D. C. greift ein 1. Der Schatz der alten Dame : mit Schnitzeljagd für junge Detektive
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Zitiervorschau

Dieter Conrads DC Fall 01

Der Schatz der alten Dame scanned by Ginevra corrected by

Wer hat die Ersparnisse von Frau Markelbach gestohlen? War es der Mann mit dem stechenden Blick? Die drei Mitglieder des Detektiv-Clubs stehen vor einem Rätsel. Eine aufregende Suchaktion beginnt ... ISBN 3 505 07061 0 Deckelbild und Illustration: Nikolaus Moras Textredaktion: Susanne Bestmann Franz Schneider Verlag 1976

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

Inhalt Der große Preis lockt ...............................................................................3 Andy mit der Spürnase ............................................................................7 Es regnet Knackwürste ..........................................................................12 Eine Fee hat Sorgen ...............................................................................15 Wo sind die 10 000 Mark ......................................................................21 D-C greift ein.........................................................................................26 Kann sich ein Mann in Luft auflösen? ...................................................34 Der neue Filialleiter ...............................................................................43 Der Mann mit den stechenden Augen....................................................48 Im Geheimfach: Kaugummi ..................................................................54 Eine schlimme Entdeckung ...................................................................61 Dackel Wastl wird Spürhund.................................................................67 Wenn Wastl nicht gejault hätte... ...........................................................73 Siegesfeier bei Frau Markelbach ...........................................................77

Der große Preis lockt Eigentlich hatte Hausmeister Alfons Kühn daran schuld, daß es überhaupt einen Kriminalfall „Der Schatz der alten Dame" gab. Herr Kühn erschien nämlich an einem Mittwochnachmittag, um endlich den schon lange tropfenden Wasserhahn in der Küche der alten Frau Markelbach zu reparieren. „Ausgerechnet jetzt!" rief Frau Markelbach. „Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich mich mittwochs immer mit meinen Freundinnen im Cafe treffe. Also, jetzt habe ich gar keine Zeit." „Wie Sie wollen, dann gehe ich wieder. Leuten, die keine Zeit haben, kann man nicht helfen." Alfons Kühn nahm seinen Werkzeugkasten und ging brummig zur Treppe zurück. Er war ohnehin schlechtgelaunt. Er hatte im Lotto gewonnen - dritter Rang - und als er vor wenigen Stunden seinen Gewinn abholen wollte, mußte er feststellen: ausgerechnet dieses Mal hatte er vergessen, den Lottoschein abzugeben. Drei Treppenstufen hatte er schon hinter sich, da rief Frau Markelbach: „Nun bleiben Sie doch, Herr Kühn. Ich hole Nicole, sie wollte sowieso nachher mit Wastl Gassi gehen. Da kann sie ein bißchen früher kommen." Hausmeister Kühn machte mürrisch kehrt und murmelte: „Ehe sich die Leute so entscheiden..." Und Wastl bellte begeistert. „Nicole" und „Gassi" waren zwei Begriffe, die er liebte. Fünf Minuten später betrat Nicole die Wohnung. Sie war ein blondes Mädchen mit dunklen, braunen Augen, das Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Sie trug einen schicken grünen Pulli und einen grauen Flanellrock, den sie gerade erst zu ihrem zwölften Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Wastl kannte den Rock noch nicht und schnüffelte aufgeregt, bis ihm klar wurde: in dem -3-

Rock steckte seine Freundin Nicole. „Gehen Sie ruhig, Frau Markelbach", sagte Nicole. „Ich bleibe hier, bis Herr Kühn fertig ist." So geschah es dann auch. Frau Markelbach ging in ihr Cafe, Herr Kühn reparierte den Wasserhahn, Nicole spielte mit Wastl. Diese ganze Geschichte wäre an sich gar nicht erzählenswert, wenn sie nicht so tolle Folgen gehabt hätte. Als der Wasserhahn in Ordnung war, zündete sich Herr Kühn eine Zigarillo an, setzte sich auf einen Küchenstuhl und betrachtete zufrieden sein Werk. Plötzlich fiel sein Blick auf eine aufgeschlagene Illustrierte, die auf dem Küchentisch lag. Er sah ein prächtiges Foto: Da lag ein junges schlankes Mädchen im Bikini am Strand, die blauen Wellen umspülten seine Beine, spielerisch ließ es den feinen, weißen Sand durch die Hände rinnen. Im Hintergrund schimmerten weiße Bungalows, auf deren Terrassen blaue, rote und gelbe Blumen blühten. Und unter diesem Foto stand: Gewinnen Sie die Traumreise Ihres Lebens! Unser großes Preisausschreiben gibt Ihnen die Chance, drei Wochen auf den Bahamainseln zu verbringen. Das bedeutet für Sie: drei Wochen strahlende Sonne, kristallklares Wasser, drei Wochen lang in einem LuxusHotel verwöhnt werden! Herr Kühn seufzte: „Da müßte man sein..." Nicole sah aus dem Fenster. Draußen regnete es. An sich machte ihr der Regen wenig aus, trotzdem träumte auch sie sich auf die Bahamas - aus einem sehr verständlichen Grund. Morgen sollte eine Lateinarbeit in der Schule geschrieben werden, und Latein war für Nicole so ziemlich das Schwierigste. „Tja, die Bahamas... Karibische See... Kristallklares Wasser... Ferien...", sagte sie traumverloren. „Aber das ist ja alles unerreichbar." „Wieso?" Herr Kühn hatte Rauch verschluckt und mußte husten. „Solch eine Reise kostet nur eine 40-Pfennig-Postkarte. -4-

Mit der kannst du die Lösung hinschicken. Und schwierig ist die nicht." Er las sorgfältig den Text durch, dann sagte er: „Da wird ein Gegenstand gesucht, den du fast jeden Tag in die Hand nimmst." „Wenn's weiter nichts ist." Nicole zählte auf: „Zahnbürste, Waschlappen, Seife." „Aufhören!" rief Herr Kühn. „So einfach ist es natürlich nicht. Es wird ein Begriff gesucht, der aus vier Buchstaben besteht." „Topf!" sagte Nicole. „Unsinn, nimmst du etwa jeden Tag einen Topf in die Hand? Warte doch ab. Du bekommst ja eine Hilfestellung geliefert. Hier steht, daß du den Begriff ganz schnell herausbekommst, wenn du die Postleitzahlen von Hamburg, Hamburg-Harburg, Hannover und München kennst." „Die kann man erfahren. Auf der Post. Außerdem hat Frau Markelbach ein Heft, in dem sie alle stehen. Und wie geht es weiter?" „Nun nimmst du die 26 Buchstaben des Alphabets und numerierst sie. A ist l, B ist 2, und so geht's durchs ganze Alphabet." „Ich begreife noch nicht, worauf Sie hinauswollen." „Ganz einfach", erklärte Herr Kühn. „Du nimmst die vier Postleitzahlen und wandelst sie nun in die entsprechenden Buchstaben um. Wenn also Hamburg Postleitzahl 1000 hätte, müßte der gesuchte Begriff mit A anfangen, denn die Nullen zählen nicht. Verstanden?" „Klar." Nicole sprang auf. „Aber Hamburg hat nicht Postleitzahl 1000. Ich sehe mal schnell die richtigen Zahlen nach." Dazu brauchte sie nur ein paar Minuten, dann setzte sie sich hin, nahm Kugelschreiber und Papier und begann das Alphabet durchzunumerieren. Anschließend suchte sie die entsprechenden -5-

Buchstaben heraus. Sie hatte eine dumme Angewohnheit: Beim Schreiben sprach sie leise vor sich hin. „Hamburg hat Postleitzahl... , das ist dann der... Buchstabe im Alphabet, also:..." „Hast du's rausbekommen?" fragte Herr Kühn. „Klar, war kinderkinderleicht. Und es stimmt. Diesen Gegenstand nehme ich jeden Tag in die Hand." „Na los", sagte Herr Kühn, „schreib die Lösung auf eine Postkarte und schick sie ab. Ich notiere mir das Wort auch. Ich lasse nämlich kaum ein Preissauschreiben aus. Meistens schicke ich sogar mehrmals die Lösung ein. Dann vergrößern sich die Gewinnchancen." „Haben Sie schon mal was gewonnen?" Nicole überlegte, ob es sich lohnte, das Geld fürs Porto zu opfern. „Manchmal schon", Herr Kühn stand auf. „Aber fast immer nur Trostpreise. Einmal einen Elektro-Quirl. Und meine Frau hat mal einen Pelzkragen bekommen, war zwar nur Kaninchen, aber immerhin..." „Hm", Nicole fand das nicht gerade umwerfend. „Ich kann's mir noch überlegen. Erst mal muß ich mit Wastl Gassi gehen. Der hat's nötig..." Wastl bellte begeistert, als Nicole ihm das Halsband umlegte. „Was gibt's eigentlich als zweiten und dritten Preis?" fragte sie, kurz bevor sie sich von Herrn Kühn verabschiedete. „Zweiter Preis: komplette Kücheneinrichtung, dritter Preis: Waschmaschine." „Das ist leider alles nichts für mich", sagte Nicole leise, während sie mit Wastl und Herrn Kühn die Treppe hinunterging.

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Andy mit der Spürnase Es regnete nicht mehr, aber der Himmel war immer noch grau und verhangen. Nicole ließ den Dackel von der Leine, und Wastl schoß über den Rasen des Parks, der gegenüber von Nicoles Haus lag. Plötzlich sagte eine Stimme hinter ihr: „Ich wäre ja ein bißchen vorsichtiger. Wenn der Gärtner den Hund auf dem Rasen sieht, also..." Aus dem Gebüsch zwängte sich ein Junge: braunes Haar, das völlig zerzaust war, rotes Hemd, blaue Jeans, in der Hand einen Tennisball. Das war Andreas, genannt Andy, er ging in die gleiche Schulklasse wie Nicole. „Was machst du denn hier, Andy?" fragte Nicole erstaunt. „Ich dachte, du wolltest dein Fahrrad reparieren." „Längst erledigt." Bei Andy ging immer alles schnell. Er war nicht nur der schnellste Sprinter der Klasse, sondern auch der schnellste Rechner. „Hast du wieder Tennisbälle gesucht?" fragte Nicole. „Siehst du doch." Er spielte mit einem fast neuen gelben Tennisball, warf ihn in die Luft und fing ihn wieder auf. Neben dem Park war ein Tennisplatz, und manchmal flogen die Bälle der Spieler über den Zaun ins Gebüsch. Diese Bälle holte sich Andy. Er hatte eine richtige Spürnase dafür. Auch jetzt hatte er nicht nur den einen Ball gefunden. In den Hosentaschen hatte er drei weitere, sie zeichneten sich deutlich ab. „Wie viele hast du denn jetzt insgesamt?" Nicole wußte, daß Andy seine Bälle genau zählte. „79." Er fuhr herum. „Gleich sind es 80." Und dann jagte er Wastl nach. Auch der Dackel hatte einen Ball gefunden, hielt ihn im Fang und rannte in großen Kurven auf dem Rasen herum. Immer wenn ihm Andy zu nahe kam, schlug Wastl einen Haken -7-

und sauste in einer anderen Richtung davon. „So bekommst du ihn nie!" rief Nicole. „Das macht man so." Sie stieß einen Pfiff aus und sagte laut: „Wastl, bring!" Und der Hund eilte tatsächlich zu ihr und setzte sich vor sie hin. Er knurrte zwar ein bißchen, aber er ließ sich den Ball aus dem Fang nehmen.

„Den hast du aber prima erzogen!" Selbst Andy, der sonst nicht mit Lob um sich warf, mußte das anerkennen. -8-

„Das haben wir jeden Tag geübt." „Trotzdem solltest du ihn besser an die Leine nehmen. Wenn der Gärtner ihn frei herumlaufen sieht..." „Der ist doch gar nicht hier". Nicole sah sich vorsichtshalber noch mal um, konnte aber keinen Gärtner entdecken. „Der kommt gleich. Dafür habe ich eine Nase!" Andy schnüffelte wie ein Hund. Nicole wollte gerade sagen: So ein Blödsinn! - da bog doch tatsächlich der Gärtner Roose um die Ecke. Er schob eine Karre, und Nicole konnte gerade noch Wastl an die Leine nehmen. Denn es war verboten, die Hunde im Park frei umherlaufen zu lassen. Überall standen Schilder: „Bitte Hunde an die Leine nehmen!", „Bitte den Rasen nicht betreten!", „Bitte keine Blumen abreißen!" Man war höflich, statt Verboten gab es Bitten - aber mit Gärtner Roose war nicht zu spaßen! Ehe der das Wort „Bitte" aussprach, warf er lieber mit einem Stein nach einem leinenlosen Hund. Nicole konnte Gärtner Roose nicht leiden. „Woher hast du denn gewußt, daß der Roose gleich kommt?" fragte sie. „Kombinieren muß man können." Andy grinste. „Ich habe gesehen, wie Roose im alten Teil des Parks Blumen pflanzte. Er hatte so viele Blumen bei sich, die konnte er da gar nicht unterbringen. Hier im neuen Teil des Parks ist ein Stück Boden frisch umgegraben. Weshalb wohl? Natürlich, weil Roose hier seine restlichen Blumen hinpflanzen will." Andy war ganz in seinem Element. Er wollte nämlich später zur Kriminalpolizei gehen. Und genauso wendig wie ein Detektiv sein muß, sagte er gleich darauf: „Was ist nun mit dem Ball, Nicole? Bekomme ich den?" Nicole überlegte kurz. „Ja, wenn ich dafür eine Postkarte von dir bekomme." Andy starrte sie an, als sei sie verrückt geworden. „Hältst du mich für einen Briefträger?" -9-

„Ich meine doch eine neue Postkarte. Hast du vielleicht eine?" „Zu Hause haben wir welche. Wozu brauchst du die denn?" Später konnte Nicole nicht erklären, was sie dazu trieb, plötzlich von ganz oben herab zu sagen: „Weil ich vielleicht in vier Wochen auf die Bahamas fliege." Zuerst verschlug es Andy die Sprache, aber dann lachte er schallend. „Ach nein, und da muß Fräulein Nicole natürlich ihre Ankunft anmelden! Wie kommst du überhaupt auf die Idee von den Bahamas?" Nun mußte sie die Sache von dem Preisausschreiben erzählen, daß sie das gesuchte Wort gefunden hatte und daß Alfons Kühn bestimmt eine Karte damit absenden würde. Und warum nicht sie? „Weil es Unsinn ist", sagte Andy. „In vier Wochen haben wir keine Ferien, also kannst du nicht auf die Bahamas reisen. Außerdem erlauben das deine Eltern sowieso nicht. Und eine neue Küche - was willst du damit? Ihr habt doch eine prima Küche. Und eine Waschmaschine habt ihr auch, eine ganz neue sogar..." Recht hatte er, Nicole mußte es zugeben. „Aber daß vielleicht der Kühn die Reise gewinnt, paßt mir auch nicht. Ehe der gekommen ist, um bei Frau Markelbach den Wasserhahn zu reparieren, nein, also da hat er solch eine Ferienreise nicht verdient." „Wie ist eigentlich Frau Markelbach?" fragte Andy. Daran, wie er das sagte, merkte Nicole sofort, daß er in seinem Kopf eine ganz besondere Idee ausbrütete. „Sie ist ein bißchen wunderlich, aber sonst sehr nett. Zu mir jedenfalls. Und zu Wastl auch. Obwohl sie von Hunden gar nichts versteht. Was der Wastl kann, hat er nur von mir gelernt. Und der hängt auch an mir. Am liebsten hätte ich ihn immer bei mir." -10-

Wastl wackelte mit seiner Rute. Andy stieß einen Pfiff aus. „Nicole, das ist doch die Idee! Wenn die Markelbach auf den Bahamas Ferien macht, kann sie Wastl nicht mitnehmen. Also gibt sie ihn dir in Pflege. Dann ist er fast schon dein Hund! Du kannst jeden Tag mit ihm Spazierengehen, und welche Kunststücke wir ihm beibringen können..." Andy war Feuer und Flamme für seine Idee. Und zwar so, daß Nicole überhaupt nicht mehr mitkam. „Entschuldige mal", sagte sie, „warum soll denn Frau Markelbach Ferien auf den Bahamas machen?" „Hast du das nicht begriffen? Du kannst mit den Gewinnen aus diesem Preisausschreiben nichts anfangen. Aber du kennst die Lösung. Das mußt du doch ausnutzen. Komm mit, ich gebe dir eine Postkarte. Und du schreibst als Absender die Adresse von Frau Markelbach drauf. Was glaubst du, was die für ein Gesicht macht, wenn sie erfährt, daß sie auf die Bahamas fliegen wird. Du darfst es ihr natürlich nicht vorher verraten. Zu ihr sagst du davon überhaupt nichts. Nicole, das wird ein Ding!" Bei dem Gedanken, wie wohl Frau Markelbach dastehen würde mit den Flugtickets für die Bahamas in der Hand, lachte Andy so, daß er schon Bauchschmerzen bekam. Aber die Postkarte schickten Nicole und er noch am gleichen Tag ab. Und den Tennisball Nr. 80 reihte er in seine Sammlung ein. Und es wurde ein Ding! Allerdings ein ganz anderes, als Andy prophezeit hatte. In diesem Fall hatte ihn seine Spürnase zunächst im Stich gelassen.

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Es regnet Knackwürste Als Nicole ein paar Wochen später aus der Schule kam, hatte sie diese ganze Preisausschreiben-Angelegenheit längst vergessen. Sie rannte die Treppe hoch, ganz begeistert, denn zum erstenmal hatte sie eine Lateinarbeit geschrieben, unter der ein „Gut" stand. Sie klingelte an der Wohnungstür. Niemand öffnete. Aber die gegenüberliegende Tür ging auf. Und im Türrahmen stand Hausmeister Alfons Kühn, mit einem breiten freundlichen Lächeln auf dem Gesicht. „Deine Mutter ist gerade weggegangen. In einer halben Stunde ist sie zurück. Du kannst bei uns warten. Ich habe ihr von der Geschichte erzählt." „Von welcher Geschichte?" fragte Nicole verwirrt. „Komm rein, du wirst staunen." Frau Kühn erschien ebenfalls und schüttelte Nicole die Hand mit einer Freundlichkeit, die Nicole noch nie bei ihr erlebt hatte. Gleich darauf kam Robert Kühn, zehn Jahre alt, sein Mund war fettverschmiert. Die Hand konnte er Nicole nicht geben, er hielt nämlich eine heiße Wurst mit Daumen und Zeigefinder. Genüßlich biß er hinein und sagte kauend: „Nicole, das ist eine tolle Sache. Bei uns hat's heute Knackwürste geregnet." „Was?" Nicole verstand überhaupt nichts mehr. Robert, von seinen Freunden Bertie genannt, stieß die Küchentür mit dem Fuß auf. Dann wies er mit seiner Wurst auf den Tisch. „Siehst du?" Was darauf stand, war nun wirklich nicht zu übersehen, Büchse neben Büchse. Und auf jeder Büchse ein Etikett, das Würste zeigte. Knackwürste, so richtig feste Würste, die man warmmachen muß, und wenn man dann in sie hineinbeißt, knacken sie so, wie Bertie das gerade mit einer neuen Wurst vorführte. -12-

„Und... und was soll das?" „Nicole!" Frau Kühn legte den Arm um Nicoles Schultern. „Das ist der Preis, den wir in dem Preisausschreiben gewonnen haben, dessen Lösung du gefunden hast." „Es ist nicht der erste Preis, keine Reise auf die Bahamas", sagte Herr Kühn. „Wir haben den zwanzigsten und einundzwanzigsten Preis erwischt. Jeweils 25 Büchsen mit je 5 Paar Knackwürsten." Bertie fiel seinem Vater ins Wort. „Mein Vater hat zwei Postkarten mit dem Lösungswort abgeschickt, eine auf seinen und eine auf meinen Namen. Wir hatten das unverschämte Glück, beide zu gewinnen und sind jetzt stolze Besitzer von 500 Knackwürsten. Drei habe ich allerdings schon gegessen. Willst du auch eine?" „Ach du liebe Zeit..." Erst starrte sie Bertie an, dann die aufgebauten Knackwurst-Büchsen. Eben hatte ihr noch der Magen vor Hunger geknurrt, aber das war plötzlich vorbei. Siedendheiß fiel ihr Frau Markelbach ein. „Ich muß sofort zu Frau Markelbach!" Sie hastete die Treppe hoch. Unvorstellbar, wenn auch auf Frau Markelbach und Wastl solch Knackwurstregen niedergegangen war! Kaum hatte sie den Klingelknopf losgelassen, öffnete sich die Tür, Frau Markelbach stand vor Nicole, hochrot im Gesicht, und mit zitternder Stimme sagte sie: „Stell dir vor, Nicole, was ich heute bekommen habe..." „Knackwürste", sagte Nicole und erbleichte. „Wie kommst du denn darauf?" „Na, weil doch auf Familie Kühn solch ein Knackwurstregen heruntergegangen ist. 500 Knackwürste!" „Davon weiß ich nichts", sagte Frau Markelbach, sie war auch an Kühns Wurstsegen nicht interessiert, sie wollte ihre eigene Überraschung berichten. „Stell dir vor, Nicole, ich habe heute -13-

einen Brief bekommen, darin wird mir angekündigt, daß ich..." „... daß Sie auf die Bahamainseln fliegen..." „Wie kommst du denn jetzt plötzlich auf die Bahamas. Erst Knackwürste, dann Inseln. Sag mal, kannst du dich überhaupt nicht konzentrieren? Und warum bist du denn so vorlaut? Laß mich doch mal ausreden." Frau Markelbach wurde allmählich ungeduldig. „Bitte", sagte Nicole kurz. „Also, ich habe einen Brief bekommen, daß ich in einem Preisausschreiben gewonnen habe. Das Komische ist, daß ich noch nie in meinem Leben an einem Preisausschreiben teilgenommen habe. Aber dieser Brief, den ich bekommen habe, ist kein Irrtum, der ist ganz richtig an mich adressiert, und er ist sogar per Einschreiben gekommen. Hier, lies selber." Sie gab Nicole den Brief. "Sehr verehrte Frau Markelbach, wir haben die große Freude, Ihnen mitteilen zu können, daß Sie in unserem großen Preisausschreiben den zweiten Preis gewonnen haben. Es ist die Traumküche der vollkommenen Hausfrau. Die Aufstellung dieser Einbauküche wird von den Technikern und Schreinern der Firma Tra-Kü gratis vorgenommen. Ein Firmenmitglied wird Sie in den nächsten Tagen aufsuchen, um Ihren Küchenraum auszumessen... Wir gratulieren..." „Herzlichen Glückwunsch!" Mehr brachte Nicole nicht hervor. War das ein Tag! Einer ohne Bahamas, aber voller Knackwürste und mit Traumküche. „Ich möchte nur wissen", sagte Frau Markelbach, „wer die gute Fee war, die mir diesen Preis zugeschanzt hat. Ich kann nämlich wirklich eine neue Kücheneinrichtung gebrauchen. Die alte ist ja schon sehr schäbig..."

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Eine Fee hat Sorgen „Gute Fee hat sie mich genannt", sagte Nicole ein paar Stunden später zu Andy, als sie ihm dieses Ereignis erzählte. „Hast du ihr denn gesagt, daß du die Karte abgeschickt hast?" „Nein, das wollten wir doch nicht. Soll sie an eine Märchenfee glauben." Nicole kicherte. Ihre Aufregung hatte sich inzwischen gelegt. „Ich wette, sie versucht alles mögliche, um herauszubekommen, wem sie diese Küche verdankt." „Schafft sie nie, wenn wir schweigen." „Irrtum", sagte Andy und zeigte sich mal wieder als perfekter Kommissar, der zielsicher zu kombinieren versteht. „Überleg mal. Alfons Kühn weiß, daß der zweite Preis eine Küche ist. Wenn die angeliefert wird, ist er doch der erste, der zu Frau Markelbach geht und sagt: ,Gratuliere, da haben Sie also auch an dem Preisausschreiben teilgenommen... Und gleich den zweiten Preis gewonnen. Nur Nicole ist leer ausgegangen... Obwohl gerade Nicole das Lösungswort gefunden hat...' Na, und dann weiß natürlich Frau Markelbach, wem sie die Küche verdankt. Oder sagen wir besser: ich an Stelle von Frau Markelbach wüßte es. Stimmt's?" „Hm." Nicole schlenkerte mit den Beinen. „Warum sagen wir es ihr eigentlich nicht?" „Findest du es nicht schicker, so ein Geheimnis zu haben? Ich werde mal mit Bertie sprechen, der muß seinen Eltern klarmachen, daß sie uns nicht verraten." Andy blickte interessiert zum Haus hinüber. „Was ist denn?" fragte Nicole. „Ich sehe gerade, der Tischler, der Frau Markelbach die Küche anmißt, ist eben gekommen." Da war tatsächlich ein Auto vorgefahren, und ein Mann in -15-

einem blauen Kittel betrat das Haus. Nicole sagte: „Woher willst du denn wissen, daß dies der Mann ist? Der sollte doch erst in den nächsten Tagen vorbeikommen." „Da ist er eben früher gekommen. Hast du nicht gesehen, daß er am Revers vom Kittel eine Plakette trug?" Nicole schüttelte den Kopf. „Dann müßte ich schielen können. Als er ausstieg, habe ich dich angesehen." Andy zog die Augenbrauen hoch. „Ich habe jedenfalls gesehen, daß auf seiner Plakette stand: Tra-Kü. Und was heißt das? Traumküche. Los, gehen wir mal rüber." Sie kamen gerade im richtigen Moment. Frau Markelbach hatte dem Tra-Kü-Mann die Tür geöffnet, wild bellend schoß Wastl auf ihn zu und versuchte, ihn ins Hosenbein zu beißen. Frau Markelbach konnte ihren Dackel nicht bändigen. Aber Nicole rief: „Wastl! Steh!" Und Wastl stand wie eine Eins. Es gab kein Bellen und kein Beißen mehr. „Wenn ich dich nicht hätte, Nicole", sagte Frau Markelbach aufatmend. Andy zwinkerte Nicole zu, als er zu Frau Markelbach sagte: „Nicole ist eben eine gute Fee..." Aber das hörte die alte Dame nicht mehr. Sie war vollauf damit beschäftigt, den Tra-Kü-Mann in die Wohnung zu bitten und sich zu entschuldigen: „Ich bin noch gar nicht zum Aufräumen gekommen, ich hatte doch noch nicht mit Ihnen gerechnet." „Macht nichts." Der Mann zog einen Zollstock aus der Tasche und begann die Küche auszumessen. Anschließend zeichnete er auf Millimeter-Papier die einzelnen Möbelstücke auf, und dann zeigte er Frau Markelbach sein Werk. „So sieht das später aus. Hängeschränke, Arbeitsplatte, eingebauter Kühlschrank - Spüle haben Sie, dafür nehmen wir lieber noch ein Schrankelement zusätzlich. Gefällt es Ihnen so?" -16-

„Da muß ich erst meine Brille holen." Frau Markelbach verschwand aus der Küche. Andy lehnte am Türrahmen und beobachtete den Tra-Kü-Mann. Der zog ein Schubfach auf, griff hinein und sagte, weil er merkte, daß Andy ihn nicht aus den Augen ließ: „Also, hier ist wirklich eine neue Einbauküche angebracht. Das Biest klemmt, und der Boden vom Schubfach ist gebrochen." Andy kniff die Augen zusammen. Daß der Mann so einfach eine Schublade öffnete, gefiel ihm gar nicht. Und noch schlimmer fand er, daß er ihm dabei den Rücken zuwandte. „Haben Sie eigentlich Frau Markelbach Ihren Ausweis gezeigt?" fragte Andy. „Nein", sagte der Mann. „Dann wissen wir also gar nicht, ob Sie wirklich von den TraKü-Werken kommen." „Kluger Junge", sagte der Mann. „Du meinst, die alte Dame holt sich freudig Ihre Brille, und ich räubere unterdessen ihre silbernen Bestecke aus. Keine Sorge, hier ist mein Auftragsbuch von den Tra-Kü-Werken. Frau Markelbach muß sowieso den Schein unterschreiben." Andy sah sich aufmerksam den Auftragszettel durch. „Okay", sagte er. Und dann war auch schon Frau Markelbach da. Sie sah sich die Skizze an, die der Mann angefertigt hatte. Dieser erzählte ihr: „Die Einbauküche wird in Goldgelb gehalten, wissen Sie, das bringt Sonne auch an trüben Tagen. Arbeitsplatten usw. sind natürlich kratzfest und antistatisch." „Was ist denn das?" fragte Nicole. „Sie ist staubabweisend", erklärte der Mann. Er ließ sich seinen Schein unterschreiben, daß er die Arbeit verrichtet hatte. Dann wandte er sich dem Ausgang zu. „Ach so, die Küche wird Mittwoch oder Donnerstag angeliefert und aufgebaut. Wollen -17-

Sie die alte behalten?" „Um Gottes willen", sagte Frau Markelbach. „Was soll ich denn mit zwei Küchen!" „Okay, dann bauen unsere Leute die alte ab und nehmen sie gleich mit, anzufangen ist mit der doch nichts mehr." Frau Markelbach stand aufgeregt da. „Aber bis Mittwoch, Donnerstag schaffe ich doch gar nicht, die alten Schränke auszuräumen. Und wohin soll ich mit den vielen Sachen?" Der Tra-Kü-Mann lächelte. „Haben Sie im Preisausschreiben gewonnen oder nicht? Aus- und Einräumen übernehmen natürlich unsere Leute. Die arbeiten wie die Heinzelmännchen. Sie, Frau Markelbach, brauchen sich um nichts zu kümmern. Sie können Ihren Hund währenddessen spazierenführen, oder Kaffee trinken gehen." Damit verabschiedete er sich. Natürlich kam es ganz anders. Frau Markelbach führte nicht ihren Hund spazieren, als die Tra-Kü-Männer anrückten. Es war Mittwoch, und Frau Markelbach saß mit ihren Freundinnen im Cafe. Nicole hütete den Hund, und da klingelte es. „Wir wollen die Einbauküche aufstellen", sagte ein Mann, der eine Figur wie ein Schrank hatte. „Hier ist unsere Auftragsbescheinigung. Die Sache muß jetzt durchgeführt werden. Wenn nicht, haben wir erst wieder nächsten Monat Zeit." „Ha, ich weiß nicht... Frau Markelbach ist nicht hier." „Um so größer die Überraschung für sie, wenn sie heimkehrt. Keine Sorge, wir klauen nichts. Außerdem hast du ja einen scharfen Hund bei dir." Er lachte, worauf Wastl wütend bellte. Die Männer fingen sofort an zu arbeiten. Sie holten den Inhalt aus den alten Regalen, Schränken und Schubfächern vorsichtig heraus und stellten alles auf dem Flur ab. Nicole paßte genau auf, daß auch kein Löffel, kein Teller, nicht einmal eine -18-

Streichholzschachtel verschwand. Nachdem die alten Schränke zerlegt waren, bauten die Männer die neue Küche auf. Nicole half ihnen, alles wieder einzuräumen. „Mensch", sagte einer der Männer, „die Tante hat doch tatsächlich Meißner Porzellan. Sechs-Personen-Service, Zwiebelmuster. Hier", er drehte eine Tasse um, „die gekreuzten Schwerter, das Zeichen für Echt-Meißen. Möchte nicht wissen, was solch ein Service heute wert ist. Geht bloß vorsichtig damit um." „Meißner Porzellan im Schrank und nicht mal ein Bier auf dem Tisch", maulte einer seiner Kollegen. „Hier gibt's wohl nichts für durstige Kehlen?" Er sah Nicole an. „Bier? Bier hat Frau Markelbach bestimmt nicht. Aber ich kann mal bei uns nachsehen." Fünf Minuten ließ sie die Männer allein. Dann kam sie mit drei Bierflaschen zurück. Die Männer rissen sie ihr förmlich aus den Händen. Sie ließen es sich schmecken. Einer zog dann einen Block aus der Hose. „Hier, das mußt du unterschreiben."

Warum soll ich denn das unterschreiben?" fragte Nicole

„Warum denn?" -19-

„Daß wir die Küche ordnungsgemäß abgeliefert und aufgebaut haben. Nun mach schon." So ganz wohl war Nicole nicht, als sie ihren Namen unter das Formular setzte. Eine halbe Stunde später kam Frau Markelbach nach Hause, sah die Küche und brach in Begeisterungsrufe aus. „Das ist wirklich eine Traumküche!" Sie öffnete die Schränke. „Und alles so ordentlich eingeräumt. Ich weiß gar l nicht, wie ich dir danken kann, Nicole." Nicole hatte Sorgenfalten auf der Stirn. „Ich habe da so einen Zettel unterschrieben. Hier ist der Durchschlag. Durfte ich das eigentlich?" „Aber sicher. Und Bier hast du auch geholt?" Frau Markelbach zog ihre Geldbörse. „Hier sind fünf Mark fürs Bier." „So viel hat es nicht gekostet." „Der Rest ist für dich." „Danke, Frau Markelbach." Nicole rannte gleich darauf die Treppe hinunter. Soweit war alles in Ordnung. Alle waren glücklich. Frau Markelbach über ihre neue Küche. Nicole wegen des zusätzlichen Taschengeldes. Und Bertie hatte sich noch immer nicht den Magen an seinen Knackwürsten verdorben. Das Preisausschreiben wäre ein voller Erfolg gewesen - wenn nicht... ... ja, wenn es nicht am nächsten Morgen an Nicoles Wohnungstür Sturm geklingelt hätte.

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Wo sind die 10 000 Mark Nicole sah zur Uhr. Noch fünf Minuten, dann mußte sie sich auf den Schulweg machen. Ihre Eltern waren bereits zur Arbeit gegangen. „Ich komme ja schon!" rief sie, als das Klingeln nicht endete. Sie machte die Tür auf. Vor ihr stand Frau Markelbach. Noch im Morgenmantel, das graue Haar nicht frisiert, völlig aufgelöst. „Nicole, wo ist mein Geld?" „Die fünf Mark?" „Wer spricht denn von fünf Mark! Es geht um 10 000 Mark. Um zehn Tausendmarkscheine. Mein Geld ist weg. Sauer erspartes Geld." „Entschuldigen Sie, Frau Markelbach, das verstehe ich nicht. Kommen Sie doch einen Moment rein." Frau Markelbach stürmte ins Wohnzimmer und ließ sich erschöpft in einen Sessel fallen. „10 000 Mark - einfach verschwunden. So viel ist die ganze Küche nicht wert!" „Was hat denn die Küche damit zu tun?" Nicole starrte sie aus großen Augen an. „Die zehn Tausendmarkscheine waren in der alten Küche. Und die haben die Leute abmontiert und mitgenommen. Alles andere, was drin war, haben sie dagelassen, nur die 10 000 Mark sind weg. Was heißt: nur. Mein ganzes Erspartes! Wer die wohl gestohlen hat? Es muß jemand von den Tükra... von den Kratü... oder wie die Leute heißen... gewesen sein." „Die Tra-Kü-Leute? Die waren ehrlich." Nicole war fest davon überzeugt. „Und ich war die ganze Zeit bei ihnen. Und Wastl war auch da. Der hätte gemerkt, wenn sich jemand einen Tausendmarkschein eingesteckt hätte." „Wastl weiß doch gar nicht, wie ein Tausendmarkschein -21-

aussieht. Außerdem war's nicht einer, es waren zehn!" Die Uhr schlug achtmal. „Jetzt komme ich viel zu spät in die Schule. Frau Markelbach", sagte Nicole, „die Scheine finden wir schon. Aber ich muß jetzt weg." „Du kannst mich doch nicht einfach sitzenlassen" jammerte Frau Markelbach. Nicole griff nach ihrer Schultasche. „Ich spreche mit Andy. Der weiß immer einen Weg." Dann rannte sie los. Als sie ins Klassenzimmer trat, stammelte sie eine lange Entschuldigung. Herr Dr. Frosch - Frosch genannt, weil er wie ein Frosch aussah, wenn er nach Luft schnappte - winkte unwillig ab. „Setz dich, keine Entschuldigungen. Du störst den Unterricht. Also, fahren wir fort..." Er war gerade dabei, eine Mathematikaufgabe zu erklären. Nicole flüsterte: „Andy, mit der Küche ist etwas Schreckliches passiert." Andy saß vor ihr. Jetzt lehnte er sich zurück. Er hatte die Gabe, sprechen zu können, ohne die Lippen zu bewegen. „Was denn?" „Frau Markelbach vermißt 10 000 Mark." „10 000?" Frosch - Verzeihung, Herr Dr. Frosch - drehte sich an der Tafel um. „Wer hat 10 000 gesagt?" „Ich", meldete sich Nicole. „Falsch, völlig falsch. Rechne schnell noch einmal nach. Wie lautet die Lösung?" „9995", flüsterte Andy ihr zu. Obwohl er sich mit Nicole unterhalten hatte, war er Froschs Rechnerei gefolgt. „9995", sagte Nicole laut. „Gut, das ist richtig." Herr Dr. Frosch nickte ihr anerkennend zu. -22-

Und Andy flüsterte, ohne die Lippen zu bewegen: „Über die 10 000 sprechen wir in der Pause." Da standen sie dann auf dem Schulhof, und Nicole berichtete hastig, was passiert war. Andy legte die Stirn in Dackelfalten. „Sag mal, spinnt die Markelbach manchmal?" „Komisch ist sie manchmal. Aber richtig spinnen - nein, das tut sie nicht. Weshalb fragst du?" „Na ja", sagte Andy, „ich habe da so von Leuten gelesen, die fesseln sich selber und dann rufen sie um Hilfe. Und dann kommt die Polizei. Und dann sagen die Leute, daß sie überfallen worden sind." „Blöde." „Die wollen sich interessant machen, die Leute. Weiß ich doch von meinem Onkel. Der ist bei der Polizei." Andy kratzte sich am Ohr. „Vielleicht hat Frau Markelbach nie 10 000 Mark gehabt. Und nun tut sie so, als hätte man sie um alles gebracht." „Kann ich mir nicht vorstellen." „Hm." Andy dachte nach. „Aber wer hebt denn zehn Tausendmarkscheine im Küchenschrank auf? Das muß doch eine Irre sein. So viel Geld bringt man auf die Bank." „Klar", sagte Nicole. „Aber ich kann mir vorstellen, daß Frau Markelbach keiner Bank traut." „10 000 Mäuse im Küchenschrank - das ist wirklich oberdoof. Aber nehmen wir mal an, daß es stimmt. Dann muß jemand in einem unbewachten Moment das Geld gestohlen haben. Aber wer? Wer war allein in der Küche? Du warst es und ich war es." „Na, hör mal!" protestierte Nicole. „Klar, wir haben es nicht gestohlen. Aber du hast gesagt, daß du die ganze Zeit bei den Tra-Kü-Leuten warst, als siel die Küche auf- und abbauten." „Bis auf ein paar Minuten. Da habe ich Bier geholt." -23-

„Das reicht doch. Da kann man sich ein paar Tausender in die Tasche stecken." Und dann schlug sich Andy gegen die Stirn. „Du hast doch gesehen, was alles in der alten Kücheneinrichtung war. Hast du da Geld bemerkt?" Nicole schüttelte den Kopf. „Mir ist nämlich etwas eingefallen. Der Mann, der neulich die Küche ausgemessen hat, war so komisch. Hat erst eine Schublade aufgezogen und dann die nächste - immer, wenn ich ihn nicht richtig beobachten konnte. Diesen Mann müssen wir uns vornehmen." „Der war nicht von hier." „Woher weißt du das?" „Ich habe seine Autonummer gesehen, er war aus Düsseldorf", sagte Nicole. „Gut beobachtet", lobte Andy. „Aber ob uns das im Fall Markelbach weiterführt, weiß ich noch nicht." Er sah, wie Bertie über den Schulhof rannte und winkte ihn heran. „Bertie, du hast doch auch gesehen, wie Frau Markelbach ihre Küche geliefert bekam. Woher kamen die Lieferwagen?" „Dran stand Düsseldorf. Aber die Leute waren von hier. Einen kenne ich sogar, der wohnt in der Nebenstraße. So ein großer Schwarzhaariger mit einem Vollbart. Sein Name fällt mir jetzt nicht ein." „Siehst du", sagte Andy, „das hatte ich geahnt. Diese Düsseldorf-Spur führt uns nicht weiter. Die Zentrale der TraKü-Werke liegt da, hier haben sie nur Auslieferungslager. Die Autos aber sind von der Zentrale angemeldet und haben natürlich Düsseldorfer Nummern. Also müssen wir uns an den Schwarzhaarigen halten." Bertie sah ihn erstaunt an. „Worum geht es eigentlich, ihr tut so geheimnisvoll?" „Der Markelbach sind 10 000 Mäuse davongeflattert. Sagt sie -24-

jedenfalls." Da Bertie nun schon mal da war und auch einen guten Tip geliefert hatte, weihte Andy ihn in den Fall Markelbach ein. „Mein Vater kennt den Namen von dem Schwarzhaarigen wahrscheinlich. Ich kann ihn fragen", sagte Bertie, „Lieber nicht, die Eltern lassen wir besser aus dem Spiel", entschied Andy. Er wollte noch einen anderen Vorschlag Aachen, aber da schrillte die Schulglocke, und die Pause war zu Ende. Er konnte nur noch sagen: „Wir treffen uns um vier im alten Teil vom Park. Da wird alles besprochen." Dann ging er mit Nicole und Bertie zum Schulgebäude zurück.

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D-C greift ein Der alte Teil vom Park war dichter mit Bäumen bestanden als der neue. Da floß sogar ein Bach, über den Trauerweiden ihre Äste hängen ließen. Unter solch einem Weidenbaum stand eine Parkbank, und dort wartete Andy bereits. Nicole und Bertie hatten ihn zuerst gar nicht gesehen, so gut schirmte der Baum ihn ab. Vor ihm der Bach, hinter ihm Sträucher, und erst dann kam die Straße. „Prima Versteck", sagte Bertie. „Und was machen wir nun?" In der Hand hielt er eine Plastiktüte. „Wollt ihr mal reingreifen? Sie sind noch heiß." „Wer?" fragte Andy. „Die Knackwürste vom Preisausschreiben. Ich kann das Zeug kaum noch riechen." Andy nahm sich ein Paar. Nicole lehnte ab, der Figur wegen, also erbarmte sich Bertie des anderen Paares, obwohl er sie angeblich nicht mehr riechen konnte. „Was nun?" seufzte Nicole. „Wo sollen wir anfangen?" „Ja, was machen wir?" sagte Andy mit halbvollem Mund. „Das ist ganz klar: erstens müssen wir die Leute überwachen, die Frau Markelbachs alte Küche abgeholt haben, zweitens müssen wir erfahren, wo die alte Küche geblieben ist. Also muß jemand von uns zur Tra-Kü-Auslieferungsstelle gehen." „Nummer zwei klingt nicht schlecht, leuchtet mir auch ein", meinte Nicole. „Aber warum willst du Leute beschatten?" Andy schob den letzten Bissen Wurst in den Mund. „Um festzustellen, ob plötzlich jemand von ihnen mit dem Geld nur so rumwirft. Ob er sich plötzlich ein Auto kauft oder Kaviar oder ob er sich in Bars herumtreibt. Das ist doch eine alte Detektiv-Erfahrung: wenn einer Geld geklaut hat, legt er es nicht auf die hohe Kante, sondern gibt's aus - zumindest -26-

versucht er es auszugeben." In dieser Beziehung sah Bertie schwarz. „Wie wollen wir das machen? Wenn da nun einer in eine Bar geht, kann ich doch nicht nachgehen und feststellen, ob er sich viel bestellt. Die lassen mich doch gar nicht rein." „Außerdem", sagte Nicole, „wenn er nun vormittags in ein Delikatessengeschäft geht und sich Kaviar kauft - das merken wir doch gar nicht. Da sind wir in der Schule." „Vormittags arbeiten die auch. Vor fünf brauchen wir gar nicht mit der Überwachung zu beginnen. Und dann übernimmt jeder von uns einen, den beschattet er." „Bis halb acht, da muß ich zu Hause sein", sagte Bertie. Und wandte sich gleich darauf um, spähte durch die Hecke auf die Straße. Dabei rutschte er unruhig hin und her. „Was hast du denn?" fragte Andy. „Komisch", sagte Bertie, „da fährt so ein Kubaner schon zum drittenmal die Straße entlang. Mal aus der Richtung, mal aus jener." „Wie kommst du denn darauf, daß das ein Kubaner ist?" Andy schüttelte den Kopf. „Völlig irre." „Entschuldige mal", erwiderte Bertie, „ich habe doch das Nationalitätenzeichen an dem Wagen gesehen. Ob der uns belauschen will?" „Wegen Frau Markelbachs Geld? Glaubst du etwa, daß der aus Kuba gekommen ist, um 10 000 Mark zu klauen? Blödsinn. Aber meinetwegen - trennen wir uns. Ich gehe zu der Tra-Kü-Auslieferungsstelle." „Und wir?" fragte Nicole. „Ihr versucht festzustellen, wie der Schwarzhaarige heißt, der dabei war, als die Küche geliefert wurde. Wir treffen uns in einer Stunde in der Eiskonditorei drüben wieder. Dann werden wir sehen, was wir erreicht haben." Damit trennten sie sich. -27-

„Ich kann ein Eis nur gegen Knackwürste tauschen", sagte Bertie mit hungrigen Augen

Es war kurz nach fünf, als sie sich in der Eiskonditorei: wieder zusammenfanden. Andy war als erster gekommen und schleckte bereits an seinem Eisbecher „Florida" (mit Sahne und Früchten). Nicole bestellte sich Eisbecher „Granada" (nur mit Früchten). Bertie sagte: „Ich hab kein Geld. Eis kann ich nur auf dem Tauschweg über Knackwürste bekommen." Damit erregte er Andys Mitleid. „Ich leg dir das Geld für ein Eis aus. Ist gewissermaßen ein Vorschuß. Wenn wir die 10 000 Mark finden, haben wir Anspruch auf Belohnung." Er winkte der Serviererin. „Eine große Portion Eis für meinen Freund, bitte." „Du sprichst schon von Belohnung", sagte Nicole. „Hast du denn was erreicht?" -28-

„Nichts", sagte Andy. „Über den Pförtner bin ich gar nicht hinausgekommen. Der hat glatt abgelehnt, mich im Büro anzumelden. Und dabei ist mir etwas klargeworden. Wenn wir irgendwo auftreten, halten die anderen uns für neugierige Kinder. Also, was brauchen wir?" Nicole zuckte mit den Schultern. Bertie löffelte Eis. Andy beantwortete selber seine Frage: „Wir brauchen eine Legitimation." „Eine Legi - Legima - was brauchen wir?" Bertie fiel der Eislöffel aus der Hand. Aber das war nicht so schlimm, sein Eisbecher war ohnehin leer. „Einen Ausweis, einen Detektivausweis", sagte Andy. „Da muß draufstehen..." Er überlegte. „Also, amtlich muß es klingen. Wartet mal, was steht denn immer auf solchen Ausweisen? Ach ja: ,... sind befugt, Nachforschungen durchzuführen. Es wird gebeten, sie zu unterstützen.' Klingt gut, was?" „Na ja", sagte Bertie gedehnt. „Ob sie uns das glauben?" Darauf achtete Andy nicht. „Wir sind Mitglieder des DetektivClubs, Firmenzeichen D-C. Stempel darunter - so etwas zieht!" „Darf man denn so etwas machen?" Ganz wohl war Nicole nicht. „Darf... darf... wenn es Frau Markelbach unterschreibt?" Andy grübelte lediglich darüber, woher sie Schreibmaschine und Stempel bekommen könnten. Aber das ging einfacher als er dachte. Am Abend fragte Nicole ihre Mutter: „Darf ich mal deine Schreibmaschine benutzen?" Die Mutter war zwar erstaunt, hatte aber nichts dagegen. Zur gleichen Zeit schnitzte Bertie an einem Korken und brachte einen prächtigen Stempel zustande. Das Stempelkissen seines Vaters steckte er sich sicherheitshalber gleich in die Hosentasche. -29-

Am nächsten Tag, gleich nach der Schule, trafen sich die drei. Nicole zog prächtig getippte Ausweise hervor, darauf stand:

„Mensch", sagte Andy. „Diese Ausweise sind eine Wolke! Wie hast du die bloß so fehlerlos fertiggekriegt?" „Na ja", sagte Nicole verlegen, „ich habe natürlich eine Menge Papier verbraucht..." Bertie ließ auf die Ausweise seinen Korkenstempel niedersausen. Er wirkte prachtvoll. „Ganz amtlich", erklärte Andy. „Nun müssen wir noch die -30-

Nummern eintragen. Ich schlage vor: Nr. l bekommt Nicole, sie hat den Fall ausgegraben. Nr. 2 bekomme ich. Zu mir ist Nicole zuerst gekommen. Nr. 3 bekommt Bertie. Ist das klar?" „Völlig klar", erklärten Nicole und Bertie einmütig. „So, dann unterschreiben wir. Einer unterschreibt immer den Ausweis des anderen." Als das getan war, meinte Andy: „Nicole, du zischst jetzt ab zu Frau Markelbach und läßt dir von ihr den Auftrag bestätigen." Das ging ganz glatt. Frau Markelbach war begeistert, daß sich der D-C um ihre 10000 Mark kümmern wollte. Denn zur Polizei wagte sie sich nicht. „Die machen mir doch da Vorwürfe, daß ich das Geld im Küchenschrank versteckt hatte. Nein, blamieren will ich mich nicht. Ihr werdet es schon schaffen!" Nicole rannte gleich zurück und kam gerade bei Andy und Bertie an, als Bertie berichtete: „Also, der Kubaner, das war eine falsche Spur. Das ist ein Showstar, der hier in irgendeinem Lokal auftritt." „Woher willst du das wissen?" „Weil er mich gefragt hat, wie er in sein Hotel zurückkommt. Er hatte sich verfahren. Ich habe es ihm gesagt, Natürlich bin ich dann zu dem Hotelportier gegangen, ob er tatsächlich dort wohnt. Es stimmte." „Gut", Andy verteilte die Ausweise. Nicole hatte ihren gerade eingesteckt, da sah sie den schwarzhaarigen Tra-Kü-Mann mit dem Vollbart. „Ich renne ihm nach!" rief sie. Plötzlich stieß sie mit einem anderen Mann zusammen. Herr Kühn war das. „Nanu, Nicole, wohin so eilig?" sagte er. „Kennen Sie den Mann da vorn, den mit dem Vollbart?" stieß sie keuchend hervor. „Kennen ist zuviel gesagt. Das ist Herr Meyer. Er wohnt drei Straßen weiter, in dem Hochhaus." „Danke." Jetzt hatte sie den Mann mit dem Vollbart allerdings -31-

aus den Augen verloren. Aber sie wußte wenigstens, wie er hieß und wo er wohnte. Also eilte sie zu dem Hochhaus. Es lag ganz still da. Nicole sah schnell die Namensschilder neben der Haustür durch. „Auch das noch", stöhnte sie. Es gab nämlich vier Meyer in diesem Haus. Welcher war nun der richtige? Nicole beschloß zu warten. Vielleicht verließ ihr Herr Meyer noch einmal das Haus? Sie hatte Glück. Er kam durch die Eingangshalle. Als er die Haustüre öffnete, faßte sich Nicole ein Herz und sprach ihn an. „Sie sind doch Herr Meyer? Sie haben neulich die Küche für Frau Markelbach aufgebaut." „Stimmt, Mädchen, ist etwas daran auszusetzen?" „Nein", Nicole überlegte ganz schnell, wie sie seinen Vornamen erfahren könnte. Denn nur dann war ja eine richtige Überwachung möglich. Die Idee kam ihr ganz plötzlich. „Herr Meyer, meine Freunde haben mit mir gewettet, daß Sie Arthur mit Vornamen heißen." Herr Meyer lachte. „Wer hat denn auf Arthur getippt?" „Meine Freunde." „Dann hast du die Wette gewonnen. Ich heiße nicht Arthur." „Sondern?" Sie sah ihn fragend an. „Na", er lachte noch immer. „Ganz leicht will ich es dir nicht machen. Ich heiße so wie der Schutzpatron der Schriftsteller, Journalisten und Redakteure." „Und wie heißt der mit Vornamen?" „Das mußt du herausbekommen", sagte Herr Meyer, und dann stieg er in ein Auto, das gerade vorgefahren war. Als Nicole dies kurz darauf Andy erzählte, sagt der: „Das ist vielleicht ein Scherzbold." „Aber wir wissen wenigstens, daß er katholisch ist -32-

Evangelische Dichter haben ja keinen Schutzpatron", meinte Bertie. „Ob der Meyer wirklich Gedichte macht?" „Warum nicht?" Nicole fand das gar nicht erstaunlich. Sie hatte schon eine ganze Menge Gedichte geschrieben. Meistens allerdings dann später zerrissen. Andy stopfte sich einen Kaugummi in den Mund. Wenn er darauf herumkaute, konnte er besser denken. „Du hast mir einen Tip gegeben, Bertie, das weißt du wahrscheinlich gar nicht", sagte er. „Trabe sofort los zum Kirchenamt und zum katholischen Gemeindepfarrer. Frag dort, wie der Schutzpatron heißt. Und dann erkundige dich gleich nach dem Meyer. Was das für ein Mann ist, ob man ihm trauen kann..." „Mann, du hast vielleicht Ideen", sagte Bertie. „Warum muß ich denn ausgerechnet dahin gehen..." Aber er tat es. Und nach knapp einer Stunde kehrte er zurück. „Also den Meyer kannst du von deiner Liste abhaken. Der ist unverdächtig. Sagt der Pfarrer." Nicole seufzte. „Wieder ein Fehlschlag." „Quatsch", sagte Andy. „Wenn der Meyer wirklich unverdächtig ist, können wir ihn doch ins Vertrauen ziehen. Los, auf zu Franz Meyer! Aber wir müssen vorsichtig sein. Sehr höflich. Er muß den besten Eindruck von uns bekommen, sonst rückt er nicht mit den Adressen von seinen Kollegen raus." Bertie überlegte. „Ich kann ihm ja eine Büchse Knackwürste mitbringen. Die kann ich lockermachen." „Mensch, hör auf mit deinen Knackwürsten. Die liegen mir heute noch schwer im Magen. Wir wollen den Mann doch nicht bestechen! Also, auf geht's."

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Kann sich ein Mann in Luft auflösen? Herr Meyer grinste freundlich, als die drei vor ihm standen. „Da habt ihr also auf Anhieb den richtigen Meyer erwischt. Gratuliere, ganz leicht war ja mein Namens-Rätsel nicht. Und woher kommt ihr? Vom D-C? Was ist denn das?" Bertie zückte seinen Ausweis. „Detektiv-Club. Frau Markelbach hat uns beauftragt..." Als Andy ihn am Ärmel zupfte, wußte Bertie sofort, daß er nicht zuviel ausplaudern sollte. Er verstummte. „Und worum geht es?" fragte Herr Meyer. Er führte die drei ins Wohnzimmer. „Wir möchten Ihnen gern ein paar Fragen stellen", sagte Andy. „Im Moment dürfen wir Ihnen noch nichts verraten." „Gut, aber nur, wenn ihr mir später berichtet, was los war; ihr habt mich schon ganz neugierig gemacht." Andy begann daraufhin mit seinem Verhör. „Sie haben Frau Markelbach eine neue Küche geliefert. Ist Ihnen etwas Besonderes beim Ausräumen der alten Küche aufgefallen?" „Hm, daß Frau Markelbach ein sehr wertvolles Meißner Porzellan besitzt." „Ist das Ihnen aufgefallen oder dem Mann, der eine Figur wie ein Schrank hat?" „Nicht mir, sondern Paul Simon, so heißt der ,Schrank' nämlich!" „Und wo wohnt Paul Simon?" „Warum willst du das wissen?" Jetzt konnte Andy die Geschichte von den verschwundenen 10 000 Mark nicht mehr zurückhalten. Er erzählte Herrn Meyer -34-

alles was sie bis jetzt wußten. Herr Meyer faßte sich an den Kopf. „10000 Mark in einem alten Küchenschrank? Das ist ja Wahnsinn. Aber das schwöre ich euch: ich habe keinen Pfennig drin gesehen. Außerdem: haltet ihr mich für so verrückt, daß ich meine gute Stellung aufs Spiel setze und bei Kunden klaue?" „Natürlich nicht", mischte sich Nicole ins Verhör. „Aber dann können Sie uns doch die Adressen Ihrer Kollegen sagen." „Sicher, zu denen gehen wir gleich." „Vielleicht ist es besser, wenn wir vom D-C allein hingehen." Andy dachte, daß er mit seiner Verhörmethode mehr herausholen könnte als wenn Meyer bei denen erschien und gleich herausplatzte: Stellt euch mal vor, in der MarkelbachKüche lagen 10 000 Mark! „Na schön", sagte Herr Meyer, „nimm dir ein Blatt Papier. Ich sag dir die Adressen." Aber dazu kam er zunächst nicht. Denn in diesem Moment flog ein Flugzeug dicht über das Haus hinweg. Es war eine große Verkehrsmaschine, und sie machte einen solchen Lärm, daß es in der ganzen Wohnung dröhnte und die Vase auf dem Tisch wackelte. „Der ist wohl wahnsinnig!" sagte Herr Meyer. Bertie stand am Fenster, wo die Scheiben klirrten, allerdings ohne zu zerbrechen. Er sah zum Himmel. „Das ist ein verrückter Grieche!" Ein paar Sekunden später war von dem verrückten Griechen nichts mehr, zu hören. Andy notierte die Adressen von Meyers Kollegen und machte sich mit Nicole und Bertie auf den Weg. Paul Simon, der Mann wie ein Schrank, saß mit seiner Familie beim Abendessen, als seine Tochter die drei ins Zimmer führte. „Kaviar essen sie nicht", flüsterte Nicole Andy zu. „Leberwurst auf dem Brot ist noch lange kein Alibi", zischte -35-

Andy zurück, ohne die Lippen zu bewegen. Aber dann stellte es sich heraus, daß Herr Simon tatsächlich keine Gelegenheit gehabt hatte, heimlich etwas aus Frau Markelbachs Küchenschrank zu nehmen. Nicole war ständig bei ihm gewesen. Und als sie Bier holte, hatte Paul Simon auf der Straße die letzten alten Sachen in den Möbelwagen gepackt. „Stimmt", sagte Bertie. „Das habe ich gesehen." Er zog eine Zimmertür zu. Andy hatte es eilig, sich von den Simons zu verabschieden. Und noch auf der Treppe fragte er Bertie: „Wo bist du denn eben gewesen?" „Im Nebenzimmer. Ich habe Simons Schreibtisch untersucht. Inhalt: eine Geldbörse mit 100,11 Mark und ein Sparbuch, letzte Eintragung auf 2222 Mark. Sonst nichts, was uns interessieren könnte." Andy blieb stehen. „Sag mal, bist du wahnsinnig? Schleichst einfach in fremde Zimmer?" „Die Tür war nur angelehnt, da habe ich den Schreibtisch gesehen. Niemand hat gemerkt, daß ich ihn durchsucht habe. Außerdem: sind wir Detektive oder nicht?" „Detektive!" Andy schnaufte. „Ja, Detektive sind wir, aber keine Schnüffler!" „Und was ist der Unterschied?" Manchmal konnte Bertie recht widerspenstig sein. „Schnüffler stecken ihre Nase in alles. Detektive arbeiten mit Köpfchen, verstanden?" „Okay." Wie immer, wenn er angeschnauzt wurde, bekam Bertie rote Ohren. „Gehen wir jetzt zu dem dritten Mann?" Es begann zu dämmern. Die Straßenlaternen gingen an Die Lichtreklamen an den Geschäften leuchteten rot, grün und blau auf. „Wie heißt der Mann, den wir jetzt besuchen?" fragte Bertie. -36-

„Süßbier", sagte Andy. Bertie brach in Lachen aus. „Wenn das kein komischer Name ist!" „Was hat das mit Frau Markelbachs 10 000 Mark zu tun", fuhr Andy ihn an. „Und wenn er Sauermilch hieße, das machte ihn nicht mehr und nicht weniger verdächtig." „Pst!" machte Nicole. Sie preßte sich an einen Gartenzaun. „Da geht er, unser Süßbier. Er hat eben das Haus verlassen. Er scheint es sehr eilig zu haben. Folgen wir ihm?" „Klar", sagte Andy. Der Mann ging über die Straße. Er sah sich einige Male um. In der rechten Hand trug er eine dunkle Ledertasche. Nicole erkannte sie wieder, auch damals, als er die Kücheneinrichtung geliefert hatte, trug er sie bei sich. Seine Schritte wurden immer schneller. Er bog in eine dunkle Straße ein. „Ihr bleibt hier auf dieser Straßenseite", ordnete Andy an, „ich folge ihm direkt. So können wir ihn am besten in die Zange nehmen." Immer wenn der Mann sich umdrehte, preßte sich Andy geschickt an eine Hauswand. Mit schnellen Schritten ging Süßbier einen Gartenweg entlang. Der Kies knirschte unter seinen Schuhen. Am Ende des Weges war eine grüne Leuchtschrift: „CAFE - RESTAURANT - BAR -JASMIN" zu sehen. Sie erhellte den Eingang. Dort wartete ein Mann. „Na endlich", sagte der andere. „Ich dachte schon, du kommst nicht mehr." „Ist doch klar, daß ich komme. Die Sache ist doch wichtig. Hast du alles mit?" Andy sah, wie der andere Mann nickte. Dann betraten beide das „Jasmin". Durch die erleuchteten Fenster konnte Andy beobachten, wie sie sich an einen Tisch setzten. -37-

Plötzlich tauchte Bertie neben Andy auf. „Jetzt verprassen sie Frau Markelbachs Geld", flüsterte er. Andy winkte ab. „Weiß du, wer das ist, den Süßbier getroffen -38-

hat? Ich habe ihn sofort erkannt. Das ist der Mann, der die Zeichnung von Frau Markelbachs neuer Kücheneinrichtung gemacht hat. Und der nachher in die Küchenschublade griff. Ich habe es damals deutlich gesehen - nur was er herausnahm, konnte ich nicht sehen." „Die zehn Tausendmarkscheine..." „Möglich." Andy deutete aufgeregt auf das Fenster. „Sieh doch nur, Süßbier gibt dem anderen die Tasche. Und jetzt - jetzt packt der andere etwas hinein und gibt sie Süßbier zurück." Bertie wagte nur zu flüstern. „Du meinst, er hat ihm seinen Anteil an der 10 000-Mark-Beute ausgezahlt?" „Weiß ich nicht. Jedenfalls prosten sie sich jetzt zu." Obwohl Gardinen vor den „Jasmin"-Fenstern waren, konnte sogar Nicole von der anderen Straßenseite aus sehen, wie die beiden Männer im „Jasmin" mit ihren Gläsern anstießen. Dann bezahlten sie, standen auf und gingen zum Ausgang. „Komm rüber zu Nicole", Andy zog Bertie mit sich. „Hast du Angst?" Bertie wäre gern stehengeblieben. „Unsinn. Von drüben können wir sie besser verfolgen. Nicole und du, ihr übernehmt Süßbier, ich übernehme den anderen. Ihr müßt feststellen, ob Süßbier direkt nach Hause geht oder aber seine Tasche anderswo unterbringt." Das war ein guter Detektiv-Gedanke. Leider kam er nicht ganz zur Ausführung. Die Leuchtschrift über dem Lokal hatte schon vorher geflackert. Und genau in dem Moment, als die beiden Männer aus der Tür traten, erlosch sie. Das Licht aus den „Jasmin"-Fenstern reichte nicht aus, den Gartenweg zu erleuchten. Es war, als habe die Dunkelheit die beiden Männer verschluckt. „Dieses blöde Neonlicht hat uns einen Strich durch diel Rechnung gemacht", sagte Nicole wütend. „Still!" Andy lauschte. Er hörte eilige Schritte, die sich -39-

entfernten. „Einen von den beiden Männern können wir wenigstens verfolgen!" Er rannte los. Andy rannte am schnellsten, deshalb verlor er die Schritte des Mannes nicht aus den Ohren. Nach ein paar hundert Metern konnte er ihn sogar erkennen, es war Herr Süßbier. Aber wie sollte er an Süßbiers Tasche gelangen? Er konnte ihn ja nicht einfach anhalten und sagen: „Öffnen Sie mal bitte Ihre Tasche!" Der schönste D-C-Ausweis berechtigt nicht dazu. Polizei benachrichtigen? Na, das war auch so eine Sache. Darf denn ein Polizist einen unbescholtenen Mann auffordern, seine Tasche zu öffnen? Andy beschloß, daß er sich danach erkundigen mußte, sobald er Zeit dazu fand. Plötzlich hatte er eine Idee. Wozu sammelte er denn Tennisbälle? Heute hatte er Nummer 81 gefunden und trug ihn noch in der Tasche. Er mußte diesen Ball opfern. Fünf Meter war er hinter dem Mann. Er stoppte, holte den Ball aus der Tasche, zielte dann warf er ihn. „Aua", rief der Mann überrascht, den der Ball getroffen hatte, genau an der rechten Hand, in welcher er die Aktentasche trug. Die Tasche fiel zu Boden. Der Mann sah sich um. Binnen Sekunden war Andy neben ihm, hob die Tasche auf, und dabei tat er ziemlich ungeschickt. Er kam gegen das Schloß der Tasche, das sprang auf, und der Tascheninhalt fiel zu Boden. Andy bückte sich sofort, um ihn aufzusammeln. „Entschuldigen Sie bitte meine Ungeschicklichkeit", sagte er höflich. Glücklicherweise standen sie unter einer Laterne, und Andy konnte Stück für Stück des Tascheninhaltes genau durchsehen. Tausendmarkscheine waren nicht darunter. Nur Prospekte und Skizzen von der Firma Traumküche. So ein Pech, dachte Andy. Jetzt habe ich Tennisball Nummer 81 vergeblich geopfert, denn den Ball konnte er nicht mehr -40-

entdecken. Glücklicherweise kam Herr Süßbier nicht auf den Gedanken, daß Andy einen gezielten Tennisball-Schuß abgegeben hatte. Er sagte: „Wenn du wieder mal Ball auf der Straße spielst, paß ein bißchen besser auf." „Bestimmt." Andy verkniff sich ein Grinsen. „Sag mal, weshalb beschäftigst du dich denn so mit dem, was in der Tasche ist. Hoffst du, einen verborgenen Schatz zu entdecken?" Einen Moment zögerte Andy, dann sagte: „Na ja, so ähnlich." Herr Süßbier schüttelte den Kopf. „Du spinnst wohl." „Es hätte möglich sein können. Was wir vorhin beim Jasmin' gesehen haben, war ziemlich verdächtig." „Was denn? Was habt ihr gesehen?" „Na, Sie treffen einen Mann, geben ihm Ihre Aktentasche, er füllt sie, Sie prosten ihm zu und dann gehen Sie beide aus dem Lokal. Genau in diesem Moment geht das Licht aus. Ihr Partner kann verschwinden. Er löst sich gewissermaßen in Luft auf. Finden Sie nicht, daß das verdächtig ist?" „Hm", Herr Süßbier lächelte. „Klingt tatsächlich wie aus einem Kriminalfilm. Aber in Luft hat sich mein Kollege nicht aufgelöst, Junge." „Das ist anzunehmen." Andy fühlte sich sehr stark. „Aber er ist verschwunden, Herr Süßbier." „Was - meinen Namen kennst du auch?" Herr Süßbier staunte. „Beim D-C arbeitet man gründlich", sagte Andy. „D-C ist die Abkürzung für unseren Detektiv-Club. Hier ist mein Ausweis." Herr Süßbier betrachtete ihn. Aber er klappte nun nicht vor Ehrfurcht gleich zusammen, sondern sagte: „Ich werde von Eurem D-C beschattet? Das ist doch wohl die Höhe!" „Wir müssen alle überwachen, die mit dem Fall Frau -41-

Markelbach in Verbindung stehen. Frau Markelbach hat uns damit beauftragt, seit ihr Geld verschwunden ist..." „Welches Geld?" Das Erstaunen schien echt zu sein. Andy erzählte ihm daraufhin alles - oder zumindest fast alles -, was geschehen war. Wie seine Kollegen, so rief auch Herr Süßbier: „Wie kann man denn 10 000 Mark im Küchenschrank aufbewahren! Bringt mich doch bitte sofort zu Frau Markelbach. Ich muß unbedingt mit ihr sprechen." „Ja, Herr Süßbier", Andy reagierte sofort, „wenn Sie mit Frau Markelbach sprechen wollen, bringen wir Sie gerne hin. Aber heute nicht mehr. Es ist schon zu spät. Frau Markelbach ist eine alte Dame und geht immer sehr früh schlafen. Können wir diesen Besuch nicht auf morgen nachmittag verschieben?" „Ja, das leuchtet mir ein, aber erst wenn ich meine Arbeit beendet habe, gegen 17 Uhr." Nicole und Bertie waren inzwischen auch angelangt. Sie hörten gerade noch wie Andy sagte: „Also, Herr Süßbier, wir holen Sie morgen nachmittag dann bei Ihrer Firma ab und bringen Sie zu Frau Markelbach."

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Der neue Filialleiter Am Spätnachmittag des nächsten Tages warteten Andy, Bertie und Nicole beim Pförtner der Firma Tra-Kü auf Herrn Süßbier. „Meinst du, daß uns eine Gegenüberstellung von Frau Markelbach und Herrn Süßbier weiterbringt?" fragte Bertie. „Probieren müssen wir es!" flüsterte Andy, denn in diesem Moment stand plötzlich Herr Süßbier vor ihnen. „Da seid ihr ja", sagte er, „können wir gleich losgehen?" „Ja sicher!" Frau Markelbach war sehr erstaunt, plötzlich so viel Besuch zu bekommen. Wastl war begeistert. Für ihn hieß Besuch: da gibt es Mitbringsel. Leider stimmte das diesmal nicht. Er war richtig beleidigt, als ihn seine Freundin Nicole auf seinen Platz in der Diele zurückschickte. Frau Markelbach holte ein paar Flaschen Cola und stöhnte dabei: „Ich mag diese neue Küche überhaupt nicht sehen... was die mich gekostet hat..." ,Ja, warum haben Sie denn Ihr ganzes Geld in den Küchenschrank getan?" fragte Herr Süßbier. „Sie haben recht - im Wäscheschrank wäre es sicherer gewesen." „Das ist völlig falsch." Endlich konnte Andy ins Gespräch eingreifen. „Jeder Einbrecher durchstöbert zuerst die Wäscheschränke. Er weiß, daß die meisten Leute da ihr Geld und ihre Wertsachen verstecken." „Woher weißt du denn so viele Dinge von Dieben und Einbrechern?" fragte Frau Markelbach. „Von meinem Onkel, der ist Polizeiobermeister. Klaus Keller, Sie kennen ihn doch, Frau Markelbach." -43-

„Soviel Geld gehört auf eine Bank oder eine Sparkasse. Da ist es sicher", sagte Nicole. „Und dann gibt's einen Banküberfall." Bertie kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Das ist schlimm, aber die Banken sind ja versichert, und man bekommt sein Geld zurück, auch wenn die Bank überfallen wurde." Herr Süßbier sah Bertie an. „Hast du schon mal einen Banktresor gesehen?" Bertie schüttelte den Kopf. „Mein Bruder ist bei einer großen Bank beschäftigt. Ich werde mal mit ihm sprechen, ob er euch solch einen Tresorraum zeigen kann. Für D-C-Mitglieder ist es doch wichtig, sich da auszukennen." „Das wäre natürlich phantastisch." Nicole gab Andy einen leichten Stubs, und Andy nickte genauso begeistert. Gleich darauf sagte er: „Weiter in unserem Fall. Frau Markelbach, wo lag das Geld?" „Dritte Schublade von links." Andy überlegte. Ja, das war die Schublade, in die der Mann gegriffen hatte, der sich Frau Markelbachs alte Küche angesehen und die Skizze von der neuen gezeichnet hatte. „Das ist ja interessant", sagte Andy. Er wandte sich wieder Frau Markelbach zu: „Haben Sie die Scheine in einem Briefumschlag gehabt?" „Ja, in einem weißen Umschlag." „Stand was drauf?" „Nein, ein ganz neutraler Briefumschlag." „Hm." Andy blickte Herrn Süßbier an. „Und Sie haben ihn nicht gesehen, als Sie die Küche ausräumten?" „Nein. Worauf willst du denn nun hinaus?" „Auf Folgendes: Ich habe beobachtet, wie Ihr Kollege beim Ausräumen in diese Schublade gegriffen hat." Herr Süßbier -44-

schüttelte den Kopf. „Der Schröps muß bei alten Küchen immer die Schubladen prüfen. Wenn sie klemmen oder kaputte Böden haben; wandert die Küche auf die Müllkippe. Sind sie noch in Ordnung, kommt sie zum Altwarenhändler." „Und wo ist die Küche von Frau Markelbach hingekommen?" „Auf die Müllkippe!" Andy bohrte weiter: „Und mit diesem Herrn Schröps sind Sie heute zusammengekommen. Er hat Ihnen Akten, Prospekte, Skizzen und solches Zeug gegeben. Warum? Weil Sie jetzt seine Stellung übernehmen..." „Habe ich das gesagt?" Herr Süßbier sah Andy erstaunt an. „Nein, aber das folgere ich aus dem, was ich vor dem Jasmin' miterlebt habe. Und aus dem Inhalt Ihrer Aktentasche." „Kombinieren und schnüffeln kannst du", sagte Herr Süßbier, aber es klang nicht böse. Jetzt griff Bertie ins Verhör ein: „Und warum ist Herr Schröps so schnell verschwunden?" „Ist er gar nicht. Er- hat den hinteren Ausgang vom Jasmin' benutzt", sagte Herr Süßbier. „Der führt auf eine andere Straße, und in der hatte Herr Schröps seinen Wagen geparkt. Noch Fragen?" Andy sah auf seine Armbanduhr, „Sie kennen bestimmt Herrn Schröps' Adresse, Herr Süßbier. Können wir jetzt noch zu ihm gehen?" „Das ist nicht möglich. Seine Wohnung hier hat er aufgelöst. Er ist gleich nach unserem Treffen nach Norddeutschland gefahren." „Er ist also doch auf der Flucht!" Das war natürlich eine dumme Bemerkung von Bertie. Nicole stieß ihn mit ihrem Ellenbogen in die Seite. -45-

Andy fragte fachmännisch: „Sagen Sie mir doch bitte die Anschrift?"

Herr Süßbier lächelte. „Flucht kann man es nicht gerade nennen. Schröps übernimmt eine neue Filiale der Tra-Kü-Werke in Norddeutschland, prima Stellung. Es ist spät geworden, Frau Markelbach, ich muß mich jetzt leider verabschieden." Herr Süßbier stand auf. „Wir gehen auch gleich mit!" Andy zwinkerte seinen Freunden zu. Im Treppenhaus zog er dann sein Notizbuch heraus. „Können Sie mir die Anschrift der Filiale sagen?" „Warum nicht?" Herr Süßbier dachte nach. „Also, Erwin Schröps, Filiale Tra-Kü, Postleitzahl 2323 - warte mal, der Ortsname hatte irgend etwas mit einem Tier zu tun - irgendwas mit ,Sau' glaube ich, denn da hatten zwei Orte die gleiche Postleitzahl!" -46-

In diesem Moment ging das Treppenlicht aus. Aber Andy meinte: „Das reicht schon..."

Vor dem Haus verabschiedeten sich die drei D-C-Mitglieder von Herrn Süßbier. Einen Moment lang blieben sie unschlüssig stehen. Nicole sagte: „Ich muß jetzt zu Frau Markelbach zurück. Um diese Zeit gehe ich immer mit Wastl spazieren." „Okay, wir kommen mit", sagte Andy. Frau Markelbach war selbstverständlich überrascht, als Nicole, Andy und Bertie schon wieder bei ihr erschienen. Aber sie sagte nur: „Ihr kümmert euch wirklich reizend um mich. Wollt ihr noch eine Cola?" Die drei lehnten ab. Aber in die Keksdose, die ihnen Frau Markelbach hinstellte, griffen sie gern.

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Der Mann mit den stechenden Augen Auch Frau Markelbach biß in eine Schoko-Waffel, bevor sie sagte: „Euer Herr Süßbier macht einen sehr netten Eindruck. Aber sein Kollege, dieser Herr Schröps, der jetzt verschwunden ist, hat mir gleich nicht gefallen," „Warum nicht?" Nicole witterte eine Spur. „Der Mann hatte stechende Augen. Wenn der mich ansah also nein..." Sie stand auf, weil ihr Teekessel auf dem Küchenherd pfiff. „Schade, daß wir keinen vom D-C in Norddeutschland haben, der den Mann überprüft", meinte Bertie. „Noch sind wir nicht soweit", sagte Andy, „aber wenn wir diesen Fall lösen, melden sich bestimmt überall D-C-Anwärter." „Glaubst du, daß die stechenden Augen ein Hinweis sind?" fragte Nicole zweifelnd. „Wastl hat den Mann zuerst auch angebellt und wollte ihn beißen, aber nachher fand er ihn ganz prima. Und der Schröps hat dem Dackel nichts gegeben, keinen Keks, keinen Hundekuchen..." „Ich weiß nicht, ob wir einem Dackel trauen können." Andy nahm sich noch einen Keks, kaute ihn nachdenklich und meinte dann: „Mein Onkel Klaus, der Polizeiobermeister, hat mal gesagt: Es gibt Diebe, die sehen aus wie Engel. Und wenn ein Zeuge aussagt, jemand hat stechende Augen und sei deshalb schon verdächtig, dann könne man dem Zeugen kaum glauben. Das mit den stechenden Augen legt er nämlich erst nachher hinein. Nichts gegen Frau Markelbach, aber große Menschenkenntnis traue ich ihr nicht zu." Nicole wollte ihm dies gerade bestätigen, da trat Frau Markelbach ein. „Na, schmecken die Kekse?" fragte Frau Markelbach. Alle" -48-

drei nickten. Aber Bertie faßte sich als erster: „Jetzt essen wir Ihnen die Kekse auf - haben Sie überhaupt noch Geld, sich neue zu kaufen?" Das war eine vernünftige Frage. Schließlich hatte Frau Markelbach 10 000 Mark verloren. Ein unermeßlicher Schatz! Aber die alte Dame lächelte. „Kannst ruhig noch einen Keks essen, Bertie. Ich bekomme eine sehr gute Pension. Und ein Geheimnis hat der Dieb übersehen..." „Was?" Nicole und Andy- fragten es gleichzeitig. „Die 500 Mark in der Keksbüchse." Frau Markelbach sah die Detektive listig an. „Die Keksbüchse stand auch in dem alten Küchenschrank. Allerdings ist es eine besondere Keksbüchse. Eine mit doppeltem Boden." „Mit Geheimfach?" Bertie schlug sich auf die Knie. „Kinder, eine Keksdose mit Geheimfach! Hat man jemals so etwas gehört?" Sie waren inzwischen bei der untersten Lage Kekse angelangt. Frau Markelbach griff in die Büchse. Unter den Keksen lag eine dicke Schicht Papier. Frau Markelbach hob dieses Papier aus der Büchse - und was lag da? Rosa leuchtete ein Geldschein. Ein Fünfhundermarkschein. „Mann, das finde ich ja prima!" sagte Bertie. Andy sah ihn darauf an, als ob er ihm gleich seinen D-CAusweis abnehmen wollte. „Ich finde das gar nicht prima." Er stand auf. „Nicole, du weißt, was du zu tun hast?" „Hm", Nicole nickte. „Ich gehe morgen mit Frau Markelbach zur Sparkasse, da eröffnet sie ein Konto, und dann sind die 500 Mark sicher." „Stimmt. Eine Keksdose mit doppeltem Boden ist kein Geldversteck." Mit einem entschuldigenden Lächeln wandte er sich Frau Markelbach zu. „Sie haben doch gehört, was Herr -49-

Süßbier gesagt hat." „Na ja, eigentlich hast du recht, Andy", gab Frau Markelbach zu. „Nicole wird Sie sicher über die Straße in die Sparkasse bringen." Er sah sich um. „Nun zu dir, Bertie. Du wirst morgen zu Herrn Meyer gehen, um zu erfahren, wo Frau Markelbachs alte Küche geblieben ist. Müllkippe hat er gesagt. Du mußt herausbekommen, welche Müllkippe er gemeint hat. Alles klar?" „Alles klar", sagte Bertie. „Und was machst du?" „Ich gehe zum Tra-Kü-Auslieferungslager, um festzustellen, was der Mann mit den stechenden Augen, dieser Herr Schröps, für ein Mensch ist." Andy stand auf, machte eine kurze Verbeugung vor Frau Markelbach. „Wir lassen wieder von uns hören." Und dann ging er. Bertie folgte ihm. Nicole legte Dackel Wastl die Leine um und führte ihn spazieren. Am nächsten Tag, nach der Schule, fuhr Andy mit dem Rad zum Tra-Kü-Auslieferungslager. Diesmal war der Portier freundlicher. „Ausweis, bitte!" sagte er. Andy zeigte ihm seinen D-C-Ausweis. „In Ordnung, Herr Süßbier hat schon dein Kommen angekündigt. Geh rüber ins Büro, Zimmer zwei." Andy ging über den Hof, schlängelte sich an den Möbelwagen vorbei und betrat das Bürohaus. Schreibmaschinen klapperten, ein Fernschreiber tickte. An der Tür Nummer zwei klopfte Andy und drückte die Klinke herunter. „Hallo, Andy", begrüßte ihn Herr Süßbier. „Fein, daß du jetzt kommst. Ich habe gerade im Büro zu tun." Er führte Andy zu einer Sekretärin. „Das ist mein Freund Andy, Fräulein Schulz. Er kommt vom D-C und möchte etwas über Erwin Schröps wissen. Sagen Sie ihm ruhig alles, was er wissen will. Schröps hat nichts zu -50-

verbergen. Also, beginn dein Verhör." „Also", Andy mußte erst mal tief Atem holen, solch einen Empfang hatte er sich nicht vorgestellt. „Also, hat sich schon mal jemand über Herrn Schröps beschwert? Ich meine: ein Kunde." „Im Gegenteil, die Kunden haben ihn immer gelobt", sagte Fräulein Schulz. „Sonst wäre er ja auch nicht Filialleiter geworden", pflichtete Herr Süßbier ihr bei. „Noch was? Lebenslauf vielleicht?" Herr Süßbier lächelte. „Keine schlechte Idee", sagte Andy. „Muß natürlich nicht der ganze Lebenslauf sein. Aber vielleicht können Sie mir sagen, wann und wo er geboren ist. Und wo er zuletzt wohnte." Fräulein Schulz schlug die Personalakte auf. „Geboren ist er am 22. 11. 1935 in Montpelier." „Wo liegt denn das?" fragte Andy. „In den Vereinigten Staaten. Herr Schröps ist doch DeutschAmerikaner." „Und dann arbeitet er hier?" „Er ist nach dem Krieg mit seinen Eltern zurückgekommen nach Deutschland." Und dann nannte sie ihm Herrn Schröps bisherige Anschrift. Andy notierte sich alles. Dann bedankte er sich. „Montpelier...", murmelte er, als er nach Hause radelte. „Muß ich mir unbedingt auf dem Atlas ansehen, wo das Nest liegt..." „Aha, da liegt Montpelier, wieder etwas zugelernt", sagte Andy zu sich selber, als er den Atlas zuklappte. Dann machte er sich auf den Weg zum Polizeirevier. Wozu hatte er schließlich einen Onkel, der Polizeiobermeister war! Der mußte ihm doch Auskünfte über Erwin Schröps geben können. Polizeiobermeister Keller war nicht schlecht erstaunt, als sein Neffe so überraschend auf dem Revier auftauchte und dann auch -51-

noch sagte: „Bei euch war bis gestern ein gewisser Erwin Schröps gemeldet. Kannst du mal nachsehen, ob der ein Vorstrafenregister hat?" „Wie stellst du dir denn das vor?" Obermeister Keller schüttelte den Kopf über seinen Neffen. „Glaubst du etwa, wir sammeln hier auf dem Revier, wer mal vom Gericht verurteilt worden ist?" „Wo wird denn so etwas gesammelt?" „Bei der Staatsanwaltschaft." „Da kommt man wohl nicht ran?" „Du bestimmt nicht. Ich ebensowenig. Wäre ja auch fürchterlich. Überleg mal: da bekommst du einen neuen Nachbarn, dessen Nase dir nicht gefällt. Nun gehst du zur Staatsanwaltschaft, fragst, ob er vorbestraft ist, die sagen es dir, und du kannst nun in der ganzen Straße verbreiten: der Mann hat schon im Gefängnis gesessen, das ist ein ganz übler Kerl. Dabei hat der seine Strafe abgesessen und ist ein ganz ordentlicher Mensch geworden." Polizeiobermeister Keller winkte mit der Hand ab. „Nein, so etwas wollen wir in unserem Land nicht einführen." Andy mußte ihm recht geben. Trotzdem sagte er: „Wenn es einem aber in einem Kriminalfall weiterhelfen könnte..." „Kriminalfall?" Andys Onkel stand auf. „Einen Kriminalfall mußt du auf Zimmer vier melden." „Nein, danke", sagte Andy und verschluckte den Nachsatz, daß der D-C allein den Fall Markelbach lösen wollte. Aber so schnell entkam er seinem Polizeiobermeister-Onkel nicht. „Worum geht es denn überhaupt?" Andy erzählte ihm die 10 000-Mark-Geschichte. „Diesen Verlust hat Frau Markelbach nicht gemeldet? Das kommt mir merkwürdig vor." „Sie hat Angst, daß sie sich blamiert, weil sie das Geld im -52-

Küchenschrank aufbewahrt hat. Verstehst du das nicht?" „Nein. Aber wenn sie keine Meldung erstattet hat, können wir nicht eingreifen. Vielleicht hat sie euch bloß ein Märchen erzählt. Im übrigen muß ich dir sagen, Andy, wenn du etwas von einem Verbrechen weißt und es nicht anzeigst, kannst du dich selber strafbar machen." Das war ja ein Ding! Andy schlich ziemlich kleinlaut aus dem Revier. Er ging sofort zu Bertie, um ihm davon zu berichten.

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Im Geheimfach: Kaugummi „Was sagst du nun?" fragte Andy seinen Freund Bertie, nachdem er ihm vom Besuch bei der Polizei erzählt hatte. „Hm..." Mehr brachte Bertie nicht hervor. Er saß gedankenverloren am Tisch, hatte einen Bleistift in der Hand und klopfte damit auf die Holzplatte. Manche malen Strichmännchen, wenn sie nachdenken, Bertie klopfte eben auf Holz. Aber das machte Andy nervös. „Kannst du damit nicht endlich aufhören?" „Womit?" „Merkst du wohl gar nicht, daß du mit dem Bleistift klopfst. Immer im gleichen Rhythmus." „Was meinst du damit?" „Na ja, du klopfst immer: kurzlangkurzkurz, Pause. Kurzlang. Pause. Langlangkurz. Und dann fängst du wieder von vorne an." „Habe ich wirklich nicht gemerkt. Das war wohl ein Überbleibsel aus meiner Jugendgruppe. Da haben wir das Morsealphabet bis zum Überdruß trainiert - wenn wir nicht gerade Waldläuferzeichen oder Seemannsknoten gelernt haben." Bertie legte den Bleistift aus der Hand. „Meinst du tatsächlich, daß da ein Verbrechen vorliegt und daß wir uns strafbar machen, weil wir's nicht melden?" „Angenommen hatte ich es, das mit dem Verbrechen", sagte Andy. Ohne nachzudenken griff er nach dem Bleistift. Irgendwie schien der Bleistift zum Klopfen zu verlocken. Auch Andy tippte mit ihm auf den Tisch. Dreimal lang, zweimal kurz. Weiter kam er nicht. Bertie nahm ihm den Bleistift ab. „Jetzt fängst du mit dem Unsinn an." „Entschuldige! Pack das Ding endlich weg!" Andy kratzte sich am Kopf. „Wie gehen wir nun weiter vor? Am besten ist, -54-

wenn wir drei uns zusammenhocken und mal ganz vernünftig überlegen. Komm, gehen wir zu Nicole." Nicole erwartete die beiden Jungen bereits. „Die Sache mit der Sparkasse ist erledigt", sagte sie zur Begrüßung. „Frau Markelbach ist richtig froh, daß wenigstens die 500 Mäuse in Sicherheit sind. Aber warum zieht ihr solche finsteren Gesichter?" „Andy hat eine schlechte Nachricht." Bertie ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Polizeiobermeister Keller hat gesagt, wir machen uns strafbar, wenn wir ein Verbrechen nicht anzeigen. Das macht uns gewissermaßen zu Kom - Komplizen von dem Verbrecher." Zuerst war Nicole betroffen, aber dann sagte sie: „Wissen wir denn überhaupt, daß es ein Verbrechen war?" Sie bot den Jungen Kaugummi an. „Guter Einwand." Andy nickte „Du hast recht, Nicole. Die Leute, die wir bisher verhört haben, hatten entweder ein Alibi oder es wurde ihnen wenigstens bestätigt, daß sie ordentliche Leute sind, die nicht klauen. Vielleicht handelt sich das Ganze wirklich nur um einen Irrtum oder um ein Versehen..." „Irrtum! Versehen!" Bertie verzog die Lippen verächtlich. Wenn er schon im D-C-Vorstand war, wollte er auch Verbrecher jagen und nicht Irrtümern nachrennen. „Wenn jemand zehn Tausender hat und die sind plötzlich weg, ist das kein Versehen und kein Irrtum?" „Stimmt." Andy kaute langsamer. „Aber wir haben den Fall falsch angefaßt, das ist mir eben klargeworden. Wir haben uns benommen wie dumme Amateur-Detektive. Wir haben Leute verdächtigt - gut, das war unser Recht - wir haben sie verhört, aber niemand von uns ist auf die Idee gekommen, Frau Markelbach einem Verhör zu unterziehen." „So ein Mist. Das haben wir tatsächlich vergessen", stöhnte Bertie. -55-

„Stimmt", sagte Nicole. „Wir haben sie nicht einmal gefragt, wann sie den Briefumschlag mit den Tausendern zuletzt gesehen hat. Der kann ja schon längst vor der Küchenauswechselei verschwunden gewesen sein." „Genau das meine ich." Andy stand auf. „Dieses Verhör holen wir jetzt nach!" Er wollte die Tür öffnen. Da kreischten auf der Straße Reifen, ein Auto bremste. „Wer kommt denn da? Das ist doch ein Sportflitzer. Wer hat denn hier in der Gegend einen Sportwagen?" fragte er argwöhnisch. Bertie ging zum Fenster, zog die Gardine weg und blickte hinaus. „Ist nur ein kleiner Sportflitzer. Hat eine M-Nummer, ist also von hier. Moment mal, das ist Herrn Meyers Wagen. Er steigt gerade aus." „Was will der denn hier?" fragte Nicole. „Ich sollte ihn doch wegen der Müllkippe fragen", erklärte ihr Bertie, „aber er war unterwegs, ich konnte ihn nicht erreichen. Deshalb habe ich ihm eine Nachricht hinterlassen, er möchte doch mal vorbeikommen." „Und er kommt. Finde ich prima!" Nicole nickte anerkennend. „Dann kümmerst du dich um Herrn Meyer, Bertie, und wir gehen zu Frau Markelbach." Aber bevor sie sich trennten, sagte Andy: „Dir ist klar, Bertie, daß du eben einen Riesenfehler gemacht hast." „Wieso?" Bertie bekam wieder einmal rote Ohren. „Na, Mensch, du willst jemand beobachten und ziehst die Gardine weg! So etwas fällt doch auf. Da lugt man kurz aus der Deckung nach unten, verstanden? Und nun hau ab!"

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Was will denn Herr Meyer hier? rätselte Nicole

Bertie lief die Treppe hinunter und begrüßte Herrn Meyer. Nicole und Andy wurden von Frau Markelbach in die Wohnung geführt. Wastl bellte freudig und dachte, es gäbe gleich einen Extra-Spaziergang. Aber dafür war jetzt keine Zeit. Das Verhör ging vor. „Seid ihr ein Stück vorangekommen bei der Suche nach -57-

meinem Schatz?" fragte Frau Markelbach erwartungsvoll. „Hm", erwiderte Andy unbestimmt. Er war der Meinung, daß ein Detektiv seine Kunden zwar informieren muß, aber nicht gleich alle neuen Erkenntnisse verraten soll. „Wir haben einige Fragen an Sie, Frau Markelbach." „Dann fragt!" Sie stellte die frischgefüllte Keksdose auf den Tisch. „Im Geheimfach ist etwas für dich, Andy." Andy hob zwei Lagen Kekse hoch - und was sah er da? Fünf Päckchen Kaugummi. „Die sollen wirklich für mich sein?" „Ja, ich weiß doch, daß du schärfer denken kannst, wenn du einen Kaugummi zwischen den Zähnen hast", sagte Frau Markelbach lächelnd. „Alle mit Pfefferminzgeschmack." „Vielen Dank! Ich nehme sie als Vorschuß an." Andy riß ein Päckchen auf, bot Nicole einen Kaugummi an, steckte sich selber einen in den Mund, dann begann er sein Verhör. „Frau Markelbach, erinnern Sie sich daran, wann Sie den Briefumschlag mit den zehn Tausendern zuletzt gesehen haben?" „Gesehen?" Frau Markelbach zögerte keine Sekunde. „Das war an dem Tag, an dem ich zu meiner Schwester nach Dortmund gefahren bin. Und das ist her - warte mal, ja, genau zwei Monate ist es her." Andy starrte sie fassungslos an. Er vergaß sogar, auf seinen Kaugummi zu beißen. Nicole ging es so ähnlich, sie hätte beinahe ihren Kaugummi verschluckt, aber sie faßte sich als erste und sagte: „Dann könnte also das Geld schon damals gestohlen worden sein." „Könnte", erwiderte Frau Markelbach, „ist es aber nicht." „Wie können Sie das behaupten, wenn Sie es nicht mehr gesehen haben?" Andy begann wieder zu kauen. „Die Erklärung ist einfach." Frau Markelbach griff jetzt nach einem Keks, biß aber noch nicht hinein, sonder sagte: „Ich habe -58-

das Geld nicht gesehen, der Briefumschlag war ja geschlossen. Aber gefühlt habe ich es." „Gefühlt...", wiederholte Andy. Er hatte den Eindruck, daß nun alles durcheinanderging. Die einzige Person, die sich nicht von der allgemeinen Ratlosigkeit anstecken ließ, war ausgerechnet - Frau Markelbach! Sie lächelte listig. „Ja, Kinder, habt ihr denn geglaubt, ich packe einen Briefumschlag mit zehn Tausendmarkscheinen so einfach zwischen Messer, Gabeln und Löffeln ins Schubfach?" „Hatten wir eigentlich angenommen", sagte Nicole. „Na ja, wenn jemand eine Keksdose mit doppeltem Boden hat, kommt er natürlich aufbessere Ideen", sagte Bertie. „Richtig, Bertie." Frau Markelbach kicherte. „Der Briefumschlag lag nicht in dem Schubfach. Das wäre ganz leichtsinnig gewesen. Nein, ich habe ihn an der Rückseite des Schubfaches angeheftet. Mit vier Reißnägeln. Ging sehr gut, war ja eine Holzküche, nicht so eine moderne aus Kunststoff. Und wenn ich das Schubfach aufzog, habe ich öfter mal nachgefaßt, um festzustellen ob der Umschlag noch da ist." „Junge, Junge", stöhnte Andy auf. „Wenn wir das gewußt hätten, wären wir ja ganz anders vorgegangen. Dann hätten wir doch nicht Leute verdächtigt, die völlig unschuldig sind. Von den Tra-Kü-Leuten hat sich doch niemand die Rückseite einer Schublade angesehen. Dazu hatten sie gar keine Zeit." „Hm, die haben sehr schnell gearbeitet. Und was machen wir nun?" fragte Nicole. „Jetzt kann uns nur noch einer weiterhelfen: Bertie. Ich hoffe, er hat eine klare Antwort von Herrn Meyer bekommen." Andy verabschiedete sich von Frau Markelbach und rannte die Treppe hinunter zur Hausmeisterwohnung. Zu klingeln brauchte er nicht, die Tür öffnete sich, und Bertie kam heraus. -59-

„Gerade will ich zu euch", sagte er. „Ich weiß, wo die Müllkippe ist, auf der Frau Markelbachs alte Küche gelandet ist. Ein paar Kilometer von hier an einem Waldrand. Da laden sie solches Zeug ab, das dürfen sie. Und dann irgendwann kommt ein Bulldozer und pflügt den ganzen Kram unter." „Hoffentlich ist er noch nicht dagewesen!" sagte Andy aufgeregt. „Wir müssen sofort hin." Andy rannte in den Keller, wo sein Rad stand. Er schulterte es und trug es auf die Straße. Aber an einen Start war nicht zu denken. Die beiden anderen waren noch nicht da. Als erste kam Nicole. Sie hielt einen Brief in der Hand. „Den hat mir mein Vater gegeben. Es ist ein wichtiger Einschreibebrief, den muß ich schnell in den nächsten Briefkasten stecken." „Den kannst du doch nicht einfach in den Kasten stecken. Für ein Einschreiben bekommst du eine Quittung. Also schön, machen wir noch den Umweg. Und wo bleibt Bertie?" „Bertie hat Hunger, der will erst etwas essen." „Hoffentlich macht er nicht eine ganze Büchse Knackwürste heiß, dann stehen wir übermorgen noch hier", schimpfte Andy. Bertie kam fünf Minuten später. Er kaute an einem Schinkenbrötchen und schwang sich aufs Rad. „Von mir aus können wir losfahren", sagte er. „Na endlich, gegen euch ist eine Schnecke ein D-Zug", Andy trat in die Pedale.

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Eine schlimme Entdeckung Als sie die Stadt hinter sich hatten, fuhren sie an Schrebergärten vorbei. „Kolonie Eintracht" stand auf einem Eingangsschild. Die Lauben sahen gepflegt aus, wie kleine bayerische Landhäuser. Einige hundert Meter entfernt begann der Wald. Sie fuhren den Waldrand entlang. Und dann kamen sie an die Müllkippe. Andy atmete auf. Der Bulldozer war noch nicht in Tätigkeit getreten. Nicole rümpfte die Nase. „Das stinkt hier entsetzlich." „Eine Müllgrube ist eben kein Parfümladen", sagte Bertie ungerührt. Andy spähte nach Frau Markelbachs alter Kücheneinrichtung. Zunächst sah er nur Ölfässer, ausgediente Benzinkanister, alte Matratzen und Sofas, Berge von Kartoffelschalen, Gemüseresten, zerbeulten Konservenbüchsen. „Iiiih, Mäuse!" kreischte Nicole plötzlich. „Und solche großen!" „Das sind Ratten", stellte Bertie fest. Aber dann entdeckte er doch eine Maus. Nur wenige Meter entfernt, am Rande der Grube saß sie da, überhaupt nicht ängstlich, und knabberte an einem rotgelben Bonbonpapier. „Seht mal, die macht sogar Männchen!" Bertie mochte Mäuse besonders gern, sie sahen immer so lustig aus. Er hatte sogar einen Käfig mit weißen Mäusen zu Hause. Andy war weniger an der Maus interessiert als an einem Satz Plastikbehälter, so wie man sie in Küchenschränken als Kaffee-, Tee- und Gewürz-Behälter hat. Sie waren zerbrochen, aber Andy konnte erkennen, daß sie ursprünglich mit Blumenmustern beklebt waren. „Kennst du die? Hatte Frau Markelbach so etwas in der -61-

Küche?" fragte er Nicole. „Sicher, die Dinger habe ich selber beklebt. Und Bonbons, in rotgelbes Papier gewickelt, hatte Frau Markelbach auch immer", sagte Nicole „Und die haben gut geschmeckt!" Bertie leckte sich die Lippen. „Jedenfalls wissen wir durch die Maus, daß wir auf dem richtigen Weg sind." „Ich sehe nur nichts, das wie ein Schrank aussieht." Andy trat an den Rand der Grube. „Los, wir müssen runter. Nicole bleibt oben und paßt auf die Räder auf." Das war nett von ihm, fand Nicole, daß er auf ihre empfindliche Nase Rücksicht nahm. „Wir müssen alles rausholen, was Frau Markelbach gehörte", erklärte Andy. „Aber auch das kleinste Stückchen!" Er stakste durch den Müll. „Die Idee ist nicht schlecht, aber bisher habe ich außer Plastikbehältern noch nichts entdeckt. Ob in der Zwischenzeit so viel abgeladen worden ist, daß die Schränke ganz unten liegen?" Bertie nahm einen Stock und begann in den Abfällen zu wühlen. Auch Andy stocherte herum. „Der Wind ist ekelhaft", sagte Andy, „der treibt einem richtig den Gestank in die Nase." „Und so etwas nennt man frische Brise", Bertie lachte. „Irrtum, das ist keine frische Brise, das ist starker Wind! Große Zweige bewegen sich, und hör doch - er heult." Plötzlich kam Andy ein schrecklicher Gedanke. „Sag mal, Bertie, wenn Mäuse Bonbonpapier fressen, könnten sie doch auch Appetit auf Tausendmarkscheine bekommen." „Appetit kaum, aber sie zerfetzen gern Papier und stopfen damit ihre Nester aus." „Mensch, und das sagst du so seelenruhig?" Andy lief rot an. „Wenn die nun Frau Markelbachs Briefumschlag mit den zehn -62-

Tausendern zerfetzt haben!" „Tausendmarkscheine fressen sie vielleicht, aber nicht ganze Kücheneinrichtungen." Bertie warf seinen Stock weg. „Wie meinst du das?" Andy starrte ihn an. „Ich meine, daß wir mit dem Suchen aufhören können. Hier war mal Frau Markelbachs Kücheneinrichtung. Das steht fest. Aber ebenso fest steht, daß sie jetzt weg ist. Also kombiniere ich: jemand hat sie sich geholt. So schlecht war sie ja auch noch gar nicht. In eine Laube paßt sie immer noch." „Ach du liebe Zeit!" Jetzt warf auch Andy seinen Stock weg. „Du meinst, jemand aus der ,Kolonie Eintracht' hat sie sich geholt? Junge, Junge, dann müssen wir die ganze Laubenkolonie durchkämmen." „Und das sind mindestens 150 Lauben." „Und die Leute sind nicht jeden Tag da." „Und bloß durchs Fenster schauen geht auch nicht. Wenn die Leute nicht da sind, machen sie die Fensterläden zu." „Na los, Bertie, vielleicht erwischen wir noch jemanden, der gesehen hat, von wem die weggeworfene Küche abtransportiert wurde." Sie stiegen hoch. Nicole erwartete sie. „Nichts gefunden?" „Gut beobachtet", sagte Andy mit traurigem Spott. Und Bertie erzählte ihr von seiner Vermutung. Gleich darauf brachen sie auf zur „Kolonie Eintracht". An den meisten Lauben waren die Fensterläden geschlossen. Aber Nicole entdeckte einen Mann, der gerade seine Autotür aufschloß. Es war ein unbeladener Pritschenwagen. Nicole fuhr zu ihm hin und fragte. „Entschuldigen Sie, haben Sie vielleicht auf ihrem Wagen eine alte Küche hierher gebracht?"

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„Alte Küche? Wie kommst du darauf?" „Eine Küche, die auf der Müllkippe dahinten lag", sagte Nicole. Der Mann schüttelte den Kopf. „Ich bin doch nicht bei der Müllabfuhr." „Das haben wir auch gar nicht angenommen", sagte Nicole höflich, „wir dachten nur, daß Sie uns weiterhelfen können. Haben Sie vielleicht gesehen, daß jemand aus der ,Kolonie Eintracht' eine alte, aber noch recht gut erhaltene Küche von der Müllgrube geholt hat?" Das waren natürlich Fragen, die den Mann völlig verwirrten. „Ich weiß gar nicht, was ihr mit eurer Müllgrube habt. Ich habe keine Ahnung, wo eine ist. Ich bin nicht von hier". Er schlug die Autotür zu und kurbelte die Scheibe herunter. Bevor er startete, rief er noch: „Ich habe nur einen ganz kurzen Besuch gemacht." Dann fuhr er los. Bertie sah seinem Auto nach. „Stimmt", sagte er. „Der Mann kommt aus Aachen." „Ja, der ist unverdächtig", stimmte Andy seinem Freund bei. Sie stellten ihre Räder ab, gingen durch die Laubenkolonie und fragten alle Leute, die noch in ihren Gärten arbeiteten, nach der Küche. Aber alle erklärten, sie hätten nicht gesehen, daß jemand eine alte Küche in die Kolonie gebracht hatte. Und zur Müllhalde gingen sie ohnehin kaum. „Die stinkt zu sehr. Wenn der Wind ungünstig steht, stinkt sie bis zu uns herüber", sagte ein Mann. „Hoffentlich wird sie bald zugeschüttet." Nicole nickte mitleidig. „Meinst du, daß man denen trauen kann, Andy?" fragte Bertie. „An sich ja. Es ist nicht verboten, sich eine alte Küche aus einer Müllkippe zu holen. Also könnten sie es zugeben." „Du vergißt etwas", sagte Nicole. „Stell dir mal vor: da hat -65-

jemand die Küche gefunden, transportiert sie ab und entdeckt die Tausendmarkscheine. Was tut er nun, wenn er das Geld behalten will?" „Dann bringt er die Küche so schnell wie möglich weg, ohne daß es jemand sieht. Aber damit macht er sich strafbar. Ich meine, wenn er das Geld behält. Wenn man so viel Geld findet, muß man es auf der Polizei abgeben." „Hm, hoffen wir also, daß noch keiner das Geheimnis der Küche entdeckt hat". Nicole seufzte. „Willst du etwa aufgeben?" Andy blickte sie streng an. „Im Gegenteil." Nicoles Gesicht wirkte plötzlich, als sei es von einem Sonnenstrahl getroffen. „Mir ist eine ganz tolle Idee gekommen." „Welche denn?" „Wir starten das Unternehmen Wastl!" „Was starten wir?" sagten Andy und Bertie wie aus einem Mund und starrten D-C-Mitglied Nr. l an, als sei es reif für die Irrenanstalt.

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Dackel Wastl wird Spürhund Nicole wippte auf ihrem Rad. Zusammen mit Andy und Bertie hatte sie die „Kolonie Eintracht" verlassen. Nun erläuterte sie ihren Plan: „Wir nehmen Wastl als Spürhund. Er kennt doch die alte Küche von seinem Frauchen. Darin wurden seine Hundekuchen aufgehoben. Außerdem ist er wild nach Keksen und Bonbons. Auch wenn ich immer darauf geachtet habe, daß er keine bekommt. Heimlich hat ihm Frau Markelbach bestimmt welche zugesteckt. Na ja, und die Küchenschränke duften bestimmt noch danach. Wenn wir Wastl durch die ,Kolonie Eintracht' schicken, von Laube zu Laube, sehe ich sofort an seinem Schwanzwackeln, ob in irgendeiner Laube Frau Markelbachs Küche steht. Vielleicht kratzt er sogar an der Tür." „Der Plan ist gut", stellte Andy fest. „Aber der Hund ist doch gar nicht als Fährtensucher ausgebildet", gab Bertie zu bedenken. „So ein kleiner Dackel ist doch kein Polizeihund." „Dackel sind klug. Und Wastl ist besonders klug." Nicole war fast beleidigt. „Dackel sind schließlich Jagdhunde." „Ja, ja", sagte Andy, die Stirn in Falten gezogen. „Man müßte ihm natürlich klarmachen, wonach er suchen soll. Bloß, wie machen wir das? Wenn ein Polizeihund jemanden suchen soll, gibt man ihm irgend etwas, das diesem Menschen gehört hat, zum Schnüffeln. Was können wir denn Wastl geben?" „Darauf hat mich die Maus gebracht." Nicole lachte. „Unser Unternehmen startet morgen nach der Schule. Wastl bekommt ein Bonbon von Frau Markelbach. Das Papier nehmen wir mit. Vor der ,Kolonie Eintracht' darf er noch einmal dran riechen. Und dann kann die Jagd losgehen." -67-

Und so wurde es dann auch gehandhabt. Am folgenden Nachmittag radelte der D-C mit dem Dackel Wastl zur „Kolonie Eintracht". Wastl saß in einer Tasche auf Nicoles FahrradGepäckständer, ließ sich die Luft um die Nase wehen und schleckte sich ab und zu genüßlich die Schnauze, denn Nicole hatte ihm ein Bonbon gegeben. Die Pforte zur Kolonie stand offen. Sie stellten ihre Räder draußen ab. Nicole hatte eine extra lange Leine mitgenommen, an der nun Wastl festgemacht wurde. Er durfte noch einmal am Bonbonpapier lecken... ... und von nun an lief alles anders, als es sich die drei vom DC vorgestellt hatten. Vielleicht lag es an dem Bonbonpapier, das Nicole weiter in der Hand hielt. Jedenfalls war Wastl an der Laubenkolonie überhaupt nicht interessiert. Er sprang nur an Nicole hoch. „Kannst du das blöde Papier nicht wegwerfen?" sagte Andy. Nicole warf es in den nächsten Papierkorb. Und nun wollte Wastl überhaupt nicht mehr mitgehen. Nicole zog ihn hinter sich her, faßte die Leine kürzer, aber auch das nutzte nichts. „Feiner Spürhund", murrte Bertie. „Laß ihn doch mal los, Nicole, vielleicht schießt er dann aufsein Ziel zu!" schlug Andy vor. Nicole ließ ihn von der Leine los. Und Wastl schoß davon. Wohin? Natürlich zu dem Papierkorb. Er sprang einige Male an im hoch, und dann saß er plötzlich darin. Als Nicole ihn dort hervorholte, schluckte er gerade den letzten Rest Bonbonpapier herunter. „Du meine Güte", stöhnte Nicole ängstlich, „ob ihm das nicht schadet?" Bertie verlor seine Ruhe nicht. „Wenn eine Maus Bonbonpapier verträgt, tut es einem Dackel noch lange nichts." Und dies schien zuzutreffen. Wastl raste bellend durch die -68-

Gärten, über Blumenbeete hinweg, begann in Gemüsebeeten wie wild zu graben, wurde von Nicole zurückgepfiffen und gehorchte manchmal sogar. Einige der Laubenbesitzer riefen erbost: „Hunde sind an der Leine zu führen!" Wastl kläffte sie dafür an, verschwand in einer Laube. Und die Mitglieder vom D-C hörten einen Schreckensschrei: „Die Wurst ist weg!" Wastl schoß aus der Laube, er hatte eine Wurst im Fang. Nicole versuchte, sie ihm abzujagen. Aber die bestohlene Frau trat aus ihrer Laube und rief: „Laßt sie ihn doch fressen. Glaubt ihr etwa, ich nehme sie noch?" Sehr höflich sagte Bertie: „Selbstverständlich werden wir Ihnen die Wurst ersetzen." Er dachte dabei an seine Preisausschreiben-Knackwurst-Reserve. „Aber können wir mal Ihre Küche sehen?" „Wawawas?" stotterte die Frau. Andy hatte schon einen Blick in die Laube geworfen. „Ist nicht unsere Küche." Er wandte sich ab, die Frau starrte ihm nach. Sie begriff überhaupt nichts. Es gab kaum eine Laube, die Spürhund Wastl nun außer acht ließ. Er schien überall Würste, Bonbons, Kekse und Hundekuchen zu vermuten. Nur ganz am Ende der „Kolonie Eintracht", die nun nicht mehr so einträchtig aussah, machte er um eine Laube einen großen Bogen, obwohl die Eingangstür offenstand. Er bellte die Tür an, vermied es aber näher heranzuspringen. Plötzlich trat ein Mann aus der Tür. Andy faßte nach Nicoles Arm. „Du, das ist doch Gärtner Roose", flüsterte er, ohne die Lippen zu bewegen. „Ob der..." Weiter kam er nicht. l „Was macht ihr denn hier?" Gärtner Roose kannte Nicole, Andy und Bertie natürlich aus dem Park. Und Wastl kannte er auch. Was aber viel wichtiger war: Wastl kannte den Gärtner Roose. Und er wußte, daß dieser Mann freilaufende Hunde -69-

haßte und verjagte, indem er kleine Steine nach ihnen warf. Er hatte selber schon ein paar Steine abbekommen. Und nun stand er da, gehorsam, nachdem er Nicoles Befehl: „Steh!" gehört hatte, und ließ sich an die Leine nehmen. Doch näher an Herrn Roose heranzugehen - nein, da weigerte er sich. Er knurrte und stemmte sich mit allen vieren gegen den Boden. Andy war der erste, der sich faßte. Er begrüßte höflich Herrn Roose, obwohl ihn alle drei nicht leiden konnten und sagte: „Wir wußten gar nicht, daß Sie hier einen Garten haben. Er ist wirklich der schönste von allen." „Na ja", zum erstenmal sahen die drei vom D-C Herrn Roose geschmeichelt lächeln, „wozu ist man Gärtner? Hier", er deutete auf den Laubeneingang, da rankten sich blaue Blumen, die fast schon wie künstliche aussahen - „sind die nicht schön? Passionsblumen. Hat niemand hier außer mir. Und da die Rosen, ganz neue Züchtung..." „Und drinnen in der Laube haben Sie es bestimmt auch sehr schön", sagte Andy scheinheilig. „Kommt doch rein", Herr Roose machte eine einladende Handbewegung. „Schnüffler!" zischte Bertie seinem Freund Andy zu. „Muß sein", flüsterte Andy, ohne die Lippen zu bewegen. „Hier drinnen sieht es noch ein bißchen leer aus, ich habe die Laube ja noch nicht lange, aber es kommt schon ein Stück zum anderen..." l „Hier fehlt eine Küche, dann wäre es gemütlicher", sagte Bertie. „Wie kommst du darauf?" Roose schüttelte den Kopf. „Hier brauche ich keine Küche. Ich esse nie hier." „Ich dachte nur so...", antwortete Bertie ausweichend. Sie traten wieder ins Freie. Ein Flugzeug flog dröhnend über -70-

die „Kolonie Eintracht" hinweg, und im Garten stand Nicole, hielt Wastl an der Leine, starrte nach oben zum Himmel und winkte. „Warum winkst du plötzlich Flugzeugen nach?" fragte Andy kopfschüttelnd. „Weil mein Vater in der Maschine ist. Er fliegt nach Zürich, und das ist eine Schweizer Maschine." „Woran siehst du denn das?" fragte Herr Roose. „Erstens hat sie das Erkennungszeichen weißes Kreuz auf rotem Grund. Und zweitens hat sie das Schweizer Nationalitätskennzeichen. So was haben doch nicht nur Autos, sondern auch Flugzeuge." „Daß ein Mädchen so etwas weiß, ist ja erstaunlich", meinte Herr Roose. „Wieso? Das weiß doch jedes Kind", sagte Bertie. „Aber ich glaube, jetzt müssen wir nach Hause."

Unfreundliche Blicke folgten den D-C-Mitgliedern, als sie zu ihren Fahrrädern gingen

Sie verabschiedeten sich von Herrn Roose, und dann gingen sie den Hauptweg der Kolonie entlang, dem Ausgang zu. In den -71-

Gärten brachten die Leute ihre Beete in Ordnung, die Wastl vorher auf der Suche nach Karotten und anderem Gemüse umgegraben hatte. Sehr freundlich sahen die Leute ihnen nicht nach, obwohl Wastl jetzt ganz brav an der Leine ging. „Das war ein Fehlschlag", sagte Bertie. Andy zog ein Gesicht, als hätte er Essig getrunken. „Das einzige, was wir herausbekommen haben ist, daß der Dackel ein verfressener Hund ist." „Und das wußte ich schon vorher", sagte Bertie. „Aber seine alte Küche hat er nicht gefunden." Nicole setzte Wastl wieder in seine Tragtasche und brachte die auf dem Gepäckständer ihres Fahrrades unter. „Wahrscheinlich hat er sie nicht gefunden, weil sie nicht da war." „Wenn man dem Hund bloß trauen könnte." Andy warf Wastl einen Blick zu, der nicht gerade anerkennend war.

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Wenn Wastl nicht gejault hätte... Eigentlich hatten die drei vorgehabt, am nächsten Tag noch einmal die „Kolonie Eintracht" aufzusuchen, aber dann hatte Nicole keine Zeit. Sie mußte für Frau Markelbach einkaufen gehen und anschließend den Hund ausführen. „Na schön", sagte Andy zu ihr, „ich komme mit." Unterwegs, im Park, trafen sie Bertie. Er zog ein geheimnisvolles Gesicht. Aber weshalb, sagte er nicht. Er schob sein Rad und schimpfte: „An jedem Baum bleibt der Hund stehen und schnüffelt. Und wir müssen auch stehenbleiben. Laß das Vieh doch endlich von der Leine, Nicole." „Und dann kommt Gärtner Roose..." „Der ist nicht hier." „Woher weißt du denn das?" „Ich habe ihn eben in der ,Kolonie Eintracht' gesehen." „Du bist noch mal hingefahren?" fragte Andy erstaunt. „Mußte ich doch. Ich mußte der Frau doch etwas für die geklaute Wurst geben. Ich habe ihr eine Büchse Knackwürste geschenkt. Sie war direkt gerührt. Dann habe ich sie gleich noch ausgefragt. Und da habe ich etwas Tolles erfahren." Bertie legte eine Pause ein, um die Spannung zu erhöhen. „Nun erzähl schon", sagte Andy ungeduldig. „Also: Gärtner Roose geht öfter zur Müllkippe. Das braucht natürlich nichts zu bedeuten. Aber der Knüller kommt", Bertie sah sich triumphierend um. „Neulich abends ist Gärtner Roose mit einem Pritschenwagen zur Müllkippe gefahren. Der Wagen war leer. Aber als er zurückfuhr, war er beladen." „Das hat die Frau gesehen?" fragte Nicole. Bertie nickte. „Und was war auf dem Wagen?" fragte Andy. -73-

„Das konnte die Frau nicht erkennen. Roose hatte eine Plane darübergedeckt. Aber es hätte eine Kücheneinrichtung sein können, hat sie gesagt." „Wann war denn das? Lag da die Küche überhaupt schon in der Müllkippe?" „Ja. Ich habe nachgerechnet", sagte Bertie stolz. „Und dieser Roose erklärt uns kaltblütig, ohne mit der Wimper zu zucken, daß er keine Küche braucht." Nicole schüttelte empört den Kopf. „Du weißt ja nicht, ob's wirklich die Küche war", sagte Andy. „Aber weiter: wohin ist Gärtner Roose gefahren?" „Das konnte die Frau nicht sehen. Es wurde dann dunkel. Aber in die Laubenkolonie ist er nicht gefahren, sondern in die andere Richtung." „Ist doch klar." Nicole verstand nicht, daß Andy so langsam vorging. „Roose hat die Küche geholt, das Geld entdeckt und die Küche schnell weggeschafft. Genau wie du es gesagt hast, Andy. Die Frage ist nur: sagen wir es ihm auf den Kopf zu oder schalten wir die Polizei ein?" „Darüber müssen wir beraten", meinte Andy nachdenklich. Sie waren jetzt im alten Teil des Parkes angelangt. Nicole ließ Wastl von der Leine. Der Hund rannte über die Rasenflächen, verschwand zwischen den Büschen und war dann überhaupt nicht mehr zu sehen. Plötzlich hörten sie sein Jaulen. Es tönte von der äußersten Ecke des Parkes herüber. „Der Hund macht mich noch verrückt", sagte Bertie. „Was sucht denn der dahinten bei dem Schuppen?" „Das ist Gärtner Rooses Schuppen", sagte Andy. „Sonst macht er einen großen Bogen um ihn. Und warum jault er jetzt?" „Kinder, mir schwant was!" Eine Sekunde lang stand Nicole wie erstarrt da, dann rannte sie los. -74-

Sie sah, wie Wastl immer wieder an einer Tonne hochsprang, die neben dem Schuppen stand. Der Dackel jaulte erbärmlich, weil die Tonne zu hoch war. „Wastl!" rief sie keuchend, aber der Hund hörte nicht auf sie. Andy und Bertie rannten ihr nach. Als Nicole den springenden Dackel erreicht hatte, warf sie einen Blick in die Tonne. Im gleichen Moment kamen Andy und Bertie an. „Seht mal, weshalb der Hund so wild ist." Nicole zeigte in die Tonne. „Was liegt da?" Bertie sah hinein. „Alte Bonbons sind darin." „Bonbons aus Frau Markelbachs Küche..." „Dann kann die Küche nicht weit sein", sagte Bertie Andy kümmerte sich nicht um die alten, verklebten Bonbons. Er sah durch die kleine, schmutzige Fensterscheibe in Gärtner Rooses Schuppen. Dann drehte er sich um. Triumphierend sagte er: „Freunde, der Fall ist gelöst! Werft mal einen Blick in den Schuppen, was steht da?" Nicole sah als erste durchs Fenster. „Das ist Frau Markelbachs Küche! Eindeutig!" Sie machte einen Freudensprung. Als Bertie es ebenfalls festgestellt hatte, sagte er: „Mensch, da steht diese Küche die ganze Zeit in unserer Nähe, und wenn Wastl nicht gejault hätte, wüßten wir noch immer nicht, wo sie ist. Also, wenn ihr mich fragt, ich konnte den Hund zwar nie richtig leiden, aber er ist klasse!" Nicole beugte sich zu dem Dackel herunter und streichelte ihn. „Braver Wastl", flüsterte sie dabei. „Ich verstehe nicht, weshalb Wastl die alten Bonbons nicht früher entdeckt hat", sagte Andy. „Das ist ganz klar", sagte Nicole, „ich habe ihn doch in letzter Zeit nicht mehr in diesen alten Teil des Parks gebracht. Dazu -75-

hatte ich zu viel Angst vor Gärtner Roose." „Das leuchtet mir ein." Andy setzte sich auf den Rasen, holte einen Kaugummi hervor und begann heftig zu kauen. „Nun hört bloß auf mit eurem Triumphgeschrei. Die alte Küche haben wir. Aber wer sagt uns denn, daß der Schatz der alten Dame noch drin ist?" Bertie setzte sich neben ihn. „Meinst du, der Roose hat ihn klammheimlich eingesteckt?" „Roose war es sicher nicht", sagte Andy, „der ist für mich außer Verdacht. So doof ist der nicht, daß er die Kücheneinrichtung und die 10 000 Mark behält. Aber die Küche lag ja eine Weile in der Müllgrube. Da konnte doch jeder ran." „Wer sucht denn abgetakelte Küchen nach Geld ab?" Nicole verlor nicht ihren Optimismus. „Es gibt Mäuse, die suchen sie sogar nach Bonbonpapier ab." Andy stand auf. „Also, wenn du noch einen Ton sagst", meinte Bertie, „schlage ich die Scheibe ein und klettere in den Schuppen. Durchpassen müßte ich gerade noch. Dann wissen wir wenigstens Bescheid." Er stand auf und suchte nach einem Stein, um die Scheibe einzuwerfen. „Laß das sein", sagte Andy. „Wir warten hier, bis der Gärtner kommt." Er hockte sich hin und lehnte sich mit dem Rücken an den Schuppen, der vielleicht - aber nur vielleicht -10 000 Mark wert war.

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Siegesfeier bei Frau Markelbach Sie mußten lange warten, bis Gärtner Roose kam. Er hatte den Schlüssel für den Schuppen schon in der Hand. „Nanu", sagte er, „ihr seid schon wieder da? Ihr könnt euch wohl gar nicht von mir trennen." „Stimmt", sagte Andy. „Sie sind uns zu wertvoll, Herr Roose." „Eure Redensarten soll jemand verstehen..." Der Gärtner schloß den Schuppen auf. Wenn er allerdings angenommen hatte, allein einzutreten, hatte er sich geirrt. Andy und Bertie folgten ihm. Nur Nicole blieb draußen, weil Wastl am liebsten die Flucht ergriffen hätte, als er Gärtner Roose bemerkt hatte. Er zerrte an seiner Leine. „Hübsche Küche haben Sie", sagte Bertie. „Was habt ihr denn dauernd mit Küchen im Sinn, gestern schon, heute wieder..." „Wir meinen die Schränke hier", sagte Andy. „Ach so." Gärtner Roose lächelte. „Wenn ihr wüßtet, woher ich mir die geholt habe." „Von der Müllgrube bei der ,Kolonie Eintracht'." Andy sah ihn triumphierend an. „Junge, Junge." Gärtner Roose war verblüfft. „Das stimmt. Ich bringe dort immer meinen Gartenabfall hin, und da habe ich diese Schränke gesehen. Ist doch klar, daß ich sofort gedacht habe: die sind noch ganz prima, die passen genau in den Schuppen hier. Da kann ich endlich richtig Ordnung schaffen. War schon lange nötig. Aber dafür hat die Stadtverwaltung ja keinen Sinn. Vom Geld ganz zu schweigen. Aber nun kann ich endlich alles unterbringen, was ich für den Park brauche." „Darf man mal ein Schubfach aufziehen?" Bertie griff nach -77-

dem Knopf der ersten Schublade, aber Andy hielt ihn zurück. „Das überlassen wir besser Herrn Roose. Er hat sie eingeräumt." Er wandte sich dem Gärtner zu. „Ziehen Sie bitte mal die dritte Schublade von links auf." „Warum interessiert euch denn gerade die?" Er zog sie auf. Gartenscheren lagen darin. Und Namensschilder für Sträucher. „Na, prima Ordnung, was?" sagte er stolz. „Können Sie die Schublade mal ganz herausnehmen?" „Ihr habt ja Wünsche!" Aber Gärtner Roose zog die Lade heraus und stellte sie den Jungen hin. „Da ist der Umschlag!" rief Bertie. Er wollte die Reißzwecken lösen. Aber Andy sagte: „Überlaß das Herrn Roose!" Gärtner Roose zog ein erstauntes Gesicht. „Ein Briefumschlag hinten an der Schublade? Was soll denn das?" Er löste die Reißzwecken und nahm den Umschlag. „Machen Sie ihn ruhig auf", sagte Andy. Gärtner Roose riß ihn auf und holte den Inhalt hervor: ein Bündel Geldscheine. „Zählen Sie mal nach", forderte Andy ihn auf. „Du meine Güte..." Herr Roose starrte sie an. „10 000 Mark! Wem mögen die gehören? Kinder, die müssen wir sofort zur Polizei bringen." „Nicht nötig", sagte Andy, „wir wissen, wem das Geld gehört: Frau Markelbach. Der hat nämlich auch die Küche gehört." Und dann berichtete er dem völlig verblüfften Gärtner, wie der D-C diesem verlorenen Geld und dieser Küche nachgejagt war. „Und jetzt haben wir den Schatz der alten Dame endlich gefunden", schloß er. „Los, auf zu Frau Markelbach!" rief Bertie. „Die wird Augen machen!" „Wir müssen es ihr vorsichtig beibringen, sonst fällt sie uns vor lauter Glück noch um", meinte Nicole, als die beiden Jungen -78-

mit Gärtner Roose aus dem Schuppen traten und Andy mit dem Geldbündel winkte. Gärtner Roose begleitete sie zu Frau Markelbach. Und als die alte Dame die Tür öffnete, prallte sie erstaunt zurück. „Herr Roose? Das ist aber ein seltener Besuch!" Herr Roose lachte. „Selten ist gut, das ist mein erster Besuch bei Ihnen." „Hat der Wastl etwa was im Park angestellt?" „Ja", antwortete Nicole an Stelle des Gärtners. „Er hat Bonbons gefunden." „Bonbons, an die selbst die Mäuse von der Müllkippe nicht herangekommen sind..." Bertie grinste. „Bonbons aus Ihrer Küche, Frau Markelbach", sagte Andy und fand, jetzt sei Frau Markelbach genügend vorbereitet, um ihr das Geld zu überreichen. „Wir haben Ihre alte Küche gefunden, Frau Markelbach," sagte er. „Und - ja, und auch ihr Geld. Hier ist es." Er hielt es ihr hin. „Mein Geld!" Frau Markelbachs Hände zitterten, als sie das Bündel nahm. „Zählen Sie mal nach", forderte Nicole sie auf. „Kinder, das kann ich jetzt nicht... ich muß erst meine Medizin nehmen... ich bin ja so aufgeregt..." Mit den zehn Tausendmarkscheinen in der Hand eilte sie in ihre Küche und holte aus dem neuen Hängeschrank ein Fläschchen. Sie brachte es nicht einmal fertig, zehn Tropfen Medizin abzuzählen, sie setzte die Flasche einfach an die Lippen. „So, das beruhigt..." Aber zu merken war davon nichts. Denn gleich darauf sagte sie: „Also, das muß ich Herrn Kühn mitteilen, daß ihr das Geld gefunden habt!" Sie eilte die Treppe hinunter, klingelte bei Kühns, und als Herr Kühn die Tür -79-

öffnete, hielt sie die zehn Tausendmarkscheine hoch und winkte damit. „Stellen Sie sich vor, Herr Kühn, ich habe meinen Schatz wieder! Die Kinder haben ihn gefunden, Andy, Nicole und Ihr Sohn!" „Die Kinder haben ihn gefunden? Das finde ich ja toll!" sagte Herr Kühn. Eine Treppe höher flüsterte Bertie seinem Freund Andy zu: „Du, das macht jetzt die Runde! Ich kenne doch meinen Vater! Der geht sofort los und erzählt allen, was wir geschafft haben!" „Mit Recht!" sagte Gärtner Roose. „Glaubt ihr etwa, ich bringe euren Erfolg nicht unter die Leute? Schließlich habt ihr euch von nichts und niemand entmutigen lassen." Nicole sah ihre Chance gekommen. „Sie finden das also auch prima, was der D-C und Wastl geschafft haben, Herr Roose?" „Klar, superduftehyperprima finde ich das!" „Wenn nun der Wastl mal über den Rasen im Park rennt, werden Sie dann..." „Dann werde ich rein zufällig in die andere Richtung blicken." Gärtner Roose verabschiedete sich grinsend. Frau Markelbach kam die Treppe herauf, völlig atemlos. Sie nahm noch einmal ihr Beruhigungsmittel, und dann sagte sie: „Wenn ich nun noch wüßte, wem ich die neue Küche zu verdanken habe... ich habe doch wirklich nicht an dem Preisausschreiben teilgenommen..." Andy lachte glucksend. „Einer Märchenfee..." „Ach, so etwas gibt's nicht." „Sollen wir es Frau Markelbach sagen?" Bertie sah seine DC-Freunde fragend an. „Los, sag's", forderte Andy Nicole auf. „Also", begann Nicole, „das war so..." Und dann erzählte sie, wie sie das Lösungswort zu dem Preisausschreiben gefunden -80-

hatte, und daß dann Andy den Vorschlag gemacht hatte, die Karte mit Frau Markelbachs Absender abzuschicken. „Da verdanke ich euch also auch die neue Küche?" Frau Markelbach kam aus dem Staunen nicht heraus. „Kinder, jetzt müssen wir erst einmal anstoßen." Sie holte Saft und Gläser, aber kaum hatten sie die Gläser geleert, trieb Frau Markelbach die Kinder zur Eile an. „Wir müssen auf die Sparkasse. Ich behalte doch die 10000 Mark nicht in der Wohnung, zumal jetzt alle von meinem Schatz wissen. Das würde doch jeden echten Einbrecher anlocken." „Das ist richtig." Andy ging voraus. Gemeinsam betraten sie die Halle der Sparkasse. Der Mann am Schalter nickte ihnen freundlich zu. „Ich möchte 9000 Mark auf mein Konto einzahlen", sagte Frau Markelbach. „Nur 9000?" fragte der Beamte erstaunt. „Wieso?" fragte Frau Markelbach ebenso verblüfft zurück. Der Mann hinter dem Schaltertisch lachte. „Aber, Frau Markelbach, das weiß doch inzwischen jeder hier in der Gegend, daß die Kinder vom D-C Ihre 10000 Mark gefunden haben! Herr Kühn hat es mir erzählt. Herr Roose war eben hier..." „Trotzdem, mit den 9000 hat es seine Richtigkeit." Frau Markelbach schmunzelte. Und als die Summe in ihrem Sparbuch eingetragen war, zog sie den letzten Tausendmarkschein hervor. „So, und nun legen Sie bitte ein neues Sparbuch an für die Kinder vom D-C, also ein Gemeinschaftssparbuch für Nicole, Andy und Bertie. Abgehoben werden darf Geld nur, wenn zwei D-C-Mitglieder unterschreiben. Erste Einlage: 1000 Mark. Ich hoffe, es wird noch viel dazukommen..." Frau Markelbach sah glücklich und zufrieden aus. Na, und erst Nicole, Andy und Bertie - wie glücklich die drei -81-

waren! Bertie überlegte gleich, was sie sich von dem Geld kaufen könnten. Aber da wurde Andy energisch. „Das Geld wird auf keinen Fall angegriffen. Das ist D-CVermögen." Nicole stimmte ihm bei. „Es könnte ja sein, daß wir Geld brauchen, wenn wir einen Fall aufklären. Vielleicht müssen wir dann eine Reise machen oder so..." „Meinst du, daß wir einen neuen Fall bekommen?" Bertie sah sie zweifelnd an. Andy lächelte mit Siegermiene. „Ich habe den nächsten Fall bereits im Kasten. Der Peter von der Autowerkstatt Eckelsberger hat sich an mich gewandt. In der Werkstatt passieren die seltsamsten Dinge... Ich muß mich mit ihm noch einmal ausführlich unterhalten..." „Mensch", sagte Bertie, „das wird ja ein Ding..." Der Detektiv-Club hat seine Fähigkeit bewiesen. Die drei Mitglieder wissen jedoch nicht, daß sie mit ihrem nächsten Fall in einen Strudel gefährlicher Abenteuer gerissen werden.

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