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EJSENBAHNG ESCHJCHTE .. IM RAUM MAGDEBURG-SCH·O NEBECK
Dr.-Ing. Bernhard Mai
INHALT Vorwort
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Die Entwicklung des Verkehrswesens im Kreis Schönebeck-Ein Überblick -
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Die Planungen zum Bau der Eisenbahnstrecke Magdeburg- Leipzig Die Eröffnung der Eisenbahnstrecke Magdeburg-Leipzig Das Reisen mit der Eisenbahn um 1840
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Die Entwicklung der Anlagen des Eisenbahnverkehrs zwischen 1880 und 1920
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Die Entwicklung der Anlagen des Eisenbahnverkehrs zwischen 1920 und 1945
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Die Entwicklung der Eisenbahn nach 1945
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Anschluß- und Werkbahnen im Kreis Schönebeck
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18 23 Anlagen
Die Arbeitsbedingungen der Erbauer und Betreiber der Eisenbahnen Die ersten Jahrzehnte der Strecke Magdeburg-Leipzig Die Entwicklung ihrer Anlagen Die Entwicklung des Fahrzeugbestandes Die Entwicklung d es Personen - und Güterverkehrs D er Bau weiterer von Magdeburg und Schönebeck ausgehender Eisenbahnstrecken im Zeitraum 1840 bis 1860 Der Umbau und die Erweiterung der Magdeburger Eisenbahnanlagen in d en 70er Jahren des 19 . Jahrhunder~ D er Bau weiterer von Magdeburg ausgehender sowie durch den Kreis Schönebeck führender Strecken bis zur Verstaatlichung d er Eisenbahngesellschaften
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Bahnhöfe und Haltepunkte in Magdeburg und im Kreis Schönebeck
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2 Übersicht zu d er Entwicklung der von Magdeburg ausgehenden und zu den im Kreis Schönebeck befindlichen Eisenbahnstrecken
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3 Die Belegung der von Magdeburg a usgeh enden Eisenbahnstrecken und der im Kreis Schönebeck befindlichen mit fahrplanmäßigen Reisezügen
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Literatur- und Quellenverzeichnis
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Anmerkungen
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Abkürzungen
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VORWORT Das 150jährige Bestehen (1989) der Eisenbah nverbindung Magdeburg-Schönebeck, die im Verlauf eines Jahres bis Leipzig verlängert worden ist, wird zum Anlaß genommen, die Entwicklung der Eisenbahn im Raum MagdeburgSchönebeck zu skizzieren mit dem Ziel, einen Beitrag zur Darstellung der Regionalgeschichte zu leisten. Dabei wird die Eisenbahn nicht losgelöst vom Straßen- und Binnenwasserstraßenverkehr betrachtet. Die seit Jahrzehnten für die Darstellung der regionalen Eisenbahngeschichte immer wieder verwendeten Archivunterlagen wurden nicht erneut im Original herangezogen. Bisher kaum beachtete oder vollkommen unbekannte Dokumente werden dagegen berücksichtigt bzw., wie der Vermessungsplan von 1838, erstmals publiziert. Großer Wert wurde auf die Erschließung gedruckter Quellen gelegt. Dadurch wurde bisher in Vergessenheit Geratenes wiederentdeckt. Das Literatur- und Quellenverzeichnis soll den Leser in die Lage versetzen, sein Wissen vertiefen zu können. Es ist darüber hinaus eine Basis für weiterführende Untersuchungen, zumal der für die vorliegende Schrift vorgegebene Rahmen zu Einschränkungen führt. Das Schwergewicht in den Darlegungen wurde auf den Zeitraum 1835-1880, also den bis zur Verstaatlichung der privaten Eisenbahngesellschaften in Preußen, gelegt. Über den Zeitraum ab 1880 wird ein Überblick gegeben. Für die Zeit nach 1880 ist die Entwicklung der Eisenbahntechnik nicht mehr an einer einzelnen Strecke bzw. für eine Eisenbahngesellschaft aufzeigbar. Die Darstellung reduziert sich somit für ein abgegrenztes Territorium auf die Entwicklung der Anlagen und die Betriebsabwicklung. Sie erfordert für die jüngere Eisenbahngeschichte methodisch ein anderes Herangehen als für die ältere und ein intensives Aktenstudium, das insofern eingeschränkt ist, daß die Akten des ehemaligen Eisenbahndirektions- und der er-
sten Jahre des Reichsbahndirektionsb ezirkes Magd ebu rg im Jahre 1931 von der Reichsbahndirektion Hannover übernommen wurden. Um die überragende Bedeutung der Eisenba hn für die En twicklung von Industrie und Landwirtschaft im 19. und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu verdeutlichen, fanden die Anschluß- und Werkbahnen des Kreises Schönebeck in einem gesonderten Abschnitt Berücksichtigung, ohne daß dadurch eine Dokumentation derselben bezweckt werden soll. Die zunehmende Beschäftigung mit geschichtlichen Überlieferungen und der Entwicklung der Produktivkräfte, vor nehmlich auf den technischen Gebieten, richtet viele Blicke auf die Entwicklungsgeschichte der Eisenbahn. Wie kein anderes Verkehrsmittel symbolisierte sie über Jahrzehnte den technischen Fortschritt. Herausgeber und Autor beabsichtigen die hier beschriebene regionale Eisenbahngeschichte weiter zu erforschen, aufzuarbeiten und Ergebnisse in einer weiteren Schrift zu publizieren. Besonders die Entwicklung im 20. Jahrhundert wird dabei im Vordergrund stehen. Um ein möglichst lückenloses Bild der Eisenbahnentwicklung zu zeichnen, bitten sowohl die Herausgeber der Schrift als auch ihr Autor breite Kreise um Mitarbeit und alle Leser darum, berichtigende und ergänzende Hinweise zu gehen und Dokumente zur Eisenbahngeschichte zu Verfügung zu stellen bzw. auf solche hinzuweisen. Möge diese territorial- und betriebsgeschichtliche Veröffentlichung helfen, das regionale historische Erbe und seine Traditionen zu erschließen sowie einen Beitrag zur Ausprägung sozialistischen Heimatbewußtseins zu leisten. Schönebeck/Magdeburg,Juni 1989
HERAUSGEBER UND AUTOR
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DIE ENTWICKLUNG DES VERKEHRSWESENS IM KREIS SCHÖNEBECK - EIN UBERBLICK D er Kreis Schönebeck ha t eine Fläch enausdehnung von 435 km 2 und zählt rund 86000 Ei nwohner. Seine Bevölkerungsdichte beträgt kn app 200 Einwohner pro km 2 . Etwa zwei Drittel der Bevölkerung lebt in den Städten Schönebeck (45000 Einwohner) , Calbe ( 14 000) und Barby (5000) . Schönebeck und Calbe sind bed eutende Industriestandorte mit ausgeprägten Berufspendlereinzugsbereichen. Der Motoren- und Fahrzeugbau, die chemische und Baumaterialienindustrie sowie die Land- und Nahrungsgüterwirtschaft sind die dominierend en Wirtschaftszweige. D er Landkreis Schönebeck wurde 1950 geschaffen und 1952 sein heutiger Gebietsumfang festgelegt. Er ging aus dem 1816 aus kursächsischen und preußischen Gebieten zusammengefügten Kreis Calbe hervor, wobei seine Grenzen mit dem einstigen Kreis Calbe nicht identisch sind. Der Kreis Schönebeck wird durch die Elbe, in die bei Barby die Saale mündet, durchflossen. Beide Flüsse haben auf die Entwicklung der Siedlungsstruktur einen nachhaltigen Einfluß a usgeübt. Die Elbe hat durch Laufänderungen und die Bildung von Nebenarmen ein mehrere Kilometer breites Auengebict geschaffen, das als Ausflugs- und Erholungsgebiet von Bed eutung ist. Umfangreiche Eindeichungs- und Schutzmaßnahmen sichern die im Bereich d er Elbe gelegenen Städte und Gemeinden vor Überschwemmungen. Das Auengebiet verhinderte bzw. verzögerte die Errichtung d er die Elbe kreuzenden Hauptverkehrswege. Die Saale ist im Mündungsbereich ein mehrfach gewundener Fluß, a n dessen Begradigung seit la ngem gearbeitet wird . Während d er nördliche T eil des Kreisgebietes vom Auengebiet eingenommen wird , zählt d er Rest des Kreises zur Magdeburger Börde. Hoh e Bodenfruchtbarkeit und die fast aussch li'eßli che landwirtschaftliche Nutzung der Flu-
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rcn sichern hohe Erträge. Fabriken zur Verarbeitu ng der landwirtschaftlichen Produkte, wie Darren, Zuckerfabriken, Brennereien und Siloanlagen, entstanden vor a ll em im 19. J a hrhundcrt. Einige ha ben sich bis heute erhalten . Die Bodenschätze, deren Abbau weitgehend zum Erliegen gekommen ist, sind Steinsalz, Bra unkohle, Muschelkalk, Bruchsteine, Kiese und L ehm . Lediglich bei G löthc anstehender Kalkstein wird noch zur Zementherstellung gebrochen. Bei Barby wurde in den 70er Jahren unseres J a hrhunderts ein größeres Ki esvorkommen erschlossen. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren die Braunkohlenvorkommen, wobei einige Gemeinden Bergwerke mit mehreren hundert Bergleuten a ufzuweisen hatten, von Bedeutung. Kohleveredlungs- und -verarbeitungsanlagcn, wie Brikettfabriken und Montanwachsdestillationen, waren eine Ausnahme . Der Abbau kam nach dem zweiten Weltkrieg endgültig zum Erliegen. Landwirtschaft und Bergbau haben dazu geführt, daß die Einwohnerzahl der Gemeinden in der 2. Hälfte des 19. J a hrhunderts anstieg und die Dörfer sich räumlich ausdehnten. Mit dem Niedergang des Bergbaus und d er fortschreitenden Rationalisierung in d er Landwirtschaft war ein Teil der Bevölkerung gezwungen, in die Städte a bzuwa ndern od er täglich zur Arbeit a us den Gem einden a uszupendeln . Der Berufsverkehr, der heute mit öffentlichen und individuellen Verkehrsmitteln a bgewikkelt wird, setzte um die J a hrhund ertwend e ein. Das steigende Transport- und Beförderungsaufkommen ließen den Ausbau und die Neuanlage von Verkehrswegen erforderlich werden. Auf der E lbe und der Saale, die beide zu m H a uptwasserstraßen netz d er DDR gehören, läß t sich die Schiffahrt bereits im Mittelalter nachweisen. Erschwert wurd e di e Schiffahrt bis ins 19. Jahrhundert hin ein vor a llem d a-
durch , daß die Elbe abschni ttweise ihren Lauf änderte und in m ehrere Arme aufgespalten war. Mitj edem Hochwasser erga ben sich neue Fahrwasserverhältnisse. Hinzu kam, daß im Mittel- und Unterlauf des Flusses keine festen Uferlinien bestanden , die die Anlage von Treidelpfaden hätten ermöglichen können . Der Ausbau d er Wasserstraßen begann im Schönebecker Raum mit der Saalekanalisierung am Ende des 16. Jahrhund erts. Anlaß dafür war die Anstauung des Flusses mittels Wehren zur Wasserkraftnutzung. Die Schleusen wurden zu einer Voraussetzung dafür, den Fluß weiterhin für die Schiffahrt nutzen zu können. Die Einteilung der Saale in Staustufen wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein wied erholt verändert. Die Saale war früher vor allem für den Salztransport von Bedeutung. Im 18. Jahrhundert wurde die Unstrut für den Salztransport kanalisiert, wobei der Schiffsverkehr 1795 zwischen Artern und Weißenfels aufgenommen wurde. Ein durchgehender Verkehr zwischen dem Thüringer Becken und der Elbe bestand nicht. Im Absolutismus wurde im Bau von Kanälen ein wesentlicher Faktor zur Entwicklung der Territorialwirtschaft gesehen . Hinzu kam en die Hochwasserschutzmaßnahmen, von denen die Durchstiche von Flußkrümmungen besonders hervorzuheben sind , die auch der Schiffahrt zugute kamen. Zur Hebung der Wirtschaft des Landes ließ der branclenburg-preußische Staat verfallene Wasserstraßen im 18.Jahrhundert wieder herstellen und neue errichten. Zu diesen Maßnahmen zählt der unvollendet gebliebene, die sächsischen Zollstationen umgehende Kanal von der Saale bei Calbe zur Elbe bei Frohse, an dem 1727 mit erheblichem Aufwand gearbeitet wurde. Wichtig für die Schönebecker Salzproduktion war der Bau d es Plauer Kanals (1743 -1 746), der in mehrfach veränderter Linienführung im Elbe-Havel-Kanal fortbesteht. Nach Fertigstellung des Bromberger Kanals ( 1773-1774) konnte das Salz auf dem Wasserweg sogar bis in die äst-
lichsten Teile Brandenburg-Preußens transportiert werden . Zu r Verbesserung der Schiffahrtsverhältnisse in Magdeburg, insbesondere für die Salzschiffe, wurde zwischen 1743 und 1747 eine die Stromelbe mit der heutigen Zollelbe verbindende Schleuse gebaut, die rund 150 Jahre in Betrieb war. Sie sollte den Salzschiffen die gefährliche Durchfahrt durch die Magdeburger Elbbrücke ersparen. Friedrich II. von Preußen äußert sich in seinem ersten 1752 verfaßten „Politischen Testament" u. a. zur Bedeutung d es Plauer Kanals:
„Der Plauer Kanal erleichtert, bei Plaue beginnend und so die Havel mit der Elbe verbindend, den Handel von Magdeburg nach Berlin und spart für das Salz, das von dort nach Preußen, Pommern und Schlesien verfrachtet wird, mindestens acht Tage z u Schiff'' 1 Im Zusammenhang mit der zunehmenden Salzverschiffung entstanden in Schönebeck die ersten Hafenbauten. Es wurde der nicht mehr existente Heinitzhafen angelegt, an den nur noch der Straßenname Heinitzhof erinnert. Er wurde durch den Salinehafen ersetzt. Anstöße zur Flußunterhaltung und zum -ausbau gingen vom Wiener Kongreß 181 5 aus . Die vertragschließenden Staaten verpflichteten sich zu einer ungehinderten Schifffahrt aufjenen Wasserstraßen, an denen mehrere Staaten lagen. Sie sicherten eine Flußunterhaltung und eine aufeinander abgestimmte Schiffa.hrtspolitik zu. In der „Elbschiffahrtsakte" von 182 1 vereinbarten die Anliegerstaaten spezifische Vorschriften für die Elbe. In den darauffolgenden Jahren wurde zwar ein Flußausbau betrieben, doch beschränkte sich dieser zwischen der Saalemündung und Magdeburg vor allem auf die Verbesserung der Deiche und die Beseitigung von Hindernissen, wie Steine und Baumstämme. Beispielsweise wurden die Deiche bei Aken unter Verwendung älterer Anlagen neu gebaut und d er bei Domburg vom Hauptstrom abzweigende Elbarm westlich von Pechau von d er Elbe abgeriegelt. Da es im Raum Schönebeck im Gegensatz zu anderen Flußabschnitten vorerst
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nicht zu einer Festlegung einer Regelbreite kam , hatte die Elbe um 1845 folgendes Aussehen: „Bei dem niedrigsten Wasserstande ist die Elbe an der schmalsten Stelle 45 Ruthen (ca. 145 m) und an den breitesten Stellen 180 Ruthen (ca. 575 m) breit, bei Hochwasser aber nimmt der Strom das ganze, größtentheils durch Deiche und Dämme beschränkte Winterbett von 140 bis 3000 Ruthen (ca. 445 bis 9555 m) ein und gewinnt dann ein großartiges Ansehen. Das Bett ist sehr ungleich, bald am rechten, bald am Linken Ufer, bald in der Mitte am tiefsten. So wechselt das Fahrwasser sehr häufig, und die Tiefe von 30 bis 10 und 2 Fuß (1 Fuß= 0,31385 m), da bei hohem Wasserstande der Strom viel Sand mit sich fuhrt und denselben bald da, bald dort absetzt. « 2 Daß die Elbe in den geschilderten Fahrwasserverhältnissen kaum der Dampfschiffahrt genügen konnte und als Verkehrsweg bald an Bed eutung in Konkurrenz zur Eisenbahn verlieren mußte, lag auf der Hand. Daher wurde zu Beginn der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts ihr Ausbau mit Nachdruck gefördert. Der nach 1845 einsetzende systematische Ausbau war auf die Schaffung einer Regelbreite, die für den Abschnitt zwischen Saale- und Havelmündung auf 130 M eter festgelegt wurde, und die Gewährleistung einer Mindestfahrwassertiefe von 0,92 Meter ausgerichtet. D er Ausbau wurde im wesentlichen bis 1875 zum Abschluß gebracht. In den darauffolgenden Jahren zielten alle Anstrengungen darauf ab, die Mindestfahrwassertiefe der Elbe und Saale zu vergrößern . Eine solche wurde auch im Zusammenhang m it der Planung und d em Bau des Mittellandkanals angestrebt und zum Teil realisiert. Bis zum Beschluß des Preußischen Landtages im Jahre 1920, die sogenannte „Mittellinie" des Mittellandkanals (die sich nur unwesentlich von der „Nordlinie" unterschied) zur Ausführung zu bringen, stand die sogenannte „Südlinie" zur Debatte. Im Vorfeld d es Beschlusses wurde von den Interessenten um die Ausführung d er einen oder der anderen Linie heftig gerungen. Bei der „Südlinie" wurde eine bereits jahrhundertealte
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Planung wieder aufgegriffen. Der Kanal sollte, bei Braunschweig beginnend und das Tal der O ker benutzend, durch das Große Bruch und entlang d er Bode bis Egeln geführt werden. Für den W eiterbau in östlicher Richtung wurden mehrere Varianten gegeneinander abgewogen. Neben der westlichen Umgehung Magdeburgs in Richtung Wolmirstedt zur Elbe sah man eine Verzweigung des Kanals in Egeln in Richtung Bernburg zur Saale und zur Elbe zwischen Magdeburg und Schönebeck als günstig an . Bis zur Überbrückung der Elbe und einer Weiterführung des Kanals zum Elbe-Havel-Kanal bei Burg wurde die Errichtung einer Schleusentreppe zwischen Magdeburg-Westerhüsen und Schönebeck-Frohse in Vorschlag gebracht. Die Ausführung der Südlinie mit dem Elbabstieg bei Schönebeck hätte bewirkt, daß das in den 20er und 30er Jahren errich tete Industrie- und Hafengebiet Magdeburg-Rothensee zwischen Magdeburg und Schönebeck entstanden wäre . Entsprechende Planungen für die Anlegung von Hafenbecken lagen dafür vor. Zur Planung der „Mittellinie" gehörte der „Südflügel d es Mittellandkanals", der die Wasserstandsreglung der Elbe zwischen Pirna und Niegripp, den Ausbau der Saale zwischen Merseburg und der Mündung sowie den Bau des Elster-Saale-Kanals und die Errichtung einer Staustufe in Magdeburg umfaßte. Die Verwirklichung des „Südflügels" wurde durch den zweiten Weltkrieg unterbrochen und die Bauarbeiten seitdem nicht fortgeführt. In Schönebeck, das seine Entwicklung der Binnenschifffahrt mit verdankt, erstreckten sich die Umschlagseinrichtungen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts von Frohse, wo 1912/ l 3 ein offener Flußhafen errichtet worden war, kilometerweit fast ohne Unterbrechung bis zum Salinehafen. Die Umschlagstellen waren durch mehrere Anschlußbahnen mit dem Bahnhof Schönebeck verbunden. Neben der V erschiffung in Schönebeck produzierter Güter ist seit d em 19. Jahrhundert d er Umschlag anderenorts erzeugter Massengüter von Be-
deutung, die im Eisenbahnvorlauf zu den Umschlagstellen gebracht wurden und werden. Neben Schönebeck verfügt lediglich noch Barby über einen 1883 errichteten Hafen, in dem zur Zeit Kies umgeschlagen wird . In Calbe, wo der Schiffsumschlag stets von begrenzter Bedeutung gewesen ist, findet kein Umschlag mehr statt. Neben den an der Elbe gelegenen Gemeinden unterhielten vor allem Ziegeleien und Steinbruchunternehmen Umschlagstellen sowohl am Fluß als auch an seinen Altarmen. Werkbahnen überbrückten einst die Entfernungen zwischen den Produktionsstätten und den Umschlagstellen. Das moderne Fernverkehrs- und Landstraßennetz ging aus dem unbefestigten Erdstraßennetz hervor, das sich aus den Handels- und Poststraßen und den die Gemeinden untereinander verbindenden Wegen zusammensetzte. Die Erdstraßen wurden im Gegensatz zu den ingenieurmäßig trassierten, befestigten und laufend unterhaltenen Chausseen, den sogenannten Kunststraßen, als natürliche Straßen bezeichnet. Sie entsprachen ausgefahrenen Feldwegen, die im Frühjahr nur schwer passierbar waren. Vor dem Beginn des Kunststraßenbaus war im Kreis Schönebeck lediglich eine Straße befestigt. Es war der Klusdamm, der die Magdeburger Elbbrücke mit Wahlitz verba nd. Im - 30jährigen Krieg weitgehend zerstört, wurde er danach wieder aufgebaut. Nach der Eröffnung der Chaussee Berlin-Magdeburg ( 1820/21), für die eine abweichende Führung durch die Elbni ed erung gewählt wurde, wurde der Straßenzug 1823 aufgegeben. Von den mehr als 40 Holz- und Massivbrücken hat sich die Bogenbrücke über die Ehle bei Wahlitz erhalten. Die auf Veranlassung Friedrich II. von 1771 bis 1774 geschaffenen Verbindungsstraßen zwischen Schönebeck, Salzelmen und Frohse, die das Grundgerüst des heutigen Straßenhauptnetzes der Stadt Schönebeck bilden, sind bedeutende Anlagen vor dem Beginn des Kunststra ßenbau s.
Von den Poststraßen sei nur die bedeutendste genannt: die Straße Magdeburg-Leipzig, die über Schönebeck und Calbe führte. Nach der Eröffnung der Chaussee Magdeburg-Halle-Leipzig, der heutigen F7 l , verlor sie an Bedeutung. Diese Chaussee war die älteste Fernchaussee Preußens. Sie tangiert dewKreis nur. Der auf städtische Initiative mit Unterstützung der Provinzialverwaltung erfolgte Bau der Schönebecker Elbbrücke ( 1910- 1912) führte schließlich dazu, daß das Kreisgebiet in das Provinzialchausseenetz eingebunden wurde, aus dem zu Beginn der 30er Jahre das Fernverkehrsstraßennetz hervorging. Die Straße MagdeburgSchönebeck-Calbe, die heutige Landstraße LI05 l, erhielt durch den Bau der Saalebrücke in Calbe (1880) eine höhere Bedeutung. Die Kunststraßen, Provinzial- und Kreischausseen sowie kommunale Ortsverbindungsstraßen waren einspurig befestigte Straßen mit einem danebenliegenden unbefestigten Sommerweg. Die befestigte Fahrbahn bestand entweder aus festgewalztem Kalkschotter oder aus geschlämmtem Schotter. Innerhalb der Ortslagen und im Überflutungsgelände der F lüsse wurden sie mit Großpflaster versehen . Die Stadtstraßen wurden um diejahrhundertwende ausgebaut und gepflastert, wobei das Kleinpflaster das Kopfsteinpflaster verdrängte. Eine feste, geschlossene Straßendecke war durch d as gummibereifte Rad d er Kraftfahrzeuge erforderlich geworden, weil es bei seinen Drehbewegungen den Sand aus den Schotterdecken zog und damit diese zerstörte. Bis in die 50er Jahre hinein wurden die meisten Fahrbahnen durch die Einbeziehung der Sommerwege verbreitert und bei Rekonstruktionen Schwarzdecken (Bitumen) aufgebracht. Eine der ersten Straßen, d ie unter Beachtung der Belange des Kraftfahrzeugverkehrs ausgebaut wurde, war die Straße Magdeburg-Schönebeck ( 1920). Bereits 1927 wurden zwischen Schönebeck und Magdeburg 1898 Fahrzeuge pro Tag gezählt, von d enen 592 Kraftfahrzeuge waren .3
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Die Zahl d er Ortsverbindungsstraßen verringerte sich übrigens durch d en steigenden Bau- und Unterhaltungsaufwand im Verlauf des 20. Jahrhunderts um etwa ein Drittel. Bereits vor dem zweiten Weltkrieg war geplant, dem steigenden Kraftfahrzeugverkehr durch den Bau der Autobahn Halle-Magdeburg- Hamburg Rechnung zu tragen. Sie sollte bei Irxleben die 1936 eröffnete Autobahn Berlin-Hannover kreuzen. Der Abschnitt Halle-Magdeburg, d er d en westlichen Teil d es Kreisgebietes durchzogen hätte, wurde zwar zu bauen begonnen, j edoch die Bauarbeiten nach dem zweiten Weltkrieg nicht wieder aufgenommen. Im Generalverkehrsplan des Bezirkes Magdeburg von 1969 wurde eine Autobahn Halle- Magd eburg als Teilstück einer langfristig zu realisierenden Autobahn Halle-Magdeburg-Wittstock(-Rostock) vorgeschlagen. Es hätte etwa d en Verlauf der vor dem Krieg vorgeschlagenen Trasse gehabt. Das gegenwärtig bes tehende Fern- und Landstraßennetz wird zukünftig im wesentlichen unverä ndert bestehen bleiben. Bereits in d en 50er Jahren wurde vorgeschlagen, die Magdeburger Osttangente, das Gegenstück zum westlich verlaufenden Magdeburger Ring, vom Schleinufer vierspurig bis Schönebeck fortzus etzen . Die Stadtstraßennetze wurden in den letztenJa hrzchnten durch den Wohnungs- und Industriebau erweitert, ohne dadurch die überkommene Struktur der Straßenhauptnetze zu verändern. Alle Maßnahmen sind darauf gerichtet, die Durchlaßfä.higkei t und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Zu diesen zählen die Beseitigung schienengleicher Bahnübergänge, wie z. B. die Überführung der C albeschen Straße in Schönebeck über die Strecke Schönebeck- Erfurt ( 1974), und die Verkehrsorganisation, bei der beispielsweise die Führung d es Durchgangsverkehrs durch die Ortslagen festgelegt wird . Die Errichtung von Fußgängerzonen, mit denen in Schönebeck 1976 mit der Salztorstraße begonnen wurde, und durch die sogenannte Verkehrsberuhigung in den Wohngebieten wird
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gegenwärtig und zukünftig den Bedürfnissen der Stadtbewohner auf ein „gutes Auskommen" mit dem Kraftfahrzeugverkehr im Stadtstraßennetz Rechnung getragen. Die ersten Chausseen, die die Dörfer umgingen , wurden für den Güterfernverkehr errichtet, z. B. zwischen Magdeburg und Leipzig. Dieser wurde ihnen nach und nach durch die Eisenbahn und die Dampfschiffahrt entzogen. Dem Chausseenetz blieb schließlich nur die Aufgabe vorbehalten , eisenbahn- und wasserstraßenferne Gebiete zu erschließen , Verkehrswege zwischen d en Gemeinden und von diesen zu den Bahnhöfen zu sein und Produktionsstandorte ohne G leisanschluß anzubinden. Neben der Benutzung der Straßen durch landwirtschaftliche Fahrzeuge und Maschinen, was in d en Straßenbenutzungsvorschriften eine besondere Berücksichtigung fand, sind vor allem die Brennstoff-, Rüben- und Getreidetransporte neben dem Viehtrieb zu nennen. Die Personenbeförd erung mit Straßenfahrzeugen war von der Entwicklung des Eisenbahnnetzes a bhängig. Das Fahrgastaufkommen eines Jahres im öffentlichen Personenverkehr einer abseits eines Bahnhofs gelegenen Gemeinde entsprach im Jahre 1876 dem Aufkommen nur eines Werktages von heute. Ein nennenswertes Aufkommen im Straßenverkehr hatten d ie Gemeinden zu verzeichnen, von deren Bahnhöfen die Fahrgäste mit Straßenfahrzeugen in abseits der Strecke gelegene Ziele weiterbefördert wurden. Das traf neben Schönebeck und Calbe (Bahnhof Calbe (Saale] Ost) für Gnadau ( 1876 2 138 Postreisende pro Jahr) , Atzendorf (308 ) und Fö rderstedt (6 10) zu. Barby konnte 1876 1 770 und Calbe 1600 Postreisende aufweisen.4 Neben der Post unterhielten private Fuhrunternehmen öffentliche Fuhrwerkslinien. Solche bestanden beispielsweise zwischen dem Bahnhof Calbe (Saale) Ost und der Stadt Calbe. Um 1900 gab es nur noch eine nennenswerte Straßenpersonenverbindung: die Linie Schönebeck-Barby. Durch den Einsatz von Kraftomnibussen nach dem er-
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Postkutsche aus dem Anfang des 19.Jahrhunderts auf einer Chaussee. Rechts im Bild eine „Barriere" , die nur passiert werden konnte, wenn das Chausseegeld für den nächsten Straßenabschnitt entrichtet war.
sten W eltkrieg begann die flächenhafte Erschließung des Kreisgebietes im öffentlichen Personenverkehr. In der Mitte der 20er Jahre wurden mehrere Personen- und Güterkraftverkehrslinien eingerichtet. 5 1926 wurde die Omnibuslinie zwischen Schönebeck und Salzelmen konzessioniert. 1928 wurden die Linien Borne-Biere-Eggersdorf-Schönebeck und Calbe-Klein Mühlingen-Schönebeck eröffnet. 1929 folgte die Linie Biere-W elslebenMagdeburg. Öffentliche Güterkraftverkehrslinien bestanden zwischen Atzendorf und Magdeburg ( 1925) und zwischen Barby, Pömmelte, Schönebeck und Magdeburg ( 1928). Die Omnibuslinien wurden anfänglich ein- bis zweimal pro Werktag und Richtung bedient. Der Omnibusverkehr ermöglichte es den Bewohnern d er Landgemeinden , Besorgungen in der Stadt selbst vornehmen zu können. Dem „einkehrenden Landboten", der über viele Jahrzehnte hinweg wichtige Besorgungen d er Landbewohner in d en Städten in ihrem Auftrag erledigt hatte, wurde die Existenzgrundlage entzogen. Nahm auch der von privaten Fuhrunternehmern abgewickelte Omnibusverkehr in den 30er Jahren zu, so erlangte er für den Berufsverkehr keine Bedeutung. Die Arbeitswege wurden zu Fuß, mit dem Fahrrad und der Eisenbahn zurückgelegt. 6 Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Omnibusliniennetz, das auf Schönebeck, Calbe und Magdeburg ausgerichtet ist, engmaschiger gestaltet und der Fahrplan auf die Belange des Berufsverkehrs abgestimmt. Die Linien werden gegenwärtig 5- bis 20mal pro T ag und Richtung bedient. Der Aufbau d es Liniennetzes fand in der Mitte der 70er Jahre seinen Abschluß. In den 20er Jahren wurden pro Omnibus im Mittel 25 Plätze angeboten . H eute sind es beim Einsatz von Gelenkfahrzeugen 120. Der Straßenverkehr, der sich zu Beginn des Jahrhunderts im wesentlichen auf den Zwischenortsverkehr beschränkte, ist a uch heute noch in erster Linie ein Nahverkehr mit steigender Tendenz. Es ist ein auf die Städte ausgerichteter Stadt- Umlandverkehr. Die H a uptursache für
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das Wachstum ist der zunehmende individuelle Kraftfahrzeugbesitz . Nach einer 5jährigen Vorarbeit wurde 1839 in Schönebeck durch den Bau der 1840 in ihrer gesamten Länge eröffneten Eisenbahnstrecke Magdeburg-Leipzig an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Die Lage der Stadt innerhalb dieser bedeutenden Hauptstrecke bewirkte, daß Schönebeck von allen Entwicklungen des Eisenbahnwesens berührt wurde. In Schönebeck entstand das erste Empfangsgebäude der Strecke Magdeburg-Leipzig. 1842-1843 wurde das zweite Gleis verlegt und etwa 10 Jahre nach der Strekkeneröffnung die elektrische Telegrafie eingeführt. Die Entwicklung des Salz- und Kohlebergbaus bewirkte den Bau der Strecken Schönebeck-Staßfurt und StaßfurtLöderburg, die 1856 in Betrieb genommen wurden. Im selben Jahr wurde die erste Anschlußbahn in Schönebeck konzessioniert. Der zwischen Schönebeck und Frohse sich erstreckende Bahnhof Schönebeck wurde wiederholt umgebaut und erweitert. Da sich der Bau einer Strecke von Magdeburg nach Erfurt unter Umgehung des Kreises Schönebeck zerschlug, wurde die 1866 bis Güsten verlängerte Strecke Schönebeck-Staßfurt nach Süden bis Erfurt fortgeführt und. der durchgehende Verkehr 1880 aufgenommen. Eine wesentliche Ergänzung erfuhr das Streckennetz durch den Bau der Strecke Berlin-Wiesenburg-Güsten (-Nordhausen-WetzlarMetz), in derem Zuge die Bahnhöfe Barby und Calbe (Saale) Ost errichtet wurden . Die sich bei Calbe kreuzenden Strecken Berlin-Güsten und Magdeburg-Leipzig wurden später durch Verbindungskurven miteinander verknüpft. Zu den genannten Hauptbahnen kamen noch die Nebenbahnen Calbe- Nienburg-Bernburg (1888) und Schönebeck-Blumenberg (1897) hinzu . Neben den zahlreichen Anschlußbahnen in Schönebeck und Calbe entstanden uni die Jahrhundertwende eine Reihe von Werkbahnen für Massenguttransporte, die alle nicht mehr existieren. Die Werkbahnnetze wurden je 10
nachdem mit Muskel- oder Dampfkraft betrieben. Das gegenwärtig bestehende Streckennetz der Deutschen Reichsbahn wird in den nächsten Jahrzehnten unverändert bestehen bleiben. Es ist lediglich mit einer fortschreitenden Elektrifizierung des Streckennetzes und einer laufenden Modernisierung der Sicherungstechnik zu rechnen . Durch die Elektrifizierung wird die Dieseltraktion abgelöst werden, nachdem 1988 die Dampftraktion endgültig eingestellt worden ist. Die Verkehrsträger und -netze bilden ein System, auch wenn sich durch die Entwicklung der Produktivkräfte und d er Siedlungsstruktur Veränderungen in ihrer j eweiligen Bedeutung ergeben. Elbe und Saale standen der Schiffahrt als natürliche Wasserwege zur Verfügung. Ihre Bedeutung ist daran abzulesen, daß im 17. Jahrhundert ein Kahn maximal so viel fassen konnte, wie heute ein LKW mit zwei Anhängern zu transportieren in der Lage ist. Die Aufmerksamkeit, die dem Ausbau der Wasserstraßen im 17. und 18. Jahrhundert beigemessen wurde, läßt eine Stellungnahme Friedrich II. erkennen: Die Pläne müssen „im übrigen gut überprüft werden, ehe man sie verwirklicht, damit man sicher ist, ob die Sache überhaupt möglich ist, das Land einen großen Nutzen davon hat und das Geld nicht mit Verlust angelegt ist. " 7 Dem Personen- und Güterverkehr stand bis zum Ende des 18. Jahrhunderts kein staatlich getragenes und hinsichtlich des Baus und der Benutzung reglementiertes Kunststraßennetz zur Verfügung. Daran änderte sich in den ersten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts im wesentlichen nichts, auch wenn mit dem Baubeginn d er Chaussee Magdeburg-Leipzig 1787 im Raum Magdeburg d er Chausseebau in Preußen einsetzte. Um 1850 wurde die Eisenbahn zu einem harten Konkurrenten sowohl für den Straßenverkehr als auch für die Binnenschiffahrt, wobei die Elbe nach wie vor für Schönebeck bedeutungsvoll blieb. Der Umschlag des Staßfurter Salzes in Schönebeck und später auch in Magdeburg
erhöhte sogar vorübergehend die Leistungen der Binnenschiffahrt. Nachdem die Eisenbahn bereits in d en 40er und 50er Jahren die hochwertigen und schnell zu beförd ernden Güter an sich gezogen hatte, waren die Eisenbahngesellschaften bestrebt, auch die Massengüter, wie Salze, Kohle und Eisen, an sich zu bringen. Den Gesellschaften standen viele kleine Einzelunternehmen der Binn enschiffahrt gegenüber, die durch die Elbzölle ohnehiii. benachteiligt waren. Durch Tarifermäßigungen auf der staatlichen Preußischen Ostba hn von 1868 ging beispielsweise der Anteil d er Binnenschiffahrt am Abtransport des Schönebecker Salzes von 75 % auf 25 % zurück. 8 ' 9 Die Eisenbahn überna hm für immer den Salztransport in östlicher Richtung. Der Chausseebau wurde im Kreisgebiet von Schönebeck in d er 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts weiter verfolgt, obwohl der Fernverkehr restlos auf die Eisenba hn übergegangen war. Der Straßenverkehr ha tte sich mit d er Rolle eines Zubringers zur Eisenbahn und V ermittlers des Zwischenortsverkehrs zu begnügen. Wichtige Übergangsstellen zwischen Schiene und Straße waren die Bahnhöfe Schönebeck (Elbe), Calbe (Saale) Ost und Gnadau. Wie gering der Straßenverkehr vor d er Jahrhundertwende gewesen ist, beweist eine Straßenverkehrszählung von 1894 auf der heutigen Fernverkehrsstraße F l zwisch en Biederitz-H eyrothsberge und Magdeburg. Im Mittel einer mehrtägigen Zählung wurden 25 zivile Pferd efuhrwerke pro Tag und Ri chtung registriert. 10 Eine Aufwertung erla ngte der Straßenverkehr durch die Erfindung des Kraftfahrz eugs und seine massenhafte Produk-
tion. Der Kraftfahrzeugverkehr fa nd bereits beim Bau der Schönebecker Elbbrücke Berücksichtigung. Er bewirkte, daß der regionale Personen- und Güterverkehr sich zunehmend von der Schiene a uf die· Straße verlagerte. Er begünstigte die Aufgabe von Werkbahnen und d en Bedeutungsschwund von Anschlußbahnen .. War bis 1945 das Zusammenwirken der Verkehrsträger durch den kapitalistischen Konkurrenzka mpf eingeschränkt, so ist d as sozialistische Verkehrswesen a uf eine optimale Aufgabenteilung zwischen diesen ausgerichtet. Den Vorteilen des Straßengütertransports Rechnung tragend, die sich aus d en geringen Transportzeiten und der Vereinfachung der Umschlagsprozesse ergeben , wurden in d en 60er und 70er Jahren Gütertarifbahnhöfe und Anschlußbahnen geschlossen. Zu Streckenstillegungen der Deutschen Reichsbahn ka m es im Gegensatz zu a nderen Gebieten im Kreis Schönebeck nicht. Die V erkehrspolitik der letzten J ahre ist d a ra uf gerichtet, den Energieverbrauch im Verkehrswesen zu senken. So werden d as vorhandene Eisenbahnstreckennetz auch in Zukunft bestehen bleiben, sich die Anzahl der Gütertarifbahnhöfe und der Anschlußbahnen erhöh en, eisenbahngünstige Transporte von der Straße auf die Schiene verlagert, die Streckenelektrifizierung vorangetrieben und d er Erschließungsgrad im Reisezugverkehr durch neue H altepunkte erhöht. Durch d en Aus- und Umbau der Umschlagstellen wird die Bedeutung d er Binnenschiffahrt für Massenguttra nsporte erhöht und eine nach volkswirtschaftlichen Kriterien ausgerichtete Arbeitsteilung zwischen Schiene und Wasserstraße durchgesetzt werden.
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DIE PLANUNGEN ZUM BAU DER EISENBAHNSTRECKE MAGDEBURG-LEIPZIG Nachdem der moderne Verkehrswegebau im Raum Magdeburg-Schönebeck mit der Anlage von Kanälen im 18. Jahrhundert und dem Bau von Chausseen um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhund ert eingesetzt hatte und der Ausbau d er Wasserstraßen und die laufende Vervollständigung des Chausseenetzes betrieben wurde, schien es d en Magdeburger Kaufleuten so, als ob die beginnende kapitalistische Entwicklung eine günstige Voraussetzung im Verkehrswesen habe. Schönebeck konnte dank der Salzsiedung und seiner Lage an der Elbe zwischen 1800 und 1840 die Einwohnerzahl von 4301 auf 7 597 und die Za hl d er Wohnhäuser von 498 auf 670 erhöhen. 1 Für Schönebeck hatte sich somit in den ersten vier Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bereits das vollzogen , was Friedrich List, der deutsche Eisenbahnpionier, für L eipzig in bezug auf den geplanten Eisenbahnbau vorausgesagt hatte: „Bevölkerung, Gebäudezahl, Gewerbs-Industrie, Handel und Grundstücke ... würden sich in kurzer Zeit verdoppeln. " 2 Für Magdeburg und die Städte seiner Umgebung bestand kein Anlaß d afür, nach neuen Verkehrsmitteln Ausschau zu halten und für den Eisenbahnbau einzutreten. Insbesondere das W asserstraßennetz, das die V erbindung zu den Häfen Hamburg und Stettin und die billige Verschiffung des Schönebecker Salzes in alle östlich d er Elbe gelegenen preußischen Provinzen ermöglichte, bot die Voraussetzung für eine K.apitalistische Entwicklung. Nachdem bereits 1807 die ersten Eisenbahnstrecken durch Josef Baader, später Ritter von Baader, zur Verbindung von Rhein und Donau und von Franz Josef Gerstner zur Verbindung von Donau und Moldau in Vorschlag gebracht wurden, setzten die Planungen zum Eisenbahnbau in Mittel- und Norddeutschland in den 12
20er Jahren ein. In d en zurückliegenden zwei Jahrzehnten waren erhebliche technische Fortschritte insbesondere in England und Amerika erzielt worden, die d em Eisenbahnbau förderlich waren. 1820 wurden in England erstmals schmiedeeiserne Schienen hergestellt, die die gegossenen, die eine geringe Bruchfestigkeit hatten, abzulösen begannen. 1823 gründeten Robert und George Stephenson in N ewcastle-upon-Tyne die erste Lokomotivenfabrik. Am 29.Juli 1825 wurde schließlich die erste öffentliche Eisenbahnstrecke der Welt, die Strecke StocktonDarlington in England eröffnet. Aber auch in D eutschland hatte die Eisenbahn Fuß zu fassen begonnen, und zwar in den Bergbaugebieten. Im Ruhrgebiet betrug die Länge der zecheneigenen Pferdebahnnetze um 1825 80 Kilometer. 8 1825 wurde in Essen eine dem K ohletransport dienende Dampfeisenbahnstrecke in Betrieb genommen. In Magdeburg wurden im Gegensatz zu den benachbarten Handelszentren keine Pläne zum Eisenbahnbau entworfen , jedoch den anderenorts zu verzeichnenden Aktivitäten Aufmerksamkeit geschenkt. Zeugnis dafür legt die „Magdeburgische Zeitung" ab, der überregionale Bed eutung zukam . In der Ausgabe vom 24. Januar 1825 ist zu lesen, daß die am 7. Februar 1824 für 50Jahre konzessionierte Eisenbahnstrecke Budweis- Linz, die die erste öffentliche Pferdeeisenbahnstrecke auf dem europäischen Kontinent werden sollte, zu bauen begonnen worden sei. Der Bau war mit 300 Arbeitskräften und 200 Pferden in Angriff genommen worden. Nachdem a m 30. September 1828 der erste Teilabschnitt eröffnet wurde, wurde die Strecke am 1. August 1832 vollendet. Standen in d er genannten Veröffentlichung zur BudweisLinzer Eisenbahn die Beschreibung der technischen Belange im Vordergrund, so wird in einem Beitrag zur Ent-
wicklung d es Eisenbahnwesens in England in der „Magdeburgischen Zeitung" vom 19. Februar 1825 die Ökonomie hervorgekehrt. Es ist in diesem Beitrag u. a. folgend es zu lesen: ,,Seit einigen Wochen enthalten die Englischen Z eitungenfortwährend neue Anzeigen von Gesellschaften auf Aktien, welche far die Ausführung von Eisenbahnen auf die bedeutendsten Entfernungen, zum Behufe einer leichtern, schnellem, wohlfeilem kommerziellen Verbindung der Hauptstadt mit den bedeutendsten Seehäfen und mit den wichtigsten Manufakturstädten im Innern des Reiches, so wie auch dieser letztem selbst untereinander ... sichern und schnellen Transport von allen Arten von Waaren und Produkten, sowie auch von Reisenden, Diligencen, Briefposten u. dgl . ... So ist also durch 9 Gesellschaften von vermöglichen Privatleuten, ohne das geringste Zuthun der Regierung, in einer Z eit von 4 Wochen ein Gesamtkapital von 9,650,000, sage: 9 Millionen und 650 000 Sterling (über 100 Millionen Gulden) zur Anlage von eisernen Kunststraßen in einem lande bestimmt worden, dessen innerer Verkehr durch zahlreiche und vortreffliche Kanäle, und durch die besten Chausseen nach allen Richtungen schon längst als in jedem anderen Land erleichtert und vervielfaltigt. " 3 D as Bla tt rühmt weiterhin den „ beyspiellosen Unternehmergeist", aber bringt au ch die Befürchtung zum Ausdruck, daß die Engländer bald in die L age versetzt sein würden, ihre Industriegüter „um ein Drittel billiger an den Festlandhäfen a nlanden zu können. " Di e Zeit zwischen 1820 und 1830 stellt in der Geschichte des Eisenbahnwesens die Epoche d er Planung von Pferdeeisenbahnstrecken d a r. In Braunschweig legte 1824 von Arnsberg, d er spätere Generaldirektor der Braunschweigischen Staatsbahnen, ein Proj ekt zum Bau einer Pferd eeisenbahnstrecke von Braunschweig über H annover n ach Bremen und Hamburg vor. Die Leipziger Kaufma nnschaft erwog im gleichen] ahr den Bau einer Strecke von Leipzig nach Strehla an der Elbe, um einen leistungsfähigen V erkehrsweg zu dieser Wasserstraße zu haben. 1825 schlug von Baader den Bau einer Pferdebahnstrecke von Köln nach Minden vor. Daß zu dieser Zeit der Pfer-
debahnbau einen breiten Raum in den Planungen einnahm, hat vor allem seine Ursache darin, daß der Lokomotivbau noch am Anfang seiner Entwicklung stand und die Ausrüstungskosten durch den Verzicht a uf die Dampftra ktion entscheidend gesenkt werden konnten. Die Pferdeeisenbahn behielt daher bis zur J a hrhundertwende eine gewisse Bedeutung . Öffentliche Pferdebahnstrecken, wie z. B. die Strecken Cottbus-Goyatz ( 1843) und Bahnhof Sachsendorf-Groß Rosenburg-Breitenhagen ( 1882), blieben dabei eine Ausnahme. Anschlußbahnen , z.B. die Schöneb ecker vor 1870, wurden dagegen oft für die Pferdetra ktion konzessioniert. Gemischtbetrieb von D a mpf- und Pferdetraktion bestimmte nicht selten die ersten Betriebsj ahre von E isenbahnen. Die erste d eutsche Dampfeisenba hnstrecke Nürnberg-Fürth (1835) wurde a nfänglich von 2 D a mpfund 9 Pferdezugfahrten bedient. D er Dampflokomotive „Adler" „standen" 12 Pferd e „zu r Seite" . Auch die 1837 eröffnete Strecke Braunschweig-Wolfenbüttel ka nnte den Gemischtbetrieb. Bedeutungsvoll wurden für Magdeburg die Plä ne der Leipziger Kaufma nnschaft zum Eisenbahnbau. M agd eburgs Entwicklung war seit dem Ausgang d es 15. J a hrhunderts bis um 1800 durch d en Leipziger Stapelzwang beeinträchtigt worden. Durch die abseitige Lage zum Binnenwasserstraßennetz lief die Messestadt Gefahr, ihre bisherige Bedeutung mit Magdeburg teilen zu müssen. Immerhin wurden um 1840 in M agdeburg pro J a hr elbaufwärts kommend rund 80 000 t Waren umgeschlagen. 4 Das war mehr als die Hälfte der in Hamburg stromaufwärts verschifften Güter. L eipzig versuchte nun seinen Lagenachtei! wettzumachen und Magdeburg als wichtigen Umschlagpla tz in seine Handelspolitik einzubeziehen . 1.829 schlug H alle den Bau einer Eisenbahnstrecke nach Leipzig vor, wobei sich die Stadt als U mschlagplatz an d er Saale empfahl. Die Leipziger Kaufmannschaft lehnte das Angebot Halles ab, denn von Anfang an war sie be-
strebt, die Verbindung zum Wasserstraßennetz in Magdeburg zu gewinnen, die Magdeburger Kaufleute lehnten anfänglich das „Ansinnen" der Leipziger zum Bau einer Eisenbahnstrecke zwischen beiden Städten ab. Sie waren der M einung, daß der Streckenbau nur d er Leipziger Konkurrenz zugute kommen könne . Selbst bei einer positiven Einstellung der Magdeburger zu d em Leipziger Plan hätte der Beginn des Bahnbaus noch Jahre auf sich warten lassen, da die Bahn grenzüberschreitend gewesen wäre und in Preußen erst die juristischen Vora ussetzungen im Gewerbe- und V erkehrsrecht geschaffen werden mußten. Nach d er Ablehnung Magdeburgs zum Strekkenbau am Ende der 20er Jahre ruhten die Planungen für mehrere Jahre, ehe sie von Leipzig erneut und erfolgreicher zur Sprache gebracht wurden. Nicht unwesentlich dafür war das Auftreten von Friedrich List, d er in Leipzig dafür zu werben begann. Nachd em er bereits in den 20er Jahren Aufsätze über den Nutzen von Eisenbahnen veröffentlicht ha tte, faßte er nunmehr seine Überlegungen in der Schrift „ Über ein sächsisches Eisenbahnsystem" zusammen, in dem zwar Magdeburg berücksichtigt wurde, j edoch Leipzig eine zentrale Stellung zugedacht war. Die Gründung des D eutschen Zollvereins am !. !. 1834 war den neuerlichen Bes trebungen zum Eisenbahnbau förderlich. Die M agdeburger standen zu Beginn der 30er Jahre nach wie vor d em Bau einer Strecke zwischen Leipzig und Magdeburg abweisend gegenüber. List schalt noch 1833 die Magdeburger wegen ihrer „Indolenz", d.h. ihrer Gleichgültigkeit, dem Eisenbahnbau gegenüber. 5 Die Leipziger, die im April 1834 ein Eisenbahnkomitee gebild et hatten , luden dazu d en Magdeburger Oberbürgermeister August Wilhelm Francke ( l 785- 1851 ), ein versierter Kommunalpolitiker seiner Zeit, als Ehrenmitglied ein . Francke nahm die· ihm angetragene Ehrenmitgliedschaft an. Er war der geeignete Mann , die Konsequenzen , die der Eisenbahnbau erwarten ließ , zu erkennen und die hellhöriger werdende Magd eburger Kaufmann-
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Oberbürgermeister Fran cke ( 1785- 185 1) war der entscheidende 1niti ator des von M agdeburg a usgehenden Eisenbahnbaus.
schaft für den Bau emer Eisenbahnstrecke zwischen Magdeburg und Leipzig zu gewinnen. Im Jahre 1835 setzte eine von M agdeburg a usgehende Planung von Eisenbahnstrecken ein. Am 13. Juni 1835 wurde Francke mit einer Eingabe zum Bau einer Dampfeisenbahnstrecke von Magdeburg nach Leipzig bei der preußischen R egierung vorstellig, in der folgende Aussage getroffen wird: „Es erscheint als einefur die Stadt Magdeburg und ihren Handelsstand unerläßliche Notwendigkeit, sich durch eine schleunige Anlegung einer Eisenbahn nach Leipzig sowohl ihre Teilnahme am Eisenbahnverkehr, der sich zweifelsohne bald über das nördliche Deutschland erstrecken wird, als auch überhaupt ihre Teilnahme an dem Großhandel sicher zu stellen, welcher bald nicht mehr durch ihre Lage an der Elbe gesichert sein möchte." 6 Der Verkehr zwisch en Magdeburg und Leipzig vollzog sich bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem über die Straßenverbindung Magdeburg-SchönebeckCal be-Köthen-Lands berg-Leipzig. Mit dem Ba u d er C ha ussee Magdeburg-Halle-Leipzig war er auf die neue westlich von der alten Verbindung verlaufende Trasse hinübergezogen worden . Eine unmittelbare Parallelität der geplanten Strecke zur Chaussee schied aus topographischen Gründen aus . Die Steigungen ließen eine solche Trassierung zu dieser Zeit noch nicht zu . Es konnte nur eine von der Chaussee a bweich ende Trassie_rung zur Ausführung kommen. Es standen zwei V aria nten zur Diskussion. Entweder verband die Strecke Magdeburg, H alle und Leipzig miteina nder, oder es wurde eine direkte Verbindung von Magd eburg und L eipzig unter Ausschluß von H alle geschaffen, die etwa dem alten Poststraßenverlauf entsprochen hätte. In diesem Falle wäre H alle durch eine in Niemberg a bzweigende Stichbahn an die Strecke a ngeschlossen worden. Vor allem der Einspruch von H alle, vertreten durch d en Oberbürgermeister Friedrich Wuch erer, führte dazu, da ß die annähernd geradlinige V erbindung d er Handelszentren M agd eburg und Leipzig nach Halle „abgelenkt"
wurde. Die Auseinandersetzungen darüber, die eine oder die andere Trasse zur Ausführung zu bringen, erstreckten sich über die Zeitpunkte der Antrags tellung und Konzessionierung hinaus . Die preußische Regierung beharrte j edoch darauf, die einmal genehmigte Führung der Strecke über Halle nicht zu verändern. Bei d er endgültigen Festlegung der Trasse ergaben sich verschied ene Schwierigkeiten, wobei hier nur kurz die gena nnt werden sollen, die für d en Kreis Schönebeck von Bedeu tung sind. Die vorgeschlagene Führung d er Strecke zwischen Schönebeck und Calbe, die der Bezirksstraße zwischen beiden Städten gefolgt wä re, kam nicht zur Ausführung. Die Ursache d afür war, daß sich zu dieser Zeit zwischen beiden Städten die zum H erzogtum Anhalt-Bernburg gehörende Exklave Mühlingen befand. Der H erzog weigerte sich , dem Eisenbahnbau a uf seinem Territorium zuzustimmen. So mußte die Exklave östlich umgangen werden, wobei das ehemalige a nhaltisch-bern burgische Territorium zwisch en Gnadau und Calbe (Saale) O st unmittelbar tangiert wurde. Die Veränderung der ursprünglich vorgeschlagenen Linienführung zwang d azu, den Übergang über die Saale etwa 6 Kilometer saaleabwärts, also a ußerhalb von Calbe, vorzusehen, wobei die Saalebrücke entsprech end einer geradlinigen Trassierung bei Trabitz vorgesehen war. Aufgrund der örtlichen Geländeverhältnisse wurde sie j edoch um einen Kilometer nach Westen verschoben. Die direkte Verbindung von Schönebeck und Calbe wäre vor allem der Entwicklung von Groß Mühlingen, das in d en nächsten Jahrzehnten durch den Bra unkohlenbergba u geprägt war, und d er von Calbe förderlich gewesen. So wird der öffentlich e Personenverkehr zwischen Calbe und Schönebeck heute durch d en Omnibusverkehr abgewickelt, wobei täglich rund 1500 Fahrgäste j e Richtung zu befördern sind. Obwohl die Genehmigung zum Eisenbahnbau noch nicht vorlag und die Bauarbeiten erst am 17. April 1838 a ufge-
nommen wurden, wurde der 1. M eßpfahl feierlich a m 6. November 1835 im heutigen Pionierpark zwischen d er Magd eburger Innenstadt und dem Vorort Buckau in den Boden gerammt. Bis zum Baubeginn galt es verschiedene Fragen zu klären . D er Antrag zum Bau d er Strecke wurde a m 12. M ä rz 1836 gestellt. Die Unterlagen für die technischen Vora rbeiten und die K osteneinschä tzung wurden nachgereicht. Vom 11. bis zum 13. August 1836 fand die Aktienzeichnung sta tt, die das Da ppelte d er vera nschlagten Summe erbrachte. Die K a pitalbeschaffung wa r eine wichtige Frage . Ein einzelner wa r nicht in der L age, die Strecke zu fina nzieren, und mit Aktiengesellschaften hatte man - bedingt durch die bestehende Gewerbegesetzgebung - bisher wenig Erfa hrungen sammeln können. So sah wohl auch keiner der Aktionäre voraus, daß er in der Strecke M agd eburg-Leipzig sein K a pital a ußerordentlich gut anlegen würde. Die durch schnittliche Jahresdividende betrug zwischen der Betriebseröffnung der Strecke und 1871 stets mehr als 15 % . 1857 wurde der Spitzenwert von 24 % erreicht. 7 Am 2. April 1837 konstituierte sich in M agdeburg mit Sitz in Magdeburg die neu gegründete Aktiengesellsch aft, die „M agd eburg-Leipziger Eisenbahngesellsch aft" (MLE).
K onzessionier t wurde die Eisenbah nstrecke M agdeburg- Leipzig durch „Allerhöchste K a binetts-Odre" a m 13. November 1837. Da mit verbunden war d er Erlaß des „Statuts für die Magd eburg-C öthen-H alle-Leipziger Eisenbahngesellsch aft" . D as Statut wurde da mit vor d er Vera bschiedung des preußischen „ Gesetzes über die E isenba hnunternehmungen" vom 3. November 1838 bes tä tigt und basiert somit noch auf den 1836 erlassenen „Grundbedingungen der E rlaubnis zu öffentlichen Eisenbahnen durch Privatunternehmungen" . D as „Bahnpolizeireglement für die M agdebu rg-CöthenH alle-Leipziger Eisenba hn" , die Betriebsordnung fü r d as Unternehmen, wurde erst d rei W ochen nach Eröffnung d es ersten T eilabschnittes, d es Abschnittes M agd eburg- Schönebeck, veröffentlicht. Eine weitere Vorausse tzung für den Bau der S trecke war zu erfüllen: Die Zustimmung der von der Strecke zu durchquerenden T erritorien , d enn mit der Strecke M agdeburg-L eipzig wurde erstmals eine „grenzübersch reitende" Eisenba hnstrecke errichtet. Der preußischen Streckenkonzessionierung vom 13. November 183 7 folgten unmittelba r die a nhaltisch-köthensche und die sächsische. Da mit waren alle Vora ussetzungen für den Ba u und Betrieb d er Strecke geschaffen worden.
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Fahrplan der Strecke Magdeburg- Leipzig aus dem J a h re 1845.
genklassen teilte sich 1854 bzw. 1860 wie folgt auf: 3, 1, 37,5 und 59,4 % bzw. 2,7, 32, l und 65,2 % . D em Reisen vor allem in d er 3. Klasse waren j edoch Beschränkungen auferlegt. Da die Eisenbahnstrecke Magd eburg- Leipzig grenzüberschreitend war, waren die Reisenden gezwungen, sich durch Pässe unterwegs zu legitimieren. Wer kein entsprechendes Dokument bei sich führte, konnte von d er Weiterreise a uf der Bahn ausgeschlossen werden. Da das Besch affen und Ausstellung von Pässen sich als recht aufwendig erwies, vereinbarte die preußische Regierung in Übereinstimmung mit d en anhaltischen und d er sächsischen, den Paßzwang zu lokkern. Es wurde entlang der Strecke ein sogenannter „Bahn-Rayon" festgelegt, „um die Schwierigkeiten und Weiterungen zu entfernen, welche bei fortdauernder Anwendung die bestehende paß polizeiliche Vorschrift ... hinsichtlich der Legitimationsführung, der auf den Berlin-Cöthen-Magd eburg-Leipzig-Dresdener Eisenbahnen ins Ausland reisenden, oder aus dem Ausland ins Inland kommenden Personen entstehen könnten" zu verringern.3 Zu d en preußischen Kreisen entlang der Strecke M agd eburg-Leipzig gehörten neben den Städten Magd eburg und Halle die „landräthlichen Kreise" Calbe, J erichow I , J erichow II , Aschersleben, O schersleben, W anzleben, Wolmirstedt und d er Saalkreis. „D enjenigen Einwohn ern d es Ba hn-Rayons, welche d er Polizeibehörde als vollkommen sicher und zuverlässig bekannt sind, werd en vom l sten J anuar 1842 ab für ihre Reisen auf der Bahn innerhalb d es Bahn-Rayons und den K önigl. Sächsischen und H erzogl. Anhaltischen Staaten P a ß k a rt e n ertheilt." 4 Die Paßkarten galten ein K alend erjahr und kosteten 5 Silbergroschen. Von dieser Reglung blieben ausgeschlossen: „Paßkarten bleiben daher allen denen versagt, welche 1) nach den bestehenden Gesetzen auch bei Reisen im I nlande paßpflichtig sind, wie Gewerbegehüljen, Handwerksburschen)( . 2) die Klasse der D ienstboten oder Arbeitssuchenden angehören oder aus irgend einem Grunde besonderer
3) polizeilicher Aufsicht unterworfen sind." 5
Für die Besitzlosen, die lediglich mit ihrer H errschaft oder ihrem Principal ungehindert reisen konnten, wurde die Benutzung der Eisenbahn eingeschränkt. D er Staat versuchte mit dieser Regelung die Benutzung der Eisenbahn zu einem Privileg d er Besitzenden zu machen. Bis um 1870 war es für die Reisenden der 1. und 2. Klasse möglich, ihre Kutschen, genannt Equipagen, einschließlich der erforderlichen Zugpferde von d er Eisenbahn befördern zu lassen. Um 1860 wurden durch die MLE insgesamt 153 Equipagen und 5 446 Pferde befördert, zu denen noch 2 221 gebührenpflichtige Hunde kamen. 6 Anfänglich durfte die Strecke Magdeburg- Leipzig nur bei Tageslicht befahren werden. 1841 wurde dieses Verbot aufgehoben und entsprechende Vorschriften für d as Fahren bei Nacht dafür erlassen. 7 1844 wurde schließlich die Abteilbeleuch tung für die beiden oberen W agenklassen in Preußen angeordnet, wobei es sich dabei um K erzen und Öllampen gehandelt hat. Die probeweise Einführung der Gasbeleuchtung, die sich später durchsetzte, begann bei den d eutschen Eisenbahnen um 1860. Die ersten Toiletten wurden in d en Reisezügen um 1860 vorgesehen. Sie befanden sich anfänglich im Gepäckwagen und konnten nur beim H alten des Zuges benutzt werd en. Die ersten Schlafwagen verkehrten 1855 zwischen Berlin und K öln über M agdeburg. Die Sitze der von d er H a nnoverschen Staatsbahn eingesetzten Wagen waren ausziehbar und gestatteten somit ein Liegen . Eine Wagen- bzw. Abteilheizung gab es anfänglich nicht. Diese war, a bgesehen von bescheidenen Möglichkeiten, wie W ärmflaschen, auch bei d er Post nicht üblich gewesen. N ach verschied enen technisch unzureichenden V ersuchen beginnt sich die Wagenheizung a ls D am pfheizung nach erfolgreicher Erprobung bei d er Oberschlesischcn Eisenbahn nach 1858 du rchzusetzen. Der Dampfkessel befand sich im Packwagen . Für die Benutzung der Züge der M LE bestand Platzkar-
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Die Strecke Berlin-Magdeburg Die Strecke Berlin-Magdeburg hat ihren Ursprung in d er 26,4 Kilometer langen, am 19. Oktober 1838 als erste öffentliche D ampfeisenbahnstrecke Preußens in Betrieb genommenen Verbindung Berlin- Potsdam. Planung, Antragstellung und Konzessionierung verliefen zeitlich parallel zu denen d er Strecke Magdeburg- Leipzig. Von Anfang an soll geplant gewesen sein, die Strecke von Potsdam nach Magdeburg weiterzuführen. Tatsächiich reichen die Planungen zum Bau einer Eisenbahnstrecke von Berlin nach Magdeburg bis in die Mitte d er 30er J ahre zurück, doch sind sie von keiner hohen Verbindlichkeit gewesen. Gründliche Untersuchungen wurden erst Ende d er 30er Jahre geführt, d enn für Berlin waren mit den fortschreitenden Planungen zum Bahnbau und nach Inbetriebnahme der ersten Fernstrecken zwei Fragen zu klären: Verbindung der Stadt durch eine nördlich oder eine südlich des H arzes verlaufende Trasse mir dem Rhein und Schaffung einer Strecke nach Hamburg. Mit d er Errichtung einer Strecke nördlich d es H arzes ließ sich gegebenenfalls beides miteinander verbinden. Hinzu kam, daß die Berlin-Potsdamer Eisenbahn Gefahr zu laufen drohte, isoliert zu werden, dann im September 1841 wurde die Strecke Berlin-Dessau- K öthen in ihrer ganzen Länge eröffnet. 1838 erteilte die preußische Regierung die Genehmigung, eine von Potsdam über Brandenburg, Genthin und Tangermünde nach H annover verlaufende Strecke, die in Genthin eine Abzweigung nach M agdeburg erhalten sollte, zu vermessen. Das Ergebnis der Untersuchung und V ermessung wurde von der Regierung im Juni 1840 abschlägig behandelt. Sie beharrte auf ihren Vorstellungen: Bau einer Strecke von Berlin nach H amburg über Wittenberge und Errichtung d er V erbindung von Berlin zum Rhein südlich des H arzes, auch wenn die ursprünglich ins Auge gefaßte Trasse H alle-Nordhausen-Kassel der Führung von Halle über W eimar, Erfurt und
Eisenach nach K assel und weiter nach Frankfurt a . M. weichen mußte. Unabhä ngig von dieser von strategischen Erwägungen beeinflußten Verkehrspolitik sollte eine durchgehende Verbindung zwischen Berlin und dem Rhein nördlich d es Harzes schneller zustande kommen, d a in Norddeutschla nd d er Streckenbau rasch vora nschritt und die einzelnen Strecken mit einem relativ geringen Aufwand miteinander verknüpft werden konnten. Die Fortführung der Eisenbahnstrecke Berlin- Potsdam nach Westen wurde trotz des abschlägigen Bescheids d er Regierung weiter verfolgt. So wurde 1842 vorgeschlagen, die Strecke von Potsdam über Genthin, Havelberg und Wittenberge nach H amburg weiterzuführen und von Genthin die bereits genannte Zweigbahn nach Magdeburg zu bauen, was auf die Ablehnung d er Magdeburger Kaufleute stieß, die befürchteten, es könne die Strecke von Genthin einen Abzweig nach Jüterbog erhalten . Somit wäre der traditionelle H andelsverkehr von Magdeburg nach Sachsen und Thüringen um Magdeburg herumgeleitet worden. Am 17. August 1845 wurde die vorläufige Genehmigung zum Bau der Strecke Potsdam-Magdeburg der bereits 1843 dafür gegründeten Eisenbahngesellschaft erteilt, wobei die Gesellschaft die Eisenbahnstrecke BerlinPotsd am zu übernehmen hatte. Die vorläufige Genehmigung en thielt weitere Auflagen: Die Aktienzeichnung kann erst beginnen, wenn die Fina nzierung d er T hüringischen Eisenbahn (Halle-Erfurt-Eisenach-Kassel) gesichert ist und die Berlin-Anhaltische Eisenbahn ihre Zustimmung erteilt ha t, da ihr durch die Strecke BerlinMagdeburg ein K onkurrent erwachsen konn te. Die Strecke wurde 1844 zu bauen begonnen und zwischen Potsdam und Magdeburg-Friedrichstadt am 7. August 1846 in Betrieb genommen. Die Probefahrt fand am 17. Juli 1846 statt. Die Magdeburgische Zeitung vermeld et dazu: „Potsdam, den 27. Juni. Die Bahn von hier bis Magdeburg wird, wie schon gemeldet, in den ersten Tagen des August eröffnet wer-
den. Einige Tage aber wird man wegen Nichtvollendung einiger Havel-Drehbrücken nicht vom hiesigen Bahnhofe gefahren sondern vom sogenannten Kiewitt dicht an der Stadt vor dem Brandenburger Thore. Die gestern von dieser Stelle bis Magdeburg Statt gehabte erste Probefahrt, an der Aktionaire, Beamte u.s.w. Theil nahmen, hat ein äußerst günstiges Resulthat erzielt. Die Bahn ist bequem und sicher gebaut und soll nach dem Urtheile der competentesten Richter den strengsten Anforderungen vollkommen genügen. Das famose j esericher Loch ist besonders erprobt und hat sich nun für alle Z eiten als eine überaus sichere Passage erwiesen". 4 Das J esericher Loch fand insofern Beachtung, weil hier die Moorsprengung zur Anwendung kam. Am 12. September 1846 konnten die H avelbrücken in Betrieb genommen werden. 5 Die am 2. August 1846 stattgefundene Eröffnungsfahrt mit 800 Teilnehmern, war so blamabel, d aß sie in der „Magd eburgischen Zeitung" kein Echo find et. Die zeitgenössische Schilderung d er Fahrt erinnert an Traditionsfahrten unserer Tage. „Die ganze Fahrt am 2. August war wegen des heitern Tages und der heitern Gesellschaft mit Recht eine Volksfestfahrt! " D aß die Festzuglokomotive ,Jupiter" auf d em Ba hnhof Brandenburg beim „Einnehmen von Wasser und Brennma therialvorrath" von d en Schienen in d en Sand gerieth" und die Reservelokomotive beim „ Wassernehmen bei der Einfahrt in die Festungswerke vor Magde burg" gleichfalls entgleiste und die Reisegesellschaft den Bahnhof Magdeburg-Friedrichstadt zu Fuß erreichte, „trübte inzwischen keineswegs die H eiterkeit der Fahrgäste" .6 Die Elbbrücken in M agd eburg wurden später fertiggestellt, so daß der durchgehende Zugverkehr zwischen Berlin und Magd eburg erst am 19. August 1848 aufgenommen werden konnte, wobei die BPME d en Bahnhof der MLE am F ürstenufer mi tzunutzen hatte. Die „Magdeburgische Zeitung" meldet zur Inbetriebnahme d er Elbbrücken: „Nachdem der Bau unserer Elbbrücken bei Magdeburg und eine Einigung mit der Magdeburg-Leipz iger Eisenbahngesellschaft
über die Mitbenutzung des Magdeburger Bahnhofes derselben zur E xpedition unserer Persönenzüge zu Stande gekommen ist, werden dieselben von Sonnabend, den 19. August des J ahres ab nicht mehr von der Friedrichstadt aus und nach derselben, sondern vom Fürstenwalle aus und zum Magdeburger Bahnhofe expediert werden. Der Billetverkauf und die Gepäckexpedition sind in die Casematten unter dem Fürstenwalle verlegt - und zwar in die Höhe des Do" 7 mes .... Die BPME, die im Bereich des heu tigen Elbbahnhofs zwischen d em Bahnhof der MLE und d er Elbe G leise verlegte, konnte sich bis zum Beginn d es Baus des H auptbahnhofs nicht mit diesen V erhältnissen abfind en. Noch 1870 beklagt die G esellschaft diesen Zustand mit folgend en Worten: „Die sehr complicirten und traurigen Verhältnisse des Bahnhofs M agdeburg, woselbst die Geleise der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn auf der östlichen Seite der Elbe abgewonnen - (gemeint ist der Elbbahnhof, Anm. d. Verf.) -, die Wartesäle und Expeditionsräume in den Kasematten des Fürstenwalls etabliert werden mußten, während die Geleise der Magdeburg-Leipziger Eisenbahn sich zwischen beiden A nlagen im vollsten und lebhaftesten Betrieb befinden, sind durchaus anormal, .. . " 8 Die Strecke wies - abgesehen von den zahlreichen Brükken, vor allem den H avel- und Elbbrücken, sowie d er Führung d er Eisenbahn durch die Festung in M agdeburg und die bereits genannte Moorsprengung - keine technischen Besonderheiten auf. Von den eins t rund 121 Kilometern waren 27 % vollkommen horizontal und 80 % geradlinig verlegt. 9 Größere Steigungen wurd en vermied en , indem die Strecke in einer H öhenlage zwischen 40 u nd 50 M etern über NN geführt wurde. D aher verlief sie bis 1873 westlich von Burg nach H ohenwarthe an der Elbe, wo sie, in einem kurzen Abschnitt die d amals maximal zulässige Steigung von 1: 200 nutzend , einen eiszeitlichen Höhenzug durchstieß, um von Lostau in südlicher Richtung nach Biederitz zu führen, wo sie in die noch bestehende Strecke Bied eritz-Magd eburg-
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Buckau überging. Für die Führung der Strecke durch das hochwassergefährdete Gelände zwischen Los tau und Biederitz standen Varianten zur Wahl. In Hohenwarthe und Niegripp wurden Haltepunkte eingerichtet. Der zweigleisige S treckena us bau begann 1847 und war bis 1858 - von Brückenabschnitten abgesehen - abgeschlossen. Auf der Strecke Berlin-Potsdam wird unmittelbar vor ihrer Übernahme durch die BPME erstmals bei den deutschen Eisenbahnen der elektromagnetische\ Telegraf eingeführt, nachdem auf dieser Strecke am 18. Dezember 1838 der nächtliche Zugverkehr, wenn auch nur mit halber Tagesgeschwindigkeit, zugelassen worden war. In der „Magdeburgischen Zeitung" vom 20. August 1846 ist über den Telegraf zu lesen: Schon seit einiger Zeit werden Eisenbahn-Reisende zwischen Berlin und Potsdam neben der Eisenbahn zwry übereinander befestigte, in der Luft schwebende Kupferdrähte bemerkt haben, welche sich in fast ermüdender Gleichförmigkeit auf der ganzen Reise begleiten. Das sind die leitenden Drähte des von dem Uhrmacher Leonhardt aus Berlin neu angelegten elektro-magnetischen Telegraphen, mit welchem seit Kurzem höchst befriedigende Versuche zur Einübung der Beamten angestellt werden, die bis jetzt schon keinen Zweifel lassen, daß dieses Telegraphieren auf allen Eisenbahnen die bisherige kostbare Lufl-Telegraphirung mit Vortheil ersetzen wird. Höchst interessant ist es, die Operation dieses Telegraphen zu sehen. Jeder Draht mündet aus hinter einer, einem Zifferblatt ähnlichen Scheibe und jeder electrische Schlag bringt ein Rücken des Zeigers auf dem Zifferblatt zu Wege, dieses aber hat außer einigen Römischen Buchstaben, Ziffern mit Buchstaben verbunden, wodurch eine Chifferschrift angedeutet wird, die nach verschiedenen Schlüsseln die verschiedenste Deutung gewährt. Referent beobachtete eine solche fabelhafte Conversation par distance. Der Telegraphist in Potsdam eröffnete die Unterhaltung mit dem Berliner Telegraphisten, indem er ein Zeichen gab, daß „Aufgepaßt!" bedeutete. Schon in der nächsten Sekunde sprang der Zeiger des zwryten Zifferblattes auf der Chiffre: „ Verstanden" - dann wurde von hier ein Zeichen angegeben: „Signalbuch Nr. 1" „ Gut" hieß es im nächsten
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Moment von Berlin zurück. So begann dann von Potsdam aus ein Bericht in Chiffern, als eben der Inspector des Bahnhofs eintrat und den Telegraphisten aufforderte, anzufragen, wie viel Personen der eben abgegangene Zug enthalte? Jetzt wurde die Depesche unterbrochen mit dem Zeichen Citisseme und nach erfolgter Antwort: „ Verstanden", geschah die Anfrage mit einem Zeichen - bald darauf kam die Antwort zurück: 5 Personen l ster Klasse. 32 2ter Klasse, 101 3ter Klasse. Dann begann die abgebrochene Mitteilung aufs Neue. Gleich darauf ließ der Direktor der Telegraphie melden: „Ich komme 11 Uhr". - „ Verstanden" hieß es z urück. „Ist alles in Ordnung?" - ,Ja." - „Dann komme ich nicht. rr 2odi
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