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German Pages 171 Year 2007
Thomas Tiefel (Hrsg.) Gewerbliche Schutzrechte im Innovationsprozess
Interdisziplinäres Patentmanagement Herausgegeben von Prof. Dr. Andrea Klug, Prof. Dr. Thomas Tiefel, Prof. Dr. Ursula Versch Fachhochschule Amberg-Weiden
Die Schriftenreihe stellt Forschungsergebnisse aus dem Bereich des Patentmanagements und den damit verbundenen Problemfeldern Gewerblicher Rechtschutz, Recherchetechnik, FuE-, Technologie- und Innovationsmanagement sowie Unternehmensstrategie vor. Über Einzeldarstellungen hinaus soll auch der Gesamtzusammenhang der Probleme und Lösungsansätze vermittelt werden. Durch den ausdrücklichen Theorie- und Praxisbezug stehen neue wissenschaftliche Erkenntnisse mit dem Ziel der konkreten, praktischen Anwendbarkeit im Mittelpunkt.
Thomas Tiefel (Hrsg.)
Gewerbliche Schutzrechte im Innovationsprozess
Deutscher Universitäts-Verlag
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1. Auflage November 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Britta Göhrisch-Radmacher Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8244-0824-5
9RUZRUW Viele am Hochlohnstandort Deutschland ansässige Unternehmen befinden sich heute in einer Situation, die der ehemalige Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Herbert Giersch bereits vor JahrHQDOVÄ:HWWEHZHUEV]DQJH³EH]HLFKQHWH 6LH NRQNXUULHUHQ ]XP HLQHQ PLW Ä:HWWEHZHUEHUQ YRQ XQWHQ³ DXV LQGXVWULHOOHQ Schwellenländern, die reife Technologien und Standortvorteile in Hinblick auf /RKQNRVWHQ5RKVWRIIHVRZLH8PZHOWVFKXW]XQG6R]LDOVWDQGDUGVQXW]HQ=XP anderen müssen sie sich als kompetitiv JHJHQEHU Ä:HWWEHZHUEHUQ YRQ REHQ³ DXV KRFKLQGXVWULDOLVLHUWHQ /lQGHUQ GLH DXI 6SLW]HQWHFKQRORJLHQ LQ 3URGXNWHQ 9HUIDKUHQXQG:HUNVWRIIHQVRZLH.QRZKRZVHW]HQHUZHLVHQ Angesichts dieses Wettbewerbsumfeldes ist für deutsche, in technologieorientierten Branchen agierende Unternehmen, die Fähigkeit Inventionen in erfolgUHLFKH ,QQRYDWLRQHQ ]X WUDQVIRUPLHUHQ ]XU hEHUOHEHQVEHGLQJXQJ JHZRUGHQ Daher verwundert es nicht, dass gegeQZlUWLJ GHP 7KHPD Ä,QQRYDWLRQ³ LQ GHU 3UD[LV HLQH EHUUDJHQGH %HGHXWXQJ EHLJHPHVVHQ ZLUG 'D ]DKOUHLFKH 6WXGLHQ darauf hindeuten, dass ein Großteil der Innovationsvorhaben scheitert und nicht die Höhe des (FuE-)Budgets für den ökonomischen Erfolg von Innovationen ausschlaggebend ist, sondern vielmehr wie diese gemanagt werden, offenbaren VLFK KLHU ZLFKWLJH 9HUEHVVHUXQJVSRWHQ]LDOH LQ +LQEOLFN DXI GLH *HVWDOWXQJ GHU MHZHLOLJHQ EHWULHEOLFKHQ ,QQRYDWLRQVSUR]HVVH 'LHVH 3RWHQ]LDOH JLOW HV QXQ ]X HUVFKOLHHQ In diesem Kontext muss dem ThemengeELHW Ä*HZHUEOLFKH 6FKXW]UHFKWH³ HLQHHUK|KWH$XIPHUNVDPNHLWJHZLGPHWZHUGHQ/DQJH=HLWZXUGHQLQVEHVRQ dere Patente rein aus rechtlicher Perspektive (wobei primär formale und juristisch-materielle Aspekte in den Mittelpunkt gestellt wurden) betrachtet oder lediglich untergeordnet im Rahmen tecKQLVFKHUhEHUOHJXQJHQLQVEHVRQGHUHLP .RQWH[WGHV3URGXNWHQWZLFNOXQJVSUR]HVVHV HU|UWHUW0LWWOHUZHLOH]HLFKQHWVLFK jedoch ab, dass deren betriebswirtschaftliche Bedeutung signifikaQW ]XJHQRP PHQKDW'LHPLWGHU3DWHQWLHUXQJYHUEXQGHQHQVWUDWHJLVFKHQ =LHOHKDEHQVLFK YHUlQGHUW VR GDVV GDV (LQVDW]VSHNWUXm von Patenten heute weit über die Nut]XQJGHULKQHQLPPDQHQWHQ6FKXW]IXQNWLon hinausgeht und dadurch vielschichWLJHUE]ZXPIDQJUHLFKHUJHZRUGHQLVW'DPLWZLUGHLQ:DQGHOYRQGHU3DWHQW YHUZDOWXQJ]XP3DWHQWPDQDJHPHQWQRWZHQGLJ 'DELVGDWRHLQXPIDVVHQGHU$QVDW]ZLHJHZHUEOLFKH6FKXW]UHFKWHYRUGLH sem neuen Hintergrund in den InnovatiRQVSUR]HVV E]Z GDV ,QQRYDWLRQVPDQD JHPHQW ]X LQWHJULHUHQ VLQG IHKOW ZHrden im vorliegenden Band verschiedene $QNQSIXQJVSXQNWHYRUJHVWHOOWXQGHU|UWHUW'HU(LQVWLHJVEHLWUDJÄ)X(,QQR vations- und PatentmanagemeQW (LQH 6FKQLWWVWHOOHQEHVWLPPXQJ³ VROO HLQHQ hEHUEOLFNYHUVFKDIIHQXQGVWHOOWGLH$XIJabenfelder der drei genannten Mana-
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Vorwort
gementgebiete dar. Die dabei vorgenommene Systematisierung nach strategischer und operativer Ebene wird dann dazu genutzt, um mögliche Schnittstellen zu identifizieren und zu beschreiben. Da eine dieser Schnittstellen die strategische Frühaufklärung ist, liefert der GDUDXI IROJHQGH $XIVDW] Ä7HFKQRORJLHOebenszyklus-Modelle - Eine kritische $QDO\VH³]XPHLQHQHLQH*HVDPWEHUVLFKWüber die verschiedenen in der Literatur vorgestellten Modelle und untersucht zum anderen deren deskriptive, analytische, explikative und prognostische Eignung für die konkrete praktische Anwendung. Die Verbesserungen, die der Einsatz von Patentdaten bringen kann, ]HLJW GHU PLW GHP 7LWHO Ä3DWHQWVWDWLVWLVFKH ,QGLNDWRUHQ IU GHQ 9HUODXI YRQ 7HFKQRORJLHOHEHQV]\NOHQ³ EHUVFKULHEene dritte Beitrag. Anhand der Herzschrittmachertechnologie wird untersucht, welche patentstatistischen Kennzahlen in den verschiedenen Phasen des 7HFKQRORJLHOHEHQV]\NOXVVLJQLILNDQWYRQ einander abweichende Ausprägungen aufweisen. ,P.RQWH[WGHU6FKQLWWVWHOOHÄ6WUDWHJLHIRUPXOLHUXQJ³VLQGGLH%HLWUlJHÄ(U teilungspraxis bei Patentanmeldungen und ihre Auswirkungen auf die Strategie YRQ .08V³ XQGÄ)RQGVXQG$XNWLRQHQ1HXH)RUPHQGHU3DWHQWYHUZHUWXQJ³ zu sehen. Der Erstgenannte setzt sich mit dem Problem auseinander, mit welcher Strategie kleine und mittlere Unternehmen auf ein immer komplexeres Patentsystem, die stark gestiegenen Patentanmeldezahlen und die sich wandelnde Erteilungspraxis der Ämter, regieren soll. Der andere Beitrag erörtert unter welchen Bedingungen und wie Patente mittels Fondkonstruktionen und Auktionen vermarktet werden können und sich dadurch neue strategische Optionen zur GLUHNWHQ7HFKQRORJLHYHUZHUWXQJHU|IIQHQ Da für die Vermarktung von Innovationen deren Kennzeichnung bzw. MarNLHUXQJHLQHLPPHUJU|HUH5ROOHVSLHOWOLHIHUWGHUDEVFKOLHHQGH%HLWUDJÄ.RV WHQIUHLH 0DUNHQLQIRUPDWLRQ LP ,QWHUQHW³ HLQHQ YHUJOHLFKHQGHQ hEHUEOLFN EHU die Leistungsfähigkeit von vier Marken-Datenbanken, in denen kostenlos recherchiert werden kann. An dieser Stelle möchte ich auch meinen Dank aussprechen. Dieser gilt allen mitwirkenden Autoren, die sich, trotz ihrer äußerst Zeit konsumierenden Unternehmens-, Forschungs- und LehraktivitäteQ HLQHP VWUHQJHQ 7HUPLQGLNWDW XQ terwarfen und fristgerecht ihre hochaktuellen Beiträge übersandten. Zudem möchte ich mich für die wie immer sehr gute und vor allem unkomplizierte =XVDPPHQDUEHLWPLWGHP7HDPGHV'89EHGDQNHQ 7KRPDV7LHIHO
Inhaltsverzeichnis Thomas Tiefel / Felix Dirschka FuE-, Innovations- und Patentmanagement Eine Schnittstellenbestimmung
1
Thomas Tiefel Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
25
Reinhard Haupt / Martin Kloyer / Marcus Lange Patentstatistische Indikatoren für den Verlauf von Technologielebenszyklen
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Christian Lang Erteilungspraxis bei Patentanmeldungen und ihre Auswirkungen auf die Strategie von KMUs
71
Stephan Lipfert / Juliane Ostler Fonds und Auktionen: Neue Formen der Patentverwertung
85
Ursula Versch / Alexandra Skubacz-Feucht Kostenfreie Markeninformation im Internet
107
Autoren und Herausgeber
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FuE-, Innovations- und Patentmanagement - Eine Schnittstellenbestimmung Thomas Tiefel / Felix Dirschka
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Einleitung
Die Wettbewerbssituation von Technologieunternehmen ist heute durch die zunehmende Geschwindigkeit und Vielfalt der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung, eine globalisierte Wirtschaft mit gestiegener Konkurrenzahl, den immer rascheren Wandel der Kundenbedürfnisse, deutlich geschrumpfte Produktlebenszyklen sowie Megafusionen in Industrie und Handel geprägt.1 Auf diese Entwicklung reagieren viele deutsche Unternehmen mit offensiven Innovationsanstrengungen, aus denen steigende Ausgaben für Forschung und Entwicklung resultieren, die im Jahr 2006 eine Gesamtsumme in Höhe von 48 Mrd. Euro erreicht haben.2 Da ein konstanter Zusammenhang zwischen der FuE-Aktivität und der Anzahl der erzielten Erfindungen angenommen werden kann, werden Patente als outputorientierter Indikator der technologischen und innovativen Tätigkeiten von Unternehmen betrachtet.3 In innovationsgetriebenen Branchen haben Patente in den letzten Jahren eine erfolgskritische Bedeutung bekommen.4 Dies hängt nicht zuletzt mit der Tatsache zusammen, dass sie als multifunktionale strategische Waffe im deutlich härter gewordenen Wettbewerb eingesetzt werden können.5 Das Nutzungsspektrum von Patenten hat sich weit über die ihnen inhärente imitationshemmende Wirkung ausgedehnt und berührt mittlerweile alle Bereiche des Innovationsund Wertschöpfungsprozesses. Beispielsweise werden Patente mit oder ohne der dazugehörigen Technik zur Erzielung von Erlösen eingesetzt, fungieren als Tauschwährung in abgeschotteten oligopolistisch Märkten und können zur 1 2
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Vgl. OECD (2004), S. 15 ff.; Zum Phänomen des Hyperwettbewerbs siehe zusammenfassend 7LHIHO 6IIXQGJUXQGOHJHQG'¶$YHQL Vgl. IHK (2006), S. 14. Im Jahr 2005 waren die Gesamtausgaben der deutschen Wirtschaft für Forschung und Entwicklung gegenüber dem Vorjahr bereits um 2,16 % auf 47,3 Mrd. Euro, gestiegen, vgl. ebd., S. 14. Vgl. Haupt et al. (2004), S. 5; Soppe/Stephan (2006), S. 12 ff. 9JO(UQVWE 6I2(&' 6YRQ3LHUHU 6'LHVLVWYRUDOOHP an den deutlich intensivierten Patentanmeldeaktivitäten zu erkennen. Neben 60.500 Patentanmeldungen beim DPMA im Jahr 2006, was einer Steigerungsrate von 4,7 % im Vergleich zu 2004 entspricht, nahmen die Anmeldungen beim EPA im gleichen Betrachtungszeitraum um DXI]XYJO'30$ 6(3$ 6 Vgl. Tiefel/Haas (2005), S. 44 ff.
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technologischen Voraussage oder zur Analyse von Wettbewerbern genutzt werden. Aufgrund der oben skizzierten Entwicklungen ist es Zielsetzung dieser Arbeit zu untersuchen, wo Schnittstellen zwischen dem Forschungs- und Entwicklungs-, dem Innovations- und dem Patentmanagement liegen und eine engere Verknüpfung gegebenenfalls sinnvoll wäre. Zu diesem Zweck werden für jedes der genannten Gebiete zuerst grundlegende Managementansätze skizziert. Vor diesem Hintergrund erfolgt anschließend die Beschreibung der jeweiligen Aufgabenfelder, wobei eine Systematisierung nach strategischer und operativer Ebene vorgenommen wird. Diese Systematisierung wird dann dazu genutzt um abschließend zu zeigen, wo sich Schnittstellen zwischen den drei Managementgebieten identifizieren lassen. 2
Forschungs- und Entwicklungsmanagement
In den folgenden Abschnitten wird zuerst ein Überblick über verschiedene Managementansätze für den Bereich Forschung- und Entwicklung (FuE) gegeben, um dann vor diesem Hintergrund die strategischen und operativen Aufgaben des FuE-Managements darzustellen. 2.1
Ansätze des Forschungs- und Entwicklungsmanagements
Forschung und Entwicklung als Kombination einzelner Produktionsfaktoren, welche die Gewinnung neuen Wissens ermöglichen, stellt die Leitidee des FuEManagementverständnisses nach Brockhoff dar.6 Für ihn erstreckt sich der FuEManagementprozess über die Phasen Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Entwicklung, wobei er jedoch deutlich hervorhebt, dass sich die einzelnen Zeitabschnitte bzw. deren Aktivitäten überlappen können. Bei der Grundlagenforschung steht die Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ohne Orientierung an einer praktischen Anwendung im Mittelpunkt.7 Die angewandte Forschung nimmt die Ergebnisse der Grundlagenforschung auf, und versucht neue wissenschaftliche Erkenntnisse mit dem Ziel der praktischen Anwendbarkeit zu gewinnen. Die Entwicklung baut auf bestehende praktische und forschungsbedingte Erkenntnisse auf und zielt auf die Verbesserung bereits existierenden sowie die Generierung neuer Produkte und Verfahren ab. Bürgel et al.8 konzipieren ihren FuE-Managementansatz vor dem Hintergrund der sich vollziehenden Umorientierung in der Mitte der 1990er Jahre. Lange Zeit agierten FuE-Bereiche (relativ) losgelöst vom anderen betrieblichen 6 7 8
Vgl. Brockhoff (1999), S. 48, 51 ff. Die Grundlagenforschung kann noch in die reine und die zweckorientierte Grundlagenforschung differenziert werden. Vgl. Bürgel et al. (1996), S. 11 ff., 23 ff.
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Geschehen, woraus eine Art Sonderstatus resultierte. Von Bürgel et al. wird der FuE-Prozess nun als Teil des Wertschöpfungsprozesses gesehen, der dort gleichrangig mit den anderen betrieblichen Funktionen eingebettet ist. Der FuEManagementprozess erstreckt sich analog zu Brockhoff, über die Phasen Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Entwicklung. Für die Entwicklungsphase führen Bürgel et al. allerdings erweiternd die Differenzierung zwischen experimenteller und konstruktiver Entwicklung ein. Bei der Ersten handelt es sich um die Nutzung neuer wissenschaftlicher und/oder technischer Erkenntnisse, um zu neuen oder wesentlich verbesserten Produkten oder Verfahren zu gelangen. Bei der Zweiten sind die Entwicklungsaktivitäten darauf ausgerichtet, Erzeugnisse zu realisieren, denen eine neue Kombination von bereits genutzten Realphänomenen zugrunde liegt. Specht et al.9 sehen FuE als eine Summe von Aktivitäten und Prozesse, die zu neuen materiellen und/oder immateriellen Gütern führen. In diesem Sinne generiert FuE neues Wissen und eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten für bereits vorhandenes Wissen. Der FuE-Prozess wird von ihnen in Grundlagenforschung, Technologieentwicklung, Vorentwicklung sowie Produkt- und Prozessentwicklung gegliedert. Die im Vergleich zu Brockhoff und Bürgel et al. neue Phase der Technologieentwicklung, beinhaltet alle Aktivitäten zur Gewinnung sowie Weiterentwicklung von Wissen oder Fähigkeiten, die der Lösung praktischer Probleme mit Hilfe der Technik dienen sollen. Ziel der Technologieentwicklung ist der Aufbau und die Sicherung technologischer Leistungspotentiale bzw. technologischer Kernkompetenzen.10 Die Vorentwicklung stützt sich neben naturwissenschaftlich-technischem erstmals auch auf ökonomischanwendungsorientiertes Wissen. Somit leiten sich Aufgaben, wie die konkrete Entwicklung von Technologien,11 die Prüfung der technischen Umsetzbarkeit neuer Technologien in Produkte bzw. Prozesse sowie die Definition von Produktkonzepten, ab. Die konkrete Entwicklung eines Produktes und/oder eines Prozesses mit neuen oder veränderten Technologien erfolgt in der Produkt- und Prozessentwicklung. Endergebnis ist die Einführung eines neuen Produktes am Markt und der damit verbundene Beginn eines neuen Produktionsprozesses. Die aus den oben dargestellten Ansätzen erkennbaren Verständnisunterschiede machen es für den weiteren Verlauf dieser Arbeit erforderlich, das Gebiet des FuE-Managements klar abzustecken: FuE-Management umfasst alle Aktivitäten im Unternehmen, die zu neuen materiellen oder immateriellen Gütern führen, welche in konkreten und wirtschaftlich verwertbaren Problemlösungen umgesetzt werden können. Auf den Wertschöpfungsprozess bezogen 9
Vgl. Specht et al. (2002), S. 14 ff. Damit ist für Specht et al. (2002), S. 15 der Begriff der Technologieentwicklung weitgehend bedeutungsgleich mit dem Begriff der angewandten Forschung. 11 %HL6SHFKWHWDO 6DOVÄ$usentwicklung von TechnolRJLHQ³EH]HLFKQHW 10
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beginnt FuE-Management somit in der Beobachtungsphase, erstreckt sich über die Phasen Grundlagenforschung, angewandte Forschung sowie Vorentwicklung und endet mit der Produkt- bzw. Prozessentwicklungsphase. Die Aufgabenfelder, welche aus dieser Auffassung resultieren, werden im folgenden Abschnitt genauer betrachtet. 2.2
Aufgabenfelder des Forschungs- und Entwicklungsmanagements
2.2.1
Strategische Aufgaben des Forschungs- und Entwicklungsmanagements
Die Aufgaben des FuE-Managements können in solche auf strategischer und operativer Ebene unterteilt werden. Strategische Aufgaben zielen darauf ab, mittels der Identifikation, Schaffung und Sicherung von Erfolgspotenzialen sowie der Bestimmung der externen und internen Ausrichtung des Unternehmens Wettbewerbsvorteile zu erlangen und das langfristige Überleben des Unternehmens zu sichern.12 Damit stellen die Gestaltung der FuE-Organisation, die FuE-Ressourcenakquisition und -entwicklung, die Technologiefrüherkennung, die strategische Umwelt- und Unternehmensanalyse, die Formulierung der FuEStrategien sowie deren Transformation in FuE-Programme, als auch die strategische FuE-Kontrolle strategische Aufgaben dar.13 Die Ausführung strategischer Aufgaben bedarf zunächst einer adäquaten FuE-Organisation, wobei die Einbindung des FuE-Managements in die Unternehmensorganisation von der Gestaltung der Primärorganisation abhängig ist. Diese bestimmt sowohl die Außen- als auch die Innenstrukturierung des FuEBereichs. In enger Verbindung mit der FuE-Organisation steht die Ressourcenakquisition und -entwicklung, die im FuE-Management analog den allgemeinen Managementfunktionen Personaleinsatz und Führung zu sehen ist. Die zuvor in der FuE-Organisation entworfenen und verankerten Führungssysteme sind insbesondere durch die Akquisition und Entwicklung geeigneter Mitarbeiter weiter auszubauen. Gelingt es, neue Produkte und Prozesse schneller als die Konkurrenz auf den Markt zu bringen, so eröffnen sich (zumindest kurzfristige) monopolistische Vorteile. Dadurch kommt der Technologiefrüherkennung eine entscheidende Bedeutung zu. Sie umfasst auf der Grundlage schwacher Signale die frühzeitige Identifikation und Prognose von technologischen Entwicklungen inner- und außerhalb der eigenen Geschäftsfelder. Dabei gilt es insbesondere die Grenzen bekannter Technologien zu ermitteln, Weiterentwicklungspotenziale neuer 12 13
Vgl. Tiefel/Schuster (2006), S. 23. Siehe zu den verschiedenen Teilaufgaben auch Brockhoff (1999), S. 151 ff.; Bürgel et al. (1996), S. 67 ff., 101 ff., 332 ff.; Koller (2002), S. 343 ff.; Specht et al. (1996), S. 22 f., 77 ff., 91 ff., 104 ff., 110 ff., 327 ff., 455 ff.
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Technologien abzuschätzen, Substitutionsbeziehungen zwischen Technologien zu erkennen und mögliche technologische Diskontinuitäten aufzuspüren. Die sich anschließende strategische Umwelt- und Unternehmensanalyse untersucht sowohl die Chancen und Risiken am Markt als auch die Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens aus der FuE-Perspektive. Dabei werden unternehmensexterne und -interne Entwicklungen miteinander in Beziehung gebracht. Unternehmensextern werden technologieorientiert die Rahmenbedingungen in der erweiterten marktlichen Makroumwelt und in den für das Unternehmen relevanten Branchen untersucht. Die unternehmensinterne Stärken- und Schwächenanalysen beinhaltet insbesondere die Ermittlung der Unternehmensposition in den bearbeiteten Technologie- und Geschäftsfeldern. Die Ergebnisse der strategischen Analyse sind ihrerseits die Grundlage für Prognosen, um mittels quantitativer und qualitativer Methoden Voraussagen über die zukünftige Markt- und Unternehmenssituation treffen zu können. Auf Basis des aus der Unternehmensvision abgeleiteten FuE-Leitbildes, welches in weniger abstrakte FuE-Leitideen transformiert wird, und der Unternehmensgesamtstrategie, sind FuE-Strategien zu formulieren. Diese bestimmen insbesondere die grundlegenden FuE-Inhalte, die FuE-Beschaffungs- und Verwertungswege sowie das FuE-Timing. Anschließend werden die FuE-Strategien in konkrete FuE-Programme überführt, welche den Rahmen für die auf operativer Ebene durchzuführenden Projekte bildet. Die letzte Aufgabe stellt die strategische Kontrolle dar, welche eine laufende Überprüfung des Inhalts der Strategie und der Wirksamkeit ihrer Umsetzung umfasst. Im Vordergrund steht dabei die Effektivität der FuE. 2.2.2
Operative Aufgaben des Forschungs- und Entwicklungsmanagements
Das Spektrum der operativen Aufgaben umfasst die projektbezogenen FuEAktivitäten. Zu diesen zählen die FuE-Projektprogrammplanung, die Budgetierung, die operative Personalbedarfs- und Personaleinsatzplanung sowie die Projektabwicklung und -kontrolle.14 Die Umsetzung auf operativer Ebene beginnt mit der FuE-Projektprogrammplanung, in deren Zentrum die Bewertung, Auswahl und Priorisierung von Projekten steht. Die FuE-Projektbewertung orientiert sich vor dem Hintergrund eines gegebenen strategischen Rahmens primär an der Effizienz. Neben eindimensionalen Verfahren, wie der klassischen Investitionsrechnung oder Nutzwertanalysen, kommen auch mehrdimensionale Verfahren zum Einsatz.
14
Vgl. Brockhoff (1999), S. 247 ff., 327 ff.; Bürgel et al. (1996), S. 116 ff., 204 ff., 290 ff., 302 ff., 319 ff.; Specht et al. (1996), S. 23 ff., 201 ff., 295 ff., 469 ff., 499 ff. Häufig wird der Begriff des FuE-Projektmanagements als Synonym für das operative FuE-Management verwendet, vgl. Fischer/Lange (2002), S. 360; Schelle (2002), S. 265 f.
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Auf der Grundlage der Bewertungsergebnisse werden geeignete Projekte ausgewählt, kategorisiert und priorisiert. Häufig wird zuerst eine Vorauswahl getroffen, welche dann die Grundlage für die spätere endgültige Projektauswahl darstellt. Die Budgetierung ordnet den ausgewählten Projekten jeweils ein finanzielles Volumen, das zu deren Umsetzung zur Verfügung steht, zu. Die operative Personalbedarfs- und Personaleinsatzplanung ermittelt für jedes Projekt den notwendigen Bedarf an Sach- und Humanressourcen und ordnet diese entsprechend den unterschiedlichen Projekten zu. Im Rahmen der Projektabwicklung sind Projekte hinsichtlich des zeitlichen Umfangs, der Projektorganisation und der Qualitätssicherung zu gestalten sowie Lasten- und Pflichtenhefte zu erstellen. Die Projektkontrolle soll das Abweichen von Projektplänen frühzeitig erkennen und darauf aufbauend, adäquate Maßnahmen zum Ausgleich der Abweichungen, bereitstellen. 3
Technologieorientiertes Innovationsmanagement
In den folgenden Abschnitten wird zuerst ein Überblick über verschiedene Ansätze zum technologieorientierten Innovationsmanagement (TIM) gegeben, um dann vor diesem Hintergrund dessen strategische und operative Aufgaben darzustellen. 3.1
Ansätze des technologieorientierten Innovationsmanagements 15
Thom differenziert in seinem bereits 1980 vorgestellten Ansatz zum Innovationsmanagement die Phasen Ideengenerierung, Ideenakzeptierung und Ideenrealisierung. Dabei unterteilt sich die erste Phase in die Schritte Suchfeldbestimmung, Ideenfindung und Ideenvorschlag. Im sich anschließenden Abschnitt der Ideenakzeptierung, kommt es neben der Prüfung einzelner Ideen auch zur Erstellung von Realisationsplänen und zur Entscheidung für einen Plan. Die dritte Phase der Ideenrealisierung umfasst neben der Umsetzung und dem Absatz der Idee auch die Akzeptanzkontrolle. Dabei sind Rückkopplungen zu bereits durchlaufenen Phasen der Regelfall, wodurch der Innovationsprozess auch als iterativer Lernprozess betrachtet werden kann. Im Phasenmodell von Geschka16 wird der Innovationsprozess durch die Vorphase initiiert, die aufgrund der zentralen Bedeutung der Planung von Innovationen in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. Somit umfasst diese die strategische Orientierung, die Ideenfindung sowie die Bewertung und Auswahl der Strategie. An die Vorphase schließen sich die Phasen der Planung und Kon-
15 16
Vgl. Thom (1980), S. 53 ff. Vgl. Geschka (1993), S. 160 ff.
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zeptfindung, der Produkt- und Verfahrensentwicklung, des Aufbaus der Produktion sowie der Markteinführung an. Während sich Geschka auf die Anfangsphase des Innovationsprozesses fokussiert, erweitert Brockhoff17 den Ansatz von Thom um die Abbruchsentscheidung. Als mögliche Ursachen für einen Abbruch führt Brockhoff sowohl technische als auch ökonomische Misserfolge an. Zudem nimmt er eine Differenzierung in geplante und ungeplante Inventionen vor und zeigt, dass im Rahmen eines weiten Innovationsverständnisses ein adäquates Prozessmodell auch die Phasen der Marktdurchsetzung und Imitation durch Wettbewerber beinhalten muss. Wie Brockhoff berücksichtigen Pleschak/Sabisch18 in ihrem Innovationsmodell den Faktor Misserfolg, differenzieren dieses jedoch mit insgesamt sechs Phasen feiner aus und legen es kybernetisch an. Dabei messen sie der Initialphase der Problemerkennung und Problemanalyse eine besondere, weitreichende Bedeutung bei und interpretieren den gesamten Innovationsprozess als Problemlösungsprozess. Als weitere Besonderheit integrieren Pleschak/Sabisch in ihr Modell externe Einflüsse auf den Innovationsprozess. Diese reichen von Entwicklungen in den Bereichen Ä7HFKQRORJLH³ RGHU Ä.XQGHQEHGUIQLVVH³ EHU .RRSHUDWLRQHQ PLW DQGHUHQ 8QWHUQHKmen in der FuE-Phase bis hin zur Lizenznahme oder dem Lizenzverkauf. Hauschildt19 konzentriert sich in seinem Ansatz zum Innovationsmanagement auf den Aspekt der Nutzbarmachung einer Invention, d. h. die Einführung eines neuen Produktes auf dem Markt bzw. den Einsatz eines neuen Verfahrens im Fertigungsprozess. In leicht vereinfachter, sequenzieller Darstellung folgt der Ideengenerierungsphase die der Realisierung. In der Letztgenannten müssen zuerst Auffälligkeiten, bisher unbekannte Abhängigkeiten oder neue Materialien entdeckt werden. Anschließend erfolgt die theoretische Fundierung und empirische Überprüfung der gemachten Entdeckung in der Forschung. Die darauf folgende Entwicklung leistet dann die praktische Umsetzung der Forschungsergebnisse in Prototypen und Funktionsmustern. In der Erfindungsphase werden schließlich Entwicklungsobjekte mit definierten Merkmalen ausgewählt und patentiert. Mit der Produkt- oder Verfahrenseinführung endet der Innovationsprozess und geht dann in den laufenden Verwertungsprozess über. Als wesentliche Erweiterung ergänzen Vahs/Burmester20 in ihrem Ansatz den Innovationsprozess mit einem simultanen Innovationscontrolling, welches eine systematische und zielorientierte Durchführung des Phasenablaufs gewährleisten soll. Die Diskrepanz zwischen dem in der Situationsanalyse ermittelten 17 18 19 20
Vgl. Brockhoff (1999), S. 36 ff. Vgl. Pleschak/Sabisch (1996), S. 24 ff. Vgl. Hauschildt (1997), S. 19 ff. Vgl. Vahs/Burmester (2002), S. 89 ff.
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Ist-Zustand und dem angestrebten Soll-Zustand, gibt den Anstoß zur Suche nach Produkt- oder Verfahrensinnovationen. Das durch den Soll-Ist-Vergleich erkannte Problem macht es erforderlich, Maßnahmen zur Gewinnung von Problemlösungsvorschlägen (Ideen) zu ergreifen. Die gewonnenen Lösungsansätze sind anschließend systematisch zu erfassen und zu speichern. Nach dem Ideenscreening werden die verbliebenen Lösungsansätze hinsichtlich ihrer Eignung zur Zielerreichung bewertet. Diese Bewertung ist die Grundvoraussetzung für die nachfolgende Auswahlphase, welche dann in die Umsetzung mündet. Der Innovationsprozess ist schließlich mit der Markteinführung abgeschlossen. Im Rahmen dieser Arbeit umfasst TIM die Organisation, Führung, Planung und Kontrolle aller Aktivitäten im Unternehmen, bei denen es primär um die Bereitstellung von Technologien sowie deren Einsatz in Produkten oder Prozessen geht, so dass neue Technologie/Produkt- oder Technologie/ProzessKombinationen entstehen, welche intern oder extern erfolgreich verwertet werden können. Der Prozess des TIMs erstreckt von den bereits im FuEManagement vorgestellten Wertschöpfungsphasen über die Produktion bis hin zur Phase der Produkteinführung am Markt. Im folgenden Abschnitt werden nun die damit verbundenen Aufgaben dargestellt. 3.2
Aufgabenfelder des technologieorientierten Innovationsmanagements
3.2.1
Strategische Aufgaben des technologieorientierten Innovationsmanagements
Vor dem Hintergrund des obigen TIM-Verständnis und dem bereits in Kapitel 2.2 dargestellten Charakter des Strategischen, stellen die Entwicklung einer innovationsfördernden Unternehmensorganisation und -kultur, die strategische Frühaufklärung, die strategische Umwelt- und Unternehmensanalyse, die Formulierung der Innovationsgesamtstrategie sowie die strategische Innovationskontrolle die strategischen Kernaufgaben des TIMs dar.21 Da die Umsetzung von Innovationen zu einem wesentlichen Teil von der Implementierungsbereitschaft und -fähigkeit der daran beteiligten Mitarbeiter in einem Unternehmen abhängt, muss eine innovationsfördernde Unternehmensorganisation und -kultur entwickelt werden. Hierfür ist eine am Innovationsprozess orientierte Aufbau- und Ablauforganisation zu gestalten, so dass interdisziplinäres Arbeiten erleichtert, Kreativität gefördert und die Umsetzung von Neuem routinisiert wird. 21
Vgl. Tiefel/Schuster (2006), S. 23 f. Siehe zudem Bullinger (1994), S. 39 ff.; Gerpott (2005), S. 59 ff., 101 ff., 142 ff.; Hammer (1998), S. 245 ff.; Hauschildt (1997), S. 25 ff.; Koller (2002), S. 343 ff.; Specht/Mieke (2004), S. 400 ff.; Stern/Jaberg (2003), S. 163 ff.; Tschirky (1998), S. 193 ff.; Wolfrum (1994), S. 134 ff., 171 ff., 250 ff., 446 ff.; Wolfrum (1995), S. 247 ff.
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Die frühzeitige Erfassung, Analyse, Bewertung und Verarbeitung schwacher Signale, die auf erfolgskritische Entwicklungen hindeuten, obliegt der strategischen Frühaufklärung. Sie zielt auf die permanente intensive Überwachung aller innovationsrelevanten Sachverhalte in den strategischen Geschäftsfeldern und im weiteren Umfeld eines Unternehmens ab. Diese Aufgabe beinhaltet insbesondere die Identifikation von neu aufkommenden Technologien, Diskontinuitätsgefahren, Markt- und Kundentrends sowie neuen Geschäftspotenzialen. Im Rahmen der strategischen Umweltanalyse sind technologieorientierte Konkurrenz- und Zuliefereranalysen sowie Kundenanalysen durchzuführen. Während die Aufgabe der technologieorientierten Konkurrenzanalyse in der Beschaffung, Speicherung und Auswertung von Informationen über Innovationsaktivitäten relevanter Wettbewerber liegt, beschäftigt sich die Zuliefereranalyse äquivalent mit Informationen bezüglich für das eigene Unternehmen relevanter Lieferanten von Inputfaktoren. Die Kundenanalyse umfasst die Auswertung von Informationen über bei (potenziellen) Kunden zu lösenden Problemfeldern und die damit beim Abnehmer verbundene Bedürfnisstruktur. Im Rahmen der strategischen Unternehmensanalyse sind die eigenen Stärke und Schwächen zu ermitteln. Kernaufgaben sind hierbei die Bestimmung der eigenen Produkt- und Technologieposition und die Identifikation von Kernkompetenzen, welche dazu beitragen, die gegenwärtige Wettbewerbsposition zu sichern und zukünftigen Erfolg zu ermöglichen. Die Formulierung der Innovationsgesamtstrategie umfasst die Festlegung und Abstimmung der folgenden Teilstrategien: Technologiewahl-, Technologiebeschaffungs-, Technologieverwertungs-, Geschäftsfeld-, Geschäftsmodell-, Markteintritts-, Marktbearbeitungs- und Timingstrategie. Es geht somit um die konsistente Beantwortung aller Fragen, die gestellt werden müssen, um ein technologisches Problemlösungspotenzial in ein kompetitives Produkt zu transformieren und erfolgreich auf dem Markt einzuführen. Im Zuge der strategischen Innovationskontrolle muss schließlich der Umfang und Erfolg der technologischen Innovationsaktivitäten eines Unternehmens gemessen und beurteilt werden. 3.2.2
Operative Aufgaben des technologieorientierten Innovationsmanagements
Während die strategische Sichtweise ihren Fokus auf die Effektivität legt, liegt der Schwerpunkt im operativen Bereich auf der Effizienz. Im operativen TIM stehen daher die Parameter Kosten, Funktionen, Qualität und Termine im Mittelpunkt der Betrachtung.22 Im deutschen Sprachraum wird auch im TIM, wie bereits beim FuE-Management, der Begriff des Projektmanagements synonym 22
Vgl. Horsch (2003), S. 137 f.; Kramer/Kramer (1997), S. 270 f.
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mit dem des operativen Managements verwendet.23 Aus diesem Grund sind die im operativen FuE-Management beschriebenen Aufgabenfelder für das operative TIM als weitgehend identisch anzusehen. Erweiterungen des operativen Aufgabenspektrums24 stellen die Herstellung virtueller und physischer Prototypen, die innerbetriebliche Wissensvernetzung, die Optimierung der Zusammenarbeit multidisziplinärer Teams sowie die Vorbereitung der Produkt- oder Verfahrenseinführung am Markt dar. Letzteres wird hauptsächlich in Kooperation mit dem Marketing-, dem Produkt- und dem Key Account Management geleistet. Im Rahmen der Absatzvorbereitung sind die Vertriebsmitarbeiter zu schulen, Verkaufsunterlagen zu erstellen, Verträge mit den Kunden abzuschließen, die physische Distribution und Logistik aufzubauen und die Kommunikationsmaßnahmen (z.B. Werbung, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit, Sponsoring, Events) zu gestalten. 4
Patentmanagement
In den folgenden Abschnitten wird zuerst ein Überblick über verschiedene Ansätze des Patentmanagements (PM) gegeben, um dann vor diesem Hintergrund dessen strategische und operative Aufgaben darzustellen. 4.1
Ansätze des Patentmanagements
Für Faix25 soll das Patentmanagement die patentbezogenen Erfolgspotenziale eines Unternehmens identifizieren und ausschöpfen, wobei er hervorhebt, dass er dies als wichtiges Teilgebiet der Unternehmensführung und des Marketings betrachtet. Da bei ihm die strategische Ebene im Vordergrund steht, setzt sich sein Patentmanagementprozess aus den Phasen der Planung, Realisierung und Kontrolle patentbezogener Strategien zusammen. Die Planungsphase lässt sich in die Teilschritte der Feststellung des Patentbedarfs, des Entwurfs patentstrategischer Konzepte, der Durchführung von Wirkanalysen sowie der Bewertung und Auswahl einer Patentstrategie differenzieren. Die sich an die Ermittlung des Patentbedarfs anschließende Entwurfsphase betrachtet den gesamten Zeitraum von der Patentanmeldung bis zum Ende der Patentlaufzeit. Unter Einbeziehung aller hierbei gewonnen Ergebnisse werden patentstrategische Optionen generiert. Im Anschluss daran bilden Wirkanalysen die Grundlage der Bewertung und Auswahl einer Patentstrategie. Im letzten Schritt kommt es dann zur Entscheidung über die zu realisierende Strategie sowie zur endgültigen Festlegung des Anmeldeverhaltens. Ab diesem Zeitpunkt geht das Patentmanagement in die 23 24 25
Siehe dazu auch Posch (2003), S. 211 ff. Vgl. Capon (2003), S. 42 ff., 60 ff.; Fischer/Lange (2002), S. 360 ff.; Schelle (2002), S. 265 ff.; Spath/Renz (2005), S. 240 ff. Vgl. Faix (1998), S. 80, 330 f., 343 ff.; Faix (2001a), S. 517 ff.; Faix (2001b), S. 143 ff.
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operative Ebene über. Als Zwillingsfunktion zur strategischen Planung werden im Rahmen der strategischen Kontrolle die gewählte Strategie und Patentposition permanent überprüft, um dadurch nötigen Handlungsbedarf rechtzeitig zu erkennen. Die Auffassung, dass das Patentmanagement das Technologiemanagement in seinem Prozess der internen und externen Technologiegewinnung, -speicherung und -verwertung unterstützt, stellt den Grundgedanken von Ernst26 dar. In der Phase der Technologiegewinnung erhält das FuE-Management insbesondere bei der Durchführung von Wettbewerberanalysen und bei der Technologiebewertung Hilfestellung durch das PM. Dabei dienen Portfolioanalysen als Instrument zur Entscheidungsfindung und zur Abstimmung der Patent- mit der Technologie- und der Unternehmensgesamtstrategie. Neben der internen Unterstützung kann das PM zur Identifikation und Bewertung externer Quellen der Technologiegewinnung beitragen. In der nächsten Phase sind die gewonnenen Technologien durch technologieorientierte Informationssysteme und mittels des FuE-Personalmanagements im Unternehmen zu speichern. In der letzten Phase, der Technologieverwertung, kommt die Schutzfunktion von Patenten zum tragen, da sie sowohl bei der internen als auch bei der externen Verwertung technologischen Wissens hilfreich sein kann. Zum einen kann eine starke Patentposition einen Wettbewerbsvorsprung vor der Konkurrenz sichern und damit den ökonomischen FuE-Erfolg positiv beeinflussen. Zum anderen bieten Patente die Möglichkeit, technologisches Wissen extern, insbesondere durch Verkauf, Lizenzierung oder Cross-Licensing, zu verwerten. Wurzer27 konzipiert seinen Ansatz des Patentmanagements aus einer wertorientierten Perspektive. Hierbei konzentriert er sich primär auf den Mittelstand und die Betrachtung von Erfindungen bzw. Ideen als dessen wichtiges Kapital. Für ihn muss das PM streng an den Geschäftszielen des Unternehmens anknüpfen. Neben der Stärkung der eigenen Marktposition durch konsequenten Produkt- und Verfahrensschutz ist auch die Kapitalleistung zu verbessern. Letzteres lässt sich z. B. durch eine aktive Nutzung des Patentportfolios am Kapitalmarkt und durch die Realisierung von Kosteneinsparungspotentialen im Patentportfolio realisieren. Da sich für Wurzer der Trend zu Intellectual Property (IP) basierten Geschäftsmodellen zukünftig noch stärker fortsetzen wird, ist es erforderlich die ökonomischen Nutzungsmöglichkeiten geistigen Eigentums noch besser zu verstehen. Deshalb liegt die wirkliche Herausforderung im betriebswirtschaftlichen Management von Schutzrechten, wozu er vier grundsätzliche Strategien vorstellt. Wird das IP-Management als Schutz-Center verstanden, so 26 27
Vgl. Ernst (2002a), S. 214 ff.; Ernst (2002b), S. 294 ff., 309 ff.; Ernst (2003), S. 233 f.; Ernst/Omland (2003), S. 96 f., 98 ff. Vgl. Hundertmark et al. (2007), S. 110 ff.; Reinhardt/Wurzer (2006), S. 266 ff.; Wurzer (2004), S. 9, 12 ff.; Wurzer (2006), S. 34 ff.; Wurzer/Kaiser (2006), S. 23 ff.
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steht die Sicherung des Know-how-Vorsprungs des Unternehmens im Mittelpunkt. Beim Cost-Center-Ansatz hingegen, soll das Kosten/Nutzen-Verhältnis des gesamten Patentbestands optimiert werden. Bei beiden Ansätzen nutzen Unternehmen innovative Lösungen entlang der vorhandenen Wertschöpfungskette, indem sie bereits bestehende Produkte verbessern oder neue auf den Markt bringen. Die Schaffung einer zweiten Wertschöpfungskette, bei welcher Patente selbst einen direkten monetären Ertrag liefern, stellt den Profit-CenterAnsatz dar. Werden erste und zweite Wertschöpfungskette in ein gemeinsames Geschäftsmodell integriert, charakterisiert dies das Asset-Center. Gassmann/Bader28 differenzieren im Rahmen ihres Patentmanagementansatzes die Phasen der Generierung, Bewertung und Verwertung (bzw. Kommerzialisierung) von Patenten. Die Patentgenerierung kann zum einen intern durch eigene Anmeldungen oder extern durch den Kauf, die Einlizenzierung oder den Abschluss von Kooperation erfolgen. In der zweiten Phase rückt die Bewertung von Patenten und Patentbeständen als Grundlage der Entscheidungsfindung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Diese Phase gliedert sich in die Schritte interne und externe Analyse sowie Strategiefestlegung. Von der verfolgten Patentstrategie, die nach Gassmann/Bader offensiv, defensiv oder offensiv/defensiv ausgeprägt sein kann, sind sowohl die Patentbeschaffung als auch die spätere Verwertung abhängig. Bei der internen und externen Verwertung von Patenten, konzentrieren sie sich auf die Möglichkeiten zur Erlangung von Handlungsfreiheit, zur Blockade von Wettbewerbern oder zur Erzielung von Lizenzeinnahmen. Anhand der oben dargestellten Ansätze wird deutlich, dass bisher ein sehr heterogenes PM-Verständnis vorherrscht. Als Kerncharakteristikum des PMs kann jedoch festgehalten werden, dass es einen Beitrag dazu leisten soll, patentbezogene Erfolgspotenziale zu generieren und auszuschöpfen. Um diese Sichtweise weiter auszuarbeiten, werden im folgenden Abschnitt die daraus resultierenden Aufgabenfelder des PMs erläutert. 4.2
Aufgabenfelder des Patentmanagements
4.2.1
Strategische Aufgaben des Patentmanagements
Das strategische Management von Patenten besitzt die Kernaufgabe mittels der Planung und Kontrolle der Patentposition des Unternehmens, einen Beitrag zur Identifikation, Schaffung und Sicherung der betrieblichen Erfolgspotenziale und der Generierung von Wettbewerbsvorteilen zu leisten. Folgende Teilaufgaben leiten sich daraus ab: Die Gestaltung einer patentfördernden Unternehmensorganisation und -kultur, der Aufbau eines internen Patentinformationssystems, 28
Vgl. Gassmann/Bader (2006), S. 1 f., 27, 31 ff., 53 ff., 83 ff.
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die Bestimmung der externen Schnittstellen, die Durchführung strategischer patentbezogener Analysen, die Formulierung der Patentgesamtstrategie und die strategische Patentkontrolle.29 Die Unterstützung des Patentmanagements durch das Top-Management ist für dessen Effektivität und Stellenwert im Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Deshalb ist die organisatorische Verankerung des Patentwesens sowie die damit verbundene Zuteilung von Kompetenzen und Ressourcen eine primäre strategische Aufgabe. In der Gestaltung einer patentfördernden Unternehmensorganisation und -kultur spiegelt sich die grundsätzliche Haltung des Unternehmens gegenüber schutzrechtsbezogenen Themen wider. Komplementär ist ein adäquates internes Patentinformationssystem aufzubauen. Dieses soll ermöglichen, die relevanten Patentinformationen einerseits vollständig, aktuell und effizient zu erfassen und zu speichern und sie andererseits zielgruppengerecht ausgewertet und aufbereitet weiterzuleiten. Als weitere strategische Aufgabe sind die externen Schnittstellen zu bestimmen und zu gestalten. Darunter fallen neben den Patentämtern und Gerichten insbesondere frei wählbare Dienstleister und Partner wie Patent- und Rechtsanwälte, Forschungseinrichtungen und kooperierende Unternehmen. Im Rahmen der strategischen patentbezogenen Analysen ist sowohl das eigene Unternehmen als auch dessen Umwelt aus der Schutzrechtsperspektive zu untersuchen. Gegenstände der Analysen sind (einzeln oder in Kombination) Technologien, technische Lösungen, Produkte/Verfahren, Unternehmen, Ländermärkte und die mit ihnen in Beziehung stehenden Patente. Einen wichtigen Aspekt stellen in diesem Kontext die systematische Wettbewerberüberwachung und die Untersuchung der eigenen relativen Patentposition dar. Auf der Grundlage der Analysebefunde ist die Patentgesamtstrategie zu formulieren. Diese Aufgabe untergliedert sich in mehrere Teile. Zuerst ist vor dem Hintergrund der aus der Analyse abgeleiteten Zielsetzung der Patentbedarf zu bestimmen und die Wahl alternativer oder ergänzender Schutzinstrumente zu prüfen. Danach sind die relevanten patentbasierten Anmelde-, Timing-, Informations-, Beschaffungs- und Verwertungsstrategieoptionen zu ermitteln. Bei den Anmeldestrategieoptionen, ist neben der Schutzrechtsauswahl, der territorialen Bestimmung und der Wahl des Anmeldeverfahrens auch der Umfang der Anspruchsformulierung zu bestimmen. Daran knüpft direkt die Entscheidung über eine frühzeitige oder späte Schutzrechtsanmeldung an. Im nächsten Schritt sind Wirkanalysen durchzuführen, mit denen sich die Konsequenzen der ver29
Siehe zu den verschiedenen Teilaufgaben auch Berkowitz (1993), S. 29; Däbritz (1994), S. 50 ff.; Ernst (1997), S. 361 ff.; Ernst (2002b), S. 309 ff.; Ernst (2003), S. 233 ff.; Faix (1998), S. 329 ff., 340 ff., 360 ff.; Faix (2001a), S. 517, 520 ff.; Gassmann/Bader (2006), S. 53 ff., Harhoff/Reitzig (2001), S. 518 ff.; Plischke (2005), S. 408 ff.; Rebel (1997), S. 4 f., 117 ff.; Spath/Nesges (2002), S. 163 ff.; Specht et al. (2002), S. 255 ff.; Tiefel/Haas (2005), S. 44 ff.; Ulrich (2005), S. 13.; Wurzer (2004), S. 36 ff.
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schiedenen Strategieoptionen erkennen lassen. Die Ergebnisse der Wirkanalysen bilden die Grundlage für die anschließende Bewertung, in deren Mittelpunkt die Frage steht, welche patentstrategische Option am besten geeignet ist, die anvisierten Ziele zu erreichen und gleichzeitig ein gutes Kosten/NutzenVerhältnis zu gewährleisten. Die Beantwortung der Frage führt zur Entscheidung bezüglich der Auswahl der Strategiekomponenten und ihrer Kombination zu einer Patentgesamtstrategie. Die letzte Aufgabe im Rahmen des strategischen Patentmanagements ist die strategische Patentkontrolle, welche permanent den Umfang und Erfolg der patentbezogenen Aktivitäten überwacht. 4.2.2
Operative Aufgaben des Patentmanagements
Die Aufgaben des operativen PMs30 leiten sich aus denen des strategischen PMs ab. Folgt man der oben gewählten Darstellungsreihenfolge, besteht die erste operative Aufgabe in der Führung des Personals der Patentabteilung bzw. des Patentbereichs. Daran schließt sich die Pflege des Patentdatenbestands mit Hilfe von Patentinformationssystemen an. Diese Daten sind vor allem in Bezug auf eigene Schutzrechte, Konkurrenzpatente und Fristen zu aktualisieren und zu vervollständigen. Im Rahmen von Patentanmelde- und Erteilungsverfahren ist die gesamte Kommunikation zu externen Patentanwälten und den Patentämtern zu leisten oder zu koordinieren. Im Kontext der externen Kontakte sind auch die Verbindungen zu Kooperationspartnern (z.B. Forschungseinrichtungen, verbundene Unternehmen) zu pflegen. Des Weiteren sind alle Aufgaben, die sich aus dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen ableiten (z.B. die Entgegennahme von Erfindungsmeldungen oder die Regelung der Vergütung) zu bearbeiten. Bereits ab dem Zeitpunkt der Erfindungsmeldung ist eine Gebühren- und Fristenüberwachung unabdingbar, die durch die Auswahl geeigneter Patentsoftware erleichtert werden kann. Vor der Anmeldung einer Erfindung zum Patent ist neben der Prüfung auf formelle und materielle Voraussetzungen auf operativer Ebene auch durch Entscheidung auf strategischer Ebene die Patentwürdigkeit festzustellen. Daran schließt sich die Analyse der Patent-Ist-Situation sowie die Patentbedarfsermittlung an. Beginnend mit der Einreichung der Patentanmeldung fallen weitere operative Aufgaben an, die zum einen von der Strategie und zum anderen vom momentanen Stand des gesetzlich vorgeschriebenen Patentierungsprozesses abhängig sind. Somit sind der Antrag auf Erteilung des Patents, die Beschreibung der Erfindung, die Zusammenfassung und eine eventuell notwendige Übersetzung zu erstellen und einzureichen. 30
Vgl. Ernst (2002a), S. 214 ff; Ernst (2002b), S. 311 ff.; Faix (1998), S. 362 ff.; Faix (2001a), S. 517 ff.; Gassmann/Bader (2006), S. 37 f., 42 ff., 108 ff.; Harhoff/Reitzig (2001), S. 510 ff.; Harrison/Rivette (1998), S. 119 ff.; Rebel (2001), S. 19 ff.; Specht et al. (2002), S. 255 ff.
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Diese Unterlagen sind durch Patentansprüche zu vervollständigen, die angeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Da sich unter anderem die Ansprüche auf Zeichnungen stützen, müssen diese von der Patentabteilung beschafft und den Anmeldeunterlagen beigelegt werden. Während dem gesamten Verfahren sind gerügte Mängel zu beseitigen und ein eventuell benötigter Prüfungsantrag zu stellen. Weiterhin sind auf operativer Ebene Nichtigkeitsklagen, Einsprüche und Beschwerden zu verfassen und zu versenden. Nach der Patenterteilung hat eine kontinuierliche Beobachtung und Verfolgung von Verletzungen eigener Patentrechte zu erfolgen. Schließlich ist die erlangte Stärke der eigenen Patentposition an den relevanten Adressatenkreise des Unternehmens zu kommunizieren. 5
Das Feld der strategischen Aufgaben als Kernschnittstelle zwischen Forschungs- und Entwicklungs-, Innovations- und Patentmanagement
Durch die vorangegangene Darstellung der mit dem FuE-, dem Innovationsund dem Patentmanagement verbunden Aufgaben, wurde deutlich, dass im operativen Bereich kaum Schnittstellen bestehen. Auf strategischer Ebene zielen jedoch alle drei Managementgebiete darauf ab, mittels der Identifikation, Schaffung und Sicherung von Erfolgspotentialen sowie der Bestimmung der externen und internen Ausrichtung des Unternehmens Wettbewerbsvorteile zu erlangen und das langfristige Überleben des Unternehmens zu sichern. Auf Grund dieser Basisgemeinsamkeit und der vorangegangenen systematisierten Beschreibung der daraus jeweils resultierenden Aufgaben, können in den folgenden Unterkapiteln die verschiedenen Schnittstellen genauer beschrieben werden. 5.1
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Eine innovationsfördernde unterscheidet sich von einer innovationsfeindlichen Unternehmensorganisation und -kultur zunächst grundlegend dadurch, dass Ressort- und Hierarchiedenken weitestgehend eliminiert und starre interne wie externe Grenzen aufgelöst werden müssen. Die in dieser Negativabgrenzung genannten Punkte stellen notwendige, jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen dar. Zudem bedarf es eines partizipativen Managements und kooperativer Führungs- bzw. Arbeitskonzepte. Dadurch werden zum einen die sozialen Voraussetzungen für Innovationen geschaffen und zum anderen die verschiedenen Wissensformen (z.B. explizites und implizites Wissen) sowie die Träger des Know-hows eng miteinander verzahnt. Eine derart gestaltete Aufbau- und Ablauforganisation ist auch für ein erfolgreiches strategisches Patentmanagement unerlässlich. Dieses muss aus seiner Natur heraus interdisziplinär (da techni-
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sche, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen sind) und ganzheitlich (da alle Wertschöpfungsstufen tangiert werden) gestaltet sein. Neben den oben genannten Gesichtspunkten, müssen bei der Gestaltung einer innovations- und gleichzeitig patentfördernden Unternehmensorganisation noch folgenden Punkte beachtet werden: Erstens sind hoch motivierte, innovative Persönlichkeiten (z. B. Schlüsselerfinder) zu unterstützen und zweitens dürfen Informationen (z. B. Patentdaten) nicht gefiltert oder blockiert werden, sondern sind leicht verfügbar und empfängergerecht aufzubereiten, so dass eine zielgerichtete Kommunikation mit hoher Informationsdichte ermöglich wird. Letztere findet ihren Ausdruck in einer engen Zusammenarbeit zwischen patent-, technologie- und produkt- bzw. marktbezogenen Leitungsstellen, um dadurch die jeweiligen Teilstrategien zu einer stringenten Gesamtstrategie zu verbinden. In diesem Kontext ist beispielsweise die Institutionalisierung eines Schutzrechtsverantwortlicher sinnvoll, der neben der Repräsentation des PM in den unterschiedlichen Unternehmensbereichen auch den Aufbau eines internen Informationsnetzwerkes verantwortet. 5.2
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Im Mittelpunkt der strategischen Frühaufklärung steht die frühzeitige Identifikation, Prognose und Visualisierung technologischer und marktlicher Entwicklungen. Zur Bewältigung dieser Aufgabe stehen klassische Instrumente, wie z.B. das S-Kurven-Konzept oder die Szenario-Technik zur Verfügung. Ergänzend können patentdatenbasierte Analysen durchgeführt werden. Dabei geht es nicht primär darum, die eigene Schutzrechtsposition zu bestimmen, sondern die Entwicklungslinien einer Technologie zu beschreiben, weiterzuskizzieren sowie Chancen und Bedrohungen für bestehende oder neue Geschäftsfelder zu erkennen. Der Nutzwert der Ergebnisse solcher Analysen hängt dabei im Wesentlichen von der Wahl geeigneter Patentkennzahlen ab. Dazu stehen Aktivitätskennzahlen, die sich beispielsweise auf die Anzahl von Patentanmeldungen oder die Konzentration der Anmelder auf ein bestimmtes Technologiegebiet beziehen, zur Verfügung. Diese können durch Qualitäts- und Verbindungskennzahlen ergänzt werden. Erstgenannte stellen insbesondere auf die Patenterteilung, die Patentlaufzeit oder die Zitierungshäufigkeit ab. Verbindungskennzahlen, wie z.B. der Anteil an Eigen- bzw. Fremdzitaten, sind zur Erfassung komplexerer technologischer Veränderungen geeignet. Im Rahmen der Konkurrentenanalyse ist zwischen unternehmens- und technologiefokusierten Patentanalysen zu differenzieren. Unternehmensfokusierte Patentanalysen bilden bestehende technologische Positionen von Unternehmen sowie deren Veränderung im Zeitablauf ab. Dies ermöglicht sowohl die vergangenheits- als auch gegenwartsbezogene Untersuchung von Technologiestrate-
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gien. Die Analyse erfolgt in drei Schritten. Im Ersten wird z.B. mit Hilfe der internationalen Patentklassifikation (IPC), von Patentfamilien und der Bestimmung der relativen Patentaktivität der grundsätzliche Charakter der verfolgten Technologiestrategie(n) beschrieben. Neben der Identifikation aller relevanter Wettbewerber sowie deren Timing-, Technologie- und Marktstrategien, steht die Ermittlung der eigenen relativen Technologieposition im Vordergrund. Die Ergebnisse des ersten Schritts werden im Zweiten anhand von Qualitätskennzahlen weiter präzisiert. So können beispielsweise FuE-Schwerpunkte identifiziert und den wichtigen Mitbewerbern zugeordnet werden. Der dritte Schritt, welcher die bereits gewonnen Daten zur Art und Ausrichtung der Technologiestrategie(n) zur Grundlage hat, stellt auf Veränderungen anhand von Patentwachstumsraten ab. Dadurch können sowohl technologiestrategische Änderungen bei den Wettbewerbern als auch Entwicklungen in bekannten und neuen Geschäftsfelder dargestellt werden. Technologiefokusierte Patentanalysen von Mitbewerbern sollen helfen, erfolgversprechende technische Lösungen zu identifizieren. Dazu bietet es sich an, auf Daten aus der strategischen Umweltanalyse im TIM zurückzugreifen, in deren Rahmen sowohl relevante Wettbewerber als auch deren Innovationsaktivitäten ermittelt wurden. Diese Informationen dienen als Grundlage technologiefokusierter Patentanalysen, um Schutzrechte bereits bekannter Wettbewerber zu recherchieren. Den ermittelten Patenten können anschließend IPC-Sektionen, Klassen oder Unterklassen für die aktuell vorliegende Technologie entnommen werden. Diese Angaben dienen wiederum als Basis für neue Recherchen, die das Auffinden bisher unbekannter Technologien und Konkurrenten ermöglicht. Die daraus resultierende ganzheitliche Betrachtung des gesamten Wettbewerbsumfelds macht anschließend eine Unterscheidung in attraktive bzw. unattraktive Technologien möglich und stellt so einen erheblichen Informationsgewinn für die Ableitung von FuE- und Technologiestrategien dar. Gerade für die Formulierung von FuE-Strategien sind technologische Prognosen unentbehrlich. Klassischerweise wird bei derartigen Voraussagen auf Technologielebenszyklen-Modelle zurückgegriffen. Zur Darstellung der Zyklenverläufe können neben rein technologie- aber auch patentbezogene Kriterien und Daten dienen. Die Betrachtung der kumulierten Patentanmeldungen in Abhängigkeit von der Zeit (z. B. Anmeldejahr) ermöglicht neben der Visualisierung der bisherigen Entwicklung einer Technologie auch eine Prognose bezüglich ihres zukünftigen Verlaufs. Das Prognosepotenzial resultiert dabei aus der Tatsache, dass bei der o. g. Variablenwahl sehr häufig ein nahezu S-förmiger Kurvenverlauf zu beobachten ist, der sich als Diffusions- oder Leistungsentfaltungsprozess einer Technologie interpretieren lässt. Dadurch können Schrittmacher-, Schlüssel- und Basistechnologien identifiziert werden.
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Im Rahmen der Strategieformulierung beschäftigen sich sowohl das FuE-, das Innovations- als auch das Patentmanagement mit Timing-, Technologiebeschaffungs- und Technologieverwertungsstrategien. Technologiestrategische Entscheidungen sind sowohl auf Inventions- als auch auf Innovationsebene zu treffen, wobei jeweils die Führer- oder Folgerposition angestrebt werden kann. Die Strategien auf Inventionsebene konzentrieren sich im Bereich des FuE-Managements auf die Klärung der Frage, ob das Unternehmen die Rolle des Entwicklungs-First, des modifizierenden oder des imitierenden Followers einnehmen soll. Die Wahl des Markteintrittszeitpunktes, d. h. ob als First, früher oder später Follower, stellt die Entscheidung auf der Innovationsebene dar. Da Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten durch immer höhere monetäre Risiken geprägt sind, kommt dem Patentschutz (und vor allem dem damit verbundenen Ausschlussrecht) eine entscheidende Bedeutung zu. Die Timingstrategien im PM sind zum einen von der Wahl des Schutzrechts und zum anderen von raum-zeitlichen Erwägungen abhängig. Die zur Bearbeitung vorgesehenen Märkte und Branchen, die geplanten Eintrittszeitpunkte sowie der Grad des Verwertungsinteresses bestimmen die angestrebte territoriale Reichweite des Patentschutzes. Die gewünschte räumliche Ausdehnung beeinflusst ihrerseits die Wahl des Patenterteilungsverfahrens und die Höhe der damit einhergehenden Patenterlangungs- und Verteidigungskosten. Da die zeitliche und territoriale Wahl des Patentschutzes das zukünftige Patentnutzungsspektrum fundamental beeinflusst, ist diese Entscheidung vor dem Hintergrund der Unternehmensgesamtstrategie gemeinschaftlich von allen betroffenen Bereichen bereits auf der Inventionsebene zu treffen. In Abhängigkeit von der Beurteilung vorliegender Entwicklungsresultate durch die Verantwortlichen im FuE-, Innovations- und Patentmanagement kann die Patentanmeldung frühzeitig oder erst nach Abwarten weiterer FuEErgebnisse eingereicht werden. Baldiges Anmelden führt neben einem frühen Ausschluss der Konkurrenz auch zu einer Senkung des Risikos, dass ein Vorbenutzungsrecht geltend gemacht wird. Außerdem besteht die Möglichkeit, Pioniergewinne zu erwirtschaften und entstandene FuE-Investitionen rasch zu amortisieren. In Branchen mit kurzen Technologiezyklen ist ebenfalls ein frühes Anmelden bei kleinerem Schutzumfang zu bevorzugen. Für den Fall, dass die Patentierung einer Erfindung zwar gewinnbringend erscheint, aber mit den vorliegenden technischen Ergebnissen nur ein sehr begrenzter Schutzbereich erreicht werden kann, ist es sinnvoll, erst noch weitere FuE zu betreiben und die Folgerposition einzunehmen. Durch die Partizipation an den Erfahrungen des First sowie systematische Patentrecherchen als Impuls für qualitativ verbesserte
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Produkte und einen gezielten FuE-Einsatz können Follower niedrigere Entwicklungskosten und geringere Entwicklungszeiten erreichen. Die Selektion der richtigen Technologiequelle ist eine weitere Grundaufgabe im Rahmen der Strategieformulierung. Grundlegend ist zwischen der internen und externen Technologiebeschaffung zu differenzieren. Die interne Gewinnung von Technologien benötigt einen zumindest temporären Schutz der Ergebnisse des eigenen FuE-Prozesses. Der Aufbau von Imitationsbarrieren und die Schaffung des Standes der Technik können dabei mit einer Patentanmeldung erreicht werden. Durch die Auswertung technischer und rechtlicher Patentinformationen besteht die Möglichkeit, Entscheidungen über interne FuEProgramme zu verbessern sowie externe Technologiequellen effizient zu erkennen und zu bewerten. Die erste Möglichkeit der externen Technologiebeschaffung besteht im Kauf von technischen Lösungen oder Technologien. Die systematische Identifikation und Bewertung geeigneter Transaktionspartner kann mit Hilfe von Patentrecherchen und -analysen erfolgen. Die technologiebezogene Patentanalyse garantiert neben einer internationalen Abdeckung auch das Auffinden von Hochschulen, Forschungseinrichtungen oder Schlüsselerfindern als mögliche Quellen für einen Technologiekauf. Gleiches gilt für den Abschluss von Kooperationen. Wichtige Kriterien bei der Wahl des Kooperationspartners sind dessen Technologien sowie die Quantität und Qualität seines Patentbestands. Dabei und auch bei der Identifikation von Lizenzgebern sowie deren Bewertung und Auswahl, kann das PM unterstützend agieren. Um eine Lizenznahme positiv gestalten zu können, sind Lizenzen auf räumliche, zeitliche und sachliche Beschränkungen durch das TIM und PM zu prüfen. Die Fähigkeit bestimmtes Wissen zu erlangen ist auch von der Attraktivität eigener Patente als Tauschwährung abhängig. Gerade für das Patent-CrossLicensing ist dies von entscheidender Bedeutung. Da Cross-Licensing die Technologiebeschaffung und -verwertung miteinander verbindet, ist die Gestaltung attraktiver Patentportfolien vom TIM und vom PM gemeinschaftlich vorzunehmen. Eine Sonderform der Technologiebeschaffung stellt der Erwerb neuen technologischen Wissens durch die Abwerbung technischen Personals dar. Durch die Unterstützung des PM können hier Schlüsselerfinder in ausgewählten Technologiefeldern identifiziert werden. Vor dem Hintergrund steigender FuE-Aufwendungen sowie immer kürzeren Marktzyklen, stellt sich für viele Unternehmen das Problem, technologisches Wissen umfassend zu verwerten. Bei der internen Nutzung einer Technologie wird diese in Produkten oder in Fertigungsverfahren inkorporiert und trägt auf diesem Weg zur betrieblichen Wertschöpfung. In diesem Fall ermöglichen es Patente, Wettbewerbsvorsprünge vor der Konkurrenz zu generieren bzw. zu erhalten sowie das eigene Technologie- und Produktportfolio abzusichern. Sie beeinflussen damit indirekt den ökonomischen FuE-Erfolg. Des Weiteren bieten
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Patente die Möglichkeit, technologisches Wissen extern zu verwerten. Zusätzliche finanzielle Einnahmen lassen durch den direkten Verkauf von Technologien oder Patenten erzielen. Beispielsweise können technische Lösungen, die zwar nicht mehr für das eigene Unternehmen aber für Dritte attraktiv sind, veräußert werden. Dabei lassen sich höhere Einnahmen erzielen, wenn die betroffene technische Lösung noch Patentschutz besitzt. Bei der Generierung von Lizenzeinnahmen können mit Hilfe von Patentanalysen mögliche Lizenznehmer ausgewählt und beurteilt werden. Zusätzlich können Patentinformationen benutzt werden, um die Bedeutung einzelner Patente für bestimmte Technologien festzustellen. Auf dieser Basis lässt sich anschließend die Höhe Lizenzgebühren bestimmen. 6
Fazit
Durch die Analyse der Aufgabenfelder des FuE-, Innovations- und Patentmanagements konnte gezeigt werden, dass auf strategischer Ebene deutliche Schnittstellen zu erkennen sind. Die Aufgaben des strategischen FuE-Managements stellten sich in diesem Kontext als integraler Bestandteil des strategischen technologieorientierten Innovationsmanagements dar. Beim Patentmanagement konnten im Rahmen der Organisationsgestaltung, der strategischen Frühaufklärung, der strategischen Analyse und der Strategieformulierung eine Vielzahl sowohl identischer als auch komplementärer Aufgaben und Inhalte zum Innovationsmanagement identifiziert werden. Doch selbst beim größten und wichtigsten Schnittstellenbereich, der Strategieformulierung, fehlen bis dato fundierte theoretische Modelle und empirische Erkenntnisse, wie dieser strukturell und prozessual zu gestalten ist oder optimiert werden kann. Dieses Problemfeld und die Beantwortung der Frage, wie und bis zu welchem Grad das Patentmanagement in das Innovationsmanagement integriert werden sollte, bedarf daher weitergehender Untersuchungen. Literatur Benkenstein, M.: Modelle technologischer Entwicklungen als Grundlage für das Technologiemanagement, in: Die Betriebswirtschaft, 4/1989, S. 497-512. Berkowitz, L.: Getting the most from your Patents, in: Research Technology Management, 2/1993, S. 26-31. Boutellier, R./Bratzler, M.: Zukunftssicherung durch Technologiebeobachtung, in: io management, 1+2/1998, S. 87-91. Brockhoff, K.: Forschung und Entwicklung, 5. Aufl. München 1999. Bürgel, H. D./Haller, C./Binder, M.: F&E-Management, München 1996. Bullinger, H. J.: Einführung in das Technologiemanagement, Stuttgart 1994. Capon, N.: Praxishandbuch Key-Account-Management, Frankfurt a. M. 2003. Corsten, H./Gössinger, R./Schneider, H.: Grundlagen des Innovationsmanagements, München 2006.
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FuE-, Innovations- und Patentmanagement - Eine Schnittstellenbestimmung
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Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse Thomas Tiefel
1
Einleitung
Die Fähigkeit mit dem beschleunigten technischen Wandel Schritt zu halten, ist für deutsche Unternehmen zu einem erfolgskritischen Faktor im internationalen Wettbewerb geworden. Für sie gilt es, früher als die Mitbewerber Umweltsignale bezüglich des Auftretens und der Weiterentwicklungspotenziale neuer Technologien, der Verlaufslinien bereits bekannter Technologien sowie technologischer Diskontinuitäten aufzunehmen, zu analysieren und zu interpretieren.1 Mittels des daraus resultierenden Zeit- und Informationsvorsprungs können Erfolgspotenziale und Gefahren so rechtzeitig erkannt werden, dass eine entsprechende (Um-)Gestaltung der Technologiestrategie möglich ist und ausreichend (Re-)Aktionszeit für die Anpassung der unternehmensspezifischen technologischen Kompetenzen zur Verfügung steht. Um die oben genannten Aufgaben zu bewältigen, hält das technologieorientierte Innovationsmanagement (TIM) ein umfangreiches Spektrum an Instrumenten, Konzepten und Modellen bereit. Eine zentrale Position hat in diesem Kontext die Idee des Technologielebenszyklus inne. Die Bezeichnung Technologielebenszyklus basiert auf der Grundannahme, dass im Verlauf der Entwicklung einer Technologie Regelmäßigkeiten auftreten, die dem Muster und den Phasen biologischer bzw. organischer Prozesse ähnlich sind.2 Folglich sollen auch bei Technologien typischerweise mehrere zeitabhängige Entwicklungsstufen feststellbar sein. Beim Entwurf eines Technologielebenszyklusmodells geht es daher im Kern darum, einen gesetzmäßigen Zusammenhang zwischen der XQDEKlQJLJHQ 9DULDEOHQ Ä=HLW³ RGHU HLQHU DQGHUHQ XQDEKlQJLJHQ 9DULDEOHQ
1
2
Dieser auch in der Praxis vorherrschende Bewusstseinsstand eilt jedoch dort der konkreten Implementierung weit voraus. Gemäß den Ergebnissen der Umfrage von Liebl (2005), S. 123 f. unter den 500 größten deutschen Unternehmen, hielten zwar 98% der Befragten die UmfeldanaO\VHIUÄZLFKWLJ³RGHUÄVHKUZLFKWLJ³MHGRFh verfügten nur knapp 20% der Unternehmen über ein systematisch operierendes Management, das sich im Schwerpunkt mit dem Umfeld beschäftigt; siehe auch Liebl (2003), S. 2 ff. Zu den Problemfeldern der Umsetzung einer Technologieaufklärung siehe Peiffer (1992), S. 274 ff. Vgl. Specht et al. (2002), S. 64. Einen umfangreichen Überblick über weitere Lebenszykluskonzepte, wie z.B. den Produkt-, den Organisations- oder den Branchenlebenszyklus, die von der gleichen Basisannahme ausgehen und ebenfalls im strategischen Technologiemanagement zum Einsatz kommen, gibt Höft (1992).
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Thomas Tiefel
mit implizitem Zeitbezug) und Parametern der Technologieentwicklung zu finden und darzustellen. Das erste Ziel dieser Arbeit ist es, einen systematisierten Gesamtüberblick über die verschiedenen in der Literatur vorgestellten TechnologielebenszyklusModelle zu geben. Um dieses zu erreichen, werden zum einen die Modelle anhand des Kriteriums, ob nachfrage- (2. Kap.) oder leistungsbezogene (3. Kap.) Parameter zur Darstellung der Technologieentwicklung gewählt wurden, kategorisiert und zum anderen ihre jeweiligen Kernaussagen verbal und grafisch dargestellt. Das zweite Ziel besteht darin, die Eignung der Modelle für den konkreten praktischen Einsatz zu ermitteln. Diese wird danach beurteilt, inwieweit die Modelle zur Lösung typischer strategischer TIM-Aufgaben, welche sich mit der Entwicklung von Technologien beschäftigen, eingesetzt werden können. Daher wird jedes Modell (2.1 - 2.4 und 3.1 - 3.2) nach seiner Kurzdarstellung vor dem Hintergrund der folgenden drei Fragestellungen kritisch analysiert. 1. Werden in dem Modell Kriterien zur Definition und Abgrenzung der abzubildenden Technologie angegeben? (Eignung zur Abbildung) 2. Ist das Modell dazu geeignet, die bisherige Entwicklung einer Technologie zu beschreiben oder zu erklären? (Eignung zur Deskription, Analyse und Explikation) 3. Ist das Modell dazu geeignet, die zukünftige Entwicklung einer Technologie zu prognostizieren? (Eignung zur Prognose) Den Abschluss der Arbeit bildet ein zusammenfassender Überblick (4. Kap.) über die Leistungsfähigkeit der untersuchten Technologielebenszyklus-Modelle und die Darstellung ihrer Hauptschwachpunkte. 2
Nachfragebezogene Technologielebenszyklus-Modelle
Die nachfolgenden Ansätze versuchen, den Verlauf der Entwicklung einer Technologie über die Nachfrageseite zu modellieren. Dies bedeutet, dass die abhängige Variable der vier Modelle immer anzeigt, wie die Technologie von den (potenziellen) Nutzern angenommen wird bzw. wie stark das Interesse ihr ist. 2.1
Mathematische Technologiediffusions-Modelle
Gegenstand der Diffusionsforschung ist die Beschreibung, Erklärung und Prognose des zeitlichen Verlaufs der Ausbreitung neuer materieller oder immaterieller Güter innerhalb einer definierten Menge potenzieller Anwender, die auch als
Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
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Marktpotenzial oder soziales System bezeichnet werden.3 Die Diffusion resultiert aus positiven Übernahmeentscheidungen seitens der potenziellen Anwender bzw. Nachfrager. Folglich ist die Erklärung von Übernahmeentscheidungen eine notwendige Voraussetzung, um Diffusionsprozesse zu verstehen. Die Adoptionsforschung, die sich auf der Ebene der einzelnen Nachfrageeinheit mit der Entscheidung für (= Adoption) oder gegen (= Rejektion) die erstmalige Nutzung einer Innovation befasst, wird daher oft als Teilgebiet der Diffusionstheorie betrachtet. Durch die Aggregation der Ergebnisse der einzelnen Adoptionsentscheidungen gelangt man zur Erfassung der Diffusion einer Innovation. Abbildung 1 veranschaulicht diesen Zusammenhang. Die Adoptionskurve gibt die relative (oder absolute) Häufigkeit von positiven Übernahmeentscheidungen in verschiedenen Zeitintervallen wider. Häufig wird davon ausgegangen, dass diese Kurve normalverteilt ist. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Übernahme einer Innovation lassen sich folgende AdoptoUHQW\SHQ XQWHUVFKHLGHQ Ä,QQRYDWRUHQ³ Ä)UKH hEHUQHKPHU³ Ä)UKH 0HKU KHLW³ Ä6SlWH 0HKUKHLW³ XQG Ä1DFK]JOHU³ 'LH 'LIIXVLRQVNXUYH HUJLEW VLFK durch die kumulative Darstellung der relativen (oder absoluten) Adoptionshäufigkeiten. Bei einer normalverteilten Adoptionskurve resultiert daraus ein logistischer Diffusionskurvenverlauf.
3
Siehe zu den folgenden Ausführungen Corsten et al. (2006), S. 199 ff., Gerpott (2005), S. 120 ff., Höft (1992), S. 48 ff., Pleschak/Sabisch (1996), S. 260 f. und Zotter (2003), S. 75 ff. Grundlegend zu Diffusionsmodellen siehe Rogers (2003).
28
Thomas Tiefel
Relative Adoptorenzahl
40%
Adoptionskurve 30%
34,1%
34,1%
20% 13,6%
10%
13,6%
2,3% t0 bis t M ± 6't
2,3% tM ± 6't bis tM ± 6't
tM ± 6't bis tM
tM bis tM 6't
tM 6't bis tM 6't
Relative kumulierte Adoptorenzahl
100%
75%
tM 6't bis t6
97,7%
100,0%
tM 6't
tM 6't
t6
Späte Mehrheit
Nachzügler
Nachzügler
Zeit
84,1%
Diffusionskurve
50%
50,0%
25% 15,9% 2,3% t M ± 6't Innovatoren
tM ± 6't
tM
Frühe Frühe Übernehmer Mehrheit
Zeit
t0 = Erster Verfügbarkeitszeitpunkt der Innovation; t6 = Letzter Übernahmezeitpunkt der Innovation tM 0LWWOHUHU hEHUQDKPH]HLWSXQNW GHU ,QQRYDWLRQ6't 6WDQGDUGDEZHLFKXQJ GHVPLWWOHUHQ hEHUQDKPH]HLWSXQNWHV
Abbildung 1: Normalverteilte Adoptions- und logistische Diffusionskurve
'LH 'LIIXVLRQVIRUVFKXQJ NRQ]HQWULHUWH VLFK XUVSUQJOLFK LP :HVHQWOLFKHQ DXI ODQJOHELJH*HEUDXFKVE]Z.RQVXPJWHURGHUOlQJHULQ8QWHUQHKPHQDOV3UR GXNWLRQVPLWWHO HLQJHVHW]WH *WHU ,Q GLHVHP %HUHLFK NRQQWH GLH JUXQGVlW]OLFKH HPSLULVFKH+DOWEDUNHLWHLQHUQRUPDOYHUWHLOWHQ$GRSWLRQVNXUYHXQGORJLVWLVFKHQ 'LIIXVLRQVNXUYHHUEUDFKWZHUGHQ4(LQH$OOJHPHLQJOWLJNHLWNDQQGDUDXVMHGRFK 4
6LHKHGD]XGLH6WXGLHQYRQ:HLEHU(1992), Milling/Maier ( XQG3RKO
Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
29
nicht abgeleitet werden, da auch lineare und exponentielle Diffusionskurvenverläufe auftreten können und nachgewiesen wurden.5 Neben der Diffusion von Produkten wurde zudem die Ausbreitung von Technologien untersucht und in mathematische Modelle gefasst.6 Als Beispiel VHLKLHUGDVÄ6LPSOHVXEVWLWXWLRQPRGHOof technological chDQJH³YRQ)LVKHUXQG Pry angeführt,7 das sich wie folgt darstellt:
1 Y (t) = 1+e
-a (t - t50)
Y (t) = Anteil der Nutzer der neuen Technologie an der Gesamtzahl der Nutzer zum Zeitpunkt t; a = Wachstumsrate der Nutzer der neuen Technologie; e = Basis des natürlichen Logarithmus; t = Betrachteter Zeitpunkt; t50 = Zeitpunkt zu dem 50% der alten Technologie substituiert sind
Analysiert man dieses prototypische mathematische TechnologiediffusionsModell kritisch, so werden folgende Punkte deutlich: 1. Eignung zur Abbildung - Es werden keine Regeln zur Beschreibung der zu untersuchenden Technologien gegeben. - Es werden keine Angaben gemacht, wie verschiedene Technologien voneinander abzugrenzen sind. 2. Eignung zur Deskription, Analyse und Explikation - Bei der Modellbildung werden zu starke Vereinfachungen vorgenommen und realitätsferne Prämissen gewählt. 6R ZLUG ]XP HLQHQ GLH EHWUDFKWHWH Grundgesamtheit in ihrer Größe als unveränderlich erachtet und zum anderen dichotom in Nutzer der alten sowie Nutzer der neuen Technologie (oder allgemein in Adoptoren und Rejektoren) eingeteilt. - Es besteht eine mangelnde Kenntnis bezüglich der Ausprägung des zentralen Modellparameters, nämlich der Wachstumsrate der Nutzer einer neuen Technologie. - 'HU 6DFKYHUKDOW GDVV VLFK 7HFKQRORJLHQ zumeist nicht dadurch verbreiten, dass sie als fertige Leistung von einem Anbieter auf den Markt gebracht und von einem Nachfrager gekauft werden, sondern im Zuge des Wertschöpfungsprozesses in Produkte inkorporiert werden und dabei häufig noch eine Weiterentwicklung erfahren, wird nicht berücksichtigt. 5
Weiber (1992, 1995) zeigt dies für PCs und Telefonendgeräte. Zu grundsätzlich möglichen Diffusionsverläufen siehe zudem CoUVWHQHWDO 6II 6 Vgl. Meade/Islam (1998). 7 9JO )LVKHU3U\ 6LHKH GD]X DXFK GDV HPSLULVFKH $QZHQGXQJVEHLVSLHO GHU 6XEVWLWXWLRQ YRQ9LQ\O/3VGXUFK&'VEHL*HUSRWW 6II
30
Thomas Tiefel
- Das Gleiche gilt für die Verarbeitung neuer Informationen während des Diffusionsprozesses. 3. Eignung zur Prognose - Die Abschätzung der Kernparameter durch historische Analogiebildungen führt zu sehr großen Ungenauigkeiten in den Ergebnissen - Wenn gewartet wird, bis Parameterausprägungen verlässlich ermittelbar sind, ist es zu spät, die Werte für Prognosezwecke zu nutzen. Als Ergebnis kann folglich festgehalten werden, dass sich das praktische Einsatzspektrum von Technologiediffusions-Modellen auf ex-post Analysen beschränkt.8 2.2
Das Technologielebenszyklus-Modell von Ford und Ryan
Ford und Ryan9 entwickeln ein Technologielebenszyklus-Modell, um dieses als konzeptionellen Rahmen für die Diskussion von Fragestellungen zur Optimierung der Technologieverwertung von Unternehmen zu verwenden.10 Ihr an das 3URGXNWOHEHQV]\NOXV.RQ]HSWDQJHOHKQWH0RGHOOEH]LHKWVLFKDXIÄPDMRUWHFK QRORJLHV³XQGJHKWYRQGHU3UlPLVVHDXVGDVV7HFKQRORJLHQGLUHNWLQ3URGXNWH inkorporiert werden.11 Abbildung 2 zeigt den sechsphasigen Lebenszyklus einer Technologie, der nach Auffassung von Ford und Ryan mit dem Lebenszyklus einer Produktgattung in einer Branche identisch ist.12
8
9 10 11 12
In ihrer theoretischen und empirischen Untersuchung 29 verschiedener TechnologiediffusionsModelle mittels realer Datensätze kommen Meade/Islam (1998), S. 1125 zu folgendem HUQFKWHUQGHQ (UJHEQLV Ä7KH VWUDLJKWIRUZDUG SROLF\ RI LGHQWLI\LQJ DQ DSSURSULDWH PRGHO DQG then using it to generate forecasts was shown to be difficult, if not impossible, to put into pracWLFH³ Vgl. Ford/Ryan (1981). Siehe zudem Bürgel et al. (1996), S. 91 ff., Corsten et al. (2006), S. 346 f., Höft (1992), S. 74 ff. und Specht et al. (2002), S. 65 f. Vgl. Ford/Ryan (1981), S. 118. Vgl. Ford/Ryan (1981), S. 119. Vgl. Ford/Ryan (1981), S. 119 f.
31
Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
Grad der Technologieausbreitung
hoch
Te chn olo in d giean w er Br endu anc n he gen
Te
chn des ologi Un ever ter ma neh rk me tung ns Pr od u Un ktve te r r k ä ne hm ufe d e n es s
niedrig Technologie- Entwick- Anwendungsentwicklung lung zur beginn Anwendungsreife
Anwendungswachstum
Technologiereife
Technologiedegeneration
Zeit
Abbildung 2: Technologielebenszyklus nach Ford und Ryan13
In Abhängigkeit von der Zeit verändert sich der Ausbreitungsgrad einer Technologie, so dass sich die sechs Phasen des Technologielebenszyklus wie folgt skizzieren lassen. Zu Beginn der Technologieentwicklungsphase14 liegen lediglich erste Forschungsergebnisse vor. Nun muss das Management grundlegend die Weichen stellen, ob die Technologie weiterentwickelt werden soll und falls ja, ob dies auf internem oder externem Weg geschieht. Während der Entwicklung zur Anwendungsreife15 wird die Entscheidung über den Einsatz der Technologie in neuen Produkten getroffen. In diesem Kontext ist auch festzulegen, ob die Technologie bereits in dieser Phase verkauft bzw. lizensiert oder weiterhin nur intern genutzt werden soll. Die Phase des Anwendungsbeginns16 ist durch die Einführung der Technologie (mittels Produktverkäufe) im Markt gekennzeichnet, wodurch ihre Ausbreitung beginnt. Gleichzeitig wird in die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Technologie investiert, um dadurch den Kundennutzen zu erhöhen und das Anwendungsspektrum zu erweitern. In der Phase des Anwendungswachstums17 erreicht der Technologieausbreitungsgrad ein mittleres bis hohes Niveau, denn es steht die Maximierung des mit der Technologie generierbaren Umsatzes im
13 14 15 16 17
Eigene Darstellung in enger Anlehnung an Ford/Ryan (1981), S. 120. Vgl. Ford/Ryan (1981), S. 119 f. Vgl. Ford/Ryan (1981), S. 120 ff. Vgl. Ford/Ryan (1981), S. 122 f. Vgl. Ford/Ryan (1981), S. 123 f.
32
Thomas Tiefel
Mittelpunkt. Das Timing ist dabei erfolgskritisch, da sowohl ein früher als auch ein später Technologieverkauf (oder eine Lizenzvergabe) vorteilhaft sein kann. In der Technologiereifephase18 manifestieren sich Entwicklungsfortschritte nur noch in inkrementalen Verbesserungen und nahezu alle Anwendungsgebiete sind bereits erschlossen. Die Verbreitung der Technologie erreicht ihren Höhepunkt und die Notwendigkeit der Kostenreduktion gewinnt an Bedeutung. Für die abschließende Phase der Technologiedegeneration19 ist charakteristisch, dass nun die Leistungspotenziale der Technologie völlig ausgeschöpft und alle Anwendungsgebiete erschlossen sind. Immer häufiger ist die Substitution durch neue Technologien zu beobachten, was einen stetigen Rückgang des AusbreiWXQJVJUDGHVGHUQXQÄDOWHQ³7HFKQRORJLH]XU)ROJHKDW Unterzieht man das Technologielebenszyklus-Modell von Ford und Ryan einer kritischen Analyse, so sind folgende Punkte besonders hervorzuheben:20 1. Eignung zur Abbildung - 2EJOHLFKGDV0RGHOOH[SOL]LWIUÄPDMRUWHFKQRORJLHV³NRQ]LSLHUWLVWZHUGHQ keine konkreten Hinweise gegeben, wie Technologien zu beschreiben und ÄPDMRU³YRQÄPLQRUWHFKQRORJLHV³DE]XJUHQ]HQVLQG - $XFK GHU ,QKDOW DQGHUHU ]HQWUDOHU %HJULIIH ZLH ] % ³/HLVWXQJVIlKLJNHLW³ RGHUÄ/HLVWXQJVJUHQ]H³HLQHUTechnologie bleibt unklar. - Die Skalierung der Y-Achse zur AbbLOGXQJGHUDEKlQJLJHQ9DULDEOHQÄ*UDG GHU7HFKQRORJLHDXVEUHLWXQJ³LVWOHGLJOLFKÄQLHGULJ³XQGÄKRFK³'LH'LPHQ sionsangabe fehlt. 2. Eignung zur Deskription, Analyse und Explikation - Es wird unrealistischer Weise davon ausgegangen, dass eine neue Technologie nur in ein Produkt bzw. eine Produktgattung inkorporiert wird. - 'DV *OHLFKH JLOW IU GLH $QQDKPH GDss sich ein neues Produkt bzw. eine neue Produktgattung aus lediglich einer und nicht mehreren neuen Technologien zusammensetzt. - Die einzelnen Phasen des Technologielebenszyklus werden zwar namentlich EH]HLFKQHWXQGEHVFKULHEHQMHGRFKZHrden weder qualitative noch quantitative Kriterien genannt, um sie präzise voneinander abzugrenzen. - Auch Aussagen über die zeitliche Länge der verschiedenen Phasen werden nicht gemacht.
18 19 20
Vgl. Ford/Ryan (1981), S. 124. Vgl. Ford/Ryan (1981), S. 124 f. Siehe auch die Kritik von Höft (1992), S. 76 und Specht et al. (2002), S. 66.
Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
33
3. Eignung zur Prognose - Auf eine (deduktive) theoretische Begründung für die im Modell verwandten idealtypischen und als allgemeingültig angenommenen Kurvenverlaufsmuster wird verzichtet. - Auch eine alternative (induktive) auf empirischen Studien basierende Begründung fehlt. Es bleibt beim Hinweis auf Untersuchungen in verschiedenen Branchen. In Folge ist das Modell für den praktischen Einsatz zur konkreten Beschreibung, Analyse, Erklärung und Prognose der Entwicklung einer Technologie nur sehr begrenzt geeignet. Positiv ist anzumerken, dass das Modell für den fundamentalen Entwicklungsverlauf einer Technologie sensibilisieren kann und dabei auch der Zeitraum vor der Erstanwendung Berücksichtigung findet. 2.3
Das Technologielebenszyklus-Modell von Ansoff
Ansoff21 verfolgt mit seinem Technologielebenszyklus-Modell das Ziel, die unterschiedliche Dynamik technologischer Entwicklungen aufzuzeigen. Da die bedürfnisbasierte Marktnachfrage im Laufe der Zeit mittels unterschiedlicher Produkte, in die wiederum verschiedenartige Technologien eingehen können, befriedigt werden kann, besteht für Ansoff ein enger Zusammenhang zwischen Markt-, Produkt- und Technologielebenszyklus.22 Bei seiner Darstellung, wie diese Zyklen sich zueinander verhalten können, unterscheidet er zwischen drei Stufen technologischer Dynamik: Stabile-, fertile und turbulente Technologieentwicklung.23 Abbildung 3 veranschaulicht, wie Ansoff mittels der unabhängiJHQ 9DULDEOHQ Ä=HLW³ XQG GHU DEKlQJLJHQ 9DULDEOHQ Ä1DFKIUDJH³ GLHVH Technologiedynamikstufen beschreibt.
21 22 23
Vgl. Ansoff (1984). Siehe zudem Benkenstein (1989), S. 503 f., Bürgel et al. (1996), S. 91 f., Specht et al. (2002), S. 64 f. und Zotter (2003), S. 71 ff. Vgl. Ansoff (1984), S. 40 ff. Vgl. Ansoff (1984), S. 102 ff.
34
Nachfrage
Thomas Tiefel
Stabile Technologieentwicklung M T P
Nachfrage
Zeit Fertile Technologieentwicklung M P4
P5
P3
T
P2 P1
Nachfrage
Zeit Turbulente Technologieentwicklung M T2
T3
T1
Zeit M = Markt; T = Technologie; P = Produkt
Abbildung 3: Markt-, Produkt- und Technologielebenszyklen nach Ansoff 24
In Märkten, die durch stabile Technologien gekennzeichnet sind, treten über den Marktlebenszyklus keine bedeutsamen technologischen Veränderungen auf, so dass der Markt- mit dem Technologielebenszyklus identisch ist.25 Charakteristisch sind eine Vielzahl inkrementaler technologischer Verbesserungen und lange Produktlebenszyklen. Wettbewerbsvorteile können von den Unternehmen vornehmlich über die Kosten und den Preis sowie über die Qualität mittels Ausstattungs- und Designveränderungen erzielt werden. 24 25
Eigene Darstellung in enger Anlehnung an Ansoff (1984), S. 103. Vgl. Ansoff (1984), S. 102.
Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
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Ist ein Markt durch eine fertile Technologie geprägt, so bleiben zwar Marktund Technologielebenszyklus weiterhin eins, jedoch ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Technologie weiterentwickelt in diesem Fall sehr hoch.26 Dadurch lassen sich Produkte schnell verbessern und das Spektrum der möglichen Anwendungen erweitert sich. Die Wettbewerber sind gezwungen, permanent neue Produkte (die auf dem aktuellen Stand der Technik sind) auf den Markt zu bringen, wodurch sich die Produktlebenszyklen deutlich verkürzen und der Druck, der Erste zu sein, steigt. Die Fähigkeit zur schnellen Produktentwicklung und ein leistungsfähiges Innovationsmanagement werden zu erfolgskritischen Faktoren. Die höchste Dynamikstufe herrscht in Märkten mit turbulenter Technologieentwicklung.27 Während des Marktzyklus treten laufend Technologiesprünge auf und Technologien können sich nur für kurze Zeiträume etablieren, bevor sie durch eine andere substituiert werden. Da technologische Diskontinuitäten dazu führen, dass vorhandenes Know-how entwertet wird, ist es für Unternehmen von existenzieller Bedeutung frühzeitig zu erkennen, welche Technologie wann und wie durch eine andere ersetzt wird. Nur dann kann das im Zuge des Technologiewandels erforderliche neue Wissen rechtzeitig und in ausreichendem Maß aufgebaut werden. Der technologischen Frühaufklärung kommt unter diesen Wettbewerbsbedingungen eine zentrale Bedeutung zu. Bei kritischer Betrachtung des Technologielebenszyklus-Modell von Ansoff sind insbesondere folgende Punkte hervorzuheben: 1. Eignung zur Abbildung - Es werden keine Regeln zur Beschreibung und zur Abgrenzung der zu untersuchenden Technologien angegeben. - Die Skalierung und Dimensionsangabe für die Y-Achse zur Abbildung der DEKlQJLJHQ9DULDEOHQÄ1DFKIUDJH³IHKOW 2. Eignung zur Deskription, Analyse und Explikation - Die Differenzierung zwischen stabiler und fertiler Technologieentwicklung ist sehr grob. Insbesondere wird nicht angegeben, ab welcher Technologieveränderungsgeschwindigkeit und Produktlebenszykluslänge zwischen der stabilen und der fertilen Dynamikstufe zu unterscheiden ist. - Die Möglichkeit, dass es zu einem Wechsel zwischen verschiedenen Technologieentwicklungen kommen kann, wird ebenso wenig berücksichtigt, wie das von Ansoff selbst erkannte Problem, dass eine Technologieentwicklung gleichzeitig fertil und turbulent sein kann. - Für den Fall der turbulenten Technologieentwicklung fehlt die Einordnung des/der Produktlebenszyklus/en. 26 27
Vgl. Ansoff (1984), S. 102 f. Vgl. Ansoff (1984), S. 104 f.
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Thomas Tiefel
3. Eignung zur Prognose - Auf eine (deduktive) theoretische Begründung für die im Modell verwandten idealtypischen und als allgemeingültig angenommenen Kurvenverlaufsmuster wird verzichtet. - Auch eine alternative (induktive) auf empirischen Untersuchungen basierende Begründung fehlt. Es bleibt bei der Nennung von Einzelbeispielen aus der Unternehmenspraxis. Es kann folglich festgehalten werden, dass Ansoffs Modell für den konkreten deskriptiven, analytischen, explikativen und prognostischen Praxiseinsatz nur sehr begrenzt geeignet ist. Da lediglich (falls überhaupt) die annäherungsweise Rekonstruktion von Vergangenheitsentwicklungen auf Markt- und Produktebene möglich ist, bleiben die in der Einleitung gestellten Kernfragen weiterhin unbeantwortet. Der wesentliche praktische Nutzen des Modells ist in der Sensibilisierung für unterschiedliche Typen technologischer Entwicklungsdynamik sowie für die Interdependenz von Markt-, Produkt- und Technologielebenszyklus zu sehen. 2.4
Das Hype Cycle Modell von Gartner, Inc.
Im Jahr 1995 stellte das Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Gartner, Inc.28 das erste Mal sein Modell des Hype Cycles vor.29 Es beschreibt anhand GHU'LPHQVLRQHQÄ=HLW³E]ZÄ5HLIH³ÄWLPH³E]ZÄPDWXULW\³ XQGÄ6LFKWEDU NHLW³E]ZÄ|IIHQWOLFKHU$XIPHUNVDPNHLWVJUDG³ÄYLVLELOLW\³ ZLHQHXH7HFKQR logien zunächst nahezu unbemerkt in die Welt kommen, das öffentliche Interesse an ihnen dann explodiert, nach ersten Enttäuschungen abrupt wieder abflacht und schließlich ein normales Niveau erreicht.30 Gartner geht davon aus, dass es sich dabei um ein allgemeingültiges Muster der menschlichen Reaktion auf neue Technologien handelt und diese sich folglich immer nach dem gleichen Grundschema verbreiten.31 Abbildung 4 soll zur Veranschaulichung des Modells und zur genaueren Beschreibung GHUHLQ]HOQHQ=\NOXVSKDVHQGLHQHQ
28 29 30 31
www.gartner.com Vgl. Hansen (2002), S. 23, Perlin (2005), S. 32. Vgl. Honsel (2006), S. 81, Landry/Koch (2003), S. 826. Vgl. Honsel (2006), S. 81.
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Sichtbarkeit (visibility)
Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
Technology E Technology C Technology D Technology B Technology A
Technologieauslöser Gipfel der Tal der Ernüchterung (Technological überzogenen (Trough of Trigger) Erwartungen Disillusionment) (Peak of Inflated Expectations)
Hang der Erleuchtung (Slope of Enlightenment)
Plateau der Produktivität (Plateau of Productivity)
Zeit (time)
Das Plateau wird erreicht sein in: weniger als 2 Jahren
2 bis 5 Jahren
5 bis 10 Jahren
mehr als 10 Jahren
obsolet vor Erreichen des Plateaus
Abbildung 4: Das Hype Cycle Modell von Gartner, Inc.32
Die fünf Phasen des Hype Cycles stellen sich wie folgt dar:33 1. Phase: Technologieauslöser (Technology Trigger) Ein wissenschaftlicher Durchbruch, eine viel versprechende Produkteinführung oder ein ähnliches Ereignis sorgen dafür, dass erste Teile der Presse über die Technologie berichten und damit Aufmerksamkeit außerhalb eines engen Spezialistenkreises hervorgerufen wird. 2. Phase: Gipfel der überzogenen Erwartungen (Peak of Inflated Expectations) Nun schreibt auch die Publikumspresse vermehrt und in oberflächlichster Form über die neue Technologie. Das Hochjubeln führt zu übersteigerten Erwartungen, was die Technologie alles zu leisten im Stande sei. Obgleich es einige erfolgreiche Anwendungen gibt, scheitert jedoch die große Mehrzahl der Projekte und der Absturz beginnt.
32 33
Eigene Darstellung in Anlehnung an Hansen (2002), S. 23, Honsel (2006), S. 80 und Landry/Koch (2003), S. 826. Vgl. Landry/Koch (2003), S. 824 f., Perlin (2005), S. 32, Rishel (2005), S. 32, Sommergut (2005).
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Thomas Tiefel
3. Phase: Tal der Ernüchterung (Trough of Disillusionment). Auf Grund der nicht erfüllten Erwartungen und der vielen Fehlschläge wird die Technologie unpopulär. Für weite Teile der Presse wird das Thema uninteressant und sie stellen die Berichterstattung wieder ein. 4. Phase: Hang der Erleuchtung (Slope of Enlightenment). Obgleich die Presseresonanz verloschen ist, arbeiten einige Unternehmen an der Weiterentwicklung der Technologie. Ihnen und den ersten Anwendern wird klar, wie das Kosten/Nutzen-Verhältnis der Technologie realistischerweise ist. Neue erfolgreiche Anwendungen werden vorgestellt und nach einer Weile beginnt auch die Presse, diese wahrzunehmen. 5. Phase: Plateau der Produktivität (Plateau of Productivity). Die praktische Leistungsfähigkeit der Technologie kann in einer immer größeren Anzahl von Anwendungen nachgewiesen werden und wird schließlich allgemein anerkannt. Die letztendliche Höhe des Sichtbarkeits- bzw. Aufmerksamkeitsniveaus hängt davon ab, ob die Technologie nur in Nischenoder auch in Massenmärkten einsetzbar ist. Mittlerweile bietet Gartner zu über 70 Themengebieten jährlich aktualisierte Hype Cycles mit den spezifischen Zyklenpositionen der einzelnen Technologien in einer Branche oder einem Markt an. Da nicht alle Technologien den Hype Cycle bzw. die einzelnen Phasen gleich schnell durchlaufen, wird die statische Momentaufnahme der Positionen einer Technologie, um eine Einschätzung in Hinblick auf ihren Zeitbedarf bis zum Erreichen des Plateaus der Produktivität ergänzt.34 Unterzieht man das Hype Cycle Modell von Gartner einer kritischen Analyse, so sind folgende Punkte besonders hervorzuheben: 1. Eignung zur Abbildung - Die Beschreibung und Abgrenzung der betrachteten Technologien folgt keinem stringenten Schema, da sowohl produkt- als auch funktionsorientiert vorgegangen wird. - Die Skalierung und Dimensionsangabe für die Y-Achse zur Abbildung der DEKlQJLJHQ9DULDEOHQÄ6LFKWEDUNHLW³IHKOW 2. Eignung zur Deskription, Analyse und Explikation - Die Verortung einer Technologie im Hype Cycle und die Prognose der Zeit bis zum Erreichen der 5. Phase erfolgt auf der Grundlage subjektiver Einschätzungen der Studienautoren.
34
Zur Veranschaulichung siehe den Hype Cycle neuer Technologien für Finanzdienstleistungen für das Jahr 2003 sowie den Hype Cycle für Schlüsseltechnologien für die Jahre 2005 und 2006, vgl. Landry/Koch (2003), S. 825 ff., Sommergut (2005), Honsel (2006), S. 80, o.V. (2006).
Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
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- Die Zeitspanne vor der 1. Phase, in der eine Technologie bereits existiert ohne dass sie durch die Presse öffentliche Aufmerksamkeit erlangt hat, wird nicht betrachtet. - Der Zeitabschnitt nach der 5. Phase, in dem der Wandel zur Basistechnologie erfolgt, wird ausgeblendet. - Die Möglichkeit, dass Technologien verschiedene Phasen mehrmals durchlaufen oder Phasen überspringen wird nicht betrachtet. - Auch die Fälle, in denen Technologien sich aufspalten oder verschmelzen, werden nicht berücksichtigt. 3. Eignung zur Prognose - Auf eine (deduktive) theoretische Begründung für das im Modell verwandte und als quasi-allgemeingültig postulierte Kurvenverlaufsmuster wird verzichtet. - Auch eine nachprüfbare alternative (induktive) auf empirischen Untersuchungen basierende Begründung fehlt. Es bleibt beim Hinweis auf die richtige Vorhersage des Endes des Dotcom-Booms im Jahr 1999. Es kann festgehalten werden, dass das Hype Cycle Modell für den konkreten Praxiseinsatz begrenzt geeignet ist. Zwar kann mittels vergangenheitsbezogener Publikationsanalysen der bisherige Sichtbarkeitsverlauf einer Technologie nachvollzogen und ihre gegenwärtige Position im Hype Cycle annäherungsweise bestimmt werden, jedoch können daraus keine verlässlichen prognostischen Aussagen abgeleitet werden. Der wesentliche praktische Nutzen des Hype Cycle Modells ist in seiner Orientierungshilfe zu sehen: Die Investitionen in eine Technologie sollten bei stark steigender Sichtbarkeit weder automatisch erhöht noch bei Nichterfüllung der in sie gesetzten ersten Erwartungen sofort reduziert werden.
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3
Leistungsbezogene Technologielebenszyklus-Modelle
Die folgenden Ansätze versuchen, den Verlauf der Entwicklung einer Technologie über die Veränderung ihrer Leistungsfähigkeit zu modellieren. Dies bedeutet, dass die beiden Modelle zeigen, wie sich das einer jeden Technologie inhärente Leistungsvermögen in Abhängigkeit von einer anderen Variablen verändert. 3.1
Das S-Kurven-Konzept von McKinsey
Die 1980er Jahre wurden wegen ihrer ungewöhnlich zahlreichen technologiVFKHQ7UHQGEUFKHDOVGDVÄ$JHRI'LVFRQWLQXLW\³EH]HLFKQHW35 In dieser Dekade entwickelte die Unternehmensberatung McKinsey36 ihr S-Kurven-Konzept, um damit den Vorteil des technologischen Angreifers unter solchen Wettbewerbsbedingungen zu erklären. Dieser ist für McKinsey im Kern auf das einer jeden Technologie immanente begrenzte Leistungssteigerungspotenzial zurückzuführen.37 Im S-Kurven-Konzept wird dieser Gedanke aufgenommen und der Entwicklungsverlauf der Leistungsfähigkeit einer Technologie in Abhängigkeit vom kumulierten FuE-Aufwand beschrieben.38 Die damit lediglich indirekte Bezugnahme auf den Faktor Zeit folgt aus der Überlegung, dass die Technologieentwicklung nicht rein durch die Zeit, sondern durch die über den Zeitablauf aggregierten Forschungsaufwendungen bestimmt wird. Abbildung 5 zeigt den auf Grund des Gesetzes des abnehmenden Grenzertrages (und folglich sinkenden FuE-Produktivität) typischen S-förmigen Kurvenverlauf der Entwicklung der Leistungsfähigkeit einer Technologie und die Gefahr von technologischen Diskontinuitäten beim Auftauchen einer neuen Technologie.
35 36
37 38
Vgl. Drucker (1986). Vgl. Krubasik (1982) und Foster (1986). Siehe zudem Brockhoff (1999), S. 185 ff., Bürgel et al. (1996), S. 88 ff., Corsten et al. (2006), S. 337 ff., Gerpott (2005), S. 116 ff., Höcherl (2000), S. 6 ff., Höft (1992), S. 113 ff., Pleschak/Sabisch (1996), S. 90 ff., Servatius (1986), S. 133 ff., Specht et al. (2002), S. 70 f. und Zotter (2003), S. 66 ff. Vgl. Foster (1986), S. 27. Vgl. Foster (1986), S. 27 f., 103 f.
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Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
Leistungsfähigkeit der Technologie
Entwicklung der Leistungsfähigkeit einer Technologie Leistungsgrenze der Technologie
Frühphase
Boomphase
Reifephase
Leistungsfähigkeit der Technologie
kumulierter F&E-Aufwand
Technologische Diskontinuitäten Tn Technologische Potenziale Tn Technologische Potenziale Ta Überlegenheit von Ta
Ta
kumulierter F&E-Aufwand Ta = alte Technologie; Tn = neue Technologie;
= Leistungsfähigkeit zu einem Zeitpunkt t
Abbildung 5: S-Kurven-Konzept von McKinsey39
39
Eigene Darstellung in enger Anlehnung an Krubasik (1982), S. 29 u. Foster (1986), S. 28, 111.
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Thomas Tiefel
McKinsey unterteilt den Verlauf der Entwicklung einer Technologie in drei Phasen.40 Die Frühphase ist durch hohe Investitionen und relativ geringe, aber steigende Wachstumsraten der FuE-Produktivität gekennzeichnet. Dies ändert sich, sobald das Schlüsselwissen zu einer Technologie vorhanden ist. Nun lässt eine Reihe technologischer Durchbrüche die Leistungsfähigkeit in der Boomphase sehr schnell ansteigen. Nach ihrem Wendepunkt flacht die S-Kurve zunehmend ab, bis zusätzlicher FuE-Mitteleinsatz nur noch zu marginalen Leistungssteigerungen führt. Der flache bis horizontale Kurvenverlauf kennzeichnet die Reifephase und die damit verbundene Annäherung an die Leistungsgrenze einer Technologie. Der Abstand zwischen dieser Leistungsgrenze und der aktuellen Leistungsfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt t ist somit das verbleibende, noch ausschöpfbare Potenzial einer Technologie. Die Annäherung an die Leistungsgrenze einer Technologie wird von McKinsey als Indikator für das Auftreten neuer, leistungsfähigerer (Substitutions-)Technologien betrachtet, welche technologische Diskontinuitäten bzw. Technologiesprünge zur Folge haben können. Aus praktischer Perspektive sind zum S-Kurven-Konzept von McKinsey folgende kritische Punkte anzumerken:41 1. Eignung zur Abbildung - Obgleich eine Einzelbetrachtung von verschiedenen Technologien erfolgt, werden keine genauen Kriterien zur Definition und Abgrenzung der abzubildenden Technologie angegeben. Es wird sogar so weit gegangen, Technologien mit Produkten oder Verfahren gleich zu setzen. - Die Skalierung und Dimensionsangabe für die Y-Achse zur Abbildung der DEKlQJLJHQ9DULDEOHQÄ/HLVWXQJVIlKLJNHLWGHU7HFKQRORJLH³IHKOW 2. Eignung zur Deskription, Analyse und Explikation - Die eindeutige Bestimmung eines Parameters zur Abbildung der Leistungsfähigkeit einer Technologie ist nicht möglich. Dies resultiert aus folgenden Sachverhalten: Erstens kann auf die Höhe des Leistungsmaßes einer Technologie auch noch eine andere Technologie Einfluss ausüben. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sie zusammenwirken. Zweitens liefert McKinsey keine Regeln, wie beim Vorliegen von mehreren Parametern, ein summarischer Leistungsfähigkeitsindex zu bilden wäre. Und drittens können Leistungsparameter im Lauf der Zeit ihre Bedeutung verändern oder für eine neue Technologie von keiner Relevanz mehr sein. - Die Ermittlung der FuE-Aufwendungen für eine einzelne Technologie ist kaum möglich. Zum einen hat die differenzierende Zuordnung der eigenen 40 41
Vgl. Foster (1986), S. 27 f., 109 f. Siehe auch die allgemeine Kritik von Brockhoff (1999), S. 185 ff., Gerpott (2005), S. 116 ff., Höcherl (2000), S. 55 ff., Höft (1992), S. 115 f. und Specht et al. (2002), S. 71. Siehe zudem die umfangreiche empirische Kritik bei Sood/Tellis (2003, 2005) und James/Sood (2006).
Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
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FuE-Aufwendungen zu verschiedenen Technologien ihre Grenzen in der Erfassungsgenauigkeit des Rechnungswesens eines Unternehmens. Zum anderen ist die Ermittlung der FuE-Aufwendungen Dritter für eine Technologie in der Regel nicht möglich. 3. Eignung zur Prognose - Eine fundierte (deduktive) theoretische Begründung für das als allgemeingültig postulierte S-förmige Kurvenverlaufsmuster fehlt. Zudem wird nicht berücksichtigt, dass die FuE-Aufwendungen nicht die einzige Größe ist, welche Einfluss auf die Veränderung der Leistungsfähigkeit einer Technologie hat. - Auch die alternative (induktive) auf empirischen Untersuchungen basierende Begründung bleibt mangelhaft, da lediglich eklektisch ausgewählte Beispiele angeführt werden. Das S-Kurven-Konzept ist daher für den deskriptiven oder analytischen Praxiseinsatz nur sehr begrenzt geeignet. Auch Prognosen sind mit ihm nur auf einem sehr niedrigen Präzisionsniveau möglich. Der wesentliche praktische Nutzen des Modells ist in seiner sensibilisierenden Wirkung zu sehen. Es macht auf die begrenzte Leistungssteigerungsfähigkeit von Technologien und die Gefahr von Technologiesprüngen aufmerksam. Zudem kann es als interdisziplinäres Kommunikationsinstrument fungieren. 3.2
Das Technologielebenszyklus-Modell von Arthur D. Little
Da der strategische Einsatz von Technologien eine immer erfolgskritischere Bedeutung erlangte, jedoch zu deren aktiven Management nicht genügend adäquate Instrumente zur Verfügung standen, stellte die Unternehmensberatung Arthur D. Little42 im Jahr 1985 ihr Technologielebenszyklus-Modell vor. Nach Sommerlatte/Deschamps durchlaufen Technologien in Anlehnung an den Produktlebenszyklus die vier Phasen Entstehung, Wachstum, Reife und Alter. Da sich das wettbewerbsstrategische Potenzial einer Technologie in Abhängigkeit von den verschiedenen Phasen verändert, ZLUG IU GLH 2UGLQDWH GHU Ä*UDG GHU (UUHLFKXQJGHV:HWWEHZHUEVSRWHQ]LDOV³DOV3DUDPHWHUGHU7HFKQRORJLHHQWZLFN lung gewählt. Abbildung 6 visualisiert dies.
42
Vgl. Sommerlatte/Deschamps (1985) und bereits grundlegend Sommerlatte/Walsh (1983). Siehe zudem Gerpott (2005), S. 114 ff., Höft (1992), S. 77 ff., Pleschak/Sabisch (1996), S. 92, Servatius (1986), S. 112 ff. und Specht et al. (2002), S. 66 ff.
44
Thomas Tiefel
Schlüsseltechnologie
Basistechnologie
Entstehungsphase
Wachstumsphase
Reifephase
Altersphase
Grad der Erreichung des Wettbewerbspotenzial
Schrittmachertechnologie
Zeit
Indikator Unsicherheit über techn. Leistungsfähigkeit
hoch
mittel
niedrig
sehr niedrig
Investitionen in Technologieentwicklung
niedrig
maximal
niedrig
vernachlässigbar
unbekannt
groß
etabliert
Breite der Einsatzgebiete Typ der Entwicklungsanforderungen
wissenschaftlich
anwendungsorientiert
abnehmend kostenorientiert
Auswirkungen auf Kosten-/Leistungsverhältnis der Produkte
sekundär
maximal
marginal
Zahl der Patentanmeldungen
zunehmend
hoch
abnehmend
Typ der Patente
Konzeptpatente
produktbezogen
verfahrensbezogen
Zugangsbarrieren
Wissenschaftliche Fähigkeiten
Personal
Lizenzen
Know-how
sehr beschränkt
Restrukturierung
marktorientiert
hoch
Verfügbarkeit
marginal
Abbildung 6: Technologielebenszyklus-Modell von Arthur D. Little43
Um die von einer Technologie im Lebenszyklus erreichte Phase bestimmen zu können, stellen Sommerlatte/Deschamps das in Abbildung 6 dargestellte Indikatorenset zur Verfügung.
43
Eigene Darstellung in enger Anlehnung an Sommerlatte/Deschamps (1985), S. 52 f.
45
Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
Saad et al. erweitern dieses später wie folgt: Indikator Zeitbedarf von F&E-Vorhaben bis zur Marktreife
Entstehungsphase
Wachstumsphase
Reifephase
Altersphase
7 bis 15 Jahre
2 bis 7 Jahre
1 bis 4 Jahre
1 bis 4 Jahre
Einblick in F&E der Wettbewerber
gering
mittel
gut
gut
Vorhersagbarkeit der technischen Ergebnisse
gering
mittel
hoch
sehr hoch
Vorhersagbarkeit des Markterfolgs
gering
hoch
hoch
sehr hoch
Vorhersagbarkeit des F&E-Aufwands
gering
mittel
hoch
sehr hoch
groß
mittel
mittel
sehr begrenzt
Dauerhaftigkeit des Wettbewerbsvorsprungs
Tabelle 1: Weitere Indikatoren zur Bestimmung der Lebenszyklusphase einer Technologie nach Arthur D. Little44
Sommerlatte/Deschamps nehmen zudem (wie auch in Abbildung 6 ersichtlich) eine Verknüpfung der Lebensphasensystematik mit der sich an der strategischen Rolle einer Technologie orientierenden Klassifikation in Schrittmacher-, Schlüssel- und Basistechnologien vor.45 Sie kommen dabei zu folgendem Ergebnis: Basistechnologien, die in einer Branche von allen Wettbewerbern beherrscht werden, befinden sich in der Regel in der Reife- oder Altersphase ihres Lebenszyklus. Schlüsseltechnologien, die einen überragenden Einfluss auf die branchenspezifische Wettbewerbsfähigkeit aufweisen, haben normalerweise die Wachstumsphase erreicht. Schrittmachertechnologien sind neue, in der Entstehungsphase befindliche Technologien, die jedoch bereits erkennen lassen, dass sie zukünftig einen gravierenden Einfluss auf das Wettbewerbsgeschehen in einer Branche haben werden. Die Analyse des Modells von Arthur D. Little ergibt folgende Hauptkritikpunkte:46 1. Eignung zur Abbildung - Es werden keine Regeln zur Beschreibung und zur Abgrenzung der zu untersuchenden Technologien angegeben. Statt dessen wird empfohlen, pragmatisch vorzugehen und darauf hingewiesen, dass eine Segmentierung nach Geschäftseinheiten sowie nach produkt- und fertigungsorientierten Technologien erfolgen sollte.
44 45 46
Eigene Darstellung in enger Anlehnung an Saad et al. (1993), S. 68. Vgl. Sommerlatte/Deschamps (1985), S. 50 f., 53 f. Siehe auch die Kritik von Gerpott (2005), S. 116, Höft (1992), S. 79 ff. und Specht et al. (2002), S. 69 f.
46
Thomas Tiefel
- Die Skalierung und Dimensionsangabe für die Y-Achse zur Abbildung der DEKlQJLJHQ9DULDEOHQÄ*UDG(UUHLFKXQJGHV:HWWEHZHUEVSRWHQ]LDOV³IHKOW (LJQXQJ]XU'HVNULSWLRQ$QDO\VHXQG([SOLNDWLRQ - Die genannten IndikatorenauspräJXQJHQ ]XU %HVWLPPXQJ GHU /HEHQV]\N lusphase einer Technologie sind teilweise inhaltlich nicht nachvollziehbar ]%:DVLVWHLQÄ.RQ]HSWSDWHQW³" - Bei einigen Indikatoren sind die Ausprägungen für mehrere Phasen identisch und/oder nicht differenzierbar (z% EHLP ,QGLNDWRU Ä,QYHVWLWLRQ LQ 7HFKQRORJLHHQWZLFNOXQJ³ GLH $XVSUlJXQJHQ ÄQLHGULJ³ XQG ÄYHUQDFKOlVVLJ EDU³ VR GDVV HLQH HLQGHXWLJH Phasenzuordnung und -abgrenzung daher NDXPP|JOLFKLVW (LJQXQJ]XU3URJQRVH - $XIHLQHGHGXNWLYH WKHRUHWLVFKH%HJUQGXQJIUGDVLP0RGHOOYHUZDQGWH und als quasi-allgemeingültig postulierte .XUYHQYHUODXIVPXVWHU ZLUG YHU ]LFKWHW - $XFK HLQH DOWHUQDWLYH LQGXNWLYH DXI HPSLULVFKHQ 8QWHUVXFKXQJHQ EDVLH UHQGH %HJUQGXQJ IHKOW (VEOHLEWEHi der Veranschaulichung anhand einer ILNWLYHQ)DOOVWXGLH - 'LH $XWRUHQ ZHLVHQ VHOEVW GDUDXI KLQ GDVV LQ LKUHP 0RGHOO HLQ LGHDOW\SL VLHUWHU .XUYHQYHUODXI XQWHUVWHOOW ZLUG und nicht alle Technologien den geVDPWHQ /HEHQV]\NOXV GXUFKODXIHQ GD VLH YHUGUlQJW RGHU DXIJHJHEHQ ZHUGHQEHYRULKUJHVDPWHV3RWHQ]LDODXVJHVFK|SIWLVW )UGHQGHVNULSWLYHQDQDO\WLVFKHQH[SOLNDWLYHQXQGSURJQRVWLVFKHQ3UD[LVHLQ VDW] LVW GDV 7HFKQRORJLHOHEHQV]\NOXV0RGHOO YRQ $UWKXU ' /LWWOH GDKHU QXU VHKUEHJUHQ]WJHHLJQHW'DLPPHUKLQ qualitative Indikatoren und deren AuspräJXQJHQ ]XU %HVWLPPXQJ GHU /HEHQV]\NOXVphase einer Technologie angeführt ZHUGHQOlVVWVLFKLKU(QWZLFNOXQJVVWDQGE]ZLKUH3RVLWLRQDXIGHU.XUYH]X PLQGHVW JURE DEVFKlW]HQ 'LH /DJH DXI GHU /HEHQV]\NOXVNXUYH JLEW LKUHUVHLWV HLQHQZLFKWLJHQ+LQZHLVGDIUIUZHOFKHVWUDWHJLVFKHQ=ZHFNHHLQH7HFKQR ORJLH QRFK JHQXW]W ZHUGHQ NDQQ +LHULQ LVW GHU ZHVHQWOLFKH SUDNWLVFKH 1XW]HQ GHV0RGHOOV]XVHKHQ 4
Zusammenfassung
Aus dem zusammenfassenden ÜberblicNEHUGLH(LJQXQJXQG/HLVWXQJVIlKLJ keit der verschiedenen TechnologielebenV]\NOXV0RGHOOH LQ 7DEHOOH ZLUG GHXWOLFK GDVV NHLQHV GHU XQWHUVXFKWHQ 0RGHOOH LQ GHU /DJH LVW NRQNUHWH $QW ZRUWHQ DXI GHVNULSWLYH DQDO\WLVFKH H[SOLNDWLYH XQG SURJQRVWLVFKH )UDJHQ ]X GHU(QWZLFNOXQJHLQHU7HFKQRORJLH]XOLHIHUQ
47
Technologielebenszyklus-Modelle - Eine kritische Analyse
Angabe von Kriterien zur Definition und Abgrenzung der abzubildenden Technologie(n)
Eignung zur Beschreibung und Analyse der bisherigen Technologieentwicklung
Eignung zur Prognose der zukünftigen Technologieentwicklung
Primäre Eignung
Mathematische Technologiediffusionsmodelle
nein
begrenzt
sehr begrenzt
Beschreibung bisheriger Technologieverläufe
TLZ-Modell von Ford und Ryan
nein
sehr begrenzt
sehr begrenzt
Sensibilisierung für den fundamentalen Entwicklungsverlauf einer Technologie
Modell
nein
sehr begrenzt
sehr begrenzt
Sensibilisierung für unterschiedliche Typen der Technologieentwicklung sowie die Interdependenz von Markt-, Produkt- und Technologielebenszyklus
Hype Cycle Modell von Gartner
Technologien werden ohne stringente Systematik benannt
annäherungsweise möglich
sehr begrenzt
Orientierung bei der sich verändernden medialen Reflektion einer Technologie
S-Kurven-Konzept von McKinsey
ungenau
sehr begrenzt
sehr begrenzt
Sensibilisierung für die begrenzte Leistungsfähigkeit einer Technologie und die Gefahr von Technologiesprüngen
sehr begrenzt
Sensibilisierung für die unterschiedlichen strategischen Potenziale einer Technologie in Abhängigkeit von ihrem Alter
TLZ-Modell von Ansoff
TLZ-Modell von Arthur D. Little
ungenau
sehr begrenzt
Tabelle 2: Überblick über die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Technologielebenszyklus-Modelle
Der fundamentale Schwachpunkt aller Modelle ist das Fehlen von eindeutigen Angaben zur Definition und Abgrenzung des abzubildenden UntersuchungsgeJHQVWDQGHVÄ7HFKQRORJLH³(VZLUGEHOLHELJ]ZLVFKHQGHQ(EHQHQ7HFKQRORJLH 7HFKQLN3URGXNWHE]Z9HUIDKUHQJHVSUXQJHn oder diese gleich gesetzt, so dass in Folge völlig unklar bleibt, für welche Objekte die Modelle ihre Aussagekraft HQWIDOWHQVROOHQ'DV]ZHLWH0DQNROLHJWGDULQGDVVELVDXIGHQ+\SH&\FOHYRQ Gartner, entweder die unabhängige oder diHDEKlQJLJH9DULDEOHHPSLULVFKQLFKW HUIDVVWZHUGHQNDQQ(LQH%HVFKUHLEXQJXQG$QDO\VHGHUELVKHULJHQ7HFKQROR gieentwicklung ist dadurch überhaupt nicht RGHUQXUVHKUEHJUHQ]WP|JOLFK'DV dritte Problem, das alle Modelle betrifft, ist die Tatsache, dass die von ihnen postulierten Gesetzmäßigkeiten weder ausreichend theoretisch noch empirisch IXQGLHUW VLQG 'LH $EOHLWXQJ YRQ 3URJQRVHQ LVW GDKHU QXU LQ VHKU EHJUHQ]WHP 8PIDQJ RGHU EHUKDXSW QLFKW P|JOLFK 2KQH GLH %HVHLWLJXQJ GLHVHU GUHL Schwachstellen bleibt den Modellen die Rolle des Sensibilisierungsinstruments im Rahmen des strategischen ManagemeQWV*UXQGOHJHQGH3UREOHPIHOGHUZHU den veranschaulicht, präzisere AuVVDJHQVLQGMHGRFKQLFKWP|JOLFK
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Thomas Tiefel
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Patentstatistische Indikatoren für den Verlauf von Technologielebenszyklen Reinhard Haupt / Martin Kloyer / Marcus Lange
1
Einführung
Die Attraktivität einer Technologie als Investitionsobjekt hängt entscheidend davon ab, in welcher Lebenszyklusphase sie sich befindet.1 Die Phasen eines Technologielebenszyklus können nach der Leistungsfähigkeit oder dem Diffusionsgrad der Technologie unterschieden werden.2 Die Ausprägung dieser beiden Merkmale ist allerdings schwer zu ermitteln und nur begrenzt quantifizierbar.3 Dies gilt insbesondere für frühe Phasen der Technologieentwicklung, in denen die kommerzielle Verwertung noch bevorsteht. Angesichts dieses Problems ist es von hohem wissenschaftlichen und praktischen Interesse, Merkmale zu finden, die eindeutig auf eine bestimmte Technologielebenszyklusphase hinweisen und dabei leichter zu erheben sind als die Leistungsfähigkeit oder der Diffusionsgrad der Technologie. Patentstatistische Kennzahlen sind Merkmale, die als potentielle Indikatoren besonders attraktiv erscheinen, weil sie zweifelsfrei objektiviert, quantifiziert und damit intersubjektiv überprüft werden können.4 Dies unterscheidet sie von einer Reihe anderer Merkmale einer Technologie, für die ebenfalls eine charakteristische Ausprägung in verschiedenen Phasen des Lebenszyklus vermutet wird (beispielsweise die Anzahl der Anwendungsfelder und der Substitutionsmöglichkeiten einer Technologie). Wegen ihrer Objektivierbarkeit werden patentstatistische Kennzahlen tatsächlich als Indikatoren der Technologielebenszyklusphase genutzt. Bislang werden allerdings solche Kennzahlen herangezogen, für die die vollständige Erfassung aller auf einem Technologiefeld aktiven Patentanmelder und ihrer Anmeldungen erforderlich ist (Aktivitätskennzahlen): die Zahl der auf einem Technologiefeld erfolgten Patentanmeldungen, die Zahl der dahinter stehenden Anmelder und die Konzentration (Anmelder pro Anmeldungen).5 Es sei hier GDUDXI KLQJHZLHVHQ GDVV GLH =DKO GHU HUWHLOWHQ 3DWHQWH ± HLQH $NWLYLWlWVNHQQ 1 2 3 4 5
Zum Technologielebenszykluskonzept vgl. z. B. Mansfield (1961) o. Silverberg et al. (1988). Vgl. z. B. Specht (1996), Sp. 1984. Vgl. z. B. Brockhoff (1999), S. 185 ff.; Ernst (1996), S. 105. Vgl. Campbell (1983b), S. 64 f. Vgl. z. B. Campbell (1983a), S. 143; Ernst (1996), S. 109 ff. Zur Eignung der Aktivitätskennzahlen als Lebenszyklusindikatoren vgl. z. B. Haupt et al. (2007).
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Reinhard Haupt / Martin Kloyer / Marcus Lange
zahl - noch geeigneter sein dürfte, die tatsächliche Leistungsfähigkeit einer Technologie anzugeben, da sie die abgewiesenen und die veränderten Anmeldungen berücksichtigt. Für die Erhebung all dieser Kennzahlen gilt, dass sie in der Unternehmenspraxis bezüglich der meisten Technologien schwierig oder sogar unmöglich ist. Dies liegt erstens daran, dass das Internationale Patentklassifikationssystem (IPC) meist keine mit Technologien identische Klassen anbietet. Zweitens ist dies darauf zurückzuführen, dass sich die zu einer Technologie gehörenden Patente meist auch nicht über identische technische Schlüsselbegriffe in den Anspruchbeschreibungen identifizieren lassen. Die vollständige Erfassung aller zu einer Technologie gehörenden Patente ist meist also unmöglich. Allerdings kann das FuE-Management eines Unternehmens sehr wohl angeben, welche eigenen Patente und welche Patente des Hauptwettbewerbers einer bestimmten Technologie zugehören. Es wäre also von hohem theoretischen und praktischen Wert, Kennzahlen mit Phasenindikatortauglichkeit zu identifizieren, für deren Erhebung lediglich eine solche Stichprobe von Patenten benötigt würde. Der Gedankengang der Untersuchung ist folgender: Es wird eine der seltenen Beispieltechnologien herangezogen, für die eine klare Abgrenzung des Technologiefeldes und damit der Lebenszyklusphasen auf der Basis der bewährten Aktivitätskennzahlen möglich ist. Dabei handelt es sich um die Herzschrittmachertechnologie. Zahlreiche Expertenmeinungen gehen dahin, dass sich das Technologiefeld GRUW EHU GHQ 6XFKEHJULII ÄSDFHPDNHU³ KLQUHLFKHQG vollständig erfassen lässt. Es wird sodann untersucht, welche patentstatistischen Kennzahlen in den verschiedenen Lebenszyklusphasen der Herzschrittmachertechnologie signifikant voneinander abweichende Ausprägungen aufweisen.6 Jene Kennzahlen können dann als taugliche Indikatoren für den Fall der Herzschrittmachertechnologie bezeichnet werden. Folgende patentstatistische Kennzahlen sollen auf ihre Tauglichkeit überprüft werden: Die Zahl der Prioritäten (frühere relevante eigene Anmeldungen); die Zahl der rückwärtsgerichteten Zitate auf Patent- und Nicht-Patent-Literatur; die Aktualität der Patentzitate; die Zahl der in nachfolgenden Anmeldeverfahren erfolgenden Verweise auf das eigene Patent; die Zahl der abhängigen Ansprüche und die Dauer des Prüfverfahrens. 7 6 7
Die ökonomische Literatur beschäftigt sich mittlerweile mit einer Vielzahl von Patentkennzahlen, vgl. z. B. Hall et al. (2001). Zahlreiche empirische Studien überprüfen die Tauglichkeit dieser Patentkennzahlen als Indikatoren des monetären Patentwerts. Albert et al. (1991): Vorwärtszitate; Trajtenberg (1990): Vorwärtszitate; Lanjouw/Schankerman (1999): Vorwärtszitate, Rückwärtszitate, Ansprüche; Harhoff et al. (2003): Vorwärts- und Rückwärtszitate; Lerner (1994): Anspruchsumfang. Als Prädiktor bestätigt werden insbesondere die Vorwärtszitate. Daher wird diese Kennzahl in anderen Studien als abhängige Variable für den Patentwert selbst eingesetzt, vgl. z. B. Henderson et al. (1998).
Patentstatistische Indikatoren für den Verlauf von Technologielebenszyklen
53
Die Autoren wollen trotz der Gefahr von Branchenbesonderheiten von einer Übertragbarkeit der bezüglich der Beispieltechnologie gewonnenen ErkenntnisVH±DOVRYRQHLQHU,QGLNDWRUWDXJOLFKNHLWder Kennzahlen auch für andere Technologien - ausgehen. Eine parallele Untersuchung mehrerer Technologien wäre zwar wünschenswert, kam aber angesichts des teilweise beträchtlichen Erhebungsaufwandes aus forschungsökonomischen Gründen nicht in Frage. Hier besteht sicherlich weiterer Forschungsbedarf. Es sollten insbesondere auch Technologien betrachtet werden, die sich bereits in der Phase der Degeneration befinden, damit auch etwaige spezifische Kennzahlausprägungen in dieser letzten Lebenszyklusphase ermittelt werden können. Der Beitrag wird die Mittelwerte patentstatistischer Kennzahlen in den drei hier betrachteten Lebenszyklusphasen der Herzschrittmachertechnologie mit Hilfe des Verfahrens des Scheffé-Tests auf signifikante Unterschiede untersuchen. Ziel ist es, jene Kennzahlen zu ermitteln, die zumindest einen signifikanten Mittelwertunterschied zwischen zwei Phasen aufweisen und deren Verlauf nicht linear ist. Nur sie sind als Indikatoren geeignet. Der nicht-lineare Verlauf erfordert nicht notwendigerweise eine Umkehr der Richtung der Mittelwerteentwicklung. Hinreichend ist auch der Wechsel von einer nicht-signifikanten Änderung des Mittelwerts hin zu einer signifikanten Änderung. Kennzahlen, für die in der Untersuchung der Herzschrittmachertechnologie eine phasenübergreifende gleich bleibende Veränderung (signifikante Zu- oder Abnahme des Kennzahlenjahresmittelwerts) oder eine phasenübergreifende Stagnation (nichtsignifikante Veränderung des Kennzahlenjahresmittelwerts) festgestellt wird, müssen als Kriterium zur Abgrenzung der Lebenszyklusphasen verworfen werden. Schließlich kann ein Beobachter einer konkreten Technologie, der für eine durch linearen Verlauf gekennzeichnete Kennzahl einen solchen linearen Verlauf ermittelt, nicht wissen, ob sich die lineare Entwicklung innerhalb einer Phase ereignet oder aber über zwei oder auch drei Phasen erstreckt. Dies würde die direkte Kenntnis der Entwicklung von Leistungsfähigkeit und Diffusion der konkreten Technologie erfordern, die der Adressat unserer Untersuchung aber eben nicht besitzt. Wenn die Kennzahl aber die genannten Anforderungen erfüllt, dann muß der Betrachter lediglich die Ausprägungen über alle bisher für die Technologie zu verzeichnenden Patentjahrgänge erheben, um die aktuelle Lebenszyklusphase zu ermitteln. Dabei wird sich allerdings zeigen, dass manche Indikatoren nur einen der beiden hier untersuchten Phasenübergänge (von der Einführung zum Wachstum und vom Wachstum zur Reife) anzeigen können, weil sie am anderen stagnieren. D. h., wenn im konkreten Anwendungsfall für einen Indikator, der erst den zweiten Übergang anzeigt, noch keine Veränderung festgestellt werden konnte, kann der Betrachter nicht wissen, ob sich die Technologie noch in der Einführungs- oder schon in der Wachstumsphase befindet. Und wenn für einen Indikator, der nur den ersten Übergang anzeigt, über mehrere Perioden
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Reinhard Haupt / Martin Kloyer / Marcus Lange
hinweg keine Veränderung mehr festgestellt werden kann, bleibt dem Beobachter verborgen, ob sich der Lebenszyklus noch in der Wachstums- oder schon in der Reifephase befindet. Der Nutzer der hier ermittelten Indikatoren bleibt mit dem Problem konfrontiert, dass er zu entscheiden hat, ob er eine einmalige signifikante Änderung eines Jahresmittelwerts bereits als Beginn einer neuen Lebenszyklusphase interpretieren soll. Ein Beispiel aus der hier betrachteten Herzschrittmachertechnologie wird zeigen, dass sich ein Phasenwechsel durch eine längerfristig, also über mehrere Jahre anhaltende Veränderung der Mittelwerte eines Indikators bemerkbar macht. Der Beitrag wird zunächst auf der Basis der Zahl der Patenterteilungen die bisherige Entwicklung der Herzschrittmachertechnologie in Lebenszyklusphasen einteilen (Teil 2). Er beschreibt dann die zu untersuchenden patentstatistischen Kennzahlen. Hieraus werden die Hypothesen abgeleitet, in denen ein nicht-linearer Mittelwertverlauf über den Lebenszyklus hinweg angenommen RGHU ]XPLQGHVW ± EHL JHJHQWHLOLJHU $QQDKPH LQ GHQ MHZHLOLJHQ +\SRWKHVHQ ± nicht sachlogisch ausgeschlossen werden kann (Teil 3). In Teil 4 wendet er sich dann der empirischen Untersuchung zu. Den Schluss bilden eine Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse (Teil 5). 2
Die Entwicklung der Herzschrittmachertechnologie
Die Herzschrittmachertechnologie wird als Beispiel herangezogen, weil für sie aufgrund der konstant einheitlichen VeUZHQGXQJ GHV %HJULIIHV ÄSDFHPDNHU³ das Technologiefeld und damit auf der Basis der bekannten aktivitätsbezogenen patentstatistischen Indikatoren die Lebenzyklusphasen exakt abgegrenzt werden N|QQHQ 'LH 'DWHQ ]XU $EJUHQ]XQJ GHU Lebenszyklusphasen liefert die VollWH[WGDWHQEDQN 863$7)8// GLH DOOH 863DWHQWH DE HQWKlOW GHUHQ $Q PHOGHGDWHQ ELV LQ GDV -DKU ]XUFNUHLFKHQ +LHU ODVVHQ VLFK VHKU IUKH $NWLYLWlWHQ DXI GHP +HU]VFKULWWPDFKHUVHNWRU HUIDVVHQ :LH REHQ HUZlKQW LVW die Zahl der Erteilungen besser als die DQGHUHQ$NWLYLWlWVNHQQ]DKOHQJHHLJQHW die Leistungsfähigkeit einer Technologie DQ]XJHEHQ $EELOGXQJ JLEW GHUHQ Entwicklung für die Herzschrittmachertechnologie wieder.
55
Patentstatistische Indikatoren für den Verlauf von Technologielebenszyklen
Number of applications of granted patents
250
200
150
absolute frequency year of grant
100
moving three-periodaverage-values 50
19 71 19 73 19 75 19 77 19 79 19 81 19 83 19 85 19 87 19 89 19 91 19 93 19 95 19 97 19 99 20 01
0
Year of application of granted patents
Abbildung 1:
Zeitliche Entwicklung der absoluten Anzahl an Patenterteilungen auf dem Gebiet der Herzschrittmacherentwicklung (Quelle: Recherche vom 09.10.2003 in USPATFULL).
Der Kurvenverlauf zeigt, dass die Einführungs- und die Wachstumsphase in den Jahren 1986 bzw. 1998 beendet waren. 3
Ausprägung patentstatistischer Kennzahlen in Technologielebenszyklusphasen
Im folgenden Abschnitt werden jene Patentkennzahlen vorgestellt, für die eine nicht-lineare Mittelwertentwicklung an zumindest einem Lebenszyklusphasenübergang angenommen werden kann. 3.1
Prioritäten
Die Priorität ist der Zeitpunkt einer früheren eigenen Patentanmeldung, auf die man sich mit einer späteren Anmeldung innerhalb einer Frist von 12 Monaten beziehen kann, ohne sich hinsichtlich der Neuheit und der erfinderischen Höhe von dieser vorhergehenden Anmeldung abheben zu müssen.8 Dies gilt aller8
Vgl. z. B. Blankenstein (1988), S. 7; Suhr (2000), S. 23 ff.
56
Reinhard Haupt / Martin Kloyer / Marcus Lange
dings nur für jenen inhaltlichen Teil der Anmeldung, der mit dem der vorhergehenden Anmeldung identisch ist. Diese patentrechtlich eingeräumte Verfahrensoption trägt der besonderen Chancen-Risiken-Situation Rechnung, in der sich Erfinder bewegen: Einerseits kann ein Erfinder typischerweise durch weitere Anstrengungen die Widerstandsfähigkeit seiner Anmeldung gegen juristische Anfechtungen vergrößern, indem er die erfinderische Höhe und damit den durchsetzbaren Anspruchsumfang vergrößert; andererseits besteht bei einer dadurch bedingten Anmeldungsverzögerung die Gefahr, dass ihm die Konkurrenz zuvorkommt.9 Das Patentrecht gestattet dem Erfinder daher, sofort Schutz zu beantragen, sobald die materiellen Voraussetzungen der Patentierung (erfinderische Höhe, Neuheit, gewerbliche Anwendbarkeit) gegeben sind, den ursprünglich beanspruchten Schutzumfang aber auszuweiten, wenn nachträgliche Verbesserungen der Erfindung erzielt werden können. Es ist anzunehmen, dass sich ein Patent in späteren Technologielebenszyklusphasen auf mehr Prioritätstermine bezieht als zu Beginn des Zyklus. Die technische Entwicklung erlaubt mehr Weiterentwicklungen der Ausgangserfindung, und die zunehmende Wettbewerbsintensität zwingt dazu, diese Weiterentwicklungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt anzumelden. Hypothese 1 lautet daher: H1
In späteren Technologielebenszyklusphasen ist die Zahl der Prioritäten, auf die in einer Patentanmeldung verwiesen wird, signifikant höher als in früheren.
Die für die Erhebung dieser Kennzahl erforderliche Stichprobe ist die Gesamtheit der eigenen bislang auf dem relevanten Technologiefeld angemeldeten Patente. 3.2
Rückwärtszitate
Patentanmeldungen zitieren sowohl wissenschaftliche Veröffentlichungen (Literaturzitate) als auch andere Patente (Patentzitate). Durch das Zitat wird die Anknüpfung der dem Patent zugrunde liegenden Erfindung an das zitierte andere Patent oder die Literaturquelle dokumentiert.10 Es ist zwar zu erwarten, dass die Anzahl beider Zitatarten im Verlauf des Technologielebenszyklus zunimmt. Schließlich nimmt das technologische Wissen, das in beiden Quellen kumuliert wird und auf das sich neue Anmeldungen beziehen müssen, im Verlauf des Lebenszyklus beständig zu. Gleichwohl ist zu erwarten, dass die Wachstumsrate der Verweise im Falle der Literaturzitate niedriger ausfällt, da neues zu zitie9 10
Vgl. z. B. Ihnen (2000), S. 555 f.; Rings (2000). Vgl. z. B. Campbell (1983b), S. 63; Driks (1998), S. 97; Glazier (1995), S. 13; Glazier (1997), S. 34; Harrison/Rivette (1998), S. 123; Knight (2001), S. 53; Miele (2000), S. 102.
Patentstatistische Indikatoren für den Verlauf von Technologielebenszyklen
57
rendes Wissen in späteren Lebenszyklusphasen eher in Patenten als in wissenschaftlicher Literatur dokumentiert wird. Wissenschaftliche Literatur hat ein YRUUDQJLJHV,QWHUHVVHDQ±WHLOZHLVHQRFKQLFKWNRPPHU]LDOLVLHUEDUHU±*UXQG lagen-)Forschung, Patentliteratur hauptsächlich an kommerzialisierbaren Ergebnissen der angewandten Forschung und der Produktentwicklung. Hypothese 2 lautet daher: H2 + +
In späteren Technologielebenszyklusphasen ist die Zahl der RückZlUWV]LWDWHVLJQLILNDQWK|KHUDOVLQIUKHUHQZREHL« «GHU=XZDFKVLP)DOOHGHU/LWHUDWXU]LWDWHDEQLPPW «GHU=XZDFKVLP)DOOHGHU3DWHQW]LWDWHJOHLFKEOHLEW
'LHIUGLH(UKHEXQJGLHVHU.HQQ]DKOHUIRUGHUOLFKH6WLFKSUREHLVWGLH*HVDPW heit der eigenen bislang auf dem relevanten Technologiefeld angemeldeten Patente. 3.3
Aktualität der Patentzitate
Die Aktualität eines Zitats beziffert den Zeitraum, der zwischen der Erteilung des zitierenden und der Erteilung des zitierten Patents liegt. Hier ist kein linearer Verlauf zu erwarten. In der Einführungsphase ist eine mittlere Ausprägung der durchschnittlichen Aktualität aller Patentzitate zu erwarten, da einerseits einige nicht der Technologie entstammende, weiter zurückliegende Patente zitiert werden, andererseits aber auch auf sehr aktuelle eigene oder fremde Anfangserfindungen verwiesen wird.11 In der Wachstumsphase ist zu erwarten, dass die Aktualität steigt, dass also der durchschnittliche Zeitraum zwischen Anmeldung des zitierenden und des zitierten Patents kürzer wird. Es müssen zwar weiterhin einige länger zurückliegende Basispatente aus der Einführungsphase zitiert weUGHQ*OHLFKZRKO dürfte der Effekt der Verweise auf die wachsende Zahl an jüngeren Weiterentwicklungen überwiegen. Für die Reifephase ist dann zu vermuten, dass die Aktualität abnimmt, also der durchschnittliche Zeitraum zwischen zitierenden und zitierten Patenten zunimmt.12 'LHV LVW DXV IROJHQGHP *UXQG ]X HUZDUWHQ Die Entwicklungsdynamik und damit der Spielraum, durch Patentierung Wettbewerbsvorteile zu erlangen, nehmen ab; so besteht nicht mehr die Notwendigkeit, möglichst schnell auf fremde oder auch eigene Neuerungen zu reagieren.
11
9JO]%&DPSEHOOD 6)DL[ 6 9JO]%&DPSEHOOD 6)DL[ 6
12
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Reinhard Haupt / Martin Kloyer / Marcus Lange
Hypothese 3 lautet daher: H3
Die durchschnittliche Aktualität von Patentzitaten ist in der Wachstumsphase signifikant höher als in der Einführungsphase und in der Reifephase signifikant niedriger als in der Wachstumsphase.
Die für die Erhebung dieser Kennzahl erforderliche Stichprobe ist die Gesamtheit der eigenen bislang auf dem relevanten Technologiefeld angemeldeten Patente. 3.4
Vorwärtszitate
Als Vorwärtszitat wird ein Verweis bezeichnet, den ein Patent durch ein später angemeldetes Patent erfährt. Die diesbezügliche Kennzahl erfaßt nicht die jährlich hinzukommenden passiven Zitate, die das betrachtete Patent benennen, sondern den kumulierten Wert eines jeden Jahrs. Die Kennzahl kann also nicht abnehmen. Typischerweise nimmt sie mit einer abnehmenden Wachstumsrate zu und nähert sich einem Grenzwert. Je weiter ein Patent zurückliegt, desto öfter ist es typischerweise zitiert worden. Eine signifikant höhere durchschnittliche Anzahl an Vorwärtszitaten für die Einführungsphase ist aber nicht nur wegen dieses Zeiteffekts zu erwarten. Sie ist auch deshalb zu vermuten, weil die am Beginn einer technologischen Entwicklung stehenden Basispatente für die Gesamtheit aller nachfolgenden Anmeldungen relevant bleiben, die nachfolgenden Anmeldungen selbst aber nicht mehr für die Gesamtheit, sondern nur noch für einen Teil Patente.13 Der Grenzwert eines später erteilten Patents ist daher mutmaßlich niedriger als der eines Basispatents. Für die Abnahme des Mittelwerts in der Wachstumsphase dürfte vorrangig der Effekt des verschwundenen Basispatentcharakters der neu erteilten Patente verantwortlich sein, für die weitere Abnahme in der Reifephase dann der Zeiteffekt. Hypothese 4 lautet daher: H4
In späteren Technologielebenszyklusphasen ist die Zahl der Vorwärtszitate signifikant niedriger als in früheren.
Für die Erhebung dieser Kennzahl genügt es nun nicht, allein auf die Gesamtheit der eigenen bislang auf dem relevanten Technologiefeld angemeldeten Patente zurückzugreifen. Schließlich werden in einem erteilten Patent nicht nachträglich die Zitierungen vermerkt, die es in nachfolgenden Patentanmeldungen erfährt. Da es aus besagten Gründen meist unmöglich ist, alle relevanten Patente zu erfassen, ist eine Konzentration auf die Patente eines maßgeblichen Wettbewerbers sinnvoll. Zur Ermittlung der Kennzahl müssen dann also die von diesem Wettbewerber getätigten Anmeldungen auf dem relevanten Technolo13
Vgl. z.B. Ihnen (2000), S. 556; Welte (1991), S. 140.
Patentstatistische Indikatoren für den Verlauf von Technologielebenszyklen
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giefeld auf Zitierungen eigener Patente untersucht werden. In der nachfolgend vorgestellten empirischen Untersuchung werden die Vorwärtszitate zwischen den beiden Hauptwettbewerbern im +HU]VFKULWWPDFKHUEHUHLFK ± 6LHPHQV XQG 0HGWURQLF±DXVJHZHUWHW 3.5
Abhängige Ansprüche
Abhängige Patentansprüche stellen Konkretisierungen und auch Rückzugsoptionen des unabhängigen Anspruchs (Hauptanspruchs) dar.146LHHQWKDOWHQLQGHU Regel nur ein einziges Merkmal, das den zugehörigen unabhängigen Anspruch näher detailliert.15 Aus zwei Gründen ist anzunehmen, dass die Zahl der abhängigen Ansprüche in späteren Lebenszyklusphasen signifikant höher ist. Erstens können infolge der Ausdifferenzierung der Technologie mehr Konkretisierungen vorgenommen werden. Und zweitens ist es angesichts einer zunehmend kumulativen Technologieentwicklung, die eine stärkere wechselseitige Abhängigkeit der Anmelder verursacht, wichtiger, sich Rückzugsoptionen offenzuhalten. Hypothese 5 lautet daher: H5
In späteren Technologielebenszyklusphasen ist die Zahl der abhängigen Ansprüche signifikant höher als in früheren.
'LHIUGLH(UKHEXQJGLHVHU.HQQ]DKOHUIRUGHUOLFKH6WLFKSUREHLVWGLH*HVDPW heit der eigenen bislang auf dem relevanten Technologiefeld angemeldeten Patente. 3.6
Dauer des Prüfverfahrens
Für die Kennzahl der Dauer des Prüfverfahrens ist eine nicht-lineare Entwicklung über die Zyklusphasen hinweg zu erwarten. Aus mehreren Gründen ist anzunehmen, dass die Prüfverfahren in der Einführungsphase signifikant länger als in der Wachstumsphase dauern. Zunächst einmal ist da die Tatsache, dass Anmelder zu Beginn einer technologischen Entwicklung versuchen, einen breiten und damit in der Prüfung aufwendigen Anspruchsumfang zu formulieren, um den Bewegungsspielraum nachfolgender Anmelder einzuschränken. Unabhängig von diesem strategischen Interesse der Anmelder hat eine Basiserfindung einen breiteren Anspruchsumfang als nachfolgende Erfindungen. Die Prüfung dürfte auch deshalb mehr Zeit beanspruchen, weil den Prüfern noch die technologiespezifische Erfahrung fehlt. Für die Reifephase ist dann wiederum eine längere durchschnittliche Prüfungsdauer als für die Wachstumsphase anzu14
9JO]%5HLW]LJ 66FKLFNHGDQ] 69DOOH 6 9JO]%9DOOH 6:LWWH9ROOUDWK 6I
15
60
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nehmen, weil die Anmeldungen mit einem höheren Stand der Technik abgeglichen werden müssen. Hypothese 6 lautet daher: H6
Prüfverfahren dauern in der Einführungsphase und in der Reifephase signifikant länger als in der Wachstumsphase.
Die für die Erhebung dieser Kennzahl erforderliche Stichprobe ist die Gesamtheit der eigenen bislang auf dem relevanten Technologiefeld angemeldeten Patente. 4
Empirische Untersuchung
4.1
Untersuchungsdesign
Wie oben erwähnt, ist es im Falle der Schrittmachertechnologie möglich, die Gesamtheit der relevanten Patente zu erheben. Allerdings haben wir diese breite Datenbasis nur für die Differenzierung der Technologielebenszyklusphasen genutzt. Für den Test der Indices konzentrieren wir uns auf die Patente der zwei Hauptwettbewerber. Entsprechend besteht die Stichprobe aus den erteilten Herzschrittmacherpatenten der Firmen Medtronic Inc. and Siemens AG.16 Insgesamt sind dies 387 Patente (erteilt in der Einführungsphase der Technologie: 48, in der Wachstumsphase: 282, in der Reifephase: 57). Bezüglich jedes Index haben wir eine Varianzanalyse (einschließlich Mittelwertvergleichen durch Scheffé-Tests). Die Anwendungsbedingungen wurden überprüft. Dies gilt insbesondere für die Homogenität der Inter-Gruppen-Varianz und die Übereinstimmung der Gruppenzusammensetzung.
16
Vgl. Brockhoff et al. (1999).
61
Patentstatistische Indikatoren für den Verlauf von Technologielebenszyklen
4.2
Befunde zu den Hypothesen und Interpretation
4.2.1
Prioritäten
In Hypothese 1 war angenommen worden, dass die Zahl der Prioritäten, auf die in einer Patentanmeldung verwiesen wird, in späteren Technologielebenszyklusphasen signifikant höher ist als in früheren. Der Scheffé-Test hat folgende Befunde erbracht: Lebenszyklusphasen (I: -1986; II: 1987-1998; III: 1999-)
N (Zahl der Patente)
Mittelwert (Zahl der Prioritäten)
Scheffé-Test (signifikante Unterschiede zwischen)
F-Wert
P-Wert
I
48
1.00
II-III: 0.001
10.536
0.000
II
282
1.16
III
57
1.51
Tabelle1: Lebenszyklusphase und Zahl der Prioritäten
Die Befunde bestätigen die Hypothese nur für den Übergang von der Wachstums- zur Reifephase. Für den Übergang von der Einführungs- zur Wachstumsphase ist zwar auch ein Anstieg des Mittelwerts der Anzahl der Prioritätenverweise zu verzeichnen, aber kein signifikanter. In der Einführungsphase wird ausnahmslos überhaupt nicht auf andere Prioritätstermine verwiesen. Hier werden offenbar erst die Grundlagen für die neue Technologie geschaffen. Offenbar sind auch der Wettbewerbsdruck und damit die Gefahr, überholt zu werden, noch so gering, dass die Erfinder erst dann anmelden, wenn sie keine Möglichkeiten der Ausweitung des Anspruchsumfangs mehr sehen. In der Wachstumsphase steht dann die gewerbliche Nutzung der Technologie im Vordergrund. Die Zahl der an der Technologienutzung interessierten Unternehmen steigt. Es kommen FuE- und Markteintrittsnachfolger hinzu. Dementsprechend ist der Wettbewerb um das geistige Eigentum an den Ergebnissen der angewandten Forschung und der Produktentwicklung, die diese gewerbliche Nutzung erst ermöglichen, intensiv. Die daraus resultierende Gefahr des Überholtwerdens führt dazu, dass, wenn möglich, in mehreren Schritten angemeldet wird, wobei die späteren Anmeldungen dann nicht nur den Prioritätstermin der allein nicht patentfähigen unmittelbaren Vorgängeranmeldung zitieren müssen, sondern auch den der Basisanmeldung, die die Patentierbarkeit begrün-
62
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det. In der Reifephase sind die relevanten technologischen Felder dann bereits besetzt. Die Wettbewerber wollen Weiterentwicklungspatente erlangen, um mit ihrer Hilfe Marktanteile ausbauen zu können. Die technologische Entwicklung ist in dieser Phase kumulativ. D. h., die zahlreichen Weiterentwicklungserfindungen liegen eng beieinander und sind aufeinander bezogen. So kommt es zu HLQHP ZHLWHUHQ ± MHW]W DXFK VLJQLILNDQWHQ - Anstieg der Zahl der Prioritätsverweise in einem Patent. 4.2.2
Rückwärtszitate
In Hypothese 2 war angenommen worden, dass die Zahl der Rückwärtszitate in späteren Technologielebenszyklusphasen signifikant höher ist als in früheren, wobei für die Literaturzitate ein abnehmender Zuwachs (H2.1.) und für die Patentzitate ein linearer Zuwachs (H2.2.) angenommen wurde. Die Scheffé-Tests haben folgende Befunde erbracht: Lebenszyklusphasen (I: -1986; II: 1987-1998; III: 1999-)
N (Zahl der Patente)
Mittelwert (Zahl der Zitate)
Scheffé-Test (signifikante Unterschiede Zwischen)
F-Wert
P-Wert
I
48
0.71
I-II: 0.091
3.626
0.028
II
282
1.45
III
57
1.82
Tabelle 2a : Lebenszyklusphase und Zitate der Literatur Lebenszyklusphasen (I: -1986; II: 1987-1998; III: 1999-)
N (Zahl der Patente)
Mittelwert (Zahl der Zitate)
Scheffé-Test (signifikante Unterschiede zwischen)
F-Wert
P-Wert
I
48
5.52
26.955
0.000
II
282
13.67
I-II: 0.000; II-III: 0.000
III
57
21.79
Tabelle 2b: Lebenszyklusphase und Zitate der Patent-Literatur
63
Patentstatistische Indikatoren für den Verlauf von Technologielebenszyklen
H2 wird eindeutig bestätigt: Der Mittelwert der Anzahl der Literaturzitate steigt nur am Übergang von der Einführungs- zur Wachstumsphase signifikant an; für die Patentzitate kann für beide Phasenübergänge ein signifikanter Anstieg der Mittelwerte verzeichnet werden. 4.2.3
Aktualität der Patentzitate
In Hypothese 3 war angenommen worden, dass die durchschnittliche Aktualität von Patentzitaten in der Wachstumsphase signifikant höher ist als in der Einführungsphase und in der Reifephase signifikant niedriger als in der Wachstumsphase. Der Scheffé-Test hat folgende Befunde erbracht: Lebenszyklusphasen (I: -1986; II: 1987-1998; III: 1999-)
N (Zahl der Patente)
Mittelwert (Aktualität in Jahren)
Scheffé-Test (signifikante Unterschiede Zwischen)
F-Wert
P-Wert
I
48
0.5417
39.985
0.000
II
282
3.6326
I-II: 0.000; II-III: 0.000
III
57
7.2439
Tabelle 3: Lebenszyklusphase und Aktualität der Patentzitate
Die Hypothese wird lediglich für den Übergang von der Wachstums- zur Reifephase bestätigt. Im Gegensatz zur Erwartung ist die Aktualität der Patentverweise in der Einführungsphase deutlich höher als in der Wachstumsphase.
64 4.2.4
Reinhard Haupt / Martin Kloyer / Marcus Lange
Vorwärtszitate
In Hypothese 4 war angenommen worden, dass in späteren Technologielebenszyklusphasen die Zahl der Vorwärtszitate signifikant niedriger ist als in früheren. Der Scheffé-Test hat folgende Befunde erbracht: Lebenszyklusphasen (I: -1986; II: 1987-1998; III: 1999-)
N (Zahl der Patente)
Mittelwert (Zahl der Vorwärtszitate)
Scheffé-Test (signifikante Unterschiede Zwischen)
F-Wert
P-Wert
I
48
18.83
20.949
0.000
II
282
13.27
I-II: 0.068; II-III: 0.000
III
57
0.81
Tabelle 4: Lebenszyklusphase und Vorwärtszitate
Die Hypothese wird für beide Phasenübergänge bestätigt. 4.2.5
Abhängige Ansprüche
In Hypothese 5 war angenommen worden, dass die Zahl der abhängigen Ansprüche in späteren Technologielebenszyklusphasen signifikant höher ist als in früheren. Der Scheffé-Test hat folgende Befunde erbracht: Lebenszyklusphasen (I: -1986; II: 1987-1998; III: 1999-)
N (Zahl der Patente)
Mittelwert (Zahl der abhängigen Ansprüche)
Scheffé-Test (signifikante Unterschiede Zwischen)
F-Wert
P-Wert
I
48
13.52
II-III: 0.003
8.415
0.000
II
282
18.06
III
57
26.77
Tabelle 5: Lebenszyklusphase und abhängige Ansprüche
65
Patentstatistische Indikatoren für den Verlauf von Technologielebenszyklen
Die Befunde weisen zwar für beide Phasenvergleiche eine Mittelwertzunahme aus, signifikant allerdings nur für den Vergleich der Reife- mit der Wachstumsphase. Offenbar haben die wechselseitigen Abhängigkeiten in eng besetzten Technologiefeldern der Reifephase einen starken Einfluß auf die Notwendigkeit, sich über abhängige Ansprüche Rückzugsoptionen zu sichern. 4.2.6
Dauer des Prüfverfahrens
In Hypothese 6 war angenommen worden, dass Prüfverfahren in der Einführungs- und in der Reifephase signifikant länger dauern als in der Wachstumsphase. Der Scheffé-Test hat folgende Befunde erbracht: Lebenszyklusphasen (I: -1986; II: 1987-1998; III: 1999-)
N (Zahl der Patente)
Mittelwert (Tage)
Scheffé-Test (signifikante Unterschiede zwischen)
F-Wert
P-Wert
I II III
48 282 57
905.29 662.05 768.07
I-II: 0.000; II-III: 0.046
15.571
0.000
Tabelle 6: Lebenszyklusphase und Dauer des Prüfverfahrens
Die Hypothese wird durch die Befunde bestätigt.
66 5
Reinhard Haupt / Martin Kloyer / Marcus Lange
Zusammenfassung und Bewertung
Tabelle 7 fasst die Ergebnisse zusammen. Hypothese/ Patentkennzahl
Richtung der Mittelwertentwicklung von Phase I zu Phase II/ Signifikanz der Mittelwertentwicklung/ Ergebnisse (nicht) entsprechend der Hypothese
Richtung der Mittelwertentwicklung von Phase II zu Phase III/ Signifikanz der Mittelwertentwicklung/ Ergebnisse (nicht) entsprechend der Hypothese
H 1/Prioritäten H 2a/Literaturzitate H 2b/Patentzitate H 3/Aktualität H 4/Vorwärtszitate H 5/Abhängige Ansprüche H 6/Dauer des Prüfprozesses
+* / ns** / ne*** +/s/e +/s/e - / s / ne -/s/e + / ns / ne
+/s/e + / ns / e +/s/e -/s/e (- / s) +/s/e
-/s/e
+/s/e
³´0LWWHOZHUWVWHLJW³³VLQNW LQGHU]ZHLWHQGHUYHUJOLFKHQHQ/HEHQV]\NOXVSKDVHQ
³V´VLJQLILNDQW³QV´QLFKWVLJQLILNDQW DXIHLQHP1LYHDXYRQ
³H´(UJHEQLVVHHQWVSUHFKHQG³QH´ nicht entsprechend) der Hypothese
Tabelle 7: Zusammenfassung der Ergebnisse
$OV,QGLNDWRUHQVLQGQXUVROFKH.HQQ]DKOHQJHHLJQHWGLH]XPLQGHVWHLQHQVLJ QLILNDQWHQ 0LWWHOZHUWXQWHUVFKLHG ]ZLVFKHQ ]ZHL 3KDVHQ DXIZHLVHQ XQG GHUHQ Verlauf nicht linear ist. Letzteres erfordHUWQLFKWQRWZHQGLJHUZHLVHHLQH8PNHKU GHU 5LFKWXQJ GHU 0LWWHOZHUWHHQWZLFNOXQJ Hinreichend ist auch der Wechsel YRQHLQHUQLFKWVLJQLILNDQWHQbQGHUXQJGHV0LWWHOZHUWVKLQ]XHLQHUVLJQLILNDQ WHQ bQGHUXQJ *HHLJQHW VLQG GDKHU GLH $Q]DKO GHU 3ULRULWlWHQ GLH $Q]DKO GHU /LWHUDWXU]LWDWH GLH =DKO GHU DEKlQJLJHQ $QVSUFKH VRZLH GLH 'DXHU GHV 3UI YHUIDKUHQV 'DEHL LVW GLH 'DXHU GHV 3UIYHUIDKUHQV GLH HLQ]LJH .HQQ]DKO GLH EHLGH3KDVHQEHUJlQJHDQ]X]HLJHQYHUPDJ Im Fall der hier betrachteten HerzscKULWWPDFKHUWHFKQRORJLHKDWNHLQHGHUEH UHLWV YHUJDQJHQHQ 7HFKQRORJLHOHEHQV]\NOXsphasen lediglich ein einziges Jahr DQJHGDXHUW'LHVGUIWHDXFKIUDQGHre Technologien die Regel sein. Technologiebetrachter sollten daher erst bei eiQHU OlQJHUIULVWLJHQ DOVR PHKUHUH -DKUH DQKDOWHQGHQVLJQLILNDQWHQbQGHUXQJGHU0LWWHOZHUWHHLQHV,QGLNDWRUVYRQHLQHU QHXHQ3KDVHDXVJHKHQ$QVRQVWHQODXIHQVLH*HIDKU$XVUHLHUZHUWHEHU]XEH ZHUWHQ(LQ%HLVSLHODXVder HerzschrittmachertechnologiH]HLJWZLHVLFKQDFK
67
Patentstatistische Indikatoren für den Verlauf von Technologielebenszyklen
Ansprüche gen Ansprüche Anzahlder derabhängi abhängigen Anzahl
dem Übergang zur Reifephase Ende der 90er Jahre die Jahresmittelwerte der Anzahl der abhängigen Ansprüche auf einem signifikant höheren Niveau zu stabilisieren begannen (Abbildung 2).
30
20
10
1980
1990
2000
Anmeldejahr Anmeldejahr
Abbildung 2:
Verlauf der Jahresmittelwerte der Anzahl der abhängigen Ansprüche in Patentanmeldungen zur Herzschrittmachertechnologie
Es wäre sinnvoll, in weiteren Untersuchungen die Ausprägungsentwicklung der hier betrachteten Kennzahlen auch für andere Technologien zu untersuchen, um den Wert der Kennzahlen als Indikatoren zu überprüfen. Es wäre außerdem von Interesse, Technologien zu betrachten, die sich bereits in der Degeneration befinden, um auch für diese letzte Lebenszyklusphase gegebenenfalls signifikant von den anderen Entwicklungsstufen abweichende Ausprägungen der Kennzahlen ermitteln zu können. Gleichwohl liefert das Ergebnis dieser Untersuchung einen ersten Schritt hin zu einem Indikatorensystem, das einem Technologiebeobachter eine objektive Ermittlung der gegenwärtigen Lebenszyklusphase ermöglicht. Angesichts einer immer unübersichtlicheren und dynamischeren Technologielandschaft dürfte der Beitrag damit auch für die Praxis des FuE-Managements von Interesse sein.
68
Reinhard Haupt / Martin Kloyer / Marcus Lange
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Patentstatistische Indikatoren für den Verlauf von Technologielebenszyklen
69
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Erteilungspraxis bei Patentanmeldungen und ihre Auswirkungen auf die Strategie von KMUs Christian Lang
1
Einleitung
Der Schutz technischer Neuerungen stellt vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine Herausforderung dar, da das komplexe Patentsystem für Nicht-Spezialisten schwer durchschaubar ist. Dies gilt insbesondere für die ]HQWUDOHQ)UDJHQÄ:DVLVWVFKW]EDU"³XQGÄ:HOFKHQ:HUWOLHIHUWGHU6FKXW]"³ RGHU Ä:DV NDQQ LFK PLW GHP 6FKXW] DQIDQJHQ"³ $QGHUHUVHLWV ]ZLQJW GHU ]X QHKPHQGH ZHOWZHLWH :HWWEHZHUE PLW technologisch leistungsfähigen Konkurrenten dazu, geistiges Eigentum zu schützen, da ein Know-How-Vorsprung zur 6LFKHUXQJGHU:HWWEHZHUEVSRVLWLRQRIWQLFKt mehr ausreichend ist. Der vorliegende Beitrag will der Frage nachgehen, welche Folgerungen KMUs aus der aktuellen Patentsituation mit steigenden Patentanmeldezahlen und den daraus ableitbaren Rückschlüssen auf die Patenterteilungspraxis ziehen können. 2 2.1
Stark zunehmende Patentaktivität Weltweite Entwicklung
Gewerbliche Schutzrechte allgemein und insbesondere technische Schutzrechte, wie Patente, spielen für den Schutz des geistigen Eigentums bei zunehmend KlUWHUHP:HWWEHZHUELQHLQHUJOREDOLVLHUWHQ:LUWVFKDIWRIIHQEDUHLQHHEHQIDOOV zunehmend wichtige Rolle. Dies zeigen die Zahlen für Patentanmeldungen, die in den Jahresberichten der Patentämter veröffentlicht werden. So zeigt eine von GHU :RUOG ,QWHOOHFWXDO 3URSHUW\ 2UJDQL]DWLRQ :,32 LQ *HQI YHU|IIHQWOLFKWH *UDILN VLHKH $EELOGXQJ GDVV VHLW %HJLQQ GHV 3DWHQWV\VWHPV (QGH GHV -DKUKXQGHUWVGLH$QPHOGH]DKOHQZHOWZHLWVWDUNJHVWLHJHQVLQG,QVEHVRQGHUHLQ GHQ OHW]WHQ -DKUHQ LVW HLQ VSUXQJKDIWHU $QVWLHJ ]X YHU]HLFKQHQ *HWUDJHQ wird diese Zunahme an PatentanmelGXQJHQLP:HVHQWOLFKHQGXUFK$QPHOGXQ JHQ DXV -DSDQ GHQ 9HUHLQLJWHQ 6WDDWHQ YRQ $PHULND .RUHD XQG GHQ $QPHO dungen beim Europäischen Patentamt. 'LHVH =DKOHQ GHU :RUOG ,QWHOOHFWXDO 3URSHUW\ 2UJDQL]DWLRQ ZHUGHQ DXFK durch jüngste Publikationen im Jahresbericht 2006 des Europäischen Patentamts bestätigt, welcher für das -DKU EHU $QPHOGXQJHQ EHLP
72
Christian Lang
Europäischen Patentamt angibt.1 Gegenüber einer Zahl von 160.000 Anmeldungen im Jahr 2000 bedeutet dies eine Zunahme um 30 %.
Abbildung 1: Entwicklung der Anzahl der Patentanmeldungen nach Patentämtern2
2.2
Ursachen der steigenden Anmeldezahlen
2.2.1
Neue Basiserfindungen
Die stark zunehmende Patentaktivität kann viele unterschiedliche Ursachen aufweisen. So können durch neue Basistechnologien große neue Gebiete für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten sowie technische Anwendungen eröffnet werden. Ein repräsentatives Beispiel stellt sicherlich die Halbleitertechnologie dar, welche ein ungeheures Ausmaß an Entwicklungsmöglichkeiten in 1 2
Vgl. EPA (2007), S. 2. WIPO (2007a).
Erteilungspraxis bei Patentanmeldungen und ihre Auswirkungen auf die Strategie von KMUs
73
vielen Technologiebereichen geschaffen hat. So werden in vielen Gebieten des Maschinenbaus für die Steuerung von Maschinen keine mechanischen Steuerungskomponenten, wie z.B. Nockenwellen, mehr eingesetzt, sondern diese sind durch elektronische Steuerungen ersetzt worden. Dies hat wiederum neue Möglichkeiten bei der Konstruktion von Maschinen eröffnet. Eine derartige Entwicklung führt automatisch zu mehr Erfindungen und entsprechend mehr Patentanmeldungen. Allerdings gilt es zu bedenken, dass andererseits die Technik in vielen Bereichen bereits sehr weit entwickelt ist, so dass die Anzahl der grundlegenden Basiserfindungen, die eine Welle weiterer Entwicklungen nach sich ziehen können, in ihrer Zahl eher begrenzt ist. Außerdem führen Basiserfindungen in einem Technologiebereich zum Verschwinden anderer Technologien, so dass hier auch ein bestimmter Austausch an Erfindungen zu berücksichtigen sein wird. Übertragen auf das obige Beispiel bedeutet dies, dass zwar mehr Erfindungen im Bereich elektronischer Steuerungen von Maschinen zu erwarten sind, dass aber im Gegenzug die Weiterentwicklung mechanischer Steuerungen abnimmt, so dass in der Summe kein starker Anstieg der Patentanmeldungen zu erwarten wäre. Entsprechend dürfte alleine aus der Tatsache, dass durch neue Basiserfindungen entsprechend mehr Erfindungen generiert werden, die zunehmende Zahl von Patentanmeldungen weltweit alleine nicht erklärbar sein. 2.2.2
Zunahme der Forschungstätigkeit
Weltweit dürfte der starke Anstieg der Patentanmeldungen auch darauf zurückzuführen sein, dass die Forschungstätigkeit insgesamt zugenommen hat. Einerseits sind in sich stark entwickelnden und aufstrebenden Volkswirtschaften wie Korea immer mehr Menschen mit Forschung und Entwicklung beschäftigt, so dass bereits dadurch eine größere Anzahl von Erfindungen oder technischen Weiterentwicklungen getätigt werden. Andererseits hat auch in einigen Industrienationen der Anteil an Forschung und Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts zugenommen.3 2.2.3
Sonstige Gründe
Ferner dürften für die höheren Patentanmeldezahlen auch weitere Faktoren, wie wirtschaftliche Entwicklung, Verstärkung des globalen Wettbewerbs, Bereitstellung von verbesserten Patentsystemen in sich entwickelnden Ländern, etc. eine Rolle spielen. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die steigende Zahl von Patentanmeldungen nicht nur darauf zurückzuführen sein dürfte, dass tatsächlich mehr Erfindungen gemacht werden, sondern dass aufgrund des entsprechenden Wettbewerbs, der wirtschaftlichen Möglichkeiten und des 3
Vgl. BMBF (2007), S. 6.
74
Christian Lang
bereitgestellten Patentsystems weltweit auch eine höhere Bereitschaft vorhanden ist, Patentanmeldungen einzureichen. 2.2.4
Beispiel Japan
Insbesondere lässt sich der Einfluss wirtschaftlicher Faktoren aus den Patentanmeldezahlen für Japan ableiten. Der sprunghafte Anstieg der Patentanmeldezahlen Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts in Japan (siehe Abbildung 1) dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass nach Erreichen eines bestimmten Entwicklungsstandes der Wirtschaft und der damit verbundenen Wettbewerbssituation auf dem Weltmarkt, insbesondere in ausländischen Märkten, ein größerer Schutzbedarf erforderlich war. Zwar dürften durch verstärkten Entwicklungs- und Forschungsaufwand auch tatsächlich mehr Erfindungen in Japan getätigt worden sind. Dies allein kann aber den starken Anstieg nicht erklären. Vielmehr deutet der starke Anstieg der Anmeldezahlen darauf hin, dass lediglich eine verstärkte Nutzung des Patentsystems eingesetzt hat, um Wettbewerbspositionen zu sichern, ohne dass die tatsächliche Innovationstätigkeit im gleichen Maße zugenommen hat. Dies bedeutet, dass bereits früher viel mehr Anmeldungen mit Erfolgsaussichten hätten eingereicht werden können, als tatsächlich angemeldet wurden. Die Zahl der erteilten Patente zeigt nämlich nach der Statistik der WIPO (siehe Abbildung 2) für Japan einen ähnlich sprunghaften Anstieg wie bei den Anmeldezahlen. Zumindest ein Teil der stark gestiegenen Patentanmeldungen sollte deshalb in Japan nicht auf höhere Innovationstätigkeit zurückzuführen sein, sondern auf stärkere Nutzung des Patentsystems. Verwunderlich ist hierbei, dass dadurch auch eine höhere Zahl an Patenterteilungen zu vermerken ist. Offensichtlich ist die Zahl der Patente nicht durch die Innovationstätigkeit begrenzt, sondern durch die Nutzung des Patentsystems.
Erteilungspraxis bei Patentanmeldungen und ihre Auswirkungen auf die Strategie von KMUs
75
Abbildung 2: Anzahl der erteilten Patente nach Patentämtern4
2.2.5
Nutzung des Patentsystems
Insgesamt ist somit zu vermuten, dass der starke Anstieg von Patentanmeldungen weltweit zu einem gewissen Teil darauf zurückführen ist, dass nicht die Zahl der zu schützenden Erfindungen, also die Innovationstätigkeit gestiegen ist, sondern dass die verstärkte Nutzung des Patentsystems dazu beigetragen hat, ohne dass die Patentierungsvoraussetzungen eine begrenzende Hürde für die Patenterteilungen darstellen würden. Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass ein Teil der großen Anmeldezahlen möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass geringfügige Weiterentwicklungen, die unter anderen wirtschaftlichen 4
WIPO (2007b).
76
Christian Lang
und Wettbewerbsgegebenheiten nie zu einer Patentanmeldung geführt hätten, nunmehr zum Patent angemeldet werden, um die eigene Wettbewerbsposition zu stärken und die des Wettbewerbers zu schwächen. 2.3
Patentqualität
Gestützt wird die These des starken Einflusses wirtschaftlicher und innovationsfremder Faktoren auf die Nutzung des Patentsystems5 auch dadurch, dass in der öffentlichen Diskussion6 und insbesondere auch bei Patentfachleuten vielfach die Frage sog. Trivialpatente7 thematisiert wird. Hierbei geht es um die Frage, ob einfache, für den Fachmann auf der Hand liegende technische Weiterentwicklungen, die für bestimmte Fachleute oder für das breite Publikum als trivial erscheinen, patentiert werden können, da der Patentschutz immerhin ein Ausschließlichkeitsrecht für einen relativ langen Zeitraum von bis zu 20 Jahren für den Patentinhaber vorsieht.8 Insbesondere in der Diskussion um sog. Softwarepatente im Zusammenhang mit einem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zum Schutz computerimplementierter Erfindungen ist von patentkritischer Seite häufig der Vorwurf erhoben worden, dass der Patentschutz innovationshemmend sei, da er einfachste Entwicklungen für Patentinhaber ÄPRQRSROLVLHUH³XQGGDPLWIUGLH1XW]XQJIUGLH$OOJHPHLQKHLWDXVVFKOLHH Dies zeigt, nebenbei bemerkt, dass die Patentierung von geringfügigsten Weiterentwicklungen auch zu einem Akzeptanzproblem für das Patentsystem führen kann, wenn der Bürger die Verleihung eines Ausschließlichkeitsrechtes mit entsprechenden finanziellen Vorteilen für Belanglosigkeiten nicht mehr als gerecht ansieht. Allerdings zeigt diese Diskussion für die hier vorliegende Betrachtung auch, dass offensichtlich die Qualität der Erfindungen, die patentiert werden oder patentiert werden können, zumindest teilweise gesunken ist.9 Dies korrespondiert mit der vorangegangenen Feststellung, dass die hohen Patentanmeldezahlen nicht nur auf mehr Erfindungen beruhen, sondern auch auf einer verstärkten Nutzung des Patentsystems.
5 6 7 8 9
Vgl. BMWI (2007), S. 8. Vgl. Sigmund (2007). Vgl. Prinz zu Waldeck und Pyrmont (2006), S. 303 ff. § 16 PatG. Vgl. BMWI (2007), S. 10.
Erteilungspraxis bei Patentanmeldungen und ihre Auswirkungen auf die Strategie von KMUs
3
77
Erteilungspraxis
3.1
Rechtliche Grundlage
Dabei wäre man versucht zu glauben, dass durch die rechtlichen Vorgaben für die Patenterteilung festgelegte Maßstäbe existieren, die die Qualität der patentfähigen Erfindungen sicherstellen und somit bei steigenden Anmeldezahlen und gleich bleibender oder zumindest nicht in gleichem Maße steigender Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zu einem Sinken der Erteilungsquote führen. Nach weltweit im Wesentlichen einheitlichen Grundsätzen darf ein Patent nur erteilt werden, wenn es neben der Erfüllung einiger anderer Voraussetzungen im Wesentlichen neu ist und auf einer erfinderischen Leistung, der sog. erfinderischen Tätigkeit, beruht.10 Das Patentrecht sieht also grundsätzlich zwei Erfordernisse vor, nämlich einerseits, dass es sich um eine Neuerung handeln muss, die vorher noch nicht bekannt war, und dass andererseits zusätzlich die Neuerung aufgrund der erfinderischen Leistung es auch verdient hat, mit einem $XVVFKOLHOLFKNHLWVUHFKWÄ0RQRSROUHFKW³ EHORKQW]XZHUGHQ 3.2
Tendenzen in der Praxis
Allerdings ist in der Praxis festzustellen, dass gerade in hoch entwickelten Patentsystemen mit hohen Anmeldezahlen und einer langjährigen Erfahrung sich das Patentsystem möglicherweise weit von der alltäglichen Praxis eines technischen Fachmanns entfernt hat, dessen Verständnis eigentlich Grundlage für die Feststellung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit ist. Für den Normalbürger oder im Fall des Patentrechts insbesondere für den Techniker sind die Erwägungen, die bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit herangezogen werden, dann oft nicht mehr nachvollziehbar. Unter Umständen rühren auch von daher Missverständnisse, die zwischen aufstrebenden Volkswirtschaften, wie beispielsweise der chinesischen Volkswirtschaft und den etablierten Industrienationen bzgl. des geistigen Eigentums herrschen. Während in den etablierten Industrienationen durch langjährige Praxis die Rechtsprechung komplizierte Überlegungen für die Bestimmung der Neuheit und Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit anstellt, werden nahezu gleiche oder ähnliche rechtliche Bestimmungen zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit anderswo mit Verweis auf den Wortlaut der Vorschriften ganz anders ausgelegt. Dies kann im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, mit der Folge, dass Erfindungen unterschiedlich als patentfähig oder nicht patentfähig eingeschätzt werden.
10
§§ 1, 3, 4 PatG; Art. 52, 54, 56 EPÜ.
78
Christian Lang
Entsprechend lässt sich unter Umständen ein Teil der hohen Anmeldezahlen auch dadurch erklären, dass durch ein ausgefeiltes Patentsystem in etablierten Industrienationen im Laufe der Zeit immer mehr Erfindungen als patentfähig angesehen werden als früher, so dass die Anmelder aufgrund der positiven Ergebnisse motiviert werden, weitere Anmeldungen zu tätigen. Aus der Erteilungspraxis der Patentbehörden lässt sich dies schwer durch entsprechende Zahlen belegen und auch im Einzelfall von geprüften Patentanmeldungen oder entschiedenen Einsprüchen oder Beschwerden lässt sich das Erteilungs- oder Prüfungsverhalten der Patentbehörden nur schwer ermitteln, da die Entscheidungen jeweils Einzelfallentscheidungen sind, bei denen eine Vielzahl von Tatsachen und Sachverhalten für die Entscheidungsgründe eine Rolle spielen. Insofern sind die nachfolgenden Einschätzungen zur Erteilungs- und Prüfungspraxis subjektive Wahrnehmungen aus der eigenen Berufspraxis. Hierbei scheint es sich jedoch herauszukristallisieren, dass bei der Prüfung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit zumindest beim Deutschen Patent- und Markenamt, dem Bundespatentgericht und dem Europäischen Patentamt zu beobachten ist, dass das eigentliche technische Wesen der zu patentierenden Erfindung zugunsten einer formal juristischen Prüfung in den Hintergrund rückt. Entscheidungen werden dann oft nicht mehr auf Basis einer technischen Betrachtungsweise gefällt, sondern vielmehr werden überwiegend theoretische Betrachtungen zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit herangezogen. Dies lässt sich insbesondere bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit beobachten. 3.3
Erfinderische Tätigkeit
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wird vereinfacht ausgedrückt geprüft, ob eine technische Neuerung für einen durchschnittlichen Fachmann auf dem entsprechenden Fachgebiet nahe liegend war, also im Bereich des üblichen, handwerklichen Könnens anzusiedeln war, oder ob ein Fachmann tatsächlich eine erfinderische Leistung erbringen musste, um zur Erfindung zu gelangen. Unter der begrüßenswerten Zielsetzung, eine möglichst exakte Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit vorzunehmen, wird hier der Weg von bekannten Lösungen zu der in der Patentanmeldung beanspruchten Erfindung in eine Vielzahl kleiner Gedankenschritte unterteilt, wobei die Erfindung für den Fachmann dann nahe liegend war, wenn praktisch jeder dieser Gedankenschritte aus dem Stand der Technik nachweisbar ist und entsprechende Hinweise vorliegen, dass der Fachmann diese Informationen auch entsprechend zusammengesetzt hätte. Dazu wurden vom Europäischen Patentamt Prüfungsschemata wie der Äproblem-solution-approach³11 und der Äcould-would-test³12 eingeführt. 11
Schulte (2001), Randnotiz 30 zu § 4.
Erteilungspraxis bei Patentanmeldungen und ihre Auswirkungen auf die Strategie von KMUs
79
Durch eine starke Untergliederung in sehr vielfältige Gedankenschritte, welche, wie gesagt, aus nachvollziehbaren und berechtigten Gründen vorgenommen wird, besteht jedoch die Gefahr, dass die Anforderung an die erfinderische Tätigkeit sehr weit abgesenkt wird, da kleinste, nicht aus dem Stand der Technik nachweisbare Gedankenschritte bereits dazu führen, dass der angeblichen Erfindung eine erfinderische Leistung zugebilligt wird. Für einen durchschnittlichen Fachmann auf dem entsprechenden Gebiet, der eigentlich zur Beurteilung heranzuziehen wäre,13 ist dies dann oft nicht mehr verständlich. Insgesamt führt dies jedoch dazu, dass das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit ausgehöhlt wird. Entsprechend kommt es in vielen Fällen lediglich darauf an, nachzuweisen, dass die vermeintliche Erfindung, so wie sie in der Patentanmeldung beansprucht wird, aus dem Stand der Technik nicht bekannt ist, so dass der Begriff der qualifizierten Neuheit als neues Erfordernis anstelle von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit Einzug zu halten droht. 3.4
Neuheit
Auch bei der Beurteilung der Neuheit werden dem Fachmann, der eine ihm zugängliche Information aufnehmen und beurteilen muss, nur geringe geistige Fähigkeiten zugesprochen, so dass der Fachmann aus vorliegenden Informationen des Standes der Technik nach Auffassung vieler Prüfer und Mitgliedern entsprechender Spruchkammern nur ein eingeschränktes Wissen entnehmen kann. Dies wiederum führt dazu, dass einem fiktiven Fachmann oft nicht zugetraut wird, entsprechende Informationen voll umfänglich zu erfassen, so dass im Ergebnis einer vermeintlichen Erfindung die Neuheit gegenüber einer früheren Veröffentlichung zugebilligt wird, obwohl für einen realen Fachmann auf dem entsprechenden technischen Gebiet die vermeintliche Erfindung aus dem bekannten Stand der Technik zu entnehmen war. Gemäß dem aufgezeigten Trend einer zunehmenden Zahl von angemeldeten Erfindungen kommt es zur Erteilung von Patenten auf geringfügige Weiterentwicklungen, welche jedoch dem Patentinhaber anschließend umfangreiche Verbietungsrechte, Unterlassungsansprüche, Schadensersatzansprüche, usw. gewähren.
12 13
Schulte (2001), Randnotiz 62 zu § 4. Schulte (2001), Randnotiz 10 und 40 zu § 4.
80 4 4.1
Christian Lang
Strategie der kleinen und mittleren Unternehmen Situation der kleinen und mittleren Unternehmen
Nun könnte die Folgerung für die Strategie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) in einfacher Weise darin bestehen, jede noch so kleine eigene Entwicklung zum Patent anzumelden, um an dem allgemeinen Trend teilzuhaben. Allerdings darf hierbei nicht übersehen werden, dass entsprechende Patentanmeldungen mit Durchführung der Erteilungsverfahren und Aufrechterhaltung der Patente durch Zahlung von Jahresgebühren erhebliche Kosten verursachen können. Verstärkt wird dieses Problem noch dadurch, dass aufgrund der globalen Wirtschaftstätigkeit ein Schutz in vielen verschiedenen Ländern nötig ist oder angestrebt werden muss. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass die aufgezeigte Entwicklung im Patentsystem mit Schutzmöglichkeiten für kleinste Weiterentwicklungen nicht zwangsläufig bedeutet, dass es dadurch ganz einfach wäre, selbst Patente zu erhalten. Dies mag zwar für Schutzrechte mit enger Beschränkung des Schutzbereichs auf konkrete Ausführungsformen gelten, hat aber nicht unbedingt Gültigkeit für Patente, bei denen grundsätzliche technologische Funktionen oder Lehren mit einem breiten Schutzumfang geschützt werden sollen. Entsprechend wird zum Teil die Kostenproblematik noch verschärft, da für eine technische Entwicklung nicht nur ein Patent angemeldet werden muss, um ausreichenden Schutz zu erhalten, sondern mehrere parallele Patente, die verschiedene Aspekte der Erfindung unter Schutz stellen. Entsprechend steht die Geschäftsleitung eines kleinen oder mittelständischen Unternehmens vor dem Dilemma, dass sich das Unternehmen selbst einer zunehmenden Anzahl von Schutzrechten seiner Wettbewerber gegenübersieht und es eigenes geistiges Eigentum durch Schutzrechte zwar gerne schützen möchte, aber den entsprechenden Aufwand und die Kosten niedrig halten möchte. 4.2
Strategie der KMUs
In dieser Situation scheidet die Strategie, die offensichtlich eine Vielzahl von Großunternehmen anwendet, nämlich durch zahlreiches Anmelden auch kleinster Verbesserungen und technischer Fortschritte ein großes Patentportfolio aufzubauen, aus. Dies dürfte für viele KMUs an den durch diese Strategie verursachten Kosten scheitern. Allerdings sollte auch nicht das andere Extrem gewählt werden, nämlich ganz auf Patentanmeldungen zu verzichten und sich ausschließlich auf seine eigene Innovationsfähigkeit, Flexibilität und Schnelligkeit zu verlassen. Diese Attribute kleinerer und mittlerer Unternehmen mögen zwar im internationalen Wettbewerb einen wesentlichen Beitrag dazu leisten,
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dass die Marktposition gesichert wird, es sind aber in möglichen Krisensituationen keine verlässlichen Stützen, auf die man sich alleine verlassen sollte. Vielmehr kann hier ein intelligent aufgebautes und geschickt verwaltetes Patentportfolio von großem Nutzen sein. Dies zeigt sich beispielsweise auch oft bei Unternehmensübergängen oder Unternehmensnachfolgeregelungen. So ist die Innovationskraft, Flexibilität und Schnelligkeit von kleineren oder mittleren Untennehmen oft mit Unternehmerpersönlichkeiten verbunden, die nach dem Ausscheiden eine Lücke hinterlassen, welche erst wieder gefüllt werden muss. Auch in dieser Situation kann ein Schutzrechtsportfolio zumindest für eine gewisse Übergangszeit Schutz bieten und Wettbewerbspositionen absichern. Außerdem gilt es in möglichen Verletzungsstreitigkeit mit Wettbewerbern, bei denen die Verletzung eines Schutzrechts des Wettbewerbers in Rede steht, zu bedenken, dass eigene Schutzrechte als Verhandlungsmasse für eine gütliche Beilegung von Verletzungsstreitigkeiten eingesetzt werden können, wenn beispielsweise die Mitnutzung eines für den Wettbewerber interessanten Patentes als Gegenleistung angeboten werden kann. 4.3
Intelligentes Patentmanagement
Doch wie sieht nun ein intelligentes und zielführendes Patentmanagement aus? Unter der Voraussetzung, dass ein bestimmtes Budget für Patentaktivitäten nicht überschritten werden soll oder vergrößert werden kann, ist zu überlegen, wie angesichts der Tatsache, dass die Wettbewerber offensichtlich eine zunehmende Zahl von Patentanmeldungen tätigen und auch kleinste Erfindungen schützbar sind, die finanziellen Ressourcen sinnvoll genutzt werden können. Neben dem Budget ist somit als zweite Randbedingung vorgegeben, dass die Zahl der geschützten Erfindungen gesteigert oder zumindest hoch gehalten werden muss, um in einem entsprechenden Wettbewerb mit einem auch von der Zahl der Patentanmeldungen bedeutsamen Patentportfolio gerüstet zu sein. Die Vereinbarung dieser beiden zunächst gegensätzlich erscheinenden Zielvorstellungen kann nur dann gelingen, wenn die Auswahl der zum Patent anzumeldenden Erfindungen und die Vorgehensweise bei den einzelnen Anmeldungen auf den Einzelfall abgestimmt werden. Hierbei ist es nicht unbedingt erforderlich, in die entsprechende Beurteilung und Auswahl der Erfindungen sowie Festlegung der Patentanmeldestrategie einen unnötig hohen Aufwand zu stecken, sondern vielmehr ist es erforderlich, eine Organisations- und Entscheidungsstruktur zu schaffen, die es ermöglicht, eine Vielzahl schützenswerter Erfindungen aufzudecken, diese von den entsprechenden technischen Fachleuten oder auch dem Vertriebspersonal beurteilen zu lassen und eine Auswahl verschiedener, vorgegebener Patentanmeldestrategien zu ermöglichen.
82 4.3.1
Christian Lang
Länderauswahl
Durch die gezielte Auswahl von schutzfähigen Erfindungen und deren individueller Schutzrechtsstrategie lässt es sich vermeiden, dass für einzelne Erfindungen unnötig viele Ressourcen verbraucht werden. Entsprechend können Patentanmeldungen in für das Unternehmen weniger bedeutsamen Ländern eingeschränkt werden, da durch diese Anmeldungen für das Unternehmen kein großer Mehrwert generiert wird. Die frei werdenden Mittel können für den Schutz weiterer Erfindungen eingesetzt werden. So kann beispielsweise je nach Marktsituation eine einzige nationale Anmeldung dazu führen, dass Wettbewerber an einer Nutzung der entsprechenden Erfindung gehindert werden, da es uninteressant oder zu aufwändig ist, für den betreffenden nationalen Markt, unterschiedliche Produkte herzustellen oder sicherzustellen, dass keine patentverletzenden Produkte in diesen Markt gelangen. Praxisbeispiele zeigen, dass mit einem einzigen oder einigen wenigen nationalen Schutzrechten weltweit gültige Lizenzverträge abgeschlossen werden können. 4.3.2
Auswahl schützenswerter Erfindungen
Auch bei der Auswahl schützenswerter Erfindungen kann häufig eine für den Techniker möglicherweise wenig aufregende oder technisch uninteressante Entwicklung für die strategische Schutzerzielung von hoher Bedeutung sein, da diese technisch ansonsten kaum interessante Komponente für die sinnvolle Umsetzung eines Produkts unbedingt erforderlich ist. Hier kann es sinnvoller sein, bei der Auswahl schützenswerter Erfindungen darauf abzustellen, was würde den Wettbewerber am meisten stört, als sich damit zu beschäftigen, welche Lösung technisch besonders schwierig zu realisieren war. Da Entwickler von technischen Produkten üblicherweise sehr techniklastig sind und sich wenig mit strategischen Fragestellungen beschäftigen, ist bei kleineren und mittleren Unternehmen häufig zu beobachten, dass versucht wird, spezielle technische Lösungen, die in der Entwicklung sehr aufwändig und mit viel Ideenreichtum gelöst wurden, zu schützen, als technisch weniger interessante, dafür aber für die Schutzwirkung bedeutsamere Lösungen. Auch hier ist ein Ansatzpunkt für eine intelligente Patentstrategie gegeben. 4.3.3
Verwertung
Neben der Vermeidung von unnötigen Kosten durch eine intelligente Patentstrategie können zusätzliche Mittel zum Aufbau eines umfangreicheren Patentportfolios auch dadurch aufgebracht werden, dass aktiv versucht wird, bestehende Schutzrechte zu vermarkten und zu verwerten. Oft sind Schutzrechte nicht nur für den eigenen Betrieb interessant, sondern auch für Unternehmen in ganz
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unterschiedlichen Branchen, die jedoch mit ähnlichen Technologien arbeiten. Selbstverständlich möchte man nicht die direkten Wettbewerber durch Lizenzvergabe an den eigenen Schutzrechten am technischen Know-how und der Wettbewerbsposistion beteiligen. Allerdings ist durchaus vorstellbar, dass in anderen Branchen oder in Teilbereichen der eigenen Branche, die keinen direkten Wettbewerb darstellen, der Erfindungsgegenstand eines Patentes ebenso Verwendung finden kann und durch entsprechende Lizenzvergabe ein entsprechender Mehrwert für das Unternehmen generiert werden kann. So kann man verstärkt feststellen, dass einige Unternehmen nur noch davon leben, Schutzrechte zu generieren, die dann lizenziert oder verkauft werden, ohne eine eigene Produktion zu unterhalten. Entsprechend sollen die weltweiten Lizenzzahlungen auf Patente von ungefähr 10 Milliarden US $ im Jahr 1990 auf ca. 150 Milliarden US $ im Jahr 2002 angestiegen sein und im Jahr 2010 bereits einen Wert zwischen 350 Milliarden und 500 Milliarden US $ einnehmen.14 Daraus lässt sich erahnen, welche Werte in Patentportfolios schlummern können und welches Ertragspotential auch für kleine und mittlere Unternehmen hier vorliegt. 5
Zusammenfassung
Insgesamt ist somit festzustellen, dass für die Zukunft davon ausgegangen werden muss, dass die Zahl der Patente weiter zunimmt und die Tendenz anhält, dass nicht nur große technische Entwicklungen als Patent geschützt werden, sondern auch eine Vielzahl kleinster Entwicklungen. Um in diesem System mit eigenen Schutzrechten mithalten zu können und eine eigene starke Wettbewerbsposition aufzubauen, wird es auch für kleine und mittlere Unternehmen unerlässlich sein, mehr Erfindungen zum Patent anzumelden. Damit hier der Aufwand in einem vertretbaren Maß gehalten werden kann, kommt einem intelligenten Patentmanagement, welches durch einzelfallbezogene, geschickte Anmeldestrategien einen maximalen Schutz erzielt, große Bedeutung zu. Auch die kleineren und mittleren Unternehmen müssen sich Strukturen schaffen, in denen sie schützenswerte Erfindungen erkennen und individuell bewerten sowie durch eine entsprechend abgestimmte Anmeldestrategie verfolgen. Eine pauschale, undifferenzierte Vorgehensweise ist aufgrund eines hohen Ressourcenverbrauchs zu vermeiden. Außerdem muss auch die Verwertung von Schutzrechten außerhalb des eigenen Unternehmens mehr in den Fokus rücken.
14
Vgl. Warburg Bank (2007).
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Christian Lang
Literatur BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung der Bundesrepublik Deutschland): Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2007, Berlin 2007. BMWI (Bundesministerium für Wirtschaft): Patentschutz und Innovation, Berlin 2007. EPA (Europäisches Patentamt): Jahresbericht 2006, München 2007. Prinz zu Waldeck und Pyrmont, Wolrad: The Patent System of the Future: the Role of the Trilateral Offices - Konferenz der Trilateralen Patentämter am 17. November 2005 im Europäischen Patentamt, in: GRUR Int, 4/2006, S. 303 ff. Schulte, R: Patentgesetz mit EPÜ, 6. Auflage Köln 2001. Sigmund, T.: Patentschutz bremst Wettbewerbsfähigkeit, in: Handelsblatt, 01.06.2007, S. 3. Warburg Bank: Verkaufsprospekt Patent Select II, 2007. WIPO (World Intellectual Property Organization): Entwicklung der Patentanmeldungen nach Patentämtern, http://www.wipo.int/ipstats/en/statistics/patents/100years-applications/index.html, abgefragt und ausgedruckt am 25.06.2007a. WIPO (World Intellectual Property Organization): Entwicklung der erteilten Patenten nach Patentämtern, http://www.wipo.int/ipstats/en/statistics/patents/100years-granted/index.html, abgefragt und ausgedruckt am 25.06.2007b.
Fonds und Auktionen: Neue Formen der Patentverwertung Stephan Lipfert / Juliane Ostler
1
Einleitung
In den letzten Jahren haben sich zunehmend immaterielle wirtschaftliche Vorteile wie Know-How, Prozessabläufe, Schutzrechte oder auch Marktpositionen zu den entscheidenden Werttreibern von Unternehmen entwickelt.1 So entfällt beispielsweise nach einer Studie der Credit Suisse First Boston der UnternehPHQVZHUW GHU Ä)RUWXQH ³8QWHUQHKPHQ PLWWOHUZHLOH ]X 3UR]HQW DXI LP PDWHULHOOH:HUWHQXUQRFK3UR]HQWZHUGHQGXUFKPDWHULHOOH9HUP|JHQVJH JHQVWlQGHZLH0DVFKLQHQund Gebäuden determiniert.29RU]ZDQ]LJ-DKUHQZDU GLHVHV9HUKlOWQLVQRFKXPJHNHKUW Eine Ursache hierfür ist das Investitionsverhalten der US-Unternehmen, die LP -DKU QDFK HLQHU 6FKlW]XQJ YRQ Leonard Nakamura von der Federal Reserve Bank of Philadelphia eine Billion USD (ca. 9 Prozent des US-BIP) in LPPDWHULHOOH *WHU LQYHVWLHUWHQ ,Q PDWHULHOOH 9HUP|JHQVJHJHQVWlQGH ZXUGHQ LPJOHLFKHQ=HLWUDXPUXQG3UR]HQWGHV%,3LQYHVWLHUW3)UH[LVWLHUHQ QRFKNHLQH]XYHUOlVVLJHQ=DKOHQDOOHUGLQJVZLUGDOOJHPHLQGDYRQDXVJHJDQJHQ GDVV GLH ,QYHVWLWLRQHQ LQ LPPDWHULHOOH :LUWVFKDIWVJWHU HUVWPDOV GLH ,QYHVWLWLR nen in die materiellen übertroffen haben. =X GHQ ZLFKWLJVWHQ LPPDWHULHOOHQ :LUWVFKDIWVJWHUQ ]lKOHQ 3DWHQWH ZDV QLFKW ]XOHW]W HLQH (UKHEXQJ GHU /L]HQ]JHEKUHQ GLH IU GLH 1XW]XQJ IUHPGHU 3DWHQWHJH]DKOWZHUGHQ]HLJW$QIDQJGHUHU-DKUHZXUGHQYRQ8QWHUQHK PHQOHGLJOLFKFD0UG86'ROODUIUGLH1XW]XQJIUHPGHQ:LVVHQVHQWULFK WHW1XU]HKQ-DKUHVSlWHUODJGDVMlKUOLFKH/L]HQ]YROXPHQEHUHLWVEHL0UG 86'ROODU'HU]HLWOLHJWGHU:HUWEHLUXQGELV0UG86'ROODU wobei GDV HXURSlLVFKH 3DWHQWDPW GDPLW UHFKQHW GDVV GLHVH =DKOXQJHQ ELV DXI 0UG86'ROODUDQ]LHKHQZHUGHQ 'LHVH(QWZLFNOXQJLVWMHGRFKELVODQJKDXSWVlFKOLFKDXIJOREDOH*URXQWHU nehmen wie IBM Corp.6 RGHU DXFK 3KLOLSV GLH PLW 3DWHQWHQ GHQ weltweiten Spitzenplatz einnahmen, zurückzuführen. Der niederländische Elekt1
3 6 2
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Stephan Lipfert / Juliane Ostler
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9 8
9JO+LUQ 6II 9JO+DUKRII 60|KUOH6SHFKW 6 9JO,QVWLWXWGHUGHXWVFKHQ:LUWVFKDIW.|OQ 6 9JO.I:%DQNHQJUXSSH 6 9JO.I:%DQNHQJUXSSH 6 9JO1DNDPXUD 6II
Fonds und Auktionen: Neue Formen der Patentverwertung
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verwertbaren Schutzrechten durchsucht, wobei zwei Faktoren dabei Berücksichtigung finden: Zum einen wird das Unternehmen keine Schutzrechte verwerten, welche die physischen Produktabsätze und damit seine operative Marktstellung beeinflussen. Zum anderen wird es keine Portfolios anbieten, für die keine potentiellen Lizenznehmer vorhanden sind und die nicht den QualitätsanVSUFKHQVHLQHUÄNODVVLVFKHQ³3URGXNWHHQWVSUHFKHQ Oftmals werden diese Aufgaben eines IP-Managers in kleineren und mittleren Unternehmen durch die Geschäftsführung oder die Rechtsabteilung übernommen, die sich zwar der großen Bedeutung von immateriellen Vermögenswerten bewusst sind, jedoch meist nicht über das notwendige Know-how und die benötigen Kapazitäten verfügen, um diese effizient zu verwerten.13 Ferner gestaltet sich auch die Suche nach interessanten Technologien, die via Patent einlizenziert werden können, oftmals als langwieriger Prozess. Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, entstanden in den letzten Jahren eine Reihe von spezialisierten Unternehmen, die als Patentmakler, ähnlich wie ihre Vertreter auf dem Immobilienmarkt rein provisionsabhängig arbeiten.14 Das führte dazu, dass viele Unternehmen nun auch bereit sind, ihre 3DWHQWHDP0DUNW]XU/L]HQ]LHUXQJDQ]XELHWHQRGHUVLFKEHUGLHVHÄ7HFKQROR JLH6FRXWV³ QHXH 7HFKQRORJLHQ XQYHUELndlich vorstellen zu lassen. Wichtige Bausteine für die Infrastruktur dieser erfolgsabhängigen Verwertungsaktivitäten sind beispielsweise Patentverwertungsfonds, aber auch Patentauktionen, bei denen gewerbliche Schutzrechte versteigert werden. Der vorliegende Beitrag stellt diese beiden wichtigen neuen Verwertungsformen vor, wobei detailliert auf die Struktur, Funktionsweise und die Chancen für die Beteiligten an Patentverwertungsfonds sowie auf die Vorraussetzungen, Erfolgsfaktoren und Vorteile von Patentauktionen eingegangen wird. Den Abschluss bilden ein Vergleich der Verwertungsoptionen in tabellarischer Form und ein Ausblick in die Zukunft. 2
Patentverwertungsfonds
Seit einiger Zeit finden sich geschlossene Fondskonstruktionen, sogenannte Patentverwertungsfonds, am deutschen Markt wieder. Aufgrund ihrer Struktur XQGLKUHU)XQNWLRQVZHLVHHLJQHQVLHVLFKVSH]LHOOIUÄMXQJH³3DWHQWHXQGELH ten sowohl dem Patentinhaber und Investor als auch dem Unternehmen/Lizenznehmer diverse Vorteile.
13 14
Vgl. Gassmann/Bader (2006), S. 164. Vgl. Lange (2007).
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Stephan Lipfert / Juliane Ostler
2.1
Begriffsdefinition
'HU %HJULII )RQGV VWDPPW DXV GHU HQJOLVFKHQ 6SUDFKH ÄIXQG³ XQG EHGHXWHW Ä.DSLWDO DQOHJHQ³ )RQGV ZHUGHQ YRQ *HVHOOVFKDIWHQ PLW GHP =LHO DXIJHOHJW DXVPHKUHUHQNOHLQHQ.DSLWDOEHWUlJHQHLQJU|HUHV.DSLWDOYHUP|JHQ]XELOGHQ GDV ]ZHFNV (U]LHOXQJ HLQHU EHVWLPPWHQ 5HQGLWH YHUDQODJW ZLUG 'XUFK .DXI YRQ$QWHLOHQVWHOOHQGLH)RQGVJHVHOOVFKDIWHU.DSLWDO]XU9HUIJXQJXQGHUZHU EHQGDGXUFK0LWHLJHQWXPDP)RQGVYHUP|JHQ15 ,Q GHU 3UD[LV XQWHUVFKHLGHW PDQ X D ]ZLVFKHQ RIIHQHQ XQG JHVFKORVVHQHQ )RQGV%HLRIIHQHQ)RQGVNDQQGHU$QOHJHULP$OOJHPHLQHQMHGHU]HLWHLQRGHU DXVVWHLJHQ ZREHL GLH )RQGVJHVHOOVFKDIW YHUSIOLFKWHW LVW $QWHLOH ]XP JOWLJHQ 7DJHVNXUV5FNQDKPHSUHLV ]XUFN]XQHKPHQ'LH(UPLWWOXQJXQG9HU|IIHQW OLFKXQJGHU5FNQDKPHSUHLVHHUIROJWE|UVHQWlJOLFK16*HVFKORVVHQH)RQGVZHU GHQ ]XU )LQDQ]LHUXQJ YRQ GHILQLHUWHQ LG5 JU|HUHQ ,QYHVWLWLRQVSURMHNWHQ DXIJHOHJW XQG RIWPDOV NDQQ QXU ZlKUHQG HLQHVEHVWLPPWHQ=HLWUDXPV3ODW]LH UXQJVE]Z(PLVVLRQV]HLWUDXP LQYHVWLHUWZHUGHQGDQDFKZLUGGHU)RQGVÄJH VFKORVVHQ³ =X HLQHP ]X %HJLQQ IHVWJHOHJWHQ =HLWSXQNW ZLUG GHU )RQGV GDQQ ZLHGHUDXIJHO|VWXQGGLH$QWHLOHDQGLH,QKDEHUDXVJH]DKOW17 8QWHUGHP%HJULII3DWHQWYHUZHUWXQJVIRQGVZHUGHQPHLVWYRQ%DQNHQDXIJH OHJWHJHVFKORVVHQH)RQGVYHUVWDQGHQGLHVLFK5HFKWHDQ3DWHQWHQVLFKHUQXQG GLHVHDQVFKOLHHQG]%EHU/L]HQ]LHUXQJRGHU9HUNDXIYHUZHUWHQ3DWHQWYHU ZHUWXQJVIRQGV ZHUGHQ PLW GHP =LHO DXIJHOHJW IU GHQ ,QYHVWRU VRZLH IU GHQ 3DWHQWLQKDEHUGLHJU|WP|JOLFKH5HQGLWHDXVGHQ6FKXW]UHFKWHQ]XHUUHLFKHQ 2.2
Geschichte der Patentverwertungsfonds
%HLHLQHUHWZDVZHLWHUHQ'HILQLWLRQGHV%HJULIIÄ3DWHQWYHUZHUWXQJVIRQGV³NDQQ GHU %HJLQQ GLHVHU VSH]LHOOHQ .RQVWUXNWLRQHQ LQ GHP %|UVHQJDQJ GHU %ULWLVK 7HFKQRORJ\ *URXS %7* LP -DKU JHVHKHQ ZHUGHQ %7* LVW HLQ 8QWHU QHKPHQGHVVHQZHVHQWOLFKHU*HVFKlIWV]ZHFNHVLVW3DWHQWHDQ]XNDXIHQXQG]X YHUZHUWHQ(QGHZXUGHGHP/RQGRQHU8QWHUQHKPHQYRQGHU6LHPHQV$* DOOHLQLP%HUHLFKGHU0HGL]LQWHFKQLNHLQ3RUWIROLRPLWPHKUDOV3DWHQWID PLOLHQEHUWUDJHQ18 (LQ ZHLWHUHU 0HLOHQVWHLQ LQ GHU *HVFKLFKWH GHU 3DWHQWYHUZHUWXQJVIRQGV HU IROJWHLP-DKUDOVGDV8QWHUQHKPHQ,QWHOOHFWXDO9HQWXUHVJHJUQGHWZXU GH $XIJHEDXW YRP HKHPDOLJHQ &72 YRQ 0LFURVRIW 1DWKDQ 0\KUYROG PLW HLQHU .DSLWDODXVVWDWWXQJ YRQ 0LR 86'ROODU LVW GHU HLQ]LJH *HVFKlIWV ]ZHFN GLHVHV 8QWHUQHKPHQV GLH 3URGXNWLRQ GHU $QNDXI XQG GLH 9HUZHUWXQJ 15
17 18 16
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Fonds und Auktionen: Neue Formen der Patentverwertung
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von gewerblichen Schutzrechten. Derzeit umfasst das Portfolio rund 5.000 Einzelschutzrechte.19 Seit dem Jahr 2004 finden sich nun die ersten Patentverwertungsfonds auch auf dem deutschen Markt wieder20, wobei sich jedoch diese wesentlich von den oben genannten Konstruktionen unterscheiden. Das folgende Kapitel zeigt die Struktur und die Funktionsweise dieser Fonds für den deutschen Markt. 2.3
Struktur und Ausgestaltungsformen von Patentverwertungsfonds
Bei der Struktur von Patentverwertungsfonds auf dem deutschen Markt dominierten zunächst sogenannte Private Placements, d.h. bei diesen Privatplatzierungen werden nur einem ausgewählten Kreis von Anlegern Patente angeboten. Seit 2005 bzw. 2006 sind zunehmend öffentliche und prospektpflichtige Fondskonstruktionen wie beispielsweise von der Deutschen Bank21 oder Credit Suisse22 zu beobachten, die sich durch eine breitere Streuung bei der Anlegerschaft, meist Privatanlegern, auszeichnen.23 -H QDFK =HLWSXQNW GHU %HVWFNXQJ XQWHUVFKHLGHW PDQ ]ZLVFKHQ Ä%OLQG 3RROV³XQGÄ$VVHW3RROV³%OLQG3RROVsind unbestückte Fonds, bei denen dem Investor zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung nicht bekannt ist, in welche Patente er investiert.24 Somit treten gleich drei Risikokomponenten auf: Das Suchrisiko, d.h. dass es dem Fonds nicht gelingt, hochwertige Schutzrechte zu finden, diese zu akquirieren (Ankaufsrisiko) und anschließend zu verwerten (Verwertungsrisiko). Asset Pools sind im Gegensatz dazu vorbestückt, d.h. der Initiator des Fonds geht in Vorleistung, da der Ankauf der Schutzrechte vor Auflage des Fonds erfolgt. Für den Anleger reduzieren sich dementsprechend die Risiken ausschließlich auf das Verwertungsrisiko. Folglich ist die Renditeerwartung der Anleger beim Blind Pool tendenziell höher.25 Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass beim Blind Pool die Investoren einen höheren Anteil fordern und somit der ursprüngliche Patentinhaber in der Regel weniger Kapitalzufluss erhält. Bei der Investition in einen Blind Pool ist deshalb darauf zu achten, wie die Risiken seitens des Initiators gehandhabt und welche Schritte zur Kostenreduzierung unternommen werden. So kann beispielsweise vorab festgelegt werden, dass entsprechende Dienstleister für die Suche nach geeigneten Patenten nur dann bezahlt werden, wenn diese erfolgreich war. 19 20 21 22 23 24 25
Vgl. Lerer (2006). Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung (2007b). Vgl. Deutsche Bank (2006). Vgl. Gillenberg (2005). Vgl. Zobl et al. (2006). Vgl. Basel Comittee on Banking Supervision (2001). Vgl. Steiner/Bruns (1995).
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Stephan Lipfert / Juliane Ostler
Im Gegensatz zu Asset Pools, bei denen eine Serie an den Markt gebracht werden kann, ist bei der unbestückten Variante immer nur ein Fonds pro Initiator auf dem Markt möglich, da es andernfalls schwierig ist, bei Ankauf eines attraktiven Portfolios zu entscheiden, in welchen Pool das jeweilige Portfolio gehen soll. Auch eine Aufteilung ist nicht immer zweckmäßig, da auch dann die Interessen der Investoren des ersten Pools ggfs. nicht vollständig gewahrt bleiben. Je nach Struktur des ausgewählten Vehikels unterscheidet sich die Funktionsweise von bestückten und unbestückten Fonds geringfügig. Grundvoraussetzung einer optimalen Auswahl von Patenten ist eine realistische Bewertung dieser. Hierzu stellt der Patentinhaber seine Unterlagen zur Verfügung auf Basis dessen die Fondsgesellschaft bzw. ein beauftragtes Bewertungsunternehmen eine Analyse hinsichtlich des technischen Nutzens und ökonomischen Potenzials des Patents bzw. Patentportfolios erstellt sowie - in Zusammenarbeit mit spezialisierten Patentanwaltskanzleien - eine juristische Überprüfung vornimmt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen entscheiden über den Eingang des Patents in einen Patentverwertungsfonds. In Zusammenarbeit mit Branchenexperten wird für das jeweilige Portfolio anschließend eine Veredlungs- und Verwertungsstrategie erarbeitet. Im Rahmen dieser Veredlung werden verschiedene Maßnahmen wie beispielsweise die Herstellung eines Prototyps oder die Finanzierung von Vertriebsaktivitäten skizziert, um so die Werthaltigkeit der Patente und damit deren Ertragskraft zu steigern. Die Fondsgesellschaft kalkuliert dabei alle notwendigen Entwicklungsschritte und Investitionspunkte. Zur Beschreibung der Verwertungsstrategie werden potentielle Interessenten der Technologie identifiziert und die optimalen Ansprachewege sowie die geeigneten Partner festgelegt, die diese Ansprache vollziehen sollen. Während der Laufzeit des Fonds werden die skizzierten Maßnahmen umgesetzt, bevor die Patente schließlich durch Lizenzierung oder durch Veräußerung an Dritte verwertet werden; ggfs. wird auch ein Joint-Venture oder eine Unternehmensgründung in Betracht gezogen, sollten sich diese als zielführend erweisen. Die Funktionsweise der Patentverwertungsfonds zeigt, dass diese Vehikel VLFK EHVRQGHUV JXW IU ÄMXQJH³ 3DWHQWH bei denen weitere Veredlungsschritten wie beispielsweise die geographische bzw. territoriale Erweiterung des Patentschutzes, die inhaltliche Erweiterung, die Herstellung eines Prototyps z.B. zur Präsentation auf Messen oder die Erstellung von Messreihen notwendig sind, um eine Verwertung zu ermöglichen.
Fonds und Auktionen: Neue Formen der Patentverwertung
2.4
91
Patentverwertungsfonds aus Sicht der Beteiligten
Zu den Beteiligten an einem Patentverwertungsfonds zählen neben dem Patentinhaber auch der Investor und das Unternehmen/Lizenznehmer. Die Vorteile, die sich für alle Parteien aus einer Zusammenarbeit mit einem Fonds ergeben, beschreiben die folgenden Unterkapitel. 2.4.1
Patentverwertungsfonds aus Sicht des Patentinhabers
Neben der Möglichkeit für den Patentinhaber einen externen Dienstleister einzuschalten, der die geeigneten Maßnahmen für die Verwertung seiner Schutzrechte übernimmt, besteht auch die Option der Vergabe dieser Aufgaben innerhalb des Unternehmens, wobei sich dann folgende Fragestellungen ergeben: Ä)U ZHQ VLQG ZHOFKH 6FKXW]UHFKWH LQWHUHVVDQW"³ Ä:HOFKH 6FKXW]UHFKWH PV VHQQRFKYHUHGHOWZHUGHQXPLQWHUHVVDQW]XVHLQ"³XQGÄ:HOFKH6FKXW]UHFKWH YHUNDXIH LFKZHPXQGYDZLH"³:LHEHreits eingangs erläutert, verfügen jedoch viele Patentinhaber oder patenthaltenden Unternehmen nicht über die notwendigen Kapazitäten, finanziellen Ressourcen und das Know-how, diese Aufgaben zufriedenstellend zu lösen. Vor allem für KMU, die meist nur über kleine Portfolios verfügen, ist der Aufbau solch einer spezialisierten Patentverwertungsabteilung schon aus Kosten/Nutzen-Gesichtspunkten nicht erstrebensZHUW $XFK GLH :HLWHUJDEH DQ GDV NODVVLVFKH 0DUNHWLQJ RGHU GLH 3DWHQWDEWHL lung erweist sich oftmals als nicht zielführend. Sollte in diesem Fall ein externer Dienstleister eingeschaltet werden, steht das Management erneut vor einer Investitionsentscheidung, da für die Strukturierung eines Portfolios und für die Identifizierung verwertungsfähiger Teilportfolios meist eine Vorleistung seitens der Dienstleister verlangt wird. Die alleinige Identifizierung von geeigneten Portfolios führen jedoch noch nicht zu Einnahmen; im Gegenteil, oftmals fallen weitere Kosten für die Veredelung wie beispielsweise Aufrechterhaltungsgebühren an. Diese Problematik lösen Patentverwertungsfonds, da sie in der Regel die genannte Identifizierung von verwertungsfähigen Portfolios übernehmen, ohne dass Kosten für den Pateninhaber anfallen. Dieser muss lediglich die Schutzrechte auswählen, die er nicht lizenzieren oder veräußern möchte. Zudem entwickelt der Patentverwertungsfonds eine Veredlungs- und Verwertungsstrategie und trägt sämtliche Kosten, die in diesem Zusammenhang anfallen. Aufgrund dessen stellt sich für den Patentinhaber kein zusätzliches wirtschaftliches Risiko GDU±LP*HJHQWHLO2IWN|QQHQ9HUHGHOXQJVaufträge direkt an das betreffende Unternehmen vergeben werden. Das wiederum führt zu einer höheren Auslastung der FuE-Abteilung und oftmals zu zusätzlichen Erträgen bereits vor einer ertragreichen Auslizenzierung.
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Stephan Lipfert / Juliane Ostler
Im Rahmen eines aktiven Patentportfoliomanagements werden so insbesondere durch Patente, die nicht zum Kerngeschäft eines Unternehmens gehören, weitere Erträge generiert. Gleichzeitig können die Kapitalkosten durch die Bewertung (im Screening-Prozess), die Auslizenzierung bzw. den Verkauf von Teilportfolios sowie die Effizienzsteigerung durch Aufgabe als wertlos identifizierte Teilportfolios positiv beeinflusst werden. 2.4.2
Patentverwertungsfonds aus Sicht des Investors
Bei der Investition in einen Patentverwertungsfonds schließt der Anleger verschiedene klassische Beteiligungsrisiken von vorneherein aus, da die Fonds direkt in die Hauptwerttreiber vieler Unternehmen, die Patente, investieren. Besonders in Wachstumsbranchen ist diese Risikoreduktion durch einen sogenannten Asset Deal ersichtlich, da im Gegensatz zur Investition in das ganze Unternehmen (Share Deal) beispielsweise Managementfehler, die oftmals bei Start-Ups auftreten, ausgeschlossen werden. Gleichzeitig sinkt durch die Konzentration auf die Schutzrechte die Höhe der Einzelinvestitionen, was dazu führt, dass der Anleger schon mit geringen Summen eine breite Diversifikation ± LQVEHVRQGHUH LP 9HUJOHLFK ]X 3ULYDWH (TXLW\ ± HUUHLFKHQ NDQQ 6RPLW ZLUG eine weitere Risikoreduktion erreicht. Ferner zeigt sich anhand zahlreicher Untersuchungen, dass die Rendite, die aus Patenten generiert wird, mit klassischen Anlageklassen nicht korreliert ist, was zudem zu einem positiven Diversifikationseffekt im Portfolio des Anlegers führt.26 Bei der Investition in einen Patentverwertungsfonds gilt es zu beachten, dass eine erfolgreiche Verwertung der SchutzrHFKWH QLFKW JDUDQWLHUW ZHUGHQ NDQQ ± unabhängig davon, wie gut der Auswahlprozess durchgeführt und die Verwertungsstrategie umgesetzt worden ist. Zielgruppe dieser Fonds sind daher auch VHKU HUIDKUHQH XQG TXDOLIL]LHUWH $QOHJHU GLH EHZXVVW HLQ XQWHUQHKPHULVFKHV Risiko eingehen möchten und auch eine Totalverlust des Engagements verkraften können. In der Praxis wird dies durch sehr hohe Mindestzeichnungssummen (in der Regel 50.000 Euro) sowie eine intensive Beratung sichergestellt, so dass keine Klein- und Kleinstanleger derartige Risiken eingehen. Aufgrund der positiven Entwicklung in den letzten Jahren und des fortschreitenden Patenthandels ist jedoch davon auszugehen, dass sich diese Fondskonstruktionen zukünftig auch breiteren Anlegerschichten öffnen werden. 2.4.3
Patentverwertungsfonds aus Sicht des Unternehmens/Lizenznehmers
Wie bereits erläutert, führen PatentveUZHUWXQJVIRQGVHLQHTXDOLWDWLYHTXDQWLWD tive und juristische Vorselektion durch. Ähnlich wie bei Patentinhabern verfügen Unternehmen/Lizenznehmer in der Regel auch nicht über die notwendigen 26
Vgl. Lipfert (2006), S. 117 ff.
Fonds und Auktionen: Neue Formen der Patentverwertung
93
Kapazitäten, um die Vielzahl von Lizenz- und Kooperationsangeboten, die täglich ankommen, zu bewältigen. Ein wesentlicher Teil des Tagesgeschäfts einer Patentabteilung besteht folglich darin, die wirklich verwertungsfähigen Innovationen herauszufiltern, wobei jedoch nicht nur eine technische sondern auch eine juristische Überprüfung notwendig ist. Aufgrund der Ressourcenknappheit geschieht dies häufig nicht zufriedenVWHOOHQGVRGDVVÄHFKWH0DNHRU%X\³Entscheidungen ausbleiben. Nicht selten führt diese Situation dazu, dass Kapital für Forschungsprojekte ausgeben wird, deren Ergebnisse den Unternehmen bereits kostengünstiger angeboten wurden. Studien des Österreichischen Patentamts zeigen, dass allein auf europäischer Ebene 15 bis 30 Prozent der Forschungsausgaben für Doppelerfindungen ausJHJHEHQZHUGHQ±GDVHQWVSULFKWHLQHU6XPPHYRQFD0LOOLDUGHQ(XURMlKU lich.27 =XGHP NDQQ GDGXUFK GLH 0DUNWHLQführung verzögert werden, was wieGHUXP]XYHU]|JHUWHQ(UWUlJHQVRZLHJJIV]X9HUOXVWYRQ0DUNWDQWHLOHQIKUHQ kann. Patentverwertungsfonds bieten Unternehmen durch eine umfassende Auswahl und Prüfung nur die Schutzrechte an, GLHHLQHQZHVHQWOLFKHQ0HKUZHUWIU das Unternehmen versprechen. Zudem führen sie zur Entlastung der internen 3DWHQWDEWHLOXQJXQGN|QQHQDOVÄ7HFKQRORJLH6FRXWV³QHXH,GHHQOLHIHUQ 2.5
Abschließende Bemerkung
Als effiziente Intermediäre zwischen Kapital- und Patentmarkt versorgen Patentverwertungsfonds den Technologietransfermarkt mit der notwendigen Liquidität und sorgen so für eine Effizienzsteigerung in der Verwertung von gewerblichen Schutzrechten. Aufgrund ihrer Struktur und Funktionsweise eignen VLFKLQVEHVRQGHUHIUÄMXQJH³3DWHQWe, die noch einer Veredlung bedürfen. 3
Patentauktionen
Neben Patentverwertungsfonds bilden auch Patentauktionen, bei denen gewerbOLFKH 6FKXW]UHFKWH YHUVWHLJHUW ZHUGHQ HLQHQ ZLFKWLJHQ QHXHQ %DXVWHLQ LQ GHU 9HUZHUWXQJVLQIUDVWUXNWXU XQG LP $OWHUQDWLYHQSRUWIROLR HLQHV ,30DQDJHUV Durch standardisierte Vertragskonstruktionen und einem transparenten elektronischen Due-Diligence Prozess können sie dazu beitragen, dass Transaktionskosten bei Patentverkäufen oder -lizenzierungen erheblich reduziert werden N|QQHQXQGVRGHQ0DUNWIUJHZHUEOLFKH Schutzrechte positiv stimulieren.
27
Vgl. Scheichl (2006).
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3.1
Begriffsdefinition
'HU%HJULIIÄ$XNWLRQ³±DXFKÄ9HUVWHLJHUXQJ³JHQDQQW±VWDPPWDXVGHP/D WHLQLVFKHQ XQG EHGHXWHW ÄYHUPHKUHQ YHUJU|HUQ³28 ,Q GHU gNRQRPLH ZLUG XQWHUHLQHU$XNWLRQMHGH9HUKDQGOXQJVVLWXDWLRQYHUVWDQGHQGLHRUJDQLVDWRULVFK HLQJHJUHQ]W GXUFK ]XYRU IHVWJHOHJWH 5HJHOQ JHVWHXHUW ZLUG XQG GHUHQ =LHO GLH 3UHLVILQGXQJLVW29'LHHUVWHQ$XNWLRQHQIDQGHQVFKRQXPY&KUVWDWWDOV LQ %DE\ORQ DXI GHP MlKUOLFKHQ +HLUDWVPDUNW )UDXHQ DQ GHQ 0HLVWELHWHQGHQ YHUNDXIWZXUGHQ $XV6LFKWGHV$QELHWHUVVLQG$XNWLRQHQLP9HUJOHLFK]X)HVWSUHLVV\VWHPHQ EHL GHQHQ GHU 1DFKIUDJHU GHQ 3UHLV DN]HSWLHUHQ PXVV ZHQQ HU GDV 3URGXNW HUZHUEHQZLOOGDQQYRQ9RUWHLOZHQQHLQHKRKH8QVLFKHUKHLWEHUGHQHU]LHO EDUHQ 3UHLV EHVWHKW 'DV WULWW EHLVSLHOVZHLVH DXI ZHQQ HLQ]LJDUWLJH *WHU ZLH 3DWHQWH YHUNDXIW ZHUGHQ IU GLH HV NDXP 6XEVWLWXWH JLEW XQG GHUHQ :HUW YRQ YHUVFKLHGHQHQ3HUVRQHQVHKUXQWHUVFKLHGOLFKHLQJHVFKlW]WZLUG31 ,QGHQOHW]WHQ-DKUHQHU]LHOHQGLHJURHQ$XNWLRQVKlXVHUZHOWZHLW5HNRUG VXPPHQEHLLKUHQ9HUVWHLJHUXQJHQ6RYHUEXFKWHQGLHEHLGHQJURHQ$XNWLRQV KlXVHU&KULVWLH¶VXQG6RWKHE\¶VDOOHLQLP0DUNWVHJPHQW.XQVWHLQHQ*H VDPWXPVDW] YRQ HWZD 0UG 86'ROODU32 &KULVWLH¶V HU]LHOWH LQ GHU HUVWHQ 1RYHPEHUZRFKH PLW 0LOOLRQHQ 86'ROODU VRJDU GDV K|FKVWH $XNWL RQVHUJHEQLVDOOHU=HLWHQ33 6HLWHLQLJHU=HLWKDEHQGLH$XNWLRQDWRUHQQXQDXFKJHZHUEOLFKH6FKXW]UHFK WHLQV9LVLHUJHQRPPHQ1DFKGLYHUVHQ$XNWLRQHQLQGHQ86$ZXUGHQ$QIDQJ LQ(XURSDQXQHUVWPDOV3DWHQWH0DUNHQXQG/L]HQ]HQYHUVWHLJHUW34 3.2
Struktur von Patentauktionen
'DV IROJHQGH .DSLWHO EHVFKUHLEW GLH 6WUXNWXU YRQ 3DWHQWDXNWLRQHQ ZREHL ]X QlFKVW GHU )RNXV DXI GLH JHQXW]WHQ $XNWLRQVIRUPHQ EHL 3DWHQWYHUVWHLJHUXQJHQ JHOHJW ZLUG *UXQGVlW]OLFK OlVVW VLFK IHVWVWHOOHQ GDVV LP *HJHQVDW] ]X 3DWHQW YHUZHUWXQJVIRQGV GLH HKHU IU ÄMXQJH³ 3DWHQWH NRQ]LSLHUW VLQG 3DWHQWDXNWLRQ VLFK IU 3DWHQWH DXI 3URGXNWH HLJQHQ GLH QlKHU DQ GHU 0DUNWUHLIH OLHJHQ XQG IROJOLFKPLWHLQHUJHULQJHUHQ8QVLFKHUKHLWIUGLH=XNXQIWEHOHJWVLQG
28
31 32 33 34 29
9JO0F$IHH0F0LOOLDQ 6 9JO6FKDIIW 6 9JO5RW]LQJHU 9JO5HLFKZDOGHWDO 9JO+HUFKHQU|GHU 9JO.XWVFKHU 9JO:LONH
Fonds und Auktionen: Neue Formen der Patentverwertung
3.2.1
95
Auktionsformen
Neben der Unterscheidung zwischen Online-Auktionen, die auf dem Internet basieren und sogenannten Live-Auktionen, bei denen der Auktionsgegenstand an einem bestimmten Termin und Ort durch einen persönlich anwesenden Auktionator an den Meistbietenden verkauft wird35, differenziert man auch zwischen den klassischen Auktionsformen, bei denen nur ein Objekt versteigert wird und den Mehr-Objekt-Auktionen, bei denen mehrere, homogene Produkte wie beispielsweise UMTS-Lizenzen, verkauft werden. Zu den klassischen Auktionsformen, die hauptsächlich bei Patentauktionen zum Einsatz kommen, zählt die Englische Auktion und die Holländische Auktion. Weitere klassische Auktionsformen sind die Höchstpreis-Auktion und die Vickrey-Auktion,36 die aber aus Gründen der geringen Relevanz bei Patentauktionen vernachlässigt werden können. Die bekannteste und am häufigsten angewandte Auktionsform ist die Englische Auktion, auch first-price auction oder open-cry auction37 genannt. Dabei werden solange offen höhere Gebote als das zuletzt aktuelle Gebot ausgesprochen, bis das aktuelle Höchstgebot nicht mehr überboten wird. Der Auktionsteilnehmer, der das höchste Gebot genannt hat, erhält den Zuschlag zum Preis dieses Gebots, welches theoretisch nur marginal über dem letzten Gebot des zweithöchsten Bieters liegen kann.38 Die Bieter erhalten während des Verfahrens Informationen über die anderen Bieter, so dass, wenn viele Konkurrenten lange mitbieten, der Einzelne ermutigt wird weiter mitzubieten und so schließlich der Preis in die Höhe getrieben wird. Die beste Strategie für einen Bieter ist folglich, solange mitzubieten, bis seine maximale Zahlungsbereitschaft erreicht ist oder kein anderer Bieter sein Gebot überschreitet.39 Die Englische Auktion wird u.a bei der Versteigerung von Wein und Kunstwerken eingesetzt und zählt auch zu der am häufigsten angewandten Form bei der Versteigerung von gewerblichen Schutzrechten. Mit dieser AuktiRQVIRUP ZXUGHXDGDV*HPlOGHÄ1R³YRQ-DFNVRQ3ROORFNGDVLP November 2006 durch die Vermittlung YRQ 6RWKHE\¶V IU 0LOOLRQHQ 86 Dollar an einen mexikanischen Sammler ging, zum teuersten Gemälde der Welt. Bei Online-Auktionen des englischen Modells wird, im Gegensatz zu Live-Auktionen, das Ende der Auktion durch Zeitablauf herbeigeführt. Laut einer Studie von Chui/Zwick werden Englische Auktionen und ihre Varianten 35
37 38 39 36
9JO*ROGPDQQ 6 9JO6NLHUD5HYHQVGRUII 6II 9JO6DQGKROP 6II 9JO6NLHUD5HYHQVGRUII 6II 9JO)LVFKHUHWDO 6 9JO+HUVWDWW 9JO&KXL=ZLFN 6
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auf 88 Prozent aller Internet-Auktionsplattformen angewendet (z.B. Ebay) und stellen damit auch das am meisten genutzte Auktionsverfahren im Internet dar. Die holländische Variante geht auf die in den Niederlanden bekannten TulSHQYHUVWHLJHUXQJHQ]XUFN%HLGLHVHP3ULQ]LSGHVIDOOHQGHQ3UHLVHVZLUG±LP Gegensatz zur englischen Variante - der Höchstpreis solange gesenkt, bis ein Bieter den aktuell genannten Preis akzeptiert und für diesen Wert die Ware erhält.42 Die Anwendung dieser Auktionsform ist dann besonders zweckmäßig, wenn ein zu erwartender Maximalpreis abgeschätzt werden kann und auf die Bieter ein höheres Stressmoment ausgeübt werden soll. Dadurch dass der Preis von oben nach unten sukzessive gesenkt wird und bereits der erste Bieter den Zuschlag erhält, bekommt dieser einen Anreiz, bereits bei seiner maximalen Zahlungsbereitschaft die Hand zu heben in der Angst ein anderer könne ihm sonst zuvor kommen. Theoretisch funktioniert dies auch bei Anwesenheit nur eines einzigen Bieters, insofern dieser die genaue Konkurrenzsituation nicht kennt. Das strategische Verhalten des Bieters zeigt sich bei dieser Form jedoch oft inhärent zum Auktionsprinzip, da jeder Bieter versucht, den Reservationspreis43 der anderen zu antizipieren, bevor der Auktionator den entsprechenden Preis erreicht. Diese Spekulationen beeinflussen das Ergebnis stark und oftmals entsteht dadurch eine ökonomisch nicht effiziente Allokation.44 Das holländische Verfahren wird meist bei Waren mit einem starken Preisverfall wie beispielsweise Schnittblumen oder Tabak eingesetzt. Im Internet findet diese Form der Versteigerung wenig Verwendung; nur etwa ein Prozent der Online-Auktionen werden nach diesem Prinzip durchgeführt.45 3.2.2
Struktur
Als Beteiligte einer Patentauktion gelten Verkäufer bzw. Patentinhaber, Käufer bzw. Bieter und nicht-bietende Teilnehmer. Um diesen Parteien gerecht zu werden, zeigt die Struktur der bereits stattgefundenen Patentauktionen folgende Merkmale: - Bestimmte Kriterien wie beispielsweise die Breite des Schutzbereiches müssen für die Einreichung von Schutzrechten zur Auktion erfüllt werden. - Patentinhaber zugelassener Schutzrechte binden sich an die Auktion, indem sie einen Versteigerungsauftrag erteilen. - Interessierte Bieter erhalten Bieter-Status, indem sie die Bieterbedingungen akzeptieren und ihre Bonität durch eine Bankgarantie nachweisen. 42 43 44 45
Vgl. Sandholm (1996) S. 43 ff. Reservationspreis: Ein Auktionsparameter, der einen Mindestverkaufspreis oder einen Höchstkaufpreis spezifiziert (siehe auch Kapitel 3.3.2). Vgl. Fischer et. al. (1998), S. 67. Vgl. Chui/Zwick (1999) S. 12.
Fonds und Auktionen: Neue Formen der Patentverwertung
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- Interessenten können die angebotenen Schutzrechte über einen Katalog einsehen. Registrierte Bieter haben zudem die Möglichkeit über einen digitalen Due-Diligence Datenraum relevante Unterlagen einzusehen. - Die Auktion vor Ort wird durch ein Rahmenprogramm mit Workshops, Gala-Diner, Technologie-Exponaten einzelner Patentinhaber sowie der Möglichkeit von Einzelgesprächen zwischen Patentinhabern und Bietern abgerundet. Meist werden pauschale Anmeldegebühren für Patentinhaber, Bieter und nichtbietende Teilnehmer erhoben, wobei sich die Auktion hauptsächlich über eine erfolgsabhängige Provision finanziert. Hierzu gehören in der Regel 10 Prozent Aufgeld gegenüber dem Käufer und 15 Prozent Abgeld gegenüber dem Verkäufer. 3.3
Patentauktionen in der Praxis
Die IP Merchant Bank Ocean Tomo beansprucht für sich, im April 2006 die weltweit erste Patent-Live-Auktion in San Francisco durchgeführt zu haben. Es gibt jedoch eine Reihe von Informationen, dass bereits zuvor kleinere Auktionen für gewerbliche Schutzrechte stattgefunden haben,46 jedoch zeigte sich mit den folgenden zwei Auktionen in den USA, dass damit eine neue Dimension im Patenthandel erreicht wurde. Mit den im Mai und Juni 2007 veranstalteten Auktionen in München und London ist nun auch Europa nachgezogen. %HL GHU ÄHUVWHQ³ $XNWLRQ LP $SULO ZXUGHQ NQDSS 9HUVWHLJHUXQJV einheiten mit hauptsächlich amerikanischem Schutzterritorium zur Veräußerung angeboten, wobei 26 Lose mit einem Transaktionsvolumen von knapp 3 Mio. US-Dollar bei der eigentlichen Auktion verlost wurden. In der NachAuktionsphase fanden schließlich fünf weitere Lose mit einem Volumen von 5,4 Mio. US-Dollar einen Käufer. Zusammen sind somit ca. 40 Prozent der Lose einer Transaktion zugeführt worden und 52 Prozent der Verkäufer konnten mindestens einen Teil ihrer Schutzrechte veräußern. Eine Analyse der veräußerten Patente bestätigt dabei, die bei Patenten im Allgemeinen beobachtbare schiefe Wertverteilung47 mit vielen geringwertigen und wenigen, sehr werthaltigen Patenten: 22 der 26 "on the floor" versteigerten Lose wurden für unter 20 000 US-Dollar verkauft, zwei Lose für ca. 100 000 US-Dollar und weitere zwei Lose für über 1 Mio. US-Dollar.
46
So wurde beispielsweise am 30. Januar 2003 bereits von der Japan Patent Research Associates, einer Non-Profit- Organisation, in Tokyo die aQJHEOLFKÄHUVWH3DWHQWDuktion" durchgeführt; vgl. :LUWVFKDIWVNDPPHUgVWHUUHLFKÄ-DSDQ1DFKULFKWHQ³ 47 9JO+DUKRII6FKHUHU9RSHO 6II 9JO6HLGHQEHUJ
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Die Ergebnisse der beiden folgenden Auktionen in den USA erreichten jeweils zweistellige Millionenbeträge (in US-Dollar), wobei jeweils eine weniger schiefe Werteverteilung der übrigen Versteigerungslose beobachtet werden konnte. So erzielten bei der zweiten Auktion immerhin 16 der 25 "on the floor" versteigerten Lose je über 100 000 US-Dollar. 49 Seit die ersten Patentauktionen stattgefunden haben, wird die Versteigerung von gewerblichen Schutzrechten als weiterer Baustein in der Verwertungsinfrastruktur angesehen. Die Ergebnisse der bereits in München und London stattgefunden Auktionen wird neben den Faktoren, die für eine erfolgreiche Patentauktion eine Rolle spielen, im nächsten Unterkapitel erläutert. Darauf basierend erfolgt abschließend die Erläuterung des Konzepts für europäische Patentauktionen. 3.3.1
Erfolgsfaktoren einer Patentauktion
Grundsätzlich lassen sich alle wesentlichen Vorteile und somit Erfolgsfaktoren einer klassischen Auktion auch auf eine Patentauktion übertragen. Dies sind im Einzelnen: 50 - Synchroner Bieterwettbewerb, - Marktpreiserzielung eines einmaligen und schwer objektiv bewertbaren Wirtschaftsgutes, - zeitlich terminierte Abwicklung der Transaktion sowie - Einsparung von Verkaufsverhandlungen. Beim Handel mit gewerblichen Schutzrechten müssen jedoch weitere Punkte, die wesentliche Barrieren für den Handel mit Patenten darstellen können, berücksichtigt werden. Ähnlich wie beim Erwerb von Gemälden beispielsweise, bei dem eine Unsicherheit bezüglich der Echtheit des Bildes besteht, ist auch der Erwerb von Patenten durch ein hohes Maß an Unsicherheit und Intransparenz gekennzeichnet. Dazu gehört u. a. eine gewisse Unsicherheit über die Rechtsbeständigkeit eines Patentes. Vor dem Kauf muss durch oft sehr aufwendige Überprüfungen das Risiko eingeschätzt werden, inwieweit ein Patent frei von formellen und materiellen Mängeln ist, die eine spätere Nichtigkeit begründen könnten. Auch Unsicherheiten über bestehende rechtliche Beeinträchtigungen eines Patentes wie beispielsweise Nutzungsbeschränkungen, Abhängigkeiten von anderen Schutzrechten oder bereits vergebene Lizenzen müssen im Vorfeld einer Transaktion geklärt werden. Eine weitere Unsicherheit betrifft die Einschätzung der Werthaltigkeit eines Patentes, so dass entsprechende Bewertungen im Vorfeld einer Transaktion notwendig sind, um den tatsächlichen Neuheitswert eines 49 50
Vgl. Ocean Tomo (2006/2007). Vgl. Milgrom (2004) S. 208 ff.
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Patentes und dessen Fähigkeit, ein neuartiges Erzeugnis oder Verfahren effizient patentrechtlich gegen Konkurrenten zu schützen, bestimmen zu können. Vor dem Hintergrund dieser Handelshemmnisse lassen sich in Ergänzung zu den oben genannten Vorteilen von Auktionen folgende Erfolgsfaktoren auf Patentauktionen ableiten: - Vorselektion angebotener Patente und ggfs. Bereitstellung objektiver Informationen von Bewertungsinstitutionen - Schaffung von Transparenz - Schaffung adäquater Möglichkeiten zur Due-Diligence - Reduzierung der Unsicherheit auf Käuferseite durch Zusicherungen des Verkäufers - Kostensenkung durch juristisches Rahmenwerk und Standardisierung des Prozesses - Breite Marketingkampagne Alle genannten Erfolgsfaktoren tragen letztendlich zu einer Senkung der Transaktionskosten bei und stellen damit den Hauptvorteil von Patentauktionen im Allgemeinen dar. Zu den Transaktionskosten zählen beispielsweise Kosten der Informationsbeschaffung und Anbahnungs- bzw. Abwicklungskosten. Die Vorselektion, der in er Auktion angebotenen Patente, spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Die Sicherung der Qualität der angebotenen Patente hängt sehr stark von den angesetzten Kriterien dieser Vorselektion ab, wie beispielsweise der Verfahrensstand, das Schutzterritorium, die Breite der Schutzansprüche sowie der durch eine Erfindung angesprochene Markt. Für eine effektive Vorselektion sollte eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Bewertungsmaßstäben herangezogen werden, wobei grundsätzlich gilt: Je größer der Bewertungsaufwand, je höher ist die in der Auktion erzielte Qualität und desto kleiner wird die ausgewählte Menge Patente. Im Rahmen der Vorselektion der angebotenen Patente hat es sich in der Praxis als zweckmäßig erwiesen, objektive Informationen durch eine Bewertungsgesellschaft, ggfs. anhand eines Punktesystem, zur Verfügung zu stellen, um so allen Parteien die Informationen übersichtlich und strukturiert zu liefern. ,QQHUKDOEGHU(UIROJVIDNWRUHQNRPPWGHUÄ6FKDIIXQJYRQ7UDQVSDUHQ]³HLQH weitere zentrale Funktion zu, da sie wesentlich zur Reduzierung der Unsicherheit auf der Seite der Käufer beitragen kann. Die Veranstalter von Patentauktionen setzen dies um, indem sie auf zwei Maßnahmen zurückgreifen: Zum einen werden sie einen strukturierten Auktionskatalog mit allen zur Verfügung stehenden Schutzrechten erstellen und anbieten. Zum anderen erfolgt die Einrichtungen einen digitales Datenraums, um so den Käufern im nächsten Schritt eine detaillierte Prüfung der für sie interessanten Patente zu ermöglichen (Due Diligence). Eine weitere Möglichkeit der Reduzierung von Unsicherheit stellt die Abgabe von Garantien in Bezug auf ein Schutzrecht wie beispielsweise deren Frei-
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heit von Rechten Dritter, die sich aus Lizenzen oder Arbeitnehmeransprüchen ergeben können, dar, die im Rahmen eines standardisierten Prozesses erfolgt. So kann der potentielle Käufer bereits im Vorfeld wesentliche K.O.-Kriterien ohne zusätzlichen Zeitaufwand überprüfen. Der standardisierte Prozess reduziert die aufwendigen Verhandlungen wesentlich, die bei traditionellen bilateralen Patentgeschäften oftmals sehr umfangreich und zeitintensiv sind. Besonders für den Verkäufer sind die Marketingmaßnahmen und der damit erzeugte Bieterwettbewerb ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor. Seitens des Auktionsveranstalters sollten folglich alle klassischen Kanäle wie beispielsweise Werbekampagnen, allgemeine Pressearbeit sowie Direktmarketing für eine gezielte Ansprache relevanter Zielgruppen, bearbeitet werden, um so die größtmögliche Aufmerksamkeit zu erreichen. 3.3.2
Europäische Patentauktionen in der Praxis
Im Mai und Juni 2007 fanden die ersten Patentversteigerungen in Europa (München und London) statt. Bei der Auktion in London im Juni 2007 wurden von den insgesamt knapp 50 Versteigerungslosen nur insgesamt 14 Lose mit einem Volumen von 4,1 Mio. GBP verauktioniert. Ein Großteil des Ergebnisses machte dabei ein Patent für Internet-Shopping mit einem Gebot von knapp 2,5 Mio. GBP aus.51 Die Auktion für Patente, Lizenzen und Markenrechte, die von der IP Auctions GmbH bereits im Mai in München veranstaltet wurde, erlöste mit 24 versteigerten Losen einen Umsatz knapp einer halben Millionen Euro. Ingesamt standen 83 Lose mit 210 Patentfamilien und ca. 400 Patenten von Einzelerfindern, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, KMU und bekannten Großkonzernen zur Veräußerung. Zur Käuferseite der Schutzrechte zählten u. a. technologieorientierte Industriefirmen, verschiedene Investorenkreise sowie Intermediäre, die auf eigene Rechnung oder im Auftrag Dritter Portfolios zusammenstellen. 52 Ingesamt wurden ca. 30 Prozent aller Lose versteigert, wobei Experten diese Veranstaltung als ersten wichtigen Schritt für den liquiden Handel mit gewerblichen Schutzrechten mittels Auktionen werteten.53 Obwohl in der Vergangenheit von einigen Teilnehmern gefordert wurde, dass bei der Gestaltung einer Patentauktion eine weitere Spezialisierung auf bestimmte Branchen oder auch auf bestimmte Akquisitionsmotive von Patenten vorgenommen werden solle, war die Auktion in München sehr breit angelegt und gewerbliche Schutzrechte aus vielen unterschiedlichen Technologiebereichen wie z. B. Maschinenbau, Materialwissenschaften, Elektrotechnik, Mikroelektronik, Automotive, Life Science, Medizinwissenschaften und Umwelttech51 52 53
Vgl. Ocean Tomo (2007). Vgl. IP Auctions GmbH (2007). Vgl. Demberg/Bastian (2007).
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nologie standen zum Verkauf. Grund hierfür war die Kostendegression, die bei einer groß angelegten Auktion, ähnlich wie bei einer großen Messe, beispielsweise durch die Umlegung der Kosten für Marketingmaßnahmen, Pressearbeit und Eventorganisation auf eine größere Anzahl Versteigerungseinheiten erreicht werden kann.54 Die Verkäufer hatten vor der Auktion zudem die Möglichkeit zur Absicherung ein Limit, den sogenannten Reservationspreis, zu setzen, so dass die angebotenen Schutzrechte nicht unter dem gesetzten Wert versteigert werden. Der Limitwert liegt bei der englischen Auktionsform i.d.R. deutlich über dem Aufrufpreis, mit dem der Auktionator die Versteigerung eines Loses beginnt und ist den Bietern unbekannt. Wird in der Auktion kein Gebot erzielt, das über dem Limitwert liegt, so kommt keine Transaktion zustande. In der Praxis wird für das Setzen eines Limits jedoch meist eine Gebühr verlangt. Patentinhaber nutzen diese Variante oftmals, um den Marktwert des eigenen Patents prüfen zu lassen, da durch die Festsetzung eines extrem hohen Limits mit großer Wahrscheinlichkeit keine Transaktion stattfinden wird. Jedoch erfährt der Patentinhaber so, welcher maximale Betrag für sein Schutzrecht gezahlt worden wäre. Die Schaffung adäquater Möglichkeiten zur Due-Diligence55 wurde bei den europäischen Auktionen ebenfalls als wesentlicher Erfolgsfaktor wahrgenommen. Hierzu zählten neben der Bereitstellung eines übersichtlichen Auktionskataloges (ggfs. zusätzlich als Online-Version), auch die Möglichkeit für potentielle Bieter sich umfangreich mit der Due-Diligence auseinander zu setzen. Die Veranstalter der Patentauktion in München veranschlagten hierfür einen Zeitraum von zwei Monaten, wobei die Praxis gezeigt hat, dass es sich hierbei um eine zeitliche Untergrenze handelt. Der dafür eingerichtete, digitale Datenraum enthält neben den üblichen Informationen zum rechtlichen Sachstand der Schutzrechte vor allem Informationen zu deren Verwertungspotentialen. Hierzu zählen u. a. Angaben zu Anwendungsgebieten und Informationen zum Entwicklungsstand und der Marktreife der Erfindung. Im Hinblick auf die Beurteilung der Verwertbarkeit eines Portfolios kann dabei auch die Angabe von Referenzen Dritter sowie Informationen zu gegebenenfalls zusammen mit dem Portfolio angebotenen Komplementärgütern wie beispielsweise Kontakten zu potentiellen Kooperations- und Entwicklungspartnern, Prototypen, Messreihen oder Implementierungs-Know-how einen wichtigen Beitrag leisten. Wie im vorangegangenen Kapitel bereits erläutert sind standardisierte Vertragskonstruktionen ein entscheidendes Erfolgskriterium, um so langwierige Verhandlungen zu vermeiden und so v. a. für den Verkäufer eine wesentliche Vereinfachung herbeizuführen. Für die Auktion in München wurde das bei54 55
Vgl. Wirtschafstlexikon24.net (2007). Siehe auch Kapitel 3.3.1.
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spielsweise durch standardisierte Gebots-, Versteigerungs- und Einlieferungsbedingungen, die u. a. das Zustandekommen eines Kaufvertrages oder Lizenzvertrages, den Aufrufpreis, die gewünschte Auktionsform und die Festlegung eines Limitwertes, geregelt. Wichtig war bei den Auktionen in München und London, dass es sich um Live-Auktionen handelte, da so der persönliche Kontakt zwischen Käufern und Verkäufern hergestellt werden konnte, der ein wesentliches Erfolgskriterium für die Nach-Auktionsphase darstellt. So zeigten die Veranstaltungen in den USA, dass das Transaktionsvolumen im Nachfeld der Auktion teilweise mehr als verdreifacht werden konnte.56 Dies ist auch für die europäischen Auktionen zu erwarten. 3.4
Abschließende Bemerkung
Im Rahmen neuer Verwertungswege für gewerbliche Schutzrechte bilden Patentauktionen einen weiteren Baustein v. a. für reifere und bereits nationalisierte Patente. Sie bieten dem Patentinhaber die Möglichkeit, seine Schutzrechte einer breiten Masse anzubieten und hierfür auf einen weitestgehend standardisierten Prozess zurückzugreifen, um so Zeit und Kosten zu sparen und über einen Bieterbewerb einen realen Markpreis zu erzielen. Durch Patentauktionen bietet sich potentiellen Käufern die Chance, mithilfe eines transparenten Due-DiligenceProzess, die für ihn interessanten Schutzrechte herauszufiltern und diese ohne langwierige Verhandlungen zu erwerben.
56
Vgl. Kannellos (2006).
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Fonds und Auktionen: Neue Formen der Patentverwertung
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Fonds und Auktionen auf einen Blick
Die nachfolgende Tabelle zeigt die identifizierten Charakteristika und Unterschiede zwischen den Patentverwertungsformen Fonds und Auktionen. Patentverwertungsfonds
Patentauktionen
Patentart
"Junge" Patente, die einer Veredlung bedürfen
Struktur
Geschlossene Fonds Live-Auktion vs. Online-Auktion Private Placement vs. Öffentl. Beteiligungsangebot Englische Auktion vs. Holländische Auktion Asset Pool vs. Blind Pool
Anfänge
1995: Börsengang der BTG 2005/2006: Erste Fonds in Deutschland (Credit Suisse/Deutsche Bank)
2006: Live-Patentauktion von Ocean Tomo in San Francisco 2007: Live-Patentauktion von IP-Auctions in München
Vorteile
Für den Patentinhaber: - Keine Kosten - Kein zusätzliches wirtschaftliches Risiko - Entwicklung einer Veredlungs- und Verwertungsstrategie - Ggfs. zusätzliche Erträge durch Veredlungsaufträge - Ggfs. können bestimmte Lizenznehmer ausgeschlossen werden
Für den Patentinhaber: - Möglichkeit, Patent einer breiten Zielgruppe anzubieten - Senkung der Transaktionskosten gegenüber bilateralem Austausch durch standardisierten Prozess und juristisches Rahmenwerk - Zeitlich terminierte Abwicklung und Einsparung von Verkaufsverhandlungen - Erzielung eines realen Marktpreises durch Bieterwettbewerb - Prüfung des Marktwerts durch Festsetzung eines Reservationspreises - Weitere Verhandlungsmöglichkeit in der Nach-Auktionsphase
Für den Investor: - Risikoreduktion durch Ausschließung klassischer Beteiligungsrisiken - Risikoreduktion durch breite Diversifikation - Positiver Diversifikationseffekt im Portfolio Für das Unternehmen/Lizenznehmer: - Echte "Make-or-Buy"-Entscheidungen durch Entlastung interner Patentabteilung - Verzögerte Markteinführung kann verhindert werden - Lieferung neuer Ideen
Nachteile
Für den Patentinhaber: Hohe Anforderung bzzgl. Technologie, ökonomischen Potentials und juristischer Durchsetzbarkeit an ein Patent Für den Investor: Aufgrund des Verlustrisikos nur für sehr erfahrene und qualifizierte Anleger geeignet
"Reifere" und besser ausgerollte Patente
Für den Bieter: - Umfangreiche Vorselektion der angebotenen Patente - Reduzierung der Unsicherheit (Rechtsbeständigkeit, Werthaltigkeit) - Senkung der Transaktionskosten gegenüber bilateralem Austausch durch standardisierten Prozess und juristisches Rahmenwerk - Zeitlich terminierte Abwicklung, Einsparung von Verkaufsverhandlungen - Möglichkeit der umfassenden Due-Diligence und damit Schaffung von Transparenz - Weitere Verhandlungsmöglichkeit in der Nach-Auktionsphase Für den Patentinhaber: - Kosten fallen für Anmeldung und ggf. Festsetzung eines Reservationspreises an - Keine Garantie, dass eine Transaktion stattfindet - Bestimmte Käufer/Lizenznehmer können nicht ausgeschlossen werden Für den Bieter: - Kosten für Anmeldung - Ggfs. Preissteigerung durch Bieterwettbewerb - Transaktion findet ggfs. aufgrund der Nicht-Erreichung des Reservationspreises nicht statt
Tabelle 1: Patentverwertungsfonds und Patentauktionen im Vergleich
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Abschlussbemerkung
Durch den Übergang hin zur Wissensgesellschaft und der zunehmenden Bedeutung immaterieller Vermögenswerte entwickeln sich die Märkte für Technologien und Geistigen Eigentums in den letzten Jahren stetig weiter. Infolgedessen kommt dem IP-Manager im Unternehmen eine völlig neue Bedeutung zu. Während Großkonzerne sich bereits auf diese Entwicklungen eingestellt und spezialisierte Abteilungen für ein aktives IP-Management aufgebaut haben, gestaltet sich die Situation für KMU aufgrund der Finanzierungssituation schwieriger. Neue Bausteine in der Verwertungsinfrastruktur wie Patentverwertungsfonds und Patentauktionen können hier Lösungen bieten. Als Schnittstelle zwischen dem Kapital- und Patenmarkt unterstützen Patentverwertungsfonds den Patentinhaber mit dem notwendigen Know-how und Kapital, um ihre Innovation erfolgreich am Markt zu etablieren. Als Alternative zum bilateralen Austausch bieten Patentauktionen dem Patentinhaber die Chance seine Patente einer breiten Masse anzubieten und hierfür auf einen zeitlich festgelegen und weitgehend standardisierten Prozess zurückzugreifen, um so Zeit und Kosten zu sparen sowie über einen Bieterwettbewerb einen realen Marktpreis zu erzielen. Folglich ist davon auszugehen, dass beide Verwertungsoptionen zukünftig wesentliche Bausteine innerhalb des Handlungsspektrums jedes IP-Managements darstellen werden. Literatur Asche, S.: Siemens Konzern in Erfindungsoffensive: Schutzrechte als strategisches Wettbewerbsinstrument, in: VDI Nachrichten, 14.06.2002, S. 21. Basel Comittee on Banking Supervision: Asset Securitisation, 2001, http://www.bafin.de/internationales/baseler_bankenausschuss/06_asset.pdf, abgefragt am 22.01.2007. Benz, M.: Bowie Bonds: One-Off or A Sound Vision For The Future, in: Billboard Magazine, 2001, http://www.pullmanco.com/article136.htm, abgefragt am 13.09.2006. Bessler, W./Bittelmeyer, C./Lipfert, S.: Zur Bedeutung von wissensbasierten immateriellen Vermögensgegenständen für die Bewertung und Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen, in: Meyer (Hrsg.), Unternehmensbewertung und Basel II in kleinen und mittleren Unternehmen, Lohmar 2003, S. 322 ff. Chui, K./Zwick, R.: $XFWLRQV RQ WKH ,QWHUQHW ± $ 3UHOLPLQDU\ 6WXG\ :RUNLQJ 3DSHU +RQJ .RQJ University of Science and Technology, 1999. CSFB (Europe) Ltd. Equity Research: Technology Licensing, 29.10.1999. CSFB (Europe) Ltd. Equity Research: Technology Licensing Update, 15.03.2001. Demberg, G./Bastian, N.: Aus Patenten Geld machen, in: Handelsblatt, http://www.handelsblatt.com/news/Unternehmen/Finanzierung/_pv/_p/203992/_t/ft/_b/1274679/ default.aspx/aus-patenten-geld-machen.html , abgefragt am 30.05.2007. Deutsche Bank: Presse-Information: PatentvermarktXQJ±,QYHVWLHUHQLQ,GHHQ EPO: Zahlen, Daten, Fakten 2000, o. O. 2001, http://www.european-patent-office.org/epo/an_rep/ 2000/pdf/facts_figures_00.pdf, abgefragt am 09.05.2006.
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