss und den damit verbundenen Aufgaben eine zentrale Bedeutung beigemessen werden. Entlang der Marktkette ist dabei zwischen dem Weg der Ware vom Hersteller über den Handel zum Konsumenten und dem „Rückweg“ (Redistribution), z.B. von Verpackungen, Altwaren etc., zu unterscheiden. Dieser logistischen Komponente der Distributionsgestaltung kommt unter ökologischen Gesichtspunkten eine vielfache Bedeutung zu: für den ökologiebewussten Konsumenten wird im Rahmen der logistischen Prozesse die ökologische Orientierung ei-

Ökologieorientierte Distribution

380

Realisierung nes Unternehmens „greifbar“. Der Nachfrager kann eine propagierte umweltbewusste Grundeinstellung eines Herstellers nun konkret auf den Prüfstand stellen. Die Verpackung eines Produkts oder auch die ihm hierfür angebotenen Möglichkeiten zur Rückgabe bzw. Entsorgung kann er selbst beurteilen. Damit werden ökologieorientierte Verantwortung und entsprechend ausgerichtetes Handeln von Unternehmen – die im Rahmen von aus Kundensicht intern ablaufenden und nicht beurteilbaren Prozessen (wie Beschaffung und Produktion) letztendlich Vertrauensgüter darstellen – zu nachvollziehbaren Erfahrungsgütern.

Ansätze für Wettbewerbsvorsprünge

Gleichzeitig kann der Hersteller gerade auch mittels logistischer Aufgaben die Möglichkeit nutzen, Wettbewerbsvorsprünge zu erringen, indem Vorteile für den Konsumenten generiert werden. Abhol- oder Sammelsysteme für Verpackungen oder nicht mehr nutzbare Produkte entsprechen nicht nur den Wünschen ohnehin ökologiebewusster Konsumenten. Mit dem Angebot einer „Problemlösung“ im Bereich Entsorgung und der damit verbundenen Servicekomponente kommen sie vielmehr auch allen anderen Nachfragern entgegen. Sie bilden somit gleichzeitig unabhängig von diesen unterschiedlichen Motiven einen Beitrag zu Ökologisierung der Gesamtdistributionskette.

Redistributionssysteme

Insbesondere Redistributionssysteme als geschlossene Kreisläufe, mit ihrer Verzahnung der absatzgerichteten Distribution und ihres gegenläufigen Stroms, bieten wesentliche Ansatzpunkte zur ökologischen, aber auch ökonomischen Optimierung des Gesamtsystems.

Zielorientierte Verbesserung vorhandener Transportsysteme

Eine nachvollziehbar hohe Hebelwirkung auf die Erreichung ökologieorientierter Zielsetzungen wird dabei über den physischen Transport der Güter erreicht. Neben Verbesserungen innerhalb vorhandener Transportsysteme, wie etwa der Erneuerung der LKW-Flotte und den Versuchen einer ökologisch ausgerichteten Substitution der einzelnen Verkehrsträger („Schiene statt Straße“), stehen Maßnahmen zur Veränderung der Transportlogistik als solcher. Zur Verkehrsvermeidung sind beispielsweise Möglichkeiten einer verstärkten Dezentralisierung von Produktion oder Lagerhaltung und damit eine Bevorzugung konsumnaher räumlicher Strukturen zu nutzen. Hierzu gehören auch die Versuche einer stärkeren Einbeziehung regionaler Produkte in das Sortiment von Handelsunternehmen, wie es aus verschiedenen Gründen (Stichwort: Tiertransporte) etwa im Bereich von tierischen Lebensmitteln angeraten ist. Eine wesentliche Rolle spielen Ansätze zur Verkehrsbündelung, die auf eine effizientere Auslastung der vorhandenen Transportkapazitäten, insbesondere im Straßenverkehr, abzielen. Als konkrete Maßnahme wäre beispielsweise die Bündelung der Auftragsmengen des Handels bei seinen Herstellern und eine entsprechende Zusammenfassung zu größeren Transporteinheiten zu nennen. Im Zusam-

Planung der Realisierung

381

menhang mit diesen Bemühungen stehen auch Versuche zur Reduzierung von Verpackung bzw. Umverpackung: notwendige Primärverpackungen sollten möglichst ohne weitere Umverpackung bzw. nur mit minimaler zusätzlicher Transportverpackung versand- und für die spätere Präsentation im Outlet bereits regal- oder displayfähig sein. Durch modulare und aufeinander abgestimmte Gestaltung der (Transport-) Verpackungen sind die oben bereits erhobenen Forderungen nach übergreifenden Transporteinheiten weiter zu unterstützen, damit – wiederum aus ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten gleichermaßen sinnvoll – möglichst wenig „Luft“ transportiert wird. Die Entscheidungen über die Ausgestaltung eines Belieferungssystems bedingen einander. Die Planung der einzelnen Bestandteile der Logistikkette sollte folglich integriert erfolgen. Um die Verluste an den Schnittstellen des Systems möglichst gering zu halten wurde bereits in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Konzept des SupplyChain-Managements (SCM) entwickelt. SCM bedeutet das Management der Versorgungskette und beinhaltet ein koordiniertes Zusammenwirken von Zulieferern, Produzenten und Handel in der Warenlogistik.

SupplyChainManagement

Die Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie haben eine Reihe von Optimierungspotenzialen innerhalb der Versorgungskette ermöglicht. Der Letztnachfrager kann nun individuell in das SCM einbezogen werden. So wird z.B. das Konzept des sog. „Mass customization“ durch die Verlagerung der Bestellung vor die Phase der Produktion ermöglicht. Im Vergleich zu herkömmlichen Prozessen der Auftragsfertigung wird durch die Möglichkeiten des Ecommerce eine hohe Zeitersparnis erreicht. Im Rahmen der Marktprogrammerstellung eröffnen sich durch die zunehmende Flexibilität der Lieferkette größere Handlungsspielräume bei der Objektgestaltung (siehe Abschnitt „Strategisches Marketing“, Kap. B 2).

Optimierungspotenziale in der Versorgungskette

382

Realisierung Moment der Bedarfsentstehung

Auswahl Internet

Produktion Kundenspezifischer Auftrag

Anlieferung

24 h Lieferservice StrukturellerZeitgewinn

Zeit

Tradtitionelle Lieferbeziehungen

Neue Systeme

Abb. 115: Zeitgewinn als Wettbewerbsvorteil – Effektives SupplyChain Management (Mayer, 1999, S. 7) Viele Hersteller bieten Ihren Kunden mittlerweile individualisierte Produkte an. Beispiele dafür finden sich in den unterschiedlichsten Branchen: So bieten Sportartikelhersteller ihren Kunden mittlerweile eine individuelle Anfertigung eines Sportschuhs auf der Basis einer scannerbasierten Vermessung des Fußes. Kosmetikartikelhersteller bieten ihren Kunden individualisierte Pflegeserien an. Dabei entwickelt der Hersteller auch eigene Mischungen (z.B. einer Hautpflegecreme), die auf den Hauttyp und die Empfindsamkeit der Kunden abgestimmt sind. Parfumeure kreieren individuelle Duftkreationen, die auf die Persönlichkeit des Kunden zugeschnitten werden und auf der Auswertung eines Fragebogens basieren, in dem der Kunde Auskunft über sich und seine Persönlichkeit gibt. Solche Anbieter passen ihre Leistungen also an die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden an, die bis zur Gestaltung personalisierter Verpackungen reicht. Im Idealfall hält der Kunde „seinem“ Produkt dauerhaft die Treue.

Planung der Realisierung

2.1.2

Efficient Replenishment als ausgewählter Planungsbereich

Im klassischen Handelsbereich haben die Entwicklungen des SCM zu einer zunehmenden Kooperation der Handelsunternehmen mit den Herstellern geführt. Wie bereits bei der Darstellung des ECR-Konzepts (siehe Abschnitt „Strategisches Marketing“, Kap. B 3.1 sowie grundlegend Mattmüller/Tunder, 2004, Teil II, Kap. 2.2) erläutert, ist die Integration der Versorgungskette zwischen Hersteller und Handel eine Grundvoraussetzung zur Erzielung von Synergien.

Die Verfügbarkeit des Produkts am Point of Sale ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für jede Marke. Viele Kunden möchten bei ihrem Einkauf gerne komplementäre Produkte (z.B. Shampoo, Conditioner, Haargel) derselben Marke erwerben. Fehlt nun aber beispielsweise in einer Haarpflegeserie einer Marke „lediglich“ der Conditioner, so wird dem Kunden auf Nachfragen diese Lücke häufig mit „Lieferschwierigkeiten“ erklärt („bekommen wir kommende Woche wieder rein“). Der Kunde kann nun verschiedene Reaktionen zeigen: er greift zum Rest der Serie und wechselt die Einkaufsstätte, um den Conditioner zu bekommen. Von diesem Verhalten gehen sehr viele Hersteller aus, da sie die Markentreue der Kunden überschätzen. Ebenso kann er die Erwartungen des Handels erfüllen und den Conditioner bei seinem nächsten Besuch der Einkaufsstätte mitnehmen. Das setzt neben der Marken- auch eine besondere Einkaufsstättentreue voraus. Der Kunde kann jedoch auch z.B. durch Variety Seeking zu einer komplett anderen Marke für die gesamte Haarpflege-Serie greifen. Für den Hersteller könnte dies möglicherweise das Ende der Kundenbeziehung bedeuten. In den jeweiligen Fällen entstehen durch eine Schlechtleistung in der Supply-Chain auf Kundenseite hohe Transaktionskosten in Form von Informations- und Suchkosten; noch schwerwiegender ist jedoch der Verlust an Image oder Ansehen, den Hersteller- wie auch Handelsunternehmen dadurch erfahren. Hierbei ist es im Rahmen der Kundenbeziehung und aus Sicht des Kunden irrelevant, welcher Teil in der Marktkette sich für den Missstand verantwortlich zeichnet. Innerhalb von ECR ist die Standardisierung und Überbrückung der Schnittstellen im Logistik-Bereich unter dem Begriff Efficient Replenishment (ER) zusammengefasst.

383

384 Efficient Replenishment

Realisierung Efficient Replenishment zielt darauf ab, die traditionelle Trennung der sogenannten Primärlogistik (zwischen Hersteller und Handelslager) von der Sekundärlogistik (zwischen Handelslager und Handelsfiliale) aufzuheben (Mattmüller/Tunder 2004, Teil II, Kap. 2.2). Innerhalb dieser Marktkette sind Hersteller und Handel in der Ausgestaltung des Warenflusses bzw. des Distributionssystems gleichermaßen aufgefordert, eine den Bedürfnissen der letzten Nachfrager entsprechende Logistik zu bieten. Die Ziele des Efficient Replenishment umfassen dabei im Wesentlichen folgende Punkte: x Vermeidung von Über- oder Unterbevorratung, x Maximale Ausnutzung der Transportkapazitäten, x Reduzierung der Aufwendungen für die operative Logistik.

Abgestimmte Prozesse des ER

Efficient Replenishment soll dafür Sorge tragen, dass sich die beteiligten Marktpartner an der tatsächlichen bzw. prognostizierten Nachfrage der Konsumenten orientieren. Das herkömmliche Belieferungssystem (das einzelne Handelsunternehmen bestimmt seinen Bedarf und ordert) wird durch einen abgestimmten Prozess ersetzt, bei dem sich im Idealfall der Hersteller selbst für die Bestellungen verantwortlich zeichnet. Demnach steht die Erreichung einer optimalen Balance zwischen operativen Kosten und Lagerkosten einerseits sowie der angestrebten Service- und Dienstleistungsqualität andererseits im Zentrum der Betrachtung.

Datenabgleich als Basistechnologie von ER

Um ein ER-Verfahren zu implementieren, müssen die Marktteilnehmer DV-technisch eng miteinander verknüpft sein. Kernpunkt bei der Disposition durch den Hersteller selbst ist die Verfügbarkeit von Informationen über seine eigenen Produktions- und Lagermengen und von zeitgenauen Daten über die Abverkaufsmengen in den einzelnen Outlets der Handelspartner. Ein wesentlicher Grundgedanke von ER ist dabei der permanente Abgleich dieser Daten. Damit können durch verschiedene DV-gestützte Optimierungsverfahren gleichzeitig Lagerhaltung, Belieferung und Produktion aufeinander abgestimmt werden. ER bzw. der rechnergestützte Datenaustausch als wesentliche Komponente läuft dabei schematisch nach den im Folgenden näher beschriebenen Stufen ab (Strüber, 1998, S. 59 ff.).

Electronic Data Interchange (EDI)

1. Senden der Lagerdaten Das Handelsunternehmen sendet seine Lagerbestandsdaten eines jeden Lagers per Electronic Data Interchange (EDI) an einen Zentralrechner. Diese Daten umfassen Lager- und Bestellbestand sowie Warenabgang und gegebenenfalls die Fehlmenge.

Planung der Realisierung

385

EDI hat sich mittlerweile von einem durch bestimmte Ereignisse ausgelösten Datentransferprozess (der Meldebestand wurde erreicht und ein Mitarbeiter des Handels gab eine digitale Bestellung auf) zu einer Technik entwickelt, die web-basiert einen ständigen Datenabgleich durch eine vollständige Integration aller relevanten Daten zwischen dem Handelsbetrieb und dem Herstellerunternehmen ermöglicht. Diese Digitalisierung der Kommunikationsprozesse führt zu einer Reihe von Vorteilen, wie etwa zu einem schnellen und exakten Informationstransfer und somit zu sinkenden Kosten im Logistikbereich.

Digitalisierung der Kommunikationsprozesse

Wie die Ausführungen verdeutlichen, liegt die Grundvoraussetzung eines Efficient Replenishment in der informatorischen Verknüpfung verschiedener logistischer Subsysteme auf intraorganisatorischer (innerhalb des Handelsunternehmens) und interorganisatorischer Ebene (zwischen Handelunternehmen und Herstellern). Ein Hindernis bei der Einführung eines flächendeckenden EDI-Systems ist dabei nach wie vor der fehlende Grad der Standardisierung im technologischen Bereich. Die einzelnen Informationssysteme der Beteiligten sind zudem historisch gewachsen und weisen meist eine engere Verknüpfung mit den Funktionsbereichen des eigenen Unternehmens auf (wie z.B. Kostenrechnung, Buchhaltung oder Produktion) als zu den Systemen der Partnerunternehmen (Pfohl, 2004, S. 93-97).

Fehlende Technologiestandards

Eine Überwindung dieser „Insellösungen“ durch Harmonisierung der EDI-Schnittstellen bedarf hoher Investitionen auf Herstellerseite. Ob kleinere und mittlere Unternehmen diese Investitionen tätigen können, hängt stark von den Margen ab, die unter Berücksichtigung der Marktmacht des Handels eine solche Investition oftmals nicht zulassen. Aus diesem Grund werden herkömmliche und EDI-basierte Bestellmethoden nach wie vor parallel genutzt. 2. Prüfen der Lagerdaten Nach der Datenübermittlung prüft der Disponent, der idealerweise auf Herstellerseite sitzen sollte, die eingehenden Daten auf Plausibilität. Große Abweichungen, hohe Fehl- oder Lagerbestände müssen gesondert bestätigt werden. Daraufhin ruft der Disponent die neuen Daten ab und aktualisiert seinen spezifischen Lagerbestand. Der Hersteller hat lediglich Zugang zu Daten seiner eigenen angebotenen Versorgungsobjekte. Als vertrauensbildende Institution ist der Rechnerbetreiber oder ER-Leiter hierbei im Normalfall ein in der eigentlichen Marktkette unbeteiligter Dritter. 3. Absatzprognose Unter Mithilfe verschiedener statistisch-mathematischer Methoden (wie z.B. die der exponentiellen Glättung oder diverser Regressionsanalysen) versucht der Disponent, unter Berücksichtigung versorgungsobjektspe-

Plausibilität der Daten

386

Realisierung zifischer Charakteristika eine Absatzprognose über einen bestimmten Zeitraum im System festzulegen. Sonderaktionen werden beispielsweise unter Berücksichtigung aller gewonnen Daten aus der Geschäftsbeziehung geplant.

Optimale Liefermenge

Systeminterne Ermittlung der Bestellmengen

Normierte Bestellnummern

4. Bestell- und Beladungsrechnung Auf Basis verschiedener Stellgrößen wie „Bestellpunkt” und „aktueller Lagerbestand” wird die optimale Liefermenge für jedes Outlet bestimmt. Das System ermittelt Liefermengen, die gebräuchlichen Versandeinheiten wie z.B. Paletten oder vollen LKW-Ladungen entsprechen. Somit wird die Kapazität der Transportfahrzeuge berücksichtigt. In den Datenfluss wird das Speditionsunternehmen integriert, das so seine Flottenplanung besser organisieren kann. Auch die Reihenfolge der Beladung wird festgelegt, nachdem das System bzw. der Spediteur eine StandardRoutenplanung fixiert hat. Bei entsprechender Größe des Spediteurs laufen die Bestellungen vieler verschiedener Lieferanten zusammen. Mit einer Standardisierung dieser Beladungsrechnung lassen sich große Effizienzpotenziale bei der Belieferung des Handels realisieren. Unternehmen wie die IFCO Systems N.V. bieten in Kooperation mit dem Handel ein Pfandsystem für standardisierte Transporteinheiten an. Mittels eines Microchips wird jede Liefereinheit definiert. Alle Marktbeteiligten können innerhalb des Systems jede Ware lokalisieren. Doppelbestellungen dringend erwarteter Ware werden so vermieden. 5. Zuordnung der Bestellnummer Bestellnummern wurden bisher vom Handel vergeben. Das Problem auf Herstellerseite bestand dabei in der Integration der Bestellnummern verschiedener Händler in das eigene System. Oftmals wurde diese Schnittstelle durch eine Neuerfassung des Auftrags auf Kundenseite überwunden, was zu entsprechenden Kosten führte. Innerhalb des ERSystems werden nun normierte Bestellnummern vergeben. Der Handel kann diese Nummern genehmigen oder im Konfliktfalle sperren und die Disposition wieder selbst übernehmen. 6. Absenden des fertigen Auftrags Das System archiviert die fertiggestellte Disposition und sendet sie mit den genauen Lieferdaten an das Handelsunternehmen und an die Auftragsbearbeitung des Lieferanten, der sodann die Abwicklung in die Wege leitet.

Hygienefaktor Verfügbarkeit

Die erfolgreiche Implementierung eines ER-Systems ermöglicht eine bessere Verfügbarkeit der Versorgungsobjekte in den Outlets, die bei der Entwicklung bzw. Aufrechterhaltung einer Kundenbeziehung einen wichtigen Hygienefaktor darstellt (vgl. auch den Short Case auf S. 383).

Planung der Realisierung

387

So konnten verschiedene Hersteller in unterschiedlichen Märkten nach erfolgreicher Einführung eines ER-Systems einen signifikanten Absatzanstieg feststellen, der auf eine bessere Verfügbarkeit der Versorgungsobjekte in den Outlets zurückgeführt werden kann. Zur Planung der Distributionsleistung gehört auch die Anforderung der Gegenleistung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Fehlverhalten in dieser Phase zu einem Ausbleiben von Folgetransaktionen führen kann, obwohl die eigentliche „Kernleistung“ des Produkts oder der Dienstleistung den Kunden bereits zufriedengestellt hat. So mag ein Kunde seine Beziehung zum Anbieter allein dadurch beenden, dass letzterer eine Bezahlung mit bestimmten Zahlungsmitteln verweigert (z.B. Kreditkarten). Ein anderes Beispiel zeigt, dass ein Anbieter das gesamte im Vermarktungsprozess vermittelte Vertrauen im Moment der Fakturierung zerstören kann: So hat ein großer deutscher Autokonzern noch Anfang der neunziger Jahre intransparente Rechnungen an die Kunden gegeben. Der zu zahlende Gesamtbetrag war ersichtlich, jedoch wurde die Zusammensetzung der einzelnen Posten mit internen Verrechnungsnummern des Herstellers codiert. Im Ergebnis entstanden dem Kunden Transaktionskosten in Form von Zeit und Mühe, um die Rechnung zu prüfen und die Bestellung mit der erhaltenen Rechnung abzugleichen. Ein gut abgestimmter und geplanter Prozess innerhalb dieser Unterfunktion führt von einer Kundenbetreuung im Abgabeprozess zu einer Leistungsbegleitung in der Nutzungsphase. Der Kunde gewinnt im Umgang mit den Versorgungsobjekten Erfahrung und Wissen und baut damit Informationsunsicherheiten bezüglich eines möglichen Folgekaufs ab.

2.2

Planung des Informationsmanagement

Die nachfolgenden Ausführungen zur Planung des Informationsmanagements beziehen sich ausschließlich auf die Nachkaufphase, die maßgeblich durch die dritte und teilweise durch die vierte Unterfunktion abgebildet wird (zeitraumorientierte Realisierungsdimension).

Gestaltung der Fakturierung

388

Realisierung

2.2.1 Informationsdefizit in der Nachkaufphase

Dialogsysteme

Komponenten und Aufgabenbereiche

Die Relation von erhaltener zu erwarteter Leistung in der Wahrnehmung des Kunden determiniert dessen Verhalten (siehe Abschnitt „Charakterisierung des Marketing“, Kap. B 2.4.2). Wahrnehmung und eventuelle Reaktionen des Nachfragers bleiben dem Anbieter dabei häufig unbekannt – für letzteren besteht also in der Nachkaufphase ein Informationsdefizit, das es im Sinne der anzustrebenden Beziehung aufzulösen gilt. Nach der Erfassung der beim Kunden erzielten (Un-)Zufriedenheit (über entsprechende Aktivitäten der Marktforschung, wie etwa Befragungen der Kunden) sind daher Dialogsysteme aufzubauen, die aus Sicht unzufriedener Kunden als proaktives Beschwerdemanagement zu verstehen sind. Ein systematisches und kontinuierliches Beschwerdemanagement bietet neben der Indikatorfunktion für die Zufriedenheit auch eine Option, bereits begangene Fehler zu revidieren. Auf die Gestaltung des Beschwerdemanagements wird weiter unten eingegangen. In einem vorgelagerten Schritt ist zunächst auf die Differenzierung des Begriffs Kundendialog einzugehen.

Etablierung des Kundendialogs

Da die Etablierung eines Dialogs mit jedem einzelnen Kunden (wie es z.B. bei Anbietern von Großanlagen geradezu konstitutiv ist) nicht unbedingt für jedes Unternehmen als ökonomisch sinnvoll erscheint (z.B. bei Anbietern von fast-moving consumer goods), gilt es herauszufinden, in welcher Form nach erfolgter Abgabe der Leistung und erbrachter Gegenleistung der Kontakt gehalten werden kann. Hierzu werden Kunden nach der Variable „Zufriedenheit” geclustert.

Kundenclub

Auch zufriedene Kunden müssen durch den Einsatz spezifischer Dialogmethoden am Unternehmen bzw. an Marken gehalten werden, um somit die vorhandene Zufriedenheit auch wirklich als Basis für Folgetransaktionen nutzen zu können. Bekannte Maßnahmen wie etwa Kundenclubs oder vergleichbare Aktionen können die Zufriedenheit in eine langfristig positive Einstellung transferieren.

Planung der Realisierung

389

Der Automobilhersteller Porsche bietet sämtlichen Kunden eine Mitgliedschaft in einem Kundenclub an. Dieser exklusive Kreis der Porsche-Club-Mitglieder erhält Einladungen zu Fahrertrainings oder anderen Motorsportveranstaltungen. Auf Diskussionsforen kann der Anbieter erfahren, mit welchen Problemen seine Kunden umgehen müssen. Porsche stellt somit eine Beschwerdeplattform zur Verfügung. Der Verkauf lukrativer Merchandising-Produkte ist dabei ein spezifisches Nebenprodukt, das nur bei einer wesentlichen Identifikation des Kunden mit der Marke Porsche zustande kommt. Weltweit gibt es über 120.000 Mitglieder, die in ca. 360 regionalen Porsche-Clubs organisiert sind. Auch klassische Dienstleister nutzen den Weg des Nachkaufmarketing zur Kundenloyalisierung. So versenden Friseure z.B. Shampoo-Proben an ihre Kundschaft und unterbreiten gleichzeitig einen Terminvorschlag für den nächsten Friseur-Besuch. Durch eine Datenbank sind dabei die bisherigen Präferenzen des Kunden bezüglich Tageszeiten und Aufenthaltsdauer berücksichtigt. In der Terminplanung des Friseurs wird der angebotene Termin dann für mehrere Tage freigehalten. Bei der Planung dieser Dialoge sind den Ausführungen im Abschnitt „Marktkommunikation“, Kap. B 2.5.1.2 folgend, Reaktanzen durch unpassende oder zu häufige Kontakte zu vermeiden.

2.2.2

Proaktives Beschwerdemanagement als ausgewählter Planungsbereich

Die Etablierung eines Dialogs mit unzufriedenen Kunden führt über die Entwicklung eines proaktiven Beschwerdemanagements. Beschwerden sind intentionale Unzufriedenheitsäußerungen externer Anspruchspersonen oder -gruppen bezüglich irgendeines Aspekts unternehmerischen Verhaltens, die sowohl gegenüber dem Unternehmen selbst als auch gegenüber Drittinstitutionen vorgebracht werden (Stauss/Seidel, 1996, S. 27).

Proaktives Beschwerdemanagement

390

Realisierung „Eines der sichersten Zeichen für eine schlechte oder sich verschlechternde Beziehung zum Kunden ist das Fehlen von Beschwerden. Niemand ist immer vollkommen zufrieden, besonders aber nicht über einen längeren Zeitraum. Der Kunde ist dabei entweder nicht aufrichtig oder aber er wurde überhaupt nicht nach seiner Meinung gefragt.“ (Th. Levitt)

Interne und externe Gestaltungsdimension

Das Beschwerdemanagement setzt sich aus einer internen und einer externen Gestaltungsdimension zusammen. Die extern gerichteten Planungsbereiche beschäftigen sich mit der Bereitstellung diverser Beschwerdewege. Innerhalb des Unternehmens ist die Etablierung von Prozessen zu planen, die eine passende und zeitnahe Reaktion des Beschwerdeempfängers gewährleisten.

Idealtypische Beschwerdebearbeitung

Ein idealtypischer Beschwerdebearbeitungsprozess unter Berücksichtigung der potenziellen Beschwerdewege wurde von Stauss/Seidel entwickelt (siehe Abbildung 117). Die Planung des Beschwerdemanagements konzentriert sich dabei im Wesentlichen auf die unternehmensinternen Entscheidungen über Beschwerdewege sowie über die Phasen einer Beschwerde, auf die der Anbieter direkten Einfluss ausübt (in der Realisierungsausführung wird detaillierter auf die Phasen der Beschwerdestimulierung, -annahme und -bearbeitung eingegangen, siehe Kap. 3).

Reklamationen vs. Beschwerden

Engpassfaktoren im Bereich des Beschwerdemanagements sind die Anzahl und die Qualität der eingehenden Beschwerden. Im Unterschied zu Reklamationen betrifft die Beschwerde nicht zwingend einen rechtlichen Anspruch des Kunden auf eine Anpassung der Leistung.

Abwicklungsqualität einer Beschwerde

Für einen Anbieter bietet das Beschwerdemanagement eines der effektivsten Instrumentarien, um unzufriedene Kunden nicht zu verlieren und darüber hinaus sogar für Folgetransaktionen zu gewinnen. Die Abwicklungsqualität einer Beschwerde (aus der Sicht des Beschwerdeführers) hat einen hohen Einfluss auf die Loyalisierung des – ursprünglich unzufriedenen – Kunden. Abbildung 118 verdeutlicht diesen Zusammenhang zwischen Beschwerdebearbeitung und Kundentreue.

Planung der Realisierung

391

Leicht zugängliche Beschwerdewege

Beschwerdeartikulation im Erstkontakt

Beschwerdeannahme Erfassung der Bschw.-Information

Eingangsbestätigung

Bearbeitungsstufe 1

Zwischenbescheide

Bearbeitungsstufe 2

Beschwerdebearbeitung und reaktion

Folgekontakte in der Problemsituation

Beschwerdeartikulation

Beschwerdebereitschaft

Nachfragen Antworten auf Nachfragen

Beschwerdeannahme

„Warten auf Problemlösung“

Phasen aus Unternehmensperspektive Bschw.Stimulierung

Problemauftritt

Phasen aus Kundenperspektive

Bearbeitungsstufe 3

Problemlösung/ Antwortbrief

Abb. 116: Der direkte Beschwerdemanagementprozess (Stauss/Seidel, 1998, S. 67)

100%

95%

kleines Problem

82%

Wiederkaufrate

80%

großes Problem

70%

60%

54% 46% 37%

40% 19%

20%

9%

0%

schnell und zufriedenstellend

zufriedenstellend

nicht zufriedenstellend Beschwerdebearbeitung

keine Beschwerden

Abb. 117: Beschwerdebearbeitung und Kundentreue (National Consumer Survey) Um den Kunden effektive Beschwerdewege bereitstellen zu können, ist für die nötige Infrastruktur eines Beschwerdemanagementprozesses zu sorgen. Je nach Standardisierungsgrad und technischem Anspruch des Versorgungsobjekts muss das Unternehmen verschiedene Beschwerdewege zur Verfügung stellen.

392 Infrastruktur des Beschwerdemanagementprozesses

Realisierung Beschwerdewege lassen sich analog zu den bereits im Rahmen der Marktforschung beschriebenen Befragungsarten systematisieren. Am weitesten verbreitet ist der direkte, mündliche Beschwerdeweg. Insbesondere bei Dienstleistungen hat der Kunde die Möglichkeit, während oder sofort nach der Leistungserstellung seine Unzufriedenheit zu äußern. Größere Anbieter wie die Deutsche Bahn oder große Warenhäuser haben als Beschwerde- bzw. Informationsstellen Service Points eingerichtet, deren Ziele in der Umwandlung unmittelbarer Unzufriedenheit der Kunden in Beschwerdezufriedenheit liegen.

Mündliche Beschwerden

Eine zusätzliche Möglichkeit der Institutionalisierung der mündlichen Beschwerdeführung ist die aktive Generierung von Informationen durch Nachfragen beim Kunden. Die Frage nach der Zufriedenstellung der Kunden in direkter Folge einer Transaktion dient demnach nicht nur der Vermeidung kognitiver Dissonanzen, sondern auch der Generierung wichtiger Informationen. Hierbei kommt es erheblich auf die Sensibilisierung der Mitarbeiter an. Allerdings fühlen sich nach empirischen Studien lediglich 30% der Mitarbeiter in deutschen Unternehmen auf den Umgang mit Kundenbeschwerden ausreichend vorbereitet.

Schriftliche Beschwerden

Schriftliche Beschwerden eröffnen dem Unternehmen bereits bei der Erstellung von Fragebögen die Möglichkeit, gezielte Strukturen zur Weiterverarbeitung im indirekten Beschwerdemanagementprozess zu entwickeln. So sind etwa „Meinungskarten“, oftmals mit Gewinnspielen gekoppelt, ein weit verbreitetes Instrument der standardisierten Kundenkommunikation. Der Vorteil dieser Art der Befragung liegt u.a. in der Auswertung via Scannererfassung. Nachteilig ist die strukturelle Vorgabe durch den Fragebogen. Hier wird häufig lediglich nach Problemen geforscht, von denen das Unternehmen annimmt, es seien potenzielle Beschwerdegründe. Eine weitere Variation der Erfassung von Beschwerden liegt im Einsatz moderner Kommunikationsmittel. So können dem Kunden entweder via Internet Eingabemasken zur Verfügung gestellt werden oder TouchScreens ermöglichen dem Kunden die Beschwerde direkt am Ort der Leistungserfüllung.

Planung der Realisierung

393

Freecall 0800 00800

kostenlos

Service 0180 01801 01802 01803 01804 01805

0,046 € (9-18 Uhr) pro Minute 0,025 € (18-9 Uhr) pro Minute 0,06 € pro Anruf 0,09 € pro Minute 0,24 € pro Anruf 0,12 € pro Minute

Service 0900 09001 09003

Frei tarifierbar, Preis laut Ansage

09005 09009

Frei tarifierbar, Preis laut Dialerinformation

T-VoteCall 01371 01375

0,12 € pro Anruf

01372 01373 01374

0,12 € für die ersten 30 Sek. danach 0,06 € je 30 Sek.

01376

0,24 € pro Anruf

01377

0,98 € pro Anruf

01378

0,49 € pro Anruf

01379 Abb. 118: Ausgewählte Sonderrufnummern, Tarife vom Festnetzanschluss der Deutschen Telekom (http://www.teltarif.de/i/sonderrufnummern.html;Abrufdatum: 11.07.2006) Der dritte Weg, Beschwerden entgegenzunehmen, entspricht der direkt mittelbaren Kommunikation, zu der sich Service-Nummern anbieten. Während in den USA nahezu jedes Unternehmen über eine kostenfreie

Medialer Beschwerdeweg

394

Realisierung 1-800-Nummer verfügt, werden in Deutschland nach wie vor nur in den seltensten Fällen wirklich gebührenfreie 0800 oder 00800Servicenummern zur Verfügung gestellt. Wie die Abb. 119 verdeutlicht, weisen die Sonderruf- bzw. Servicenummern in Deutschland aufgrund ihrer Anzahl und Tarifdifferenzierung nach wie vor eine große Intransparenz auf. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Kunde gebührenpflichtige Nummern immer noch eher als Barrieren, denn als Stimuli wahrnimmt.

Interne Weiterverarbeitung von Beschwerden

Nach der Erfassung von Beschwerden ist deren interne Weiterverarbeitung notwendig. Nutzt das Unternehmen aktiv die durch Beschwerden oder Anregungen generierten Informationen, so können in einem internen Beschwerdemanagementprozess die endogenen Abläufe im Unternehmen verbessert werden, wodurch eine Problemeliminierung bei Folgetransaktionen erreicht werden kann. Diese Verbesserungsvorschläge, die von außen an ein Unternehmen herangetragen werden, betreffen auch die anderen marketingrelevanten Prozesse, so dass alle mit Marketing-Aufgaben betrauten Bereiche im Unternehmen in besonderem Maße reibungslose Verbindungen zum Beschwerdemanagement aufbauen sollten.

3.

Zeitpunktbezogene Umsetzung der Planungsvorgaben

Stimulierung und Annahme von Beschwerden

Ausführung der Realisierung

Aufgrund des bereits beschriebenen Charakters der ersten beiden Unterfunktionen der Realisierung ist unter deren Ausführung die zeitpunktbezogene Umsetzung der Planungsvorgaben zu verstehen. Die Notwendigkeit zur Effizienz innerhalb dieser Prozesse lässt den Ausführenden (Spediteur, Disponent etc.) wenig Spielraum zur Gestaltung situativ bedingter Prozesselemente. Im Rahmen der zeitraumbezogenen Aufgaben der Realisierung ist den verantwortlichen Personen oder Institutionen hingegen kein enges Handlungskorsett vorgeschrieben. Während sich die Planung beim Beschwerdemanagementprozess insbesondere mit der Definition einzelner Phasen und der Bereitstellung einer Beschwerdeinfrastruktur beschäftigt, liegen die Hauptaufgaben der operativen Ausführung zum einen in der Stimulierung und Annahme von Beschwerden sowie zum anderen in der Gestaltung möglicher Beschwerdereaktionen.

Ausführung der Realisierung

395

Die vom Kunden eingehenden Informationen sind systematisch auszuwerten, zu verdichten und an die betroffenen Stellen im Unternehmen weiterzuleiten. Dabei muss es sich um einen abgestimmten Prozess handeln, der zum einen die Behebung der konkreten Beschwerde beim Kunden und zum anderen die Umsetzung der generierten Informationen zur Anpassung der Angebote sowie interner Strukturen anstößt. Folgender Fall verdeutlicht die Relevanz eines abgestimmten Managementprozesses bei der Beschwerdebehandlung:

Als beim Audi TT Mitte 1999 sicherheitsgefährdende Mängel festgestellt wurden, setzten sich täglich ca. 127.000 unzufriedene Kunden (sowie zahlreiche Händler) über verschiedene Kanäle mit Audi in Verbindung. Audi hatte zwar ein Beschwerdemanagement, jedoch war das Wissensmanagement nicht auf diese Prozesse abgestimmt, so dass es anfangs zu inkonsistentem Verhalten des Unternehmens kam. So geschah es, dass beispielsweise die Anpassung der Leistung je nach vom Kunden gewählten Kommunikationskanal unterschiedlich ausfiel. Die weiteren Ausführungen beschäftigen sich mit dem direkt auf den Kunden bezogenen Teil des Beschwerdemanagements, also mit Beschwerdestimulierung, -annahme und -reaktion. Es ist zunächst davon auszugehen, dass nur ein Teil der unzufriedenen Kunden eine Beschwerde äußert und damit dem Unternehmen überhaupt eine „zweite Chance“ gibt. Die anderen Kunden brechen schlimmstenfalls den Kontakt zum Anbieter ab, wechseln zur Konkurrenz und begleiten dies mit negativer Kommunikation gegenüber anderen potenziellen und/oder tatsächlichen Kunden.

Beschwerdestimulierung

396

Realisierung

richten eine Beschwerde an das Top-Management

5%

richten eine Beschwerde an eine Niederlassung oder den Vertrieb

45%

erkennen ein Problem, beschweren sich aber nicht

50%

"The tip of the iceberg phenomenon"

Abb. 119: Das „Eisberg-Phänomen“ der Beschwerdeführung (TARP) Beschwerdebereitschaft

Beschwerdestimulierung kann durch die Etablierung einer direkten Kontaktmöglichkeit – beispielsweise mittels Nutzung des Internets – zwischen Unternehmensleitung und unzufriedenen Kunden erleichtert werden. Mit dieser Möglichkeit verbinden Beschwerdeführer die Erwartung, dass ihre Probleme in angemessener Zeit auch wirklich gelöst werden. Dies lässt die Beschwerdebereitschaft steigen und kann somit die Abwanderung unzufriedener Kunden verhindern.

Proaktive Generierung von Beschwerden

Die generelle Problematik im Bereich der proaktiven Beschwerdestimulierung besteht in der für das Unternehmen nur schwer einschätzbaren Anzahl generierbarer Beschwerden. Wesentliche Gründe in der fehlenden Beschwerdebereitschaft von Kunden liegen oftmals in den Kosten der Beschwerdeführung, die in Form von Aufwand, Mühe und Zeit auf Seiten des Beschwerdeführers entstehen. Ist ein Anbieter an einer effektiven und umfassenden Beschwerdegenerierung interessiert, so sollte es in seinem Interesse sein, diese auf Seiten des Beschwerdeführers entstehenden Transaktionskosten möglichst gering zu halten und ihm einen Mehrwert aus der Beschwerdeführung zu bieten. Die erwarteten Kosten einer Beschwerde, die zu einer Anpassung der Leistung führt, sollten daher niedriger ausfallen, als jene Such- und Informationskosten, die dem Kunden bei einem Wechsel des Anbieters entstehen würden.

Beschwerdemehrwert

Abbau von Beschwerdebarrieren

Zentrales Ziel der Beschwerdestimulierung ist demnach der Abbau von Beschwerdebarrieren jeglicher Art. In diesen Bereich fallen auch Aktivitäten zur proaktiven Abholung von Beschwerden. Speziell im Dienstleistungssektor und im Handelsbereich, in dem die Wechselkosten von einem Anbieter zum anderen relativ gering sind, sind sog. Follow-up-

Ausführung der Realisierung

397

Anrufe eine gute Quelle zur Aufnahme von Beschwerden. Diese Anrufe sollten von Mitarbeitern getätigt werden, die auch als Complaint Owner (s.u.) agieren und somit dauerhaft als Ansprechpartner der jeweiligen Kunden fungieren können. Ein entscheidender Moment für den Anbieter im Beschwerdemanagementprozess ist der Erstkontakt mit dem Beschwerdeführer. Wichtig ist es, klare Verantwortungsstrukturen festzulegen und das gesamte Kundenkontaktpersonal auf diesen Erstkontakt vorzubereiten. Dabei sind alle relevanten Informationen, die für eine schnelle und aus Sicht des Kunden unkomplizierte Bearbeitung des Beschwerdefalls notwendig sind, zu erfassen und weiterzuverarbeiten.

Beschwerdeannahme

Operativ können diese Aufgaben beispielsweise von Mitarbeitern eines Call-Centers erledigt werden. Call-Center sind Organisationseinheiten, die eine serviceorientierte und effiziente dialogische Kommunikation durch den Einsatz von Informations- und Telekommunikationstechnologien ermöglichen (Menzler-Trott, 1999, S. 11).

Call-Center

Den geschulten Mitarbeitern werden in Call-Centern Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, mit denen eine strukturierte Erfassung weitreichender Kundendaten möglich ist. Als Vorbereitung für den folgenden Prozess der Beschwerdebearbeitung und –reaktion ist eine genaue und den unternehmensspezifischen Bedürfnissen entsprechende Kategorisierung aller erfassbaren Beschwerdefälle unabdingbar. Neben dem Erstkontakt mit einem Beschwerdeführer sind noch weitere marketingrelevante Tätigkeiten in Call-Centern angesiedelt. Oftmals werden nicht nur eingehende Gespräche („Inbound“) und die dabei kommunizierten Anfragen, Beschwerden oder Anregungen aufgenommen. Die Unternehmen ergreifen häufig auch sog. „Outbound“Aktivitäten, bei denen die Kunden von Call-Center-Mitarbeitern angerufen werden. Beschwerdeprozesse beinhalten folglich sowohl passive inbound- als auch aktive outbound-Aktivitäten. Letztere dienen in der Regel der Kontrolle von erbrachten Leistungen und sind ein geeignetes Instrument zur Beschwerdegenerierung bei Kunden, die zwar unzufrieden sind, ihre Unzufriedenheit aber dem Anbieter gegenüber nicht von sich aus kundtun würden.

„Inbound“ und „Outbound“Aktivitäten

Innerhalb des Beschwerdemanagementprozesses müssen die vom CallCenter zu übernehmenden Aufgaben und vor allem Kompetenzen klar definiert werden. Oftmals spielen aufgrund der Investitionen in die technische Infrastruktur, die zum Aufbau von Call-Centern notwendig sind, OutsourcingStrategien eine Rolle. Im Bezug auf einen konsistenten Beschwerdemangementprozess sind solche Gedanken sehr kritisch zu betrachten.

Outsourcingund Complaint OwnerStrategien

398

Realisierung Sollte das Call-Center von einem externen Betreiber übernommen werden, ist auf alle Fälle ein uneingeschränkter Informationsfluss zwischen outsourcendem Unternehmen und Auftragnehmer sicherzustellen. Die Kontrolle über den direkten Kundenkontakt ist von derart hoher Bedeutung, dass zwar die bereitgestellte technische Infrastruktur von einem verbundenen Betreiber übernommen werden kann, der Beschwerdeprozess jedoch – in Abweichung etwa zu werblichen Aktivitäten – nicht von unternehmensfremdem Personal übernommen werden sollte. Das in der Praxis bewährte Complaint Owner-Prinzip könnte bei einer kompletten Vergabe der Call-Center-Aktivitäten an eine darauf spezialisierte dritte Unternehmung nur schwer aufrechterhalten werden.

Beschwerdebearbeitung

Wie bereits erwähnt, geht es bei der Beschwerdebearbeitung zum einen um die Lösung des konkreten Kundenproblems (kundenorientierter Output) und zum anderen um die Überprüfung und gegebenenfalls die Veränderung interner Parameter (unternehmensinterner Output).

Unternehmensinterner Output

Zentraler organisatorischer Bestandteil für das Funktionieren beider Prozesse ist das Prinzip des sog. Complaint Owners. Dieser „Beschwerdeeigner“ wird bei unternehmenseigenen Call-Centern definitorisch mit demjenigen gleichgesetzt, der die Beschwerde entgegennimmt. Sobald mehrere Stellen in einem Unternehmen mit der Anpassung der Leistung betraut sind, hat der Complaint Owner die Rolle des Koordinators aller folgenden internen und externen Prozesse zu übernehmen und die Bearbeitung der Beschwerde zu überwachen. Ebenso ist er dafür verantwortlich, innerhalb der vom Unternehmen vorgegebenen Strukturen für einen kunden- wie auch für einen unternehmensorientierten Output zu sorgen.

Kundenorientierter Output

Zentraler Bestandteil dieser Phase der Beschwerdebearbeitung ist die konkrete Reaktion des Anbieters auf eine Beschwerde. Hierzu gehören nicht nur das Ergebnis in Form der Anpassung der Leistung, sondern auch die Geschwindigkeit und die Qualität des Bearbeitungsprozesses. Eingangsbestätigungen und Zwischenbescheide dienen in erster Linie als Signal an den Kunden, dass sich das Unternehmen mit dem Problem des Kunden ernsthaft auseinandersetzt. Dabei besteht ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen der Zeit, die bis zur Bearbeitung der Beschwerde bzw. bis zur Lösung des Kundenproblems vergeht und der Zufriedenheit des Beschwerdeführers.

Ausführung der Realisierung

399

„...82% der unzufriedenen Kunden können gehalten oder zurückgewonnen werden, wenn ihre Beschwerden umgehend beantwortet werden. Läßt sich das Unternehmen mit der Beantwortung Zeit, so sinkt dieser Wert auf 54% ab.“ (Direct Selling Education Foundation) Optimal wäre es dabei, wenn der erste Ansprechpartner, auf den der Beschwerdeführer trifft, auch sofort in der Lage wäre, dessen Problem zu lösen. Letzteres setzt neben der fachlichen Kompetenz auch die hierarchische Legitimation voraus, dieses ohne größere Rückfragen qualifiziert tun zu dürfen.

Fachliche und hierarchische Kompetenz

So hat beispielsweise bei der Hotelkette Ritz-Carlton der Beschwerdeeigner, an den die Beschwerde herangetragen wird, das Recht, ohne vorherige Rückfragen Beträge von bis zu US$ 2.000 aufzuwenden, um das Kundenproblem unverzüglich zu beseitigen. Berichterstattung etc. folgen dann nach dem – hoffentlich – gelösten Kundenproblem.

Beispiel

In diesem Zusammenhang können drei verschiedene Kompensationsformen identifiziert werden, um auf Beschwerden zu reagieren:

Kompensationsformen

Kompensation

finanziell

sachlich

immateriell

• Geldrückgabe

• Umtausch

• Entschuldigung

• Preisnachlaß

• Reparatur

• Erklärung

• Schadenersatz

• anderes Produkt

• Information

• Geschenk

Abb. 120: Verschiedene Formen der Kompensation (Stauss/Seidel, 1996, S. 156) Sind die vorgelagerten Beschwerdeprozesse optimal geplant und durchgeführt worden, so können Beschwerden intern sorgfältig aufbereitet werden. Der Beschwerdeeigner hat für eine lückenlose Dokumentation der einzelnen Beschwerden zu sorgen. Anhand dieser Daten können zum einen Mustervergleiche mit bereits vorhandenen Beanstandungen durchgeführt werden, zum anderen können verantwortliche Prozessbeteiligte vom Beschwerdeeigner identifiziert oder bei neuartigen Prob-

400

Realisierung lemen auch benannt werden. In diesem Sinne ist eine interne CallCenter-Struktur mit zentralem Beschwerdedatenmanagement eine hilfreiche Stütze für den Beschwerdeverantwortlichen, da hier sämtliche jemals bearbeiteten Vorgänge gespeichert und mittels eines intelligenten DV-Systems jederzeit abgerufen werden können. Durch relationale Datenbanken sind diese Systeme mittlerweile in der Lage, Mustervergleiche und Analogien zu erstellen. Aus den gewonnen Daten entsteht in diesem Schritt eine Informationslage für den Beschwerdeeigner, auf deren Basis er wiederum entscheiden kann, ob die angebotenen Präzedenzfälle mit dem von ihm bearbeiteten Fall identisch oder vergleichbar sind. Somit wird ein konsistentes Handeln im Kundenkontakt erleichtert. Waren die Kunden mit der Beschwerdebearbeitung unzufrieden, so sollte dem Beschwerdeeigner Spielraum zu einer veränderten Verhaltensweise eingeräumt werden.

4.

Kontrolle der Realisierung

Soll-IstVergleich

Als vierte und letzte konstitutive Managementfunktion besteht die Aufgabe der Kontrolle darin, die Ziele der Konzeption und die SollVorgaben der Planung mit den Ergebnissen der Ausführung zu vergleichen, eventuelle Abweichungen zu registrieren und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen zu initiieren.

Die akquisitorische Wirkung der Realisierungsfunktion

Ausgehend von der Tatsache, dass die Realisierung nicht nur eine kostenverursachende Hilfsfunktion ist, sondern als eigenständige Teilfunktion eine – wie bereits mehrfach beschrieben – hohe akquisitorische Wirkung hat, sollte die Realisierung anhand ihres Gesamtbeitrags zum Unternehmenserfolg beurteilt werden. Gegenstand der Kontrolle der Realisierung sind daher die in der Konzeption definierten Ziele, die zum einen nach der Realisierungswirkung und zum anderen nach der Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen unterteilt werden können. Der Wirkungskontrolle kommt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, die durch die Realisierungsinstrumente bewirkten Veränderungen zu erfassen, während der Wirtschaftlichkeitskontrolle die Evaluierung der Realisierungskosten und damit die ökonomische Bewertung dieser Veränderungen obliegt.

Kontrolle der Realisierung

401

Die Managementfunktion der Kontrolle weist im Rahmen der Realisierung ein gegenüber den anderen Teilfunktionen der Vorbereitung, Anbahnung und des Abschlusses erweitertes Betätigungsfeld auf. Wurden in den vorhergehenden Teilfunktionen im Wesentlichen nur die Ergebnisse der jeweiligen Aktivitäten in diesen Funktionen mit den Zielen und Soll-Vorgaben abgeglichen, so wird in der Realisierung zwangsläufig auch die Erfüllung des gesamten Leistungsversprechens überprüft. Dies schließt auf der einen Seite – wie bei den anderen Teilfunktionen – die Kontrolle der Realisierungsziele und damit die Zufriedenheit in Bezug auf den Realisierungsprozess ein. Auf der anderen Seite sind jedoch auch die aus der Interaktion zwischen Nachfrager und Anbieter gewonnenen Daten und Informationen, die sich auf die Zufriedenheit hinsichtlich des gesamten Transaktionsprozesses sowie auf die Zufriedenheit mit dem Versorgungsobjekt an sich beziehen, systematisch zu erfassen und auszuwerten.

Überprüfung des gesamten Leistungsversprechens

An dieser Stelle wird auch der Übergang zur nachfolgenden Phase der Vorbereitung deutlich. Die etwa im Rahmen des Beschwerdemanagements anfallenden Daten werden einerseits an die Marktforschung zur gezielten Auswertung und Interpretation weitergeleitet, um für den nachfolgenden strategischen Planungsbereich der Marktprogrammerstellung Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Andererseits können einzelne, aus Beschwerden gewonnene Informationen auch unmittelbar und gezielt vor allem an die jeweiligen Entscheidungsträger in den Teilfunktionen der Anbahnung und des Abschlusses weitergeleitet werden, um dort die Ziele und Planvorgaben sowie gegebenenfalls die Ausführung zu überarbeiten bzw. neu zu gestalten.

Diffusion gewonnener Daten

4.1 Wirkungskontrolle Grundlage der Wirkungskontrolle sind die in der Konzeptionsphase für die beiden Dimensionen der Realisierung definierten Generalziele, also die Verfügbarkeit der Versorgungsobjekte, die zeitnahe, zuverlässige und kompetente Lösung von Problemen sowie die aktive Aufnahme von Informationen durch den Anbieter in der Nachkaufphase. Auf der Grundlage dieser Realisierungsziele ergeben sich zahlreiche mögliche Kontrollgrößen. Exemplarisch werden diese in der folgenden Abbildung dargestellt.

Grundlage der Kontrolle

In der zeitpunktorientierten Dimension der Realisierung bildet insbesondere die Auswertung der den Logistikprozess begleitenden Informationsströme im Rahmen von Warenwirtschaftssystemen die Basis für

Auswertung der Logistikprozesse

402

Realisierung die Kontrolle der Realisierungsziele. Allerdings werden die Strukturen und Prozesse dieser – unter Umständen unternehmensübergreifenden – Informationssysteme nur zum Teil in der Realisierungsphase gelegt. Bereits in der vorangehenden Abschlussphase wird durch den Einsatz von CAS-Systemen bei der Auftragsannahme durch den Außendienst oder durch den Einsatz von Scanner-Kassen letztendlich bestimmt, ob ein schneller und kostengünstiger Informationsaustausch und eine entsprechende -auswertung möglich sind.

Realisierungszeit, -bereitschaft, -flexibilität

Im Rahmen der Kontrolle der zeitpunktorientierten Dimension der Realisierung liegt der Schwerpunkt auf den objektiven Kontrollgrößen, da die angestrebte Realisierungszufriedenheit – und in der Konsequenz auch die Kundenzufriedenheit – letztendlich durch diese Größen determiniert werden und zudem die objektiven Größen i.d.R. leichter zu kontrollieren sind als die subjektive Kundenzufriedenheit.

Kontrollgrößen der zeitpunktgerichteten Dimension

Kontrollgrößen der zeitraumgerichteten Dimension

Objektive Größen (Prozesskontrolle)

Objektive Größen (Prozesskontrolle)

x Auftragsbearbeitungszeit x Lieferzeit x Prozentualer Anteil schadhafter Lieferungen x Prozentualer Anteil falscher Warenlieferungen x Anzahl und Möglichkeit der Realisierungswege

x Beschwerdequote x Erreichbarkeitsquote x Nutzung der gesammelten Informationen x Bearbeitungszeit x Angebot an Zusatzinformationen

Subjektive Größen (Ergebniskontrolle)

Subjektive Größen (Ergebniskontrolle)

Zufriedenheit mit x Warenversorgung x Termintreue

Zufriedenheit mit x Problemlösung x Kontaktaufnahme x Beschwerdebearbeitung

Abb. 121: Objektive und subjektive Kontrollgrößen in den Realisierungsdimensionen

Kontrolle der Realisierung

403

Als Kontrollbereiche bieten sich hier insbesondere aus der Realisierungszeit, -bereitschaft und -flexibilität abgeleitete Größen an, wie z.B. die Auftragsbearbeitungszeit, die Lieferzeit, die Anzahl der Liefer- und Zahlungswege oder der prozentuale Anteil falsch gelieferter bzw. beschädigter Waren an. Als weitere Kontrollgröße, die wie bereits erläutert einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Zufriedenheit der Nachfrager ausübt, kann die Überprüfung der Umweltverträglichkeit sowohl der Verpackung als auch des gesamten Transportsystems genannt werden. Neben diesen Größen, die den physischen Austausch der Versorgungsobjekte darstellen, müssen auch jene Größen kontrolliert werden, die den mit dem Austausch verbundenen Informationsfluss abbilden. So sollte z.B. überprüft werden, ob eine elektronische Fakturierung und Bezahlung durch den Nachfrager reibungslos verläuft oder aber manuelle Nachkontrollen notwendig sind. Im Anschluss an die Kontrolle der objektiven Größen sollte die Untersuchung der Kundenzufriedenheit im Sinne einer Ergebniskontrolle erfolgen.

Ergebniskontrolle

Auch in der zeitraumorientierten Dimension der Realisierung ist neben der Kontrolle objektiver Größen vor allem die Wirkung des Beschwerdemanagements auf die Zufriedenheit des Beschwerdeführers zu überprüfen (Ergebniskontrolle). Die Auswertung der abgearbeiteten Beschwerden bildet dabei den ersten Schritt. Konkret geht es um die Beurteilung des Beschwerdeprozesses durch den Beschwerdeführer. Mit der Artikulation einer Beschwerde verbinden die Beschwerdeführer auch bestimmte Erwartungen an den Bearbeitungsprozess und an das Ergebnis dieses Prozesses. Wie bei der Kundenzufriedenheit wird davon ausgegangen, dass sich auch die Beschwerdezufriedenheit dann einstellt, wenn im Zuge des Abgleichs zwischen erwarteter Leistung und erhaltener Leistung im Beschwerdeprozess und -ergebnis die Erwartungen mindestens erfüllt werden. Dementsprechend kommen bei der Kontrolle der Beschwerdezufriedenheit die bekannten Methoden der Kundenzufriedenheitskontrolle analog zur Anwendung.

Beschwerdezufriedenheit als qualitative Größe

404

Realisierung Objektive Verfahren

Subjektive Verfahren

Überprüfung objektiver Standards Merkmalgestützte Verfahren - Explizite Messung und Kennzahlen - Implizite Messung Erfassung von Wiederkaufraten unzufriedener Kunden

Ereignisorientierte Verfahren - Methode der kritischen Ereignisse

Analyse von Verbraucheräußerungen gegenüber Dritten Abb. 122: Objektive und subjektive Verfahren der Kundenzufriedenheitsmessung (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 1997, S. 954) Neben der Kontrolle der nach außen gerichteten Aktivitäten im Beschwerdeprozess ist auch der Fortgang der eventuell in der internen Struktur des Unternehmens ausgelösten Veränderungen zu überprüfen.

4.2 Wirtschaftlichkeitskontrolle Der Wirtschaftlichkeitskontrolle kommt die Aufgabe zu, die durch den Einsatz und die Gestaltung der Instrumente der Realisierung erzielten Veränderungen wirtschaftlich zu bewerten. Hierbei ergibt sich das Problem, dass zum einen einzelne Umsatz- bzw. Gewinnveränderungen nur bedingt bestimmten Wirkungen der durchgeführten Maßnahmen zugerechnet werden können und zum anderen auch die notwendigen Kosteninformationen nicht vorhanden sind. KostenNutzenAbgleich

Allgemein ist jedoch zumindest ein Vergleich zwischen denjenigen Kosten, die durch die Implementierung bestimmter Instrumente bzw. durch deren Veränderung entstanden sind, mit den eingesparten Realisierungskosten durchzuführen. Beispielhaft können hier etwa Kosten genannt werden, die bei der erstmaligen Implementierung eines ECRSystems entstehen, und die dann mit den eingesparten Kosten für Transport, Lagerhaltung, Out-of-stocks oder für das Bestellwesen verglichen werden können.

Kontrolle der Realisierung

405

Im Bereich der zeitraumgerichteten Dimension der Realisierung sind insbesondere die Kosten des Beschwerdemanagements zu erfassen, zu denen neben den Personal- und Sachkosten auch die Aufwendungen für die Kompensation des Beschwerdeführers zu zählen sind. Schwieriger als die Erfassung der Kosten ist jedoch auch hier die Gegenüberstellung des Nutzens eines systematischen Beschwerdemanagements, um zu einer Aussage bezüglich der Wirtschaftlichkeit zu gelangen.

Kosten des Beschwerdemanagements

Ziel des Beschwerdemanagements ist es – wie bereits beschrieben – den unzufriedenen Kunden im Verlauf des Beschwerdeprozesses durch die Abwicklung der Beschwerde zufrieden zu stellen, also Beschwerdezufriedenheit zu erzielen. Eine hohe Beschwerdezufriedenheit kann sich wiederum positiv auf das zukünftige Verhalten und die Einstellungen des Beschwerdeführers auswirken, so dass sich zumindest zwei Komponenten des Beschwerdemanagements ergeben, die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitskontrolle quantifiziert werden müssen: die Einstellung gegenüber dem Unternehmen sowie das aus der Einstellung resultierende Wiederkaufverhalten des Beschwerdeführers.

Komponenten der Wirtschaftlichkeitskontrolle

Bei der Quantifizierung und monetären Bewertung der angesprochenen Komponenten treten jedoch erhebliche methodische Schwierigkeiten und Probleme auf, die insbesondere in der hierfür notwendigen Informationsbeschaffung begründet liegen. Die Einstellung gegenüber einem Unternehmen bzw. deren Veränderung kann zwar über einen Vergleich der Einstellung vor und nach einem Beschwerdefall gemessen werden, doch ist eine direkte monetäre Bewertung mit den gleichen Problemen behaftet, wie sie in der Werbewirtschaftlichkeitskontrolle geschildert wurden. Als Lösung wird vorgeschlagen, eine Bewertung anhand der Kosten für Kommunikationsmaßnahmen vorzunehmen, die eine gleich starke Veränderung der Einstellung bewirken (Stauss/Seidel, 1996, S. 288). Hinsichtlich des Wiederkaufverhaltens kann der Wert einer Kundenbeziehung beispielsweise über den Ansatz des Customer Lifetime Value ermittelt werden, um den aus Kundenunzufriedenheit zu erwartenden Schaden für den Anbieter zu berechnen. Im Umkehrschluss kann dann auf den Nutzen des Beschwerdemanagements geschlossen werden, wenn bekannt ist, wie viele der unzufriedenen Kunden – und damit deren potenzielle Ertragswerte – durch das Beschwerdemanagement gehalten werden können.

Customer Lifetime Value als Determinante der Kundenzufriedenheit

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Realisierung x Worin besteht der Unterschied zwischen Transport- und Transaktionskosten? x Welche Ziele verfolgt die zeitraumbezogene Betrachtung der Realisierung? x Was verstehen Sie unter der Realisierungsbereitschaft? Welche operationalisierbaren Determinanten gibt es im Rahmen der Realisierungsbereitschaft? x Charakterisieren Sie das SCM und arbeiten Sie die Optimierungspotenziale heraus, die durch das Internet im SCM entstehen! x Arbeiten Sie die Ziele des Efficient Replenishment heraus! x Welche Stufen umfasst das ER-Verfahren? x Grenzen Sie Reklamationen von Beschwerden ab! x Nennen Sie die verschiedenen, einem Unternehmen zur Verfügung stehenden Beschwerdewege! x Stellen Sie die Bestandteile des Beschwerdemanagementprozesses dar und beschreiben Sie die einzelnen Phasen! x Nennen Sie Beispiele für Beschwerdebarrieren. Gehen Sie dabei insbesondere auf mediale Beschwerdewege ein! x Welche Vorteile bieten sog. „Outbound“-Aktivitäten eines CallCenters? x Was ist unter einem Complaint Owner zu verstehen? x Welche Kompensationsformen gibt es, um erhöhte Beschwerdezufriedenheit zu generieren? x Wie lassen sich die Kontrollgrößen der Realisierungsdimensionen einteilen? Nennen Sie Beispiele für jede Kategorie! x Welche Verfahren zur Wirtschaftlichkeitskontrolle im Rahmen der Realisierung stehen Ihnen zur Verfügung?

Case Study „Schauma“

Teil C: Case Study „Schauma“ Instrumente zur Kundenloyalisierung bei Schwarzkopf & Henkel

In den bisherigen Ausführungen zur Realisierung ist deutlich geworden, dass die Kundenzufriedenheit maßgeblich durch die Gestaltung der Unterfunktionen der Realisierung beeinflusst wird. Die Grundvoraussetzung für eine hohe Kundenzufriedenheit ist auch hier eine konsequente Kundenorientierung, die sich in der Realisierung insbesondere durch eine durchgängige Begleitung des Nachfragers während der Leistungsnutzung manifestiert. Eine intensive Kundenbeziehung und die Interaktion mit dem Kunden in dieser Phase trägt maßgeblich dazu bei, ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Unternehmen und dem Nachfrager aufzubauen und bildet somit die Basis für eine hohe Kundenzufriedenheit und langfristige Kundenloyalität. Die Firma Schwarzkopf & Henkel sieht sich im Bereich der angebotenen Konsumgüter zum überwiegenden Teil mit gesättigten und wettbewerbsintensiven Märkten konfrontiert. Zufriedene Kunden sind in diesem Umfeld von besonderer Bedeutung für das Unternehmen, da sie einerseits die Produkte wiederkaufen und weiterempfehlen und andererseits auch resistenter gegenüber Wettbewerbsangeboten sind. Die Zufriedenheit basiert dabei nicht nur auf der Kernleistung des Unternehmens, beispielsweise dem Produkt Schauma, sondern entsteht aus deren Zusammenwirken mit verschiedenen Instrumenten, die insbesondere im After-Sales Bereich, also der Realisierung, angewendet werden. Schwarzkopf & Henkel hat sich aus diesem Grund dazu entschlossen, dem Nachfrager eine individuelle Beratung, direkte Ansprache sowie kompetitive und rasche Lösungsansätze anzubieten, um so ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Nachfrager und Unternehmen aufzubauen. Zu diesem Zweck steht Schwarzkopf & Henkel vor allem über folgende Kommunikationsmöglichkeiten im direkten Kundenkontakt mit dem individuellen Endverbraucher (also z.B. auch mit dem SchaumaAnwender): x

Telefonische Anfragen, Verbraucherzeitschriften, Internet;

x

Direct Mailing bzw. Verteilung von Fragebögen;

x

Women’s Net;

x

Consumer Contacts.

407

408

Realisierung Telefonische Anfragen Individuelle Anfragen gehen in der überwiegenden Zahl telefonisch über eine Hotline beim Verbraucherservice ein (die entsprechende Telefonnummer ist auf allen Verkaufsverpackungen sowie auf allen endverbraucherrelevanten Verkaufsmaterialien aufgeführt). Die Bandbreite der Anfragen umfasst dabei allgemeine Informationen zur Firma sowie spezielle Informationen zur Anwendungstechnik bestimmter Produkte, zur Erhältlichkeit, zur Verträglichkeit oder zum Umweltschutz. Ebenso richten die Kunden ihre Beschwerden, Lob oder Anregungen zu bestimmten Produkten an den Verbraucherservice. Aus Sicht des Nachfragers ist ein wesentliches Beurteilungskriterium dieses Verbraucherservices die Frage, ob sein Informationsbedürfnis schnell, plausibel und ausreichend befriedigt wird. Der Verbraucherservice versucht daher, die Anfragen umgehend im direkten Gespräch zu beantworten, sofern nicht Rückfragen (etwa bei Fachabteilungen) erforderlich sind. Im Falle von Beschwerden sind die Mitarbeiter im Verbraucherservice auch befugt, Kompensationen (etwa ein anderes Produkt) anzubieten, wobei es sich jedoch grundsätzlich um keine finanziellen Kompensationen handelt, um einen Missbrauch solcher Angebote zu verhindern. Die Erreichbarkeit des Verbraucherservices ist dabei durch die zusätzliche Unterstützung eines externen Call Center von 9:00 Uhr bis 19:00 Uhr an 6 Tagen der Woche gewährleistet. Zusätzlich zum direkt mittelbaren Kundenkontakt über die Telefonhotline bietet Schwarzkopf & Henkel die Möglichkeit, den Verbraucherservice schriftlich oder über das Internet zu erreichen, wobei generell der gleiche Bearbeitungsprozess abläuft. Direkt Mailing Häufig werden insbesondere neuen Produkten Fragebögen beigelegt, die den Kunden die Möglichkeit bieten, ihre Bewertung zu dem vorliegenden Produkt sowie generelle Anwendungen, Verbesserungsvorschläge oder Beschwerden abzugeben. Diese Fragebögen lässt Schwarzkopf & Henkel i.d.R. von externen Instituten auswerten: Sie dienen als Analyseinstrumentarium und zur Informationsgenerierung in der Realisierungsphase. Allerdings wird in den letzten Jahren der Einfluss und auch die Kompetenz des Handels in diesem Bereich immer herausragender, so dass Direktmarketingmaßnahmen oftmals in Kooperation mit dem Handel, beispielsweise mittels handelsinitiierter Kundenkarten, abgewickelt werden.

Case Study „Schauma“ Women’s Net Zur Sicherstellung einer hohen Kundennähe in allen Prozessphasen hat Schwarzkopf & Henkel das „Women’s Net – Beratung, Lifestyle und mehr“ (www.womensnet.de), als umfassende Plattform zur Kundenbetreuung, zum Dialog und zur Interaktion mit dem Kunden initiiert. Wie der Name schon andeutet, geht diese Plattform über die bisher angesprochenen Maßnahmen der Kundenbetreuung (Verbraucherservice mit Hotline, Internet etc.) hinaus und stellt ein multimediales Netzwerk kosmetik-interessierter Frauen und auch Männer dar, die einerseits mit Schwarzkopf & Henkel, aber auch untereinander in direktem Kontakt stehen. Schwarzkopf & Henkel initiiert dabei den Dialog und dient als kompetenter Gesprächspartner, der Informationen, Tipps und Problemlösungen sowie exklusive Serviceleistungen (Workshops, Events) anbietet und damit dem Kerngedanken der Realisierung entspricht: einer umfassenden Kundenbegleitung in der Nutzungsphase durch das Angebot ergänzender Serviceleistungen und Zusatzinformationen. Das „Women’s Net“ bietet auch Beratungsinstrumente, wie z.B. Farb-TypBeratung, die die proaktive Informationseingabe seitens des Verwenders voraussetzen und dadurch Kundenansprache und Marktforschung auf diesem Weg noch genauer ermöglichen. Das Instrument wirkt so auch als „Ideenschmiede“ und Imageträger.

Consumer Contacts Um direkte Insights von Konsumenten zu gewährleisten, wurden im Jahre 2006 die Consumer Contacts ins Leben gerufen. Hier werden durch eine Agentur Konsumenten mit verschiedenen Profilen ausgesucht und anschließend von Schwarzkopf & Henkel Mitarbeitern direkt befragt. Die Consumer Contacts existieren in zwei Versionen: Zum einen gibt es den „Home Visit“ und zum anderen das „Accompanied Shopping“. Bei der ersten Variante besuchen Schwarzkopf & Henkel Mitarbeiter die Konsumenten zu Hause und stellen den Konsumenten Fragen über deren Kaufverhalten, Produktbedürfnisse und -wünsche. Bei der zweiten Variante begleiten die Mitarbeiter die Konsumenten bei ihrem Einkauf und können so nicht nur Fragen stellen, sondern auch das tatsächliche Einkaufsverhalten beobachten. Durch diese Art von Kommunikation fließen Kundenbedürfnisse und -wünsche schneller und direkt in Produktinnovationen ein.

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Realisierung Unabhängig davon, über welchen der skizzierten Kommunikationswege sich der Nachfrager an Schwarzkopf & Henkel wendet, ist es für ihn stets von entscheidender Bedeutung, dass ihm nicht nur zugehört wird, sondern dass sein Anliegen verstanden, aufgenommen und weiterverarbeitet wird. Dem Nachfrager muss somit durch eine individuelle und konstruktive Reaktion verdeutlicht werden, dass er ernst genommen wird. Obwohl dies letztendlich für alle Formen der Meinungsäußerung gegenüber dem Unternehmen bzw. für die Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager im Allgemeinen gilt, ist eine solche Reaktion insbesondere bei Beschwerden unablässig, wenn die Beziehung zum Nachfrager wieder stabilisiert werden soll. Schwarzkopf & Henkel ist daher dazu übergegangen, Beschwerden im Sinne eines Beschwerdecontrollings mittels einer Rückrufaktion nach einigen Wochen weiterzuverfolgen. Der Kunde, der sich mit einer Beschwerde an das Unternehmen gewandt hat, wird dabei um eine Stellungnahme bezüglich der Freundlichkeit der Mitarbeiter, der Qualität der Beratung etc. gebeten. Darüber hinaus dient die Rückrufaktion der Überprüfung der vorgeschlagenen Lösungswege und ob diese den vom Kunden erwünschten Erfolg erzielen konnten. Die Rückrufaktion ermöglicht es Schwarzkopf & Henkel somit, quantitative und qualitative Aussagen zu generieren. So kann einerseits die Zufriedenheit der Kunden hinsichtlich des Serviceangebots festgestellt und andererseits die Erfolgsquote bei Beschwerden ermittelt werden. Gleichzeitig erfolgt eine unternehmensinterne Weiterleitung dieser Informationen an die verantwortlichen Stellen zu deren Auswertung (beispielsweise durch die Produktmanager). Die bei Schwarzkopf & Henkel eingegangenen Anliegen werden zudem in einer umfangreichen Kundendatenbank erfasst. Die Daten können nach unterschiedlichen Variablen strukturiert werden, um auf dieser Grundlage dann genaue Beschwerde- und Kundenzufriedenheitsstatistiken erstellen zu können (Specht, 1998, S. 1382).

Stichwortverzeichnis Absatz – Ambulant 207 – Stationär 206 – Versand 207 Absatzlehre 21 Absatzmittler 32 Absatzweg(e) – Differenzierung 204 f. – Direkte 204, 206 – Indirekte 204, 207 – Selektion 207 – Standardisierung 204 f. Abschluss – Medialer 323 – Persönlicher 323 Affektive Dimension 94 After-Sales 182, 377 Agency Costs 316 Agenturen 32 Akquisition 154, 163 Aktivierung 282 Alleinvertriebssystem 208 Angebot(s) – breite 173 – tiefe 173 Anpassungskosten 364, 375 Anteilseigner 26 Anzeige 272 Arbeitslastanalyse 343 Asymmetrische Informationsverteilung 48, 322 Außendienst 345, 354 Außenwerbung 280 – Mobile 280 – Stationäre 280 Austauschobjekte 30, 34 Austrittsbarrieren 158 Auswahl – Typische 103 – Bewusste 102 – Willkürliche 103 – Zufalls 101

Baseline 290 Basismarke 189 f. Befragung 104 – Anwendungsprobleme 105 – Fragebogenaufbau 108 – Freiheitsgrade 108 – Grundsätze der Fragenformulierung 108 – Häufigkeit bzw. Turnus 108 – Vor- und Nachteile 106 ff. Begleitschreiben 109 Bekanntmachung 247, 257, 269, 281 Beobachtung 111 – Bandbreite 111 – Distanzierte 114 – Feld- 114 – Fremd- 111 – Labor- 112 – Offene 111 – Quasi-biotische 111 – Selbst- 111 – Teilnehmende 112 – Verdeckte 112 – Vor- und Nachteile 111 f. Beschwerde 372 – Abwicklungsqualität einer 390 – annahme 394, 396 – controlling 409 – bearbeitung 390, 392, 398 – management 389 f., 394, 401, 407 – managementprozess 392 f. – stimulierung 399 f. – zufriedenheit 63, 392, 399, 405 Beschwerdeweg 392 – Medial 392 – Mündlich 392 – Schriftlich 392 Beziehungsgedanke 54

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Stichwortverzeichnis Bivariate Verfahren 122 Body Copy 289 Brand Evolution 190 Broadening and Deepening 29 Call-Center 396 f., 399, 409 Carry-over Effekt 192, 299 Category Management 210 f. Claim 228, 289, 307 Complaint Owner 396 f., 399 Conjoint Analyse 124 Conjoint-Measurement 124 f., 194 f. Consumer Benefit 289, 307 Copy-Strategie 266, 289, 299, 307, 311 Customer Lifetime Value 63, 406 Cut-off-Verfahren 102 Dachmarke 189 Darlehensvertrag 321 Dienst- bzw. Werkvertrag 320 Dienste 35 Dienstleistung 31 f., 373, 376, 392 Diffusion des MarketingGedankens 66 Direct-Mail 273, 288, 299, 407 f. – Agentur 301 Direkt – absatz 34 – werbung 270 ff., 299 Diskriminierungsverbot 209 Distribution(s) 377 – management 364, 378 Diversifikation 147, 165, 169 f., 174 f., 177 – Aktivitätsgrad 151 – Definition 147 – Dimensionen 148 – Erkennbarkeit 152 – Richtungen 151

– Umsetzungsformen 154 – Ziele 152 Downsizing 161 Ebene der erklärenden Theorie 93 Ebene der messenden Theorie 94 E-Commerce 324 Efficient Consumer Response (ECR) 210, 342, 355 f., 383, 385, – Efficient Promotion 212 – Efficient Product Introduction 211 – Efficient Store Assortment 211 – Efficient Replenishment 211, 383 Eigenabbau 158, 163 Eigenaufbau 154, 163 Einfirmenvertreter 329 Einstellung 93 f., 264 Einzelmarke 189 Einzelwirtschaft 29 Electronic Data Interchange (EDI) 384 f. Entlohnungssysteme 332, 336 Entscheidungsorientierung 58 Erfahrungseigenschaften 37, 187, 241 Ergebnis – darstellung 126 – überprüfung 125 Erotische Attrappe 284 Erster Anbieter 31 Experiment 115 – Konstitutive Elemente 115 Explanandum 30, 49 Fachwerbung 269 Fakturierung 386 Familienmarke 189 Fehler

415 – Systematische 121, 126 – Zufalls- 126 Fertigungsindustrie 31 Festgehalt 333 Filialisierung 166 Folgeabschätzung 41 Folgetransaktion 368 ff., 393 Fragebogenentwicklung 108 – Anforderungen 108 Franchisegeber 166, 206 Franchisenehmer 166, 206 Franchisesystem 206 Franchising 154, 166 Früherkennungsfunktion 87 Frühwarnfunktion 87 Full-Service Agentur 301 Funktionsübergreifende Strukturen 66 Garantie 183 Garantieleistung 183 Gemeinschaftswerbung 255 Generalziele der Werbung 257 Geschäftsbeziehung 370 Geschlossene Objektsysteme 35 Geschlossener Markt 34 Gross Rating Points (GRP) 260 f., 311 Grund- und Rohstoffproduktion 31 Grundgesamtheit 100 Gruppenwerbung 257 Handelsvertreter 32, 328 f. Händler 32 Handlungsauslösung 248, 258 Hauptfunktionen 46, 58 Haushaltspanel 129 Headline 289 Hörfunk-Spot 273, 278, 293 Image 129, 218 Imagebildung 250, 258

Inbound 397 Incentives 335 Individualwerbung 254 Information Chunks 37 Information(s) 248, 258 – asymmetrie 240 – ökonomik 36, 240, 317 – overflow 282 Innendienst 345, 354 Innovations – funktion 87 – stärke 25 Inside-out-Perspektive 45 Institutionen 49 Instrumenteller MarketingAnsatz 42 ff. Integrationsorientierung 25, 29, 40, 54 Integrativ-Prozessualer Marketingansatz (IPM) 46, 58 f. Integrierte Kommunikation 28 Integrierte Marketingfunktionen 52 Interessen 264 – Eigenschaftsgerichtete 264 – Gegenstandsgerichtete 264 Intermediavergleich 281 Internet 281, 324, 328, 407, 409 Intervenierende Variablen 92 Intramediavergleich 281 Intrusion 291 Investor Relations 27 Involvement 273 Käufermärkte 22 f. Kaufverhaltensforschung 88 Kaufvertrag 320 Kausalhypothese 115 Kenntnisse 263, 309 – Bezeichnungs- 264 – Eigenschafts- 264, 309 f. – Ereignis- 264 – Spotbekanntheit 264

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Stichwortverzeichnis – Werbe- 264 Key Visual 226, 289 Key-Account-Management 338, 342, 354 f. Kindchenschema 284 Klassische Marke 191 Klumpenauswahl 101 Kognitive Dimension 94 Kognitive Dissonanz 287 f., 392 Kollektivwerbung 254 Kommissionäre 32 Kommunikationsprozess 251 ff. Komparative Konkurrenzvorteile 28, 218, 373 Kompensationsformen 399 Konstrukt(e) 92 Kontaktzahlen 260 Kontrollfunktion 58, 126 f., 349, 400 Kontrollkosten 362 f., 376 Konversion 161, 176 f. – Arten 162 – Definition 161 – Dimensionen 161 – Umsetzungsformen 162 – Ziele 161 Konzeption 58, 91, 326, 370 Kooperation 155, 163 Kunden- bzw. Bedürfnisorientierung 24 Kunden – club 389 – dialog 387 – loyalität 28, 59, 61, 362, 407 – zufriedenheit 28, 59, 61, 333, 362, 370, 402 f., 407 Leitlinien 172 Letzter Nachfrager 33 Letzter Verwender 33 Lifestyle 215 ff. Line Extension 190

Lizenzerwerb 154 Logistik 371 Makler 32 Managementfunktionen 58 Manufakturwesen 31 Marke 180 f., 184, 238 – Definition 185 – Begriffsverständnis – Funktionen 186 – Kompetenzbreite 189 – Kompetenzhöhe 191 – Kompetenztiefe 191 – Rationalisierungsfunktion 187 – Substitutsfunktion 187 – Wirkungsdimensionen 186 Marken – artikel 22, 184 f. – recht 180 Marketing – Abteilung 65 f. – als Tätigkeit 20 – als Wissenschaft 20, 26 – Begriff 20 – Beziehungs- 45 – Deepening the Concept of 40 f. – Definition 29 – Geschichte der MarketingWissenschaft 21 – Integriertes 26 – Mix 42, 138 – Querschnittsfunktion des 28, 64, 65, – und F&E 67 – und Recht 38 – Wurzeln des 20 Markierung 179, 182 Marktausschöpfung 164 Marktausweitung 165 Marktforschung – Anwendungsbereiche 84 f. – Aufgaben 86 f.

417 – Bestandteile einer Konzeption 91 f. – Entwicklungsstufen 86 – Funktionen 84 – Gütekriterien 85 – Managementprozess 85 Marktkette 34, 377, 379, 383 Marktmittler 346 Marktprogramm 140 f. Markttest 116 Mass Customization 195, 381 Mediaplanung 281, 309 Me-too 222 Mehrdimensionale Skalierung (MDS) 195, 219 Mehrfirmenvertreter 330 Messniveaus 95 Mietvertrag 320 Mini-Testmarkt 116 Mitarbeiterzufriedenheit 63 Monovariate Verfahren 122 Multidimensionale Skalierung 124 Multiplikation 164, 177 – Definition 164 – Dimensionen 164 – Umsetzungsformen 166 – Ziele 164 f. Multivariate Verfahren 124 Nachfragerimport 165 Nachfragerintegration 55 Nachkaufbetreuung 371, 377 Neo-Behaviorismus 89 Neoklassik 47 Neue Institutionenökonomie 47 Notorische Bekanntheit 182 Nutzen 248 – kategorien 178, 186 – raum 218 f. Objekt – Beibehaltung 176 – Differenzierung 175 f.

– Elimination 175 – Gestaltung 177, 248, 381 – Grundmerkmale 179 – Innovation 174 – Modifikation 176 – Kern 178 – Standardisierung 175 – Substitution 176 – Zusatzmerkmale 183 Objektprogramm 78, 171, 226 – Definition 171 – Entscheidungsebenen 171 – Leitlinien 172 – Struktur 172 Objektsysteme 35 Öffentlichkeitsarbeit 139, 250 Ökologieorientierte Distribution 379 Ökonomische Chancen 31, 35f. Operationalisierung 92 Opportunismus 48, 322 Outbound 397 Outpacing Strategy 197 ff. Outsourcing 397 Pachtvertrag 321 Pack Shot 289 Panel 114 – Abfrageinhalte 114 – Grenzen 114 – „Overreporting“ 114 – „Paneleffekte“ 114 – „Panelsterblichkeit“ 114 Paradigma 42 – Entscheidungsorientiertes 42 – Confirmation/Disconfirmation 60 – Verhaltenswissenschaftliches 42, 48 Penetration Strategy 199 Phasen des Tauschprozesses 54, 56 Plakat 272 Planung 58, 97, 264, 377

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Stichwortverzeichnis Point-of-Sale 274 Polaritätenprofil 129 Positionierung 73, 218, 227 PoS-Marketing 356 Postdecisional Regret 288 Präferenz 93 Prämien 334 f. Preis – bindung der zweiten Hand 32, 39 – bündelung (Bundling) 196 – differenzierung 195 – elastizität 198, 200 – management 194, 198 Premiummarke 191 Pretest 121, 299 Primärquellen 99 Printmedien 276 Prinzipal-Agenten 316, 326 – Theorie 48 Product Placement 241, 244 f. Produktorientierung 24 Produktions- und Distributionsorientierung 23 Produktlebenszyklus 266 Programmstruktur 142 Property Rights-Theorie 36, 49, 316, 319, 323 Prosumer 55 Provision 320 Prozessorientierung 52 Publikumswerbung 270 Quota-Verfahren 101, 130 Rabattgesetz 38 ff. Random-route-Verfahren 101 Reaktanzen 287, 389 Realisierungs – bereitschaft 373, 378, 402 – flexibilität 400, 402 – kosten 371, 375 f. – qualität 371 f., 376 – zeit 372, 402

– zeitvorgaben 373 Reason Why 289, 307 Redistribution 379 Redistributionssysteme 380 Reduktion 155 f., 175, 177 – Definition 155 – Dimensionen 155 – Umsetzungsformen 158 – Ziele 157 Reichweite 260 – Bruttoreichweite 260 – Nettoreichweite 260 – Wirksame Reichweite 260 Reisender 328 f. Reizwirkungen 284 – Emotionale 284 – Kognitive 286 – Physische 287 Reklamationen 390 Relaunch 75, 176, 228, 307, 309 Reliabilität 85 Rendite 152 f. Repräsentativität 100 Reputation 26, 63, 152, 322 Revival 176, 228 Risiko 152 Rücklaufsteigerung 108 Sammelwerbung 255 Schnittstellenprobleme 66 Schwache Signale 87 Screening 37, 49, 187, 241 Segment-of-one 146 Sekundärforschung 99 – Vor- und Nachteile 99 Sekundärquellen – Betriebsexterne 99 – Unternehmensinterne 98 Semantisches Differential 129 Shareholder Value 27, 155 Signaling 37, 49, 241, 250 Skalen 130 Skalenarten 95

419 Skalierung 92, 94 Skimming Strategy 199 Slice-of-life 293 Spill-over Effekt 269 Sponsoring 241, 243 f. S-R / S-O-R-Betrachtung 90 Stilllegung 158 Stochastische Modelle 89 Storetest 115 Strategie – audit 137 – Merkmale 137 – und Flexibilität 138 – und Zeitbezug 137 – und Ziele 136 Strategische Geschäftseinheit (SGE) 145 Strategische Marketingoptionen 146 ff. – Beibehaltung 146 – Diversifikation 147 ff. – Konversion161 ff. – Multiplikation 164 ff. – Reduktion 155 ff. Strategische Planung 139 Strategisches Geschäftsfeld (SGF) 68, 142, 158 – Kriterien zur Bildung 143 – Portfolio 145 ff., 164, 174 Streuwerbung 274 f. Strukturmodelle 89 Sucheigenschaften 36, 187, 241 Supply-Chain-Management 381 Synergie 157, 154 Tauschprozess 20, 30, 54 Tauschvertrag 320 Tausenderkontaktpreis (TKP) 273, 282 Teilerhebung 100 Teilfunktionen 46, 58 Telefonwerbung 274 Testimonial 288, 291

Testmarkt 116 Theoretische Konstrukte 92 Tonality 289 Trading-up / Trading-down 191 Transaktion(s) 49, 316, 370, 392 – kosten 49, 56, 241, 322, 327, 362, 375, 386, 396 – kostentheorie 47, 49 – kreislauf 56 – leistung 183 – nutzen 56, 364 – wert 57, 60 Transport – kosten 378 – system 380 TV-Spot 270 f., 278, 291 Umfeldkonstellationen 64 Unique Selling Proposition (USP) 73, 75, 222, 227 Unsicherheit 48 Unsicherheitsreduktionsfunktion 87 Unterfunktionen 58 Unvollkommene Information 48, 84, 240 Validität 85 Value-Added-Service 183 Verbund – effekte 184 – leistung 183 – werbung 255 Veredelung 31 Verhaltensabsichten 264 Verkauf 158 Verkäufermärkte 22 f. Verkaufs – abschluss 319 – bezirkseinteilung 343 – förderung 345 – form 327 Verkaufsorgane

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Stichwortverzeichnis – Unternehmenseigene 328 – Unternehmensfremde 328 Verkaufsorganisation – Funktionsorientierte 341 – Gebietsorientierte 338 f. – Kundenorientierte 340 f. – Matrixorganisation 341 f., 354 – Produktorientierte 339 f. Verkaufsorientierung 23 Verkaufsziele – Derivative 326 – Qualitative 327 – Quantitative 326 Verkehrsgeltung 182 Verpackung 129, 307, 366, 374 Versorgungskette 381 Versorgungsobjekte 34 Verträge – Relationale 322 – Sich selbst durchsetzende 321 – Vollkommene 321 Vertragsarten 320 Vertrauenseigenschaften 37, 187, 241 Vertriebsinformationssystem 350 f. Vier P-Ansatz 43 Vollerhebung 100 Vollkommene Information 47 Vollkommene Rationalität 47 Vollkommener Markt 47 Vollständiges Werbewerk 251 Waren 34 Werbebudget 293 Werbeeinsatz – Konjunkturelle Aspekte 296 – Saisonale Aspekte 296 – Werbewirkungsbezogene Aspekte 296 Werbekonstante 290 Werbekonzeption 257 Werbemittel 270

Werbeträger 275, 281 Werbeträgereinzelwirtschaften – Akzidentielle 256 – Dominante 256 Werbewirkungen 261 – Dauerhafte Gedächtniswirkungen 263 – Finale 261 – Momentane 261 Werbeziele 259 – Außerökonomische 259 – Ökonomische 259 Wettbewerber 29 Wettbewerbsstrategien 197 Wirtschaftlichkeitskontrolle 299, 400 Yield Management 196 Zahlungsbedingungen Zeitschrift 277 Zeitung 276 Ziel-Aktivitäten-Methode 336 Zielgruppe(n) – beibehaltung 205 – breite 205 – Elimination 205 – Finale 203 – Innovation 205 – Subfinale 203 – tiefe 205 Zufallsauswahl 100 – Geschichtete 101 – Reine 100 Zugabeverordnung 39 f. Zweifacher Eigentumsübergang 32