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German Pages 256 Year 2007
Jonna Barth Corporate Citizenship aus der Sicht der Landespolitik
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zum europäischen Management Herausgegeben von Roland Berger Strategy Consultants – Academic Network
Herausgeberrat: Prof. Dr. Thomas Bieger, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Rolf Caspers, European Business School, Oestrich-Winkel; Prof. Dr. Guido Eilenberger, Universität Rostock; Prof. Dr. Dr. Werner Gocht, RWTH Aachen; Prof. Dr. Karl-Werner Hansmann, Universität Hamburg; Prof. Dr. Alfred Kötzle, Europa Universität Viadrina, Frankfurt/Oder; Prof. Dr. Kurt Reding, Universität Kassel; Prof. Dr. Dr. Karl-Ulrich Rudolph, Universität Witten-Herdecke; Prof. Dr. Johannes Rüegg-Stürm, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Leo Schuster, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt; Prof. Dr. Klaus Spremann, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß, Universität Bamberg; Dr. Burkhard Schwenker, Roland Berger Strategy Consultants
Die Reihe wendet sich an Studenten sowie Praktiker und leistet wissenschaftliche Beiträge zur ökonomischen Forschung im europäischen Kontext.
Jonna Barth
Corporate Citizenship aus der Sicht der Landespolitik Verständnis, Ziele, Instrumente
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Eberhard Sandschneider
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Freie Universität Berlin, 2006
1. Auflage Februar 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Schöller Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0679-9
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Geleitwort Die Frage nach dem sozialen Engagement von Unternehmen hat in den letzten Jahren in der öffentlichen Debatte erheblich an Bedeutung gewonnen. Trotzdem gibt es zu diesem Thema bislang nur wenige kohärente und überzeugende Studien. Gerade die Politikwissenschaft bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Auch hier blieb das Thema bislang weitestgehend unterbelichtet. Umso mehr freue ich mich über die von Jonna Barth erarbeitete Studie, in der sie sowohl konzeptionell als auch empirisch ausleuchtet, wie sich das Wechselverhältnis zwischen politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren gestaltet. Die Autorin nutzt konsequent eine politikwissenschaftliche Perspektive, um die Diskussionen um Sozialkapital, den aktivierenden Staat, die Bürgergesellschaft und schließlich Governance und Steuerungstheorie zusammenzuführen und auf Corporate Citizenship zu untersuchen. Sie überzeugt mit ihren strukturellen Überlegungen, die sie sehr klar darzulegen versteht. Es gelingt ihr dabei nachzuweisen, dass die Corporate Citizenship-Politik in den von ihr untersuchten Bundesländern so eigenständig ist, dass vergleichende Perspektiven nur mühsam hergestellt werden können. Ihr Argument, dass es keine allgemeinen Tendenzen der Entwicklung gibt und selbst bei einfachen Typologiebildungsversuchen bereits erhebliche Probleme bestehen, deutet daraufhin, dass diese Studie mithilft, ein neues und wichtiges Feld politikwissenschaftlicher Forschung zu eröffnen. Prof. Dr. Eberhard Sandschneider
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Vorwort Die Idee zu dieser Arbeit ist an der Schnittstelle verschiedener "Welten" entstanden, als ich als Politikwissenschaftlerin, angestellt in einer Unternehmensberatung an einem der ersten gesellschaftlichen Engagements von Roland Berger Strategy Consultants mitarbeiten konnte. Die Frage, wie Politik, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen zusammenspielen, um drängende gesellschaftliche Probleme zu lösen, beschäftigte mich fortan sehr. Forschung zu diesem Thema fand ich unter den Stichworten Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility in vielen Fachgebieten, doch je weiter ich mich in die Materie vorarbeitete, desto größer wurde das Fragezeichen hinter einem Aspekt: Wie ist das Verhältnis von Politik und Corporate Citizenship? Genauer noch: Wie stehen in Deutschland politische Akteure zur Diskussion um gesellschaftliches Engagement von Unternehmen? Diese Frage interessierte mich als Politikwissenschaftlerin zum einen im Hinblick auf das Staatsverständnis, d. h. ob politisch Verantwortliche in Deutschland Corporate Citizenship als Gelegenheit begreifen, Verantwortung abzugeben oder zu teilen (oder aber genau aus diesem Grunde ablehnen). Zum anderen ging es mir um das Steuerungsverständnis, d. h. ob die politisch Verantwortlichen beispielsweise bestimmte Qualitätskriterien an Corporate Citizenship anlegen oder das Engagement auf bestimmte gesellschaftliche Bereiche beschränken wollen (letzteres etwa mit dem Hinweis, dass Unternehmen der demokratische legitimierte Wählerauftrag fehle). Aus der Perspektive eines Unternehmens und damit eines Adressanten einer potenziellen Corporate Citizenship-Politik kommend, schienen mir Antworten zu diesen Fragen ebenfalls längst überfällig. Denn wer als Unternehmen das eigene Engagement nachhaltig planen möchte, sollte die Positionen des Gegenübers kennen. Zu diesen Fragen empirische Erkenntnisse zu gewinnen, war mein Anliegen. Und ohne die Kooperationsbereitschaft und die Aufgeschlossenheit meiner Interviewpartner wäre dieses Anliegen über die Theorie nicht hinausgekommen. Dafür danke ich ihnen. Besonderer Dank gebührt auch denjenigen, die mich in meinem Vorhaben von Anfang an unterstützt bzw. die die Arbeit überhaupt erst ermöglicht haben:
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Dr. Burkhard Schwenker, der mich in meinen Wunsch, zum Thema Corporate Citizenship zu promovieren, bestärkte und mir die Aufnahme ins Promotionsprogramm von Roland Berger Strategy Consultants ermöglichte. Ohne dieses Stipendium wäre die Idee vielleicht im Keim erstickt, sicher wäre sie jedoch nicht annähernd so schnell ausgereift; Prof. Dr. Eberhard Sandschneider, der sich sofort bereit erklärte, dieses in der Politikwissenschaft noch neue Thema zu betreuen. Schon während des Studiums vermittelte er mir zwei wichtige Grundlagen für gutes (politik-) wissenschaftliches Arbeiten, die mir beim Erstellen dieses Buches sehr zu Gute kamen: strukturiertes Denken und Vorgehen sowie Offenheit gegenüber Fragen an den Übergängen von Fachgebieten. Als Doktorvater ließ er mir viel Freiheit, was ich sehr zu schätzen weiß; Prof. Dr. Barbara Riedmüller, die einer externen Doktorandin viel Entgegenkommen gezeigt hat; Sabine Hellberg, die mich als ihre Mitarbeiterin immer gefördert hat und sich ohne Zögern dafür einsetzte, dass ich promovieren konnte; Dr. Rainer Sprengel, der mit seiner profunden Kenntnis zu Forschungsfragen im Dritten Sektor der Arbeit inhaltlich wertvolle Anstöße gegeben hat; Den Forschungscollegiaten des Maecenata-Instituts, die durch ihre Fragen und Anregungen ebenfalls viel zur inhaltlichen Weiterentwicklung beigetragen haben. Ich habe sehr von den Diskussionen in diesem interdisziplinären Kreis profitiert; Dr. Nils Bickhoff, Dr. Christoph Kleppel und Dr. Christian Krys, die als Leiter des Promotionsprogramms viel praktische Hilfe gegeben und sehr produktive Arbeitstreffen organisiert haben. Ich hätte Christoph gerne die fertige Arbeit gezeigt. Neben ihnen gilt mein Dank auch vielen anderen für ihren moralischen und redaktionellen Beistand. Ohne Freunde und gute Geister im Hintergrund hätte ich diese Arbeit nicht schreiben können. Ich hoffe, sie alle wissen um ihren Anteil. Ganz zuletzt und doch allen voran danke ich meiner Familie. Ohne sie wäre alles nichts. Jonna Barth
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Inhaltsverzeichnis Geleitwort .............................................................................................................................. V Vorwort................................................................................................................................ VII Inhaltsverzeichnis................................................................................................................. IX Abbildungsverzeichnis........................................................................................................ XIII Abkürzungsverzeichnis........................................................................................................XV Einleitung .............................................................................................................................. 1 1 Einführung in die Fragestellung ...................................................................................... 1 1.1 Ausgangssituation.................................................................................................. 2 1.2 Problemstellung – Forschungsstand ...................................................................... 5 1.3 Zielsetzung – Forschungsfragen ............................................................................ 8 1.4 Vorgehen ..............................................................................................................10 2 Aufbau der Arbeit ..........................................................................................................11 Kapitel I: Zur theoretischen Diskussion und politischen Praxis.........................................14 1 Corporate Citizenship in der theoretischen Diskussion..................................................14 1.1 Die Begriffsdebatte ...............................................................................................14 1.1.1 Charakteristika von Corporate Citizenship (Binnenabgrenzung)........................15 1.1.1.1 Das Nutzenargument.................................................................................15 1.1.1.2 Die Instrumente .........................................................................................16 1.1.1.3 Das Prinzip der Bürgerschaft.....................................................................19 1.1.1.4 Relation zur Geschäftstätigkeit ..................................................................20 1.1.2 Das Verhältnis zu Corporate Social Responsibility (Außenabgrenzung)............23 1.1.2.1 CSR-Definitionen.......................................................................................23 1.1.2.2 Corporate Citizenship als übergeordnete Idee...........................................26 1.1.2.3 Corporate Social Responsibility als übergeordnete Idee............................27 1.2 Die Diskussion in verschiedenen Disziplinen ........................................................28 1.2.1 Wirtschaftswissenschaftliche Diskussionen.......................................................29 1.2.2 Politikwissenschaftliche Diskussionen...............................................................34 1.2.2.1 Sozialkapital ..............................................................................................34 1.2.2.2 Aktivierender Staat ....................................................................................40 1.2.2.3 Bürgergesellschaft.....................................................................................44 1.2.2.4 Governance/politische Steuerung..............................................................48 2 Corporate Citizenship in der politischen Praxis..............................................................56 2.1 Stand der politischen Initiativen.............................................................................56 2.1.1 Bundesebene....................................................................................................56 2.1.2 Landesebene ....................................................................................................64 2.1.3 Kommunale Ebene............................................................................................73 2.1.4 Deutschland und Initiativen auf internationaler Ebene.......................................77 2.2 Corporate Citizenship und politische Strömungen.................................................79 2.2.1 Parteien ............................................................................................................79 2.2.2 Politiknahe Stiftungen .......................................................................................85 2.3 Exkurs: Die Entwicklung in anderen EU-Staaten...................................................88 Kapitel II: Corporate Citizenship und die Rolle der Politik in vier Bundesländern.............98 1 Forschungsdesign und empirisches Vorgehen ..............................................................98 1.1 Qualitative Erhebung ............................................................................................98 1.1.1 Definition der Untersuchungseinheit..................................................................99
X 1.1.2 Wahl der Untersuchungsmethode ...................................................................100 1.1.3 Vorgehen ........................................................................................................102 1.1.3.1 Stichprobenauswahl ................................................................................102 1.1.3.2 Interviewführung......................................................................................103 1.1.3.3 Aufbereitung............................................................................................104 1.1.4 Gütekriterien ...................................................................................................105 1.2 Auswertung.........................................................................................................108 1.2.1 Mind Maps ......................................................................................................110 1.2.2 Kategorienbildung ...........................................................................................111 1.2.3 Länderprofile ...................................................................................................113 1.2.4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede...............................................................114 2 Ergebnisse ..................................................................................................................114 2.1 Fallbeschreibungen.............................................................................................114 2.1.1 Baden-Württemberg........................................................................................116 2.1.2 Bayern ............................................................................................................120 2.1.3 Nordrhein-Westfalen .......................................................................................123 2.1.4 Rheinland-Pfalz...............................................................................................126 2.2 Kategorien ..........................................................................................................130 2.2.1 Konzeption ......................................................................................................130 2.2.1.1 Begriffsverständnis und -verwendung......................................................130 2.2.1.2 Motive .....................................................................................................136 2.2.2 Interessen und Bedarf.....................................................................................138 2.2.2.1 Erwartungen an die anderen Akteure ......................................................139 2.2.2.2 Erwartungen an die eigene Rolle.............................................................142 2.2.2.3 Erwartungen von anderen Akteuren ........................................................146 2.2.3 Umsetzung......................................................................................................149 2.2.3.1 Maßnahmen ............................................................................................149 2.2.3.2 Ziele ........................................................................................................152 2.2.3.3 Adressaten ..............................................................................................156 2.2.3.4 Mittel .......................................................................................................158 2.2.4 Einflüsse .........................................................................................................159 2.2.4.1 Begünstigende Faktoren .........................................................................160 2.2.4.2 Hemmende Faktoren...............................................................................163 2.2.5 Zwischenbilanz ...............................................................................................166 2.3 Bewertung und Einordnung der Befunde ............................................................173 2.3.1 Länderprofile ...................................................................................................173 2.3.1.1 Baden-Württemberg ................................................................................174 2.3.1.2 Bayern.....................................................................................................182 2.3.1.3 Nordrhein-Westfalen................................................................................186 2.3.1.4 Rheinland-Pfalz .......................................................................................192 2.3.2 Besonderheiten der Länder.............................................................................196 2.3.3 Gemeinsamkeiten ...........................................................................................199 2.3.3.1 Allgemeine Feststellungen.......................................................................199 2.3.3.2 Parallelen zwischen einzelnen Ländern...................................................204
XI Kapitel III: Zusammenfassung und Ausblick.................................................................210 1 Zusammenfassung......................................................................................................210 1.1 Problem der Typologienbildung...........................................................................210 1.2 Weiterführende Forschungsfragen......................................................................213 2 Ausblick: Herausforderungen für die Politikwissenschaft .............................................216 Literaturverzeichnis ............................................................................................................219 Anhang...............................................................................................................................239 A. Interviewleitfaden.....................................................................................................239 B. Mindmaps ................................................................................................................242
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Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Akteure innerhalb der CC-Diskussion........................................................................ 2 Abb. 2: Zielsetzung der Arbeit ............................................................................................... 9 Abb. 3: Die vier untersuchten Bundesländer.........................................................................10 Abb. 4: Corporate Citizenship als Kontinuum .......................................................................22 Abb. 5: Corporate Citizenship als übergeordnete Idee..........................................................27 Abb. 6: Corporate Social Responsibility als übergeordnete Idee ..........................................28 Abb. 7: Der doppelte Doppelcharakter des Sozialkapitals ....................................................38 Abb. 8: Drei Modelle der Bürgergesellschaft.........................................................................45 Abb. 9: Vier Möglichkeiten der Interaktion zwischen öffentlichen und privaten Akteuren ......53 Abb. 10: Überblick über CC-relevante Aktivitäten der Bundesländer ....................................73 Abb. 11: Beispiele kommunaler CC-Aktivitäten in den untersuchten Bundesländern............76 Abb. 12: Definition der eigenen Rolle: Unterstützung durch die Regierung in den einzelnen CSR-Prozessschritten ...................................................................................................93 Abb. 13: CC in Europa – Niveau der Aktivitäten in ausgesuchten Ländern...........................97 Abb. 14: Ablaufmodell der Datenauswertung......................................................................109 Abb. 15: Beispiel für eine Mind Map ...................................................................................111 Abb. 16: Die zehn Kategorien im Überblick ........................................................................112 Abb. 17: Lochkartenmuster für NRW in der Kategorie "Begriff" ..........................................113 Abb. 18: Akteure auf Landesebene ....................................................................................115 Abb. 19: CC-relevante Aktivitäten der Länder.....................................................................116 Abb. 20: Strukturbaum zur Kategorie "Begriff"....................................................................130 Abb. 21: Strukturbaum zur Kategorie "Motive"....................................................................136 Abb. 22: Strukturbaum zur Kategorie "Erwartungen an andere" .........................................139 Abb. 23: Strukturbaum zur Kategorie "Eigene Rolle" ..........................................................142 Abb. 24: Strukturbaum zur Kategorie "Erwartungen von anderen" .....................................146 Abb. 25: Strukturbaum zur Kategorie "Maßnahmen" ..........................................................149 Abb. 26: Strukturbaum zur Kategorie "Ziele" ......................................................................152 Abb. 27: Strukturbaum zur Kategorie "Adressaten" ............................................................156 Abb. 28: Strukturbaum zur Kategorie "Mittel"......................................................................158 Abb. 29: Strukturbaum zur Kategorie "Begünstigende Faktoren"........................................160 Abb. 30: Strukturbaum zur Kategorie "Hemmende Faktoren" .............................................163 Abb. 31: Individuelle Ausprägungen in den vier Bundesländern .........................................197 Abb. 32: Übereinstimmungen in allen vier Bundesländern innerhalb einer Kategorie .........200 Abb. 33: Parallelen zwischen zwei oder mehr Ländern (1) .................................................205 Abb. 34: Parallelen zwischen zwei oder mehr Ländern (2) .................................................205 Abb. 35: Typologie – Beispiel .............................................................................................213
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Abkürzungsverzeichnis BBE BE BDA BDI BitC BMFSFJ BMWA BMZ BW BY CC CCC CCI CoC CSR CV DIHT DJSI dnwe ETI FABE GRI GTZ IHK IJF ILO IMA KABE
Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bürgerschaftliches Engagement Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesverbandes der Deutschen Industrie Business in the Community Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen Jugend Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Baden-Württemberg Bayern Corporate Citizenship Center for Corporate Citizenship Corporate Community Involvement/Investment Code of Conduct Corporate Social Responsibility Corporate Volunteering Deutscher Industrie- und Handelstag Dow Jones Sustainability Indexes Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik Ethical Trade Initiative Kommunalstelle zur "Förderung und Anerkennung Bürgerschaftlichen Engagements" Global Reporting Initiative Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit Industrie- und Handelskammer Internationales Jahr der Freiwilligen International Labor Association Interministerielle Arbeitsgruppe Kölner Arbeitskreis Bürgerschaftliches Engagement
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KGSt KMU MWA MGSFF NPM NRO NRW NSM OECD PPP RSE RLP SIMT SRI UPJ vbw ZDH ZIRP
Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung Kleine und mittlere Unternehmen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit (NRW) Ministerium für Gesundheit, Senioren, Frauen und Familie (NRW) New Public Management Nicht-Regierungs-Organisation Nordrhein-Westfalen Neues Steuerungsmodell Organisation for Economic Cooperation and Development Public Private Partnership Responsabilité Sociétale des Entreprises Rheinland-Pfalz Stuttgart Institute of Management and Technology Socially Responsible Investing Unternehmen – Partner der Jugend Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft e.V. Zentralverband des Deutschen Handwerks Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz
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Einleitung 1 Einführung in die Fragestellung Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder hat mehrfach die Förderung bürgerschaftlichen Engagements gerade auch der Unternehmen als unverzichtbare Bedingung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft beschworen – obwohl im deutschen Modell der Sozialen Marktwirtschaft die Übernahme gesellschaftlicher Mitverantwortung durch die Wirtschaft bereits stark institutionalisiert ist. Eine auf ihr Betreiben eigens eingerichtete EnqueteKommission des Bundestages zur "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" befasste sich ebenfalls mit dem Engagement von Unternehmen, Corporate Citizenship (CC) genannt. Diese Kommission kam zu dem Schluss, die Politik müsse geeignete Rahmenbedingungen schaffen.1 Seither blieben allerdings für viele Beobachter die Taten jenseits dieser politischen Rhetorik unsichtbar. Zeitweise konterkarierten die Pläne der Regierung, die Spendenabzugsfähigkeit für Aktiengesellschaften und GmbHs (§9 KStG) zu streichen, sogar alle Appelle an Unternehmen, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Zwar wurde das Vorhaben zurückgenommen, doch die Frage bleibt, wie sich das Thema Corporate Citizenship weiter entwickeln kann. Seit dem Erscheinen des Abschlussberichtes der EnqueteKommission 2002 scheint zu gelten, was Mutz und Korfmacher konstatieren, dass nämlich die Politik eine "merkwürdige Enthaltsamkeit an den Tag legt. [...] Politische Institutionen haben es bislang versäumt, der CorporateCitizenship-Diskussion einen allgemeinen gesellschaftlichen Rahmen zu geben."2 Und sie fahren fort: "Gerade weil es die politischen Institutionen versäumt haben, Corporate Citizenship zu einem politischen Thema zu machen, fehlen Potenzial und Dynamik, um derartige Prozesse nachhaltig zu implementieren. Die in Deutschland (jenseits von Parteilagern) herrschende politische Abstinenz ist auch der Grund dafür, warum die gesamte Diskussion selbstreferenziell verläuft: entweder innerhalb der Unternehmerschaft, [...] in der
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Vgl. Enquete-Kommission (2002), 479. Daneben veröffentlichte die Kommission auch einen gesonderten Bericht zum Bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen (2003) Mutz/ Korfmacher (2003b), 49
2 Wissenschaft, in Wohlfahrtsverbänden [...] nie jedoch gemeinsam oder gar integrativ."3
Dieses Urteil ist hart. Ist es auch berechtigt? Die vorliegende Arbeit untersucht daher am Beispiel von vier Bundesländern, wie die politische Realität tatsächlich aussieht. Im Mittelpunkt steht die Frage, wer sich auf Landesebene mit Corporate Citizenship befasst, wie diese Akteure das Thema für sich erschließen und was sie mit welchem Ziel bereits in die politische Praxis umgesetzt haben. Im weitesten, theoretischen Sinne geht es dabei um Staatsrolle und Staatsverständnis und ihren Einfluss auf Corporate Citizenship. Damit soll auch ein Beitrag geleistet werden, um das Thema für die Politikwissenschaft zu erschließen. Im praktischen Sinne liegt der Nutzen der Dissertation in der Erweiterung der empirischen Kenntnisse über die verschiedenen Motive und Instrumente der Landesakteure. Zwar fehlt es bislang nicht an Äußerungen von Wissenschaftlern und Praktikern zur Rolle der Politik bei Corporate Citizenship, doch bleiben sie zumeist appellativ oder deklarartorisch. Diese Arbeit möchte hingegen Policy (Inhalte) und Politics (Umsetzung) beleuchten und empirische Anhaltspunkte liefern, um nicht zuletzt auch den Akteuren selbst einen Vergleichsmaßstab für ihr Handeln zu geben. 1.1 Ausgangssituation Die Diskussion um Corporate Citizenship betrifft das Verhältnis aller drei gesellschaftlichen Akteure zueinander.
Politik
Akteure
Wirtschaft
Zivilgesellschaft
CORPORATE CITIZENSHIP Abb. 1: Akteure innerhalb der CC-Diskussion
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a.a.O., 50
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Bislang konnte jedoch der Eindruck entstehen, dass der Fokus in der Forschung, die sich mit Corporate Citizenship befasst, vor allem auf zwei Akteuren liegt: der Wirtschaft und der Gesellschaft. Viele Arbeiten widmen sich der Zusammenarbeit zwischen diesen beiden, wofür mindestens zwei Gründe sprechen: Diese Kooperationen sind relativ neu, und sie entstehen u. a. dort, wo die Politik versagt hat oder ihr Versagen unterstellt wird. Doch inzwischen werden auch Stimmen laut, die fordern, die Politik solle sich in das Thema Corporate Citizenship einbringen. Ihre Rolle wäre es, durch geeignete Rahmenbedingungen dafür zu sorgen, dass sich zum einen mehr Unternehmen im Sinne von Corporate Citizenship engagieren und dass zum anderen ihr Engagement gewissen Standards genüge.4 Denn auch wenn kaum einer das Prinzip der Freiwilligkeit des Engagements von Unternehmen bestreitet, so sind doch CC-Ansätze immer mit der Frage nach ihrer Legitimierung konfrontiert. Beispielsweise fragt der Economist, der hier stellvertretend für viele kritische Stimmen zitiert sei: "Is it really for managers and NGOs to decide social-policy priorities among themselves? In a democracy, that is a job for voters and elected politicians."5
Das führt – zumindest auf internationaler Ebene – zu zwei Entwicklungen: 1. Teile der Wirtschaft streben nach Standardisierungen, um ihr Engagement einheitlich bewertbar zu machen (z.B. Global Reporting Initiative (GRI), SA 8000)6, und greifen dabei auf politische Rahmensetzungen zurück. 2. Engagierte Unternehmen suchen für ihre Initiativen Rückhalt durch enge Zusammenarbeit mit politischen Akteuren (z.B. die Kooperation von CSR
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Z.B. The Economist (24.01.2004); der zweite Aspekt wird vor allem diskutiert bei der Frage, ob Unternehmen verpflichtet werden sollen, Sozialberichte zu veröffentlichen, wie das z.B. in Frankreich für Aktiengesellschaften seit 2002 vorgeschrieben ist, und nach welchen Kriterien Engagement gemessen werden kann. The Economist (24.01.2004). Neben gesellschaftspolitischen Bedenken führt er auch betriebswirtschaftliche ins Feld, die insbesondere für Aktiengesellschaften gelten: "Greed is out. Corporate virtue, or the appearance of it, is in. Is this a good thing? Possibly not. It is philanthropy at other people's expense." Zur demokratietheoretischen Frage vgl. auch Moon (2002) Die GRI hat sich zum Ziel gesetzt, durch die Vorgabe von Prinzipien ähnlich hohe Standards für die Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichterstattung zu setzen, wie sie bei gängigen Geschäftsberichten mit Finanzkennzahlen üblich sind. Vgl. www.globalreporting.org. Der SA 8000 ist ein 1997 ins Leben gerufener Standard für Unternehmen, der die Grundrechte der Arbeitnehmer gewährleisten soll. Vgl. z.B. Bethin/ Vandenhende (2003), 196 und www.cepaa.org
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Europe7 mit der EU). Unter der EU-Präsidentschaft der Dänen widmete sich daher eine EU-Konferenz der Rolle der Politik und fragte: "Acknowledging a diverse and voluntary approach to CSR as fundamental, is there a need for common framework or regulatory measures, and what are the roles of the major actors, including governments, in this regard?"8
Im Zentrum stand dabei nicht mehr die Frage, ob sich Regierungen in das Thema einbringen sollen – die positive Antwort darauf habe sich vielmehr als Konsens etabliert – sondern wie sie es tun sollen. Allen Beispielen, die auf der Konferenz vorgestellt wurden, sei eine Tatsache gemein: "Governments are in the process of reviewing their own role, increasingly moving from the traditional control-and-command mode towards a more facilitating and enabling role."9
Und der Bericht der OECD-Konferenz "Corporate Social Responsibility – Partners for Progress" hält ebenfalls als Konsens aller teilnehmenden Länder fest, dass Regierungen ihre Rolle als Mediator wahrnehmen und die Beziehungen zwischen den beteiligten Interessengruppen fördern sollten.10 Angesichts solcher Entwicklungen spricht Ougaard von einer Tendenz zur regulierten Selbstregulierung: "A pattern in which outer boundaries of acceptable behaviours as well as stipulations of acceptable procedures for defining codes and standards are determined by public authorities, thus creating a space of variation in which state and non-state actors bargain and cooperate to set more detailed rules and standards."11
Doch ist diese Einschätzung auf Deutschland übertragbar? Entwickelt sich Corporate Citizenship tatsächlich in Richtung einer regulierten Selbstregulierung? Wie formulieren die Akteure selbst ihre Politik? 7
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CSR Europe ist ein europäisches Netzwerk gesellschaftlich engagierter Unternehmen, das 1995 als European Business Network for Social Cohesion gegründet wurde. Vgl. www.csreurope.org. CSR steht für Corporate Social Responsibility und bezeichnet wie Corporate Citizenship das Engagement von Unternehmen. Zur Unterscheidung der Begriffe vgl. Kap. I, 1.1. Final Programme, EU Presidency Conference "Mainstreaming CSR across Europe", 21.22. November 2002, Helsingoer, Dänemark; www.copenhagencentre.org/ eu2002. Eine der Breakout-Sessions widmete sich unter dem Titel "Supportive Public Policies" u. a. dem Thema: National initiatives in support of CSR – Experiences from member states. Final Programme, Breakout Session C "Public Policies in Support of CSR", www.copenhagencentre.org/eu2002 Vgl. OECD (2001b), 76f. Ougaard: The CSR Movement and Global Governance, unter: www.cbs.dk /centres/cvr/ research/publications/publications.shtml
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1.2 Problemstellung – Forschungsstand Corporate Citizenship ist ein inter- bzw. multidisziplinäres Thema12, das viele verschiedene Diskussionsstränge in vielen verschiedenen Disziplinen provoziert, wobei jeder einzelne von den Ergebnissen der anderen profitiert.13 Dennoch ist Corporate Citizenship aus politikwissenschaftlicher Perspektive erst wenig untersucht – kaum auf internationaler Ebene, noch weniger in Deutschland.14 Allerdings behandelt die Forschung zu Sozialkapital, Aktivierendem Staat, Bürgergesellschaft und politischer Steuerung (Governance) Aspekte, die in der Diskussion um Corporate Citizenship eine zentrale Rolle spielen.15 Sie bieten derzeit den Ausgangspunkt, um das Phänomen Corporate Citizenship zu erfassen, solange eigene Modelle oder Theorien der Politikwissenschaft zu CC fehlen. Zur theoretischen Wissenslücke gesellt sich die praktische: Nach einigen Gesprächen zu urteilen, die dieser Arbeit vorausgingen, scheinen die politischen Akteure in Deutschland selbst kaum Informationen darüber zu haben, wie Corporate Citizenship politisch gehandhabt wird. Ihnen fehlen Transparenz und Orientierungspunkte. Sowohl in der Forschung als auch für die politische Praxis fehlen demnach empirische Erkenntnisse: für die einen, 12
Vgl. Kuipers/ Jonker (2003), 7 Ougaard/ Nielson unterscheiden zurzeit nicht weniger als zehn Agenden im akademischen Diskurs: 1. Konzeptionelle Fragen: Wie sollen Wirtschaftsethik, CSR, CC definiert werden? 2. Fürsprechende Diskurse: Was spricht für CSR? 3. Begründende Diskurse: Wie ist CSR ethisch begründbar? 4. Inhaltliche Fragen: Was gehört zu CSR? (Umwelt, Kinderarbeit, Tierschutz etc.?) 5. Gesellschaftliche Analysen u. a.: Wie erklärt sich der Siegeszug von CSR? Wie gestaltet sich die Schnittstelle zu staatlicher Regulierung? Was bewegt NichtRegierungs-Organisationen? Was sind die Effekte für die Global Governance? 6. Fallstudien: Wie wird CSR von Unternehmen umgesetzt? 7. Handlungsempfehlungen: Wie sollte CSR umgesetzt werden? Wie sehen Best-Practice-Ansätze aus? Welche Berichtsstandards sind maßgebend? 8. Effekte für Unternehmen: Wie wirkt sich CSR auf die Reputation, die Mitarbeiterbindung, die Bilanz etc. aus? 9. Effekte für die gesellschaftlichen Probleme: Trägt CSR tatsächlich zur Problembewältigung bei? 10. Breitere normative Fragen u. a.: Wie wirkt sich CSR auf die Demokratietheorien aus? Wer kontrolliert die Entwicklung? Vgl. Ougaard/Nielson: Beyond Moralizing: Agendas and Inquiries in Corporate Social Responsibility, July 2002 (www.cbs.dk/centres/cvr/research/publications/publications.shtml) – eigene Übersetzung 14 "What catches the eye is the absence of German research," Kuipers/ Jonker (2003), 8. Die Autoren beziehen sich auf die Ergebnisse ihrer Internet-basierten Erhebung im Frühjahr 2003. Sie befragten 2.500 Personen aus Wissenschaft, Unternehmen, NGO und Verwaltungen (vorwiegend aus Europa, aber auch aus Südafrika, Thailand, Australien und Kanada) zu ihren Forschungsprojekten im Bereich CSR. 15 Vgl. zur Skizzierung dieser Forschungsfelder und ihrer CC-relevanten Aspekte Kap. I, 1.2.2 13
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um theoretische Modelle zu entwickeln, für die anderen, um Politik zu gestalten. Forschungsbedarf ergibt sich also in zweierlei Hinsicht. Dessen ungeachtet gibt es eine relativ breite Aufsatzliteratur normativer Natur mit zahlreichen Empfehlungen, wie und warum sich die Politik für Corporate Citizenship engagieren sollte. Beispielsweise fordern Lang und Kromminga eine aktive Rolle von Politik und Verwaltung für die Verbreitung von Corporate Citizenship. Sie zählen es durchaus zu den originären Aufgaben der Verwaltung, bei der Initiierung von Kooperationsbeziehungen zwischen Unternehmen und gesellschaftlichen Akteuren aktiv zu werden: "Die Verwaltung hat in besonderer Weise die Fähigkeit, die politische Willensbildung herbeizuführen und Entscheidungen umzusetzen, Mandatsträger und Verwaltungsspitzen einzubinden, Kooperationspartner zu vermitteln, die Akteure vor Ort zu unterstützen, deren Aktivitäten zu koordinieren und zu kommunizieren, Kooperationsprojekte mit kommunalen Planungen und fachlichen Entwicklungen zu verbinden und vor allem für die Initiierung und Verselbstständigung von Kooperationsprojekten in einer Region notwendigen (formalen) Rahmenbedingungen und Ressourcen bereit zu stellen. Den Unternehmen kann mit einer aktiven Rolle der Verwaltung überdies signalisiert werden, dass ihre Beteiligung gewünscht wird, soziale Kooperation eine (politische) Bedeutung hat und nicht Einzelinteressen, sondern Belange des Gemeinwesens im Mittelpunkt stehen."16
Konkret hieße das, Problembewusstsein innerhalb der Verwaltung und Politik zu schaffen, die Zusammenarbeit mit anderen Ressorts und Institutionen zu organisieren, Ansprechpartner zu stellen oder den Erfahrungsaustausch in Foren und Netzwerken anzuregen. Gleichzeitig könnten die politischen Akteure selbst eigene Programme für ihre Mitarbeiter anbieten wie Projekttage (Days of Service), wochenweise Hospitanzen in sozialen Einrichtungen oder Runde Tische (z.B.: Familien-Tische).17 Auch Gribben et al sehen verschiedene Möglichkeiten, wie der Staat das Engagement von Unternehmen für das Gemeinwesen – Corporate Community
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Lang/ Kromminga (2003), 94 ebd. ff. Ähnlich äußern sich Habisch/ Schmidpeter (2003b), 20ff. Sie plädieren dafür, dass die Politik eine Gesprächsebene herstelle (konstitutionelle Dialoge) oder CC zum Kriterium für Preisverleihungen und die Vergabe von Fördergeldern mache. Vgl. auch Habisch (2003), 155
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Involvement (CCI) – fördern könne. Sie definieren drei Ansätze:18 Die Politik könne: 1. Kampagnen starten, wie es sie bereits im Internationalen Jahr der Freiwilligen (IJF) gegeben hat, um Beispiel gebende Ansätze von engagierten Unternehmen zu verbreiten 2. Mittlerorganisationen vor allem finanziell aber auch durch Trainingsangebote unterstützen (was wichtig für Unternehmen wäre, die nicht die Ressourcen haben, eigene Programme zu entwickeln) 3. durch Engagement-Programme für die eigenen Mitarbeiter mit gutem Beispiel vorangehen ("Lead by Example"). Was die möglichen Motive der politischen Akteure angeht, herrschen ebenso klare Vorstellungen: Das soziale Engagement von Unternehmen zu fördern, bedeute zwar einerseits Definitionsmacht zu verlieren. Andererseits eröffne es der Politik die Chance, neue, zusätzliche Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe und sozialer Integration zu erschließen.19 Etwas präziser formuliert Moon, warum Regierungen Corporate Citizenship-Ansätze fördern sollten: "1. It can substitute for government effort: days of service can substitute for government labour force expenditure 2. It can complement government effort: governments are manifestly capable of directing financial resources at such areas as education, training and job and enterprise creation; firms can bring know-how and the opportunities for trainees to gain employment experience 3. It can legitimize government policies: by demonstrating that business agendas are being accommodated in, for example, education and training policies." 20
Folgt man diesen Argumenten, müsste die Politik allein schon deswegen an der Entwicklung von Corporate Citizenship interessiert sein, weil es sich bei den Kooperationspartnern der Firmen oft um die Zuschussempfänger des Staates handelt, und so die öffentlichen Kassen entlastet werden könnten (substitute); weil bereits heute einzelne Unternehmen ihr Engagement tatsächlich als Mitverantwortung und -gestaltung verstehen (complement);21 18
Vgl. Gribben et al (2001), 3 und 97ff Vgl. Lang/ Kromminga (2003), 98 20 Moon (2002), 399 21 So führte beispielsweise das soziale Engagement von betapharm zu einer bedeutenden Neuerung im Gesundheitswesen, indem im Oktober 2003 die "sozialmedizinische 19
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weil Unternehmen beispielsweise durch ihren Beitrag zum Bildungssystem staatliche Kompetenzen mittragen (legitimize). Ansichten dazu, wie die Rolle der Politik aussehen und warum sie sich für Corporate Citizenship engagieren sollte, lassen sich also einige aufzählen. Nicht erforscht ist dagegen, wie die politischen Akteure in Deutschland selbst zu Corporate Citizenship stehen. So heißt es auf der neuen Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) zu Corporate Citizenship: "Erkenntnisse über die Häufigkeit gesellschaftlich engagierter Unternehmen nach Regionen oder Bundesländern liegen bisher nicht vor. Zu beobachten ist jedoch, dass Landesregierungen und -verwaltungen zunehmend die Bedeutung des Engagements von Unternehmen für die Lösung gesellschaftlicher Probleme betonen."22
Diese Feststellung ist Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. 1.3 Zielsetzung – Forschungsfragen Ziel der empirischen Analyse ist, herauszuarbeiten, wie die politischen Akteure an das Thema Corporate Citizenship herangehen, und dabei mögliche Muster zu identifizieren. Im Ergebnis möchte die Arbeit Aussagen dazu liefern, in welchen Kategorien Corporate Citizenship betrachtet wird, was das jeweils Spezifische der Länder im Umgang mit CC ist und ob bzw. wo sich länderübergreifende Tendenzen erkennen lassen.
Nachsorge für Kinder" ins Krankenversicherungsrecht aufgenommen wurde. Die Nachsorge unterstützt Familien mit schwer- und chronisch kranken Kindern bei der Bewältigung der Probleme, die sich aus der Krankheit ergeben. Durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen verbessert sich die finanzielle Situation der Nachsorgeeinrichtungen, die bisher überwiegend auf Spenden angewiesen waren. Voraussetzung für die Aufnahme in das Gesetz war eine Studie, die belegen konnte, dass Nachsorge nicht nur die Situation der Familien verbessert, sondern sogar kostengünstiger ist als die Versorgung ohne Nachsorge. Die betapharm Nachsorgestiftung hatte diese Studie mit initiiert und finanziert; betapharm begleitete die Gesetzesinitiative im Bundestag. Vgl. www.betapharm.de/Beta/ E_Sozialmed/C_initiative.htm, 17.03.04 22 http://corporate-citizenship.focus-web.de, 29.11.04
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Kategorien
Länderprofile
Allgemeine Tendenzen
Abb. 2: Zielsetzung der Arbeit
Dazu untersucht die Arbeit folgende Fragen: • Welche politischen Akteure befassen sich auf Landesebene mit Corporate Citizenship? • In welchem politischen Zusammenhang betrachten die Akteure CC? • Welche Ziele verfolgen sie? Inwieweit möchten sie Regel setzend eingreifen? • Welche Instrumente setzen sie ein? Wie werden die Ziele umgesetzt? • Welche Ergebnisse werden erwartet oder haben sich bereits eingestellt? • Was sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern in ihrem Umgang mit Corporate Citizenship? Die Befragung politischer Akteure aus verschiedenen Landesbehörden soll also zunächst Themenschwerpunkte identifizieren, die zu Kategorien zusammengefasst werden. Auf der Grundlage dieser Kategorien liefert die Arbeit ein möglichst umfassendes Profil zu Corporate Citizenship in den untersuchten Ländern. Diese Profile zeigen, was das jeweils Spezifische im Umgang mit CC ist. Schließlich bietet der Vergleich der Länderprofile Erkenntnisse über allgemeine Tendenzen und Parallelen im Umgang der Landesakteure mit Corporate Citizenship. Wichtig ist festzustellen, dass die Arbeit nicht normativ nach dem "richtigen" Zugang fragt und auch keine Empfehlung ausspricht, wie viel staatliche Intervention dem Thema angemessen ist. Sie zeigt stattdessen anhand der qualitativen Daten, auf welche Weise sich die landespolitischen Akteure mit Corporate Citizenship auseinandersetzen und wie sie selbst ihre Rolle
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definieren. Wie erfolgreich die verschiedenen Zugänge sind, müssen weitere Untersuchungen belegen. 1.4 Vorgehen Die Arbeit untersucht die Forschungsfragen am Beispiel von Bundesländern: Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz.23
vier und
SchleswigHolstein Hamburg
MecklenburgVorpommern
Bremen
Brandenburg Niedersachsen
Berlin SachsenAnhalt
NordrheinWestfalen
Sachsen Thüringen Hessen RheinlandPfalz Saarland Bayern BadenWürttemberg
Abb. 3: Die vier untersuchten Bundesländer
Die Wahl fiel auf die Länderebene, da im föderalen System Deutschlands der Bund in nur wenigen Bereichen alleinige Gesetzgebungskompetenzen hat und die CC-relevanten Politikbereiche Wirtschaft und Soziales zur konkurrierenden Gesetzgebung gehören. Außerdem hat die Enquete-Kommission des Bundestages den Ländern bereits für die Förderung allgemeinen bürgerschaftlichen Engagements eine entscheidende Rolle zugesprochen.24 23
Im Laufe der Arbeit wird immer wieder auch von "den Ländern" gesprochen, um die in den Landesregierungen für CC verantwortlichen Akteure zu bezeichnen. Da sie jedoch in dieser Verantwortung ihr jeweiliges Land repräsentieren sei diese Kurzform erlaubt. Es handelt sich um eine eher metaphorische Verwendung des Begriffs, zumal es "die Länder" als homogen Handelnde ohnehin nicht gibt. 24 Vgl. Enquete-Kommission (2002), 351: "Der landespolitischen Ebene kommt im Kontext einer Politik der Förderung und Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements eine wichtige Rolle zu. Die Bundesländer können Anstöße und Entwicklungen sowohl aus den Kommunen als auch von der Bundesebene aufgreifen, bündeln und in übergreifende landesbezogene Förderkonzeptionen und -strategien integrieren. Darüber hinaus können
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Die vier genannten Länder boten sich in forschungsökonomischer Hinsicht als Fallbeispiele an, da ihre Beschäftigung mit Corporate Citizenship nach außen am deutlichsten sichtbar ist. Daraus ergab sich, dass es sich bei den untersuchten Ländern ausschließlich um westliche Bundesländer handelt.25 Gleichzeitig spielte als Auswahlkriterium eine Rolle, dass die Länder von unterschiedlichen Koalitionen regiert werden. Auf diese Weise soll leichter unterschieden werden können, ob es sich bei parallelen Befunden zwischen den Ländern eher um Partei- oder um CC-Politik handelt.26 Da Corporate Citizenship in Deutschland insgesamt und gerade in den Politikwissenschaften wenig erforscht ist, ist das Forschungsdesign explorativ und qualitativ. Untersuchungsmethode war das Interview, denn bislang haben die Länder nur vereinzelt Schriftliches zu Corporate Citizenship veröffentlicht. Angesichts dieser mageren Quellenlage fand eine Dokumentenanalyse nur ergänzend statt. Die Auswahl der Interviewpartner erfolgte nach dem Prinzip des theoretical sampling: Befragt wurden Akteure der Landesbehörden, die sich mit Corporate Citizenship befassen. Grundlage war das LeitfadenInterview, d.h. die Befragung war offen, teil-strukturiert und qualitativ.27 Insgesamt erstreckten sich die Gespräche über einen Erhebungszeitraum von Januar bis März 2004.
2 Aufbau der Arbeit Die Arbeit gliedert sich in drei Kapitel, von denen das zweite mit den Ergebnissen der qualitativen Untersuchung das Herzstück darstellt. Kapitel I schafft in zweierlei Hinsicht einen Bezugsrahmen, indem es zum einen die theoretische Diskussion um Corporate Citizenship nachzeichnet und zum anderen die Entwicklungen in der politischen Praxis skizziert. In der theoretischen Diskussion geht es zunächst um die Begriffsdebatte. Bislang gibt es keine allgemein gültige Definition von CC, sodass auch in den Gesprächen mit den politischen Akteuren verschiedene Auslegungen zum
sie aber auch selbst initiativ tätig werden und [...] eigene Handlungsansätze und instrumente entwickeln und erproben." Vgl. den Überblick über die CC-Aktivitäten der übrigen Länder in Kapitel I, 2.1.2 26 Erst nach Abschluss der Untersuchung wechselte in NRW durch die Landtagswahl im Mai 2005 die Regierungsmehrheit. 27 Vgl. z.B. Mayring (2002), 66ff. Vgl. ausführlicher zum Forschungsdesign Kapitel II, 1. 25
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Tragen kommen. Daher sollen gängige Begriffsbestimmungen referiert werden, um den Leser in die CC-Debatte einzuführen und Referenzpunkte für die Auswertung der Interviews zu markieren. Darüber hinaus ordnet das Kapitel Corporate Citizenship in betriebswirtschaftliche und politikwissenschaftliche Diskurse ein, denn als inter- oder multidisziplinäres Thema wird es aus verschiedenen Quellen gespeist. Auch diese Einbettung soll Orientierungspunkte liefern. Der theoretische Bezugsrahmen wird ergänzt durch einen Überblick über CC in der politischen Praxis. Dabei wird in Grundzügen der Stand der politischen Initiativen auf den verschiedenen Bundesebenen herausgearbeitet und wiedergegeben, welchen Widerhall das Thema in der Arbeit der Parteien und politischen Stiftungen findet. Ein Exkurs zu den Entwicklungen in einigen europäischen Staaten, die CC-Protagonisten als Vorbild dienen, soll deutlich machen, welche Wege die Politik beschreiten kann. Allerdings wird immer in Rechnung gestellt, dass die gesellschaftlichen Spezifika eine Eins-zu-eins-Übertragung der Erfahrungen auf Deutschland einschränken. Kapitel II ist das zentrale Kapitel der Arbeit. Einer kurzen Methodendiskussion folgen Fallbeschreibungen der vier untersuchten Länder, die einige Rahmendaten zu Corporate Citizenship zusammenfassen. Das Hauptaugenmerk gilt jedoch den Befunden der qualitativen Untersuchung entlang der drei Dimensionen: Kategorien, Länderprofile und allgemeine Tendenzen. Insgesamt ergab die Auswertung der Interviews zehn Kategorien, mit deren Hilfe sich Corporate Citizenship aus der Perspektive der politischen Akteure über alle Länder hinweg beschreiben lässt. Die Kategorien geben Aufschluss darüber, wie die Beschäftigung mit CC konzipiert ist, welche Interessen ihr zu Grunde liegen, wie die Umsetzung erfolgt und welchen Einflüssen sie ausgesetzt ist. Die Darstellung schließt mit einer Zwischenbilanz, die erste Widersprüche deutlich macht und Hinweise für eine fehlende Systematik im Umgang mit CC liefert. Die Länderprofile differenzieren die Befunde und veranschaulichen das Spezifische in den jeweiligen Ansätzen, bevor im dritten Schritt die Gemeinsamkeiten bzw. allgemeinen Tendenzen herausgearbeitet werden. Hier zeigt sich, dass der gemeinsame Nenner bei CC zwischen den Ländern relativ klein ist und sich noch wenige eindeutige Muster im Umgang mit CC identifizieren lassen.
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Schließlich endet die Arbeit in Kapitel III mit einem dreifachen Ausblick. Jede qualitative Untersuchung bringt die Frage nach der Repräsentanz ihrer Ergebnisse mit sich. So widmet sich der letzte Teil der Arbeit zunächst dem Problem der Typenbildung. Auf Grund der Befunde werden vier Ansätze für Typologien abgeleitet, die je nach Erkenntnisinteresse Ausgangspunkte für verschiedene Forschungsansätze bieten. Daneben ergeben sich eine Reihe weiterer theoretischer und empirischer Forschungsfragen. Zuletzt thematisiert das Kapitel besondere Herausforderungen hinsichtlich Corporate Citizenship für die Politikwissenschaft sowohl als Forschungs- als auch als Beratungsdisziplin.
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Kapitel I: Zur theoretischen Diskussion und politischen Praxis 1 Corporate Citizenship in der theoretischen Diskussion Wie in der Einleitung bereits anklang, sind die meisten Forschungsprojekte zu Corporate Citizenship inter- bzw. multidisziplinär. Diese Tatsache verschärft – zumindest in der aktuellen Debatte – tendenziell ein zentrales Problem: Wie genau ist der Begriff Corporate Citizenship definiert bzw. was ist Gegenstand des Forschungsfeldes? Antworten auf diese Fragen sollen die folgenden Abschnitte geben, die die Begriffsdebatte skizzieren. Später wird die Auswertung der Interviews zeigen, welche konzeptionellen Anleihen aus den verschiedenen Diskussionssträngen die Befragten für ihr CC-Verständnis nehmen. 1.1 Die Begriffsdebatte Für Corporate Citizenship hat sich bislang noch keine allgemein anerkannte Definition als Konsens etabliert. Daher kann auch diese Arbeit auf einen Überblick über einige gängige Auffassungen nicht verzichten, will man das CC-Verständnis der Landesakteure später einordnen können. Grundsätzlich sind hier zwei Fragen relevant: 1. Was gehört zu CC, was nicht? 2. In welchem Verhältnis steht CC zu anderen Begriffen wie Corporate Social Responsibility, Philanthropie, soziale Verantwortung u. a.? Einige Forscher wählen die pragmatische Lösung und verwenden für ihre empirischen Arbeiten "Corporate Citizenship" und verwandte Bezeichnungen deckungsgleich.28 Damit umgehen sie die wachsende Begriffsverwirrung und das Problem, dass in der englisch- und deutschsprachigen Literatur oft dieselben Phänomene mit unterschiedlichen Namen belegt werden. Sie können so die Vielfalt der Engagementformen von Unternehmen leichter abbilden. Gleichzeitig nehmen sie aber konzeptionelle Unschärfen in Kauf. Für die vorliegende Untersuchung ist es jedoch wichtig, die Unterschiede im Verständnis verschiedener Autoren29 transparent werden. Nur so kann
28 29
Z.B. Rieth (2003), Heuberger/ Oppen/ Reimer (2004), Maignan/ Ferrell (2000) Die im Folgenden zitierten Autoren stellen lediglich eine Auswahl dar. Da ihre Namen jedoch sehr häufig als Referenz in der CC-Literatur und in den allgemeinen Medien auf-
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deutlich werden, auf welchen Konzepten das CC-Verständnis der Befragten aufbaut und ob bzw. in welchen Punkten es voneinander abweicht. Die Auswertung der Interviews kann dabei auch zeigen, welche Bezüge zwischen praktischer Verwendung und theoretischen Vorarbeiten zum CC-Begriff bestehen. Einen eigenen Definitionsversuch unternimmt die Arbeit jedoch nicht. Da es um das Begriffsverständnis der Befragten und nicht der Forscherin geht, brächte dies keine weitere Erkenntnis. 1.1.1 Charakteristika von Corporate Citizenship (Binnenabgrenzung) Durch das Dickicht an Definitionen führen verschiedene Wege: Manche wählen einen historischen Pfad ausgehend von der Prägung des Begriffs in den fünfziger Jahren in den USA30, andere verfolgen die Spur der Rezeptionsgeschichte in Europa31. Zielführender für diese Arbeit dagegen scheint es, anhand von vier inhaltlichen Klassifizierungsaspekten, mit deren Hilfe CC definiert wird, das Begriffsgestrüpp zu entflechten: 1. das Nutzenargument 2. die Instrumente 3. das Prinzip der Bürgerschaft 4. die Relation zur Geschäftstätigkeit 1.1.1.1 Das Nutzenargument An erster Stelle heben viele CC-Definitionen den so genannten Win-WinAspekt hervor. Sie unterstreichen, dass das Engagement nicht nur den Adressaten sondern auch den Unternehmen selbst nütze. Corporate Citizenship gilt als Mittel, den Gewinn zu maximieren. Damit wollen sie Corporate Citizenship gegenüber der Philanthropie abgrenzen, die als rein altruistisch gilt.32
tauchen, ist davon auszugehen, dass der ein oder andere auch den Interviewpartnern bekannt ist und diese ihr CC-Verständnis diesen Quellen entnehmen. Vgl. z.B. Seitz (2002a), 193 31 Vgl. z.B. Matten/ Moon (2004) 32 So meint Corporate Philanthropy z.B. nach Seitz "die Verwendung von Unternehmensvermögen für soziale Anliegen im Sinne der 'Menschenliebe'." Praktisch bezeichnet sie Aufwendungen, "die so weit von der eigentlichen Geschäftstätigkeit entfernt sind, dass man keine Verbindung mehr zu unternehmerischen Vorteilen herstellen kann oder will." Damit sei die Philanthropie auf keinen Fall Grundlage einer CC-Strategie sondern allenfalls eines ihrer Elemente. Vgl. Seitz (2002b), 117f. 30
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Diese Sichtweise vertritt beispielsweise André Habisch, durch dessen zahlreiche Publikationen und Interviews das Nutzenargument in Deutschland sehr verbreitet ist. Er erklärt: "Die Diskussion hat klar gemacht, dass gesellschaftliches Engagement kein Widerspruch zum unternehmerischen Gewinnstreben sein darf, sondern im "Windschatten der Anreize" (K. Homann) erfolgen muss."33
Ähnlich definiert Seitz Corporate Citizenship als "das Streben nach umfassender Nutzung des sozialen und natürlichen Umfeldes für das Gewinnziel [...] Corporate Citizenship heißt unternehmerisches Geben auch an nicht-unmittelbar wirtschaftliche Akteure mit der Intention des Bekommens. Wobei die Formen des Bekommens sehr vielfältig sind und zum Beispiel auch den Verzicht auf Ausübung von Gewalt und Sabotage beinhalten. Corporate Citizenship heißt, nach Chancen sozialer Investition aktiv und mit angemessener Methodik zu suchen."34 Als Vertreter der internationalen Debatte sei hier stellvertretend auf Andriof und McIntosh verwiesen. Sie definieren: "Good corporate citizenship [...] can be defined as understanding and managing a company's wider influences on society for the benefit of the company and society as a whole."35
1.1.1.2 Die Instrumente Eng verbunden mit dem Nutzenaspekt ist die Frage der Instrumente, die viele Autoren hervorheben, um Corporate Citizenship zu charakterisieren. Dabei betonen sie immer wieder, dass CC über reines Spenden36 hinausgehe und dass das Unternehmen stattdessen "alle Arten von Ressourcen [...] unter besonderer Berücksichtigung seiner spezifischen Kompetenzen"37 einbringe, d.h. vor allem auch Mitarbeiterengagement, fachliches Know-how und 33
34
35 36
37
Interview mit André Habisch in Stiftung&Sponsoring, Nr. 2 2004, 3 (Hervorhebung durch die Verfasserin) Seitz (2002a), 195 (Hervorhebung durch die Verfasserin) bzw. (2002b), 64. Wird CC nicht auf den Gedanken der Gewinnmaximierung bezogen, muss man nach Ansicht von Seitz von "sozialer Verantwortung der Unternehmen" sprechen. Andriof/ McIntosh (2001), 14 (Hervorhebung durch die Verfasserin) Denn die deutsche Steuergesetzgebung definiert enge Grenzen für Unternehmensspenden. So darf die Organisation, die die Spende erhält, für das Unternehmen keine Gegenleistung erbringen. Unternehmen dürfen maximal 10 Prozent ihres Gewinns steuerfrei spenden. Vgl. dazu den Überblick bei Sprengel/ Reimer (2003), 33 und Strachwitz (1995a) 67ff. und (1995b), 19 Westebbe/ Logan (1995), 17
17
Organisationskompetenz.38 Zwar ist das klassische Spenden von Geld oder Sachleistungen nicht obsolet, doch taucht es statt als Scheck der Geschäftsleitung heute in neuer Form als CC-Instrument auf: als so genanntes Matched Giving oder als Payroll Giving. Beim Matched Giving39 stockt das Unternehmen Spenden von Mitarbeitern in gleicher oder mehrfacher Menge auf. In dieser Form wird es oft als Element von Corporate Volunteering gesehen, da Unternehmen so einen Impuls für das Engagement ihrer Mitarbeiter liefern können. Ein ähnliches Ziel verfolgt auch das Payroll Giving. Es bezeichnet die direkte Spende vom Gehaltszettel, die vor allem in den USA und Großbritannien verbreitet ist. Arbeitnehmer spenden einen Teil ihres Bruttogehalts und erhalten dafür Steuervergünstigungen. Spendet z.B. ein Arbeitnehmer in Großbritannien, wo der Steuersatz bei ca. 22 Prozent liegt, 10 Pfund über Payroll Giving, so "kostet" ihn diese Spende nur 7,80 Pfund, während die gemeinnützige Organisation, an die die Spende geht, den vollen Betrag erhält. Payroll Giving ist ein Beispiel dafür, wie der Staat Anreize zum Geben schafft und Unternehmen und deren Arbeitnehmer in ihrem gesellschaftlichen Engagement unterstützt. Ähnlich wie mit Spenden verhält es sich mit Stiftungen (Corporate Foundations), denen es laut Gemeinnützigkeitsrecht verboten ist, steuerbegünstigt Unternehmensziele zu verfolgen. Habisch merkt dazu an: "Corporate Citizenship lebt aber gerade davon, dass es als strategisches Instrument enger am operativen Geschäft des Unternehmens orientiert ist. Ein zentraler Punkt ist dabei die Entstehung von Netzwerken um das Unternehmen herum. Gerade dies wird aber durch die (von den Finanzbehörden geforderte) organisatorische Trennung von Unternehmen und Stiftung behindert."40
Daher gelten Unternehmensstiftungen nur bedingt als geeignetes CCInstrument – genauso Sponsoring, wenn auch aus genau entgegen gesetzten Gründen. Eine Organisation, die Sponsorengelder erhält, muss gegenüber den Steuerbehörden nachweisen, welche Gegenleistung (Vorteil, Nutzen) sie für das Unternehmen erbringt. Nur dann werden die Ausgaben als notwendige Betriebsausgaben des Unternehmens anerkannt und sind von der
38
Vgl. Habisch/ Schmidpeter (2003b), 11 Vgl. dazu z.B. Kinds/ Münz (2003), 186 40 Interview mit André Habisch in Stiftung&Sponsoring, Nr. 2 2004, 4 39
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Steuer absetzbar.41 Da hier der Nutzen für Unternehmen also bereits per Gesetz definiert ist, Corporate Citizenship aber eher Maßnahmen beschreibt, die über das gesetzlich Verankerte hinausgehen, zählt Sponsoring ebenfalls nicht unbedingt zu den primären CC-Instrumenten. Per Definition ist Sponsoring vielmehr der Kauf von Werbemitteln, mit denen der Sponsor in erster Linie sich selbst fördert. Dagegen wird die Freistellung von Mitarbeitern für eine Tätigkeit bei einer gemeinnützigen Organisation bzw. in betrieblichen Freiwilligenprogrammen, Corporate Volunteering42 (CV) genannt, als CC-Instrument immer wieder besonders hervorgehoben. Synonym zu Corporate Volunteering sprechen manche Autoren auch von Employee Involvement/ Volunteerism. Das Konzept betont die individuelle Handlungsfreiheit aber auch -pflicht. Diese individuelle Perspektive ist zentral für das amerikanische Verständnis von Corporate Citizenship.43 Es gibt verschiedene Arten von CV, die sich z.B. nach der Einsatzdauer unterscheiden lassen: Sie reichen von einzelnen Projekttagen (Days of Service) über wochenweise Mitarbeit in sozialen Einrichtungen (Secondment) bis hin zu längeren Patenschaften (Mentorenprogramme).44 Möglich werden diese Einsätze durch bezahlte Freistellungen.45 Manche Unternehmen unterstützen das bürgerschaftliche Engagement ihrer Mitarbeiter 41
Im Gegensatz zu Spenden gibt es keine Beschränkung für Sponsoring, sodass in Deutschland schätzungsweise 80 Prozent der Ausgaben von Unternehmen für gesellschaftliches Engagement Sponsoring und nur 20 Prozent Spenden sind. Vgl. dazu den Überblick bei Sprengel/ Reimer (2003), 34; ebenso Strachwitz (1995a) 96ff. und (1995b), 20f. 42 "Corporate Volunteering focuses on employees getting involved in their local community or in any other charitable cause." Gribben et al (2001), 13. Vgl. ausführlich Schubert/ Littmann-Wernli/ Tingler (2002) 43 Vgl. Schöffmann (2001), 13ff. und Seitz (2002b), 115. Der hohe Stellenwert von Mitarbeiterengagement in den USA ist vor dem Hintergrund von zwei Aspekten zu sehen: Es gibt keinen Zivildienst und die Arbeitnehmer haben weniger Urlaub, d.h. weniger Freizeit, um sich zu engagieren. Wegen der anderen Voraussetzungen in Deutschland bezweifeln Skeptiker, ob eine weitere Förderung von Volunteering sinnvoll ist, da für die Masse der Leute auch genügend Einsatzmöglichkeiten bestehen müssen. 44 Einen Überblick geben z.B. Gribben et al (2001), 20ff. oder der Bericht der EnqueteKommission (2002), 472ff. In Mentorenprogrammen übernehmen Mitarbeiter für ein Jahr z.B. die Begleitung von Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen. 45 Hier gibt es noch keine eindeutige gesetzliche Regelung, ob die Freistellung im Kontext der unternehmerischen Tätigkeit, also zum Zweck der Gewinnerzielung, erfolgt, oder ob es sich um eine Zuwendung handelt. Im ersten Fall ist ein Betriebsausgabenabzug möglich, im zweiten Fall können die Lohn- und Lohnnebenkosten als Spende gelten. Die EnqueteKommission empfiehlt, dass die Kosten immer als Betriebsausgaben abziehbar sein sollten. Sie legt dieser Empfehlung die Annahme zu Grunde, dass die Freistellung betrieblich veranlasst ist. Vgl. Enquete-Kommission (2002), 649
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aber auch, indem sie ihnen z.B. die (Büro-) Infrastruktur des Unternehmens zur Nutzung überlassen. "Zusammengefasst, kann von Corporate Volunteering immer dann gesprochen werden, wenn ein Unternehmen ein gemeinnütziges Engagement eingeht oder unterstützt, an dem sich Mitarbeiter [...] freiwillig beteiligen, und gegebenenfalls zusätzlich sachliche und monetäre Ressourcen investiert werden."46
Schließlich zählen für viele zu den CC-spezifischen Instrumenten Verhaltenskodizes, Codes of Conduct. Sie sollen die Beziehungen zu Anspruchsgruppen innerhalb wie außerhalb des Unternehmens auf eine verbindliche Grundlage stellen und vor allem Vertrauen schaffen. Unterschieden werden individuelle Kodizes für einzelne Firmen, branchenübergreifende oder internationale, mit und ohne Beteiligung von Regierungen.47 Manche beschränken sich auf bestimmte Themen wie den Schutz der Menschenrechte, andere beinhalten ein breites Spektrum. 1.1.1.3 Das Prinzip der Bürgerschaft Einige Definitionen verweisen auf den Aspekt "citizenship", Bürgerschaft, um Corporate Citizenship zu charakterisieren. Dies zeichnet bislang vor allem die englisch-sprachige CC-Debatte aus. Allgemein definiert dort zunächst McIntosh: "CC is drawing a parallel between the individual citizen and his and her responsibilities and rights as a member of a community and a company which, too, has rights and responsibilities."48
Matten et al. entwickeln diese Idee weiter.49 Angesichts der Globalisierung seien Regierungen immer weniger in der Lage, die Rechte ihrer Bürger zu schützen, sodass Unternehmen diese Verantwortung stellenweise übernähmen: "Our central argument is that corporations enter the arena of citizenship at the point of government failure in the protection of citizenship. [...] We suggest that they partly take over those functions with regard to the 46
Schubert/ Littmann-Wernli/ Tingler (2002), 17 Einen guten Überblick bietet Aaronson (2001). Beispiele für internationale Codes mit staatlicher Beteiligung sind der Global Compact oder die OECD Guidelines for Multinational Enterprises, für reine Wirtschaftsinitiativen die Global Sullivan Principles oder der SA 8000. Vgl. ausführlich auch Pearson/ Seyfang (2001), kritisch auch Sethi (2002) 48 McIntosh (1998), xx-xxii 49 Matten et al (2003), 113ff. 47
20 protection, facilitation and enabling of citizen's rights. [...] We thus argue that if a term such as "corporate citizenship" makes any sense in the proper meaning of the term, "corporations" and "citizenship" in modern society come together at exactly the point where the state ceases to be the only guarantor of citizenship any longer."50
CC meint demnach nicht die Rechte und Pflichten der Unternehmen sondern ihre Rolle, die Rechte der Bürger zu schützen: "If CC represents participation in society, it makes sense that business fulfils a role similar to that of government rather than the average citizen."51
In der deutschen CC-Diskussion greift Seitz die Idee der Bürgerschaft im Sinne von McIntosh auf.52 Und Habisch nutzt den Aspekt der Bürgerschaft, um Corporate Citizenship gegenüber der Unternehmensethik abzugrenzen. Seiner Ansicht nach gehe CC über Unternehmensethik in dem Sinne hinaus, dass man "zum Bürger (Citizen) [...] nicht allein durch einen moralischen Selbstanspruch [wird], sondern nur durch einen intersubjektiven Akt der Anerkennung durch andere Bürger – und zwar im gemeinsamen Engagement für die "res publica" in ihren jeweiligen sachbezogenen Aspekten (Bildung, Soziales, Gesundheit, Umwelt). "Corporate Citizenship" fügt sich damit in die Diskussion um "Governance Structures" und Selbststeuerungspotenziale der [...] Bürgergesellschaft ein."53 Polterauer weist schließlich darauf hin, dass durch "[d]ie deutsche Übersetzung von "Corporate Citizenship" mit unternehmerischem bürgerschaftlichem Engagement nicht so sehr die Verteilung von Pflichten und Rechten und de[r] Bezug zum Staat ("Staatsbürger") sondern die aktive Beteiligung am Leben in der Gemeinschaft "54 hervorgehoben wird. 1.1.1.4 Relation zur Geschäftstätigkeit Manche Definition unterscheiden sich darin, ob sie Corporate Citizenship als innerhalb oder außerhalb der Geschäftstätigkeit liegend bezeichnen. 50
Matten et al (2003), 116 Matten et al (2003), 118 Vgl. den Untertitel seiner Arbeit: "Rechte und Pflichten der Unternehmung im Zeitalter der Globalität", Seitz (2002b) 53 Habisch (2003), 11; vgl. ebenso Habisch/ Schmidpeter (2003), 11 54 Polterauer (2004a), 52. Die Übersetzung "unternehmerisches bürgerschaftliches Engagement" ist darüber hinaus sprachlich schief: Ausgedrückt werden soll, dass es sich um Engagement von Unternehmen handelt. Das Adjektiv "unternehmerisch" bedeutet jedoch "nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten" und könnte genauso das Engagement einer Privatperson charakterisieren. 51 52
21
Westebbe und Logan definierten als eine der ersten in der deutschen Debatte CC als "das gesamte koordinierte, einer einheitlichen Strategie folgende und über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgehende Engagement eines Unternehmens zur Lösung gesellschaftlicher Probleme"55. Nach diesem Verständnis bewegt sich CC noch sehr nah am Philanthropie-Gedanken und umfasst vor allem Spenden und Sponsoring. In diesem Zusammenhang taucht auch gelegentlich der Begriff des Corporate Community Investment56/ Involvement (CCI) auf, mit dem man vor allem in den USA das Engagement meist großer Unternehmen für die Entwicklung ihres unmittelbaren, lokalen Umfelds bezeichnet. Es steht dort traditionell im Zentrum von CC-Aktivitäten. In Europa gibt es nach Meinung von Seitz dafür weniger Ansatzpunkte, da die öffentliche Infrastruktur in Ländern wie Deutschland eine solche Dichte und ein so hohes Niveau erreiche, dass für individuelles Engagement weniger Raum bleibe.57 Nach Gribben et al. hat sich das Konzept von CCI zwar etwas vom engen philanthropischen Verständnis gelöst, "[but] it remains concerned with what a company does with its profits, rather than questioning how a company makes its profits."58 Daher relativiert Logan die von ihm und Westebbe entwickelte Definition später, indem er von CC als "totality of a company's impact on society at home and abroad"59 spricht und damit auch das eigentliche Geschäft, die Produkte, Löhne, Steuern etc. als Beitrag des Unternehmens zur Gesellschaft mit einbezieht. Zur gleichen Zeit schreiben McIntosh et al: "CC is concerned with the relationship between companies and society – both the local community which surrounds a business and the increasingly
55
Westebbe/ Logan (1995), 17 (Hervorhebung durch die Verfasserin). Ähnlich bei Moon (2002), 385 56 Vgl. z.B. Strachwitz (1995a) 47ff. und (1995b), 11. Er spricht von Engagement außerhalb des unmittelbaren Geschäftszwecks; ähnlich bei Schubert/ Littmann-Wernli/ Tingler (2002) 57 Vgl. Seitz (2002b), 114. Das Problem sei vielmehr anders gelagert: "Die öffentlichen Institutionen schaffen zwar ein ordentliches Niveau der Versorgung mit öffentlichen Gütern, aber ihre Kostenstruktur ist nicht transparent, und die generelle Vermutung lautet, dass sie zu teuer sind. Da diese vermutlich überteuerten Leistungen aber letztlich durch die Unternehmen und anderen Bürger finanziert werden und diese dadurch Nachteile erfahren, muss das Engagement als Bürger in stärkerem Maße bei den Strukturen ansetzen, denn dort liegen die substanziellen Kooperationsgewinne verborgen." 58 Gribben et al ( 2001), 13 59 Logan (1998), 68 (Hervorhebung durch die Autorin)
22 world-wide community which touches every business through its products, its supply chain, its dealer network."60
Zwar differenzieren sie die Frage, ob mit Corporate Citizenship Aktivitäten innerhalb oder außerhalb der eigentlichen Geschäftstätigkeit bezeichnet werden, indem sie CC als ein Kontinuum (s. Abbildung 4) betrachten: "CC is forming a continuum that stretches from "minimal" citizenship at one extreme [...] to a complex relationship of interlocking rights and responsibilities at the other."61
Doch sehen sie letztendlich qualitative Unterschiede zwischen den verschiedenen Stufen, von denen ihrer Ansicht nach nur die letzte, die strategische, den vollen Charakter von CC entfaltet, d.h. diejenige, die CC in die gesamte Geschäftstätigkeit einbezieht.
Minimalist
Discretionary
Strategic
Compliance with legislation
Philanthropy, charitable giving
Citizenship integrated into business
Abb. 4: Corporate Citizenship als Kontinuum; Quelle: McIntosh et al (1998), xxii
Mit einem solch umfassenden Verständnis erweitert sich der Wirkungsradius von Corporate Citizenship bzw. der Verantwortungsbereich von Firmen in zweierlei Hinsicht: zum einen dehnt er sich auf das gesamte Unternehmen und die gesamte Wertschöpfungskette aus, zum anderen bezieht er nicht nur das unmittelbare Umfeld des Unternehmens sondern alle Länder mit ein, in denen es tätig ist.62 Entsprechend rückt der Spendengedanke in den Hintergrund und an seine Stelle tritt die Idee der sozialen Investition. Bei Habisch liest sich dieser Investitionsgedanke folgendermaßen: "Als unternehmerisches Bürgerengagement (Corporate Citizenship) bezeichnet man Aktivitäten, mit deren Hilfe Unternehmen selbst in ihr 60
McIntosh et al (1998), xx McIntosh et al (1998), xxi 62 An diesem Punkt sind die Grenzen zu Corporate Social Responsibility fließend (vgl. Kapitel I, 1.1.2). Zur Frage des "Citizenship", der "(Staats-)Bürgerschaft" von Unternehmen vgl. Polterauer (2004a), 37ff. bzw. (2004b), 2ff. 61
23 gesellschaftliches Umfeld investieren und ordnungspolitische Mitverantwortung übernehmen. Sie helfen mit, Strukturen bereichsübergreifender Zusammenarbeit und Soziales Kapital aufzubauen, um zusammen mit Partnern aus anderen gesellschaftlichen Bereichen [...] konkrete Probleme ihres Gemeinwesens zu lösen."63
1.1.2 Das Verhältnis zu Corporate Social Responsibility (Außenabgrenzung) Umstritten ist die Abgrenzung von Corporate Citizenship (CC) gegenüber Corporate Social Responsibility (CSR) – nicht zuletzt, weil Vieles, was in den USA unter CC firmiert, in Europa bzw. in Deutschland als CSR bezeichnet wird und umgekehrt.64 Während einige Autoren daher dazu übergegangen sind, die Begriffe synonym zu verwenden, unternehmen andere eine Hierarchisierung. 1.1.2.1 CSR-Definitionen Die Definitionen zu CSR sind ebenso mannigfaltig wie die zu CC. Ein viel zitiertes Konzept stammt von Carroll.65 Er unterscheidet vier Arten der Verantwortung von Unternehmen: die ökonomische (Gewinn), die gesetzliche (Rechtstreue), die ethische (Moral) und die philanthropische. Die letzte Kategorie ist dem Ermessen des Unternehmens überlassen und umfasst alles von der Spende bis zum Betriebskindergarten. Auch hier spielt also für die Begriffsbestimmung die Relation von Engagement und Geschäftstätigkeit eine entscheidende Rolle und hier ergeben sich Überschneidungen zwischen CCund CSR-Definitionen. Das Verständnis von Corporate Citizenship als alle Geschäftsbereiche betreffend kommt beispielsweise in der CSR-Definition von Klöppl und Neureiter zum Ausdruck: "[Corporate Social Responsibility] ist die aktive, dem Unternehmensziel förderliche Übernahme der gesellschaftlichen Verantwortung eines
63
Habisch/ Schmidpeter (2003b), 11. Vgl. auch Habisch (2003), 58 Der Begriff CSR war in den 50er Jahren in den USA zunächst stark normativ geprägt, wandelte sich in den Jahrzehnten danach dann aber in das weniger wertende "Corporate Responsiveness" und weiter in "Corporate Citizenship". 65 Carroll, Archie (1979): A Three-Dimensional Conceptual Model of Corporate Performance, in: Academy of Management Review vol.4, no. 4, 497-505. Vgl. dazu ausführlicher Matten et al (2003), 110 oder Maignan/ Ferrel (2000), 284ff. 64
24 Unternehmens – und zwar in allen drei Bereichen: ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Verantwortung."66
Ähnlich definiert Marsden: "Being socially responsible means: 1. running [the firm's] activity safely, legally and effectively; 2. minimising adverse impact on community and society (i.e., do no harm); 3. addressing those social issues which a) impact [the firm's] activity; b) are within [the firm's] competence to influence; c) offer opportunities for mutual benefit. The purpose of this was firstly to show that social responsibility was about the whole business activity [...] and, secondly, that investment in community programmes should be an integral part of business strategy."67
Unterschiede zwischen CC und CSR bestehen nach Ansicht anderer hinsichtlich des Nutzenaspektes bzw. der Funktion von Engagement für die Gewinnmaximierung. So beziehen sich laut Seitz die Begriffe zwar auf das gleiche Phänomen – das Verhältnis zwischen Unternehmen und seinem sozialen Umfeld – doch von entgegen gesetzten Standpunkten aus: "Corporate Citizenship stellt die Frage nach diesem Verhältnis aus der Perspektive der Unternehmung. Die Theorie der sozialen Verantwortung [CSR, Anmerk. d. Verf.] stellt die Frage aus der Perspektive anderer Akteure oder der Gesellschaft und läuft im Ergebnis stets auf eine Relativierung oder ein Durchbrechen des Gewinnprinzips hinaus."68
Demnach bedeute CSR, dass die Unternehmen gegenüber der Gesellschaft eine Verantwortung haben und die Gesellschaft diese sozusagen als Pflichtenheft für die Unternehmen definiere. CC hingegen meine, dass sich jeder Akteur seinem Verständnis entsprechend einbringe, ohne Vorgaben zu bekommen. Diesen inhaltlichen Unterschied sehen auch Matten und Moon. Sie stellen dabei aber nicht die Begriffe CC und CSR einander gegenüber sondern unterscheiden eine implizite und eine explizite Form von CSR: "We conceptualise CSR as a way of thinking and a set of practices enacted and addressed by – mostly voluntary – corporate policies, which explicitly circumscribe the responsibilities towards society, which corporations seek to address. On the other hand, the majority of issues which count as corporate responsibilities towards society in a European context are not
66
Klöppl/ Neureiter (2003), 44 Marsden (2001), 46 68 Seitz (2002a), 197 67
25 part of the corporation's explicit policies but they are implicitly codified in the norms, standards and legal framework of Europe and its nations."69
Bei der expliziten Form von CSR handelt es sich also um freiwillige Selbstverpflichtungen, die Unternehmen eingehen, weil sie sich von ihnen langfristig Vorteile erhoffen.70 Darunter fallen beispielsweise Verhaltenskodizes (Codes of Conduct). Bei der impliziten Form von CSR handelt es sich meist um gesetzliche Regelungen, die die Rolle der Unternehmen in der Gesellschaft bestimmen.71 Die Autoren vertreten die These, dass die Länder in Europa, die eine starke sozialstaatliche Tradition und institutionell verankerte Mitspracherechte für Anspruchsgruppen haben, eher geprägt sind von impliziter CSR. Ein Beispiel wäre das duale Ausbildungssystem in Deutschland. Die EU-Institutionen arbeiten ebenfalls mit einem differenzierten CSR-Begriff, allerdings unterscheiden sie eine interne und eine externe Dimension. In ihrem Grünbuch72 "Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen" zählt die EU-Kommission zur internen Dimension "Humanressourcenmanagement", "Arbeitsschutz", "Anpassungen an den Strukturwandel" und "Umweltverträglichkeit"; zur externen "Lokale Gemeinschaften", die Beziehungen zu "Geschäftspartnern, Zulieferern und Verbrauchern",
69
70
71
72
Matten/ Moon (2004), 336 (Hervorhebungen im Original); ähnlich bereits bei Matten/ Moon (2003), 1: "The notion of 'implicit' CSR is in recognition of the fact that many CSR practices in Europe may reflect relatively embedded, or institutionalised, business-societal norms and are not necessarily described by companies as CSR at all. 'Explicit' CSR in contrast is, by definition, so described by the respective companies." Vgl. Matten/ Moon (2004), 341: "Explicit CSR refers to corporate policies that lead companies to assume responsibility for some interest of society. Explicit CSR would normally involve voluntary, self-interest driven policies, programmes and strategies of corporations to address issues perceived by the company and/or its stakeholders as part of their social responsibility." (Hervorhebungen im Original) a.a.O., 342: "Implicit CSR refers to a country's formal and informal institutions through which the corporations' responsibility for society's interests are agreed and assigned to corporations. Implicit CSR normally consists of values, norms and rules, which result in (mostly) mandatory requirements of corporations to address issues, which social, political and economic interests consider a proper and reasonable obligation upon corporate actors." (Hervorhebungen im Original) Grünbücher sind Unterlagen der EU-Kommission, die Debatten anregen und einen Beratungsprozess auf europäischer Ebene über ein spezielles Thema in Gang bringen sollen; diese Beratungen können abschließend in der Veröffentlichung eines Weißbuches gipfeln. Ein Weißbuch ist eine Veröffentlichung der EU-Kommission, in dem die Ergebnisse der Debatten zu einem speziellen Thema als praktische Vorschläge für Handlungen der Gemeinschaft zusammengefasst werden. Vgl. Bethin/ Vandenhende (2003), 198
26
"Menschenrechte" sowie "Globaler Umweltschutz."73 Generell definiert sie CSR als ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren. Sie vertritt also eine Auffassung, die das Engagement in enger Beziehung zur Geschäftstätigkeit sieht. Es soll an dieser Stelle vor allem eines deutlich werden: Je nach Standpunkt kann ein und dasselbe Thema als interne Dimension oder explizite Form von CSR bezeichnet werden oder als CC gelten. Gleichzeitig gibt es Ansätze, die beiden Begriffe explizit in eine Rangfolge bringen. Dabei gilt mal CC, mal CSR als das umfassendere bzw. weiter entwickelte Konzept. 1.1.2.2 Corporate Citizenship als übergeordnete Idee Die Auffassung von Corporate Citizenship als der übergeordneten Idee vertritt beispielsweise Habisch. Er sieht eine Verschiebung der Leitbegriffe von Philanthropie über Unternehmensethik und Social Responsibility hin zu Corporate Citizenship.74 Die Begriffe stehen entsprechend ihrer Abfolge für eine Entmoralisierung. Die Aktivitäten des Unternehmens in diesem Bereich werden also immer stärker als Teil der Kernaufgaben begriffen: "Sie werden 'endogenisiert' in eine Gesamtstrategie, die den wechselseitigen Abhängigkeiten von Unternehmen und gesellschaftlichem Umfeld systematisch Rechnung trägt."75
Dementsprechend bezeichnet Habisch die Akzentverschiebung als einen "Prozess der rationalen Verarbeitung ethischer Impulse".76
73
EU-Kommission (2001), 9ff. Dem Grünbuch folgte eine EU-Strategie zur CSR-Förderung "Die soziale Verantwortung der Unternehmen". Mehr dazu unter: http://europa.eu.int/comm/employment_social/soc-dial/csr/csr_index.htm 74 vgl. Habisch (2003b), 44 75 ebd. 76 ebd.
27
Dauer der Investition
Corporate Citizenship Heiße Phase (Unternehmen als Bürger) Corporate Social Responsibility (Unternehmen als Partner)
Corporate Sponsoring (Sponsor) Eingriffstiefe in das gesellschaftliche Umfeld
Abb. 5: Corporate Citizenship als übergeordnete Idee; Quelle: Center for Corporate Citizenship © 2001 bzw. ähnlich Habisch (2003b), 80
Nach Habisch ist CC vor allem durch zwei Elemente charakterisiert: die Dauer des Engagements und die Eingriffstiefe. Nur das gemeinsame Engagement für nachhaltige und auch gesamtgesellschaftlich wirksame Strukturveränderungen verdiene demnach die Bezeichnung Corporate Citizenship. Ein Beispiel soll diese Unterscheidung illustrieren: Von CSR würde Habisch sprechen, wenn sich ein Unternehmen in seinem Verhaltenskodex gegen Korruption ausspricht. Corporate Citizenship hieße es dann, wenn das Unternehmen beispielsweise mit Transparency International eine Kooperation eingehen würde, um Korruption allgemein zu bekämpfen. 1.1.2.3 Corporate Social Responsibility als übergeordnete Idee Anderen Autoren gilt Corporate Social Responsibility als der am weitesten gefasste Begriff oder Oberbegriff für das Engagement von Unternehmen. So heißt es z.B. im Bericht der Enquete-Kommission: "[CSR] bildet das Dach, dem sich Corporate Citizenship und dessen konkrete Ausprägung in Form von bürgerschaftlichem Engagement zuordnen lassen."77
Mit der Selbstverpflichtung im Sinne von CSR formulierten die Unternehmen einen sehr weitgehenden Anspruch, der das wirtschaftliche Handeln entlang der gesamten Wertschöpfungskette bestimme (von der Gewinnung bis zum Vertrieb) und alle Anspruchsgruppen von den Lieferanten bis zu den Konsumenten einschließe: 77
Enquete-Kommission (2002), 457
28 "Das CSR-Konzept beruht auf der Vorstellung einer nachhaltigen sozialen, ökonomischen und ökologischen Entwicklung und eines schonenden Umgangs mit Ressourcen. [...] Zielsetzung ist ein nachhaltiges Wirtschaften."78
Damit folgt die Kommission dem Verständnis von Mutz, der in seiner ursprünglichen Differenzierung sogar noch einen Schritt weiter geht. Er bezeichnet die übergeordnete Idee allgemeiner mit "Corporate Responsibility" und teilt sie in eine soziale (Social Responsibility) und eine ökologische (Ecological Responsibility) Dimension. Sowohl nach seinem Verständnis als auch nach dem der Kommission markiert CSR den Übergang von der übergeordneten abstrakten Idee der unternehmerischen Verantwortung zu den konkreten lokalen Programmen des Corporate Citizenship.79
Corporate Responsibility Ecological Responsibility
Social Responsibility
Corporate Citizenship The Art of Giving Back to the Community
Corporate Foundations
Corporate Giving
Corporate Volunteering
Corporate Partnerships
© miss 2002
Abb. 6: Corporate Social Responsibility als übergeordnete Idee; Quelle: Mutz/ Korfmacher (2003), 2
1.2 Die Diskussion in verschiedenen Disziplinen Die Definitionsversuche zeigen, dass der Begriff bzw. das Forschungsfeld Corporate Citizenship sehr vielschichtig ist und die Inhalte in verschiedenen wissenschaftlichen Fachrichtungen verwurzelt sind. Jede Disziplin betrachtet Corporate Citizenship in einem anderen Kontext. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Konturen verwischen.
78 79
ebd. Vgl. Mutz/ Korfmacher (2003), 51; vgl. ebenso Mutz (2000), 79.
29
Die folgenden Abschnitte zeichnen kurz die Diskussionen in den Wirtschaftsund Politikwissenschaften nach. Die Beschränkung auf diese zwei gründet auf bestimmten Erwägungen: Zunächst kreisen die Definitionen von Corporate Citizenship immer wieder um die Frage, was zum Wirtschaften dazu gehört, d.h. ob und wenn ja wie Unternehmen sich gesellschaftlich engagieren sollten. Sie berühren also insbesondere Themen der Wirtschaftsethik und es wird sich zeigen, dass sich die Forschung zu Corporate Citizenship grob in zwei zentrale Strömungen teilen lässt, die jeweils von einem bestimmten wirtschaftsethischen Vorverständnis geprägt sind. Für einen kurzen wirtschaftsethischen Exkurs spricht auch, dass die Medien die CC-Diskussion großenteils aus der Sicht der Unternehmen führen, sodass die wirtschaftsethischen Kategorien stark im öffentlichen Bewusstsein und damit auch dem der Befragten verankert sein dürften. Zum anderen untersucht die Arbeit Corporate Citizenship aus der Perspektive der politischen Akteure. Daher ist es wichtig, auch aus politikwissenschaftlicher Sicht diejenigen theoretischen Diskussionen nachzuvollziehen, die CC-relevante Aspekte untersuchen, und dabei ebenfalls der Frage nachzugehen, ob und wenn ja wie Unternehmen sich engagieren sollten. Ziel ist, bei der späteren Auswertung der Interviews eventuelle Bezüge zwischen den von den Befragten formulierten Begründungszusammenhängen und theoretischen Konzepten herstellen zu können. Grob zusammengefasst, lässt sich vorab sagen, dass Corporate Citizenship in den Augen der Ökonomie legitimiert ist, solange die Besserstellung aller Akteure sichergestellt ist, und in den Augen der Politik(wissenschaft) gerechtfertigt scheint, solange der gesellschaftliche Konsens gewährleistet werden kann. 1.2.1 Wirtschaftswissenschaftliche Diskussionen Die Debatte um Corporate Citizenship entzündet sich immer wieder an der Gretchenfrage: Sollen sich Unternehmen überhaupt sozial engagieren? In der Wirtschaft dominierte viele Jahre lang die Antwort von Milton Friedman. Er formulierte sein klares Nein in dem viel zitierten Ausspruch:
30 "The social responsibility of business is to increase its profits."80
Seine Aussage basierte auf zwei impliziten Annahmen: 1. Soziale und wirtschaftliche Ziele sind per se widersprüchlich, weshalb Ausgaben eines Unternehmens für soziale Zwecke auf Kosten seiner Ergebnisse gehen. 2. Firmen schaffen mit ihrem sozialen Engagement keinen größeren Nutzen als private Spender. Nach Michael Porter sind diese Annahmen nur richtig, solange nach dem Gießkannenprinzip gespendet wird. Für ihn lautet daher die Antwort: Ja, Unternehmen sollten sich sozial engagieren. Er sieht Wohltätigkeit sogar als Wettbewerbsvorteil, wenn sie auf einer klaren Strategie basiert (Strategic Philantropy). Sie muss positiven Einfluss haben auf die Produktionsfaktoren, die Nachfragebedingungen, die Strategie und den Wettbewerb sowie verwandte und unterstützende Branchen.81 Dieser Sichtweise schließen sich mehr und mehr Unternehmen an, wie die steigende Zahl von Verhaltenskodizes (Codes of Conduct), CSR-Berichten, Initiativen und Netzwerken zeigt. Für viele gilt: "CSR = Commitment, Strategy, Revenue"82. Die Frage nach den Kosten bürgerschaftlichen Engagements beantworten die Unternehmen inzwischen also mit Ansätzen, die das Management des weiteren sozialen Umfelds zunehmend zum unternehmerischen Erfolgsfaktor machen.83 Die Debatte kreist heute also weniger um das "Ob" als vielmehr um das "Wie". Wie kann Corporate Citizenship in die Unternehmensethik eingeordnet werden? Bzw. ist Corporate Citizenship etwas, das zum Kerngeschäft gehört, oder etwas, das zusätzliches Engagement bezeichnet? Aus der Reihe der verschiedenen Modelle zur Unternehmensethik84, werden für die Frage von 80
Friedman (1970), 32. Diese Aussage wurde oft verkürzt auf das Motto: The business of business is business; eine ausführliche Diskussion der Position Friedmans findet sich beispielsweise bei Seitz (2002b), 30ff. In der Tradition Friedmans kritisiert beispielsweise Henderson (2001) die heutige Debatte über das Engagement von Unternehmen. 81 Porter/ Kramer (2003), 40ff. 82 Aus der Werbung für die "Retail Supply Chain Europe Conference 2002: How to manage sustainability in European retailing", In: CSR Europe Magazine July 2002, 43. 83 Vgl. Seitz (2002b), 7 84 Zu nennen sind 1. die "Ethische Ökonomie" [Koslowski, Peter (1988): Prinzipien der ethischen Ökonomie. Grundlegung der Wirtschaftsethik und der auf die Ökonomie bezogenen Ethik], 2. die "Integrative Unternehmensethik" [Ulrich, Peter (1997): Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie], 3. die "Dialogethik" [Steinmann, Horst/ Löhr, Albert (1994): Grundlagen der Unternehmensethik], 4. die "Ökonomische Theorie der Moral" [Homann, Karl (2002): Moralität und Vorteil], 5. die "Ökonomische Ethik" [Suchanek, Andreas (2001): Ökonomische Ethik], 6. die "Governance-Ethik" [Wieland, Josef (2003): Governance-Ethik und moralische Anreize].
31
Corporate Citizenship vor allem zwei Erklärungsmuster bemüht: Die ökonomische Theorie der Moral und die integrative Unternehmensethik. Die ökonomische Theorie der Moral geht davon aus, dass auch Moral auf ökonomischen Vorteilskalkulationen fußt. Homanns unternehmensethisches Modell ordnet sich ein in sein wirtschaftsethisches Konzept der Moral des Wettbewerbs, das zwischen Spielregeln (Rahmenbedingungen) und unternehmerischen Spielzügen unterscheidet. Ort der Moral ist zunächst die Ebene der Spielregeln. Will man ein moralisches Ziel wie z.B. fairen Handel erreichen, muss man die Spielregeln ändern, die für alle gelten, denn sonst ist Moral für den einzelnen mit Wettbewerbsnachteilen verbunden. Auf der Ebene der Spielzüge bewegen sich die Akteure, die Unternehmer, in einem Spannungsfeld von Moral und Rentabilität. Grundsätzlich können sie sich mit vier Fällen konfrontiert sehen85: Im ersten Fall fallen idealerweise die moralischen Erwartungen und die ökonomischen Erfordernisse zusammen. Man spricht vom "Kompabilitätsfall". Der zweite Fall ist der "moralische Konfliktfall": Eine Entscheidung ist sehr rentabel, aber die Gesellschaft hat moralische Legitimitätsbedenken (auch wenn rechtlich keine Einwände bestehen). Im dritten Fall liegt der Konflikt im Ökonomischen ("ökonomischer Konfliktfall"): Die moralische Akzeptanz der Gesellschaft ist zwar gegeben, aber die Entscheidung rechnet sich nicht. Der vierte und letzte Fall ist der "negative Kompabilitätsfall": Eine Entscheidung rechnet sich nicht und ist gleichzeitig moralisch bedenklich. Er dürfte wohl in der Praxis eher unwahrscheinlich sein. Da für Homann die Wirtschaftlichkeit nach wie vor oberstes Leitprinzip ist, ist Unternehmensethik gegen den Markt auf Dauer nicht möglich. In beiden Konfliktfällen, dem moralischen wie dem ökonomischen, bleibt dem Unternehmer daher als Lösung nur, darauf hinzuwirken, dass die Spielregeln für alle geändert werden. Anders lässt sich für ihn Moral nicht realisieren. Er wählt also eine ordnungspolitische Strategie. Dabei geht es darum, die Spielregeln so zu gestalten, dass sich Unmoral nicht mehr rechnet. Als zweite Möglichkeit, um moralische Ziele zur Geltung zu bringen, kann der UnterAlle Konzeptionen thematisieren das Spannungsfeld zwischen Ethik und ökonomischer Rationalität, die auf drei Grundpositionen hinauslaufen. Je nachdem, wie sie das Verhältnis charakterisieren, lassen sie sich als Unterwerfungs-, Dominanz- oder Kooperationsmodell charakterisieren.
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nehmer auch eine Wettbewerbsstrategie wählen, indem er auslotet, inwiefern sich Moral für ihn rechnen könnte (inwiefern Werte Unternehmenswert schaffen). Vor allem Reputationskapital und Mitarbeiterbindung sind die am häufigsten genannten, wettbewerbsstrategischen Gründe für soziales Engagement von Unternehmen.86 Da es dabei um vitale Interessen des Unternehmens geht, gehört Corporate Citizenship folglich zum Kerngeschäft. Alle Argumentationen, die an diesen Punkten anknüpfen und die Win-Win-Situation von Corporate Citizenship betonen – und damit vor allem die Vorteile für das Unternehmen hervorheben wollen – zielen demzufolge auf Wettbewerbs- und nicht ordnungspolitische Strategien von Unternehmen. Demgegenüber definiert die Gegenposition "Corporate Citizenship als die programmatische Kurzformel für eine [...] politisch-aufgeklärte Unternehmensethik."87 Sie grenzt sich gegenüber der Position Homanns vor allem dadurch ab, dass sie das Prinzip der Gewinnmaximierung als ideologisch vorausgesetzte Norm kritisiert. Erst durch diese Norm wird es Unternehmern unmöglich, andere normative Gesichtspunkte wie die Sozialverträglichkeit bei Entscheidungen zu berücksichtigen. Die republikanisch-ethische Sicht hingegen beurteilt Gewinninteressen danach, in wie weit sie im Licht der moralischen Rechte anderer legitim sind. Ulrich schreibt dazu: "Geboten ist somit eine Selbstbegrenzung des unternehmerischen Gewinnstrebens nach Maßgabe "unantastbarer" moralischer Rechte anderer und anderer höherrangiger Güter des republikanischen Gemeinwohls: Legitimes Gewinnstreben ist stets moralisch begrenztes Gewinnstreben."88
Ein Corporate Citizen erkennt wie ein guter Bürger an, dass die öffentliche Sache des guten und gerechten Zusammenlebens freier und gleicher Bürger Vorrang hat vor privatwirtschaftlichen Partikularinteressen. Nur so kann er vor der Gesellschaft, die ihm die privatrechtlichen Eigentums- und Verfügungs85
86
87
88
Vgl. Schramm, Michael: Unternehmensethik im Zeitalter der Globalisierung, www.unihohenheim.de/wirtschaftsethik/unt_global.pdf Vgl. zu dieser Argumentation auch Seitz (2002b), 8 ff. Er nennt vier unternehmerische Gründe für Corporate Citizenship: 1. Investition in öffentliche Güter, 2. Investition in Reputation, 3. Investition in Regeln (Wettbewerbsvorteile durch den Aufbau komplexer Steuerungssysteme), 4. Investition in Unternehmenswert Ulrich (2000), 20. Eine Diskussion der Position Ulrichs findet sich ebenfalls bei Seitz (2002b), 36ff. a.a.O., 16 (Hervorhebungen im Original) Auf die weiteren Leitideen des Ansatzes kann hier nicht eingegangen werden.
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rechte überhaupt erst eingeräumt hat, sein Handeln rechtfertigen.89 In der Corporate-Citizenship-Debatte klingt diese Idee in dem Argument an, das Unternehmen sichere sich durch sein Engagement die "licence to operate" bzw. komme seinen Bürgerpflichten nach. Da es sich unabhängig von seinem individuellen Gewinnstreben engagiert, bezeichnet Corporate Citizenship folglich das Handeln außerhalb des Kerngeschäftes. Letztendlich kann der Widerstreit dieser Konzeptionen hier nicht entschieden werden. In der Theorie werden beide herangezogen, um das Wesen von Corporate Citizenship unternehmensethisch zu begründen. Und auch in der Praxis zeigt sich, dass Unternehmen ihr Engagement mit Argumenten aus beiden Positionen erklären90 und selten Corporate Citizenship klar in der einen oder anderen Weise definieren. Das mündet in eine pragmatische Synthese: Corporate Citizenship wird als Engagement definiert, das zwar einerseits außerhalb der eigentlichen Geschäftsfelder stattfindet – um es beispielsweise von Cause Related Marketing91 abzugrenzen – das andererseits aber nicht jenseits der operativen Tätigkeit liegt – damit man es wiederum gegenüber Philanthropie abstecken kann. Der Kunstgriff liegt im Begriff der Kernkompetenzen92. Sie werden zum Ausgangspunkt gesellschaftlichen Engagements gemacht. Das Unternehmen setzt seine spezifischen Fähigkeiten zum Wohle anderer ein. Hat es damit Erfolg strahlt das Engagement positiv auf das Kerngeschäft ab. Scheitert es, sind negative Effekte auf das Kerngeschäft auf lange Sicht nicht auszuschließen. Diese Chancen-Risiken-Kalkulation wird das Unternehmen anstellen, um seinen Ressourceneinsatz in der Unternehmensstrategie festzulegen. In dem Moment aber, in dem das gesellschaftliche Engagement strategisch verankert ist, hört es auf, lediglich eine Fassade zu 89
a.a.O., 15 Vgl. z.B. die Untersuchung von Rieth, der deutsche Unternehmen befragte, die sich im Global Compact engagieren. Sie begründeten ihr Engagement mit "eine[r] Mischung aus einem (Pflicht)-Gefühl gesellschaftlicher Verantwortung, das auf Tradition basiert, und kalkulierten wirtschaftlichen Vorteilen auf Kunden- und Mitarbeiterebene". Rieth (2003), 378. 91 Beim Cause Related Marketing wird für ein Produkt explizit mit einem ethischen Zusatznutzen geworben, d.h. die Werbung verspricht dem Kunden, dass ein gewisser Teil des Verkaufserlöses einem gemeinnützigen Zweck zu Gute kommt. In jüngster Zeit warb z. B. eine Brauerei damit, dass durch den Kauf eines Kasten Bier ein Stück Regenwald gerettet werden könne. Cause Related Marketing ist daher nicht unumstritten, da es Kunden moralisch unter Druck setzen kann. Vgl. z.B. Lugger (2003), 11. 92 Vgl. zur Verbindung von Kernkompetenzen mit Engagement z. B. Waddell (2002): Core Competences – A Key Force in Business-Government-Civil Society Collaborations. 90
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sein, die in schwierigeren Zeiten in sich zusammenfällt. Und auch volkswirtschaftlich ist das Engagement basierend auf den Kernkompetenzen sinnvoller: nur dann kann das eingesetzte Geld effizienter genutzt werden, als wenn Unternehmen in gleicher Höhe zusätzlich Steuern zahlten. 1.2.2 Politikwissenschaftliche Diskussionen In Deutschland wird Corporate Citizenship vor allem mit drei politikwissenschaftlichen Konzepten in Verbindung gebracht: Sozialkapital, Aktivierender Staat und Bürgergesellschaft. Allerdings sind diese drei Diskurse nicht immer sauber voneinander zu trennen, da sie sich im Kern alle um die Frage drehen, welche Rolle Bürgerengagement für demokratische Gesellschaften spielt und wer künftig welche Aufgaben in der Gesellschaft übernimmt. Fast nur auf internationaler Ebene spielt sich dagegen die Debatte ab, wie Corporate Citizenship und Fragen der Governance, d.h. der politischen Steuerung miteinander zusammenhängen. Diese Verknüpfung wird in Deutschland – wenn überhaupt – ausschließlich im Teilbereich der internationalen Beziehungen z.B. mit Blick auf den Global Compact gesehen. Aus keiner der genannten Diskussionen geht jedoch im Moment eindeutig hervor, ob Corporate Citizenship eher als Politikfeld (wie z.B. Sicherheitspolitik) oder aber als Politikinstrument (z.B. Einbindung von Unternehmen zur Friedenssicherung) zu sehen ist. 1.2.2.1 Sozialkapital Corporate Citizenship wird immer wieder mit dem Begriff des Sozialkapitals in Verbindung gebracht. In Deutschland betrachten vor allem Habisch und Schmidpeter CC unter diesem Aspekt. Sie schreiben beispielweise: "Corporate Citizenship could [...] be conceived as an investment in social capital which generates new gains of co-operation for the organization and the society in the future."93
Im Folgenden soll daher kurz beleuchtet werden, woher das Konzept des Sozialkapitals stammt und welchen Widerhall es in der CC-Diskussion findet. Die politikwissenschaftliche Diskussion um Sozialkapital prägen in Deutschland vor allem die Arbeiten des amerikanischen Politologen Robert D. Putnam. Die einige Jahre zuvor formulierte Gesellschaftstheorie des französi93
Habisch/ Schmidpeter (2001), 17
35
schen Soziologen Pierre Bourdieu fand daneben weniger Beachtung.94 Zentraler Unterschied zwischen beiden Ansätzen ist, dass Putnam Sozialkapital als kollektives Gut von Gesellschaften definiert, während Bourdieu es als individuelle Ressource entwirft.95 Im Folgenden werden beide Betrachtungen kurz in ihren Grundzügen skizziert, da sie jeweils unterschiedliche Stoßrichtungen in der politischen Diskussion um den gesellschaftlichen Zusammenhalt bewirken. Anschließend soll kurz wiedergegeben werden, inwiefern in der Corporate Citizenship-Diskussion auf den Sozialkapital-Begriff Bezug genommen wird. Putnams Begriff von Sozialkapital hat ihren Ursprung in seiner Untersuchung zu Effizienz und Effektivität der Provinzregierungen in Italien96. Er suchte nach Gründen dafür, dass in Norditalien die Regierungen bürgernäher und erfolgreicher arbeiten als in Süditalien, und kam zu dem Schluss, dass es an der Höhe des vorhandenen Sozialkapitals liegen müsse. Sozialkapital bezeichnet dabei für ihn dreierlei: "Social capital refers to features of social organization such as networks, norms, and social trust that facilitate coordination and cooperation for mutual benefit."97
Übersetzt bedeutet dies "erstens soziales Vertrauen; zweitens Normen der generalisierten Reziprozität (im Sinne von: "Ich helfe dir in der Erwartung, dass du mir in der Zukunft ebenso hilfst."); und drittens Assoziationen oder freiwillige Vereinigungen, in denen generalisierte Reziprozitätsnormen und soziales Kapital ausgebaut würde."98 Putnam fokussiert sehr deutlich auf diesen letzen Aspekt: die traditionellen Vereine. Er betrachtet sie als Schule der Demokratie. Das in ihnen aufgebaute soziale Vertrauen und die in ihnen erworbenen demokratischen Fähigkeiten zahlen sich für die Gesellschaft insgesamt aus. Seinen Befund, dass sich immer weniger Menschen in 94
Braun erklärt diese Tatsache damit, dass Putnams Analyse über den Verlust des gesellschaftlichen Zusammenhalts zum kulturpessimistischen Diskurs in Deutschland passt, der die Schattenseiten der wachsenden Individualisierung thematisiert. Vgl. Braun (2002), 6. Den Begriff "Sozialkapital" verwandten allerdings schon vor Putnam andere Wissenschaftler, wenn auch in z. T. anderen Zusammenhängen und Fragestellungen. Vgl. Überblick bei Putnam (2001), 18f. Wichtige theoretische Vorarbeit leistete z. B. James Coleman. 95 Vgl. Braun (2002), 9. 96 Robert D. Putnam: Making Democracy Work: Civic Traditions in Modern Italy, Princeton 1993. 97 Putnam (1995), 67
36
Vereinen engagieren, d.h. das soziale Kapital erodiert99, erklärt er zum Indikator für das Auseinanderfallen von Gesellschaften: der Individualismus reduziere den sozialen Zusammenhalt, fördere die Verantwortungslosigkeit, baue Berechenbarkeit ab und verringere die Fähigkeit von Gemeinschaften, Probleme zu lösen.100 Ziel muss daher sein, die Gemeinschaft zu stärken. Damit argumentiert Putnam stark in der Tradition der Kommunitaristen, die sich als Korrektiv zum Liberalismus verstehen.101 Später löst sich Putnam etwas von den engen Indikatoren für Sozialkapital – der Mitgliedschaft in Vereinen, Kirchen und Parteien – und formuliert allgemeiner: "dass dichte soziale Interaktion offenbar zur Entstehung robuster Normen einer verallgemeinerten Gegenseitigkeit beitragen können [...] Mit anderen Worten: Soziale Interaktion hilft bei der Lösung von Dilemmata des kollektiven Handelns – sie ermutigt Menschen, sich auch dann vertrauensvoll zu verhalten, wenn sie sich sonst nicht so verhalten würden."102 Außerdem
98
Braun (2002), 7. "American social capital in the form of civic associations has significantly eroded over the last generation." So lautet seine Diagnose für die USA in: Bowling Alone: America's Declining Social Capital (1995), 73. Während er in "Making Democracy Work" auf die steuerungstheoretische Relevanz des Sozialkapitals einging, arbeitet er hier die demokratietheoretische Bedeutung des Ansatzes heraus. Putnams Thesen greifen dabei auf die Arbeiten von Alexis de Toqueville zurück, drehen jedoch dessen Argumentation um. Toqueville kam in seinen Analysen zu dem Schluss, dass eine Vielzahl freiwilliger Organisationen das Herzstück einer funktionierenden Demokratie bilden (Vgl. Alexis de Toqueville: Über die Demokratie in Amerika, Stuttgart 1990). Putnam leitet daraus ab, dass bei einem Rückgang dieser Organisationen die Demokratie erodiert. 100 Vgl. Braun (2002), 8. Gerade dieses Verständnis von sozialem Kapital als wohlfahrtssteigernde und moralische Kompetenz der Gesellschaft stößt bei einigen auf Kritik, da die sozialen Ungleichheiten, zu denen soziales Kapital als individuelle Ressource beiträgt, nicht mit in den Blick genommen werden. Vgl. Braun (2002), 9. Andere sehen in diesem Ansatz ein vormodernes Gesellschaftsbild, das der Realität einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft nicht gerecht werde. Vgl. von Twickel (2001). 101 Kerngedanke der Kommunitaristen ist, der staatlichen Entsolidarisierung und dem gesellschaftlichen Wettbewerb eine moralisch fundierte Gemeinschaft gegenüber zu stellen, in der die Individuen füreinander Verantwortung übernehmen, Solidarität üben und für Gerechtigkeit eintreten. Die Kommunitaristen betonen, dass die Individuen Teil einer Gemeinschaft sind und aus ihrem sozialen Engagement, ihre Teilnahme an der Gesellschaft ihre Identität beziehen. Die Stärkung sozialer Werte und sozialen Engagements soll die Krise der Gemeinschaft überwinden helfen, d.h. sie plädieren für eine Rückverlagerung von Kompetenzen in die Zivilgesellschaft und die Schaffung eines Netzes von freiwilligen Verantwortungsgemeinschaften. Vordenker der Kommunitaristen ist Amitai Etzioni. Vgl. von Bandemer/ Hilbert (2001), 19; zur Kritik auch von Twickel (2001), 22ff. 102 Putnam/ Goss (2001), 21. Letztendlich bleibt jedoch sein Befund fast unverändert, wenn er schreibt: "Die neueren Formen des sozialen Engagements sind [...] weniger auf 99
37
bezieht Putnam seinen Sozialkapital-Ansatz zunehmend auf die individuelle Ebene. Soziales Kapital versteht er als Ressource für den Einzelnen, die erst in der Summe positive Effekte für die Gesellschaft insgesamt hat.103 Demgegenüber betrachtet Bourdieu unter dem Stichwort "soziales Kapital" die Mechanismen, die durch das Handeln der Menschen im Alltag gesellschaftliche Strukturen schaffen bzw. erhalten. Ihn interessierte dabei in seinen Arbeiten vor allem die Struktur der französischen Eliten.104 Soziales Kapital entsteht nach seiner Definition durch "Beziehungsarbeit" und umfasst alle Ressourcen, die sich in einem Netz dauerhafter Beziehungen entwickeln, d.h. "die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen".105 Jeder Mensch verfügt über soziales Kapital genauso wie über ökonomisches oder kulturelles. Alle drei Kapitalsorten sind im Prinzip gleichwertig und lassen sich ineinander umwandeln. Bourdieu erklärt: "Das ökonomische Kapital ist unmittelbar und direkt in Geld konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in der Form des Eigentumrechts: das kulturelle Kapital ist unter bestimmten Voraussetzungen in ökonomisches Kapital konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in Form von schulischen Titeln; das soziale Kapital, das Kapital an sozialen Verpflichtungen oder 'Beziehungen', ist unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls in ökonomisches Kapital konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in Form von Adelstitel."106
Gemeinsam ist jedoch allen Kapitalarten vor allem eine Funktion: "[Sie dienen] alle dazu, die soziale Position des Einzelnen in der Hierarchie der gesellschaftlichen Klassen zu erhalten oder zu verbessern."107 Das kann dazu führen, soziale Ungleichheiten zu zementieren oder zu verstärken und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden; eine Diagnose die Bourdieus politisches Engagement bewegt. Aufgabe staatlicher Politik müsste seiner Meinung nach sein, die Verteilungsstrukturen zu beeinflussen, anstatt
kollektive oder der Allgemeinheit dienende Zwecke fokussiert. [...] Sie kennzeichnen eine Art Privatisierung des Sozialkapitals." a.a.O., 781. Vgl. Putnam/ Goss (2001), 25 104 Pierre Bourdieu: La Noblesse d'Etat. Grandes écoles et esprit du corps. Paris 1989. 105 Vgl. Bourdieu (1983), 8 106 Bourdieu (1983), 185 107 Vgl. Braun (2002), 9 bzw. zur Kapitalumwandlung Bourdieu (1983), 195ff. 103
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die Folgen der ungleichen Ressourcenverteilung im Nachhinein korrigieren zu wollen.108 In der Weiterentwicklung des Begriffs wird inzwischen von einigen Wissenschaftlern die Synthese der beiden Perspektiven versucht und vom Doppelcharakter bzw. sogar vom doppelten Doppelcharakter des Sozialkapitals gesprochen:109 "Sozialkapital, d.h. Vertrauen, Normen und Kontakte, ist in dieser Hinsicht sowohl eine individuelle Ressource als auch ein kollektives Gut. Die einzelnen Bürger können ihre Kontakte und das in sie gesetzte Vertrauen nutzen, um bestimmte Ziele zu erreichen (individuelle Ressource); in einem Kontext, in dem viele Kontakte existieren und Vertrauen mehr oder weniger selbstverständlich ist, sind die Kosten dieser Anstrengungen jedoch durchweg niedriger (Kollektivgut) als beim Fehlen der entsprechenden Voraussetzungen."110
Diese beiden Dimensionen werden einerseits als Beziehungskapital und andererseits als Systemkapital bezeichnet,111 wobei beide noch einmal strukturelle und kulturelle Aspekte umfassen112 (vgl. Abbildung 7). Individuelle Ressource: Beziehungskapital
Kollektivgut: Systemkapital
Strukturelle Ebene
Beziehungen
Verteilung von Netzwerkstrukturen
Kulturelle Ebene
• Generalisiertes soziales • Soziales Vertrauen Vertrauen • Gemeinschaftsbezogene Normen • Kollektive Geltung gemeinund Werte schaftsbezogener Normen und Werte (Symbole)
Abb. 7: Der doppelte Doppelcharakter des Sozialkapitals; Quelle: Gabriel et al (2002), 29
Die Enquete-Kommission des Bundestages zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements nimmt in ihrem Abschlussbericht an vielen Stellen Bezug auf den Begriff "Sozialkapital", verwendet ihn aber uneinheitlich. Habisch 108
Vgl. Braun (2002), 11 Z.B. die Rezeption von Gabriel et al. (2002), 25ff a.a.O., 25 (Kursivdruck im Original); Allerdings lehnen sich die Autoren in der Operationalisierung an Putnam an. Sie messen z.B. die strukturelle Seite des Systemkapitals an Mitgliedschaftsraten; a.a.O., 33. 111 Vgl. Gabriel et al (2002), 25 nach Esser (2000) 112 Gabriel et al (2002), 26ff. 109 110
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spricht in seinem Sondervotum sogar von einer "inflationären Verwendung [...] ohne klare Bestimmung [des] Inhalts"113. Nicht jeder Sozialkontakt und nicht jedes Netzwerk sei schon Sozialkapital. Nur selbstbindungsfähige Netze, d.h. solche, die Regeln setzen, überwachen und Regelbrecher sanktionieren können, erfüllten die qualitativen Ansprüche.114 Dabei hat die EnqueteKommission selbst ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Begriff in der Tradition Putnams präzisiert und in die Theorie kollektiven Handelns einordnet.115 Dieses Gutachten findet jedoch keinen Eingang in den Abschlussbericht. Nach seinen Autoren bezeichnet Sozialkapital: Vertrauen und Normen der Gegenseitigkeit, Netze sowie formelle und informelle Regeln.116 Davon sind zwei Aspekte für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit besonders relevant: Zum einen der Rückgriff auf den Gedanken Putnams, dass dichte Netze sozialen Austauschs eine wesentliche Voraussetzung dafür sind, die Norm der Gegenseitigkeit zu stärken und damit kollektive Handlungsprobleme zu lösen.117 Zum anderen die Aussage, dass "formelle Gesetze oder die Merkmale eines politischen Systems im weiteren Sinn einzelne Menschen bei ihren Versuchen, freiwillig ihre kollektiven Handlungsprobleme zu lösen, ermutigen oder entmutigen. [...] Außerdem sind formelle Gesetze, Regierungsinstanzen und Gerichte wichtige Quellen für sich selbst verwaltende Menschen, wenn sie fachlichen Rat, Informationen und
113
Vgl. Sondervotum des sachverständigen Mitglieds Prof. Dr. André Habisch: Soziales Kapital, Bürgerschaftliches Engagement und Initiativen regionaler Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, in: Enquete-Kommission (2002), 731. Er kritisiert vor allem mit Nachdruck die im Abschlussbericht der Kommission hergestellte Verbindung von Sozialkapital mit "Sozialen Unternehmen", d.h. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften. In seinen eigenen Arbeiten zu Corporate Citizenship verwendet Habisch den SozialkapitalBegriff im Sinne Putnams; vgl. Habisch (2003) 26ff. 114 Vgl. Habisch (2003), 32 nach Ostrom 115 Vgl. Bericht für die Kommission von Ostrom/ Ahn (2001). Außerdem fand auf Initiative der Berichterstattergruppe 1 "Bürgerschaftliches Engagement und Zivilgesellschaft" der Enquete-Kommission ein Workshop zu dem Thema mit Robert D. Putnam selbst statt. 116 Vgl. Ostrom/ Ahn (2001), 4 117 Vgl. Ostrom/ Ahn (2001), 34. Putnam unterscheidet zwischen horizontalen und vertikalen Netzen. Vor allem die in Bürgerengagement verkörperte horizontale Interaktion sei wichtig, um soziale Stabilität aufrecht zu halten. Putnam spricht in diesem Zusammenhang auch von Dichte des Sozialkapitals vgl. Putnam (2001), 26f. Eine weitere Differenzierung versucht er, indem er zwischen brückenbildendem und bindendem Sozialkapital unterscheidet. Das erste bezieht sich auf soziale Netzwerke, die völlig unterschiedliche Menschen zusammenbringen, das zweite auf solche, die Menschen vereinen, die sich in einigen Punkten ähnlich sind. A.a.O. 28f.
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ergänzende Überwachungs- und Sanktionierungssysteme suchen."118 Beide Aspekte könnten den politischen Akteuren als Begründung dienen, zum einen gesellschaftliches Engagement auch der Unternehmen zu wollen und zum anderen dennoch auf eine gewisse Steuerung nicht zu verzichten. 1.2.2.2 Aktivierender Staat119 Die Rede vom Aktivierenden Staat bezeichnet zunächst ganz allgemein die Forderung nach einem veränderten Verhältnis von Staat und Gesellschaft.120 Sie betont zum einen die eigenen Möglichkeiten und die eigene Verantwortung von gesellschaftlichen Akteuren – seien es Individuen, Gruppen oder Organisationen – und zum anderen die Aufgabe staatlicher Politik, Kooperation und Eigentätigkeit zu ermuntern und durch Interventions- und Sicherungsinstrumente die Aktivitätsbereitschaft der Adressaten zu flankieren.121 Diese Idee wird oft zusammengefasst in den beiden Prinzipien "Fördern" und "Fordern": Der Aktivierende Staat trägt dazu bei, dass gesellschaftliche Akteure Aufgaben übernehmen und Probleme lösen können. Er hält also an einer umfassenden öffentlichen Verantwortung für gesellschaftliche Aufgaben fest, erbringt jedoch nicht alle Leistungen selbst. " 'Regieren' wird in diesem Zusammenhang definiert als alle Aktivitäten sozialer, politischer oder administrativer Akteure, die darauf gerichtet sind, Gesellschaften zu führen, zu steuern, zu kontrollieren oder zu managen."122 Der Aktivierende Staat muss Mechanismen schaffen, die die Selbststeuerungsfähigkeit der Gesellschaft unterstützen. Er ist "Entwicklungsagentur", "Moderator", "Aktivator", aber auch "Schiedsrichter" gesellschaftlicher Entwicklungen, wenn es darum geht, die soziale Gerechtigkeit oder die Qualität der Leistungen zu gewährleisten.123 Die Art der Beziehung, die der Aktivierende Staat zur Gesellschaft aufbaut, ist entscheidend dafür, ob tatsächlich die Bedingungen für bürgerschaftliches 118
Ostrom/ Ahn (2001), 36. Zwar stellen die Autoren fest, dass sich Sozialkapital nur schwer durch äußere Eingriffe herstellen lässt, aber sie verweisen gleichzeitig darauf, dass nationale, regionale oder lokale Regierungsstellen einen starken Einfluss darauf ausüben, welche Art und Qualität von sozialem Kapital langfristig zur Verfügung steht. A.a.O., 19. 119 Einen Einblick in die wissenschaftliche Diskussion bietet das Internet-Projekt www.aktivierender-staat.de, das von Prof. Bernhard Blanke an der Universität Hannover betreut wird. 120 Evers (2000), 13 121 ebd. 122 von Bandemer/ Hilbert (2001), 21 123 ebd.
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Engagement verbessert werden. Olk unterscheidet zwei konträre Positionen hinsichtlich der Interaktionsbeziehungen zwischen Staat und Gesellschaft124: Position A sieht das Konzept des Aktivierenden Staates als eine einseitige Beeinflussungsbeziehung vom Staat zur Gesellschaft (Kombination aus etatistischem Denken und ökonomistischen Menschenbild). Das zu Grunde liegende Menschenbild ist das des rational kalkulierenden, Nutzen maximierenden Individuums. Aktivierende Maßnahmen zielen darauf, durch Anreizsysteme dem Einzelnen zu verdeutlichen, dass sich Mitverantwortung und Einsatzbereitschaft lohnen. Position B sieht einen Austausch zwischen einem "ermunternden" bzw. "ermöglichenden" Staat auf der einen Seite und einer aktiven Gesellschaft auf der anderen Seite, die immer schon durch Verantwortung übernehmende Bürger geprägt war (gespeist aus kommunitaristischen und republikanischen Strömungen). Der Bürger ist nicht nur Kunde oder Konsument im Sinne eines homo oeconomicus sondern Mitglied einer Solidargemeinschaft. Aktivierende Politik setzt also auf Strategien, die an zivilgesellschaftlichen Tugenden anknüpfen.125 Evers definiert ähnliche Pole, zwischen denen sich die verschiedenen Aktivierungspolitiken einordnen lassen. "Am einen Pol wird es bei der Aktivierung um die weitestgehende Mobilisierung aller gesellschaftlichen Ressourcen im Rahmen eines Szenarios gehen, das vom Kampf um Status und wirtschaftlichen Erfolg [in] der Marktgesellschaft bestimmt ist; [...] Am anderen Pol wird es bei Aktivierung vor allem um die Entwicklung einer Politik gehen, die es versteht, Beteiligungsformen zu entwickeln, entlang derer individuelle Interessen und Gruppenanliegen und ihre Konfliktaustragungen durch wechselseitigen Respekt und die Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen geprägt werden."126
124
Olk (2003a), 23f. Olk selbst sieht sich als Vertreter der zweiten Position. a.a.O., 24. Olk greift mit dem Tugendbegriff auf das aristotelische, politische Denken zurück. Er hebt hervor, dass sich mit strategischen Interessenkalkülen allein Demokratie auf Dauer nicht stabilisieren lasse, und verweist auf Putnam, der im Rückgriff auf den Terminus Sozialkapital die möglichen Zusammenhänge zwischen bestimmten bürgerschaftlichen Tugenden und Gemeinwohlorientierungen einerseits und der Funktionsweise von Ökonomie und Demokratie darstellt (s. Kap. I, 1.2.2.1). 126 Evers (2000), 14. Olk zitiert Evers als einen Vertreter der zweiten, von ihm formulierten Position. 125
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Der Begriff des Aktivierenden Staates schöpft seinen Inhalt aus verschiedenen Strömungen.127 Aus der katholischen Soziallehre und ihrem Prinzip der Subsidiarität stammt der Gedanke, dass Hilfe des Staates oder der Politik immer Hilfe zur Selbsthilfe ist und möglichst dezentral bzw. bürgernah organisiert sein soll. Aus politischen Diskussionen und Programmen in den USA kommt ein weiteres Element, verkörpert in zwei Schlagworten: "Empowerment" und "enabling state". Sie beschreiben eine Politik, die den Bürger befähigen, ihn kompetenter machen soll, seine eigenen oder gesellschaftliche Lebensprobleme zu lösen. Der Staat zieht sich auf eine richtunggebende Funktion und seine Gewährleistungsverantwortung zurück. In Deutschland lief diese Debatte unter dem Stichwort des "Schlanken Staates". In dem Konzept des "Schlanken Staates"128 bedeutet Aktivierung vor allem Reduzierung der Staatsaufgaben zu Gunsten einer effizienten Selbstregulierung der Gesellschaft. Eng damit verbunden ist die Diskussion um ein "New Public Management"129, d.h. die Forderung nach neuen Formen der Organisation (z.B. die Privatisierung der Müllabfuhr) und Entscheidungsfindung in der öffentlichen Verwaltung (z.B. die Einführung betriebswirtschaftlicher Abläufe). Und schließlich speist sich der Aktivierungsbegriff auch aus der Sozialkapital- und Kommunitarismus-Debatte, wenn die Fähigkeit zur gesellschaftlichen Selbstorganisation thematisiert wird. Dabei hat sich in Deutschland vielfach die Vorstellung eines Aktivierungsansatzes "von oben" durchgesetzt, der auf die gezielte staatliche Organisation und Mobilisierung 127
Ausführlicher bei Evers (2000), 14ff. und Lamping et al. (2002), der die Vorläufer ähnlich darstellt 128 "Die zentrale These des "Schlanken Staates" geht davon aus, dass der überforderte Staat nur durch Beschränkung auf seine Kernaufgaben gesunden und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes gesichert werden könne. [Alle Maßnahmen] dienen daher dem Ziel der Stärkung der gesellschaftlichen Selbstregelungskräfte (weniger Staat, mehr Markt) und der individuellen Selbstverantwortung." Vgl. dazu ausführlicher bei Lamping et al (2002), 13ff. 129 New Public Management (NPM) bezeichnet ein Bündel verwaltungspolitischer Reformstrategien, die überwiegend von einer betriebswirtschaftlichen Interpretation des Verwaltungshandelns geleitet wird. Dazu zählen: Privatisierung und Deregulierung, Auslagerung und Verselbstständigung von Verwaltungseinheiten, Einführung von Wettbewerbselementen in der Verwaltung oder die Übernahme privatwirtschaftlicher Managementmethoden. Ziel ist die effektive und effizienten Aufgabenwahrnehmung, wobei hohe Erwartungen an die Verantwortungsbereitschaft aller Beteiligten und die Steuerungskompetenz des Marktes gestellt werden. In der Zielsetzung wird grob eine ordnungspolitische Dimension (Begrenzung auf Kernaufgaben) und eine binnenstrukturelle Dimension (Einführung des neuen Steuerungsmodells) unterschieden. (Vgl. dazu ausführlich Schröter/ Wollmann (2001), 71ff.
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von Freiräumen für gemeinschaftsorientierte Mitverantwortung bzw. gesellschaftliches Engagement setzt. D.h.: der Staat sei verpflichtet, bürgerschaftliche Eigenverantwortung durch Geld und rechtliche Rahmensetzung zu fördern.130 Trotz dieser Entlehnungen lässt sich das Konzept des Aktivierenden Staates anhand von vier Elementen selbständig charakterisieren: 1. die systematische Organisation eines gesellschaftlichen Dialogs, 2. eine neue Verantwortungsteilung, 3. neue Formen der Koproduktion, 4. die Leistungsaktivierung.131 Zumindest die ersten drei dieser Elemente bieten Anknüpfungspunkte zur Corporate Citizenship-Diskussion. Der erste Aspekt bedeutet, dass die öffentlichen Aufgabenbereiche nicht autonom festgelegt oder von der Gesellschaft übertragen werden, sondern im Dialog mit Bürgern und Institutionen definiert werden. Dieser Aspekt spielt im Corporate Citizenship-Konzept von Habisch eine große Rolle. Er spricht von "konstitutionellen Dialogen", die "Gelegenheitsstrukturen" für das Engagement von Unternehmen schaffen.132 Der zweite Aspekt der Verantwortungsteilung impliziert, dass alle gesellschaftlichen Akteure gemeinsam Verantwortung tragen, ohne dass der Staat damit seine Verantwortung für zentrale Probleme der Wohlfahrt aufgeben würde. Es geht um eine neue "Mischung aus staatlicher Gesamtverantwortung und bürgerschaftlicher Selbsttätigkeit. [...] [Es] beinhaltet eine Neubestimmung der Rollenverteilung zwischen Staat, Wirtschaft, Drittem Sektor und Bürgern."133 In den gleichen Zusammenhang ordnen fast alle Autoren den CC-Begriff ein. Der dritte Aspekt meint, dass unterschiedliche gesellschaftliche Akteure gemeinsam in Koproduktion an der Leistungserstellung arbeiten. Das ist ebenfalls eine Kernidee in allen partnerschaftlich angelegten Corporate Citizenship-Konzepten. Sowohl auf Bundesebene als auch in einigen Bundesländern und Kommunen ist der Aktivierende Staat inzwischen zur programmatischen Grundlage der 130
Vgl. Lamping et al. (2002), 18 von Bandemer/ Hilbert (2001), 22 Habisch (2003), 145 bzw. 154 133 Lamping et al. (2002), 29 Laut der Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung hat der Staat dabei eine politische Führungsverantwortung, die sich in drei strategischen Funktionen äußert: der Orientierungsfunktion zur Diskussion und Definition von Problemen, der Organisationsfunktion, um alle Akteure eines Politikfeldes zur gemeinsamen Lösung zusammenzubringen, und der Vermittlungsfunktion, um Konsens für gemeinsame Handlungswege zu schaffen. Hier könnte Corporate Citizenship ein Instrument in allen drei Funktionen sein. 131 132
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Staats- und Verwaltungsmodernisierung geworden. Allerdings ist die Umsetzung nur in Teilen erkennbar und "dem Konzept [droht] die Gefahr, als politischer Kampfbegriff verschlissen zu werden."134 Auch Reichard und Schuppan stellen dem aktuellen politischen Ansatz der Bundesregierung zum Aktivierenden Staat kein gutes Zeugnis aus. Der im Leitbild erhobene Anspruch der gesellschaftlichen Aktivierung werde über die Reformbereiche der Programmebene hin zu den einzelnen Projekten zunehmend verwässert, da die vier Prinzipien des Leitbildes135 und die vier Reformbereiche136 weitgehend zusammenhanglos nebeneinander stünden. Die Bundesregierung vollziehe innerhalb des Reformkonzeptes eine deutliche Akzentverschiebung weg von Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und demokratischer Partizipation zurück zur Binnenmodernisierung. Ihr Programm verfolge ein überwiegend juristisches Aktivierungsverständnis, da in starkem Maße erörtert würde, wie über das Steuerungsinstrument "Recht" gesellschaftliches Engagement gefördert werden könnte.137 Evers vermutet sogar: "Womöglich ist vieles, das sich rhetorisch mit der Floskel von der Förderung bürgerschaftlichen Engagements schmückt, in Wahrheit eher ein Versuch, die bereits geschwächte Sphäre des Politischen zu entlasten und nicht ein Aufbruch dazu, sie zu aktivieren und damit auch wieder belastbarer werden zu lassen."138 1.2.2.3 Bürgergesellschaft Die Verbindung zwischen Corporate Citizenship und der Diskussion um die Bürgergesellschaft liegt laut Habisch darin, dass "hinter der angelsächsischen Vokabel "Corporate Citizenship" [...] Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen und Partnern [...] zur Lösung konkreter Probleme ihres gesellschaftlichen Umfelds [stehen]."139 Zentral in der Diskussion um die Bürgergesellschaft ist in der Tat die Frage nach einer aktiveren Teilnahme der Zivilgesellschaft und insbesondere auch der Wirtschaft an gesellschaftlichen 134
von Bandemer/ Hilbert (2001), 24 1. Eine neue Verantwortungsteilung, 2. mehr Bürgerorientierung, 3. staatliche Vielfalt und 4. eine effiziente Verwaltung, vgl. Bundesministerium des Inneren, Stabsstelle "Moderner Staat – Moderne Verwaltung" (Hrsg.): Moderner Staat – Moderne Verwaltung – Programm der Bundesregierung, Berlin 1999, 5 136 1. Höhere Wirksamkeit und Akzeptanz von Recht, 2. Der Bund als Partner, 3. Leistungsstarke, kostengünstige und transparente Verwaltung, 4. Motivierte Beschäftigte, ebd. 137 Reichard/ Schuppan (2001), 89ff. Ähnlich kritisch äußern sich Lamping et al (2002), 35. 138 Evers (2001), 29 139 Interview mit André Habisch in Stiftung&Sponsoring, Nr. 2 2004, 3 135
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Prozessen.140 Dieser Minimalkonsens eint alle politischen Lager, führt aber auch dazu, dass das Plädoyer für die "Bürgergesellschaft" beinahe zur politischen Mode verkommt. "Fast zögert man [den Begriff] zu verwenden, nun da er zum deus ex machina des sozialen und politischen Diskurses geworden ist."141 Um mehr Klarheit zu schaffen, unterscheidet Probst daher drei Modelle der Bürgergesellschaft: Das Modell der konfliktiven, der kompetitiven und der assoziativen Bürgergesellschaft142, die die folgende Abbildung im Überblick vorstellt. Konfliktive Bürgergesellschaft
Kompetitive Bürgergesellschaft
Assoziative Bürgergesellschaft
Leitmotive
Partizipation von unten Konflikt als Ressource Demokratisierung
Deregulierung, mehr Wettbewerb, Schlanker Staat
Bürger-/ Gemeinsinn, Eigen-/ Mitverantwortung, Kooperation
Hauptakteure
Neue soziale Bewegung, Bürgerinitiativen
Marktteilnehmer/Bürger als Wirtschaftssubjekte
Bürger als politische Subjekte, Unternehmen mit Gemeinsinn, Ermöglichender Staat
Außerparlamentarischer
Umbau staatl. Strukturen, Aktivierungsstrategien, Abbau wettbewerbshinderl. Gesetze
Bürgerschaftliches Engagement, Schaffen partizipationsfreundl. Strukturen
Der Markt als steuerndes Medium
Bürger, Staat und Gesellschaft als Vernetzung
Handlungsformen Protest, Schaffen vernetzter Bewegungsstrukturen
Staat und Markt als ausgeschlossenes Gegenüber
Abb. 8: Drei Modelle der Bürgergesellschaft; Quelle: Probst 2003, 32ff.
Das Modell der konfliktiven Bürgergesellschaft geht auf die Vertreter der Neuen Sozialen Bewegungen143 zurück, die ihrerseits den Begriff bei den osteuropäischen Dissidenten entlehnten144. Es charakterisiert die Idee einer politisierten Bewegungsgesellschaft, die durch die Mitglieder von Initiativen, Bewegungen und Akteure des Dritten Sektors repräsentiert wird. Politische 140
Vgl. Riess/ Schackenberg (2003), 186 Ralf Dahrendorf nach Probst (2003), 29 Probst (2003), 29f. 143 Der Begriff "Neue Soziale Bewegungen" entwickelte sich in den 80er Jahren. Er steht als Sammelbezeichnung für diverse politische Protestgruppen und soziale Bewegungen, die aus der außerparlamentarischen Opposition und der Studentenbewegung heraus entstanden. Das Adjektiv "neu" grenzt diese Bewegungen qualitativ und zeitlich von der Arbeiterbewegung ab. Thematische Brennpunkte sind u. a. Emanzipation, Umweltschutz, Frieden und Abrüstung. Vgl. Andersen/ Woyke (2000) 144 Die Dissidenten in Osteuropa prägten den Begriff der Civil Society, um den Bereich jenseits des totalitären Staates zu benennen. Aus dieses Ursprüngen stammen die stark antipolitischen Konnotationen in diesem Modell der Bürgergesellschaft. 141 142
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Institutionen werden nicht als Teil sondern als (feindliches) Gegenüber der Zivilgesellschaft gesehen, d.h. Staat und Markt stehen außerhalb der Zivilgesellschaft (exkludierendes Modell). Ziel ist u.a. mehr direkte Demokratie und wichtige Ressourcen, um die Gesellschaft dahingehend zu verändern, sind Protest und Kritik. Genau diese beiden Punkte sind oft Gegenstand von Kritik: Das Modell überstrapaziere die Rolle von Protest und Konflikt und sei in seiner Frontstellung auf Exklusion statt auf Inklusion ausgerichtet. Das zweite Modell, das der kompetitiven Bürgergesellschaft, entspringt einer wirtschaftsliberalen Wettbewerbsperspektive. Die Bürgergesellschaft ist dabei vor allem eine Funktion ökonomischer Imperative mit dem Credo: Deutschland muss wettbewerbsfähiger werden (mehr Eigenvorsorge, weniger Bürokratie, Kostensenkung im öffentlichen Bereich). Im Zentrum des Ansatzes steht der Wirtschaftsbürger als Nutzenmaximierer. Kritisch gesehen wird an diesem Modell, dass es die Rolle des Marktes als steuerndes Instrument überhöhe und riskiere, dass die Bürgergesellschaft zur Reparaturwerkstatt des Sozialen werde. Das Modell der assoziativen Bürgergesellschaft schließlich geht von einem kooperativen Verhältnis zwischen Bürgern, Staat und Markt aus: Jeder bringt seine Ressourcen nach dem Prinzip der Komplementarität ein. Der Bürger versteht sich als soziales Wesen, als Mitglied einer politischen Gemeinschaft (Citizenship); der Staat handelt als Förderer, Moderator, Ermöglicher von Prozessen der bürgerschaftlichen Selbstorganisation und die Unternehmen sehen sich als Akteure, die sich an gemeinwohlorientierten Aufgaben aktiv beteiligen (Corporate Citizenship). Dieses Modell kommt dem Ideal einer republikanischen Gemeinschaft nahe, doch scheint es ein zu harmonisches, zu konfliktbereinigendes Modell zu sein. Je nach Modell ist die Perspektive auf das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen unterschiedlich: im konfliktiven Modell ist es theoretisch unmöglich, da sich die Bereiche unvereinbar gegenüberstehen; im kompetitiven Modell ist es nur unter Bedingungen sinnvoll, da der Markt regulierende Kraft ist und so der wirtschaftliche Nutzen alleinige Entscheidungsgrundlage; und im assoziativen Modell ist es auf das Moralische begrenzt, da Gemeinwohl und Bürgersinn die Handlungsmaximen sind. Unabhängig vom Modell geht es aber immer darum, Rechte und Pflichten zwischen Bürgern, Staat, Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen
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neu zu verteilen. Und da die kommunale Ebene der Ort ist, an dem all diese Akteure unmittelbar aufeinander treffen, tritt an die Stelle Bürgergesellschaft immer wieder das Wort der Bürgerkommune. Das Konzept der Bürgerkommune basiert auf der Einsicht, dass nicht mehr nur die Verwaltung das lokale Gemeinwohl gewährleisten kann, sondern dass die anderen Akteure ebenso Verantwortung tragen.145 Allerdings rücken dabei "das gesellschaftliche Selbstverständnis und das Handeln von Unternehmen [...] erst seit wenigen Jahren in den Mittelpunkt der Diskussion."146 Das Konzept der Bürgerkommune beschäftigt sich zunächst mit der Frage nach der Rolle der Bürger. Sie sollen sowohl an der Entscheidung (als politischer Auftraggeber) als auch an der Aufgabenerledigung (als Ko-Produzent) beteiligt werden.147 Auch hier ist also von Verantwortungsteilung die Rede wie im Konzept des Aktivierenden Staates; die Diskurse sind deshalb nur schwer inhaltlich voneinander abzugrenzen. Inwieweit die Bürgerkommune tatsächlich umgesetzt ist, darüber herrscht kaum Konsens: "Einige vertreten die Ansicht, die Bürgerkommune sei bereits Wirklichkeit. [...] Andere wiederum begreifen sie als konkrete Utopie und als weitreichende Alternative zum Bestehenden, die nur zu verwirklichen ist, wenn tiefgreifende gesellschaftliche und politische Reformen gelingen. Die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger verbindet mit dem Begriff "Bürgerkommune" eine eingeschränkte Perspektive und meint damit punktuelle Innovationen wie z.B. lokale Freiwilligenagenturen [...]."148
Olk selbst sieht vor allem drei strukturelle Hemmnisse, die der Bürgerkommune im Wege stehen: 1. geringe Gestaltungsspielräume durch "Überregelung", 2. die knappen Finanzen und 3. widersprüchliche Interessen und Konflikte. Er thematisiert damit zunächst die Tatsache, dass Länder, Bund und EU zu 90 Prozent bestimmen, was auf kommunaler Ebene geschieht. Den 145
Z.B.: Olk (2003b), 10. Einen Überblick bietet auch die Dokumentation zum Forschungsprojekt "Bürgerkommune" von Jörg Bogumil und Lars Holtkamp an der Fernuniversität Hagen unter www.fernuni-hagen.de/POLAD/Projekt.htm 146 Backhaus Maul/ Brühl (2003), 11 147 "Es geht um die Ergänzung repräsentativer Entscheidungsformen mit direktdemokratischen und kooperativen Formen der Demokratie." Bogumil/ Holtkamp unter www.fernuni-hagen.de/POLAD/download/vopbur.pdf (Hervorhebungen im Original). Unter kooperativen Formen der Demokratie werden freiwillige, dialogisch orientierte und auf kooperative Problemlösungen angelegte Verfahren der Bürger- und Verbändebeteiligung an der Politikformulierung und -umsetzung verstanden. 148 Olk (2003b), 3f.
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Kommunen bleibt also wenig Freiraum für eigene Gestaltung. Als zweite Einschränkung kommt hinzu, dass sich die angespannte Finanzlage vieler Kommunen negativ auf die Förderung bürgerschaftlichen Engagements auswirken könnte, da diese Förderung zu den freiwilligen kommunalen Ausgaben gehört. Und schließlich birgt jede Engagementförderung zusätzlich Konflikte, die politische Entscheidungen in die Länge ziehen oder verteuern könnten.149 Daneben existieren aber auch Förderimpulse, die dem Leitbild der Bürgerkommune zuarbeiten: Modellprogramme wie die Soziale Stadt, das von der Bertelsmann-Stiftung initiierte Civitas-Netzwerk bürgerorientierter Kommunen oder die Konzepte der Kommunalen Geschäftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt). Ihnen allen ist die Grundannahme gemein, dass bürgerschaftliches Engagement zu mehr Demokratie, festeren sozialem Zusammenhalt, effizienteren und effektiveren Leistungen und damit letztendlich zu einer Entlastung der Öffentlichen Hand führen.150 1.2.2.4 Governance/politische Steuerung Außerhalb der USA schenkte die Politikwissenschaft dem Verhältnis von Corporate Citizenship zu Fragen der Governance zunächst kaum Beachtung.151 Erst allmählich untersuchen auch in Deutschland Forscher, wie Corporate Citizenship vor allem in den internationalen Beziehungen die Art und Weise, zu regieren, beeinflusst.152 Die Globalisierung stellt einen Aspekt der klassischen Definition153 von Governance zunehmend in Frage: die Kopplung von "governance" an "government", d.h. die Gleichsetzung von politischer Steuerung oder ordnungspolitischer Verantwortung mit Regierungsmacht. Rosenau/ Czempiel thematisieren erstmals die Auflösung dieser Begriffseinheit unter dem wegweisenden Titel "Governance without government"154. Steuerungsprobleme wie die Klima-Erwärmung oder die weltweite Vergabe von Internetadressen können nicht allein von Staaten gelöst werden, so lautet mittlerweile der
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Vgl. Olk (2003b), 5f. Vgl. Olk (2003b), 6f. Die Argumentation bezieht sich inhaltlich stark auf Putnam. 151 Vgl. Moon (2002), 386 152 Vgl. z. B. Rieth (2003). Mit dem Zusammenhang von Corporate Citizenship und Netzwerkgovernance auf internationaler Ebene befasst sich Meckling (2003). 153 Vgl. z.B. bei Reinicke (1998), 4: "The ability of a government to exercise public policy." Dazu auch Scholte (2001), 19f. 154 Rosenau/ Czempiel (1992) 150
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Konsens in der Debatte um Global Public Policy.155 Daher definiert z.B. Scholte "Governance" inzwischen ganz allgemein: "Governance [...] is the way that people manage their common affairs".156
Moon formuliert: "The term governance denotes the system which provides direction to society. New governance captures contemporary trends in which the roles of government and other actors have changed within systems of governance."157
Ähnlich definieren auch Knill und Lehmkuhl: "[It] also covers corresponding activities by societal actors and includes all modes of coordinating individual action, such as hierarchies, networks, associations, or markets."158
Und schließlich fassen Matten/ Moon zusammen: "The term governance therefore includes formal institutions of government and business; norms which structure business-society relations; and processes by which the business and its stakeholders engage with one another."159
Governance umfasst also alle Ressourcen, Entscheidungsmethoden und institutionellen Regelmechanismen, die genutzt werden, um Transaktionen zu steuern – egal ob in Wirtschaft oder Politik. Die Entkopplung von "Governance" und "Government" beruht auf der Idee, dass Souveränität teilbar ist. Dieser Gedanke ist im Subsidiaritätsprinzip verankert, wobei man zwischen vertikaler and horizontaler Subsidiarität unterscheiden kann, um noch deutlicher zu machen, wie andere Akteure steuernd wirken können. Vertikale Subsidiarität meint das Delegieren politischen Handelns an die nächste niedrigere oder nächst höhere Ebene, um Legitimität, Akzeptanz, Effizienz und Effektivität zu steigern. Horizontale Subsidiarität verfolgt das gleiche Ziel auf anderem Wege: Ordnungspolitische Verantwortung wird abgegeben durch das teilweise Delegieren oder Auslagern 155
Vgl. Reinicke (1998), 89 Scholte (2001), 19 157 Moon (2002), 385; zu einem breiten Verständnis von Governance vgl. auch OECD (2001), 259. Die OECD übersetzt den Begriff z. T. mit Gouvernanz, allerdings ist der Ausdruck dadurch kaum eindeutiger. Mayntz und Scharpf sprechen von Regelung, da dieser Begriff die einseitige Steuerung als eine mögliche Variante mit einschließe. Vgl. Mayntz/ Scharpf (1995), 16. 158 Knill/ Lehmkuhl (2002), 43 nach Mayntz 159 Matten/ Moon (2004), 1 156
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der Aufgaben an nicht-staatliche Akteure.160 Auf internationaler Ebene wird Corporate Citizenship bereits als Ausdruck horizontaler Subsidiarität verstanden: "Through social responsibility, business can become drawn into participation in the formulation and enactment (or steering and rowing) of community action (with non-profit organizations) and of public policy (with governmental organizations)."161
Inzwischen hat der englische Begriff Governance auch in die deutsche Diskussion Einzug gehalten. Löffler beispielsweise sieht "Governance [...] als einen Sammelbegriff für eine neue Generation von Staats- und Verwaltungsreformen [...], die das wirksame, transparente und partnerschaftsorientierte Zusammenwirken von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zur innovativen Bewältigung gesellschaftlicher Probleme und zur Schaffung von zukunftsweisenden und nachhaltigen Entwicklungsmöglichkeiten und -chancen für alle Beteiligten zum Ziel haben."162 Auf nationaler Ebene ist der Befund, dass das politische System immer mehr und immer komplexere Steuerungsleistungen erbringen muss und dabei zunehmend an die Grenzen seiner Steuerungsfähigkeit stößt, schon Allgemeingut: "Die traditionellen Instrumente politischer Gesellschaftssteuerung (Setzung von Rechtsnormen, Erstellung von Infrastruktur, finanzielle Transferleistungen) erweisen sich als nicht länger hinreichend [...] sie behandeln die gesellschaftliche Umwelt des politischen Systems lediglich als steuerungsbedürftige Größe, zielen jedoch nicht auf die Steigerung der politischen Selbststeuerungsfähigkeit gesellschaftlicher Bereiche und Akteure ab."163
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vgl. Reinicke (1998), 89f. Er stellt damit Subsidiarität in einen funktionalen Kontext: "'Sub' no longer just refers to the narrow spatial context of policymaking at a lower policy level; it is used in a functional sense and refers to any actor or institution that is in the best position to support the operationalization of internal sovereignty."; Scholte (2001, 20) spricht in diesem Zusammenhang von lateraler Verschiebung: "Along with the dispersion of authority 'upwards' and 'downwards' from the state, globalisation has also promoted 'lateral' shifts of governance from the public sector to non-official quarters." 161 Moon (2002), 391 162 Löffler, E. (2001); Governance – die neue Generation von Staats- und Verwaltungsmodernisierung, in: Verwaltung und Management 7, 212-215, hier 212 163 Schimank/ Glagow (1984), 4 (Hervorhebung im Original). Eine andere klassische Typologie unterscheidet nach Görlitz/ Burth zwischen Regulierung (rechtsförmige Normierung von Adressatenverhalten), Finanzierung (Einsatz geldwerter Mittel wie Subventionen, Lizenzen, Abgaben), Strukturierung (Veränderung sozialer Verhaltens-
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Die einen fordern dementsprechend, wo immer möglich politische Steuerung durch gesellschaftliche Selbststeuerung zu ersetzen. Aus einer Studie der Clinton-Regierung mit dem Titel "Reinventing Government" wurde in Deutschland "vor allem die Sentenz immer wieder zitiert, dass Regieren sich von gobernare, lateinisch für: steuern, herleitet und deshalb der Staat das "Rudern" den gesellschaftlichen und den Marktkräften stärker überlassen sollte."164 Die anderen setzen darauf, die beiden Steuerungsformen miteinander zu kombinieren – z.B. je nach Stadium im klassischen PolicyProcess165 oder Politikfeld. Schimank und Glagow unterscheiden drei Formen nicht-staatlicher Steuerung: (horizontale) Subsidiarität, Delegation oder Neokorporatismus. Subsidiarität166 definieren sie als "gewährte Selbststeuerung"167. Die Politik überlässt Steuerungsprobleme gesellschaftlichen Organisationen, die sie autonom bearbeiten. Das ist beispielsweise in der Sozialpolitik der Fall, wo den Wohlfahrtsverbänden viele Aufgaben überlassen sind. Allerdings funktioniert diese Überlassung nur, wenn die Eigeninteressen der Wohlfahrtsverbände mit den politischen Steuerungsimperativen übereinstimmen. Delegation übersetzen Schimank und Glagow mit "verordneter Selbststeuerung"168. Hier handelt es sich um öffentlich-rechtliche Körperschaften wie z.B. in der wirtschaftlichen und berufsständischen "Selbstverwaltung", die das Ergebnis staatlicher Zwangseinrichtung sind. Die Mitgliedschaft ist nicht arrangements, Rahmenordnungen) und Informierung (sprachliche Interaktion). Vgl. Görlitz/ Burth (1998), 30f. Evers (2000), 15 165 Reinicke (1998, 90f.) schreibt der gesellschaftlichen Selbststeuerung gerade bei der Identifizierung politischer Inhalte und dem Festlegen der politischen Tagesordnung (policy identification and agenda setting) eine wichtige Rolle zu. Hier empfiehlt er einen breiten Dialog zwischen Regierungen und nicht-staatlichen Akteuren, um diejenigen Themen zu ermitteln, an deren Lösung ein starkes gemeinsames Interesse besteht. Inwieweit die Politik dann Partnerschaften eingeht, um im nächsten Schritt die Politikinhalte zu formulieren (policy formulation), sieht Reinicke dagegen als Einzelfallentscheidung. Die innovativste Strategie für horizontale Subsidiarität sieht er in der Umsetzungsphase (policy implementation). In ihrer extremsten Ausprägung würde sie bis zur Selbstregulierung führen. 166 Der Begriff entstammt der organischen Gesellschaftskonzeption der katholischen Soziallehre und bezeichnet dort das Postulat, dass gesellschaftliche Probleme nach Möglichkeit von Denjenigen bearbeitet werden, die unmittelbar selbst betroffen sind. Erst wenn das nicht gelingt, sollten die nächst größeren gesellschaftlichen Einheiten eingreifen. Es ist ausführlich erläutert in der Enzyklika "Mater et magistra" (1961), vgl. Schimank/ Glagow (1984), 16 167 Schimank/ Glagow (1984), 16 (Hervorhebung im Original) 168 a.a.O., 17 (Hervorhebung im Original) 164
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freiwillig und über Gründung oder Auflösung kann nur der Staat entscheiden. Selbstständig kann die Organisation allerdings die eigene Struktur und die internen Prozesse festlegen, sodass man immer noch von gesellschaftlicher Selbststeuerung sprechen kann. Wichtig ist, dass die in der Organisation gebündelten, d.h. kollektiven Interessen der individuellen gesellschaftlichen Akteure und die politischen Steuerungsimperative deckungsgleich sind. Neokorporatismus bezeichnet "ausgehandelte gesellschaftliche Selbststeuerung"169. Einzelne Verbände und staatliche Instanzen verhandeln Interessengegensätze, wobei von den Verbänden verlangt wird, dass sie ihre partikularen Interessen in dahinter stehende gesellschaftliche Funktionserfordernisse überführen. Beispiele für korporatistische Verhandlungssysteme sind die Konzertierte Aktion oder die Strukturpolitik. Die ausgehandelte gesellschaftliche Selbststeuerung setzt wie die verordnete Form die Existenz von Verbänden als Vermittler zu den individuellen gesellschaftlichen Akteuren voraus. D.h., wer nicht organisiert ist, wird nicht berücksichtigt, sodass auch die Leistungsfähigkeit dieser gesellschaftlichen Selbststeuerung ihre Grenzen hat.170 Ähnliche Handlungsmuster konstatieren Knill und Lehmkuhl in der Entwicklung von Governance auf internationaler Ebene. Sie sehen zunehmend Tendenzen "from interventionist regulation to regulated self-regulation, [...] to private selfregulation, and [...] to interfering regulation."171
169
a.a.O., 22 (Hervorhebung im Original) Vgl. a.a.O., 23 171 Knill/ Lehmkuhl (2002), 57 170
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High
Private Self-Regulation
Regulated Self-Regulation
Interfering Regulation
Interventionist Regulation
Governance Capacity of Private Actors
Low Low
Governance Capacity of Public Actors
High
Abb. 9: Vier Möglichkeiten der Interaktion zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, Quelle: eigene Darstellung nach Knill/ Lehmkuhl (2002), 49
Wie in der Einleitung zu dieser Arbeit bereits zitiert, sieht Ougaard für Corporate Citizenship auf internationaler Ebene eine Entwicklung in Richtung einer regulierten Selbstregulierung172 der Wirtschaft. Denn einerseits betonen sowohl Unternehmen und ihre Verbände als auch die EU und die UN, dass Corporate Citizenship auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruht, was für Selbstregulierung spricht. Ein Norm setzendes Eingreifen des Staates könnte den Wettbewerb verzerren. Andererseits sind CC-Ansätze von Unternehmen immer mit der Frage nach ihrer gesellschaftlichen Legitimierung konfrontiert, was nach einer Flankierung durch den Staat verlangt.173 In diesem Sinne argumentiert beispielsweise die Bilanz der OECD-Konferenz "Partners for
172
Ougaard (2002), 13, vgl. Fußnote 11 dieser Arbeit; zur regulierten Selbstregulierung auch Meckling (2003), 17; Vgl. auch den Begriff der "mixed regulation" bei Reinicke (1998), 97f. Zur Rolle des Staates und CSR vgl. auch eine Studie der Weltbank: Public Sector Roles in Strengthening Corporate Social Responsibility unter www.worldbank.org/privatesector/csr/doc/CSR_interior.pdf, 30.08.2004 173 Vgl. z.B. Scholte (2001), 22: "At some level an insurmountable tension exists between self-regulated corporate citizenship and democracy. [...] There is a worry that recent increased interest in corporate citizenship could be [...] a move to stave off greater public global governance. [...] A pessimist might read self-regulated corporate citizenship as a defensive manoeuvre by business to head off the advance of a global public sector. [...] [Corporate Citizenship] is a constructive project at a time when the global public sector is not yet equipped to deliver economic, social and environmental sustainability. [...] Corporate Citizenship is one step towards, and one part of, a larger and long-term solution. It is not the solution itself."
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Progress – Towards a New Approach to Corporate Social Responsibility"174, an der 130 Vertreter aus der Wirtschaft, von NGOs sowie lokalen und nationalen Regierungen teilnahmen: "Companies are embracing the challenge of making as much as a positive impact as possible and should be supported by other sectors of society. Thus [...] government still must be involved. Governments need to create a policy framework [...] This requires a range of legislative mechanisms to be implemented at the national, regional, local and multilateral levels. Public policy should be developed encouraging partnerships, voluntary approaches, and market incentives. Governments, along with NGOs, can contribute to raising consciousness and visibility on this issue and help identifying the best models and procedures for CSR, widening the scope, and facilitating the enactment of initiatives."175
Sich mit Corporate Citizenship zu befassen, impliziert also, sich mit der Verwobenheit von unternehmerischer Selbstbindung und staatlicher Fremdbindung auseinander zu setzen. Dem Konzept der Selbstbindung liegt die Idee zu Grunde, Gemeinwohlstreben und Freiheitsprinzip zu verbinden, indem öffentliche Belange an die Systemlogik der Wirtschaft angekoppelt und der Selbstkontrolle der Unternehmen überlassen werden. Fremdbindung umfasst ein Spektrum, das vom Appell an die Verantwortung der Wirtschaft bis hin zur verbindlichen Definition der Verantwortung für die Unternehmen reicht, also vom moralischen Argument bis zur Machtausübung.176 In der Staatswissenschaft wird die Beteiligung gesellschaftlicher Akteure auch unter dem Stichwort der Verantwortungsteilung diskutiert: "Der wesentliche Vorzug der Verantwortungsteilung liegt [...] [dabei] nicht so sehr in der Staatsentlastung als in der Mobilisierung der endogenen
174
Die Konferenz fand am 15. November 2000 statt und wurde ausgerichtet vom LEEDProgramm der OECD (Local Economic and Employment Development) in Zusammenarbeit mit dem Philip Morris Institute 175 OECD (2001b), 24. Empfehlungen, wie die Rolle der Politik aussehen könnte, gibt es inzwischen einige. So schreibt beispielsweise die National Policy Association aus den USA: "Governments can provide guidance to corporate officials on how to respond to the plethora of codes. Governments can also help promote a rationalization among the codes, many of which are redundant or lack mechanisms for accountability. Moreover, by promoting widespread business adherence to the codes, governments can help ensure that responsible corporate actors are not disadvantaged in global markets." www.multinationalguidelines.org/csr/ government's_role.htm, 15.04.03 176 Vgl. Di Fabio (1999), 85ff.
55 Potenziale der Gesellschaft, ihrer Lernfähigkeit, Kreativität und Innovationskraft für das Gemeinwohl."177
Es geht also um die "Schaffung intelligenter Regelungsansätze [...], die das Wissen und die Eigeninteressen privater Akteure in den Dienst staatlicher Regelungsziele stellen."178 Unklar ist noch, welcher Grad zwischen Regulierung und Selbstregulierung sich bei Corporate Citizenship in Deutschland abzeichnet. Konsens scheint zunächst zu sein, was Michael Bürsch, MdB, der die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" leitete, so formuliert: "Aufgabe der Politik ist, günstige Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass sich die bürgerschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen entfalten können."179
Das hieße in der Umsetzung, dass der Staat eine unterstützende Funktion annimmt, während das eigentliche Ordnungshandeln subsidiär ansetzt – beispielsweise indem der Staat Anreize zur Selbstverpflichtung formuliert. Er zieht sich also nicht völlig zurück, sodass am Ende möglicherweise auch auf nationaler Ebene das Modell der regulierten Selbstregulierung steht. Sieht man Corporate Citizenship als Politikfeld, hieße die zu untersuchende Frage demnach: Welches Verhältnis von unternehmerischer Selbstbindung und staatlicher Fremdbindung sehen die politischen Akteure als wünschenswert an? Bzw.: Wie gestalten sie die Verantwortungsteilung zwischen Staat und Unternehmen bei CC? Sieht man aber Corporate Citizenship als Politikinstrument, wäre die Frage: Wie setzen die Akteure unternehmerische Selbstbindung in Form von CC als staatliches Steuerungsinstrument ein? Auch hierauf sollen die Antworten der Interviewpartner erste Aufschlüsse geben.
177
Voßkuhle (1999), 86. Er verweist darauf, dass z.B. die Überwachung mancher Selbstregulierung teuer ist als die eigene Durchführung (Bsp. Regulierungsbehörde vs. Bundespostministerium), und spricht von Verschlankungskosten als Transaktionskosten. 178 Trute (1999), 19 179 Bürsch (2003), 40
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2 Corporate Citizenship in der politischen Praxis 2.1 Stand der politischen Initiativen Um der Untersuchung der vier Bundesländer einen Kontext zu geben, fassen die folgenden Abschnitte den Stand der CC-Initiativen auf den verschiedenen politischen Ebenen, die der Landespolitik vor- und nachgeordnet sind, zusammen. Dabei wird deutlich, dass auch hier weniger die Frage im Vordergrund steht, ob man sich beim Thema Corporate Citizenship einbringen soll. Vielmehr geht es um das Wie, d.h. wie gesellschaftliches Engagement von Unternehmen gestaltet sein soll und welche Rolle die politischen Akteure dabei selbst einnehmen. 2.1.1 Bundesebene Auf Bundesebene ist seit dem Ende der Enquete-Kommission keine explizite, umfassende CC-Förderstrategie erkennbar. Allerdings lassen sich eine Reihe von Einzelmaßnahmen finden, die jeweils einen speziellen Aspekt von Corporate Citizenship ansprechen, oft jedoch ohne den Begriff dabei zu verwenden. Neben der Bundesregierung, dem Bundespräsidenten und dem Bundestag treten hier vor allem das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) hervor. Die Bundesregierung betont ihr großes Interesse an engagierten Unternehmen – vor allem im Zusammenhang mit der Förderung der zivilen Bürgergesellschaft, die sie zu einem zentralen Leitbild ihres politischen Handelns erklärt hat. So heißt es in einer Rede von Staatsminister Bury: "Corporate Citizens sind Teil der Bürgergesellschaft und stärken deren Fähigkeit zu Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Für die Bundesregierung, die die "Zivile Bürgergesellschaft" fördern will, "[...] sind engagierte Unternehmen deshalb von großem Interesse. Und zwar nicht als "Ausfallbürge" für vorhandene oder vermeintliche Defizite des Staates. Der Staat wird sich auch in Zukunft nicht aus seiner sozialen Verantwortung verabschieden. Aber [...] er
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muss nicht alles entscheiden. Jedenfalls entspricht dies unserem modernen Staatsverständnis von einem partnerschaftlichen und aktivierenden Staat." 180 Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder auf einer Corporate Citizenship-Tagung gegenüber Unternehmensvertretern: "Was die Gesellschaft besser in Eigenverantwortung und Selbstorganisation lösen kann, das soll, das muss der Staat nicht machen. Aber es ist auch richtig, dass in schwachen Staaten keine starken Zivilgesellschaften entstehen. [...] Mehr Zivilgesellschaft heißt in diesem Sinne nicht weniger Staat, sondern eher weniger paternalistisches, weniger etatistisches Denken. Mir geht es dabei um weitere Schritte hin zu einer Verhandlungs- und Konsensdemokratie."181
Er stellt eine enge Verbindung her zwischen dem Engagement von Unternehmen als Form der gesellschaftlichen Selbstorganisation – innerhalb gesetzlicher Rahmenbedingungen aber außerhalb staatlicher Hoheitsverwaltung – und der Wettbewerbs- bzw. Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft. Daher hat der Bundeskanzler die Schirmherrschaft für startsocial182 übernommen, einer Initiative mit der mehrere deutsche Unternehmen durch professionelle Beratung und Hilfe die Umsetzung sozialer Projekte fördern möchten. Für ihn sind die Projekte der Initiative "vorbildliche Aktivitäten, die unterstreichen, dass die im Grundgesetz postulierte Sozialbindung des Eigentums in Deutschland nicht nur gepredigt, sondern auch beherzigt wird."183 Beispiele dafür bekannt zu machen, um Nachahmer zu motivieren, hält er für eine der wichtigsten Aufgaben. Schließlich betont die Bundesregierung immer wieder das Prinzip der Freiwilligkeit wie z.B. in ihrer Stellungnahme zum Grünbuch der EU-Kommission: 180
Rede von StM Bury anlässlich der Veranstaltung Corporate Citizenship – Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen am 18. Juli 2001, www.bundesregierung.de/Nachrichten/Reden-,436.49058/Rede-von-StM-Buryanlaesslich.htm 181 Gerhard Schröder in seiner Rede beim Siemens Forum "Corporate Citizenship: Gesellschaftliches Engagement – Unternehmerischer Nutzen?", in München am 3. April 2001; Redetext unter www.bundesregierung.de/Nachrichten/Reden-,436.35521/Rede-vonBundeskanzler-Gerhard.htm, 31.07.2003 182 Vgl. www.startsocial.de; Unter dem Motto "Hilfe braucht Helfer" haben 2001 fünf Unternehmen die Initiative gestartet (ProSiebenSat1. Media AG, Deutsche Post World Net, Gerling AG, DaimlerChrysler AG, McKinsey). Ihr Ziel ist, engagierte Menschen, Projekte und Initiativen durch professionelle Beratung und Hilfestellung bei der Lösung sozialer und gesellschaftlicher Projekte zu unterstützen. Außerdem werden jährlich sieben Bundespreise und ein Sonderpreis des Bundeskanzlers an soziale Projekte mit Modellcharakter verliehen. 183 Gerhard Schröder a.a.O.
58 "Freiwilligkeit ist das Grundprinzip für CSR und muss es auch bleiben."184
Weiter heißt es darin: "Öffentliche Stellen spielen in diesem Prozess lediglich eine subsidiäre Rolle. Ihre Aufgabe ist es vornehmlich, Aufmerksamkeit und Wissen zu verbreiten. [...] Die Einhaltung des Prinzips der Freiwilligkeit setzt voraus, dass die Hauptrolle bei der Förderung der sozialen Verantwortung der Unternehmen den Unternehmen selbst in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern und NROs zukommt. Behörden sollten die soziale Verantwortung der Unternehmen durch eine Förderung des Dialogs unterstützen."185
Dennoch verzichtet die Bundesregierung nicht auf konkretere Maßnahmen zur Förderung von Corporate Citizenship. So unterstützt sie beispielsweise eine stärkere Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei Investitionsentscheidungen – v.a. von institutionellen Anlegern wie Pensionsfonds – durch das neue Altersvermögensgesetz. Dieses Gesetz , das zum 1. Januar 2002 in Kraft trat, verpflichtet die Anbieter von Produkten zur kapitalgedeckten Sicherung der Altersvorsorge, ihre Kunden darüber zu informieren, in wie weit sie ökologische, soziale und ethische Belange in ihrer Anlagepolitik berücksichtigen.186 Damit erhalten die Anleger Transparenz für ihre Investitionsentscheidungen. Sollte auf diesem Weg die Nachfrage für nachhaltige Produkte steigen, hat die Politik Anreize für Unternehmen geschaffen, sich sozial verantwortlich zu verhalten. Ein ähnliches Ziel, jedoch auf rein informativem Weg, verfolgt die Bundesregierung mit der Unterstützung der Internetseite www.oeko-fair.de. Diese soll die Verbraucher über Firmen, Organisationen und Produkte informieren, die den fairen Handel unterstützen.187
184
Vgl. Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland vom 31. Januar 2002, 1 unter http://europa.eu.int/comm/employment_social/soc-dial/csr/pdf2/013-GOVNAT_ Deutschland_Germany_020131_de.pdf 185 a.a.O., 6f. 186 Wohlgemerkt besteht nur eine Informationspflicht. Die Unternehmen sind nicht angehalten, nach diesen Kriterien zu handeln. 187 Vgl. Bade (2003), 14. Ziel der Bundesregierung ist, bis 2006 den Marktanteil des fairen Handels zu verdoppeln. Das Portal oeko-fair.de wird von der Verbraucher Initiative e.V. in Zusammenarbeit mit der GTZ betrieben.
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Ein weiteres Gesetz verabschiedete die Bundesregierung im Oktober 2004. Es soll den Unfallversicherungsschutz für Ehrenamtliche verbessern.188 Sie folgt damit einer Empfehlung der Enquete-Kommission und sichert auf diesem Weg auch Corporate-Volunteering-Projekte von Unternehmen rechtlich besser ab.189 Der Bundespräsident trat bislang vor allem durch seine Schirmherrschaft für den Corporate Citizenship-Wettbewerb "Freiheit und Verantwortung"190 zu dem Thema in Erscheinung. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft (BDI, BDA, DIHT, ZDH) und die Wirtschaftswoche zeichnen mit dem Preis, den der Bundespräsident überreicht, seit 2001 jährlich je ein kleines, mittleres und großes Unternehmen für herausragendes, nachahmenswertes und nachhaltiges gesellschaftliches Engagement aus. Im Bundestag ist im Mai 2003 ein Unterausschuss "Bürgerschaftliches Engagement" eingesetzt worden, der die Umsetzung der Beschlüsse der Enquete-Kommission vorbereiten soll.191 Außerdem überprüft er laufende Gesetzesvorhaben und Initiativen hinsichtlich ihrer Wirkungen auf eine nachhaltige Engagementförderung. Geleitet wird der Unterausschuss vom ehemaligen Vorsitzenden der Enquete-Kommission, Michael Bürsch. Das Parlament befasst sich damit nach fast einjähriger Pause erstmals wieder mit den Empfehlungen der Kommission u. a. zu Corporate Citizenship und prüft das Fortschreiten der Arbeit in den betroffenen Ministerien. Vor der Sommerpause 188
Vgl. Bericht der SZ vom 30./31.10-1.11.2004, 8. Das Gesetz tritt zum 1. Januar 2005 in Kraft. Vgl. auch die dazu erschienene Broschüre "Zu Ihrer Sicherheit" unter: www.bmgs.bund.de/download/broschueren/A329.pdf 189 Bei Corporate Volunteering fällt der jeweilige Einsatz der Mitarbeiter oft nicht unter den Unfallversicherungsschutz der Berufsgenossenschaften. Diese begründen das in der Regel damit, dass ein "direkter Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit" des Mitarbeiters fehlt. Das ist insofern richtig, als der Mitarbeiter sich freiwillig engagiert, wodurch sich sein Engagement vom beruflichen Handeln unterscheidet. Die Freistellung ist damit einer bezahlten Abwesenheit vergleichbar. Allerdings hat sich in einigen Fällen die gesetzliche Unfallversicherung über das Feld der abhängigen Arbeit hinaus entwickelt, d.h. Ehrenamtliche sind in gesetzlich festgelegten Bereichen inzwischen versichert (§ 2 Abs. 1. Nr. 5, 9, 10, 11, 17 SGB VII). Das Unternehmen muss allerdings im Einzelfall klären, ob der Volunteering-Einsatz darunter fällt. Darüber hinaus stellt sich die Frage der Haftung. Bürgerschaftlich Engagierte genießen eine eingeschränkte Haftung für Schäden, die sie Dritten oder dem Träger im Rahmen ihres Engagements zufügen. Vgl. EnqueteKommission (2002) 655f. 190 www.freiheit-und-verantwortung.de; Die Initiatoren wollen mit dem Preis "einen Beitrag zur Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft leisten. Sie verstehen sich als tragendes Element einer aktiven Bürgergesellschaft." 191 Das Gremium gehört zum Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Vgl. www.bundestag.de/presse/presse/2003/pz_0305072.html, 31.07.2003.
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2005 soll der Unterausschuss eine Bilanz seiner Arbeit vorlegen. Die Vorsitzenden des Unterausschusses, Michael Bürsch und Klaus Riegert, sind darüber hinaus in der bundesweiten Initiative "für mich. für uns. für alle." engagiert.192 Um die Debatte über eine neue Rolle von Unternehmen als Akteure in der Bürgergesellschaft voranzutreiben, hat das BMFSFJ eine umfassende Dokumentation erstellen lassen mit Praxisbeispielen engagierter Unternehmen.193 Die Dokumentation soll als Anregung dienen und deutlich machen, welche Ansätze als vorbildlich gesehen werden. Sie macht deutlich, dass die Regierung erwartet, dass die Förderung bürgerschaftlichen Engagements und die Unterstützung sozialer Projekte zum selbstverständlichen Bestandteil jeder Unternehmenskultur wird. Die Ministerin Renate Schmidt hebt daher die Vorteile für Gesellschaft und Unternehmen heraus: "Investitionen ins lokale Gemeinwesen bilden "soziales Kapital", Netzwerke von Vertrauen und Zusammenarbeit, von denen langfristig auch das Unternehmen profitiert."194
Darüber hinaus fördert das BMFSFJ die Initiative "Unternehmen: Partner der Jugend und unterstützt das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)195. Dieses in Deutschland bisher einmalige, sektorübergreifende Forum aus Vertretern von Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft widmet sich seit Sommer 2003 explizit auch der Qualifizierung und Weiterentwicklung von Corporate Citizenship. Das BMFSFJ bemüht sich außerdem intensiv um eine bessere Balance von Familie und Arbeitswelt, die unter dem 192
Zu dieser Initiative haben sich neben den Genannten auch der Deutsche Städtetag, der Städte- und Gemeindebund, der Deutsche Landkreistag und der SparkassenFinanzverbund zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist, lokales Freiwilligenengagement zu unterstützen und eine Kultur der Anerkennung zu fördern z.B. durch einen jährlich verliehenen Bürgerpreis (der auch an engagierte Unternehmen vergeben werden kann). Details unter: www.buerger-engagement.de 193 BMFSFJ: Unternehmen und Gesellschaft – Praxisbeispiele vom unternehmerischen Bürgerengagement mittels Personaleinsatz bis zu Projekteinsätzen in sozialen Aufgabenfeldern als Teil der Personalentwicklung. 29. November 2002; Quelle: www.bmfsfj.de/Kategorien/Publikationen/Publikationen.html. Im Vorwort schreibt die Ministerin Renate Schmidt: "Im Zuge einer nachhaltigen Entwicklung und Modernisierung steht Deutschland vor Zukunftsaufgaben, die ein neues Verhältnis von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft erfordern: Eine Bürgergesellschaft, die [...] von der Zusammenarbeit zwischen Drittem Sektor, Unternehmen und Staat lebt." 194 ebd. 195 Das BMFSFJ ist Gründungsmitglied des Netzwerkes. Seit November 2004 ist auch das Bundesministerium des Inneren Mitglied im BBE.
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Dach der, im Jahr 2003 angestoßenen, "Allianz für die Familie" gebündelt werden. Ziel dieser Allianz ist es, zu einer arbeitsteiligen Vereinbarung mit der Wirtschaft für mehr Familien- und Frauenfreundlichkeit zu gelangen. Dabei setzt sich das BMFSFJ zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung und einer Reihe von Partnern aus Wirtschaft und Verbänden öffentlich für eine familienfreundliche Arbeitswelt und Unternehmenskultur ein.196 Dies soll u.a. durch Gutachten und Studien, Vernetzung von Unternehmen, lokale Bündnisse, Ratgeber und Leitfäden für Betriebe sowie einen Unternehmenswettbewerb erreicht werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Themen: Arbeitsorganisation und Arbeitszeit, familienunterstützende Dienstleistungen, Personalentwicklung sowie Unternehmenskultur. Für die eigene familienbewusste Personalpolitik wurde das BMWA im Juni 2002 von der Hertie-Stiftung mit dem Grundzertifikat zum Audit "Beruf und Familie" ausgezeichnet. Mit seiner Zertifizierung will das Ministerium dieses Managementinstrument beim Mittelstand bekannter machen und veröffentlichte daher begleitend einen Leitfaden.197 Kleine und mittlere Unternehmen noch stärker für gesellschaftliches Engagement zu gewinnen ist ausdrückliches Ziel des BMWA – so ein im Bundesarbeitsblatt veröffentlichter Bericht.198 Im Sommer 2003 kündigte der Parlamentarische Staatssekretär im BMWA, Rezzo Schlauch, sogar an, das Thema Corporate Citizenship ausdrücklich in die Mittelstandsinitiative "pro mittelstand" integrieren zu wollen. Corporate Citizenship sei ein wichtiger Faktor für die Zukunftsfähigkeit des Standortes.199 Tatsächlich startete das BMWA im Oktober 2004 eine eigene Internetseite mit einer Datenbank, die dazu beitragen soll, das Engagement des Mittelstandes stärker publik zu machen.200 196
Vgl. Bade (2003), 12. Parallel dazu möchte die Bundesregierung eine Geschäftsstelle "Lokale Bündnisse Familie" (zwischen Kommunen, Wirtschaft, Vereinen, Kirchen etc.) gründen. Sie soll sich um Informationsaustausch sowie Öffentlichkeitsarbeit kümmern und neue Bündnisse anregen. 197 Vgl. ebd. 198 Vgl. a.a.O., 11 199 Vgl. Schlauch, Rezzo (2003): Grußwort auf dem Symposium "Unternehmen – Partner im gesellschaftlichen Wandel" der Initiative Freiheit und Verantwortung am 02.07.2003 in Berlin. In: Initiative Freiheit und Verantwortung (Hrsg.) (2003): Unternehmen – Partner im gesellschaftlichen Wandel (Tagungsdokumentation), 6ff. Er wiederholte diese Ankündigung in einer Rede anlässlich einer Tagung der baden-württembergischen Grünen am 03.04.04 in Stuttgart. Das Manuskript liegt der Verfasserin vor. 200 http://corporate-citizenship.focus-web.de. Die Seite bietet Beispiele von engagierten Unternehmen (nach Bundesländern), einen Glossar, Links, einen Leitfaden u. a. m.
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Innerhalb des Ministeriums scheint allerdings begriffliche Uneinheitlichkeit zu herrschen: Während der Staatssekretär Schlauch von CC spricht, arbeitet der im Bundesarbeitsblatt veröffentlichte Bericht mit dem Terminus CSR. Dieser Bericht will einen Überblick über die CSR-Aktivitäten des Bundes geben. Dazu werden an erster Stelle Maßnahmen gezählt, die helfen sollen, Menschen (wieder) in den Arbeitsmarkt zu integrieren wie z.B. die 2003 gegründete Initiative "Teamarbeit für Deutschland"201. An zweiter Stelle folgen umweltpolitische Maßnahmen, danach alle weiteren hier zitierten Initiativen. Betont wird einleitend, dass für das gesellschaftliche Engagement der Wirtschaft über gesetzliche Verpflichtungen hinaus zu beachten sei, "dass es in Deutschland bereits eine relativ große Regelungsdichte (z.B. hinsichtlich Umweltstandards) gibt und dementsprechend weniger Raum für zusätzliches Engagement verbleibt."202 Auf Initiative des Auswärtigen Amtes (AA) wurde 1999 ein "Arbeitskreis Menschenrechte und Wirtschaft" gegründet, der erörtern soll, welche Beiträge Unternehmen und Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Regierung und Nichtregierungsorganisationen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte leisten können. Im Februar 2002 haben die Teilnehmer – neben der Bundesregierung, Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Gewerkschaften sowie des "Forums Menschenrechte" und des "Verbands Entwicklungspolitik deutscher Nicht-Regierungs-Organisationen" (VENRO) – schließlich eine gemeinsame Erklärung "Internationaler Schutz der Menschenrechte und Wirtschaftstätigkeit" vorgelegt.203 Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat überdies im Jahr 2001 mit Vertretern aus Unternehmen, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und anderen Ministerien einen "Runden Tisch zu Verhaltenskodizes" von Unternehmen initiiert. Dieser Runde Tisch hat sich zur Aufgabe gemacht, die Umsetzung von Arbeits- und Sozialstandards in Entwicklungsländern zu verbessern, indem er Unternehmen ermutigt, Verhaltenskodizes 201
Vgl. www.teamarbeit-fuer-deutschland.de. Die Initiative will u. a. mit einer großen InternetPlattform, regionalen Aktionstagen und intensiver Medienarbeit, Unternehmen dabei unterstützen, sich am Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu beteiligen. 202 Bade (2003), 9
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(Codes of Conduct) einzuführen. Das BMZ moderiert den Diskussionsprozess und fördert die gemeinsam entwickelten Maßnahmen. Ziel ist nicht nur, den Erfahrungsaustausch zu fördern, sondern auch Basisinformationen über die Schritte zur Umsetzung, zum Monitoring und zur Verifizierung von Kodizes zu vermitteln. Beispielsweise gibt der Runde Tisch einen Ratgeber "Verhaltenskodizes zu Sozialstandards" heraus und möchte damit – nach eigener Aussage – vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) für Corporate Social Responsibility gewinnen.204 Festzuhalten bleibt, dass die im Bericht und hier zusammengestellten Maßnahmen weitgehend isoliert nebeneinander laufen. Eine Kohärenz der staatlichen Maßnahmen, wie sie die Europäische Kommission205 für sinnvoll erachtet, ist nicht erkennbar. Allen Ansätzen gemein ist jedoch die Betonung der Win-Win-Situation: "Corporate Citizenship ist nicht Altruistisches in der Unternehmensphilosophie, sondern führt sowohl für das Unternehmen als auch für die Gesellschaft zu einem Gewinn, zu einem gegenseitigen Geben und Nehmen."206
Staatsminister Bury nennt dies in seiner Rede eine "Zugewinngemeinschaft"207 und Bundeskanzler Schröder argumentiert: Es ginge nicht nur "um die Chancen einer auseinander driftenden Gesellschaft Kohäsion zu schaffen, Zusammenhalt zu schaffen. [...] Wenn man in der Gesellschaft etwas erreichen will, wenn Unternehmen etwas über das Betriebswirtschaftliche hinaus tun sollen, dann ist es nicht falsch, wenn es auch im Betriebswirtschaftlichen Positiv hilft."208
203
Vgl. www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/menschenrechte/mr_inhalte_ziele/ mrb6/teil_a/index_html; ebenso Bade (2003), 16 Vgl. www.coc-runder-tisch.de (dort kann die Broschüre als pdf heruntergeladen werden); Untersuchungen deuten allerdings an (z.B. Rieth (2003)), dass engagierte Unternehmen rein privaten Initiativen wie "econsense – Forum nachhaltige Entwicklung" vom BDI oder dem "Deutschen Netzwerk Wirtschaftsethik" mehr Bedeutung beimessen. 205 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2002): Mitteilung der Kommission betreffend die soziale Verantwortung der Unternehmen: ein Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Brüssel, 2.7.2002. KOM (2002) 347 endgültig. 8ff. 206 Rede der Parlamentarischen Staatssekretärin im BMFSFJ, Edith Niehuis, anlässlich der Expertentagung "Corporate Citizenship in Deutschland: Zwischenbilanz und Perspektiven" am 26. Oktober 2001 in Bonn (www.bmfsfj.de/Kategorien/Presse/ Pressemitteilungen,did=4596.html). 207 Staatsminister Bury a.a.O. 208 Gerhard Schröder a.a.O. 204
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2.1.2 Landesebene Der Titel dieser Arbeit "Corporate Citizenship und die Rolle der Politik auf Länderebene" weckt natürlich auch die Frage nach den Aktivitäten in denjenigen Bundsländern, die nicht Gegenstand der Untersuchung sind. Diese Frage werden die folgenden Abschnitte in einem kurzen Überblick beantworten. In alphabetischer Reihenfolge beschreiben sie, was über InternetRecherche und die Auswertung von Dokumenten zu erfahren war. Die Darstellung erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist als Momentaufnahme zu verstehen.209 In Berlin gab im Juli 2004 die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz (Referat I D, Sozialpolitik für bestimmte Zielgruppen, Arbeitsbereich Bürgerschaftliches Engagement) ihren ersten "Bericht über Bürgerschaftliches Engagement in Berlin" – kurz Ehrenamtsbericht genannt – heraus. Dieser Bericht widmet sich an drei Stellen auch Corporate Citizenship. Zentral ist ein eigener Abschnitt "Unternehmerisches Bürgerschaftliches Engagement (UBE)", der CC als ein Handlungsfeld neben anderen (wie Anerkennungskultur oder Infrastruktur) zur Förderung allgemeinen bürgerschaftlichen Engagements einordnet. Dazu wird Corporate Citizenship definiert: "Bürgerschaftliches Engagement der Unternehmen ist wohlverstanden keine "soziale Schwärmerei", sondern eine Investition in die Gesellschaft, die sich wiederum positiv auf den wirtschaftlichen Erfolg auswirkt."210
Weiter heißt es, dass Corporate Citizens den gesellschaftlichen Wandel zu mehr Eigeninitiative und Mitverantwortung gestalteten und einen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt und zur Demokratie leisteten. Daher begrüße der Senat dieses Engagement und werbe bei Firmen für "Corporate Citizenship".211 Wie das Werben allerdings konkret aussehen soll, bleibt an 209
Die Stichwortsuche zu "Corporate Citizenship" ergibt auf den wenigsten Länderseiten Treffer. Meist finden sich Dokumente erst unter "bürgerschaftlichem Engagement (von Unternehmen)". Kurzbeschreibungen zu den CC-Aktivitäten der einzelnen Bundesländer sind ebenfalls zu finden in Maecenata Actuell Nr. 49/ 2004, 52ff. Einen Überblick über die Unterstützungsstrukturen zu individuellem, bürgerschaftlichen Engagement auf Länderebene gibt die Internetseite der Stiftung Mitarbeit: www.buergergesellschaft.de/ engagementfoerderung/bundeslaender_bund/, 26.03.04. 210 Vgl. Ehrenamtsbericht (2004), 21 211 ebd.
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dieser Stelle unklar. Genauer sind dagegen die Vorstellungen, wie das Engagement der Unternehmen aussehen kann: Neben der Bereitstellung von finanziellen Mitteln und der Unternehmenslogistik könnten die Firmen vor allem das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitarbeiter fördern durch Geldund Sachspenden oder temporäre Freistellungen.212 Erwähnt wird Corporate Citizenship außerdem bei den Akteuren der Engagementförderung. So betont der Absatz zur Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, dass die CC-Diskussion in Deutschland zwar erst jung sei, sich aber immer schon viele Unternehmen, gerade KMU, in Berlin engagiert hätten. Das Spektrum der genannten Beispiele reicht vom Betrieb von Brunnen über Patenschaften für Grünanlagen bis zu Stiftungen für Museen. Außerdem stellten heute schon einige Unternehmen für bestimmte Projekte Personal zur Verfügung.213 Schließlich verweist der Ehrenamtsbericht noch darauf, dass der neu ernannte "Beauftragte für das Bürgerschaftliche Engagement" ein besonderes Augenmerk darauf habe, eine Kultur der Anerkennung zu schaffen "für das Engagement von Stiftern und Mäzenen sowie von Unternehmen in Berlin, die sich als "corporate citizens" verstehen."214 Als Beauftragten ernannte der Regierende Bürgermeister den Chef der Staatskanzlei, André Schmitz. Generell fungiert dieser in seiner neuen Rolle als Ansprechpartner, Moderator und Impulsgeber für das bürgerschaftliche Engagement allgemein.215 Den weiteren Kontext, in den das Land Berlin CC als Element von bürgerschaftlichem Engagement einordnet, beschreibt die zuständige Senatorin für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, Heidi KnakeWerner, einleitend zum Ehrenamtsbericht: "Der Senat verfolgt das Ziel, mit dem Leitbild der "Bürgergesellschaft" und des "ermöglichenden Staates" zu einer neuen politischen Kultur der Anerkennung beizutragen und die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement zu verbessern. Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements betrachtet der Senat als politische Querschnittsaufgabe. Der Senat hat mit der Ernennung des Chefs der Senatskanzlei 212
ebd. Vgl. Ehrenamtsbericht (2004), 14 a.a.O., 8 215 ebd. Er vermittelt Kontakte zwischen Verwaltung und aktiver Bürgerschaft und trägt im Rahmen der Steuerung der Verwaltungsmodernisierung dazu bei, bürokratische Hemmnisse abzubauen und die Berliner Verwaltung für eine stärkere Kooperation mit Engagierten aus der Bürgerschaft zu öffnen. 213 214
66 zum "Beauftragten für das bürgerschaftliche Engagement" und der Einrichtung einer ressortübergreifenden "Arbeitsgruppe Bürgergesellschaft" bei der Senatssozialverwaltung die geeigneten Voraussetzungen dafür geschaffen. Die Senatskanzlei und die einzelnen Senatsverwaltungen berichten hier über gemeinsam angeschobene strukturelle Verbesserungen und ressortbezogene Aktivitäten."216
Als Kommunikationsschnittstelle nach außen dient das neu eingerichtete "Berliner Engagement Portal" (BeePort).217 Darüber hinaus setzt Berlin sein Engagement zur Stärkung der Bürgergesellschaft auch auf Bundesebene fort, indem es aktiv in der "Bund-LänderArbeitsgemeinschaft" des BMFSFJ mitwirkt und seit November 2004 Mitglied im BBE ist. In Brandenburg gibt es im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) einzelne Beispiele für eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, ohne dass allerdings dabei von Corporate Citizenship gesprochen würde. So gründete das MBJS 2001 zusammen mit den Wirtschaftsverbänden, Kammern, Gewerkschaften und Hochschulen das "Netzwerk Zukunft" mit dem Ziel, die beruflichen Chancen von Jugendlichen zu verbessern.218 Der Bildungsminister Steffen Reiche betont den beiderseitigen Nutzen dieser Kooperation: "Die Schüler schnuppern schon früh in die Arbeitswelt hinein und lernen, wofür sie lernen sollen. Die Betriebe können motivierte Jugendliche aus der Region frühzeitig für ihre Arbeitsbereiche interessierten und sich den Nachwuchs sichern."219
Außerdem fördert das MBJS seit Mitte 1999 gemeinsam mit dem Landesjugendamt Aktivitäten des UPJ-Büros Berlin-Brandenburg in der Paritätischen Akademie. Ergebnis ist u. a. ein seit September 2003 bestehender landesweiter "Runder Tisch Jugend und Wirtschaft".220 Von diesen Projekten abgesehen, scheint das Engagement von Unternehmen als Thema auf der politischen Tagesordnung noch hinter der Förderung allgemeinen bürgerschaftlichen Engagements zurückzustehen. Ziel der Landesregierung ist zunächst, in der Staatskanzlei eine Koordinierungsstelle 216
a.a.O., 2 www.berlin.de/beeport oder www.berlin.de/SenGesSosV/beeport/engagement/index/ html Vgl. www.brandenburg.de/sixcms/detail.php?id=126176, 18.11.04 oder www.netzwerkzukunft.de 219 ebd. 220 Vgl. Matzak et al (2004), 55 bzw. www.upj-online.de/ brandenburg.htm 217 218
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einzurichten, "die sich systematisch um den Ausbau und die Aufwertung von Ehrenamt und bürgerschaftlichem Engagement in Brandenburg kümmern wird,"221 wie der Ministerpräsident Matthias Platzeck in seiner Regierungserklärung ankündigt (von Unternehmen ist an dieser Stelle nicht die Rede). Für den Ministerpräsidenten sei es auch "persönlich besonders wichtig, Engagement und Eigeninitiative der Menschen in Brandenburg zu stärken." Daher ist er z.B. Mitglied im Kuratorium der Initiative "für mich. für uns. für alle."222 In Bremen ist derzeit über das Internet keine aktive Auseinandersetzung mit "Corporate Citizenship" oder "bürgerschaftlichem Engagement von Unternehmen" recherchierbar. Auch eine direkte Anfrage des MaecenataInstituts beim Senat für Wirtschaft und Häfen ergab kein positives Ergebnis.223 Hamburg befasst sich ebenfalls in erster Linie mit der Unterstützung allgemeinen bürgerschaftlichen Engagements.224 Dafür hat die Behörde für Soziales und Familie gemeinsam mit dem AKTIVOLI-Netzwerk225, einer Art Freiwilligenbörse, ein gemeinsames Konzept für eine Landesinitiative "Hamburg engagiert sich" erarbeitet.226 Nach diesem Konzept sieht die Freie und Hansestadt Hamburg ihren Anteil in der Engagementförderung vor allem 221
"Erneuerung aus eigener Kraft", Regierungserklärung von Ministerpräsident Matthias Platzeck vom 27. Oktober 2004 unter www.brandenburg.de/cms/media.php/1168/ regerklaerung2004.pdf, 18.11.04; Auch im neuen Koalitionsvertrag von SPD und CDU ist die Einrichtung der "Koordinierungsstelle Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement" im Geschäftsbereich der Staatskanzlei festgeschrieben. Zudem soll ein "Brandenburger Internetverzeichnis Ehrenamt" etabliert werden. Vgl. www.brandenburg.de/cms/media.php/ 1102/koavertrag.pdf 222 Vgl. www.buerger-engagement.de 223 Vgl. Matzak et al (2004), 52 224 Interessanterweise stellt bei der Stichwortsuche zu "Corporate Citizenship" die Internetseite der Landesregierung Hamburg als einzigen "Treffer" einen direkten Link zum Center for Corporate Citizenship an der Katholischen Universität Eichstätt her. 225 Das AKTIVOLI-Netzwerk besteht seit März 2000 und setzt sich aus Vertretern verschiedener Hamburger Einrichtungen, Organisationen, Verbänden, Kirchen, Stiftungen, der öffentlichen Verwaltung und engagierten Bürgern zusammen. Kernaufgabe ist die zielgruppenspezifische und trägerübergreifende Förderung und Weiterentwicklung des freiwilligen Engagements. Vgl. www.aktivoli.de oder www.eaktivoli.de 226 Das Konzeptpapier der Landesinitiative ist zu finden unter http//:fhh.hamburg.de/stadt/ Aktuell/behoerden/soziales-familie/hamburg-engagiert-sich/landesinitiativekonzept,property=source.pdf. Die Landesinitiative besteht neben dem AKTIVOLI-Netzwerk und dem Referat "Bürgerschaftliches Engagement" der Behörde für Soziales und Familie aus einem Kuratorium mit 40 Vertretern gesellschaftlicher Institutionen. Die Arbeit der Landesinitiative ist zunächst bis 2005 befristet. Sie soll dann evaluiert und in einem Bericht dokumentiert werden.
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darin, rechtliche, finanzielle und organisatorische Voraussetzungen zu schaffen, die die Bürger zur Beteiligung befähigen und ermutigen. Zum Engagement von Unternehmen findet sich nur ein Hinweis bei den Maßnahmen der Landesinitiative insgesamt. Dort heißt es u. a., dass auch die Weiterentwicklung von Kooperationen zwischen der Wirtschaft und sozialen Projekten zu den Zielen der Landesinitiative gehört. Allerdings erklärt das Konzeptpapier nicht, wie das geschehen soll. Daneben befasst sich seit kurzem das AKTIVOLI-Netzwerk in einer Arbeitsgruppe mit Corporate Citizenship.227 Hessen initiierte 2004 erstmals einen CC-Wettbewerb unter dem Titel "Engagiertes Unternehmen".228 Damit will die Landesregierung nach eigener Aussage gelungene Formen der Zusammenarbeit zwischen Betrieben, Kommunen und gemeinnützigen Initiativen auszeichnen und sie als Beispiele und Anregungen für andere sichtbar machen. Vergeben wurden Preise in den Kategorien kleine, mittlere und große Unternehmen. Die Sieger erhielten jeweils die Möglichkeit, sich im US-Partnerstaat Wisconsin über das Engagement dortiger Unternehmen zu informieren. Vertreter der Hessischen Landesregierung, der Unternehmens- und Handwerkerverbände, der Arbeitnehmer, der hessischen Wirtschaft und der Medien besetzen die Jury. Eingebettet ist der Wettbewerb in die seit 1999 laufende Ehrenamtskampagne "Gemeinsam aktiv – Bürgerengagement in Hessen", daher ist die Unterstützung ehrenamtlich aktiver Mitarbeiter ein wichtiger Aspekt. Verantwortlich für die Umsetzung des Wettbewerbs ist die Hessische Staatskanzlei. In Mecklenburg-Vorpommern spielt das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen in der Landespolitik offenbar noch keine Rolle. Weder finden sich Hinweise auf der Internetseite229, noch geht die Sozialministerin Marianne Linke in ihrer Rede zur Unterrichtung des Landtags über "Bürgerliches Engagement" am 12. Mai 2004 auf das Thema ein. Auch der vom Kabinett verabschiedete Bericht zum bürgerschaftlichen Engagement230, der sich als 227
Vgl. Matzak et al (2004), 55 Details unter der gleichnamigen Internetadresse: www.engagiertes-unternehmen.de 229 www.mv-regierung.de, letzte Stichwortsuche am 22.11.04 230 Drucksache 4/1012 vom 10. Februar 2004, vgl. www.dokumentenarchiv.landtag-mv.de/ archiv/drucksachen/4_Wahlperiode/D04-1000/Drs04-1012.pdf 228
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Bestandsaufnahme des Engagements im Land versteht, äußert sich nicht zu Corporate Citizenship. Für Niedersachsen blieb die Internetrecherche zu Corporate Citizenship auf Landesebene ergebnislos.231 Laut der Untersuchung am Maecenata-Institut ist jedoch die Staatskanzlei für das Thema Corporate Citizenship zuständig. Die Staatskanzlei ist auch die Landesbehörde, die seit November 2004 Mitglied im BBE ist. Als punktuelles Engagement für Corporate Citizenship kann der Beitrag der Landesregierung zum Projekt "Altera – die andere Seite" der Diakonie Hannover bezeichnet werden.232 Angelehnt an das Schweizer Modell "Seitenwechsel", bei dem Führungskräfte eine Arbeitswoche aktiv in einer sozialen Einrichtung verbringen, veranstaltete die Diakonie im Oktober 2002 eine erste Lernwoche.233 Die Landesregierung entsandte einen Mitarbeiter, initiierte und finanzierte den Abschlussbericht. Sie begründete ihre Unterstützung für diese Art der gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme durch die Wirtschaft mit ihrem Interesse daran, dass die Wirtschaft einen Beitrag zur Stabilisierung bzw. zum Ausbau des Sozialkapitals leisten solle.234 Im Saarland warb die Landesregierung im Rahmen ihrer Initiative Saarland21 unter dem Titel "Neuland – Gutes tun bringt Gewinn" für das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen.235 Der Ministerpräsident begründete dies in seiner Regierungserklärung mit den Worten: "Zu meiner Vorstellung einer entwickelten Bürgergesellschaft gehört, dass auch die Wirtschaftsunternehmen sich bürgerschaftlich engagieren. Dabei denke ich nicht in erster Linie an das Sponsoring, also die finanzielle Unterstützung von sozialen Projekten, für die es ja in unserem Land viele
231
www.niedersachsen.de, zuletzt besucht am 24.11.04 Vgl. Matzak et al (2004), 56; auf der Internetseite der Staatskanzlei findet sich allerdings kein Hinweis auf das Projekt. 233 Vgl. www.kirche-hannover.de/news/presse/1033047026.html 234 Vgl. Matzak et al (2004), 56 235 Vgl. Wettenmann (2004), 19; ebenfalls www.staatskanzlei.saarland.de/1216.htm, 11.11.04. Die Landesinitiative Saarland21 lief von Ende Mai 2001 bis Ende Oktober 2002. Neben "Neuland" gab es drei weitere Leitprojekte: "Austausch" für Generationen übergreifendes Engagement, "Löwenherz" für Zivilcourage und gegen Extremismus sowie "Tatendrang" für körperliche und geistige Fitness. 232
70 gute Beispiele gibt. [...] Was jetzt ansteht, ist die konkrete Mitarbeit von Unternehmen und deren Belegschaften in bürgerschaftlichen Projekten."236
Ziel von "Neuland" war, "Wirtschaftspaten" zu gewinnen, die ihre Mitarbeiter für Projekte freistellen. Mit gutem Beispiel ging die Staatskanzlei voran und engagierte sich bei der Betreuung sehbehinderter Jugendlicher. Andere Ministerien sollten folgen.237 Um die Anerkennung von Engagement zu fördern, führte die Landesregierung gemeinsam mit Partnern aus dem ehrenamtlichen Bereich im Herbst 2000 ein Testat für Engagierte ein, das Bewerbungen beigelegt werden kann. Sie appellierte gleichzeitig an die Unternehmen, das bürgerschaftliche Engagement bei Einstellungen positiv zu berücksichtigen, und kündigte an, dies ebenfalls verstärkt zu tun.238 Insgesamt befindet sich das Saarland hinsichtlich des Engagements von Unternehmen nach Ansicht des Ministerpräsidenten noch in den Anfängen, doch er hebt das Konzept der so genannten "Business Angels" als Richtung weisend hervor: "[Es] zeigt, dass unsere Unternehmen auf gutem Weg sind."239 Wie der Ministerpräsident in Brandenburg ist auch Peter Müller Mitglied im Kuratorium der Initiative "für mich. für uns. für alle." Sachsen richtete wie die meisten Bundesländer eine Koordinierungsstelle für bürgerschaftliches Engagement allgemein ein, die im Sozialministerium angesiedelt ist (Referat 43 Sozialhilfe und Wohlfahrtspflege), hat jedoch keine spezielle Anlaufstelle für Corporate Citizenship. Nach den Recherchen des Maecenata-Instituts stuft die Landesregierung ihre Einwirkungsmöglichkeiten auf das Engagement der Unternehmen ohnehin als eher gering ein. Sie könne sich nur auf die Einrichtung informierender und koordinierender Strukturen beschränken. Dennoch wünscht man sich, dass sich Corporate Citizenship zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Unternehmenskultur entwickle und 236
Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Peter Müller am 23. Mai 2001: "Bürgergesellschaft als Leitbild für ein modernes Saarland", unter: www.staatskanzlei. saarland.de/1233_10633.htm, 11.11.04 237 Vgl. www.staatskanzlei.saarland.de/1216.htm, 11.11.04 und ebenfalls die Regierungserklärung 238 Vgl. auch hier die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Peter Müller am 23. Mai 2001 239 Peter Müller in seiner Regierungserklärung vom 23. Mai 2001
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neben Spenden und Sponsoring auch die Schaffung eines innerbetrieblichen Umfeldes zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements der Mitarbeiter trete.240 Ein weiterer Ansatzpunkt für die Landesregierung könne die medienwirksame Würdigung herausragender Unternehmer und innovativer Ideen sein. Als CC-Aktivität der Landesregierung im weiteren Sinn kann ein Projekt der Sächsischen Jugendstiftung gelten, da die Stiftung vom Sozialministerium finanziert und geführt wird. Es beinhaltet die Beratung von Unternehmen, Verwaltungen und sozialen Organisationen bei der Organisation von regionalen "CC-Stammtischen" für Unternehmen, die umfassende Hilfe bei der Einrichtung einer firmeneigenen Stiftung sowie die Initiierung exemplarischer Engagement-Programme wie dem 2005 beginnenden "Sozialen Tag".241 Die Landesregierung in Sachsen-Anhalt gründete am 15. November 2004 gemeinsam mit Unternehmen, Verbänden, Vereinen und anderen gesellschaftlichen Akteuren das "Landesbündnis für Familien", das im weitesten Sinne als gemeinsame CC-Initiative gelten kann. Ziel der Bündnispartner ist, sich für mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit im Land einzusetzen, ihre Aktivitäten zu vernetzen und gemeinsame Projekte anzustoßen.242 Eine Stichwortsuche zu Corporate Citizenship auf der Internetseite der Landesregierung ergab jedoch keine weiteren Ergebnisse. In Schleswig-Holstein ist das Thema Corporate Citizenship bislang kaum auf der politischen Agenda – zumindest den Ergebnissen nach zu urteilen, die die Recherche auf der Internetseite der Landesregierung ergab. Dass das Konzept dennoch präsent ist, deutet eine Rede der Ministerpräsidentin Heide Simonis an, die sie bei der Verleihung des Ehrentitels "Professor" an den Unternehmer Günther Fielmann hielt. Darin lobt die Ministerpräsidentin den
240
Vgl. Matzak et al (2004), 58f. Die Aussagen stützen sich auf eine Ressortbefragung des Sächsischen Staatsministerium für Soziales, Referat 43 Sozialhilfe und Wohlfahrtspflege: Fragen zum bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen – Corporate Citizenship (CC), 2004 241 Vgl. ebd. 242 Vgl. www.sachsen-anhalt.de, 18.11.04
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Geehrten als "Beispiel dafür, wie das Modell einer "corporate citizenship" aussehen kann".243 Und sie fügt ihr Verständnis an: "Dieses in den angelsächsischen Ländern seit Jahrzehnten weit verbreitete Konzept besagt, dass sich Wirtschaftsunternehmen als Teil der Bürgergesellschaft verstehen und nicht nur ihren Geschäften nachgehen, sondern [sich] auch um das soziale Umfeld kümmern. Der viel gerühmte amerikanische Manager Jack Welch, der lange Zeit sehr erfolgreich das Unternehmen General Electrics leitete, hat das so beschrieben: 'Streng ökonomisch gesehen, bedeutet Corporate Citizenship eine Investition in das soziale Kapital, das die Gemeinschaft zusammenhält.'"244
Aus den von der Ministerpräsidentin zitierten Beispielen kann außerdem geschlossen werden, welche Engagementfelder sie zu Corporate Citizenship zählen würde: Natur- und Umweltschutz, Kunst und Kultur sowie Bildung. Die Recherche ergab in Thüringen keinerlei Hinweis auf eine aktive Beschäftigung mit Corporate Citizenship.245 Der Überblick verdeutlicht, dass nach Auswertung der im Internet verfügbaren Quellen bislang in den Bundesländern nur wenige Aktivitäten zu Corporate Citizenship zu verzeichnen sind. Das Bild könnte sich allerdings durch Expertenbefragungen relativieren, denn nicht immer arbeiten die Landesakteure mit dem CC-Begriff, sodass einzelne Aktivitäten evtl. aus dem Untersuchungsraster fielen. Neben den konkreten Initiativen erfasst die Übersicht nur zwei weitere Kriterien: die Mitgliedschaft im BBE, das sich explizit auch mit Corporate Citizenship befasst, und den subsidiären Versicherungsschutz, der nicht nur, aber auch Corporate Volunteering-Einsätze erleichtert.
243
Rede von Ministerpräsidentin Heide Simonis am 16. Juli 2002 zur Verleihung des Ehrentitels "Professor" an den Unternehmer Günther Fielmann unter http:// landesregierung.schleswig-holstein.de/coremedia/generator/Archivordner/StK/Rede /fielmann__160702.html, 17.11.04 244 ebd. 245 www.thueringen.de, letzte Stichwortsuche am 18.11.04; im November 2001 gab das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit eine repräsentative Studie zur Untersuchung des Ehrenamtes in Auftrag. Sie enthielt jedoch keine Angaben zur Rolle von Unternehmen.
73 Mitglied im BBE Baden-Württemberg Bayern Brandenburg Berlin Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen
Subsidiärer Versicherungsschutz
Sozialministerium
Senatskanzlei
()
Staatskanzlei MGSFF1) Staatskanzlei
= Rahmenverträge bestehen () = Rahmenverträge werden zzt. verhandelt
CC-Initiativen (s. Kapitel II, 2) (s. Kapitel II, 2) "Netzwerk Zukunft"
()
"Engagiertes Unternehmen"
(s. Kapitel II, 2) (s. Kapitel II, 2) "Neuland – Gutes tun mit Gewinn" "Landesbündnis für Familien"
1) MGSFF = Ministerium für Gesundheit, Senioren, Frauen und Familie
Abb. 10: Überblick über CC-relevante Aktivitäten der Bundesländer
2.1.3 Kommunale Ebene Eine umfassende Darstellung aller CC-Aktivitäten der Kommunen ist an dieser Stelle nicht zu leisten und auch nicht zielführend. Für die hier gestellten Forschungsfragen ist vor allem wichtig, zu skizzieren, wie die Kommunen in den untersuchten Bundesländern das Thema CC behandeln.246 Daraus können sich relevante Bezugspunkte ergeben, um später die Aussagen der Interviewten auf Landesebene besser einordnen zu können. Mit der kommunalen Rolle allgemein bei Corporate Citizenship befasst sich derzeit die Projektgruppe "Perspektiven der Bürgergesellschaft" beim BBE.247 In Baden-Württemberg existieren drei "Kommunale Netzwerke Bürgerschaftliches Engagement" (Landkreis-, Städte- und Gemeindenetzwerk), die in einem Landesnetzwerk zusammenarbeiten (vgl. Kapitel II, 2.1.1). Sie alle bezeichnen Corporate Citizenship als ein wichtiges Anliegen, das in Zukunft vertieft werden soll. Der Landkreistag beispielsweise fasst ins Auge, das Thema "Wirtschaft und Bürgerschaftliches Engagement" auf einer
246
Quellen sind zu einem die Gespräche, die die Autorin mit drei kommunalen Vertretern geführt hat, zum anderen verschiedene Dokumente. Die Recherche auf den Webseiten von Städtetag (www.staedtetag.de) und der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (www.kgst.de) ergaben keinerlei Ergebnis zum Stichwort "Corporate Citizenship". Die im Folgenden aufgezählten Kommunen sind lediglich als exemplarisch zu sehen. 247 www.b-b-e.de/arbeit_pg4.html
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gemeinsamen Fachtagung des Landesnetzwerkes zu behandeln.248 Auch viele der lokalen Anlaufstellen für bürgerschaftliches Engagement suchen zunehmend Kontakt zu Unternehmen. So hat z.B. die Stadt Heidelberg explizit eine "Koordinationsstelle Unternehmensengagement" eingerichtet.249 Die Diskussion um Konzept, Umsetzung und Perspektive solcher lokal-regionaler Koordinationsstellen stand auch im Mittelpunkt einer CC-Fachtagung, die die Stadt Heidelberg gemeinsam mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (iöw) im April 2004 ausrichtete.250 Die Veranstaltung sollte dazu beitragen, die Erwartungen von Unternehmen, Kommunen und sozialen Organisationen darzustellen und die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit zu klären. Einige baden-württembergische Stadtverwaltungen (z.B. Stuttgart, Heidelberg, Reutlingen, Nürtingen, Filderstadt, Waiblingen) haben auch Corporate Volunteering eingeführt. In den Projekten engagieren sich z.B. städtische Auszubildende in sozialen Einrichtungen. Damit agieren die Stadtverwaltungen durch ihre Rolle als Arbeitgeber selbst als Corporate Citizen.251 Aus Bayern stammt eines der prominentesten Beispiele für Corporate Volunteering auf kommunaler Ebene: das Programm "switch – Die andere Seite", das das Sozialreferat der Stadt München 1999 mit Siemens gemeinsam auflegte. Switch versteht sich als Weiterbildungsprojekt für Führungskräfte aus der Wirtschaft (nur zu Beginn war die Zielgruppe auf die Firma Siemens begrenzt) und inzwischen auch für Mitarbeiter der städtischen Verwaltung. Ziel ist, die soziale Kompetenz der Teilnehmer zu erweitern, indem sie eine Woche in einer sozialen Einrichtung aktiv mitarbeiten. Insgesamt möchte das Sozialreferat mit Hilfe von switch "die solidarische
248
"Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt in Baden-Württemberg – 1. Wissenschaftlicher Landesbericht 2002/2003", 67ff. unter www.zentrum-zivilgesellschaft.de /Forschung/Forschungsprojekte/Landesnetzwerk%20BE/Landesbericht%2020022003/Landesbericht%20Stand%2008-04-04.pdf. Vgl. auch Landtagsdrucksache 13/2909, 3. 249 Diese Koordinationsstelle ist als Netzwerk zwischen der Stadtverwaltung Heidelberg und der FreiwilligenBörse Heidelberg angelegt. Da die FreiwilligenBörse z. T. durch das badenwürttembergische Sozialministerium finanziert wird, findet hier indirekt eine Unterstützung durch das Land statt. 250 Vgl. www.ioew.de/index2.html 251 Vgl. Landtagsdrucksache 13/2909, 3.
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Stadtgesellschaft fördern" und mehr Akzeptanz für die soziale Arbeit schaffen.252 Parallel zum Start von switch veranstaltete das Sozialreferat der Stadt München bereits im Dezember 1999 gemeinsam mit der IHK eine Fachtagung "Soziales Engagement – Eine interessante Herausforderung für Firmen". Ziel war anhand von Best-Practice-Beispielen die Verknüpfungen zwischen Wirtschaft und Sozialbereich deutlich zu machen, den Nutzen für beide Seiten darzustellen und neue Kooperationen zu ermöglichen. Jeweils eine Kommune in jedem der sieben bayrischen Verwaltungsbezirke führt derzeit ein Projekt im Rahmen der kommunalen Familien-Tische des bayrischen Sozialministeriums durch.253 Bei diesen Familien-Tischen handelt es sich um professionell moderierte zweijährige Kommunikationsprozesse, die Vertreter von Unternehmen, der öffentlichen Verwaltung, den Verkehrsbetrieben, dem Bildungssystem etc. zusammen bringen, um die Lebens- und Arbeitssituation von Familien durch konkrete Maßnahmen zu verbessern. Wie in Baden-Württemberg gibt es auch in Nordrhein-Westfalen Beispiele von Corporate Volunteering für kommunale Beschäftigte. Stellvertretend sei hier die Arbeit der Stadtverwaltung Köln erwähnt. Sie richtete 2001 eine Kommunalstelle zur Förderung und Anerkennung Bürgerschaftlichen Engagements (FABE) im Amt des Oberbürgermeisters ein254, die neben anderen Projekten (z.B. Kölner Ehrenamtstag und Ehrenamtswettbewerb) u. a. ein eigenes Corporate-Volunteering-Programm aufsetzte. Darüber hinaus fördert die FABE auch das CV-Engagement in Unternehmen, indem sie gemeinsam mit Ford das "Bündnis für Köln"255 ins Leben rief. Die FABE arbeitet außerdem innerhalb des "Kölner Netzwerks Bürgerschaftliches
252
Vgl. www.muenchen.de/Rathaus/lhm_alt/mde/referat/sozial/9splan/43343/9_swi.html. switch finanziert sich inzwischen zu fast 40 Prozent aus den Beiträgen der Firmen. Sobald sich das Projekt selbst trägt, könnte es an einen freien Träger abgegeben werden. 253 Vgl. Habisch (2003), 156ff. 254 www.stadt-koeln.de/stadtinitiative/ehrenamt/artikel/06430/index.html, zuletzt besucht am 22.11.04. Die Einrichtung der FABE geschah auf Wunsch des OB, der die Förderung bürgerschaftlichen Engagements als Querschnittsaufgabe der Verwaltung betrachtet. 255 Die FABE entwickelt Projektvorschläge für das Engagement von Ford und vermittelt zwischen dem Unternehmen und den sozialen Trägern. Diese Kooperationsvereinbarung gilt exklusiv zwischen den beiden Partnern. Alle anderen Unternehmen vermittelt die FABE nur, wenn sie sich in städtischen Einrichtungen engagieren wollen. In allen anderen Fällen müssen sie sich an professionelle Vermittlungsagenturen wenden.
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Engagement" an Handlungsempfehlungen für den Rat der Stadt u. a. zu der Frage von Unternehmensengagement im Gemeinwesen. Aus Rheinland-Pfalz ist zum jetzigen Zeitpunkt nichts Vergleichbares bekannt. BW
BY
NRW
RLP
Beispiel
Heidelberg
München
Köln
Behörde
Koordinationsstelle Unternehmensengagement, Amt des OB
Sozialreferat
Kommunalstelle k. A. zur Förderung u. Anerkennung Bürgerschaftlichen Engagements (FABE), Amt des OB
switch – Die andere Seite
Bündnis für Köln k. A.
Initiative
k. A.
Abb. 11: Beispiele kommunaler CC-Aktivitäten in den untersuchten Bundesländern
Die hier kurz skizzierten Beispiele kommunaler CC-Aktivitäten sind nicht repräsentativ sondern (noch?) die Ausnahme. Schon für bürgerschaftliches Engagement allgemein befand die Enquete-Kommission in ihrem Abschlussbericht: "[Es fällt] der Kommunalpolitik derzeit noch schwer, bürgerschaftliches Engagement als zentrales Profilierungsfeld zu begreifen. Kommunen, die eine systematische Engagementförderung betreiben, sind gegenwärtig noch in der Minderheit."256
Es ist anzunehmen, dass sich für Corporate Citizenship die Situation ähnlich darstellt, da CC ein viel jüngeres Thema in Deutschland ist. Zumindest urteilen Backhaus-Maul und Brühl: "Bislang haben Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung die neue Rolle von Wirtschaftsunternehmen kaum für sich als neues Handlungsfeld entdeckt."257
Und in einer Studie zum Engagement von KMU beschreiben die befragten Unternehmen die kommunalen Stellen als "inkompetent" oder "nicht auskunftsbereit"; diese seien nicht in der Lage, an Fachkundige weiter zu 256 257
Enquete-Kommission (2002), 338 Backhaus-Maul/ Brühl (2003), 12
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verweisen.258 Allerdings kann das Engagement der Städte, auf die hier das Schlaglicht geworfen wurde, als fundiert bezeichnet werden: Sie alle haben eine institutionelle Verankerung für Corporate Citizenship geschaffen und arbeiten meist auf der Grundlage eines schriftlich festgelegen Konzeptes eng mit Unternehmen zusammen. 2.1.4 Deutschland und Initiativen auf internationaler Ebene Innerhalb der EU erhoben die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel in Lissabon im März 2000 das soziale Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen zu einem Bestandteil ihres strategischen Ziels, die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Ein Jahr später veröffentlichte die Kommission in einem Grünbuch Vorschläge, wie die Rahmenbedingungen dafür aussehen könnten und forderte die Mitgliedstaaten zur Kommentierung auf. Die daraufhin formulierte Stellungnahme der Bundesregierung259 unterstützt zwar einerseits das Grünbuch als wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Lissabon-Strategie, unterstreicht jedoch immer wieder zwei Aspekte: die Freiwilligkeit von CSR und das Prinzip der Selbstkontrolle. "Dies schließt ein Tätigwerden der Mitgliedstaaten, aber auch ein Tätigwerden der EU, durch verpflichtende Regelungen aus."260 Die Bundesregierung setzt auf eine Politik der Anreize: Die EU könne technische Hilfe, Finanzmittel oder Experten bereitstellen, wobei sie sich auf die Förderung des Informations- und Erfahrungsaustauschs konzentrieren sollte. Unerwähnt bleibt, welchen eigenen Beitrag die deutsche Regierung dazu leisten möchte. Grundsätzlich gilt, dass – wo immer auf EU-Ebene CC diskutiert wird – Deutschland nie als Beispiel und selten als Teilnehmer vertreten ist.261 Aus ersterem könnte man schließen, dass es nichts Beispielhaftes zu berichten gibt (oder zumindest nichts ins Ausland dringt), aus zweitem, dass in Deutschland das Interesse an
258
Maaß/Clemens (Kurzfassung 2002), 9f. Vgl. http://europa.eu.int/comm/employment_social/soc-dial/csr/pdf2/013-GOVNAT_ Deutschland _Germany_020131_de.pdf 260 a.a.O., 6 261 Z.B.: EU Presidency Conference "Mainstreaming CSR across Europe", 21.-22. November 2002, Helsingoer, Dänemark; Eine der Breakout-Sessions widmete sich unter dem Titel "Supportive Public Policies" u. a. dem Thema: National initiatives in support of CSR – Experiences from member states. Als Beispiele wurden vorgestellt: neben den häufig zitierten Ländern – Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden – auch Belgien, Schweden, Frankreich. 259
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Corporate Citizenship nicht groß genug ist. So befindet auch der Bericht der Enquete-Kommission: "Von den europäischen Partnern wird Deutschland [...] immer noch weitgehend als "weißer Fleck auf der Landkarte" empfunden, weil deutsche Unternehmen im internationalen Kontext kaum präsent sind und sich an der Debatte kaum beteiligen."262
Auf globaler Ebene unterstützt die Bundesregierung den 1999 von UNOGeneralsekretär Kofi Annan ins Leben gerufenen Global Compact zwischen den Vereinten Nationen und der Wirtschaft. Der Global Compact umfasst neun Prinzipien sozialer Verantwortung, zu denen sich Unternehmen freiwillig bekennen können.263 Ziel ist die Vermittlung grundlegender Werte und Normen bei den Menschen- und Arbeitsrechten sowie bei Umweltstandards. Die Bundesregierung beteiligte sich u. a. an der Anschubfinanzierung für das Global Compact Büro in New York und richtete ein nationales Verbindungsbüro ein, das bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Berlin angesiedelt ist. Darüber hinaus war sie Gastgeberin des 2. Global Compact Learning Forum, zu dem sich im Dezember 2002 ebenfalls in Berlin Vertreter der UN, der Wirtschaft und Wissenschaft trafen, um ihre Erfahrungen auszutauschen.264 Auch die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zur Einhaltung der Menschen- und Arbeitnehmerrechte sowie anerkannter Sozial- und Umweltstandards, Antikorruptions- und Verbraucherschutzbestimmungen wurden im Jahr 2000 von der deutschen Bundesregierung mit überarbeitet und unterzeichnet. Diese, rechtlich nicht verbindlichen Empfehlungen sind weltweit gültig und an alle multinationalen Unternehmen gerichtet, deren Muttersitz in einem Unterzeichnerland liegt. Mit der Unterzeichnung dieser Richtlinien hat sich die Bundesregierung verpflichtet, eine Nationale Kontaktstelle einzurichten, die für die Verbreitung und Einhaltung der Leitsätze werben soll, sowie eine Beschwerde- und gegebenenfalls Vermittlungsinstanz darstellt. Diese 262
Enquete-Kommission (2002), 465f. So sind deutsche Unternehmen erst seit Oktober 2003 über "econsense – Forum Nachhaltige Entwicklung" bei CSR Europe vertreten. (Vgl. www.econsense.de). "econsense" ist eine Initiative von Unternehmen und Organisationen der deutschen Wirtschaft, die im Sommer 2000 auf Anregung des BDI in Berlin gegründet wurde. Ihr Ziel ist, auf politische Rahmenbedingungen hinzuwirken, die nachhaltige Innovationen ermöglichen und fördern. 263 Vgl. www.unglobalcompact.org 264 Vgl. Bade (2003), 14 und www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/ menschenrechte/mr_inhalte _ziele/mrb6/teil_a/index_html
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Kontaktstelle wurde beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) angesiedelt und ein begleitender Arbeitskreis mit Gewerkschafts- und NGO-Vertretern gegründet.265 Bei der GTZ, die der Verantwortung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) untersteht, wurde außerdem ein Public Private Partnership (PPP)-Büro eingerichtet, das Partnerschaften mit der Wirtschaft als neues Modell der Entwicklungszusammenarbeit fördern soll. Seit 1999 wurden so bereits mehrere hundert PPP-Projekte zwischen GTZ und Unternehmen in Entwicklungs- und Transformationsländern initiiert.266 2.2 Corporate Citizenship und politische Strömungen 2.2.1 Parteien Corporate Citizenship wird häufig mit Konzepten zur Bürgergesellschaft verbunden (vgl. Kapitel I, 1.2.2.3) und alle großen politischen Strömungen können auf Traditionsbestände der Bürgergesellschaft zurückgreifen: Der Politische Liberalismus kämpfte für die Durchsetzung und Verteidigung der Bürgerrechte; die Sozialdemokratie förderte die Solidaritätspotenziale der genossenschaftlichen Selbsthilfebewegung; das Christlich-demokratische Spektrum berief sich auf das Subsidiaritätsprinzip, eng verknüpft mit der katholischen Soziallehre; die Grünen bzw. die ökologische Bewegung baute auf Bürgerinitiativen und Selbsthilfe. 267 Allerdings ist es nicht so leicht, Positionen zu CC an sich zu eruieren. Gibt man beispielsweise "Corporate Citizenship" als Suchstichwort auf den Internetseiten der Parteien ein, so erhält man kaum einen Treffer (alle Suchergebnisse bewegen sich zwischen null und sechs) und in keinem Fall findet 265
Vgl. www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/menschenrechte/mr_inhalte_ziele/ mrb6/teil_a/index_html; ebenso Bade (2003), 15f. Vgl. www.gtz.de/ppp; ebenso Bade (2003), 14 267 Vgl. Probst (2003), 31. Negativer formulierte es einige Jahre zuvor Hummel: "Der christdemokratische Reflex auf Bürgerengagement ist die Abwehr unkontrollierter Bürgerinitiativen; der sozialdemokratische Reflex ist das Misstrauen gegenüber dem bürgerlich-konservativen Vereinswesen und seinen subkulturellen Gegenspielern; der freidemokratische Reflex ist die Sorge vor einem bürokratisch-subventionierten Ehrenamt; der grüne Reflex ist der Verdacht, der Staat entziehe sich mit dem Hinweis auf Bürgerengagement der Förderung und Unterstützung wichtiger Basisinitiativen." Hummel (2000), 244. 266
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sich ein Dokument, dass sich ausschließlich dem Thema widmet. Corporate Citizenship taucht lediglich als Stichwort in anderen Zusammenhängen auf. Das könnte jedoch wiederum ein Indiz dafür sein, dass CC als Instrument betrachtet wird. Neben der Internetrecherche dienen Veranstaltungen der Parteien als Quellen. Die wenigen Befunde daraus fassen die folgenden Abschnitte nun kurz zusammen. Dabei scheint sich ein überparteilicher Konsens herauszukristallisieren, denn jede politische Richtung betont in der ein oder anderen Weise, dass Corporate Citizenship nicht als Lückenbüßer oder Ausfallbürge für den Staat gesehen werden dürfe: "Deshalb ist zu erwarten, dass es weniger um die rechtliche Festlegung von Pflichten geht, die Unternehmen als Bürger übernehmen müssen. Vielmehr müssen Unternehmen selbst bestimmen, wie sie Bürgertugenden definieren und umsetzen."268
Die SPD-Bundestagsfraktion veranstaltete im November 2000 einen Kongress unter dem Titel "Unternehmen und bürgerschaftliches Engagement: Aufbruch zu neuer Verantwortung".269 Dabei wurde anhand von drei Fragen diskutiert, ob und wie Unternehmen einen Beitrag zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements leisten: 1. Wie ist bürgerschaftliches Engagement in den Leitbildern von Unternehmen verankert? 2. Wie wird bürgerschaftliches Engagement bei Personaleinstellungen berücksichtigt? 3. Wie werden Freistellungen von Mitarbeitern für bürgerschaftliches Engagement gehandhabt? Der Titel (Unternehmen und BE) sowie die Fragen machen deutlich, dass es zunächst noch darum ging, Unternehmen für die allgemeine Engagementförderung zu gewinnen. Wie aus den weiter oben zitierten Äußerungen des Bundeskanzlers schon hervorging, verbindet die SPD Corporate Citizenship mit dem Thema Bürgergesellschaft. Die Beispiele aus den USA, Großbritannien und den Niederlanden zeigten, dass CC für die Bereitschaft der Unternehmen stehe, sich in das Gemeinwesen, in dem sie tätig sind, einzubringen und Verantwortung zu übernehmen. Unternehmen hätten ein "wohlverstandenes Eigeninteresse an 268
Polterauer (2004a), 39 Vgl. www.spdfraktion.de/pa/wag/ehrenamt/kongress.html, 12.03.2002; seit März 2001 liegt eine gleichnamige Broschüre vor, die zum einen den Kongress dokumentiert und zum anderen Best-Practice-Beispiele für Kooperationen von Unternehmen mit gemeinnützigen Projekten vorstellt.
269
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der Pflege des sozialen Kapitals der Gesellschaft".270 Unter der Wendung des wohlverstandenen Eigeninteresses nimmt die SPD Bezug auf den Win-WinCharakter von Corporate Citizenship. Sie unterscheidet dabei eine Positivwirkung nach außen (Imagegewinn, Akzeptanz bei Kunden und im Gemeinwesen) sowie eine Positivwirkung nach innen (Motivation und soziale Kompetenz der Mitarbeiter) und erklärt CC zu einem Element der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Mit dem Begriff des Sozialkapitals lehnt man sich an das Konzept Putnams an, denn Sozialkapital wird definiert als "die Fähigkeit der Gemeinschaft, Beziehungen zwischen den Menschen über gegenseitiges Vertrauen sowie Bindungsfähigkeit in politischen und sozialen Netzwerken zu stabilisieren".271 Das Interesse der Sozialdemokratie an der Förderung von Engagement im Allgemeinen und Corporate Citizenship im Besonderen stellt Gerhard Schröder auf dem Kongress in zweierlei Hinsicht her: Er sieht die Verbindung zum einen zur langen Tradition der organisierten Solidarität und Selbsthilfe, zum anderen zum modernen Staatsverständnis der Partei, dass der Staat nicht übernehmen müsse, was die Gesellschaft besser könne.272 Aufgabe von Partei und Politik sei die Aufklärung und Information, denn "es ist offenbar die konkrete und praktische Erfahrung mit Beispielen aus Deutschland, die beim Publikum neue Anregungen und Denkanstöße provoziert."273 Außerdem habe der Staat die Möglichkeit, als Arbeitgeber durch Freistellungen selbst als Corporate Citizen zu handeln. Damit knüpft die Partei an ihre Vorschläge zur allgemeinen Engagementförderung an, die vor allem Schutz (Haftpflicht- und Unfallversicherung), Anerkennung sowie die Infrastrukturförderung für Freiwilligenagenturen, nicht aber finanzielle Anreize als die geeigneten Wege vorsahen.274 Die Bundestagsfraktion setzt CC auch auf die politische Agenda der Legislaturperiode bis 2006. In ihrem "13-Punkte-Programm zur Umsetzung der
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Wilhelm Schmidt, MdB, 1. Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, in: SPD-Bundestagsfraktion (2001), 6 271 ebd. Vgl. dazu auch die Stellungnahme der Mitglieder der Enquete-Kommission aus der Fraktion der SPD in: Enquete-Kommission (2002), 129f. 272 a.a.O., 8 273 a.a.O., 6 274 Vgl. Stellungnahme der Mitglieder der Enquete-Kommission aus der Fraktion der SPD in: Enquete-Kommission (2002), 132
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Ergebnisse der Enquete-Kommission" heißt es unter 8. "Fortentwicklung des Corporate Citizenship": "Die Unternehmen sollen ihr Engagement für die Gesellschaft verstärken und bürgerschaftliches Engagement stärker unterstützen z.B. durch Freistellungen, Zeitkonten, Spenden und/oder auch Personalüberlassung."275
Die baden-württembergische Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen veranstaltete im Frühjahr 2004 ebenfalls eine eigene Tagung zu Corporate Citizenship unter dem Titel: "Tue Gutes und rede darüber. Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen".276 Erklärtes Ziel war, das Thema auf die politische Tagesordnung zu bringen und sich mit der Frage auseinander zu setzen, wie die politische Ebene CC voranbringen kann. In ihrem einleitenden Grußwort erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Brigitte Lösch das Engagement ihrer Partei damit, dass mehr Eigenverantwortung aller gesellschaftlichen Akteure und die Stärkung der Bürgergesellschaft "urgrüne" Positionen seien und Corporate Citizenship Unternehmen die Möglichkeit böte, ihren Beitrag dazu zu leisten. Rezzo Schlauch betonte seinerseits vor allem die Verbindung zwischen CC und dem antiautoritären Charakter der Grünen: "Es ist immer schon mein Verständnis Grüner Politik gewesen, von der Staatsfixiertheit der deutschen politischen Landschaft wegzukommen. Quer durch die verschiedenen Politikfelder legt ein Grün-Liberaler Ansatz Wert auf Freiheit und Emanzipation, auf Lösungen jenseits von Bürokratismus oder Marktreligion. Selbstorganisation, Zivilgesellschaft, Bürgerschaftliches Engagement sind hier unsere Stichworte. [...] Auch Unternehmen können zu zivilgesellschaftlichen Akteuren werden, auch Unternehmen sind in einem gewissen Sinne 'Bürger'."277
Er unterstreicht dabei, dass es um Unternehmensengagement im "aufgeklärten Eigeninteresse" gehe, also um die Vorteile für die Gesellschaft und das Unternehmen, und hebt das Prinzip der Freiwilligkeit hervor: "Dieser Aspekt ist für eine Partei, die aus dezidiert anti-autoritären Bewegungen heraus entstanden ist, von ganz großer Bedeutung."278
275
www.spdfraktion.de, 16.09.04 Die Tagung fand am 03.04.04 im Landtag von Baden-Württemberg statt. Details unter www.bawue.gruene-fraktion.de 277 Das Redemanuskript liegt der Verfasserin vor. 278 ebd. 276
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Auf Bundesebene findet sich in der Stellungnahme der Grünen Fraktionsmitglieder im Bericht der Enquete-Kommission noch ein stärker philanthropisch geprägtes Verständnis zum Engagement von Unternehmen. Denn darin hieß es: "Unternehmer haben nicht nur die Aufgabe, nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu handeln, sondern auch jenseits des unmittelbaren eigenen Nutzens. Denn Eigentum verpflichtet. [...] Dazu bedarf es aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen unter anderem einer weiteren Verbesserung und Förderung des Stiftungswesens."279
Vergleicht man diese Position mit den jüngsten Äußerungen, kann man hier durchaus von einer konzeptionellen Weiterentwicklung innerhalb der Partei sprechen. CDU/CSU verweisen auf ihrer Internetseite unter dem Stichwort Corporate Citizenship auf ihr Sondervotum zum Bericht der Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements".280 Unter dem Titel "Die Bürgergesellschaft ist unsere Zukunft" gehen sie auch auf die Rolle von Unternehmen und Unternehmern ein. Dabei wird zunächst auf das traditionelle Engagement der Wirtschaft in den Institutionen der Selbstverwaltung verwiesen und betont, dass die deutsche Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft stark auf die strukturierte Zusammenarbeit zwischen den sozialen Gruppen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme setze. Unter dem neuen Terminus "Corporate Citizenship" sieht man jedoch "noch andere Chancen bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen [...] Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittelständischer und großer Unternehmen." Durch betriebliche Freiwilligenprogramme könne man auch Gruppen für Engagement gewinnen, die bislang noch keinen Zugang dazu gefunden hätten. Auch hier steht also der instrumentelle Aspekt von CC für die allgemeine Engagementförderung im Mittelpunkt. Erwähnt werden aber auch mehrjährige Partnerschaften zwischen Unternehmen und sozialen Einrichtungen, die neben dem personellen Austausch auch logistische Unterstützung (Know-how, IuK-Technologie) durch 279
Mitglieder der Enquete-Kommission aus der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen: Abg. Christian Simmert (Mitglied), Abg. Dr. Antje Vollmer (stellvertretendes Mitglied) in: Enquete-Kommission (2002), 143 280 www.cducsu.de/section__6/subsection__1/id__0/publikationen.aspx, 16.09.04
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das Unternehmen beinhalten. Aufgabe der Politik sei, die Akteure dafür an einen Tisch zu holen. Noch im Bericht der Enquete-Kommission ist die Stellungnahme der FDPFraktion die einzige, die keine Passage zu Corporate Citizenship enthält. Fündig wird man allerdings auf der Internet-Seite der Bundestagsfraktion, die unter dem Stichwort CC eine Pressemitteilung der Partei zum Bericht der Kommission "Impulse für die Zivilgesellschaft" führt.281 Darin fordert die FDP, mit neuen Anreizen die vorhandenen Potenziale für ehrenamtliche Tätigkeiten zu erschließen. Als einen Weg sieht sie, Corporate Citizenship bzw. Days of Caring/Service zu fördern. Wie diese Förderung aussehen könnte wird zwar an dieser Stelle nicht detailliert; deutlich wird aber, dass CC als Instrument gesehen wird, mit dessen Hilfe das Engagement des Einzelnen geweckt werden soll. Die Suche auf der bundesweiten Internetseite der PDS unter dem Stichwort "Corporate Citizenship" blieb ergebnislos. Allerdings enthält die Stellungnahme der Vertreter der PDS-Fraktion im Bericht der Enquete-Kommission einige kurze Hinweise zum bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen. Zum einen fordern die Autoren "die Anerkennung von bürgerschaftlichem Engagement etwa bei der Bewerbung um Lehrstellen oder Arbeitsplätze"282. Zum anderen appellieren sie an die Unternehmen, "für Arbeitsbedingungen – von den Arbeitszeiten bis zu den Freistellungsregelungen – zu sorgen, die bürgerschaftliches Engagement außerhalb der Erwerbsarbeit ermöglichen"283. Ihrer Meinung nach ist "[b]ürgerschaftliches Engagement von Unternehmen im Sinne eines demokratisch verstandenen "corporate citizenship" [...] daran zu messen, wie weit es über die gelegentliche Spendenbereitschaft der Unternehmensführung hinaus auch die betriebliche Stärkung der Möglichkeiten einschließt, dass sie die Beschäftigten bürgerschaftlich engagieren könne."284
281
www.fdp-fraktion.de/pressemitteilung.php?id=37707&druckversion=1, 16.09.04 Die Mitglieder der Enquete-Kommission aus der Fraktion der PDS: Abg. Dr. Klaus Grehn (Mitglied), Abg. Monika Balt (stellvertretendes Mitglied) in: Enquete-Kommission (2002), 150 283 ebd. 284 ebd. 282
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2.2.2 Politiknahe Stiftungen Da Corporate Citizenship bislang kaum auf die politische Tagesordnung gelangt ist, schließt sich die Frage an, wie weit die konzeptionelle Vorarbeit der politiknahen Stiftungen gediehen ist. Die folgenden Abschnitte geben daher einen selektiven Überblick285, welche politischen Stiftungen sich zu dem Thema positionieren und wie sie dies tun, d.h. in welchen Kontext sie Corporate Citizenship jeweils einbetten. Es wird dabei deutlich, dass alle Stiftungen CC mit dem Stichwort "Bürgergesellschaft" verbinden. Innerhalb der Friedrich-Ebert-Stiftung setzt sich der Arbeitskreis "Bürgergesellschaft und Aktivierender Staat" mit Corporate Citizenship auseinander.286 In seiner Analyse-Reihe "betrifft: Bürgergesellschaft" erschienen zuletzt Thesen zu Corporate Citizenship in Deutschland unter dem Titel "Der deutsche Weg zum bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen."287 Darin definieren die Autoren Corporate Citizenship als "die mehr oder weniger strategisch ausgerichtete Investition in das natürliche und soziale Umfeld des Unternehmens mit dem Ziel, nachhaltiges Wachstum und Profitabilität zu fördern, die Reputation nach außen und nach innen zu steigern und dabei zugleich das Gemeinwohl zu befördern."288 Allerdings reflektiert das Papier nicht explizit die Position der Stiftung zu Corporate Citizenship, sondern stellt die Ergebnisse einer qualitativen Studie in acht deutschen Unternehmen dar. Die Heinrich-Böll-Stiftung veranstaltete im Februar 2002 eine Tagung zum Thema "Bürgergesellschaft und Sozialstaat", bei der sich ein Workshop auch
285
Die Angaben stützen sich weitgehend auf eigene Recherchen im Internet. Sie sind daher keineswegs erschöpfend und beschränken sich auf den Zeitraum bis Oktober 2004. Auf den Seiten der Friedrich-Naumann- und Rosa-Luxemburg-Stiftung fanden sich keine Angaben zu bürgerschaftlichem Engagement von Unternehmen. Die Friedrich-Ebert-, die Heinrich-Böll- und die Konrad-Adenauer-Stiftung sind jeweils Mitglied im BBE. 286 Der Arbeitskreis wird geleitet von Michael Bürsch, dem ehemaligen Vorsitzenden der Enquete-Kommission "Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements". In regelmäßigen Sitzungen diskutiert er Themen, die der Umsetzung bürgerschaftlichen Engagements und der Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission förderlich sind. 287 Die Publikationen sind abzurufen unter www.fes.de/buergergesellschaft 288 Heuberger/ Oppen/ Reimer (2004), 3. Die Autoren betrachten CC und CSR als Synonyme.
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dem Engagement von Unternehmen widmete.289 Im Vordergrund stand dabei die Frage des sozialen Zusammenhalts, des sozialen Kapitals, zu dessen Aufbau die Unternehmen durch ihre bürgerschaftlichen Initiativen einen Beitrag leisten. Der englische Terminus "Corporate Citizenship" tauchte dabei nur am Rande auf.290 Innerhalb der Konrad-Adenauer-Stiftung äußert sich das Kuratorium zu Corporate Citizenship. Es bettet seine Stellungnahme in sein Grundsatzpapier zur Bürgergesellschaft ein.291 Darin heißt es, dass Unternehmen wie Unternehmer in der Bürgergesellschaft eine wichtige soziale Rolle einnähmen, deren Voraussetzung sei, "dass sich Unternehmen in ihrer wirtschaftlichen Betätigung auch als verantwortliche Mitglieder der Gesellschaft begreifen."292 Als Formen von CC werden Spenden, Sponsoring und Stiftungen genannt –also klassische Instrumente des Mäzenaten. Der qualitative Unterschied bestehe allerdings darin, dass diese Instrumente nicht mehr "Ausnahme oder ein Gnadenakt" seien sondern eine Selbstverständlichkeit: "Im Idealfall werden Wirtschaftsunternehmen zu dauerhaften Mitträgern von Kultur- und Sozialinstitutionen."293
Hervorgehoben wird auch der Nutzen für das Unternehmen nach dem Motto "Tue Gutes mit Gewinn". Damit Unternehmen sich engagieren können, fordert das Kuratorium, dass sie durch Steuerentlastung und Entbürokratisierung den nötigen finanziellen Spielraum erhalten: "Ohne hinreichende Dispositionsmasse, die in freier Entscheidung für bürgergesellschaftliche Ziele verwendet werden kann, verhallt der Ruf nach Engagement."294
Das Konzept der Bürgergesellschaft, deren Element CC ist, definieren die Autoren u.a. anhand folgender Charakteristika: Der Staat konzentriert seine 289
Die Dokumentation ist erhältlich unter www.boell.de/downloads/arbeit/Doku24 Bürgergesellschaft.pdf, 18.10.04. Der Beitrag "Unternehmen in der Bürgergesellschaft" stammt von Backhaus-Maul/ Janowicz/ Mutz 290 Die Suche auf der Internet-Seite der Stiftung ergibt unter dem Stichwort "Corporate Citizenship" nur Treffer zu internationalen Politikbereichen wie z.B. dem Weltsozialforum. 291 Konrad-Adenauer-Stiftung (2003), 13, herunter zu laden unter: www.kas.de/db_files/ dokumente/7_dokument_dok_pdf_2604_1.pdf 292 ebd. 293 a.a.O., 14 294 a.a.O., 13, sinngemäß ebenfalls 10
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Kräfte auf seine originären und traditionellen Aufgaben; der Bürger begreift Verantwortung als aktive Teilhabe am Gemeinwesen und seiner Entwicklung, wobei "Tugenden", "Pflichten" und "Loyalitäten" als Stichworte wichtig sind; und schließlich werden die Kommunen durch die Erneuerung des Subsidiaritätsprinzips wieder attraktive Organe der Selbstverwaltung.295 Als nachahmenswert gelten lokale Bündnisse von Gemeindeorganen, Unternehmen, Vereinen, religiösen Gemeinschaften, Schulen und engagierten Bürgern.296 Außerdem finden sich in dieser Konzeption von Bürgergesellschaft kommunitaristische Ideen und Anklänge an das Sozialkapital-Konzept von Putnam, wenn es heißt, dass "Ehrenamt, Vereine, Initiativen und Projekte helfen können, im internen Handeln demokratischen Gemeinsinn zu bilden."297 Neben dem Kuratorium beschäftigt sich ein Projekt unter dem Titel "Wirtschaft: Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen" mit Corporate Citizenship. Dazu heißt es auf der Internetseite der Stiftung: "Weil die Bürgergesellschaft auf Unternehmer angewiesen ist, die erfolgreich sind, wird das Projekt [...] die Bedeutung besonders der mittelständischen Unternehmen für die Gesellschaft in den Blickpunkt nehmen. Dabei geht es um die notwendigen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für bürgerschaftliches Engagement dieser Unternehmergruppe."298
Da das Projekt noch nicht abgeschlossen ist, findet sich statt weiterer Details ein Verweis auf einen Aufsatz des Sprechers des Vorstandes der Commerzbank AG Klaus-Peter Müller. Unter der Überschrift "Die Soziale Marktwirtschaft leben. Unternehmer und Manager als Akteure der Bürgergesellschaft"299 verknüpft er CC mit Forderungen, den Mittelstand in Deutschland zu fördern, denn der Mittelstand habe durch seinen Einsatz für regionale Belange eine Vorbildfunktion für unternehmerische Verantwortung.
295
a.a.O., 6f. a.a.O., 23 a.a.O., 15 298 www.kas.de/stiftung/leitprojekte/buergergesellschaft/leistungstraeger/1215_website. html, 03.10.04 299 Erschienen in: Politische Meinung, Nr. 414, Mai 2004, 21-24 296 297
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Auch die CSU nahe Hanns-Seidel-Stiftung widmet sich Corporate Citizenship, allerdings unter dem normativen Titel: "Moral im Kontext unternehmerischen Denkens und Handelns"300. Einleitend heißt es darin: "Das Unternehmen [ist] als "Corporate Citizen" auch Teil einer aktiven Bürgergesellschaft. Es ist seinem Gemeinwesen gegenüber verpflichtet."301
Der CSU-Generalsekretär Markus Söder definiert in seinem Beitrag CC als "das unternehmerische Engagement für das gesellschaftliche Gemeinwohl"302. Ethik wie Profit sollten zum betriebswirtschaftlichen Maßstab erhoben werden, so das erklärte Ziel. Zum einen wird die lange Tradition des sozial verantwortlichen Unternehmertums in Deutschland betont, zum anderen wird hervorgehoben, dass CC angesichts knapper werdender öffentlicher Ressourcen und der Kosten des demografischen Wandels immer wichtiger werde. So spiele "betriebliche Sozialpolitik" wie z.B. die Einrichtung von Betriebskindergärten eine bedeutende Rolle. Allerdings gehe es auch nicht darum, Verantwortung allein auf die Unternehmen abzuwälzen: "Gleichzeitig steht das Gemeinwesen [...] in der Pflicht, leistungsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen und diese vor allem auch langfristig und zuverlässig abzusichern."303
2.3 Exkurs: Die Entwicklung in anderen EU-Staaten Betrachtet man die Rolle der Politik für Corporate Citizenship in Deutschland, ist ein Blick auf die Entwicklungen in einigen europäischen Nachbarstaaten fast unumgänglich. Ihr Beispiel dient Vielen als Maßstab, um die Situation in Deutschland zu beurteilen. Auch der Bericht der Enquete-Kommission beschäftigt sich mit CC in Europa.304 Allerdings muss man stets berücksichtigen, dass die Ansätze der verschiedenen Länder nur bedingt vergleichbar sind: Die Unterschiede der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie z.B. der Grad des Sozialstaates oder in der Konzeption (manche sprechen von CC, andere von CSR) schränken die Übertragbarkeit ein. Dennoch erscheint es unter 300
Der Sammelband kann herunter geladen werden unter www.hss.de/downloads/ argu39.pdf Peter Stein a.a.O., 6. Was jedoch unter Bürgergesellschaft zu verstehen ist, wird an dieser Stelle nicht erläutert. 302 a.a.O., 7 303 Peter Stein a.a.O., 6 304 Vgl. Enquete-Kommission (2002), 463-467 und (2003), 91-145 301
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zumindest einem Aspekt sinnvoll, eine Auswahl der am häufigsten als Vorreiter zitierten Länder zu präsentieren: Einige der hier Interviewten verweisen explizit auf bestimmte Initiativen, die ihnen als Referenzpunkte dienen. Die folgenden Abschnitte skizzieren daher knapp die aktuelle Praxis zu CC bzw. CSR in ausgewählten Ländern.305 Dabei soll auch kurz das Selbstverständnis der politischen Akteure beleuchtet werden. Das Hauptinteresse der belgischen Regierung an CSR gilt den Themen Beschäftigung und sozialer Zusammenhalt: "These are undoubtedly the major underlying drivers of many initiatives on CSR taken in Flanders and Belgium."306
Diesem Fokus entsprechend hat die belgische Regierung im Februar 2002 zunächst ein soziales Gütesiegel eingeführt, das Importe aus Entwicklungsländern auszeichnet, die im Einklang mit den Arbeitsnormen der International Labor Association (ILO) hergestellt wurden. Zu den fünf wesentlichen Standards gehört der Verzicht auf Kinder- oder Zwangsarbeit, der Schutz vor Diskriminierung, das Recht, einer Gewerkschaft beizutreten, sowie das Recht der Gewerkschaften, über die Arbeitsbedingungen zu verhandeln.307 Im gleichen Jahr setzte die Regierung eine interministerielle Arbeitsgruppe ein, um auf der Grundlage des Grünbuchs der EU-Kommission eine nationale CSR-Strategie zu erarbeiten. Die Arbeit dieser Gruppe gilt als wichtiger Stimulus für eine breite, nationale CSR-Diskussion. Bis dato war vor allem Flandern Vorreiter bei CSR. Bereits im Jahr 2000 hatte der flämische Minister für Arbeit und Tourismus die Initiative TRIVISI ins Leben gerufen, die Unternehmen für Triple-Bottom-Line-Ansätze gewinnen will.308
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Die Reihenfolge richtet sich nach dem Alphabet und nicht nach den Inhalten. Einen guten Überblick gibt auch die CSR-Matrix der "European Business Campaign on Corporate Social Responsibility", zu finden in: "It simply Works Better – Campaign Report on European CSR Excellence 2003-2004" unter: www.csrcampaign.org und der von Habisch/ Jonker/ Wegner/ Schmidpeter herausgegebene Sammelband: Corporate Social Responsibility Across Europe. Vgl. ebenfalls Gribben/ Pinnington/ Wilson (2001) und zu Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden Riedel (2003). 306 Heene/ Langenberg/ Dentchev (2004), 82 307 Vgl. Europäische Kommission (2002), 49 und Heene/ Langenberg/ Dentchev (2004), 78; ebenfalls: Final Programme, Breakout Session C "Public Policies in Support of CSR", www.copenhagencentre.org/eu2002 308 Vgl. Heene/ Langenberg/ Dentchev (2004), 80 und 82. An dem Netzwerk sind neben Unternehmen auch NGO, Wissenschaftler und Wohlfahrtsorganisationen beteiligt.
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Während ihrer EU-Präsidentschaft 2001 organisierte die belgische Regierung die erste CSR-Konferenz für die EU-Mitgliedstaaten. Zentrales Thema der Konferenz war die Rolle der öffentlichen Hand bei der Förderung von CSR, womit sich die Perspektive von einer unternehmerischen zu einer politischen Sicht verschob.309 In Dänemark geht die Beschäftigung mit CSR auf Fragen der sozialen Integration – vor allem Arbeitsloser – zurück. Bereits 1994 initiierte das Sozialministerium eine Kampagne "Unser gemeinsames Anliegen – Die soziale Verantwortung der Unternehmen" mit Konferenzen und zahlreichen Studien.310 Im Zentrum stand die Suche nach neuen sozialen Partnerschaften zwischen Unternehmen, Arbeitnehmern und lokalen Behörden.311 Diese Partnerschaften werden heute allgemeiner definiert: "People and organisations from some combination of public, business and civil constituencies who engage in voluntary, mutually beneficial, innovative relationships to address common societal aims trough combining their resources and competencies."312
Der Arbeitsminister Claus Hjort Frederiksen betont die Freiwilligkeit des bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen: "For me it is vital that CSR remains a voluntary agenda, mainly driven by businesses and their employees. It is the only way CSR can become an integrated part of a sound business strategy, and not an add-on. Does this mean that I want to leave it all to business. No, of course not. Businesses cannot be expected to take the role of 'society's social consciousness'."313
Dementsprechend sieht er die Rolle der Regierung vor allem als Moderatorin: "We can facilitate exchange of experience. [...] We can provide better knowledge and build capacity."314
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Vgl. a.a.O., 81 Vgl. Gribben et al (2001), 35; ebenfalls: Europäische Kommission (2002), 49 Und Morsing (2004), 26 311 Vgl. Aaronson/Reeves (2002), 39. Neben lokalen Partnerschaften wurde u.a. ein nationaler Sozialrat gegründet, der aus Mitgliedern des dänischen Gewerkschaftsverbandes, des Arbeitsgeberverbandes, des Bundes der Gemeinden und Städte, des Bundes der Regionen, des Arbeits- und des Sozialministeriums besteht. Vgl. Europäische Kommission (2002), 49 312 The Copenhagen Centre: Government as Partners, 8 313 Welcome speech at EU Presidency Conference "Mainstreaming CSR across Europe", November 21-22, 2002, Helsingoer, Denmark 314 ebd. 310
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Aus diesem Selbstverständnis heraus unterstützt die dänische Regierung vor allem die Forschung zu CC, wie die Gründung des Copenhagen Centre 1999 zeigt, das sich inzwischen als führender Think Tank in Europa etabliert hat. Darüber hinaus entwickelte das Sozialministerium einen "Sozialindex", den Unternehmen als Instrument der Selbstevaluierung nutzen können, um den Grad ihrer sozialen Verantwortung zu messen und zu kommunizieren.315 Zu den wenigen gesetzgeberischen Initiativen zählt die seit 1995 geltende Verpflichtung, dass börsennotierte Unternehmen Daten zu ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit veröffentlichen müssen. "[Außerdem] hat das dänische Parlament im April 2001 ein Gesetz verabschiedet, das öffentlichen Stellen ermöglicht, bestimmte soziale Kriterien von Unternehmen einzufordern, die Dienstleistungen für diese Behörde erbringen oder von ihr Subventionen erhalten."316
CSR hat in Frankreich eine relativ junge Geschichte, wofür neben der sozialstaatlichen Tradition zwei Gründe angeführt werden: ein kultureller und ein sprachliche Grund. Kulturell spiele eine Rolle, dass das Schweigen über das eigene Engagement als Beweis der Redlichkeit und Authentizität gelte (ein Argument, das auch in Deutschland häufig anzutreffen ist); sprachlich sei ausschlaggebend, dass "social" in Frankreich nur die firmeninternen Verhältnisse beschreibe nicht aber die gesellschaftlichen Auswirkungen der Wirtschaftstätigkeit.317 Dennoch haben sich die Unternehmen mit Corporate Citizenship befasst. 1995 veröffentlichte der Arbeitgeberverband Conseil National du Patronat Français (CNPF) ein Positionspapier "Citoyenneté de l'Entreprise: pour jouer pleinement notre rôle dans la cité", gefolgt von einigen Konferenzen. Darin ging es vor allem um den Beitrag von Corporate Citizenship zur (lokalen) wirtschaftlichen Entwicklung.318 Die französische Regierung führte 2002 mit ihrem "Loi sur les nouvelles régulations économiques" (La Loi NRE)319 die Verpflichtung für Aktien-
315
Vgl. Europäische Kommission (2002), 50 und Morsing (2004), 30; eine englische Fassung des Index ist zu finden unter: europa.eu.int/comm/dgs/employment_social/ lisbonconf2000/berrit.pdf 316 Europäische Kommission (2002), 50 317 Vgl. Beaujolin/ Capron (2004), 99f. 318 Vgl. Gribben et al (2001), 32. 319 Der Wortlaut findet sich z.B. in: Obsérvatoire sur la Responsabilité Sociétale des Entreprises (2003): L'accompangement des PME par les Très Grandes Entreprises dans
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gesellschaften ein, Triple-Bottom-Line-Berichte zu veröffentlichen. Die Unternehmen müssen u.a. darüber berichten, inwiefern sie dafür Sorge tragen, dass auch ihre Lieferanten die Arbeitsnormen der ILO berücksichtigen. Dabei müssen sie auch darstellen, wie sich ihre Geschäftstätigkeit auf die lokale Gesellschaft und regionale Entwicklung an ihren Standorten im Ausland auswirkt.320 Daneben schreibt das Gesetz über vermögenswirksame Leistungen vor, dass Investmentfonds, die Mittel aus vermögenswirksamen Leistungen oder unternehmenübergreifenden Sparplänen verwalten, über ihre Politik des sozial verantwortlichen Investierens berichten.321 Im Juni 2003 verabschiedete die Regierung außerdem eine nationale Strategie zur nachhaltigen Entwicklung, die im ersten Kapitel auch Ziele für CSR festlegt.322 Einigen CC-Befürwortern gilt Großbritannien als der Vorreiter für CC – nicht nur in Europa sondern sogar weltweit. Sie machen ihr Urteil vor allen Dingen an drei Aspekten fest: Die britische Regierung: • hat als erste und bislang als einzige einen Minister323 benannt, der für CSR verantwortlich ist; indem sie so das Thema auf höchster Regierungsebene ansiedelt, verleiht sie ihm besondere Aufmerksamkeit; • setzte auf Merkmechanismen, um CSR zu fördern (Bsp. Regelungen für Pensionsfonds); • beteiligt sich an sektorübergreifenden Partnerschaften, die gemeinsam Standards entwickeln (wie z.B. die Ethical Trade Initiative).324 Traditionell sind in Großbritannien die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik von Selbstregulierung geprägt. Dies beeinflusst auch den Umgang mit CSR. So beschreibt die Regierung in ihrem ersten Bericht zu CSR, den sie im uns logique de développement durable, 26, www.orse.org; Vgl. auch www.legifrance.gouv.fr Vgl. auch Beaujolin/ Capron (2004), 104 321 Vgl. Grünbuch der EU-Kommission (2001), 24 322 Vgl. Beaujolin/ Capron (2004), 103 323 Kim Howells wurde als Minister for Corporate Social Responsibility im März 2000 vom Premierminister ernannt. Ihm folgten im Amt Douglas Alexander, Stephen Timms (2002) und Nigel Griffiths (2004). Neben CSR ist der Minister auch verantwortlich für das Postwesen, Energie und E-Commerce. 324 Vgl. Aaronson/Reeves (2002), 29; ähnlich Moon (2004), 60 ebenso Bethin/ Vandenhende (2003), 215 320
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März 2001 veröffentlichte und in dem sie ihre Pläne darstellte, ihr Rollenverständnis wie folgt: "It is important that Government does not duplicate or displace the contribution that business is already making in this area. Government must identify where it can add value and enhance the work of the private sector."325
Die Initiative für CSR solle vor allem von den Unternehmen ausgehen, während die Regierung eine ermöglichende Funktion übernehme. Zur Definition ihres Selbstverständnisses gehört auch, eine interessierte Öffentlichkeit herzustellen, um Anreize für Unternehmen zu schaffen, sich zu engagieren und Partnerschaften mit anderen Akteuren einzugehen. Consult with stakeholders
Consult with business, NGSs and others
Initial commitment
Identify external concerns and relate to business
Review strategy and plan actions
Implement
Measure and report results
Raise awareness of business case
Support business participation in key initiatives
Advice and guidance from government services
Promote consensus on UK & Internat. codes of practice
Promote framework for reporting and labelling
Abb. 12: Definition der eigenen Rolle: Unterstützung durch die Regierung in den einzelnen CSR-Prozessschritten; Quelle: DTI (2001), 7
Das deutlichste Signal setzte die britische Regierung durch drei konzertierte Maßnahmen: die bereits erwähnte Ernennung eines Ministers für CSR, den ebenfalls schon zitierten Regierungsbericht und die Einrichtung einer Internetseite, die Best-Practice-Beispiele, Informationsquellen und Ratschläge bietet. Damit schuf sie einen einheitlichen Zugang zur gesamten Breite der Regierungsmaßnahmen zu CSR.326 325
Department of Trade and Industry – DTI (2001): Business and Society – Developing corporate social responsibility in the UK, 6, www.societyandbusiness.gov.uk/ government/index.html. Im Anhang bietet die Broschüre einen Überblick über alle CSRAktivitäten der verschiedenen Ministerien. Vgl. Moon (2004), 58f. 326 Vgl. Europäische Kommission (2002), 51; ebenso Moon (2004), 58
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Beispiel für eine erfolgreiche trisektorale Kooperation und Ausdruck des Selbstverständnisses der britischen Regierung ist daneben die Ethical Trade Initiative (ETI): "The ETI [...] represents an interesting shift in the role of the state [...] away from being a standard-setter and regulator, and towards a more facilitating role of setting up frameworks for the voluntary self-regulation of corporations."327
Die ETI wurde 1998 ins Leben gerufen als Gemeinschaftsprojekt von Unternehmen, Gewerkschaften, NGO und der britischen Regierung. Ihr Ziel ist, die Achtung der Menschenrechte innerhalb der globalen Wertschöpfungsketten zu fördern und die Einhaltung von Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen sicherzustellen. Darüber hinaus arbeitet sie daran, Maßstäbe für die effektive Anwendung und Kontrolle von Verhaltenskodizes zu entwickeln. Auf Regierungsseite wird die ETI unterstützt vom Entwicklungshilfeministerium (Department for International Development). Damit gehört die ETI zu den wenigen freiwilligen Initiativen, die öffentliche Akteure einbindet.328 Die britische Regierung nutzte aber auch ihre Gesetzgebungskompetenz, um CSR zu fördern: "A 1996 amendment to the Occupational Pensions Schemes (Investment) Regulations required pension fund to disclose how they take into account of social, environmental and ethical factors in their investment decisions. This "soft" regulation does not require any particular behaviour other than to report. [...] Similarly, the White Paper on Company Law Reform anticipates stock exchange listed companies having to report on how they take account of the interests of such stakeholders as employees, the community and the environment."329
Als wichtiger Akteur hat sich auch das Unternehmens-Netzwerk "Business in the Community" (BitC) etabliert, das eng mit dem Department of Trade and Industry zusammenarbeitet und jährlich einen "Award for Business Excellence" verleiht.330
327
Pearson/ Seyfang (2001), 54 vgl. a.a.O., 60 Moon (2004), 60 330 BitC wurde 1985 gegründet und zählt heute ca. 700 Mitgliedsunternehmen. Diese finanzieren über ihre jährlichen Beiträge die Projektarbeit. Vgl. www.bitc.org.uk; ebenso Moon (2004), 57 328 329
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In den Niederlanden ging die Entwicklung des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen einher mit einer Sozialstaatsreform, in deren Folge sich der Staat als Erbringer von Sozialleistungen zurück- und die anderen Akteure stärker in die Verantwortung nahm. Gepaart war diese Reform mit einer politischen Dezentralisierung, die die Kommunen stärkt und ihnen die Möglichkeit zu einer eigenständigen Förderpolitik gibt.331 Grundsätzlich sieht die Regierung CSR als eine Angelegenheit der Unternehmen und möchte auf regulative Maßnahmen weitgehend verzichten. Allerdings startete das Ministerium für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport 1997 gemeinsam mit Firmen ein dreijähriges Modellprogramm, um Beschäftigte für Corporate Volunteering-Projekte zu gewinnen.332 Und inzwischen knüpft sie die Gewährung von Exportkrediten daran, dass sich die Unternehmen schriftlich zu den OECD-Richtlinien bekennen.333 Anfang 2001 beauftragte die Regierung den Sozialwirtschaftlichen Rat (SER)334, Empfehlungen für ein am Gemeinwohl orientiertes Unternehmertum vorzulegen. In diesem Bericht definiert der SER zwei Kriterien, die ein Unternehmen erfüllen muss, um als sozial verantwortlich zu gelten: 1. "consciously targeting business activities towards value creation on three levels – Profit, People, Planet – and hence contributing to society's prosperity in the longer term"; 2. "maintaining a relationship with the various stakeholders which is based on transparency and dialogue and which responds to the legitimate demands of society".335
In ihrer Antwort auf das Papier des SER, die unter dem Titel erschien "Corporate Social Responsibility: the Government perspective", übernahm die niederländische Regierung die meisten Empfehlungen und versprach, CSR
331
Dieser Ansatz geht zurück auf das niederländische Poldermodell: "Dies steht für konsensorientierte, komplexe Konsultationsund Abstimmungsprozesse der verschiedenen gesellschaftlichen Akteure, die durchaus unterschiedliche Interessen verfolgen, und ist eingebettet in eine Kultur der Konsultation und Kompromissfindung." Enquete-Kommission (2002), 464. Vgl. auch Riedel (2003) 332 Vgl. Riedel (2003), 104 333 Vgl. Aaronson/Reeves (2002), 33 und Europäische Kommission (2002), 50 334 Der SER setzt sich aus Vertretern von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sowie unabhängigen Experten zusammen und berät die Regierung in sozialökonomischen Fragen. 335 SER (2001): Corporate Social Responsibility – A Dutch Approach, zitiert nach Cramer (2004), 91
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weiter zu fördern.336 Dazu gehörte die Wiederbelebung des Nationalen Kontaktbüros zur Umsetzung der OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen und die Veröffentlichung eines Leitfadens, der Unternehmen helfen soll, über CSR zu berichten. (Umstritten ist jedoch nach wie vor der Vorstoß einiger Abgeordneter, CSR-Berichte gesetzlich vorzuschreiben.) Ein weiterer Förderschwerpunkt ist die Unterstützung von Netzwerk- und Mittlerorganisationen, um trisektorale Partnerschaften zwischen Kommunen, Wirtschaft und Drittem Sektor zu erleichtern. Ähnlich wie in Dänemark wird auch in den Niederlanden der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit CSR viel Bedeutung beigemessen. So finanzierte das Wirtschaftsministerium 2003/2004 ein nationales Forschungsprogramm zu CSR, an dem 25 Wissenschaftler von sieben Universitäten in acht Projekten beteiligt waren.337 Außerdem richtete sie im November 2004 eine europäische CSR-Konferenz aus, in deren Verlauf die Ministerin für Außenhandel an die EU-Kommission appellierte: "to present to both Council and Parliament at the latest by summer 2005, a comprehensive set of concrete proposals on promotion of CSR practices both in Europe and globally."338 Um ihre verschiedenen Initiativen zu Corporate Citizenship zu bündeln, hat die niederländische Regierung eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet.339 Die CC-Aktivitäten der Länder werden – wie bereits erwähnt – in zahlreichen Arbeiten unter verschiedenen Gesichtspunkten miteinander verglichen. Immer schneidet Deutschland allenfalls mittelmäßig ab. Eine dieser Einordnungen sei hier stellvertretend herausgegriffen.340 In der Bewertung der National Policy Association (NPA)341 erscheint Deutschland im Vergleich zu den anderen hier aufgeführten Ländern als
336
Vgl. Europäische Kommission (2002), 51 und Cramer (2004), 91 Vgl. Cramer (2004), 94 Karien van Gennip, Maastricht, November 9 2004, Final conclusions unter: www.csr2004.nl, 16.11.04 339 Vgl. Gribben et al (2001), 32 340 Daneben z. B. Roome (2004), Lenssen/ Vorobey (2004), Enquete-Kommission (2002), 463ff. 341 Die NPA ist eine Nicht-Regierungs-Organisation mit Sitz in den USA, die sich seit 70 Jahren als Think Tank zu aktuellen Fragen der Politik in Amerika und der Welt versteht. Vgl. www.npa1.org/default.asp, zuletzt 15.04.03 337 338
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Schlusslicht.342 Demnach ist in Deutschland die Regierung bei Corporate Citizenship nur wenig aktiv. Sie fördere das Thema allenfalls durch deklaratorische Bekenntnisse in Reden oder im Internet, sodass es im öffentlichen Bewusstsein kaum verankert sei. Eine ähnlich schlechte Bewertung erhalten lediglich Argentinien und Brasilien. Beteiligung der öffentl. Hand
Förderung d. Regierung
Bewusstsein in d. Öffentlichkeit
Belgien
Hoch
Hoch
Mittel
Dänemark
Hoch
Hoch
Mittel
Deutschland
Niedrig-Mittel
Mittel
Niedrig
Frankreich
Mittel
Mittel
?
Großbritannien
Hoch
Hoch
Mittel
Niederlande
Hoch
Hoch
Hoch
Abb. 13: CC in Europa – Niveau der Aktivitäten in ausgesuchten Ländern; Quelle: www.multinationalguidelines.org/csr/csr_around_the_world.htm, 15.04.03 (eigene Übersetzung)
Deutsche Wissenschaftler betonen hingegen, dass in der CC-Diskussion in Deutschland nicht vergessen werden dürfe, "dass der Wohlfahrtsstaat spezielle Strukturen in Form von Wohlfahrtsverbänden oder ein kommunales Verwaltungssystem hervorgebracht hat, die beide bei der Konzipierung von CC in Deutschland zu berücksichtigen und mit einzubeziehen sind [...] Insbesondere der deutsche Korporatismus scheint eine tiefer greifende Debatte über politische Rahmenbedingungen zu verhindern."343
342
Die Bewertungen im Einzelnen around_the_world.htm, 15.04.03 343 Mutz/ Korfmacher (2003), 50
unter
www.multinationalguidelines.org/csr/csr_
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Kapitel II: Corporate Citizenship und die Rolle der Politik in vier Bundesländern 1 Forschungsdesign und empirisches Vorgehen 1.1 Qualitative Erhebung Für die vorliegende Arbeit wurde aus forschungspraktischen Gründen ein qualitativer, explorativer344 Ansatz gewählt, da zu dem Forschungsgegenstand wenig Vorwissen verfügbar ist. Corporate Citizenship ist ein junges, empirisch erst wenig erforschtes Thema in Deutschland. Die Rolle der Politik ist bislang sogar fast völlig unberücksichtigt geblieben. Es existieren weder präzise Begriffe noch Theorien, die den Forschungsprozess hätten anleiten können. Ziel ist daher, induktiv, durch offene, wenig standardisierte Verfahren die soziale Realität zu erfassen bzw. soziale Phänomene zu entdecken.345 Erst die Ergebnisse der Datenerhebung bieten die Möglichkeit, durch Techniken der Interpretation zu typisierenden Aussagen zu gelangen und erste Hypothesen zu formulieren. Zentrales Prinzip dieses Vorgehens ist die Offenheit in verschiedener Hinsicht: Offenheit bzgl. des theoretischen Konzeptes, Offenheit den untersuchten Personen gegenüber, Offenheit in der Erhebungssituation und schließlich Offenheit in der Entwicklung hypothetischer Aussagen.346 Der in Kapitel I erarbeitete theoretische Bezugsrahmen hat nur Orientierungscharakter, um für
344
Zur qualitativen Forschung als Exploration vgl. Lamnek (1988), 95ff. Exploration hat grundsätzlich drei Funktionen: 1. Das Formulieren von Hypothesen und Thesen, 2. das Modifizieren von Hypothesen und Thesen, 3. das partielle Prüfen von Hypothesen und Thesen. Für die vorliegende Arbeit ist vor allem die erste Funktion relevant. 345 Demgegenüber sucht quantitative Forschung theoretische Annahmen und vorab entwickelte Begriffe deduktiv mit standardisierten Erhebungsmethoden zu verallgemeinern. Zur Gegenüberstellung von quantitativer und qualitativer Forschung vgl. beispielsweise Patzelt (1992), 238f. und Lamnek (1988), z.B. 124. Zur Theorie qualitativen Denkens vgl. beispielsweise Mayring (2002). Er formuliert fünf qualitative Forschungsgrundsätze: "stärkere Subjektbezogenheit der Forschung, die Betonung der Deskription und der Interpretation der Forschungssubjekte, die Forderung, die Subjekte auch in ihrer natürlichen, alltäglichen Umgebung zu untersuchen, und schließlich die Auffassung von der Generalisierung der Ergebnisse als Verallgemeinerungsprozess" (19ff. Hervorhebungen durch den Autor). Präzisiert werden diese Grundsätze in 13 Säulen qualitativen Denkens (24ff.). 346 Vg. Lamnek (1989), 15
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die zu untersuchenden Phänomene zu sensibilisieren.347 Die Forscherin geht ansonsten gegenstandsbezogen vor: Das Verfahren besteht nicht darin, fertige Instrumente zu übernehmen, sondern die Prozessorientierung, d.h. das schrittweise Gewinnen und Prüfen von Daten, steht im Vordergrund. Zusammenhang und Beschaffenheit der einzelnen Elemente schälen sich dabei erst langsam heraus.348 Die Wahl der Landesebene in der Forschungsfrage legt Einzelfallstudien als Untersuchungsform bzw. Forschungsansatz nahe. Ziel ist, ein möglichst umfassendes Bild darüber zu erhalten, wie in den ausgesuchten Ländern die politischen Akteure Corporate Citizenship sehen und behandeln. Fallstudien erlauben einen multimethodischen Ansatz und erst die bewusst geplante Methodenvielfalt bringt in einem neuen und komplexen Forschungsfeld wie Corporate Citizenship die notwendige Fülle an Informationen, um ein Gesamtbild zu erstellen und die gefundenen Teilinformationen gegenseitig validieren zu können.349 In der qualitativen Forschung streben Fallstudien eine wissenschaftliche Rekonstruktion von Handlungsmustern an, die zwar individuell festzumachen sind, aber keineswegs nur einmalig oder individuenspezifisch wären.350 1.1.1 Definition der Untersuchungseinheit Untersuchungseinheit sind Akteure aus Ministerien und Staatskanzleien in vier Bundesländern: Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die Wahl der Länderebene liegt im föderalen System begründet: So schied angesichts der vielfach geäußerten Forderung, die Politik möge die Rahmenbedingungen für Corporate Citizenship schaffen351, einerseits die Bundesebene aus, da die Länder in vielen Feldern wohlfahrtsstaatlicher Politik weitgehend autonom entscheiden und handeln; andererseits
347
Vgl. Lamnek (1988), 131f. Vgl. z.B. Mayring (2002), 67ff. 349 Vgl. Lamnek (1989), 5. Er spricht von Methodentriangulation. Sie macht das Ausmerzen erkannter Fehler möglich und stellt eine Prophylaxe gegen unbekannte Fehler dar. Bei Lamnek findet sich auch ein Überblick über die wichtigsten Definitionselemente von Fallstudien a.a.O. 7f. und 34. 350 Vgl. Lamnek (1989), 16 351 Vgl. z.B. Enquete-Kommission (2002) 479, Bürsch (2003), 40 348
100
kam eine ausschließliche Betrachtung der Kommunen nicht in Frage, da Kommunen nur Entscheidungen von begrenzter Reichweite treffen können.352 1.1.2 Wahl der Untersuchungsmethode Primäre Untersuchungsmethode ist eine gängige Form qualitativer Befragung: Das Leitfaden-Interview. Diese Form der Befragung zeichnet sich durch drei Eigenschaften aus: Sie ist offen, nur teil-strukturiert und qualitativ.353 Die offene Eigenschaft des Interviews bezieht sich auf den Freiheitsgrad des Befragten, der ohne Vorgaben antworten kann und mit seinen eigenen Worten formulieren darf, was ihm im Bezug auf das Thema wichtig ist. Er kann also seine "Relevanzsysteme"354, seine "Wirklichkeitsdefinitionen"355 offen legen und erklären. Dadurch kommt das Interview einer alltäglichen Gesprächssituation sehr nahe. Darüber hinaus bietet diese Gesprächsführung weitere Vorteile: Zum einen konnte die Interviewerin leicht überprüfen, ob sie vom Befragten überhaupt verstanden wurde bzw. ob umgekehrt sie den Befragten richtig verstanden hat. Zum anderen kann der Befragte seine eigenen Perspektiven und Deutungen darlegen und selbst Zusammenhänge und Strukturen entwickeln. Dies ist in der vorliegenden Untersuchung besonders wichtig, da es um die Frage ging, wie die politischen Akteure selbst ihre Rolle beim Thema Corporate Citizenship sehen und ausfüllen. Der Aspekt der Teilstrukturierung bezieht sich auf die Freiheitsgrade der Interviewerin. Diese hat zwar vor dem Gespräch das Thema für sich analysiert 352
Vgl. auch die Begründung zur Wahl der Länderebene in einer ähnlich angelegten Studie zu Förderstrategien individuellen bürgerschaftlichen Engagements Schmid/ Otto (2003), 13. 353 Zur Begriffsbestimmung vgl. Mayring (2002), 66ff. Einen Überblick geben auch Bortz/ Döring (2002), 314 und Lamnek (1989), 37. Zu den methodologischen Kriterien, denen ein qualitatives Interview genügen muss, vgl. Lamnek (1989) 64: Prinzip der Reflexivität von Gegenstand und Analyse, Prinzip des Alltagsgespräches, Prinzip der Zurückhaltung durch den Forscher, Prinzip der Relevanzsysteme der Betroffenen, Prinzip der Kommunikativität, Prinzip der Offenheit, Prinzip der Flexibilität, Prinzip der Prozesshaftigkeit, Prinzip der datenbasierten Theorie, Prinzip der Explikation. 354 Lamnek (1989), 51. 355 Lamnek (1989), 61: "[W]ährend in der quantitativen Befragung, also bei weitestgehender Standardisierung, der Forscher mit einem theoretischen Konzept, das er selbst und quasi unabhängig vom zu untersuchenden Objektbereich entwickelt hat, also mit seiner operationalisierten Wirklichkeitsdefinition, zum Befragten kommt und dieser dann in das Schema des Forschers hineingezwängt wird. Aus der Ablehnung dieser Prädetermination durch den Forscher ergibt sich das zentrale Prinzip interpretativer Sozialforschung, das natürlich auch qualitativen Interviews eigen ist, nämlich das Prinzip der Offenheit."
101
und bestimmte Aspekte in einem Gesprächsleitfaden festgehalten, auf die sie in ihren Fragen immer wieder zurückkommt. Sie ist aber an keinen starren Fragenkatalog gebunden. Der Vorteil: Der Leitfaden gibt einerseits ein Gerüst für die Datenerhebung und -analyse vor, was – im Gegensatz zu einem unstrukturierten Gespräch – die Ergebnisse der unterschiedlichen Interviews vergleichbar macht. Andererseits lässt er genügend Spielraum, spontan aus der Interviewsituation heraus neue Fragen und Themen einzubeziehen sowie beim Auswerten auch Themen herauszuarbeiten, die bei der Konzeption nicht antizipiert wurden.356 Damit kann eine weitaus größere Variationsbreite der Daten gesichert werden, als es eine standardisierte, schriftliche Befragung erlaubt hätte. Das Leitfaden-Interview gewährt so den nötigen Handlungsspielraum, individuelle Aspekte, die nur auf den Interviewpartner zutreffen, zu ermitteln und so Zusammenhänge adäquat zu interpretieren. Dieser Ansatz bewährte sich: So konnte auf den jeweiligen Handlungskontext der Interviewpartner, die in unterschiedlichen Ministerien und Behörden arbeiten, eingegangen werden. Gleichzeitig war ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit sichergestellt. Schließlich ist die Befragung qualitativ angelegt. Diese dritte Eigenschaft bezieht sich auf die Auswertung des Interviewmaterials, das mit Hilfe qualitativinterpretativer Techniken analysiert wurde. Ziel ist, eine bestimmte Struktur aus dem Material zu filtern bzw. Handlungsmuster der politischen Akteure zu Corporate Citizenship zu identifizieren. Zusätzlich zu den Interviews wurden einzelne Dokumente analysiert. Dazu gehörten Veröffentlichungen der Befragten sowie Dokumente ihrer Ministerien oder Behörden. Damit wird die Forderung nach Methodentriangulation eingelöst, um ein möglichst geschlossenes Bild der Fallbeispiele zu erhalten.357
356 357
Vgl. Bortz/ Döring (2002), 315. Vgl. Lamnek (1989), 24
102
1.1.3 Vorgehen 1.1.3.1 Stichprobenauswahl Die einzelnen Bundesländer wurden nach dem Verfahren des theoretical sampling358 ausgewählt. D.h. Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz waren die Länder, deren Beschäftigung mit Corporate Citizenship am deutlichsten nach außen sichtbar ist. Es war also zu vermuten, dass sich dort am ehesten interessante Hypothesen gewinnen lassen würden. Bayern wurde hinzu genommen, da aus diesem Bundesland einige der prominentesten Beispiele deutscher Corporate Citizens (z.B. Siemens, BMW, Philipp Morris u. a.) kommen und sich so die Frage stellte, in welchem Verhältnis dies zur Landespolitik steht. Darüber hinaus sollte die Länderauswahl insgesamt unterschiedliche Regierungskonstellationen einbeziehen. Stellvertretend für die Bundesländer wurden diejenigen Akteure verschiedener Ministerien und Staatskanzleien befragt, die die Landespolitik zum Thema Corporate Citizenship gestalten. Sie wurden ebenfalls im theoretical sampling bewusst ausgewählt.359 Diese gezielte Selektion der Befragten sollte die Analyse auf diejenigen Fälle beschränken, die besonders ergiebige Erkenntnisse über die Ansätze der mit Corporate Citizenship befassten Bundesländer versprachen. Als Interviewpartner kam demnach nur in Frage, wer explizit mit dem Thema Corporate Citizenship beschäftigt war. Auswahlkriterium war also die Sachkompetenz. Da die Suche interessengeleitet war, wurde jeder Interviewpartner am Ende des Gespräches gefragt, welche weiteren Gesprächspartner er empfehlen würde. Diese Möglichkeit, die Auswahl im Laufe des Forschungsprozesses evtl. sukzessive zu erweitern, sollte sicherstellen, dass die Vororientierungen der Forscherin nicht zu Verzerrungen führen. Ergänzend zu den Landesakteuren wurden kommunale Akteure befragt. Diese Gespräche auf der nachgeordneten und damit sozusagen auch betroffenen politischen Ebene dienten dazu, die Aussagen zu validieren (vgl.
358
Strauss/ Corbin (1996), 148ff. sowie Lamnek (1989), 22f. und 67. Bortz/ Döring betonen ebenfalls, dass bei explorativen Untersuchungen die Auswahl der Untersuchungsteilnehmer danach erfolgen sollte, ob deren Beobachtungen oder Beschreibungen interessante Hypothesen versprechen. Vgl. Bortz/ Döring, (2002), 74. Zu den Vorteilen und der Zulässigkeit dieses Verfahrens vgl. auch Kromrey (1991), 200ff. 359 Die Teilnahmebereitschaft war sehr groß: Jeder der Angesprochenen war sofort zu einem Gespräch – telefonisch oder als persönliches Interview – bereit.
103
Kapitel II, 2.3). Die Auswahl der Interviewpartner erfolgte analog den vorhergehenden. Der Stichprobenumfang richtete sich in erster Linie nach dem zusätzlichen Erkenntnisgewinn, der durch weitere Interviews zu erwarten war. Insgesamt fanden elf Gespräche statt, davon drei mit kommunalen Akteuren.360 1.1.3.2 Interviewführung Die acht Interviews auf Landesebene wurden bis auf eine Ausnahme361 als persönliche Gespräche geführt. Sie dauerten im Durchschnitt eineinhalb Stunden. In zwei Fällen waren je zwei Gesprächspartner anwesend, da auf Wunsch des Vorgesetzen je eine Mitarbeiterin mit zum Interview erschien. Dies ist insofern unproblematisch, als in keinem der Interviews persönliche Fragen gestellt wurden, sodass durch die Anwesenheit Dritter keine Vertraulichkeit verletzt werden konnte.362 Die Interviewerin nahm primär die Position einer interessierten Zuhörerin ein und überließ es den Befragten, die inhaltliche Reihenfolge zu bestimmen. Die Interviews waren jedoch so angelegt, dass die Interviewerin thematisch besonders wichtige Fragen (Schlüsselfragen) in allen Gesprächen stellte, denn die Interviews sollten vergleichbar sein. Eventualfragen ergänzten die Schlüsselfragen. Sie wurden als mögliche Fragevarianten je nach Gesprächsverlauf eingefügt, ebenso Ad-hoc-Fragen, die sich aus der Situation unmittelbar ergaben. Sondierungsfragen vertieften gegebenenfalls – angelehnt an problemzentrierte Ansätze363 – angesprochene Themen auf dreierlei Weise: als Zurückspiegelung, als Verständnisfrage oder als Konfrontation. Bei der Zurückspiegelung bot die Interviewerin den Befragten eine Zusammenfassung oder Strukturierungshilfe ihrer Äußerungen zu einzelnen Themen an, die diese bestätigen, verändern oder ablehnen konnten. Die Verständnisfragen sollten Unklarheiten in einzelnen Punkten bereinigen oder den Befragten dazu veran360
Zur Frage der Stichprobengröße bei qualitativen, explorativen Untersuchungen vgl. die Ausführungen von Bortz/ Döring (2002), 74f. Je zwei Länder der Stichprobe waren SPD bzw. CDU/CSU regiert. Die drei Kommunen wurden jeweils von Parteien geführt, die in der Landesregierung in der Opposition saßen. 361 Das Gespräch fand auf Wunsch der Befragten und aus forschungsökonomischen Gründen telefonisch statt. 362 Zur Zulässigkeit Dritter vgl. Lamnek (1989), 99 363 Vgl. zum problemzentrierten Ansatz Lamnek (1989), 74ff. und 90 sowie Spöhring (1989), 177f., bzw. Mayring (2002), 67ff. Auch beim problemzentrierten Ansatz bleibt aber das Erzählprinzip dominant: Die Bedeutungsstrukturierung der sozialen Wirklichkeit bleibt allein dem Befragten überlassen.
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lassen, ausweichende oder widersprüchliche Antworten zu präzisieren. In keiner Situationen wurde die Konfrontation gewählt, die den Befragten direkt auf Unstimmigkeiten hätte hinweisen sollen (ohne ihn jedoch anzugreifen). Insgesamt bestimmten jedoch die Äußerungen der Befragten die Anordnung und Formulierung der nächsten Frage, sodass die Reihenfolge der einzelnen Fragen in den Interviews variierte.364 In einem einzigen Interview tendierte der offene Gesprächsverlauf dahin, dass der Befragte immer öfter selbst Fragen stellte.365 Mit Blick auf den Gesprächszusammenhang insgesamt vermutet die Interviewerin, dass der Befragte aus Unsicherheit über das Thema versuchte, den Standpunkt seines Gegenübers zu bestimmen und sich in der eigenen Position rückzuversichern. 1.1.3.3 Aufbereitung Ein besonderes Anliegen qualitativer Forschung ist die Deskription, das exakte und angemessene Beschreiben des Gegenstandes. Sie erfordert, das erhobene Material sorgfältig aufzubereiten. Zunächst ist das eine Frage der Protokollierung, dann der Konstruktion deskriptiver Systeme zur Beschreibung der Fälle (s. Kapitel II, 2.2). Zur Protokollierung wurde das Interviewmaterial wörtlich transkribiert.366 Ziel war, eine solide Basis für eine ausführliche Interpretation zu schaffen, da sich in jedem Bundesland nur wenige Gesprächspartner fanden. Allerdings wurde auf eine phonetische Transkription verzichtet und stattdessen das gesprochene Wort in normales Schriftdeutsch übertragen. Satzbaufehler wurden weitgehend behoben, der Stil geglättet. Möglich war dies, da die inhaltlichthematische Ebene im Vordergrund stand und nicht der Kommunikationsstil.367 Wichtige Zusatzinformationen und Eindrücke zum Gespräch hielt die Interviewerin in Feldnotizen fest, um sie später in die Interpretation einbeziehen zu können. Solche Feldnotizen beinhalten Angaben zum
364
Vgl. zum Gesprächsverlauf Spöhring (1989), 153 und Lamnek (1989), 68 und 103. Lamnek bezeichnet dieses Phänomen als "beliebtes" und gleichzeitig "völlig unerforschtes Spiel". Vgl. Lamnek (1989), 100 366 Ausnahme bildet ein Interview, bei dem gegen Ende des Gesprächs das Aufnahmegerät ausfiel. Grundlage für diesen Teil des Gesprächs ist die Mitschrift der Interviewerin. 367 Eine Darstellung der verschiedenen Möglichkeiten für eine wörtliche Transkription findet sich bei Mayring (2002), 89ff. 365
105
Befragten (z.B. sein Verhalten), zur Gesprächsatmosphäre, zu ungeklärten Fragen, Hinweise zu weiteren Quellen oder spontane Interpretationen.368 1.1.4 Gütekriterien Anhand festgelegter Gütekriterien wird beurteilt, wie gut im Rahmen des geltenden Forschungsparadigmas ein konkretes Forschungsprojekt durchgeführt wurde.369 Die Kriterien dienen als Zielvorgabe oder Prüfsteine, um den Grad der Wissenschaftlichkeit einer Methode anschaulich zu machen. Die in der quantitativen Empirie gebräuchliche Unterscheidung von Objektivität, Reliabilität (Zuverlässigkeit), Validität (Gültigkeit) und Repräsentativität gilt zwar auch in der qualitativen Empirie, allerdings in modifizierter Form.370 Daher erläutern die folgenden Abschnitte kurz, wie die vorliegende Untersuchung diesen Anforderungen begegnet. Objektivität ist dann gegeben, wenn es während der Untersuchung nicht möglich ist, Ergebnisse zu verfälschen. Als Hauptproblem für die Objektivität in der qualitativen Forschung gelten die Vorurteile und Überzeugungen des Interviewers, die die Wahrnehmung und Protokollierung verzerren oder den Befragten beeinflussen können. Um die Durchführungsobjektivität in der vorliegenden qualitativen Untersuchung zu fördern und Interviewfehler zu vermeiden, wurden daher drei Maßnahmen ergriffen: 1. führte alle Gespräche dieselbe Person. Dadurch konnten Besonderheiten während der Interviews als Randbedingung festgehalten und in der Auswertung berücksichtigt werden. 2. folgten die Fragen dem in der wissenschaftlichen Literatur empfohlenen Aufbau, der für die Eröffnungsphase Fragen vorsieht, die das unmittelbare
368
Lamnek (1989) nennt diese Notizen "Postskriptum", 97ff. "Diese zusätzlichen "Schlaglichter" [liefern] wertvolle ergänzende, bestärkende oder relativierende Stimmungen, Bilder und Informationen." A.a.O. 98. 369 "Unter Güte von sozialwissenschaftlichen Theorien, Methoden und Begriffen soll der Grad ihrer Angemessenheit an die empirische Realität und an das Erkenntnisziel des Forschers verstanden werden." Lamnek (1988), 143 370 Strauss/ Corbin (1996) sprechen von der Notwendigkeit einer Umdefinition, "damit [die üblichen Kriterien guter Wissenschaft] der Wirklichkeit der qualitativen Forschung und der Komplexität sozialer Phänomene gerecht werden." (a.a.O., 217). S. auch Lamnek (1988), 141ff. Zur Kritik klassischer, quantitativer Gütekriterien vgl. Mayring (2002), 141f. Er fordert: "Qualitativ orientierte Forschung muss zu neuen Gütekriterien gelangen," (a.a.O., 142). Solche Kriterien sind seiner Meinung nach: 1. Verfahrensdokumentation, 2. Argumentative Interpretationsabsicherung, 3. Regelgeleitetheit, 4. Nähe zum Gegenstand, 5. Kommunikative Validierung, 6. Triangulation (a.a.O. 144ff.)
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Erzählen der Befragten ermöglichen.371 3. sicherte die Interviewerin den Gesprächspartnern Anonymität zu, sodass das Problem der sozialen Erwünschtheit, d.h. eine Beeinflussung der Antworten durch die Befragung, in dieser Hinsicht unwahrscheinlich ist. Um eine verbesserte Auswertungsobjektivität zu erzielen, wurde jedes Gespräch auf Tonband aufgezeichnet. So konnten im Nachhinein beispielsweise unbeabsichtigt suggestive Fragen herausgefiltert werden. Die Interpretationsobjektivität wurde gefördert, indem das Vorverständnis offen gelegt und Alternativdeutungen gesucht und geprüft wurden.372 Von der Reliabilität (Zuverlässigkeit) der Messwerte spricht man in der quantitativen Empirie, wenn die Ergebnisse intertemporal, intersubjektiv und interinstrumentell überprüfbar, d.h. reproduzierbar sind. Durch den offenen Verlauf der Gespräche ist per definitionem die Reliabilität im engeren Sinn in der qualitativen Forschung eher gering.373 Dennoch kann sie zumindest teilweise dadurch ersetzt werden, dass der Forscher sein Vorverständnis, das Vorgehen und die Auswertungsmethode expliziert.374 Der Forschungsprozess muss in der qualitativen Forschung trotz seiner Offenheit kontrolliert ablaufen, d.h. die Verfahrensschritte sind kenntlich gemacht und laufen nach begründeten Regeln ab. Die vorliegende Arbeit berücksichtigt diese Forderung nach Methodenkontrolle375, indem sie sowohl den Interviewleitfaden (vgl. Anhang) als auch den Auswertungsprozess dokumentiert (vgl. Kapitel I, 1.2). Eine besondere Rolle spielen in der qualitativen Forschung vor allem die verschiedenen Ausprägungen der Validität (Gültigkeit), die auch Objektivität 371
Lamnek (1989) betont, dass gerade die Methode offener Fragen Schutz vor Beeinflussung bietet und damit Objektivität ermöglicht. Denn häufig entsprechen bei standardisierten Interviews die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten gar nicht den Antworten der Befragten, wodurch sie in eine bestimmte Richtung gedrängt werden (a.a.O., 52). 372 Vgl. argumentative Interpretationsabsicherung bei Mayring (2002), 145. 373 "An die Stelle der Replizierbarkeit von Untersuchungsbedingung und Forschungsergebnis tritt im interpretativen Paradigma die Betonung der situativen Kontextgebundenheit von Datenerhebungs- und Auswertungsresultaten", Lamnek (1988), 162. Er sieht die Vorteile der quantitativen Methoden bzgl. der Reliabilität durch die Nachteile bei der Validität ganz oder teilweise kompensiert. A.a.O., 165. 374 Vgl. dazu Spöhring (1989), 161 und Mayring (2002), 145; auch Strauss/ Corbin stellen fest: "Eine qualitative Untersuchung kann nur dann gründlich evaluiert werden, wenn das Vorgehen ausreichend explizit gemacht wird, so dass es von den Lesern der resultierenden Veröffentlichung beurteilt werden kann." (1996), 215. 375 Die Methodenkontrolle ist eine der 13 Säulen qualitativen Denkens nach Mayring (2002), 29.
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und Reliabilität beeinflussen. Allerdings verschiebt sich der Charakter der Validität gegenüber der quantitativen Sozialforschung "vom Messtechnischen zum Interpretativ-Kommunikativen"376. Sie wird zwar wie in der quantitativen Forschung auch in interne und externe Gültigkeit unterschieden, allerdings mit etwas anderer Bedeutung. Die externe Gültigkeit beschreibt den Realitätsgehalt der Daten, die durch bestimmte Erhebungsmethoden in einer bestimmten Erhebungssituation gewonnen werden; die interne Gültigkeit hingegen bezieht sich auf die intersubjektive Überprüfbarkeit und damit die Zuverlässigkeit der Erhebung.377 Qualitative Daten lassen sich durch Vergleiche unterschiedlicher Teile desselben Materials (Widersprüche während des Gespräches), Vergleiche der verschiedenen Gespräche (äußert sich einer der Befragten gegenteilig zu allen anderen) und den Abgleich mit Hintergrundinformationen aus der Literatur validieren.378 Noch wichtiger ist jedoch das Kriterium der interpersonalen Konsensbildung (konsensuelle Validierung).379 Sie bezeichnet den Fall, wenn sich mehrere Personen auf die Bedeutung des erhobenen Materials einigen können. Unterschieden wird dabei zwischen der kommunikativen und der argumentativen Validierung.380 Die kommunikative Validierung, d.h. der Konsens zwischen Frager und Befragtem, wurde in der vorliegenden Arbeit sichergestellt, indem jedem Interviewten ein Gesprächsprotokoll zur Freigabe vorgelegt wurde. Die argumentative Validierung, sprich der Konsens mit außen stehenden Laien und Kollegen, konnte innerhalb der verschiedenen Forschungskollegien381, an denen die Forscherin teilnahm, hergestellt werden. 376
Lamnek (1988), 157. Während die Gültigkeit in der quantitativen Forschung vor allem in der Erhebungsphase gefährdet ist (Operationalisierungsprobleme), ist sie in der qualitativen Forschung vor allem in der Interpretationsphase möglichen Verzerrungen ausgesetzt. Vgl. a.a.O., 145 und 159. 377 Lamnek (1988), 146 378 Spöhring spricht bei der Überprüfung der Validität durch Antwortvergleiche, Nachfragen und Abgleich mit Außenkriterien von "Triangulierungsverfahren" (1989), 163; vgl. auch Triangulation bei Mayring: "Verschiedene Datenquellen können herangezogen werden, unterschiedliche Interpreten, Theorieansätze oder Methoden. Triangulation meint immer, dass man versucht, für die Fragestellung unterschiedliche Lösungswege zu finden und die Ergebnisse zu vergleichen." (a.a.O., 147) 379 Vgl. Bortz/ Döring (2002), 328 380 Vgl. Bortz/ Döring (2002), 328; zu den Methoden der Validitätsfeststellung vgl. auch Lamnek (1988), 151ff. Er unterscheidet: ökologische, argumentative, kommunikative, kumulative und Validierung in der Praxis. 381 Forschungskollegium des Maecenata-Instituts, Berlin, Arbeitsgruppe 6 "Corporate Citizenship" des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement, Interdisziplinäres
108
Das letzte Kriterium schließlich, die Repräsentativität, beschreibt die Eigenschaft von Zufallsstichproben, die Struktur der Gesamtheit, aus der sie entnommen wurden, widerzuspiegeln. Das Interesse in der qualitativen Sozialforschung und so auch in dieser Arbeit richtet sich allerdings weniger auf die zahlenmäßige Verteilung bestimmter Merkmale als vielmehr auf die Erkenntnis wesentlicher und typischer Zusammenhänge, die sich an einigen wenigen Fällen zeigen lassen. "Die statistisch abzusichernde Repräsentativität wird vom Begriff des "Typischen" abgelöst."382 Es geht also eher um Repräsentanz statt Repräsentativität. Das impliziert eine theoretischsystematische Stichprobenauswahl. So wird aus dem Generalisierungsanspruch in der quantitativen Forschung die "exemplarische Verallgemeinerung" in der qualitativen Forschung. "Das Exemplar wird dabei als typischer Stellvertreter einer "Klasse" oder "Gattung", als Teil einer Einheit (pars pro toto) betrachtet.[...] Typen zu bilden heißt nicht, komplexe Sachverhalte auf einzelne Variablen oder Variablenkonstellationen zu reduzieren; vielmehr wird eine eher ganzheitliche, realitätsgerechtere Sicht gepflegt."383 Hierin liegen jedoch auch die Grenzen der Untersuchung: Zwar kann sie ein Set von Handlungsmustern identifizieren, wie die Länder mit CC umgehen, doch liefert sie keine abschließende Typologie. Die gewonnenen Kategorien bieten vielmehr verschiedene Ansätze, um – je nach Erkenntnisinteresse – das Handeln der Akteure hinsichtlich Corporate Citizenship zu klassifizieren. 1.2 Auswertung Jedes Gespräch steht theoretisch konkurrierenden Deutungen offen, da es keine eindeutige Interpretation von Interviewtexten geben kann. Es ist daher nicht nur wichtig, inhaltliche Referenzpunkte durch den theoretischen Bezugsrahmen herzustellen (s. Kapitel I), sondern auch das Verfahren der InterDoktorandenseminar "Corporate Citizenship" am SIMT, Stuttgart, Doktoranden-Netzwerk am Center for Corporate Citizenship der Katholischen Universität Eichstätt. Lamnek (1988), 175, vgl. auch Lamnek (1989), 91. 383 Lamnek (1988), 176 (Hervorhebungen im Original). Natürlich kann ein Muster immer nur ein wissenschaftliches Konstrukt darstellen, das in der empirischen Wirklichkeit nicht immer in allen Einzelheiten den Handlungsfiguren entspricht. Vgl. Lamnek (1989), 199. Er widerspricht allerdings der Kritik aus der quantitativen Forschung, die diesem Ansatz geringere Wissenschaftlichkeit bescheinigen möchte. Diese Kritik entzündet sich vor allem an zwei Punkten: zum einen am induktiven Verfahren, das keine generalisierenden Aussagen zuließe; zum anderen am inhaltsanalytischen Vorgehen, das zu interpretativer Beliebigkeit führe, da Interpretationen nicht intersubjektiv überprüfbar seien. 382
109
pretation transparent zu machen. Dies soll im Folgenden kurz erläutert werden. Um die Interviews auszuwerten, wurde ein Vorgehen in fünf Schritten entwickelt384: (1) Zunächst war es wichtig, schnell einen Überblick über die in den Interviews gesammelten Informationen zu gewinnen. So wurde für jedes Gespräch eine Mind Map®385, eine geistige Landkarte, erstellt. Diese Mind Maps dienten zusammen mit der Auswertung von Dokumenten als Grundlage für die Fallbeschreibungen (s. Kapitel II, 2.1). (2) Anschließend wurden die Gesprächsinhalte linear von unten nach oben aggregiert, sodass für jedes Interview ein Strukturbaum gewonnen werden konnte. (3) Die einzelnen Strukturbäume wurden wiederum zusammengefasst und ergaben in der Synthese das Kategorienschema, anhand dessen die Gespräche ausgewertet wurden (s. Kapitel II, 2.2). Um sicher zu gehen, dass das Schema in sich schlüssig ist, wurde der Gesamt-Strukturbaum noch einmal von oben nach unten auf Logik überprüft. (4) Die nächste Analysestufe bestand darin, für jedes Land eine Art Lochkartenmuster bzw. Länderprofil zu erstellen, indem die Strukturbäume des Landes mit der Gesamtstruktur abgeglichen wurden. (5) Im letzten Schritt wurde schließlich versucht, aus den verschiedenen Zugängen Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten.
1
Mind Map pro Interview zeichnen
2
Mind Maps bottom-up hierarchisch strukturieren
3
Strukturbäume zu Gesamtbild aggregieren
4
Länderprofil pro Bundesland zeigen
5
Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten
Abb. 14: Ablaufmodell der Datenauswertung
384
Es gibt in der qualitativen Forschung nicht die eine bestimmte Auswertungsmethode; vielmehr ist es Ziel jedes Projektes, eine an Thema und Erhebungsmethode orientierte Auswertungsmethode zu entwickeln. Vgl. die Darstellung qualitativer Auswertungsmethoden beispielsweise bei Bortz/ Döring (2002), 329ff. oder Spöhring (1989), 158f. 385 Der Begriff Mind Map ist von Tony Buzan urheberrechtlich geschützt. Vgl. zu dieser Technik: Buzan/ North (1999); die 12 Regeln zum Erstellen einer Mind Map sind beschrieben a.a.O., 40ff.
110
Über alle Analyseschritte hinweg orientierte sich der Deutungsprozesses an allgemeinen Auswertungsmaximen386: 1. Die genaue Aufzeichnung des Gesprächstextes 2. Die ganzheitliche Betrachtung der Äußerungen des Befragten, seiner Deutungsmuster, seines "Weltbilds" 3. Die sorgfältige, detaillierte Satz-für-Satz-Interpretation jeder einzelnen Äußerung 4. Die Analyse des Sprachgebrauchs (Begriffsverwendung, Redewendungen, Schlüsselbegriffe) und der Äußerungsformen (beschreibend, bewertend, erklärend/deutend) 5. Die Suche nach Auffälligkeiten, neuen Phänomenen, abweichenden Fällen 6. Die Berücksichtigung der Subjektivität des Interpreten (eigene Annahmen, Vorstellungen) 7. Das Reduzieren des Materials (thematische Beschränkung und Begrenzung der Fälle)387 Darüber hinaus wurden zur Kontrolle immer wieder die vollständigen Transkriptionen herangezogen, um Verkürzungen oder Fehlschlüsse zu vermeiden.388 1.2.1 Mind Maps In einem ersten Arbeitsschritt wurde jedes Interview Satz für Satz untersucht, um die Hauptideen jeweils in einer Mind-Map-Zeichnung festzuhalten. Diese Technik erschien als Strukturierungshilfe angebracht, da sie komplexe Sachverhalte gut im Überblick darstellen kann. Sie bietet gegenüber anderen Verfahren zwei entscheidende Vorteile: Zum einen ist sie der reinen Chronologie thematischer Verläufe389 überlegen, da sie durch die netzartige Darstellung auch die Relevanzstrukturen der Befragten transparent machen kann. Zum anderen hat sie gegenüber einer sofort abstrahierenden Kategorienbildung den Vorzug, den Formulierungen der Interviewten – so genannten In-Vivo-
386
Vgl. Spöhring (1989), 160f. Sicher stellen Reduzieren und Ordnen des Materials bereits Selektion und Interpretation dar (vgl. Strauss/ Corbin (1996), 7). Sie erfolgten allerdings Schritt für Schritt nach einer genauen Analyse des Ausgangsmaterials. 388 Nach Lamnek (1989), 105f. 389 Beschrieben bei Lamnek (1989), 113. 387
111
Kodes390 – näher zu kommen. Die Mind Maps der Interviews aus einem Bundesland ergaben zusammen mit den vorab ermittelten Hintergrundinformationen und Kontextdaten jeweils eine erste Fallbeschreibung.
Abb. 15: Beispiel für eine Mind Map
1.2.2 Kategorienbildung Die Kategorien wurden induktiv gewonnen, d.h. die Auswertungsgesichtspunkte systematisch aus dem Interviewmaterial abgeleitet.391 Da das Entdecken Kern des vorliegenden Ansatzes ist, konnten nicht alle Kategorien vorab festgelegt sein – im Gegenteil: Ein Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit lag gerade in der Strukturierung der Inhalte durch die Kategorienbildung. Vorlage für das Kategorisieren waren die Mind Maps. Sie bildeten den Ausgangspunkt, um die Inhalte zu gruppieren und unter übergeordneten 390
In-Vivo-Kodes sind Wörter und Sätze, die auf Interessen und Probleme der Befragten als Akteure hinweisen. Vgl. Strauss/ Corbin (1996), 17 und 50. 391 Vgl. ausführlicher zu diesem Vorgehen Mayring (2002), 115f.
112
Begriffen zu einem Strukturbaum zusammen zu fassen. So konnte die Zahl der Einheiten auf ein handhabbares Maß reduziert werden. Insgesamt wurden zehn Kategorien herausgearbeitet: Begriff, Motive, Erwartungen, Selbstverständnis, Maßnahmen, Ziele, Adressaten, Mittel, Treiber und Blockaden (s. Abbildung 16). Sie bestimmten welche Aspekte der Antworten aus den Interviews untersucht wurden.
Begriff
Ziele
Motive
Adressaten
Erwartungen
Kategorien
Selbstverständnis Maßnahmen
Mittel Treiber Blockaden
Abb. 16: Die zehn Kategorien im Überblick
Die individuellen Strukturbäume zu den zehn Kategorien wurden jeweils zu einer Gesamtdarstellung zusammengefasst, d.h. die einzelnen Strukturbäume zur Kategorie "Begriff", die sich aus den Interviews ergaben, wurden zu einem einzigen Baum ergänzt. Um sicher zu stellen, dass die induktiv entwickelten Strukturbäume auch sinnvoll, d.h. trennscharf und erschöpfend392, aufgebaut sind, wurde ihre Logik deduktiv überprüft. Bei der Kontrolle der vertikalen Struktur war entscheidend, dass die untere Ebene jeweils die nächst höhere Ebene präzisierte, oder umgekehrt ausgedrückt, dass die höhere Ebene immer die darunter liegenden zusammenfasste. Auf der horizontalen Ebene war wichtig, dass sich die Aussagen nicht überschnitten. So sollten Wiederholungen oder gar Widersprüche ausgeschlossen werden. Außerdem wurde geprüft, ob die Aussagen erschöpfend waren, d.h. ob sie alle relevanten Aspekte berücksichtigten.393 Bei diesem Aspekt der Logikprüfung spielte neben dem eingangs dargestellten,
392 393
Vgl. zu diesen beiden Qualitätskriterien Fischer Lexikon Publizistik (1993), 39 Vgl. zur Struktur von Logikbäumen z.B. Hungenberg (1999), 25ff.
113
theoretischen Bezugsrahmen (s. Kapitel I) natürlich auch das Vorwissen der Autorin eine Rolle. Dank des induktiven Vorgehens und der Baumstruktur war eine Zuordnung der Inhalte zu den Kategorien relativ unmissverständlich möglich. 1.2.3 Länderprofile Der nächste Schritt stellte jedes der untersuchten Länder anhand der Strukturbäume zu den zehn Kategorien dar. Daraus ergaben sich so genannte Länderprofile. Diese Länderprofile fassen die wichtigsten Befunde aus den einzelnen Kategorien für jedes untersuchte Bundesland zusammen. Dazu wurde Kategorie für Kategorie überprüft, welche Elemente der Gesamtstruktur für das jeweilige Land zutreffen. Dieser Abgleich ergab pro Kategorie eine Art Lochkartenmuster (vgl. Abbildung 17), sodass die Länderprofile auch als Summe der jeweiligen Lochkartenmuster bezeichnet werden können. Neuer Gedanke Inhalt Kein neuer Gedanke Verständnis
Gegenüber Philanthropie Gegenüber sozialem Engagement v. U. Gegenüber CSR Viele Beispiele aus der Vergangenheit Kein Unterschied zw. Unternehmen und Unternehmern
Ressortaufgabe Aufgabe Querschnittsaufgabe
Begriff Immer Übersetzung
Teilweise/Untertitel Nie
Verwendung
CC als Oberbegriff Ordnung
CC als Teilaspekt CC als Synonym
Umfasst alle Engagementfelder Umfasst alle Engagementformen Sonderform von BE Sonderform von CSR Unterscheidung rein akademische Diskussion Bisher keine Notwendigkeit zu differenzieren
Abb. 17: Lochkartenmuster für NRW in der Kategorie "Begriff"
Die Länderprofile wurden anschließend in dreierlei Hinsicht bewertet: 1. Abgleich zwischen Anspruch und Umsetzung, 2. Abgleich mit den anderen Bundesländern und 3. Abgleich mit Befunden anderer Studien bzw. aus weiteren Interviews auf Kommunalebene394. Wertungen ergaben sich also nur relativ aber nicht absolut gesehen, denn der vorliegenden Arbeit liegt keine 394
Zeitgleich mit den Gesprächen auf Landesebene führte die Autorin einzelne Telefoninterviews mit Vertretern von Kommunen, die bei CC aktiv sind.
114
Soll-Vorstellung, kein Idealbild als Maßstab zu Grunde. Folglich gibt es keinen "richtigen" oder "falschen" Ansatz, was den Umgang der Landespolitik mit CC betrifft. 1.2.4 Gemeinsamkeiten und Unterschiede Im letzten Schritt wurden die Länderprofile miteinander verglichen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu identifizieren. Dieser Vergleich liefert erste Ansatzpunkte für eine Generalisierung der Ergebnisse. Weiterführende Forschung könnte so über Repräsentanz395 zu Typologien396 gelangen. Denkbar wären sowohl Typologien, die sich auf ein einziges Kriterium stützen, als auch solche, die auf einer Kreuzklassifikation mehrerer Dimensionen basieren.397
2 Ergebnisse 2.1 Fallbeschreibungen Die Fallbeschreibungen geben einen selektiven Überblick darüber, wer sich in den untersuchten Bundesländern jeweils mit CC beschäftigt, welche Vorläufer das Thema hat, welche Initiativen es bisher gab und in welchen Kontext es eingebettet wird. Die Kurzbeschreibungen stellen keine erschöpfende Auflistung dar, sondern geben einen Entwicklungsstand zu einem gegebenen Zeitpunkt wieder.398 Die Tabellen 18 und 19 fassen Eckpunkte zusammen.
395
Repräsentanz meint, dass Handlungsfiguren als stellvertretend für ein strukturelles Phänomen gelten. Vgl. Lamnek (1989), 385 "Eine Menge von Objekten wird mit Hilfe von Merkmalen definiert, von denen man weder weiß, ob sie hinreichend sind, noch, ob man eine vollständige Klassifikation vornehmen kann.... Typologien sind ein Vorgriff auf explizite Theoriebildung; sie haben zunächst heuristischen Wert, d.h. sie stimulieren Erkenntnisse und Forschungsprobleme." Friedrichs (1973), 89 nach Lamnek (1989), 385. 397 Vgl. zu dieser Unterscheidung Scott (1986), 74ff. Er unterscheidet weiter zwischen deduktiven, d.h. theoretisch gebildeten, und induktiven, d.h. empirisch gewonnenen, Typen. 398 Vgl. ausführlicher die zitierten Materialien. 396
115
Federführende Behörde
BW Sozialministerium
Abteilung
Stabsstelle "Bürgerengagement"
Weitere Akteure
• Wirtschaftsministerium, Abt. 2 "Wirtschaftspolitik", Ref. 23 "Wirtschaft u. Gesellschaft • Landesnetzwerk "Bürgerschaftliches Engagement"
BY Staatsministerium für Arbeit u. Sozialordnung, Familie u. Frauen Abt. I "Arbeit berufliche Bildung", Referat 4 "Bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligendienste, Tarifwesen u. Schlichtung, Heimarbeitsausschüsse"
NRW Ministerium für Wirtschaft u. Arbeit
RLP Staatskanzlei
Abt.1 "Grundsatzangelegenheiten, Wirtschaftsordnung", Gruppe 12 "Politische Grundsatzfragen, Aufgabenplanung"
• Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr u. Technologie, Abt. II "Wirtschaftspolitik, Presse, Öffentlichkeitsarbeit", Ref. 3 "Wirtschaftspolit. Fragen der Arbeits- u. Sozialpolitik" • Landesnetzwerk
Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie, Abt. "Familie", Ref. "Zielgruppen- u. Generationenübergreifende Fragen, Bürgerschaftliches Engagement"
Gruppe 1 "Gesellschaftlicher Wandel u. Internat. Beziehungen", Ref. 13 "Grundsatzfragen gesellschaftlicher Modernisierung, Transatlantische Beziehungen, Europäische Integration" Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP)
Abb. 18: Akteure auf Landesebene
116
Vorläufer
CC-Veranstaltungen
BW Kampagne "Kompetent im Ehrenamt & erfolgreich im Beruf" • Studienkonferenz "Unternehmen und Gemeinwohl? Corporate Citizenship", 23.05.2002 • "Wenn alle gewinnen – Wie Unternehmen Gesellschaft mitgestalten", 30.0901.10.2004
BY • Forum Bayern Familie • Modellversuche Bürgerarbeit "Bürgerschaftliches Engagement – Soziales Kapital fördern und nutzen", 12.13.07.2001
Weitere Initiativen
Mitglied im BBE
Ja
Nein
NRW Wettbewerb "Zukunftsbrücke"
RLP Partizipationsmodelle
"Unternehmen und soziale Verantwortung – Corporate Citizenship in NRW", 22.05.2003
• "Unternehmen und bürgerschaftliches Engagement", 08.11.2000 • "Lokale Bürgergesellschaft in RheinlandPfalz", 21.11.2003
• www.corporate -citizenship. nrw.de • CC-Zeitung
• Sammelverträge für Versicherungsschutz; • EhrensacheSonderpreis "Corporate Citizenship" Ja
Ja
Abb. 19: CC-relevante Aktivitäten der Länder
2.1.1 Baden-Württemberg Baden-Württemberg (BW) ist das einzige der hier untersuchten Länder, das in einem jüngst erschienenen, wissenschaftlichen Landesbericht auch die Corporate Citizenship-Aktivitäten der Landesakteure in einem Überblick veröffentlicht.399 Dieser Bericht kommt zu dem Schluss, dass Corporate 399
"Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt in Baden-Württemberg – 1. Wissenschaftlicher Landesbericht 2002/2003"; der Bericht geht zurück auf einen Beschluss des Ministerrats des Landes vom 4. Juni 2002. Er ist als Bestandsaufnahme der Förderaktivitäten der Ministerien bundesweit einzigartig.
117
Citizenship zwar als wichtiges Thema erkannt worden ist, "gleichwohl ist es bislang noch nicht gelungen, eine Plattform oder "Makler-Agentur" zwischen Wirtschaft, Politik und Drittem Sektor aufzubauen, die solche "public private partnerships" systematisch vermittelt bzw. initiiert."400 Zu den Aktivitäten im Einzelnen: Federführend befasst sich zurzeit die Stabsstelle "Bürgerengagement" im Sozialministerium mit Corporate Citizenship. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf der Entwicklung eines regionalen Ansatzes mit Blick auf kleinere und mittlere Unternehmen.401 Die Stabsstelle wird speziell unterstützt durch eine Mitarbeiterin des Referats 23 "Wirtschaft und Gesellschaft" (Abteilung 2 "Wirtschaftspolitik") im Wirtschaftsministerium. Sie vertritt Baden-Württemberg in der Projektgruppe "Corporate Citizenship" des BBE, wobei im Bundesnetzwerk das Land insgesamt vom Sozialministerium repräsentiert wird.402 Gemeinsam planen die beiden Ministerien in Zusammenarbeit mit dieser Projektgruppe des BBE für Herbst 2004 eine erste große Fachtagung im Land.403 Außerdem wollen sie ein Gutachten über Art, Umfang, Motiv und die tatsächlichen Effekte von Corporate Citizenship in Baden-Württemberg in Auftrag geben (soweit es die haushaltsrechtlichen Möglichkeiten für 2004 zulassen).404 In der Zwischenzeit – so heißt es im Landesbericht – "beobachtet" das Wirtschaftsministerium Einzelaktivitäten unternehmerischen bürgerschaftlichen Engagements.405 Als Vorläufer zu den Aktivitäten der beiden Hauptakteure kann eine Initiative des Kultusministeriums gelten: Es initiierte zusammen mit den Spitzen400
a.a.O., 9 a.a.O., 26 402 Sie ist die einzige, aktiv teilnehmende Vertreterin eines Bundeslandes in dieser Arbeitsgruppe. Dies lässt zweierlei vermuten: Entweder messen die Länder der Arbeitsgruppe bzw. dem BBE wenig Bedeutung oder Nutzen bei, oder das Thema Corporate Citizenship ist nicht als so wichtig erachtet. 403 Die Tagung fand schließlich im Rahmen der bundesweiten "Woche des Engagements" des BBE am 1. Oktober 2004 statt. Zuvor gab es eine Veranstaltung der Landtagsfraktion der GRÜNEN, die am 3. April 2004 zu einer Tagung einlud "Tue Gutes und rede darüber – Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen", zu der Vertreter aus Politik und Wirtschaft zusammenkamen. 404 Vgl. Antwort der Landesregierung zum Antrag der Fraktion GRÜNE "Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen in Baden-Württemberg", Landtagsdrucksache 13/2909, 8, www2.landtag-bw.de/wp13/drucksachen/2000/13_2909_d.pdf, 06.05.04. Inzwischen ist die Studie beim Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung an der Evangelischen Fachhochschule Freiburg in Auftrag gegeben worden (Stand Oktober 2004). Vgl. Pressemitteilung "Gönner will Unternehmen für bürgerschaftliches Engagement gewinnen", www.sozialministerium-bw.de, 18.10.04 405 1. Wissenschaftlicher Landesbericht 2002/2003, 31. 401
118
organisationen der freien Wirtschaft und dem Ministerpräsidenten ein gemeinsames Werbefaltblatt zu einer Partei-übergreifenden Kampagne "Kompetent im Ehrenamt & erfolgreich im Beruf"406. Das Faltblatt wirbt dafür, Schlüsselqualifikationen, die Engagierte im Ehrenamt erwerben, bei Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen in Unternehmen zu berücksichtigen. Als weitere Akteure nennt der Landesbericht: das Staatsministerium, das am 23. Mai 2002 eine Studienkonferenz "Unternehmen und Gemeinwohl? Corporate Citizenship" in der Berliner Landesvertretung veranstaltete; das Innenministerium, das sich vor allem um die Bereitschaft von Arbeitgebern sorgt, Mitarbeiter für Einsätze der freiwilligen Feuerwehr einzusetzen; das Justizministerium, das eng mit Unternehmen kooperiert in seinem "Projekt Chance"407. Außerdem heißt es: "Das Finanzministerium unterstützt [...] grundsätzlich Bemühungen um steuerliche Erleichterungen für Unternehmen, um deren Voraussetzungen für Sponsoring-Aktivitäten zu verbessern."408 Das Umweltministerium arbeitet seinerseits mit Unternehmen zusammen, die sich für die Umwelt engagieren möchten. Den Austausch zwischen allen Ministerien, die ebenfalls, wenn auch nur stellenweise, das Thema CC berühren, sichert die "Interministerielle Arbeitsgruppe Ehrenamt und Bürgerschaftliches Engagement", die seit 1997 existiert. Denn laut eigenen Angaben betrachtet die Landesregierung die Förderung von CC "als Querschnittsaufgabe für alle Ressorts".409 Allerdings konstatiert der 1. Wissenschaftliche Landesbericht Rückzugstendenzen einzelner Ministerien aus der Engagementförderung insgesamt, die sie als freiwillige Aufgabe verstehen.410 Man kann vermuten, dass davon die Corporate-Citizenship-Aktivitäten nicht ausgeschlossen blieben.
406
Unterzeichner sind neben dem Ministerpräsidenten Erwin Teufel: der Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages Till Casper, der Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstages Klaus Hackert, der Präsident der Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e.V. Dr. Dieter Hundt. Außerdem ist jede Landtagsfraktion durch ein Zitat vertreten. 407 Dieses vom Justizministerium initiierte und als Verein organisierte Projekt soll Jugendlichen nach der Haftentlassung einen nahtlosen Übergang ins Berufsleben ermöglichen. Vgl. 1. Wissenschaftlicher Landesbericht 2002/2003, 40 408 a.a.O., 43 409 Landtagsdrucksache 13/2909, 7. Dazu wird auch der Ehrenamtsbeauftragte des Landes und das Landesbüro Ehrenamt gezählt. 410 Vgl. 1. Wissenschaftlicher Landesbericht 2002/2003, 12
119
Hervorzuheben ist in Baden-Württemberg als Akteur auch das "Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement"411. Dieses Netzwerk existiert seit 1999 und wird verantwortet von der "Landesarbeitsgemeinschaft zur Förderung Bürgerschaftlichen Engagements", die von den kommunalen Landesverbänden und dem Sozialministerium getragen wird. Kernstück des Landesnetzwerkes sind neben der Stabsstelle "Bürgerengagement" im Sozialministerium die drei "Kommunalen Netzwerke Bürgerschaftliches Engagement" (Landkreis-, Städte- und Gemeindenetzwerk), die sich inzwischen auch mit Corporate Citizenship beschäftigen. Beispielsweise plant der Landkreistag, das Thema "Wirtschaft und Bürgerschaftliches Engagement" auf einer gemeinsamen Fachtagung des Landesnetzwerkes zu behandeln. Für eine solche Veranstaltung sähe man dann vor allem das Wirtschaftsministerium als Ansprechpartner.412 Über die eigene Rolle als Corporate Citizen denken zurzeit die Verantwortlichen in der Stabsstelle im Sozialministerium nach. Dazu gehören Überlegungen, als Arbeitgeber selbst Corporate Volunteering-Projekte ins Leben zu rufen – ähnlich wie es einige Kommunen im Land bereits tun (vgl. Kapitel I, 2.1.3). Inhaltlich wird in Baden-Württemberg das Thema Corporate Citizenship vor allem mit den Konzepten "Bürgergesellschaft" bzw. "Bürgerkommune" in Verbindung gebracht. Allerdings ist diese Verknüpfung bisher in keinem Grundsatzpapier als politische Leitlinie dargestellt. Lediglich im jüngst erschienenen Leitfaden "Wege in der Bürgergesellschaft" versucht ein allgemeiner Absatz unter dem Titel "Wirtschaft, Arbeit und Bürgerschaftliches Engagement", Unternehmen als Teil der Bürgergesellschaft einzuordnen. Es heißt darin: "Für die zentralen Akteure der Arbeitswelt [...] stellt sich die Herausforderung, sich ebenfalls als Akteure der Bürgergesellschaft zu begreifen und sich entsprechend zu betätigen."413
Entsprechend wird empfohlen, Projekte zu fördern, "die dazu beitragen, dass sich Unternehmen mehr als bisher als 'corporate citizens' verstehen."414
411
www.buergerengagement.de 1. Wissenschaftlicher Landesbericht 2002/2003, 67ff. Vgl. auch Landtagsdrucksache 13/2909, 3. 413 Sozialministerium Baden-Württemberg, Stabsstelle Bürgerengagement (Hrsg.), Wege in der Bürgergesellschaft – Ein Leitfaden für die Praxis (2004), 16. 412
120
Allerdings bleibt unklar, wer diese Unterstützung leisten soll. Genauso wenig haben weder Sozial- noch Wirtschaftsministerium die Begriffe Corporate Citizenship, Corporate Volunteering oder Corporate Social Responsibility schriftlich definiert. 2.1.2 Bayern In Bayern ist das Thema Corporate Citizenship angesiedelt im Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen im Referat I 4 "Bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligendienste, Tarifwesen und Schlichtung, Heimarbeitsausschüsse" (Abteilung I "Arbeit, berufliche Bildung"). Die organisatorische Platzierung dort steht in Zusammenhang mit den Modellversuchen zur Bürgerarbeit415, die Ende der 90er Jahre ebenfalls in diesem Referat betreut wurden. Zum Thema CC befindet sich das Referat allerdings – nach eigenen Angaben – noch in der Sondierungs- und Recherchephase, um eigenes Know-how aufzubauen. Erste konkrete Projekte wie eine Kooperation mit einem Fernsehsender, die die Kommunikation von Best-Practice-Engagement von Unternehmen vorsieht, stecken in den Kinderschuhen und werden daher noch nicht im Detail kommuniziert. Im IJF 2001 veranstaltete das Sozialministerium einen "Aktionstag der Wirtschaft", bei dem Projekte wie "startsocial" oder "Switch" vorgestellt wurden und der vor allem die Win-Win-Situation bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen thematisierte. Ziel war, die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen einerseits und Verbänden, Vereinen, Initiativen andererseits zu verbessern. In einen größeren Zusammenhang stellte das Ministerium das Thema auf einem gemeinsamen Symposium mit Siemens und dem Institut für Praxisforschung und Projektbegleitung. "Mit allen Veranstaltungen wollen wir
414
ebd. Die Tatsache, dass CC lediglich im Text nicht jedoch in der Überschrift auftaucht, gibt Anlass, Vermutungen über den Stellenwert des Begriffs anzustellen. CC erscheint so als Teilaspekt des umfassenderen BE. 415 Das Konzept der Bürgerarbeit entwickelte maßgeblich Ulrich Beck (vgl. Beck (1999)). Vereinfacht gesagt, geht es dabei um freiwilliges Engagement, das in der Regel immateriell entlohnt wird (Qualifikation, Ehrung, Anerkennung von Rentenansprüchen), für das aber diejenigen, die darauf angewiesen sind, ein Bürgergeld erhalten sollen (finanziert aus Sozial- oder Arbeitslosenhilfe). So könnten Arbeitslose oder Sozialhilfe-Empfänger bei einem positiven Rollenbild in die Gesellschaft integriert werden. Vgl. auch http://fjsev.de/archiv/freiwillig01/cont0002/ artikel.htm#1
121
auch zu einer "Anerkennungskultur" beitragen"416, betonte Staatsministerin Christa Stewens. "Ich sehe es dabei als besondere Herausforderung für uns Politiker an, bürgerschaftlichem Engagement den Raum zu geben, den es nach dem Ordnungsprinzip der Subsidiarität in unserem Gemeinwesen haben soll."417
Entsprechend hob die Ministerin die zentrale Bedeutung der Kommune für die Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements hervor. Ebenfalls im IJF wurde eine Expertenkommission berufen, die insgesamt 28 Vorschläge zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements machte, darunter als Hauptvorschlag die Einrichtung eines Landesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement. Dieses wurde im Mai 2003 unter dem Logo "Wir für Uns"418 ins Leben gerufen. Das Sozialministerium unterstützt die Arbeit des Landesnetzwerkes, indem es die Finanzierungsstränge bündelt oder bestimmte Themen inhaltlich aufbereitet wie z.B. Steuerfragen oder das Haftungsrecht im Ehrenamt. Ein Werksvertrag regelt die Kooperation im Einzelnen. Zwar nennt das Landesnetzwerk bis dato weder in seinem Flyer noch auf der Internetseite Unternehmen explizit als Adressaten seiner Angebote, doch das Sozialministerium sieht es durchaus als Aufgabe des Netzwerkes, z.B. für kleine und mittlere Unternehmen Engagement-Erfahrungen bereit zu stellen und Methoden aus bewährten Ansätzen zu entwickeln. Im bayrischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie ist CC zumindest am Rande als Thema präsent. Das Referat II 3 für "Wirtschaftspolitische Fragen der Arbeits- und Sozialpolitik" (Abteilung II "Wirtschaftspolitik, Presse, Öffentlichkeitsarbeit") beobachtet vor allem diesbezügliche Aktivitäten der Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft e.V. (vbw) 416
Grußwort anlässlich des Symposiums "Bürgerschaftliches Engagement – Soziales Kapital fördern und nutzen" am 12.-13. Juli 2001 im SiemensForum München. 417 ebd. Auf Folgeveranstaltungen wurde nach Angabe des Wirtschaftsministeriums "notgedrungen" auf Grund der angespannten Personalsituation verzichtet. 418 Das Logo stammt von der landesweiten Imagekampagne der Staatsregierung anlässlich des IJF. Weitere Informationen unter: www.wir-fuer-uns.bayern.de; vier Aufgaben des Landesnetzwerkes werden genannt: 1. Information, vor allem Verbreitung bewährter Ansätze ehrenamtlicher Arbeit, 2. Beratung für Organisationen, 3. Fortbildungen zu ausgewählten Themen, vor allem für Multiplikatoren in Ehren- und Hauptamt, 4. Querschnittsaufgaben wie Kontakt zu den kommunalen Spitzenverbänden und den jeweiligen Ansprechpartnern in den Ministerien; neben der Geschäftsstelle in Nürnberg gibt es vier weitere Knoten: 1. Die Koordinationsstelle für die Selbsthilfe Bayern, 2. das Netzwerk der Mütter- und Familienzentren, 3. die Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen, 4. die Landesstelle der Seniorenbüros.
122
und setzt auf verbale Unterstützung für Modellprojekte der Wirtschaft z.B. zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bislang rief das Ministerium jedoch keine eigenen Projekte zu Corporate Citizenship ins Leben und hält dies auch künftig für unwahrscheinlich. Dafür werden Public Private Partnerships wie das "Forum Bayern Familie" durchaus zu CC gezählt. Ein institutionalisiertes Gremium zur Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium in Fragen des bürgerschaftlichen Engagements oder zu Corporate Citizenship – wie z.B. eine eigene Arbeitsgruppe – gibt es nicht. Als drittes Ministerium tritt das Bayrische Staatsministerium für Unterricht und Kultus in Erscheinung. Es kooperiert seit 2001 mit der vbw im Projekt "Lehrer in der Wirtschaft", das Lehrern ermöglicht, für ein Jahr in Unternehmen zu arbeiten. Während die Unternehmen für das Gehalt aufkommen, gewährt das Ministerium die Freistellung vom Schuldienst und übernimmt die Zahlungen an die Pensionskasse. Das Projekt, das von der vbw ins Leben gerufen wurde, soll dazu beitragen, Schüler früher und besser auf das Berufsleben vorzubereiten.419 Neben den Ministerien befasste sich auch der bayrische Landtag mit Corporate Citizenship. Er verabschiedete auf Betreiben der CSU-Fraktion am 9. Juli 2003 einen Beschluss zur "Förderung des Ehrenamts durch die Wirtschaft", in dem es heißt: "Die Staatsregierung wird aufgefordert, die Unternehmen und Verbände der freien Wirtschaft zu ermutigen, ihr Engagement zur Förderung des Ehrenamtes zu verstärken. Mitarbeiter sollen zu bürgerschaftlichem Engagement ermuntert und die dabei gewonnene soziale Kompetenz sinnvoll für das Unternehmen genutzt werden."420
Allerdings ist die Umsetzung dieses Beschlusses bislang unklar. Weder das Wirtschafts- noch das Sozialministerium gaben bislang an, dafür zuständig zu sein.
419
Vgl. Pressemitteilung des vbw vom 05.10.2004 unter www.vbw-bayern.de/jsp/ 76687.jsp, 26.10.04 420 Drucksache 14/13184, www.bayern.landtag.de/ElanTextAblage_WP14/Drucksachen/ 0000012801/wp_140013184.pdf; Beschluss auf Antrag der CSU
123
2.1.3 Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen befasst sich das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit (MWA) mit Corporate Citizenship, genauer die Gruppe 12 "Politische Grundsatzfragen, Aufgabenplanung" (Abteilung 1 "Grundsatzangelegenheiten, Wirtschaftsordnung"). Ursprünglich war Corporate Citizenship als Teilbereich des Themas "Bürgerschaftliches Engagement" im Ministerium für Arbeit, Soziales und Qualifikation angesiedelt. Doch durch die Zusammenlegung der Ressorts Wirtschaft und Arbeit im November 2002 wechselte das Aufgabengebiet CC mit der zuständigen Referentin in das Wirtschaftsministerium, sodass seither die Verantwortung für "Bürgerschaftliches Engagement" und CC getrennt ist. Nach außen sichtbar ist die Arbeit des Ministeriums zu Corporate Citizenship vor allem durch drei Initiativen: einen Kongress "Unternehmen und soziale Verantwortung. Corporate Citizenship in NRW", eine gleichnamige Zeitung sowie den Internet-Auftritt www.corporate-citizenship.nrw.de. Allerdings hat das Ministerium bislang keine eigenen Kooperationsprojekte zu Corporate Citizenship und kaum Berührungspunkte mit kommunalen Akteuren wie der FABE in Köln (vgl. Kapitel I, 2.1.3). Eine breitere Kommunikation auf kommunaler Ebene steht jedoch auf der Agenda des Referats.421 Der Kongress, der im Mai 2003 stattfand, richtete sich in erster Linie an Unternehmen. Ziel war, das Konzept von Corporate Citizenship bekannter zu machen und Best-Practice-Ansätze aus dem Land vorzustellen. Dabei ging es vor allem darum, die Vorteile für Unternehmen herauszustreichen. Drei Workshops behandelten zentrale Fragen für ein Win-Win-orientiertes Engagement: CC und Personal (Personalentwicklung, Mitarbeiterbindung, Erfolgskontrolle), CC und Ausbildung (Beschäftigungsfähigkeit, Selbstständigkeit) sowie CC und Image. Gleichzeitig zum Kongress erschien die erste Ausgabe 421
Ein Austausch ergibt sich auch auf Veranstaltungen Dritter. So plant das "Iso-Institut zur Erforschung sozialer Chancen" im November 2004 einen Workshop "CSR und die Rolle kommunal- und landespolitischer Akteure" in NRW, zu dem u.a. Vertreter des MWA sowie der FABE eingeladen sind. Inhalt soll sein, die unterschiedlichen Aktivitäten aus Politik und Verwaltung zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements der Unternehmen und darauf abgestimmte neue Formen der Kooperation näher zu beleuchten. Der Workshop findet statt im Rahmen des von der EU-Kommission geförderten Projektes "CSRVADEREGIO II: Disseminating information on regional practice for the adoption of CSR and deployment in the policies of regional authorities: extending the Vaderegio study", in dem das ISO-Institut den deutschen Part mit Fokus auf NRW durchführt. Vgl. www.isokoeln.de
124
einer CC-Zeitung, ebenfalls mit dem Titel "Unternehmen und soziale Verantwortung. Corporate Citizenship in NRW". Sie stellt in erster Linie Beispiele von engagierten Unternehmen vor, bietet Kontaktadressen, Literaturtipps und Glossare.422 Mit ähnlichen Zielen und Inhalten ging – auch begleitend zum Kongress – die Internetseite www.corporate-citizenship.nrw.de online. Sie soll eine Plattform für gute Beispiele sein, Instrumente und Engagementfelder vorstellen, den Kontakt zu Mittlerorganisationen herstellen und erklären, wofür das Schlagwort Corporate Citizenship steht. Hier findet jeder Interessierte eine Definition und Einordnung der häufigsten Begriffe.423 Besonders betont wird, dass es bei Corporate Citizenship "um eine neue, intelligente Form des Wirtschaftens"424 geht. Dazu gezählt wird auch das Instrument des Corporate Venturing: Unternehmen erwerben Minderheitsbeteiligungen an kleinen, innovativen Firmen und fördern deren Entwicklung.425 Der Wirtschaftsminister des Landes, Harald Schartau, bringt Corporate Citizenship direkt in Verbindung mit der Modernisierungs- und Standortpolitik seines Landes: "Mein Anliegen ist es, [...] dazu beizutragen, dass im Zusammenhang mit den Debatten um notwendige Modernisierungsstrategien in Wirtschaft und Gesellschaft das unternehmerische Bürgerengagement seinen Platz erhält [...] wir wollen neue Wege einschlagen [...] für einen zukunftsfähigen Standort NRW."426
422
Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit gibt sie in unregelmäßigen Abständen heraus. Inzwischen ist die zweite Ausgabe erschienen. 423 "Corporate Social Responsibility (CSR) dient Unternehmen als Grundlage, um auf freiwilliger Basis gesellschaftliche Belange in ihre Unternehmenstätigkeit zu integrieren. Im Corporate-Citizenship-Konzept legt ein Unternehmen die Aktivitäten fest, die eine direkte Außenwirkung haben. Als Mittel bietet sich das Corporate Giving in Form von Spenden und Sponsoring an. Doch auch das Corporate Volunteering – also die aktive Mitgestaltung durch persönliches Engagement – ist für Unternehmen ein Weg, ihr CSRKonzept zu realisieren." (Fettungen im Original) www.corporatecitizenship.nrw.de/konzepte/content.html, 30.07.2003. Das Modell orientiert sich stark an dem "Haus" der unternehmerischen Gestaltungsoptionen des Münchner Instituts für Sozialforschung (MISS) vgl. Mutz/Korfmacher (2003), 51. 424 www.corporate-citizenship.nrw.de/konzepte/cc.html, 30.07.2003 425 Ausgabe 1 der Zeitung: Unternehmen und soziale Verantwortung. Corporate Citizenship in NRW, 2003, 5. 426 Ausgabe 2 der Zeitung: Unternehmen und soziale Verantwortung. Corporate Citizenship in NRW, 2003, 3.
125
Dementsprechend wird auch ein Projekt wie die "Regionale 2006" unter Corporate Citizenship angeführt.427 Ressort-intern wird derzeit über eigene Formen des Corporate Volunteering nachgedacht. Neben dem Wirtschaftsministerium beschäftigen sich auch andere Ressorts mit Themen, die zu Corporate Citizenship gezählt werden. So initiierte 2002 das Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie (MGSFF) im Referat "Zielgruppen- und Generationen-übergreifende Fragen, Bürgerschaftliches Engagement" (Abteilung "Familie") einen Landesnachweis "Engagiert im sozialen Ehrenamt". Der Nachweis ist ein landesweites, Trägerübergreifendes Zertifikat für Ehrenamtliche, das Engagement würdigen und Kompetenzen, Fähigkeiten, Weiterbildung u. Ä. der Ehrenamtlichen dokumentieren soll.428 Er hat damit nicht nur ideellen Wert sondern auch beruflichen Nutzen z.B. für Bewerbungsunterlagen. Außerdem vertritt das MGSFF das Land Nordrhein-Westfalen im BBE. Die interministerielle Arbeitsgruppe "Bürgerschaftliches Engagement" unter der Leitung der Staatskanzlei stellt den Austausch Ressort-übergreifend her. Daneben bestehen aber auch bilaterale Kontakte auf Arbeitsebene. Die Arbeit der Ministerien und der Staatskanzlei führten 2004 zu zwei Kabinettsbeschlüssen, die auch CC weiter voran bringen sollen. Der erste zur "Landesinitiative Ehrenamt" vom 30. März 2004429 beinhaltet zwar keinen konkreten Absatz zu CC, greift das Thema jedoch an verschiedenen Stellen auf. Der Beschluss enthält außerdem einen Auftrag an das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, bis zum Ende der Legislaturperiode Unternehmen und Beschäftigte verstärkt für bürgerschaftliches Engagement zu gewinnen. Die Umsetzung zu gestalten, bleibt zwar dem Ministerium überlassen, doch besteht eine Berichtspflicht gegenüber der Landesregierung. Auch der zweite Kabinettsbeschluss vom 25. Mai 2004 befasst sich nicht ausschließlich mit CC, wird allerdings diesbezüglich konkreter. Er sieht eine Kooperation mit 427
Unternehmen aus Solingen, Remscheid und Wuppertal arbeiten gemeinsam mit Politik und Wissenschaft an strukturwirksamen Themen und Projekten, um den Standort voranzubringen. Ausgabe 2 der Zeitung: Unternehmen und soziale Verantwortung. Corporate Citizenship in NRW, 2003, 3. 428 Dazu hatte das MGSFF eine eigene Arbeitsgruppe mit Trägerorganisationen des sozialen Ehrenamts, Unternehmen und Wirtschafts- bzw. Arbeitgeberverbänden gegründet; die AG vergibt die Ausstellungsberechtigung für den Landesnachweis. Details zum Landesnachweis auch unter: www.mgsff.nrw.de. Einen ähnlichen Nachweis hat das Innenministerium 2003 entwickelt z.B. für Engagierte in der Freiwilligen Feuerwehr. 429 Vgl. Interviewpartner M
126
Rheinland-Pfalz vor, um gemeinsam ehrenamtliche Tätigkeiten in allen Bereichen zu forcieren und auszubauen, das Ansehen und den Stellenwert des Ehrenamtes zu heben und die Arbeit der Ehrenamtlichen zu erleichtern. Zu den Kooperationsfeldern gehört explizit auch CC. Die Länder wollen sich austauschen über Möglichkeiten und Aktivitäten, Unternehmen Anreize zu bieten, CC in ihre strategischen Zielsetzungen einzubeziehen. Außerdem wollen die Länder gemeinsam Best-Practice-Beispiele darstellen, wie CC für Unternehmen zur Chance werden kann, sich im Wettbewerb sowohl intern (z.B. bzgl. Mitarbeiterzufriedenheit) als auch extern (z.B. bzgl. Image) zu behaupten. Geplant ist die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die sich aus Vertretern der verschiedenen, sich mit CC befassenden Ministerien zusammensetzt und Zwischenergebnisse ihrer Arbeit bis zum Frühjahr 2005 präsentieren soll.430 2.1.4 Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz ist die Staatskanzlei Vordenkerin für Corporate Citizenship. Sie vertritt auch das Land beim BBE431. Das Referat 13 "Grundsatzfragen gesellschaftlicher Modernisierung, Transatlantische Beziehungen, Europäische Integration" (Gruppe 1 "Gesellschaftlicher Wandel und Internationale Beziehungen") befasst sich seit Ende der 90er Jahre mit dem Thema. Inhaltlich verankert ist Corporate Citizenship – wie bürgerschaftliches Engagement allgemein – im Leitbild der Bürgergesellschaft.432 Es wird in Zusammenhang gestellt mit dem Umbau des Sozialstaates und den Stichworten "aktivierender Staat", "Verwaltungsmodernisierung", "gesellschaftliche Selbstregulierungspotenziale".433 Jüngstes Projekt ist der Abschluss von Sammelversicherungsverträgen: Seit dem 1. Januar 2004 ist jeder freiwillig Engagierte über das Land haftpflichtund unfallversichert, sollte für ihn kein anderweitiger Versicherungsschutz bestehen.434 Der gebotene Versicherungsschutz wirkt also subsidiär. Damit 430
Vgl. Interviewpartner M Rheinland-Pfalz gehört zu den Gründungsmitgliedern des Netzwerks. Sein Vertreter aus der Staatskanzlei ist außerdem Mitglied des Sprecherrats. Allerdings hat die Staatskanzlei niemanden in die Projektgruppe 6 "Corporate Citizenship" entsandt. 432 Vgl. Heuberger (2003), 12 433 a.a.O., 19ff. 434 Nähere Informationen sowie den Flyer und die Antragsformulare gibt es unter www.wirtun-was.de/service/versicherung.html. Im Oktober 2004 verabschiedete die Bundes431
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hat das Land Rheinland-Pfalz auch einen sicheren Rahmen für alle CorporateVolunteering-Projekte von Unternehmen geschaffen.435 Die Staatskanzlei entwickelt jedoch nicht nur politische Leitlinien sondern initiiert auch eigene Veranstaltungen – allein oder in Kooperation mit anderen Akteuren im Land. Im November 2003 richtete sie eine Tagung "Lokale Bürgergesellschaft Rheinland-Pfalz" aus, zu der Vertreter von Kommunen, Unternehmen und aus Organisationen des 3. Sektors (wie z.B. Freiwilligenagenturen) geladen waren. Ziel war, erfolgreiche lokale Projekte bürgerschaftlichen Engagements vorzustellen und neue Kooperationsmöglichkeiten zwischen Unternehmen, Kommunen und Bürgern zu diskutieren. Insbesondere Kommunen sollten ermuntert werden, neue Beteiligungsformen auszuprobieren bzw. zu fördern. Gemeinsam mit der Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP) organisierte die Staatskanzlei bereits im November 2000 eine Tagung "Unternehmen und Bürgerschaftliches Engagement"436, die sich ausschließlich an Unternehmen richtete. Auch dort standen erfolgreiche Praxisbeispiele im Vordergrund. Darüber hinaus verleiht die Staatskanzlei in Zusammenarbeit mit dem SWR und den großen Tageszeitungen des Landes seit 2002 jährlich einen Sonderpreis für Corporate Citizenship an kleine und mittlere Unternehmen.437 Die Auszeichnung überträgt der SWR live zur Hauptsendezeit in der Sendung "Ehrensache – Menschen mit Engagement in Rheinland Pfalz", sodass das Siegerunternehmen eine einmalige Publizität erhält. Neben der Staatskanzlei befassen sich auch andere Ministerien am Rande mit Corporate Citizenship. So thematisiert das Ministerium des Inneren und für Sport, das vor allem für das klassische Ehrenamt in Vereinen und Verbänden
regierung einen Gesetzentwurf, der bürgerschaftlich Engagierte ab dem 1. Januar 2005 besser gegen Unfälle absichert. Im Wesentlichen erweitert der Entwurf den gesetzlichen Schutz der Unfallversicherung auf weitere Personengruppen. (S. auch schon Fußnote 188). Vgl. zu dem Thema auch das Protokoll zum öffentlichen Expertengespräch des Unterausschusses "Bürgerschaftliches Engagement" am 10. Dezember 2003 unter: www.bundestag.de/parlament/ gremien15/a12/a12_buerger/ Protokolle/index.html 435 Vgl. zum Problem des Versicherungsschutzes bei CV-Projekten Fußnote 189. 436 www.zirp.de/archiv/termine/fachtag_00/ehrenamt/ehrenamt_programm.htm, 10.03.04 437 Die Jury besteht aus den Chefredakteuren großer Tageszeitungen im Land, dem Intendanten des SWR und einem Vertreter der Staatskanzlei. Vgl. Heuberger (2003), 14; Details unter www.swr.de/ehrensache/
128
zuständig ist, Corporate Citizenship in der von ihm herausgegebenen "Zeitung für Ehrenamt und Bürgerengagement"438. Das Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend lud im April 2002 ebenfalls mit der ZIRP und "Unternehmen – Partner der Jugend" (UPJ) zu einer Veranstaltung mit dem Titel "Unternehmen in Rheinland-Pfalz: Partner der Jugend"439. Anlass war die Preisverleihung an die Gewinner des Wettbewerbes "Partner 2002 – Kooperationen zwischen Jugend und Wirtschaft". Das Ministerium finanziert außerdem das UPJ-Projektbüro in Mainz. Das Wirtschaftsministerium trat bislang zum Thema Corporate Citizenship nicht direkt in Erscheinung. Allerdings ist es über die bei ihm angesiedelte und bereits erwähnte ZIRP indirekt involviert. Der Geschäftsführer der ZIRP ist Angestellter des Ministeriums und gehört zum Referat 8402 "Vermarktung des Wirtschaftsstandortes, Wirtschafts- und Verkehrsmarketing" (Abteilung 4 "Außenwirtschaft, Tourismus, Verbraucherschutz, Marketing"). Die ZIRP wurde 1992 vom damaligen Ministerpräsidenten Rudolf Scharping und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der BASF Jürgen Strube als Public Private Partnership in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins gegründet. Ihr Ziel ist, durch Vernetzung der Akteure den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz zu fördern. Die ZIRP soll als Think Tank aktiv innovative Zukunftsthemen für das Land identifizieren und bearbeiten. Mitgliedsbeiträge440 finanzieren die Projekte, das Land trägt die Kosten für zwei Mitarbeiter und die Geschäftsausstattung. Geführt wird die ZIRP von einem 15-köpfigen Vorstand, in dem neben Unternehmern u.a. Ministerpräsident Kurt Beck und Wirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhage vertreten sind.
438
"Wir tun 'was – Zeitung für Ehrenamt und Bürgerengagement in Rheinland-Pfalz", Nr. 4, 11/2003. Anlass war die Ankündigung der UPJ-Servicestelle, die beim BDKJ Diözesanverband in Mainz angesiedelt ist, einen regionalen Runden Tisch ins Leben zu rufen, um mit Unternehmen ins Gespräch zu kommen. Unter dem Logo "Wir tun 'was" firmiert auch eine Homepage der Landesregierung (www.wir-tun-was.de), die sich als Kommunikationsplattform für bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt versteht. Herzstück ist eine Datenbank, in der sich inzwischen 12.000 Vereine, Gruppen und Initiativen präsentieren. Dazu gibt es Aktuelles zur Engagementpolitik, Veranstaltungshinweise, Fortbildungsangebote und Publikationen. 439 www.zirp.de/archiv/termine/fachtag_02/unt-jug/upj_main.htm, 10.03.04 440 Derzeit hat die ZIRP rund 50 Mitglieder, neben mittelständischen Unternehmen auch Niederlassungen großer Konzerne wie DaimlerChrysler und Siemens sowie die AG der Handwerkskammern, der Sparkassen- und Giroverband Rheinland-Pfalz, die Landesbank, der FB Wirtschaft und Recht der Johannes-Gutenberg-Universität und das ZDF.
129
Was Corporate Citizenship betrifft, so ist die ZIRP nicht eindeutig einzuordnen: Zum einen lädt sie zu Veranstaltungen ein, die die Idee des gesellschaftlichen Engagements publik machen und fördern sollen441. Zum anderen begreift sie sich selbst in gewisser Hinsicht als Corporate-Citizenship-Initiative ihrer Mitglieder, da diese sich durch die ZIRP für die Zukunft des Standortes und damit Belange des Landes engagieren. In der ZIRP selbst spricht man von einem Kontinuum an gesellschaftlichen Beteiligungsmöglichkeiten für Unternehmen, das vom klassisch sozialen oder kulturellen Engagement bis zur Mitgliedschaft in einem Wirtschaftsverband reicht. Die ZIRP sei zwischen den Polen angesiedelt. Sie ist also in gewisser Hinsicht eine CC-Initiative, die über CC reflektiert wie im derzeit größten Projekt der ZIRP, dem Zukunftsradar 2030442. Dort entwickeln die Beteiligten u.a. Szenarien zur Rolle von Bürgerengagement und Corporate Citizenship in der Kommune von morgen. Sie prognostizieren, dass "die Verwaltungen fast nur noch hoheitliche und kulturelle Aufgaben wahr[nehmen] [...] Viele kleinere Gemeinden nutzen die Änderungen bzw. den Abbau von Gesetzen [...] und bieten statt dessen Anreize für unternehmerisches Engagement in den Kommunen."443 Die Empfehlung lautet entsprechend, die Gesetzesgrundlagen zu ändern und Kooperationen von Unternehmen und Gemeinden durch das Land zu fördern, beispielsweise bei der Vergabe von Fördermitteln und Aufträgen. Grundsätzlich sehen die Mitgliedsunternehmen die ZIRP jedoch nicht als Plattform, um sich sozial zu engagieren. Dazu gäbe es professionelle Mittler. Zwar fördert die ZIRP Musikstipendiaten und vergibt alle zwei Jahre einen Literaturpreis, den Erik-Reger-Preis444, aber die Geschäftsführung ist von der Idee abgerückt, als eine Art Agentur zu fungieren und Engagement441
Neben den bereits genannten Veranstaltungen lud die ZIRP außerdem im Mai 2003 zu einem Podiumsgespräch "Das Spannungsfeld von Wirtschaft und Ethik" mit dem Präses der evangelischen Kirche Rheinland-Pfalz, Nikolaus Schneider. www.zirp.de/archiv/ termine/fachtag_03/wirtschaft-und-ethik/main.htm, 10.03.04 442 Das Projekt beschäftigt sich im ersten Schritt mit den Konsequenzen des demographischen Wandels für die Kommunen in Rheinland-Pfalz. Drei Zukunftsteams zu "Nachhaltiger Landesplanung", "Perspektiven für Stadt und Dorf" und "Versorgung der Gesellschaft" erarbeiten in einem Foresight-Prozess Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Sie sollen im Herbst 2004 auf verschiedenen Veranstaltungen präsentiert werden. Details unter www.zukunftsradar 2030.de 443 www.zukunftsradar2030.de/images/pdf/Protokoll_3Kommune.pdf, 15 444 Der Preis wird seit 1999 an Schriftsteller oder Journalisten verliehen, die sich durch herausragende Darstellungen der modernen Lebens- und Arbeitswelt auszeichnen.
130
Möglichkeiten zwischen Mitgliedern und sozialen Organisationen makeln zu wollen. In diese Richtung gehende Pläne wurden nach Problemen mit dem Kooperationspartner noch in der Entwicklungsphase fallen gelassen. Heute betrachtet die ZIRP bürgerschaftliches Engagement immer themengebunden und nicht eigenständig. Beispielsweise befasst sich eine Ausstellung zum demographischen Wandel neben anderem mit der Frage, wie Kommunen das Potenzial der engagierten Rentner nutzen können. 2.2 Kategorien 2.2.1 Konzeption Corporate Citizenship ist als Begriff vielfach definiert (s. Kapitel I, 1.1). Daher stellt sich zunächst die Frage, mit welchen Inhalten die Befragten den Fachbegriff füllen und wie sie ihn verwenden. Eng mit diesen inhaltlichen Definitionen verbunden, ist die Frage nach den Motiven. Warum beschäftigen sich die Befragten mit dem Thema und in welche politischen Zusammenhänge betten sie die Diskussion um CC ein? Die Antworten darauf geben Hinweise auf die konzeptionelle Ausrichtung. 2.2.1.1 Begriffsverständnis und -verwendung Neuer Gedanke
Gg. Philanthropie Gg. sozialem Engagement von Unternehmen Gg. CSR
Kein neuer Gedanke
Viele Beispiele aus der Vergangenheit Kein Unterschied zw. Unternehmen und Unternehm
Inhalt Verständnis
Ressortaufgabe Aufgabe
Querschnittsaufgabe
Begriff Immer Übersetzung
Teilweise/Untertitel Nie
Verwendung
CC als Oberbegriff Ordnung
CC als Teilaspekt CC als Synonym
Umfasst alle Engagementfelder Umfasst alle Engagementformen Sonderform von BE Sonderform von CSR Unterscheidung rein akademische Diskussion Bisher keine Notwendigkeit zu differenzieren
Abb. 20: Strukturbaum zur Kategorie "Begriff"
Will man etwas darüber erfahren, wie die Befragten Corporate Citizenship verstehen, stellen sich folgende Fragen: Welche Inhalte fassen die Befragten
131
unter den Begriff CC? Bzw.: Wie ordnen sie CC als Aufgabe ein? Und: Wie verwenden sie den Begriff? In der Regel sind weder Begriffsverständnis noch verwendung schriftlich festgelegt, da Konzeptpapiere zu Corporate Citizenship in allen untersuchten Ländern fehlen.445 So kann aus den Antworten der Befragten nicht zweifelsfrei geschlossen werden, dass sie einen Konsens in der jeweiligen Landesregierung darstellen. Beim Begriffsverständnis offenbart sich auf der inhaltlichen Seite schnell ein Gegensatz in den Antworten der Befragten: Die einen sagen, der CC-Gedanke sei neu, die anderen bestreiten bzw. relativieren das und nennen als Beispiele Unternehmensstiftungen, um ihre Position zu untermauern. Dabei unterscheiden sie nicht zwischen dem Engagement von Unternehmern und Unternehmen446 – eine Differenzierung, die als wichtige Errungenschaft der CCDebatte gilt. Diejenigen, die in CC etwas Neues sehen, versuchen dieses Neue (bewusst oder unbewusst) dadurch zu erklären, dass sie es von anderen Bezeichnungen wie Philanthropie, bürgerschaftliches Engagement oder CSR abgrenzen, ohne allerdings diese Begriffe immer explizit zu erwähnen. Eine eher unbewusste, implizite Abgrenzung findet sich gegenüber dem Begriff der Philanthropie. Alle Gesprächspartner betonen z.B. den Win-WinAspekt von CC und zählen die Vorteile für das Unternehmen auf. Damit schließen sie Engagement aus rein altruistischen Gründen aus. Ein Gesprächspartner sieht außerdem die neue Qualität von CC darin, dass die Unternehmen offen sind für die Initiativen ihrer Mitarbeiter oder sie sich mit Bürgern zusammenschließen für gemeinsame Projekte.447 Damit will der Befragte das Miteinander, den Austausch zwischen den Akteuren betonen und CC abgrenzen gegenüber der philanthropischen Tradition, alle karitativen Initiativen der Geschäftsleitung oder der Frau des Vorstandsvorsitzenden zu überlassen. Die Langfristigkeit des Engagements oder die Orientierung an 445
Eine Ausnahme macht ein Bundesland in der Hinsicht, dass es immerhin auf seiner Internetseite verschiedene Definitionen anbietet. Vgl. z.B. Interviewpartner F 447 Vgl. Interviewpartner C: "Das Besondere würde eigentlich erst dann kommen, wenn das Unternehmen bereit wäre, sich soweit zu öffnen, dass tatsächlich auch Initiativen seitens der Mitarbeiter des Unternehmens oder auch der Unternehmensführung bereit wären, sich mit Organisation von Bürgern so zusammenzutun, dass man tatsächlich auch gemeinsam Projekte macht – sei es im Sozialen oder sei es im Kulturellen – die so sind, dass es eine positive Rückwirkung hat für das Selbstverständnis der Unternehmen selber und es nicht so etwas ist, wie – also ich will es doch mal etwas abschätzig sagen – Almosen geben in die Community hinein." 446
132
Kernkompetenzen – in der akademischen Diskussion wichtige Weiterentwicklungen von CC gegenüber dem Mäzenatentum – spielen allerdings in den Interviews als Kriterien keine Rolle. Lediglich aus einer Antwort ließe sich herauslesen, dass die Nähe zu den Kernkompetenzen als wichtige Eigenschaft von CC gesehen wird. Der Befragte nennt das Beispiel von Werbeagenturen, die die Öffentlichkeitsarbeit für Freiwilligenagenturen übernehmen, was zeige, dass "sie eben etwas [machen], das sie mit ihrem Know-how können."448 In einem Interview spezifizieren die Gesprächspartner Corporate Citizenship bewusst in Gegenüberstellung zu dem deutschen Begriff des bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen449. In ihren Augen transportiert nur der englische Terminus "Corporate Citizenship" den Zusammenhang von Engagement und Strategie sowie Modernisierung. CC stehe außerdem für die internationale Ausrichtung, die gängig für große Unternehmen und wichtig für Investoren sei. Darüber hinaus spräche der englische Begriff alle Arbeitgeber an und schließe damit auch die Verwaltung ein. Girlsday450, Payroll Giving451 und Days of Service (Projekttage) seien nicht nur für klassische Unternehmen adäquate Konzepte. Dies alles drücke nur "Corporate Citizenship" aus. Ein weiterer Interviewpartner versucht, CC gegenüber CSR zu differenzieren, um das für ihn Charakteristische von Corporate Citizenship zu erklären.452 CC umfasse Geld- und Sachspenden, Freistellungen und Seitenwechsel453 aber – anders als CSR – kein Sponsoring.
448
Interviewpartner C Vgl. Gespräch mit Interviewpartner D und H 450 An den so genannten Girlsdays haben Mädchen die Möglichkeit, sich in Unternehmen ein Bild von verschiedenen, vor allem technischen Berufen zu machen. 451 Payroll Giving bezeichnet die Spende direkt vom Gehaltszettel. Vgl. Kap. I, 1.1.1.2 452 Vgl. Interviewpartner B 453 Der Name SeitenWechsel® ist urheberrechtlich geschützt und bezeichnet ein Corporate Volunteering-Programm der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG). Unter dem Motto "Lernen in anderen Arbeitswelten" können Führungskräfte aus Unternehmen eine Woche in sozialen Einrichtungen mitarbeiten. Ziel ist der Austausch zwischen Wirtschaft und Sozialwesen und die gemeinsame Verantwortung für soziale Aufgaben der Gesellschaft. Vgl. www.seitenwechsel.ch, 07.09.2004, bzw. Tony Ettlin/ SGG (Hrsg.): SeitenWechsel. Lernen in anderen Arbeitswelten. Zürich 2003. Inzwischen ist der Name jedoch für Viele zu einem Paradigma dafür geworden, was CC eigentlich charakterisiert. Auch der Interviewte meint mit dem Begriff nicht das ursprüngliche Projekt, sondern er verwendet ihn als Synonym für das Prinzip, dass Unternehmen Führungskräfte in eine sozialen Einrichtung entsenden. 449
133
Insgesamt vermitteln die Gespräche den Eindruck, dass alle Befragten versuchen, auf bestehende Definitionen zurückzugreifen (meistens jedoch ohne ihre Referenz direkt zu nennen)454. Allerdings entsteht dabei oft der Eindruck, dass sich die babylonische Begriffsverwirrung aus der wissenschaftlichen Diskussion auf diese Weise in der politischen Praxis fortpflanzt. Einigkeit herrscht hingegen darin, dass alle Befragten – zum Teil wiederholt – die Freiwilligkeit des Engagements betonen. Wichtig sei, "dass [das Engagement] aus dem eigenen Wünschen und Wollen der Beteiligten entsteht."455 Es könne "nicht obrigkeitsstaatlich oktroyiert werden."456 An den Inhalt schließt sich die Frage an, wie die Interviewpartner Corporate Citizenship als Aufgabe definieren. Grundsätzlich gibt es zwei Betrachtungsweisen: CC kann als Ressort- oder Querschnittsaufgabe begriffen werden. Dabei liegt eine Vermutung nahe: Wer CC als Ressortaufgabe betrachtet, versteht es eher als ein Politikfeld wie z.B. Familienpolitik. Sieht jemand CC dagegen als Querschnittsaufgabe, versteht er CC womöglich eher als ein Politikinstrument in verschiedenen Politikfeldern. Für diese Vermutung lassen sich allerdings keine eindeutigen Belege in den Interviews finden. Die Hintergründe, warum die Befragten die Aufgabe so oder anders einordnen, sind nicht immer deutlich. Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass gerade die "einsamen Streiter" CC eher als Querschnittsaufgabe deklarieren, um entlastet zu werden (i. S. v. "da müssen alle etwas tun") oder die geringe Wirkung ihrer Arbeit zu entschuldigen (i. S. v. "allein kann man nichts ändern"). Zur Ressortzuständigkeit äußert sich lediglich ein Befragter: Er würde es sowohl für sein Land als auch für die Bundesebene begrüßen, wenn Corporate Citizenship in den Wirtschafts- statt in den Sozial- oder Familienministerien behandelt würde: "Schön wäre es natürlich, wenn es die Wirtschaftsministerien machen würden. Das ist ganz klar. Aber genauso ist es auch auf der Bundesebene. Bisher war es – wenn überhaupt – ein Thema, das im Rahmen von Diskussionen im Familienministerium behandelt worden ist und nicht im Rahmen von Diskussionen im Wirtschaftsministerium. [...] Man könnte sagen, ja wieso nimmt sich das Wirtschaftsministerium auf Bundesebene 454
In NRW wird zwar in den Gesprächen keine Quelle genannt, doch auf der Internetseite beziehen sich die Darstellungen bzw. Definitionen zu CC auf Veröffentlichungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) bzw. Mutz 455 Interviewpartner F 456 Interviewpartner B
134 nicht dieses Themas an? Das ist es eben, das ist genau der Punkt. Weil man eben noch nicht sieht, wie stark man der Sache eben auch einen ökonomischen Nutzen anhängen kann."457
Insgesamt reklamiert jedoch keiner der Interviewten das Thema ausschließlich für sich. Corporate Citizenship eher als Querschnitts- denn als Ressortthema zu verstehen, ist allem Anschein nach Konsens. Das mag daher rühren, dass schon bürgerschaftliches Engagement allgemein als Querschnittsaufgabe gilt.458 Zum Verständnis von CC als Querschnittsaufgabe äußern sich fast alle der Gesprächspartner. Eine Befragte spricht von einer "Querschnittsaufgabe, die normal mitläuft."459 Sie bezeichnet damit zunächst die Tatsache, dass das Engagement von Unternehmen bei vielen hausinternen Themen eine Rolle spielt. Das "Mitlaufen" deutet darüber hinaus darauf hin, dass Corporate Citizenship keine Priorität vor anderen Themen eingeräumt wird. Ähnlich scheinen es auch diejenigen zu sehen, die CC als hausübergreifendes Thema verstehen. Sie fassen unter dem Etikett "Querschnittsaufgabe" alle bestehenden Aktivitäten der Landesministerien zusammen, die in irgendeiner Weise mit Unternehmen oder der Wirtschaft zu tun haben – so z.B. auch Freistellungen für die freiwillige Feuerwehr, obwohl diese nicht ohne weiteres mit Corporate Volunteering-Projekten vergleichbar sind.460 Die Frage der Verwendung des Begriff "Corporate Citizenship" lässt sich ebenfalls in zweierlei Hinsicht beantworten: Die Art der Übersetzung und der Ordnung sind hier die relevanten Entscheidungsmerkmale. Was die Übersetzung anbelangt, so gelten theoretisch drei Möglichkeiten: Corporate Citizenship immer, teilweise oder nie zu übersetzen. Die dritte Möglichkeit – nie zu übersetzen – bleibt theoretisch, denn sie taucht in der Praxis nicht auf. Die meisten übersetzen CC früher oder später bzw. ergänzen den Begriff durch einen Untertitel, wobei sie bewusst Redundanzen in Kauf nehmen. Nur ein Befragter gibt an, auf den englischen Begriff ganz verzichten zu wollen, mit dem Hinweis, dass Deutsch die Amtssprache ist. Die Frage, ob und wie 457
Interviewpartner C Vgl. z.B. Enquete-Kommission (2002), 372 Interviewpartner F 460 Anders als CV ist die Freistellung von Mitarbeitern, die sich für die freiwillige Feuerwehr engagieren, auf Landesebene gesetzlich geregelt. Mitarbeiter, die der Feuerwehr angehören, müssen freigestellt und weiter bezahlt werden. Unternehmen können das Gehalt von der Gemeinde auf Antrag zurückverlangen. 458 459
135
übersetzt wird, ist insofern bedeutsam, als dass sie ein weiteres Indiz für das zu Grunde liegende Verständnis liefert. Ist "Corporate Citizenship" nur ein schlichtes Etikett (und damit austauschbar) oder der Fachbegriff für bestimmte Inhalte? Vermutet wird, dass, wer auf den englischen Begriff bewusst Wert legt, mit ihm wahrscheinlich auch das anglo-amerikanische Konzept verbindet. In der Tat unterstreichen diejenigen, die am Konsequentesten mit dem englischen Terminus arbeiten, dass Corporate Citizenship viele Konnotationen umfasse, die für das deutsche Verständnis von gesellschaftlichem Engagement von Unternehmen neu sind.461 Umgekehrt betonen diejenigen, die am wenigsten zwischen Deutsch und Englisch unterscheiden, die lange Tradition des Unternehmensengagements vor allem in Form von Stiftungen.462 Sie operieren also mit einem gegenüber dem Mäzenatentum eher undifferenzierten und damit austauschbaren Begriff. Schließlich ist noch die Ordnung oder Rangfolge interessant, in die die Befragten Corporate Citizenship einfügen. Die einen verwenden CC als Oberbegriff, der alle Engagementfelder oder -formen umfasst. Die anderen sehen in CC einen Teilaspekt von bürgerschaftlichem Engagement oder eine spezielle Seite von CSR. Und Einige verwenden CC synonym mit allen anderen Begriffen, da sie die Unterscheidung für eine rein akademische Angelegenheit halten und bisher keine andere Notwendigkeit zur Differenzierung sahen. Diese pragmatische Haltung scheint einher zu gehen mit einem sehr offenen Begriffsverständnis oder anders ausgedrückt: je offener das Verständnis desto undifferenzierter die Verwendung.
461 462
Vgl. Gespräch mit Interviewpartner D und H Vgl. Interviewpartner F
136
2.2.1.2 Motive Alternativen zu Subventionen finden Wirtschaftl.
Leere öffentl. Kassen entlasten Neue Handlungsspielräume f. Beschäftigung schaffen Humanere Gesellschaft schaffen
Motive
Dem Ideal der Bürgergesellschaft näher kommen
Normative
Unternehmen an öffentl. Aufgaben beteiligen
Finanzierbarkeit von Leistungen überprüfen Mentoring-Konzepte Partner-Konzepte Diskussion um Globalisierung zurückführen Antwort auf Liberalisierung finden Selbstbestimmung Vielfalt Demokratie Unternehmen bei ihrer staatsbürgerl. Ehre packen
Weg v. Primat d. Shareholder Value Mehr als nur Gewinnerzielung
Soziale Verpflichtung d. U.
Künstl. Trennung zw. Wirtschaft u. Gesellschaft aufheben Mehr Eigenverantw. f. Bürger Mentalitätswandel fördern
Mehr Mitverantw. f. U. Staat besinnt sich auf Kernkompetenzen
Vorbehalte nur im Hoheitsbereich ....
Abb. 21: Strukturbaum zur Kategorie "Motive"
Auf die Frage nach den Motiven argumentieren die Interviewpartner in ökonomischen oder normativen Kategorien – ohne jedoch selbst diese Unterscheidung vorzunehmen. Dabei bestätigt sich das Naheliegende: die Interviewpartner aus den Wirtschaftsministerien greifen eher auf den ersten Begründungszusammenhang zurück, diejenigen aus den Sozialministerien eher auf den zweiten. Die Einschränkung mit "eher" nimmt Rücksicht darauf, dass in keinem Fall ausschließlich wirtschaftlich oder normativ argumentiert wurde, sich aber klare Tendenzen erkennen lassen. Zur ökonomischen Kategorie zählt der Verweis auf die wirtschaftliche Notwendigkeit von Corporate Citizenship. Angesichts leerer öffentlicher Kassen ginge es darum, von reinen Subventionsstrategien weg zu kommen und die Finanzierungsmöglichkeiten von Leistungen zu überprüfen. Unternehmen sollten an öffentlichen Aufgaben beteiligt werden, während der Staat sich auf seine Kernkompetenzen besinne. Es klingen also Argumente aus der Diskussion um neue Steuerungsmodelle an, explizit stellt aber keiner der Befragten diesen Zusammenhang her. An diesem Punkt gleiten die Argumente häufig auf die normative Ebene. Ein Interviewpartner spricht in diesem Zusammenhang davon, "die Unternehmen bei ihrer staatsbürgerlichen Ehre packen"463 zu wollen, ein anderer führt die "soziale Verpflichtung der 463
Interviewpartner G
137
Unternehmen"464 an. In wirtschaftlicher Hinsicht etwas konkreter wird ein Interviewpartner, der mit Corporate Citizenship die Hoffnung verbindet, neue Handlungsspielräume für Beschäftigung zu schaffen. Als Beispiele nennt er Mentoren- und Partnerkonzepte.465 In der normativen Kategorie spielen Verantwortung und Solidarität eine wichtige Rolle, ausgedrückt in verschiedenen Zusammenhängen. Einer der Befragten nennt als Motiv, eine "humanere Gesellschaft" schaffen zu wollen.466 Es ginge ihm darum, die Diskussion um Globalisierung weg zu führen vom Primat des Shareholder Value und zu zeigen, dass es für Unternehmen um mehr gehen müsse als um Gewinnerzielung. Er möchte Antworten finden auf die Konsequenzen der Liberalisierung.467 Als weiteres Motiv taucht das Ideal der Bürgergesellschaft auf: Corporate Citizenship als Weg zu mehr Selbstbestimmung, Vielfalt, Demokratie.468 Andere sprechen vom notwendigen Mentalitätswandel, den Corporate Citizenship fördert und der sich ausdrückt in mehr Eigenverantwortung der Bürger und mehr Mitverantwortung der Unternehmen.469 Schließlich ginge es darum, die Trennung zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, die einer der Befragten als künstlich bezeichnet, aufzuheben470 oder zumindest aufzulockern471, indem man den Austausch zwischen den beiden fördert. In solchen Formulierungen klingen durchaus demokratietheoretische Überlegungen an. Auffallend ist, dass insgesamt mehr normative als wirtschaftliche Argumente genannt werden. Ein Grund könnte sein, dass das Thema "Corporate Citizenship" zurzeit stark von den Sozialministerien geprägt wird (in nur einem Land ist das Wirtschaftsministerium federführend). Allerdings steht diese "normative Prägung" dem selbst gestellten Anspruch der Befragten entgegen, 464
Interviewpartner B Interviewpartner H (zu Mentorenkonzepten vgl. Fußnote 44) Interviewpartner B, vgl. auch Interviewpartner G. Interessant ist, dass dieses Argument auch von Unternehmen angeführt wird. Sie betonen, "eigene Beiträge für eine bessere Welt" leisten zu wollen. Vgl. Rieth (2003), 377 467 Interviewpartner B, vgl. auch Interviewpartner C 468 Interviewpartner B 469 Interviewpartner H 470 Interviewpartner G. Seit Parsons und Luhman gehört die Betrachtung der Gesellschaft als Gefüge aus differenzierten Sub- oder Funktionssystemen zum Kanon der Sozialwissenschaften. Die Forderung, diese Trennung aufzuheben, die auch in der Wissenschaft seit einiger Zeit diskutiert wird, birgt also auch gesellschaftstheoretische Brisanz. Bislang gibt es aber erst Ansätze, die Implikationen von CC für die Grenzziehung zwischen Wirtschaft und Gesellschaft in einem theoretischen Modell zu erfassen. Vgl. Polterauer (2004a) 471 Interviewpartner H 465 466
138
vor allem den Nutzen für die Unternehmen in den Vordergrund zu stellen. Dazu mehr im folgenden Abschnitt. 2.2.2 Interessen und Bedarf Die Art und Weise, wie die Landesregierungen mit Corporate Citizenship umgehen, hängt nicht nur vom Verständnis und von den Motiven ab. Sie wird auch davon geprägt, welche Ansprüche die Befragten an die anderen Akteure und an sich selbst stellen. Gleichzeitig spielt eine Rolle, mit welchen Erwartungen sie sich konfrontiert sehen.
139
2.2.2.1 Erwartungen an die anderen Akteure
Von Kommunen Kommunen An Kommunen
Andere politische Ebenen
Vom Bund Bund An den Bund
Erwartungen
Von Unternehmen Unternehmen An Unternehmen
Gesellschaftliche Ebene
Wirtschaftsverbände
Wohlfahrtsorganisationen
Von Verbänden
Keine bekannt .... Selbst aktiv werden Unbürokratisch handeln Umsetzungsort für CC Keine bekannt .... Netzwerke fördern Wirtschafts- statt Familienministerium aktiv Keine bekannt Wenden sich nicht an Land Klagen über wirtschaftl. Rahmenbed. Interessiert an Austausch Nutzen erkennen f. MA Horizont erweitern Nutzen erkennen f. Firma Bei Bewerbern positiv werten Freistellungen/Seitenwechse Thema selber voran bringen Code of Conduct Notwendigkeit erkennen Für lokale Anliegen interessieren Wir machen das allein Senkt erst die Steuern
An Verbände
Kastendenken verlassen Keine
Von Wohlfahrtsorg.
Keine bekannt Allgemein
An Wohlfahrtsorg.
Engagement > Tag Spannung Haupt-/Ehrenamtl
Keine Aufgeschlossenheit gg. Unternehmen
Abb. 22: Strukturbaum zur Kategorie "Erwartungen an andere"
Zunächst fiel in den Interviews auf, dass die Gesprächspartner auf die Frage nach ihren Erwartungen gar keine oder nur sehr zögerliche Antworten fanden und dabei oft vage blieben. Dies könnte entweder für eine prinzipielle Offenheit gegenüber allen Impulsen der anderen Akteure sprechen oder aber Ausdruck der eigenen Unklarheit über die eigene Politik sein (denn wer die eigene Position nicht kennt, hat selten ein klares Bild davon, wo er die anderen sehen möchte). Prinzipiell ließe sich das weitgehende Fehlen konkreter Erwartungen auch interpretieren als mangelndes Interesse an dem, was die anderen Akteure für Corporate Citizenship tun. Doch das persönliche Engagement der meisten Befragten lässt diese Auslegung unwahrscheinlich erscheinen. Grundsätzlich lassen sich bei den Erwartungen eine politische und eine gesellschaftliche Ebene unterscheiden. Auf politischer Ebene spielen Kommunen und Bund eine Rolle. Von den Kommunen erwarten die Befragten, die sich geäußert haben, dass diese selbst aktiv werden bzw. dass sie sich als Umsetzungsort für Corporate Citizenship begreifen:
140 "Die besseren Umsetzungsorte sind meiner Meinung nach immer die VorOrt-Geschichten, weil da die Menschen leben und auch die Unternehmen verankert sind."472
Ein anderer Befragter betont, dass die Kommunen engagementwilligen Unternehmen entgegenkommen und unbürokratisch handeln sollten: "Es kann nicht sein, dass wenn [Unternehmen] etwas machen wollen, dass sie dann von [den Kommunen] oder irgendjemandem, der das Formblatt 1058 rauszieht, behindert werden."473
Vom Bund erwartet eine der Befragten, dass er übergreifende Netzwerke fördert.474 Ein anderer wünscht sich, dass das Wirtschaftsministerium anstelle des Familienministeriums aktiv wird, um so den ökonomischen Nutzen von Corporate Citizenship noch mehr zu betonen.475 Auf gesellschaftlicher Ebene spielen die Wohlfahrtsorganisationen, die Wirtschaftsverbände und die Unternehmen eine Rolle. Zu den Wohlfahrtsorganisationen äußert sich lediglich einer der Befragten. Er wünscht sich von ihnen Aufgeschlossenheit gegenüber Unternehmen476 – ohne dadurch unterstellen zu wollen, dass sie es nicht vielleicht schon sind; doch fehlen ihm nach eigener Aussage Erfahrungswerte. Mangelnde Erfahrung im Umgang miteinander könnte auch dafür verantwortlich sein, dass nur eine einzige Erwartung gegenüber Wirtschaftsverbänden laut wird. Von ihnen erhofft sich einer der Interviewten, dass sie ihr "Kastendenken" verlassen.477 Was genau gemeint ist, lässt sich nur aus dem Zusammenhang schließen: Im BBE sei dieses Kastendenken von den dort teilnehmenden Wirtschaftsvertretern schon teilweise überwunden. Demnach geht es um die Bereitschaft der Unternehmen zur sektorübergreifenden Kooperation für gesellschaftliche Belange. Theoretisch könnte jedoch auch gemeint sein, dass Unternehmen ein anderes Verständnis ihrer Rolle in der Gesellschaft haben als die staatlichen Akteure. Am ausführlichsten sind vergleichsweise die Aussagen zu den Unternehmen – wenn sie auch nicht sehr konkret formuliert sind. Speziell an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) richtet sich der Wunsch, dass diese sich für
472
Interviewpartner G, vgl. auch Interviewpartner F Interviewpartner H Vgl. Interviewpartner F 475 Vgl. Interviewpartner C 476 Vgl. Interviewpartner B 477 Vgl. Interviewpartner C 473 474
141
kommunale Belange interessieren mögen.478 Noch sehr viel allgemeiner heißt es in einem anderen Interview, die Unternehmen sollten die Notwendigkeit von Corporate Citizenship erkennen – wobei nicht eindeutig ist, ob hier von der Notwendigkeit für die Gesellschaft oder das Unternehmen die Rede ist.479 Ähnlich abstrakt sind die Aussagen, dass es wünschenswert wäre, wenn die Unternehmen "ihren Horizont erweitern wollen" oder "ein offenes Ohr haben"480. Gemeint ist, den Nutzen von Corporate Citizenship zum einen für die Mitarbeiter und zum anderen für das Unternehmen insgesamt zu erkennen. Als Nutzen für die Mitarbeiter nennen die jeweiligen Befragten die Stärkung der Eigenverantwortung und der Sozialkompetenz; den Nutzen für das Unternehmen sehen sie in einem Impuls zur Modernisierung und in der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit durch geringere Fehlzeiten, steigende Loyalität der Mitarbeiter, durch die wachsende Sozialkompetenz und positive Image-Effekte. Eine weitere Erwartung ist, dass die Unternehmen "das Thema selber voranbringen" sollten.481 Dazu wird gezählt, dass Firmen entweder ihre Mitarbeiter frei stellen oder ihnen die Möglichkeit bieten, für eine begrenzte Zeit, in einer sozialen Einrichtung mitzuarbeiten (i.S. eines Seitenwechsels). Diese Erwartung spricht allerdings für eine starke Ehrenamts-Perspektive der Befragten. Denn es scheint weniger darum zu gehen, dass sich die Unternehmen selbst engagieren, als darum, dass sie das Ehrenamt ihrer Mitarbeiter unterstützen. In die gleiche Richtung zielt die Forderung, dass Unternehmen bei Einstellungen das soziale Engagement der Bewerber positiv berücksichtigen sollen. Hier geht es im Grunde genommen noch nicht darum, dass sich Unternehmen als Corporate Citizens betätigen, sondern dass sie den gesellschaftlichen Stellenwert des Ehrenamts erhöhen. Auch heißt "das Thema selber voranbringen" theoretisch mehr, als allein auf Corporate Volunteering zu setzen. Man könnte von Unternehmen auch erwarten, Verhaltenskodizes einzuführen oder Projektpartnerschaften mit gemeinnützigen Organisationen einzugehen – beides Instrumente, die die Unter-
478
Vgl. Interviewpartner G Vgl. Interviewpartner F 480 Interviewpartner D und H 481 Vgl. Interviewpartner B, ebenso G 479
142
nehmen selbst als sehr wichtig erachten.482 Doch nichts dergleichen nennen die Befragten. Am konkretesten ist da noch der Wunsch, die Unternehmen sollten präzise formulieren, was sie von potenziellen Kooperationspartnern erwarten, damit diese sich darauf einstellen können.483 Der nächste Abschnitt zeigt, dass die Erwartung, die Unternehmen mögen es selber richten, einem Steuerungsverständnis entspricht, das auf Information und Überzeugung setzt. Eine Befragte bringt dies auf die Formel: "Wir setzen auf Selbstorganisation."484
2.2.2.2 Erwartungen an die eigene Rolle Grundüberzeugung, sich heraus zuhalten Freiwilligkeit unterstützen Laufen lassen Nur Engagement begrüßen, das sich rechnet
Allgemein Rahmenbed. schaffen CC-spezifisch Prominente Promotoren gewinnen Eigene Rolle
Überzeugen
Vorbild sein Beispiele zeigen Verbal Ideell
Unterstützen Finanziell Instrumentell
Muss Kultur aus sich heraus werden Kein Altruismus CC Mittel zum Zweck
Gewinne machen Arbeitsplätze schaffen Investieren
Bürokratie abbauen Lohnzusatzkosten senken Abgabenlast erleichtern Betriebsverfassung reformieren Versicherungsschutz verbessern .......... Minister Ministerpräsidenten Parteichefs Eigene CC Projekte machen .... Nutzen für Unternehmen darstellen .... Reden Aufrufe zum Mitmachen Ehrungen Tagungen Direkt Indirekt Methodensammlung bereitstellen Beispiele sammeln Infrastruktur aufbauen Moderieren
MA_Motivation MA-Bindung Image/Werbung
CC-spezifische Bestehende Steuerpolit. Maßnahmen ...... Anschubfinanzierung f. Vermittler .......
Vorgaben machen
Abb. 23: Strukturbaum zur Kategorie "Eigene Rolle"
Die Erwartungen an die eigene Rolle beschreiben die Befragten in vier Varianten, die alle als Formen der Informierung und Strukturierung gelten können und somit verschiedenen Ausprägungen desselben, weichen
482
Vgl. Rieth (2003), 381f. Allerdings ergibt die Befragung auch, dass als Kodex-Setzer und Kontrolleure Unternehmen prinzipiell nur Verbände oder internationale Organisationen akzeptieren würden. Insofern sind die Befragten vielleicht gut beraten, von vornherein diesen Anspruch nicht zu erheben. 483 Vgl. Interviewpartner C 484 Interviewpartner F
143
Steuerungsverständnisses entsprechen.485 Die genannten Varianten lassen sich überschreiben mit "Laufen lassen", "Überzeugen", "Rahmenbedingungen schaffen" und "Unterstützen" und können mit den Worten eines der Befragten zusammengefasst werden: "Wir müssen neue Rollen lernen, [...] nämlich begleitende Rollen."486
Alle sind sich einig, dass eine fünfte Möglichkeit, Vorgaben zu machen, keine angemessene Handlungsalternative darstelle, damit also ein klassisch regulativer Ansatz nicht in Frage komme. Stellvertretend seien hier zwei der Befragten zitiert. Einer von ihnen stellt fest: "Die Politik [kann] [...] maximal diskutierend und moderierend tätig sein, aber es ist kaum möglich Corporate Citizenship von Seiten des Staates zu verordnen."487
Der andere konstatiert: "Ich kann niemanden dazu zwingen. Ich kann es immer nur als offenes Angebot anbieten und dafür werben."488
Die Entwicklung ginge demnach eher in Richtung Selbstregulierung als in die einer regulierten Selbstregulierung. Die erste Rolle, das "Laufen lassen", betont die Freiwilligkeit jedes sozialen Engagements und begrüßt nur CC-Initiativen, die sich im Sinne der Unternehmen rechnen. Diese Haltung beruft sich auf die Grundüberzeugung, sich aus Wirtschaft generell herauszuhalten, und auf das Bestreben, CC eine "Kultur"489 aus sich heraus werden zu lassen. Einer der Befragten hält sogar "Zivilgesellschaft und Wirtschaft [für] ein[en] Themenverbund, der jenseits der öffentlichen Verwaltung zu verorten ist," und fährt an anderer Stelle fort: "Da muss man sich der eigenen Bedeutungslosigkeit tendenziell bewusst sein."490
CC könne nur Mittel zum eigentlichen Unternehmenszweck sein, nämlich Gewinne zu machen, Arbeitsplätze zu schaffen und zu investieren. Im Zweifel vertraut man darauf, dass den Unternehmen der Zusammenhang zwischen 485
Vgl. Görlitz/ Burth (1998), 32. Strukturierung und Informierung setzen auf die Wirkungsmechanismen von Stimulus-Response und Wissen-Motivation anstatt auf MachtGehorsam (Regulierung) oder Geld-Eigennutz (Finanzierung). 486 Interviewpartner G 487 Interviewpartner C 488 Interviewpartner B 489 ebd.
144
sozialem Engagement und Vorteilen für das eigene Unternehmen bekannt ist.491 Von dieser Voraussetzung gehen diejenigen, die sich als "Überzeuger" verstehen, nicht aus. Sie wollen anhand von Beispielen zeigen, welchen Nutzen die Unternehmen aus ihrem Engagement für die Motivation und Bindung ihrer Mitarbeiter oder ihr Image ziehen können. Generell zeichnen sich alle Befragten dadurch aus, dass sie genau die Vorteile für die Unternehmen aufzählen, die diese auch selbst so angeben492. Daraus spricht ein gutes Verständnis für die Bedürfnisse der Zielgruppe. Gleichzeitig erheben die Befragten den Anspruch an sich selbst, Vorbild zu sein, indem sie ebenfalls als Corporate Citizen eigene Projekte ins Leben rufen.493 Für einen der Befragten ist dies sogar Voraussetzung, um die notwendige Glaubwürdigkeit zu erlangen, zwischen den verschiedenen Parteien – Unternehmen und Wohlfahrtsorganisationen – zu moderieren (s. instrumentelle Rolle weiter unten). In der dritten Variante, die eigene Rolle zu definieren, sprechen drei Akteure davon, günstige Rahmenbedingungen schaffen zu wollen. Zumindest bei einem der Gespräche bleibt jedoch der Eindruck zurück, dass dahinter noch keine Inhalte stehen. Die zwei anderen Antworten zeigen etwas konkreter, was unter dem Pauschalbegriff verstanden wird. Ein Befragter zählt auf, dass es notwendig wäre, Bürokratie abzubauen, die Lohnzusatzkosten zu senken, die Abgabenlast zu erleichtern und die Betriebsverfassung zu reformieren.494 Allerdings kommen diese Vorschläge über das Niveau von Allgemeinplätzen nicht hinaus, da sie für fast jedes wirtschaftspolitische Thema gelten können und eher allgemeine Verwaltungsaufgaben beschreiben. Etwas CCspezifischer äußert sich der dritte Befragte, indem er die Verbesserung des Versicherungsschutzes für Engagierte als Vorleistung der Politik nennt.495 Schließlich kann sich das Selbstverständnis darin ausdrücken, unterstützen zu wollen. Dies kann verbal, ideell, instrumentell oder finanziell geschehen. Wenn die Befragten von verbaler Unterstützung sprechen, meinen sie zum einen Reden, die sie für ihre Vorgesetzten schreiben und in denen CC positiv
490
Interviewpartner G Vgl. Interviewpartner I Vgl. Rieth (2003) 493 Vgl. Interviewpartner H 494 Vgl. Interviewpartner I 495 Vgl. Interviewpartner C 491 492
145
angesprochen wird. Zum anderen zählen Einzelne auch aufmunternde Appelle an die Unternehmen dazu, sich zu engagieren. Ideelle Unterstützung möchten die Befragten durch Ehrungen und Tagungen geben. Keines der untersuchten Bundesländer verleiht zwar derzeit einen CCspezifischen Preis wie den auf Bundesebene vergebenen Preis für "Freiheit und Verantwortung". Aber einige von ihnen integrierten in bestehende Wettbewerbe Sonderauszeichnungen für sozial engagierte Unternehmen (z.B. Rheinland-Pfalz) oder betonen, bei Ehrungen von Unternehmen implizit das gesellschaftliche Engagement immer mit zu berücksichtigen (wie bei der Verleihung der Staatsmedaille in Bayern). Aus diesen graduellen Unterschieden in der öffentlichen Würdigung von Corporate Citizenship lässt sich ablesen, welchen Stellenwert die jeweilige Landesregierung dem Thema zuschreibt. Sonderauszeichnungen sprechen für eine höhere Priorität als die pauschale Aussage, man berücksichtige das gesellschaftliche Engagement implizit. Tagungen sind eine weitere Möglichkeit für die politischen Akteure, die Idee von Corporate Citizenship zu propagieren.496 Interessant ist hier zu sehen, wie weit die Initiativen zurückliegen und unter welchem Titel sie laufen. Zwei Bundesländer richteten 2003 eine Veranstaltung aus, von denen jedoch nur eine Corporate Citizenship explizit im Titel führte bzw. ausschließlich diesem Thema gewidmet war. In den anderen Ländern fanden die Fachtage bereits im IJF 2001 statt, sodass derzeit der Eindruck entsteht, dass ohne einen äußeren Anlass keine weitere Initiative ergriffen würde. Bei einem Selbstverständnis, das insbesondere auf eine instrumentelle Rolle setzt, werden in den Interviews vier Aspekte genannt: den Unternehmen Hilfestellungen in Form von Methodensammlungen zu geben, Beispiele zu sammeln und zu veröffentlichen, eine Infrastruktur an Ansprechpartnern zu sichern und ggf. zwischen den Partnern zu moderieren. Eine Rolle als reiner Geldgeber hält keiner der Befragten für angemessen. Steuerpolitische Maßnahmen seien ebenso wenig geeignete Hebel auf Landesebene wie andere Finanzierungsformen von CC-Projekten, da dadurch einzelne Unternehmen von öffentlichem Geld profitierten und so der Wett496
Gribben et al sehen den Vorteil von Konferenzen, die die Politik ausrichtet, darin dass sie die Chance bieten, verschiedene Akteure zusammenzubringen, die sich sonst vielleicht nicht austauschen würden (z.B. Unternehmen, die in verschiedenen Netzwerken organisiert sind). Vgl. Gribben et al (2001), 102. Von den Befragten weist jedoch keiner auf diesen Zusammenhang hin.
146
bewerb verzerrt wäre. Die Möglichkeit zur indirekten finanziellen Hilfe spricht ebenfalls niemand an. Doch gäbe es die theoretische Möglichkeit der Anschubfinanzierung für Vermittlungsagenturen. Die Gespräche zeigen, dass sich in der Praxis die einzelnen Rollen überschneiden. Da sie sich jedoch – wie eingangs erwähnt – alle einem weichen Steuerungsverständnis zuordnen lassen, müssen sie sich auch nicht zwangsläufig gegenseitig ausschließen. Erwähnenswert ist vielmehr, dass bereits jetzt deutlich wird, dass Selbstverständnis und Motive in einzelnen Gesprächen schwer in Einklang zu bringen sind. Wer beispielsweise die Freiwilligkeit und Freiheit der Unternehmen betont, kann nicht gleichzeitig die Unternehmen bei ihrer "staatsbürgerlichen Ehre"497 packen wollen. Solche Widersprüche führen zu inkonsistenten Handlungsstrategien. Gleichzeitig deutet sich an, dass die, die auf Überzeugung setzen, tendenziell stärker von normativen Aspekten geleitet sind.498 2.2.2.3 Erwartungen von anderen Akteuren
Von Kommunen Kommunen An Kommunen
Andere politische Ebenen
Vom Bund Bund An den Bund
Erwartungen
Von Unternehmen Unternehmen An Unternehmen
Gesellschaftliche Ebene
Wirtschaftsverbände
Wohlfahrtsorganisationen
Von Verbänden
Keine bekannt .... Selbst aktiv werden Unbürokratisch handeln Umsetzungsort für CC Keine bekannt .... Netzwerke fördern Wirtschafts- statt Familienministerium aktiv Keine bekannt Wenden sich nicht an Land Klagen über wirtschaftl. Rahmenbed. Interessiert an Austausch Nutzen erkennen f. MA Horizont erweitern Nutzen erkennen f. Firma Bei Bewerbern positiv werten Freistellungen/Seitenwechse Thema selber voran bringen Code of Conduct Notwendigkeit erkennen Für lokale Anliegen interessieren Wir machen das allein Senkt erst die Steuern
An Verbände
Kastendenken verlassen Keine
Von Wohlfahrtsorg.
Keine bekannt Allgemein
An Wohlfahrtsorg.
Engagement > Tag Spannung Haupt-/Ehrenamtl
Keine Aufgeschlossenheit gg. Unternehmen
Abb. 24: Strukturbaum zur Kategorie "Erwartungen von anderen"
Neben den eigenen Erwartungen an sich und andere spielt für das Handeln auch eine Rolle, ob man sich selbst mit Ansprüchen Dritter konfrontiert sieht. Mit anderen Worten lautet die Frage nach den Erwartungen, die andere 497
Vgl. Interviewpartner G
147
Akteure möglicherweise an die Landesregierung herantragen: Sehen die Befragten auch einen Bedarf zu handeln? Auch hier soll bei der Antwort wieder zwischen gesellschaftlichen und politischen Akteuren unterschieden werden. Zu den gesellschaftlichen Akteuren zählen die Wohlfahrts- und Wirtschaftsverbände sowie die Unternehmen. Gefragt nach den Erwartungen der Wohlfahrtsverbände, heißt es in allen Interviews, dass keine bekannt seien. Lediglich ein Befragter äußert die Vermutung, dass den Wohlfahrtsverbänden zum einen ein Engagement von mehr als einem Tag sicher lieber wäre (was für Seitenwechsel und gegen Days of Service spräche) und dass sich zum anderen die bekannten Spannungen zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen verschärfen könnten (vor allem, wenn Mitarbeiter von ihren Unternehmen "geschickt" würden). Die Erwartungen der Wirtschaftsverbände konkretisiert ebenfalls nur einer der Befragten. Er sieht zwei Positionen, die beide Ausdruck derselben Abwehrhaltung seien: Die eine laute "Lasst uns in Ruhe, wir machen das schon", die andere "Senkt erst die Steuern, dann sehen wir weiter".499 Es ist jedoch nicht ganz klar, welche Konsequenzen er daraus zieht. Er scheint einerseits auf mehr direkte Kontakte zu Unternehmen setzen zu wollen, andererseits klingt auch Resignation an: "Ich kann es im Moment nicht richtig einschätzen, ob der Zug abgefahren ist, oder ob es einfach noch ein bisschen Zeit braucht. [...] Ich denke eben auch, dass es im Unternehmerlager selbst noch nicht klar ist, was man mit dem Thema wirklich anfangen kann."500
Im Hinblick auf die Erwartungen der Unternehmen gegenüber den Landesregierungen sind die Wahrnehmungen widersprüchlich. Diejenigen Interviewpartner, die einen Kongress veranstalteten und sich dort direkt mit den Unternehmen austauschten, hatten ein eher positives Bild. Ihnen gegenüber äußerten die Unternehmen den Wunsch nach Kontinuität in der Abstimmung und sie zeigten sich interessiert am Austausch mit den politischen Akteuren.501 Die anderen Befragten sprachen dagegen vor allem von einer abwehrenden Haltung der Unternehmen, die über die allgemein schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Engagement klagten oder schlicht 498
Vgl. Interviewpartner B und C Interviewpartner C 500 ebd. 501 Vgl. Interviewpartner D und H 499
148
kein Interesse zeigten – sodass einer der Interviewten resümiert: "Das ist kein Thema, dass den Unternehmen unter den Nägeln brennt."502 Dieser Gegensatz in den Erfahrungen mag zum einen daher rühren, dass an den Kongressen wahrscheinlich nur die aufgeschlossenen, an Corporate Citizenship interessierten Unternehmen teilnahmen und die Interviewten daher nur die Meinung dieses Teils der Wirtschaft wiedergaben (während vielleicht der große Rest der Firmen tatsächlich ablehnend eingestellt ist). Zum anderen kann er daher stammen, dass diejenigen, die sich aktiv mit den Unternehmen auseinander gesetzt haben, feststellten, dass die Gleichung "Unternehmen sind nicht an Gesellschaftlichem interessiert" nicht pauschal für alle gilt. Schließlich gab es noch die dritte Erfahrung, das "Weder-Noch": Nach Angaben dieser Gruppe von Befragten wandten sich die Unternehmen überhaupt nicht an die Landesministerien. Auch das kann wieder in zweierlei Hinsicht interpretiert werden: Entweder die Unternehmen unterlassen die Kontaktaufnahme, weil sie sich nichts erwarten, oder aber die Landesministerien kümmern sich nicht darum, die Erwartungen in Erfahrung zu bringen. Für die erste Annahme spricht ein Befund von Rieth: Gefragt nach den Einflussfaktoren für Investitionen in "soziale Verantwortung" gaben deutsche Unternehmen an, dass die Politik in ihren Überlegungen keine Rolle spiele. Sie erwarteten außerdem keine zusätzlichen Regelungen auf nationaler Ebene, sodass sie keinen Anlass sahen, gegenüber den politischen Akteuren aktiv zu werden.503 Welche Erwartungen möglicherweise die politischen Akteure auf Bundesund Kommunalebene gegenüber den Ländern hegen, ist keinem der Befragten in den Ländern bekannt. Dies kann – wie in den vorherigen Fällen – bedeuten, dass es tatsächlich keinen Bedarf seitens der anderen politischen Ebenen gibt oder dass lediglich kein Austausch zu dem Thema stattfand. Bestünde kein Bedarf, so bliebe das "Nicht-Wissen" der Befragten ohne politischen Schaden, fehlte lediglich die Kommunikation, wäre das Schulterzucken der Interviewten schon eher als Versäumnis zu werten.
502 503
Interviewpartner E Vgl. Rieth (2003), 380
149
2.2.3 Umsetzung Während sich die vorherigen beiden Abschnitte mit den theoretischen Überlegungen der Interviewten beschäftigten, geht es im Folgenden um die praktische Umsetzung: Was ist bisher geschehen? Was wollen die Akteure in Angriff nehmen? Welche Mittel stehen ihnen zur Verfügung und an wen wenden sie sich? 2.2.3.1 Maßnahmen Landesnetzwerk nutzen Indirekt Rahmenbedingungen verbessern
Versicherungsschutz verbessern Infrastruktur an Vermittlern unterstützen Mit Unternehmen
Kooperationen eingehen
Maßnahmen
Mit Medienpartnern
Kongress veranstalten
Direkt
Auf Unternehmen fokussieren Breit für alle Akteure anlegen Internetseite aufsetzen
Medien nutzen
Eigene Projekte Kommunikation v. Best-Practice Austausch ermöglichen Bekanntheit schaffen Vorteile f. Unternehmen herausst Austausch ermöglichen Projekte vorstellen Kontakt zu Mittlern bieten Plattform für Best-Practice
Zeitung herausgeben
Preise verleihen Pers. Kontakte nutzen
Dt.-amerik. Handelskammer Oberbürgermeister
Veranstaltungen nutzen
Freiwilligentage Tagungen
Multiplikatoren suchen
Abb. 25: Strukturbaum zur Kategorie "Maßnahmen"
Die bisherigen Maßnahmen zielen entweder direkt oder indirekt auf die Förderung von Corporate Citizenship, allerdings wurde diese Unterscheidung erst bei der Strukturierung der Gespräche eingeführt. Sie stammt also nicht von den Befragten selbst. Zu den indirekten Maßnahmen sollen zwei Aspekte gezählt werden: erstens die Nutzung von Landesnetzwerken zu bürgerschaftlichem Engagement und zweitens die Verbesserung der Rahmenbedingungen wie des Versicherungsschutzes für Engagierte und einer ausreichenden Infrastruktur an Vermittlungsagenturen. Sie gelten hier als indirekt, weil ihre primäre Intention ist, bürgerschaftliches Engagement im Allgemeinen, d.h. der einzelnen Bürger, zu erleichtern und nicht das der Unternehmen. Dennoch profitiert auch Corporate Citizenship von diesen Maßnahmen, wenn z.B. für Corporate VolunteeringEinsätze nicht zusätzliche Versicherungen abgeschlossen werden müssen.
150
Die Landesnetzwerke gibt es – wie bereits in Kapitel II, 2.1 geschildert – in zwei der untersuchten Bundesländer. Auf ihnen ruht ein Großteil der Verantwortung für die Engagementförderung, sodass die Ministerien nur wenige, eigene Initiativen ergreifen. Zwar nannte weder der Gesprächspartner in Baden-Württemberg noch der in Bayern spezielle CC-Ansätze der Netzwerke. Theoretisch schaffen sie aber durch ihr Beratungsangebot Strukturen, die auch Unternehmen nutzen könnten, um Kontakte zu kooperationsbereiten Organisationen beispielsweise für Corporate Volunteering-Projekte zu knüpfen. Erwähnenswert ist, dass keiner der Befragten die Unterstützung für eine Infrastruktur an Vermittlungsagenturen als geeignete Maßnahme thematisiert. Möglicherweise liegt dies an der Brisanz des Gegenstands, die in der Frage gipfelt, wer für die Vermittlungsleistung von Unternehmensmitarbeitern an soziale Einrichtungen bezahlen soll: das Unternehmen oder der Staat respektive der Steuerzahler? Als direkte, auf die Förderung von Corporate Citizenship gerichtete Maßnahmen initiierten die Befragten Kongresse, verliehen Preise, suchten nach Multiplikatoren und ersten Kooperationen, gaben eine Zeitung heraus oder bauten eine eigene Internetseite auf. Fokus dieser Maßnahmen und ihr kleinster gemeinsamer Nenner ist immer, Austausch zu ermöglichen, Beispiele aus dem eigenen Land vorzustellen und für die Idee zu werben. Trotz guter Resonanz – beispielsweise auf den Kongressen – befindet einer der Gesprächspartner (selbst)kritisch: "Die Kehrseite dieser großen Veranstaltungen ist, dass sie suggerieren, dass hier bereits schon ein Thema zum Standard im Selbstverständnis der Unternehmen geworden ist, was aber de facto nicht der Fall ist."504 Tatsächlich tauchen sowohl in den Gesprächen als auch in der Fachliteratur oder Presse seit Jahren en Gros immer wieder dieselben Unternehmensbeispiele auf. Dies kann dreierlei Ursachen haben: Die Zahl der engagierten Unternehmen ist bislang tatsächlich nicht sehr groß; oder die Unternehmen, die mit ihrem Engagement an die Öffentlichkeit treten, sind immer dieselben; oder alle zitieren dieselben Quellen. Auffallend ist außerdem, dass keiner der Befragten eindeutig klärt, welche Maßstäbe oder Kriterien er anlegt, um eine Firma als Corporate Citizen vorzustellen. In einem Gespräch heißt es beispielsweise:
504
Interviewpartner C
151 "Wir wollen alles, [...] wenn es beispielhaft ist, weiter geben."505
Selbst auf Nachfrage, was genau darunter zu verstehen ist, bleibt die Antwort jedoch vage: alles, was neu ist, was Sinn macht, was übertragbar bzw. kopierfähig für andere Unternehmen ist. In diesen Aussagen scheint sich das in der Regel recht schwammige Begriffsverständnis zu spiegeln. Konkrete Maßstäbe dafür, wann ein Projekt als Best Practice gilt, wie z.B. der Erfolg bei der Lösung eines bestimmten gesellschaftlichen Problems, nennt keiner. Auf diese Art wird sicherlich der ein oder andere Konflikt von vornherein vermieden. Direkte Kooperationen mit Unternehmen oder sogar trisektorale Partnerschaften finden sich in keinem der untersuchten Länder. Lediglich ein Bundesland verhandelt derzeit über eine Zusammenarbeit mit einem Medienunternehmen, um Best-Practice-Beispiele zu kommunizieren. Sollte das Projekt zustande kommen, wird die Landesregierung jedoch nicht mehr offiziell in Erscheinung treten.506 Die Suche nach Multiplikatoren läuft nach dem Gelegenheitsprinzip. Die Befragten setzen weniger auf konkrete Aktionen zur gezielten Ansprache als vielmehr auf persönliche Kontakte bei spontanen Begegnungen. Dadurch handelt es sich eher um eine Daueraufgabe, die sich in dieser Hinsicht von den, in sich geschlossenen Einzelmaßnahmen wie Kongress oder Internetseite unterscheidet. Verglichen mit den zuvor im Selbstverständnis geäußerten Rollenerwartungen bewegen sich die bisherigen Maßnahmen vorwiegend auf dem Niveau verbaler oder ideeller Unterstützung. Daher stellen sich zwei Fragen: In welche Richtung zeigen die Planungen? Was wollen die Akteure künftig in Angriff nehmen?
505 506
Interviewpartner F Vgl. Interviewpartner G
152
2.2.3.2 Ziele Standortvorteile erreichen Durch CC Extern Für CC
Ziele
Intern
Möglichkeiten d. extra-funktionalen Qualifikation schaffen Thema breiter verankern Auf ein Handlungsfeld konzentrieren Bewusstsein bilden Projekte in Gemeinden anstoßen Instrumentensammlung bereitstellen
Know-how aufbauen
Mitarbeit in Gremien z.B. dem BBE Recherche Austausch mit anderen Teilnahme an Konferenzen Erhebung veranlassen
Verwaltungsspitze gewinnen
Thema intern Gewicht verleihen ....
Eigene CCAnsätze entwickeln
Days of Service Seitenwechsel
Neue Kooperationsformen sc Innovation stärken Lebendigen Standort schaffe Stadtteilsanierung voranbring Akteure an einen Tisch bringe Vorhandene Strukturen nutze Bei Institutionen bekannt mac CC wichtig für Unternehmen CC wichtig für Gesellschaft
Mit Ländern Mit Unternehmen Motive v. Unternehmen Engagementfelder v. Unterne Wirkung von CC
Konzept entwickeln Entscheider überzeugen
Abb. 26: Strukturbaum zur Kategorie "Ziele"
Die Äußerungen zu Planung und Zielen machen schnell deutlich, dass es zwei Stoßrichtungen gibt: eine interne und eine externe. Die interne befasst sich mit den persönlichen Zielen der Befragten bzw. mit dem, was innerhalb der eigenen Behörde oder der Landesregierung erreicht werden soll. Allein die Existenz einer solchen Stoßrichtung könnte Indiz dafür sein, dass die Beschäftigung mit Corporate Citizenship in der jeweiligen Landesregierung noch am Anfang steht und man primär mit Grundlagenarbeit im eigenen Haus beschäftigt ist. Die externe Stoßrichtung beinhaltet die gesellschaftliche Perspektive. Hier wären theoretisch zwei Ziele denkbar: Wenn sich Landesregierungen mit Corporate Citizenship auseinander setzen, könnten sie erstens anstreben, dass sich mehr Unternehmen bzw. bestimmte Unternehmen engagieren (Quantität fördern), oder zweitens wollen, dass sich Unternehmen in einer bestimmten Weise bzw. für ein bestimmtes Thema engagieren (Qualität fördern). Die Interviews geben jedoch kaum Aufschluss über solch grundsätzliche Überlegungen. Stattdessen äußern sich die Gesprächspartner auf einer sehr viel operativeren Ebene. Einige hinterlassen dabei sogar den
153
Eindruck, dass Prinzipielles kaum festgelegt wurde – nach dem Motto eines der Befragten: "Engagement ist immer gut."507 Intern verfolgen die Befragten drei Ziele: Know-how aufzubauen, die Verwaltungsspitze zu gewinnen und eigene CC-Ansätze zu entwickeln. Beim Know-how-Aufbau streben die Befragten – je nach bisherigem Wissensstand – unterschiedliche Zielstufen an: Für den einen ist die Recherche von Basiswissen zu Corporate Citizenship zunächst vorrangig508; eine andere möchte erheben, aus welchen Motiven sich Unternehmen engagieren, wo sie sich engagieren und vor allem welche Wirkung das Engagement hat.509 Den (institutionalisierten) Austausch mit Kollegen anderer Bundesländer nennt dagegen keiner der Befragten, obwohl dies zumindest zwischen Bundesländern mit gleicher Regierungsmehrheit zu erwarten wäre.510 Auch regelmäßige Konsultationen mit Unternehmen zieht offenbar niemand in Erwägung. Grundsätzlich wäre auch eine Bund-Länder-Kommission zu Corporate Citizenship denkbar, die unterhalb der Ministerebene angesiedelt wäre. Dass keiner der Befragten eine solche Möglichkeit andeutet, könnte daran liegen, dass keiner einen gesetzlichen Regelungsbedarf sieht, der in der Regel zur Einrichtung solcher Kommissionen führt. Die Verwaltungsspitze soll gewonnen werden, um dem Thema Gewicht zu verleihen. Doch offensichtlich ist nicht recht klar, wie das gelingen könnte. Ein denkbarer Weg wäre, wie bei Unternehmen auf Überzeugungsarbeit zu setzen und die Vorteile für die Politik herauszustellen. Dazu finden sich jedoch keine konkreten Aussagen. Das Ziel, eigene CC-Ansätze zu entwickeln, nennen zwei der Befragten, allerdings setzen sie auf unterschiedliche Konzepte. Während der eine zunächst an sog. Days of Service denkt, also eintägige Teamveranstaltungen511, spricht der andere von Seitenwechsel-Programmen für die Personalentwicklung512. Letzterer hat bereits ein konkretes Mandat vom Ministerial-
507
Interviewpartner I Vgl. Interviewpartner G 509 Vgl. Interviewpartner F 510 Die Kooperationsvereinbarung zwischen NRW und RLP (vgl. Kapitel II, 2.1.3) wurde erst nach den Interviews geschlossen. Sie stellt in dieser Hinsicht eine Weiterentwicklung dar. Allerdings bleibt unklar, warum die Interviewten solche Überlegungen nicht zumindest angedeutet haben. 511 Vgl. Interviewpartner H 512 Vgl. Interviewpartner B 508
154
direktor, die Modalitäten (Teilnehmerkreis, Dauer, Frequenz, Partner) auszuarbeiten. Bei der Analyse der externen Ziele fällt ins Auge, dass sie nicht alle die gleiche Perspektive widerspiegeln. Zum einen gibt es Aussagen dazu, was für das Thema CC erreicht werden soll, zum anderen finden sich Sätze, die eher andeuten, was die Befragten mit Hilfe von CC erreichen wollen. Auch das lässt wieder einen Unterschied zwischen CC als Politikfeld oder CC als Politikinstrument vermuten, wobei nach wie vor unklar ist, ob diese Unterscheidung den Befragten bewusst ist. Zunächst zu den Zielen, die sich die Befragten für CC setzen. Hier wird als ein Aspekt genannt, Bewusstsein dafür zu bilden, dass CC wichtig für die Unternehmen und für die Gesellschaft ist. Aus dem Gesprächszusammenhang kann geschlossen werden, dass dabei der eingeschlagene Weg, vor allem verbal und ideell zu unterstützen, beibehalten werden soll. Ähnlich abstrakt klingt der zweite Aspekt, das "Thema breiter zu verankern". Dafür soll CC erstens verstärkt in vorhandene Strukturen wie z.B. die Mittelstandsoffensive integriert werden, und zweitens in den Institutionen bekannt gemacht werden, indem es beispielsweise mit dem Thema mittelstandsfreundliche Verwaltung verbunden wird.513 Ein drittes Ziel ist, CC-Projekte in einzelnen Gemeinden anzustoßen, allerdings präzisiert der Gesprächspartner diese Idee nicht weiter.514 Etwas konkreter ist die Absicht anderer, eine Instrumentensammlung für Unternehmen bereit zu stellen.515 Die fokussierteste, geäußerte Zielvorstellung verfolgt das Bundesland, das sich zunächst auf ein Handlungsfeld konzentrieren will. Die federführende Behörde will sich dafür einsetzen, dass sich Unternehmen in einem bestimmten Bereich engagieren. Dieser Schwerpunkt soll nach ca. ein bis zwei Jahren durch einen neuen abgelöst werden (usw.).516 Das entspräche dem eingangs theoretisch formulierten Ziel, eine bestimmte Qualität von CC zu erreichen. All diese externen Ziele kann theoretisch nur derjenige haben, der intern nicht den Know-how-Aufbau zu seinen Prioritäten zählt. Und – wie die Interviews 513
Vgl. Interviewpartner H Vgl. Interviewpartner C. Als Vorbild nennt der Befragte die Initiative "für mich. für uns. für alle." Zu dieser Initiative vgl. Fußnote 191. 515 Vgl. Interviewpartner D und G 514
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zeigen – schließen sich in der Tat diese beide Kategorien auch in der Praxis gegenseitig aus. Ziele, die mit Hilfe von CC erreicht werden sollen, nennt nur einer der Interviewten. Er sieht durch CC zum einen die Möglichkeit, Gelegenheiten zur extra-funktionalen Qualifikation zu schaffen, und zum anderen Chancen für den Wirtschaftsstandort: "Wenn amerikanische Unternehmen hierhin kommen, um zu investieren, und man kann sagen: Wir machen hier auch CC. Ich glaube schon, dass das durchaus Standortfaktoren oder Vorteile werden können."517 Neue Kooperationen zwischen Unternehmen, Kommunen und Bürgern könnten die Stadtteilsanierung an vielen Orten voran bringen und so Investitionen locken. Außerdem stärke CC die Innovationskraft von Unternehmen. Wenn diese offen seien für Impulse aus der Gesellschaft, könnten sie z.B. durch den Umgang mit Behinderten neue Produktideen entwickeln. Da Corporate Citizenship den Austausch zwischen Wirtschaft und Gesellschaft fördere, lasse sich ein lebendiger Standort schaffen. Bei allen genannten Zielen fällt auf, dass sie – unabhängig davon, ob man sie zu den internen oder externen zählt – nicht mit Meilensteinen hinterlegt sind. Keiner der Befragten gibt einen Zeitpunkt oder -raum an, bis zu dem er etwas erreichen will. Und keiner deutet an, was er tun möchte, falls das Ziel nicht erreicht werden sollte. Eine Evaluation findet ebenfalls nicht statt. Angesichts der fehlenden Systematik bzw. Konsequenz in der Planung stellt sich daher die Frage, welche Priorität die Beschäftigung mit Corporate Citizenship tatsächlich hat.
516
Vgl. Interviewpartner D. Allerdings wollten sich die Befragten im Interview noch nicht äußern, welcher Bereich das sein wird. 517 Interviewpartner H
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2.2.3.3 Adressaten
Kommunen
Kommunale Netzwerke
Städtetag Gemeindetag Landkreistag
Persönliche Kontakte Politische Ebene Bund
Adressaten
Unternehmen Wirtschaft
KMUs Große
Das Neue v. CC deutlich mache Win-Win-Aspekt betonen
Verbände Kammern
Gesellschaftl. Ebene
Verbraucher/ Endkunden
Wohlfahrtsorganisationen
Abb. 27: Strukturbaum zur Kategorie "Adressaten"
Denkt man an die Adressaten von CC-Initiativen der Landesregierungen, mag man vielleicht unwillkürlich nur die Unternehmen als die unmittelbar Betroffenen im Blick haben. In der Tat kristallisierte sich in den Interviews aber ein zweiter, mittelbarer Adressatenkreis heraus: die Kommunen. Beide können in einen breiteren Kontext eingeordnet werden, indem man zwischen einer gesellschaftlichen und einer politischen Ebene unterscheidet. Interessanterweise stellte sich heraus, dass die Landesregierungen einen Entweder-OderAnsatz verfolgen: Keiner der Befragten gab an, beide Zielgruppen gleichermaßen im Blick zu haben. Zur gesellschaftlichen Ebene zählen neben der Wirtschaft – bestehend aus Unternehmen, Kammern und Verbänden – auch die Wohlfahrtsorganisationen und die Verbraucher sprich Bürger. Beide werden jedoch in keinem Interview explizit als Zielgruppe genannt. Vorstellbar wäre beispielsweise gewesen, dass sich die Politik in ihren Bemühungen um Corporate Citizenship explizit an die Wohlfahrtsorganisationen wendet, um sie z.B. dazu anzuhalten, Unternehmen in ihre Arbeit einzubeziehen. Auch die Verbraucher könnten Zielgruppe sein, indem man sie für soziales Engagement von Unternehmen sensibilisiert und so eine Nachfrage schafft, was nicht engagierte Unter-
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nehmen veranlassen könnte, ihre Haltung zu überdenken.518 Preisverleihungen an engagierte Unternehmen oder andere medienwirksame Initiativen können zumindest mittelbar genau diesen Effekt haben – auch wenn keiner der Gesprächspartner auf diese Möglichkeit hinweist und er von den Befragten vielleicht nicht primär beabsichtigt sein mag. In dem Fall könnte man von einem impliziten Adressatenkreis ausgehen. Ebenso wenig sind bislang auf Landesebene Kammern und Verbände systematisch angesprochen worden. Traditionell pflegen die Wirtschaftsministerien den Kontakt zu diesen Einrichtungen; da jedoch bei Corporate Citizenship in nur einem der untersuchten Bundesländer das Wirtschaftsministerium das Heft in der Hand hält, ist es nicht weiter erstaunlich, dass der Weg über die Kammern und Verbände nur punktuell gewählt wurde. Erschwerend kommt nach Aussage der Interviewten hinzu, dass sich die Kammern und Verbände nicht sehr aufgeschlossen zeigen.519 In der Zielgruppe der Unternehmen richtet sich der Fokus allen Ländern auf die KMU. Hier sehen die meisten der Befragten einen höheren Aufklärungsbedarf, denn die KMU seien zwar traditionell stark engagiert, doch ihre Initiativen beschränkten sich auf klassisches Sponsoring und Spenden. Ihnen müsse also das Neue von Corporate Citizenship, der Win-Win-Aspekt deutlich gemacht werden, während die Großen ohnehin alle schon etwas täten.520 Auf der politischen Ebene sind sowohl der Bund als auch die Kommunen potenzielle Adressaten. An den Bund wendet sich jedoch keiner. Stattdessen richtet sich das Bemühen wenn überhaupt auf die Kommunen, die einige der Befragten als den eigentlichen Umsetzungsort für Corporate Citizenship sehen (vgl. Kapitel II, 2.2.2.1 "Erwartungen"). Die Akteure nutzen zum einen ihre persönlichen Kontakte, zum anderen wählen sie den Weg über die Landesnetzwerke für bürgerschaftliches Engagement – soweit solche vorhanden sind. Es lässt sich schwer feststellen, ob dieser letzte Zugang auch eingeschlagen worden wäre, hätte man die Netzwerke erst ins Leben rufen müssen (soll 518
Dieses Vorgehen, also die Nachfrage bei den Kunden zu stärken, wählte die Bundespolitik z.B. im Umweltschutz: Sie befreite Katalysatoren von Steuern und steigerte so die Nachfrage, was immer mehr Unternehmen dazu brachte, umweltfreundliche Produkte herzustellen. Ein anderes Beispiel für die Förderung nachhaltigen Konsumverhaltens ist das Internetportal www.oeko-fair.de, an dem über die GTZ auch die Bundesregierung beteiligt ist. 519 Vgl. z.B. Interviewpartner C 520 Vgl. Interviewpartner C, ebenso B und E
158
heißen, ob hinter diesem Zugang eine grundsätzliche politische Überzeugung steht). Diese Frage stellt sich, da keiner der Befragten in diesem Zusammenhang das Subsidiaritätsprinzip ins Feld führt, obwohl man theoretisch den Zugang über die politische Ebene als vertikal subsidiär einordnen könnte und den über die gesellschaftlichen Akteure als horizontal subsidiär. 2.2.3.4 Mittel
Vollzeit Arbeitszeit Teilzeit Mitarbeiter Nur CC Aufgaben CC als Teilaufgabe
Explizit Implizit
Mittel
Keine Mittel Budget
Aus anderen Mitteln finanziert
Eigenes CC-Budget
Abb. 28: Strukturbaum zur Kategorie "Mittel"
Die Ausstattung an Budget und Mitarbeitern für Corporate Citizenship variiert zwischen den Bundesländern, bewegt sich aber insgesamt auf niedrigem Niveau. Einen eigenen Haushaltstitel für CC-Aktivitäten gibt es bislang nur in einem einzigen Bundesland. Alle anderen geben an, kein Budget zur Verfügung zu haben bzw. einzelne Veranstaltungen aus anderen Töpfen zu bestreiten. Diese Situation empfinden viele als Erschwernis (s. Kapitel II, 2.2.4.2) und angesichts ständiger Kürzungen in den öffentlichen Haushalten könnte sie bald das Aus für CC-Initiativen bedeuten, sollte niemand mehr bereit oder in der Lage sein, Mittel abzuzweigen. Allerdings ist gegenüber dem Argument der fehlenden Finanzen auch Skepsis angebracht. Denn nicht selten muss der Hinweis auf mangelnde Ressourcen auch als Entschuldigung für fehlende Initiative herhalten. Themen, die politische Priorität genießen, erhalten in der Regel auch die notwendigen Mittel. Die Besetzung mit Mitarbeitern ist ebenso kritisch. Oft befasst sich nur der jeweilige Gesprächspartner mit dem Thema, wobei sich keiner der Befragten
159
ausschließlich Corporate Citizenship widmet. Einer der Interviewten hielt dies auch nicht unbedingt für erstrebenswert oder dem Thema dienlich: "In dem Moment, wo ich so eine Stelle schaffe, hat die Gesellschaft ja auch eine Stelle, wo sie das Problem ablegen kann. [...] Wir haben [z.B.] eine Mittelstandsbeauftragte und die bekommt dann einen Stab, aber was folgt dann daraus? Sie muss jetzt ganz viel dafür kämpfen, dass sie Anerkennung findet. So wird nicht notwendigerweise das Thema bearbeitet, sondern es geht jetzt darum, dass eine Institution an Bedeutung gewinnt."521
Er stellt damit den häufigen Automatismus der Verwaltung in Frage, dass ein neues Thema immer auch eine neue Stelle nach sich ziehen müsse. In allen untersuchten Ländern wird Corporate Citizenship bislang als Teilaufgabe wahrgenommen – entweder explizit oder implizit. "Explizit" meint: die Aufgabe gehört offiziell zur Stellenbeschreibung; "implizit" bedeutet, sie hat sich ohne offiziellen Auftrag "ergeben". Je nachdem, ob der Betreffende volloder teilzeit arbeitet und für wie viele andere Themen er zuständig ist, steht entsprechend Kapazität für Corporate Citizenship zur Verfügung. Das Spektrum reichte in den Gesprächen von einer Person in Altersteilzeit mit mehreren anderen Schwerpunktgebieten bis zu drei Personen in derselben Behörde mit Teilverantwortung. Eine Entscheidung für CC als Teilaufgabe muss nicht immer auf knappe Ressourcen zurückzuführen sein. Sie könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass man Corporate Citizenship als Querschnittsthema betrachtet und daher eine Alleinzuständigkeit ablehnt. 2.2.4 Einflüsse In den Beschreibungen, die die Befragten zu ihrer Arbeit gaben, klingt an verschiedenen Stellen an (oder lässt sich aus ihnen erschließen), welche Faktoren die Beschäftigung mit Corporate Citizenship auf politischer Ebene vorantreiben und welche sie blockieren. Dabei lassen sich jeweils interne und externe Einflüsse unterscheiden.
521
Interviewpartner H
160
2.2.4.1 Begünstigende Faktoren Zielvereinbarungen Intern
Top-down Bottum-up Unternehmen in d. Fam.
Pers. Berührungspunkte
Kontakte in die USA Eigene Forschung
USA D
Politik
Politiker Wähler
Begünstigende Faktoren
Corporate Identity Corporate Philosophy Personnell Development Programs Codes of Conduct
Personen Wirtschaft IJF Extern
Ereignisse
Vorbilder
Bericht der EnqueteKommission Praxis engagierter Unternehmen Praxis bei europ. Nachbarn
Corporate Culture Führungsstil Managementmode Großbritannien Niederlande Andere
Abb. 29: Strukturbaum zur Kategorie "Begünstigende Faktoren"
Als positiven Einfluss von außen haben die Befragten entweder Ereignisse oder bestimmte Personen(gruppen) hervorgehoben. An erster Stelle und in allen Interviews (bis auf eines522) wurde das IJF als Impuls genannt. Das IJF hatte jedoch zunächst nur die Förderung bürgerschaftlichen Engagements allgemein im Blick. Erst im zweiten Schritt kam die Auseinandersetzung mit dem Engagement der Unternehmen hinzu. Man könnte daher vermuten, dass die Befragten – aus der Perspektive des IJF kommend – bei CC an die Förderung des Ehrenamtes durch Unternehmen denken statt an das Engagement des Unternehmens. Keiner der Befragten verwies auf die Enquete-Kommission des Bundestages und ihre Empfehlungen als Ansporn oder Auslöser, sich selbst mit Corporate Citizenship zu befassen. Auch Bundesinitiativen wie z.B. der "Runde Tisch Verhaltenskodizes" oder der "Arbeitskreis Menschenrechte und Wirtschaft" kommen nicht vor. Ebenso erwähnt keiner die Initiativen der EU-Kommission bzw. das Weißbuch als Antreiber, obwohl theoretisch eines Tages EUGesetze zu Corporate Citizenship möglich wären, die dann auch national umgesetzt werden müssten und damit auch die Länder beträfen.523 (Um522
Vgl. Interviewpartner D und H Immerhin fasst Marie Donnelly, Head of Unit, Adaption to Industrial Change, die Position der EU-Kommission mit den Worten zusammen: "We do believe that public authorities
523
161
gekehrt nennt auch niemand Bundes- oder EU-Initiativen als Grund, selbst nicht weiter aktiv werden zu müssen.) Lediglich zwei Befragte geben – allerdings eher beiläufig – an, sich am Beispiel europäischer Nachbarländer zu orientieren: an Großbritannien und den Niederlanden. Hinsichtlich Großbritannien ist auffällig, dass sich wiederholt, was sich schon auf bundesdeutscher Ebene abzeichnete: Die Sprache kommt nicht auf die zahlreichen Regierungsinitiativen, sondern zitiert wird das Netzwerk Business in the Community (BitC).524 Das unterstreicht noch einmal die eher kommunale als zentralstaatliche Blickrichtung der Landesakteure. Aus den Niederlanden gelten zwei Aspekte als vorbildlich: Zum einen hätten dort die Unternehmen die Vorteile von Corporate Citizenship bereits verinnerlicht, zum anderen hält zumindest einer der Befragten den "Sozialwirtschaftlichen Rat" (vgl. Kapitel I, 2.3) für nachahmenswert.525 Da dieser Rat kommunale Entwicklungskonzepte entwirft, bestätigt sich auch hier die Diagnose, dass sich das Interesse der Länder eher auf die nachgeordnete politische Ebene richtet. Besonderes Augenmerk legen sie daher auch auf die Beispiele neuer Kooperationsformen zur Stadtteilsanierung. Als ermutigend, sich mit CC zu befassen, nennen manche der Interviewten auch das Beispiel bereits seit langem engagierter Unternehmen.526 Sie zeigten, was möglich sei. Eine besondere Art der Unternehmenskultur und des Führungsstils wird also zum Anlass genommen, Corporate Citizenship zu propagieren. Von einer reinen Managementmode527 geht dabei keiner der Befragten aus. Personen aus Politik und Wirtschaft spielen nach Ansicht der Befragten ebenfalls eine Rolle, wenn auch eine eher indirekte. Sie tragen dazu bei, Aufmerksamkeit zu erregen und ein günstiges Klima für Entscheidungen zu have an important role to play in stimulating debate, encouraging, and in some cases, pushing private enterprise to achieve higher standards and to go forward faster than perhaps they had been." OECD (2001), 52 (Hervorhebung durch die Autorin) 524 Vgl. Interviewpartner D und H sowie Interview mit C 525 Vgl. Interviewpartner C: "Ich könnte mir vorstellen, wenn es Gespräche gäbe zwischen den Kommunen, den Unternehmen und den Institutionen von Bürgerengagement auf kommunaler Ebene, wenn die sich zusammentun würden für Projekte auf lokaler Ebene, dass das ganz wunderbar wäre. Wenn man das institutionalisieren könnte. Aber davon sind wir noch relativ weit entfernt." 526 Vgl. z.B. Interview mit D und H 527 Anders als beispielsweise der BWL-Professor Dr. Max Ringlstetter in seinem Aufsatz: Corporate Citizenship – Eine aktuelle Mode der strategischen Unternehmensführung. (Ringlstetter/ Schuster (2003))
162
schaffen. So berichtet ein Gesprächspartner, dass seine Landesregierung eine in seinem Ministerium vorbereitete Entscheidung nur traf, da der Fraktionsführer der Regierungspartei als programmatischer Vordenker in Fragen des Engagements heftig dafür stritt, die Regierung also nicht gegen die eigene Linie entscheiden konnte. Der Befragte betont, dass dies "eine Randstruktur [darstellte], die entscheidend war."528 Die Empfehlung aus dem Ministerium allein wäre nicht ausreichend gewesen. Wer als treibende Kraft in keinem der Interviews angesprochen wird, ist der Bürger respektive Wähler. Aus Untersuchungen wie der Studie "Soziale Unternehmensverantwortung aus Bürgersicht" der Universität St. Gallen könnte man schließen, dass die Umfrage-Ergebnisse Handlungsdruck erzeugten, sich mit CC zu beschäftigen bzw. CC voran zu treiben, wenn z.B. die Mehrheit der Befragten (63 Prozent) beim Thema sozialer Unternehmensverantwortung auf eine starke Rolle des Staates setzt.529 Doch entweder sehen die Befragten diese Nachfrage in der Bevölkerung bislang nicht (die Studie ist relativ jung) oder sie erachten sie (noch) nicht als relevant.530 Interne, begünstigende Faktoren, sich mit Corporate Citizenship zu befassen, lassen sich vor allem indirekt aus den Gesprächen erschließen. So führen Zielvereinbarungen oder persönliche Berührungspunkte mit CC offensichtlich zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema. Nicht jeder der Befragten hat Corporate Citizenship als explizite Aufgabe in seinen Zielvereinbarungen festgelegt. Zielvereinbarungen gelten aber gemeinhin als Anreiz, sich für ein Thema besonders zu engagieren. Daher wird hier ein positiver Zusammenhang angenommen, vor allem dann, wenn – wie in einem Fall – die Vereinbarung auf Betreiben des Befragten zu Stande gekommen ist.531 Über den Inhalt der Zielvereinbarungen gab es allerdings in keinem Fall genaue Angaben. Persönliche Berührungspunkte mit Corporate Citizenship spielten vor allem bei zwei Befragten eine wichtige Rolle. Beide haben persönliche Kontakte in die 528
Interviewpartner G Universität St. Gallen, Institut für Wirtschaftsethik, Diskussionsgrundlage zur Studie "Soziale Unternehmensverantwortung aus Bürgersicht" Im Auftrag der Philip Morris GmbH, Hrsg. zur Erstpräsentation der Studie, Berlin 2.7.2003, 6. (In einer Vorstudie wurde geklärt, ob der Begriff der sozialen Verantwortung von Unternehmen bekannt sei und erklärt werden könne.) 530 Hier kann nur vermutet werden, da nicht explizit nachgefragt wurde. 531 Vgl. Interview mit G 529
163
USA, sodass sie mit der amerikanischen Tradition und dem dortigen Verständnis von CC vertraut sind. Ihnen ist deshalb der Unterschied zur Entwicklung in Deutschland besonders vor Augen. In einem Fall kommt hinzu, dass es in der Familie ein kleines Unternehmen gibt.532 Daher ist hier einerseits die Engagement-Tradition der KMU und die lokale Perspektive präsent, andererseits sind die Probleme bei der Umsetzung gegenwärtig. Es wird angenommen, dass dieser Aspekt in Teilen dazu beiträgt, dass der Fokus bei der Förderung von CC in diesem Bundesland auf den Kommunen und über die Kommunen bei den KMU liegt. In dem anderen Fall gesellt sich zu der Erfahrung aus den USA dazu, dass der Befragte intensiv wissenschaftlich zu CC gearbeitet hat. Dies deutet sich z.B. in der differenzierten Betrachtung des Nutzens für Unternehmen an.533 2.2.4.2 Hemmende Faktoren Kein harter polit. Wille auf oberster Ebene Institutionell
Kein Beamtenengagement Keine Ressourcen
Intern
Thematisch Hemmende Faktoren
Subtiles Thema Komplexes Thema Neues Thema Zu sehr an Ehrenamt orientiert Andere Themen wichtiger
CC kein explizites Ziel Unklare Zuständigkeiten Keine Priorität Man versteht sich als ausführendes Organ Personell Finanziell Zeitlich
Potenzial von CC unklar Nutzen steht nicht im Vordergrund Demographischer Wandel ...
Aktuelle Wirtschaftslage
Extern
System der Sozialen Marktwirtschaft Unklare gegenseitige Erwartungen
Abb. 30: Strukturbaum zur Kategorie "Hemmende Faktoren"
Einer der Befragten beklagt ganz offen eine Stagnation des Themas CC in Deutschland, ist sich jedoch unsicher, inwiefern externe Faktoren eine Rolle spielen: Verhindert die aktuelle Wirtschaftslage Investitionen in gesellschaftliche Belange? Oder liegt es sogar viel grundsätzlicher am Wirtschaftssystem, sind sozusagen soziale Marktwirtschaft und Corporate Citizenship nicht 532 533
Vgl. Interview mit B Vgl. Interview mit C
164
kompatibel?534 Vielleicht – so eine weitere Vermutung – seien die Hindernisse aber auch weniger grundsätzlich, und Vieles wäre einfacher, wenn die Akteure untereinander ihre gegenseitigen Erwartungen kennen würden. Interne Faktoren scheinen sich leichter identifizieren zu lassen, denn hier tauchen etliche Hinweise in den Gesprächen auf. Sie können unter institutionellen und thematischen Gesichtspunkten zusammengefasst werden. Auf der institutionellen Seite identifizieren die Befragten drei Schwachstellen: es fehle der harte politische Wille auf oberster Ebene genauso wie das Beamtenengagement bei der Ausführung und schließlich gäbe es weder ausreichend personelle, finanzielle, noch zeitliche Ressourcen, um das Thema adäquat zu bearbeiten. Den ersten Punkt illustriert die Klage eines Befragten über die Arbeit einer interministeriellen Arbeitsgruppe, die sich mit bürgerschaftlichem Engagement allgemein und implizit auch Corporate Citizenship befassen soll: "Dieses Beamtenkränzchen ist nicht effizient, um so ein Thema politisch voran zu bringen. Oder es müsste zuerst anderes markiert sein."535
Ähnlich äußert sich ein weiterer Interviewpartner: "Wenn von der Verwaltungsspitze, egal ob das ein Ministerium ist, eine Behörde oder ein Bürgermeisteramt, so ein BE-Prozess nicht positiv begleitet wird, ist es praktisch unmöglich, dem Thema ein Gewicht zu verleihen."536
Die Verantwortung würde zwischen den Beamten hin und her geschoben – oder wie es ein Befragter formuliert: "Es vagabundiert"537 zwischen den Ministerien – bis es schließlich im Sande verlaufe. Zwei Gründe nennen die Befragten, warum Corporate Citizenship ihrer Meinung nach keine Priorität hat. Entweder stünden andere Themen im Vordergrund wie z.B. der demographische Wandel. Oder aber das Thema sei bereits von anderen Akteuren besetzt. So erklärt einer der Befragten die Passivität seines Ministeriums damit, dass ein anderes Haus anderer politischer Couleur schon sehr aktiv bei CC ist: "Das politische Geschäft läuft so, dass jeder schaut, wo gibt es Felder, Themen, wo er sich profilieren kann. Wo ein anderer schon eine Spielwiese 534
Vgl. ebd. Interviewpartner G 536 Interviewpartner B 537 ebd. 535
165 hat, da wäre es dumm, auch darauf zu gehen, wenn es noch andere Felder rechts und links gibt, wo man noch Punkte sammeln kann. Als zweiter sich eines Themas anzunehmen bringt nicht viel."538
Aber nicht nur mangelnden Einsatz der Führung in Verwaltung und Politik sondern auch in der Ausführung beklagen manche Gesprächspartner: "[D]as Thema "Bürgerschaftliches Engagement" [kann man] in der Staatsregierung auch nur mit Beamtenengagement voranbringen."539
Es setze sich fort, was von oben angelegt wurde: fehlende Initiative, unklare Zuständigkeiten und keine expliziten Zielvorgaben für CC – ergänzt durch einen Hinweis in einem Interview, dass man als Ministerium nur ausführendes Organ sei. Den dritten institutionellen Angelpunkt – die Frage der Ressourcen – führen fast alle Befragten ins Feld.540 Vor allem die Verschlankung der Verwaltung, die eine Zunahme an Aufgaben bei gleichzeitigem Abbau an Stellen bedeute, stelle die Befragten vor Kapazitätsprobleme. Einer bedauert: "Man muss dauernd Prioritäten setzen und [...] seine Ressourcen hin- und her shiften, um einigermaßen klar zu kommen."541
In thematischer Hinsicht fasst einer der Befragten die Situation in seinem Bundesland schlicht zusammen: "Das Thema ist von der Landespolitik als solches noch nicht angenommen worden."542
Auch hier wird in den Gesprächen über die Ursachen spekuliert: Corporate Citizenship sei als Thema (zu) subtil, komplex, neu oder – umgekehrt – zu sehr am Ehrenamt orientiert, d.h. das Potenzial von CC sei nicht verstanden und der Nutzen für Unternehmen nicht präsent. Gerade dieser Win-WinAspekt sei in Deutschland fast eine ideologische Hürde: "Zu sagen: Wir engagieren uns und verkaufen das gleichzeitig nach außen als etwas Tolles, was wir tun, [...] [das wird] vielleicht nie richtig unsere Denke."543
538
Interviewpartner E Interviewpartner G 540 Interessant ist, dass in einem Bundesland (NRW) die institutionellen Blockaden offenbar kein Thema sind. 541 Interviewpartner C 542 ebd. 543 ebd. Bestätigungen für diese Überlegungen finden sich immer wieder. So berichtete beispielsweise der Sprecher der Geschäftsführung einer mittelständischen Firma auf einer 539
166
2.2.5 Zwischenbilanz Die Darstellung anhand der Kategorien sollte das Thema CC und die Rolle der Landesregierungen in möglichst vielen Facetten erfassen. Will man nun eine erste Bilanz ziehen, sollte man zwei Dinge nicht außer Acht lassen: 1. das Verhältnis Politik-Wirtschaft, 2. die Kompetenzverteilung Bund-Länder.544 Das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft ist im Grundgesetz festgeschrieben, sodass für alle Akteure unabhängig ihrer wirtschaftspolitischen Überzeugung gilt, dass "Strategien der Förderung [...] autonomieschonend ausgerichtet sein [müssen]; ebenso muss bei der Umsetzung und der Wirkung von Maßnahmen dieser Sachverhalt ausreichend beachtet werden." 545 Für Corporate Citizenship gilt in diesem Sinne, was Schmid/ Otto bereits in ihrer Studie zu allgemeinem bürgerschaftlichem Engagement befanden: "Insofern sind die Strategien und Maßnahmen – in den Kriterien klassischer staatlicher Steuerung – notorisch ineffizient, was jedoch nicht als Politikversagen fehlinterpretiert werden darf, sondern in der Natur der Sache liegt."546
Die landespolitischen Akteure müssen also eine Balance finden, um weder sich selbst noch die Unternehmen zu überfordern. Dabei kann es z.B. durchaus angemessen sein, keine zu ehrgeizigen politischen Ziele zu verfolgen. Die Bedeutung der Freiwilligkeit des Engagements von Unternehmen ist jedenfalls allen Befragten bewusst (s. Kapitel II, 2.2.2). Keiner von ihnen ist daran interessiert, den Unternehmen inhaltliche Vorgaben zu machen. Sie teilen damit die Position der Bundesregierung (s. Kapitel I, 2.1.1.) und kommen den Adressaten ihrer Politik entgegen: Viele Unternehmen betonen – wie beispielsweise die Studie von Rieth zeigt – dass soziale Verantwortung "im Kern freiwillig ist" und dass es "außerhalb des Unternehmens keine strikten Auflagen geben sollte".547 Ähnlich äußern sich CC-Tagung, dass sein Unternehmen die eigenen CC-Aktivitäten kaum nach außen kommunizieren könne, ohne sich dem Vorwurf der engagierten Mitarbeiter ausgesetzt zu sehen, dass die Firma doch nicht das Gute sondern nur Gewinn anstrebe. Daher spreche die Geschäftsführung kaum über das bürgerschaftliche Engagement des Unternehmens. 544 Vgl. die Studie Schmid/ Otto (2003) 545 Schmid/ Otto (2003), 97f. 546 ebd. 547 Rieth (2003), 381. Befragt wurden deutsche Unternehmen, die u.a. im Global Compact engagiert sind, zu folgenden Aspekten: Was verstehen Unternehmen unter sozialer Verantwortung? In welchen Bereichen sind sie engagiert? Wer sind die Adressaten? Wie werden Maßnahmen umgesetzt? Auf welche externen Anreize reagiert ein Unternehmen?
167
auch BDI und BDA in ihrer Stellungnahme zum Grünbuch der EUKommission: "Die Freiwilligkeit ist das Grundprinzip für CSR-Maßnahmen und muss es bleiben."548
Umgekehrt hat diese Zurückhaltung der Politik zur Folge, dass sich die engagierten Unternehmen selbst als die treibenden Kräfte ansehen: "Von Regierungsseite verspüren die Unternehmen demnach nur wenig Druck."549
Diese Tatsache gewinnt in dem Moment Brisanz, in dem sich die Unternehmen nicht in dem Maße, wie von der Politik erhofft, als Corporate Citizens engagieren sollten. Dann nämlich kann das Argument der Freiwilligkeit beiden Akteuren schnell dazu dienen, das eigene Nicht-Handeln zu entschuldigen. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern schließlich führt dazu, dass die Länder bestimmte Maßnahmen auch gar nicht ergreifen können, da wichtige Kompetenzen in der Gesetzgebung, die die Rahmenbedingungen von Corporate Citizenship beeinflussen, beim Bund liegen. So verweisen die Befragten vor allem auf die Tatsache, dass sie keine steuerpolitischen Hebel haben.550 Allerdings machten die Gespräche auch deutlich, dass Recht und Geld nicht die einzigen Steuerungsinstrumente sind. Vor dem Hintergrund dieser zwei Aspekte ergibt sich dennoch ein erstes Bild, das mit den Worten einer der Befragten umschrieben werden könnte: "Ich könnte jetzt nicht sagen, dass wir das Thema CC als strategisches Thema angelegt hätten."551
548
Stellungnahme einsehbar unter: http://europa.eu.int/comm/employment_social/socdial/csr/pdf2/072-SPEMPNAT_BDA-BDI_Germany_011213_de.htm. Ähnliche Äußerungen finden sich im Flyer der Initiative "Freiheit und Verantwortung", z.B. das Zitat von Dieter Hundt, Präsident des BDA: "Wirtschaftliche Freiheit und gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen gehören zusammen," oder Michael Rogowski, Präsident des BDI: "Wir wollen mehr Freiheit. Wir sind bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen." 549 Rieth (2003), 380 550 Dieses Kriterium spielt auch schon eine Rolle bei individuellem bürgerschaftlichem Engagement . Vgl. Schmid/ Otto (2003), 98 551 Interviewpartner F; zu einem ähnlichen Befund für Unternehmen kommt die Analyse von Polterauer (2004a): "Auf einer geplanten, strategischen Ausrichtung basieren die CCAktivitäten der Unternehmen kaum," 92 und später: "Die persönliche Betroffenheit einzelner Mitarbeiter und besonders die persönliche Einstellung von Entscheidern sind bisher die Motoren für CC, nicht die Strategie oder die prägende Leitidee des Unternehmens," 122.
168
Diese Einschätzung gilt mehr oder weniger für jedes der untersuchten Bundesländer in verschiedener Hinsicht. Zunächst lässt die organisatorische Anbindung selten eine bewusste politische Entscheidung erkennen. Vielmehr ist das Thema häufig dort verankert, wo sich Mitarbeiter zuvor schon mit Ehrenamt und Bürgerengagement beschäftigt haben. Im Zweifel werden alle Ressorts dazugezählt, die in irgendeiner Weise Kontakt mit Firmen pflegen. Einerseits knüpft die Verwaltung damit an vorhandenes Know-how an, andererseits bleibt dadurch das Thema CC auch oft fragmentiert und einer starken Ehrenamtsperspektive verhaftet. Zwar bezeichnen fast alle Befragten Corporate Citizenship als Querschnittsaufgabe, aber nicht im Sinne eines übergeordneten Politikziels für alle Ressorts. So fehlt oft eine institutionalisierte Koordination (nicht alle haben eine interministerielle Arbeitsgruppe), was mit dafür verantwortlich sein könnte, dass keine CC-Strategie erkennbar ist.552 Ein Blick auf deutsche Unternehmen zeigt allerdings, dass dort die Frage der organisatorischen Einbindung ähnlich gelagert ist: Auch bei ihnen ist das Thema "Soziale Verantwortung" bedeutender geworden, ohne dass sich bisher eigene Bereiche oder Abteilungen herausgebildet hätten. Corporate Citizenship ist vielmehr in andere Unternehmensbereiche – vor allem in die Umwelt- und Kommunikationsabteilungen – integriert worden oder es handelt sich um ein Querschnittsthema, das von vielen Einheiten betreut wird. So kommt es, dass sich jede Abteilung nur beschränkt verantwortlich fühlt.553 Diese Parallelität der Befunde legt nahe, dass es sich weniger um eine Besonderheit der Verwaltung im Umgang mit CC handelt als vielmehr um ein allgemeines, evtl. "deutsches" Phänomen. Zwar betonen einige wissenschaftliche Arbeiten, dass Corporate Citizenship idealerweise nicht einzelnen Abteilungen zugeordnet sondern durchgängiges Managementprinzip respek552
Ähnliche Probleme diagnostizierte die Enquete-Kommission schon bei der Förderungen bürgerschaftlichen Engagements: Einerseits hätte es "ohne eine entsprechende Ressortbindung [...] eine Politik der Engagementförderung schwer, innerhalb der Veraltung Legitimität und Ressourcen zu gewinnen." Andererseits würde "ohne eine Koordination und Kooperation der Aktivitäten in den Einzelressorts und ohne die Entwicklung übergreifender Ziele und Handlungsperspektiven [...] die Förderpolitik auf dem Niveau fragmentierter Teilstrategien verharren. Für die länderpolitische Ebene ergibt sich hieraus das Erfordernis, sowohl die ressortspezifischen Ziele, Programme und Instrumente einer Politik der Förderung bürgerschaftlichen Engagements zu präzisieren und weiterzuentwickeln, als auch Anstrengungen einer ressortübergreifenden Integration [...] zu verstärken." Enquete-Kommission (2002), 373
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tive Verwaltungsdenken sein sollte, um seine Wirkung zu entfalten. Doch um dahin zu gelangen, müsste man zunächst ein klares Mandat an einzelne erteilen. Weiter entsteht in den Interviews der Eindruck, dass die konzeptionellen Grundlagen nicht eindeutig festgelegt sind. Corporate Citizenship wird nur vage definiert, was die Befragten zwar praktisch begründen, was aber auch Ursachen in der z. T. verwirrenden theoretischen Begriffsvielfalt hat. In keinem Gespräch wird klar, ob CC als Politikinstrument oder Politikfeld betrachtet werden soll. Im Moment deutet Vieles darauf hin, dass für die politischen Akteure noch die Frage im Vordergrund steht, wie Unternehmen zu Engagement bewegt werden können. Das würde für ein Verständnis von Corporate Citizenship als Politikfeld sprechen. Lediglich die Antworten zur Frage, welche Ziele durch CC erreicht werden sollen, weisen darauf hin, in welchen gesellschaftlichen Bereichen CC zur Erledigung von Aufgaben oder Lösung von Problemen beitragen könnte, woraus ein Verständnis von CC als Politikinstrument spricht.554 Da darf es auch nicht verwundern, dass die Frage nach der Wirkung von Corporate Citizenship, d.h. den positiven Effekten für die Gesellschaft insgesamt nur ein einziges Mal auftaucht (s. Kapitel II, 2.2.3.2). Alle reden davon, die Vorteile für die Unternehmen herausstellen zu wollen, aber welche Vorteile Corporate Citizenship der Gesellschaft bietet, kommt nur implizit bei den Motiven zur Sprache. Die genannten Vorteile für die Unternehmen entsprechen den gängigen Nennungen in der Literatur.555 Sie reichen von positiven Image-Effekten bis zu besserer Mitarbeiterbindung. Indem die Befragten diese Vorteile immer wieder aufzählen, scheinen sie dem Gegenargument vorgreifen zu wollen, dass Engagement auch immer Investitionen bedeutet (nach dem Motto: es kostet zwar, aber es bringt auch etwas). Sie verwenden jedoch die NutzenArgumente sehr pauschal: Image-Effekte spielen beispielsweise für Unternehmen im Endkundengeschäft (Business to Consumer) eine größere Rolle 553
Vgl. Rieth (2003), 377. Olk forderte dieses Verständnis bereits für die allgemeine Engagementpolitik: "Aus dem ihr zugedachten gesellschaftspolitischen "Schattendasein" kann sich Engagementpolitik also nur dann befreien, wenn sie einen konzeptionellen Perspektivwandel vollzieht und [...] die Frage danach in den Mittelpunkt der Diskussion rücken würde, in welchen gesellschaftlichen Bereichen und Organisationsformen bürgerschaftliches Engagement ein wesentlicher und unverzichtbarer Beitrag zur Erledigung anstehender Aufgaben bzw. zur Lösung von Problemen beitragen könnte." (2003a), 25
554
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als im Geschäft zwischen Unternehmen (Business to Business); die bessere Mitarbeitergewinnung oder -bindung ist nur bei engen Personalmärkten als Wettbewerbsvorteil relevant und die Steigerung der sozialen Kompetenz ist schwer nachweisbar, da Ursache-Wirkung kaum zu isolieren sind. Gerade diejenigen, die die (unterstellten)556 Wettbewerbsvorteile durch CC besonders hervorheben, thematisieren nicht die Gegenposition, dass gerade die nicht engagierten Unternehmen durch Kostenvorteile bessere Marktchancen haben könnten. Hier hätten die Befragten beispielsweise ins Feld führen können, dass Unternehmen mit nahezu identischen Produkten und kaum zu optimierenden Kostenstrukturen durch Differenzierung – hier durch Engagement – ihre Marktposition verbessern können. (Was ebenfalls bedeutet, dass Corporate Citizenship nicht für alle Unternehmen gleichermaßen in Frage kommt.) Die Tatsache also, dass es bei der bloßen Aufzählung von Schlagworten bleibt, legt zwei Vermutungen nahe: 1. Die Befragten argumentieren mit ökonomischen Begriffen, um ein politisch gesetztes Ziel nachträglich abzusichern. 2. Sie haben sich mit der Bedarfs-Seite, also den Kunden wenig auseinander gesetzt, denn die Logik ihrer Argumentation geht nicht vom Bürger als dem Nachfrager aus, der den Impuls für soziales Engagement von Unternehmen gibt, sondern es deutet sich vielmehr an, dass man ihn als denjenigen betrachtet, der zu bürgerschaftlichem Engagement gebracht werden soll. Der Eindruck, dass Corporate Citizenship vor allem als Mittel gilt, neue Bevölkerungskreise für Freiwilligenarbeit zu gewinnen, entsteht auch durch die Betonung von Freistellungen und Seitenwechseln in manchen Gesprächen.557 In dieser Perspektive wird das Unternehmen als die Summe seiner Mitarbeiter betrachtet und nicht als Einheit. Dass es sich als Ganzes, als Bürger engagiert, scheint weniger wichtig, was evtl. auf die oft weite Definition von CC 555
Vgl. z.B. Enquete-Kommission (2002), 474ff. "In the absence of hard data, most analyses have focused on qualitative rather than quantatitive relationships. [...] For example, one study [ADL (2001), The Business Case for Corporate Citizenship] identified business benefits in eight areas: reputation management, risk profile and risk management, employee recruitment, motivation and retention, investor relations and access to capital, learning and innovation, competitiveness and market positioning, operational efficiency and licence to operate." ACCA (2002), 18. 557 Allerdings liegen die Befragten damit ganz auf der Line des Enquete-Berichtes, in dem die Kommission an erster Stelle ihrer Empfehlungen schreibt: "Besondere Aufmerksamkeit und Förderung bedürfen neue Ansätze bürgerschaftlichen Engagements, die den 556
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zurückzuführen ist. Einerseits kommt diese Haltung den Unternehmen(-sverbänden) entgegen, denn – wie BDI und BDA in ihrer Stellungnahme zum Grünbuch der EU-Kommission erklärten: "Unternehmen können die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement verbessern, [...] sie können Anreize schaffen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich sozial engagieren können."558
Andererseits wird auf diese Weise Corporate Citizenship schnell auf Corporate Volunteering verkürzt und es stellt sich die Frage, ob hier tatsächlich der Fokus der deutschen Debatte liegen sollte. Dagegen sprächen mindestens zwei Argumente: 1. In den USA wird CV auch deswegen als Element des gesellschaftlichen Engagements besonders stark betont, da die Arbeitnehmer weniger Freizeit haben, um sich ehrenamtlich zu engagieren. Die Deutschen haben aber nicht nur mehr Freizeit. Hinzu kommt, dass beispielsweise nur noch rund 39 Prozent der Deutschen, die älter als 55 Jahre sind, erwerbstätig sind.559 2. Die stark vom individuellen Ehrenamt geprägte Perspektive, die vor allem CV fordert, birgt noch ein anderes Problem: "Corporate Volunteerism [führt] nicht zur Substitution ineffizienter öffentlicher Strukturen [...], sondern [stabilisiert] sie bei zusätzlichen Kosten für die Unternehmen."560
Damit würde der Verschwendung Vorschub geleistet und das Gegenteil von dem erreicht, was beabsichtigt wäre. Interessant ist, dass sich zwei Zugänge bei der Umsetzung andeuten: ein direkter, indem Unternehmen adressiert werden, und ein indirekter, indem Kommunen bzw. Landesnetzwerke genutzt werden sollen. Trotzdem ist in keinem der beiden Fälle das Thema konsequent nach dem Schema angelegt: Wen will ich ansprechen, mit welchem Ziel und mit welchen Mitteln? Laut Enquete-Kommission ist aber gerade ein solches "Projektmanagement [...]
Mitarbeitern [...] Zugänge zu einem gemeinwohlorientierten Engagement eröffnen." Enquete-Kommission (2002), 478 558 http://europa.eu.int/comm/employment_social/soc-dial/csr/pdf2/072-SPEMPNAT_ BDABDI_Germany_011213_de.htm 559 Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 2./3. Oktober 2004, V1/13 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden. Schweden z.B. hat eine Älteren-Erwerbsquote von rund 68 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt allerdings bei nur 40 Prozent. 560 Seitz (2002b), 115. Seitz plädiert daher für eine Ergänzung des Engagements auf Handlungsebene durch ordnungspolitische Mitgestaltung.
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auch ein wichtiger Qualitätsfaktor für deliberative Prozesse"561, so wie sie die Länder bei der Förderung von Corporate Citizenship praktizieren wollen. Für die Unternehmen könnte – wie weiter oben bereits festgestellt – besonders interessant sein, dass keiner der Befragten es für geboten hält, Vorgaben zu machen. Die Landesakteure setzen nicht auf Regulierung, d.h. auf sanktionsbewehrte Verhaltensvorschriften (Ge- oder Verbote), und auch nicht auf Finanzierung sondern teilweise auf Strukturierung und insbesondere auf Informierung (Appelle oder Aufklärung).562 Jeder betont die Freiwilligkeit des Engagements. Insofern kommen die Steuerungsinstrumente der Landesregierungen durchaus den Interessen der Unternehmen als Steuerungsadressaten entgegen. Allerdings bleibt die Frage, wie sich die Betonung der Freiwilligkeit mit dem gleichzeitig geäußerten Wunsch verbinden lässt, dass sich künftig mehr Unternehmen engagieren mögen, d.h. ob das Steuerungsziel mit den angewandten, weichen Instrumenten zu erreichen ist, denn sie sind abhängig vom Lerninteresse der Adressaten. Vorurteile und Gleichgültigkeit sind hier bekannte Hemmnisse.563 Grundsätzlich sind die Mittel für Corporate Citizenship in allen Ländern sehr begrenzt. Bislang sieht es so aus, als ob das Thema vor allem von Einzelnen vorangetrieben würde. Dabei deutet vieles auf einen langsamen "Diffundierungsprozess" hin: zum einen vertikal innerhalb der Verwaltung "von unten nach oben", zum anderen horizontal von der Verwaltung in andere gesellschaftliche Bereiche. Die "Diffundierung von unten nach oben" will die Tatsache beschreiben, dass zumindest in zwei Fällen das persönliche Interesse der Befragten bzw. ihre Erfahrung aus den USA Ausschlag gebend dafür waren, dass Corporate Citizenship auf die Agenda rückte. Nicht der politische Auftrag von oben, sondern die Überzeugungsarbeit von unten führten offensichtlich zu CC-Initiativen auf Landesebene. Die Befragten "importierten" die Idee und verbreiteten sie innerhalb ihrer Organisation. Die "Diffundierung von der Verwaltung in andere Bereiche" meint, dass die Initiativen nicht auf einen wie auch immer artikulierten Steuerungsbedarf der anderen Akteure zurückzuführen sind, sondern dass der Impuls für die Beschäftigung mit Corporate Citizenship von den Befragten selbst ausging mit
561
Enquete-Kommission (2002), 343 Vgl. zur klassischen Typologie der Steuerungsinstrumente Görlitz/ Burth (1998), 30f. 563 a.a.O., 32. Beispiele sind der "Blaue Umweltengel" und die Anti-Aids-Kampagne. 562
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dem Ziel, sie in andere gesellschaftliche Bereiche hineinzutragen.564 Darin könnte eine weitere Ursache liegen, warum sich Corporate Citizenship nur langsam verbreitet, denn es ist immer schwer Themen zu vermitteln, die die Betroffenen noch nicht selbst als Thema erkannt haben. Insgesamt kann man an dieser Stelle festhalten, dass sich auf Landesebene einige Wenige bemühen, das Thema Corporate Citizenship punktuell und gegen viel Desinteresse, das z. T. auch in der eigenen Organisation herrscht, noch dazu mit wenig Ressourcen voranzubringen. Die Folge ist ein wenig systematisches und kaum nachhaltiges bzw. nachgehaltenes Vorgehen. Allerdings beschreibt diese Zwischenbilanz nur einen ersten Gesamteindruck. Welches Profil die Bundesländer bei CC im Einzelnen zeigen, soll im nun Folgenden deutlich werden.
2.3 Bewertung und Einordnung der Befunde Für eine qualitative Bewertung sollen zunächst die wichtigsten Befunde aus den einzelnen Kategorien in Länderprofilen zusammengefasst werden. Ziel ist, diese Profile miteinander zu vergleichen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu identifizieren. 2.3.1 Länderprofile Die Länderprofile, die sich anhand der Gesamtstruktur als eine Art Lochkartenmuster ergeben sollen zunächst zeigen, wie die Akteure jeweils mit CC umgehen. Da es auf Grund des explorativen Forschungsdesigns keinen "richtigen" oder "falschen" Ansatz für den Umgang der Landespolitik mit CC geben kann, sind Bewertungen nur unter drei Aspekten möglich: 1. durch den Abgleich zwischen Anspruch und Umsetzung, 2. durch den Abgleich mit den anderen Bundesländern und 3. durch Abgleich mit Befunden anderer Studien oder aus weiteren Interviews auf Kommunalebene. 564
Der klassische Weg zum Steuerungshandeln führt normalerweise umgekehrt über drei Stufen von anderen gesellschaftlichen Bereichen in die Politik: Sozialsysteme identifizieren Probleme, die politisch gelöst werden sollen. Wird dieses Systemproblem öffentlich thematisiert, wandelt es sich zum systemübergreifenden Issue (Stufe 1). Politische Relevanz gewinnen diejenigen Issues, die in die öffentlichen Meinung Eingang finden: Sie kommen auf die Public Agenda (Stufe 2). Steht Loyalitätszuwachs oder -abbau in Frage,
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Die erste Relativierung ergibt sich allein in Bezug auf den selbst formulierten Anspruch der Akteure; d.h. wenn beispielsweise ein Land565 angäbe, sehr aktiv werden zu wollen, dann aber keine konkreten Maßnahmen ergreift, wären Wort und Tat nicht konsistent. Dementsprechend "kritisch" fiele der Befund aus. Die zweite Einordnung ergibt sich gegenüber den anderen Akteuren: Was zeichnet den CC-Ansatz eines Landes gegenüber den anderen aus? Gehen beispielsweise die Überlegungen in einer Kategorie wesentlich tiefer (bezogen auf die Ebenen des Strukturbaumes), dann kann man auf einen größeren konzeptionellen Durchdringungsgrad schließen. Der dritte Bezugspunkt ergibt sich durch die Interviews auf Kommunalebene und durch eine Studie zur allgemeinen BE-Förderung in einzelnen Bundesländern566. Die Aussagen der Befragten auf kommunaler Ebene liefern Indizien dafür, wie einzelne Angaben in den Ländern, die einen kommunalen Ansatz verfolgen, zu beurteilen sind; die zitierte Studie lässt erste Aussagen darüber zu, inwiefern die Länder eine spezifischen CC-Ansatz oder eine Fortführung ihrer allgemeinen Engagementpolitik verfolgen. 2.3.1.1 Baden-Württemberg Das inhaltliche Verständnis von CC ist in Baden-Württemberg relativ offen. Dadurch soll zwar einerseits niemand ausgegrenzt werden, andererseits führt diese Offenheit aber dazu, dass der konzeptionelle Rahmen für Corporate Citizenship schemenhaft bleibt. Dieser Eindruck verstärkt sich durch einen Widerspruch: während der Befragte im Sozialministerium die Vorteile für Unternehmen als das Neue von CC hervorhebt, betont die Gesprächspartnerin im Wirtschaftsministerium, dass das Engagement von Unternehmen Tradition habe und in diesem Sinne keine neue Idee darstelle: "Wir kennen natürlich auch die Diskussion um die verschiedenen Aspekte, wobei wir sagen, CC umfasst all dieses, egal ob das jetzt Corporate Volunteering oder Social Responsibility oder was auch immer ist."567
Wichtiger als das Etikett wäre das Engagement des Unternehmens an sich: findet die politische Problemidentifizierung statt: Der Issue kommt auf die Formal Agenda und schließlich auf die Decision Agenda (3. Stufe). Vgl. Görlitz/ Burth (1998), 27 "Akteur" und "Land" werden – im Sinne des pars pro toto – synonym verwendet. Vgl. einen ähnlichen Hinweis bereits in Kapitel I, 1.4, Fußnote 23 566 Schmid/ Otto (2003) 567 Interviewpartner F 565
175 "Da die Grenzen fließend sind, macht es aus unserer Sicht gar keinen Sinn, [...] ausschließend zu definieren, was CC ist."568
Corporate Citizenship wird also als Sammelbegriff oder sogar synonym verwendet. Dennoch versucht die Befragte später, zwischen CC und CSR zu unterscheiden, wobei sie CC als den breiteren, den umfassenderen Begriff sieht (CC = Bürgerschaft, CSR = gesellschaftliche Verantwortung).569 Damit sind ihre Aussagen nicht ganz kongruent mit denen des Befragten im Sozialministerium. Dieser versucht ebenfalls eine Abgrenzung: "Beim Volunteering [...] geht es im Wesentlichen um die Freistellung. Bei Corporate Responsibility, so wie ich es bisher verstehe oder verstanden habe, geht es um zwei Dinge: einmal natürlich das klassische Sponsoring aber auch die Stärkung der Sozialkompetenz der Beschäftigten. Und bei CC soll sich das Unternehmen als Teil der Gesellschaft fühlen."570
Gleichzeitig betont aber auch er, dass der praktische Nutzen einer solchen Abgrenzung eingeschränkt ist: "Da kann man sich dann darüber streiten, ob [CC] jetzt den Überbau über die beiden Begriffe zuvor darstellt oder ob es etwas Gesondertes benennt. Ich denke, das ist mehr eine akademische Diskussion, die da geführt wird."571
Ein etwas verwischtes Profil ergibt sich auch durch die Inhalte, die zu Corporate Citizenship gezählt werden. Im Gespräch mit der Vertreterin des Wirtschaftsministeriums tauchen der Preis für familienfreundliche Unternehmen, Unternehmensstiftungen, die Freistellung von Mitarbeitern für die freiwillige Feuerwehr oder die ehrenamtliche Arbeit in Kammern und Innungen z.B. für Prüfungsausschüsse auf. Während die ersten Punkte theoretisch zur internen Dimension CSR gezählt würden, fällt der letzte in den Bereich der verordneten Selbststeuerung572. Lediglich die duale Ausbildung würde die Befragte nicht zu Corporate Citizenship zählen, denn "das Ausbildungsinteresse ist zunächst mal ein betriebliches Interesse."573 Allenfalls wenn 568
ebd. Vielleicht muss man einschränkend hinzufügen, dass der Differenzierungsversuch erst unternommen wurde, nachdem sich die Befragte bei der Interviewerin erkundigt hatte, ob diese selbst zwischen den Begriffen unterscheiden würde. Es könnte sein, dass sie sich durch die Bejahung genötigt sah, auch eine Differenzierung anzubieten. 570 Interviewpartner B 571 ebd. 572 Vgl. Schimank/ Glagow (1984), 17 (s. auch Kap. I, 1.2.2.4) 573 Interviewpartner F 569
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Unternehmen über den eigenen Bedarf hinaus ausbilden, könne man von Corporate Citizenship sprechen.574 Der Staatssekretär im baden-württembergischen Wirtschaftsministerium, Horst Mehrländer, sieht dagegen gerade bei "Bildung/Ausbildung erhebliche Chancen, das betriebliche bürgerschaftliche Engagement – unternehmensstrategisch angelegt – weiterzuentwickeln." Hier dränge sich ein Engagement der Unternehmen als neuer Schwerpunkt geradezu auf und stelle einen unmittelbaren Vorteil für die Unternehmen dar, denn die Leistungskraft und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft hänge in hohem Maße von der Qualifikation der Menschen ab.575 Selbst innerhalb eines Ministeriums scheint offensichtlich die inhaltliche Abgrenzung umstritten. Außerdem sei am Rande ein weiterer interessanter Punkt bemerkt: Ausgerechnet der Befragte im Sozialministerium gibt an, CC mit dem Thema "Wirtschaftsstandort" auf kommunaler Ebene verknüpfen zu wollen.576 Zur Definition von Corporate Citizenship als Aufgabe gibt es wenig Überraschendes: Da bereits zwei Akteure involviert sind, passt es ins Bild, dass CC als Querschnittsaufgabe betrachtet wird.577 Entsprechend findet das Thema auch immer wieder seinen Platz auf der Agenda der interministeriellen Arbeitsgruppe "Bürgerschaftliches Engagement". Die Motive für die Beschäftigung mit CC speisen sich in Baden-Württemberg zum großen Teil aus normativen Argumenten. Im Vordergrund steht, dem Ideal der Bürgergesellschaft näher zu kommen und aus dem Kräfte-Dreieck Politik-Verwaltung-Bürger durch Einbeziehen der Wirtschaft in Form von CC ein Viereck zu machen.578 Es ginge darum, wieder mehr Solidarität in der Gesellschaft zu erreichen. Angeführt wird, dass die Diskussion um die Globalisierung zurück geführt werden müsse, weg vom Primat des Share574
Diese Aussage entspricht der Position des BDI. Dessen Präsident Michael Rogowski erklärte in seiner Rede auf dem Symposium "Unternehmen – Partner im Wandel" der Initiative Freiheit und Verantwortung am 2. Juli 2003 in Berlin: "Corporate Citizenship findet [...] dann statt, wenn Unternehmen über ihren eigenen Bedarf hinaus ausbilden." 575 Pressemitteilung "Mehrländer bei der Fachtagung "Corporate Citizenship" in Stuttgart" vom 1. Oktober 2004, www.wm.baden-wuerttemberg.de, 18.10.04 576 Vgl. Interviewpartner B 577 Vgl. Interviewpartner F. Dessen Vorgesetzter bezeichnete es auf einer Tagung als Vorteil, dass die Verantwortung nicht in einem Ressort monopolisiert sei. Nur so wäre ein IdeenWettbewerb möglich, wohingegen eine Zentralisierung zu einer eindimensionalen Debatte führe. 578 Vgl. Interviewpartner B. Dies scheint Konsens über die politischen Ebenen zu sein, denn entsprechend wird auf kommunaler Ebene das Wort von der "Bürgerkommune" geführt. Vgl. Interviewpartner K.
177
holder Value hin zur "sozialen Verpflichtung von Unternehmen". Auf der wirtschaftlichen Seite stehen die leeren öffentlichen Kassen und die Hoffnung auf finanzielle Entlastung, wobei hier im Gegensatz zu den anderen Bundesländern ein konkretes Beispiel dafür angeführt wird, welchen Nutzen sich die öffentliche Hand vom CC-Engagement eines Unternehmens verspricht: Firmenmitarbeiter könnten bei einem CV-Projekt für eine soziale Einrichtung ihr betriebswirtschaftliches Know-how einbringen und so deren Wirtschaftlichkeit verbessern. Davon würde dann indirekt der Zuschussgeber z.B. der Kreis oder das Land profitieren.579 Erwähnenswert bleibt noch, dass das Gros der Überlegungen zu den Motiven aus dem Sozialministerium stammt. Dies mag sich dadurch erklären, dass der Impuls, sich mit Corporate Citizenship auseinander zu setzen von der dortigen Stabstelle ausging, während das Wirtschaftsministerium nicht von sich aus aktiv wurde. Hinsichtlich der Erwartungen gegenüber den anderen Akteuren zeigt sich in Baden-Württemberg das umfassendste Bild – umfassend in dem Sinne, dass keine Akteursgruppe ungenannt bleibt. Die Unternehmen sollen soziales Engagement von Bewerbern bei Einstellungen positiv berücksichtigen und vor allem die Notwendigkeit von CC anerkennen, Freistellungen ermöglichen und Seitenwechsel initiieren. Die Kommunen sollen sich als Umsetzungsort für CC begreifen (Corporate Citizenship ist "weitgehend ein kommunales Thema."580) und der Bund soll Netzwerke für den Erfahrungsaustausch der verschiedenen Akteursgruppen fördern. Von den Wohlfahrtsorganisationen schließlich erwarten die Befragten, dass sie sich Unternehmen gegenüber aufgeschlossen zeigen. Umgekehrt sind jedoch den Interviewten an sie selbst gerichtete Erwartungen nicht bekannt. Allerdings geben auch beide an, dass sie z.B. mit Unternehmen noch keine Gespräche über Corporate Citizenship geführt haben. Betrachtet man die Wünsche an die Unternehmen noch einmal genauer, so lässt sich erkennen, dass sie ausschließlich Maßnahmen ansprechen, die das Engagement der Mitarbeiter fördern sollen vor allem durch bezahlte Freistellung. Dieser Ansatz spiegelt eine starke Ehrenamtsperspektive wider. Ein
579 580
Vgl. Interviewpartner B Interviewpartner F
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weiteres Indiz dafür findet sich dem wiederholten Hinweis eines Befragten, dass Corporate Citizenship die soziale Kompetenz der Mitarbeiter stärke.581 Da nach dem offenen Begriffsverständnis CC alle Engagementfelder und – formen umfassen darf, ist in BW der Aspekt der Freiwilligkeit auch im Selbstverständnis der eigenen Rolle wichtig. Die Akteure setzen auf Überzeugung durch gute Beispiele und auf verbale und ideelle Unterstützung: "Mehr als Appelle können wir im Moment an die Unternehmen nicht richten. Es ist sehr viel einwerben. Auf dem Feld des freiwilligen Engagements kann ich nicht sehr viel tatsächlich fordern. Da muss ich auf die Einsicht der handelnden Personen, der Entscheidungsträger setzen."582
Immerhin kann jedoch angenommen werden, dass sich hinter solchen Aussagen der Wunsch verbirgt, im Land mehr Unternehmen für Corporate Citizenship zu gewinnen (auch wenn das so konkret niemand formuliert). Bei der Umsetzung setzen die Befragten jedoch in zweierlei Hinsicht eher auf indirekte Maßnahmen: zum einen auf das Landesnetzwerk, zum anderen auf Multiplikatoren. Multiplikatoren zu suchen, ist eine nicht näher spezifizierte Daueraufgabe mehr persönlicher als institutioneller Art: Entweder auf Veranstaltungen oder über private Kontakte sollen Vertreter von Unternehmen oder Kommunen angesprochen werden. Die Kommunen will man auch über das Landesnetzwerk erreichen583, allerdings beschränkt sich das Land auf die Koordinierung der Aktivitäten in den verschiedenen Teilnetzwerken und die Sicherung des Informationsflusses.584 Inhaltliche Impulse scheinen die Landesministerien nicht zu geben. So gab eine Vertreterin einer in CC-Fragen sehr engagierten Kommune zu Protokoll, dass eine Veranstaltung der SPDBundestagsfraktion und die Enquete-Kommission, nicht aber Anregungen von Landesseite ausschlaggebend waren, sich für Corporate Citizenship zu engagieren.585 581
Vgl. Interviewpartner B Interviewpartner B; ähnlich äußert sich F: "Wir würden da nicht steuernd oder gar regulierend eingreifen wollen, sondern [...] zeigen, dass dieses Engagement wichtig ist für die Gesellschaft aber auch [...] für den einzelnen Betrieb." 583 Ein Grund für den indirekten Zugang über die Kommunen mag auch in dem persönlichen Bezug liegen, den der Befragte im Sozialministerium durch seine frühere Tätigkeit als Gemeinde- und Kreisrat zu den Kommunen hat. 584 Der Beitrag des Landes besteht darin, jedem Teilnetzwerk einen Fachberater zur Seite zu stellen, d.h. zu finanzieren. Diese Berater sind allerdings für BE allgemein zuständig. Die inhaltliche Betreuung beispielsweise des Städtenetzwerkes übernimmt das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt (www.iss-ffm.de) 585 Vgl. Interviewpartner K 582
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Erste direkte Maßnahme, abgesehen von Reden, war eine Tagung im Oktober 2004, die das Land – wenn auch nur als Kooperationspartner zusammen mit dem BBE – veranstaltet hat und die daher nur bedingt spezifisch auf BadenWürttemberg ausgerichtet war. Dennoch war sie ein Schritt in die Richtung des von den Befragten formulierten Ziels, Corporate Citizenship breiter zu verankern bzw. das Bewusstsein dafür zu fördern, dass CC wichtig für die Unternehmen und die Gesellschaft ist.586 Rechtliche Regelungen gelten – wie schon bei BE allgemein587 – in Baden-Württemberg nicht als geeignete Instrumente. Insgesamt bestätigt der Zugang zu CC die Befunde von Schmid/ Otto zu Förderstrategien allgemeinen bürgerschaftlichen Engagements. Sie stellten fest, dass "die Förderung bürgerschaftlichen Engagements [...] vor allen Dingen eine Förderung der Kommunikation und Vernetzung der Beteiligten [ist] mit dem Ziel, Kommunen in die Pflicht zu nehmen und dort Engagement anzustoßen. Es ist Ziel, durch Vernetzung mehr Verantwortung auf der lokalen Ebene zu schaffen."588 Neben den genannten, nach außen gerichteten Zielen haben die Befragten auch klare Vorstellungen hinsichtlich der internen Weiterentwicklung, die sich allerdings zwischen den Ministerien insofern unterscheiden, als dass im Sozialministerium eigene Ansätze für Corporate Volunteering-Programme entwickelt werden, während man im Wirtschaftsministerium am weiteren Knowhow-Aufbau zu CC arbeitet. Dieser Unterschied kann zum einen für eine klare Aufgabenteilung der beiden Akteure sprechen oder auf unterschiedliche Phasen ihrer Auseinandersetzung mit Corporate Citizenship hindeuten. Hinsichtlich des eigenen CV-Ansatzes ist erwähnenswert, dass das Projekt eigener Seitenwechsel im Rahmen der dienstlichen Fortbildung von dem Befragten nicht explizit mit einer Vorbildfunktion für andere in Verbindung gebracht wird wie in Nordrhein-Westfalen. Auch nimmt der Interviewte umgekehrt nicht darauf Bezug, dass Corporate Volunteering in einigen badenwürttembergischen Kommunen bereits Praxis ist589 und das Land diesen 586
Vgl. Interviewpartner F Vgl. Schmid/ Otto (2003), 30 588 Schmid/ Otto (2003), 24. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf Besonderheiten des Wahlrechts in Baden-Württemberg, das den Bürgermeistern gerade bei bürgerschaftlichen Belangen eine große Bedeutung gibt. 589 Erstaunlich ist auch, dass die Befragte im Wirtschaftsministerium als Beispiel eine Kommune aus NRW zitiert und nicht – was näher liegen würde – eine aus dem eigenen Land. 587
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Beispielen folgen wolle. So bleibt die intendierte Reichweite eigener Politik unklar. In der Frage der Mittel ist Corporate Citizenship in Baden-Württemberg zunächst nicht besser gestellt als in anderen Bundesländern: Es gibt in keinem der Ministerien ein eigenes CC-Budget oder eine Vollzeit-Kraft, die sich ausschließlich mit dem Thema beschäftigt. Allerdings finden sich auch hier erhebliche Unterschiede zwischen den Akteuren. Im Wirtschaftsministerium läuft Corporate Citizenship auf der Prioritätenliste eher unter "ferner liefen", wohingegen die Einrichtung einer Stabstelle für BE im Sozialministerium auch für CC in mancher Hinsicht eine relative Besserstellung gegenüber den anderen Ländern bedeutet. Dies betrifft zum einen die Ausstattung (nirgendwo sonst beschäftigen sich so viele Mitarbeiter mit bürgerschaftlichem Engagement allgemein) zum anderen die Initiativ-Möglichkeiten. Die Stabstelle kann, da sie beim Ministerialdirektor – dem höchsten Beamten – angesiedelt ist, direkt auf die Abteilungen im Ministerium zugreifen. Lange Kommunikationsund Entscheidungswege über die Hierarchien bleiben den Akteuren erspart, stattdessen genießen sie fast unmittelbaren Zugang zum Minister. Gefragt nach den Einflüssen äußern sich die Befragten verhalten. Dennoch ergibt sich unter zwei Gesichtspunkten ein interessantes Bild. Erstens werden sowohl bei den fördernden als auch bei den hemmenden Faktoren nur interne Aspekte genannt. Zweitens ist im Gespräch mit dem Vertreter des Sozialministeriums nur von begünstigenden Einflüssen die Rede und in dem mit der Vertreterin des Wirtschaftsministeriums nur von hinderlichen. Zu den begünstigenden Faktoren zählen die persönlichen Berührungspunkte des Befragten mit Corporate Citizenship, zu den hinderlichen die institutionellen Aspekte wie mangelnde Ressourcen und die thematische Seite, dass andere Themen im Vordergrund stehen. Dieser Unterschied mag damit zusammenhängen, dass die Mitarbeiter im Sozialministerium mehr Freiraum haben, sich mit CC zu befassen oder umgekehrt die Befragte im Wirtschaftsministerium mehr Abhängigkeiten erfährt. Insofern gilt für Baden-Württemberg bei Corporate Citizenship nur bedingt die Einstufung von Schmid/ Otto590, die dem Land ein integriert-prozedurales 590
Schmid/ Otto haben drei Idealtypen der Engagementförderung erarbeitet, die unterschieden werden nach der strategischen Stoßrichtung, der Art der Umsetzung und der ressortmäßigen Kompetenzverteilung. Die Typen bezeichnen sie als integriert-prozedural, segmentiert-feldspezifisch und symbolisch-diskursiv. Vgl. Schmid/ Otto (2003) 90ff. Zu
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Vorgehen in der allgemeinen Engagementförderung bescheinigten. Dieses zeichne sich dadurch aus, dass das Thema in der politischen Programmatik und im Haushalt hohe Priorität genieße, dass ein Konzept existiere, das zumindest den Anspruch nach ressortübergreifender Geltung habe, und dass das Politikfeld durch ein dichtes Interaktions- und Kooperationsnetzwerk zwischen Regierung und Verwaltung einerseits und den gesellschaftlichen Akteuren und kommunalen Vollzugseinrichtungen andererseits gekennzeichnet sei.591 Insgesamt ergibt sich so in Baden-Württemberg folgendes Bild: Die Aussagen zu und der Umgang mit CC sind zwischen den Akteuren nicht immer konsistent. Hier setzt sich also fort, was Schmid/ Otto auch schon bei BE befanden, dass nämlich "keine einheitliche Gesamtstrategie der Engagementförderung zu erkennen"592 ist. Gleichzeitig besteht auf Landesebene das Verständnis weiter, dass auch bei Corporate Citizenship die "Kommunen [...] Engagementförderung als ihre Aufgabe begreifen"593 sollen. Dem möchte zumindest die Interviewpartnerin aus einer der engagierten Kommunen nicht widersprechen, allerdings sieht sie bei der theoretischen Vorarbeit eindeutig die Landes- und Bundesebene in der Pflicht.594 Gesetzt den Fall, dass andere Kommunen diese Auffassung teilen, wäre es zwar politisch vertretbar, dass das Land den Kommunen in der Umsetzung hinterher hinkt. Die konzeptionelle Aufbereitung und der Wissenstransfer jedoch müsste auf Landesebene geleistet werden.
dem Modell sind jedoch zwei Punkte kritisch anzumerken: 1. Eine dreidimensionale Typologie ist nur schwer darstellbar und die grafische Einordnung der Länder ist nicht transparent – selbst wenn man berücksichtigt, dass es sich um ein rein qualitatives Modell handelt. 2. Die Typenbezeichnung ist problematisch: Während integriert-prozedural und segmentiert-feldspezifisch eine Dichotomie bilden, fehlt m. E. das Gegenstück zu symbolisch-diskursiv. 591 Vgl. Schmid/ Otto (2003), 91 592 a.a.O., 34; auch 40-41 593 Dieses Verständnis fanden Schmid/ Otto (2003), 26 schon bei der allgemeinen BEFörderung; an anderer Stelle unterstreichen sie diesen Befund: "Charakteristikum in Baden-Württemberg ist die kommunale Orientierung der Landesförderung des bürgerschaftlichen Engagements", 32. 594 Vgl. Interviewpartner K
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2.3.1.2 Bayern Im Vergleich zu den anderen untersuchten Ländern fällt die konzeptionelle Basis in Bayern relativ dünn aus. Dies erklärt sich teilweise dadurch, dass sich der Befragte im Sozialministerium erst in die Materie einarbeitet und derjenige aus dem Wirtschaftsministerium sich nur implizit mit Corporate Citizenship beschäftigt. Das Begriffverständnis ist – ungeachtet der verschiedenen Ministerien – eher vage: Weder Definition noch Inhalt von CC sind eindeutig. Im Sozialministerium finden sich Andeutungen, dass CC solche Aktivitäten meint, die an den Kernkompetenzen eines Unternehmens angelehnt sein sollten: "Ich kann mir gut vorstellen, dass Leute, die im Bereich der Hochfinanz arbeiten, in Obdachlosenprojekten mal eine Woche mitarbeiten [...] oder in Schuldnerberatungsstellen."595
Außerdem fallen die Stichworte Seitenwechsel und Social Sponsoring. Im Wirtschaftsministerium betont der Befragte vor allem den Nutzen für Unternehmen. Er hebt die Motivation der Mitarbeiter hervor, den Werbe- und Imagefaktor sowie mögliche Standortvorteile für Firmen. Gleichzeitig zu diesen Win-Win-Aspekten werden als Beispiele für Corporate Citizenship Betriebskindergärten und Stiftungen genannt.596 Diese würden aber in der akademischen Debatte eher zur internen Dimension von CSR bzw. zum Mäzenatentum gezählt. Dem relativ offenen Begriffsverständnis entspricht eine weite und uneinheitliche Begriffsverwendung. Corporate Citizenship gilt als Synonym für jede Art des Engagements von Unternehmen und während der Befragte im Sozialministerium durchaus mit dem englischen Terminus operiert, zieht derjenige im Wirtschaftsministerium mit dem Hinweis auf die deutsche Amtssprache die Übersetzung vor. Auch das Beispiel einer Kommune zeigt, dass man lieber auf Deutsch vom "bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen" spricht. Allerdings ist sich der kommunale Vertreter bewusst, das Sprachgebrauch und inhaltliches Konzept Hand in Hand gehen:
595 596
Interview mit G Vgl. Interviewpartner I
183 "Wir machen da relativ wenig Unterschied [zwischen CC oder einer deutschen Entsprechung, Anm.d.Verf.] [...] Man merkt daran, dass wir da kein zielgerichtetes Arbeitsfeld haben."597
Motive, sich mit Corporate Citizenship zu befassen, nennt nur der Befragte im Sozialministerium.598 Sie speisen sich aus wirtschaftlichen wie normativen Argumenten, wobei beide relativ an der Oberfläche verharren. Zum einen geht es um Finanzierungsalternativen angesichts leerer Haushaltskassen, zum anderen darum, eine "humanere Gesellschaft" zu schaffen und die Unternehmen "bei ihrer staatsbürgerlichen Ehre zu packen".599 Hinsichtlich der Interessen und des möglichen Handlungsbedarfes wird vor allem eines deutlich: Die Befragten erwarten von den Unternehmen und den Kommunen, dass sie selbst aktiv werden und das Thema alleine voranbringen. "Wir haben nur eine dienende Funktion,"600 so das Selbstverständnis im Sozialministerium. Das Land gibt nichts vor sondern geht auf das ein, was von den Unternehmen selbst kommt. Gleichwohl geht man davon aus, dass Unternehmen das Engagement ihrer Mitarbeiter unterstützen und würdigen, worin sich – wie bereits in Kapitel II, 2.2.5 festgestellt – eine starke Ehrenamtsperspektive widerspiegelt.601 Abgesehen davon ist die eher passiv zu nennende Definition der eigenen Rolle nur schwer mit den zuvor genannten Motiven vereinbar. So entsteht z.B. ein Missverhältnis zwischen dem Beweggrund, Unternehmen bei ihrer staatsbürgerlichen Ehre zu packen, und der Auffassung, als Landesakteur nur eine nachgeordnete Rolle zu spielen. Anspruch und Umsetzung gehen hier auseinander.
597
Interviewpartner L Dass im Wirtschaftsministerium keine Motive genannt werden, ist nicht verwunderlich, wenn man sich das dortige Rollenverständnis ansieht: Eine aktive Rolle der Landesregierung zu CC ist nicht vorgesehen. 599 Der Begriff der "staatsbürgerlichen Ehre" erinnert sehr an die Terminologie von "Tugend" und "Pflicht", die die Konrad-Adenauer-Stiftung in ihrem Grundsatzpapier zur Bürgergesellschaft verwendet, deren Element CC ist (vgl. Kap. I, 2.2.2). Naheliegender noch ist eine Anleihe bei Alois Glück, der schreibt: "[D]ie Unternehmen [sind] [...] dem Gemeinwesen [...] verpflichtet. [...] Sie dürfen sich nicht auf die Rolle des Arbeitgebers und Steuerzahlers zurückziehen. Damit allein werden sie ihren staatsbürgerlichen Pflichten nicht gerecht." Glück (2001), 197f. 600 Interviewpartner G 601 Eine ähnliche Sichtweise drückt der bereits erwähnte Beschluss des bayrischen Landtags "Förderung des Ehrenamtes durch die Wirtschaft" vom 9. Juli 2003 aus, in dem es u.a. heißt: "[die] Wirtschaft [ist] zu ermutigen, ihr Engagement zur Förderung des Ehrenamtes zu verstärken." 598
184
Als Umsetzungsort für Corporate Citizenship gilt die lokale Ebene, wo die Unternehmen ihren Standort haben und die Menschen leben. Zwar teilt diese Ansicht die Befragte auf kommunaler Ebene ("Das konkrete Aufschließen [der Unternehmen] passiert sehr viel mehr auf der kommunalen Ebene"), doch sieht sie CC auch nur als temporäres und nicht als genuines Aufgabenfeld der Kommune.602 Die Wohlfahrtsorganisationen als möglicher dritter Akteur spielen aus Sicht der Landesakteure keine Rolle – zumindest werden sie nicht erwähnt. Die Erwartungen gegenüber den anderen Akteuren spiegeln sich zum großen Teil im Selbstverständnis der Befragten: Sie propagieren einen Laissez-faireAnsatz603, unterstreichen den Gedanken, dass sich der gesellschaftliche Einsatz für die Firmen rechnen muss und daher nicht gefordert werden kann, und betonen die Freiwilligkeit jedes Engagements (wobei auch hier wieder ein Widerspruch zu den Motiven entsteht). Diese Haltung gegenüber den Unternehmen beruht allerdings auf mindestens zwei Annahmen, wie im Gespräch mit dem Vertreter des Wirtschaftsministeriums deutlich wird: Erstens geht er davon aus, dass den Unternehmen gemeinhin bekannt ist, dass sich gesellschaftliches Engagement wirtschaftlich für sie auszahlen kann. Zweitens baut er darauf, dass Firmen schon heute bei Einstellungen das soziale Engagement ihrer Mitarbeiter positiv berücksichtigen. Demzufolge ginge es also vor allem darum, allgemein für günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu sorgen – z.B. durch Bürokratie-Abbau oder die Senkung der Lohnzusatzkosten. Damit argumentiert der Befragte ähnlich wie die Kuratoren der Konrad-Adenauer-Stiftung, die in ihrem Grundsatzpapier betonen, dass den Unternehmen für ihr Engagement genügend "Dispositionsmasse" gelassen werden müsste.604 Auch mit BDI und BDA befindet er sich auf einer Linie, denn die Verbände hoben in ihrer Stellungnahme zum Grünbuch der EU-Kommission hervor:
602
Vgl. Interview mit L: "Wenn das untereinander gut klappt [Unternehmen und soziale Organisationen, Anm. d. Verf.], dann kann sich die Kommune da wunderbar herausziehen." An anderer Stelle: "Mir ist immer sehr wichtig, so eine Initialzündung zu machen und es dann in geeigneter Form abzugeben. Man muss ja nicht immer alles selber machen." 603 Das führt u. a. dazu, dass zwischen der Befragten aus einer der engagiertesten Kommunen und dem Sozialministerium so gut wie kein Kontakt besteht bzw. eben jener Befragten nicht bekannt ist, wer sich im Wirtschaftsministerium dem Thema widmet. 604 Vgl. Kap. I, 2.2.2
185 "Wirtschaftlicher Erfolg ist die notwendige Wahrnehmung sozialer Verantwortung."605
Voraussetzung
für
die
Dennoch wollen die Befragten auf Unterstützung nicht ganz verzichten: Beide sehen dazu Möglichkeiten entweder verbal in Reden oder ideell durch Ehrungen von Unternehmen (wobei lediglich bei bestehenden Auszeichnungen das Engagement implizit gewürdigt wird). Im Sozialministerium würde der Interviewte diese Rolle sogar um einen instrumentellen Part erweitern, der darin bestünde, Beispiele zu sammeln und eine Methodensammlung für Corporate Citizenship zu entwickeln. Er scheint also, die Annahmen seines Kollegen im Wirtschaftsministerium nicht ganz zu teilen und stattdessen durchaus auch noch Informationsbedarf bei den Unternehmen zu sehen. Diese Sicht ginge allerdings über den bisher formulierten Selbstanspruch hinaus – falls sie nicht sogar im Widerspruch zu ihm steht. Ähnliches gilt für die Aussage, dass bürgerschaftliches Engagement einerseits ein wichtiges gesellschaftliches Gestaltungsthema sei, dass aber andererseits die Politik in dem Bereich relativ bedeutungslos wäre.606 Erklären könnte diese Unstimmigkeiten die Tatsache, dass die konzeptionelle Grundlage fehlt. Erwartungen von anderen Akteuren werden keine genannt, was sicherlich – wegen der fehlenden Kontakte – auch auf Unkenntnis zurückzuführen ist. Denn allein das einzelne Interview auf kommunaler Ebene förderte schon erste Anhaltspunkte zu Tage: Die Befragte erwartet von Landesseite Veranstaltungen, die Best-Practice-Beispiele vorstellen, die Werbung machen sollen und so als "Initialzündung" wirken könnten. Genauso erhofft sie sich vom Bund "einen Mainstream zu initiieren", den internationalen Austausch herzustellen und beispielsweise über Internetseiten die Akteure miteinander zu vernetzen oder Preise auszuloben.607 Demgegenüber bleibt die Umsetzung nach den Angaben der Landesakteure relativ unkonkret. Wenn dann scheinen die Befragten den eher indirekten Weg zu bevorzugen: Im Sozialministerium setzt der Befragte auf das Landesnetzwerk, im Wirtschaftsministerium auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Allgemeinen. Diesen Ansatz wollen die Akteure auch 605
An anderer Stelle heißt es dort: "Es [...] ist wirksamer [...] durch eine konsequente Wirtschafts- und Steuerpolitik die Rahmenbedingungen für wettbewerbsfähige und ertragsstarke Unternehmen positiv zu beeinflussen und so den Spielraum für CSRMaßnahmen zu schaffen." 606 Vgl. Interview mit G 607 Vgl. Interview mit L
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in Zukunft weiter verfolgen, denn die genannten Ziele deuten nicht auf erweiterte Maßnahmen hin: Im Wirtschaftsministerium scheint man Corporate Citizenship auch künftig der Wirtschaft überlassen zu wollen, und die Zielangaben im Sozialministerium spiegeln eher die Vorhaben eines Einzelnen wider. KMU und Kommunen werden zwar als Adressaten genannt, aber erneut in dem Sinne "die müssten sich von CC angesprochen fühlen" statt "wir planen diese oder jene Initiative". Mit der Binnenorientierung bei den Zielen korrespondieren die Angaben zu den Einflüssen, warum sich Corporate Citizenship nicht weiterentwickelt: Hier werden vor allem interne, institutionelle Hindernisse genannt wie mangelnde Ressourcen, fehlendes Beamtenengagement oder der unzureichende politische Wille. Gerade der letzte Punkt ist unter einem weiteren Gesichtspunkt interessant, denn er offenbart einen Antagonismus zwischen den beiden Akteuren. Was aus der Perspektive des Sozialministeriums als unzureichender politischer Wille beklagt wird, ist aus der Perspektive des Wirtschaftsministeriums eine politische Grundüberzeugung: Die Politik bringt sich in Angelegenheiten der Wirtschaft, Corporate Citizenship eingeschlossen, nicht ein. Derzeit entsteht der Eindruck, dass die letzte Position die Landespolitik zu CC prägt. Anders ausgedrückt: Corporate Citizenship scheint für die bayrische Landeregierung bislang kein Thema zu sein. Die Interviews deuten darauf hin, dass sie es als bilaterale Angelegenheit zwischen Unternehmen und Kommunen betrachtet. Auf den zweiten Blick wird zwar deutlich, dass der Befragte im Sozialministerium CC aktiver bearbeiten möchte, doch ist fraglich, wie angesichts der minimalen zeitlichen Kapazitäten der politischen Zugang zu dem Thema nachhaltig beeinflusst werden kann. 2.3.1.3 Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen äußern sich die Befragten relativ ausführlich zu ihrem Verständnis von Corporate Citizenship und dazu, wie sie den Begriff verwenden. Die konzeptionelle Basis scheint daher weitgehend gefestigt.608 Definitorisch wird Corporate Citizenship implizit zweifach abgegrenzt: zum einen gegenüber der Philanthropie oder – wie die Befragten es nennen – "der 608
Es dürfte daher wohl kein Zufall sein, dass unter den drei befragten Kommunen, diejenige in NRW das am weitesten ausgearbeitet Konzeptpapier zu Corporate Citizenship vorzuweisen hatte.
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guten Tat" und zum anderen gegenüber der deutschen Entsprechung, dem bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen. Gerade der Fachbegriff CC impliziere die Vorteile für Unternehmen hinsichtlich Image, Personalbindung oder Trendscouting, stehe für den Zusammenhang von Engagement und Strategie, repräsentiere eine internationale Ausrichtung, die gängig für große Unternehmen und wichtig für ausländische Investoren sei, und schließlich schließe er die Verwaltung als Arbeitgeber ebenso ein wie Unternehmen. Daher verwenden die Akteure in Nordrhein-Westfalen bewusst den englischen Terminus und ergänzen ihn allenfalls zum besseren Verständnis mit einem deutschen Untertitel. Etwas unklar ist die Verwendung bzw. Einordnung von CC gegenüber CSR. CSR wird nur im Zusammenhang mit der EU-Politik genannt und es heißt, der Begriff sei weiter gefasst als CC. Allerdings ist nicht präzisiert inwiefern. Zieht man die Definitionen auf der Internetseite zur Erklärung heran, wird deutlich, dass CC als Teilaspekt, als externe Dimension von CSR gilt.609 Gleichzeitig erscheint Corporate Citizenship aber auch als Sammelbegriff, denn die Befragten wollen das Engagement nicht auf bestimmte Felder oder Formen beschränken, sodass theoretisch auch Frauenförderprogramme o. ä. darunter fallen könnten, also Engagement, das nicht unmittelbar dem gesellschaftlichen Umfeld zu Gute kommt. Dem Gesamtzusammenhang nach zu urteilen, bleibt dies wahrscheinlich aber eine theoretische Möglichkeit. Anzunehmen ist vielmehr, dass betont werden sollte, dass das Land keine inhaltlichen Vorgaben machen möchte. Dafür spricht eine Aussage an späterer Stelle: "Die Entscheidung darüber, welches Feld jetzt für ein Engagement in Frage kommt, wird ja im Unternehmen getroffen. [...] Da können wir uns nicht einbringen, das ist ja eine freie Entscheidung. [...] Man muss sich darüber unterhalten, was ist Regelleistung, was nicht."610
Der Verweis auf die Regelleistung legt nahe, dass es um Leistungen für die Gesellschaft geht. Zum Verständnis von CC als Aufgabe sind die Aussagen ebenfalls nicht eindeutig. Einerseits wird durchaus gesehen, dass das Thema verschiedene Politikfelder streift – genannt werden als Beispiele die Bildungs- und Umwelt609
"CSR [...] dient Unternehmen als Grundlage, um auf freiwilliger Basis gesellschaftliche Belange in ihre Unternehmenstätigkeit zu integrieren. Im Corporate-Citizenship-Konzept legt ein Unternehmen die Aktivitäten fest, die eine direkte Außenwirkung haben." www.corporate-citizenship.nrw.de/konzepte/content /html, 30.07.2003
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politik – andererseits deutet der Nachsatz eher darauf hin, dass CC durchaus als Ressortaufgabe verstanden wird: "Ich denke, dass das Thema dann zerfasert. Demnach ist es schon unser Anspruch, dass wir sagen, auch gerade weil wir jetzt ein Ressort "Wirtschaft und Arbeit" sind, man muss wichtige Faktoren innerhalb der Gesellschaft bündeln."611
Bei den Motiven, sich mit Corporate Citizenship zu befassen, halten sich wirtschaftliche und normative Argumente in der Waage. Auf der wirtschaftlichen Seite erhofft sich das Land neue Handlungsspielräume beim Thema Beschäftigung aber auch ganz wesentliche Standort- bzw. Wettbewerbsvorteile. Gerade dieser zweite Aspekt kommt immer wieder zur Sprache, dabei bringt eine Befragte den Hinweis auf Sozial- und Nachhaltigkeitsindizes ins Spiel: "Es gibt ja auch Ansätze, wenn man Unternehmen bewertet, solche Faktoren mit einzubringen. Das ist zwar ein bisschen Zukunftsmusik, aber [...] wenn das dann mal irgendwann Wettbewerbsfaktor ist, muss das eben auch was sein, was in Nordrhein-Westfalen bekannt und gängig ist."612
In keinem anderen Interview nennen die Befragten Social Responsible Investing (SRI) als Motiv. Auf der normativen Seite wollen die Befragten den Mentalitätswandel fördern, d.h. mehr Eigenverantwortung für die Bürger und mehr Mitverantwortung für die Wirtschaft. Dieser letzte Punkt spielte laut Schmid/ Otto auch schon eine große Rolle bei der Förderung von BE allgemein, denn seiner Beobachtung nach ist "in Nordrhein-Westfalen [...] bürgerschaftliches Engagement vor allem innerhalb des Diskurses 'aktivierender Sozialstaat' zu sehen."613 Das Thema sei eingebettet in den Kontext von Demokratiefestigung und Partizipation.614 Was den Kreis der anderen Akteure angeht, so ist Nordrhein-Westfalen eindeutig auf Unternehmen fokussiert. Diese Fokussierung ist gewollt: "[Beim] Auftakt zu diesem Thema wollten wir gerne eine Rückkopplung mit den Unternehmen direkt haben und das nicht gleich von Begehrlichkeiten aus dem sozialen oder kommunalen Sektor überdeckt haben."615
610
Interviewpartner D Interviewpartner H Interviewpartner D 613 Schmid/ Otto (2003), 66 614 ebd. 68 615 Interviewpartner D 611 612
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So erklärt sich, dass sich die Interviewten – gefragt nach ihren Erwartungen an die anderen Akteure – nur zu Unternehmen äußern. Dennoch kann man aber aus der Antwort auch ablesen, dass durchaus Interessen und Ansprüche Dritter bei dem Thema angenommen werden. Außerdem wird explizit nicht ausgeschlossen, dass das Ministerium künftig auch die Kommunen einbezieht. Bei den Erwartungen an die Unternehmen spielt das Nutzenargument wieder eine große Rolle. Die Firmen sollen ein "offenes Ohr haben" und "ihren Horizont erweitern" wollen. Gemeint ist, dass sie zum einen den Nutzen für das Unternehmen insgesamt (CC als Modernisierungs- und Wettbewerbsfaktor) und für die Mitarbeiter im Einzelnen (CC zur Stärkung von Eigenverantwortung und Sozialkompetenz) sehen sollen. Gleichzeitig wird von Erfahrungen berichtet, die vermuten lassen, dass die Angesprochenen – zumindest teilweise – bereits jetzt aufgeschlossen sind. Die Befragten in Nordrhein-Westfalen sprechen als Einzige von einer positiven Haltung der Unternehmen gegenüber den Initiativen der Politik. Sie seien interessiert am Austausch, begrüßten den Kongress als Plattform und wünschten Kontinuität in der Abstimmung. Die Erwartungen der Befragten in NRW zeigen, dass sie auf Einsicht setzen. Entsprechend definieren sie ihre Rolle: Sie wollen überzeugen und ideell unterstützen. Überzeugen und zum Nachahmen animieren sollen zum einen die gesammelten Beispiele engagierter Unternehmen und zum anderen das eigene Engagement als Corporate Citizen. Gerade der letzte Punkt wird stark betont: "Man kann nicht immer einfordern, [...] man muss da auch mal was selber machen und vorangehen."616
Hierin findet sich die Position der SPD wieder, die Bundeskanzler Gerhard Schröder auf dem CC-Kongress der Bundestagsfraktion betont (vgl. Kapitel I, 2.2.1). Unterstützen will das Land, indem Tagungen u.ä. Publizität schaffen. Hierin sehen man eine wichtige Rolle der Politik, denn ohne sie wären die Möglichkeiten hinsichtlich des Transfers und der Entwicklung der Bekanntheit
616
Interviewpartner H
190
nach Ansicht einer der Befragten eingeschränkt.617 Zudem habe nach ihrer Ansicht die Politik für die Vermittlung von Engagement als "Wertstellung und Bedingung zur Entwicklung des Gemeinwesens" eine nicht delegierbare Aufgabe. Allerdings sieht sie diese Rolle durchaus auch selbstkritisch, denn nach ihrer Einschätzung würden sich durch einen Rückzug der Politik die Entwicklungsperspektiven von CC nicht grundsätzlich verschlechtern.618 Für die Umsetzung wählt Nordrhein-Westfalen gemäß seiner Fokussierung auf Unternehmen – sie werden auch derzeit als alleinige Adressaten genannt – den direkten Zugang. Dabei zeichnen sich die Maßnahmen im Vergleich zu den anderen Fallbeispielen in dreierlei Hinsicht aus: Sie sind relativ vielseitig (Kongress, Internetseite und eigene Zeitung), relativ jung (der Schwerpunkt der Aktivitäten war 2003) und relativ konstant (die Zeitung erscheint kontinuierlich, der Internet-Auftritt wird laufend aktualisiert). Eine Zusammenarbeit mit einer Kommune fand bislang nur punktuell für den Kongress statt. Auch die Ziele sind relativ breit gefächert, wobei der Schwerpunkt eindeutig extern liegt. Intern wird einzig angestrebt, eigene CC-Ansätze – zunächst für das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit (MWA) – zu entwickeln. Gedacht wird in erster Linie an Projekttage, Payroll Giving oder Girlsdays. Vergleicht man diese Orientierung in der internen Zielsetzung z.B. mit der in Bayern, könnte man daraus schließen, dass sich Nordrhein-Westfalen bereits in einer fortgeschritteneren Phase der Auseinandersetzung mit CC befindet, da die Befragten den Know-how-Aufbau als weitgehend abgeschlossen betrachten. Zumindest ist sie jedoch kongruent mit der relativ elaborierten Konzeption von CC, wie sie weiter oben beschrieben ist. Extern sind die Ziele weit umfassender. Hervorzuheben ist vor allem, dass sie sich auf zwei Ebenen bewegen, auch wenn diese Ebenen von den Interviewpartnern so nicht deutlich gemacht wurden. Auf der einen Ebene bewegen sich die Ziele, die die Landesakteure für CC erreichen möchten, auf der anderen die, die sie durch CC erreichen möchten. Zur ersten gehört, das Thema breiter verankern zu wollen. Hier möchten die Akteure vorhandene Strukturen wie die Mittelstandsoffensive für weitere Publizität nutzen, aber auch das Thema in den Institutionen weiter bekannt machen. Die Rede ist von 617
Als Hinweis auf die Richtigkeit dieser Einschätzung kann man werten, dass 2003 die Mehrheit der Bewerbungen für den Preis "Freiheit und Verantwortung" aus NRW stammte. 2001/2002 kamen die Kandidaten noch vorwiegend aus Bayern und Baden-Württemberg. 618 Interviewpartner D
191
Aufklärung in den Kommunen und eine Integration in das Thema "Mittelstandsfreundliche Verwaltung". Das ist insofern bemerkenswert, als die Realisierung dieses Ziels dem Einstieg in eine indirekte Strategie gleichkäme. Darüber hinaus gibt Nordrhein-Westfalen als einziges Land an, sich zunächst auf ein Handlungsfeld von Corporate Citizenship konzentrieren zu wollen. Auf der zweiten Ebene glauben die Befragten, durch CC andere Themen aus dem Bereich Wirtschaft und Arbeit weiterentwickeln zu können. In diesen Momenten taucht im Gespräch immer wieder die Idee von Corporate Citizenship als "Plattform"619 auf – fast könnte man von einem Leitmotiv sprechen. So sieht das Ministerium in Corporate Citizenship bzw. in Corporate Volunteering beispielsweise die Chance, neue Möglichkeiten zur extrafunktionalen Qualifikation schaffen zu können.620 Weit wichtiger sei jedoch das Thema Standortvorteile: Hier böte CC die Aussicht, Innovationen und das Kreativitätspotenzial von Unternehmen zu stärken, insgesamt durch den Austausch zwischen Wirtschaft und Gesellschaft einen lebendigen Standort zu schaffen oder ganz konkret die Stadtteilsanierung an manchen Orten voran zu bringen. Die Interviewpartner stellten sogar explizit die Verbindung her zu bestehenden Projekten wie der Gründungsinitiative GO! und der Initiative "Mittelstandsfreundliche Verwaltung". Corporate Citizenship würde in diesem Sinne von der Politik instrumentalisiert, um andere Politikziele zu verfolgen; es wäre nach diesem Verständnis auch für die Politik und nicht nur für die Unternehmen Mittel zum Zweck. Insgesamt konnte diese Konzentration auf externe Ziele und vor allem die Differenzierung, mit der von diesen Zielen gesprochen wird, bei keinem der anderen Länder beobachtet werden. Angesichts der Ziele und Maßnahmen bleibt die Frage nach den Mitteln. Hier sind die Akteure in Nordrhein-Westfalen vergleichsweise gut ausgestattet, denn immerhin wird das Thema von einer Vollzeitkraft betreut, die sich schwerpunktmäßig Corporate Citizenship widmen kann. Außerdem steht ein eigener Haushaltstitel zur Verfügung. Allerdings ist im Nachhinein und von außen schwierig zu entscheiden, ob die Ausstattung die Art der Umsetzung
619
Interviewpartner H Problematisch ist jedoch, tatsächlich den Nutzen nachzuweisen: "Evaluation of employee volunteering is still in its infancy. Although many organisations monitor their inputs to such activity, the evaluation of outputs and outcomes remains a minority activity. Clearly, one of the difficulties is in isolating the impact of employee volunteering from other activities." Gribben et al (2001), 91
620
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oder umgekehrt die konzeptionelle Vorarbeit die Mittel ermöglicht hat. Das Interview gibt zwar Hinweise auf die zweite Variante, ist jedoch nicht eindeutig. Kaum zur Sprache kamen im Interview Einflüsse, die nach Ansicht der Befragten die Beschäftigung mit CC positiv oder negativ beeinflussen. Als antreibend wird die Praxis bereits engagierter Unternehmen gesehen. Außerdem sei der persönliche Einsatz einer politischen Persönlichkeit wie des Ministerpräsidenten wichtig, weil allein dadurch das Thema eine andere Präsenz in den Medien erfahre. Als erschwerend für die Entwicklung von Corporate Citizenship wurden lediglich interne Faktoren genannt. Es fehlten etablierte Unterstützungsstrukturen – wobei unklar ist, was damit gemeint ist und wer dafür verantwortlich wäre. Außerdem sei das Thema noch zu wenig bekannt. In das Selbstverständnis sowie die Ziele und Maßnahmen fügt sich diese Diagnose jedoch ein. Schmid/ Otto etikettieren Nordrhein-Westfalen in Bezug auf die BE-Förderung noch als segmentiert-feldspezifischen Typ, bei dem mehrere Ministerien für unterschiedliche Zielgruppen und Programme zuständig sind. Er zeichne sich dadurch aus, dass es keine gemeinsame Strategie gibt, dass die landespolitische Relevanz des Themas eher durchschnittlich ist ebenso wie die finanziellen Aufwendungen und dass der Kontakt zu Verbänden, Vereinen und kommunalen Akteuren eher auf einzelne Ministerien und Programme bezogen ist, dort allerdings durchaus intensiv und kooperativ sein können.621 Betrachtet man jedoch CC, muss man diesen Befund revidieren: Die CC-Kompetenz ist beim MWA gebündelt, die Kommunikation des Themas nimmt einen großen Stellenwert ein und die konzeptionellen Grundlagen sind zumindest im Außenauftritt klar definiert. 2.3.1.4 Rheinland-Pfalz Welches Profil zeichnet sich schließlich für das letzte der untersuchten Bundesländer ab? Zunächst fällt auf konzeptioneller Ebene auf, dass einer der Befragten zwei bislang nicht genannte Aspekte einbringt, um sein Verständnis von Corporate Citizenship zu charakterisieren bzw. das Phänomen inhaltlich gegenüber Philanthropie abzugrenzen. Für ihn zeichnet sich CC – neben dem viel beschworenen Win-Win-Gedanken – dadurch aus, dass Unternehmen zum 621
Vgl. Schmid/ Otto (2003), 91
193
einen offen sind gegenüber den Initiativen ihrer Mitarbeiter und zum anderen sich mit Bürgern zusammenschließen für gemeinsame Projekte.622 Er spricht damit indirekt an, dass Unternehmen gegenüber ihren Anspruchsgruppen eine partnerschaftliche Rolle übernehmen, d.h. nicht einfach Engagementprojekte vorgeben oder sich auf das Bereitstellen der finanziellen oder personellen Ressourcen zurückziehen. Dies bedeutet innerhalb einer Win-Win-Beziehung eine qualitative Weiterentwicklung, die für einige Wissenschaftler ausschlaggebend ist, um überhaupt von Corporate Citizenship zu sprechen.623 Zum Verständnis von CC als Aufgabe fällt eine Interpretation schwer. Ganz klar ist der Wunsch, dass die Wirtschaftsministerien in Bund und Ländern (das eigene eingeschlossen) das Thema für sich entdecken mögen, damit der ökonomische Aspekt von Corporate Citizenship deutlicher werde. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass CC generell als Ressortaufgabe betrachtet wird. Eher geht es darum, Corporate Citizenship unter einem bestimmten Aspekt zu platzieren, um einen guten Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung zu schaffen. Verwendet wird in der Regel der englische Fachbegriff "Corporate Citizenship". CC gilt als Teilbereich von CSR, zu dem die Debatten um Nachhaltigkeit allgemein bzw. "das Mitdenken gesellschaftlicher relevanter Faktoren für unternehmerisches Handeln" gezählt werden.624 Als Motive für die Beschäftigung mit Corporate Citizenship stehen normative Überlegungen im Vordergrund – was sich vielleicht teilweise dadurch erklärt, dass derzeit die Staatskanzlei inhaltlich federführend ist und diese stark an politischen Leitkonzepten arbeitet. Corporate Citizenship soll helfen, Antworten zu finden für die Zukunft des Sozialstaates angesichts von Globalisierung und Liberalisierung: Die Bürger erhalten mehr Eigen- und die Unternehmen mehr Mit-Verantwortung, während der Staat sich auf seine Kernkompetenzen besinnt. Es geht also grundsätzlich um eine neue Rollenverteilung zwischen den Akteuren: "Corporate Citizenship ist einfach deshalb aufgekommen, weil man gesagt hat, wenn wir ein strukturelles Problem mit der Zukunft des Sozialstaates
622
Vgl. Interviewpartner C Vgl. z.B. Habisch (2003b), 58 oder 81f. 624 Vgl. Interview mit C 623
194 haben, dann müssen diese drei Player in ihren Aufgaben neu definiert werden."625
Eng verknüpft wird Corporate Citizenship dabei mit dem Konzept der Bürgergesellschaft bzw. der "Modernisierung der Demokratie". So lief beispielsweise die letzte Tagung zum gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen unter dem Titel "Lokale Bürgergesellschaft." Das Konzept der Bürgergesellschaft ist in der politischen Diskussion relativ weit konkretisiert oder theoretisch unterfüttert, sodass hier durchaus ein qualitativer Unterschied zu sehen ist zu Visionen "einer humaneren Gesellschaft", wie sie in anderen Ländern gezeichnet werden. Der Zusatz "lokal" im Titel der Veranstaltung weist darauf hin, dass die Landesregierung vor allem anstrebt, "ein neues Verhältnis der Kooperation zwischen Kommunen, ortsansässigen Unternehmen und engagierten Bürgern herzustellen".626 Die Erwartungen richten sich in Rheinland-Pfalz in erster Linie an Unternehmen und deren Verbände. Sie sollen CC "als Asset begreifen", als Vermögenswert, denn es führe u.a. zu geringeren Fehlzeiten, steigender Sozialkompetenz der Mitarbeiter sowie besserer Identifikation mit dem Unternehmen. Dieser Wunsch mag daher rühren, dass die Befragten von den Unternehmen nur zwei Varianten derselben ablehnenden Haltung wahrnehmen: "Am Besten, ihr lasst uns damit komplett in Ruhe, wir machen das schon selber" oder "Senkt die Steuern, denn eine geringe Steuerlast würde uns die Möglichkeit geben, uns mehr zu engagieren."627 Zumindest aber prägt diese Wahrnehmung die Definition der eigenen Rolle. Überzeugung und ideelle Unterstützung sind die zentralen Elemente im Selbstverständnis, denn hier wird der Handlungsbedarf gesehen. Sich selbst als Corporate Citizen zu engagieren, steht offensichtlich nicht auf der Agenda und der bislang einzige landesweite Ansatz, über die Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP) Corporate-Volunteering-Projekte für Unternehmen zu vermitteln, wurde schon in der Phase der Konzeption aufgegeben.628 625
ebd. Interviewpartner C (Hervorhebung durch die Autorin) 627 Beispielsweise lies der BDI-Präsident Michael Rogowski in seiner Rede auf dem Symposium "Unternehmen – Partner im Wandel" der Initiative Freiheit und Verantwortung am 2. Juli 2003 in Berlin wissen: "Für mehr Verantwortung muss es die Freiheit und den finanziellen Freiraum geben." Ähnlich äußert sich DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun in seiner Begrüßungsrede. 628 Der Befragte nannte Schwierigkeiten mit dem externen Kooperationspartner als Grund. 626
195
Entsprechend wurde bislang vor allem auf zwei publizitätsträchtige Hebel gesetzt: Diverse Tagungen und die jährliche Verleihung des Sonderpreises für CC an Unternehmen. In der Umsetzung dominieren also direkte Maßnahmen; allein die Rahmenverträge zum Versicherungsschutz der Engagierten zählen zum für CC indirekt wirksamen Instrumentarium. Die Zielsetzung ist ausschließlich extern orientiert: Zum einen gelte es, die Werbung für Corporate Citizenship fortzusetzen und speziell KMU629 von der Grundidee zu überzeugen; zum anderen sollen konkrete Projekte in einzelnen Gemeinden angeschoben werden. Die Stoßrichtung ist also eine zweifache: Sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf politischer Ebene möchte der Befragte das Thema voranbringen. Die Wahl der Adressaten zeigt dabei, dass die lokale Ebene als Umsetzungsort gilt. Auffallend ist jedoch, dass die Ziele im operativen Bereich weniger detailliert ausfallen als die konzeptionellen Überlegungen. Auch das mag daher rühren, dass eine Staatskanzlei eher für die politischen Leitlinien verantwortlich zeichnet. Was die Ausstattung an Mitteln betrifft, zeigt sich in Rheinland-Pfalz eine den anderen Bundesländern ähnliche Situation: Corporate Citizenship ist lediglich Teilaufgabe und Veranstaltungen o. ä. werden aus verschiedenen Haushaltstiteln finanziert. Ansporn, sich mit Corporate Citizenship zu beschäftigen, scheint auch in Rheinland-Pfalz das Internationale Jahr der Freiwilligen (IJF) gewesen zu sein. Daneben gilt die Praxis bereits engagierter Unternehmen als positiver Einfluss, denn an ihnen werde sichtbar, was Firmen leisten können. Beide Aspekte spielen jedoch auch in den anderen Bundesländern eine Rolle. Besonders ist in Rheinland-Pfalz vielmehr, dass auch hier wie sonst nur noch in Baden-Württemberg persönliche Berührungspunkte mit CC eine große Rolle spielen: In diesem Fall rührt das Interesse des Befragten, den man durchaus als Protagonisten des Themas im Land bezeichnen kann, aus eigenen, früheren Forschungsprojekten in den USA. Auf der Blockade-Seite bringt der Befragte in der Staatskanzlei zum ersten Mal externe Faktoren ins Spiel: Vielleicht stehe die aktuelle Wirtschaftslage oder sogar das System der sozialen Marktwirtschaft per se einer intensiveren 629
Begründet wird das damit, dass viele stark am Standort verwurzelt und daher aufgeschlossen gegenüber Engagement sind, gleichzeitig aber mit dem Win-Win-Charakter von CC am wenigsten vertraut sind und bislang auf klassisches Spenden und Sponsoring zurückgreifen.
196
Beschäftigung mit Corporate Citizenship im Wege. Die Hemmnisse wären also sehr grundsätzlicher Natur, doch kein anderer Akteur in einem der Bundesländer stellte solche prinzipiellen Überlegungen an. Sicher spiegelt sich in dieser profunden Auseinandersetzung mit Corporate Citizenship auch die Vita des Befragten (er beteiligt sich auch an der wissenschaftlichen Diskussion zu CC). Sehr viel operativer sieht der zweite Befragte in Rheinland-Pfalz die Schwierigkeiten: zum einen sei Corporate Citizenship für die Unternehmen derzeit nicht dringend, zum anderen seien auf Landesebene bereits ausreichend Akteure aktiv (insbesondere die Staatskanzlei). Es fehlt in seinen Augen also nicht nur die Nachfrage, sondern es herrscht auch quasi ein Überangebot. Diese Sichtweise, dass ein Thema, sobald es von einer Partei/ einem Ministerium "besetzt" werde, für die anderen Akteure nicht mehr in Frage käme, lässt darauf schließen, dass der Befragte CC nicht als Querschnittsaufgabe versteht. 2.3.2 Besonderheiten der Länder Während die Länderprofile den Umgang der Länder mit Corporate Citizenship insgesamt charakterisieren sollten, zeigt dieser Abschnitt zusammenfassend die Besonderheiten. Abbildung 31 stellt das jeweils Typische in den Kategorien630 gegenüber. Als "typisch" gelten Aspekte, die in den Interviews besonders unterstrichen wurden oder die in den anderen Bundesländern nicht vorkamen. D.h. die Übersicht erfasst nicht erschöpfend jedes Merkmal innerhalb einer Kategorie, sondern nur das jeweils unterscheidende.
630
Da sich die Darstellung auf das Inhaltliche konzentrieren soll, entfällt die Frage der Mittel.
197 Kategorien Begriff
BW Uneins, was das Neue v. CC ist
Motive
BY Sieht Nähe zum Kerngeschäft
NRW
RLP
Betont Zusammenhang m. Strategie
U. offen f. Projekte v./m. MA/Bürgern
Zusammenhang m. HandlungsspielSubventionsabbau räume f. Beschäftig.
Erwartungen
Aufgeschlossenheit U. u. K. sollen CC v. Wohlfahrtsorga. alleine regeln
Richtet sich ausschließl. an U.
BMWA soll verantwortlich sein
Selbstverständnis
Nicht einmischen, CC soll Kultur aus sich heraus werden U. "laufen lassen"
Will Vorbild sein
Verleiht Sonderpreis CC
Maßnahmen
Setzt auf Multiplikatoren
Konzertierte Kommunikation
Verbessert Versicherungsschutz
Ziele
Plant Studie zu Engagement v. U.
Will Standortvorteile erreichen
Will Projekte in Gemeinden anstoßen
Fokus auf "Grundlagenforschung"
Konzentriert sich auf U.
Adressaten Blockaden
Betont Hindernisse
Sieht externe Blockaden
U = Unternehmen; K = Kommunen; MA = Mitarbeiter
Abb. 31: Individuelle Ausprägungen in den vier Bundesländern
Ein erster Blick auf die Übersicht offenbart, dass jedes Land in seinem Begriffverständnis einen anderen Aspekt von Corporate Citizenship als charakteristisch betont. In Baden-Württemberg sind die Befragten sogar uneins darüber, ob CC überhaupt etwas Neues beinhaltet. Hier wiederholt sich die Uneinigkeit der wissenschaftlichen Diskussion: Ist CC erst CC, wenn das Engagement im engen Bezug zum Kerngeschäft steht (BY)? Oder muss es sich nur in die Unternehmensstrategie einfügen (NRW)? Oder kann man erst von CC sprechen, wenn Mitarbeiter und Bürger partnerschaftlich beteiligt werden (RLP)? Ebenso heterogen sind die Ausprägungen in drei weiteren Kategorien: den Erwartungen, dem Selbstverständnis und den Zielen. Bei den Erwartungen äußert sich Baden-Württemberg als einziges Land zu den Wohlfahrtsorganisationen. Bayern würde Corporate Citizenship gerne den Unternehmen und Kommunen überlassen, Nordrhein-Westfalen richtet sich ausschließlich an Unternehmen und in Rheinland-Pfalz gibt es die einzige klare Aussage gegenüber dem Bund (das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) sollte dort die Verantwortung übernehmen). Auch im Selbstverständnis setzen die Länder durchaus unterschiedliche Akzente: In Baden-Württemberg soll sich Corporate Citizenship als "Kultur" aus sich heraus entwickeln, wobei hier das Land durchaus "nachhelfen" kann, während sich Bayern grundsätzlich nicht einmischen möchte. NordrheinWestfalen ist besonders wichtig, seine Rolle als Vorbild auszufüllen. Dagegen setzt Rheinland-Pfalz auf das Vorbild anderer, die durch einen eigenen CCSonderpreis ausgezeichnet werden.
198
Die Besonderheiten in den Zielen können als unterschiedliche Entwicklungsstufen interpretiert werden: Bayern konzentriert sich noch auf die "Grundlagenforschung"; Baden-Württemberg gibt eine spezielle Studie zu CC im eigenen Land in Auftrag; Rheinland-Pfalz versucht, Projekte in einzelnen Gemeinden anzustoßen und Nordrhein-Westfalen instrumentalisiert CC, um definierte Standortfaktoren zu verbessern. Fast ebenso variantenreich ist das Bild bei den Maßnahmen. NordrheinWestfalen geht den Weg einer konzertierten Kommunikation über drei Kanäle (Kongress, Internet, Zeitung), während Baden-Württemberg etwas diffus auf Multiplikatoren setzt. Rheinland-Pfalz wiederum bietet als einziges der untersuchten Länder einen verbesserten Versicherungsschutz für Engagierte an. Hinsichtlich der Nennungen bei den Blockaden sticht ins Auge, dass Bayern diese fast ausschließlich betont und auf möglicherweise förderliche Faktoren nicht eingeht. Rheinland-Pfalz thematisiert als einziges Land gesamtgesellschaftliche Aspekte wie Wirtschaftslage und -system, die der Entwicklung von Corporate Citizenship entgegen stehen könnten. Und schließlich sticht hinsichtlich der Adressaten Nordrhein-Westfalen ganz deutlich hervor, da das Land bis dato seine CC-Bemühungen explizit auf die Unternehmen ausrichtet. Betrachtet man nun noch die individuellen Ausprägungen innerhalb eines Landes, so fällt auf, dass sich bei keinem Land ein direkter Zusammenhang zwischen dem CC-Verständnis und den anderen Kategorien herstellen lässt. Das Begriffsbild scheint quasi unabhängig zu sein z.B. von den Motiven oder dem eigenen Rollenverständnis. Dass sich das individuelle CC-Verständnis nicht in den Kategorien widerspiegelt, lässt verschiedene Erklärungsversuche zu. Möglich wäre zum einen ein Umsetzungsproblem: Es konnte sich kein Zusammenhang als roter Faden entwickeln, da die CC-Politik nicht auf schriftlich definierten Grundlagen fußt, aus denen Ziele und Maßnahmen abgeleitet wurden. Denkbar ist auch ein theoretisches Problem: Die politischen Akteure haben CC-Definitionen – die alle in einem nicht-politikwissenschaftlichen Kontext entwickelt wurden – übernommen, ohne zu prüfen, ob z.B. Unterscheidungen zwischen kerngeschäftsnah oder -fern im politischen Kontext relevant sind bzw. einen geeigneten Bezugsrahmen bieten. Gepaart ist dieses Problem mit der generellen Unklarheit, ob es sich bei Corporate Citizenship um ein Politikfeld oder -instrument handelt.
199
Demgegenüber stehen Besonderheiten in anderen Kategorien wiederum im Einklang miteinander und bestätigen eine gewisse inhaltliche Stringenz. Beispielsweise deckt sich das Motiv NRWs, Handlungsspielräume für Beschäftigung zu gewinnen, mit dem Ansatz, Unternehmen direkt anzusprechen. Oder das Motiv Bayerns, den Subventionsabbau zu forcieren, passt zu seinem Selbstverständnis, die Unternehmen einfach "laufen zu lassen". Zwar ist es besonders wichtig, dass gerade die typischen Merkmale innerhalb eines Landes zusammenpassen, allerdings soll hier noch einmal betont werden, dass der Überblick nur die Besonderheiten und damit lediglich einen Ausschnitt aus der CC-Politik der Länder darstellt. Die weitere Analyse zeigt, dass sich neben den Unterschieden durchaus auch Gemeinsamkeiten zwischen allen oder einem Teil der Länder herauskristallisieren. 2.3.3 Gemeinsamkeiten Die vorherigen Abschnitte haben gezeigt, welchen Zugang zu Corporate Citizenship die Länder im Einzelnen wählen. Dabei wurden sie durchaus schon hinsichtlich des ein oder anderen Befundes zueinander in Beziehung gesetzt. Hier soll nun noch einmal ein systematischer Überblick gegeben werden. Dabei offenbart die Suche nach Gemeinsamkeiten Grundtendenzen, wie die politischen Akteure auf Landesebene das Thema Corporate Citizenship bearbeiten. 2.3.3.1 Allgemeine Feststellungen Gemeinsame Linien lassen sich in fünf der zehn Kategorien erkennen: 1. Begriff, 2. Selbstverständnis, 3. Maßnahmen, 4. Adressaten, 5. Treiber. Allerdings betreffen die Übereinstimmungen nur Teilbereiche und sie bezeichnen auch Defizite.
200
Kategorien
BW
BY
NRW
RLP
Selbstverständnis: Freiwilligkeit
Maßnahmen: Weiche Instrumente
Begriff: Win-Win-Charakter von CC Motive Erwartungen
Ziele Adressaten: Fokus auf KMU Mittel Treiber: Persönliches Engagement Blockaden = Übereinstimmung innerhalb einer Kategorie
Abb. 32: Übereinstimmungen in allen vier Bundesländern innerhalb einer Kategorie
1. Begriff Wie schon die Darstellung anhand der Kategorien in Kapitel II, 2.2 zeigte, ist das Begriffsverständnis uneinheitlich. Niemand gab an, mit einem Grundsatzpapier zu arbeiten, sodass es weder innerhalb der Länder noch zwischen ihnen einheitliche, schriftlich festgelegte, qualitative Kriterien gibt, wann ein Unternehmen in den Augen der Politik ein Corporate Citizen ist. Übereinstimmend betonen jedoch alle Befragten den Win-Win-Aspekt von CC. Dabei fällt auf, dass sie zwar relativ konkret den Nutzen für die Unternehmen benennen, die politischen oder gesellschaftlichen Bereiche, die von CC profitieren sollen, jedoch eher abstrakt bleiben. Dies ist unter zwei Gesichtspunkten bemerkenswert: 1. Bei einem direkten Zugang über die Unternehmen zeugt das Hervorheben der Vorteile für die Wirtschaft zwar von einer starken Orientierung an der Zielgruppe. Allerdings ist für keinen der genannten Unternehmensbereiche, in denen CC Wert schaffen soll, bislang der eindeutige betriebswirtschaftliche Beleg erbracht.631 Hier ist also die politische Argumentation stark von Fortschritten in der Forschung abhängig, will sie mit "harten" Zahlen als Beweis antreten.632 Je genauer sich die Effekte benennen ließen, desto einfacher 631
"It has not yet been possible to make a strong, causal, quantatitive link between CSR and financial indicators such as share price, stock market value, return on assets, and economic value added (EVA)." ACCA (2002), 18. Und weiter: "To date there have been no indepth benefit-cost analyses of CSR in a corporation, although such exercises are likely to be undertaken in the future." a.a.O., 20 632 Bislang gibt es erst wenige Arbeiten, die versuchen, den Nutzen von CC in quantitativen Größen auszudrücken. Einen guten Überblick bietet ACCA (2002): Corporate Social
201
wäre ein Engagement zu begründen. Die Politik steht in dieser Hinsicht vor einem ähnlichen Legitimationszwang wie die Unternehmen: "Given the problems of valuing BSR [business social responsibility], it is difficult to assess its net impact on government outputs; it is in the areas that are difficult to quantify such as business experience, work-place opportunities and legitimation that BSR is especially attractive to governments."633
2. Bei einer indirekten Herangehensweise sind die Anreize für die Kommunen nicht sofort ersichtlich, da sich die Argumente stark auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene bewegen. 2. Selbstverständnis Alle Befragten offenbaren ein weiches Steuerungsverständnis und betonen die Freiwilligkeit des Engagements (wobei sich manche widersprechen, wie Kapitel II, 2.2.2 gezeigt hat). Damit entsprechen sie der Position der Bundesregierung.634 Problematisch kann dies werden, wenn der Verweis auf die Freiwilligkeit als Entschuldigung dafür dienen sollte, dass sich nicht mehr Unternehmen engagieren. Der alleinige Verweis auf die CC-Praxis in den USA ist als Rechtfertigung für diese Haltung nicht hinreichend. In den USA fehlen zwar gesetzliche Vorgaben – insofern ist Corporate Citizenship freiwillig – aber die Erwartung, dass sich Unternehmen engagieren, ist fest in der Gesellschaft verankert635 – CC ist also in diesem Sinne nicht freiwillig oder anderes ausgedrückt: Freiwillig wäre nicht mit "beliebig" gleich zu setzen. Responsibility: Is there a Business Case? unter www.accaglobal.com. Im deutschsprachigen Raum wären beispielsweise die Arbeiten von Henry Schäfer zu nennen: Schäfer, Henry: Sozial-ökologische Ratings am Kapitalmarkt – Transparenzstudie zur Beschreibung konkurrierender Konzepte zur Nachhaltigkeitsmessung auf deutschsprachigen Finanzmärkten, Düsseldorf 2003 und Schäfer, Henry/ Lindenmayer, Philipp: Sozialkriterien im Nachhaltigkeitsrating, Düsseldorf 2004. Kurzbeschreibungen sind zu finden unter: www.boeckler.de. Vgl. außerdem die Arbeit von Martin, Roger L.: The Virtue Matrix – Calculating the Return on Corporate Responsibility, Harvard Business Review March 2002. 633 Moon (2002), 401 634 Vgl. Kapitel I, 2.1.1 Auf internationaler Ebene setzt sich das Bild fort, denn die OECD beobachtet diese Haltung bei den meisten ihrer Mitglieder: "Most governments have rejected suggestions for legislation to force companies to introduce social responsibility programmes, as the competitive pressures and the growing interest of investors in companies' reputations will alone be the driving force behind such programmes." OECD (2001), 148. Von regulierter Selbstregulierung wäre demnach nicht zu sprechen. 635 Backhaus-Maul (2004) spricht auch von einer "kulturellen Selbstverständlichkeit". Er verweist auf die Beschreibung bürgerschaftlichen Engagements als "Zivilreligion" bei Wuthnow (1991) bzw. als Ausdruck des republikanischen Anspruchs auf Selbstbestimmung und -betätigung z.B. bei Skocpol/ Fiorina (1999). Vgl. auch Enquete-
202
Nicht auszuschließen ist natürlich, dass es sich bei der Betonung der Freiwilligkeit auch um eine Form der sozialen Erwünschtheit handelt: Die Befragten heben die Freiwilligkeit wiederholt explizit hervor, weil sie glauben oder wissen, dass die Unternehmen nichts anderes akzeptieren würden. 3. Maßnahmen Alle Befragten setzen auf Informationsinstrumente und nicht auf Anreizprogramme. Damit zielen sie auf langfristige Einstellungsänderungen, die jedoch grundsätzlich schwer messbar sind. Hinzu kommt, dass die dafür notwendigen qualitativen Kriterien nicht schriftlich festgelegt sind (s. o. zu Begriff) und Meilensteine fehlen. So ist nicht klar, an welchem Punkt die Ziele als erreicht gelten können. Ohne Systematik ist damit auch die Nachhaltigkeit der Maßnahmen gefährdet. 4. Adressaten Ob direkter oder indirekter Zugang, alle Bundesländer möchten insbesondere KMU für Corporate Citizenship gewinnen. Sie begründen dies damit, dass der Mittelstand die Wirtschaftsstruktur maßgeblich präge. Erstaunlicherweise verweist trotz dieser Fokussierung auf KMU keiner der Befragten auf die Mittelstandsinitiative der EU.636 Insgesamt umgehen die Befragten mit ihrer Konzentration auf KMU – bewusst oder unbewusst – eine nicht ganz leichte Frage in der CC-Diskussion: Manager von Kapitalgesellschaften – in der Regel große, international agierende Unternehmen – sind zunächst ihren Aktionären verantwortlich und müssen daher nachweisen, dass sich eine CC-Strategie tatsächlich positiv auf den Unternehmenswert auswirkt, die Investitionen also gerechtfertigt sind. Dieser Nachweis konnte jedoch bislang nicht erbracht werden,637 sodass ein positiver Zusammenhang Vermutung bleibt und von den CC-Befürwortern unterstellt wird. In dieser Hinsicht ist es schwerer, große Konzerne für Corporate Citizenship zu gewinnen. Ist dagegen ein Unternehmen vom Inhaber geführt, kann es eine CC-Strategie u. U. leichter umsetzen.638 Oft tritt Kommission (2002), 458. Das Selbstverständnis von amerikanischen Unternehmen, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, führt auch dazu, dass ihr Engagement nicht nur eine Angelegenheit in wirtschaftlich guten Zeiten ist. 636 Z. B. den Bericht der Europäischen Kommission (2002), Europäische KMU und soziale und umweltbezogene Verantwortung. Vgl. europa.eu.int/comm/enterprise/enterprise_ policy/analysis/doc/smes_oberservatory_2002_report4.pdf 637 ebd. 638 Vgl. Friedman (1970), 124
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dann nämlich der wissenschaftliche Beleg gegenüber der persönlichen Überzeugung des Inhabers, dass Corporate Citizenship betriebswirtschaftlich gesehen rentabel ist, in den Hintergrund.639 Erleichternd kommt hinzu, dass inhabergeführte Unternehmen keine Quartals- oder Geschäftsberichte veröffentlichen und damit auch keinen rechnerischen Nachweis über den wirtschaftlichen Nutzen ihres gesellschaftlichen Engagements erbringen müssen (davon ausgenommen ist natürlich die etwaige Rechenschaftspflicht gegenüber Banken oder anderen Geldgebern). Zwar ist es auch im Interesse von KMU, dass sich Engagement auszahlt, aber sie sind in der Regel unabhängiger in ihrer Entscheidung. Andererseits sind KMU in mancher Hinsicht stärker auf Impulse von außen und d.h. auch auf Unterstützung durch die Politik angewiesen. Sie können beispielsweise nicht von der CC-Praxis einer amerikanischen Konzernzentrale profitieren oder sich einen eigenen CC-Stab leisten.640 Stattdessen sind sie auf externe Beratungs- und Vermittlungsleistungen angewiesen. Keiner der Befragten spricht jedoch in den Interviews dieses Problem an und keiner deutet an, inwiefern die Politik hier speziell ansetzen möchte. Dem Anspruch, vorzugsweise KMU adressieren zu wollen, folgen keine eigens darauf ausgerichteten Konzepte für die Umsetzung. 5. Treiber Bei allen Gesprächen entstand der Eindruck, dass das Fortkommen des Themas stark vom persönlichen Einsatz der Befragten abhängt. In keinem Land gibt es eine breite organisatorische Verankerung des Themas oder Zielsetzungen mit mehr als deklaratorischem Gehalt. Würden sich also die Befragten aus dem Thema zurückziehen, bliebe – zumindest aus heutiger Sicht – offen, ob es weiter bearbeitet würde. Da jedoch bislang auch der Steuerungsbedarf nicht eindeutig gegeben ist,641 wäre dies nicht gleichbedeutend mit Steuerungsversagen. 639
Vgl. Bericht der Europäischen Kommission (2002), 16 Als Hauptgrund, sich nicht zu engagieren, geben die meisten europäischen KMU nicht etwa knappe Ressourcen an, sondern "dass sie bislang über solche Aktivitäten noch nicht nachgedacht haben." Vgl. Bericht der Europäischen Kommission (2002), 35. Daher empfiehlt die Kommission: "Die Regierungen können [...] das Wissen über CSR innerhalb der Unternehmerschaft durch verschiedene Instrumente wie Foren, Beratung und Publikationen oder spezielle Preisverleihungen verbreiten und vertiefen." a.a.O., 56 641 Verwiesen sei z.B. auf die Studie von Heuberger/ Oppen/ Reimer (2004), 17: "[Es] kann kaum von einer Regulierungsanforderung oder einem Steuerungsbedarf von Seiten der Unternehmen in Sachen "Corporate Citizenchip" gesprochen werden." 640
204
Diese schmal anmutende, gemeinsame Basis im Umgang der Länder mit Corporate Citizenship rechtfertigt per se noch nicht, eine negative Bilanz zu ziehen. In einem föderalen System besteht durchaus Raum für unterschiedliche Ansätze. Dennoch ergibt sich die Frage, ob z.B. intuitiv anzunehmende Verbindungen oder Gemeinsamkeiten bei Landesregierungen gleicher politischer Provenienz oder andere Parallelen zwischen einzelnen Ländern sichtbar werden. Diese könnten andeuten, dass sich im Laufe der Zeit typische Zugangsmuster entwickeln werden, sodass sich für Unternehmen und andere Akteure eine gewisse Erwartungssicherheit einstellen würde. 2.3.3.2 Parallelen zwischen einzelnen Ländern Die Auswertung zeigt Parallelen bei 22 Merkmalen über alle Kategorien hinweg (ausgenommen wurde die Frage der Mittel, denn sie gibt inhaltlich wenig Aufschluss). Dabei wird vor allem deutlich, dass die Übereinstimmungen zwischen den Ländern "hin und her springen" (s. Abbildung 33 und 34). Selbst Analogien zwischen Ländern mit gleicher Regierungspartei haben sich nicht durchgehend gezeigt. So hat beispielsweise NordrheinWestfalen mal vergleichbare Aktivitäten wie Baden-Württemberg, mal wie Rheinland-Pfalz. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei manchen Übereinstimmungen um Zufälle handelt. Umgekehrt kann aus Ähnlichkeiten zwischen Ländern, die von unterschiedlichen Parteien regiert werden, nicht zwangsläufig auf einen Partei-übergreifenden Konsens geschlossen werden.
205 Kategorien Begriff: CC = Sammelbegriff
BW
BY
NRW
RLP
Motive: • Bürgergesellschaft
• Humanere Gesellschaft
• Soziale Verpflichtung
• Leere Kassen
• Mentalitätswandel
Erwartungen an Unternehmen • Freistellungen/Seitenwechsel • Nutzen erkennen Erwartungen an Kommunen
Selbstverständnis • Überzeugen
• Rahmenbedingungen schaffen
= Übereinstimmung innerhalb einer Kategorie zwischen zwei oder mehr Ländern () = Nur mit Einschränkung zutreffend
Abb. 33: Parallelen zwischen zwei oder mehr Ländern (1)
Kategorien
BW
BY
NRW
RLP
Maßnahmen • Direkt
()
• Indirekt
()
Adressaten: Kommunen
• Know-how aufbauen
• Verwaltungsspitze gewinnen
• Eigene CV-Programme anbieten
• Thema breiter verankern
()
Ziele
Treiber • Praxis engagierter Unternehmen • Persönliche Berührungspunkte
Blockaden Institutionell
()
Thematisch
= Übereinstimmung innerhalb einer Kategorie zwischen zwei oder mehr Ländern () = Nur mit Einschränkung zutreffend
Abb. 34: Parallelen zwischen zwei oder mehr Ländern (2)
Trotz der Varianzen werden dennoch einige Tendenzen augenfällig – zunächst in der quantitativen Betrachtung: 1. Am häufigsten finden sich Parallelen zwischen Baden-Württemberg und Bayern (insgesamt sieben Mal), gefolgt von den Dreier-Übereinstimmungen.
206
Hier könnte sich also ein "typischer" Zugang der Landesakteure zu Corporate Citizenship abzeichnen. 2. Im Gegensatz dazu sind die Parallelen zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nicht signifikant (nur zwei Übereinstimmungen; genauso viele finden sich zwischen NRW und BW sowie RLP und BW). Sie bilden also kein Gegenpaar zu BY-BW. 3. Bayern und Nordrhein-Westfalen haben als einzige Länder überhaupt keine Übereinstimmung – auch nicht in einer Dreier-Konstellation (hier ist entweder NRW oder BY vertreten). Dies könnte darauf hindeuten, dass die beiden Länder die Pole eines Kontinuums im Umgang der Landespolitik mit CC darstellen. Ein solches Kontinuum würde von einem Laissez-faire-Ansatz (BY) über die indirekte Ansprache der Unternehmen über die Kommunen (BW, RLP) bis hin zu einem direkten Zugehen auf die Wirtschaft (NRW) reichen. 4. Baden-Württemberg ist an fast allen "Paarungen" beteiligt (bei 16 bzw. 19 der insgesamt 22 Merkmale). Daraus kann man auf einen umfassenden Ansatz schließen oder aber bestätigt sehen, dass sich die verschiedenen Landesakteure in Baden-Württemberg noch nicht auf ein kohärentes Vorgehen verständigt haben. Diese rein quantitativen Indizien finden ihre Detaillierung in der qualitativen Betrachtung. Sie ergibt ein differenzierteres Bild auf der inhaltlichen Ebene. Zunächst werden kurz die Dreier-Konstellationen beleuchtet, bevor auf die "Paarungen" eingegangen wird. Analogien zwischen drei Ländern Parallelen, die je drei Länder betreffen, treten in zwei Varianten auf: Eine umfasst Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, die andere Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bayern. Die erste Dreier-Variante (BW, RLP und NRW) geht in die Richtung der allgemein zu beobachtenden Tendenzen (s. Kapitel II, 2.3.3.1): Die Länder teilen das Selbstverständnis, durch Überzeugung CC fördern zu können. Dementsprechend geben sie auch übereinstimmend als Ziel an, das Thema breiter verankern zu wollen. Allerdings unterscheiden sie sich in der Art der Umsetzung, da Nordrhein-Westfalen hier deutlich auf die direkte Ansprache der Unternehmen setzt.
207
In diesem Punkt verbindet Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mehr mit Bayern, der zweiten Dreier-Konstellation: Sie sehen in den Kommunen die primären Adressaten. Bei diesem Ansatz wird besonders virulent werden, was alle drei Länder als Motiv benennen: Die leeren Kassen führten dazu, über neue Formen der Verantwortungsteilung nachzudenken, wie sie Corporate Citizenship beinhalte. Neben ihrer Einstellung zu Adressaten und Motiven teilen die drei Länder auch die Sicht auf einen Aspekt der möglichen Blockaden. Sie sehen die Schwierigkeiten, CC zu verbreiten, in der Verschwommenheit des Themas selbst begründet. Doch damit bemängeln sie eine Situation, die sie z. T. mit prägen, denn einige der Befunde illustrieren, dass auch die Landesakteure keine klare Linien vorzeichnen. Analogien zwischen zwei Ländern Wie bereits erwähnt, finden sich zwischen Baden-Württemberg und Bayern die meisten Ähnlichkeiten. Sie betreffen vier Kategorien: Motive, Erwartungen, Maßnahmen und Ziele. Bei den Motiven stimmen die beiden Länder in dreierlei Hinsicht überein: Sie bewegt das Streben nach einer humaneren Gesellschaft (1), in der auch die Unternehmen ihre soziale Verpflichtung (2) erkennen, und angesichts leerer öffentlicher Kassen (3) interessiert sie die Frage nach Handlungsalternativen durch Corporate Citizenship. Normative Argumente, sich mit CC zu befassen, spielen also in beiden Ländern eine große Rolle spielen. Ebenso entsprechen sich die Erwartungen. Sowohl Baden-Württemberg als auch Bayern wünschen sich von den Unternehmen, Freistellungen und Seitenwechsel zu ermöglichen. Dies spricht dafür, dass beide die Unternehmen dafür nutzen möchten, ehrenamtliches Engagement der einzelnen Bürger zu fördern. Es besteht dabei jedoch die Gefahr, Corporate Citizenship schnell auf Corporate Volunteering zu verkürzen. Gleichzeitig richten beide Länder ihre Erwartungen auch auf die Kommunen als den eigentlichen Umsetzungsort von CC. Damit einher geht, dass Baden-Württemberg und Bayern auf indirekte Maßnahmen setzen und den Zugang über ihre Landesnetzwerke642 wählen. Dafür allerdings, dass beide so einen kommunalen Ansatz betonen, wissen sie
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relativ wenig über kommunale Initiativen. In Baden-Württemberg wurden in den Gesprächen eher Beispiele aus Köln anstatt aus Heidelberg zitiert und in Bayern besteht kein Kontakt zwischen der Landesebene und dem bundesweit bekannten Projekt "switch" der Stadt München. Bei den Zielen setzen beide Länder intern auf Know-how-Aufbau und das Gewinnen der Verwaltungsspitze. Allerdings zeigten die Länderprofile hier deutliche Entwicklungsunterschiede. Während Baden-Württemberg schon sehr weit fortgeschritten ist und inzwischen Fragen wie z.B. nach der Wirkung von CC analysiert, ist Bayern noch in der Phase der Grundlagenforschung und setzt bei definitorischen Fragen an. Demnach ist hier die Analogie nur sehr oberflächlich. Neben den vielen Übereinstimmungen mit Baden-Württemberg teilt Bayern nur mit einem einzigen weiteren Land ein Merkmal: Rheinland-Pfalz. Beide Länder zählen zu ihrem Rollenverständnis, Rahmenbedingungen für Corporate Citizenship schaffen zu wollen. Wie die Länderprofile jedoch zeigten, unterscheiden sich die beiden Länder darin, was sie unter Rahmenbedingungen verstehen. Die Übereinstimmung ist also relativ schwach. Während Rheinland-Pfalz vor allem an den Versicherungsschutz für Ehrenamtliche denkt, spricht Bayern von allgemein wirtschaftsfördernden Maßnahmen. Im ersten Fall geht es demnach darum, eine bestimmte Art des Engagements zu erleichtern; im zweiten darum, Engagement generell zu ermöglichen. Keine der beiden Verständnisvarianten ist jedoch sehr CCspezifisch. Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg verbinden Merkmale aus zwei Kategorien. Zunächst stellen sie bei den Motiven explizit die Verbindung zum Begriff der Bürgergesellschaft her. Es ist allerdings anzunehmen, dass sich hier ihr Verständnis je nach politischer Anleihe – ob bei CDU oder SPD – leicht unterscheidet. Dann spielen in beiden Ländern die persönlichen Berührungspunkte der jeweiligen Protagonisten als Treiber für das Thema CC eine große Rolle. Grundsätzlich sind jedoch Parallelen in solchen Aspekten weniger gewichtig als z.B. inhaltliche Übereinstimmungen. Derartige Kongruenzen lassen sich viel eher zwischen Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erkennen. Beide betonen als Motiv, einen Mentalitäts642
Hierin kann man einen Bezug zum Bild der Bürgergesellschaft sehen, wie es die KonradAdenauer-Stiftung zeichnet (vgl. Kap. I, 2.2.2), denn die Landesnetzwerke stehen für einen subsidiären Ansatz.
209
wandel herbeiführen zu wollen. Im Sinne der Neuen Steuerungsmodelle soll sich der Staat auf seine Kernkompetenzen zurückziehen, während Bürger und Unternehmen mehr Verantwortung erhalten. Dementsprechend erwarten sie von den Unternehmen, dass sie in Corporate Citizenship die Chancen und den Nutzen für sich selbst erkennen mögen. Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg treffen sich vor allem hinsichtlich ihres CC-Verständnisses. Auf der begrifflichen Ebene verwenden sie beide Corporate Citizenship als Sammelbegriff, der alle Engagementformen umfassen soll. (Allerdings betont Nordrhein-Westfalen zusätzlich besonders die strategische Komponente von CC.) Außerdem impliziert CC für beide, sich selbst als Corporate Citizen zu engagieren und eigene CVProgramme anzubieten. Hier hört die Gemeinsamkeit dann jedoch schon wieder auf, denn sie verfolgen unterschiedliche Ansätze: Während NordrheinWestfalen eintägige Projekttage (Day of Service) ins Auge fasst, avisiert Baden-Württemberg einwöchige Programme (Seitenwechsel). Zwar ist per se die erste Variante nicht schlechter zu bewerten als die zweite, aber ihre Umsetzung stellt qualitativ unterschiedliche Herausforderungen. Projekttage lassen sich dezentral z.B. von Bereichsverantwortlichen organisieren; einwöchige Seitenwechsel als Maßnahme zur Personalentwicklung hingegen müssen grundsätzlich in der Gesamtorganisation verankert werden. Auch hier zeigen sich also wieder Unterschiede im Detail. Insgesamt unterstreicht die Darstellung der Analogien in den Merkmalsausprägungen, dass die Ansätze der einzelnen Länder oft heterogen sind. Die Akteure scheinen sich kaum über die Landesgrenzen hinweg auszutauschen. Eine bewusste Orientierung an den Herangehensweisen der anderen Akteure konnte es bislang auch wegen der fehlenden Transparenz nicht geben. Vielleicht kann künftig hierfür die vorliegende Arbeit Anhaltspunkte und Impulse liefern.
210
Kapitel III:
Zusammenfassung und Ausblick
1 Zusammenfassung Die Auswertung hat drei grundsätzliche Befunde deutlich gemacht: 1. Es gibt kaum allgemeine Tendenzen im Umgang der Landesakteure mit Corporate Citizenship. 2. In einigen Aspekten gibt es zwar Parallelen zwischen Bundesländern, doch hat Land A mal mit Land B, mal mit Land C etwas gemein, sodass nur schwer Muster erkennbar sind. 3. Das Vorgehen der Länder zeichnet sich durch viele Alleinstellungsmerkmale aus. Diese Erkenntnisse implizieren zweierlei: Zum einen ist es zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich, Typologien zu bilden. Zum anderen erscheint es mindestens geboten, die Forschung auf alle Bundesländer auszuweiten, um Transparenz über alle Kategorien herzustellen. Auf beide Aspekte soll abschließend kurz eingegangen werden. 1.1 Problem der Typologienbildung Der Untersuchungsgegenstand "Corporate Citizenship und die Rolle der Landespolitik" stellte sich als sehr komplex heraus, da er sich durch viele Merkmale auszeichnet. Grundsätzlich kann jede der erarbeiteten Kategorien Ausgangspunkt sein, um Typen zu bilden, sodass eine Fülle von Möglichkeiten denkbar wäre.643 Sie alle darzustellen, ist jedoch weder leistbar noch inhaltlich sinnvoll. Ziel ist also nicht, zu einer abschließenden Typologie zu gelangen, sondern die verschiedenen Möglichkeiten hinsichtlich ihres Erkenntniswertes zu diskutieren. Da in den Interviews nicht explizit nach Zusammenhängen zwischen verschiedenen Aspekten gefragt wurde, bieten sich hier in erster Linie Ansätze 643
Wählt man eine eindimensionale Typologisierung böten sich zehn Varianten an, bei einer Kreuzklassifikation theoretisch hundert. Vor ähnlichen Herausforderungen steht man in etlichen Wissenschaftsbereichen. Beispielsweise schreibt Scott in den "Grundlagen zur Organisationstheorie" über sein Forschungsgebiet: "Die Organisationsforschung quillt über von Typologien. [...] Ein Grund für ihre Vielzahl liegt darin, dass Organisationen in aller Regel komplex sind und vielerlei Merkmale aufweisen, die jeweils als Basis ihrer Unterscheidung voneinander dienen können." Scott (1986), 56.
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für Typologien an, die sich auf ein einziges Kriterium stützen. Wie anhand der Parallelen deutlich wurde, ergeben sich dabei unterschiedliche Konstellationen, sodass jedes der Länder mal mit dem einen, mal mit dem anderen Land einen gemeinsamen Typ bildet. Insofern hat jede Einordnung nur unter bestimmten Prämissen Geltung und jede Typologie ist relativ. Derzeit erscheinen folgende Aspekte für eine Typenbildung – je nach weiterem Forschungsinteresse – am aussichtreichsten: • eine Unterscheidung nach den gewählten Maßnahmen (direkt vs. indirekt) • eine Unterscheidung nach dem Selbstverständnis (CC-Initiator vs. CCVorbild) • eine Unterscheidung nach dem Grad der Instrumentalisierung (Ziele für CC vs. Ziele durch CC) • eine Unterscheidung nach Entwicklungsstadien.644 All diesen Vorschlägen zur Typenbildung ist gemein, dass der Ländervergleich hier relativ deutliche Befunde gebracht hat (s. Kapitel II, 2.3.3.2) und sich jedes untersuchte Bundesland dem ein oder anderen Muster zuordnen lässt. Unter theoretischen Gesichtspunkten spielen daneben jeweils spezifische Argumente eine Rolle, die im Einzelnen zu untersuchen wären. Eine Typologie, die nach direkten/indirekten Maßnahmen differenziert, erscheint sinnvoll, da sie Aufschluss über das Steuerungsverständnis der Befragten gibt. Die Wahl der Instrumente lässt Rückschlüsse auf die Ziele und Adressaten der CC-Ansätze in den Ländern zu. Die Länder nach ihrem Selbstverständnis zu klassifizieren, ist dann zweckmäßig, wenn man innerhalb des weichen Steuerungsansatzes, den alle Länder teilen, qualitative Unterschiede darstellen will.
644
Es sei nur am Rande erwähnt, warum die anderen Kategorien als Ausgangspunkte für Typologien hier nicht näher betrachtet werden: (1) Begriff: Schon in der wissenschaftlichen Diskussion gelingt kaum eine klare Abgrenzung; außerdem sahen etliche der politischen Akteure in einer Differenzierung keinen Mehrwert; (2) Motive: Hier spielen in allen Fällen sowohl normative als auch wirtschaftliche Argumente eine Rolle, sodass hier keine klare Typenbildung möglich scheint; (3) Erwartungen: Die Befragten nannten zu wenige Erwartungen, um hier eine aussagekräftige Differenzierung vorzuschlagen; (4) Adressaten: Die Unterscheidung nach Adressaten ist implizit in der Typologie der Maßnahmen enthalten; (5) Mittel: Die Frage der Ressourcen allein ist inhaltlich nicht Ausschlag gebend; darüber hinaus sind hier kaum Unterschiede zwischen den Ländern zu erkennen; (6) Begünstigende und hemmende Faktoren: Eine Unterscheidung nach den Einflussfaktoren wäre eher unter dem Aspekt aufschlussreich, wie die Länder jeweils mit den Einflüssen umgehen, und nicht danach, welche Faktoren sie wahrnehmen.
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Die Unterscheidung nach dem Grad der Instrumentalisierung macht auf eine grundlegende Frage aufmerksam: Betrachten die politischen Akteure Corporate Citizenship als Politikfeld oder als Politikinstrument? Sehen sie es als Ressort- oder Querschnittsaufgabe? Im Umkehrschluss bedeutet das: Sollte sich ein Land in einer solchen Typologie nicht eindeutig zuordnen lassen, kann angenommen werden, dass die Grundlagen der CC-Politik noch unklar sind. Der letzte Vorschlag, Typen entlang von Entwicklungsphasen zu bilden, ist zwar eine klassische Variante. Sie kann jedoch Mehrwert bringen in der Frage, wie sich das Handeln der politischen Akteure bzgl. Corporate Citizenship ändert. Dies wäre wichtig für alle potenziellen Adressaten, für Unternehmen z.B. ist es entscheidend, ob und unter welchen Voraussetzungen sie mit einem stärker Regel setzenden Eingreifen der Politik rechnen müssten. Um jedoch in einer der vorgeschlagenen Typologien gehaltvolle Aussagen treffen zu können, müsste man die Datenbasis erweitern. Eine Untersuchung der übrigen Bundesländer wäre in dieser Hinsicht sicher sinnvoll. In einem weiteren Schritt könnte die Analyse dazu führen, zu sehen, welche erweiterten Typologien durch eine Kreuzklassifikation mehrerer Dimensionen möglich wären. Hypothesen zu solchen Zusammenhängen wären auf Basis der vorliegenden Datenmenge äußerst spekulativ – zumal Wechselbeziehungen nicht explizit abgefragt wurden. Um dennoch zu illustrieren, zu welchem Ergebnis Kreuzklassifikationen führen könnten, sei daher nur ein Beispiel genannt: Die Befunde aus den Interviews deuteten einen Zusammenhang zwischen den Schwerpunktsetzungen bei den CC-Maßnahmen und dem Selbstverständnis der Akteure an. Länder, die Unternehmen ansprechen wollen, sind eher bereit, selbst als Corporate Citizen aktiv zu werden. Dies zeigt sich deutlich in Nordrhein-Westfalen und gilt annähernd auch für BadenWürttemberg. Bayern setzt auf einen indirekten Zugang und sieht sich in dieser Hinsicht als Initiator, wenn auch weniger stark als Rheinland-Pfalz. Abbildung 35 stellt diese Verknüpfung schematisch dar, allerdings soll noch einmal betont werden, dass es sich nur um eine vorläufige Einordnung handelt.
213
Direkt
Typ B
Typ A
NRW Maßnahmen RLP
BW
BY
Typ D
Typ C indirekt CC-Initiator
CC-Vorbild Selbstverständnis
Abb. 35: Typologie – Beispiel
Wie bereits zu Beginn des Abschnitts angedeutet, verzichtet die vorliegende Arbeit angesichts der Fülle an Merkmalen auf eine abschließende typologische Einordnung der vier untersuchten Bundesländer. Die erarbeiteten Kategorien können jedoch als Ausgangspunkt von Typologien die Grundlage für künftige Forschungsarbeiten liefern. Denn eine gute Typologie "ist nicht der Endpunkt einer Analyse, sondern ihr Ausgangspunkt, ihre Qualität bemisst sich an der Klarheit und der Relevanz ihrer Prognosen."645 Sie ist sozusagen "vorausschauend"646. Die vorgestellten Möglichkeiten zur Typologienbildung können also als Impuls für weitere Forschungsfragen verstanden werden. 1.2 Weiterführende Forschungsfragen Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die untersuchten Länder beim Thema Corporate Citizenship zwar aktiv sind, aber fraglich bleibt, inwiefern diese Aktivitäten zur Weiterentwicklung von Corporate Citizenship beitragen. Effektivität (Tun die Länder das Richtige? – Ziele) und Effizienz (Tun sie, was sie tun, auf die richtige Art und Weise? – Mittel) können hier nicht beurteilt werden. Dazu müsste weiterführende Forschung in verschiedener Hinsicht ihren Beitrag leisten: 1. müsste die Datengrundlage erweitert werden, indem untersucht würde, wie die Beschäftigung mit Corporate Citizenship in den anderen Bundesländern 645
Scott (1986), 75
214
aussähe, würde man sie mit Hilfe der zehn erarbeiteten Kategorien analysieren. 2. stellt sich die Frage, wie der (Steuerungs-)Erfolg des jeweiligen CCAnsatzes der Landesakteure messbar gemacht werden könnte. Es ginge u. a. darum, Kriterien zu entwickeln, um die Eignung verschiedener Politik-Ansätze zu bewerten. 3. wäre eine normative Studie sinnvoll, die untersucht, ob es im Sinne unseres föderalen Staatsaufbaus ist, dass es konkurrierende Ansätze der Länder zu Corporate Citizenship gibt, bzw. die darstellt, unter welchen Gesichtspunkten Kohärenz zwischen den Landespolitiken wünschenswert wäre. 4. erscheint es an der Zeit zu untersuchen, welche gesellschaftliche Wirkung Corporate Citizenship hat. Hat CC beispielsweise Einfluss auf die Regelungsstruktur, d.h. das Verhältnis von Selbstregelung und staatlicher Steuerung, in bestimmten Politikbereichen? 5. wäre eine demokratietheoretische Klärung nötig, welche CC-Aktivitäten der Selbstverpflichtung überlassen werden könnten (also freiwillig sind), welche vorgeschrieben werden sollten und welche kooperativ zwischen Staat und Wirtschaft zu leisten wären.647 6. fehlt bislang eine systematische Untersuchung der Frage, inwiefern Soziale Marktwirtschaft und Corporate Citizenship überhaupt kompatibel sind und
646
ebd. "The challenge for both business and government will be to distinguish properly between: those activities that can remain voluntary (instrumental), those that need to be taken into the regulatory regime (normative) and those that require business and government to work together (systemic)," Andrew Wilson, Director, Ashridge Centre for Business and Society in seinem Vortrag auf der EU-Konferenz "Mainstreaming CSR across Europe", 21.-22. November 2002, Helsingoer, Dänemark. Moon unterscheidet unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten vier zentrale Aspekte: 1. The compatibility of business interests and good governance, 2. Equality of provision, 3. Dependability of provision, 4. Accountability. Vgl. Moon (2002), 401. Kritisch gesehen, könnte sich die Politik also zum Erfüllungsgehilfen für Unternehmen machen, wenn sie deren CC-Aktivitäten, die den Unternehmen ja wirtschaftlichen Nutzen bringen sollen, unterstützt (1). Außerdem ist nicht gewährleistet, dass sich überall und in allen Bereichen Unternehmen gleichermaßen engagieren, sodass nicht alle Bürger gleichermaßen von CC profitieren könnten (2). Ähnlich wäre der Fall, wenn sich Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen aus ihrem Engagement zurückziehen bzw. Unterstützung in einer anderen Form leisten als von der Politik gewünscht (3). Schließlich müssen sich Unternehmen nicht in einer demokratischen Wahl verantworten (4). Nach Trute könnte unter Gemeinwohlgesichtspunkten ein Problem dadurch entstehen, dass Normformulierung und -implementation durch einen nicht per se normativ dem Gemeinwohl verpflichteten Akteur vorgenommen wird. Vgl. Trute (1999)
647
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welche Implikationen sich aus der Reform der Sozialsysteme für CC evtl. ergeben.648 Daneben bleibt die Frage spannend, wie sich Corporate Citizenship in den vier untersuchten Ländern weiter entwickeln wird. Wird es sich dauerhaft als Thema auf der politischen Agenda etablieren können, auch unabhängig von den heute treibenden Akteuren? Hier sind dann Zweifel angebracht, wenn noch nicht objektiv von einem Steuerungsbedarf zu Corporate Citizenship gesprochen werden kann. Dazu müsste das Thema zunächst weiter Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gewinnen; denn erst wenn CC Ausschlag gebend wird für Loyalitätszuwachs oder -abbau, entsteht allgemeiner politischer Handlungsdruck.649 Zu verfolgen wäre auch die Entwicklung zu weiteren Aspekten: • Wie gedeihen die konzeptionellen Grundlagen? Wird es beispielsweise Kriterien geben, nach denen die Landesakteure beurteilen, wann ein Unternehmen die Bezeichnung Corporate Citizen verdient? Wird sich ein Konsens zum Begriffsverständnis zwischen den Ländern herausbilden? • Was folgt an weiteren CC-Maßnahmen? Wird es direkte Kooperationen mit Unternehmen oder gar trisektorale Partnerschaften geben? Wie werden sich Kammern, Verbände oder Wohlfahrtsorganisationen auf Landesebene zu dem Thema positionieren? • Was bewirken u. U. wechselnde politische Mehrheitsverhältnisse in den Ländern bzw. auch auf Bundesebene? • Wie beeinflussen externe Faktoren wie die fortschreitende Finanzmisere mancher Länder und Kommunen Corporate Citizenship? Was wird aus der Beteuerung der politischen Akteure, sie wollten Unternehmen nicht zum Ausfallbürgen machen? Bei der Beantwortung einiger dieser Fragen, die sich aus den Befunden der vorliegenden Arbeit ergeben, wird auch eine Rolle spielen, welche Fortschritte gemacht werden hinsichtlich des Business Case. Ohne den betriebs-
648
Nach Habisch/ Schmidpeter arbeitet die Soziale Marktwirtschaft als Gesellschaftsmodell mit einem anspruchsvollen Menschenbild und Bürgerverständnis, das sich beispielsweise im Subsidiaritätsprinzip der Sozialversicherung, in den Selbstverwaltungsinstitutionen der Wirtschaft oder kommunalen Selbstverwaltung äußere. Sie sei daher sehr gut mit CC vereinbar, denn CC setze auf die ordnungspolitische Mitverantwortung der Unternehmen. Vg. Habisch/ Schmidpeter (2003b), 10. 649 Zum klassischen Weg zum Steuerungsbedarf vgl. Görlitz/ Burth (1998), 27
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wirtschaftlichen Beweis der Rentabilität von Corporate Citizenchip muss sich die Debatte auf normative Fragen beschränken.
2 Ausblick: Herausforderungen für die Politikwissenschaft Abgesehen von den skizzierten Fragen könnte es für die Politikwissenschaft sowohl als Forschung als auch als Beratung reizvoll sein, sich in Zukunft intensiver mit Corporate Citizenship auseinander zu setzen. In der Forschung zu CC finden sich zurzeit nur wenige politikwissenschaftliche Arbeiten, obwohl Corporate Citizenship genuin politikwissenschaftliche Fragen berührt: Es geht um die Aufgaben- und Verantwortungsteilung zwischen den gesellschaftlichen Akteuren, um neue Lösungsmodelle für soziale Probleme, um wirtschaftspolitische Weichenstellungen. Nicht zuletzt ist "Citizenship" oder "Bürgerschaft" ein politischer Begriff. Die Politikwissenschaft könnte hier viel zur Klärung beitragen, ob durch Corporate Citizenship Unternehmen nun tatsächlich zu Ausfallbürgen der Politik gemacht werden. Bislang stehen bei dieser Frage lediglich die Beteuerungen der Politik, die Ängste der Wirtschaft und vielleicht auch die Ratlosigkeit mancher Bürger einander gegenüber. Außerdem analysiert die politikwissenschaftliche Forschung nicht nur Inhalte, Prozesse und Strukturen, sondern sie könnte zu Corporate Citizenship auch Urteile und Handlungsanweisungen erarbeiten, "die denen überlegen sind, die schon aus der vom Common Sense getragenen politischen Praxis heraus formuliert werden können."650 Dies wäre die Verbindung zur Politikwissenschaft als Beratung. Sie hat vor allem die Aufgabe, politischen Entscheidungsträgern Wissen zur Verfügung zu stellen. Bislang ist ihr Beitrag in dieser Hinsicht jedoch relativ gering. Stattdessen wird das Feld denjenigen überlassen, die eher normativ-deklaratorisch formulieren, was Politiker bei Corporate Citizenship tun sollten. Die Befunde der Arbeit offenbaren allerdings einen grundlegenden Informationsbedarf bei den für CC zuständigen Akteuren: Sie wissen kaum, was von wem auf politischer Ebene unternommen wird und haben keinerlei Anhaltspunkte für die gesellschaftlichen Effekte von CC. Ohne diese Transparenz ist es aber schwer, sich für Corporate Citizenship einzusetzen und zu entscheiden, in
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welcher Weise dies angemessen wäre. Auch für die potenziellen Adressaten staatlicher CC-Politik – in erster Linie die Unternehmen – könnte die Politikwissenschaft durch ihre Arbeit Erwartungssicherheit schaffen.
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Patzelt (1992), 188
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Anhang A. Interviewleitfaden Das Interview möchte das Thema "Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen und die Rolle der Politik" in drei großen Frageblöcken erschließen: 1. Wie definiert sich die Politik als Akteur bzw. wie agiert sie? 2. Wie ist die Erfahrung der Politik im Umgang mit anderen Beteiligten? 3. Welche Themen spielen für die Politik in diesem Bereich eine Rolle?
Kontextdaten (z. T. vor dem Gespräch schon recherchiert und zur Ergänzung bzw. Bestätigung abgefragt) Funktion: Verwaltungseinheit: Aufgaben:
Einstieg • • •
Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit dem sozialen Engagement von Unternehmen zu befassen? (Was? Wie? Wann? Warum?) Welche Bedeutung hat das Thema "soziales Engagement von Unternehmen" für ihre Arbeit? Mit welchen konkreten Fragen und Projekten befassen Sie sich zurzeit?
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Politik als Akteur •
•
• •
Die Enquete-Kommission fordert in ihrem Abschlussbericht, dass die Länder genauso wie der Bund und die Kommunen eine moderierende Funktion übernehmen sollten. Wie sehen Sie das? Warum? oder: Wie könnte das in der Praxis aussehen? Welche anderen Instrumente/Maßnahmen sehen Sie, die die Politik ergreifen sollte, um das soziale Engagement von Unternehmen zu fördern? Steuerpolitische Instrumente? (z.B. Vorteile für Unternehmen, die bürgerschaftliches Engagement ihrer Mitarbeiter fördern) Nach welchen Kriterien wählen Sie Maßnahmen/Instrumente aus? (Kosten? Politische Durchsetzbarkeit? ...) Haben Sie Vorbilder zur CC-Politik in Europa? Wenn ja welche? Warum?
Andere Akteure • • • •
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•
Was erwarten Sie generell von Unternehmen? (Mehr Engagement? Andere Formen von Engagement? Engagement in anderen Bereichen?) Was sind Ihre Erfahrungen mit Unternehmen in diesem Thema? Was glauben Sie, erwarten die Unternehmen von Ihnen/ von der Politik? Wir haben bis jetzt nur von Unternehmen gesprochen. Haben Sie Erfahrung damit, wie die Arbeitnehmer und ihre Vertreter, die Gewerkschaften, zum sozialen Engagement von Unternehmen stehen? (Welche?) Was erwarten Ihrer Erfahrung/Meinung nach soziale Einrichtungen/ Wohlfahrtsverbände von Ihnen, wenn es um das soziale Engagement von Unternehmen geht? Welche Rolle spielen sie? Welche Erwartungen haben Sie an soziale Einrichtungen in dieser Hinsicht?
Themen •
•
Was sind für Sie die wichtigsten Themen, wenn es um die Fragen nach dem sozialen Engagement von Unternehmen geht? – Aus welchem Grund? Welche Ziele verfolgen Sie für die genannten Themen?
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• •
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Sehen Sie je nach Thema unterschiedliche Instrumente, um diese Ziele zu erreichen? Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass die politischen Institutionen es versäumt hätten, Corporate Citizenship zu einem politischen Thema zu machen? Wie wird sich das soziale Engagement von Unternehmen Ihrer Meinung nach in den nächsten zwei Jahren in Ihrem Bundesland entwickeln? – Welche Rolle wird es in der politischen Arbeit einnehmen? – Welche Aspekte werden besonders relevant für die politischen Akteure? Was erwarten Sie für die anderen Bundesländer/auf Bundesebene? Wie stehen Sie zu dem Vorschlag der Enquete-Kommission, eine professionelle Fach- und Vermittlungsorganisation für soziales Engagement von Unternehmen in Form einer Koordinierungsstelle auf Bundesebene einzurichten? Auch die EU beschäftigt sich mit dem sozialen Engagement von Unternehmen. – Welche Rolle spielt für Sie die EU-Politik in der Frage nach sozialem Engagement von Unternehmen? – Welche Entwicklungen erwarten Sie in der EU-Politik hinsichtlich des sozialen Engagements von Unternehmen? Welche Entwicklungen erwarten Sie auf EU-Ebene?
Ausstieg •
• •
Was halten Sie davon, wenn die Verwaltung als Arbeitgeber ähnlich aktiv werden würde wie Unternehmen, z.B. Mitarbeiter für soziales Engagement freistellen? Wo verwenden Sie auch die Begriffe Corporate Citizenship oder Corporate Social Responsibility? Was ist für Sie der Unterschied zwischen den beiden Begriffen?
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B. Mindmaps
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