Ein Materialgesetz für gefüllte Elastomere unter mehrachsiger dynamischer Beanspruchung [PDF]

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Zitiervorschau

Ein Materialgesetz für gefüllte Elastomere unter mehrachsiger dynamischer Beanspruchung

Vorgelegt von Dipl.-Ing. Andreas Pirscher aus Berlin

Vom Fachbereich 11 – Maschinenbau und Produktionstechnik – der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Ingenieurwissenschaften – Dr.-Ing. – genehmigte Dissertation

Promotionsausschuß: Vorsitzender:

Prof. Dr.-Ing. D. Severin

Gutachter:

Prof. Dr.-Ing. H. Mertens

Gutachter:

Prof. Dipl.-Ing. W. Zander

Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 18. Juni 1999

Berlin 1999 D 83

Berichte aus dem Maschinenbau

Andreas Pirscher

Ein Materialgesetz für gefüllte Elastomere unter mehrachsiger dynamischer Beanspruchung

.

D 83 (Diss. TU Berlin)

Shaker Verlag Aachen 1999

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pirscher, Andreas: Ein Materialgesetz für gefüllte Elastomere unter mehrachsiger dynamischer Beanspruchung / Andreas Pirscher. - Als Ms. gedr. - Aachen : Shaker, 1999 (Berichte aus dem Maschinenbau) Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss., 1999 ISBN 3-8265-6735-8

.

Copyright Shaker Verlag 1999 Alle Rechte, auch das des auszugsweisen Nachdruckes, der auszugsweisen oder vollständigen Wiedergabe, der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen und der Übersetzung, vorbehalten. Als Manuskript gedruckt. Printed in Germany.

ISBN 3-8265-6735-8 ISSN 0945-0874 Shaker Verlag GmbH • Postfach 1290 • 52013 Aachen Telefon: 02407 / 95 96 - 0 • Telefax: 02407 / 95 96 - 9 Internet: www.shaker.de • eMail: [email protected]

2

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand vom Mai 1993 bis April 1998 während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Lehraufgaben am Institut für Mechanik der Technischen Universität Berlin. Ich danke meinem verehrten Lehrer Herrn Professor W. Zander für die umfassende und kompakte Vermittlung der Kontinuumsmechanik und Tensorrechnung. Dies versetzte mich in die Lage, mich mit den notwendigen Theorien für diese Arbeit kritisch auseinanderzusetzen. Wertvolle Diskussionen mit Herrn Professor Zander beeinflußten den Fortgang und schließlich den erfolgreichen Abschluß der Arbeit positiv. Ebenso dankbar bin ich Herrn Professor H. Mertens für die Anregung zu dieser Arbeit und für die Bereitschaft zur Diskussion über den Fortschritt der Arbeit. Sowohl Herrn Professor Zander als auch Herrn Professor Mertens gilt mein Dank für die Übernahme der Berichte. Für die Übernahme des Vorsitzes des Promotionsausschusses danke ich Herrn Professor D. Severin. Meinen Kollegen Herrn Dipl.-Ing. Christopher Bode und Herrn Dr.-Ing. Rolf Alex bin ich verbunden für kritische Diskussionen, die mir Anregungen für meine Arbeit gegeben haben. Aufs herzlichste bedanke ich mich bei meiner Lebensgefährtin Ute, die mich in den letzten Jahren mit Liebe, Geduld und Verständnis unterstützt hat. Meinen Eltern bin ich dankbar, daß sie mir meine Ausbildung ermöglicht haben.

Berlin, im Dezember 1999

Inhalt

3

Inhaltsverzeichnis 0

Verwendete Formelzeichen................................................................................... 6

0.1

Skalare Größen und abstrakte Symbole................................................................... 6

0.2

Vektorielle Größen .................................................................................................. 9

0.3

Tensorielle Größen ................................................................................................ 10

0.4

Generelle Indizierungen......................................................................................... 12

0.5

Differentiationen.................................................................................................... 12

1

Einleitung.............................................................................................................. 13

2

Einachsige nichtlineare Modelle......................................................................... 15

2.1

Weiterentwicklung des Kümmlee-Materialmodells durch Ziegenhagen .............. 15

2.2

Materialmodell von Lambertz ............................................................................... 21

2.3

Vergleich der Modelle von Ziegenhagen und Lambertz ....................................... 22

3

Grundlagen der Kontinuumsmechanik............................................................. 23

3.1

Plazierungen eines Körpers ................................................................................... 23

3.2

Deformationsgradient, Verschiebungsgradient, Verzerrungsmaße ....................... 25

3.3

Verformungsgeschwindigkeiten ............................................................................ 29

3.4

Zerlegung von Deformationen, multiplikative Zerlegung des Deformationsgradienten............................................................................................................... 30

3.5

Zerlegung der Verzerrungstensoren und Verformungsgeschwindigkeiten ........... 34

3.6

Zerlegung der Verformungsgeschwindigkeiten .................................................... 36

3.7

Spannungen............................................................................................................ 37

3.8

Materialgesetze ...................................................................................................... 37

3.8.1

Allgemeine Prinzipien ........................................................................................... 37

3.8.2

Einfache Materialien.............................................................................................. 39

3.8.3

Zwangsbedingungen, speziell Inkompressibilitätsbedingung ............................... 39

4

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere........................... 42

4.1

Molekulare Struktur des gefüllten Elastomers ...................................................... 42

4.2

Struktur des Stoffgesetzes...................................................................................... 43

4.3

Hyperelastisches Gesetz für die Matrix des gefüllten Elastomers......................... 45

4.3.1

Ansatz von Mooney ............................................................................................... 46

4.3.2

Ansatz von Kilian (van-der-Waals-Modell) .......................................................... 51

4

Inhalt

4.4.

Viskoplastisches Materialgesetz für die Füllstoffe................................................ 55

4.4.1

Konzept der Geschichtsfunktionale und Konzept der inneren Variablen.............. 55

4.4.2

Viskoplastisches Modell von Chaboche ................................................................ 57

4.4.2.1

Von-Mises-Fließhypothese.................................................................................... 58

4.4.2.2

Plastisches Modell von Mróz................................................................................. 61

4.4.3

Entwicklung des Füllstoff-Materialgesetzes aus dem Chaboche-Modell ............. 65

4.4.4

Rheologisches Ersatzmodell für das Füllstoff-Materialgesetz .............................. 71

4.4.5

Formulierung des Füllstoff-Materialgesetzes für endliche Deformationen........... 75

4.4.6

Erweiterung des Modells zur Anpassung des Modells an verschiedene Amplituden- und Frequenzbereiche....................................................................... 76

4.5

Numerische Integration des Materialgesetzes ....................................................... 78

4.6

Algorithmus zur inkrementellen Berechnung der Spannungen mit multiplikativer Zerlegung des Deformationsgradienten ........................................ 79

4.7

Algorithmus zur inkrementellen Berechnung der Spannungen mit geometrischer Linearisierung (additiver Zerlegung der Verzerrungen)........................... 81

5

Anpassung der Parameter .................................................................................. 84

5.1

Messungen mit einer Serienkupplung in der Arbeit von Kümmlee ...................... 85

5.1.1

Beschreibung der verwendeten Serienkupplung.................................................... 85

5.1.2

Komplexe Steifigkeit ............................................................................................. 87

5.1.3

Geometrische Untersuchung der verwendeten Serienkupplung............................ 92

5.1.4

Näherungsweise Berechnung des Torsionsmomentes........................................... 95

5.1.5

Rechenergebnisse der Optimierung mit dem Kümmlee-Versuch ......................... 99

5.1.6

Bewertung der Rechenergebnisse des Kümmlee-Versuchs ................................ 105

5.2

Messungen mit zylindrischen Proben in der Arbeit von Lambertz .................... 106

5.2.1

Versuchsbeschreibung ......................................................................................... 106

5.2.2

Untersuchung der Probengeometrie für den Scherversuch ................................. 113

5.2.3

Rechenergebnisse der Optimierung mit dem Lambertz-Versuch........................ 116

5.2.4

Bewertung der Rechenergebnisse des Lambertz-Versuchs ................................. 120

6

Überprüfung des Materialmodells auf thermodynamische Konsistenz ....... 122

6.1

Die wichtigsten Bilanzsätze der Thermodynamik............................................... 122

6.2

Konzept des thermodynamischen Potentials für das Stoffgesetz der Matrix ...... 123

6.2.1

Van-der-Waals-Ansatz für die Verformungsenergiefunktion

M

w (C) ................ 126

Inhalt

5

6.3

Konzept des thermodynamischen Potentials für das Stoffgesetz

6.3.1

der Füllstoffe........................................................................................................ 127 ˆ ................ 132 Van-der-Waals-Ansatz für die Verformungsenergiefunktion Fw C

6.3.2

Ansatz für das Potential Fϕ 1∗ des Füllstoff-Materialgesetzes ............................. 133

( ) e

6.4

Erweiterung des Modells: Berücksichtigung von Wärmeströmen ...................... 136

6.4.1

Berücksichtigung von Wärmeströmen im Matrix-Stoffgesetz ............................ 137

6.4.2

Berücksichtigung von Wärmeströmen im Füllstoff-Materialgesetz.................... 139

6.4.3

Berücksichtigung von Wärmeströmen für das Gesamt-Materialgesetz .............. 141

7

Zusammenfassung und Ausblick...................................................................... 143

7.1

Zusammenfassung ............................................................................................... 143

7.2

Ausblick ............................................................................................................... 145

8

Literatur ............................................................................................................. 146

A

Anhang: Beispiel zur Veranschaulichung der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration...................................................................................... 150 Lebenslauf .......................................................................................................... 159

Verwendete Formelzeichen

6

0

Verwendete Formelzeichen

0.1

Skalare Größen und abstrakte Symbole

Zeichen

Einheit

Bedeutung

A, A 0

mm2

Querschnittsflächen

a

1

Materialkonstante der van-der-Waals-Verformungsenergiefunktion

C′

N/mm2

Dynamische Steifigkeit

C ′′

N/mm2

Verluststeifigkeit

C1, C2

N/mm2

Materialkonstanten der Verformungsenergiefunktion von Mooney

c

1

Materialparameter des Ziegenhagen/Kümmlee-Modells

D1

1

Materialfunktion, Teil der van-der-Waals-Verformungsenergiefunktion

E

N/mm2

Elastizitätsmodul

F

N

An der Gummifeder des Kümmlee-Versuchs angreifende Kraft

F ℘

--

Materialgesetz der Gummi-Füllstoffe

F

C

N/mm2

Materialparameter des Füllstoff-Materialgesetzes

F

k

N/mm2

Fließspannung

F

K , Fn

1

Materialparameter des Füllstoff-Materialgesetzes

γ

1

Materialparameter des Füllstoff-Materialgesetzes

--

Funktional eines allgemeinen Materialgesetzes

G

N/mm2

Gleitmodul

G (t )

N/mm2

Relaxationsfunktion

F

Verwendete Formelzeichen

G LM

--

Kontravariante Metrikkoordinaten der Bezugsplazierung

g ik

--

Kovariante Metrikkoordinaten der Momentanplazierung

HB

N/mm2

Hysteresebreite

J

1

Determinante des Deformationsgradienten F

Je

1

Determinante des elastischen Anteils des Deformationsgradienten Fe

J(t )

1

Kriechfunktion

J1 (A )

--

1. Invariante des Tensors A

J 2 (A )

--

2. Invariante des Tensors A

J 3 (A )

--

3. Invariante des Tensors A

--

Spezielle 2. Invariante für den von-Mises-Fließzylinder

--

Körper

--

Materialgesetz der Gummimatrix

MT

Nm

Torsionsmoment

m

1

Masingfaktor

N

N

Normalkraft

p

N/mm2

hydrostatischer Druck

q

Nm/(kg s)

Skalare Wärmequelle

R

N/mm2

Materialparameter des Lambertz-Modells

r

1

Akkumulierte viskoplastische Verzerrung

t

s

Zeit

t0

s

Referenzzeitpunkt der Bezugsplazierung

2

(A )



M

7

Verwendete Formelzeichen

8

(X )

--

Infinitesimale Umgebung des Teilchens X in der Bezugsplazierung

vi

--

Innere Variable

w

Nm/kg

Verformungsenergiefunktion

X

--

Teilchen eines Körpers

α

1

Materialkonstante der van-der-Waals-Verformungsenergiefunktion

β

1

Materialkonstante der van-der-Waals-Verformungsenergiefunktion

∆t

s

Zeitschritt

δkj

--

Kronecker-Symbol

ε

1

Dehnung

ε

Nm/(kg s)

Nur in Kapitel 6: Innere Energie

εU

1

Dehnung am Umkehrpunkt

γ

1

Gleitung

η

Nm/(kg K)

Massenspezifische Entropiedichte

Φ

Nm/(mm3 s)

Dissipationsfunktion

Φ1

Nm/(mm3 s)

Lokaler Anteil der Dissipationsfunktion

Φ2

Nm/(mm3 s)

Konvektiver Anteil der Dissipationsfunktion

ν

1

Querkontraktionszahl

θ

K

Absolute Temperatur

ϑ

1

Verdrehwinkel

ρ

kg/m3

Dichte

Verwendete Formelzeichen

ρL

1

Materialparameter des Lambertz-Modells

σ

N/mm2

Spannung

σR

N/mm2

Materialparameter des Ziegenhagen/Kümmlee-Modells

σU

N/mm2

Spannung am Umkehrpunkt

ξj

--

Krummlinigen Koordinaten in der Momentanplazierung

ξJ

--

Krummlinigen Koordinaten in der Bezugsplazierung

--

Krummlinigen Koordinaten in der Zwischenplazierung

ψ

1

Verhältnismäßige Dämpfung

ψ

Nm/(kg s)

Nur in Kapitel 6: Volumenspezifische Helmholtzsche freie

ξˆ



Energie

0.2

Vektorielle Größen

dX

m

Infinitesimales Linienelement in der Bezugsplazierung

dx

m

Infinitesimales Linienelement in der Momentanplazierung

e1 , e 2 , e 3

1

Kartesische Basisvektoren

GL , GL

--

Kovariante bzw. kontravariante Basis der Bezugsplazierung

gi , gi

--

Kovariante bzw. kontravariante Basis der Momentanplazierung

h

Nm/(mm2 s)

Flächenspezifischer Wärmestrom

hkˆ , hk

--

Kovariante bzw. kontravariante Basis der Zwischenplazierung

k

N/kg

Volumenhaft verteilte Kräfte

u

m

Verschiebungsvektor

X

m

Ortsvektor eines Teilchens in der Bezugsplazierung

x

m

Ortsvektor eines Teilchens in der Momentanplazierung



m

Ortsvektor eines Teilchens in der Zwischenplazierung

ˆ

9

Verwendete Formelzeichen

10

k (X )

m

Abbildung der Bezugsplazierung

c (X, t )

m

Abbildung der Momentanplazierung

0.3

Tensorielle Größen

1

1

Einheitstensor

B

1

Linker Cauchy-Green-Verzerrungstensor der Momentanplazierung

Be

1

Elastischer linker Cauchy-Green-Verzerrungstensor der Momentanplazierung

ˆ B v

1

Viskoplastischer linker Cauchy-Green-Verzerrungstensor der Zwischenplazierung

C

1

Rechter Cauchy-Green-Verzerrungstensor der Bezugsplazierung

ˆ C e

1

Elastischer rechter Cauchy-Green-Verzerrungstensor der Zwischenplazierung

Cv

1

Viskoplastischer rechter Cauchy-Green-Verzerrungstensor der Bezugsplazierung

D

1/s

Streckungsgeschwindigkeitstensor

ˆ D v

1/s

Viskoplastischer Streckungsgeschwindigkeitstensor

E

1

Green-St.Venant-Verzerrungstensor der Bezugsplazierung



1

Green-St.Venant-Verzerrungstensor der Zwischenplazierung

~ E

1

Elementarer linearer Verzerrungstensor

~ ~ ~ E1 , E 2 , E3 1

Teilverzerrungen bei additiver Zerlegung

Ee

Elastischer Green-St.Venant-Verzerrungstensor der Bezugs-

1

plazierung

Verwendete Formelzeichen

Eˆ e

1

11

Elastischer Green-St.Venant-Verzerrungstensor der Zwischenplazierung

~ Ee

1

Elastischer linearer Verzerrungstensor

Ev

1

Viskoplastischer Green-St.Venant-Verzerrungstensor der Bezugsplazierung

~ Ep

1

Plastischer linearer Verzerrungstensor

e

1

Hamel-Almansi-Verzerrungstensor der Momentanplazierung

ee

1

Elastischer Hamel-Almansi-Verzerrungstensor der Momentanplazierung

ev

1

Viskoplastischer Hamel-Almansi-Verzerrungstensor der Momentanplazierung

eˆ v

1

Viskoplastischer Hamel-Almansi-Verzerrungstensor der Zwischenplazierung

F

1

Deformationsgradient

F1 , F2 , F3

1

Anteile des Deformationsgradienten bei multiplikativer Zerlegung

Fe

1

Elastischer Anteil des Deformationsgradienten

Fp

1

Plastischer Anteil des Deformationsgradienten

Fv

1

Viskoplastischer Anteil des Deformationsgradienten

H

1

Verschiebungsgradient

L

1/s

Räumlicher Geschwindigkeitsgradient

Lˆ v

1/s

Viskoplastischer Geschwindigkeitsgradient

Re

1

Elastischer Drehtensor

T

N/mm2

Cauchy-Spannungstensor

Verwendete Formelzeichen

12

T

N/mm2

2. Piola-Kirchhoff-Spannungstensor



N/mm2

Spannungstensor in der Zwischenplazierung

T∗

N/mm2

Prediktorspannung

TE

N/mm2

Extraspannungstensor

TP

N/mm2

1. Piola-Kirchhoff-Spannungstensor

TZ

N/mm2

Zwängungsspannungstensor

W

1/s

Drehgeschwindigkeitstensor

ˆ W v

1/s

Viskoplastischen Drehgeschwindigkeitstensor

N/mm2

Kinematische Verfestigung oder auch Gegenspannung

0.4

( )

M

Generelle Indizierungen --

Jeder linke obere Index

M

bedeutet: bezüglich des Material-

gesetzes der Gummimatrix

( )

F

--

Jeder linke obere Index

F

bedeutet: bezüglich des Material-

gesetzes der Füllstoffe

0.5

Differentiationen

Differentiation der Größe

(Skalar, Vektor oder Tensor) nach dem Vektor a = a i gi = a i gi :

∂ ∂ ∂ = ⊗ gi = i ⊗ gi ∂a ∂a i ∂a Differentiation der Größe

(Skalar, Vektor oder Tensor) nach dem Tensor A = A ik gi ⊗ gk =

= A ik gi ⊗ gk = A i k gi ⊗ gk = A i gi ⊗ gk : k

∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ⊗ gi ⊗ g k ⊗ gi ⊗ g k = ⊗ gi ⊗ g k = = ⊗ gi ⊗ g k = k ∂A ∂A ik ∂A i k ∂A ik ∂A i

Einleitung

1

13

Einleitung

Technische Gummimischungen werden aus natürlichen oder synthetischen Kautschuken (oder Elastomeren) hergestellt. Elastomere sind polymere Werkstoffe mit hoher Elastizität. Die Vernetzung erfolgt durch Vulkanisation. Als Vulkanisiermittel wird in der Regel Schwefel verwendet. Der Grad der Vernetzung bestimmt den Festigkeitsgrad und die Elastizität. Zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften werden dem Elastomer Füllstoffe zugesetzt; bei schwarzen Gummisorten verwendet man in der Regel Gasruß als Füllstoff. Gefüllte Elastomere werden an vielen Stellen des Maschinenbaus eingesetzt, z. B. für Autoreifen, Gummifedern, Gummilager, Membranen, Faltenbälge, Schläuche, Luftfedern und Förderbänder. Es existiert jedoch kein allgemein akzeptiertes Materialmodell, das ein gefülltes Elastomer unter beliebigen mehrachsigen Belastungen beschreibt. Die Modelle der linearen Viskoelastizitätstheorie versagen, da sich das gefüllte Elastomer stark nichtlinear verhält. In der nichtlinearen Viskoelastizitätstheorie verwendet man zumeist rheologische Modelle, die neben Federn und Dämpfern auch noch Coulombsche Reibelemente enthalten. Mit diesen Modellen gelingt es, das Materialverhalten eines Elastomers gut wiederzugeben. Beispiele für solche rheologischen Modelle werden in Kapitel 2 vorgestellt. Es ist jedoch nicht möglich, ein solches nichtlineares rheologisches Modell direkt auf den mehrachsigen Belastungsfall zu verallgemeinern. Dies wird in Kapitel 2.3 ausgeführt. Für die Berechnung von ungefüllten Elastomeren, die in erster Näherung ideal-elastisch sind, werden hyperelastische Stoffmodelle allgemein akzeptiert. Das gebräuchlichste Modell ist das von Mooney [1] (siehe Kapitel 4.3.1). Auch gefüllte Elastomere werden in der Praxis zumeist mit dem Mooney-Modell berechnet. Das bedeutet: Sämtliche dissipativen Effekte werden dabei vernachlässigt. In den letzten Jahren wurden einige Modelle vorgestellt, mit denen gefüllte Elastomere auch unter mehrachsigen Belastungen unter Berücksichtigung inelastischer Effekte berechnet werden können. Als Beispiel sei die Arbeit von Jacob [2] genannt. Jacob verwendet ein hyperelastisches Modell mit einer speziellen Verformungsenergiefunktion und überlagert der elastischen Spannung eine inelastische Zusatzspannung. In der vorliegenden Arbeit wird ein Materialmodell entwickelt, das die elastischen Eigenschaften des gefüllten Elastomers mit einem hyperelastischen Modell beschreibt, während die viskosen und plastischen Eigenschaften des Materials mit einem modifizierten viskoplastischen Modell von Chaboche [3, 4, 5] beschrieben werden, das aus der Metallviskoplastizität

14

Einleitung

bekannt ist. Obwohl das Materialmodell dieser Arbeit auf allgemeinen kontinuumsmechanischen Prinzipien beruht, wurde dennoch die molekulare Struktur des gefüllten Elastomers bei der Entwicklung des Modells berücksichtigt.

Einachsige nichtlineare Modelle

2

15

Einachsige nichtlineare Modelle

Das Materialverhalten gefüllter Elastomere wird oft mittels einachsiger Modelle beschrieben. Es existieren verschiedene rheologische Modelle, die auch die nichtlinearen Eigenschaften gut wiedergeben. Im wesentlichen handelt es sich um Parallel- und Reihenschaltungen der drei rheologischen Grundelemente: der linearen Feder, dem linearen Dämpfer und dem Coulombschen Reibelement (siehe hierzu z. B. [6]). Genannt seien an dieser Stelle die Modelle von Japs [7] und Kümmlee [8]. (Bild 2.1)

η1 η1

η2

σS1

σS2

n Stück

E 11

E 12

σS1

η2 σS2 k Stück

m Stück

E 21

E 22 E1

a)

E2

b) japs.skd 15,9 cm

Bild 2.1: Nichtlineare rheologische Modelle: a) Japs, b) Kümmlee

2.1

Weiterentwicklung des Kümmlee-Materialmodells durch Ziegenhagen

Ziegenhagen entwickelte das Modell von Kümmlee weiter [9, 10]. Er faßte die Coulombschen Reibelemente und Federn des Kümmlee Modells (Bild 2.1b) jeweils zu einem plastischen Element f i zusammen. Zu den viskoplastischen Strängen (n Stück), die denen von Kümmlee entsprechen, wird im rheologischen Ersatzmodell eine nichtlineare Feder parallelgeschaltet (Bild 2.2). Die viskoplastischen Stränge enthalten wie bei Kümmlee neben dem plastischen Element jeweils einen Dämpfer. Mit den verschiedenen Dämpfern können verschiedene Relaxationszeiten modelliert werden.

Einachsige nichtlineare Modelle

16

plastische Elemente

f1

f2

f3 nichtlineare Feder n Stück

Dämpfer

η1

η2

η3

zieg01.skd 13,8 cm

Bild 2.2: Weiterentwickeltes Modell von Ziegenhagen Das Ziegenhagen-Modell beschreibt das Übertragungsverhalten von Elastomerkupplungen. Es ist kein Stoffgesetz im eigentlichen Sinne, sondern ein (einachsiges) Wirkmodell für ein Bauteil. In ein Wirkmodell gehen nicht nur die Materialeigenschaften ein, sondern auch bauteilspezifische Eigenschaften wie die Geometrie, die Art und die Ausführung der Verbindungen oder die Art der Krafteinleitung. Bei Ziegenhagen wird die Elastomerkupplung als black box betrachtet mit einer Eingangsgröße, dem Verdrehwinkel der Kupplung, und einer Ausgangsgröße, dem Torsionsmoment. Das erst von Kümmlee entwickelte und dann von Ziegenhagen erweiterte Modell dient in der vorliegenden Arbeit als Ausgangspunkt für ein Materialgesetz für mehrachsige Belastungen. In der weiteren Betrachtung soll daher das Ziegenhagen-Modell als ein mögliches einachsiges Materialmodell betrachtet werden, im folgenden wird daher statt des Torsionsmomentes die Spannung σ und statt des Verdrehwinkels die Dehnung ε verwendet. Für die plastischen Elemente f i verwendet Ziegenhagen den in der Betriebsfestigkeitslehre üblichen Masing-Memory-Algorithmus (siehe z. B. [11]): Der Algorithmus geht von folgendem Zusammenhang zwischen der Spannung σ und der Dehnung ε aus

  ε − ε U   + σ U . σ(ε ) = m sign (ε& ) σ R 1 − exp − c sign (ε& ) m σ R   

(2.3)

Dabei sind σ U und ε U die Spannung bzw. die Dehnung am Umkehrpunkt der Belastung sowie σ R und c Materialparameter, die für jedes der plastischen Elemente f i verschieden sein können. Der sogenannte Masing-Faktor m wird eingefügt, um den Bauschinger-Effekt zu be-

Einachsige nichtlineare Modelle

17

schreiben. Er nimmt den Wert m = 1 an für die Erstbelastung aus dem ungestörten Zustand und den Wert m = 2 nach dem ersten Belastungswechsel. Unter dem Bauschinger-Effekt versteht man in der Plastizitätslehre im allgemeinen folgende Materialeigenschaft (Bild 2.4): σ C B F

σFB

ε

A σFD D E

bausch1.skd 9,4 cm

Bild 2.4: Material mit Bauschinger-Effekt Ein Material wird aus dem ungestörten Zustand (das heißt ohne vorherige Belastung) zunächst in eine Richtung über die Fließgrenze ( σ FB ) hinaus gedehnt; dabei verfestigt sich das Material. Anschließend wird die Belastungsrichtung (in Punkt C) gewechselt; das Material reagiert zunächst wieder elastisch. Das Fließen in die Gegenrichtung setzt nun bei einer kleineren Fließgrenze als vorher in Erstbelastungsrichtung ein ( σ FD < σ FB ). Dieses Verhalten wird üblicherweise als Bauschinger-Effekt bezeichnet (siehe z. B. [6] oder [12]). In Bild 2.4 hat die Spannungs-Dehnungs-Kurve eine noch speziellere Eigenschaft: Die sich einstellende Hystereseschleife (ohne Betrachtung der Erstbelastungslinie AB) ist bei reiner Wechselbelastung symmetrisch zum Ursprung. Eine solche Symmetrie-Eigenschaft wird auch bei der Wechselbelastung von gefüllten Elastomeren beobachtet. Man kann die symmetrische Form wie folgt abbilden: Der Kurvenzug ABC wird im Maßstab 2:1 vergrößert; damit erhält man den Kurvenzug EFC sowie (entsprechend gespiegelt) den Kurvenzug CDE. Diese Vergrößerung der Erstbelastungskurve zum Erzeugen der Hystereseäste leistet im Masing-Memory-Algorithmus der Masing-Faktor m. Für einen vorgegebenen Dehnungsverlauf ε mit wechselnder Belastungsrichtung liefert Gleichung (2.3) Hystereseschleifen wie in Bild 2.5 dargestellt. Nach der ersten Belastungsumkehr bleibt die Kurvenform bei jeder weiteren Belastungsumkehr gleich. Nach jeder

Einachsige nichtlineare Modelle

18

Belastungsumkehr wird die Kurve mit der gleichen Anfangssteigung fortgesetzt. Sie wird lediglich um ihren Ursprung punktgespiegelt. σ ( ε)

Erstbelastung

ε

Tangente nach jeder Belastungsumkehr zieg02.skd 13,9 cm

Bild 2.5: Möglicher Spannungs-Dehnungs-Verlauf nach dem Masing-Memory-Algorithmus Gleichung (2.3) würde jedoch noch nicht ausreichen, um das einachsige Materialverhalten des Elastomers sinnvoll zu beschreiben. Wird für die Dehnung ε eine harmonische Funktion vorgegeben, stellt sich eine symmetrische Hysterese wie in Bild 2.6 ein. σ ( ε)

ε t

Erstbelastung

ε

zieg03.skd 9,4 cm

Bild 2.6: Symmetrische Hysterese bei vorgegebener harmonischer Dehnung

Einachsige nichtlineare Modelle

19

In Bild 2.7 ist ein Dehnungsverlauf mit einer im Vergleich zur Amplitude der Hysterese kleinen Erstbelastung vorgegeben. Es stellt sich eine unsymmetrische Hysterese ein. Der Grund hierfür ist, daß nach dem ersten Umkehrpunkt der Masing-Faktor von m=1 auf m=2 wechselt. ε t

Erstbelastung

σ ( ε)

ε

zieg04a.skd 9,4 cm

Bild 2.7: Bei kleiner Erstbelastung wird die Symmetrie zum Ursprung nicht erreicht Um dieses unphysikalische Verhalten in Bild 2.7 zu vermeiden, sieht der Masing-MemoryAlgorithmus nach jedem Zeitschritt Zwischenabfragen vor: Es wird geprüft, ob nach einer Zwischenentlastung die vorherige Kurve wieder erreicht wird. Nach Erreichen der vorherigen Kurve wird diese dann weitergefahren, als ob die Zwischenentlastung gar nicht erfolgt wäre. Ohne diese Art der Abfragen und entsprechenden Verzweigungen in dem Algorithmus würde noch ein zweiter nicht gewünschter Effekt auftreten: Bei einem ansteigenden Dehnungsverlauf mit kurzen Zwischenentlastungen käme es bei konsequenter Anwendung von Gleichung (2.3) zu einer immer weiter ansteigenden Spannung (Bild 2.8). Auch dieser Effekt wird vermieden, da die Spannungs-Dehnungs-Kurve jeweils der Erstbelastungskurve folgt, sobald diese erreicht wird; die Erstbelastungskurve kann demnach nicht überschritten werden. Eine gegen unendlich strebende Spannung, wie in Bild 2.8 angedeutet, wird somit ausgeschlossen.

Einachsige nichtlineare Modelle

20

σ ( ε)

ε zieg05.skd 9,4 cm

Bild 2.8: Die Kraft strebt gegen unendlich Bild 2.9 zeigt beispielhaft das Prinzip des Masing-Memory-Algorithmus: Nach einer Zwischenentlastung am Punkt B wird die vorherige Kurve (in diesem Falle die Erstbelastungskurve) gespeichert. Nachdem die Erstbelastungskurve wieder erreicht ist, wird diese weitergefahren, als ob keine Zwischenentlastung stattgefunden hätte. Analog wird am Punkt C verfahren. σ ( ε)

B

ε

C zieg06.skd 9,4 cm

Bild 2.9: Prinzip des Masing-Memory-Algorithmus

Einachsige nichtlineare Modelle

2.2

21

Materialmodell von Lambertz

Lambertz [13] untersucht eine zylindrische Gummiprobe, die er durch einfache Scherung belastet. Er kommt zu folgendem Modell:

plastisches Element

lineare Feder

lamb01.skd lamb01.skd 13,4cm cm 13,4

Bild 2.10: Modell von Lambertz Das Modell besteht aus einer linearen Feder, die mit einem plastischen Element parallelgeschaltet ist. Für das plastische Element wird ähnlich wie bei Ziegenhagen eine Gleichung für die Spannung σ als Funktion der Dehnung ε definiert:

σ(ε ) = sign (ε& )R ln (1 + ρL ε − ε U )+ σ U .

(2.11)

Dabei sind σ U und ε U die Spannung bzw. die Dehnung am Umkehrpunkt der Belastung sowie R und ρL Materialparameter. Bild 2.12 zeigt beispielhaft eine Hystereseschleife nach Gleichung (2.11). σ ( ε)

ε

lamb02.skd 9,4 cm

Bild 2.12: Hystereseschleife des Lambertz-Modells

Einachsige nichtlineare Modelle

22

Viskose Effekte modelliert Lambertz nicht wie Ziegenhagen über Dämpfer, sondern über eine Abklingfunktion. Das bedeutet: Bei Berechnung der Spannungsänderung aus einer Dehnungsänderung muß immer die gesamte Belastungsgeschichte (jeweils gewichtet mit der Abklingfunktion) berücksichtigt werden. Eine Fallunterscheidung nach Erstbelastung aus dem ungestörten Zustand und Belastung nach dem ersten Belastungswechsel ist im Lambertz-Modell nicht vorgesehen. Den BauschingerEffekt mit Symmetrie zum Ursprung kann das plastische Element allein daher nicht beschreiben.

2.3

Vergleich der Modelle von Ziegenhagen und Lambertz

Der prinzipielle Aufbau beider Modelle ist ähnlich. Beide verwenden Kurvenlinealmodelle für das plastische Element mit stets gleichbleibender Anfangssteigerung nach jedem Belastungswechsel. Die wesentlichen Unterschiede beider Modelle sind: Ê Ziegenhagen verwendet eine Exponentialfunktion für das plastische Element und Lambertz eine Logarithmusfunktion und Ê die viskosen Effekte werden bei Ziegenhagen über Dämpfer und damit über innere Variablen beschrieben, während bei Lambertz ein Geschichtsfunktional verwendet wird. Bei der Modellierung des in Experimenten zu beobachtenden symmetrischen Bauschinger-Effektes scheint das Ziegenhagen-Modell dem Lambertz-Modell überlegen zu sein. Dies wird durch Speicherung von vorher durchlaufenen Kurvenästen erreicht. Wird der alte Kurvenast wieder erreicht, so folgt das Modell dem alten Kurvenast. Im Hinblick auf eine dreidimensionale Erweiterung des Modells ist die Vorgehensweise jedoch problematisch, da ein vorher durchlaufener Kurvenast im dreidimensionalen Raum nicht wieder erreicht werden muß. Auch die Speicherung der Spannungswerte am Umkehrpunkt der Belastung läßt sich nicht direkt auf den dreidimensionalen Fall übertragen. Zum Erkennen des Belastungswechsel ließe sich das Konzept der plastischen Fließflächen heranziehen mit der entsprechenden Definition von Belastung und Entlastung. Anstelle der Speicherung der Spannungen am Umkehrpunkt im einachsigen Modell scheint das Konzept der kinematischen Verfestigung für die dreidimensionale Verallgemeinerung geeignet.

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

3

Grundlagen der Kontinuumsmechanik [12, 14, 15, 16]

3.1

Plazierungen eines Körpers

23

Im Sinne der Kontinuumsmechanik besteht ein Körper aus unendlich vielen Teilchen X, die eine dreidimensionale glatte Mannigfaltigkeit bilden. Diese Mannigfaltigkeit ist zunächst nicht gebunden an einen euklidischen Raum und eine definierte Zeit. Man spricht von einem abstrakten Körper. (Bild 3.5) Zu jeder Zeit t nimmt der Körper eine Momentanplazierung c ein. Das bedeutet: Jedem Teilchen X wird zur Zeit t ein Ortsvektor x zugewiesen:

x = c (X, t ).

(3.1)

Die entsprechende inverse Abbildung lautet:

X = c −1 (x, t ).

(3.2)

Damit ist der Körper in einen dreidimensionalen euklidischen Raum eingebettet. Die Gesamtheit der Plazierungen c (X, t ) bezeichnet man als Bewegung des Körpers. Es wäre möglich, die Kontinuumstheorie nur mit der Plazierung c als Abbildung zwischen einem abstrakten Vektorraum und dem euklidischen Raum aufzubauen. Dann sind alle Plazierungen, die der Körper einnehmen kann, gleichberechtigt. Man spricht von der intrinsischen Beschreibungsweise [6, 17]. In der von Truesdell und Noll [18] begründeten Kontinuumstheorie bildet die abstrakte Abbildung c nur den Ausgangspunkt der Theorie. Dann wird eine spezielle Plazierung k als Bezugsplazierung gewählt:

X = k (X ).

(3.3)

Die dazu inverse Abbildung lautet:

X = k −1 (X ).

(3.4)

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

24

Abstrakter Körper: Mannigfaltigkeit von Teilchen X Abstrakter Vektorraum Abbildung κ(.)

Euklidischer Raum

Abbildung χ(.)

Momentanplazierung zur Zeit t

Bezugsplazierung

kp1.skd 14,7 cm

Bild 3.5: Plazierung als Abbildung zwischen einem abstrakten Vektorraum und einem euklidischen Raum Die Bezugsplazierung ist eine Plazierung, die ein Körper bzw. ein Element theoretisch einnehmen könnte, real jedoch zu keinem Zeitpunkt einnehmen muß, da dies eine für die Theorie unnötige Einschränkung wäre. Für den Fall, daß ein Körper die Bezugsplazierung real zu einem Referenzzeitpunkt t 0 eingenommen hat, gilt:

X = k (X ) = ~ c (X, t 0 ) .

(3.6)

Die Bewegung des Körpers läßt sich als Abbildung von der Bezugsplazierung auf die Momentanplazierung beschreiben:

(

)

x= ~ c (X, t ) = ~ c k −1 (X ), t = c (X , t ).

(3.7)

Im Gegensatz zur intrinsischen Beschreibungsweise wird bei Truesdell und Noll die Bewegung durch die Abbildung c zwischen zwei Plazierungen beschrieben, die beide im euklidischen und damit beobachtbaren Raum liegen. Die intrinsische Beschreibungsweise entstand aus der Kritik, daß in der herkömmlichen Beschreibungsweise nach Truesdell und Noll eine bestimmte Plazierung, nämlich die Bezugsplazierung, gegenüber allen anderen Plazierungen ausgezeichnet ist. Die Wahl der Bezugsplazierung ist in den meisten Fällen vollkommen willkürlich. Nur für rein elastische Körper liegt es nahe, eine entspannte Konfiguration als Bezugsplazierung zu wählen. Selbst in diesem Falle ist jedoch die Bezugsplazierung nur bis auf eine Starrkörperverschiebung vorgezeichnet. Die intrinsische Theorie verzichtet daher vollkommen auf eine Bezugsplazierung.

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

25

Die Mehrzahl der Kontinuumsmechaniker wählt dennoch die Beschreibungsweise nach Truesdell und Noll, da diese leichter zugänglich ist. Auch in der vorliegenden Arbeit wird diese Beschreibungsweise gewählt.

3.2

Deformationsgradient, Verschiebungsgradient, Verzerrungsmaße

Bild 3.13 zeigt den Körper in der Bezugsplazierung und in der Momentanplazierung. Der Körper wird mit allgemeinen krummlinigen Koordinaten beschrieben [19, 20]. In der Momentanplazierung werden die Koordinaten ξ j , in der Bezugsplazierung die Koordinaten ξ J verwendet. Speziell soll gelten, daß ein Teilchen X in beiden Plazierungen durch den gleichen

(

) (

)

Tupel ξ1 , ξ 2 , ξ3 = ξ1 , ξ 2 , ξ 3 identifiziert wird. Die Koordinatenlinien werden also mit dem Körper deformiert, man spricht auch von körperfesten Koordinaten: *) **)

ξ j = δ Lj ξ L .

(3.8)

Die kovariante Basis für die Bezugsplazierung ist definiert als

GL :=

∂X ∂ξ L

(3.9)

und für die Momentanplazierung als

gi :=

∂x . ∂ξi

(3.10)

Die entsprechenden kontravarianten Basen sind dann

*)

GL =

∂ξ L , ∂X

(3.11)

gi =

∂ξ i . ∂x

(3.12)

Die in (3.8) ebenso wie im folgenden verwendete Summenkonvention von Einstein besagt: Tritt ein Index in einem Produkt mehrerer tensorwertiger Größen zweimal auf, und zwar einmal in kovarianter Stellung (unterer Index) und einmal in kontravarianter Stellung (oberer Index), so wird über diesen Index von 1 bis n summiert, wobei n die Dimension des Raumes ist. Für den dreidimensionalen Raum gilt dann: 3

a j b j = ∑ a j b j = a 1 b1 + a 2 b 2 + a 3 b 3 j=1

**)

Das in (3.8) verwendete Kronecker-Symbol δ kj hat die Eigenschaft

1 δ kj =  0

für j = k für j ≠ k

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

26

ξ2

ξ2

F

G1

ξ1

g2

u

G2

g1

ξ

1

x Bezugsplazierung

X

Momentanplazierung zur Zeit t

kp2.skd 13,6 cm

Bild 3.13: Transformation von der Bezugsplazierung in die Momentanplazierung Den Gradienten der linearen Abbildung (3.7) bezüglich X

F := grad X x = grad c (X , t ) =

∂x ∂X

(3.14)

bezeichnet man als Deformationsgradienten. Dieser läßt sich auch mit Hilfe der soeben eingeführten Basisvektoren schreiben:

F=

 ∂x ∂x = δ kL  k ∂X  ∂ξ

*)

T

  ∂ξ L  T  ⊗   = δ kL g k ⊗ G L . X ∂   

(3.15)

Die Basis von F enthält einen Basisvektor aus der Momentanplazierung und einen Basisvektor aus der Bezugsplazierung. Man spricht von einer gemischten Basis. Die Transformation eines der beiden Basisvektoren in die jeweils andere Plazierung wäre möglich, erfordert aber sogenannte euklidische Versetzer [14]. Die Differenz zwischen dem Ortsvektor eines Teilchens in der Momentanplazierung und dem Ortsvektor desselben Teilchens in der Bezugsplazierung läßt sich als Verschiebungsvektor u deuten: u=x−X.

*)

(3.16)

In (3.15) wird durch ⊗ ein sogenanntes dyadisches Produkt symbolisiert. Das dyadische Produkt eines Tensors n-ter Stufe und eines Tensors m-ter Stufe liefert einen Tensor der Stufe (n+m). Bsp.: a ⊗ b T = A entspricht a j b k = A jk

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

27

Gradientenbildung an (3.16) liefert den Verschiebungsgradienten

H := grad X u =

∂x − 1 = F − 1, ∂X

(3.17)

der (falls keine euklidischen Versetzer verwendet werden) ebenfalls in einer gemischten Basis aus Bezugs- und Momentanplazierung dargestellt wird. In (3.17) bezeichnet 1 den Einheitstensor. Um den Begriff der Verzerrung zu definieren, wird zunächst eine infinitesimale Umgebung

(X )

des Teilchens X in der Bezugsplazierung betrachtet.

(X )

wird charakterisiert

durch ein beliebiges infinitesimales Linienelement dX . Dieses Linienelement transformiert sich mit Hilfe des Deformationsgradienten in die Momentanplazierung:

dx = F dX .

*)

(3.18)

Die Verzerrung der Umgebung

(X ) wird vollständig beschrieben durch die Transformation

der Metrik dreier linear unabhängiger Linienelemente dX1 , dX 2 und dX 3 von der Bezugsplazierung in die Momentanplazierung. Zu betrachten sind also folgende sechs Skalarprodukte:

*)

dx1T dx1 = dX1T FT F dX1 ,

(3.19)1

dx1T dx 2 = dX1T FT F dX 2 ,

(3.19)2

dx1T dx 3 = dX1T FT F dX 3 ,

(3.19)3

dx T2 dx 2 = dX T2 FT F dX 2 ,

(3.19)4

dx T2 dx 3 = dX T2 FT F dX 3 ,

(3.19)5

dx 3T dx 3 = dX 3T FT F dX 3 .

(3.19)6

In (3.18) bedeutet F dX die skalare Überschiebung (oder auch skalare Multiplikation) zweier Tensoren, in diesem Falle eines Tensors 2. Stufe mit einem Tensor 1. Stufe. Im folgenden ist bei symbolischer Schreibweise immer eine skalare Überschiebung gemeint, falls kein Operator zwischen zwei Tensoren geschrieben wird. Bsp.:

aT b = s

entspricht

a j bj = s

Ab=c

entspricht

A j bk = c j

AB=C

entspricht

A j B ks = C js

k

k

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

28

Das heißt: Bei Kenntnis des Tensors

C := FT F

(3.20)

hat man alle Informationen über Längen- und Winkeländerungen in einer Umgebung

(X )

des Teilchens X , man kennt also die Verzerrungen an der Stelle X . Dabei bezeichnet C den rechten Cauchy-Green-Verzerrungstensor. Einsetzen von (3.15) in C liefert

(

)

(

T

)

T

C = δiL GL ⊗ giT δ kM gk ⊗ GM = δiL δ kM g ik GL ⊗ GM .

(3.21)

Beide Basisvektoren von C liegen (falls keine euklidischen Versetzer verwendet werden) in der Bezugsplazierung. Die Koordinaten g ik sind die kovarianten Metrikkoordinaten der Momentanplazierung. Man bezeichnet C daher auch als Metrik. In analoger Weise definiert man den linken Cauchy-Green-Verzerrungstensor:

B := F FT ,

(3.22)

für den nach Einsetzen von (3.15) folgt:

(

T

)

(

)

B = δiL gi ⊗ GL δ kM GM ⊗ gTk = δiL δ kM G LM gi ⊗ gTk .

(3.23)

Beide Basisvektoren von B liegen (falls keine euklidischen Versetzer verwendet werden) in der Momentanplazierung, G LM sind die kontravarianten Metrikkoordinaten der Bezugsplazierung. B kann also ebenfalls als Metrik bezeichnet werden. Aus dem rechten Cauchy-Green-Verzerrungstensor leitet sich ein weiteres gebräuchliches Verzerrungsmaß ab, der Green-St.Venant-Verzerrungstensor

E :=

1 (C − 1), 2

(3.24)

während sich aus dem linken Cauchy-Green-Verzerrungstensor der Hamel-Almansi-Verzerrungstensor

e := ableitet.

(

)

1 1 − B−1 . 2

(3.25)

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

29

E hat seine Basis in der Bezugsplazierung, e in der Momentanplazierung. Die beiden Verzerrungstensoren lassen sich mit einer sogenannten pull-back-Operation ineinander umrechnen:

E = FT e F .

(3.26)

In der Literatur sind zahlreiche weitere Verzerrungsmaße für verschiedenste Anwendungen zu finden. Alle Verzerrungstensoren sind symmetrisch, enthalten also sechs wesentliche Komponenten, was den sechs Informationen über Längen- und Winkeländerungen (3.19)1 bis (3.19)6 entspricht. Aus dem Green-St.Venant-Verzerrungstensor entsteht durch Linearisierung der elementare lineare Verzerrungstensor

(

)

~ 1 E := H + HT , 2

(3.27)

der in kartesischen Koordinaten die Form

 ∂u 1  ∂u ∂v  +    x ∂ 2  ∂y ∂x   ~  ∂v E= y ∂  symmetr.  

1  ∂u ∂w   +   2  ∂z ∂x   1  ∂v ∂w   T  +   ei ⊗ e j 2  ∂z ∂y   ∂w   ∂z 

(3.28)

hat. Nur für kleine Deformationen (das heißt kleine Verzerrungen und kleine Drehungen) können

der

Green-St.Venant-Verzerrungstensor

und

der

lineare

Verzerrungstensor

miteinander identifiziert werden:

E=

3.3

(

)

~ 1 T H H + H + HT ≈ E . 2

(3.29)

Verformungsgeschwindigkeiten

Der räumliche Geschwindigkeitsgradient hat seine Basis in der Momentanplazierung. Er ist definiert als T

∂x& & −1  ∂x&   ∂ξ j  j & L := grad x x& = = F F =  j  ⊗   = g j ⊗ g . ∂x  ∂ξ   ∂x 

(3.30)

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

30

Der symmetrische Anteil von L heißt Streckungsgeschwindigkeitstensor:

D :=

(

)

1 L + LT . 2

(3.31)

Den antisymmetrischen Anteil von L bezeichnet man als Drehgeschwindigkeitstensor:

W :=

(

)

1 L − LT . 2

(3.32)

Zwischen den materiellen Zeitableitungen des rechten Cauchy-Green-Verzerrungstensors und dem Streckungsgeschwindigkeitstensor besteht der Zusammenhang:

& = 2 FT D F . C

3.4

(3.33)

Zerlegung von Deformationen, multiplikative Zerlegung des Deformationsgradienten

Der für kleine Deformationen gültige lineare Verzerrungstensor läßt sich additiv zerlegen:

~ ~ ~ ~ E = E1 + E 2 + E3 + ...

(3.34)

~ ~ ~ Für die Teilverzerrungen E1 , E 2 , E3 , ... gelten zunächst keine Einschränkungen. Die Zerlegung kann durchaus rein lokal vorgenommen werden. Das Feld der Teilverzerrung über den Körper muß keinen kompatiblen Verzerrungszustand ergeben. Es ist denkbar, daß für die verschiedenen Teilverzerrungen verschiedene Materialgleichungen gelten sollen, die sich dann zu einem Gesamtstoffgesetz zusammenfügen. Eine spezielle Zerlegung ist die in elastische und plastische Teilverzerrungen:

~ ~ ~ E = Ee + E p .

(3.35)

Die plastischen Verzerrungen sind diejenigen Verzerrungen, die nach vollständiger Entlastung des Körpers verbleiben. Ist der Verzerrungszustand eines Körpers inhomogen, so verbleiben im allgemeinen nach der Entlastung des Körpers Eigenspannungen. Daher muß man (gedanklich) jeden Materialpunkt einzeln entlasten. Diese lokale Betrachtung führt im allgemeinen zu einem nicht kompatiblen Verzerrungszustand sowohl für die elastischen als auch für die plastischen Teilverzerrungen.

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

31

Die Kinematik der Zerlegung endlicher (also nicht kleiner) Deformation in Teildeformationen wurde in der Literatur vielfach diskutiert [21, 22, 23, 24, 25]. Eine additive Zerlegung der Verzerrungen ist bei endlichen Deformationen nicht mehr möglich, vielmehr muß der Deformationsgradient multiplikativ zerlegt werden:

F = ...F3 F2 F1

(3.36)

(X ) eines Teilchens wird mit der Zerlegung

Ein beliebiges Linienelement der Umgebung (3.36) in mehreren Teilschritten deformiert:

( ( ( dx = F dX = F3 F2 (F1 dX ) = F3 (F2 dx1 ) = F3 dx 2 = dx 3

F1

dX

Bezugsplazierung

(3.37)

F2 dx1

F3 dx2 dx = dx3

Zwischenplazierung 1

Zwischenplazierung 2 F

kp3.skd 13,6 cm

Momentanplazierung

Bild 3.38: Multiplikative Zerlegung des Deformationsgradienten In Bild 3.38 ist die Transformation des Linienelementes dX in die verschiedenen Plazierungen skizziert. Aus der Bezugsplazierung transformiert sich dX mittels F1 in die Zwischenplazierung 1, aus der Zwischenplazierung 1 mittels F2 in die Zwischenplazierung 2 und schließlich aus der Zwischenplazierung 2 mittels F3 in die Momentanplazierung. Wie vorher bei der additiven Zerlegung der Verzerrungen kann auch die multiplikative Zerlegung rein lokal erfolgen, die Zwischenplazierungen müssen nicht kompatibel sein. Daher sind F1 , F2 , F3 , ... im allgemeinen keine Gradienten eines stetigen Vektorfeldes. Der klassische Anwendungsfall der multiplikativen Zerlegung ist die Plastizitätstheorie. Die Zerlegung lautet dann:

F = Fe Fp .

(3.39)

Durch (gedachte) lokale Entlastung jedes einzelnen Materialpunktes des Körpers gelangt man von der Momentanplazierung zur sogenannten plastischen spannungsfreien Zwischenplazie-

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

32

rung, die bei inhomogenen Deformationen im allgemeinen kein kompatibles Feld von Materialteilchen darstellt (Bild 3.40).

Fp

Bezugsplazierung

Fe

plastische Zwischenplazierung

Momentanplazierung

F

kp4.skd 10,2 cm

Bild 3.40: Nicht-kompatible plastische Zwischenplazierung In dieser Arbeit wird der Deformationsgradient zerlegt in einen rein elastischen Anteil Fe und einen viskoplastisch-elastischen Anteil Fv

F = Fe Fv .

(3.41)

Für beide Anteile der Deformation wird jeweils ein Stoffgesetz formuliert. Das Stoffgesetz für

Fv hat neben viskoplastischen auch elastische Eigenschaften. Daher muß die Zwischenplazierung nicht spannungsfrei sein. *) Vielmehr wird der Zwischenplazierung, die ja ohnehin fiktiv ist, gar keine eindeutige Spannung zugeordnet. Zur Verdeutlichung der Vorgehensweise ist in Bild 3.42 ein rheologisches Modell abgebildet, das einen analogen einachsigen Fall darstellt: Die Gesamtdeformation setzt sich zusammen aus einem viskoplastisch-elastischen Anteil und einem rein elastischen Anteil, die in Reihe geschaltet sind. Für beide Anteile gelten bestimmte Stoffgesetze. Der Zwischenkonfiguration, in der nur der rein elastische Anteil der Deformation verschwindet, kann keine eindeutige Kraft zugeordnet werden.

*)

Die Problematik der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration wird in Anhang A durch ein Beispiel aus der Plastizitätstheorie veranschaulicht.

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

Bezugskonfiguration

Zwischenkonfiguration: Keine eindeutige zugeordnete Kraft

Kraft P0 = 0

33

Momentankonfiguration P1 > 0

P1 > 0

Feder 1 entspannt

Feder 1 ausgelenkt

Feder 1 ausgelenkt

Feder 2 entspannt

Feder 2 entspannt

Feder 2 ausgelenkt

nicht_sf.skd 15,3 cm

Bild 3.42: Reihenschaltung eines viskoplastisch-elastischen Anteils (oben) mit einem rein elastischen Anteil (unten) Die kovariante Basis für die Zwischenplazierung ist definiert als

hkˆ :=

∂xˆ ˆ

∂ξˆ k

,

(3.43)

ˆ wobei xˆ der Ortsvektor und ξˆ k die Koordinaten in der Zwischenplazierung sind. Auch in der

Zwischenplazierung sollen körperfeste Koordinaten verwendet werden: ˆ ˆ ξˆ k = δ kj ξ j .

(3.44)

Die entsprechende kontravariante Basis lautet dann ˆ

ˆ

hk =

∂ξˆ k . ∂xˆ

(3.45)

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

34

Die Zerlegung (3.41) läßt sich mit Hilfe der Basisvektoren schreiben:

F=

∂x  ∂x   ∂xˆ   j = = δˆ ∂X  ∂xˆ   ∂X   k 

ˆ  ∂x   ∂ξˆ k   j  ⊗   ∂ξ   ∂xˆ 

(

T

   

 ˆ δ rL 

 ∂xˆ   ∂ξ L   rˆ  ⊗    ∂ξˆ   ∂X 

)

T ˆT =  δ kjˆ g j ⊗ hk  δ rLˆ hrˆ ⊗ GL ,  

ˆT

Fe = δ kjˆ g j ⊗ hk ,

T

  

(3.46)

(3.47)

(3.48)

T

Fv = δ rLˆ hrˆ ⊗ GL .

(3.49)

Fv wird demnach in einer gemischten Basis aus Bezugs- und Zwischenplazierung, Fe in einer gemischten Basis aus Zwischen- und Momentanplazierung dargestellt (falls keine euklidischen Versetzer verwendet werden).

3.5

Zerlegung der Verzerrungstensoren und Verformungsgeschwindigkeiten

In einer Basis der Bezugsplazierung lassen sich folgende Cauchy-Green-Verzerrungstensoren darstellen: T

C = FT F = δiL δ kM g ik GL ⊗ GM ,

(3.50) T

ˆ C v := FvT Fv = δ rLˆ δsM h rˆsˆ GL ⊗ GM .

(3.51)

Ihre Basis in der Zwischenplazierung haben:

ˆ := FT F = δ j δ k g hrˆ ⊗ hsˆ T , C jk e e e rˆ sˆ

(3.52)

ˆ := F FT = δrˆ δsˆ G LM h ⊗ hT . B rˆ sˆ v v v L M

(3.53)

Darstellbar mit einer Basis der Momentanplazierung sind:

B := F FT = δ Lj δkM G LM g j ⊗ gTk ,

(3.54)

Be := Fe FeT = δ rˆj δskˆ h rˆsˆ g j ⊗ gTk .

(3.55)

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

35

Aus den aufgeführten Cauchy-Green-Verzerrungstensoren berechnen sich entsprechende Green-St.Venant- bzw. Hamel-Almansi-Verzerrungstensoren Ê der Bezugsplazierung:

E :=

1 (C − 1), 2

E v :=

(3.56)

1 (Cv − 1), 2

(3.57)

E e := E − E v ,

(3.58)

Ê der Zwischenplazierung:

1 ˆ Eˆ e := C e −1 , 2

(

)

(3.59)

(

)

(3.60)

1 ˆ −1 eˆ v := 1 − B v 2

Eˆ := Eˆ e + eˆ v ,

(3.61)

Ê der Momentanplazierung:

e :=

(

)

(

)

1 1 − B−1 , 2

e e :=

(3.62)

1 1 − Be−1 , 2

(3.63)

e v := e − e e .

(3.64)

Diese lassen sich mit pull-back-Operationen ineinander umrechnen:

E = FT e F ,

E = FvT Eˆ Fv ,

Eˆ = FeT e Fe ,

(3.65)1

E v = FT e v F ,

E v = FvT eˆ v Fv ,

eˆ v = FeT e v Fe ,

(3.65)2

E e = FT e e F ,

Ee = FvT Eˆ e Fv ,

Eˆ e = FeT e e Fe .

(3.65)3

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

36

3.6

Zerlegung der Verformungsgeschwindigkeiten

Die Zerlegung (3.41) angewendet auf den Geschwindigkeitsgradienten liefert:

L = F&e Fe−1 + Fe F& v Fv−1 Fe−1 = F&e Fe−1 + Fe Lˆ v Fe−1 .

(3.66)

Dabei ist ˆ ∂xˆ& & −1 & = Fv Fv = hkˆ ⊗ hk Lˆ v := grad xˆ xˆ& = ∂xˆ

(3.67)

der viskoplastische Geschwindigkeitsgradient, dessen Basis in der entsprechenden Zwischenplazierung liegt. Er kann wiederum zerlegt werden in den viskoplastischen Streckungsgeschwindigkeitstensor

(

ˆ := 1 Lˆ + LˆT D v v v 2

)

(3.68)

und den viskoplastischen Drehgeschwindigkeitstensor

(

)

ˆ := 1 Lˆ − LˆT . W v v v 2

(3.69)

Hingegen läßt sich aus Gleichung (3.66) der Ausdruck

(

)(

)

T T T F&e Fe−1 = g& j ⊗ g j + δsˆj g j ⊗ h& sˆ δ rkˆ hrˆ ⊗ gk ≠ grad x x&

(3.70)

nicht sinnvoll als (elastischer) Geschwindigkeitsgradient deuten. Für die Zerlegung des Streckungsgeschwindigkeitstensors gilt die Formel

(

)

D = F− T E& v + E& e F−1 .

(3.71)

Der viskoplastische Anteil der Streckungsgeschwindigkeit transformiert sich von der Zwischenplazierung in die Momentanplazierung gemäß der Formel

ˆ F−1 = F− T E& F−1 . Fe− T D v e v

(3.72)

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

3.7

37

Spannungen

Der Cauchy-Spannungstensor T gibt die real vorhandenen Spannungen in der Momentanplazierung an. Aus T leiten sich durch Transformationsbeziehungen verschiedene andere Spannungstensoren ab. Der 1. Piola-Kirchhoff-Spannungstensor ist definiert als

TP := J T F− T ,

(3.73)

wobei J die Determinante des Deformationsgradienten ist. J bestimmt das Verhältnis der Dichte in der Bezugsplazierung zur Dichte in der Momentanplazierung:

J = det F =

ρ0 . ρ

(3.74)

Der 2. Piola-Kirchhoff-Spannungstensor wird definiert durch

T := J F−1 T F− T .

(3.75)

Analog zum 2. Piola-Kirchhoff-Spannungstensor läßt sich auch ein Spannungstensor in der Zwischenplazierung definieren:

Tˆ := J e Fe−1 T Fe− T ,

(3.76)

J e = det Fe .

(3.77)

3.8

Materialgesetze

3.8.1

Allgemeine Prinzipien

Die materialabhängige Antwort eines Körpers auf eine äußere Beanspruchung bezeichnet man als Materialgesetz. Für Materialgesetze fordert man einige grundlegende Prinzipien, die zum einen die Form des Materialgesetzes bestimmen oder die Form des Materialgesetzes vereinfachen und zum anderen mathematische und physikalische Widerspruchsfreiheit sicherstellen.

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

38

Die wichtigsten dieser Prinzipien sind: das Prinzip des Determinismus, das Prinzip des nachlassenden Erinnerungsvermögens, das Prinzip der lokalen Wirkung, das Prinzip der Objektivität, das Prinzip der Äquipräsenz. Das Prinzip des Determinismus sagt aus: Der aktuelle Spannungszustand eines Materialpunktes X wird bestimmt durch die Bewegung aller Teilchen des Körpers

zu allen Zeiten bis

zum aktuellen Zeitpunkt:

T (X, t ) =

t τ= −∞

( c(Z, τ), X, t )

, Z∈

.

(3.78)

Das Prinzip des nachlassenden Erinnerungsvermögens benennt eine Eigenschaft des Funktionals

in Gleichung (3.78): Man fordert, daß die Bewegung zu früheren Zeitpunkten geringe-

ren Einfluß auf den aktuellen Spannungszustand hat als die Bewegung zu späteren Zeitpunkten. Das Prinzip der lokalen Wirkung schränkt Gleichung (3.78) weiter ein und vereinfacht damit die Form des Materialgesetzes: Der Spannungszustand des Materialpunktes X soll nur bestimmt werden durch die Bewegung der Teilchen in der unmittelbaren Umgebung

T (X, t ) =

t τ= −∞

( c(Z, τ), X, t )

, Z∈

(X ).

(X ): (3.79)

Das Prinzip der Objektivität verlangt, daß die Materialgleichungen unabhängig vom Bezugssystem gelten müssen. Das Prinzip der Äquipräsenz fordert, daß in der Regel in allen Gleichungen des Materialgesetzes der gleiche Satz an unabhängigen Variablen auftritt. Das Prinzip wird begründet durch die Erfahrung, daß im allgemeinen eine klassische Entkopplung von physikalischen Phänomenen nicht erwartet werden kann [14]. So sollte beispielsweise in einem thermomechanischen Materialgesetz nicht a priori in der Spannungsgleichung nur eine Verzerrungsgröße und in der Wärmestromgleichung nur der Temperaturgradient als unabhängige Variable gewählt werden, da im allgemeinen eine thermomechanische Kopplung auftreten kann. Das Prinzip der Äquipräsenz ist anders als z. B. das Prinzip der Objektivität nicht zwingend. In manchen Fällen kann eine Entkopplung durch die Erfahrung begründet

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

39

sein. Es handelt sich also eher um einen Grundsatz, der manchmal sogar etwas eingeschränkt werden muß, falls sonst andere physikalische Prinzipien verletzt würden (siehe hierzu z. B. [26]).

3.8.2

Einfache Materialien

Folgt ein Material dem Prinzip der lokalen Wirkung, so muß die Bewegung der Umgebung

(X ) eines Teilchens X beschrieben werden, z. B. durch die Gradienten erster bis n-ter Ordnung an der Plazierungsfunktion x = c (X, t ) : ∂ c (X, t ) ∂ 2 c (X, t ) ∂ 3 c(X, t ) ∂ n c (X, t ) , , , ... , . 2 3 ∂X ∂X ∂ Xn ∂X

(3.80)

Der Gradient erster Ordnung ist der schon vorher eingeführte Deformationsgradient F . Geht nur F in die Materialgleichung ein, so spricht man von einem einfachen Material. Das allgemeine Materialgesetz eines einfachen Materials lautet:

T (X, t ) =

t τ= −∞

(F(X ), X, t ).

(3.81)

Alle klassischen Materialien der Elastizitätstheorie, der Viskoelastizitätstheorie und der (Visko-) Plastizitätstheorie sind einfache Materialien.

3.8.3

Zwangsbedingungen, speziell Inkompressibilitätsbedingung

Eine Zwangsbedingung ist eine spezielle Stoffeigenschaft, die die innere Bewegungsfreiheit eines Materials einschränkt. Sie ist eine rein geometrische Aussage. Eine Zwangsbedingung für einfache Materialien läßt sich formulieren als skalare Gleichung der Form

γ (F(t)) = 0 für −∞ < t < ∞ .

(3.82)

Diese Form der Zwangsbedingung läßt sich in äquivalente Formen in anderen Deformationsmaßen überführen, beispielsweise auch in eine Formulierung in C [14]:

λ(C(t)) = 0 für −∞ < t < ∞ .

(3.83)

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

40

Falls man solche Bewegungseinschränkungen fordert, ergeben sich Zwängungsspannungen

TZ , die nicht aus der Kinematik der zulässigen Verformungen bestimmbar sind. Der Spannungstensor zerlegt sich damit additiv in

T = TE + TZ ,

(3.84)

wobei nur der sogenannte Extraspannungstensor TE mit entsprechenden Materialgleichungen aus der Kinematik bestimmbar ist, während der Zwängungsspannungstensor nur aus den Spannungsrandbedingungen ermittelt werden kann. Für die Zwängungsspannungen fordert man, daß sie bei allen mit der Zwangsbedingung verträglichen Bewegungen des Materials keine innere Arbeit leisten:

tr(TZ D) = 0 .

(3.85)

Die Form der Zwängungsspannungen erhält man durch Ableitung von (3.83) nach der Zeit unter Berücksichtigung von (3.33)

 ∂ λ(C) &   ∂ λ(C) tr  2 FT D F C  = tr   ∂C  ∂C

(

) = 2 tr  F ∂λ∂C(C) F 



T

   D  = 0 .  

(3.86)

Der Vergleich von (3.85) und (3.86) führt auf

TZ = q F

∂ λ(C) T F , ∂C

(3.87)

wobei q ein zunächst unbestimmter skalarer Faktor ist. Für Elastomere fordert man (Quasi-)Inkompressibilität. Die Zwangsbedingung der Inkompressibilität lautet

γ (F) = det F − 1 = 0 .

(3.88)

Daraus folgt wegen C = F T F auch

λ(C) = det C − 1 = 0 .

(3.89)

Mit (3.87) folgt

TZ = q F

∂ (det C) T F . ∂C

(3.90)

Grundlagen der Kontinuumsmechanik

41

Für die Ableitung der 3. Invarianten J 3 (A) = det A eines beliebigen Tensors 2. Stufe A nach dem Tensor A selbst gilt die Formel (siehe z. B. [15])

∂ J 3 (A ) ∂ (det A ) = = J 3 (A ) A − T = (det A ) A − T . ∂A ∂A

(3.91)

Damit wird aus (3.90)

TZ = q (det C) F C −1 F T = q (det C) 1,

(3.92) (3.93)

woraus mit der Abkürzung p : = − q (det C) die Form der Zwängungsspannungen für inkompressible Materialien folgt:

TZ = − p 1.

(3.94)

Dabei ist p der hydrostatische Druck, der nicht aus der Kinematik, sondern nur über die Spannungsrandbedingungen bestimmbar ist.

42

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

4

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

4.1

Molekulare Struktur des gefüllten Elastomers

Elastomere (oder Kautschuke) sind amorphe, leicht vernetzte Polymere. Die Formgebung eines Elastomers erfolgt, bevor die Vernetzungspunkte vorhanden sind. Nach der Formgebung wird das Polymer durch eine chemische Reaktion vernetzt (vulkanisiert). Die chemischen Vernetzungen (oder auch Hauptvalenzbindungen) sind nicht lösbar, ohne das Elastomer zu zerstören. Daher lassen sich Elastomere nicht in einen geschmolzenen Zustand überführen. Beim Kontakt mit Lösungsmitteln quellen sie, lösen sich aber nicht [27]. Je stärker ein Elastomer vernetzt ist, desto steifer verhält es sich. Bild 4.1 zeigt schematisch ein ungefülltes Elastomer: Verschiedene einander durchdringende Makromoleküle sind an einzelnen Stellen durch Vernetzungspunkte miteinander verknüpft. Ungefüllte Elastomere verhalten sich mechanisch zwar stark nichtlinear, aber näherungsweise ideal-elastisch: Die gesamte Arbeit, die eine Kraft an dem Material leistet, wird vom Material mechanisch gespeichert. Es tritt keine Dissipation auf, das Material kehrt nach Entlastung in den ursprünglichen Zustand zurück [28].

Vernetzungspunkte

gummatr1.skd 8,7 cm

Bild 4.1: Struktur eines ungefüllten Elastomers Durch den Zusatz von Füllstoffen werden die mechanischen Eigenschaften des Elastomers verändert: Die Festigkeit, die Härte, die Steifigkeit und die Dämpfung nehmen zu, der Abrasionswiderstand erhöht sich, gleichzeitig vermindern sich die Elastizität und die Reißdehnung. Als Füllstoffe werden zumeist Rußpartikel verwendet, die dem Elastomer auch seine schwarze Farbe verleihen. Im gefüllten Elastomer bleibt die Struktur der einander durchdringenden mit Hauptvalenzbindungen verknüpften Makromoleküle unverändert. Man bezeichnet diese Struktur als Matrix. Zusätzlich zu den Hauptvalenzbindungen entstehen nun aber noch

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

43

Bindungen zwischen zwei oder mehr Füllstoffteilchen und Bindungen zwischen Füllstoffteilchen und der Matrix. Diese beiden Arten von Bindungen sind im Gegensatz zu den Hauptvalenzbindungen nicht fest, sie lösen sich bei einer kritischen Spannung; die beteiligten Ketten können dann segmentweise gleiten. Man spricht von einem Slipmechanismus [29, 30, 31, 32, 33, 34].

Vernetzungspunkte der Matrix Bindungen zwischen verschiedenen Füllstoffteilchen bzw. zwischen Füllstoffteilchen und der Matrix

gummatr2.skd 8,7 cm

Bild 4.2: Struktur eines gefüllten Elastomers

4.2

Struktur des Stoffgesetzes

Im gefüllten Elastomer behält die Matrix die mechanischen Eigenschaften des ungefüllten Elastomers; sie verhält sich also ideal-elastisch. Die Bindungen der Füllstoffteilchen sorgen für eine Erhöhung der Steifigkeit des gefüllten Elastomers im Vergleich zum ungefüllten. Mit ansteigender Spannung lösen sich jedoch mehr und mehr dieser Bindungen, so daß die Ketten zu gleiten beginnen. Man beobachtet eine kontinuierliche Abnahme der Steifigkeit mit ansteigender Last, da mikroskopisch die kritische Spannung der einzelnen Bindungen sich je nach Ausrichtung der beteiligten Ketten bei verschieden großen makroskopischen Lasten einstellt. Bei einer Belastungsumkehr bilden sich neue Füllstoff-Bindungen: Die Steifigkeit steigt wieder an. Beim Gleiten der Füllstoff-Bindungen beobachtet man Abhängigkeiten von der Belastungsgeschwindigkeit. Die mechanischen Eigenschaften des gefüllten Elastomers ergeben sich aus der Überlagerung der ideal-elastischen Eigenschaften der Matrix mit den Eigenschaften der Füllstoffteilchen.

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

44

Die Eigenschaften der Füllstoffteilchen sind dabei sowohl elastischer als auch viskoplastischer Natur. Dieser Sachverhalt wird durch Ersatzmodelle verdeutlicht. Bild 4.3 zeigt das Ersatzmodell eines ungefüllten Elastomers. Die vernetzten Ketten des ungefüllten Elastomers werden durch nichtlineare Federn ersetzt.

molmod1.skd 14 cm

Bild 4.3: Ersatzmodell für ein ungefülltes Elastomer Bild 4.4 zeigt das Ersatzmodell des gefüllten Elastomers. Die zusätzlichen Steifigkeiten, die durch die Bindungen der Füllstoffteilchen entstehen, werden ebenfalls durch nichtlineare Federn ersetzt. Da die Füllstoff-Bindungen aber lösbar sind, muß im Ersatzmodell jeweils ein Reibelement in Reihe geschaltet werden. Zur Abbildung der Geschwindigkeitsabhängigkeit wird dazu noch jeweils ein Dämpfer in Reihe geschaltet.

molmod2.skd 14 cm

Bild 4.4: Ersatzmodell für ein gefülltes Elastomer Es liegt nun nahe, im Sinne einer Überlagerung der Eigenschaften der Matrix und der durch die Füllstoffe hinzukommenden Eigenschaften zunächst zwei getrennte Stoffgesetze zu formulieren: ein ideal-elastisches Stoffgesetz für die Matrix M

T = M℘

( F) M

(4.5)

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

45

und ein elastisch-viskoplastisches Stoffgesetz für die der Matrix überlagerten Eigenschaften nach Hinzufügen der Füllstoffe: F

( )

T = F℘ F F .

(4.6)

Dieses zweite Stoffgesetz soll im folgenden kurz als Füllstoff-Materialgesetz bezeichnet werden. Die Funktionale

℘ und

M

F ℘ stehen für die zunächst noch allgemein gehaltenen

Stoffgesetze der Matrix bzw. der Füllstoffe. Falls die Deformationsgradienten

M

F und

F

F

für die gesamte Belastungsgeschichte bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt bekannt sind, lassen F sich mit Hilfe von M℘ und ℘ die Cauchy-Spannungen

M

T und F T für die Matrix bzw. für

die Füllstoffe berechnen. Im Ersatzmodell des gefüllten Elastomers (Bild 4.4) liest man ab, daß die Überlagerung der beiden Stoffgesetze einer Parallelschaltung entspricht. Es addieren sich also die Spannungen zu einer Gesamtspannung

T = MT + FT ,

(4.7)

während für beide Stoffgesetze die gleichen Deformationen angesetzt werden können: M

4.3

F = FF = F .

(4.8)

Hyperelastisches Gesetz für die Matrix des gefüllten Elastomers

Das Stoffgesetz für die Matrix des gefüllten Elastomers entspricht dem des ungefüllten Elastomers. Für ungefüllte Elastomere wird üblicherweise ein hyperelastisches Stoffgesetz verwendet. Das bedeutet: Für das Material existiert eine Verformungsenergiefunktion w, aus der sich durch Differenzieren nach dem rechten Cauchy-Green-Verzerrungstensor C der 2. PiolaKirchhoff-Spannungstensor berechnet: M

TE = 2 ρ0

∂ Mw . ∂C

(4.9)

Wegen der Inkompressibilität des Materials erhält man mit (4.9) nur den Extraspannungsanteil. Den Anteil der Zwängungsspannungen erhält man mit Hilfe der Spannungsrandbedingungen (siehe hierzu Kapitel 3.8.3).

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

46

Für isotropes Material ist die Verformungsenergiefunktion w nur eine Funktion der drei Invarianten von C :

w = w (J1 (C), J 2 (C), J 3 (C)),

(4.10)

J1 (C) = tr C ,

(4.11)

J 2 (C) =

[

( )]

1 (tr C)2 − tr C2 , 2

J 3 (C) = det C =

(4.12)

[

( ) ]

( )

1 (tr C)3 + 2 tr C3 − 3 tr C2 tr C . 6

(4.13)

Aus der Inkompressibilität folgt det F = 1

(4.14)

und damit

( )

J 3 (C) = det C = det FT F = (det F) = 1 . 2

(4.15)

Es verbleibt für w eine Abhängigkeit nur von der 1. und 2. Invarianten von C . Für die Verformungsenergiefunktion wurden zahlreiche Ansätze vorgeschlagen.

4.3.1

Ansatz von Mooney

Ein häufig verwendeter Ansatz ist der von Mooney [1]. Mooney hat für Gummi die Verformungsenergiefunktion M

w=

1 ρ

{ C [J (C)− 3] + M

1

1

M

vorgeschlagen. Darin sind

M

}

C 2 [J 2 (C) − 3]

C1 und

M

(4.16)

C 2 Werkstoffparameter und ρ die Dichte. Für die

Cauchy-Spannungen folgt mit Hilfe von (4.9) unter der Voraussetzung von Inkompressibilität: M

T = − p 1 + 2 MC1 B − 2 MC 2 B−1 ,

(4.17)

wobei p der hydrostatische Druck ist, der aus den Spannungsrandbedingungen bestimmt werden muß. Experimente haben ergeben, daß für die meisten Elastomere der Wert von etwa 10% des Wertes von

M

C1 beträgt [27].

M

C2

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

47

Gleichung (4.17) soll zunächst auf eine reine Scherung angewendet werden. Einen reinen Scherzustand erhält man, indem man an einer Rechteckscheibe auf der einen Seite eine Dehnung ε

*)

und senkrecht dazu eine Dehnung − ε aufbringt (Bild 4.18). −ε e ✶η

ey

e ✶ξ 45° e x

ε

−ε

ε

scher1.skd 7,7 cm

Bild 4.18: Reine Scherung Der zugehörige Deformationsgradient lautet (Inkompressibilität **) vorausgesetzt):

  0 0  1 + ε F =  0 1− ε 0  e i ⊗ e Tj .  1  0  0 1 − ε 2  

(4.19)

Daraus kann man den entsprechenden linken Cauchy-Green-Verzerrungstensor bezüglich einer um 45° gedrehten Basis berechnen:

 1 + ε 2 2ε  B =  2 ε 1 + ε2  0  0 

   ✶ ✶T  ei ⊗ e j .  2 ε2 − 1 

(

0 0 1

(4.20)

)

Aus dem Vergleich mit dem linearisierten Verzerrungstensor

 ε ξξ ~ 1 E = 2 γ ξη 2  2 γ ξζ 

*) **)

2 γ ξη ε ηη 2 γ ηζ

2 γ ξζ   1 2 γ ηζ  ≈ (B − 1) 2 ε ζζ 

∂u bezieht sich auf die entspannte Ausgangskonfiguration ∂X Für Inkompressibilität gilt det F = 1 ε = εX =

(4.21)

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

48

erhält man den Gleitwinkel

γ ξη ≈ 2 ε .

(4.22)

Setzt man nun (4.20) in (4.17) ein, folgt für den Cauchy-Spannungstensor bezüglich der um 45° gedrehten Basis:

M

 Mσξξ  T =  Mτξη  0 

0  T  0  ei✶ ⊗ e ✶j , M σςς 

τξη σηη

M M

0

(4.23)

M  C2  , τξη = 4 ε  M C1 + 2 2 ε − 1  

M

(

(4.24)

)

(

)

σ ξξ = Mσ ηη = − p + 2 MC1 1 + ε 2 −

M

σςς = − p +

M

2 MC1



2

)

−1

2

(

(

2 MC 2 1 + ε 2



2

)

−1

2

),

(4.25)

)

2

− 2 MC 2 ε 2 − 1 .

(4.26)

)

(4.27)

Aus (4.22) und (4.24) folgt:

τξη ≈ 2 γ ξη

M

(

M

C1 + MC2 .

Diese Näherung gilt für ε 0 ) als Voraussetzung

für (visko-)plastisches Fließen 2

(

F

T−

)>

F

k.

(4.71)

Bei Belastungsbeginn aus dem ungestörten Zustand heraus ist die kinematische Verfestigung zunächst gleich null. Für den Fließbeginn aus dem ungestörten Zustand heraus gilt somit

( T)= F

2

F

k.

(4.72)

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

59

Im Hauptspannungsraum mit F

T = σ I nI ⊗ nTI + σ II nII ⊗ nTII + σ III nIII ⊗ nTIII

(4.73)

folgt aus (4.72)

σ I + σ II + σ III − σ I σ II − σ I σ III − σ II σ III = F k , 2

2

2

(4.74)

die Gleichung eines Zylinders mit dem Radius

2 / 3 Fk

und der Achsrichtung

n = 1 / 3 [1 1 1]. Dies ist die Gleichung des von-Mises-Fließzylinders, der in Bild 4.75 im T

Hauptspannungsraum dargestellt ist: σIII

F

F

TZ3 = (0,0, k) n : Normalenvektor der Deviatorebene, Zylinderachse

Deviatorebene

Von-Mises-Fließzylinder Zylinderradius:

F

σII

TZ1 = ( F k,0,0) σI

F

TZ2 = (0, F k,0)

2 Fk 3

mis3.skd 15,7 cm

Bild 4.75: Von-Mises-Fließzylinder und Deviatorebene im Hauptspannungsraum Alle deviatorischen Spannungszustände liegen im Hauptspannungsraum in der Deviatorebene. Bei einer überlagerten hydrostatischen Spannung verschiebt sich der Spannungszustand lediglich in Richtung der Zylinderachse. Offensichtlich ist nur der Abstand von der Zylinderachse (also der Spannungsdeviator) für das plastische Fließen von Bedeutung. In Bild 4.75 sind die drei möglichen einachsigen Zugspannungszustände eingezeichnet, die zum Fließbeginn führen: F

TZ1 = F k nI ⊗ nTI ,

(4.76)

F

TZ 2 = F k nII ⊗ nTII ,

(4.77)

F

TZ3 = F k nIII ⊗ nTIII .

(4.78)

60

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

Die Projektion des Fließzylinders auf die Deviatorebene ist in Bild 4.79 dargestellt: σIII

Ev 2 Fk 3

σI

σII mroz1.skd 8,1 cm

Bild 4.79: Von-Mises-Fließfläche in der Deviatorebene des Hauptspannungsraumes Bei einem Spannungszustand innerhalb der Fließfläche ist gemäß (4.64) r& = 0 und damit nach ~& (4.63) auch E v = 0 . Falls die Belastung aus dem ungestörten Zustand heraus erfolgte und noch kein plastisches Fließen stattgefunden hat (das heißt für = 0 ), ist nach (4.65) auch & = 0 . Das Material verhält sich also rein elastisch. Bei Überschreiten der Fließfläche (mit ~& = 0 ) hat E v nach (4.63) die Richtung von F T′ , steht also senkrecht auf der Fließfläche.

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

4.4.2.2

61

Plastisches Modell von Mróz

Um sich das Prinzip der kinematischen Verfestigung gemäß (4.65) klar zu machen, kann man das plastische Modell von Mróz betrachten [37, 38]. Bild 4.80 zeigt die Deviatorebene des Hauptspannungsraumes für das Mróz-Modell. Es ist zunächst der ungestörte Zustand dargestellt, das heißt der Zustand ohne vorherige Belastungen. σIII

2 k 3 2

2 k 3 3

2 k 3 4 2 k 3 5

2 k 3 1

F5

σI

F1 F2

σII

F4

F3

mroz2.skd 8,1 cm

Bild 4.80: Mróz-Modell Der innere Kreis deren Kreise ( viatorebene

1 2

ist die Projektion der Fließfläche auf die Deviatorebene, während die an-

bis

5

darstellen.

) die Projektionen verschiedener Verfestigungsflächen auf die DeAlle

Flächen

n =1 / 3 [1 1 1]. Innerhalb der Fließfläche

sind

T

Erreicht der Spannungszustand

1

1

zylindrisch

mit

der

Zylinderachse

verhält sich das Material rein elastisch.

~& , beginnt das Material, plastisch zu fließen, wobei E v

senkrecht auf der Fließfläche steht. Gleichzeitig bewegt sich 1 mit der Verfestigungsrate ~& E Mr1 translatorisch in Richtung E v ; die Verfestigungsrate ist dabei definiert als Zunahme der Spannung pro Zunahme der inelastischen Dehnung. Nach weiterer Belastungssteigerung erreicht der Spannungszustand die Verfestigungsfläche

2

. Dieser Zustand ist in Bild 4.81 a

für eine Belastung in I-Richtung dargestellt. Anschließend bewegen sich 1 und 2 mit der ~& Verfestigungsrate E Mr 2 translatorisch in Richtung E v , wobei E Mr 2 kleiner als E Mr1 ist. Jedesmal, wenn die nächste Verfestigungsfläche erreicht wird, bewegen sich alle darin liegenden Verfestigungsflächen und die Fließfläche mit nach außen (Bild 4.81 b bis d). Die zu den Fließflächen gehörenden Verfestigungsraten nehmen nach außen hin ab. Bei Erreichen der äußersten Fläche

5

beträgt die Verfestigungsrate null,

5

ist also die Fläche der

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

62

Grenzspannungszustände, die nicht überschritten werden kann. Nach Belastungsumkehr verbleiben zunächst alle Verfestigungsflächen und die Fließfläche in ihrem aktuellen Zustand. Im Beispiel des Bildes 4.81 ist dies der Zustand d. Das Material verhält sich solange rein elastisch, bis der Spannungszustand die Fließfläche wieder erreicht. Da die Fließfläche in positiver I-Richtung verschoben ist, beginnt das Material nach Belastungswechsel bei einer kleineren Spannung plastisch zu fließen als bei Belastung aus dem ungestörten Zustand. Es wurde also durch die Vorbelastung eine Gegenspannung aufgebaut. Diese Gegenspannung bezeichnet man als kinematische Verfestigung. σIII

σIII

a)

σIII

b)

σII

σI

σI

Ev

σI

σII Ev

σIII e)

σII σI

σI

σII Ev

σIII d)

c)

σIII

Ev

f) Ev σII σI

σII

Ev mroz3.skd 15,8 cm

Bild 4.81: Mróz-Modell: Belastungswechsel in I-Richtung

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

63

Das zugehörige rheologische Modell für den einachsigen Spezialfall ist das Masing-Modell (Bild 4.82). Es besteht aus n Strängen (hier z. B. n = 4 ) mit jeweils einer Feder der Steifigkeit

E i und einem Reibelement der Fließgrenze σ Si .

σS1

σS2

σS3

σS4

E1

E2

E3

E4 masing2.skd 9,8 cm

Bild 4.82: Masing-Modell Das entsprechende Spannungs-Dehnungs-Diagramm zeigt Bild 4.83:

σ

E T2

E T3

E T4

ε

E T1

E T1 > E T2 > E T3 > E T4

masing3.skd 14,6 cm

Bild 4.83: Spannungs-Dehnungs-Diagramm des Masing-Modells Die Belastung wird aus dem ungestörten Zustand gesteigert. Alle vier Reibelemente sind zunächst

starr.

Die

Steigung

beträgt

E T1 .

Es

soll

angenommen

werden,

daß

σ S1 < σ S 2 < σ S 3 < σ S4 gilt. Bei Überschreiten einer Grenzspannung fließt dann zunächst das Reibelement σ S1 plastisch. Die Steigung beträgt dann nur noch E T2 . Bei weiterer Steigerung der Belastung fließen nacheinander auch die anderen Reibelemente. Die Steigung sinkt immer

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

64

weiter ab und beträgt schließlich null, wenn alle vier Reibelemente plastisch fließen. Dies entspricht der Grenzspannungsfläche

5

des Mróz-Modells. Nach Belastungsumkehr rasten alle

Reibelemente wieder ein. Die Steigung beträgt wieder E T1 . In allen vier Feder-ReibelementSträngen ist jetzt eine Gegenspannung (kinematische Verfestigung) aufgebaut, die dazu führt, daß erst nach der jeweils doppelten zurückgelegten Dehnung das plastische Fließen in negativer Richtung einsetzt. Dadurch beschreibt das Modell einen Bauschinger-Effekt. Das Einrasten der Reibelemente bei Belastungsumkehr bildet das Verhalten des gefüllten Elastomers ab: Bei Belastungsumkehr bilden sich neue Kontakte zwischen verschiedenen Füllstoffteilchen bzw. zwischen den Füllstoffteilchen und der Matrix (siehe Kapitel 4.2). Die vorher segmentweise abgleitenden Ketten rasten wieder ein. Die Steifigkeit erreicht wieder den Ausgangswert bei Belastungsbeginn aus dem ungestörten Zustand. Das Chaboche-Modell stellt ein kontinuierliches Mróz-Modell dar mit unendlich vielen unendlich dicht zusammen liegende Verfestigungsflächen zwischen sche Verfestigung

1

und

5

. Die kinemati-

läßt sich als Abstand vom Ursprung des Hauptspannungsraums zur

Achse des Fließzylinders

1

interpretieren (Bild 4.84). Die Entwicklungsgleichung (4.65)

gibt die Verfestigungsraten an, die kontinuierlich mit dem Abstand vom Ursprung absinken. Der Radius der Grenzspannungsfläche

5

des Chaboche-Modells beträgt

2 / 3 ( Fk + FC / Fγ ) .

σIII

Radius von

1

:

2 Fk 3

n 1 : Zylinderachse der Fließfläche n 5 : Zylinderachse der Grenzspannungsfläche

5

X

σII Radius von

5

:

2 ( Fk+ FC/ Fγ) 3

σI

chab1.skd 16,0 cm

Bild 4.84: Chaboche-Modell im Hauptspannungsraum

1

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

4.4.3

65

Entwicklung des Füllstoff-Materialgesetzes aus dem Chaboche-Modell

Um ein Materialgesetz für die Füllstoffe des Elastomers zu erhalten, muß das Chaboche-Modell entsprechend angepaßt werden. Zu diesem Zwecke wird das Modell zunächst auf eine einachsige Belastung angewendet. Die linearisierten Verzerrungstensoren (Gesamtverzerrungen und viskoplastische Verzerrungen) und der Spannungstensor haben (Inkompressibilität vorausgesetzt) bei einer einachsigen ZugDruck-Belastung die Form:

~ 1 1 E = ε ein nI ⊗ nTI − ε ein nII ⊗ nTII − ε ein nIII ⊗ nTIII , 2 2

(4.85)

~ 1 1 E v = ε v , ein nI ⊗ nTI − ε v , ein nII ⊗ nTII − ε v , ein nIII ⊗ nTIII , 2 2

(4.86)

F

Tein = Fσein nI ⊗ nTI .

(4.87)

Die kinematische Verfestigung hat wegen (4.70) die Form

=

′=

2 3

ein

nI ⊗ nTI −

1 3

ein

nII ⊗ nTII −

1 3

ein

nIII ⊗ nTIII .

(4.88)

~& ~& Die Operation tr  E v E v  angewendet auf Gleichung (4.63) liefert   r& =

2  ~& ~&  tr  E v E v  .  3 

(4.89)

Für den einachsigen Fall bedeutet das

r& = ε& v , ein .

(4.90)

Die Gleichungen (4.62), (4.64) und (4.65) werden dann für den einachsigen Fall zu ε ein − ε v , ein =

1 F σein , E

(4.91)

F

F

(

ε& v , ein = sign σein − &

ein

F

ein

)

= FC ε& v , ein − Fγ ε& v , ein

(

σein −

F

F

ein

n

− Fk

,

K

(4.93)

ein

= FC ε& v , ein − sign Fσein −

(4.92)

ein

)

γ ε& v , ein

F

ein

.

(4.94)

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

66

Die Evolutionsgleichung (4.93) läßt sich für

ein

(ε ) = sign (ε& ) v , ein

v , ein

   Dabei sind

ein , U

ein , U

ein

=

ein

(ε ) lösen: v , ein

F

C + γ

F

− sign (ε& v , ein )

(4.95)

C  exp − sign (ε& v , ein ) Fγ (ε v , ein − ε v , ein , U ) γ 

F

F

[

]

und ε v , ein , U die kinematische Verfestigung bzw. die viskoplastische Deh-

nung am letzten Belastungsumkehrpunkt. In Gleichung (4.95) kann man ablesen, daß die kinematische Verfestigung den Wert

ein , grenz

=

F

C γ

(4.96)

F

nicht überschreiten kann. Die Projektion dieses Grenzwertes (addiert mit dem der Fließgrenze F

k ) auf die Deviatorebene liefert den Radius des Grenzspannungszylinders

5

(siehe Bild

4.84). In Bild 4.97 ist

ein

gemäß Gleichung (4.95) für einen vorgegebenen Verlauf ε v , ein (t ) aufge-

tragen: ε v,ein

ein

t ε v,ein

chab1x.skd 11,2 cm

Bild 4.97: Kinematische Verfestigung über der viskoplastischen Dehnung Durch entsprechende Anpassung der Parameter lassen sich die Spannungs-DehnungsVerläufe des Ziegenhagen-Modells reproduzieren (siehe Bild 2.6). Die kinematische Verfestigung beschreibt also die charakteristischen Hystereseschleifen mit BauschingerEffekt des gefüllten Elastomers. Das Chaboche-Modell liefert jedoch nur physikalisch sinnvolle Spannungs-Dehnungs-Verläufe für eine Fließgrenze

F

k = 0 . Das bedeutet: Schon

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

67

mit Belastungsbeginn setzt der Effekt der kinematischen Verfestigung ein. Würde man F

k > 0 wählen, könnte man für kleine Amplituden keinen Bauschinger-Effekt modellieren.

Daß die Wahl

F

k = 0 sinnvoll ist, soll mit den Bildern 4.100, 4.103 und 4.104 demonstriert

werden: Für verschiedene Werte des Parameters

F

k sind bei einer vorgegebenen harmoni-

schen Dehnung εein (t ) die Berechnungsergebnisse des Chaboche-Modells in Form von Hystereseschleifen dargestellt. Zur Veranschaulichung ist in jedem Bild eine entsprechende mehrachsige Belastung im Hauptspannungsraum mit der Fließfläche nungsfläche

5

1

und der Grenzspan-

skizziert. Die Berechnungen der Hystereseschleifen erfolgten durch numeri-

sche Auswertung der Gleichungen (4.91) bis (4.93), wobei die Parameter passend gewählt wurden. In Bild 4.100 wurde

F

k > FC / Fγ gewählt. Es stellt sich eine Hysterese ein, die typisch für

Metallplastizität ist. Im

σein - ε ein -Diagramm liest man die Dehnung am oberen Umkehr-

F

punkt ab:



v , ein

= ε v , ein , U , ε e, ein = ε e, ein , U }.

(4.98)

Nach dem oberen Umkehrpunkt wird entlastet; der Spannungszustand liegt dann (nach Abbau der viskosen Überspannung) innerhalb der Fließfläche Wegen 1

F

1

, so daß gemäß (4.92) ε& v , ein = 0 gilt.

k > C / γ liegt der Ursprung des Spannungsraums ( F T = 0 ) immer innerhalb von F

F

. Daher ändert sich die viskoplastische Dehnung ε v , ein während der gesamten Entlastung

nicht (falls man ε& v , ein vor Abbau der viskosen Überspannung vernachlässigt). Während der Entlastung bis zum vollständigen Spannungsabbau bleibt demnach die viskoplastische Dehnung konstant ( ε v , ein = const = ε v , ein , U ). Der Dehnungszustand nach vollständiger Entlastung (Punkt B im Fσein - ε ein -Diagramm) lautet:



v , ein

= ε v , ein , U , ε e, ein = 0}.

(4.99)

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

68

Den Dehnungszustand {ε v , ein = ε v , ein , U , ε e, ein = 0} kann man als Zwischenkonfiguration be-

zeichnen, die dem Dehnungszustand am oberen Umkehrpunkt {ε v , ein = ε v , ein , U , ε e, ein = ε e, ein , U } zugeordnet ist. Eine solche Zwischenkonfiguration läßt sich für jeden Dehnungszustand erklären, indem einfach die aktuelle elastische Dehnung ε e, ein null gesetzt wird. Jeder dieser Zwischenkonfigurationen ist im Fall

F

k > FC / Fγ eine real annehmbare spannungsfreie Si-

tuation zugeordnet. εein

σein

F

t

F

σIII

k F

εein εein,U

B εe,ein,U

X

σein k

F

2 F k 3

2 ( F k+ FC/ F ) γ 3

F

F

k > C / Fγ

1

εv,ein,U

εv,ein

σI

σII

5

hystvg1.skd 15,3 cm

Bild 4.100: Berechnete Hysterese für Fk > FC / Fγ mit Darstellung im Hauptspannungsraum

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

69

In Bild 4.103 wurde F k < FC / Fγ gewählt. Für diese Wahl liegt der Ursprung des Spannungsraums ( F T = 0 ) nicht mehr immer innerhalb der Fließfläche

1

. Die Dehnung am oberen

Umkehrpunkt ist wie vorher



v , ein

= ε v , ein , U , ε e, ein = ε e, ein , U }.

(4.101)

Auch hier ist bei Entlastung nach dem oberen Umkehrpunkt (nach Abbau der viskosen Überspannung) zunächst ε& v , ein = 0 . Bei weiterer Entlastung läuft der Spannungszustand aber wieder aus der Fließfläche

1

heraus (Punkt A im Fσein - ε ein -Diagramm). Danach gilt ε& v , ein < 0 ,

die viskoplastische Dehnung ε v , ein nimmt also bei weiterer Entlastung wieder ab. Dem Dehnungszustand am oberen Umkehrpunkt läßt sich formal wie vorher eine Zwischenkonfiguration {ε v , ein = ε v , ein , U , ε e, ein = 0} zuordnen (Punkt C im

σein - ε ein -Diagramm). Dieser Zustand

F

wird aber real nicht angenommen, die Zwischenkonfiguration ist also eine rein kinematische Betrachtung, der keine eindeutige Spannung zugeordnet werden kann. *) In der spannungsfreien Situation (Punkt B im Fσein - ε ein -Diagramm) ist der Dehnungszustand dagegen



e , ein

= 0 , ε v , ein = ε v , ein ,sf ≠ ε v , ein , U }.

εein

(4.102)

σein

F

σIII

t

F

F

A k

B

C εein,U εe,ein,U

εein

1

2 F k 3

2 ( F k+ FC/ F ) γ 3

X

σein

F

F

εv,ein

k εv,ein,sf εv,ein,U

k < FC / Fγ

σI

σII

5

hystvg2.skd 15,3 cm

Bild 4.103: Berechnete Hysterese für Fk < FC / Fγ mit Darstellung im Hauptspannungsraum

*)

Siehe zur Zwischenkonfiguration auch das Beispiel in Anhang A.

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

70

F

In Bild 4.104 wurde

k = 0 gewählt. Die sich einstellende Hysterese bildet qualitativ das

Verhalten eines gefüllten Elastomers ab. Auch im Fall

F

k = 0 gilt, daß die Zwischenkonfi-

guration, die durch Nullsetzen der aktuellen elastischen Dehnung ε e, ein entsteht, real im allgemeinen nicht angenommen wird. εein

σein

F

σIII

t F

εein 2 FC / Fγ 3

k=0

1

X

σein

F

εv,ein σI

σII

5

hystvg3.skd 15,3 cm

Bild 4.104: Berechnete Hysterese für Fk = 0 mit Darstellung im Hauptspannungsraum Nach den bisher angestellten Betrachtungen läßt sich aussagen, daß das Füllstoff-Materialgesetz im Prinzip aus den Gleichungen (4.62) bis (4.65) mit spezieller Wahl des Parameters F

k = 0 besteht. Dieses Materialgesetz ist aber noch nicht allgemeingültig, da es nur für kleine

Deformationen gilt. Bevor die Verallgemeinerung auf große Deformationen erfolgt, soll zunächst zur Veranschaulichung des Modells ein rheologisches Ersatzmodell entwickelt werden.

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

4.4.4

71

Rheologisches Ersatzmodell für das Füllstoff-Materialgesetz

Falls man zu einem dreidimensionalen Materialgesetz ein rheologisches Ersatzmodell für den einachsigen Spezialfall finden kann, so dient dieses rheologische Modell vor allem der Veranschaulichung des Materialverhaltens. So kann zum Beispiel das Masing-Modell (Bild 4.82) die Wirkungsweise des Mróz-Modells (Bild 4.81) veranschaulichen. Für das allgemeine Chaboche-Modell ist es schwierig, ein rheologisches Ersatzmodell zu finden, mit dem die wesentlichen Eigenschaften erfaßt werden. Daher ist in der Literatur ein solches Modell nicht zu finden. In dem hier vorliegenden Fall des Füllstoff-Materialgesetzes mit der speziellen Wahl von F

k = 0 läßt sich hingegen ein rheologisches Ersatzmodell angeben. Dies ist in Bild 4.105 dar-

gestellt. Prinzipiell kann es die wesentlichen Eigenschaften des Materialgesetzes für den einachsigen Spezialfall wiedergeben. Dies schließt auch das Verhalten der inneren Variablen ein. σ-

σS1

σS2

σS3

σS4 n Stück

E1

E2

E3

η

εv

E4

εe

Ee

σ

masing4.skd 13,8 cm

Bild 4.105: Rheologisches Ersatzmodell für das Füllstoff-Materialgesetz Die kinematische Verfestigung

wird repräsentiert durch die Addition von n Strängen mit je

einer Feder (Federsteifigkeit E i ) und einem Reibelement (Fließgrenze σ Si ). Dies entspricht dem Masing-Modell (Bild 4.82). Der Dämpfer η repräsentiert viskose Effekte. Die oberen

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

72

(n+1) Stränge bilden das Materialgesetz für ε v ab. Dazu in Reihe geschaltet ist die Feder E e , die das Materialgesetz für ε e abbildet. Bild 4.106 zeigt, wie man mit dem Modell den Effekt der kinematischen Verfestigung erreicht. Es wird angenommen, daß σS1 < σS2 < σS3 < σS4 und E1 = E 2 = E 3 = E 4 gilt. In Bild 4.106 a ist die obere Dehnungsumkehr gerade erreicht. Alle vier Federn E1 bis E 4 sind auf Zug belastet, wobei E1 die geringste Zugspannung aufnimmt und damit am wenigsten ausgelenkt ist, während E 4 die höchste Zugspannung aufnimmt und damit am meisten ausgelenkt ist. Die ursprüngliche (ungestörte) Lage ist durch Haarlinien angedeutet. In Bild 4.106 b ist nun eine Situation kurz nach der oberen Dehnungsumkehr dargestellt. Während die Federn

E 3 und E 4 noch auf Zug belastet sind, nehmen E1 und E 2 schon eine Druckspannung auf, es hat sich also eine Gegenspannung aufgebaut. Diese Gegenspannung bewirkt, daß die momentane Steifigkeit sich erhöht, dies ist der Effekt der kinematischen Verfestigung. σ-X

X

σ- X

X εv >0

σS1

σS2

σS3

σS4

εv >0 σS1

σS2

σS3

σS4

η

E1

E2

E3

η

E4

E1

E2

E3

E4

Ee

Ee

εe >0

εe >0

a)

b)

masing10.skd 16 cm

Bild 4.106: Rheologisches Ersatzmodell a) in der oberen Dehnungsumkehr b) kurz nach der oberen Dehnungsumkehr (ungestörte Konfiguration jeweils in Haarlinien) Auf die molekulare Struktur des Elastomers läßt sich das Modell direkt anwenden: Wann an einer bestimmten Stelle eine Füllstoff-Bindung zu gleiten beginnt, hängt ab von der Ausrichtung der entsprechenden Molekülkette und dem Grad ihrer momentanen Verknäuelung. Die verschiedenen Füllstoff-Bindungen beginnen also bei unterschiedlichen Lasten zu gleiten; bei einem Belastungswechsel haften alle Füllstoff-Bindungen wieder. Dieses Verhalten wird im Ersatzmodell durch die verschiedenen Reibelemente ( σS1 bis σS4 ) dargestellt.

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

73

Auch im rheologischen Ersatzmodell ist noch einmal deutlich zu erkennen, daß zu einem beliebigen Dehnungszustand eine Zwischenkonfiguration mit ε e = 0 in der Regel nicht mit einer spannungsfreien Lage verbunden ist. Man kann daher nicht von einer spannungsfreien Zwischenkonfiguration im Sinne der Plastizitätstheorie sprechen. Wie bereits erwähnt, kann man das Chaboche-Modell als ein kontinuierliches Mróz-Modell interpretieren mit unendlich vielen unendlich dicht zusammen liegenden Verfestigungsflächen. Im rheologischen Ersatzmodell bedeutet das: Es müßten unendlich viele Reibelemente mit verschiedenen Fließgrenzen verwendet werden. Daher kann das Verhalten des ChabocheModells nur angenähert werden, allerdings bei Verwendung entsprechend vieler Reibelemente beliebig genau. Mit 4 Reibelementen sind die Rechnungen in den Bildern 4.107 und 4.108 durchgeführt worden. In Bild 4.107 ist die Spannung, in Bild 4.108 die Dehnung vorgegeben. Für das Chaboche-Modell wurden feste Parameter gewählt, mit Hilfe eines Optimierungsprogramms sind die Parameter des rheologischen Ersatzmodells angepaßt worden.

σein [N/mm 2 ]

F

σein [N/mm 2 ]

F

0.04 0.02 -0.02

t [s] π

0.04



-0.04

0.02 ε ein -0.1

-0.05

0.05 -0.02

Chaboche-Modell:

Ersatzmodell:

F

E = 1.0 N/mm 2 n = 1.5

σ1 = 0.0023 N/mm 2 σ2 = 0.018 N/mm2

F

K = 0.1

σ3 = 0.023 N/mm2

F

C = 0.6

σ4 = 0.1 N/mm2

F

γ = 0.6

E 1 = 0.18 N/mm 2 E 2 = 0.2 N/mm2 E 3 = 0.02 N/mm2

F

-0.04 ersspg.skd 14,7 cm

0.1

E 4 = 0.25 N/mm2 E e = 2.4 N/mm 2 η = 0.09 N/(mm 2 s)

Bild 4.107: Vorgabe der Spannung: Berechnungen mit dem Chaboche-Modell (Haarlinie) und mit dem Ersatzmodell im Vergleich

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

74

σein [N/mm 2 ]

F

εein 0.15 0.1 0.05

0.06 t [s] π

-0.05 -0.1 -0.15



0.04 0.02 εein

-0.15

-0.1

-0.05

0.05

0.1

-0.02 -0.04 -0.06

Bild 4.108: Vorgabe der Dehnung: Berechnungen mit dem Chaboche-Modell (Haarlinie) und mit dem Ersatzmodell im Vergleich (gleiche Parameterwahl wie Bild 4.107) Bild 4.109 zeigt die Zuordnung der Gleichungen des Füllstoff-Materialgesetzes zum rheologischen Ersatzmodell:

Ev=

r =

X=

F

3 r 2

2

2

T ’ - X’ ( FT - X )

( FT - X ) F K2

Fn

2 F F C Ev - γ r X 3

1 E e = F [ (1+ Fν) F T - Fν (tr F T ) 1] E masing15.skd 14,4 cm

Bild 4.109: Füllstoff-Materialgesetz mit additiver Zerlegung der Deformationen

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

4.4.5

75

Formulierung des Füllstoff-Materialgesetzes für endliche Deformationen

Nachdem die Form des Füllstoff-Materialgesetzes im Prinzip entwickelt ist, muß nun noch eine Formulierung gefunden werden, die nicht auf infinitesimal kleine Deformationen beschränkt ist. In einem Materialgesetz für Elastomere sollte es keine Beschränkung auf kleine Verzerrungen und kleine Teilchendrehungen geben. Wie in Kapitel 3.4 ausgeführt, ist im Falle endlicher Deformationen eine additive Zerlegung in Teildeformationen nicht zulässig. Daher wird statt der Zerlegung (4.61)

~ ~ ~ E = Ee + E v

(4.110)

eine multiplikative Zerlegung des Deformationsgradienten notwendig:

F = Fe Fv . In

Bild

(4.111)

4.117

ist

die

multiplikative

Zerlegung

schematisch

dargestellt.

Die

Materialgleichungen sind entsprechend umformuliert. In der elastischen Gleichung tritt kein hydrostatischer Anteil auf. Die hydrostatische Spannung wird nur in der Matrix berücksichtigt (siehe hierzu Kapitel 6.2).

Fv

Dv =

r =

X=

F

3 r 2

2

2

T ’- X ’ (F T - X )

(F T - X ) F K

Fe

(4.112)

F

F

T = FG

F

Dm

Dm-

F

D1

Fn

2 F F C Dv - γ r X 3

(4.113)

mit

F

D1 =

(4.114)

- Fa

F

Be

(4.115)

1 [ J1 ( B e ) - 3 ] 2

(4.116)

D1

multi1.skd 16 cm

Bild 4.117: Füllstoff-Materialgesetz mit multiplikativer Zerlegung des Deformationsgradienten

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

76

Für den elastischen Anteil Fe wird wie vorher für das Stoffgesetz der Matrix der van-derWaals-Ansatz verwendet. Die entsprechende Gleichung

F

T = FT (Be ) ist in Größen der Mo-

mentanplazierung formuliert. Die Gleichungen des viskoplastischen Anteils Fv sind in Größen der Zwischenplazierung formuliert. Für die Umrechnung der Spannung bzw. der kinematischen Verfestigung von der Momentanplazierung in die Zwischenplazierung gelten (mit

J e = det Fe = 1 ) die Formeln (siehe hierzu Gleichung 3.76): F

Tˆ = Fe−1 FT Fe− T ,

ˆ = F−1 e

Fe− T .

(4.118) (4.119)

Die formalen Herleitungen der Stoffgleichungen für die multiplikative Zerlegung des Deformationsgradienten sind in Kapitel 6 ausgeführt.

4.4.6

Erweiterung des Modells zur Anpassung des Modells an verschiedene Amplituden- und Frequenzbereiche

Um mit dem Materialmodell das Verhalten eines Elastomers beschreiben zu können, muß das Modell kalibriert werden; die Materialparameter müssen also angepaßt werden. Die Kalibrierung eines Materialmodells ist immer an einen bestimmten Gültigkeitsbereich gebunden. Zu diesem Gültigkeitsbereich gehören: Ê das verwendete Material, Ê die auftretenden Belastungsgeschwindigkeiten, Ê die Größe und Mehrachsigkeit der auftretenden Deformationen, Ê die Größe und Mehrachsigkeit der auftretenden Spannungen, Ê der auftretende Temperaturbereich. In der Regel ist ein Materialgesetz um so komplexer, je größer der zu kalibrierende Gültigkeitsbereich ist. Mit ansteigendem Gültigkeitsbereich werden zumeist auch mehr Materialparameter benötigt, um das beobachtete Materialverhalten mit dem Modell zu beschreiben. Das vorliegende Materialmodell soll vor allem dynamische Belastungen beschreiben. Es muß also für einen definierten Frequenz- und Amplitudenbereich kalibriert werden.

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

77

Sollen sowohl sehr große als auch sehr kleine Amplituden beschrieben werden, so müssen weitere Variablen der kinematischen Verfestigung eingeführt werden. Dies führt dann auf: m

ˆ = ∑ ˆ (k) ,

(4.120)

k =1

wobei für jede der m Variablen eine Evolutionsgleichung

ˆ&

(k)

2 F ˆ − Fγ ˆ r& C( k ) D v (k) (k ) 3

=

(4.121)

gefordert wird. Für jede zusätzliche Variable ˆ ( k ) treten demnach 2 zusätzliche Materialparameter auf. Falls sowohl sehr große als auch sehr kleine Belastungsgeschwindigkeiten bzw. Frequenzen auftreten, so muß der Füllstoff-Spannungstensor F T in mehrere Anteile zerlegt werden: n

F

T = ∑ F T( j) .

(4.122)

j =1

Für jeden Anteil

F

T( j) wird dann das Füllstoff-Materialgesetz (Bild 4.117) angesetzt. Jeder

zusätzlich eingeführte Anteil

F

T( j) erfordert also 4 weitere Materialparameter. In der Arbeit

von Ziegenhagen [9] stellte sich heraus, daß für jede zu beschreibende Frequenzdekade mindestens ein viskoplastischer Strang parallelgeschaltet werden muß (siehe rheologisches Modell Bild 2.2). Dies war notwendig, um im rheologischen Modell durch verschiedene Dämpfer verschiedene Relaxationszeiten zu erhalten. Auch die Zerlegung (4.122) kann (analog zu Ziegenhagen) als Parallelschaltung bezeichnet werden. Wie vorher schon erwähnt wurde, sind F

K und

F

n die beiden Parameter, mit denen im Chaboche-Modell die viskosen Effekte er-

faßt werden. Bei der Zerlegung (4.122) erhält man mehrere verschiedene Parameter F

F

K und

n , mit denen ebenso wie mit den verschiedenen Dämpfern bei Ziegenhagen verschiedene

Relaxationszeiten erreicht werden.

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

78

4.5

Numerische Integration des Materialgesetzes

Für die numerische Integration der Stoffgleichungen wird ein Radial-Return-Algorithmus verwendet. Der Radial-Return-Algorithmus wurde 1964 von Wilkins [39] entwickelt. Eine Anwendung des Algorithmus auf große Deformationen wurde 1990 von Eterovic und Bathe formuliert [40]. Mit dem Radial-Return-Algorithmus wird bei Vorgabe der Deformationen aus einer bereits berechneten Lösung zum Zeitpunkt τ = t inkrementell die Lösung zum Zeitpunkt τ = t + ∆t bestimmt. Der Integrationsalgorithmus kann zur Implementierung des Materialmodells in ein Finite-Elemente-Programm verwendet werden. In der allgemeinen Theorie der Verfahren für Anfangswertprobleme ordnet sich der RadialReturn-Algorithmus als Prädiktor-Korrektor-Verfahren ein [41, 42]. Im Prädiktorschritt wird die Spannung vorgeschätzt mit dem elastischen Anteil des Deformationsinkrementes (Gleichung 4.115). Mit der vorgeschätzten Spannung berechnet sich der viskoplastische Geschwindigkeitsgradient (Gleichung 4.112) und die kinematische Verfestigung (Gleichung 4.114). Im Sinne eines impliziten Euler-Cauchy-Verfahrens kann dann der elastische Anteil des Deformationsgradienten korrigiert werden. Die implizite Euler-Cauchy-Formel für ein allgemein formuliertes Anfangswertproblem

y& = f (τ , y ) ,

τ ∈ [t , t + ∆t ],

y(t ) = y t

(4.123) (4.124)

lautet

y(t + ∆t ) = y t + ∫

t + ∆t τ=t

f (τ , y )dτ

= y t + f (t + ∆t , y t + ∆t )∆t .

(4.125) (4.126)

Diese Rückwärts-Integration wird jetzt auf den elastischen Anteil des Deformationsgradienten

Fe angewendet. Dazu folgert man zunächst aus (3.67) die Entwicklungsgleichung für Fv : F&v = Lˆ v Fv .

(4.127)

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

79

Setzt man kleine elastische Verzerrungen voraus, so gilt

Fe ≈ R e ,

(4.128)

wobei R e der elastische Drehtensor ist. Die viskoplastische Drehgeschwindigkeit kann dann

ˆ =0 W v

(4.129)

gesetzt werden (siehe z. B. [24]). Damit schließt man aus (4.127)

[

]

ˆ (t + ∆t ) ∆t F (t ). Fv (t + ∆t ) = 1 + D v v

(4.130)

Invertierung dieser Beziehung führt auf

[

]

ˆ (t + ∆t ) ∆t . Fv−1 (t + ∆t ) ≈ Fv−1 (t ) 1 − D v

(4.131)

Für den elastischen Anteil des Deformationsgradienten gilt dann

[

]

ˆ (t + ∆t ) ∆t . Fe (t + ∆t ) = F(t + ∆t ) Fv−1 (t + ∆t ) = F(t + ∆t ) Fv−1 (t ) 1 − D v

(4.132)

ˆ (t + ∆t ) aus einer VorDies ist insofern eine Rückwärts-Integration vom Typ (4.126), als D v schätzung von Fe (t + ∆t ) berechnet wird (siehe Kapitel 4.6).

4.6

Algorithmus zur inkrementellen Berechnung der Spannungen mit multiplikativer Zerlegung des Deformationsgradienten

Der Algorithmus besteht nun im einzelnen aus folgenden Schritten: Ê Vorschätzung des elastischen Anteils des Deformationsgradienten

Fe∗ = F(t + ∆t ) F v (t ) −1

(4.133)

Ê Berechnung eines vorgeschätzten elastischen linken Cauchy-Green-Verzerrungstensors

B∗e = Fe∗ Fe∗

T

(4.134)

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

80

Ê Spannungs-Prediktorschritt mit (4.115) und (4.116) F

 T ∗ = FG   

mit FD1 =

F F

Dm

Dm −

F

− Fa

D1

F

 D1  B∗e  

[( ) ]

1 J1 B∗e − 3 2

(4.135)

(4.136)

Ê Transformation von FT ∗ in die Zwischenkonfiguration mit (4.118) und (4.128) F

T Tˆ ∗ = R ∗e F T ∗ R ∗e

(4.137)

Ê Berechnung des viskoplastischen Geschwindigkeitsgradienten mit (4.113) und (4.112)

r&(t + ∆t ) =

( Tˆ F

2

)

− ˆ (t ) F K ∗

F

ˆ (t + ∆t ) = 3 r&(t + ∆t ) D v 2

2

F

n

(4.138)

Tˆ ∗′ − ˆ ′(t ) Fˆ∗ T − ˆ (t )

(

)

(4.139)

Ê Berechnung der kinematischen Verfestigung mit (4.114)

&ˆ (t + ∆t ) = 2 FC Dˆ v (t + ∆t ) − Fγ r&(t + ∆t ) ˆ (t ) 3

(4.140)

ˆ (t + ∆t ) = ˆ (t ) + ˆ& (t + ∆t ) ∆t

(4.141)

Ê Korrektur des elastischen Anteils des Deformationsgradienten mit (4.132)

[

ˆ (t + ∆t ) ∆t Fe (t + ∆t ) = Fe∗ 1 − D v

]

(4.142)

Ê Korrektur des elastischen linken Cauchy-Green-Verzerrungstensors

Be (t + ∆t ) = Fe (t + ∆t ) FeT (t + ∆t )

(4.143)

Ê Korrektur der Spannungen mit (4.115) und (4.116) F

 T (t + ∆t ) = FG   

mit FD1 =

F F

Dm

Dm −

F

D1

1 [J1 (Be (t + ∆t )) − 3] 2

− Fa

F

 D1  Be (t + ∆t )  

(4.144)

(4.145)

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

81

Ê Berechnung des viskoplastischen Anteils des Deformationsgradienten

Fv (t + ∆t ) = Fe−1 (t + ∆t ) F(t + ∆t )

(4.146)

Ê Berechnung des linken Cauchy-Green-Verzerrungstensors (für das Matrix-Stoffgesetz)

B(t + ∆t ) = F(t + ∆t ) FT (t + ∆t )

(4.147)

Ê Berechnung der Spannungen der Gummi-Matrix mit (4.45) und (4.46) M

T (t + ∆t ) = − p 1 +

mit

M

D1 =

M

 G  

M F

Dm

Dm −

F

D1



M

a

M

 D1  B(t + ∆t )  

1 [J1 (B(t + ∆t )) − 3] 2

(4.148)

(4.149)

Ê Berechnung der Gesamtspannungen

T (t + ∆t ) = MT (t + ∆t ) + FT (t + ∆t )

4.7

(4.150)

Algorithmus zur inkrementellen Berechnung der Spannungen mit geometrischer Linearisierung (additiver Zerlegung der Verzerrungen)

Für den Fall, daß sowohl nur kleine Verzerrungen als auch nur kleine Drehungen auftreten, kann man geometrisch linearisieren. Das heißt: Der linearisierte Verzerrungstensor wird mit dem Green-St.Venant-Verzerrungstensor identifiziert:

~ E ≈E.

(4.151)

Die Verzerrungen können dann additiv zerlegt werden:

~ ~ ~ E = Ee + E v .

(4.152)

Der Algorithmus zur inkrementellen Berechnung der Spannungen verändert sich dann wie folgt: Ê Vorschätzung des elastischen Anteils der Verzerrungen

~ ~ ~ E∗e = E(t + ∆t ) − E v (t )

(4.153)

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

82

Ê Berechnung eines vorgeschätzten elastischen linken Cauchy-Green-Verzerrungstensors

~ B∗e ≈ 2 E∗e (t ) + 1

(4.154)

Ê Spannungs-Prediktorschritt F

 T ∗ = FG   

mit FD1 =

F F

Dm

Dm −

F

− Fa

D1

F

 D1  B∗e  

(4.155)

[( ) ]

1 J1 B∗e − 3 2

(4.156)

Ê Berechnung der viskoplastischen Verzerrungsgeschwindigkeit

r&(t + ∆t ) =

2

(

F

T∗ − F K

(t ))

F

n

(4.157)

T ∗′ − ′(t ) F ∗ T − (t ) 2

~& 3 E v (t + ∆t ) = r&(t + ∆t ) 2

F

(

)

(4.158)

Ê Berechnung der kinematischen Verfestigung

~& F & (t + ∆t ) = 2 FC E γ r&(t + ∆t ) v (t + ∆t ) − 3

(t )

(t + ∆t ) = (t ) + & (t + ∆t ) ∆t

(4.159) (4.160)

Ê Korrektur der Verzerrungen

~ ~ ~& E v (t + ∆t ) = E v (t ) + E v (t + ∆t ) ∆t

(4.161)

~ ~ ~ Ee (t + ∆t ) = E(t + ∆t ) − E v (t + ∆t )

(4.162)

Ê Korrektur des elastischen linken Cauchy-Green-Verzerrungstensors

~ Be (t + ∆t ) ≈ 2 Ee (t + ∆t ) + 1

(4.163)

Ê Korrektur der Spannungen F

 T (t + ∆t ) = FG   

mit FD1 =

F F

Dm

Dm −

F

D1

1 [J1 (Be (t + ∆t )) − 3] 2

− Fa

F

 D1  Be (t + ∆t )  

(4.164)

(4.165)

Entwicklung eines Materialmodells für gefüllte Elastomere

83

Ê Berechnung des linken Cauchy-Green-Verzerrungstensors (für das Matrix-Stoffgesetz)

~ B(t + ∆t ) ≈ 2 E(t + ∆t ) + 1

(4.166)

Ê Berechnung der Spannungen der Gummi-Matrix M

T (t + ∆t ) = − p 1 +

mit

M

D1 =

M

 G  

M F

Dm

Dm −

1 [J1 (B(t + ∆t )) − 3] 2

F

D1



M

a

M

 D1  B(t + ∆t )  

(4.167)

(4.168)

Ê Berechnung der Gesamtspannungen

T (t + ∆t ) = MT (t + ∆t ) + FT (t + ∆t )

(4.169)

Anpassung der Parameter

84

5

Anpassung der Parameter

Das entwickelte Modell soll die Materialeigenschaften eines gefüllten Elastomers grundsätzlich für beliebige Deformationen (die unterhalb der Versagensgrenze liegen) beschreiben. Dazu muß das Materialmodell für einen bestimmten Gültigkeitsbereich kalibriert werden (siehe hierzu auch Kapitel 4.4.6). Die Kalibrierung erfolgt durch Anpassung der Materialparameter. Dazu benötigt man geeignete Versuche mit Materialproben. Da aus früheren Arbeiten Versuchsergebnisse gefüllter Elastomere zur Verfügung standen, wurde auf eigene Messungen verzichtet. Um Aussagen über das Materialverhalten zu treffen, werden Zusammenhänge zwischen Spannungen und Verzerrungen benötigt. Diese beiden Größen sind aber oft nicht direkt meßbar. Die Materialprobe muß so beschaffen sein, daß das im Versuch beobachtete Verhalten möglichst wenig von der Geometrie abhängt. Die Probe sollte so homogen wie möglich verzerrt werden, damit sich ein weitgehend homogener Spannungszustand einstellt. Als Beispiel soll der Zugversuch einer Stahlprobe betrachtet werden: Für den linear-elastischen Bereich ist die Forderung einer homogenen Verzerrung und eines homogenen Spannungszustandes zufriedenstellend erfüllt. Aus der Kraft-Verschiebungs-Kurve kann man direkt auf die Spannungs-Dehnungs-Kurve schließen und damit eine Aussage über das Materialverhalten treffen. Nach Überschreiten der Fließgrenze schnürt sich das Material jedoch ein. Das bedeutet, daß die an der Probe anliegende Kraft nicht mehr proportional zu der Spannung in der Einschnürstelle ansteigt. Es liegt dann kein homogener Verzerrungszustand mehr vor. Aus der Kraft-Verschiebungs-Kurve kann nicht mehr unmittelbar auf die SpannungsDehnungs-Kurve geschlossen werden. Ein Materialgesetz, das die Spannungen in Abhängigkeit von der Dehnung beschreibt, läßt sich oberhalb des linear-elastischen Bereiches nicht mehr direkt gewinnen. Ziegenhagen [9] hat in seiner Arbeit Messungen an zwei verschiedenen Elastomer-Kupplungen durchgeführt. Der Messung zugänglich waren der Verdrehwinkel der Kupplungen sowie das zugehörige Torsionsmoment. Die Spannungen und Verzerrungen in einzelnen Materialpunkten bleiben zunächst unbestimmt. Somit läßt sich zwar qualitativ etwas über die Materialeigenschaften des verwendeten Elastomers aussagen, jedoch sind die Aussagen nicht quantifizierbar. Ziegenhagen hat daher sein Materialmodell für die jeweilige Kupplung kalibriert. Die Kupplung wird dabei als black box betrachtet, man spricht von einem Wirkmodell, das sich zusammensetzt aus Material- und Geometrieeigenschaften. Zum Zwecke der Kali-

Anpassung der Parameter

85

brierung des in dieser Arbeit entwickelten Materialmodells lassen sich Ziegenhagens Messungen daher nicht verwenden. Als geeigneter für diesen Zweck erweisen sich die Messungen von Kuemmlee [8] und Lambertz [13]. Auch bei diesen Messungen müssen jedoch vereinfachende Annahmen getroffen werden, um aus den der Messung zugänglichen Größen Spannungen und Verzerrungen zu bestimmen.

5.1

Messungen mit einer Serienkupplung in der Arbeit von Kümmlee [8]

5.1.1

Beschreibung der verwendeten Serienkupplung

Kümmlee wählt für seine Messungen eine Serienkupplung der Firma Continental. (Bild 5.1) ∅ 2 r a = 120 ∅ 2 r i = 45 MT , 2 ϑ





2 h = 38

gefülltes Elastomer

③ 2 b = 20



geokuem.skd 14,2 cm

MT

Bild 5.1: Serienkupplung der Firma Continental Die Kupplung besteht aus zwei kegeligen Stahlscheiben, zwischen denen sich ein gefülltes Elastomer befindet. Diese Geometrie gewährleistet eine in erster Näherung homogene Schubverformung im gesamten Elastomervolumen. Kümmlee gibt in seinen Messungen den Verdrehwinkel 2ϑ vor, um den sich die beiden Stahlscheiben gegeneinander verschieben. Meßtechnisch erfaßt wird dann jeweils der Verdrehwinkel und das zugehörige Torsionsmoment M T .

Anpassung der Parameter

86

Mit einer geometrischen Näherung errechnet Kümmlee für den Gleitwinkel

γ ≈ tan γ =

ϑ , tan α

(5.2)

wobei α = 18.5° der Ersatz-Öffnungswinkel des Elastomervolumens ist. Aus jedem Verdrehwinkel 2ϑ läßt sich damit direkt der zugeordnete Gleitwinkel berechnen, der als konstant über das Elastomervolumen angenommen wird. Aus der homogenen Schubverformung schließt man auf eine ebenfalls homogene Schubspannung, für die Kümmlee die Formel

τ = τϕz =

3 MT 2 π ra3 − ri3

(

)

(5.3)

herleitet. Aus den Meßwerten für den Verdrehwinkel 2ϑ und das Torsionsmoment M T läßt sich somit ein Diagramm für die Schubspannung τ über der Gleitung γ erzeugen. Bild 5.4 zeigt beispielhaft ein solches Diagramm aus der Arbeit von Kümmlee für eine harmonische sinusförmige Winkelerregung der Frequenz f = 40 Hz mit verschiedenen Amplituden. Man erkennt Hystereseschleifen, deren Form und Neigungswinkel sich mit der Amplitude verändern. τ [N/mm 2 ] 0.5

0.25

-10°

-5°



ϑ

10°

-0.25

-0.5

kümhyst.skd 13 cm

Bild 5.4: Messung von Hystereseschleifen bei harmonischer Erregung für verschiedene Amplituden (Werkstoff: NR 75, T=5° C, f=40 Hz) [8]

Anpassung der Parameter

5.1.2

87

Komplexe Steifigkeit

Als Kennwert für die dynamischen Eigenschaften des Materials verwendet Kümmlee in seiner Arbeit die komplexe Steifigkeit. Um diesen Kennwert zu erhalten, notiert man zunächst die harmonische Gleitwinkelerregung in komplexer Schreibweise: γ = γˆ e jΩt .

(5.5)

Wegen der Nichtlinearität besteht die Antwortschubspannung aus einem Frequenzgemisch. Daher wird sie in Form einer Fourierreihe notiert: τ = τ0 + τˆ1 e j(Ωt + δ1 ) + τˆ 2 e 2 j(Ωt + δ 2 ) + τˆ 3 e3 j(Ωt + δ 3 ) +... .

(5.6)

Die komplexe Steifigkeit ist definiert als Quotient aus komplexer Antwortschubspannung und komplexem Gleitwinkel:

C :=

τ = C′ + j C′′ . γ

(5.7)

Dabei ist C ′ die dynamische Steifigkeit und C ′′ die Verluststeifigkeit. Um die Kennwerte für das nichtlineare Verhalten auf bekannte Werte aus der linearen Viskoelastizitätstheorie zurückzuführen, hat Federn [43] vorgeschlagen, das Verfahren der Harmonischen Balance anzuwenden: Für die pro Zyklus dissipierte Energie gilt bei einer harmonischen Erregung γ (t ) = γˆ cos(Ωt ):

WD = ∫

2π / Ω t =0

=− ∫

τ(t ) dγ (t )

2π / Ω t =0

{τ0 + τˆ1 cos [Ωt + δ1 ]+ τˆ 2 cos [2(Ωt + δ2 )]+ ...}γˆ Ω sin (Ωt ) dt .

(5.8) (5.9)

Offensichtlich ist, daß das Integral des statischen Anteils τ0 verschwindet:

−∫

2π / Ω t =0

τ0 γˆ Ω sin (Ωt ) dt = 0 .

(5.10)

Anpassung der Parameter

88

Zu untersuchen bleiben demnach noch die Integrale

In = − ∫

2π / Ω t =0

τˆ n cos[n (Ωt + δ n )] γˆ Ω sin (Ωt ) dt

(5.11)

für n = 1,..., ∞ . Nach Anwendung der Additionstheoreme erhält man

I n = − τˆ n γˆ n Ω ∫

2π / Ω t =0

[cos(nΩt )sin (Ωt ) cos(nδ) − sin (nΩt ) sin (Ωt )sin (nδ)]dt .

(5.12)

Die entsprechenden Orthogonalitätsrelationen der trigonometrischen Funktionen lauten [44]: 2π



x =0



x =0



cos(n x ) sin (mx )dx = 0 ,

0 sin (n x ) sin (mx )dx =  π

(5.13)

für m ≠ n für m = n

(5.14)

Damit vereinfacht sich (5.9) zu

WD = − ∫

2π / Ω t =0

τˆ1 cos(Ωt + δ1 ) γˆ Ω sin (Ωt )dt = π τˆ1 γˆ sin δ1 .

(5.15)

Die dissipierte Energie hängt also allein von der 1. Harmonischen der Antwortschubspannung ab. Beim Verfahren der Harmonischen Balance wird daher die Antwortschubspannung durch ihre 1. Harmonische ersetzt. Aus (5.7) wird damit:

C =

τ1 τˆ τˆ = 1 e jδ1 = 1 (cos δ1 + j sin δ1 ) = C′ + jC′′ . γ γˆ γˆ

(5.16)

Aus (5.16) liest man die Formeln für die dynamische Steifigkeit und die Verluststeifigkeit ab:

C′ =

τ$ 1 cos δ 1 , γ$

(5.17)

C ′′ =

τ$ 1 sin δ 1 . γ$

(5.18)

Anpassung der Parameter

89

Bild 5.19 zeigt das entsprechende rheologische Modell aus der linearen Viskoelastizitätstheorie, das Kelvin-Modell [6].

η

k

kelvin1.skd 9,6 cm

Bild 5.19: Kelvin-Modell Die Differentialgleichung für das Kelvin-Modell lautet:

τ = k γ + ηγ& .

(5.20)

Auf eine harmonische Erregung

γ (t ) = γ$ cos(Ωt )

(5.21)

gibt das Modell die Antwort:

τ = γ$ [k cos(Ωt )− η Ω sin(Ωt )] = τ$ cos(Ωt + δ 1 )

(5.22) (5.23)

mit

τ$ = γ$

k 2 + (ηΩ) ,

(5.24)

ηΩ . k

(5.25)

2

δ 1 =arctan

Die dynamische Steifigkeit und die Verluststeifigkeit stellen sich heraus als

C′ = k =

τ$ cos δ 1 , γ$

τ$ C ′′ = η Ω = sin δ 1 . γ$

(5.26)

(5.27)

90

Anpassung der Parameter

τ τ 1 HB = τ sin δ1 2

δ1

τ cos δ1

α

γ γ

kelvin2.skd 9,5 cm

Bild 5.28: Hystereseschleife des Kelvin-Modells bei harmonischer Erregung In Bild 5.28 erkennt man C ′ als den Tangens des Winkels α , also als Quotient aus Spannung und Gleitung am Umkehrpunkt der Gleitung. Daraus erklärt sich die Bezeichnung „dynamische Steifigkeit“. C ′′ identifiziert man als Quotienten aus der halben Hysteresebreite 0.5 HB= τ$ sin δ 1 und der Erregeramplitude γ$ . Die Hysteresebreite ist ein Maß für die dissipierte Energie; damit wird auch die Bezeichnung „Verluststeifigkeit“ klar. Kümmlee ermittelte in seiner Arbeit die beiden Kennwerte dynamische Steifigkeit und Verluststeifigkeit für verschiedene Elastomere und verschiedene Betriebspunkte, das heißt verschiedene Frequenzen, Erregeramplituden und Temperaturen.

Anpassung der Parameter

91

In den Bildern 5.29 und 5.30 sind für vier verschiedene Erregerfrequenzen die beiden Kennwerte jeweils über der Erregeramplitude aufgetragen. Als Werkstoff wurde eine NR 75 Gummimischung verwendet. C’ [N/mm 2 ] 10.0 f = 40 Hz f = 10 Hz

8.0

f = 1 Hz f = 0.1 Hz

6.0

4.0

2.0

dynstkm2.skd 15 cm

-3

-2.5

-2

-1.5

-1

log γ

Bild 5.29: Messung der dynamischen Steifigkeit in Abhängigkeit der Amplitude bei harmonischer Erregung für verschiedene Frequenzen (Werkstoff: NR 75, T=5° C) [8]

1.8

C’’ [N/mm 2 ] f = 40 Hz

1.6 f = 10 Hz 1.4 f = 1 Hz 1.2 f = 0.1 Hz 1.0 0.8 0.6 0.4 verstkm2.skd 15,2 cm

0.2 -3

-2.5

-2

-1.5

-1

log γ

Bild 5.30: Messung der Verluststeifigkeit in Abhängigkeit der Amplitude bei harmonischer Erregung für verschiedene Frequenzen (Werkstoff: NR 75, T=5° C) [8]

Anpassung der Parameter

92

5.1.3

Geometrische Untersuchung der verwendeten Serienkupplung

Um die Messungen mit dem vorliegenden Materialmodell nachzurechnen, muß zunächst die Kupplungsgeometrie genauer untersucht werden. Aus Symmetriegründen wird aus Bild 5.1 nur die Trapezfläche ➀②③④ betrachtet: r a = 60 r i = 22,5 ez er ③

b = 10

h = 19

④ B



A



Ansicht r-z-Ebene

eϕ ϑ ④ Ansicht r-ϕ -Ebene: Verschiebungen der Punkte 3 und 4

③ er geokuem3.skd 14,1 cm

Bild 5.31: Serienkupplung (Bild 5.1): Ausschnitt Trapezfläche ➀②③④ Wie schon vorher erwähnt, erfüllt die vorliegende Kupplungsgeometrie die Forderung einer homogenen Verzerrung im gesamten Gummivolumen nur näherungsweise. Sie kommt dieser Idealvorstellung jedoch recht nahe. Einen Körper gleicher Gleitung erhielte man, wenn in Bild 5.31 die Punkte A und B zusammenfielen. Dies würde auf eine Änderung der Kupplungsgeometrie gemäß der gestrichelten Linie führen. Um jedoch auf eine Serienkupplung zurückgreifen zu können und keinen eigenen Versuchskörper fertigen zu müssen, wählte Kümmlee diese Kompromißlösung.

Anpassung der Parameter

93

Im folgenden wird gezeigt, daß die Abweichungen von einem homogenen Verzerrungszustand sehr gering sind. Hierzu werden folgende geometrische Annahmen bzw. Näherungen getroffen: 1. Ein Zylinder-Koordinatensystem (r , ϕ , z) wird so eingeführt, daß die z-Richtung parallel zur Symmetrieachse der Kupplung verläuft (Bild 5.31). Die materiellen Punkte ➀ und ② liegen in der r- ϕ -Ebene und sind relativ zum definierten Koordinatensystem fest. Daraus folgt für die Verschiebungen: u1 = u (r = ri , z = 0) = 0 ,

(5.32)

u2 = u (r = ra , z = 0) = 0 .

(5.33)

2. Sämtliche Materialpunkte des Elastomers verschieben sich nur in der r- ϕ -Ebene, eine Verschiebung in z-Richtung wird ausgeschlossen. 3. Die Stahlscheiben werden als starr betrachtet. Sie verdrehen sich um den Winkel 2ϑ gegeneinander. Damit sind die Verschiebungen der Punkte ③ und ④ festgelegt:

u3 = u(r = ra , z = h ) = ra (cos ϑ − 1) e r + ra sin ϑ e ϕ ,

(5.34)

u4 = u(r = ri ,z = b ) = ri (cos ϑ − 1)e r + ri sin ϑ e ϕ .

(5.35)

4. Ein in r und z linearer Ansatz beschreibt das Verschiebungsfeld der Materialpunkte in der Trapezfläche ➀②③④:

u = u(r , z ) = (a1 + a 2 r + a 3 z + a 4 r z ) e r + (a 5 + a 6 r + a 7 z + a 8 r z ) e ϕ . Die Konstanten a 1 bis a 8 bestimmen sich aus den Randbedingungen (5.32) bis (5.35):

a1 = 0 , a3 = −

a2 = 0 , ri ra (h − b) (1 − cos ϑ ) , h b (ra − ri )

a5 = 0 , a7 =

ri ra (h − b) sin ϑ , h b (ra − ri )

a4 = −

ra b − ri h (1 − cos ϑ ) , h b (ra − ri )

a6 = 0 , a8 =

ra b − ri h sin ϑ . h b (ra − ri )

(5.36)

Anpassung der Parameter

94 Nach Einführung der Abkürzungen

α1 :=

ri ra (h − b ) = 1.71 , h b (ra − ri )

α 2 :=

ra b − ri h = 0.024 mm −1 h b (ra − ri )

kann man statt (5.36) auch schreiben:

u= u(ϑ , r , z ) = (α1 z + α 2 r z ){− (1 − cos ϑ) e r + sin ϑ e ϕ }.

(5.37)

Damit folgt für den Deformationsgradienten F = grad u + 1 :   α z  − C(r )(1 − cos ϑ) −  1 + α 2 z  sin ϑ 1 − α 2 z (1 − cos ϑ) r     α z  C(r )sin ϑ  e i ⊗ e Tj 1 −  1 + α 2 z  (1 − cos ϑ) F = F(ϑ, r, z ) =  α 2 z sin ϑ    r    0 0 1    

mit C(r ) = α1 + α 2 r und i, j =$ r, ϕ, z (Zylinderkoordinaten).

(

)

Daraus berechnet sich der Green-St.Venant-Verzerrungstensor E = 1 2 FTF − 1 :

α z ϑ  2 ϑ C(r )(2 α 2 z − 1)sin 2  − 1 sin ϑ 2 α 2 z (α 2 z − 1)sin 2 2r 2   2z 1 2 ϑ   ( ) ( )( ) ( ) E = E ϑ, r, z = C r α1 z + α 2 z r − r sin C r sin ϑ 2   r 2 2   2 2 ϑ ( ) symmetrisc h 2 C r sin   2   e i ⊗ e Tj

Anpassung der Parameter

95

Trägt man nun die sechs Komponenten von E(ϑ, r, z) für ein festes ϑ über r und z auf, so zeigt sich, daß die Komponenten E rr , E rϕ , E rz und E ϕϕ von vernachlässigbarer Größenordnung gegenüber den anderen beiden Komponenten sind. Für die Komponenten E ϕz und E zz ergibt sich folgendes Bild: Ejz , Ezz

0.1 0.08 0.06 0.04 0.02 0

15 10 30 40 50 r

z

5 60

0

Bild 5.38: Darstellung der Komponenten Eϕz (obere Fläche) und Ezz (untere Fläche) des Green-St.Venant-Verzerrungstensors über r und z für den Verdrehwinkel 2ϑ=7° Bild 5.38 zeigt, daß tatsächlich ein relativ homogener Verzerrungszustand vorliegt. Es überwiegt die Schubverzerrung E ϕz , während die Dehnung E zz von geringerer Größenordnung ist. Alle weiteren Verzerrungskomponenten sind vernachlässigbar. Man kann davon ausgehen, daß der Spannungstensor eine analoge Form hat: Die Schubspannung τ ϕz überwiegt, die Normalspannung σ zz ist von geringerer Bedeutung, alle weiteren Spannungskomponenten können vernachlässigt werden.

5.1.4

Näherungsweise Berechnung des Torsionsmomentes

Mit dem in dieser Arbeit entwickelten Materialmodell kann aus dem Green-St.Venant-Verzerrungstensor E(ϑ, r, z) , der aus dem gemessenen Verdrehwinkel 2ϑ bestimmt wird, der zuge-

hörige Spannungstensor T (ϑ, r, z ) berechnet werden. Aus T (ϑ, r, z ) könnte man dann das Tor-

sionsmoment M T berechnen und das Rechenergebnis mit dem Meßergebnis vergleichen. Da es zur Parameteroptimierung jedoch nicht praktikabel ist, über das gesamte Gebiet den Spannungstensor zu berechnen, wird M T näherungsweise berechnet.

Anpassung der Parameter

96

Dazu wird die Fläche z=0 betrachtet. Wie bereits erwähnt, können bis auf τ ϕz und σ zz alle Komponenten des Spannungstensors vernachlässigt werden. Nur τ ϕz leistet einen Beitrag zum Torsionsmoment:

M T (ϑ) =



(A )

r τϕz (ϑ , r , z = 0) dA

(5.39)

Um den qualitativen Verlauf von τϕz (ϑ , r , z = 0) zu erhalten, wird der Green-St.Venant-Verzerrungstensor in der Fläche z=0 untersucht:

 0   E(ϑ, r, z = 0) =  0  − C(r ) sin 2 ϑ  2

ϑ  2   1 C(r ) sin ϑ  e i ⊗ e Tj . 0 2  1 ϑ C(r ) sin ϑ 2 C 2 (r ) sin 2  2 2  − C(r ) sin 2

0

Die Komponente E rz ist von vernachlässigbarer Größenordnung. In Bild 5.40 sind die anderen beiden von null verschiedenen Komponenten für einen festen Winkel ϑ und z = 0 über r aufgetragen. E ϕz , E zz

0.1 E ϕz 0.08 0.06 0.04 kupgeo1.skd 13,5 cm

E zz

0.02

r [mm] 25

30

35

40

45

50

55

60

Bild 5.40: Darstellung der Komponenten Eϕz und Ezz des Green-St.Venant-Verzerrungstensors für z=0 über r für den Verdrehwinkel 2ϑ=7°

Anpassung der Parameter

97

Beide Komponenten sind linear in r. Die für den Verlauf von τ ϕz (ϑ, r, z = 0) speziell interes-

sierende Schubverzerrung E ϕz (ϑ, r, z = 0) lautet:

E ϕz (ϑ, r, z = 0) =

1 (α1 + α 2 r )sin ϑ . 2

(5.41)

Unabhängig von der genauen Form des Stoffgesetzes kann man für τ ϕz (ϑ, r, z = 0) ebenfalls eine in r lineare Form ansetzen:

τ ϕz (ϑ, r, z = 0) = τ i (ϑ ) +

τ a (ϑ ) − τ i (ϑ ) (r − ri ) ra − ri

(5.42)

mit τ i (ϑ ) = τ ϕz (ϑ, r = ri , z = 0) und τ a (ϑ ) = τ ϕz (ϑ, r = ra , z = 0) . Mit (5.39) wird daraus das Torsionsmoment berechnet:

M T (ϑ) =

∫ r τ (ϑ , r , z = 0) dA = 2 π ∫ ( ) ϕz

A

=

ra r = ri

r 2 τϕz (ϑ, r, z = 0) dr

(5.43)

π (ra − ri ) τa (ϑ) 3 ra2 + 2 ra ri + ri2 + τi (ϑ) ra2 + 2 ra ri + 3 ri2 . 6

[

(

)

(

)]

(5.44)

Zur Näherung wird eine (gedachte) über r konstante mittlere Schubspannung τm (ϑ) so eingeführt, daß sie auf das gleiche Torsionsmoment M T (ϑ ) führt wie der wirkliche Spannungsverlauf:

M T (ϑ) = 2 π τm (ϑ)

=



ra

r 2 dr

(5.45)

2π τm (ϑ) ra3 − ri3 . 3

(5.46)

(

r = ri

)

Vergleich von (5.44) und (5.46) führt auf:

τm (ϑ) = τi (ϑ) + 0.642 [τa (ϑ) − τi (ϑ)].

(5.47)

Diese über die Momentengleichheit definierte mittlere Schubspannung tritt auch im realen Spannungsverlauf an einer Stelle auf; der zugehörige Radius soll mit rm bezeichnet werden:

τm (ϑ) = τϕz (ϑ , r = rm , z = 0). Für rm erhält man:

rm = ri + 0.642 (ra − ri ) = 46.58mm .

(5.48)

Anpassung der Parameter

98

Nach diesen Vorbetrachtungen kann mit dem vorliegenden Materialmodell näherungsweise aus einem vorgegebenen Torsionswinkelverlauf ϑ = ϑ(t ) das Torsionsmoment M T berechnet werden. Zunächst wird der Deformationsgradient an der Stelle (r = rm , z = 0 ) bestimmt:

1 0 − (1 − cos ϑ) Fm (ϑ):= F(ϑ , r = rm , z = 0 ) = β 0 1 sin ϑ  e i ⊗ e Tj 1 0 0 

(5.49)

mit β = 2.83 . Daraus berechnet sich mit Hilfe des Materialmodells ein Spannungstensor

Tm (ϑ):= T (ϑ , r = rm , z = 0 ).

(5.50)

Diesem Spannungstensor entnimmt man die ϕz -Komponente

τm (ϑ) = τϕz (ϑ , r = rm , z = 0).

(5.51)

Damit folgt mit Hilfe von (5.46) das Torsionsmoment M T . Ausgehend von den geometrischen Annahmen und Näherungen muß demnach mit dem Materialmodell nur ein einziger Punkt des Elastomers berechnet werden. Der vorgegebene Torsionswinkel ϑ und das berechnete Torsionsmoment M T werden schließlich mit Hilfe von (5.2) und (5.3) in die entsprechenden Größen γ und τ der Kümmlee-Diagramme umgerechnet. Zur Parameteranpassung für das Materialmodell an die Kümmlee-Messungen schätzt man zunächst Startwerte für die Parameter. Damit können die Versuche mit harmonischer Erregung bei verschiedenen Frequenzen nachgerechnet werden. Es lassen sich dann die dynamische Steifigkeit und die Verluststeifigkeit berechnen. Die Berechnung der beiden Kennwerte erfolgt mit

Hilfe der Formeln 5.17 und 5.18, das heißt also mit dem Verfahren der

Harmonischen Balance. Ein Vergleich der berechneten Kurven mit den gemessenen liefert eine Abweichung, die in Form einer Fehlerquadratsumme erfaßt wird. Mit Hilfe eines Optimierungsprogramms werden die Parameter so verändert, daß die Fehlerquadratsumme minimal wird.

Anpassung der Parameter

5.1.5

99

Rechenergebnisse der Optimierung mit dem Kümmlee-Versuch

Die Parameter des Materialmodells wurden mit Hilfe der Messungen der dynamischen Steifigkeit C′ (Bild 5.29) und der Verluststeifigkeit C′′ (Bild 5.30) angepaßt. Da Frequenzen von 0.1 Hz bis 40 Hz ebenso wie Amplituden von γˆ = 0.0006 bis γˆ = 0.2 modelliert werden sollten, mußte für eine gute Anpassung des Modells an die Messungen der Füllstoff-Spannungstensor F T in 2 Anteile zerlegt werden: F

T = FT1 + FT2 .

Für jeden der beiden Anteile wurden 2 Variablen der kinematischen Verfestigung verwendet:

ˆ = ˆ + ˆ , 1 1,1 1, 2 ˆ = ˆ + ˆ . 2 2 ,1 2, 2 Insgesamt wurden daher 15 Materialparameter benötigt: 1 Parameter des Matrix-Stoffgesetzes ( MG ), 7 Parameter des Stoffgesetzes für F T1 ( FG1 , Fn1 , FK1 , Fγ1,1 , FC1,1 , Fγ1, 2 , FC1, 2 ) und 7 Parameter des Stoffgesetzes für F T2 ( FG 2 , Fn 2 , FK 2 , Fγ 2,1 , FC 2,1 , Fγ 2, 2 , FC 2, 2 ). Die Optimierung erfolgte mit der Methode der kleinsten Fehlerquadrate. Verwendet wurde das Unterprogramm „LMDIF“, das zur Programmbibliothek „MINPACK“ gehört. „MINPACK“ ist Public Domain und wird z. B. von Netlib vertrieben. Die Rechnungen im Rahmen dieser Arbeit wurden auf den Rechnern der Zentraleinrichtung Rechenzentrum der TU Berlin durchgeführt. Dem Unterprogramm „LMDIF“ liegt ein modifizierter Levenberg-MarquardtAlgorithmus zugrunde [45, 46]. „LMDIF“ wurde entwickelt von B. S. Garbow, K. E. Hillstrom und J. J. Moré vom Argonne National Laboratory (USA). Der Programmbenutzer muß eine Prozedur bereitstellen, die aus dem Parametervektor einen Fehlervektor errechnet. Die Dimension des Fehlervektors kann frei gewählt werden. Das Programm „LMDIF“ berechnet dann schrittweise einen verbesserten Parametervektor und bricht bei Konvergenz ab. Die Prozedur für das Optimierungsprogramm wurde im vorliegenden Fall so erstellt, daß sie nach dem entwickelten Materialmodell Hysteresen berechnet für harmonische Winkelerregungen der Kupplung mit den Frequenzen 0.1 Hz, 1 Hz, 10 Hz und 40 Hz und verschiedene Amplituden. Die Winkelerregung wird jeweils umgerechnet in einen Deformationsgradienten gemäß (5.49). Dann wird daraus ein zeitlicher Verlauf des Spannungstensors mit dem in Kapitel 4.5 vorgestellten Integrationsalgorithmus berechnet. Die Untersuchung der vorliegenden Verzerrungen ergab, daß eine geometrische Linearisierung sinnvoll sein könnte. Vergleichende

Anpassung der Parameter

100

Berechnungen mit den beiden Integrationsalgorithmen für endliche Deformationen (Kapitel 4.6) und für kleine Deformationen (Kapitel 4.7) bestätigten, daß die geometrische Linearisierung zulässig ist. Daher wurde für die Optimierungsprozedur der Algorithmus für kleine Deformationen verwendet. Die Prozedur für das Optimierungsprogramm berechnet aus dem Parametervektor (mit den genannten 15 Materialparametern) einen Fehlervektor, der die Abweichungen enthält zwischen den berechneten und den gemessenen Werten für C′ und C′′ an insgesamt 120 Arbeitspunkten, wobei ein Arbeitspunkt aus einer Frequenz und einer Amplitude besteht. Die Bilder 5.52 bis 5.55 zeigen nach Optimierung der Parameter für die vier verschiedenen Frequenzen jeweils eine mit dem Materialmodell berechnete Schar von Hystereseschleifen. τ [N/mm 2 ]

0.6 0.4 0.2

-0.2

-0.1

tan γ 0.1

0.2

-0.2 -0.4 -0.6 hysk1.skd 15,9 cm

Bild 5.52: Berechnete Hysteresenschar für harmonische Erregung mit f=0.1 Hz

Anpassung der Parameter

101

τ [N/mm 2 ] 0.6 0.4 0.2 tan γ -0.2

-0.1

0.1

0.2

-0.2 -0.4 -0.6 hysk2.skd 15,9 cm

Bild 5.53: Berechnete Hysteresenschar für harmonische Erregung mit f=1 Hz τ [N/mm 2 ] 0.75 0.5 0.25 tan γ -0.2

-0.1

0.1

0.2

-0.25 -0.5 -0.75

hysk3.skd 15,9 cm

Bild 5.54: Berechnete Hysteresenschar für harmonische Erregung mit f=10 Hz

Anpassung der Parameter

102

0.75

τ [N/mm 2 ]

0.5 0.25 tan γ -0.2

-0.1

0.1

0.2

-0.25 -0.5 -0.75

hysk4.skd 15,9 cm

Bild 5.55: Berechnete Hysteresenschar für harmonische Erregung mit f=40 Hz

Anpassung der Parameter

103

In Bild 5.56 sind bei einer vorgegebenen Erregeramplitude die Hysteresen für die vier verschiedenen berechneten Frequenzen aufgetragen. Es zeigt sich, daß die eingeschlossene Fläche der Hysteresen mit zunehmender Frequenz steigt. Es wird also mehr Energie dissipiert. Außerdem werden die Hysteresen mit zunehmender Frequenz steiler, die dynamische Steifigkeit erhöht sich also. τ [N/mm 2 ] 0.2

0.1 tan γ -0.04

0.02

-0.02

0.04

f = 0.1 Hz -0.1

f = 1 Hz f = 10 Hz f = 40 Hz ku-m-fr1.skd 15,9 cm

-0.2

Bild 5.56. Berechnete Hysteresen bei verschiedenen Frequenzen mit konstanter Amplitude

Anpassung der Parameter

104

Die Bilder 5.571 und 5.572 zeigen den Vergleich zwischen Rechnung und Messung für die dynamische Steifigkeit und die Verluststeifigkeit nach Optimierung der Materialparameter. C’ [N/mm 2 ] 10.0

8.0

6.0 f f f f

Messung

4.0

= 40 Hz = 10 Hz = 1 Hz = 0.1 Hz vglkml1a.skd 15,4 cm

2.0 -3

-2.5

-2

-1.5

-1

log γ

Bild 5.571: Vergleich Rechnung (durchgezogene Linien) zu

C’’[N/mm 2 ]

f f f f

1.8 1.6

= 40 Hz = 10 Hz = 1 Hz = 0.1 Hz

Messung

Messung für die dynamische Steifigkeit

1.4 1.2 1.0 0.8 0.6 vglkml2a.skd 16 cm

0.4 0.2

-3

-2.5

-2

-1.5

-1

log γ

Bild 5.572: Vergleich Rechnung (durchgezogene Linien) zu Messung für die Verluststeifigkeit

Anpassung der Parameter

5.1.6

105

Bewertung der Rechenergebnisse des Kümmlee-Versuchs

Die Anpassung der Parameter erfolgte anhand der Kennwerte der dynamischen Steifigkeit C′ und der Verluststeifigkeit C′′ . Für eine Bewertung der Rechenergebnisse wird deshalb zunächst der Vergleich zwischen Rechnung und Messung dieser beiden Kennwerte herangezogen. Bild 5.571 zeigt die dynamische Steifigkeit. Die Rechnung stimmt mit der Messung für kleine Amplituden recht gut überein. Für ansteigende Amplituden liegen die berechneten Werte leicht über den gemessenen. Bild 5.572 zeigt die Verluststeifigkeit. Für die höchste und die niedrigste Frequenz liegen die berechneten Werte sehr dicht bei den gemessenen. Die Abweichungen sind im Bereich der Meßwertstreuung. Für die beiden mittleren Frequenzen konnte keine so gute Übereinstimmung erzielt werden. Der Grund für diese Abweichungen könnte darin liegen, daß die Meßergebnisse einen großen Sprung zwischen den oberen beiden Frequenzen aufweisen. Die Sprünge in den Kennwerten zwischen 0.1 Hz und 1 Hz sowie zwischen 1 Hz und 10 Hz sind bei einer Erhöhung der Frequenz um jeweils den Faktor 10 noch moderat. Im Vergleich dazu ist der Sprung zwischen 10 Hz und 40 Hz bei einer Erhöhung der Frequenz lediglich um den Faktor 4 deutlich größer. Offensichtlich handelt es sich hier um einen Effekt, der mit dem vorliegenden Materialgesetz schlecht abgebildet werden kann. Im Rahmen der Optimierung zeigte sich, daß eine Anpassung nur an die drei unteren Frequenzen deutlich bessere Ergebnisse lieferte. Erst beim Hinzunehmen der Frequenz 40 Hz traten die genannten Abweichungen auf. Eventuell trat bei der Messung für 40 Hz eine Kupplungserwärmung auf. Dieser Effekt kann dann mit dem vorliegenden Modell nur abgebildet werden, falls temperaturabhängige Materialparameter verwendet werden, die jedoch schwer zu bestimmen sind. Die berechneten Hystereseschleifen der Bilder 5.52 bis 5.56 zeigen die charakteristischen Eigenschaften der gemessenen Kurven (siehe Bild 5.4). Die mit größerer Amplitude gefahrenen Kurven umschließen die Kurven mit kleinerer Amplitude jeweils vollständig. Die Kurven werden mit zunehmender Amplitude flacher und mit zunehmender Frequenz steiler. Es fällt jedoch auf, daß die berechneten Kurven an den Umkehrpunkten spitzer sind als die gemessenen. Das Modell bildet also offensichtlich die viskosen Effekte nicht optimal ab. Bei der Parameteroptimierung zeigte sich jedoch durchaus, daß mit der gewählten Anzahl an Parametern auch an den Umkehrpunkten rundere Kurven erzeugt werden können. Eine optimale Übereinstimmung in den Kennwerten C′ und C′′ führte aber stets wieder zu etwas spitzeren

Anpassung der Parameter

106

Kurven. Es ist denkbar, daß dieses Defizit vermindert würde, falls noch zusätzliche Kennwerte in die Optimierung einfließen würden. Dies könnten Kennwerte sein, die das Relaxationsverhalten charakterisieren oder auch ein Kurvenradius der Hystereseumkehrpunkte. Für solche Kennwerte standen jedoch keine Meßwerte zur Verfügung. Weiterhin ist es auch möglich, daß mit der gewählten Anzahl an Parametern eine bessere Anpassung der viskosen Eigenschaften nicht möglich ist. Wie schon in Kapitel 4.4.6 erwähnt, geht Ziegenhagen [9] in seiner Arbeit davon aus, daß je zu modellierender Frequenzdekade mindestens ein viskoplastischer Strang parallelgeschaltet werden muß. Diese Parallelschaltung entspricht einer additiven Zerlegung des Füllstoff-Spannungstensors

F

T . Für diese Op-

timierung wurde eine additive Aufspaltung in zwei Anteile gewählt, was der Parallelschaltung zweier viskoplastischer Stränge bei Ziegenhagen entspricht. Da aber mehr als zwei Frequenzdekaden modelliert werden, sind eventuell mehr als zwei Anteile bei der Zerlegung von F

T notwendig. Dies würde jedoch die Anzahl der Parameter noch weiter steigern. Anzumer-

ken ist noch, daß bei der Parameteroptimierung nur anhand der unteren drei Frequenzen Hysteresen mit runderen Umkehrpunkten erzeugt wurden; dabei wurden sogar weniger als die in Kapitel 5.1.5 erwähnten 15 Parameter verwendet.. Genauere Aussagen über die notwendige Anzahl von Parametern würden noch zusätzliche Studien verlangen. Dabei wären weitere Messungen notwendig, in denen zusätzliche Kennwerte bestimmt werden müßten. Wünschenswert wären auch mehrachsige Experimente oder aber mehrere verschiedene Versuchsanordnungen mit dem gleichen Material, zum Beispiel ein Zug-Druck-Versuch und ein Scherversuch..

5.2

Messungen mit zylindrischen Proben in der Arbeit von Lambertz [13]

5.2.1

Versuchsbeschreibung

Lambertz hat in seiner Arbeit ebenfalls Hystereseschleifen für harmonische Wegerregungen aufgezeichnet. Er verwendete dabei handelsübliche zylindrische Gummifedern mit anvulkanisierten Stahlscheiben (Bild 5.58).

Anpassung der Parameter

107

∅ 75

gefülltes Elastomer

= 49 geolamb1.skd 11,3 cm

Bild 5.58: Probengeometrie Mit diesen Proben führte er Scher-, Torsions- und Zug-Druck-Versuche mit harmonischer Wegerregung verschiedener Amplituden durch. Die Bilder 5.59 bis 5.61 zeigen die entsprechenden Diagramme, in denen jeweils eine Schar von Hystereseschleifen verschiedener Amplituden dargestellt ist. Darin ist F die an der Probe angreifende Kraft und A 0 die Querschnittsfläche im entspannten Zustand der Probe.

F / A0 [N/mm 2 ]

0.6

0.3 -0.3

-0.2

-0.1

0.1

0.2

w/

0.3

-0.3

-0.6

lamhys1a.skd 15,5 cm

Bild 5.59: Messung von Hystereseschleifen bei harmonischer Schub-Erregung für verschiedene Amplituden (Werkstoff: NR 70, T=23° C, f=1 Hz) [13]

Anpassung der Parameter

108

F [N] 3000

-6

-3

3

6

s [mm]

-3000

lamhyst2.skd 15,5 cm

-6000

Bild 5.60: Messung von Hystereseschleifen bei harmonischer Zug-Druck-Erregung für verschiedene Amplituden (Werkstoff: NR 60, T=23° C, f=1 Hz) [13] M T [Nm] 30 20 10 -10°

-5°



10°

ϕ

-10 -20 lamhyst3.skd 15,5 cm

-30

Bild 5.61: Messung von Hystereseschleifen bei harmonischer Torsions-Erregung für verschiedene Amplituden (Werkstoff: NR 70, T=23° C, f=1 Hz) [13]

Anpassung der Parameter

109

Für den Scherversuch (Bild 5.59) liefert die Arbeit von Lambertz Kennwerte, die zur Optimierung des entwickelten Materialmodells herangezogen werden können. Bild 5.62 zeigt die

Verformungskinematik

des

Scherversuchs:

Die

beiden

Stahlscheiben

werden

gegeneinander parallel verschoben. Der Abstand bleibt während des Versuchs konstant.

w

F

F

geolamb2.skd 7,1 cm

Bild 5.62: Verformungskinematik des Scherversuchs Die Anforderung der homogenen Verzerrung, die an einen Materialversuch gestellt wird, erfüllt der in Bild 5.62 dargestellte Versuch eigentlich nicht. Die Verformungskinematik des Versuchs bezeichnet man als reine Scherung, bei der neben der Schubverformung auch eine Biegung auftritt. Das führt auf einen inhomogenen Verzerrungszustand. Eine reine Scherung dagegen erhält man, wenn man ein Material in einer Richtung positiv und quer dazu um den gleichen Betrag negativ dehnt (siehe Bild 4.18). Ein solcher Versuch ist jedoch schwieriger durchführbar. Für seinen Scherversuch ermittelt Lambertz meßtechnisch drei Kennwerte, die das dynamische Verhalten des Gummis beschreiben: Dies sind die dynamische Steifigkeit C ′ , die Hysteresebreite HB und die verhältnismäßige Dämpfung ψ . Die Größe ψ wird nach DIN 740 [47] als Kennwert für die Dämpfung von nachgiebigen Wellenkupplungen vorgeschlagen. Die Hysteresebreite HB läßt sich in Bild 5.65 direkt ablesen.

Anpassung der Parameter

110

Die anderen beiden Kennwerte sind wie folgt definiert:

C′ =

ψ=

∆F

(∆w / )

,

(5.63)

AD . AE

(5.64) AD

F

∆F

AE

HB

w/

∆w / kennw1.skd 10,0 cm

Bild 5.65: Musterhysterese zur Definition der Kennwerte Ein Vergleich der Arbeiten von Lambertz und Kümmlee ergibt: Kümmlee verwendet das Verfahren Harmonischen Balance, Lambertz dagegen ermittelt die Kennwerte direkt aus den gemessenen Hysteresen. In beiden Arbeiten wird die dynamische Steifigkeit C ′ als Kennwert verwendet. Nur für Hysteresen, die nicht zu weit von der ellyptischen Form abweichen, das heißt deren erste Harmonische der Antwortschubspannung überwiegt, sind die dynamischen Steifigkeiten beider Arbeiten vergleichbar. Für solche Hysteresen lassen sich die anderen beiden von Lambertz verwendeten Größen HB und ψ aus der komplexen Steifigkeit

C = C ′ + j C ′′ berechnen:

HB = 2 (∆w /

ψ = 2π

) C′′ ,

C′′ . C′

(5.66) (5.67)

Die komplexe Steifigkeit liefert also offensichtlich die gleichen Informationen wie die drei Kennwerte C ′ , HB und ψ . Die Bilder 5.68 bis 5.70 zeigen die von Lambertz gemessenen Verläufe von C ′ , HB und ψ über der Erregeramplitude für verschiedene Erregerfrequenzen.

Anpassung der Parameter

111

C’ / A0 [N/mm 2 ] 3.0 2.8 2.6 2.4 2.2 2.0 1.8 1.6 1.4 1.2

f = 1 Hz

1.0 f = 0.1 Hz

0.8

f = 0.01 Hz

0.6

dynstlam.skd 15,8 cm

0.4 0.2

w [mm] 2.5

5

7.5

10

12.5

15

17.5

Bild 5.68: Messung der dynamischen Steifigkeit bei harmonischer Schub-Erregung in Abhängigkeit von der Amplitude für verschiedene Frequenzen (Werkstoff: NR 70, T=23° C) [13] 2 HB / A 0 [ N / mm ]

f = 1 Hz

0.12

f = 0.1 Hz

0.1

f = 0.01 Hz

0.08 0.06 0.04

hystblam.skd 15,8 cm

0.02 w [mm] 2.5

5

7.5

10

12.5

15

17.5

Bild 5.69: Messung der Hysteresebreite bei harmonischer Schub-Erregung in Abhängigkeit von der Amplitude für verschiedene Frequenzen (NR 70, T=23° C) [13]

Anpassung der Parameter

112 ψ 1.2 1.1 1.0 0.9 0.8 0.7 0.6

f = 1 Hz

0.5

f = 0.1 Hz

0.4 f = 0.01 Hz

0.3

verhdlam.skd 15,8 cm

0.2 0.1 2.5

5

7.5

10

12.5

15

17.5

w [mm]

Bild 5.70: Messung der verhältnismäßigen Dämpfung bei harmonischer Schub-Erregung in Abhängigkeit von der Amplitude für verschiedene Frequenzen (NR 70, T=23° C) [13]

Anpassung der Parameter

5.2.2

113

Untersuchung der Probengeometrie für den Scherversuch

Aus Symmetriegründen kann man sich bei der Untersuchung der Verformungskinematik des Scherversuchs auf die halbe Probenlänge

/2 beschränken (Bild 5.71). In der Probenmitte

tritt kein Schnittmoment auf, sondern nur eine Querkraft. Die Metallscheibe nimmt neben der Querkraft F das Biegemoment M B = F /2 auf.

/2 MB

F

w/2

F

geolamb3.skd 8,4 cm

Bild 5.71: Freischnitt in der Probenmitte beim Scherversuch Es treten sowohl Schubspannungen als auch Biegenormalspannungen auf. Die Durchsenkung w/2 der halben Probe setzt sich zusammen aus einer Biegedurchsenkung und einer Schubdurchsenkung:

w wB wS . = + 2 2 2

(5.72)

Zur Abschätzung des Anteils der Schubdurchsenkung an der Gesamtdurchsenkung wird ein Hookesches Material mit dem Elastizitätsmodul E und der Querkontraktionszahl ν = 0.5 (Inkompressibilität) angenommen. Daraus ergibt sich für den Gleitmodul der Wert

G=

E E = . 2 (1 + ν) 3

(5.73)

Anpassung der Parameter

114

γm τm ∆ wS

τ

∆x

a)

b)

∆x geolamb4.skd 14,2 cm

Bild 5.74: a) Wahre Schubspannungsverteilung und b) mittlere Schubspannung Die Schubspannungen τ verteilen sich parabolisch über die Probenhöhe (Bild 5.74 a). Daraus folgt eine ebenfalls parabolische Verteilung der Gleitungen γ = τ / G . Bild 5.74 b zeigt eine gedachte verwölbungsfreie Kinematik mit gleicher Durchsenkung ∆ w S = ~γ ∆ x . Zwischen der zugehörigen konstanten Schubspannung ~τ und der mittleren Schubspannung τ = F A m

besteht der Zusammenhang

~τ = G ~γ = α τ , m

(5.75)

wobei F die Querkraft und α ein entsprechender (Ingenieur-) Koeffizient ist. Mit dem Satz von Castigliano und der wahren Schubspannungsverteilung kann eine Gleichung für die Durchsenkung formuliert werden:

∆ wS =

∂  1  ∂ F  2 G



 τ 2 dV  

(5.76)

Damit wird der Faktor α berechnet:

 ~γ ∆ x = ∂  1 ∂F 2G 

~γ ∆ x = F ∆ x AG



2   F Sy    dA dx  ,  I b  y  

2    A  S y  dA   ∫ I b   y   

(5.77)

(5.78)

Anpassung der Parameter

2   ~γ = τ m  A  S y  dA  ∫  I b G   y   

115

(5.79)

Vergleich mit Gleichung 5.75 liefert dann den Faktor α 2

α=A



 S   y  dA , I b  y 

was speziell für den Kreisquerschnitt den Wert α = 10 / 9 ≈ 1.1 liefert. Damit berechnet sich die Schubdurchsenkung der halben Probe (Bild 5.71) zu

~τ wS ~ 1.65 F αF =γ = = = . 2 2 2G 2G A EA

(5.80)

Für die Biegedurchsenkung gilt die Formel [48] 3

  F  wB F 3 2 . =   = 2 3 E Iy 24 E I y

(5.81)

Der Anteil der Schubdurchsenkung an der Gesamtdurchsenkung ist dann

1.65 wS A = = 0.85 . 2 1.65 w + A 24 I y

(5.82)

Nach diesen Vorbetrachtungen kann der Scherversuch mit dem entwickelten Stoffgesetz näherungsweise nachgerechnet werden. Dazu wird aus der vorgegebenen Wegerregung w der mittlere Gleitwinkel ~γ ausgerechnet:

~γ = 0.85 w .

(5.83)

Der entsprechende mittlere Deformationsgradient einer reinen Scherung bezüglich eines kartesischen Koordinatensystems lautet

1 ~γ 0 ~  F = 0 1 0 e i ⊗ e Tj . 0 0 1

Anpassung der Parameter

116

Der mittlere Deformationsgradient fließt in die Berechnung mit dem entwickelten Stoffgesetz ein. Das Stoffgesetz liefert einen mittleren Spannungstensor der Form

0 ~ T = τ xy  0

τ xy σ yy 0

0  0 ~τ 0 e i ⊗ e Tj = ~τ σ yy  0 0 0

0 0 e i ⊗ e Tj . 0

Mit Gleichung (5.75) berechnet sich daraus schließlich die gesuchte Scherkraft

F=

~τ A ~τ A . = 1.1 α

(5.84)

Aus der vorgegebenen Wegerregung und der daraus berechneten Scherkraft können die drei Kennwerte C ′ , HB und ψ bestimmt werden. Die Berechnung der Kennwerte erfolgt wie in Kapitel 5.2.1 beschrieben, das heißt also ohne das Verfahren der Harmonischen Balance. Die Abweichung zwischen den so berechneten Kennwerten und den gemessenen Kennwerten wird wiederum in Form einer Fehlerquadratsumme erfaßt. Die Modellparameter können jetzt wieder mit einem Optimierungsprogramm angepaßt werden.

5.2.3

Rechenergebnisse der Optimierung mit dem Lambertz-Versuch

Für die Messungen von Lambertz wurden die Materialparameter des Modells mit Hilfe der dynamischen Steifigkeit (Bild 5.68), der Hysteresebreite (Bild 5.69) und der verhältnismäßigen Dämpfung (Bild 5.70) angepaßt. Für eine gute Anpassung wurden 2 Variablen der kinematischen Steifigkeit benötigt:

ˆ = ˆ + ˆ , 1 1,1 1, 2 ˆ = ˆ + ˆ . 2 2 ,1 2, 2 Insgesamt wurden deshalb 8 Materialparameter verwendet: 1 Parameter des Matrix-Stoffgestzes ( MG ) und 7 Parameter des Stoffgesetzes für F

F

T ( FG ,

F

n,

F

K,

γ1 ,

F

F

C1 ,

γ2 ,

F

C2 ).

Die Optimierung der Parameter erfolgte wie für die Kümmlee-Messungen mit dem Programm „LMDIF“ (siehe Kapitel 5.1.5).

Anpassung der Parameter

117

In den Bildern 5.85 bis 5.87 ist nach Optimierung der Parameter für die drei Frequenzen 0.01 Hz, 0.1 Hz und 1 Hz jeweils eine mit dem Materialmodell berechnete Schar von Hysteresen dargestellt. τ [N/mm 2 ] 0.6 0.4 0.2 w/ -0.3

-0.2

-0.1

0.1

0.2

0.3

-0.2 -0.4 -0.6

hysl1.skd 15,9 cm

Bild 5.85: Berechnete Hysteresenschar für harmonische Erregung mit f=0.01 Hz τ [N/mm 2 ] 0.6 0.4 0.2 w/ -0.3

-0.2

-0.1

0.1

0.2

0.3

-0.2 -0.4 -0.6

hysl2.skd 15,9 cm

Bild 5.86: Berechnete Hysteresenschar für harmonische Erregung mit f=0.1 Hz

Anpassung der Parameter

118

τ [N/mm 2 ] 0.6 0.4 0.2 w/ -0.3

-0.2

-0.1

0.1

0.2

0.3

-0.2 -0.4 -0.6

hysl3.skd 15,9 cm

Bild 5.87: Berechnete Hysteresenschar für harmonische Erregung mit f=1 Hz

Die Bilder 5.88 bis 5.90 zeigen den Vergleich zwischen Rechnung und Messung für die dynamische Steifigkeit, die Hysteresebreite und die verhältnismäßige Dämpfung nach Optimierung der Materialparameter.

Anpassung der Parameter

119

C’ / A0 [N/mm 2 ] 2.8 2.6 2.4 2.2 2.0 1.8 1.6 1.4

f = 1 Hz

1.2

f = 0.1 Hz

1.0 f = 1 Hz

0.8 0.6

vgllmb1.skd 15,8 cm

0.4 0.2

2.5

5

7.5

10

12.5

15

17.5

w [mm]

Bild 5.88: Vergleich Rechnung (durchgezogene Linien) zu Messung für die dynamische Steifigkeit

2 HB / A 0 [ N / mm ]

f = 1 Hz f = 0.1 Hz f = 0.01 Hz

0.1 0.08 0.06

vgllmb2.skd 15,8 cm

0.04 0.02

w [mm] 2.5

5

7.5

10

12.5

15

17.5

Bild 5.89: Vergleich Rechnung (durchgezogene Linien) zu Messung für die Hysteresebreite

Anpassung der Parameter

120

ψ 1.2

1.0

0.8

0.6 f = 1 Hz 0.4

f = 0.1 Hz f = 0.01 Hz

0.2

vgllmb3.skd 15,8 cm

2.5

5

7.5

10

12.5

15

17.5

w [mm]

Bild 5.90: Vergleich Rechnung (durchgezogene Linien) zu Messung für die verhältnismäßige Dämpfung

5.2.4

Bewertung der Rechenergebnisse des Lambertz-Versuchs

Zur Anpassung der Parameter wurden die Kennwerte der dynamischen Steifigkeit C′ , der Hysteresebreite HB und der verhältnismäßigen Dämpfung ψ verwendet. Zur Bewertung der Rechenergebnisse wird daher der Vergleich zwischen Rechnung und Messung für diese drei Kennwerte betrachtet. Bild 5.88 zeigt die dynamische Steifigkeit. Anders als bei den Messungen von Kümmlee (Bild 5.571) verändert sich C′ nach den Messungen von Lambertz mit ansteigender Frequenz kaum. Auch die Kurvenform für C′ über der Amplitude unterscheidet sich etwas von Kümmlees Messungen. Die Kurven der Messungen von Lambertz weisen eine ausgeprägtere Linkskrümmung auf. Die qualitativ unterschiedlichen Versuchsergebnisse resultieren entweder aus der unterschiedlichen Probengeometrie oder aus unterschiedlichem Materialverhalten der verwendeten Gummisorten. In Bild 5.88 liegen die berechneten Kennwerte dicht an den gemessenen. Die Abweichungen liegen im Bereich der Meßwertstreuung.

Anpassung der Parameter

121

In Bild 5.89 ist die Hysteresebreite dargestellt. Auch hier wurden gute Übereinstimmungen zwischen Rechnung und Messung erzielt. Nur für die Kennwerte der dritten Amplitude

ˆ ≈ 4.5 mm ) weichen die berechneten Werte etwas von den Meßwerten ab. Dies liegt even(w tuell daran, daß durch Meßwertstreuung für diese Amplitude die Meßwerte aller drei Frequenzen fast identisch sind. Bild 5.90 zeigt die verhältnismäßige Dämpfung. Auch für diesen Kennwert unterscheiden sich die Kurvenverläufe von Lambertz und Kümmlee. Die Kurven für C′′ bei Kümmlee steigen zunächst von kleinen Amplituden ausgehend mit wachsender Amplitude an und fallen danach wieder ab (Bild 5.572). Gemäß Gleichung (5.67) gilt für die verhältnismäßige Dämpfung

ψ = 2 π C′′ C′ . Da C′ mit wachsender Amplitude stetig abnehmend ist, müßte bei Lambertz die Kurve für ψ mit wachsender Amplitude ebenfalls zunächst ansteigen und dann abnehmen, falls das Materialverhalten das gleiche wäre wie bei Kümmlee. Die Übereinstimmung zwischen Rechnung und Messung für ψ ist schlechter als für die ersten beiden Kennwerte. Die berechnete Kurve hat die soeben beschriebene Charakteristik mit erst ansteigendem und dann abnehmendem Verlauf. Ein solches Verhalten läßt sich offensichtlich mit dem vorliegenden Materialgesetz besser beschreiben. Die berechneten Hystereseschleifen der Bilder 5.85 bis 5.86 weisen die typischen Merkmale der gemessenen Kurven auf. Jedoch sind die Kurven erneut an den Umkehrpunkten spitzer als die gemessenen. Für die Gründe dieser spitzen Umkehrpunkte bzw. Maßnahmen zur Verbesserung gilt das schon in Kapitel 5.1.6 Ausgeführte.

122

6

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

Überprüfung des Materialmodells auf thermodynamische Konsistenz

Von einem Materialmodell wird gefordert, daß es die experimentellen Erfahrungen des Materials beschreiben kann. Außerdem muß es bestimmte allgemeine Prinzipien erfüllen (siehe Kapitel 3.8.1). Eine weitere Forderung an ein Materialmodell ist die Widerspruchsfreiheit mit den Bilanzsätzen der Thermodynamik. Man fordert also thermodynamische Konsistenz. Im folgenden wird gezeigt, daß das entwickelte Materialmodell dieser Forderung genügt.

6.1

Die wichtigsten Bilanzsätze der Thermodynamik

Die wichtigsten Bilanzsätze sind die Impulsbilanz, die Energiebilanz und die Entropiebilanz. Die lokale Impulsbilanz liefert einen Zusammenhang zwischen der Teilchenbeschleunigung

&& und den als Ursache der Beschleunigung auftretenden Kräften: Dies sind zum einen volux menhaft verteilte Kräfte k (zum Beispiel die Schwerkraft) und zum anderen Kräfte aus den Spannungen T . Die Impulsbilanzgleichung lautet:

&& = ρ k + divT . ρx

(6.1)

In der lokalen Energiebilanz treten die Ursachen für die zeitliche Änderung der inneren Energie ε auf: Dies sind die Wärmezufuhr im Volumen infolge skalarer Wärmequellen q, der flächenspezifische Wärmestrom h sowie die volumenspezifische innere mechanische Leistung, d. h. die Leistung des Spannungstensors T am Deformationsgeschwindigkeitstensor D . Die Energiebilanzgleichung lautet:

ρ ε& = ρ q + div h + tr (T D ).

(6.2)

In den Bilanzsätzen der Thermodynamik treten die Flußgrößen immer als Abfluß über die Bereichsgrenzen auf. Das entspricht einer nach außen gerichteten Flächennormalen. Im Falle der Energiebilanz ist eine Zunahme der inneren Energie mit einem Abfluß von Kälte aus dem Bereichsinneren verbunden. Daher ist h eigentlich ein Kältestromvektor, die Wärme fließt also gegen die positive Richtung von h . Die Gültigkeit der Energiebilanz wird auch Erster Hauptsatz der Thermodynamik genannt. Die Entropiebilanz notiert man in der Regel in Form der Clausius-Duhem-Ungleichung:

(

)

h Φ = tr (T D) − ρ ψ& + η θ& + gradθ ≥ 0 . θ

(6.3)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

123

Die Clausius-Duhem-Ungleichung ist eine lokale Entropieerzeugungsungleichung. Sie sagt aus, daß die spezifische Dissipationsfunktion Φ immer größer oder gleich null ist. Diese Aussage wird auch als Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik bezeichnet. Für den Spezialfall

Φ = 0 tritt keine Dissipation auf. Die Dissipation läßt sich zerlegen in den lokalen Anteil Φ1 und den konvektiven Anteil Φ 2 . Üblicherweise fordert man beide Anteile einzeln als größer oder gleich null. Dies ist eine Verschärfung der Forderung (6.3):

(

)

Φ1 = tr (T D) − ρ ψ& + η θ& ≥ 0 ,

(6.4)

h ≥0. θ

(6.5)

Φ 2 = gradθ

Die Ungleichung der konvektiven Dissipation Φ 2 (6.5) besagt: Der Temperaturgradient und der Kältestromvektor h bilden einen spitzen Winkel oder anders ausgedrückt: Der Wärmestrom fließt von wärmeren zu kälteren Teilen eines Körpers. Diese Aussage wird durch die Erfahrung allgemein bestätigt. Die Bedingung für die lokale Dissipation Φ 1 (6.4) bezeichnet man als Clausius-Plancksche Ungleichung. Φ 1 setzt sich additiv zusammen aus der Dissipation der Spannungsleistung tr (T D ) und einem Term − ρ ψ& + η θ& , in dem θ die absolute Temperatur, η die mas-

(

)

senspezifische Entropiedichte und

ψ = ε − θη

(6.6)

die volumenspezifische Helmholtzsche freie Energie bezeichnet.

6.2

Konzept des thermodynamischen Potentials für das Stoffgesetz der Matrix

Um zu zeigen, daß das entwickelte Materialmodell thermodynamisch konsistent ist, wird das Konzept des thermodynamischen Potentials angewendet [5]: Man postuliert zunächst, daß der thermodynamische Zustand eines Materials an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit vollständig definiert ist durch die Werte einer bestimmten Anzahl von unabhängigen Variablen, den sogenannten Zustandsvariablen. Der Zustand hängt nur von den Zustandsvariablen selbst, nicht jedoch von ihren Zeitableitungen ab. Man unterscheidet beobachtbare und innere Zustandsvariablen. Die Wahl der Zustandsvariablen ist nicht zwingend, sie hängt von dem zu beschreibenden Modell ab und ist zum Teil willkürlich.

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

124

Die Untersuchung auf thermodynamische Konsistenz muß getrennt für das Stoffgesetz der Matrix und für das Stoffgesetz der Füllstoffe vorgenommen werden. Zunächst wird das Stoffgesetz der Matrix untersucht. Das heißt T , ψ , η , Φ1 und Φ 2 gehen über in M

Φ1 und

M

M

T,

M

ψ,

M

η,

Φ 2 . Die Temperatur θ sowie alle Deformationsgrößen werden für die Matrix

und die Füllstoffe gleichgesetzt, sie erhalten daher keinen Index

M

( ).

Die Matrix verhält sich ideal-elastisch. Daher ist es nicht notwendig und damit auch nicht sinnvoll, für das Stoffgesetz der Matrix innere Zustandsvariablen einzuführen. Man kann sich auf zwei beobachtbare Zustandsvariablen beschränken: die Temperatur θ und den rechten Cauchy-Green-Verzerrungstensor C . Nach Wahl der Zustandsvariablen wird die Existenz eines thermodynamischen Potentials für die freie Energie M

ψ=

M

ψ als skalare Funktion der Zustandsvariablen gefordert:

ψ (C , θ).

M

(6.7)

Eine weitere konstitutive Annahme ist die der Inkompressibilität. Die mit dieser Bewegungseinschränkung verbundenen Zwängungsspannungen TZ = −p 1 (siehe Gleichung 3.94) können nur über die Spannungsrandbedingungen bestimmt werden. Aus Gründen der Vereinfachung werden die Zwängungsspannungen nur im Stoffgesetz der Matrix, nicht jedoch im Stoffgesetz der Füllstoffe berücksichtigt. Dahinter verbirgt sich die Forderung, daß eine hydrostatische Spannung voll von der Matrix aufgenommen werden soll, während die von den Füllstoffen aufgenommene Spannung rein deviatorisch ist. Es soll gelten: M

T = M TE + TZ .

(6.8)

Einsetzen von (6.7) in die Clausius-Plancksche Ungleichung (6.4) liefert unter Berücksichtigung von tr (TZ D ) = 0 (siehe Gleichung 3.85) M

Φ1 = tr

(

M

  ∂ Mψ &  ∂ Mψ & M &  θ + η θ ≥ 0 . TE D − ρ  tr  C  + ∂θ   ∂C  

)

(6.9)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

125

Mit der Umformung (siehe Gleichung 3.33)

 ∂ Mψ &   ∂ Mψ   ∂ Mψ T  C  = tr  F D  tr  2 F T D F  = tr  2 F ∂C  ∂C   ∂C   

(6.10)

folgt aus (6.9) F

  ∂ Mψ M  ∂ Mψ T   Φ1 = tr  M TE − 2 ρ F + η  ≥ 0 . F  D − ρ θ&  ∂C    ∂θ  

(6.11)

Da C und θ als unabhängige Variablen gewählt wurden, müssen D und θ& unabhängig voneinander frei wählbar sein. Dann kann (6.11) nur allgemein gültig sein für

∂ Mψ , ∂θ

M

η=−

M

TE = 2 ρ F

∂ Mψ T F . ∂C

(6.12)

(6.13)

Um mit Gleichung (6.13) den Spannungstensor aus den Verzerrungen zu berechnen, wird der Ansatz (6.7) für die freie Energie spezifiziert. Für das Potential wird gefordert, daß es sich additiv zusammensetzt aus einem Anteil, der nur von den Verzerrungen C abhängt, und einem Anteil, der nur von der Temperatur θ abhängt: M

ψ = Mψ(C , θ) = Mw (C) + Mψ i (θ).

(6.14)

Aus Gleichung (6.13) folgt dann ´M

mit

M

TE = 2 ρ F

∂ M w (C) T F ∂C

(6.15)

w (C) als Verformungsenergiefunktion. Mit (6.8) erhält man schließlich M

T =2ρ F

∂ M w (C) T F − p1. ∂C

(6.16)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

126 6.2.1

Van-der-Waals-Ansatz für die Verformungsenergiefunktion M

Für die Verformungsenergiefunktion

M

w (C)

w (C) wird in dieser Arbeit der van-der-Waals-Ansatz

von Kilian [29, 30, 31] gewählt (siehe auch Kapitel 4.3.2): M

G  M   2 D m ln1 − ρ    

M

w (C ) = −

mit

M

D1 = M D1 (C) =

1 2

[

M M

D1 Dm

(

 +  

D1  2 M M 3 2  + a D1  Dm  3  

M M

]

)

β J1 (C ) + 1− Mβ J 2 (C) − 3 .

M

(6.17)

(6.18)

Der Kilian-Ansatz wird jetzt in (6.15) eingesetzt: M

TE = 2 ρ F

∂ Mw (C)  ∂ MD1 (C) ∂ J1 (C) ∂ MD1 (C) ∂ J 2 (C) T +  F ∂ J 2 (C ) ∂ C  ∂ MD1 (C)  ∂ J1 (C) ∂ C

= 2ρF

G  ρ  

 D1 ⋅  

M

M

Dm

Dm −

M

M

D1

− Ma

(

(6.19)

M

(6.20)

)

1 1 M  T M  β1 + 1− β (J1 (C)1 − C) F 2 2   = MG   

M F

Dm

Dm −

 D1  ⋅  D1  M β + J1 (C)− Mβ J1 (C) B +

F

{[

− Ma

M

] [

(6.21)

] }

β −1 B

M

2

Für die Umformung (6.20) wurden die aus der Tensorrechnung bekannten Formeln zur Ableitung der Invarianten J1 (A) und J 2 (A) eines Tensors 2. Stufe A angewendet [15]:

∂ J1 (A ) = 1, ∂A

(6.22)

∂ J 2 (A ) = J1 (A )1 − A T . ∂A

(6.23)

Wie in Kapitel 4.3.2 bereits diskutiert, werden die Parameter ( Mβ , M a , M D m )ungef = ( Mβ =1,

M

a =0.28,

M

D m =35.02)

des ungefüllten Elastomers verwendet. Wie bereits erwähnt, haben Kilian und Mitarbeiter den inelastischen Einfluß der Füllstoffe unter anderem durch eine Änderung der Parameter F

a und

F

F

β,

D m erfaßt. Das hier entwickelte Stoffgesetz beschreibt aber die wesentlichen Eigen-

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

127

schaften der Füllstoffe mit den Gleichungen des viskoplastischen Teils der Deformationen. Daher verwendet dieses Stoffgesetz die feste Parameterkombination der ungefüllten Elastomere, so daß als einziger veränderlicher Parameter in der Verformungsenergiefunktion F $ der Gleitmodul F G verbleibt. wC e

( )

β =1 vereinfacht sich (6.21) zu

M

Wegen M

 TE = MG   

M M

Dm

Dm −

M

D1

− Ma

M

 D1  B ,  

(6.24)

 D1  B − p1  

(6.25)

woraus mit (6.16) schließlich folgt:

 T = MG   

M

M

mit

M

D1 =

M

Dm

Dm −

M

D1

− Ma

M

1 [J1 (B) − 3], 2

(6.26)

wobei für (6.26) der Zusammenhang J1 (C) = J1 (B) verwendet wurde.

6.3

Konzept des thermodynamischen Potentials für das Stoffgesetz der Füllstoffe

Für die Betrachtung des Füllstoff-Materialgesetzes gehen T , ψ , η , Φ1 und Φ 2 über in F T , F

ψ,

F

η , F Φ1 und F Φ 2 .

Da das Materialgesetz der Füllstoffe elastische und viskoplastische Eigenschaften enthält, wird die Deformation zerlegt in einen viskoplastisch-elastischen und einen rein elastischen Anteil:

F = Fe Fv . Für das Füllstoff- Materialgesetz werden drei Zustandsvariablen gewählt: die Temperatur θ , der elastische Green-St.Venant-Verzerrungstensor Ee und ein Tensor 2. Stufe aˆ als Verfestigungsvariable. Auch im Füllstoff-Materialgesetz fordert man die Existenz eines thermodynamischen Potentials für die freie Energie F ψ als skalare Funktion der Zustandsvariablen: F

ψ = Fψ(Ee , aˆ , θ).

(6.27)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

128

Aus der Clausius-Planckschen Ungleichung (6.4) folgt dann unter Verwendung von (3.71): F

  ∂ Fψ &   ∂ Fψ &  ∂ Fψ & F &  Ee  + tr aˆ  + θ + η θ Φ1 = tr F T F− T E& v + E& e F−1 − ρ  tr  ∂ aˆ  ∂ θ    ∂ Ee 

(

(

) )

 ∂ Fψ = tr  F−1 F T F− T − ρ ∂ Ee 

(

F &  &∂ ψ F   Ee  − ρ θ  ∂ θ + η  +    

)

 ∂ Fψ &  tr T F E& v F−1 − ρ tr aˆ  ≥ 0  ∂ aˆ  F

−T

(6.28)

(6.29)

Ee und θ wurden als unabhängige Variablen gewählt, daher müssen E& e und θ& unabhängig voneinander frei wählbar sein. Dann kann (6.29) nur allgemein gültig sein für

η=−

F

F

∂ Fψ , ∂θ

T = ρF

∂ Fψ T F . ∂ Ee

(6.30)

(6.31)

Auch für das Füllstoff-Materialgesetz wird eine additive Zerlegung der inneren Energie gefordert, und zwar in eine elastische Verformungsenergiefunktion und ein viskoplastisches Potential:

ψ = Fψ(Ee , aˆ , θ) = Fw (Ee ) + Fψ v (aˆ , θ) .

F

(6.32)

Dies führt auf F

T =ρF

∂ Fw (Ee ) T F ∂ Ee

mit Fw (Ee ) als Verformungsenergiefunktion.

(6.33)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

129

Die Umformung von (6.33) führt man am besten in Indexnotation durch: F

T jk = ρ δ Lj

= ρ δ Lj

∂ Fw k δM ∂E e LM

(6.34)

(

) (

)

N Q ∂ Fw ∂ 2 Eˆ e rˆsˆ + h rˆsˆ ∂ δ pˆ E e NQ δqˆ k δM ˆ ˆ ∂E e LM ∂E e pˆ qˆ ∂ Ce rˆsˆ

(6.35)

= 2 ρ δ Lj

∂ Fw pˆ qˆ N L M Q k δ δ δ δ δ δ δ ˆ ˆˆ rˆ sˆ pˆ N Q qˆ M ∂C e rs

(6.36)

= 2 ρ δ rˆj

∂ Fw k δ . ˆ ˆˆ sˆ ∂C

(6.37)

e rs

In symbolischer Schreibweise entspricht das der Form F

T = 2 ρ Fe

( )

ˆ ∂ Fw C e FeT . ˆ ∂C

(6.38)

e

Die dissipative Ungleichung (6.29) vereinfacht sich wegen der Beziehungen (6.30) und (6.31) unter Berücksichtigung der Forderung (6.32) zu F

(

)

 ∂ Fψ v &  aˆ  ≥ 0 . Φ1 = tr F T F− T E& v F−1 − ρ tr   ∂ aˆ

(6.39)

Mit der Abkürzung

ˆ := ρ ∂ ψ v , ∂ aˆ F

(6.40)

die die kinematische Verfestigung bezeichnet, sowie den Formeln (3.72) und (3.76) folgt

( )

1 ˆ F−1  − tr ˆ a&ˆ ≥ 0 . Φ1 = tr Fe F Tˆ FeT Fe− T D v e   Je 

F

(6.41)

Wegen J e = 1 (Inkompressibilität) erhält man schließlich

(

) ( )

ˆ − tr ˆ a&ˆ ≥ 0 . Φ1 = tr F Tˆ D v

F

(4.42)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

130 Die Dissipation variablen (hier

Φ1 setzt sich immer zusammen aus der Summe von Produkten einer Kraftˆ und − a&ˆ ). Alle T$ und ˆ ) mit einer sogenannten Flußvariablen (hier D v

F F

Kraft- und Flußvariablen sind im vorliegenden Fall in die Zwischenkonfiguration transformiert worden. Man postuliert nun die Existenz eines Potentials Fϕ1∗ als skalare Funktion der Kraftvariablen F$ T und ˆ , in der aˆ als Parameter auftreten kann:

(

)

ϕ = Fϕ1∗ F Tˆ , ˆ ; aˆ .

F ∗ 1

Durch Ableiten von

F

(6.43)

ϕ 1∗ nach den Kraftvariablen berechnen sich die entsprechenden

Flußvariablen: F ∗ ˆ = ∂ ϕ1 , D v ∂ F Tˆ

(6.44)

∂ Fϕ1∗ . − a&ˆ = ∂ ˆ

(6.45)

Zwei Forderungen an

F ∗ 1

ϕ stellen sicher, daß die dissipative Ungleichung (6.42) und damit

der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik immer erfüllt sind:

ϕ soll konvex sein in F T$ und ˆ ,

1)

F ∗ 1

2)

F ∗ 1

ϕ an der Stelle

( Tˆ = 0 , F

)

ˆ = 0 soll null sein.

Dann folgt nämlich: F

  ∂ Fϕ1∗  F ∗ ∂ Fϕ∗   ≥ ϕ1 ≥ 0 . Φ1 = tr F Tˆ F 1  + tr ˆ ˆ  ∂ Tˆ    ∂ 

(6.46)

Der Zusammenhang (6.46) wird hier nicht mathematisch bewiesen, sondern am Beispiel einer skalaren Funktion mit einer Veränderlichen veranschaulicht: Für die skalare Funktion f (x) wird gefordert: 1) f (x = 0) = 0 , 2) f (x) sei konvex.

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

131

Forderung 2) bedeutet [49]: Aus x1 ≠ x 2 folgt f (x 2 ) ≥ f (x1 ) + f ′(x1 ) ⋅ (x 2 − x1 ) , bzw. anders ausgedrückt:

f ′′(x) ≥ 0 für alle x. Die Funktion f (x) könnte dann zum Beispiel so aussehen:

f( x )

f ’ (x a ) x a

f ’ (x b ) xb f( x a ) f( x b) xa

xb

x

bspfkt1.skd 14,0 cm

Bild 6.47: Beispielfunktion zur Veranschaulichung von Gleichung (6.46) Die Dissipationsfunktion für dieses Beispiel sei

Φ bsp = z x

(6.48)

und f (x) sei ein Potential mit

z=

d f (x ) , dx

(6.49)

dann kann man für Φ bsp auch schreiben:

Φ bsp =

d f (x ) x = f ′(x ) x . dx

(6.50)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

132

Aus Bild 6.46 liest man dann ab, daß aufgrund der Forderungen 1) und 2) sowohl für negative Stellen x a als auch für positive Stellen x b des Definitionsbereiches von f (x) gilt:

Φ bsp (x = x a ) = f ′(x a ) x a ≥ f (x a ) ≥ 0 ,

(6.51)1

Φ bsp (x = x b ) = f ′(x b ) x a ≥ f (x b ) ≥ 0 .

(6.51)2

( )

ˆ Van-der-Waals-Ansatz für die Verformungsenergiefunktion Fw C e

6.3.1

Für die Verformungsenergiefunktion

F

( )

ˆ wird ebenso wie für die Matrix der van-derwC e

Waals-Ansatz von Kilian [29, 30, 31] verwendet: F

( )

ˆ =− wC e

G  F   2 D m ln1 − ρ    

F

F F

D1 Dm

 +  

D1  2 F F 3 2   + a D1  Dm  3  

F F

(6.52)

mit F

( ) [

$ =1 D1 = F D1 C e 2

F

( ) (

) ( )

]

$ + 1− F β J C $ −3 . β J1 C e 2 e

(6.53)

Mit ähnlichen Umformungen wie vorher folgt daraus F

 T = FG   

F F

Dm

Dm −

F

− Fa

D1

([

F

F

 D1  ⋅  

( )

( )]

ˆ − F βJ C ˆ B + β + J1 C e 1 e e

Im Füllstoff-Materialgesetz wird nun für

F

β,

F

a und

(6.54)

[ β − 1]B ) F

F

2 e

D m wie im Matrix-Stoffgesetz mit

der festen Parameterkombination ( F β , F a , F D m )ungef = ( Mβ , M a , M D m )ungef = ( F β =1, F a =0.28,

F

D m =35.02)

gearbeitet, also mit der von Kilian und Mitarbeitern ermittelten Parameterkombination für ungefüllte Elastomere [33].

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

133

Wegen F β =1 vereinfacht sich (6.54) zu

 T= FG   

F

mit F D1 =

F F

Dm

Dm −

F

D1

− Fa

F

 D1  B e  

(6.55)

1 [J1 (Be ) − 3], 2

(6.56)

( )

ˆ = J (B ) verwendet wurde. wobei für (6.56) der Zusammenhang J1 C e 1 e

Ansatz für das Potential Fϕ 1∗ des Füllstoff-Materialgesetzes

6.3.2

Für Fϕ1∗ wird die zunächst willkürlich erscheinende Form

( Tˆ − ˆ )+ 2 γC F

2

F

F ∗ 1

ϕ =

F K n +1

2

F

2 F

F

(ˆ ) − 2

F

γ FC 9

F

2 2

(aˆ )

n +1

(6.57)

K

angesetzt, in der Fn , FK , FC und F γ Materialparameter sind. Wie in Kapitel 4.4.2 eingeführt, bezeichnet die Invariante

2

(A ) für einen beliebigen Tensor

2. Stufe A den Ausdruck

2

(A ) :=

3 tr (A′ A′) . 2

(6.58)

Für die Ableitung dieser Invarianten nach dem Tensor selbst gilt die Formel:



3 2 (A ) = ∂A 2

A′ . 2 (A )

(6.59)

Die viskoplastische Deformationsgeschwindigkeit berechnet sich nun durch Anwendung der Formel (6.43) auf den Ansatz (6.57):

F ∗ 1 F

ˆ =∂ ϕ =3 D v ∂ Tˆ 2

2

(

F

)

Tˆ − ˆ +

γ 2 FC F

2 2 F

()

K

F F ˆ −2 γ C 9

F

2 2

(aˆ )

n F

2

Tˆ ′ − ˆ ′ . (6.60) Fˆ T− ˆ

(

)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

134

Für Gleichung (6.60) kann man mit der Abkürzung

( Tˆ − ˆ )+ 2 γC (ˆ ) − 2 F

r& :=

2

F

2

F

F

γ FC 9

F

2

F

2 2

(aˆ )

n

(6.61)

K

auch schreiben: F

ˆ = 3 r& D v 2

Tˆ ′ − ˆ ′ . ˆ ˆ 2 T−

(

)

(6.62)

Durch Nachrechnen mit (6.62) überzeugt man sich von der Richtigkeit der Beziehung:

r& =

(

)

2 ˆ ˆ tr D v D v . 3

(6.63)

Gleichung (6.63) legt für r die Bezeichnung akkumulierte viskoplastische Verzerrung nahe. Für die zweite Flußvariable, die negative zeitliche Ableitung der Verfestigungsvariablen, folgt durch Anwendung der Formel (6.44) auf den Ansatz (6.57):

( Tˆ − ˆ )+ 2 γC F

2

F

− a&ˆ =

∂ Fϕ1∗ = ∂ ˆ

2

F

2 F

( ˆ )− 2

γ FC 9

F

F

2 2

(aˆ )

K

 3 ⋅  −  2

n

⋅ (6.64)

Tˆ ′ − ˆ ′ 3 + Fˆ ˆ 2 − T 2 F

(

)

γ ˆ  ′ C 

F F

Ein Vergleich mit (6.60) und (6.61) führt auf F ˆ − 3 γ ˆ ′ r& . a&ˆ = D v F 2 C

(6.65)

Um schließlich eine Evolutionsgleichung für ˆ zu erhalten, wird ein spezieller Ansatz für den viskoplastischen Anteil der freien Energie

ψ v (aˆ , θ) postuliert. Auch hier erscheint die

F

Form zunächst wieder willkürlich:

ψ v (aˆ , θ) = Fψ v (aˆ ) =

F

1 FC tr (aˆ aˆ ). 3 ρ

(6.66)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

135

Aus (6.40) schließt man

ˆ = 2 FC aˆ , 3

(6.67)

ˆ& = 2 FC aˆ& . 3

(6.68)

Mit (6.68) folgt aus (6.65) die Evolutionsgleichung für ˆ :

ˆ& = 2 FC D ˆ − Fγ ˆ ′ r& . v 3

(6.69)

Einsetzen von (6.67) in (6.61) liefert nach kurzer Zwischenrechnung

r& =

( Tˆ − ˆ )

F

n

F

2

F

.

K

(6.70)

Der Gleichungssatz des Füllstoff-Materialmodells besteht nun aus den Gleichungen (6.55), (6.56), (6.62), (6.70) und (6.69): F

 T = FG   

F F

Dm −

mit F D1 = F

ˆ = 3 r& D v 2

r& =

2

D1

(

K

− Fa

1 [J1 (Be ) − 3], 2

( Tˆ − ˆ ) F

F

Tˆ ′ − ˆ ′ , Fˆ T− ˆ

F

2

Dm

)

F

 D1  Be  

(6.71)

(6.72)

(6.73)

F

n

,

ˆ& = 2 FC D ˆ − Fγ ˆ ′ r& . v 3

(6.74)

(6.75)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

136

6.4

Erweiterung des Modells: Berücksichtigung von Wärmeströmen

Auch auf die konvektive Dissipation Φ 2 läßt sich das Konzept des thermodynamischen Potentials anwenden. Φ 2 soll der Ungleichung (6.5) genügen:

Φ 2 = gradθ

h ≥ 0. θ

(6.76)

Die konvektive Dissipation berechnet sich ebenfalls aus dem Produkt einer Kraftvariablen (hier grad T θ ) mit einer Flußvariablen (hier h θ ). Die Bezeichnungen sind anschaulich, wenn man grad T θ als treibende Kraft für einen Kältefluß h θ interpretiert. Der Formalismus für Φ 2 läuft analog zu den Überlegungen für Φ1 . Es wird die Existenz eines Potentials

(

ϕ∗2 = ϕ∗2 grad T θ

)

(6.77)

als skalare Funktion der Kraftvariablen postuliert, aus dem sich durch Ableiten nach der Kraftvariablen die Flußvariable berechnet:

h ∂ ϕ∗2 . = θ ∂ grad T θ

(

)

(6.78)

Für das Potential ϕ∗2 wird ebenso wie vorher für das Potential ϕ1∗ gefordert, daß es konvex in der Kraftvariablen (hier: grad T θ ) ist und daß ϕ∗2 an der Stelle grad T θ = 0 gleich null ist. Mit gleicher Argumentation wie vorher ist mit diesen beiden Forderungen die dissipative Ungleichung (6.76) automatisch erfüllt. Ein spezieller Ansatz für das Potential ϕ∗2 eines allgemeinen (anisotropen) Materials ist

ϕ∗2 an =

[ (

)]

1 tr Λ grad T θ ⊗ gradθ , 2θ

(6.79)

wobei Λ den Wärmeleitungstensor bezeichnet, der für alle bisher bekannten Materialien symmetrisch ist. Durch Anwendung der Formel (6.78) auf diesen Ansatz erhält man das Fouriersche Wärmeleitungsgesetz:

h = Λ grad T θ .

(6.80)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

137

Für isotropes Material reduziert sich der Wärmeleitungstensor Λ auf einen Skalar, den Wärmeleitkoeffizienten k. Der Ansatz für das Potential ϕ∗2 lautet dann:

ϕ∗2 iso =

1 k gradθ grad T θ . 2θ

(6.81)

Anwendung von Formel (6.78) auf diesen Ansatz liefert das Fouriersche Wärmeleitgesetz für isotropes Material:

h = k grad T θ .

(6.82)

Das Wärmeleitgesetz für isotropes Material (6.82) wird jetzt in die Energiebilanz (6.2) eingesetzt:

ρ ε& = ρ q + k ∆θ + tr (T D).

(6.83)

Zur weiteren Umformung dieser Gleichung müssen erneut die beiden Stoffgesetze für die Matrix bzw. für die Füllstoffe getrennt betrachtet werden.

6.4.1

Berücksichtigung von Wärmeströmen im Matrix-Stoffgesetz

Zunächst wird die innere Energie für das Matrix-Stoffgesetz mit Hilfe von Gleichung (6.6) in Abhängigkeit der Helmholtzschen freien Energie und der Entropiedichte geschrieben:

ρ Mε = ρ

(

ψ + θ Mη

M

)

(6.84)

und anschließend nach der Zeit abgeleitet:

  ∂ Mψ &  ∂ Mψ & & M  C  + θ + θ η + θ Mη&  . ρ Mε& = ρ  tr   ∂C  ∂θ 

(6.85)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

138

Unter Ausnutzung der Beziehungen M

T = 2ρF

M

η=−

∂ Mψ T F , ∂C

∂ Mψ ∂θ

(6.86)

(6.87)

folgt dann:

1 &  + ρ θ Mη& ρ Mε& = tr F−1 MT F− T C 2   1 & F−1  + ρ θ Mη& = tr  M T  F− T C  2   

= tr

[

M

]

T D + ρ θ Mη& .

(6.88)

(6.89)

(6.90)

Für die Umformung (6.90) wurde die Formel (3.33) verwendet. (6.90) wird nun in (6.83) eingesetzt:

ρ θ Mη& = ρ Mq + Mk ∆θ .

(6.91)

Um ein praktikables Ergebnis zu erhalten, muß nun noch die Entropiedichte

η=

M

η(C , θ)

M

(6.92)

eliminiert werden. Hierzu wird die Beziehung M

η=−

∂ Mψ ∂θ

(6.93)

nach der Zeit abgeleitet:

 ∂ 2 Mψ &  ∂ 2 Mψ & ρ Mη& = − ρ tr C  − ρ θ. ∂ θ2 ∂θ ∂C 

(6.94)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

139

Erneute Ausnutzung der beiden Beziehungen (6.86) und (6.87) führt auf:

1 ∂ Mη & ∂ MT − T &  F C + ρ θ ρ Mη& = − tr  F−1 ∂θ ∂θ  2

(6.95)

 ∂ MT  1 − T & −1  ∂ Mη & θ = − tr   F C F  + ρ ∂θ   ∂θ 2

(6.96)

 ∂ MT  ∂ Mη & D + ρ θ. = − tr  ∂θ ∂ θ  

(6.97)

Für die Umformung (6.97) wurde erneut Formel (3.33) ausgenutzt. Nach Einführung der Abkürzung

c p := θ

M

∂ Mη ∂θ

(6.98)

für die spezifische Wärme des Matrix-Stoffgesetzes wird (6.97) in (6.91) eingesetzt:

 ∂ MT  ρ Mc p θ& − M k ∆θ − ρ Mq − θ tr  D  = 0 .  ∂θ 

6.4.2

(6.99)

Berücksichtigung von Wärmeströmen im Füllstoff-Materialgesetz

Die Beziehung (6.84) für die innere Energie schreibt sich für das Füllstoff-Materialgesetz ganz analog:

ρ Fε = ρ

(

)

ψ + θ Fη .

F

(6.100)

Ableitung nach der Zeit führt auf:

  ∂ Fψ &    ∂ Fψ &  ∂ Fψ & & F Ee  + tr aˆ  + θ + θ η + θ Fη&  . ρ Fε& = ρ  tr ˆ E a ∂ ∂ θ ∂ e      

(6.101)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

140

Berücksichtigt man die Gleichungen F

T = ρF

∂ Fψ (Ee ) T F , ∂ Ee

(6.102)

F ˆ = ρ∂ ψ, ∂ aˆ

η=−

F

(6.103)

∂ Fψ , ∂θ

(6.104)

dann folgt daraus:

) ( )

(

ρ Fε& = tr F−1 F T F− T E& e + tr ˆ a&ˆ + ρ θ Fη& .

(6.105)

Einsetzen von (6.105) in (6.83) unter Verwendung von (3.71) führt auf:

tr

(

F

) ( )

(

(

) )

T F− T E& e F−1 + tr ˆ a&ˆ + ρ θ Fη& = ρ Fq + Fk ∆θ + tr FT F− T E& v + E& e F−1 .

(6.106)

Nach Elimination der elastischen Verzerrungsgeschwindigkeit verbleibt:

( )

(

)

tr ˆ a&ˆ + ρ θ Fη& = ρ Fq + Fk ∆θ + tr FT F− T E& v F−1 .

(6.107)

Die Entropiedichte der Füllstoffe hängt von anderen Zustandsvariablen ab als die Entropiedichte der Matrix:

η = Fη(Ee , aˆ , θ) .

F

(6.108)

Die Ableitung von

η=−

F

∂ Fψ ∂θ

(6.109)

nach der Zeit liefert:

 ∂ 2 Fψ &   ∂ 2 Fψ &  ∂ 2 Fψ & Ee  − ρ tr aˆ  − ρ θ. ρ Fη& = − ρ tr ˆ ∂ θ2 ∂θ ∂a   ∂ θ ∂ Ee 

(6.110)

Mit den Gleichungen (6.102) bis (6.104) wird daraus:

∂ ˆ &  ∂ Fη & ∂ FT −T &  F Ee  − tr aˆ  + ρ θ. ρ Fη& = − tr  F−1  ∂θ  ∂θ ∂θ    

(6.111)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

141

Die Abkürzung

c p := θ

F

∂ Fη ∂θ

(6.112)

bezeichnet die spezifische Wärme des Füllstoff-Materialgesetzes. Einsetzen von (6.111) und (6.112) in (6.107) ergibt:

) ( )

(

ρ Fc p θ& − Fk ∆θ − tr FT F− T E& v F−1 + tr ˆ a&ˆ − ρ Fq −   ∂ FT − T  ∂ ˆ &   θ  tr F E& e F−1  + tr aˆ  = 0    ∂ θ  ∂ θ 

6.4.3

(6.113)

Berücksichtigung von Wärmeströmen für das Gesamt-Materialgesetz

Um eine Gleichung für das Gesamtmaterial zu erhalten, addiert man die Gleichungen (6.99) und (6.113):

ρ

(

) (

c p + Fc p θ& −

M

M

) ( ) (

(

)

k + Fk ∆θ − tr FT F− T E& v F−1 + tr ˆ a&ˆ − ρ

)

q + Fq −

M

  ∂ T −T  ∂ ˆ &   ∂ T  θ  tr F E& e F−1  + tr  D  + tr aˆ  = 0 ∂ θ ∂ θ     ∂ θ    F

M

(6.114)

2 & a&ˆ kann durch die bereits verwendete Beziehung ˆ = FC a&ˆ eliminiert werden. Außerdem 3 werden folgende Abkürzungen eingeführt:

c p := Mc p + Fc p ,

(6.115)

k := Mk + Fk ,

(6.116)

q := Mq + Fq .

(6.117)

Damit wird aus (6.114):

(

)

ρ c p θ& − k ∆θ − tr FT F− T E& v F−1 +

3 & tr  ˆ ˆ  − ρ q −  2 FC 

  ∂ FT − T  ∂ ˆ &    ∂ MT  θ  tr F E& e F−1  + tr  D  + tr aˆ  = 0   ∂θ   ∂ θ    ∂ θ

(6.118)

Überprüfung des Materialgesetzes auf thermodynamische Konsistenz

142

Zur Vereinfachung von Gleichung (6.118) werden folgende Annahmen getroffen: ì Es soll keine Wärmeproduktion aus äußeren Quellen (z. B. Wärmestrahlung) berücksichtigt werden. Das bedeutet:

q = 0.

(6.119)

ì Es soll keine thermomechanische Kopplung geben. Das bedeutet:

 ∂ FT − T & −1  tr  F Ee F  = 0 ,  ∂θ 

(6.120)

 ∂ MT  D  = 0 , tr   ∂θ 

(6.121)

∂ ˆ & tr  aˆ  = 0 .  ∂θ 

(6.122)

Die Energiegleichung lautet damit:

(

)

ρ c p θ& − k ∆θ − tr FT F− T E& v F−1 +

3 & tr ˆ ˆ  = 0  2 FC 

(6.123)

Zusammenfassung und Ausblick

7

Zusammenfassung und Ausblick

7.1

Zusammenfassung

143

Gefüllte Elastomere sind im Maschinenbau weit verbreitet. Die Bedeutung des Werkstoffes steigt mit der zunehmenden Forderung nach mehr Sicherheit und mehr Komfort in vielen technischen Bereichen. Genannt sei an dieser Stelle die Automobilindustrie, wo gerade die Schwingungsisolation immer wichtiger wird. Nach wie vor wird jedoch in der Praxis das gefüllte Elastomer fast immer mit hyperelastischen Materialmodellen berechnet, die nur idealelastisches Materialverhalten berücksichtigen. Zumeist verwendet man die Verformungsenergiefunktion nach Mooney [1]. Ein allgemein akzeptiertes Materialmodell für gefüllte Elastomere unter mehrachsiger Beanspruchung existiert noch nicht, da die klassischen Modelle der linearen Viskoelastizitätstheorie nicht angewendet werden können. Dies liegt vor allem daran, daß sich das Material stark nichtlinear verhält. Gute Ergebnisse bei der rechnerischen Beschreibung gefüllter Elastomere wurden bereits durch einachsige Modelle erzielt. Dabei handelt es sich im wesentlichen um rheologische Modelle mit Parallel- und Reihenschaltungen von Federn, Dämpfern und Coulombschen Reibelementen. Hervorzuheben ist dabei das von Kümmlee entwickelte und von Ziegenhagen erweiterte Modell [9]. In diesem Modell wird statt des klassischen Coulombschen Reibelementes ein spezielles plastisches Element verwendet, daß die Abhängigkeit zwischen Spannung und Dehnung über eine Exponentialfunktion beschreibt. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, eine mehrachsige Verallgemeinerung des Ziegenhagen-Modells zu entwickeln. Dabei bot sich das aus der Metallviskoplastizität bekannte Modell von Chaboche [3, 4, 5, 50] an, da die dort verwendete kinematische Verfestigung ähnliche Kurvenverläufe liefert wie die Exponentialfunktion von Ziegenhagen. Das Modell, das ursprünglich für kleine Deformationen formuliert war, mußte zur Beschreibung von Elastomeren auf endliche Deformationen angewendet werden. Das erforderte eine multiplikative Zerlegung des Deformationsgradienten. Die Untersuchung des Chaboche-Modells ergab, daß für gefüllte Elastomere die Fließgrenze zu null gefordert werden muß. Die Folge ist, daß die sogenannte viskoplastische Zwischenkonfiguration nicht spannungsfrei ist (siehe hierzu auch Anhang A). Bei der Entwicklung des vorliegenden Materialmodells war der Startpunkt die molekulare Struktur des gefüllten Elastomers und das einachsige Modell von Ziegenhagen. Mit den Prinzipien der Kontinuumsmechanik entstand ein Materialgesetz, das das gefüllte Elastomer bei

Zusammenfassung und Ausblick

144

entsprechender Anpassung der Parameter im Prinzip unter beliebigen mehrachsigen Belastungen beschreiben kann. Die Spannungen wurden dabei aufgeteilt in einen rein elastischen Anteil, der den Spannungen des ungefüllten Elastomers entspricht und mit einem hyperelastischen Materialgesetz berücksichtigt wird, und einen viskoplastischen Anteil, der die zusätzlichen Materialeigenschaften durch die Füllstoffe beschreibt und durch das modifizierte Chaboche-Modell berechnet wird. Das entwickelte Materialmodell genügt den allgemeinen Prinzipien der Thermodynamik. Dies ist in Kapitel 6 gezeigt. Die Anpassung des Modells an eine bestimmte Materialsorte und an bestimmte Bereiche der Belastungsgeschwindigkeit und der Belastungsamplitude erfolgte über die Optimierung der Materialparameter mit Hilfe von Experimenten. Eigene Experimente wurden nicht durchgeführt. Vielmehr wurde auf schon vorhandene Versuche aus den Dissertationen von Kümmlee [8] und Lambertz [13] zurückgegriffen. Verwendet wurde ein Optimierungsprogramm, das mit der Methode der kleinsten Fehlerquadrate arbeitet. Die Ergebnisse der Optimierung sind in Kapitel 5 beschrieben. Beim Vergleich zwischen Rechnung und Messung zeigt sich, daß die der Optimierung zugrunde liegenden Kennwerte für die Form und Lage der Hysteresen recht gut übereinstimmen. Allerdings zeigt sich auch, daß an den Umkehrpunkten der Hystereseschleifen die berechneten Kurven spitzer sind als die gemessenen. Dies läßt darauf schließen, daß die viskosen Eigenschaften des entwickelten Materialgesetzes noch verbessert werden müßten. Die wesentlichen Weiterentwicklungen der vorliegenden Arbeit im Vergleich zu anderen existierenden Modellen und Ansätzen zur Beschreibung von gefüllten Elastomeren sind: 1) Das Modell kann beliebige mehrachsige Belastungen beschreiben. *) 2) Es berücksichtigt das plastische Verhalten des gefüllten Elastomers mit einem Ansatz aus der klassischen Plastizitätstheorie. 3) Das Modell kann problemlos auf beliebig große Deformationen angewendet werden. 4) Es ist thermodynamisch konsistent, was die Berücksichtigung thermischer Effekte erleichtert.

*)

Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Parameter nur zur Beschreibung von dynamischen Schubbeanspruchungen angepaßt. Andere Beanspruchungsarten lassen sich durch entsprechende Parameterwahl ebenfalls beschreiben.

Zusammenfassung und Ausblick

7.2

145

Ausblick

Mit einer Erhöhung der Anzahl der verwendeten Materialparameter könnte man die viskosen Eigenschaften des Modells verbessern. Dies steigert jedoch sowohl den Optimierungsaufwand als auch den Aufwand zur Berechnung von Belastungsfällen. Eine Verbesserung der viskosen Eigenschaften ließe sich aber sehr wahrscheinlich auch dadurch erreichen, daß zusätzliche Kennwerte in die Optimierung einfließen. Dies könnte zum Beispiel ein Kennwert der Relaxation oder aber ein Kurvenradius der Hystereseumkehrpunkte sein. Weitere ausführliche Parameterstudien sind auf jeden Fall notwendig, um zum einen eine bessere Aussage treffen zu können, wie viele Materialparameter für einen bestimmten Gültigkeitsbereich des Materialgesetzes notwendig sind. Zum anderen könnten dann auch bessere Vorhersagen der Startwerte für die Optimierung getroffen werden. Systematische Untersuchungen zur Sensitivität der einzelnen Parameter müßten durchgeführt werden, um eine Parameterreduzierung zu erreichen. Zusätzliche Experimente sind notwendig, um die Parameter zuverlässiger zu bestimmen. Um den Gültigkeitsbereich des Modells zu erweitern, müßten mit gleichem Material Experimente mit verschiedenartigen Belastungen mit verschiedenartigen Belastungen durchgeführt würden. Durch mehrachsige Experimente ließen sich die so erzielten Ergebnisse validieren. Der nächste Schritt ist dann die Implementierung des Stoffgesetzes in ein Finite-ElementeProgramm. Dabei bietet es sich an, ein kommerzielles Programm zu nutzen, das die Option eines benutzerdefinierten Materialmodells enthält. Die Programme „ADINA“ oder „MARC“ kämen hierfür in Frage. Zur Berücksichtigung von Materialerwärmung und Wärmeströmen innerhalb des Materials kann Gleichung (6.123) entsprechend umgeformt werden, um für jeden Zeitschritt die Temperatur zu aktualisieren. Dies wäre aber nur dann sinnvoll, wenn temperaturabhängige Materialparameter bestimmt würden. Das erfordert Experimente bei verschiedenen Temperaturen, wobei jedoch für jede Messung eine homogene Temperatur in der Materialprobe angestrebt werden sollte. Wahrscheinlich ist es möglich, die Temperaturabhängigkeit des Materials nur durch einige wenige Parameter und nicht durch den ganzen Parametersatz zu beschreiben.

Literatur

146 8 [1]

Literatur Mooney, M.: A Theory of Large Elastic Deformation. J. of Appl. Physics 11 (1940), S. 582-592.

[2]

Jacob, H.-G.: Zur Berechnung lokaler Deformationen in Luftfederbalgwänden. Dissertation Univ. Hannover 1995.

[3]

Chaboche, J.-L.: Viscoplastic Constitutive Equation for the Discription of Cyclic and Anisotropic Behaviour of Metals. Bull. de l´Acad. Polonaise des Sciences 25 (1977), S. 33.

[4]

Chaboche, J.-L. u. G. Rousselier: On the Plastic and Viscoplastic Constitutive Equations. J. Press. Vessel Techn. 105 (1983), S. 153-164.

[5]

Chaboche, J.-L. u. J. Lemaitre: Mechanics of Solid Materials. Cambridge University Press 1990.

[6]

Krawietz, A.: Materialtheorie. Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo: Springer-Verlag 1986.

[7]

Japs, D.: Ein Beitrag zur analytischen Bestimmung des statischen und dynamischen Verhaltens gummielastischer Wulstkupplungen unter Berücksichtigung von auftretenden Axialkräften. Dissertation Universität Dortmund 1979.

[8]

Kümmlee, H.: Ein Verfahren zur Vorhersage des nichtlinearen Steifigkeits- und Dämpfungsverhaltens sowie der Erwärmung drehelastischer Gummikupplungen bei stationärem Betrieb. Düsseldorf: VDI-Verlag 1986.

[9]

Ziegenhagen, S.: Standardisierte Beschreibung des Übertragungsverhaltens von Elastomerkupplungen bei stationärem Betrieb. Dissertation TU Berlin 1994.

[10] Mertens, H. u. B. Fairlie: Standardisierte Kennwertermittlung bei Elastomer-Kupplungen.

Tischvorlage

zur

Arbeitskreissitzung

„Nichtschaltbare

Kupplungen“

am

25.08.1994 in Frankfurt/Main. [11] Seeger, T.: Werkstoffmechanisches Konzept der Dauer- und Zeitfestigkeit. Düsseldorf: VDI-Verlag.

Literatur

147

[12] Betten, J.: Kontinuumsmechanik. Berlin, Heidelberg, London, Paris, New York, Tokyo, Hong Kong, Barcelona, Budapest: Springer-Verlag 1993. [13] Lambertz, S.: Nichtlineares Materialgesetz für technische Gummiwerkstoffe mit deformationsabhängigen Eigenschaften und seine experimentelle Überprüfung an Gummifederelementen. Dissertation RWTH Aachen 1993. [14] Zander, W.: Sätze und Formeln der Mechanik und Elektrotechnik. Aus: Sauer, R. , I. Szabo (Hrsg.): Mathematische Hilfsmittel des Ingenieurs (Teil IV). Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1970. [15] Altenbach, J. u. H. Altenbach: Einführung in die Kontinuums-Mechanik, Stuttgart: Teubner 1994. [16] Becker, E. u. W. Bürger: Kontinuumsmechanik. Stuttgart: Teubner 1975. [17] Bertram, A.: Axiomatische Einführung in die Kontinuumsmechanik. Mannheim, Wien, Zürich: BI-Wissenschaftsverlag 1989. [18] Truesdell, C. u. W. Noll: The Non-Linear Field Theories of Mechanics. Handbuch der Physik III/3 (Hrsg. Flügge). Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1965. [19] Klingbeil, E.: Tensorrechnung für Ingenieure. Mannheim, Wien, Zürich: B.I.-Wissenschaftsverlag 1966. [20] Lippmann, H.: Angewandte Tensorrechnung. Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong, Barcelona, Budapest: Springer 1993. [21] Eckart, C.: The Thermodynamic of Irreversible Processes: IV. The Theory of Elasticity and Anelasticity. Phys. Review 73 (1948), S. 373-382. [22] Lee, E. H.: Elastic-Plastic Deformation at Finite Strain. J. Appl. Mech. 36 (1969), S. 1-6. [23] Green, A. E. u. P. M. Naghdi: Some Remarks on the Elastic-Plastic Deformation at Finite Strains, Int. J. Engng. Sci. 9 (1971), S. 1219-1229. [24] Haupt, P.: On the Concept of an Intermediate Configuration and its Application to a Representation of Viscoelastic-Plastic Material Behavior. International Journal of Plasticity 1 (1985), S. 303-316.

Literatur

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[25] Olschewski, J.: Plastizitätstheorie II. Skript zu einer Vorlesung am FB 9 der TU Berlin im SS 1992. [26] Truesdell, C.: Six Lectures on Modern Natural Philosophy. Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1966. [27] Schwarzl, F. R.: Polymermechanik. Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, Hong Kong: Springer-Verlag 1990. [28] Treloar, L. R. G.: The Physics of Rubber Elasticity. Oxford: Clarendon Press 1975. [29] Kilian, H.-G.: Polym. Bull. 3 (1980), S. 151. [30] Kilian, H.-G.: Polymer 22 (1981), S. 209. [31] Eisele, U., B. Heise, H.-G. Kilian u. M. Pietralla: Macromol. Chem. 100 (1981), S. 67. [32] Strauß, M.: Struktur gefüllter Vulkanisate und Mechanismen der Verstärkung. Dissertation Universität Ulm 1992. [33] Hamm, A.: Uniaxiale Kompression gefüllter Vulkanisate. Dissertation Universität Ulm 1993. [34] Kraus, V.: Große Deformationen im Glasübergangsbereich von polymeren Netzwerken. Dissertation Univ. Ulm 1993. [35] Ambacher, H., M. Strauß, H.-G. Kilian u. S. Wolff: Reinforcement in Filler-Loaded Rubbers. Kautschuk Gummi Kunststoffe 44 (1991), S. 1111-1118. [36] Raos, P., Y.Y. Zhu u. S. Cescotto: Large Strain Analysis of Rubber-Like Materials by FEM. Kautschuk Gummi Kunststoffe 47 (1994), S. 39-44. [37] Mróz, Z.: An Attempt to Describe the Behavior of Metals Under Cyclic Loads Using a More General Workharding Model. Acta Mech. 7 (1969) 2-3, S. 199-212. [38] Kolsch, H.: Schwingungsdämpfung durch statische Hysterese. Düsseldorf: VDI-Verlag 1993. [39] Wilkins, M. L.: Calculation of Elastic-Plastic Flow. Aus: B. Alder (Hrsg.): Methods in Computational Physics, Vol. 3. New York, London: Academic Press 1964.

Literatur

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[40] Eterovic, A. L. u. K.-J. Bathe: A Hyperelastic-Based Large Strain Elasto-Plastic Constitutive Formulation with Combined Isotropic-Kinematic Hardening Using the Logarithmic Stress and Strain Measures, Int. J. Num. Meth. Eng. 30 (1990), S. 1099-1114. [41] Werner, H. u. R. Schaback: Praktische Mathematik II. Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1972. [42] Engeln-Müllges, G. u. F. Reutter: Numerische Mathematik für Ingenieure. Mannheim, Wien, Zürich: Bibliographisches Institut 1985. [43] Federn, K.: Dämpfung elastischer Kupplungen - Wesen, einwirkende Parameter, Ermittlung. VDI-Berichte Nr. 229, Düsseldorf: VDI-Verlag 1977. [44] Laugwitz, D.: Ingenieurmathematik, Band II. Mannheim, Wien, Zürich: BI-Wissenschaftsverlag 1984. [45] Moré, J.: The Levenberg-Marquardt Algorithm: Implementation and Theory. Aus: Watson, G. A. (Hrsg.): Numerical Analysis (Lecture Notes in Mathematics, Vol. 630), S. 105-116. Berlin, Heidelberg: Springer 1977. [46] Gill, P. E., W. Murray u. M. H. Wright: Practical Optimization. London, New York, Toronto, Sydney, San Francisco: Academic Press 1981. [47] DIN 740, Teil 2, Begriffe und Berechnungsgrundlagen, August 1986. [48] Beitz, W. u. K.-H. Küttner (Hrsg.): Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau (17.Aufl.). Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris , Tokyo, Barcelona: Springer 1990. [49] Bronstein, I. N. u. K. A. Semendjajew: Taschenbuch der Mathematik, Frankfurt/Main: Thun 1981. [50] Chaboche, J.-L.: Cyclic Viscoplastic Constitutive Equations. Journal of Applied Mechanics 60 (1993), S. 813-828.

Veranschaulichung der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration

150 A

Anhang: Beispiel zur Veranschaulichung der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration

Im folgenden wird das Mróz-Modell [37] auf zwei verschiedene Materialien angewendet, um am Beispiel zu veranschaulichen, was mit dem Begriff „nicht spannungsfreie Zwischenkonfiguration“ gemeint ist. Es wird ein rein plastisches Mróz-Modell angenommen ohne viskose Eigenschaften. Das Modell hat eine Fließfläche fläche

5

1

, drei Verfestigungsflächen

2

bis

4

und eine Grenzspannungs-

(Bild A1). Das Prinzip des Modells ist in Kapitel 4.4.2.2 beschrieben. σIII

2 k 3 2

2 k 3 3

2 k 3 4 2 k 3 5

2 k 3 1

F5

σI

F1 F2

F3

F4

σII

append1.skd 8,1 cm

Bild A1: Mróz-Modell Bei Spannungen innerhalb der Fließfläche

1

reagiert das Material rein elastisch. Erreicht die

Spannung die Fließfläche tritt neben der elastischen Dehnung ε el zusätzlich noch eine plastische Dehnung ε pl auf. Die Gesamtdehnung ergibt sich aus der Summe beider Dehnungen:

ε = ε el + ε pl . Die elastische Steifigkeit E el = ∆σ / ∆ε el ist konstant für alle Spannungszustände. Erreicht die Spannung die Fließfläche, so setzt die plastische Verfestigung ein. Die plastische Verfestigung wird gekennzeichnet durch Verfestigungsraten E Mr = ∆σ / ∆ε pl . Vor Überschreiten der Fließfläche

1

ist die plastische Steifigkeit E Mr , 0 unendlich groß. Nach Überschreiten der n-

ten Verfestigungsfläche

n

hat die plastische Steifigkeit den Wert E Mr , n . Bei Erreichen der

Grenzspannungsfläche fließt das Material ohne weitere Verfestigung, das heißt die plastische Steifigkeit E Mr ,5 ist gleich null.

Veranschaulichung der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration

151

Es werden nun zwei verschieden Materialien untersucht. Material 1 hat die folgenden Parameter:

k 1 = 600 N / mm 2 , k 2 = 660 N / mm 2 ,

k 3 = 720 N / mm 2 , k 4 = 780 N / mm 2 ,

k 5 = 840 N / mm 2 . E el = 168.000 N / mm 2 . E Mr ,1 = 60000 N / mm 2 , E Mr , 2 = 30000 N / mm 2 , E Mr ,3 = 20000 N / mm 2 , E Mr , 4 = 10000 N / mm 2 , E Mr ,5 = 0 N / mm 2 . Die Beispiel-Belastung wird rein einachsig durchgeführt. Folgender Dehnungsverlauf wird vorgegeben:

ε 1.7 %

t

-1.7 % appendi4.skd 9,7 mm

Bild A2: Vorgegebener Dehnungsverlauf

152

Veranschaulichung der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration

Daraus ergeben sich die folgenden Verläufe für die Spannung über der elastischen Dehnung, über der plastischen Dehnung und über der Gesamtdehnung (Bilder A3 bis A5): σ [N/mm 2 ] A

840 720 600 480 360 240 120 -1.6 -1.4 -1.2 -1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2

0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 εel [%] B

-120 -240 -360 -480 -600 -720 -840 append5.skd 16 cm

Bild A3: Spannung über der elastischen Dehnung für Material 1

Veranschaulichung der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration

153

σ [N/mm2 ] 840

A

720 600 480 360 240 120 -1.6 -1.4 -1.2 -1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2

0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 εpl [%] B

-120 -240 -360 -480 -600 -720 -840 append2.skd 16 cm

Bild A4: Spannung über der plastischen Dehnung für Material 1

154

Veranschaulichung der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration

σ [N/mm2 ] 840

A

720 600 480 360 240 120 -1.6 -1.4 -1.2 -1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2

0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 B

-120 -240 -360 -480 -600 -720 -840 append6.skd 16 cm

Bild A5: Spannung über der Gesamtdehnung für Material 1

ε [%]

Veranschaulichung der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration

Für Material 2 werden folgende Parameter gewählt:

k 1 = 180 N / mm 2 , k 2 = 360 N / mm 2 ,

k 3 = 480 N / mm 2 , k 4 = 540 N / mm 2 ,

k 5 = 600 N / mm 2 . E el = 120000 N / mm 2 . E Mr ,1 = 180000 N / mm 2 , E Mr , 2 = 120000 N / mm 2 , E Mr ,3 = 60000 N / mm 2 , E Mr , 4 = 30000 N / mm 2 , E Mr ,5 = 0 N / mm 2 . Das entsprechende Mróz-Modell ist in Bild A6 skizziert: σIII

2 k 3 3

2 k 3 4

2 k 3 2

σI

2 k 3 5 2 k 3 1

F1 F2

F5 F3

F4

σII

append10.skd 8,1 cm

Bild A6: Mróz-Modell für Material 2

155

156

Veranschaulichung der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration

Setzt man die gleiche vorgegebene Dehnung wie für Material 1 an (Bild A2), dann resultieren daraus die in den Bildern A7 bis A9 dargestellten Verläufe für die Spannung über der elastischen Dehnung, über der plastischen Dehnung und über der Gesamtdehnung. σ [N/mm 2 ] 600

A

480 360 240 120 -1.6 -1.4 -1.2 -1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2

0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 εel [%] B

-120 -240 -360 -480 -600 append8.skd 16 cm

Bild A7: Spannung über der elastischen Dehnung für Material 2

Veranschaulichung der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration

157

σ [N/mm 2 ] A

600 480 360 240 120 -1.6 -1.4 -1.2 -1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2

0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 εpl [%] B

-120 -240 -360 -480 -600 append7.skd 16 cm

Bild A8: Spannung über der plastischen Dehnung für Material 2 σ [N/mm 2 ] 600

A

480 360 240 120 -1.6 -1.4 -1.2 -1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2

0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 B

-120 -240 -360 -480 -600 append9.skd 16 cm

Bild A9: Spannung über der Gesamtdehnung für Material 2

ε [%]

Veranschaulichung der nicht spannungsfreien Zwischenkonfiguration

158

Anhand der Beispiel-Belastungen beider Materialien wird nun noch einmal der Begriff der Zwischenkonfiguration aufgegriffen. Da das Modell eine additive Zerlegung der Dehnungen in ε el und ε pl voraussetzt, kann man zu jeder in der Rechnung auftretenden Gesamtdehnung

ε die plastische Dehnung ε pl als Zwischenkonfiguration bezeichnen. Dann zeigen die Bilder A4 und A8 Hysteresen für die Zwischenkonfiguration. Am oberen Umkehrpunkt beträgt die Gesamtdehnung jeweils (Punkt A in den Diagrammen): ε = 1 .7 % .

Sowohl für Material 1 als auch für Material 2 ist die plastische Dehnung am oberen Umkehrpunkt jeweils

ε pl = 1.2% . Wird nun entlastet bis zum vollständigen Abbau der Spannung (Punkt B in den Diagrammen), ist die plastische Dehnung für Material 1 noch immer

ε pl = 1.2% , jedoch für Material 2 hat sie abgenommen auf

ε pl = 1.067% . Dies bedeutet, daß bei Material 2 die Bezeichnung „plastische Dehnung“ für ε pl nicht mehr ganz zutreffend ist, da ε pl bei einer Entlastung nicht unverändert bleibt. Man kann daher zwar für beide Materialien des Beispiels von einer Zwischenkonfiguration sprechen, die man erhält, wenn man von der Gesamtdehnung ε die elastische Dehnung ε el abzieht. Für Material 1 entsteht nach Abzug von ε el eine real existierende spannungsfreie Situation, zum Beispiel entsteht aus Zustand A der spannungsfreie Zustand B (Bild A5). Zieht man jedoch für Material 2 im Zustand A (Bilder A7 bis A9) die elastischen Dehnung ε el ab, so erhält man keine real existierende Situation, also auch keine spannungsfreie Zwischenkonfiguration. Es handelt sich also um ein Gedankenexperiment. Der Zwischenkonfiguration für Material 2 ist keine eindeutige Spannung zugeordnet.

159 Lebenslauf Andreas Pirscher (geb. 03.10.1966, Berlin)

1979 - 1985

Besuch der Freiherr-vom Stein Oberschule in Berlin

1986

Grundpraktikum bei der Firma Siemens Berlin

1986 - 1993

Studium des Maschinenbaus (Fachrichtung Konstruktionstechnik) an der Technischen Universität Berlin

1988 - 1990

Konstrukteur in Teilzeit bei der Firma Stegenwalner Berlin

1990 – 1993

Tutor am Institut für Mechanik der Technischen Universität Berlin

1993 – 1998

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mechanik der Technischen Universität Berlin

seit 1998

Entwicklungsingeniuer bei der Firma BMW Rolls-Royce in Dahlewitz (Brandenburg)