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German Pages 280 [274] Year 2008
Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen
Günther Schuh · Wolfgang Stölzle · Frank Straube Hrsg.
Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen Ein Leitfaden für die Praxis
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Prof. Dr.-Ing. Dipl. Wirt.-Ing. Günther Schuh Werkzeugmaschinenlabor (WZL) RWTH Aachen Steinbachstraße 19 52074 Aachen Deutschland [email protected] www.wzl.rwth-aachen.de
Prof. Dr. rer. pol. Wolfgang Stölzle Lehrstuhl für Logistikmanagement Universität St. Gallen Dufourstraße 40a 9000 St. Gallen Schweiz [email protected] www.logistik.unisg.ch
Prof. Dr.-Ing. Frank Straube Bereich Logistik TU Berlin Straße des 17. Juni 135 10623 Berlin Deutschland [email protected] www.logistik.tu-berlin.de
ISBN 978-3-540-78406-7
e-ISBN 978-3-540-78407-4
DOI 10.1007/978-3-540-78407-4 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg „Die Strategie der integrierten Wertschöpfungskette zur Anlaufsteuerung bei der Vorserienlogistik der AUDI AG“ hat abweichend hiervon © AUDI AG 2008 mit freundlicher Genehmigung an SpringerVerlag. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Einbandgestaltung: deblik, Berlin Satz und Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Gedruckt auf säurefreiem Papier. 987654321 springer.com
Geleitwort
Die Automobilindustrie ist mit etwa fünf Millionen Direkt- und Indirektbeschäftigten einer der größten Arbeitgeber und einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland. Die Globalisierung und Internationalisierung des Wettbewerbs sowie die hohe Exportabhängigkeit der deutschen Automobilindustrie von nahezu 70% haben Markt- und Produktstrategien verändert. Die deutsche Automobilindustrie versucht sich mithilfe einer Strategie der Innovations- und Qualitätsführerschaft unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Kosteneffizienz vom ausländischen Wettbewerb zu differenzieren. Gerade die Innovationsfähigkeit ist dabei die Schlüsselkomponente, um dauerhaft qualitatives und quantitatives Wachstum zu erzielen sowie Beschäftigung zu sichern. Die deutsche Automobilindustrie entwickelt sich zum Kern des deutschen Wirtschaftsgeflechts und übt damit eine Strahlwirkung auf andere Industrien aus. Die Folgen des Wettbewerbs äußern sich in einer deutlich ansteigenden Modellund Variantenvielfalt bei parallel sinkenden Modellzyklen. Vor diesem Hintergrund gewinnt vor allem der Serienanlauf an Bedeutung, da nicht nur infolge vermehrter Markteinführungen von Produkten zwangs-läufig die Anzahl der Serienanläufe ansteigt, sondern diese auch in immer kürzeren Zeiten zu bewältigen sind. Allerdings gelingt es gegenwärtig nicht allen Unternehmen, ihre Serienanläufe – den Vorgaben und Zielen in den Dimensionen Effizienz, Termin und Zuverlässigkeit entsprechend – erfolgreich zu bewerkstelligen. Genau hier setzt dieses Buch mit den dargestellten Forschungsergebnissen und Unternehmenserfahrungen an. Diese sollen für die wesentlichen Aspekte des Anlaufmanagements sensibilisieren und anhand von an-schaulichen Fallstudien die wichtigsten Bestandteile thematisieren. Die skizzierten Instrumente und Praxiserfahrungen dienen den Lesern als Anregung und Hilfestellung zur Verbesserung des eigenen Serienanlaufmanagements, um die Lücke zu den erfolgreichen Unternehmen zu schließen sowie nachhaltige Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten zu erzielen. Das vorliegende Werk liefert damit einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung von Produkt- und Prozessinnovationen und hilft somit deutsche Ingenieurleistungen kosteneffizient und kundenorientiert am Markt zu platzieren.
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Geleitwort
Der Verein Deutscher Ingenieure e.V. wünscht diesem Buch eine positive Resonanz und den Lesern eine erkenntnisreiche Lektüre. Verein Deutscher Ingenieure e.V. Dr.-Ing. Willi Fuchs Direktor und geschäftsführendes Mitglied des Präsidiums des VDI Düsseldorf, im Juni 2008
Vorwort
Die Automobilindustrie erlebte in den vergangenen zehn Jahren eine bis dato unbekannte Dynamik in der Gestaltung ihrer Modellpalette: Der Wettbewerb um Marktanteile und attraktive Nischenmärkte zwingt Automobilhersteller und Zulieferer gleichermaßen, Modelllebenszyklen zu verkürzen und stärker als je zuvor die Modellpalette mit neuen Fahrzeugvarianten zu erweitern. Serienanläufe sind daher nicht nur häufiger, sondern auch in immer kürzer werdenden Zeitabständen zu bewältigen. Diesen Trend haben drei Forschungsinstitute – das Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der Rheinisch-Westfälischen Hochschule Aachen, der Lehrstuhl für Logistikmanagement der Universität St. Gallen und der Bereich Logistik der Technischen Universität Berlin – frühzeitig erkannt und sich dem Thema wissenschaftlich angenommen. Mit dem Benchmarking-Projekt „Anlaufmanagement für Automobilzulieferer“ wurde die Basis zur Erarbeitung eines integrierten Anlaufmanagementmodells gelegt, mit der die verschiedenen Gestaltungsbereiche von Serienanläufen ganzheitlich aufbereitet werden konnten. Auf Grundlage der in diesem Rahmen gewonnenen Erkenntnisse konnten zwei Industriearbeitskreise „Anlaufmanagement erfolgreich umsetzen“ durchgeführt werden. Mit Vertretern aus insgesamt über 20 Firmen der Automobilzulieferindustrie wurden über einen Zeitraum von jeweils einem knappen Jahr die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten diskutiert und umsetzungsorientierte Lösungen für die jeweiligen Unternehmen erarbeitet. In diesem Rahmen entstand – unter anderem initiiert durch den Wunsch der Unternehmensvertreter nach einem kompakten Nachschlagewerk zum Thema Anlaufmanagement – die Idee, die Erkenntnisse aus den Projekten in ein kompaktes und aussagekräftiges Werk einfließen zu lassen, welches sowohl Wissenschaftlern einen Überblick über den aktuellen Stand des Anlaufmanagements bietet, als auch Praktikern durch das Aufzeigen der vielfältigen Interdependenzen im Produktentstehungsprozess einen Leitfaden für Anlaufprojekte im Arbeitsalltag an die Hand gibt. Der Dank der Herausgeber gilt an erster Stelle den Praxisautoren, die durch ihre Beiträge dem vorliegenden Band die Praxisorientierung geben, die für ein umfassendes Buch im Bereich Anlaufmanagement unerlässlich ist. Wir danken den Mitarbeitern unserer Institute, die in mühevoller und intensiver Arbeit das Thema An-
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Geleitwort
laufmanagement über mehrere Jahre Schritt für Schritt aufbereitet haben. Insbesondere danken wir den Herren Stefan A. Doch, Bastian Franzkoch, Dr.-Ing. Sebastian Gottschalk, Axel Hoeschen, Dr. oec. Joerg S. Hofstetter, Phillip Kirst, Dr.-Ing. Axel Mayer, Nils Peters und Florian Rösch, ohne deren Mithilfe die Erstellung dieses Buchs nicht möglich gewesen wäre. Auch den Praktikern, die durch die Beteiligung an dem Benchmarking-Projekt und an den Industriearbeitskreisen immer wieder für neue Impulse gesorgt haben, sprechen wir unseren Dank aus. Zu guter Letzt sind wir den Mitarbeitern des Springer-Verlags, Herrn Thomas Lehnert und Frau Ulrike Butz, zu Dank verpflichtet, ohne deren geduldige Beratung dieses Buch nicht in der vorliegenden Form hätte realisiert werden können. Wir wünschen dem vorliegenden Buch „Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen“, dass es eine angemessene Verbreitung in der Unternehmenspraxis ebenso wie in der Wissenschaft findet, und freuen uns auf Rückmeldungen sowie eine weitere Diskussion des Themas. Im Juni 2008 Aachen St. Gallen Berlin
Günther Schuh Wolfgang Stölzle Frank Straube
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen des Anlaufmanagements: Entwicklungen und Trends, Definitionen und Begriffe, Integriertes Anlaufmanagementmodell Günther Schuh, Wolfgang Stölzle, Frank Straube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I Anlaufstrategie Konzepte und Erfolgsfaktoren für Anlaufstrategien in Netzwerken der Automobilindustrie Nils Peters, Joerg S. Hofstetter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Strategie der Integrierten Wertschöpfungskette zur Anlaufsteuerung bei der Vorserienlogistik der AUDI AG Ralf Beetz, Alexander Grimm, Timo Eickmeyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Verbesserung der Anlaufperformance durch den Einsatz von Frontloading-Maßnahmen Stephan Beer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II Anlauforganisation Anlauforganisation Bastian Franzkoch, Sebastian Gottschalk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Moderne Projektsteuerung in einer mehrdimensionalen Matrixorganisation Edwin Tom, Stephan Uske, Karl Lindenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Anlaufmanagement in der Nutzfahrzeugindustrie am Beispiel Daimler Trucks Frank H. Lehmann, Andreas Grzegorski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
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Inhaltsverzeichnis
III Lieferantenmanagement Lieferantenintegration im Produktentstehungsprozess Phillip Kirst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Fahrzeuganlaufmanagement bei Volkswagen am Beispiel des VW Tiguan Bernd Martens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Lieferantenmanagement in der Anlaufphase eines 0.5-Tiers Michael Druml, Jörg Blechinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Lieferantenmanagement im Serienanlauf am Beispiel des Plattformprojekts CP4 der Robert Bosch GmbH Peter Rumpf, Werner Wölfler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 IV Logistikmanagement Logistikmanagement im Anlauf Stefan A. Doch, Florian Rösch, Axel Mayer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Strategische Netzwerkplanung als notwendiger Beitrag zur Lieferantenauswahl: Supply Chain Design im Produktentstehungsprozess Christian Nieters, Stefan Wolff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Taktische Logistikplanung vor Start-of-Production (SOP) – Aufgabenumfang und softwarebasierte Unterstützung im Rahmen der Virtuellen Logistik bei der AUDI AG Dr. Markus Schneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 V Produktionsmanagement Produktionsmanagement im Anlauf Sebastian Gottschalk, Axel Hoeschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Gestaltung von Serienanläufen im globalen Entwicklungsund Produktionsverbund Markus Bergholz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Schnell und einfach Hochfahren Achim Kampker, Gregor Tücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 VI Änderungsmanagement Grundlagen des Änderungsmanagements im Anlauf Florian Rösch, Axel Mayer, Stefan A. Doch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
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Änderungsmanagement im Anlauf am Beispiel des Mercedes-Benz-Werks Bremen Frederik König, Joachim Betker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Änderungsmanagement bei einem Systemlieferanten – Der Globale Technische Änderungsdienst der Behr GmbH & Co. KG Michael Behn, Achim Trojan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 VII Kostenmanagement Kostenmanagement im Anlauf – Aufgaben und Instrumente Klaus Möller, Martin Stirzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
Zusammenfassung und Ausblick Günther Schuh, Wolfgang Stölzle, Frank Straube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
Grundlagen des Anlaufmanagements: Entwicklungen und Trends, Definitionen und Begriffe, Integriertes Anlaufmanagementmodell Günther Schuh, Wolfgang Stölzle, Frank Straube RWTH Aachen; Universität St. Gallen; Technische Universität Berlin
Entwicklungen und Trends in der Automobilindustrie Die (west-)europäische und nordamerikanische Automobilindustrie wird nach Jahren des Wachstums mit stagnierenden oder sogar schrumpfenden Absatzmärkten sowie einem fortschreitenden Strukturwandel konfrontiert. Durch den damit einhergehenden, harten Wettbewerb um Marktanteile befinden sich die Unternehmen in einem Innovationswettlauf, der sich in einer deutlich ansteigenden Modell- und Variantenvielfalt sowie in sinkenden Modellzyklen und Entwicklungszeiten widerspiegelt (Schuh et al. 2002). Diese Entwicklungen betreffen nicht nur die Automobilhersteller, sondern aufgrund ihres hohen Wertschöpfungsanteils auch die Automobilzulieferer. Um den steigenden Anforderungen der Kunden gerecht werden zu können, bedarf es vermehrter Innovationsanstrengungen, insbesondere Markteinführungen von neuen Produkten in höherer Frequenz. In diesem Zusammenhang steigt zwangsläufig auch die Anzahl von Serienanläufen. Gleichzeitig entscheidet ein um nur wenige Monate verschobener Verkaufsstart über Erfolg oder Misserfolg eines Produktes. Maßgeblich für den Erfolg ist somit, das Management des Serienanlaufs vor dem Hintergrund von Time-to-Market und Time-to-Volume sowie von Kosten, Qualität und Produktkomplexität zu beherrschen (Straube 2004). Zwischen dem Wunsch und der Wirklichkeit klafft jedoch eine große Lücke: Einer internationalen Studie zufolge verfehlten im Jahr 2004 60% der Serienanläufe in der europäischen Automobilindustrie ihre technischen und/oder wirtschaftlichen Ziele. Lediglich 40% aller untersuchten Serienanläufe waren sowohl wirtschaftlich als auch technisch erfolgreich (Fitzek u. Straube 2004).
Begriffliche Einordnung und Phasen des Serienanlaufs Der Serienanlauf beschreibt den Zeitraum zwischen abgeschlossener Produktentwicklung und der vollen Kapazitätserreichung. Er lässt sich als die Phase charakteG. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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risieren, in der ein vormals im Designstadium befindlicher Prototyp in die Serienproduktion überführt wird (Wiesinger u. Housein 2002). Offenbar existiert bislang keine eindeutige Begriffsdefinition des Serienanlaufs: Zum Teil werden Vor- und Nullserien als Serienanlauf bezeichnet, zum Teil wird nicht zwischen Produktionsanlauf und Produktionshochlauf getrennt. Dennoch unterteilen die meisten Unternehmen den Serienanlauf in drei Hauptphasen (siehe Abb. 1: Gentner 1994; Wangenheim 1998). In der Vorserie werden Prototypen in großer Stückzahl unter seriennahen Bedingungen hergestellt. In der Automobilindustrie findet diese Phase zum Teil auf separaten Pilotlinien (Fertigungsbänder für Test- und Präsentationszwecke), zum Teil auf der späteren Fertigungsstraße statt. Charakteristisch ist, dass noch nicht alle Teile mit Serienwerkzeugen produziert werden. Die Vorserie wird insbesondere zur Problemfrüherkennung, zur Prozessverbesserung und zur Mitarbeiterqualifikation genutzt (Baumgarten u. Risse 2001; Clark u. Fujimoto 1991; Gentner 1994; Wangenheim 1998). An die Phase der Vorserie schließt sich die seriennahe Produktion der Nullserie an. Diese Phase kann in separaten Pilotwerken, auf Pilotlinien oder auf Serienproduktionslinien stattfinden. Die verwendeten Teile entstammen zu 100% den späteren Serienwerkzeugen, die Zulieferer fertigen bereits unter Serienbedingungen (Wangenheim 1998; Baumgarten u. Risse 2001). Aufgrund des erheblichen Aufwands der beiden Serien werden in der Automobilindustrie oftmals die Phasen der Vor- und der Nullserie zu einer Pilotserienproduktion zusammengefasst. Nach der Vor- und Nullserie bzw. nach der Freigabe für die Serie beginnt mit dem Start of Production (SOP) der Produktionshochlauf mit dem ersten kundenfähigen Produkt. Für diesen Zeitpunkt wird in der Automobilindustrie auch der Begriff „Job Nr. 1“ verwendet. Die Beschleunigung der Produktion spiegelt sich in der sogenannten Anlaufkurve wider. Das Ende des Hochlaufs und somit des Serienanlaufs ist erreicht, wenn eine stabile Produktion oder ein eingeschwungener Zustand vorliegt und die Planstückzahl bzw. -kapazität, die der geplanten Tagesproduktion unter Serienbedingungen entspricht, gefertigt wird (Wangenheim 1998; Baumgarten u. Risse 2001).
Abb. 1 Phasen des Serienanlaufs
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In der Vergangenheit sind im Speziellen die Phasen der Produktentwicklung und Serienproduktion kontinuierlich optimiert worden. Die Mehrzahl der Verbesserungsaktivitäten wurde allerdings phasenspezifisch und separat initiiert, sodass insbesondere der Serienanlauf als Verbindungselement der beiden Phasen von den Optimierungsmaßnahmen weitestgehend unberücksichtigt blieb. Gerade in dieser Phase existieren jedoch zahlreiche Handlungsfelder und Stellhebel, um sowohl der steigenden Komplexität zu begegnen als auch wesentliche Verbesserungs- und Einsparpotenziale zu erschließen. Die Komplexität resultiert vornehmlich aus der Vielzahl interdependenter Gestaltungsobjekte (bspw. Technologien, Produkt, Prozesse, Produktionssystem, Personal, Logistikkette) und Funktionalbereiche (insbesondere Produktentwicklung, Produktion, Logistik, Einkauf), die während eines Serienanlaufs sowohl auf Automobilhersteller- als auch auf Lieferantenseite erstmals vernetzt ineinandergreifen müssen und sich dabei signifikant beeinflussen. Zu diesem Zeitpunkt ist das Gesamtsystem weder leistungsfähig noch besitzt es einen angemessenen Reifegrad. Außerdem ist in dieser Phase ausgesprochen qualifiziertes Personal erforderlich, in der dafür notwendigen Anzahl aber selten frühzeitig verfügbar. Zur Bewältigung dieses Dilemmas werden oft weitere personelle Ressourcen in die Serienanlaufaktivitäten involviert, wodurch die Anzahl an Schnittstellen und demzufolge auch an Reibungsverlusten zunimmt sowie hohe zusätzliche Kosten durch ganzheitliche Fehlerbehebung (Trouble Shooting) entstehen. Anstelle eines beherrschten Serienanlaufs führt die reaktive Fehlerbekämpfung zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten (Schuh et al. 2005). Die Beherrschung dieser kritischen Phase setzt ein ganzheitliches und kontinuierliches Anlaufmanagement voraus. Hierfür müssen sämtliche Aktivitäten zur Planung, Steuerung und Durchführung sowie zur Kontrolle des Serienanlaufs unter Einbeziehung der vor- und nachgelagerten Prozesse gebündelt werden (Kuhn et al. 2002).
Integriertes Anlaufmanagementmodell Das integrierte Anlaufmanagementmodell hat sich in Wissenschaft und Praxis als wertvolle Strukturierungshilfe bewährt und ist in den vergangenen drei Jahren durch die drei Hochschulinstitute mit der Automobilindustrie kontinuierlich weiterentwickelt worden. Dieses Anlaufmanagementmodell besteht aus drei Komponenten: • Akteure im Serienanlauf (Lieferanten, interne Bereiche und Kunden), • Managementdimensionen des Serienanlaufs sowie • Zieldimensionen des Serienanlaufs (Qualität, Zeit und Kosten). Die Zusammenhänge dieser drei Bestandteile des integrierten Anlaufmanagementmodells sind in Abb. 2 dargestellt. Die sieben Dimensionen des Anlaufmanagementmodells, die als besonders erfolgskritisch in Bezug auf den Serienanlauf identifiziert worden sind, offerieren spezifische Methoden und Instrumente, um einen reibungslosen Serienanlauf rea-
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Abb. 2 Integriertes Anlaufmanagementmodell
lisieren zu können. Sie bilden den theoretischen Rahmen für das vorliegende Buch und werden jeweils in einem separaten Kapitel behandelt. Im Kapitel „Anlaufstrategie“ wird die Notwendigkeit einer richtungsweisenden, übergeordneten Strategie für Anlaufprojekte verdeutlicht. Eine Anlaufstrategie definiert den generellen Standpunkt des Unternehmens auf lange Sicht für sämtliche Anläufe und koordiniert somit die unterschiedlichen Aktivitäten in der Umsetzung der einzelnen Anläufe. Anhand ausgewählter Strategien des Flexibilitäts-, Komplexitäts-, Qualitäts- und Kostenmanagements in und von Supply Chains werden konkrete Gestaltungsmöglichkeiten dieser Anlaufstrategie in Netzwerken abgeleitet und anhand empirischer Ergebnisse reflektiert. Das Kapitel „Anlauforganisation“ beschäftigt sich im Speziellen damit, wie im Serienanlauf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht und Effizienz- sowie Effektivitätsverluste an den Schnittstellen zwischen den Funktionalbereichen verringert werden. Dies betrifft auch organisatorische Konzepte für das Anlaufmanagement sowie deren Verankerung in bestehende Organisationsstrukturen. Außerdem werden die Themen funktionsübergreifende Zusammenarbeit, Anlaufteam und Anlaufmanager adressiert. Abschließend finden sich Unterstützungsinstrumente für die ablauforganisatorische Strukturierung von Serienanläufen. Das Kapitel „Lieferantenmanagement“ zeigt auf, wie anlaufkritische Lieferanten früh identifiziert und integriert werden können: Lieferanten können insbesondere in der Anlaufphase ein erhöhtes Risiko darstellen, da viele Kaufteile ebenfalls eine Anlaufphase durchwandern, wodurch sich die Risiken potenzieren. Um die eigenen Anlaufprozesse nicht durch Fehlleistungen der Lieferantenbasis zu gefährden, müssen anlaufkritische Lieferanten frühzeitig identifiziert und in die Abläufe des Herstellers integriert werden, um gemeinsam Produkt und Prozess auf den angestrebten Reifegrad zu bringen. Das Kapitel „Logistikmanagement“ problematisiert den durch die hohe logistische Komplexität des Serienanlaufs determinierten Bedarf nach stabilen und standardisierten Logistikprozessen. Hierzu werden die zum Einsatz kommenden Methoden des Logistikmanagements systematisiert dargestellt und die Anforderungen
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an die IT-seitige Unterstützung der Logistikplanung beleuchtet. Aufgrund des integrativen Charakters des Logistikmanagements im Anlauf werden Schnittstellen zu anderen Unternehmensfunktionen und die Bedeutung der Logistik als zentrale Koordinationsinstanz in Unternehmen dargelegt. Das Kapitel „Produktionsmanagement“ behandelt Fragestellungen zum Vorgehen der Werksstruktur- und Betriebsmittelplanung sowie zur Standardisierung in der Produktion, um vor dem Hintergrund nicht vollständig ausgereifter Prozesse und starker Kapazitätsschwankungen ein hohes Maß an Flexibilität zu gewährleisten. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Befähigung der Mitarbeiter zum Umgang mit den komplexen Koordinationsaufgaben im Serienanlauf. Das Kapitel „Änderungsmanagement“ stellt die Bedeutung und die Bestandteile eines integrativen Änderungsmanagements dar. Als wesentliche Basis des Änderungsmanagements werden hierzu, neben den präventiven Maßnahmen der Änderungsplanung, die Implementierung und Nutzung eines Standardänderungsprozesses sowie dessen Vernetzung mit dem Produktdatenmanagement erarbeitet. Darüber hinaus werden die Besonderheiten eines werks- und unternehmensübergreifenden Änderungsmanagements adressiert und Anregungen für den Umgang mit den daraus resultierenden Herausforderungen angeboten. Das Kapitel „Kostenmanagement“ thematisiert die Steuerung der Kosten in der Anlaufphase. Beginnend mit der Abgrenzung der in der Anlaufphase anfallenden Kosten erfolgt im Anlaufmanagement eine möglichst klare Zuordnung nach dem Verursacher-Prinzip. Dementsprechend werden geeignete Instrumente des Kostenmanagements aufgezeigt, welche eine Steuerung der Anlaufphase in definierten Zielkostenkorridoren ermöglichen. Jedes Buchkapitel umfasst nach einer Einführung in die jeweilige Thematik Beiträge von Praxisautoren, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen darlegen. Dabei spiegeln die Praxisbeispiele in erster Linie Erfolgsfälle wider, zeigen aber auch, was die Unternehmen aus Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. Somit bietet das Buch wissenschaftlich fundierte Ansätze zur erfolgreichen Gestaltung des Serienanlaufs und zeigt praxisorientierte Methoden und Instrumente für eine flexible, exakte und vor allem termintreue Abwicklung des Serienanlaufs systematisiert auf.
Literaturverzeichnis 1. Baumgarten H, Risse J (2001) Logistikbasiertes Management des Produktentstehungsprozesses. In: Hossner R (Hrsg) Jahrbuch der Logistik 2001. Verlagsgruppe Handelsblatt, Düsseldorf, S 150–156 2. Clark KB, Fujimoto T (1991) Product development performance: strategy, organization, and management in the world auto industry. Harvard Business School Press, Boston 3. Gentner A (1994) Entwurf eines Kennzahlensystems zur Effektivitäts- und Effizienzsteigerung von Entwicklungsprojekten. Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen 4. Kuhn A, Wiendahl HP, Eversheim W, Schuh G (2002) „fast ramp-up“ – Schneller Produktionsanlauf von Serienprodukten. Verlag Praxiswissen, Dortmund
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5. Schuh G, Kampker A, Franzkoch B (2005) Anlaufmanagement – Kosten senken, Anlaufzeit verkürzen, Qualität sichern. wt Werkstattstechnik online 95/5:405–409 6. Schuh G, Riedel H, Abels I, Desoi J (2002) Serienanlauf in branchenübergreifenden Netzwerken. Eine komplexe Planungs- und Kontrollaufgabe. wt Werkstattstechnik online 92/12:656– 661 7. Straube F (2004) e-Logistik – Ganzheitliches Logistikmanagement. Springer, Berlin Heidelberg New York 8. Fitzek D, Straube F (2004) Management Report zur St. Galler Anlaufmanagementstudie: Logistikorientiertes Management von Serienanläufen – Handlungsfelder und Erfolgskonzepte für Automobilzulieferer. Verlag E. Klock, Stadecken-Elsheim 9. Wangenheim S von (1998) Integrationsbedarf im Serienanlauf dargestellt am Beispiel der Automobilindustrie. In: Horváth P; Fleig G (Hrsg) Integrationsmanagement für neue Produkte. Schäffer-Poeschel, Stuttgart, S 57–86 10. Wiesinger G, Housein G (2002) Schneller Produktionsanlauf von Serienprodukten. Wettbewerbsvorteile durch ein anforderungsgerechtes Anlaufmanagement. wt Werkstattstechnik online 92/10:505–508
Teil I
Anlaufstrategie
Konzepte und Erfolgsfaktoren für Anlaufstrategien in Netzwerken der Automobilindustrie Nils Peters, Joerg S. Hofstetter Lehrstuhl für Logistikmanagement, Universität St. Gallen
Strategische Relevanz des Serienanlaufs in der Automobilindustrie Die Automobilindustrie verfolgt das Ziel, im Markt angekündigte neue Fahrzeugbaureihen nach einer zeit- und kosteneffizienten Anlaufphase termin- und qualitätsgerecht auszuliefern. Dies bedingt eine enge Abstimmung der an der Leistungserstellung beteiligten internen wie externen Akteure. Hierzu dient die Formulierung und konsequente Einhaltung einer Anlaufstrategie auf Unternehmensebene wie auch deren Ausbreitung auf sämtliche am Serienanlauf beteiligte Unternehmen. In der Literatur finden sich kaum umfassende Beiträge zur inhaltlichen Ausgestaltung einer Anlaufstrategie, welche sowohl der Aufgabenvielfalt des Anlaufmanagements als auch der Menge und Arten der zu berücksichtigenden Lieferantenverhältnisse hinreichend gerecht werden. Viele aktuelle wissenschaftliche wie auch praxisnahe Beiträge beschränken sich auf den Hinweis auf die strategische Relevanz eines Managements des Serienanlaufs (Fitzek 2006; Kirst 2006; Risse 2002; Witt 2006) oder gehen auf spezifische Teilaspekte einer Anlaufstrategie ein (Di Bennedetto 1999; Fitzek 2006; Pfohl u. Gareis 2000; Schuh et al. 2005; Schuh u. Franzkoch 2004; Wildemann 2006). Dieser Beitrag erarbeitet mögliche Konzepte für die Formulierung einer Anlaufstrategie und zeigt anhand empirischer Untersuchungen Erfolgsfaktoren für die konkrete Ausgestaltung von Anlaufstrategien auf. Der Beitrag schließt mit einem Blick in die Praxis und zeigt anhand zweier Fallstudien, wie Hersteller und Lieferanten Serienanläufe mit Erfolg strategisch managen.
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N. Peters, J.S. Hofstetter
Grundlagen von Anlaufstrategien in Netzwerken Zielsetzung einer Anlaufstrategie in Netzwerken Der Serienanlauf (kurz: Anlauf) in der Automobilindustrie ist durch die sukzessive Überführung eines neuen Produktes aus den Laborbedingungen der Konzeption und Entwicklung in ein stabil zu produzierendes Produkt in der Serienproduktion gekennzeichnet (exemplarisch: von Wangenheim 1998). Dabei ist der Serienanlauf als jene Zeitperiode definiert, die mit der Einführung eines Produktes in eine Produktionseinrichtung beginnt und mit dem Erreichen einer stabilen Serienfertigung endet. Der Serienanlauf verfolgt somit das Ziel, den Ausstoß der Produktion bis zum nachhaltigen Erreichen der Normalproduktivität, der sog. „Kammlinie“, zu erhöhen (Terwiesch u. Bohn 2001; von Wangenheim 1998), welche zum einen durch eine hohe Auslastung der Betriebsmittel sowie eines vorab definierten Qualitätsniveaus charakterisiert ist. Die grafische Darstellung des jeweils aktuellen Produktionsvolumens über die Anlaufperiode hinweg wird als Anlaufkurve bezeichnet. Die Unternehmensstrategien der Automobilhersteller zielen vornehmlich darauf ab, Produktinnovationen schnell in den Markt zu bringen (Time-to-Market) und die Nutzungszeit der Produktionsanlagen zu maximieren (Time-to-Volume). Zahlreiche Untersuchungen zeigen die Relevanz des Faktors Zeit bei der Umsetzung von Produktinnovationen für die Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile auf (Clark u. Fujimoto 1992; Petry 2006; Risse 2002; Schneider u. Lücke 2002). Unter Voraussetzung der Konstanz von Kosten und Qualität ermöglicht ein solcher „First Mover“-Strategieansatz einem Automobilhersteller, auf dem Markt Monopolrenten („Pioniergewinne“) zu erwirtschaften (Wiesinger u. Housein 2002), attraktive Märkte zu besetzen und somit höhere Verkaufszahlen zu erreichen (von Wangenheim u. Dörnemann 1998; Wiendahl et al. 2002) sowie die maximal zu generierenden Deckungsbeiträge über den Produktlebenszyklus hinweg abzuschöpfen (Risse 2004) (s. Abb. 1). Das Verhalten eines Automobilherstellers im Serienanlauf hat direkte Auswirkungen auf seine Zulieferanten. Die Verkürzung der Anlaufperiode beim Automobilhersteller fordert, dass die Zulieferanten die Bedarfe ihrer Kunden im eigenen Zuliefernetzwerk abbilden, um die Gesamtperformance des Serienanlaufs nicht zu beeinträchtigen (Fitzek 2006; Handfield et al. 1999; Wildemann 2006; Witt 2006). Neben der Sicherstellung der Verfügbarkeit der Zulieferkomponenten spielen die Einhaltung der Qualität und die Minimierung der Kosten eine entscheidende Rolle. Weitreichende Komplexität entsteht durch zahlreiche konstruktive Änderungen während des Anlaufs, die in der Regel eine enge Koordination mit eigenen Zulieferanten, mit Lieferanten beeinträchtigter Subsysteme und dem Automobilhersteller erfordern – idealerweise auf Basis der Anlaufstrategie des Herstellers. Eine Anlaufstrategie, welche zur verbesserten Wettbewerbsposition eines Automobilherstellers beitragen soll, muss eine integrierte Betrachtungsweise der drei Zieldimensionen Zeit, Kosten und Qualität vorweisen (s. Abb. 2) und zudem die
Konzepte und Erfolgsfaktoren für Anlaufstrategien in Netzwerken der Automobilindustrie
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Abb. 1 Auswirkungen eines schnellen Anlaufs auf den Product-Life-Cycle-Ertrag
Abb. 2 Integration der Zieldimensionen in der Anlaufstrategie (in Anlehnung an Schneider u. Lücke 2002)
Anschlussfähigkeit an die vor- und nachgelagerten Entwicklungs- und Produktionsprozesse sowie die dabei beteiligten Akteure gewährleisten. Es entspricht somit dem Zielsystem des Supply Chain Management, welches auf der Formalzielebene ebenfalls die Wettbewerbsfähigkeit des Wertschöpfungsverbunds (Christopher u. Ryals 1999) und auf Sachzielebene die Steigerung des Endkundennutzens durch Zeit-, Kosten-, und Qualitätsvorteile in den Vordergrund stellt (Stölzle et al. 2005; Mentzer et al. 2001; Kotzab 2000).
Rolle von Anlaufstrategien in Netzwerken Unter einer Strategie werden in der Betriebswirtschaft die langfristig geplanten Aktivitäten von Unternehmen zur Erreichung ihrer Ziele verstanden. Klassisch umfasst
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eine Strategie neben dem strategischen Plan auch dessen Realisierung, indem sie Ziele vorgibt und anhand von Leitsätzen und Regeln den Weg zur Erreichung dieser Ziele darlegt (Mintzberg et al. 2002; Pfohl u. Stölzle 1997). Eine Anlaufstrategie operationalisiert die Ziele der Unternehmensstrategie auf den Serienanlauf und ist als übergeordnetes Regelwerk für sämtliche Anläufe an allen Standorten eines Unternehmens zu verstehen. Die Anlaufstrategie dient sowohl als Brücke zwischen der Produktentwicklungs- und der Produktionsstrategie eines Unternehmens als auch in der Verbindung zu den jeweiligen funktionalen Schnittstellen der Supply-Chain-Partner (Pfohl u. Gareis 2000). Sie stellt sicher, dass die dafür nötigen Ressourcen identifiziert und aufgebaut werden (Hungenberg 2006). Eine Produktentwicklungsstrategie definiert durch das Produktdesign den Innovationsgrad der Kaufteile und somit Konfiguration der Supply Chain (Bullinger 1996). Die Produktionsstrategie umfasst die Standortentscheidung, die Beschaffenheit und Auslastung der Anlagen sowie die logistischen Prozesse des Produktionssystems (Schuh et al. 1996). Allgemein ist festzustellen, dass sowohl in der Produktentwicklungsphase als auch in der Produktionsphase die Fertigungstiefe bei den Herstellern sinkt (McK 2003). In diesem Zusammenhang erfolgt in der Produktentwicklung immer häufiger die Vergabe von komplexen Modulen und Systemen an Zulieferanten (McK 2003, VDA 2004), welche die Module selbstständig als sogenannte „Black box“- oder Systemlieferanten weiterentwickeln und diese auch folgend in der Serie zuliefern (Liker u. Choi 2004). Es kann auch vorkommen, dass die Lieferkette der Serie von derjenigen der Entwicklungsphase abweicht und der Lieferant der Entwicklungsphase nicht mit demjenigen der Serienphase übereinstimmt. Da die Anlaufstrategie in der Praxis der Produktentwicklungs- wie auch der Produktionsstrategie untergeordnet ist, muss sie die grundsätzlichen Entscheidungen beider Strategien aufgreifen und sie integrieren (von Wangenheim 1998). Allerdings können auch Entscheidungen innerhalb der Anlaufstrategie Anpassungen der angrenzenden Strategien zur Folge haben. Die Anlaufstrategie leistet somit die phasenund funktionsübergreifende Koordination innerhalb eines Unternehmens (Pfohl u. Gareis 2000) und stellt die Anschlussfähigkeit der Funktionen und Bereiche weiterer Produktionsstandorte sowie die der vor- und nachgelagerten Supply-ChainPartner sicher (s. Abb. 3).
Abb. 3 Koordinationsbedarfe im Serienanlauf zwischen Entwicklung und Produktion der einzelnen Supply-Chain-Partner
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Konzepte für Anlaufstrategien in Netzwerken Die Zielsetzung einer möglichst frühen und steilen, gleichzeitig jedoch zuverlässigen Anlaufkurve wird durch eine kosteneffiziente Minimierung bzw. Vermeidung von produkt- und supply-chain-seitigen Fehlerquellen und Störungen wie z. B. Änderungsvorhaben1 angestrebt (Petry 2006; Terwiesch u. Bohn 2001). Zur Vermeidung von Fehlern bzw. Störungen bietet es sich aus strategischer Sicht an, im Vorfeld die Komplexität eines Serienanlaufs zu reduzieren (Kaluza et al. 2006) sowie die Qualität der einzelnen Bauteile und Prozesse konstruktiv abzusichern (Seghezzi 2003). Da ein reibungsloser Serienanlauf per se eine Utopie darstellt (Wiendahl et al. 2002), muss ein Anlaufprojekt von vorneherein mit ausreichend Flexibilitätspotenzialen versehen werden, damit das Wertschöpfungsnetzwerk Störungen zeiteffizient ausgleichen (Fitzek 2006) und somit zur verstärkten Wettbewerbsposition beitragen kann (Hitt et al. 1998). Zudem erwächst der Bedarf nach Ansätzen zur langfristigen unternehmensübergreifenden Kostensteuerung, um die Profitabilität des Gesamtserienanlaufs sicherzustellen (Stölzle et al. 2005). Im Folgenden soll nun auf die Konzepte des strategischen Flexibilitäts-, Komplexitäts-, Qualitäts- und Kostenmanagements in und von Supply Chains eingegangen werden.
Flexibilität im Serienanlauf ermöglichen Strategische Flexibilität zeichnet sich durch die Verfügbarkeit einer Vielzahl strategischer Optionen („Handlungsspielräume“) zur Reaktion auf zukünftige Entwicklungen aus (Picot u. Wolff 2005). Unternehmen sollten diese strategische Flexibilität insbesondere durch den Aufbau von flexiblen Ressourcen und flexiblen Koordinationsmechanismen im Serienanlauf anstreben, um bei auftretenden Störungen oder Umweltveränderungen in der Anlaufphase genügend Handlungsspielräume aufzuweisen. Im Zuge der Fragmentierung heutiger Supply Chains sind diese Ressourcen und Mechanismen zunehmend auf unternehmensübergreifender Ebene verortet (exemplarisch: Kumar et al. 2006; Sánchez u. Pérez 2005). Somit kann die Supply-Chain-Flexibilität als die Fähigkeit von Netzwerken verstanden werden, sich kontinuierlich an verändernde Zustände anzupassen (Hofmann 2006) und somit zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eines Netzwerks beizutragen (Sánchez u. Pérez 2005). Grundsätzlich werden zwei unterschiedliche strategische Ansätze zur Generierung von Flexibilitätspotenzialen auf Supply-Chain-Ebene diskutiert, welche zum Teil unterschiedliche Ausgestaltungsformen nach sich ziehen (s. Abb. 4). 1
Insbesondere Änderungen an Bauteilen können in diesem Zusammenhang als besonders häufig auftretende Störungen des „Fast Ramp-Up“ gesehen werden (Westkämper 2002), welche zeitintensive Abstimmungs-, Freigabe- und Rüstzeiten beim Hersteller, dem entsprechenden Lieferanten und gegebenenfalls Lieferumfängen für angrenzende Bauteile mit sich führen. Eine Übersicht über Störungsursachen im Rohbau liefert auch Schmahls (Schmahls 2001).
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Abb. 4 Charakterisierung der generischen Strategien des Supply-Chain-Flexibilitätsmanagements (in Anlehnung an Hofmann 2006)
Flexibilität in Supply Chains bezieht sich auf die dyadische Betrachtung zwischen einzelnen Supply-Chain-Akteuren (Hofmann 2006). Eine starke Integration der beteiligten Akteure in die jeweiligen Anlaufprozesse des anderen durch die Verknüpfung komplementärer Fähigkeiten, die Tätigung spezifischer Investitionen z. B. in Form von Lieferantenentwicklungsmaßnahmen, den Austausch von Wissen und die Implementierung von transaktionskosten-reduzierenden Maßnahmen, wie z. B. Vertrauen (Dyer u. Singh 1998; Lavie 2006) wirkt sich positiv auf die Flexibilität im Serienanlauf aus (Bagchi u. Skjøtt-Larsen 2005; Christopher 2000; Sánchez u. Pérez 2003a). So lassen sich bspw. Volumenschwankungen zeit- und kosteneffizienter ausgleichen, wenn die Akteure gemeinschaftlich Postponement-Konzepte realisieren oder in transparenzfördernde IT-Strukturen investieren (Christopher 2000). Auch können Fähigkeiten zur Produktentwicklung und -neueinführung besser zur Geltung kommen (Hofmann 2006), da eine frühzeitige und offene Kommunikation die Integration der Lieferanten in den Produktentstehungsprozess („Early Supplier Involvement“) fördert und die Lieferanten befähigt, flexibel auf Bauteil- oder Prozessänderungen zu reagieren (Risse 2004; von Wangenheim 1998). Flexibilität von Supply Chains referenziert auf die Modularisierung von Netzwerken (Hofmann 2006). Ein bausteinartiges Supply Chain-Design (Fine 1998) ermöglicht es im Serienanlauf, die Konfiguration der Supply Chain kurzfristig neuen Gegebenheiten anzupassen. Dies kann zum einen durch die Notwendigkeit eines Lieferantenwechsels bedingt sein, zum anderen können sich die Lieferanten der Entwicklungsphase und der Serie von vorneherein unterscheiden. Um einen Lieferantenwechsel im Serienanlauf managen zu können (Hofmann 2006; Kirst u. Hofmann 2007), muss bereits eine starke Standardisierung der Schnittstellen und Prozesse zwischen den Akteuren sowie eine aktive Aufrechterhaltung von spezifischen Redundanzen (z. B. durch Dual Sourcing oder Sicherheitsbestände, etc.) vorhanden sein. So kann bei Störungen wie z. B. Qualitätsproblemen bzw. Opportunitäten in Form
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eines besseren Lieferanten im Sinne eines „Plug&Play“-Mechanismus zeitnah der entsprechende Lieferant gewechselt werden. Ansatzpunkte des Flexibilitätsmanagements für Anlaufstrategien sind: • • • •
Aufbau von strategischen Supply-Chain-Partnerschaften (Vertrauen) Integration der Partner in die Planung und Infrastruktur (z. B. IT) Gemeinschaftliche Investition in flexibilitätsfördernde Maßnahmen Definition eines Lieferantenwechsel-Managements, um den schnellen Übergang bei nötigen Lieferantenwechseln sicherzustellen (z. B. Standardisierung von Schnittstellen und Prozessen zwischen Supply-Chain-Partnern) • Aufbau von spezifischen Redundanzen (Dual Source, Sicherheitsbestände)
Komplexität des Serienanlaufs beherrschen Die Komplexität von Serienanläufen wird von einer Vielzahl von beteiligten Akteuren, interdependenten Prozessen sowie interdisziplinären Schnittstellen zwischen den verschiedenen Akteuren innerhalb der Supply Chain der Anlaufphase geprägt (exemplarisch: von Wangenheim 1998). Bedingt wird sie sowohl von internen als auch von externen Treibern (Milgate 2001). Interne Treiber dieser Supply-ChainKomplexität sind Managemententscheidungen an bzw. zwischen den einzelnen Knoten der Supply Chain. Diese können sich auf das Produktdesign, auf das Prozessdesign, auf die Supply-Chain-Konfiguration sowie auf organisatorische Fragestellungen, wie z. B. die Festigkeit von Beziehungen, die implementierten Informationssysteme oder die Governance-Struktur der Supply Chain beziehen (Klaus 2005; Miragliotta et al. 2001). Zu den externen und somit schwer beeinflussbaren Einflussgrößen auf die Supply-Chain-Komplexität zählen hingegen vornehmlich Unsicherheiten im Hinblick auf die Nachfrage und die Dynamik im Marktumfeld automobiler Supply Chains (wie z. B. Mergers & Acquisitions zwischen Automobilzulieferunternehmen). Zum proaktiven Management von Supply-Chain-Komplexität bieten sich im Serienanlauf grundsätzlich zwei Strategien an (Kaluza et al. 2006).2 Die Reduzierung von Supply-Chain-Komplexität in der Anlaufphase setzt an der Minimierung der Anzahl, Varianz und Konnektivität der Supply-Chain-Objekte und Akteure sowie der Erhöhung der Visibilität innerhalb der Supply Chain an (Kaluza et al. 2006). Dies kann im Serienanlauf operativ zum einen durch die Eliminierung unspezifischer Redundanzen im Bezug auf Akteure, Ressourcen oder Informationssysteme geschehen, zum anderen kann eine Harmonisierung und Standardisierung der Schnittstellen zwischen den Akteuren der Supply Chain weitere Komplexität im Serienanlauf verringern. Die Strategie der Vermeidung von Supply-Chain-Komplexität setzt bereits bei der Konfiguration von Supply Chains an. In diesem Zusammenhang weisen etliche 2 Die reaktiven bzw. passiven Strategien des Komplexitätsmanagements „Akzeptanz“ und „Controlling“ werden an dieser Stelle nicht weiter diskutiert (zur weiteren Vertiefung dieser Strategien: Kaluza et al. 2006).
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Beiträge auf die Relevanz des Aufbaus von strategischen Supply-Chain-Netzwerken hin (exemplarisch: Arnold u. Warzog 2001; Stölzle 1999). So erlaubt eine gemeinschaftliche Strukturierung von Produkt, Produktion und Supply Chain mit ausgewählten Akteuren die Etablierung eines gemeinschaftlichen Zielsystems. Dementsprechend können die bei der Reduzierungsstrategie erwähnten Methoden der Komplexitätsreduktion bewusst vorab mit den gewählten Supply-Chain-Partnern geplant und ausgestaltet sowie später mittels Controlling- und Koordinationssystemen gesteuert werden (Kaluza et al. 2006). Im Hinblick auf die Produkt- sowie Prozessgestaltung trägt eine Modularisierung von Produkten zur Vermeidung von Komplexität bei. Durch das sogenannte „Tiering“ der Supply Chain und die Vergabe von komplexen Systemen an Lieferanten kann ein Unternehmen seine Komplexität in die Upstream Supply Chain umschichten und sie für die Supply Chains insgesamt besser verteilen und ausbalancieren (Klaus 2005, S. 372). Insbesondere werden jedoch dem Variantenmanagement Potenziale zur Vermeidung von Komplexität beigemessen (Blecker u. Abdelkafi 2006; Risse 2004). So verringert die Nutzung von „Carry over parts“ aus anderen Vormodellen sowie von Gleichteile- und Plattformkonzepten in mehreren Produkten die Komplexität der Supply Chain insgesamt, und somit auch des Serienanlaufs, da die Teilevielfalt insgesamt und damit die Vielzahl neuer Prozesse (z. B. das logistische Teilehandling) reduziert wird (von Wangenheim 1998). Ansatzpunkte des Komplexitätsmanagements für Anlaufstrategien sind: • Reduzierung der Anzahl und Varianz von Supply-Chain-Partnern • Aufbau von Beziehungen zu Supply-Chain-Partnern zur Erhöhung der Transparenz und zum Aufbau eines gemeinsamen Zielsystems • Harmonisierung und Standardisierung der Schnittstellen zu Supply-Chain-Partnern • Reduzierung der Anzahl und Varianz von neuen Bauteilen („Carry over parts“, Gleichteile- und Plattformkonzepte)
Qualität im Serienanlauf sichern Unter Qualität wird üblicherweise die Erfüllung der expliziten und impliziten Kundenwünsche verstanden (Weule 2002). Sie bezieht sich dabei auf Funktionalität und Abstimmung mit anderen Subsystemen eines Produkts, die Montierbarkeit, die Dauerbelastbarkeit sowie die Herstellbarkeit des Produkts. Für den Lieferanten umfasst sie die Erfüllung der Spezifizierung des Herstellers sowie der eigenen internen Anforderungen. In der Anlaufphase müssen Qualitätsaspekte berücksichtigt und Bereiche des Qualitätsmanagements in die strategische Ausrichtung des Anlaufnetzwerks integriert werden (Wildemann 2006). Anknüpfungspunkte liefern Industriestandards wie die ISO 9001-Richtlinie, welche Anforderungen an ein kundenorientiertes Qualitätsmanagement regelt, oder ISO u. TS 16949, welche weitere allgemeine Anforderungen der Automobilhersteller an die Unternehmensprozesse ihrer Lieferanten enthält (Seghezzi 2003; VDA 2005). Die Planung des anzustrebenden Qualitätsniveaus beinhaltet die Abstimmung der in der Anlaufphase für die Qualität relevanten Supply-Chain-Akteure (Seghez-
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zi 2003). Bei der Qualitätsvorausplanung, in den USA als einheitlicher Standard unter dem Namen „Advanced Product Quality Planning“ (APQP) bekannt, geht es um ein strukturiertes Herangehen mit standardisierten Werkzeugen, welches dafür sorgt, dass die Überführung der jeweiligen Kundenanforderungen in ein gemeinschaftliches Qualitätsmanagementsystem stattfindet und alle dabei definierten Ablaufschritte in der Produktentstehung rechtzeitig abgeschlossen werden. Ein prominentes Instrumentarium zur Abstimmung des Qualitätsniveaus mit den Kundenbedürfnissen stellt das „Quality Function Deployment“ dar. Über sog. „Houses of Quality“ werden Kundenerwartungen ermittelt und sukzessive in Prozessparameter und Prüfpunkte überführt (Akao 1990). Dabei müssen explizit die Prozesse des Serienanlaufs berücksichtigt werden. Die Prozessparameter können weiterhin mit einem Reifegrad- bzw. Meilenstein-Controlling ergänzt werden (VDA 2005). Indem die Zusammenarbeit der in der Lieferkette beteiligten Parteien sichergestellt wird, kann das Meilenstein-Controlling umfassend durch konkrete Zusammenarbeitsmodelle und definierte Eskalationsprozesse erweitert werden (VDA 2005). Ein weiteres in der Automobilindustrie häufig eingesetztes Instrument ist die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA). Sie folgt dem Grundgedanken der präventiven Fehlerverhütung. Durch eine frühzeitige und systematische Identifikation potenzieller Fehlerursachen bereits in der frühen Entwicklungsphase werden potenziell anfallende Kontroll- und Fehlerfolgekosten im Serienanlauf vermieden (Wildemann 2006). Dieses Instrumentarium kann auch im Rahmen von LieferantenAudits Anwendung finden. Gängige Ansätze für Qualitätssteigerungsvorhaben sind der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP, Kaizen) und der „Plan-do-act-check“ (PDAC)-Zyklus. Sie erlauben eine strukturierte Bewertung, Auswahl und Überführung vorgeschlagener Qualitätsverbesserungen in die organisatorischen Anlaufprozesse. Für den Fall, dass Lieferanten nicht über das nötige Know-how oder die Ressourcen für ein operatives Qualitätsmanagement verfügen, nutzen viele Automobilhersteller und Tier 1-Lieferanten Konzepte der Lieferantenentwicklung (Liker u. Choi 2004; Wagner 2002). Ansatzpunkte des Qualitätsmanagements für Anlaufstrategien sind: • Strukturierte Planung des Qualitätsniveaus und der Prüfparameter anhand von konkreten Kundenanforderungen • Inhaltliche und prozessuale Abstimmung der Qualitätsplanung mit SupplyChain-Partnern mittels standardisierter Techniken (QFD, Reifegrad- und Meilenstein-Controlling) • Frühzeitige Identifizierung potenzieller Prozessschwachstellen über die Supply Chain hinweg (FMEA, Lieferantenaudits/-zertifizierung) • Nutzung von Industriestandards (ISO 9001; TS2) zur Vermeidung von zusätzlichen Zertifizierungskosten in der Supply Chain • Implementierung von KVP- und Lieferantenentwicklungsprozessen zur kontinuierlichen Steigerung der Qualität des Serienanlaufs
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Kosten des Serienanlaufs steuern Übergeordnetes Ziel eines produktbezogenen Kostenmanagements ist die Minimierung der Lebenszykluskosten. Unternehmen stellen sich zunehmend der Herausforderung, Anlaufkosten in diese Betrachtung einfließen zu lassen. Allerdings lassen sich Anlaufkosten schwer von Entwicklungs- und Produktionskosten abgrenzen. Auch eine Vergleichbarkeit zwischen den Anlaufkosten der am Serienanlauf beteiligten Supply-Chain-Partner ist derzeit selten vorzufinden (Möller 2002). Die Abgrenzungsproblematik führt häufig zu einer einseitigen Fokussierung auf unternehmensinterne Kosten, welche in der jeweils definierten Anlaufphase anfallen. Dabei werden häufig Zuschläge global auf die Material-, Personal- und die variablen Maschinenkosten verteilt (Möller 2002). Eine optimale Allokation der Anlaufkosten im Hinblick auf Gesamtlebenszykluskosten des Produkts ist mit diesem Vorgehen jedoch schwierig. Sowohl aus der Anlaufphase resultierende zeitliche Verzögerungen wie auch qualitative Mängel haben Auswirkungen auf die direkten und indirekten Kosten des Serienanlaufs (Möller 2002; Schneider u. Lücke 2002). Häufig kann schon ein um nur kurze Zeit verschobener Verkaufsstart über den finanziellen Erfolg eines Produktes am Markt entscheiden (Kuhn et al. 2002). Zudem werden in der Produktentstehungsphase schon 80 – 95% der Gesamtkosten eines Produktes manifestiert (Berliner u. Brimson 1988; Ehrlenspiegel et al. 1998). Eine Produktlebenszyklusbetrachtung in der Kostenrechnung bietet Möglichkeiten diese Problematik aufzulösen (Möller 2002; Stölzle et al. 2005). So muss das Kostenmanagement bereits in einer frühen Phase der Produktentwicklung beginnen. Dies hat zur Folge, dass auch die von den involvierten Supply-ChainAkteuren erbrachten Leistungen wertmäßig erfasst werden müssen, und dies im Bezug auf Kosten in der Vor-, Markt- und Nachlaufphase. Weiterhin erlaubt die Produktlebenszykluskostenrechnung Substitutionsmöglichkeiten zwischen Vorlaufkosten, zu denen auch die Anlaufkosten zählen, sowie Herstell- und Nachlaufkosten zu analysieren (Stölzle et al. 2005). Die Lebenszyklusrechnung findet aufgrund fehlender Daten in der Praxis beschränkt Anwendung und wird nur selektiv zu Investitionsentscheidungen genutzt (Möller 2002). Daher bietet es sich an zur Generierung von Daten eine Prozesskostenrechnung als eingebettetes Instrumentarium anzustreben (Möller 2002; Stölzle et al. 2005). Die Prozesskostenrechnung verfolgt durch eine veränderte Gemeinkostenzurechnung eine verbesserte Kostentransparenz im Serienanlauf. Die systematische Erfassung der betroffenen Prozesse (Pfohl u. Gareis 2000), die Identifikation von Kostentreibern sowie die Definition leistungsbezogener Größen für die Prozesse in den indirekten Bereichen ermöglicht es, die Gemeinkosten auf definierte Anlaufprozessleistungen zuzurechnen anstatt mit pauschalen Gemeinkostenzuschlägen zu operieren (Stölzle et al. 2005). Unternehmensübergreifend trifft dieses Vorgehen jedoch bislang noch auf starke Widerstände, welche mit der Komplexität und mangelnden Vergleichbarkeit der Prozessschritte und verbundenen Kostensätzen zu erklären sind. Daher bedarf es einer starken Abstimmung, Vertrauen und Transpa-
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renz zwischen den beteiligten Akteuren, um eine gemeinsame „Sprache“ für die Anlaufprozesse zu finden, welche die gemeinschaftliche Definition von Prozessen, Prozessleistungen, Kostenkategorien und Kostentreibern beinhaltet (Stölzle et al. 2005). Ein weiteres Konzept zur Steuerung der Anlaufkosten stellt das „Frontloading“ dar, bei dem Probleme frühzeitig im Entwicklungsprozess identifiziert und behoben werden, um spätere Folgekosten zu minimieren (Thomke u. Fujimoto 2000; Wildemann 2006). Neben der Berücksichtigung von Anforderungen der Logistik und Produktion („Design for Manufacturing u. Logistics“) sowie den „klassischen“ technischen Produkt- und Produktionstests werden in diesem Zusammenhang insbesondere Technologien des Prototypings wie z. B. der Nutzung von „Digital MockUps“3 (CAD u. CAE, Simulationssoftware) sowie Methoden der digitalen Fabrik große Potenziale im Hinblick auf die kostenminimale Überführung des Produkts in die Serienproduktion beigemessen (Hart et al. 2003; Sánchez u. Perez 2003a; Sánchez u. Perez 2003b; Westkämper 2002). Ansatzpunkte des Kostenmanagements für Anlaufstrategien sind: • Integration der Anlaufkosten in das Product-Life-Cycle-Costing • Aufbau von Vertrauen mit Supply-Chain-Partnern zur gemeinschaftlichen Entwicklung und Implementierung einer Anlauf-Prozesskostenrechnung • Einsatz von Frontloading-Konzepten (Design for Manufacturing u. Logistics, digitale Simulation, Produkt- und Produktionstests) als Investitionsentscheidung, um Folgekosten im späteren Produktentstehungsprozess zu minimieren
Erfolgsfaktoren von Anlaufstrategien in Netzwerken der Automobilindustrie Die vorgestellten Konzepte des Supply Chain Management sind idealtypische Ansatzpunkte für die Formulierung einer Anlaufstrategie. In der Praxis sind sie in den Managementdimensionen des integrierten Anlaufmanagementmodells verankert (Schuh et al. 2008). Im Rahmen der bisherigen Forschungsaktivitäten des Lehrstuhls für Logistikmanagement der Universität St. Gallen (LOG-HSG) wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Forschungsprojekte mit der Automobilindustrie durchgeführt, welche die strategischen Konzeptbestandteile einer Anlaufstrategie untersucht haben. In diesem Zusammenhang wurden Studien, Arbeitskreise und Benchmarkings durchgeführt, welche empirisch die Erfolgsfaktoren im Hinblick auf einen erfolgreichen und rei-
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Unter „Digital Mock Ups“ wird die Entwicklung und der Aufbau von virtuellen Bauteilen bis hin zu gesamten Fahrzeugen mithilfe von Software zur Entwicklung und Simulation verstanden (Thomke u. Fujimoto 2000).
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bungslosen Serienanlauf untersucht haben. Die folgenden Ergebnisse stellen einen Auszug der Ergebnisse einer dieser Studien dar.4,5 Flexibilitätssteigerung und Komplexitätsreduktion stellen wichtige Eckpfeiler in Anlaufstrategien dar, welche deutlich zu einer verbesserten Anlaufperformance beitragen. Es zeigt sich, dass Supply Chains, welche früh und insbesondere schnell bei auftretenden Störungen und Änderungen in der Anlaufphase reagieren konnten, beim Hersteller deutlich besser im Bezug auf Anlaufkosten und -qualität abschneiden (s. Abb. 5). Auch bei der strategisch wichtigen Erfolgsgröße Zeit konnten die flexibleren Supply Chains ca. ein Viertel der Gesamtzeit im Serienanlauf einsparen. Im Folgenden sollen die Ergebnisse der verschiedenen empirischen Untersuchungen im Hinblick auf die Anlaufperformance anhand ausgewählter Manage-
Abb. 5 Auswirkungen einer schnellen Behebung von Anlaufstörungen auf die Anlaufperformance (St. Galler Benchmarkingstudie Anlaufmanagement)6
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Die Ergebnisse der Forschungsprojekte (St. Galler Benchmarkingstudie Anlaufmanagement für Automobilzulieferer: Qualität sichern, Anlaufzeit reduzieren, Kosten senken sowie die Lieferantenstudie Anlaufmanagement) sind im Kontext der Automobilzulieferindustrie entstanden, jedoch lassen sich die Ergebnisse aus Sicht der Autoren aufgrund von Erfahrungen aus Diskussionen und Experteninterviews mit Vertretern exponierter Hersteller der europäischen Automobilindustrie auch auf OEM übertragen. Auch weisen einige Forschungsarbeiten, welche explizit auf die Sicht der Hersteller fokussieren, ähnliche Forschungsergebnisse auf (exemplarisch: Witt 2006). 5 Eine Veröffentlichung aller Ergebnisse einiger dieser Studien findet sich in der Dissertation von Fitzek (2006), jedoch werden die Ergebnisse dort in einem anderen Rahmen („Anlaufmanagement in Netzwerken“ mit Fokus auf Fragen der interorganisationalen Planung und des Wissenstransfers) diskutiert.
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mentdimensionen des integrierten Anlaufmanagementmodells (Schuh et al. 2008) dargestellt werden.
Anlauforganisation Der funktions- und unternehmensübergreifenden Integration wird in der Anlaufphase eine große Bedeutung beigemessen. Regelmäßige funktions- und unternehmensübergreifende Abstimmungen im Rahmen der Anlaufaufbauorganisation (z. B. in Form von Simultaneous Engineering Teams oder Early Supplier Involvement) ermöglichen es Unternehmen neben der Parallelisierung von Teilprozessen, schnittstellenübergreifende Probleme frühzeitig zu identifizieren und dementsprechend gegenzusteuern (Clark u. Fujimoto 1992; Loch u. Terwiesch 1998; Pfohl u. Gareis 2000). Dies zeigen auch die Studienergebnisse (s. Abb. 6): Die Supply-Chain-Integration ist ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Verkürzung der Anlaufzeit, jedoch nur bedingt hinsichtlich der Kosten. Dies lässt sich dadurch erklären, dass trotz einer verbesserten Koordination eine unternehmensübergreifende Transparenz aufgrund mangelnden Vertrauens in der Regel nicht vollständig praktiziert wird und Kosten oftmals sensitive Informationen darstellen. Zudem liegen wesentliche Vorteile der Koordination in einer verbesserten Qualität. Dies erklärt sich dadurch, dass die Qualität der Bauteile mit den Lieferanten offen diskutiert wird und der Austausch über klar definierte Reifegradprozesse und Schnittstellen vermehrt stattfindet (Risse 2004). Im Bezug auf die Anlaufablauforganisation werden insbesondere Reifegradund Gateway-Prozessen mit Supply-Chain-Partnern hohe Potenziale zugeschrieben
Abb. 6 Ausgewählte Gestaltungsempfehlungen für die Anlaufaufbauorganisation (St. Galler Benchmarkingstudie Anlaufmanagement) 7
Die St. Galler Benchmarkingstudie Anlaufmanagement wurde in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen durchgeführt. Insgesamt besteht der Datenpool aus 81 Unternehmen, von denen der größte Teil aus Automobilzulieferern (74%) und -herstellern (7%) besteht. 94% der betrachteten Unternehmen sind aus dem deutschsprachigen Raum.
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Abb. 7 Ausgewählte Gestaltungsempfehlungen für die Anlaufablauforganisation (St. Galler Benchmarkingstudie Anlaufmanagement)
(Schuh et al. 2005; VDA 2005). Neben der Qualitätsplanung ermöglicht eine frühe Integration von Supply-Chain-Partnern in die Prozesse die Realisierung von Zeitgewinnen (Pfohl u. Gareis 2000). Dieser Zusammenhang wird auch in den Studienergebnissen signifikant bestätigt (s. Abb. 7).
Lieferantenmanagement in der Anlaufphase Die Aufgaben des Lieferantenmanagements liegen insbesondere in der frühzeitigen Integration von ausgewählten Lieferanten zum gemeinsamen Serienanlauf des Produkts. Hierzu existieren zahlreiche Instrumente: Neben der funktionsübergreifenden Betreuung von Lieferanten und der gemeinschaftlichen Entwicklung der Produkte (Witt 2006) werden insbesondere der Lieferantenentwicklung große Spielräume zur Senkung der Anlaufzeit und -kosten sowie zur Steigerung der Qualität beigemessen (Wagner 2002). Empirisch konnte insbesondere die Reduzierung der Time-to-Market nachgewiesen werden (s. Abb. 8). Ein gemeinschaftliches Vorgehen zwischen den Funktionen der beteiligten Unternehmen sowie die Abstimmung und kontinuierliche Verbesserung der Entwicklungsvorhaben erlaubt ein zielgerichtetes Anlaufmanagement, bei dem Störungen teilweise vermieden werden können und somit das Produkt schneller zur Marktreife gebracht werden kann.
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Die vorliegende Purchasing-Performance-Korrelationsanalyse basiert auf einer Datenbasis von 81 Unternehmen, die im Rahmen einer schriftlichen Befragung an der gemeinsamen Benchmarkingstudie „Purchasing Performance Excellence“ von Arthur D. Little und dem Lehrstuhl für Logistikmanagement der Universität St. Gallen teilgenommen haben.
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Abb. 8 Ausgewählte Gestaltungsempfehlungen für das Lieferantenmanagement (Purchasing Performance Excellence-Studie ADL/HSG)8
Logistikmanagement in der Anlaufphase Die Implementierung von integrativen Logistikkonzepten im Serienanlauf trägt dazu bei, Produktionsstörungen noch vor dem Serienanlauf zu vermeiden (Witt 2006). Insbesondere die Absicherung des Materialflusses von den Vorlieferanten zum Produktionswerk des Automobilherstellers sowie die Reduzierung innerbetrieblicher Logistikstörungen zwischen der Abladestelle und dem Verbauort stehen hier im Fokus (Fitzek 2006; Kirst 2006). Bei diesen Planungsaufgaben wird der Logistik ein hoher Stellenwert beigemessen. Ganzheitliche Logistikkonzepte ermöglichen es, durch eine gemeinschaftliche Prozess-, Ressourcen- und Flächenplanung Störquellen frühzeitig zu identifizieren (Stölzle 1999). Infolge dieser Steigerung der Planungsqualität, die z. B. durch den Einsatz integrierter Informationssysteme erzeugt werden kann, werden Störungen sowie Ineffizienzen wie bspw. kostenintensive Sondertransporte reduziert. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Anlaufperformance aus. Die Ergebnisse der Studien bestätigen dies. Unternehmen, welche bereits in der Anlaufphase auf integrative Logistikkonzepte wie z. B. Just-in-Time-Anlieferung oder IT-gestütztes Supply Chain Design zurückgreifen, weisen wesentlich weniger Störungen im Produktionsbetrieb des Serienanlaufs auf (s. Abb. 9).
Produktionsmanagement in der Anlaufphase Im Produktionsmanagement wird insbesondere der Standardisierung der Produktion zur Reduktion der Komplexität eine zentrale Bedeutung im Hinblick auf die Anlaufzeit beigemessen. Die mit einem Serienanlauf verbundenen Schwierigkeiten werden wesentlich durch den Neuigkeitsgrad der Prozesse und Produktions-
9 Die St. Galler Anlaufmanagementstudie wurde in Zusammenarbeit mit der Bundesvereinigung Logistik (BVL) aufgesetzt und umfasst die Befragung von 225 Experten aus Logistik, Produktion und Entwicklung der europäischen Automobilzulieferindustrie.
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Abb. 9 Ausgewählte Gestaltungsempfehlungen für das Logistikmanagement (St. Galler Anlaufmanagementstudie)9
Abb. 10 Ausgewählte Gestaltungsempfehlungen für das Produktionsmanagement (St. Galler Benchmarkingstudie Anlaufmanagement)
mittel beeinflusst. Um dies transparent und beherrschbar zu machen, ist ein systematisches Release Management für die Produktion erforderlich. Indem z. B. verschiedene Fahrzeugtypen oder Ausstattungsvarianten in separaten Paketen gestaffelt anlaufen, wird die Komplexität des Logistiksystems sowie der darin verankerten Supply Chains sukzessive reduziert. Die Folge ist eine Reduzierung von zeit- und kostenintensiven Anlaufstörungen (Schuh et al. 2005; Schuh u. Franzkoch 2004). Ein frühzeitiger Wissenstransfer auf die Anläufe der folgenden Varianten verstärkt diesen Effekt (Thomke u. Fujimoto 2000). Die Ergebnisse der Studien bestätigen diese Wirkungszusammenhänge. Zudem fällt auf, dass die Entkopplung nicht nur innerhalb einer Unternehmens – wie z. B. durch Variantenbildung und deren separate Serienanläufe – zu einer verbesserten Anlaufperformance beiträgt, sondern dass auch Supply-Chain-Partner ihre anlaufenden Umfänge zeitlich voneinander „entzerren“, um somit Zeit- und Auslastungsverluste des Gesamtsystems durch Störungen der eigenen Produktion zu vermeiden (s. Abb. 10).
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Änderungsmanagement in der Anlaufphase Die funktions- und unternehmensübergreifende Planung und Abstimmung führt zu einer Reduzierung von technischen Änderungen, da integriert über die Notwendigkeit sowie das Timing von Änderungsvorhaben entschieden wird. Der gemeinsame Aufbau standardisierter Änderungsprozesse und deren informationstechnische Implementierung bieten die Grundlage für kurze Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten, da Verantwortlichkeiten und Ablauffolgen vorab festgelegt werden (Fitzek 2006). Diese Wirkungszusammenhänge werden durch die Forschungsergebnisse bestätigt (s. Abb. 11). So trägt die bereichs- und standortübergreifende Integration von Änderungsmanagementprozessen dazu bei, Durchlaufzeiten bei anfallenden Änderungen deutlich zu reduzieren.
Abb. 11 Ausgewählte Gestaltungsempfehlungen für das Änderungsmanagement (St. Galler Benchmarkingstudie Anlaufmanagement)
Fazit und Einordnung der Fallstudien Eine Anlaufstrategie ist ein übergeordnetes Regelwerk, welches grundsätzliche Zielsetzungen und Vorgehensweisen für sämtliche Serienanläufe eines Automobilherstellers beinhaltet. Sie trifft Aussagen zur Ausgestaltung der einzelnen Managementdimensionen des integrierten Anlaufmanagementmodells und definiert Koordinationsmechanismen zwischen den beteiligten Supply-Chain-Partnern und unternehmensinternen Unternehmensbereichen. Das Supply Chain Management
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bietet für die Umsetzung der Anlaufstrategie handfeste Ansatzpunkte, insbesondere zum Flexibilitäts-, Komplexitäts-, Qualitäts- und Kostenmanagement. Anlaufmanagern in der Praxis soll es anhand des Beitrags möglich sein, ihre Zielsetzungen für den Serienanlauf gemeinschaftlich mit ihren Supply-Chain-Partnern strukturiert zu verfolgen. Die Konzepte sollten jedoch nicht blind dogmatisch verfolgt, sondern innerhalb einer Anlaufstrategie differenziert angewendet werden. So mag es z. B. durchaus sinnvoll sein, die Integration mit Lieferanten abhängig von der Kritizität und Wichtigkeit des Lieferanten auszugestalten. Die Fallbeispiele aus der Praxis beleuchten die Formulierung von Anlaufstrategien aus Sicht eines Herstellers und eines Zulieferers. Es wird in beiden Fällen die Bedeutung der Formulierung einer konkreten, für alle Anläufe eines Unternehmens gültigen Anlaufstrategie herausgestellt. Eine Allgemeingültigkeit der Anlaufstrategie lässt es zu, die gefällten strategischen Entscheide in definierte Strukturen und Prozesse zu überführen, anhand derer die Koordination mit den entsprechenden Funktionen und Supply-Chain-Partnern erfolgen kann. Auf der Herstellerseite beschreibt die Fallstudie der AUDI AG die Entscheidung zu einer Flexibilisierung des Anlaufmanagements. Es wird dargestellt, wie durch eine unternehmensübergreifende informationstechnische und personelle Integration kurzfristige Änderungen und neueste Innovationen noch kurz vor SOP in das neue Produkt einfließen können, ohne dass die Ziele des Anlaufs gefährdet werden. Ein Best-Practice-Beispiel auf Ebene der Lieferanten ist die Firma KS Aluminium-Technologie AG. Die Fallstudie stellt die Entscheidung dar, das Anlaufmanagement verstärkt in den Produktentstehungsprozess zu integrieren. Zudem wird aufgezeigt wie Aufgabenumfänge, welche bisher kurz vor SOP durchgeführt wurden, bewusst in frühere Phasen dieses Prozesses eingebunden werden können. Die Fallstudie schließt mit der Umsetzung dieser Frontloading-Strategie durch eine enge Koordination und prozessuale Einbindung der beteiligten Funktionen und Kunden.
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Die Strategie der Integrierten Wertschöpfungskette zur Anlaufsteuerung bei der Vorserienlogistik der AUDI AG Ralf Beetz, Alexander Grimm, Timo Eickmeyer AUDI AG
Die AUDI AG Der Grundstein in der Geschichte der AUDI AG wurde 1932 mit dem Zusammenschluss der vier Automobilfirmen Wanderer, Horch, DKW und Audi gelegt. Unter dem symbolisch für diesen Zusammenschluss stehenden Firmenzeichen der vier verschlungenen Ringe und dem Namen AUTO UNION AG, bzw. wenig später AUTO UNION GmbH, wurden mit gebündeltem Know-how Automobile gefertigt. Die heutige Form der AUDI AG entstand aber erst mit einem weiteren Zusammenschluss. 1969 tat sich die AUTO UNION GmbH mit der NSU Motorenwerke AG zusammen. Heute zählt die AUDI AG zu einer der erfolgreichsten Marken im Premiumsegment und steht getreu dem Motto „Vorsprung durch Technik“ für die Herstellung sportlicher und innovativer Automobile. Die Unternehmenszentrale befindet sich in Ingolstadt, dem mit rund 31.300 Mitarbeitern größten Standort. Neben der Produktion der Modellreihen A3 und A4 befinden sich in Ingolstadt noch der Karosseriebau und die Lackierung für das TT Coupé und den TT Roadster. Mit seinem Werk in Neckarsulm hat Audi einen zweiten großen Traditionsstandort. An dem Produktionsstandort fertigen heute rund 13.400 Mitarbeiter die Premiummodelle A6 und A8. Darüber hinaus befinden sich am Neckarsulmer Standort der AUDI AG das moderne Aluminium- und Leichtbau-Zentrum sowie der Hauptsitz der quattro GmbH, die seit 2007 den Sportwagen R8 vom Band laufen lässt. Am ungarischen Standort Györ, dem Ort der Montage des Audi TT, befindet sich das Motorenkompetenz- und Entwicklungszentrum der AUDI AG. Mit rund 1,9 Mio. gefertigten Motoren (Stand: 2006) zählt dieser Standort zu den wichtigsten Motorenlieferanten der AUDI AG und des Volkswagenkonzerns. Für die Produktion des Q7 nutzt Audi den VW-Standort Bratislava in der Slowakischen Republik und zur Versorgung des chinesischen Marktes befindet sich ein weiteres Werk in Changchun.
G. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © AUDI AG 2008
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Die Vorserienlogistik bei der AUDI AG Die Vorserienlogistik bei Audi ist eine im Geschäftsbereich Produktion angelegte Organisationseinheit, die der Markenlogistik unterstellt ist. Im Gegensatz zur Werkslogistik ist die Vorserienlogistik standortübergreifend organisiert. Sie agiert nach Fahrzeugbaureihen gegliedert an allen Audi-Produktionsstandorten. Gemäß Regelablauf des Produktprozesses (PP) nimmt die Vorserienlogistik ihre Aufgaben mit der Freigabe des Daten-Kontroll-Modells (DKM) auf (siehe Abb. 1). Ab diesem Zeitpunkt sind alle kundenrelevanten Fahrzeugoberflächen, sowohl innen wie außen, freigegeben und die ersten Beschaffungs-Freigaben (B-Freigaben) liegen vor. Mit DKM-Freigabe vertritt die Vorserienlogistik zusammen mit der Logistikplanung die Logistik im Simultaneous-Engineering-Prozess (SE-Prozess), indem sie Projektmeilensteine verfolgt, Änderungen vorbereitet und koordiniert sowie in Entscheidungsgremien präsentiert. In Bezug auf Fahrzeug-Stücklisten und Freigaben übernimmt sie eine Treiberfunktion. Gleichzeitig beginnt die Vorserienlogistik mit dem Vorserienfahrzeug-Management, das sich mit der Programmplanung der Vorserienfahrzeuge sowie der Abstimmung von Aufbaukapazitäten und Budgets befasst. Wenn alle B-Freigaben vorliegen und der endgültige Markteinführungstermin bestätigt wird, erfolgt die Launch-Freigabe. Zu diesem Zeitpunkt beginnt im Vorserienfahrzeug-Management die Auftrags- und Baubarkeitsprüfung, die Aufbausteuerung der Vorserienfahrzeuge und die Betreuung von Sonderfahrzeugen (Messe, Presse, Abnahmefahrt). Zur Sicherstellung der Teileversorgung von Vorserien-Fahrzeugen bis zur serienmäßigen Beschaffbarkeit der Teile, beginnt wenig später die Vorserienlogistik mit der Teilebeschaffung. Der als Program Readiness bezeichnete Prozess dient der Anlaufabsicherung und der Absicherung der Hochlaufkurve der Fabrik. Dies beinhaltet zum einen das Bedarfs- und Kapazitätsmanagement, auf das an späterer Stelle noch genauer eingegangen wird. Zum anderen Lieferantengespräche zur Abstimmung von Terminen und Änderungen, das Einleiten von Sondermaßnahmen bei terminkritischen Umfängen und erforderlichenfalls Eskalationsmanagement.
Abb. 1 Einordnung der Aufgaben der Vorserienlogistik im PP
Die Strategie der Integrierten Wertschöpfungskette zur Anlaufsteuerung
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Einflussfaktoren und Randbedingungen von Anläufen bei der AUDI AG Die grundsätzliche Auslegung der Anlaufstrategie bei Audi leitet sich aus der Wettbewerbsstrategie von Audi ab. Mit der Unternehmensstrategie „Route 15“ hat sich die AUDI AG das Ziel gesetzt, bis 2015 der erfolgreichste Premiumhersteller mit höchster Kundenzufriedenheit zu werden. Zugleich strebt Audi eine starke Kapitalrendite, eine jährlichen Absatzmenge von 1,5 Mio. Fahrzeugen und den Ruf als attraktivster Arbeitgeber an. Um heute und in Zukunft im Premiumsegment höchste Kundenzufriedenheit zu erreichen, hat Audi den Anspruch, seinen Kunden ein in Technologie und Qualität überlegenes Produkt anzubieten. Diese Strategie der Innovationsführerschaft kommuniziert Audi seinen Kunden bereits seit mehreren Jahrzehnten mit dem Slogan „Vorsprung durch Technik“. Der Technologisierungsgrad eines Audi ist daher enorm gestiegen. Schon heute stehen bei Audi 80 – 90% der Entwicklungsarbeiten im Zusammenhang mit Elektronik. Verschiedene Studien rechnen damit, dass sich dieser Trend weiter fortsetzt und der Anteil der Elektronik an den Produktionskosten eines Fahrzeuges, die heute rund 30% ausmacht, bis 2010 auf ca. 40% steigt. Um das Angebot adäquat auf die Bedürfnisse der Kunden abzustimmen, ist der Trend zu individualisiertem Nachfrageverhalten der Kunden bei Audi stark in den Fokus gerückt. Besonders anschaulich lässt sich das an der veränderten Modellvielfalt erkennen. Während ein Kunde in den 80er Jahren bei Audi lediglich die Wahl zwischen knapp einer Handvoll verschiedenen Modellen hatte, sind es Anfang 2007 bereits 22. Neben der Erweiterung der Anzahl an Derivaten in den einzelnen Modellreihen, wie z. B. durch Coupés, Kombis oder Sportversionen, wurden zum Teil komplett neue Segmente, wie jüngst durch Audis ersten SUV, den Q7, oder den Sportwagen R8 erschlossen. Um dem Kunden bis 2015 sogar eine Auswahl an rund 40 Modellen bieten zu können, hat Audi ein „Modellfeuerwerk“ gestartet und alleine 2006 elf neue Produkte in den Markt eingeführt, wie in Abb. 2 ersichtlich ist. In konsequenter Weiterführung dieser Strategie müssen auch die Fahrzeugkonfiguration und die Auswahl an (Sonder-) Ausstattungselementen einen weiten Spielraum für Individualisierungswünsche bieten. Dass pro Jahr im Durchschnitt nur zwei Fahrzeuge vom Band laufen, die in Ausstattung identisch sind, zeigt wie weit Audi sein Angebot auf die Individualisierungsbedürfnisse der Kunden anpasst. Damit steigen Teilevielfalt und Variantenvielfalt beträchtlich, was in Abb. 3 exemplarisch anhand einer Hutablage dargestellt ist. Einer „Explosion“ an Varianten- und Modellvielfalt steht eine Verkürzung des Produktlebenszyklus (PLZ) gegenüber. Betrug der PLZ eines Modells in den 80er Jahren im Durchschnitt neun Jahre, betrug dieser im Jahre 2005 nur noch sechs Jahre. Für das Anlaufmanagement bei Audi bedeutet dies eine damit einhergehende produktspezifische Verkürzung der Abstände zwischen den Anläufen, während zudem die Gesamtzahl der Produkte ansteigt. Dies führt letztlich zu einer Umstellung von einer sequenziellen zu einer parallelen Staffelung der Serienanläufe bei Audi. Einen guten Eindruck von der hohen Anlaufdichte und dem damit verbundenen Koordinationsbedarf bekommt man, wenn man sich vergegenwärtigt, dass bei Audi
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Abb. 2 Entwicklung der Modellvielfalt am Beispiel der B-Reihe
Abb. 3 Komplexität durch Variantenvielfalt am Beispiel der Hutablage
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Anfang 2006 zusätzlich zu den elf Anläufen der für dieses Jahr geplanten Markteinführungen, aufgrund der vierjährigen Entwicklungszeit, die Anläufe der nächsten drei Jahre phasenverschoben bereits parallel liefen. Zusätzlicher Nebeneffekt dieser Entwicklung ist, dass in dem PLZ des jeweiligen Modells die Anzahl der verkauften Fahrzeuge und somit seine Produktrendite tendenziell sinkt. Diese beiden genannten Effekte betonen die Bedeutung eines effizienten Anlaufmanagements für Audi und einer damit einhergehenden Verkürzung der Time-toMarket, um eine ausreichende Produktrendite sicherzustellen.
Herausforderungen des Anlaufmanagements bei der AUDI AG Oberstes Ziel eines jeden Anlaufprojektes bei Audi ist die termingerechte und mengenmäßige Erfüllung der Kundenaufträge und die Sicherstellung der Kundenzufriedenheit. Dieses Projektziel wird durch die Vorserienlogistik unterstützt, indem sie in der Vorserie ein stabiles Bauprogramm gewährleistet und den Anlauf und die Hochlaufkurve der Fabrik absichert. Welche Herausforderungen hinter den angestrebten Zielen für die Vorserienlogistik und alle anderen am Anlauf beteiligten Bereiche stehen, wird bei näherer Betrachtung der Entwicklungen der vergangenen Jahre deutlich. Da die Produktrendite aufgrund der kürzeren Zeit am Markt tendenziell gesunken ist, muss die hohe Anlaufdichte mit weitestgehend konstant bleibenden Kapazitäten bewältigt werden, um die Marge durch zusätzliche Personalkosten nicht weiter zu schmälern. Da die im Ablauf eines Anlaufes freiwerdenden Kapazitäten bereits an anderer Stelle eingeplant sind, kann bei der hohen Anlaufdichte das Nichteinhalten von Terminen bereits in frühen Phasen des PP den Produktionsstart (SOP) gefährden, was ein erhöhtes Risiko von Folgeverschiebungen in Form eines „DominoEffektes“ birgt. Eine der primären Herausforderungen des Anlaufmanagements liegt somit im effizienten Einsatz der zur Verfügung stehenden Kapazitäten und einer dementsprechenden Kapazitätsplanung. Neben der Sicherstellung interner Kapazitäten zur Deckung des bei Anlaufprojekten stark erhöhten Personalbedarfs, müssen auch Absicherungsmaßnahmen in Bezug auf externe Kapazitäten getroffen werden. Systemlieferanten der AUDI AG sind ein starker Partner beim Vorantreiben und Erschließen von Innovationen. Aufgrund ihrer hohen Fertigungstiefe und hohen Wertschöpfungsanteils im Entwicklungsprozess kommt der Sicherstellung externer Kapazitäten daher eine große Bedeutung zu. Die quantitative und qualitative Versorgungssicherheit der Bedarfe durch den Lieferanten muss auch in Hochlaufphasen stets gewährleistet werden. Eine weitere große Herausforderung resultiert aus dem Zusammenwirken einer verkürzten Time-to-market und eines gestiegenen Grades an Komplexität, aufgrund einer gewachsenen Teilevielfalt sowie des gestiegenen Technologisierungsgrades. In kürzerer Zeit muss die Serientauglichkeit von zahlreichen und technologisch an-
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spruchsvolleren Teilen bzw. ganzen Teilesystemen sowie deren Kompatibilität untereinander abgesichert werden. Diese Absicherung muss dabei den hohen Qualitätsansprüchen der Kunden sowie der AUDI AG an sich selbst genügen. Es soll jedoch nicht nur ein qualitativ hochwertiges, sondern auch ein in Innovation überlegenes Produkt angeboten werden. Bei konsequenter Einhaltung der Strategie bedeutet dies, dass bis kurz vor SOP noch Teileänderungen möglich sein können. Da eine Teileänderung weitere Teile der am Anlauf beteiligten Bereiche, bis hin zum Lieferanten berühren kann ist es nötig, Änderungen äußerst effizient ablaufen zu lassen. Zudem muss sich Audi im Anlauf ausreichend Flexibilität bewahren, um für späte Änderungen einen ausreichenden Spielraum sicherzustellen. Das Praxisbeispiel des Anlaufs der A6 Limousine im Jahr 2003 verdeutlicht diese Ausführungen, da in diesem Projekt aufgrund sehr später Entscheidungen (bedingt durch Veränderungen in der Nachfrage am Markt) die Schalttafel in der Nullserie noch einmal vollständig geändert und auf ein komplett neues Konzept umgestellt wurde. Um sich im Anlauf, trotz knapper Ressourcen und hoher Komplexität, eine solche Flexibilität zu behalten ohne die Liefertreue zu gefährden bedarf es einer weitreichenden Koordination und Kommunikation zwischen den beteiligten Bereichen und Partnern in der Wertschöpfungskette. Zu betonen ist dabei, dass Koordination und Kommunikation auf Unternehmensebene alleine nicht ausreichen. Nur ein kooperativer Ansatz über die gesamte (innerbetriebliche und außerbetriebliche) Wertschöpfungskette hinweg kann bei Audi ein effizientes Anlaufmanagement gewährleisten.
Kooperative Maßnahmen und Methoden im Serienanlauf und deren Umsetzung in der Vorserienlogistik Um den aufgeführten Herausforderungen begegnen und gleichzeitig Liefertreue und Personaleffizienz einhalten zu können, setzt die AUDI AG auf inner- und außerbetriebliche Zusammenarbeit und Integration der Funktionen und beteiligten Partner. Um dies gewährleisten zu können, wird anhand verschiedener organisatorischer und informationstechnischer Instrumente die innerbetriebliche und außerbetriebliche Integration der beteiligten Bereiche und Supply-Chain-Partner angestrebt.
Organisatorische Integration Durch die kurze Time-to-Market bedingt ist das Zeitfenster für die zahlreichen Prozesse und Aufgaben in einem Anlauf sehr eng. Zur termintreuen Bewerkstelligung dieses Unterfangens greift Audi im Anlaufmanagement auf das populäre Simultaneous-Engineering-Konzept zurück, um durch das Parallelschalten von Prozessen Zeit zu sparen.
Die Strategie der Integrierten Wertschöpfungskette zur Anlaufsteuerung
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Die Vorserienlogistik nimmt die Mitwirkung am SE-Prozess über die Teilnahme an Fachteams wahr. Fachteams bei Audi sind SE-Teams, in denen Informationsaustausch und Abstimmung der am SE-Prozess beteiligten Bereiche erfolgen. Als Kernaufgaben sind insbesondere das Termin- und Änderungsmanagement zu erwähnen. In den regelmäßig tagenden Teams sind Vertreter aller Geschäftsbereiche zugegen, wodurch stetiger Informationsaustausch und gleicher Informationsstand gewährleistet ist. Pro Anlaufprojekt gibt es sechs Fachteams, die in die Fachbereiche Aggregate, Fahrwerk, Unter-/Aufbau, Ausstattung, Elektrik/Elektronik und Gesamtfahrzeug gegliedert sind. Die Teilnahme an den Fachteams ist für die Vorserienlogistik von großer Bedeutung, da sie aufgrund ihrer bereits erwähnten Querschnittsfunktion zahlreiche Schnittstellen zu anderen Bereichen aufweist. Die Interessen und Belange der Logistik werden dabei zunächst von der Logistikplanung und später von der Vorserienlogistik vertreten. Der Wechsel der gegenseitigen Vertretung geschieht in Form einer „Staffelübergabe“ ca. 18 Monate vor SOP (DKM-Freigabe). Um die Vorteile des SE voll auszuschöpfen, ist eine frühzeitige Zusammenarbeit bedeutend, da mittels SE Kosten-, Zeit- und Qualitätsvorteile gerade in frühen Phasen der Entwicklung realisiert werden können. Diesem Umstand wird bei Audi dadurch Rechnung getragen, dass im Rahmen des Frontloadings ausgewählte Entwicklungstätigkeiten und digitale Simulationen gezielt in frühe Phasen des PP gelegt werden. Detaillierter wird auf diese Thematik im Audi-Beitrag „Logistikplanung vor SOP“ zum Kapitel „Logistikmanagement“ eingegangen. Da hinter diesen parallel geschalteten Prozessen verschiedene Fachbereiche stehen, entsteht an dieser Stelle im Gegenzug jedoch auch ein erhöhter Koordinationsbedarf. Aufgrund der Vorgabe, die Absicherung von internen Kapazitäten bei Audi trotz einer hohen Anlaufdichte ohne Erweiterung der Kapazitäten zu erreichen, muss Personal effizienter eingesetzt werden. In der Vorserienlogistik erfolgt eine Effizienzsteigerung über das Personalfloating. Darunter versteht man den flexiblen, bedarfsorientierten Personaleinsatz über die Baureihen- und Werksgrenzen, innerhalb des VW-Konzerns sogar über die Unternehmensgrenzen hinaus. In der Vorserienlogistik ist damit eine Effizienzsteigerung des Personaleinsatzes möglich, da während eines Anlaufprojektes in der Regel eine vollständige Kapazitätsauslastung bzw. -überlastung herrscht. Dem wiederum stehen Zeiten geringer Kapazitätsauslastung gegenüber. Da Anläufe in den verschiedenen Baureihen weitestgehend phasenverschoben erfolgen, lässt sich mit Personalfloating die Varianz in der Kapazitätsauslastung glätten. Der flexible Personaleinsatz ist dadurch charakterisiert, dass die Mitarbeiter ihrer originären Organisationseinheit zugeordnet bleiben und der Einsatz zeitlich begrenzt ist. Dadurch ergibt sich ein weiterer unschätzbarer Vorteil des Personalfloatings über Abteilungs- und noch viel mehr über Werksgrenzen hinweg. Durch die zeitliche Begrenzung des Mitarbeiteraustauschs wird der Transfer von Informationen, Know-how und Erfahrungen im Anlaufmanagement gefördert. Eine erfahrungsbedingte Performancesteigerung lässt sich daher nicht nur baureihenspezifisch realisieren, sondern prinzipiell in jedem Anlauf unternehmensweit.
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Voraussetzung für das Personalfloating-Modell ist zunächst die Auswahl der geeigneten Mitarbeiter. Da Personalfloating regelmäßig mit einem Standortwechsel, national wie international, verbunden ist, wird den Mitarbeitern ein hohes Maß an Flexibilität abverlangt. Zusätzlich muss das ausgewählte Personal entsprechend den Anforderungen des spezifischen Einsatzes vorbereitet und weitergebildet werden. Unter diesen Voraussetzungen ist Personalfloating ein wertvolles Instrument und kann durch den Erfahrungsaustausch und das Knüpfen von Kontakten die innerbetriebliche Integration erheblich fördern. Zur Sicherstellung der externen Kapazitäten und zur Erhöhung der Versorgungssicherheit zum SOP sowie in der Serie dient bei Audi das Bedarfs- und Kapazitätsmanagement („BKM“). Dieses Gremium wurde mit dem Ziel implementiert, Kapazitätsengpässe bei der Teileversorgung frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Während die Vorserienlogistik Termine verfolgt und somit frühzeitig Schwerpunktumfänge identifizieren und über die Vorstands-Information eskalieren kann, gleicht die Programmplanung Bedarfe und Kapazitäten ab. Gründe für Schwerpunktumfänge können unter anderem in unzureichenden Kapazitäten, der Veränderung der Bedarfssituation oder dem Neueinsatz von Items und Aggregaten liegen. Die ermittelten Schwerpunktumfänge werden an das BKM kommuniziert und von diesem mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Ein fokussiertes Monitoring kritischer Umfänge erlaubt es Probleme frühzeitig aufzudecken und diesen Problemen durch gezielte Maßnahmen entgegenzuwirken. Wenn z. B. festgestellt wird, dass die Kapazitäten eines Lieferanten die Bedarfe in der Hochlaufkurve nicht werden decken können, kann das BKM als gegensteuernde Maßnahme beschließen, dass zur Schaffung weiterer Kapazitäten die Erstellung zusätzlicher Werkzeuge angestoßen wird. Mit der Beseitigung von Kapazitätsengpässen und Vermeidung von Restriktionen bereits im Vorfeld trägt dieses Gremium entscheidend zur Absicherung der Bedarfe und damit der Erhöhung der Kundenauftrags- und Programmtreue bei.
Informationstechnische Integration Mit der Fokussierung auf inner- und außerbetriebliche Zusammenarbeit und Integration der Funktionen und beteiligten Partner ist ein hoher Bedarf an Koordination und Kommunikation verbunden. Dadurch erlangt das Schaffen von Transparenz und die Sicherstellung eines vollständigen Informationsflusses mittels informationstechnischer Integration hohe Priorität. Hierzu hat man bei der AUDI AG eine entsprechende IT-Struktur geschaffen. Aus Sicht der Vorserienlogistik muss diese mit ihren Aufgabenstellungen korrespondierend folgenden Ansprüchen genügen: die Gewährleistung von Transparenz auf Teile- und Fahrzeugebene, die Integration aller beteiligten Bereiche und die Einbindung des Lieferanten. Für die innerbetriebliche Zusammenarbeit kann die Vorserienlogistik auf die Programme DAISY (Definitions- und Aufbauinformationssystem) und TEVON (Teile-
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Verfolgung-Online) zurückgreifen, welche die benötigte Transparenz auf Teile- und Fahrzeugebene und die Beteiligung aller beteiligten Bereiche, bei Bedarf sogar auf Konzernebene sicherstellt. Für das Vorserienfahrzeug-Management verfügt die Vorserienlogistik mit DAISY über ein System, das der Transparenz auf Fahrzeugebene dient. Mittels DAISY wird ein durchgängiger Informationsfluss von der Planung eines Vorserienfahrzeuges bis hin zur Abgabe an den Besteller sowie die vollständige Dokumentation sichergestellt. Das Programm TEVON vernetzt alle Bereiche im gesamten VW-Konzern und stellt die Verfügbarkeit von Teileinformationen sicher. Alle Bereiche mit Zugang zu diesem Programm können über Teilenummern alle relevanten Informationen zu einem speziellen Teil beziehen. Lieferanteninformationen, Ansprechpartner (Konstrukteur, Einkäufer, Disponent, Qualitätssicherer), Lagerbestand/-bewegungen, Bedarfszahlen, Dialogfeld für Kommentare, Pflege von Verbaualternativen und Erstmustertermine sowie Zeichnungs- und Änderungsstände sind nur ein kleiner Auszug an Informationen, die das Programm dem Nutzer bereitstellt. Da diese Programme nicht nur unternehmens-, sondern konzernweit in der gesamten Volkswagengruppe eingeführt wurden, vereinfacht es zusätzlich die Komplexitätsreduktion durch Modularisierung über Baureihen und die Nutzung von Gleichteilen im Konzern. Um der außerbetrieblichen Zusammenarbeit und der Integration des Lieferanten im PP Rechnung zu tragen, wurde Audis Systemwelt um die B2B-Plattform LION (Lieferanten Teile Information Online) entscheidend erweitert. LION erlaubt die Einbindung des Lieferanten und fungiert als gemeinsame Schnittstelle der Technischen Entwicklung (TE), des Einkaufs, der Logistik, der Qualitätssicherung und dem Lieferanten (s. Abb. 4). Damit entfällt ein großer Teil an Koordinations- und Abstimmungsaufwand und Doppelarbeit wird durch die klaren Zuständigkeiten ver-
Abb. 4 Zusammenspiel TEVON und LION in der Vorserie
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mieden. Dem Prinzip „one face to the supplier“ folgend kann der Lieferant allen relevanten Bereichen der AUDI AG gleichzeitig Erstmustertermine kommunizieren, mit ihnen abstimmen und ggf. ändern. Trotz aller Vorkehrungen kann es dennoch dazu kommen, dass dem Kunden zur Markteinführung gewisse Teileumfänge oder Items noch nicht zur Verfügung stehen. Wenn dies geschieht, nachdem der Handel die ersten Kundenaufträge angenommen hat, würde dies bedeuten, dass Liefertermine nicht eingehalten werden könnten bzw. die Kunden ihre Bestellungen ändern müssten. Darüber hinaus würde es zu Störungen und Verwirbelungen in der Fabrik kommen. Um dieses Szenario zu vermeiden, existiert bei Audi, wie in Abb. 5 ersichtlich, der Mechanismus des Technischen Programm-Planungs-Ausschusses („T-PPA“) bzw. des Marken-Programm-Ausschusses („MPA“). Der T-PPA tagt regelmäßig unter Teilnahme von Vertretern der Entwicklung, Qualitätssicherung, Produktion, Beschaffung, Vertrieb, Fahrzeugsteuerung, Projektleitung, Werkslogistik und Vorserienlogistik. In diesem von der Vorserienlogistik geleiteten Ausschuss, der für alle kundenrelevanten Änderungen und Neueinsätze obligatorisch ist, werden die Einplanungsfreigaben für die entsprechenden Produkteigenschafts-Nummern (PR-Nr.) erteilt. Im Vorfeld der T-PPA-Freigabe, der einen harten Meilenstein im PP darstellt, werden in regelmäßig tagenden PRNr.-Runden freizugebende Spezifikationen von den Fachbereichsvertretern erörtert und in einem laufenden Status-Monitoring festgehalten. Bei Bedarf werden Risikoabschätzungen vorgenommen. Entscheidungen zu Freigaben und Einsatzterminen werden hierbei von allen Fachbereichen gemeinsam getroffen und getragen. Besonders kritische Umfänge werden in Form von Eskalationsberichten an den Vorstand kommuniziert, der in diesen Fällen eine Entscheidung fällt. Da das BKM eine wich-
Abb. 5 T-PPA und MPA im Kunde-Kunde-Prozess
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tige Quelle für Informationen über kapazitätsbedingte Verzögerungen darstellt, fließen auch seine Einschätzungen in den T-PPA-Prozess mit ein. Mit T-PPA-Freigabe, dem Öffnen der Schaugläser, werden Handel und Kunden PR.-Nr.-Einsätze kommuniziert, die als Spezifikationen in Kundenaufträgen vom Handel angenommen werden dürfen. Mit der Füllung der Schaugläser durch den Handel, wofür vier Wochen vorgesehen sind, werden die Liefertermine zugesagt. Anschließend plant der MPA die Kundenaufträge in das Fabrikprogramm ein und die physischen Aufträge werden in Form einer Fabrikationsübersicht (FU) an die Fabrik geleitet. Je nach Modell und Auftragsvolumen beträgt der Planungs-Horizont bis zu 24 Monate. Das Termin-Commitment gegenüber dem Handel und dem Kunden muss unbedingt eingehalten werden, um das Unternehmensziel Liefertreue und Kundenzufriedenheit zu gewährleisten.
Fazit: Optimierung der Lieferantenbeziehungen und des Personaleinsatzes als Grundlage für erfolgreiches Anlaufmanagement Um die Projektziele (Liefertreue und Kundenzufriedenheit) auch zukünftig realisieren zu können, sich aber gleichzeitig eine große Flexibilität zu bewahren, ist eine stetige Anlaufprozessoptimierung notwendig. Im Rahmen der Anlaufprozessoptimierung sind eine Vielzahl an neuen Methoden und Maßnahmen (weiter-)entwickelt, erprobt und nach einer erfolgreichen Testphase implementiert worden. Dabei haben sich besonders jene bewährt, welche die Prozesse an den Schnittstellen der gesamten Wertschöpfungskette verbessern. Im Zuge der Optimierung des Informationsflusses legt die AUDI AG daher den Fokus auf eine lückenlose Integration aller beteiligten Bereiche. Diese Vernetzung erfolgte beim Serienanlauf der Modelle A6 allroad und S6 (Markteinführung: 2006) erstmalig über das System LION. Zu Beginn erwies sich dabei vor allem die Anbindung externer Lieferanten als große Herausforderung (unterschiedliche Organisationsstrukturen, Systemwelten, Arbeitsweisen, usw.). Mithilfe von Informationsveranstaltungen, Schulungen von Lieferanten und Audi-Mitarbeitern und die Einrichtung einer LION-Hotline wurde eine hohe Akzeptanz für das neue System erreicht. Aus diesem Grund beteiligten sich Lieferanten und Mitarbeiter aktiv an einer Verbesserung und Weiterentwicklung von LION. Diese stellte sich als einer der ausschlaggebenden Faktoren für den erfolgreichen Einsatz von LION in den genannten Pilotprojekten heraus. Mit diesem Erfolg stand der Übernahme des LION-Prozesses in andere Baureihen nichts mehr im Wege, zunächst in Ingolstadt beim A4 und sukzessive in alle zukünftigen Anlaufprojekte. Ein Ausblick in die Zukunft zeigt, dass Integration und Kooperation mit den Lieferanten einen essenziellen Ansatzpunkt für erfolgreiches Anlaufmanagement darstellen wird. Mit Gründung einer eigenen Organisationseinheit, die sich aus-
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schließlich mit dem Thema „Lieferantenmanagement“ befasst und 2007 ihre Arbeit aufnimmt, wurde bereits der nächste Grundstein gelegt. Aufgrund sich immer schneller verändernder Rahmenbedingungen müssen neben externen Lieferanten auch die unternehmensinternen Mitarbeiter ein hohes Maß an Flexibilität zeigen. Neben der Auswahl und Qualifizierung geeigneter Mitarbeiter ist es dabei wichtig diese Flexibilität durch gezielte Maßnahmen zu fördern. Hierbei leistet bspw. Personalfloating mit dem Ziel eines unternehmensweiten Erfahrungsaustausches einen wichtigen Beitrag. Auf diese Weise können Erfahrungen mit bestehenden und neuen Prozessen (z. B. LION) bei der Planung neuer Anläufe einfließen und einen Beitrag zur unternehmensweiten Vereinheitlichung von Prozessen leisten. Neben der erwähnten Flexibilität bedeutet dies für den Mitarbeiter weitere Anforderungen, z. B. einen Standortwechsel oder Auslandseinsatz. Damit diese nicht als einseitige Belastung angesehen werden, stimmt Audi den Einsatz frühzeitig mit seinen Mitarbeitern ab und berücksichtigt deren persönliche und berufliche Belange. Im Rahmen des strategischen Ziels „Attraktivster Arbeitgeber“ führt Audi darüber hinaus regelmäßige Mitarbeiterbefragungen durch. Das sogenannte „Stimmungsbarometer“ erlaubt es Informationen über den Grad der Arbeitnehmerzufriedenheit zu gewinnen und diese fortlaufend zu messen. Zusätzlich wurde ein Ideenprogramm implementiert, das ein aktives Mitwirken der Mitarbeiter an einer stetigen Prozessoptimierung fördert. Eine hohe Mitarbeitermotivation ist unabdingbar, um schnell und flexibel auf Veränderungen reagieren zu können. Die hohen mittel- und langfristigen Herausforderungen an Audi und die gesamte Automobilindustrie zeigen, dass erfolgreiches Anlaufmanagement in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen wird: So werden z. B. neue Antriebstechnologien (bspw. im Rahmen der aktuellen Diskussion zur Reduktion von Emissionen) den Technologisierungsgrad und die Variantenvielfalt tendenziell weiter ansteigen lassen und somit die Komplexität in den Anläufen dementsprechend erhöhen.
Verbesserung der Anlaufperformance durch den Einsatz von Frontloading-Maßnahmen Stephan Beer Kolbenschmidt Aluminium-Technologie AG
Das Unternehmen/Ausgangssituation Die Kolbenschmidt Aluminium-Technologie AG ist ein etabliertes und führendes Unternehmen bei der Herstellung von Zylinderkurbelgehäusen (Motorblöcken) und Bedplates aus Aluminium. Die Muttergesellschaft Rheinmetall AG untergliedert sich in die Bereiche „defense“ und „automotive“. Den Automotive-Bereich stellt die Kolbenschmidt-Pierburg AG dar, die in fünf eigenständige Einheiten aufgeteilt ist: Pierburg, KS-Kolben, KS-Gleitlager, Motorservice und KS AluminiumTechnologie AG. Als tier1-supplier der Automobilindustrie weist die Kolbenschmidt-Pierburg AG eine geballte Kompetenz rund um den Verbrennungsmotor auf. Die Kernkompetenz der KS Aluminium-Technologie AG ist die innovative Entwicklung von Aluminium-Motorblöcken. Hierbei stellte in der Vergangenheit die Entwicklung von verschleißbeständigen Aluminiumlaufflächen (Alusil®, LOKASIL®) einen Schwerpunkt der Entwicklungstätigkeiten dar. Die in Abb. 1 gezeigte Auswahl der heutigen Produkte der KS AluminiumTechnologie AG verdeutlicht deren Komplexität, die sich im erforderlichen Anlaufmanagement widerspiegelt. Waren 1990 weniger als 20% der Motorblöcke in Europa aus Aluminium, so ist das Verhältnis von Gusseisen- zu Aluminium-Motorblöcken im Jahre 2006 annähernd gleich (Abb. 2). Grund für den stark zunehmenden Anteil an Aluminium ist das gewaltige Massenreduzierungspotenzial von ca. 30% bei Substitution des schweren Gusseisens (Abb. 3). Die Substitution begann daher bei den großen Motorblöcken mit der absolut gesehen höchsten Gewichtseinsparung. In den vergangenen zehn Jahren breitete sich der Siegeszug des Aluminiums auch auf die kleinen Drei- und VierZylinder-Motorblöcke aus. Für die KS-Aluminiumtechnologie AG bedeutete dies in den Jahren 1995 bis 2005 eine Umsatzsteigerung um mehr als 150%.
G. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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Abb. 1 Überblick über das Produktspektrum der KS Aluminium-Technologie AG (AluminiumMotorblöcke in den verschiedensten Bauarten und Bauformen)
Abb. 2 Substitution der Gusseisen-Motorblöcke durch den Werkstoff Aluminium
Randbedingungen des Anlaufes Ein stetig wachsendes Umweltbewusstsein sowie steigende Kundenwünsche an die Motorenleistung resultieren in heute immer höher werdenden Anforderungen der Fahrzeughersteller. Gilt noch aktuell eine spezifische Leistung von 100 PS pro Liter Hubraum als hoch, so geht der Trend bereits in die Richtung von 100 kW pro Liter Hubraum. Dabei sollen die Motoren gleichzeitig kleiner und leichter werden („downsizing“). Die aktuelle Diskussion bezüglich CO2 -Emissionen wird diesen Trend noch verschärfen. Eine weitere Herausforderung stellen sehr hohe Zünddrücke von rund 200 bar beim Diesel dar.
Verbesserung der Anlaufperformance durch den Einsatz von Frontloading-Maßnahmen
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Abb. 3 Tatsächliche Motorblock-Massen: das Massenreduzierungspotenzial bei Substitution des Gusseisens durch Aluminium beträgt ca. 30%
Diese genannten Entwicklungsziele der Motorenbauer münden in weiter steigenden Anforderungen an den Motorblock: so müssen hohe Lagerstuhlfestigkeiten von bis zu 300 MPa realisiert werden, um die hohen Kräfte auf die Kurbelwelle übertragen zu können. Ebenso ist eine hohe Bauteilsteifigkeit vonnöten. Um die ehrgeizigen Gewichtsziele darzustellen, müssen Wandstärken reduziert werden. Weiterhin sind Hinterschnitte in den Motorblock einzubringen, die sich durch den Einsatz von Sandkernen, die aus dem Gussteil entfernt werden, darstellen lassen. Die gestiegene Motorenleistung verlangt verbesserte Kühlkonzepte, die ebenfalls durch immer komplexer werdende Sandkerne abgebildet werden. Je nach Modelltyp differieren die Anforderungen weiter. Beispielsweise ist bei AUDI der Gewichts- und Größenaspekt von besonderem Interesse, da der Motor infolge des Quattroantriebes vor der Vorderachse liegen muss. Daher werden hier sehr filigrane Motoren mit Stegbreiten (Abstand zwischen den Zylinderbohrungen) bis 5, 5 mm gefordert. Zur verbesserten Wärmeabfuhr sind teilweise dünne Kühlkanäle in sehr dünnen Wandstärken benötigt, die durch Sand- oder Salzkerne geformt werden. Dies bedeutet eine hohe Herausforderung an die Sandkerne sowie an das Gussstück. Eine solch herausfordernde Aufgabe lässt sich nur in enger Kooperation mit dem Kunden erfolgreich bewältigen. In enger Abstimmung mit dem Kunden gilt es, sich iterativ einer praktikablen Lösung anzunähern. Dies gelingt unserer Meinung nach nur dann, wenn das Projekt professionell mit einer klaren einheitlichen Systematik gemanagt wird. Dazu haben wir das Projektmanagement unter die Lupe genommen und deutlich weiterentwickelt. So wurde der Produktentstehungsprozess (PEP) genau analysiert und den gewachsenen Bedürfnissen unserer Kunden angepasst. In regelmäßigen Projektmeet-
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ings wird dem Kunden der Projektstatus berichtet und auf die Knackpunkte (mit Lösungsansätzen) hingewiesen. Der „PEP“ ist gekennzeichnet durch die Kundenforderung, so früh wie möglich zu befeuernde Motorblöcke zu erhalten, um die notwendigen Motorentests durchzuführen. Dabei ist die „Designänderungsfreudigkeit“ des Kunden hoch, oft sind bis kurz vor SOP Designänderungen umzusetzen (teilweise auch noch nach SOP). Gleichzeitig wird die zur Verfügung stehende Zeit immer geringer. Der Kunde erwartet bereits zum Ende des Entwicklungsprozesses (also zu SOP) fertig entwickelte Produktionsprozesse mit einer stabil zu haltenden Produktqualität, die der jeweiligen Produktspezifikation entspricht. Dazu sind stabile Produktionsprozesse mit genügend großen Prozessfenstern zu entwickeln, um unvermeidbare Schwankungen innerhalb der Toleranzbänder in gewissen qualitätsrelevanten Prozessparametern auszugleichen. Zudem erwartet der Kunde gegenüber dem Vorgängerprodukt geringere Preise. All dies erfordert höchste Ansprüche an den Hersteller der Motorblöcke, um in kürzesten Entwicklungszeiten zu geringen Produktionskosten eine sehr gute Gussqualität stabil darzustellen.
Problematik Bei der KS-Aluminium-Technologie AG ballte sich insbesondere in den Jahren 2000/2002 die Anzahl von Produktneuanläufen. Die Produktentwicklung erfolgte mit Prototypenwerkzeugen im Prototypengießverfahren, dem Sandgussverfahren. Das Sandgussverfahren entspricht jedoch nicht dem Seriengießprozess, sodass die Entwicklung des Serienprozesses einer kompletten Neuentwicklung gleicht. Die Entwicklung der Serienprozesse erfolgte erst unmittelbar vor Serienstart. Gründe für diesen späten Zeitpunkt waren die bis zuletzt hinausgezögerte Bestellung der Seriengießwerkzeuge (infolge notwendiger Designmodifikationen des jeweiligen neuen Produktes kam es erst sehr spät zu dem „designfreeze“) sowie erschwerend hinzugekommenen internen Kapazitätsengpässen. Unter Produktionsdruck und dem gleichzeitigen Anlauf gleich mehrerer nicht optimierter Gießwerkzeuge eines Produktes ist die Sicherstellung der Kundenbelieferung erste Priorität. Daher konnten die Seriengießprozesse nicht systematisch analytisch entwickelt werden. Die erforderlichen Verbesserungsmaßnahmen mussten sukzessive in alle bereits vorhandenen Seriengießwerkzeuge eingebracht werden. Dies resultierte darin, dass zum Teil mehrere Monate mit nicht optimierten Gießwerkzeugen produziert werden musste. Zusätzlich gab es hausintern in der Organisationsstruktur noch kein durchgängiges professionelles Projektmanagement, auch wurden die bereits vorhandenen Simulationstools nur unzureichend genutzt. Die Folge aller genannten Unzulänglichkeiten waren zu geringe Prozessstabilitäten verbunden mit zu hohen Ausschussraten und geringen Anlagenproduktivitäten, und zwar nicht nur zu Beginn des Serienstarts: Einige Produkte leiden noch heute unter den „Geburtswehen“. Dies führte zu einem kräftigen Ergebnisrückgang des
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Unternehmens, der im Wesentlichen auf die erhöhten Serienanlaufprobleme zurückzuführen war.
Ziele des Anlaufmanagements Die Erfahrung der Produktneuanläufe in den Jahren 2000/2002 führte zur hausinternen Forderung, das Anlaufmanagement zukünftiger, neuer Produkte deutlich zu verbessern. Es galt, die identifizierten Schwachstellen innerhalb des Produktentstehungsprozesses zu beheben sowie die Übergabe an die Produktion reibungsloser zu gestalten. Die strategischen Oberziele waren die Verkürzung der Entwicklungszeiten („Time-to-Market“) und Entwicklungskosten, die Qualitätsverbesserung der Entwicklungsleistung sowie die Erhöhung der Flexibilität bei Kundenwünschen. All dies sollte in einem deutlich verbessert entwickelten Produktionsprozess für das neue Produkt münden. Dabei geriet vor allem das „Frontloading“ in den Fokus (Abb. 4) mit den folgenden Einzelzielsetzungen: • Standardisierung und Weiterentwicklung des Projektmanagements • Anpassung des Produktentstehungsprozesses („PEP“) an die gewachsenen Bedürfnisse der Kunden • Nutzung der vorhandenen Simulationstools im „PEP“ • Entwicklung der Produkte sowie der entsprechenden Fertigungsprozesse vor Serienstart • Direkte Entwicklung des Serienprozesses ohne vorherigen Prototypenprozess (wenn möglich) • Übergabe fertig entwickelter Prozesse von der Entwicklung an die Produktion
Abb. 4 Umgesetztes „Frontloading“ führt zu einem geordneten Projektablauf und ermöglicht einen planmäßigen Serienstart ohne Hektik und Aktionismus
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• Serienstart mit eingestellten Planwerten hinsichtlich Nutzung, Taktzeit und Qualität • Generelle Erhöhung der Stabilität der Produktionsprozesse
Lösungen, Methoden und Instrumente Um die genannten Zielsetzungen zu erfüllen, wurde eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, die allesamt in einem aktiven „Frontloading“ im Entwicklungsprozess zur deutlichen Verbesserung des Anlaufmanagements münden. Ein zentrales Thema ist die möglichst enge Kommunikation mit dem Kunden, um immer schnellstens für Klarheit zu sorgen. Dazu hat die KS-AluminiumTechnologie AG „Kundenteams“ eingerichtet, die jeweils von einem Key-AccountManager geführt werden. Die Kundenteams sind in einer Matrixstruktur in die Organisation eingebunden und bestehen aus Mitarbeitern aus Vertrieb, Projektmanagement, Konstruktion und Qualitätsmanagement. Jedes Kundenprojekt wird von einem Projektmanager geleitet, der im Kundenteam organisiert ist. Die Projektmanager genossen eine Projektmanagerausbildung und wenden ein standardisiertes Projektmanagement an, welches sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert hat. Das Projektmanagement begleitet den gesamten Produktentstehungsprozess „PEP“ von der Kundenanfrage bis zur Projektübergabe an die Produktion (Abb. 5). Diese Projektübergabe geschieht in Form eines Review-Gespräches drei Monate nach SOP mit offizieller Entlastung der Entwicklung sowie Verantwortungsübertragung an den betreffenden Produktverantwortlichen in der Produktion. Im Standard-Projektablauf ist die frühzeitige Formfüll- und Erstarrungssimulation (Abb. 6 und 7) integriert. Noch bevor das Gießwerkzeug erstellt ist, werden mit dem vom Kunden vorliegenden Datenmodell die Formfüllung und die Erstar-
Abb. 5 Der Produktentstehungsprozess „PEP“ beschreibt bis in die Details hinein den gesamten Entwicklungsablauf mit allen „AKVs“ (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten)
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Abb. 6 Die Erstarrungssimulation zeigt z. B. isolierte Restflüssigkeitsbereiche auf, die potenzielle Fehlerstellen im Gussteil bedeuten. Frühzeitig erkannt, können diese durch gießgerechtes Produktdesign vermieden werden.
Abb. 7 Die Isothermenverläufe beim Erstarrungsvorgang zeigen ebenfalls potenzielle Fehlerstellen auf
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rung simuliert. Dabei müssen der Wärmehaushalt der Kokille und die Druckkurve der Formfüllung exakt berechnet werden. Die Simulationsergebnisse verdeutlichen kritische Bereiche, in denen mit Gussproblemen (Lunker, Kaltläufe etc.) zu rechnen ist. Mit diesen vorliegenden Simulationsergebnissen wird nun frühestmöglich mit dem Kunden in Kontakt getreten mit der Zielsetzung, gemeinsam ein optimiertes Produktdesign zu entwickeln. Es folgen konsequente und intensive Simulationen verschiedener Varianten, um bereits am Computer das Produkt so gut wie möglich „gießen“ zu können. Die derzeitigen Aufgaben der Simulation sind: • Besseres Prozessverständnis für eine gemeinsame Prozessvorstellung schaffen („Was läuft in der Gießform ab?“) • Problemlösungsvorschläge aufzeigen und durch Berechnungen überprüfen • Kunden besser und schneller von gießtechnischen Änderungsvorschlägen überzeugen • Simulation ist nicht dafür da, den Fach-Ingenieur zu ersetzen • Simulation ist ein „Werkzeug“ wie z. B. die Metallografie Zukünftige Aufgaben der Simulation werden sein, sowohl die Eigenspannungen als auch die Bauteilfestigkeiten zu prognostizieren. Eine weitere Verbesserung stellt die Nutzung der Prozess-FMEA, die auf der Design-FMEA der Kunden basiert, dar. In der Prozess-FMEA werden die zur Produktion des Produktes notwendigen Herstellprozesse nach möglichen Fehlern und deren Einflussparametern analysiert. Daraus resultieren bereits im Vorfeld mögliche Vermeidungsmaßnahmen, die bei Auftreten von Fehlern umgesetzt werden. Die Prozess-FMEA wurde mit dem daraus resultierenden umzusetzenden Maßnahmenplan gekoppelt. Damit wird die Prozess-FMEA auch „gelebt“ und bewirkt einen Mehrwert für das Unternehmen. In Hinblick auf „Verkürzung der Entwicklungszeiten („Time-to-Market“)“ ist ein durchgängiger Datenfluss (Kunde – Werkzeugbauer – KS-ATAG) essenziell, den die KS-ATAG elektronisch sicherstellt. Nur so können nicht notwendige Liegezeiten der Daten sowie Übertragungsfehler vermieden werden. Weiterhin wurde die Versuchsgießerei mit Seriengießmaschinen erweitert. Organisatorisch und auch räumlich losgelöst von der eigentlichen Produktion werden hier systematisch und analytisch die Prozessentwicklungen vor Serienstart durchgeführt. Auch geschieht hier die Abbildung sämtlicher Vorserien.
Situationsanalyse zur Implementierung der Frontloading-Maßnahmen Die heutige Situation stellt sich wie folgt dar: • Die Füll- und Erstarrungssimulation ist im Standard-Projektablauf integriert und sowohl intern als auch von Kundenseite absolut akzeptiert. • Das Projektmanagement ist durchgängig installiert.
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Engste Kommunikation mit dem Kunden entspricht der Realität. Durchgängiger Datenfluss (Kunde – Werkzeugbauer – KS-ATAG) ist umgesetzt. Die Versuchsgießerei ist mit Seriengießmaschinen ausgestattet. Die Organisationsänderungen sind umgesetzt.
Am 4, 2 l-AUDI-V8-Motorblock lässt sich das Ergebnis dieser Veränderungen eindrucksvoll darstellen: Der Zeitraum vom Auftrag bis zum ersten Gussteil konnte auf ein knappes halbes Jahr mehr als halbiert werden. Nach der Auftragsvergabe wurde innerhalb von vier Monaten eine arbeitsfähige Kokille (wieder verwendbare Gießform) für diesen neuen Motorblock entwickelt und hergestellt. Mit dem kurzen Anlauf von nur sechs Monaten bis zur Erstellung testfähiger Zylinderkurbelgehäuse hat die KSAluminium-Technologie AG einen Benchmark gesetzt. Möglich wurde dies, indem die bislang als unverzichtbar gegoltene Modellierung des Motorblocks als Prototypen-Sandguss komplett übersprungen wurde. Dabei halfen der Einsatz der computergestützten Simulationswerkzeuge und die Einbindung des Werkzeugbauers schon in der Entwicklungsphase. Nach diesem „Pilotprojekt“ erfolgten bereits mehrere weitere Projekte für den Kunden AUDI und auch für andere Kunden, in denen auf die Sandgussphase verzichtet wurde. Neben einer verkürzten Entwicklungszeit beinhaltet dieses Vorgehen den Vorteil, dass die bereits zur Darstellung der Prototypen gewonnenen Erfahrungen direkt in den Seriengießprozess einfließen. Dies ist wertvoll für die generelle Prozessstabilität des Seriengießprozesses. Unter gewissen Rahmenbedingungen des Entwicklungsprojektes ist es allerdings weiterhin sinnvoll, eine Sandgussphase vorzuschalten: Sind bereits innerhalb weniger Wochen erste Prototypen erforderlich oder/und wird mit einem noch großen Änderungsumfang gerechnet, so kommt man um eine vorgeschaltete Sandgussphase nicht umhin. Es kann sogar sinnvoll sein, „Rapid Prototyping“-Produkte darzustellen, wenn die Zeitschiene selbst für eine konventionelle Sandgussphase zu kurz ist. Unter „Rapid Prototyping“ wird die schnellstmögliche Darstellung von verwendungsfähigen Prototypen verstanden, für die mehrere Methoden zur Verfügung stehen. Für die Produkte der KS-ATAG ist das „Sandkern-Printen“ (eine dem Tintenstrahldrucken vergleichbare schichtweise Darstellung von Sandkernen) ein geeignetes Verfahren, mit welchem innerhalb einer Woche nach Dateneingang verwendungsfähige Motorblöcke gegossen werden können. Seitdem begonnen wurde, das „Frontloading“ umzusetzen, verliefen sämtliche Serienanläufe planmäßig. Bereits nach wenigen Wochen wurden stabile Prozessabläufe umgesetzt. Der gesamte Produktentstehungsprozess stellt sich deutlich entspannter und geordneter dar. Im Idealfall erfolgt am Ende des Entwicklungsprozesses der reibungslose Serienstart des neuen Produktes. Die Ausschussraten haben sich gegenüber dem Jahre 2002 nahezu gedrittelt. Heute spricht bei der KS-Aluminium-Technologie AG niemand mehr über „instabile Produktionsprozesse“.
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Lessons Learned Natürlich kann ein erreichter Zustand niemals das Ziel bedeuten: Es werden immer wieder neue Ziele definiert, es gilt, sich kontinuierlich zu verbessern. Die Kolbenschmidt Aluminium-Technologie AG hat gelernt, dass eine nun installierte Matrixorganisation hohe Anforderungen an das Miteinander stellt: Kooperation und Teamgeist sind gefragt. Um die beteiligten Mitarbeiter entsprechend zu integrieren (und es sind nahezu alle Mitarbeiter des Unternehmens betroffen), finden Weiterbildungsprogramme statt: Einerseits werden die Mitarbeiter unternehmensintern geschult („ATAGACADEMIE“), andererseits findet ein Führungskräfteentwicklungsprogramm statt. Die Mitarbeiter müssen die installierte Matrixorganisation auch „leben“, damit sie auch funktionieren kann. Auf der Entwicklungsseite gibt es im Hause eine „Vision 2012“: die „virtuelle Produktentwicklung“. Mit immer weiter steigenden Rechnerkapazitäten lässt sich immer mehr im Vorfeld am Computer simulieren und somit aufwendige Testzyklen reduzieren. Ziele sind die Vorhersage von Bauteileigenschaften sowie Lebensdauerprognosen, noch bevor das zu entwickelnde Bauteil existiert. Dies alles führt zu immer höher belastbaren und dabei immer leichteren langlebigen Produkten. Und nicht zuletzt wird die virtuelle Produktentwicklung in weiter reduzierten Entwicklungszeiten und -kosten münden.
Teil II
Anlauforganisation
Anlauforganisation Bastian Franzkoch, Sebastian Gottschalk Werkzeugmaschinenlabor, RWTH Aachen
Einleitung Infolge des intensiven Wettbewerbs um Marktanteile finden sich die Unternehmen der Automobilindustrie in einem Innovationswettlauf wieder, der sich in den vergangenen 20 Jahren in einer deutlich ansteigenden Modell- und Variantenvielfalt sowie in sinkenden Modellzyklen und Entwicklungszeiten äußert (Schuh et al. 2002; Kalmbach 2003). Dementsprechend steigt auch die Anzahl der Serienanläufe an; bspw. hat sich in den letzten 20 Jahren die durchschnittliche Anzahl der Serienanläufe bei mehreren Automobilherstellern mehr als verdreifacht. Der Serienanlauf wird somit zum normalen Tagesgeschäft und hat sich zu einem Schlüsselprozess für die Unternehmen entwickelt, dessen technische und wirtschaftliche Beherrschung von höchster Relevanz ist. Zusätzlich zu der dargestellten zunehmenden Dynamik lassen sich zwei weitere Komplexitätstreiber im Serienanlauf identifizieren: • „Interdependenz einer Vielzahl von Gestaltungsobjekten“ und • „Interdisziplinarität der beteiligten Funktionalbereiche“. Während des Serienanlaufs wird eine Vielzahl interdependenter Gestaltungsobjekte – z. B. die zugrunde liegenden Technologien, das entwickelte Produkt, die anzuwendenden Prozesse, Produktionssysteme, das beteiligte Personal sowie die gesamte Logistikkette – erstmalig ganzheitlich zueinander in Beziehung gesetzt. Gleichzeitig arbeiten originär (räumlich) getrennte Funktionalbereiche – z. B. Produktion, Produktentwicklung, Logistik, Einkauf und Qualitätsmanagement – erstmalig sowohl unternehmensintern als auch unternehmensübergreifend interdisziplinär und vernetzt zusammen. Vor dem Hintergrund dieser drei Komplexitätstreiber wird der Anlauforganisation – als Bestandteil des integrierten Anlaufmanagementmodells – die Aufgabe zuteil, die involvierten Bereiche eines Serienanlaufs räumlich und formal zu strukturieren (Anlauf-Aufbauorganisation) sowie ihre zeitlichen und logischen Ablaufbeziehungen zueinander festzulegen (Anlauf-Ablauforganisation).
G. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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B. Franzkoch, S. Gottschalk
Exkurs – Traditionelle Organisationsformen Klassisch liegt der organisatorischen Gestaltung von Unternehmen die übliche Unterscheidung zwischen Aufbau- und Ablauforganisation zugrunde (Frese 1998). Die Aufbauorganisation bildet das hierarchische Gerüst einer Unternehmung, indem Aufgaben organisatorischen Einheiten zugewiesen sowie Weisungs- und Kommunikationsbeziehungen zwischen diesen Einheiten gestaltet werden. In diesem Zusammenhang kann zwischen Primär- und Sekundärorganisationen unterschieden werden. Die Primärorganisation besteht aus dauerhaften Organisationseinheiten wie z. B. Stellen und Abteilungen, die je nach Anordnung in ihrer hierarchischen Grundstruktur differieren. Die bekanntesten Formen von Primärorganisationen sind: • funktionale Organisation, • divisionale Organisation, • Matrixorganisationen. Aufgrund ihres hierarchischen Aufbaus entstehen innerhalb der Primärorganisation häufig Schnittstellenprobleme. Des Weiteren fallen in den Unternehmen viele Aktivitäten und Aufgaben an, die außerhalb der Routine und der hierarchisch vorgegebenen Struktur liegen. In solchen besonderen Fällen greifen die Unternehmen auf Sekundärorganisationen zurück, die die eigentliche Primärorganisation überlagern. Sekundärorganisationen sind hierarchieübergreifende/-ergänzende, zeitlich meist befristete Organisationseinheiten zur Durchführung neuartiger oder einmaliger Aktivitäten sowie zur Verbesserung bei dauerhaften Aufgaben. In der Praxis häufig vorkommende Formen von Sekundärorganisationen sind das Stabsprinzip, das Matrixprinzip, das Ausgliederungsprinzip und das Arbeitsgruppenprinzip. Beispiele für Sekundärorganisationen sind: • Projektteams, • strategische Geschäftseinheiten oder • Kollegien und Ausschüsse (Schmidt 1995). Während die Aufbauorganisation die strukturellen Rahmenbedingungen vorgibt, regelt die Ablauforganisation die innerhalb der Aufbauorganisation ablaufenden Arbeits- und Informationsprozesse. Unter Ablauforganisation wird die Kombination und Harmonisierung einzelner Arbeitsschritte zu komplexen Prozessen in zeitlicher, räumlicher, mengenmäßiger und logischer Hinsicht verstanden (Frese 1998; Schmidt 1994).
Organisationsformen für den Serienanlauf Bei der Gestaltung der geeigneten Organisationsform für den Serienanlauf müssen einerseits die drei eingangs vorgestellten Komplexitätstreiber „Dynamik“, „Interdependenz“ und „Interdisziplinarität“ einbezogen, andererseits die spezifische, traditionelle Organisationsform des jeweiligen Unternehmens berücksichtigt werden.
Anlauforganisation
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Abhängig von der unternehmensspezifischen Relevanz dieser Einflussgrößen sind die vier wesentlichen Bestandteile der Anlauforganisation: • • • •
Grundtypen von Anlauforganisationen Funktionsübergreifende Zusammenarbeit, Aufbau, Aufgaben und Kompetenzen von Anlaufteams sowie Profil des Anlaufmanagers
in den Unternehmen unterschiedlich stark ausgeprägt. Die vier Bestandteile werden in den nachfolgenden Unterkapiteln ausführlich beschrieben.
Grundtypen von Anlauforganisationen Dem im Jahr 2004 durch das WZL der RWTH Aachen und die Universität St. Gallen durchgeführten Benchmarking-Projekt „Anlaufmanagement für Automobilzulieferer“ zufolge führen 70% der befragten Unternehmen ihre Serienanläufe in einer speziellen Organisationsform durch (Abb. 1). 52% der Unternehmen wählen für die Durchführung eine temporäre Projektorganisation (Sekundärorganisation), in der die Mitarbeiter aus unterschiedlichen Funktionsbereichen anlaufspezifisch eingesetzt werden. Dominierende Projektorganisation ist eine Matrix-Projektorganisation, die die Basis für eine enge, funktionsübergreifende Zusammenarbeit mit kurzen Kommunikationswegen schafft und schnelle Entscheidungen in Problemsituationen ermöglicht. Unterschiedlich starke Ausprägungen lassen sich in Bezug auf die Ressourcenzuordnung zwischen Funktion und Projekt feststellen. Sie variieren insbesondere in Abhängigkeit von der Länge des Produktlebenszyklus, der Anzahl der zu bewältigenden Neuanläufe und der Produktkomplexität (Fitzek et al. 2004).
Abb. 1 Typische Organisationsformen für den Serienanlauf
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B. Franzkoch, S. Gottschalk
In Anlehnung an Wheelright/Clark lassen sich vier Grundtypen von Anlauforganisationen identifizieren, die von den befragten Unternehmen für die Durchführung ihrer Serienanläufe genutzt werden (Abb. 2). (1a) – Anlaufteam mit vollständig flexibler Mitarbeiterzuordnung: In dieser Organisationsform übernehmen die Mitarbeiter zusätzlich zu den Linienaufgaben Aufgaben in einem Anlaufteam. Vorteile: Diese Organisationsform zeichnet sich durch eine sehr gute und stabile Ressourcenauslastung aus, da die Mitarbeiter des Anlaufteams während eines Serienanlaufs noch ihre Funktion und Aufgaben in der Linie erfüllen. Darüber hinaus können durch die Mitarbeiter im Serienanlauf erworbenes Wissen und Erfahrungen persönlich in die Linie transferiert und im eigentlichen Tagesgeschäft direkt genutzt werden. Nachteile: Die vollständig flexible Mitarbeiterzuordnung führt dazu, dass zwischen der Linie und dem Anlaufteam häufig Ressourcenkonflikte entstehen und die betroffenen Mitarbeiter zu einem Spielball unterschiedlicher Interessen werden. In vielen Unternehmen werden die Probleme aufgrund der disziplinarischen Hoheit des Linienvorgesetzten zu Ungunsten der Projektarbeit gelöst. Wegen der hohen Doppelbelastung der Mitarbeiter werden die Anlaufteams mit jedem Serienanlauf neu besetzt, was die Entwicklung von Lerneffekten verhindert. (1b) – Anlaufteam mit fester Mitarbeiterzuordnung: Für die Gestaltung dieser Organisationsform werden die Mitarbeiter temporär aus ihren Linienfunktionen herausgelöst und einem Anlaufprojekt fest zugeordnet. Zusätzlich zu der Projektarbeit übernehmen sie keine Aufgaben in der Linie. Vorteile: Die Freistellung der Mitarbeiter von der Linienarbeit führt zu einem klar strukturierten Anlaufprozess mit einer hohen Ressourcenausstattung des
Abb. 2 Grundtypen von Anlauforganisationen (Fitzek 2006)
Anlauforganisation
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Anlaufteams, da die Mitarbeiter keine Doppelbelastung erfahren und sich vollständig auf die Aufgaben im Anlaufteam konzentrieren können. Nachteile: Die feste Mitarbeiterzuordnung zu einem Anlaufteam kann je nach Projektphase und Arbeitsschwerpunkten zu einer geringeren Ressourcenauslastung führen. Außerdem geht mitunter die Wiedereingliederung der Mitarbeiter in die Linie nach Beendigung eines Serienanlaufs nicht reibungslos vonstatten. (2a) – Eigenständige Funktionseinheit in der Linie zur Durchführung ausgewählter Kernaufgaben: Die Mitarbeiter werden in einer eigenständigen Funktionseinheit gebündelt, um Kernaufgaben wie bspw. die Anlaufplanung für alle Anläufe eines Produktionsverbundes durchzuführen. Vorteile: Mithilfe dieser eigenständigen Funktionseinheit, die sich standortübergreifend mit den Kernaufgaben im Anlaufmanagement beschäftigt, werden Anlauf(prozess)wissen und -kompetenz in einer Instanz gebündelt. Zentrale Aufgaben und Anlaufprozesse können mit dieser Organisationsform innerhalb eines Unternehmensverbundes standardisiert und kontinuierlich verbessert werden. Nachteile: Häufig fehlt den eigenständigen Funktionseinheiten – z. B. wegen der geografischen Trennung in einem globalen Unternehmensverbund – der direkte Bezug zu der Linienorganisation, was zu Akzeptanzproblemen bei der Linienorganisation und den werksspezifischen Projektteams führen kann. (2b) – Eigenständige Funktionseinheit in der Linie zur methodischen Unterstützung aller Anlaufaktivitäten: In dieser Organisationsform werden die Mitarbeiter in einer eigenständigen Funktionseinheit gebündelt, um alle Serienanläufe eines Unternehmensverbundes methodisch zu unterstützen. Vorteile: Bedeutende Aufgaben dieser zentralen Organisationseinheit sind die • • • • •
Entwicklung, Identifikation, Standardisierung, kontinuierliche Verbesserung und Weitergabe
von erfolgreichen Serienanlaufpraktiken innerhalb des gesamten Unternehmensverbundes. In operativer Hinsicht leistet dieses Unterstützungsteam bei der Durchführung von Serienanläufen Hilfestellung, indem es die Aktivitäten temporärer Anlaufteams koordiniert, Schulungsunterlagen erstellt und Mitarbeiter schult. Nachteile: Mit der Gestaltung einer solchen Organisationseinheit geht der Aufbau zusätzlicher nicht unmittelbar produktiver Mitarbeiterressourcen einher. Daher leisten sich in der Praxis eher Automobilhersteller und große Automobilzulieferer eine Investition in diese unterstützende Organisationsform. Die Diskussion der unterschiedlichen Grundtypen von Anlauforganisationen hat gezeigt, dass die Organisationsform den Unternehmensvoraussetzungen und -bedürfnissen entsprechend ausgewählt werden muss. In erster Linie gilt für alle Unter-
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nehmen, das Dilemma zwischen rechtzeitiger Anlauffähigkeit auf der einen und unnötigem Ressourcenverzehr (Blindleistung) auf der anderen Seite zu lösen.
Funktionsübergreifende Zusammenarbeit Unabdingbare – oft aber vernachlässigte – Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung von Serienanläufen stellt die funktionsübergreifende Zusammenarbeit zwischen internen und externen beteiligten Organisationseinheiten dar. Die in dem Benchmarking-Projekt befragten Unternehmen haben den großen Mangel an Transparenz – zwischen einzelnen Funktionen, Werken und Unternehmen – als zentrales Umsetzungshindernis identifiziert, der ursächlich mit • • • •
einer unklar definierten Anlauforganisation, räumlichen Entfernungen zwischen Verantwortungsbereichen, (inter-)kulturellen Barrieren zwischen einzelnen Bereichen und Akzeptanzbarrieren zwischen einzelnen Funktionen begründet wird.
Ohne eine klar definierte Anlauforganisation und -struktur sind Verantwortlichkeiten, Rollenverständnisse und Schnittstellen unzureichend geregelt; die Folgen sind Kompetenzgerangel, mangelnde Kooperationsbereitschaft und Ressourcenkonflikte. Zur Vermeidung dieser Reibungsverluste sind klare Strukturen (vgl. Grundtypen von Anlauforganisationen) zu etablieren und in die gesamte Unternehmensorganisation zu integrieren. Anschließend sind den im Anlaufprozess involvierten Mitarbeitern klare Richtlinien zu geben, • was ihre Aufgaben sind, • wo welche Kompetenzen liegen und • wer wofür Verantwortung übernimmt. Als transparentes Hilfsmittel nutzen viele Unternehmen hierfür eine Verantwortlichkeitsmatrix, die neben Projektaufgaben auch Linienaufgaben der Mitarbeiter auflistet, um unnötige Ressourcenkonflikte zu vermeiden. Das Problem der räumlichen Entfernung zwischen Verantwortungsbereichen entsteht in erster Linie bei Unternehmen mit global verteilten Standorten, die an einem Serienanlauf beteiligt sind (bspw. Entwicklung und Serienanlauf an dem Mutterstandort, anschließend Verlagerung und Serienproduktion an einem Tochterstandort). Allerdings führt oftmals auch die räumliche Trennung einzelner Funktionalbereiche wie Einkauf, Entwicklung, Produktion und Logistik zu Kommunikationsproblemen und erheblichen Reibungsverlusten. Eine mögliche Lösung liegt bspw. im Einsatz eines „Resident Engineers“, der im Produktionswerk die Koordination der Anlaufaktivitäten übernimmt und den Start des Serienanlaufs mit technischer Fachkompetenz unterstützt. Gängig ist außerdem die temporäre Entsendung von Mitarbeitern des Anlaufteams in andere am Serienanlauf beteiligte Standorte, um die Kommunikation zu vereinfachen. Diese Maßnahmen resultieren zusätzlich in dem Abbau von (inter-)kulturellen Barrieren zwischen einzelnen Bereichen. Akzeptanzbarrieren zwischen den einzelnen Funktionen werden besonders häufig zwi-
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schen der Entwicklung und der Produktion beobachtet, was auf das Beharrungsdenken der Mitarbeiter zurückgeführt werden kann. Wichtig ist hier, Transparenz und Vertrauen hinsichtlich der Aufgaben und Ziele der verschiedenen Abteilungen zu schaffen. Als vertrauensbildende Maßnahmen können bspw. gemeinsame Anreizsysteme geschaffen oder flexible Infrastrukturkonzepte umgesetzt werden. So nutzen manche Unternehmen zur Reduzierung interner und externer Wege ein vollständig flexibles Bürokonzept: Auf Basis von „Desk-Sharing“ wird eine Arbeitsumgebung geschaffen, die feste Arbeitsplätze durch flexible Bürocontainer ersetzt und dadurch eine projekt-, kunden- und problemorientierte Zusammenarbeit zwischen allen Funktionsbereichen unterstützt.
Aufbau, Aufgaben und Kompetenzen von Anlaufteams Das Anlaufteam ist ein zentraler Bestandteil der Anlauforganisation und koordiniert die operative Durchführung des Serienanlaufs. Seine Arbeit startet zumeist mit dem Beginn der Nullserienproduktion und endet mit der stabilen Auftragsabwicklung. Das hoch interdisziplinäre Team setzt sich aus einem Anlaufmanager und Mitarbeitern aus den unterschiedlichen beteiligten Funktionsbereichen eines Unternehmens zusammen. Je nach Anlauforganisationstyp wird das Anlaufteam um weitere Fachteams oder zusätzliche Mitarbeiter, die z. B. spezielle Aufgaben in der produktionstechnischen und logistischen Anlaufplanung übernehmen, erweitert. Aufgrund seiner interdisziplinären Zusammensetzung und der dadurch konzentrierten fachlichen und methodischen Kompetenz kann das Anlaufteam auftretende Probleme schnell und effizient lösen. Um die an das Anlaufteam gestellten Ziele erfolgreich zu erreichen, muss das Anlaufteam mit den notwendigen Ressourcen sowie Entscheidungskompetenzen ausgestattet sein. Wesentliche Verantwortlichkeiten und Kompetenzen des Anlaufteams sind • • • • • •
die Erstellung des Meilensteinplans, die Durchführung der Mengen- und Kapazitätsplanung, die Überwachung und Sicherstellung der Produkt- und Prozessqualität, die Koordination etwaiger Produkt- und Prozessänderungen, das Controlling der Projektkosten sowie die Durchführung von Mitarbeitertrainings.
Profil des Anlaufmanagers Der Anlaufmanager trägt die Verantwortung für die erfolgreiche Durchführung eines Serienanlaufs. Seine Arbeit startet zumeist mit dem Beginn der Nullserienproduktion und endet mit der stabilen Auftragsabwicklung. Er verantwortet und koordiniert die funktions- und unternehmensübergreifende Planung, Steuerung und Kontrolle des Serienanlaufs.
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Das Anforderungsprofil für Anlaufmanager lässt sich gut mit den drei Bereichen „Kopf“ (Strategie- und Unternehmenserfahrung), „Herz“ (starke Team- und Kundenkompetenz) und „Hand“ (starkes Fach- und Methodenwissen) illustrieren. Der Anlaufmanager soll der zentrale Ansprechpartner für alle relevanten Bereiche eines Serienanlaufes sein. Dabei muss diese Position nicht nur intern, sondern auch extern gegenüber den Kunden wahrgenommen werden. Als besonders wichtig wird daher seine Schnittstellenkompetenz angesehen: Der Anlaufmanager muss in der Lage sein, funktionsübergreifend sowohl unternehmensintern als auch -extern zu denken und zu handeln. Hierzu muss der Anlaufmanager als Kompetenzträger bei Mitarbeitern und Vorgesetzten anerkannt sein und über langjährige Praxiserfahrung im Unternehmen verfügen. Gemäß des Benchmarking-Projektes leisten sich den hauptberuflichen Anlaufmanager vor allem größere Automobilzulieferer und die Automobilhersteller. In der Mehrzahl der Fälle wird diese Funktion von erfahrenen „Allroundern“ ausgeübt, die über ausgeprägte Weisungsbefugnis, starkes technisches Produkt- und Prozesswissen verfügen sowie sehr gute Kontakte zu Kunden und Lieferanten pflegen (Fitzek et al. 2004).
Methodische Unterstützungsinstrumente für die Anlauforganisation Von der Entwicklung bis zur Serienproduktion eines neuen Produkts variieren die Aufgabenschwerpunkte der beteiligten Funktionalbereiche zur Erzielung der gewünschten Produkt- und Prozessreifegrade im Verlauf des Serienanlaufs stark. Erfahrungsgemäß liegen die kritischsten und damit schwierigsten Übergänge häufig zwischen Vor- und Nullserienproduktion sowie am Ende der Serienanlaufphase bei Übergabe des neuen Produkts in die Linienorganisation. Daher ist es notwendig, den Serienanlauf nicht nur aufbauorganisatorisch zu strukturieren und in die Unternehmensorganisation zu integrieren, sondern auch die Vielzahl seiner Einzelphasen und -prozesse ablauforganisatorisch – also in zeitlicher, räumlicher, mengenmäßiger und logischer Hinsicht – zu harmonisieren. Die Unternehmen der Automobilindustrie setzen zur ablauforganisatorischen Strukturierung und Unterstützung ihrer Serienanläufe standardisierte Regelwerke und Methoden ein. In der Umsetzung dominieren Gateway-Konzepte, die für alle Projektbeteiligten die wichtigsten Phasen und Meilensteine von Produktentwicklungs- und Anlaufprojekten definieren. Den einzelnen Projektphasen werden Verantwortlichkeiten und Arbeitsumfänge eindeutig zugewiesen und dadurch interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen geschaffen. Neben der Planung und Steuerung von Serienanläufen bilden die GatewayKonzepte die Grundlage eines strukturierten Reifegradcontrollings. Kernziel des Reifegradcontrollings ist die Optimierung des Serienanlaufs mittels einer kontinuierlichen Ermittlung und Kontrolle erreichter Produkt- und Prozessreifegrade. Hierzu werden für jede Phase im Produktentstehungs- oder Anlaufprozess konkrete Reifegradindikatoren und Zielgrößen (u. a. hinsichtlich Qualität, Zeit/Termin
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Abb. 3 Betrachtungsfokus im Reifegradcontrolling (Schuh et al. 2005)
und Kosten) definiert, deren Zielerreichung zum Abschluss einer Phase mithilfe von klar strukturierten Checklisten und auf Basis von Kennzahlen gemessen und bewertet wird. Erst bei Erfüllung der Zielgrößen – also erfolgreichem Passieren des Gates – findet der Übergang in die nächste Projektphase statt. Gemäß des Benchmarking-Projektes verfügen die erfolgreichen Unternehmen über strukturierte Reifegradcontrolling-Instrumente, die jederzeit verlässlichen Aufschluss über die unternehmensspezifischen Produkt- und Prozessreifegrade sowie über die Zielerfüllung und Lieferfähigkeit vorgelagerter Lieferanten geben. Dabei ist festzuhalten, dass eine Verschiebung des Betrachtungsfokus des Reifegradcontrollings im Laufe des Produktentstehungsprozesses stattfindet: Gilt der Fokus des Managements in frühen Phasen des Produktentstehungsprozesses der Produktreife (z. B. Produktvalidierung), rückt im weiteren Verlauf zunehmend das Controlling der Prozessreife des gesamten Produktionssystems in den Vordergrund (z. B. Produktionstest unter Serienbedingungen, Run@Rate, Try-Outs, Production Part Approval Process) (vgl. Abb. 3). Beide Reifegrade sollten jedoch nicht isoliert betrachtet, sondern aufgrund ihrer gegenseitigen Beeinflussung (bspw. beim Einsatz neuer Fertigungstechnologien) gleichzeitig überwacht werden. In diesem Zusammenhang ist die Auswahl geeigneter Reifegradindikatoren von hoher Bedeutung. Dem Benchmarking-Projekt zufolge wurden von den befragten Unternehmen 62 unterschiedliche Produktreifegrade und 56 verschiedene Prozessreifegrade genannt. Die Herausforderung für die Unternehmen besteht daher darin, standardisierte Reifegradindikatoren auszuwählen, die eine unternehmensübergreifende Bewertung der Produkt- und Prozessreife während eines Serienanlaufs ermöglichen und eine Inkompatibilität von Reifegradindikatoren unterschiedlicher Unternehmen verhindern.
Fazit und Einordnung der Fallstudien Auf die zunehmende Komplexität und Anzahl von Serienanläufen haben die Unternehmen der Automobilindustrie mit klar strukturierten organisatorischen Konzepten reagiert. In der Umsetzung dominiert dabei die Matrix-Projektorganisation mit über den Anlaufprojektlebenszyklus variierender Ressourcenzuordnung. Sie wird in Einzelfällen durch hochqualifizierte Teams unterstützt, die dem Anlaufteam leistungsfähige Methoden und IT-Tools zur Verfügung stellen und Prozesse standardisieren.
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Wo es möglich ist, werden die Vorteile kurzer Kommunikationswege genutzt. Hier hat sich insbesondere die lokale Nähe zwischen Entwicklung und Produktionslinie als bedeutender Erfolgsfaktor bestätigt. Als zentrale Koordinations- und Entscheidungspersonen werden in zunehmendem Maße hauptberufliche Anlaufmanager eingesetzt. Der Anlaufmanager hat ein starkes technisches Produkt- und Prozesswissen, ist mit Weisungsbefugnis ausgestattet und kennt sowohl Kunden als auch Lieferanten gut. Die ablauforganisatorische Ausgestaltung der Anlauforganisation erfolgt in der Regel über Gateway-Konzepte, die die Grundlage für eine standardisierte Planung und Steuerung von Serienanläufen sowie ein strukturiertes Reifegradcontrolling bilden. Die beiden nachfolgenden Fallstudien dokumentieren anschaulich, mit welchen Mitteln und Möglichkeiten Unternehmen der Automobilindustrie ihre Serienanläufe aufbau- und ablauforganisatorisch strukturieren und durchführen. TRW Automotive, eines der größten Unternehmen der Automobilzulieferbranche, hat mit dem Global Development & Product Introduction Management einen unternehmensweit standardisierten Projektreifegradprozess etabliert, der den Serienanlauf aufbau- und ablauforganisatorisch beschreibt. Operativ werden Serienanläufe unter Leitung eines erfahrenen Projektmanagers, der einem detaillierten Anforderungs- und Entwicklungsprofil entsprechen muss, durchgeführt. Wie die abschließende Fallstudie von Daimler Trucks, dem weltweit größten Hersteller von Nutzfahrzeugen, veranschaulichen wird, sind die konsequente Umsetzung von Gateway-Konzepten zur ablauforganisatorischen Planung und Steuerung des Serienanlaufs im globalen Produktionsverbund sowie die zielgerichtete Integration von Unterstützungsinstrumenten für das Reifegradcontrolling zwei zentrale Herausforderungen von Unternehmen der Automobilindustrie.
Literaturverzeichnis 1. Fitzek D (2006) Anlaufmanagement in Netzwerken. Grundlagen, Erfolgsfaktoren und Gestaltungsempfehlungen für die Automobilindustrie. Haupt Verlag, Bern 2. Fitzek D, Kampker A, Franzkoch B, Desoi J (2004) Abschlussbericht des internationalen Benchmarking-Projekts „Anlaufmanagement für Automobilzulieferer“. St. Gallen 3. Frese E (1998) Grundlagen der Organisation. Konzept – Prinzipien – Strukturen. Gabler, Wiesbaden 4. Kalmbach R (2003) Von der Technik zum Kunden. Was die Automobilindustrie von anderen Branchen lernen kann und muss. In: Gottschalk B, Kalmbach R (Hrsg) Markenmanagement in der Automobilindustrie. Die Erfolgsstrategien internationaler Top-Manager. Gabler, Wiesbaden 2003, S 35–60 5. Schmidt G (1994) Organisatorische Grundbegriffe. Schmidt, Gießen 6. Schmidt G (1995) Grundlagen der Aufbauorganisation. Schmidt, Gießen 7. Schuh G, Kampker A, Franzkoch B (2005) Anlaufmanagement – Kosten senken, Anlaufzeit verkürzen, Qualität sichern. wt Werkstattstechnik online 95/5:405–409 8. Schuh G, Riedel H, Abels I, Desoi J (2002) Serienanlauf in branchenübergreifenden Netzwerken. Eine komplexe Planungs- und Kontrollaufgabe. wt Werkstattstechnik online 92/11– 12:656–661
Moderne Projektsteuerung in einer mehrdimensionalen Matrixorganisation Edwin Tom, Stephan Uske, Karl Lindenberg TRW Automotive GmbH
Vorstellung TRW Automotive TRW Automotive ist ein Global Player in der Automobilzulieferbranche und gehört mit einem Gesamtumsatz von ungefähr 13 Milliarden US-Dollar zu den zehn größten Unternehmen in dieser Branche. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Livonia/Michigan in den USA und ist an der New Yorker Börse notiert. Weltweit sind bei TRW mehr als 63.000 Mitarbeiter an über 200 Standorten beschäftigt. In Deutschland hat das Unternehmen etwa 12.200 Beschäftigte in 19 Betriebsstätten. TRW blickt auf eine lange Tradition in der Entwicklung von Fahrzeugsicherheitssystemen zurück. Durch Firmenfusionen entstand im Laufe der Jahre das heutige Unternehmen TRW Automotive. So fand TRW auch den Weg in das kommerzielle Geschäft mit Lenksystemen sowie den Eintritt in die Elektronikbranche. Die Unternehmen, die zu TRW verschmolzen, entwickelten und produzierten bereits eine Vielzahl von Produkten für die Automobilindustrie, als sich diese noch in ihren Anfängen befand. In den 60er Jahren wurden das erste Bremsscheibensystem, die erste Zahnstangenlenkung und das weltweit erste elektronisch gesteuerte Anti-Blockier-System (ABS) entwickelt. Auch in den Folgejahren wurden die Entwicklung der Produkte und die Ausweitung der Geschäftsfelder vorangetrieben. 1972 begann TRW mit der Herstellung von Insassen-Rückhaltesystemen. Außerdem wurde ein Servozahnstangen-Lenkgetriebe entwickelt. TRW ist bis heute Marktführer in dieser Sparte. Des Weiteren wurde die erste Hochleistungsscheibenbremse entwickelt, deren Design bis heute auf dem Markt führend ist. Das erste komplette Airbagsystem inklusive Sensoren brachte TRW 1989 auf den Markt. Durch die Übernahme der Sparte Airbag- und Lenkradsysteme der Firma Magna International wurde TRW zum Weltmarktführer im Bereich Sicherheitsgurte, Airbags und Lenkradsysteme. Im Jahr 1999 stieg TRW durch den Zukauf von Lucas Varity zum weltweit führenden Unternehmen für integrierte Fahrzeugsysteme (Lenk-/Fahrwerkssysteme,
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ABS, Traktionskontrolle, Fahrzeugstabilitätssysteme) auf. Drei Jahre später fusionierte der Konzern TRW Inc. mit dem amerikanischen Rüstungsunternehmen Northrop Grumman. 2003 wurde der Geschäftsbereich Automotive ausgegliedert und als TRW Automotive an die amerikanische Investmentfirma Blackstone verkauft. Infolge dieses Verkaufs war TRW Automotive unabhängig und liquide genug, um sich voll und ganz auf die Entwicklung und Umsetzung von aktiven und passiven Fahrzeugsicherheitssystemen zu konzentrieren. Heute steht TRW weltweit für die innovative Verbesserung und Entwicklung von Fahrzeugdynamik, Fahrassistenzsystemen, Radbremsen, Airbags, Sicherheitsgurten sowie von Elektronik- und Softwaretechnologien. Ziel des Unternehmens ist es, die Sicherheit und den Komfort der Fahrzeuge von morgen zu gewährleisten.
Programm- und Projektmanagement als Teil der TRW-Anlaufstrategie Die fortschreitende Globalisierung sowie sich immer mehr vernetzende kommerzielle Strukturen sind besonders für weltweit operierende Firmen eine Herausforderung. Wo in der Vergangenheit lokale oder regionale Marktstrukturen üblich waren, haben sich besonders seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts die Anforderungen in Richtung Kostenoptimierungen, Übernahme von Entwicklungsverantwortung, stärkere Einbindung in die gesamte Lieferkette sowie Angebote für komplexere Produkte bis hin zu Modulen und Baugruppen geändert. Im Verhältnis zwischen Kunde und Lieferant haben sich die Lieferanten schnell von reinen Applikatoren hin zu strategischen Entwicklungspartnern mit globaler Präsenz entwickelt. Bis dahin funktionierende Prozessstrukturen mussten diesen veränderten Marktbedingungen dynamisch angepasst werden. Einige Änderungen waren: 1. Verlagerung von Kompetenzen des OEM in Richtung ausgewählter „Tier 1“Lieferanten und Verstärkung deren horizontaler Struktur. 2. Konzentration auf interne Kernkompetenzen und daraus resultierend etwaige Fremdvergaben. 3. Verstärkte Einbindung der untergeordneten Zulieferindustrie (Kompetenzen und Verantwortungen wurden innerhalb der Lieferkette an vorgelagerte Lieferanten abgegeben, sofern interne Kernkompetenzen und Technologien davon nicht betroffen waren). Die Anzahl und die Tiefe der Prozesse haben drastisch zugenommen – nicht nur aufgrund kundenseitiger Anforderungen, sondern auch aufgrund gesetzlicher Auflagen. All das hat einen unmittelbaren Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Anlaufmanagement. Die TRW-Anlaufstrategie umfasst den Bereich von der Erstentwicklung über die Erstapplikation und n-Applikation bis hin zu Produktänderungen nach Anlauf in der Serienproduktion im hochvolumigen Marktsegment. Sie umfasst da-
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mit den Zeitraum von der Entwicklung bis zur Erreichung der Hochvolumina in der Serie. Überwiegend umfasst sie jedoch den Zeitraum von Auftragserteilung bis Produkt-Hochlauf. Nur bei strategisch besonders wichtigen Produkten steigt das Programm-Management bereits in der frühen Entwicklungsphase eines Produktes in den Prozess ein, übernimmt später die Führung und steuert bis nach dem Serienanlauf. Die überwiegende Zahl der Erst- und Standardapplikationen wird durch das Programm- und Projektmanagement ab dem Auftragseingang bis 90 Tage nach dem Produktionsstart gesteuert. Der grundsätzliche Ablauf der Anlaufstrategie wird im unternehmenseigenen Projektreifegrad-Prozess GDPIM beschrieben. Dort werden auch die Funktionen und deren Verantwortlichkeiten festgelegt. Das Programm- und Projektmanagement richtet sich organisatorisch entlang der Fahrzeugplattformen der Kunden aus. Das ermöglicht eine modulare Zusammenfassung mehrerer TRW-Einzelapplikationen inklusive der jeweils zugehörigen Anlauforganisationen zu einem gemeinsamen Kundenprogramm. Die Steuerung dieser verschiedenen jedoch zusammengehörigen Anlauforganisationen von oft sehr unterschiedlicher Komplexität erfolgt durch besonders erfahrene und qualifizierte Programmmanager.
GDPIM – Der Projektreifegradprozess bei TRW Das TRW-Produktportfolio umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte, deren Produktanläufe in Abhängigkeit von der Komplexität des Produktes, den anzuwendenden Prozessen und den Kundenanforderungen standardisiert über alle Geschäftsfelder einheitlich gesteuert werden. Alle TRW-Divisionen folgen weltweit einem gemeinsamen Prozess. Dieser „Global Development & Product Introduction Management“ (GDPIM) genannte Gateway-Prozess wurde vor über zehn Jahren aus unterschiedlichen Einzelprozessen der Portfolios entwickelt. Ausgelegt als Projektreifegradmodell beschreibt GDPIM Ablauf, Struktur und Verantwortlichkeiten von der Produktentwicklung bis nach dem Serienanlauf. Als Grundlage gelten innerhalb eines Produktportfolios von TRW insbesondere Marktbeobachtungen und -prognosen zur Entscheidung einer Produktentwicklung unter Berücksichtigung von Rentabilitätsaussichten, Wettbewerbssituation und technischer Machbarkeit. GDPIM gliedert sich in die zwei Teilprozesse • Entwicklungsprozess („Core Process“) und • Applikationsprozess („Application“). Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Teilprozessen liegt darin, dass bei dem Entwicklungsprozess nicht zwingend ein Kundenauftrag vorhanden sein muss, sondern TRW im Rahmen der Verfolgung einer Produktstrategie in eine Entwicklungsvorleistung tritt, während bei dem Applikationsprozess ein definierter Kunden-
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auftrag und die Produktspezifikation vorhanden sind. Beide Prozesse sind jeweils in folgende Phasen unterteilt (vgl. Abb. 1): • Entwicklungsprozess: Gateways A bis D • Applikationsprozess: Gateways 1 bis 8
Abb. 1 Entwicklungs-/Reifegradprozess GDPIM
Der Entwicklungsprozess beginnt intern mit der Markt- und Produktplanung, die einen Genehmigungsprozess des Managements durchlaufen muss (Gate A). Anschließend erfolgt die Programmentwicklung, die mit der Überprüfung und Genehmigung des Produktplans abgeschlossen wird (Gate B). Darauf folgen der Konzeptentwurf und die Überprüfung dieses Konzeptes (Gate C). Mit der Verifizierung des Entwurfs sowie der Überprüfung und Genehmigung des verifizierten Produktes schließt der Entwicklungsprozess (Gate D). Die zeitlich definierte Phasenaufteilung des Applikationsprozesses richtet sich nach dem vom Kunden vorgegebenen Start of Production (SOP) und berücksichtigt die relevanten terminlichen Anforderungen des Kundenprozesses. Der Prozess startet mit der Angebotsentwicklung und anschließender Auftragsvergabe durch den Kunden (Gate 1 und Gate 2). Über Konzept-, Produkt- und Prozessvalidierung (Gate 3 bis Gate 6) werden alle kundenspezifischen Anforderungen hinsichtlich Produkt- und Prozessanpassungen in den Standard integriert. Der dezidierte Produktanlauf bis zur normalen Serienproduktion startet nach Gate 6 und findet seinen Höhepunkt mit dem Start der Produktion beim Kunden
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(festgelegt als Gate 7). Der Prozess wird nach dem Erreichen substanzieller Volumina mit Gate 8 abgeschlossen. Zeitlich gesehen wird Gate 8 ca. 90 Tage nach Kunden-Produktanlauf (SOP) angestrebt. Hier endet der Applikationsprozess von GDPIM (vgl. Abb. 2). Die weitere Betreuung des Produktes bis zum Serienauslauf erfolgt im direkten operativen Segment. Nach Auslauf der Serie zeichnet ein eigenständiger Geschäftsbereich für die Betreuung des Kunden bis zum Ende der Lieferverpflichtung (oder Produktlebenszyklus) verantwortlich.
Abb. 2 Übergabe der Projektleitung im Produktentstehungsprozess
Jede Projektphase wird mit einem Gateway Review abgeschlossen. Die Gateway Reviews oder -Überprüfungen unterliegen einem standardisierten Prozess; als Grundlage des Reviews dient eine vordefinierte Checkliste, welche für jede betroffene Funktion (z. B. Technik, Verkauf, Einkauf, Programmmanagement, Fertigung, Qualität etc.) aus einem Fragenkatalog besteht, der nach dem Ampel-Prinzip (grüngelb-rot) beantwortet wird. Die Aufteilung des gesamten Reifegradprozesses in einzelne Sektionen hat den Vorteil, dass etwaige Abweichungen von geplanten Parametern (technische, finanzielle Eckpunkte wie Kosten oder Investitionen, Ressourcenplanung und zeitliche Engpässe) in einem frühen Stadium korrigiert oder angepasst werden können. Zur Unterstützung wurden in der Qualitätsdokumentation die Prozesse hinterlegt, sodass jeder involvierte Mitarbeiter die Abläufe nachschlagen kann. Außerdem werden in regelmäßigen Abständen spezifische interne Trainings abgehalten. Zur Eskalation von Risiken im Projektverlauf wurde bei TRW ein mehrfach gestufter Prozess installiert. In erster Linie werden Risiken und Problemfälle durch ein Monatsberichtswesen transparent gemacht und können somit im Keim erfolgreich minimiert bzw. eliminiert werden. Der Monatsbericht enthält außer einer Auflistung potenzieller Risiken und Probleme eine spezifizierte Vorgehensweise zur Problemlösung. Die Monatsberichte aller laufenden Projekte werden automatisch in einer Übersicht für die Geschäftsführung zusammengefasst und diskutiert. Die vorherrschende Transparenz erlaubt eine schnelle und passgenaue Vorgehensweise zur Problemlösung. Sollte ein Problem durch das Projektteam oder den betroffenen funktionalen Manager nicht gelöst werden können, wird von dem zuständigen Projektleiter ein „Critical Issue Alert“ (CIA) gestartet. Hierdurch werden höhere Entscheidungsebenen in die Lösungsfindung involviert.
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Ziel des Global Development & Product Introduction Management (GDPIM) ist die Verwendung eines global standardisierten Prozesses innerhalb der sehr stark diversifizierten Unternehmenslandschaft, der für alle Kunden bzw. Produkte angewendet werden kann. Damit ergibt sich eine reibungsärmere Einführung von Produkten unter Berücksichtigung der vorhandenen und benötigten Ressourcen, Arbeitspakete und individuellen Kundenanforderungen sowie unter Berücksichtigung von gesetzlichen Bestimmungen und Umweltauflagen. Die wesentlichen Erfolgsfaktoren des GDPIM-Prozesses sind: • Kostenreduzierung durch Vermeidung von redundant investierten Ressourcen • Verbindlicher Leitfaden für das Projektteam und andere involvierte Funktionen • Transparenz der Abläufe – dadurch die Möglichkeit der parallelen anstatt sequenziellen Abwicklung einzelner Prozesse • Signifikante Verkürzung der Produktentwicklungszyklen • Aufdeckung und Beherrschung von Risiken durch ein Risikomanagement • Vereinheitlichung der Kontroll- und Steuerungsmechanismen • Schnelle Umsetzung von Erfolgsbeispielen • Hohe Kundenzufriedenheit • Erreichen der TRW-Geschäftsziele in Bezug auf Kosten und Ergebnis.
Anlauforganisation – Funktionen und Verantwortlichkeiten Die wachsende Komplexität der Produkte und Prozesse, die fortschreitende Globalisierung und der Bedarf nach effizientem Management aller Ressourcen führten zu einer zunehmenden Zentralisierung der Funktionen innerhalb des Unternehmens. TRW produziert Applikationen einer Produktentwicklung an verschiedenen Standorten. Die Automobilhersteller fragen zunehmend komplexe Gesamtlösungen für Fahrzeugplattformen an, deren Einzelsysteme nicht getrennt voneinander betrachtet werden können und dürfen. Das wirkt sich direkt auf die Organisation der Produktanläufe aus. TRW unterscheidet deshalb zwischen Programm- und Projektmanagement. Das Programmmanagement steuert mehrere, im Wesentlichen voneinander unabhängige produktfamilien-bezogene Projekte mit jeweils eigener Projektorganisation. Diese werden in ihrer Gesamtheit als Kundenprogramm betrachtet und gesteuert. Die Gesamtheit solcher Projekte hebt das regionale Einzelprojekt auf eine höhere Komplexitätsstufe. Das Programmmanagement liefert die Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung von komplexen und/oder globalen Projekten. Produktionsanläufe finden heute zum Teil zeitgleich bzw. zeitnah an mehreren Standorten statt und müssen unter Berücksichtigung einer großen Anzahl von möglichen Einflussgrößen überregional, international oder sogar global umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund hat sich die lokal strukturierte, hierarchische Linienorganisation als zu schwerfällig erwiesen.
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TRW ist in Funktionsbereiche wie unter anderem Einkauf, Verkauf, Qualität und Entwicklung unterteilt. Diese Funktionen sind in den klassischen linearen Instanzen nach Taylor strukturiert. Ergänzt wird diese Organisation durch eine objektbezogene Gliederung nach Produktlinien. Durch diese Organisationsform werden Vorteile aus kurzen Kommunikationswegen und der Hervorhebung der Sachkompetenz vor der hierarchischen Kompetenz erreicht. Die Anlauforganisation als Projektmanagementfunktion greift auf diese Matrixorganisation zu und bedient sich in Abhängigkeit der jeweiligen Projekt-Kundenanforderungen flexibel in deren Kompetenz- und Ressourcenpool. Es wurde festgestellt, dass die für die Matrixorganisation typische Überkreuzung von Zuständigkeiten und Befugnissen immer wieder zu Schwierigkeiten führt, die es zu lösen gilt. Charakteristisch für die TRW-Matrix-Organisation ist aus Sicht des Programm- und Projektmanagements eine einseitige Verschiebung der Entscheidungskompetenzen hin zu den Funktionsbereichen. Bildlich gesprochen ist die „harte“ Linienorganisation durch eine „weiche“ Matrixorganisation überlagert worden. Das Projektmanagement wird heute noch sehr stark als „schnelle Einsatzgruppe“ für Krisenzeiten wahrgenommen. In den letzten Jahren jedoch begann sich dieses Bild zu wandeln. Der heute absehbare Trend lässt für die Zukunft eine immer stärkere Bedeutung und Entscheidungskompetenz der anerkannten und proaktiv arbeitenden Projektorganisation erkennen. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist die erfolgreiche und nachhaltige Installation des Projektmanagements nicht nur als Funktion, sondern vor allem als Prozess. Die notwendige Unterstützung erhält die Anlauforganisation dabei von definierten und gelebten Prozessen wie dem Projektreifegradmodell GDPIM. Sichtbares Zeichen dieser Veränderung ist die Übertragung von Aufgaben der klassischen hierarchischen Struktur an die Projektorganisation. Das zeigt sich bspw. im zunehmenden Einfluss der Projektorganisation auf die Ressourcenplanung und die Verantwortung des Projektbudgets. Der Wechsel der Verantwortung von der vertikalen hin zur horizontalen Organisation führt häufig zu Reibungsverlusten im Alltagsgeschäft, bspw. weil sie zu einem Beharrungsmomentum wegen befürchtetem oder tatsächlichem Machtverlust führt. Die zukünftige Ausrichtung des gesamten Unternehmens hin zu einer projektorientierten Organisation wird zurzeit innerhalb TRW diskutiert. Die Organisation von Produktanläufen ist bei TRW eng gekoppelt an die Unternehmensstruktur und an die Anforderungen, die Kunden, Lieferanten und Produkte an diese Organisation stellen. In der Vergangenheit waren Produktanläufe bei TRW durch ihre enge Anbindung an lokal selbstständig agierende Produktionseinheiten charakterisiert. Die Struktur dieser Organisation entsprach der hierarchischen Linienorganisation. In den Produktionsstandorten gab es eigenständige Kernfunktionen wie den Einkauf, die Logistik und das Anlaufmanagement. TRW baute deshalb das Anlaufmanagement als Bestandteil des Programm- und Projektmanagements in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer leistungsfähigen Matrixorganisation aus. Unter Berücksichtigung des bei TRW sehr weit gefassten Produktportfolios und der sehr unterschiedlichen Anforderungen einzelner Produkte an die Organisation
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des Anlaufs unterscheidet sich die Programm- und Projektorganisation der einzelnen Geschäftsbereiche voneinander. Innerhalb der Produktportfolios einer einzelnen Division ist die Projektmanagement-Organisation vereinheitlicht. Die Durchführung von Projekten oder Programmen unterscheidet sich nicht wesentlich voneinander. Daher wird im Folgenden nur auf die projektspezifische Abwicklung eingegangen.
Projektmanagement In einem TRW-Projektteam gibt es verschiedene Funktionen und Verantwortlichkeiten. Mit der Auftragsvergabe des Kunden wird die Projektleitung an die Abteilung Programmmanagement übergeben. Nach Überprüfung der vorhandenen Projektparameter nominiert sie den Projektleiter und beauftragt ihn mit der Bildung des Projektteams mit Repräsentanten der Fachabteilungen, die insgesamt das Anlaufteam bilden. Dieses Kernteam wird bei Bedarf durch temporär hinzugezogene Fachexperten erweitert. Sehr häufig müssen die Mitglieder eines Projektteams räumlich und zeitlich voneinander getrennt arbeiten und als virtuelle Teams strukturiert werden. Daraus ergeben sich spezifische Zusatzanforderungen für alle Teammitglieder im Hinblick auf Projektführung, kulturelle Unterschiede sowie soziale Kompetenzen und dementsprechend besondere Anforderungen an die Projektleitung.
Projektleiter Der Projektleiter hat die Aufgabe, den Projektplan zu erstellen und den Projektfortschritt zu überwachen. Er ermittelt die notwendigen Ressourcen und fordert die Mitglieder für das Kernteam aus den jeweiligen Funktionsbereichen an. Ihm obliegt die Steuerung, Überwachung und das Berichtswesen über den Projektfortschritt während der gesamten Laufzeit. Dazu gehören unter anderem Qualitäts- und Risikomanagement, Prüf- und Freigabeprozeduren, Kostenrechnung, Investitions- und Profitbetrachtungen sowie Grundregeln des Personalwesens. Für die Kommunikation und Koordination zwischen Kunde, TRW und Lieferanten ist der Projektleiter die maßgebliche Schnittstelle. Nach Abschluss des Projektes führt er die Projektbewertung durch und formuliert die Erfahrungen aus der Projektarbeit als „lessons learned“. Um den an ihn gestellten Anforderungen als Führungspersönlichkeit gerecht zu werden, muss der Projektmanager über fundierte Kenntnisse der Betriebsabläufe und deren vernetzte, übergreifende Prozesse verfügen. Grundsätzliche Produktkenntnisse und Verständnis von Produktionsprozessen sind ebenfalls unabdingbar. Ein hohes Maß an Kunden- und Serviceorientierung sowie profunde Kommunikationsfähigkeit runden sein Profil ab. Bei allen vorhandenen Unterschieden zwischen der Anlauforganisation in den einzelnen Unternehmensdivisionen hat sich TRW global auf ein gemeinsames An-
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forderungs- und Entwicklungsprofil für Projektmanager geeinigt. Unterschieden wird darin je nach Erfahrungs- und Ausbildungsgrad zwischen „Basic“, „Intermediate“ und „Advanced“ Projektmanagern. Wissensstand und Weiterbildungsfortschritt der Mitarbeiter werden unter anderem durch eine standardisierte jährliche Erhebung ermittelt. Mittels dieser Erhebung werden die individuellen Ausprägungen von vereinbarten technischen und persönlichen Kompetenzen festgestellt. Dieses Ergebnis wird mit dem Anforderungsprofil verglichen. Anschließend wird ein individueller Trainings- und Entwicklungsplan generiert und durchgeführt. Darin werden sowohl die Anforderungen des Unternehmens als auch die Wünsche und Ziele des Mitarbeiters berücksichtigt. Mindestanforderungen des Unternehmens an seine Projektmanager („Basic“) sind unter anderem: • Anwenderspezifische Grundkenntnisse des Projektreifegradmodells und Gateway-Prozesses GDPIM sowie angegliederter Prozesse • Grundkenntnisse über die Einflüsse des persönlichen täglichen Handelns als Projektleiter auf die Geschäftsentwicklung des gesamten Unternehmens über die gesamte Lebenszeit des Produktes • Grundlegendes Projektmanagement-Training • Kenntnisse über Angebotsvorkalkulation und Auftragsakquise • Qualitätsvorausplanung (APQP), Lieferantenauswahl und -entwicklung • Kenntnisse bezüglich finanzieller Eckdaten und Parameter (Investitionen und Profitabilität – Capex und ROCE) • Verständnis des Produktentwicklungsprozesses • Projektplanerstellung und -verwaltung • Organisation und effektive sowie ergebnisorientierte Durchführung von Besprechungen • Übernahme von funktioneller und organisatorischer Führungsverantwortung im Projektteam • Grundsätzliche Produktkenntnisse in Bezug auf Entwicklung, Fertigung und Anwendung im Fahrzeug. Für erfahrene Projektmanager („Intermediate“) gelten darüber hinaus weitere Anforderungen: • Erweiterte Detailkenntnisse von und Erfahrungen mit dem Projektreifegradmodell und Gateway-Prozess GDPIM sowie angegliederten Prozessen • Erstellung eines finanziellen Geschäftsmodells auf der Basis von Entwicklungs-, Produkt- und Fertigungskosten als Entscheidungsvorlage • Profunde Projektmanagement-Erfahrung, ausgeprägte Führungsqualitäten und Kommunikationsfähigkeit bei überregionalen bzw. internationalen Projekten • Verständnis in der Umsetzung internationaler und interkultureller Spezifika • Erstellung und Verwaltung komplexer, verknüpfter Projektpläne • Proaktives Risikomanagement unter Berücksichtigung von Lessons Learned • Kosten- und Budgetkontrolle
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• Ausgeprägte, natürliche Autorität, um den Projektfortschritt bzw. Arbeitspakete voranzutreiben und Konflikte zu bewältigen • Motivieren von Teams. Zusätzlich zu den o.g. Qualifikationen verfügen „Advanced“ Projektmanager über folgende Qualifikationen: • • • •
Externe Zertifizierung durch das Program Management Institute (PMI) Multiprojektmanagement für Fahrzeugplattformen (Programm-Management) Mentoren für weniger erfahrene Kollegen Leitung virtueller Teams, deren Mitglieder räumlich und organisatorisch getrennt sind.
Gegenwärtig werden bei TRW erste Erfahrungen mit speziell auf das Projektmanagement ausgerichteten Personalentwicklungsmaßnahmen gesammelt. Die TRW-Projektmanager sind keine Projektverwalter mehr. Ihre Aufgabe geht in der Regel über die Abwicklung des unmittelbaren Produktanlaufs hinaus. Sie übernehmen die Führung der Umsetzung eines Kundenauftrages direkt nach der Auftragserteilung durch den Kunden, entwickeln gemeinsam mit ihm und den Lieferanten eine Anlaufstrategie, die sich an den Kundenanforderungen und GDPIM ausrichtet, und betreuen das Projekt bis zum Abschluss des Anlaufs. Anschließend wird die Kundenzufriedenheit analysiert. Identifizierte Schwächen und Probleme müssen beleuchtet und möglichst eliminiert werden. „Lessons Learned“ werden angefertigt, diskutiert und anderen Teams zur Verfügung gestellt. Unmittelbar vor der Übertragung des Projekts an die Produktion wird ein Projektteam-Self-Review durchgeführt. Darin werden unter anderem die Projektperformance während der Laufzeit, die Effizienz der Teamarbeit sowie die Kommunikation selbstkritisch beurteilt und Verbesserungsvorschläge erarbeitet, die in einem neuen Team zur Umsetzung empfohlen werden. Projektmanagement wird auch vom Unternehmensmanagement immer stärker als eine Funktion angesehen, die Schlüsselqualifikationen erfordert und diese fördert. Mitarbeiter, die erfolgreich Projekte und Programme leiten, qualifizieren sich damit auch für künftige Führungspositionen im Unternehmen. Darüber hinaus werden Mitarbeiter, die als potenzielle lokale und überregionale Führungskräfte identifiziert wurden, durch Förderprogramme betreut. Die erfolgreiche Führung von Projekten wird dabei als ein gezieltes Instrument zum Ausbau der Fähigkeiten dieser Mitarbeiter betrachtet.
Kernteam Das Kernteam setzt sich aus Vertretern der Linienfunktionen zusammen, die entweder permanent dem Anlaufmanagement zugeordnet sind oder nur für ein Projekt abgestellt wurden. Diese namentlich benannten Personen setzen die Arbeitspakete, die im TRW-GDPIM beschrieben werden, in die Praxis um. Jedes Mitglied hat dabei mindestens ein oder mehrere Arbeitspakete zu bewältigen (vgl. Abb. 3).
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Abb. 3 Projektteam-Struktur im Anlaufmanagement
Jedes Kernteammitglied steuert die zugeschnittenen Aufgaben in die Fachabteilungen des eigenen Funktionsbereiches ein, überwacht den Fortschritt und prüft die Ergebnisse vor Rückmeldung in die offizielle Projektdokumentation. Beispielsweise hat der Vertreter aus dem Bereich Qualität die funktionellen Spezialisten für Lieferanten-, Produkt- und Produktionsqualität sowie für Gewährleistung in seiner Zugriffsmatrix. Die Mitarbeiter des Kernteams besitzen das Grundwissen des TRW-Anlaufmanagements, um sich in den Gesamtablauf einzugliedern. Darüber hinaus sind sie Fachleute auf ihrem jeweiligen Gebiet und beherrschen die Steuerungswerkzeuge in Bezug auf Abläufe, Zuständigkeiten und Abhängigkeiten. Sollte ein Standardelement aus dem Projektplan für das gegenwärtige Projekt nicht mehr aktuell sein, wird das Kernteammitglied den Inhalt dieses Elementes modifizieren, sodass es dem Projektziel voll entspricht. Falls diese Modifikation dem Trend der Technik entspricht, wird das Kernteammitglied den Anlaufmanager davon überzeugen, seinen Anlaufplan in diesem Punkt auf den Stand der Technik zu bringen. Die fachliche Qualifikation des Kernteams wird intern sowie extern zu Kunden und Lieferanten voll ausgeschöpft. Das Kernteam treibt Entscheidungen voran und verantwortet diese. Die Position des Anlaufmanagers wird somit durch ein starkes Kernteam gefestigt.
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Bei der Abwicklung globaler Projekte ist es unumgänglich, dass Mitglieder eines Projektteams ein spezifisches, interkulturelles Verständnis mitbringen. Beispielsweise ist im asiatischen Raum das hierarchische Abhängigkeitsdenken zwischen OEM und Lieferant sehr verbreitet. Ein Lieferant verhält sich eher abwartend gegenüber dem Kunden, als ihm mit Angeboten und Vorschlägen entgegenzukommen. Der Kunde hingegen hat eine Erwartungshaltung und spricht diese kurz vor SOP aus, was mitunter zu Überraschungen führen kann. An dieser Stelle sind die Kernteammitglieder gefordert, ihre Kollegen auf die Situation aufmerksam zu machen und gegebenenfalls vor Ort zu unterstützen.
Temporäres Team Die Mitglieder des temporären Teams werden nur bei Bedarf hinzugezogen. Ihre Fähigkeiten liegen im Detail. Beispielsweise kennt der Gewährleistungsmanager die Gewährleistungsverträge mit den technischen und kaufmännischen Feinheiten und hat Erfahrungen in der Gewährleistungsabwicklung durch seinen permanenten Kundenkontakt. Er kann sporadisch seinen Input zu einem Element geben, ohne ständiges Mitglied im Team zu sein. Im Abschnitt Kernteam wurde bereits geschildert, dass jedes Kernteammitglied ein eigenes Arbeitspaket zu bewältigen hat, das aus bis zu 58 Elementen bestehen kann. Da das Kernteammitglied als Einzelperson nicht in der Lage ist, alle Elemente allein abzuarbeiten, benötigt es die Unterstützung temporärer Mitarbeiter. Das Kernteammitglied benennt und rekrutiert die Kollegen je nach Element aus dem Fundus der Fachabteilungen. Dadurch ist deren Einsatz planbar und eine Leistung zu erwarten. Die Projektvielfalt und Einbindung in das Tagesgeschäft begrenzen jedoch oft die Verfügbarkeit der Mitarbeiter. Da aber häufig dieselben Mitarbeiter für den temporären Einsatz herangezogen werden, spielt sich eine gewisse Routine ein, die den zeitlichen Einsatz des einzelnen Mitarbeiters reduziert.
Organisationswerkzeuge Die Bandbreite der TRW-Produktpalette ist sehr groß und umfasst sowohl relativ einfache mechanische Komponenten als auch sehr komplexe elektronische und mechatronische Steuerungsmodule. Je nach Komplexitätsgrad des Produktes stellt die Industrialisierung differenzierte Anforderungen an das Projektteam. Entsprechend unterschiedlicher Anforderungen von Kunde, Produkt und Anlauf sowie Wichtigkeit, Komplexität und Kostenaufwand unterscheidet TRW zwischen drei Projektkategorien:
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• Kategorie 1: Hohe Wichtigkeit und Aufwand für das Unternehmen verbunden mit hohem unternehmerischem Risiko bezüglich Investitionen, Wirkung auf die Geschäftsentwicklung sowie Entwicklungs- und Fertigungsprozesse. • Kategorie 2: Mittlere Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse. • Kategorie 3: Regionale Anlaufprojekte für bestehende Produkte/Fertigungstechnologien sowie Produktverbesserungen während der laufenden Serie. Vor jedem Anlauf wird mittels einer Abfrage von Risikokriterien entlang eines einfachen Punktesystems das Projekt kategorisiert. Unter Berücksichtigung der Neuentwicklung von Produkten wurde außerdem die bereits erläuterte Trennung zwischen Applikationsprojekten und Entwicklungsprojekten vorgenommen, wobei Entwicklungsprojekte überwiegend als Kategorie 1 eingestuft werden. Die Anforderungen der Projekte bedingen bestimmte Kompetenzen des Projektleiters, der in Anlehnung an die Projektkategorien entsprechend seiner technischen und persönlichen Eigenschaften nominiert wird. Des Weiteren hat die Einstufung des Projektes in eine der genannten Kategorien unmittelbaren Einfluss auf das Niveau des involvierten Managements. Unabdingbare Voraussetzung für einen erfolgreichen Projektablauf ist die Kommunikation innerhalb des Projektteams. Dabei ist – neben einer fundierten Prozesskenntnis – vor allem die kommunikative Kompetenz des Programm- oder Projektmanagers von eminenter Bedeutung. Er ist die kommunikative Schnittstelle für alle sein Projekt betreffenden Themen zwischen den externen (Kunden, Lieferanten) und den internen Projektpartnern (Funktionsbereiche). Als Unterstützung und zur Dokumentation dienen strukturierte und einheitliche Werkzeuge wie • • • • • • • •
standardisierte Projektpläne Checklisten interne und externe Foren Projektmanagement-Datenbanken mit Schnittstellen zu internen und externen Informationssystemen Monatsberichte Reviews Effizienzverfolgung anhand sogenannter „Measures of Performance“ (MoPs – z. B. Projekt- und Produktkosten, Termintreue und Produktleistung) und Eskalationsprozesse.
Die konsequente Anwendung dieser organisatorischen Werkzeuge erlaubt einen effizienten und transparenten Projektablauf. Im Benchmark mit anderen vergleichbaren Unternehmen der Branche wurde festgestellt, dass TRW mit dem jetzigen Anlaufmanagement gut strukturiert aufgestellt ist. Jedoch werden die existierenden Werkzeuge nicht als statisch angesehen, sondern unter Berücksichtigung ständiger Verbesserungen angepasst.
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Trends und Perspektiven Der fortschreitende Zwang zur Kostenreduzierung in der Automobilindustrie führt zu einer notwendigerweise immer stärkeren Kooperation aller Beteiligten. Diese Vernetzung umfasst sowohl die Fahrzeughersteller als auch direkte und indirekte Lieferanten (Tier 1 bis Tier x). Das wird zu einer Konsolidierung auf dem Markt führen, die sich in einer weiteren Verringerung der Anzahl der Lieferanten einerseits und andererseits in der zunehmenden Verlagerung von Entwicklungsleistungen vom OEM hin zum Lieferanten ausdrückt. Die Lieferanten müssen dieser Entwicklung mit einer immer stärkeren globalen Ausrichtung der unternehmerischen Strategie Rechnung tragen. Neben den bereits bekannten Formen solcher Entwicklungen wie organischem Wachstum, Akquisition und Fusion werden Joint Ventures und strategische Zusammenarbeit mit bisherigen Wettbewerbern immer stärker an Bedeutung gewinnen. Eine derartige Zusammenarbeit birgt ein nicht unerhebliches Konfliktpotenzial durch den gleichzeitigen Partner- und Wettbewerberstatus der beteiligten Unternehmen. Von allen Seiten erfordert diese Situation ein hohes Maß an Kompromissbereitschaft, um diametrale firmeninterne Strategien miteinander in Einklang zu bringen. Eine wesentliche Herausforderung des Anlaufmanagements der Zukunft ist es, in dieser veränderten Lage zur Zufriedenheit aller Beteiligten (Kunden und Mit-Lieferanten) erfolgreich zu agieren. Die zunehmende Komplexität und steigende Diversifikation von unterschiedlichen Komponenten im Fahrzeug führt gezwungenermaßen zu einer verstärkten Zusammenarbeit verschiedener Produktlinien, die bis dahin eigenständig nebeneinander agierten. Als Beispiel sei genannt, dass Sensorsignale der Fahrzeugstabilitätskontrolle sowohl Einfluss auf Bremse, Lenkung, Räder/Reifen als auch auf Insassensicherheitssysteme wie Airbags nehmen. Abhängig davon, ob TRW alle diese Produkte liefert oder den Produktumfang mit einem anderen Mitbewerber teilt, ist ein Austausch von internen – zum Teil als sensibel angesehenen – Produktinformationen notwendig. Die juristische Absicherung von Patenten und IPR (Intellectual Property Rights) bedarf daher in Zukunft einer höheren Aufmerksamkeit als bisher. Schon jetzt lässt sich erkennen, dass die Anzahl der Projekte mit Kategorie 1 oder 2 zunimmt und die steigende Komplexität im Projektmanagement, im Vergleich zu früher, eine strategische Neuausrichtung der Anlauforganisation bedingt. Firmenstrategisch wird die Anwendung eines Anlaufmanagements von TRW als eine klare Voraussetzung für die Sicherstellung des zukünftigen Geschäfts gesehen. Subregionale Strukturen haben sich als nicht adäquat für globale Anforderungen erwiesen. Allerdings bedingt die Umstellung auf globale Strukturen eine Änderung der Unternehmensausrichtung und -philosophie, besonders im Hinblick auf die Mitarbeiter und deren Arbeitsumfeld. Es wurde festgestellt, dass historisch bedingte Hierarchiestrukturen in der Umsetzung von überregionalen oder globalen Projekten ein Hemmnis darstellen können.
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Verstärkt tritt ein vermehrter Bedarf an Mitarbeitern mit entsprechender sozialer Kompetenz und erweitertem Verständnishorizont auf. Die interne Fortbildung der Mitarbeiter verschiebt sich schwerpunktmäßig in Richtung „soft skills“. Deren Aneignung, Umsetzung und Bewertung werden immer wichtiger. Abteilungsübergreifende Teamfähigkeit und Teamzusammenarbeit bekommen eine größere Bedeutung, die hierarchische, disziplinarische Einbindung in vertikale Strukturen nimmt in ihrer Relevanz weiter ab. Diese Art der Zusammenarbeit wird als eine der schwierigsten Herausforderungen für die Anlauforganisation der Zukunft angesehen, weil sie ein radikales Umdenken in allen Hierarchieebenen und insbesondere bei den Projektmitarbeitern erfordert. Das wird nicht von allen Mitarbeitern gleichermaßen getragen. Deshalb ergeben sich weit reichende Konsequenzen für die Zusammenstellung von zukünftigen Projektteams. Darüber hinaus bedingen komplexere Projekte eine immer engere Zusammenarbeit in der Lieferkette, vom OEM über den Tier1-Lieferanten bis hin zum Materiallieferanten. Die projektgesteuerte Zusammenarbeit umfasst einerseits eine breitere Kommunikation in der Organisation und eine global-zentralistische Projektsteuerung sowohl beim OEM als auch beim Lieferanten. Organisatorisch werden wir weitere Änderungen beobachten können, die zu multifunktionellen, bereichsübergreifenden, nicht lokal gebundenen Mitarbeiterteams führen werden. Andererseits bedarf es auch einer profunden und detaillierten Abgleichung der Anlaufprozesse zwischen Kunden und Lieferanten. Exemplarisch hierfür steht, dass TRW an einer Online-Anbindung an Kundensysteme nach dem Quality Data Exchange System (inhaltlich im VDA Band 7 beschrieben) arbeitet. Elemente wie Projektplan, Production Part Approval Process (PPAP) und andere reifegradrelevante Dokumente werden hier abgedeckt. Um TRW auf diese zukünftigen Anforderungen vorzubereiten, wurde als interne Strategie eine strukturiert angelegte Aufgabensammlung von fast 2.000 Maßnahmen erarbeitet, deren Umsetzung zu einer konsequenten Ausrichtung des Gesamtunternehmens auf Programm- und Projektmanagement führen wird. Dieser für alle Unternehmensbereiche definierte Plan zur nachhaltigen Verbesserung der Produktanläufe heißt Launch Roadmap. Erklärtes Ziel ist die Ausschaltung von den Serienstart verzögernden Distraktoren. Die Umsetzung wird durch unterschiedliche Maßnahmen unterstützt. Inhaltliche Komponenten umfassen z. B. Training der Projektleiter und Projektmitarbeiter sowie die Ausarbeitung und Implementierung von standardisierten und aufeinander abgestimmten Werkzeugen und Prozessen innerhalb und außerhalb des Programmund Projektmanagements. Dabei wird auf eine sinnvolle globale Standardisierung und eine intensive funktions- und divisionsübergreifende Zusammenarbeit großen Wert gelegt. Die globale Automobilindustrie ist im Umbruch. Eine weitsichtige Strategie und der Wille zur Verbesserung werden unsere ständigen Begleiter sein. Unternehmen müssen sich dieser Herausforderung stellen, wenn sie in Zukunft bestehen wollen.
Anlaufmanagement in der Nutzfahrzeugindustrie am Beispiel Daimler Trucks Frank H. Lehmann, Andreas Grzegorski Daimler AG
Daimler Trucks Die Daimler AG ist weltweit der mit Abstand größte Hersteller von Nutzfahrzeugen: Allein 2006 wurden mit rund 80.000 Mitarbeitern im Geschäftssegment Lkw ca. 537.000 Einheiten produziert und abgesetzt. Auf diese Weise wurden ein Umsatz von 32 Mrd. Euro sowie ein operativer Gewinn von 2 Mrd. Euro erwirtschaftet.
Überblick Aktuell sind die Lkw-Aktivitäten der Daimler AG organisatorisch im Bereich Daimler Trucks konzentriert. Die neue Matrixorganisation verfügt einerseits über drei operative Geschäftseinheiten, die in den Regionen der Triade aktiv sind: Trucks NAFTA mit den Marken Western Star, Sterling und Freightliner, Trucks Asien mit Mitsubishi Fuso sowie Trucks Europa/Lateinamerika mit Mercedes-Benz. Auf der anderen Seite sind vier funktionale Querschnittsbereiche mit dem Ziel geschaffen worden, eine Harmonisierung und engere Verzahnung der regional orientierten Geschäftseinheiten zu erreichen. Neben der Produktentwicklung, dem Bereich Finanzen & Controlling sowie dem Einkauf wurde die Funktionaleinheit Powertrain Operations/Manufacturing Engineering gebildet. Diese verantwortet in einer hybriden Struktur die operativen Aufgaben der weltweiten Herstellung von Antriebsstrangkomponenten und koordiniert funktional die Produktionsplanung in allen Aggregate- und Fahrzeugmontagewerken.
Manufacturing Engineering Der Bereich Manufacturing Engineering (Produktionsplanung) stellt eine wichtige Schnittstelle zwischen der Produktentwicklung und der Aggregate- bzw. FahrzeugG. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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produktion dar und unterstützt die weltweit verteilten Produktionsstandorte bei der effektiven und effizienten Herstellung von Nutzfahrzeugen. Auf diese Weise schafft der Bereich die Basis für die Optimierung des globalen Produktionsverbundes.
Nutzfahrzeugindustrie: Herausforderung Produktund Prozesskomplexität In der Nutzfahrzeugindustrie und in besonderem Maße im Lkw-Segment ist die Branchensituation geprägt durch einen globalisierten Wettbewerb mit heterogenen Konkurrenzunternehmen, eine starke produktorientierte Regionalisierung und ein variantenreiches Produktspektrum. Kelp identifiziert zudem geringes Wachstum in den traditionellen Märkten, hohe Zyklizität der Nachfrage, hohe Fixkosten, steigende F&E-Aufwendungen sowie eine wachsende Abnehmermacht als treibende Kräfte im Wettbewerbsumfeld der Nutzfahrzeugindustrie (Kelp 2000). Die aus Produktsicht zunehmend differenzierten und individualisierten Kundenanforderungen in den weltweiten Nutzfahrzeugmärkten haben zu einer enormen Variantenvielfalt geführt: So sind in jedem Markt unterschiedliche infrastrukturelle Rahmenbedingungen, gesetzliche Vorschriften und weitere nutzungsspezifische Anforderungen zu beachten. Abbildung 1 zeigt übersichtsartig eine nutzfahrzeugspezifische Produktmatrix mit den Dimensionen „Regionen/Marken“ und „Typische Anwendungsfälle“.
Abb. 1 Lkw-spezifische Produktvielfalt am Beispiel Daimler Trucks
Anlaufmanagement in der Nutzfahrzeugindustrie am Beispiel Daimler Trucks
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Diese Darstellung unterstreicht deutlich die grundlegend differierenden Herausforderungen bei der Herstellung von Pkw und Lkw: Etwa 15 Pkw-Baureihen mit gut 25 Karosserievarianten stehen allein bei Mercedes-Benz 468 Lkw-Baumuster bzw. 1.000 Fahrerhaus-Rohbauvarianten gegenüber. Während ein Pkw serienmäßig in durchschnittlich zwölf Farbtönen erhältlich ist, steht dem Kunden für die Lackierung des Lkw eine fast unbegrenzte Anzahl von Farben zur Verfügung – im Serienprozess mehr als 260 Farbtöne für das Fahrerhaus und etwa 120 Farbtöne für den Rahmen. Verstärkend kommt hinzu, dass sich die jährlichen Stückzahlen im LkwBereich deutlich unter denen eines Pkw-Bereichs bewegen und einige Unternehmen in der Lkw-Industrie zudem mit unterschiedlichen Marken in den globalen Märkten aktiv sind. Eine solch große Vielfalt an Produktvarianten induziert in der Praxis eine erhebliche Zunahme der Komplexität von Prozessen und Produktionssystemen, was Transparenzverluste sowie einen zunehmenden Koordinationsaufwand zur Folge hat und letztlich beträchtliche Komplexitätskosten verursacht. Die Beherrschung der Komplexität von Produkten und Prozessen ist zum strategischen Erfolgsfaktor geworden (Wiendahl et al. 2004.). Vor dem Hintergrund der geschilderten internen Komplexität und der wettbewerbsbedingten externen Herausforderungen wird vor allem das Management des Produktentstehungsprozesses, im Sinne einer Verkürzung der Time-to-Market, zu einem erfolgskritischen Wettbewerbsfaktor. Von besonderer Bedeutung hinsichtlich des Gesamterfolgs einer Produktneueinführung ist dabei der Übergang von der Entwicklung in die Produktion, die Harmonisierung der beiden Bereiche ist eine zentrale strategische Herausforderung (Risse 2003). Im Hinblick auf die Steigerung von Effektivität und Effizienz in Anlaufprojekten lassen sich nach Wiendahl fünf Handlungsfelder identifizieren (Wiendahl 2002): • • • • •
Planung, Controlling und Organisation von Produktionsanläufen Anlaufrobuste Produktionssysteme Änderungsmanagement im Produktionsanlauf von Serienprodukten Kooperations- und Referenzmodelle für den Anlauf Erfahrungs- und Wissensmanagement sowie Qualifizierung des Anlaufpersonals.
Analog zur Forderung im ersten Handlungsfeld, standardisierte Geschäftsprozesse zur Bewältigung der Anlaufkomplexität zu entwickeln, ist bei Daimler Trucks mit dem Commercial Vehicle-Development System (CV-DS) bereichsübergreifend ein standardisierter Referenzprozess für die Nutzfahrzeugentwicklung definiert, der die Bewältigung der beschriebenen Herausforderungen ermöglicht. Diese auf dem Gateway-Konzept basierende Systematik erlaubt unter anderem die ablauforganisatorische Planung und Steuerung des Produktionsanlaufs sowie eine Unterstützung des Reifegradcontrollings.
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Abb. 2 Standardisierter Referenzprozess für Fahrzeugentwicklungsprojekte
Commercial Vehicle-Development System Daimlers Commercial Vehicle-Development System beschreibt mithilfe von Meilensteinen, den sog. Quality Gates (QG), über alle Funktionalbereiche hinweg die standardisierte Entstehung eines Nutzfahrzeugs vom Start des entsprechenden Produktprojekts bis zu seiner Markteinführung. Es definiert weltweit für alle Nutzfahrzeug-Marken von Daimler Trucks eine gemeinsame Planungsbasis für Produktprojekte und unterstützt gleichzeitig deren Steuerung sowie das notwendige Berichtswesen (Abb. 2).
QG 10 bis 4: Produktdefinition und -entwicklung Der standardisierte Produktentstehungsprozess lässt sich in drei sequenzielle Hauptphasen einteilen: Er beginnt mit der Produktfindung und -definition (QG 10 bis 7), in der relevante Kundenanforderungen sowie Marktpotenziale formuliert werden. Davon ausgehend werden mit zunehmendem Detaillierungsgrad produktions- und produktbezogene Entwicklungen durchgeführt, Lasten- und Pflichtenhefte formuliert sowie designrelevante Entscheidungen getroffen. Im Rahmen der Produktentwicklung (QG 7 bis 4) werden anschließend Konstruktion und Integration des Ge-
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samtfahrzeugs abgeschlossen sowie die erforderlichen Test- und Erprobungsumfänge durchgeführt. Von besonderer Bedeutung für einen erfolgreichen Produktanlauf, dessen endgültige Konzeptdefinition am QG 4 mit dem Abschluss der Produktentwicklung zusammenfällt, ist die Phase des Produktionsanlaufs und des Serienproduktionsstarts zwischen QG 3 und 1.
QG 3 bis 0: Produktionsanlauf, Serienproduktion und Projektabschluss In dieser Phase des Produktentstehungsprozesses sind alle Teile des Produkts fertig entwickelt, erprobt, von der Arbeitsvorbereitung vollständig bemustert und in definierter Qualität verfügbar. Für alle intern und extern hergestellten bzw. bezogenen Teile liegen entsprechende Erstmusterprüfberichte und serienmäßige Preiskalkulationen vor. Die Herstellung aller Teile und Komponenten erfolgt im Gegensatz zur vorhergehenden Prototypenphase nun ausschließlich mit Serienwerkzeugen. Auf der Produktionsseite sind sämtliche Produktionsmittel und Werkzeuge installiert und abgenommen, sodass die drei Produktionstests (Tryout 1–3) in der Fahrzeugmontage unter Serienbedingungen erfolgen können. Eine thematische Fokussierung auf unterschiedliche Aspekte der Herstellung in jeweils einem der drei geplanten Produktionstests ermöglicht dabei eine Verbesserung der Anlaufergebnisse. Mit der erfolgreichen Durchführung der Tryouts und dem Durchschreiten des QG 2 ist die Produktionsprozessfähigkeit des Fahrzeugmontagewerks nachgewiesen. Die Fahrzeuge, die in dieser Phase gebaut werden, bedürfen keiner weiteren Nacharbeiten. Somit ist der Anlauf der Produktion abgesichert, nach der Freigabe des Produktes erfolgt diese nun auch für den Produktionsprozess. Das Durchschreiten des QG 2 markiert auf diese Weise den offiziellen Start der Serienproduktion (SoP). Die Markteinführung des Produktes kennzeichnet den Beginn des vorletzten Abschnitts im standardisierten Produktentstehungsprozess. Das Projektteam übergibt das Produkt an die für die Serienfertigung zuständigen Bereiche. Der Produktionshochlauf erfolgt entsprechend der geplanten Stückzahlkurve unter permanenter Beachtung der Fahrzeugqualität. Zielsetzung ist das Erreichen der Kammlinienstückzahl in einem Zeitraum von vier bis fünf Monaten. Mit dem Erreichen des letzten Meilensteins (QG 0) wird das Produktprojekt offiziell abgeschlossen, Produktqualität und Rentabilität werden in einer definierten Zeitspanne nach SoP analysiert und beurteilt. Die konkrete Umsetzung eines standardisierten Produktentstehungsprozesses in der betrieblichen Praxis erfordert geeignete Anlaufmethoden und Planungswerkzeuge. Die folgenden Abschnitte beschreiben beispielhaft ausgewählte Methoden und Werkzeuge, die bei Daimler Trucks im Produktentstehungsprozess, speziell im Anlaufmanagement, eingesetzt werden.
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Tryouts im Fahrzeugmontagewerk Ein Produktionstest ist die erste Überprüfung und Absicherung der Prozessfähigkeit eines neuen Fahrzeugs. Dabei liegt vor SoP der Fokus auf der Herstellbarkeit unter Serienbedingungen. Zudem wird das Personal in der Montage des neuen Fahrzeugs geschult und trainiert. Ziel ist es, schrittweise die notwendige Geschwindigkeit und Reife im Montage- und Logistikprozess zu erreichen. Die Bereiche Entwicklung, Produktion, Lieferantenmanagement, Logistik und QM arbeiten zusammen, um eine ganzheitliche Optimierung des Produktionsprozesses zu gewährleisten. Ziel des ersten Tryouts ist die Absicherung des Prozessflusses: Auf Mitarbeiterebene erfolgt eine Überprüfung der erstellten Arbeitsanweisungen sowie der Betrieb aller automatisierten Arbeitsstationen im Automatikmodus. Im Ergebnis erfolgt so ein letzter Abgleich zwischen Mitarbeitern, Produktionsmitteln und dem Produkt. Im Rahmen des zweiten Tryouts liegt der Fokus auf der Produktqualität. Das Erreichen der geforderten Oberflächenqualität lackierter Teile wird unter Serienbedingungen genauso kontrolliert wie die Funktionsfähigkeit und die Maßhaltigkeit des Gesamtfahrzeugs und all seiner Komponenten. Mit einem erfolgreichen zweiten Tryout wird zudem die Vorabnahme der Produktionsprozesse im Fahrzeugmontagewerk erfüllt. Ziel des dritten Tryouts ist schließlich die Absicherung der Prozesstaktzeit. Neben der Prozessfähigkeit auf Fahrzeugebene wird so die Einhaltung der geplanten stückzahlbezogenen Kammlinie verifiziert. Auf Logistikebene werden mit diesem abschließenden Produktionstest auch die logistischen Prozesse im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Teilen und Komponenten validiert.
Anlaufmanagementsystem Läuft die Produktion eines neuen Produkts weltweit an unterschiedlichen Standorten eines Unternehmens an, ist eine ganzheitliche Anlaufstrategie von herausragender Bedeutung: Beispielsweise sind Zeitpunkte und Anlaufkurven an den verschiedenen Produktionsstätten optimal aufeinander abzustimmen (Henrich 2002). Vor dem Hintergrund dieser besonderen Herausforderungen des Anlaufmanagements im globalen Produktionsverbund werden bei Daimler Trucks gezielt Datenbanken eingesetzt. Abbildung 3 stellt beispielhaft das Anlaufmanagementsystem (AMS) der Fahrzeugmontagewerke im internationalen Mercedes-Benz Lkw Produktionsverbund dar. Im Rahmen der Unterstützung von Produktanläufen werden hier bereichsübergreifend auf Teileebene sämtliche Informationen über Neuteile gesammelt, z. B. Sach- und Zeichnungsnummern, Teilebezeichnungen, Lieferanten, Bemusterungstermine, Bedarfe, zuständige Funktionsgruppenteams sowie eine teilebezogene Gesamtbewertung analog zur im folgenden Abschnitt dargestellten CV-DS Ampellogik. Das Anlaufmanagementsystem ermöglicht im Einzelnen:
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Abb. 3 AMS-Datenbank für das globale Anlaufmanagement im Produktionsverbund
• das Verwalten einer Vielzahl von Produktprojekten • eine Anlaufunterstützung aller betroffenen Fachbereiche • einen identischen und transparenten Informationsstand für anlaufrelevante Teile an unterschiedlichen Standorten • eine Unterstützung und Vereinfachung des Übergangs aus der Vorserien- in die Serienfertigung • standardisierte Auswertungen, Grafiken, Statistiken und individuelle Auswertungen. Auf diese Weise werden gezielte Auswertungen möglich, die jederzeit den aktuellen Verfügbarkeits- und Bearbeitungsstand wiedergeben. Die Daten stammen aus existierenden IT-Systemen sowie von verantwortlichen Stellen im Produktionsverbund (Produktdokumentation, Einkauf, Entwicklung, QM, Logistik u. a.) und ermöglichen auf diese Weise ein standortübergreifendes Controlling von Produktanlaufprojekten.
Planungs- und Controllingwerkzeuge Neben den anlaufspezifischen Methoden und Werkzeugen kommen eine Reihe weiterer Instrumente permanent im Rahmen des Produktentstehungsprozesses zum Einsatz. Abb. 4 zeigt das CV-DS mit einer Auswahl unterschiedlicher Methoden und Werkzeuge, die u. a. zur Unterstützung eines erfolgreichen Anlaufmanagements eingesetzt werden.
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Abb. 4 Wichtige Werkzeuge im Anlaufmanagement
Die Quality-Gate-Rollenmatrix veranschaulicht die unterschiedlichen Rollen im Produktentstehungsprozess, dabei wird einerseits nach Verantwortungsbereichen unterschieden und auf der anderen Seite eine funktionale Zuordnung vorgenommen. Einzelne Aufgaben und ein detaillierter Zeitplan werden aus dem Standardprozessmodell abgeleitet und in definierten Prozessmasterplänen abgebildet. Standards, u. a. im Berichtswesen, unterstützen die transparente und nachvollziehbare Darstellung des Planungsstandes im Projekt. Eine Harmonisierung und Synchronisation des Fahrzeugentstehungsprozesses mit den Produktentstehungsprozessen im Bereich der Antriebsstrangkomponenten erfolgt ebenfalls mithilfe des CV-DS über die zeitliche und inhaltliche Abstimmung definierter Quality Gates. Die Interaktion der Prozessverantwortlichen mit dem Projektleitungsteam erfolgt u. a. über ein webbasiertes CV-DS IT-Tool, mit dessen Hilfe in den jeweiligen Phasen des Produktentstehungsprozesses die Bewertung und Freigabe von Arbeitspaketen und Teilprojekten standortunabhängig durchgeführt werden kann. Mit diesem Werkzeug steht zudem eine umfassende Informationsplattform zur Verfügung, die permanent den aktuellen Projektstatus widerspiegelt und so ein effektives wie effizientes Controlling- und Führungsinstrument darstellt. Basis dieses IT-Tools sind Arbeitspakete und Teilprojekte, deren Soll-Status in Form geeigneter Kennzahlen und Bewertungsgrößen im System hinterlegt ist. Abhängig von der Prozessphase sind in regelmäßigen Abständen Bewertungen mithilfe der definierten Größen vorzunehmen. Hierbei kommt eine Ampellogik zum Einsatz, wobei „grün“ für eine abgesicherte Zielerreichung steht, „gelb“ für eine Zielerreichung, die zusätzlicher Maßnahmen bedarf, und „rot“ für eine zum jeweiligen Zeitpunkt – auch mit Zusatzmaßnahmen – nicht abgesicherte Zielerreichung. Bei Bewertungen mit „gelb“ bzw. „rot“ sind entsprechende Maßnahmen zu definieren, die zur Erreichung des vereinbarten Ziels zusätzlich erforderlich sind. Die
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Bewertungen der einzelnen Arbeitspakete werden schließlich im Rahmen eines umfassenden Projektcontrollings bis zur Gesamtprojektebene aggregiert. Im Ergebnis erhält man auf diesem Wege eine transparente und nachvollziehbare Darstellung des aktuellen Projektstatus.
Integration von Lieferanten in den Produktentstehungsprozess Bei einer durchschnittlichen Fertigungstiefe von etwa 10 – 15% in einem Fahrzeugmontagewerk der Nutzfahrzeugindustrie ist die horizontale und vertikale Kooperation mit internen und externen Partnern ein weiterer strategischer Wettbewerbsfaktor. Dies gilt für die Serienproduktion in gleichem Maße wie für den gesamten Produktentstehungsprozess. Hier sind Instrumente und Methoden erforderlich, die eine umfassende Koordination der beteiligten Partner sowie eine effektive und effiziente Kommunikation zwischen ihnen ermöglichen (Wiendahl 2002). Ein Beispiel für diese enge Zusammenarbeit ist die „Projekthafte Serienvorbereitung“ im Bereich Lieferantenmanagement: Auf Basis einer Risikobewertung, welche die Komplexität von Baugruppen bzw. Modulen, ihre Relevanz für das Anlaufprojekt und andere Kriterien berücksichtigt, werden ausgewählte Serienvorbereitungsprozesse beim Lieferanten durch Daimler Trucks intensiv begleitet. Zu diesem Zweck wird ein Regelkreis (Abb. 5) etabliert, der die Synchronisation von OEM- und Lieferantenprozessen (z. B. Meilensteine, Termine, Aktivitäten und Maßnahmen) zum Ziel hat und über eine standardisierte Projektberichterstattung gesteuert wird.
Abb. 5 Regelkreis „Projekthafte Serienvorbereitung“
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Key Learnings Das Management von Produktanläufen in der Nutzfahrzeugindustrie ist gekennzeichnet durch eine hohe Produktkomplexität, eine hohe Variantenvielfalt sowie eine daraus resultierende Komplexität direkter und indirekter Prozesse. Zusammen mit den Herausforderungen eines intensiven globalen Wettbewerbs ergibt sich die Notwendigkeit, Produktanläufe effektiv und effizient, d. h. zielgerichtet und ohne Verschwendung zu gestalten. Bei Daimler Trucks ist ein standardisierter Referenzprozess für die Produktentstehung definiert, der die erfolgreiche Beherrschung derart komplexer Projekte ermöglicht. Der Produktanlauf mit drei – thematisch unterschiedlich fokussierten – Produktionstests fügt sich nahtlos in den Prozess zwischen Produktentwicklung und Serienproduktion ein. Mit dem standortübergreifend genutzten, datenbankbasierten Anlaufmanagementsystem steht ein schlagkräftiges Instrument zur Unterstützung der Anlaufphase zur Verfügung. Ein notwendiges ganzheitliches Controlling des Projektstatus auf Teileebene wird so möglich. Zudem steht der Projektleitung mit den beschriebenen Planungs- und Controllingwerkzeugen eine Vielzahl weiterer Instrumente und Methoden aus dem Projektmanagement zur Verfügung, um Produktentwicklungsprojekte umfassend planen, steuern und kontrollieren zu können. Es bedarf vielfältiger Werkzeuge, um die Komplexität zu bewältigen: Aber neben der zweifellos wichtigen prozessualen und technischen Ausgestaltung des Produktanlaufs sind nicht zuletzt die Mitarbeiter, welche auf dieser Basis die branchenspezifischen Herausforderungen der Produktentstehung meistern, der Garant für ein erfolgreiches Anlaufmanagement.
Literaturverzeichnis 1. Henrich P (2002) Strategische Gestaltung von Produktionssystemen in der Automobilindustrie. Shaker, Aachen 2. Kelp R (2000) Strategische Entscheidungen der europäischen Lkw-Hersteller im internationalen Wettbewerb. VVF, München 3. Risse J (2003) Time-to-Market-Management in der Automobilindustrie. Haupt, Bern 4. Wiendahl HP (2002) Schneller Produktionsanlauf von Serienprodukten. In: Ergebnisbericht der Untersuchung fast Ramp-up, IFA Institut für Fabrikanlagen und Logistik, Universität Hannover 5. Wiendahl HP, Gerst D, Keunecke L (2004) Variantenbeherrschung in der Montage. Springer, Berlin Heidelberg New York
Teil III
Lieferantenmanagement
Lieferantenintegration im Produktentstehungsprozess Phillip Kirst Department of Operations Management, Copenhagen Business School
Entwicklungstendenzen von Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen in der Automobilindustrie In den vergangenen zwei Dekaden haben Unternehmen aus der Automobilindustrie sowie Firmen anderer Wirtschaftbereiche eine Strategie der Konzentration und Fokussierung auf Kernkompetenzen verfolgt (Fawcett u. Magnan 2002). Die damit avisierten Ziele sind vielfältig, wobei eine Verbesserung der Kundenzufriedenheit durch bessere Qualität und niedrigere Preise die Hauptbeweggründe für diese Entwicklung zu sein scheinen (Djabarian 2002). Eine weitreichende Konsequenz dieser Strategie ist eine substanzielle Verringerung der Wertschöpfungstiefe durch Outsourcing von Bereichen, in denen das Unternehmen keine spezifischen Knowhow- oder Größenvorteile aufweist. Dieser Trend zur Reduzierung der Fertigungstiefe hält in der Industrie weiterhin an und führt dazu, dass der Materialkostenanteil im Durchschnitt zwischen 50% und 80% liegt (Cammish u. Keough 1991; Arnolds et al. 1996; Arnold 1997; Tani u. Wangenhein 1998; Sydow u. Möllering 2004; Kaufmann u. Carter 2006; Nogatchewsky 2006). Auch in der Automobilindustrie lässt sich ein starkes Outsourcing beobachten, wobei bei einigen Fahrzeugen, wie bspw. dem „smart“ die Automobilhersteller bereits bei einem Wertschöpfungsanteil von unter 10% angelangt sind (Bain & Company 2005). Eine wesentliche Konsequenz von Outsourcing-Aktivitäten ist, dass wichtige Determinanten des ökonomischen Erfolgs nicht mehr im unmittelbaren, internen Einflussbereich des Unternehmens liegen, sondern im Zuge der Verlagerung von Wertschöpfungsanteilen auf die Lieferanten übertragen werden (Stölzle u. Kirst 2006). Die Reduzierung der Fertigungstiefe findet in einem ökonomischen Umfeld statt, welches sich insbesondere durch eine hohe Dynamik hinsichtlich der Kundenanforderungen und Nachfrage sowie einen ständigen technologischen Wandel auszeichnet (Fine 1998; van Hoek et al. 2001). In der Automobilindustrie wird diese Dynamik durch sich verkürzende Produktlebenszyklen bei gleichzeitigem Anstieg der Entwicklungszeiten flankiert. Dies bewirkt, dass sich die für eine Amortisation der Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen (F&E) verfügbare Zeit verringert. Um dem entgegenzuwirken, versuchen Unternehmen die Phase vor der MarkteinG. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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führung – den Produktentstehungsprozess (PEP) – zu verkürzen und durch eine Verringerung der „Time-to-Market“ und der „Time-to-Volume“ die Wettbewerbsposition gegenüber anderen Automobilherstellern und Zulieferern zu verbessern. Dieser Herausforderung gilt es, unter Berücksichtigung der neuen Wertschöpfungsstruktur in der Automobilindustrie, zu begegnen, da ehrgeizige Qualitäts-, Zeit- und Kostenziele im PEP nur noch durch eine wertschöpfungstufenübergreifende Planung, Steuerung und Kontrolle realisiert werden können. Für diese Form der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit müssen geeignete Managementkonzepte identifiziert werden, die einen erfolgreichen Produktentstehungsprozess und einen reibungslosen Serienneuanlauf unterstützen. Der folgende Beitrag wird zunächst die Aufgaben des Lieferantenmanagements umreißen und im Anschluss vertiefend auf den Aufgabenbereich der Lieferantenintegration eingehen. Darauf aufbauend wird der Produktentstehungsprozess als Strukturierungsraster vorgestellt, mit dessen Hilfe sich die Intensität der Integration anhand verschiedener Zeitpunkte der Lieferanteneinbindung beschreiben lässt. Aus den verschiedenen Integrationsintensitäten werden – literaturgeleitet – unterschiedliche Lieferantentypen systematisiert, die sich anhand ihrer Verantwortungsbereiche im Produktentstehungsprozess unterscheiden. Der zweite Abschnitt schließt mit einer Präzisierung von anlaufspezifischen Aufgaben des Lieferantenmanagements anhand ausgewählter Beispiele. Der Beitrag endet mit einem Blick in die Praxis und führt die drei Fallbeispiele zum Lieferantenmanagement im Serienneuanlauf aus der Sicht von Automobilherstellern und -lieferanten ein.
Management von Lieferanten im Produktentstehungsprozess der Automobilindustrie Aufgrund des hohen Outsourcing-Grades und der daraus resultierenden geringen Fertigungstiefe der Automobilhersteller, kommt der Fähigkeit, externe Lieferanten in den PEP einzubinden, heutzutage eine Schlüsselrolle zu. Die Implementierung und kontinuierliche Verbesserung einer Lieferantenbasis, die einen Abnehmer effizient mit hochwertigen Beschaffungsobjekten zu attraktiven Konditionen versorgt (Dyer u. Singh 1998; Smith 2002), ist für Unternehmen in der Automobilindustrie zu einer der wichtigsten Managementaufgaben geworden. Die systematische Planung, Implementierung, Entwicklung, Steuerung und Kontrolle von potenziellen und aktiven Zulieferer-Lieferanten-Beziehungen obliegt dem Lieferantenmanagement (Wagner 2003). Es konzentriert sich dabei auf drei wesentliche Aktivitäten: das Management der Lieferantenbasis, die Lieferantenentwicklung und die Lieferantenintegration (Goffin et al. 1997; Wagner 2003). Alle Aktivitäten haben zum Ziel, die Performance aktiver und potenzieller Lieferanten zu erhöhen. Der Performancebegriff ist ein multidimensionales Konstrukt, welches finanzielle und nicht-finanzielle Kennzahlen umfasst. Es bezieht sich auf die Effizienz und die Effektivität, mit der bestimmte Ziele erreicht werden, und hat neben einer vergangenheitsbezogenen, eine zukunfts- und potenzialorientierte Perspektive
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(Karrer 2006). Die Lieferantenperformance kann als die Fähigkeit eines Zulieferers beschrieben werden, bestimmte, ex ante spezifizierte Ziele effizient und effektiv zu erreichen (Maloni u. Benton 2005). Diese allgemeine Definition kann mithilfe von vielfältigen Kennzahlen, wie Transaktionskosten oder Käuferzufriedenheit, spezifiziert werden (Artz 1999). Um eine Verbesserung der Lieferantenperformance zu erreichen, wurde in den vergangenen Jahren verstärkt das Konzept der Lieferantenintegration diskutiert (Monczka u. Morgan 1996; Cooper et al. 1997; Frohlich u. Westbrook 2001; Das et al. 2006; Stölzle u. Kirst 2007). Ein besonderer Fokus der wissenschaftlichen Forschung liegt dabei in der Integration von Lieferanten in den PEP. Diese besondere Form der Integration wird im vorliegenden Beitrag, spezifisch für die Automobilindustrie, diskutiert.
Integration von Lieferanten in den Produktentstehungsprozess der Automobilindustrie Die Lieferantenintegration stellt eine hybride Koordinationsform zur Steuerung von Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen zwischen Markt und Hierarchie dar und dient der Stabilisierung und Optimierung von Transaktionsbeziehungen. Sie fokussiert primär die Dyade zwischen Zulieferer und Abnehmern und kann definiert werden als . . . die auf die Erlangung eines Wettbewerbsvorteils ausgerichtete Kombination interner Ressourcen und Fähigkeiten von ausgewählten Schlüssellieferanten, mit denen des beschaffenden Unternehmens durch eine eng abgestimmte Planung, Steuerung und Kontrolle unternehmensübergreifender Prozesse (Wagner 2003). In der Praxis haben sich insbesondere die Unternehmen der Automobilindustrie in den letzten Jahren darum bemüht, die Beziehungen zu Lieferanten zu verbessern und zu intensivieren. Die Hoffnung auf eine Verringerung der beschaffungsseitigen Unsicherheit und die Erlangung eines Wettbewerbsvorteils gelten dabei als die Haupttreiber der zunehmenden Integration von Lieferanten (Kamath u. Liker 1994; Frohlich u. Westbrook 2001; Dyer u. Singh 1998; Lavie 2006). Bei der Lieferantenintegration können unterschiedliche Bindungsintensitäten zwischen Zulieferer und Abnehmer identifiziert werden (Jaspers u. van den Ende 2006), die auf ein unterschiedlich breites Aufgabenspektrum, ungleiche Verantwortungen im Bereich der Entwicklung und dem Zeitpunkt der Integration in den PEP zurückzuführen sind. Der Zeitpunkt der Lieferantenintegration spiegelt dabei die Verantwortung des Zulieferers für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten wider. Grundsätzlich kann konstatiert werden, dass je früher ein Lieferant in den Produktentstehungsprozess eingebunden wird, desto umfangreicher ist sein technologisches Know-how und desto intensiver wird er in den PEP integriert. Die Einbindung von Lieferanten in den PEP kann in jeder Phase einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Produkt- und Prozessentwicklung leisten. Die verschiedenen Phasen des PEP und die möglichen Anfangspunkte der Lieferantenintegration sind schematisch in der folgenden Abbildung dargestellt (siehe Abb. 1).
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Abb. 1 Produktentstehungsprozess (in Anlehnung an: Monczka et al. 2000)
Ein neues Produktkonzept durchläuft, wie in Abb. 1 idealtypisch sequenziell dargestellt, bis zur Serienproduktion mit dem geplanten Kapazitätsniveau mehrere Phasen. In der ersten Phase (1) entwickelt sich die neue Produktidee oft aus Impulsen der Kunden. In der zweiten Phase (2) wird die erste, noch relativ rudimentäre technische und wirtschaftliche Machbarkeit überprüft. In der dritten Phase (3) wird das gesamte Produkt-, Service- und Vertriebskonzept entwickelt und evaluiert. In Phase vier (4) werden das Produkt sowie die Produktions-, Service- und Vertriebsprozesse zur Serienreife entwickelt. Dieser Abschnitt geht über in Phase fünf (5), der letzten Phase vor der Serienproduktion, in der das Prototyping, die Pilotserie sowie der Produktionshochlauf stattfinden (Monczka et al. 2000). Komplexe Produkte wie bspw. das Automobil stellen besondere Anforderungen an die Entwicklung im PEP, da eine Vielzahl unterschiedlicher Komponenten, Systeme und Bauteile in verschiedenen Varianten miteinander interagieren müssen. Im Rahmen eines Komplexitätsmanagements wird das Entwicklungsprojekt in verschiedene Aufgabenpakete unterteilt, die durch unternehmensinterne und -externe Organisationseinheiten mit den notwendigen Kompetenzen zu verschiedenen Zeitpunkten im Verlauf des PEP bearbeitet werden. Die Komplexität des Produktes generiert somit unternehmensübergreifende organisatorische Komplexität (Wangenheim 1998). Um diese Form der Komplexität zu reduzieren, differenzieren Automobilhersteller in Abhängigkeit vom Know-how der Zulieferer unterschiedliche Formen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit mit Lieferanten.
Ausgestaltungsform der Lieferantenintegration in der Automobilindustrie Die Etablierung einer integrierten Zulieferer-Abnehmer-Beziehung stellt die Akteure vor große Herausforderungen (Geldermann u. Semeijn 2006). Durch die erhöhte Abstimmungsintensität und die gegenseitige Verflechtung werden zusätzliche interne Ressourcen in Anspruch genommen (Mol et al. 2004; Andersen u. Buvik 2001).
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Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, differenzierte Strategien für die Zusammenarbeit mit verschiedenen Lieferanten im PEP zu entwickeln, sodass knappe Ressourcen auf strategisch bedeutende Austauschbeziehungen fokussiert werden können (Stölzle u. Kirst 2007). Erfolgreiche Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen berücksichtigen hierfür die technologischen Fähigkeiten des Lieferanten auf der einen und den Grad der Bereitschaft beider Transaktionspartner, offen Informationen auszutauschen, auf der anderen Seite. Zwischen diesen beiden Eigenschaften der Akteure innerhalb einer Austauschbeziehung gilt es die richtige Balance zu finden. Die lieferantenspezifischen technologischen Fähigkeiten setzten sich aus der Eignung zur Erforschung und Entwicklung bestimmter Bauteile und dem Fertigungsund Logistik-Know-how zusammen (Wagner u. Hoegl 2006). Hinsichtlich des Forschungs- und Entwicklungs-Know-hows kann nach Komponenten- und Systemwissen differenziert werden (Henderson u. Clark 1990). Komponentenwissen umfasst die Fähigkeit, eine einzelne Komponente (z. B. Treibstofftank) zu entwickeln und zu produzieren. Ein Lieferant mit Systemwissen hingegen besitzt die Fähigkeit komplexe Systeme, die mit Bauteilen, Modulen und Systemen anderer Lieferanten interagieren, zu entwickeln, zu produzieren und diesen Prozess zwischen allen Beteiligten zu koordinieren. Nach Kamath und Liker lassen sich vier Lieferantentypen bilden, anhand derer eine Hierarchie der Integration von Lieferanten abgeleitet werden kann (Kamath u. Liker 1994) (siehe Abb. 2). Die Rolle, welche ein Lieferant in einer spezifischen Zulieferer-AbnehmerBeziehung einnimmt, muss nicht über alle Wertschöpfungsketten hinweg die gleiche sein, sondern kann von Kunde zu Kunde differieren. Die Zuweisung eines bestimmten Lieferantentypus ist eine komplexe Aufgabe, die mehrere Entscheidungskriterien, insbesondere lieferantenspezifische Fähigkeiten berücksichtigen muss. Durch die Bildung verschiedener Lieferantentypen können die Zulieferer im Anschluss durch die Zuteilung unterschiedlicher Aufgaben und Kompetenzen differenziert gesteuert werden.
Abb. 2 Hierarchie der Lieferanten im Produktentstehungsprozess
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Aufgabenbereiche unterschiedlicher Lieferantentypen im Produktentstehungsprozess Contractual Suppliers werden zumeist als „verlängerte Werkbank“ des Abnehmers bezeichnet und stellen Standardprodukte und Bedarfsartikel (Commodities) her (Tani u. Wangenheim 1998). Ein Contractual Supplier hat kaum Einfluss auf das Design des Beschaffungsobjektes, da ihm die Spezifikationen und das gewünschte Design komplett vom Abnehmer vorgegeben werden. Für die Fertigung des Beschaffungsobjektes sind keine oder nur sehr geringe spezifische Investitionen notwendig, sodass die Anzahl potenzieller Lieferanten vergleichsweise hoch ist. Dies führt jedoch nicht zwingendermaßen zu einer leichten Substituierbarkeit des Lieferanten, da er bspw. ein einzigartiges Fertigungs-Know-how aufweisen kann, welches den Zulieferer dazu befähigt, aufgrund von Economies of Scale, Scope und Time, besonders kostengünstig oder aufgrund des Einsatzes einer besonderen Technologie besonders gute Qualität zu produzieren. Daher ist es möglich, dass der Abnehmer eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Lieferanten anstrebt, um sich auch zukünftig einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Aufgrund der relativen Simplizität des Beschaffungsobjektes intensiviert sich die Kommunikation zwischen Zulieferer und Abnehmer primär in der Prototypen- und Anlaufphase. Im Bezug auf das Anlaufmanagement muss vor der Prototypenherstellung gewährleistet sein, dass der Lieferant die notwendige Fertigungskapazität aufweist, um die angestrebten Kammlinien-Stückzahlen zu produzieren. Sollte das in einem Fall nicht gegeben sein, ist es aufgrund der geringen Spezifität des Beschaffungsumfangs relativ einfach, mehrere Lieferanten zur Befriedigung der Nachfrage hinzuzuziehen. Child Suppliers fungieren ebenfalls primär als verlängerte Werkbank des OEM, haben dabei jedoch einen – wenn auch geringen – Einfluss auf das Design bzw. die Spezifikation des Bauteiles. Der Child Supplier hat im Rahmen des PEPs die Verantwortung, die detaillierten Spezifikationen der Kunden in der Konstruktion umzusetzen und die Funktionsfähigkeit des Bauteils durch Testverfahren zu validieren (Tani u. Wangenheim 1998). Aufgrund der vorgegebenen Spezifikationen ist der Entwicklungs- und Konstruktionsprozess für dieses Beschaffungsobjekt für den Abnehmer sehr transparent. Als Referenz hierzu wird die Lieferantenintegration auch mit dem Attribut „White Box“ beschrieben (Monczka et al. 2000). Bei den Beschaffungsumfängen für diesen Lieferantentypus handelt es sich zumeist um einfache Bauteile geringer Komplexität wie z. B. spezielle Aluminium- oder Kunststoffdruckgussteile, die lediglich einfache kundenspezifische Investitionen für (bspw.) Werkzeuge erfordern. Die Kommunikation zwischen einem Abnehmer und einem Child Supplier startet mit einem Austausch in der Konzeptentwicklungsphase und intensiviert sich, sobald das Prototyping beginnt (Kamath u. Liker 1994). In der Anlaufphase muss bei einem Child Supplier im Vergleich zu einem Contract Supplier eine intensivere Testphase antizipiert werden, da die Konstruktion gegenüber einfachen Standardteilen komplizierter ist. Dementsprechend ist die Verantwortung des Lieferanten größer, wodurch sich auch die Notwendigkeit einer intensiveren Kontrolle des Lieferanten ergibt.
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Als Mature Supplier werden Systemlieferanten bezeichnet, die komplexe Module und Systeme entwickeln und produzieren. Die Beschaffungsobjekte, die von diesem Lieferantentyp bezogen werden, müssen mit anderen Komponenten und Systemen des Fahrzeuges abgestimmt werden. Der Mature Supplier zeichnet sich durch eine hohe Entwicklungs- und Fertigungskompetenz aus und arbeitet in der Entwicklung relativ selbstständig. Er bekommt vom Abnehmer lediglich kritische Spezifikationen zur gewünschten Leistungsfähigkeit, Schnittstellenbestimmungen und Dimensionierung vorgegeben (Kamath u. Liker 1994). Trotz höherer Integration in den Produktentstehungsprozess ist der Entwicklungsprozess des Beschaffungsobjektes, aufgrund der hohen Eigenverantwortung des Lieferanten, für den Abnehmer nicht mehr vollständig nachvollziehbar. Aus diesem Grund wird die Integrationsform des Mature Suppliers auch als „Gray Box Integration“ bezeichnet (Monczka et al. 2000). Der Mature Supplier wird bereits in der frühen Konzeptphase in den PEP eingebunden, da er aufgrund seines umfangreichen technologischen Know-hows die Spezifikationen des Abnehmers verbessern bzw. beeinflussen kann. Die Kommunikation zwischen den Transaktionspartnern ist während der gesamten Entwicklungsphase sehr intensiv. Regelmäßige Meetings und Verifizierungen des Projektstaus durch den Abnehmer vor Ort unterstreichen die hohe Bedeutung der Zulieferer-Abnehmer-Beziehung. Insgesamt unterscheidet sich ein Mature Supplier von einem Partner Supplier nur in wenigen Bereichen. Der wichtigste Unterschied liegt in den Freiheitsgraden der Entwicklung: Ein Mature Supplier bekommt seine anspruchsvollen Ziele vom Abnehmer (OEM) vorgegeben, ein Partner hingegen kann seine eigenen Ideen gleichberechtigt mit den Vorstellungen des OEM zu einem gemeinsamen Konzept vereinen. Partner bilden die Spitze der Lieferantenhierarchie und setzen sich aus wenigen 1st-Tier Suppliern zusammen, die sich durch ein besonders umfangreiches technologisches Know-how auszeichnen. Lieferanten, die einen Partnerstatus erreichen, sind Full-Service-Anbieter (Kamath u. Liker 1994) und tragen die Verantwortung für ein gesamtes Subsystem (z. B. Klimatisierung, Bremssystem, Abgasmanagement etc.). Da das Forschungs- und Entwicklungs-Know-how im Bezug auf das zu beschaffende System das Wissen des Abnehmers übertrifft, werden Lieferanten dieses Typs schon sehr früh, in der Phase der Ideengenerierung, in den Produktentstehungsprozess integriert. OEM und Partner entwickeln die Spezifikationen für das Beschaffungsobjekt gemeinschaftlich, wobei die Ideen und Konzepte beider Akteure relativ gleichberechtigt in das spätere Produktkonzept einfließen. Die Umsetzung der Spezifikationen in der Entwicklung und Konstruktion wird jedoch vom Lieferanten selbstständig und ohne umfangreiches Einwirken des OEM verantwortet. Insgesamt wird der Partner zwar enger in den PEP des Abnehmers integriert, aufgrund der hohen Selbstständigkeit der F&E des Lieferanten ist der eigentliche Entwicklungsprozess für den OEM jedoch kaum noch einsichtig. Daher wird diese Integrationsform als „Black-Box-Integration“ bezeichnet (Monczka et al. 2000). Lieferanten mit einem Partnerstatus sind weiterhin für das Testen der Funktionsfähigkeit des Systems verantwortlich und übernehmen dafür, stellvertretend für den OEM, auch die Koordination und technische Validierung der zum betreffenden Systemumfang gehörenden Sublieferanten (Tani u. Wangenheim 1998). Aufgrund der hohen Komple-
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xität des vom Partner entwickelten Systems müssen Zulieferer und Abnehmer über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg kontinuierlich und intensiv kommunizieren. In der Produktionsanlaufphase ergibt sich für den Partner die zusätzliche Aufgabe, andere Lieferanten ebenfalls auf ihre „Launch Readiness“ hin zu überprüfen. Insgesamt können partnerschaftliche Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen als Verbindungen unter Gleichen bezeichnet werden, wobei es sich bei einem PartnerZulieferer tendenziell um einen großen 1st-Tier-Lieferanten handelt, der neben umfangreichem technologischen Know-how auch eine entsprechende F&E sowie große Produktionskapazitäten aufweist. Ein weiteres Merkmal ist die globale Reichweite, die es dem Partner ermöglicht, Investitionen aufzubringen, die notwendig sind, um einem Auftraggeber (OEM) in neue Produktionsmärkte zu folgen. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen sich in vier verschiedene Gruppen einteilen lassen, welche sich anhand ihres Integrationsgrades in den Produktentstehungsprozess differenzieren lassen. Das Kriterium der Langfristigkeit der Beziehung stellt dabei kein Größe dar, an der sich die Intensität der Transaktionsbeziehung widerspiegelt, da partnerschaftliche, aber auch kontraktbezogene Austauschbeziehungen gleichermaßen von dauerhaftem Bestand sein können. Weiterhin handelt es sich bei den aufgezeigten vier Lieferantentypen um idealtypische Klassifizierungen, von denen die Realformen abweichen können. Die folgende Tabelle führt die differenzierenden Merkmale nochmals zusammenfassend auf (siehe Tab. 1). Tabelle 1 Aufgabenausprägungen unterschiedlicher Lieferantentypen Stellungen von Lieferanten im Produktentstehungsprozess Lieferantentyp
Partner
Mature
Child
Contract
Entwicklungs und Konstruktions verantwortung
Lieferant
Großteil Lieferant
Abnehmer und Zulieferer gemeinsam
Abnehmer
Produktkomplexität
Komplettes Subsystem
Komplexes Modul/Bauteil
Einfaches Modul
Bauteil/ Standardteil
Detailierungsgrad der Spezifikationen vom Abnehmer
Konzept
Kritische Spezifikationen
Detaillierte Spezifikationen
Komplettes Design
Einfluss des Lieferanten auf die Spezifikationen
Gemeinsame Abstimmung
Einfluss durch Verhandlung
Beratenden Einfluss
Keinen Einfluss
Startpunkt der Lieferantenintegration im PEP
Ideengenerierung
Konzeptentwicklung
Serienentwicklung
Prototyp
Produkt- und Prozessvalidierungsverantwortung des Lieferanten
Komplett z. T. mit Sublieferanten
Hauptverantwortung
Teilweise
Geringe
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Tabelle 1 (Fortsetzung) Stellungen von Lieferanten im Produktentstehungsprozess Lieferantentyp
Partner
Mature
Child
Contract
Technologische Fähigkeiten des Lieferanten
Autonom
Hoch
Mittel
Niedrig
Entwicklungstransparenz
Black Box
Gray Box
White Box
None
Integrationsintensität im PEP
Sehr hoch
Hoch
Mittel
Niedrig
Anzahl potenzieller Lieferanten
Sehr wenige
Beschränkte Auswahl
Viele
Sehr viele
Das Management von Lieferanten in der Anlaufphase der Automobilindustrie In der Anlaufphase ist insbesondere eine Aufgabe des Lieferantenmanagements, aufgrund ihrer großen Bedeutung für den Erfolg des Serienneuanlaufes, von großer Relevanz: die Identifizierung anlaufkritischer Lieferanten. Eine erste Möglichkeit zur Strukturierung der Lieferantenbasis in anlaufkritische und unkritische Lieferanten sowie einen Weg zum Priorisierungsprozess der Lieferantenanalyse bieten die Typologien des Partner-, Mature-, Child- und Contract-Lieferanten. Die frühe Identifizierung anlaufkritischer Lieferanten ist notwendig, da Zulieferer in der Anlaufphase dadurch ein erhöhtes Risiko darstellen, dass viele Kaufteile ebenfalls eine Anlaufphase durchlaufen, durch die sich Risiken potenzieren können. Um die eigenen Anlaufprozesse nicht durch Fehlleistungen der Lieferantenbasis zu gefährden, muss die Anlaufkritizität der Lieferanten daher anhand geeigneter Kennzahlen erfasst werden. Hierfür empfiehlt sich die Entwicklung einer Bewertungssystematik, welche die spezifischen Eigenschaften des Beschaffungsobjektes mit den Eigenschaften des Lieferanten kombiniert. Folgende ausgewählte Indikatoren der Anlaufkritizität lassen sich unterscheiden: • Prognosegüte im Anlauf: Sie bezieht sich auf die Fähigkeit der Transaktionspartner, im Vorfeld zu prognostizieren, wie häufig das Beschaffungsobjekt zu welchem Zeitpunkt nachgefragt wird. Aufgrund dieser Prognosedaten werden vom Lieferanten die Produktionskapazitäten geplant. Weichen diese stark von den tatsächlich im Serienanlauf und in der frühen Serie benötigten Ressourcen ab, kann entweder die Nachfrage nicht voll befriedigt werden, wodurch Umsätze entgehen, oder es kommt zu einem überhöhten Fixkostensockel durch Überkapazitäten. Tendenziell wird die Prognosegüte für Beschaffungsumfänge schlechter, wenn das Beschaffungsobjekt nicht zur Standardausstattung des Automobils gehört. Beschaffungsumfänge, die lediglich in Sonderausstattungen verbaut wer-
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den, unterliegen einer deutlich höheren Varianz, wodurch die Nachfrage schwieriger zu prognostizieren ist. Handelt es sich bei der Sonderausstattung zudem um ein sehr innovatives Produkt (bspw. Nachtsichtgeräte), fehlen den OEM meistens Erfahrungswerte, um die Abverkaufszahlen solide einschätzen zu können. Lieferanten solcher Systeme (oder Lieferanten von Teilen/Modulen, die nur in Sonderausstattungen verbaut werden) unterliegen aufgrund potenzieller Kapazitätsengpässe einem erhöhten Anlaufrisiko. • Änderungshäufigkeit in der Anlaufphase: Beschaffungsobjekte, die in der Anlaufphase erfahrungsgemäß einer hohen Änderungshäufigkeit unterliegen (dies sind oft Designelemente, wie bspw. Außenspiegel), stellen ein erhöhtes Risiko für das beschaffende Unternehmen dar. Dies kann unter Umständen paradox wirken, da oftmals das beschaffende Unternehmen selbst (z. B. der OEM) die Anzahl der Änderungen in die Höhe treibt und dadurch für sich das Risiko vergrößert. Änderungen müssen insbesondere in der Anlaufphase schnell und unter Berücksichtigung von „Ausstrahlungseffekten“ auf andere Systeme durchgeführt werden können. Dies verlangt von dem Lieferanten ein hohes Maß logistischer Kompetenz. Zeichnungen und Teilenummern müssen an allen Produktionsstandorten des Lieferanten vereinheitlicht, und Bestände, die auf alten Teilenummern laufen, müssen lokalisiert werden können. Aufgrund der hohen Komplexität, die Änderungen und ihren Folgeänderungen inhärent ist, stellen Beschaffungsobjekte mit hoher Änderungshäufigkeit im Anlauf ein erhöhtes Risiko dar, die dann einen Schaden verursachen können, wenn alte und neue Teile gemischt werden oder die neuen Teile nicht rechtzeitig produziert werden können. • Anzahl der Varianten: Diese Kennzahl zielt auf die Produktkomplexität des Beschaffungsobjektes ab. Je mehr Varianten ein Beschaffungsobjekt aufweist, desto komplexer sind die produktionstechnischen und logistischen Herausforderungen. Zur Gewährleistung eines reibungslosen Serienneuanlaufes müssen Lieferanten von solchen Beschaffungsumfängen besonders beobachtet werden und gehören daher zu den anlaufkritischen Lieferanten. • Ergebnis Lieferantenauditierung: Das Ergebnis des Lieferantenaudits hat einen entscheidenden Einfluss auf die Anlaufkritizität des Lieferanten. In der Serienanlaufphase kommen neben der „generellen“ Lieferantenauditierung oftmals noch sogenannte „Run at Rates (Run@Rate)“ bzw. „Serienproduktionssimulationen“ hinzu. Hierbei handelt es sich um Leistungstests, die der Abnehmer (OEM) beim Lieferanten durchführt und unter „Serienbedingungen“ die erforderliche Kapazität und Qualität produziert werden muss. Das Ziel eines Run@Rate ist es, die Produktionsfähigkeiten eines Lieferanten zu testen, um dadurch das Risiko von Problemen im Hochlauf zu reduzieren. Die Leistungsfähigkeit, die ein Lieferant in einem Run@Rate gezeigt hat, kann in einer Kennzahl ausgedrückt werden. Ist das Ergebnis unbefriedigend, der Lieferant demnach noch nicht ausreichend auf den kommenden Produktionsanlauf vorbereitet, fällt dieser in die Kategorie der anlaufkritischen Lieferanten. Hierbei gilt, dass je näher der SOP (Start of Production) ist und je schlechter das Ergebnis des Run@Rates bzw. der „generellen“ Lieferantenauditierung ist, desto kritischer ist der betrachtete Zulieferer für den Anlauf.
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Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Integration von Lieferanten in den Produktentstehungsprozess mit vielen positiven Aspekten verbunden ist. Um negative Auswirkungen der Integration, wie starke Abhängigkeiten und eine leichtere Übertragbarkeit von Problemen des Lieferanten auf den Abnehmer, zu vermeiden, müssen Zulieferer-Abnehmer Beziehungen differenziert betrachtet werden. Um dies zu erreichen, ist die Unterteilung in vier verschiedene Lieferantentypen eine sinnvolle Strukturierungshilfe, die weiterhin dazu genutzt werden kann, die Analyse von Lieferanten hinsichtlich ihrer Anlaufkritizität zu priorisieren.
Einordnung der Fallstudien Die Fallbeispiele aus der Praxis beleuchten das Thema „Lieferantenmanagement im Serienneuanlauf“ aus den Perspektiven des Herstellers und des Lieferanten. Es wird jeweils die Bedeutung und die organisatorische Verankerung des Lieferantenmanagements im Unternehmen aufgezeigt, um anschließend, an einem ausgewählten Praxisbeispiel, verschiedene Managementmaßnahmen vorzustellen. Auf der Herstellerseite wird die Volkswagen AG den Serienneuanlauf des „VW-Tiguan“ vorstellen und beschreiben, wie mithilfe eines systematischen Lieferantenmanagements die erfolgreiche Integration eines Zulieferers für ein aus terminlichen Gründen kritisches Bauteil gelungen ist. Das zweite Best-Practice-Beispiel bietet Einblicke in das Supplier-Relationship-Management des 0.5-Tiers Magna Steyr. Es werden insbesondere Methoden und Instrumente zur Identifizierung anlaufkritischer Lieferanten, der Lieferantensteuerung und -auditierung aufgezeigt, die das SupplyChain-Management von Magna Steyr in den vergangenen Jahren zu einem Vorreiter des innovativen Lieferantenmanagements gemacht haben. Die Lieferantenperspektive wird durch die Robert Bosch Dieselsysteme GmbH vertreten. Das Unternehmen gehört zum weltweit größten Automobilzulieferer der Robert Bosch Gruppe und zeichnet sich durch ein hoch-professionelles Lieferantenmanagement aus. Der Beitrag des Lieferanten befasst sich mit der Integration von Lieferanten im Kontext komplexer Neuentwicklungsprojekte und zeigt auf, welchen positiven Einfluss eine systematische Steuerung von Lieferanten im Produktentstehungsprozess der Common-Rail-Pumpe der 4. Generation (CP4) gehabt hat.
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Lieferantenintegration im Produktentstehungsprozess
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31. Stölzle W, Kirst P (2007) Lieferantenintegration im Kontext des Global Sourcing, In: Bogaschewsky R (Hrsg) Beschaffung vor dem Hintergrund der Globalisierung – Entwicklungen, Strukturen, Prozesse. BME, Frankfurt am Main, S 72–101 32. Sydow J, Möllering G (2004) Produktion in Netzwerken: Make, Buy & Cooperate. Vahlen, München 33. Tani T, Wangenhein S von (1998) Vergleichende empirische Analyse des Serienanlaufes bei Automobilzulieferern in Deutschland und Japan. In: Horváth P, Fleig G (Hrsg) Integrationsmanagement für neue Produkte. Schäffer-Poeschel, Stuttgart, S 23–53 34. van Hoek RI, Alan H, Martin C (2001) Measuring agile capabilities in the supply chain. International Journal of Operations & Production Management 21/1–2: 126–147 35. Wagner SM (2003) Intensity and managerial scope of supplier integration. Journal of Supply Chain Management 39/4:4–15 36. Wagner SM, Hoegl M (2006) Involving suppliers in product development: Insights from R&D directors and project managers. Industrial Marketing Management 35/8:936–943 37. Wangenheim S von (1998) Integrationsbedarf im Serienanlauf dargestellt am Beispiel der Automobilindustrie. In: Horváth P, Fleig G (Hrsg) Integrationsmanagement für neue Produkte. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 1998
Fahrzeuganlaufmanagement bei Volkswagen am Beispiel des VW Tiguan Bernd Martens Volkswagen AG
Themenstellung Für den Beitrag in diesem Buch wurde das Anlaufmanagement des VW Tiguan gewählt um zu verdeutlichen, wie mit geeigneten Instrumenten ein neues Fahrzeugprojekt mit höchster Qualität gleichzeitig kosten- und termingerecht in den Markt gebracht werden kann. Insgesamt hat das Lieferantenmanagement bzw. die Einbindung der Lieferanten in den Produktentstehungsprozess bei Volkswagen in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Dieser Trend wird sich in Zukunft nicht nur fortsetzen, sondern sogar verstärken. Vor diesem Hintergrund war die Einbindung der Lieferanten in das Anlaufmanagement des VW Tiguan ein entscheidender Erfolgsfaktor. Bevor die Elemente des Anlaufmanagements am Beispiel des VW Tiguan erläutert werden, beschreibt Kapitel drei zunächst den grundsätzlichen Produktentstehungsprozess mit den wichtigen Meilensteinen, an denen sich ein erfolgreiches Anlaufmanagement messen lassen muss. Darüber hinaus wird die Struktur des Unternehmens Volkswagen und des für das Anlaufmanagement verantwortlichen Bereiches erläutert, um dann über den Standardprozess Anlaufmanagement (per Definition) auf das konkrete Beispiel des VW Tiguan zu kommen.
Die Volkswagen AG Der Volkswagen-Konzern mit Sitz in Wolfsburg ist einer der führenden Automobilhersteller weltweit und der größte Automobilproduzent Europas. Im 1. Halbjahr setzte der Konzern bereits über 3 Mio. Fahrzeuge ab (Gesamtjahr 2006: 5,734 Mio., 2005: 5,243 Mio.), das entspricht einem Pkw-Weltmarktanteil von knapp 10%. In Westeuropa, dem größten Pkw-Markt der Welt, stammt nahezu jeder fünfte neue Pkw aus dem Volkswagen-Konzern. Der Umsatz des Konzerns erhöhte sich im Jahr 2006 auf 104,9 Mrd. Euro (2005: 95,3 Mrd.). Das Ergebnis nach Steuern betrug im abgelaufenen Geschäftsjahr 2,75 Mrd. Euro. G. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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Abbildung 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Daten 2006, sowie erste Daten 2007. Volkswagen betreibt in elf Ländern Europas und in sieben Ländern Amerikas, Asiens und Afrikas insgesamt 44 Fertigungsstätten. Nahezu 323.000 Beschäftigte produzieren an jedem Arbeitstag rund um den Globus mehr als 24.500 Fahrzeuge oder sind mit fahrzeugbezogenen Dienstleistungen befasst. Die produzierten Fahrzeuge werden in mehr als 150 Ländern angeboten. Abbildung 2 zeigt die weltweiten Fertigungsstätten des Volkswagen-Konzerns. In der nahen Umgebung der abgebildeten Produktionsstätten haben sich darüber hinaus zahlreiche Lieferanten angesiedelt, um Bauteile „just in time“ (JIT) oder „just in sequence“ (JIS) anzuliefern. Hierfür werden eigene Fertigungsstätten bzw. Kommissionierungslager vom Lieferanten aufgebaut. Dazu muss eine Infrastruktur aufgebaut und die Serienfertigung beim Lieferanten installiert werden. Das stellt
Abb. 1 Wesentliche Zahlen 1. Halbjahr 2007 zum Vergleichszeitraum 2006
Abb. 2 Produktionsstandorte weltweit Volkswagen-Konzern
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das Anlaufmanagement bei neuen Fahrzeugprojekten zusätzlich vor Herausforderungen.
Das Fahrzeuganlaufmanagement bei Volkswagen Das Fahrzeuganlaufmanagement als Bestandteil des Produktentstehungsprozesses bei Volkswagen Alle neuen Fahrzeugprojekte werden bei Volkswagen nach den Grundsätzen und geforderten Inhalten bezogen auf bestimmte wichtige Meilensteine des definierten Produktentstehungsprozesses entwickelt und zur Serienreife gebracht. Nur so ist es möglich, bei der Vielzahl von Marken und weltweiten Produktions- und Entwicklungsstandorten im Volkswagenkonzern einheitliche Projekt- und Produktstandards bei den zahlreichen neuen Fahrzeugprojekten umzusetzen. Auf die wichtigsten Phasen und Meilensteine soll im Folgenden kurz eingegangen werden. Grundsätzlich kann man die Produktentstehung in drei Phasen einteilen: • die Entwicklungsphase • die Freigabephase • die Umsetzungsphase In der Entwicklungsphase wird nach der Projektfeasibility und den Konzept- und Designentscheidungen ein komplettes Fahrzeug entwickelt. Im letzten Drittel dieser Phase werden die ersten Serienlieferanten für sogenannte „Heavy Items“1 durch die Beschaffung festgelegt. Im Anschluss an die Nominierung beginnt der eigentliche Zeitraum des Anlaufmanagements mit den ersten Lieferantengesprächen, in denen Umfangsterminpläne abgestimmt werden und auf Inhalte, wie Werkzeugkonstruktion, -lieferanten oder Teilherstellbarkeitsprüfungen etc. eingegangen wird. Zum Abschluss der Entwicklungsphase werden die ersten Prototypen durch die Lieferanten oder den hauseigenen Prototypenbau gefertigt. Damit beginnt gleichzeitig die zweite Phase – die Freigabephase. Mit der Entwicklungsfreigabe ist die Grundkonstruktion abgeschlossen und die Herstellbarkeit des jeweiligen Umfangs durch den Lieferanten bestätigt worden. Somit kann der Lieferant gemäß den in den ersten Gesprächen getätigten Vereinbarungen beginnen, „in Stahl und Eisen“ zu gehen, d. h. den Werkzeugstahl zu ordern und das Werkzeug zu fräsen. Gemäß der Werkzeugerstellzeiten der einzelnen Umfänge (korrelierend mit der Komplexität des Umfangs) steuert das Anlaufmanagement den termingerechten Beginn der Werkzeugerstellung. Mit der Fertigstellung der Werkzeuge beginnen die Lieferanten ihre Produktionsprozesse aufzubauen. Auch hier hat das Anlaufmanagement per Definition das Ziel, die Lieferanten eng zu führen und wenn nötig zu unterstützen. 1
Heavy Items – Langläuferteile, die eine sehr lange Werkzeugerstellzeit benötigen.
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Mit Teilebereitstellung erster werkzeugfallender Teile beginnt die letzte Phase – die Umsetzungsphase mit den definierten Vorserien I, II und der Nullserie. Die Gesamtfreigabe der Erstmuster erfolgt nach Bewertung der Musterprüfergebnisse, wobei die drei möglichen Noten 1 (= Serienfreigabe), 3 (= bedingt verwendbar, Nachbemusterung erforderlich), und 6 (= abgelehnt, keine Serienfreigabe) erreicht werden können. Mit dem Bau der Vorserie I wird erstmalig ein Fahrzeugprojekt mit ersten echten Teilen aus der Serienfertigung aufgebaut. Hierbei geht es vor allem um eine erste Bestandsaufnahme für die dann beginnende Umfangsqualifizierung hin zu den Noten 3 und 1. Nur wenn die Vorserie I zu 100% mit allen benötigten Teilen verbaut ist, setzt sich ein Regelablauf in Gang, der es ermöglicht, die Neuteil-Umfänge gezielt zu optimieren. Zum Bau der Vorserie II müssen die Lieferanten qualifizierte Neuteile anliefern, die einer Bemusterung der Qualitätssicherung mit dem Ziel der Note 3 standhalten können. Das Anlaufmanagement definiert dann, dass die Umfänge durch die Lieferanten weiter optimiert werden müssen, bis durch die Qualitätssicherung eine statusgerechte Note 1 vergeben werden kann. Mit der Bereitstellung von unter Serienbedingungen gefertigten Neuteilumfängen, die durch die Qualitätssicherung mit der Note 1 bemustert wurden, ist der größte Teil des Anlaufmanagements und den damit zusammenhängenden Tätigkeiten erfolgreich durchgeführt worden. Danach gilt es, den Produktionsanlauf und den SOP mit der benötigten Teilemenge zu versorgen, sodass ein Hochsteuern der Produktionszahlen gewährleistet ist. Nach einer dreimonatigen Serienphase werden die Kaufteilumfänge dann vom Projekt-/Anlaufmanagement der Beschaffung an den Serieneinkauf übergeben, der dann fortwährend für die Serienbelieferung verantwortlich ist.
Die Organisation des Fahrzeuganlaufmanagements Die Betreuung der Lieferanten erfolgt im Rahmen des Anlaufmanagements durch eine Organisation, die innerhalb der Volkswagen-Beschaffung angesiedelt ist und konkret als „Beschaffung Neue Produktanläufe“ bezeichnet wird. Nach der Nominierung des Serienlieferanten betreut der sogenannte „Projekteinkauf“ jeweils ein Fahrzeugprojekt. Dieser ist für die finanzielle Planung und Umsetzung der Werkzeuginvestitionen und für die Abwicklung der finanziellen Änderungen aufgrund von Anpassungen in der Konstruktion der Bauteile verantwortlich. Wie bereits erläutert, werden drei Monate nach Beginn der Serienfertigung eines Fahrzeugprojektes die Bauteilumfänge zur weiteren Betreuung an den Serieneinkauf übergeben. Diese Arbeitsteilung wurde gewählt, weil bis zur Nominierung des Serienlieferanten der wesentliche Fokus der Einkaufsaktivitäten auf der Kostenoptimierung durch eine Bündelung des Anfragevolumens liegt. Der Serieneinkauf betreut die einzelnen Bauteile in den jeweiligen Bereichen Ausstattung, Fahrwerk, Karosserie
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und Aggregate. Durch die Übergabe an den Serieneinkauf bestehen bessere Synergieeffekte, weil jeder Serieneinkäufer seine speziellen Bauteile bearbeitet. Ein Serieneinkäufer betreut z. B. alle Wasserfangleisten aller Fahrzeuge, die in der Marke Volkswagen verbaut werden. Oftmals verantwortet er ebenfalls modellübergreifende Teilumfänge, die ebenfalls in den anderen Konzernmarken verbaut werden. Ab dem „Start of Production“ gilt es dann wieder die Kosten in der Serie zu reduzieren. Jedoch zum Zeitpunkt kurz nach der Vergabe rückt die termingerechte Fertigstellung der neuen Bauteile in den Vordergrund. Hier ist der Projekteinkauf gefragt. Der Projekteinkauf ist Mitglied der Geschäftsführung eines Fahrzeugprojektes. Diese setzt sich jeweils mit einer Führungskraft aus den Bereichen Beschaffung, Produktion, Qualität, Vertrieb und Forschung & Entwicklung zusammen. Durch dieses Entscheidungsgremium wird während des Anlaufmanagements über die wesentlichen Projektentwicklungen entschieden. Durch regelmäßige Statuspräsentationen in der Geschäftsführung versucht man so frühzeitig Fehlentwicklungen entgegenzusteuern. Das Besondere an der Geschäftsführung eines Fahrzeugprojekts ist die durchgehende Verantwortung der Mitglieder des Gremiums bis zum Ende der Serienfertigung („End of Production“ – EOP) des jeweiligen Fahrzeugprojektes. Der Projekteinkauf ist darüber hinaus zusammen mit allen anderen beteiligten Abteilungen zentral in einem sogenannten Projekthaus angesiedelt. Dort befinden sich die wesentlichen Fachleute aus Forschung & Entwicklung, Produktion, Logistik, Qualitätssicherung und Beschaffung zusammen unter einem Dach. Durch die räumliche Nähe werden die Kommunikationswege kurz gehalten. Darüber hinaus steht jedem Fahrzeugprojekt die Unterstützung des Beschaffungs-Außendienstes zur Verfügung. Die Mitarbeiter dieser Organisationseinheit unterstützen den Projekteinkauf auf Anfrage für den Fall, dass es im Rahmen eines Fahrzeuganlaufs zu unvorhergesehenen Schwierigkeiten kommt. Treten bspw. beim Lieferanten akute Probleme bei der Erstellung eines Werkzeuges auf oder geht es darum, Kapazitätsengpässe zu bewältigen, sind geschulte Mitarbeiter bei Bedarf nahezu „rund um die Uhr“ vor Ort, um die entstandenen Probleme gemeinsam mit dem betroffenen Lieferanten zu bewältigen. Für die Zukunft ist geplant, dass die gesamte Phase der Werkzeugerstellung beim Lieferanten durch Fachexperten begleitet wird. Dies geschieht dann nicht mehr auf Anforderung, sondern findet als Regelprozess für festgelegte Schwerpunktumfänge (wie z. B. Stoßfänger, Instrumententafel, etc.) statt. Der Gedanke einer konsequenten Begleitung der Lieferanten wird ebenfalls im Rahmen sogenannter „Lieferanten-Reviews“ in der Praxis umgesetzt. Dort präsentieren die nominierten Zulieferer in regelmäßigen Abständen einem Gremium aus Beschaffung, Qualitätssicherung und Forschung & Entwicklung einen Status hinsichtlich der Anlieferungs- und Umsetzungstermine sowie der Kosten. Bei Bedarf werden Maßnahmen zur Optimierung des Terminplans festgelegt. Der Lieferant hat während der Reviews die Möglichkeit aktuelle Anliegen zu einem Bauteil jedem Fachbereich vorzustellen. Oftmals konnten bei Problemen noch während der stattfindenden Sitzung abgestimmte Lösungsansätze erarbeitet werden. Dies führte in den meisten Fällen zu einer schnellen Umsetzung der anstehenden Änderungen.
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Die Elemente des Fahrzeuganlaufmanagements Im folgenden Kapitel werden die wesentlichen Elemente des Anlaufmanagements erläutert, mit denen die Marke Volkswagen PKW gemeinsam mit den Serienlieferanten an der termin- und qualitätsgerechten Anfertigung der Serienwerkzeuge für die entsprechenden Bauteile arbeitet. Dabei sind die Lieferanten zu jedem Zeitpunkt in den Anlaufprozess integriert und erarbeiten im Rahmen der folgenden Elemente gemeinsam mit den betroffenen Fachbereichen bei Volkswagen technische Lösungsansätze. Diese beziehen sich auf konstruktive Änderungen, die zügig umgesetzt werden müssen, um den Anlaufprozess nicht zu gefährden. Diese technischen Änderungen werden dann in den Werkzeugen umgesetzt und schnellstmöglich durch die Volkswagen-Qualitätssicherung abgenommen. Nach der Abnahme werden die Bauteile in die vorhandenen fahrzeugspezifischen Qualitätsprüf- und Messeinrichtungen eingebaut, um sicherzustellen, dass die verschiedenen Bauteile auch beim Einbau zueinander passen. Diese Elemente des Anlaufmanagements sind:
Datenkontrollmodell Im Rahmen der Serienentwicklung wird zunächst das zur Projektentscheidung vorgestellte Designmodell entschieden (Designentscheidung). Das entschiedene Designmodell wird anschließend gestrakt (geometrische Oberflächenbeschreibung) und dient als Basis für die digitalen bzw. virtuellen sowie physischen Datenkontrollmodelle und Prototypen. Parallel erfolgen Entwicklung und Aufbau von Konzeptfahrzeugen mit der Konstruktionsabsicherung durch Berechnung und Simulation. Das Datenkontrollmodell ist die physische 1:1-Reproduktion der SerienProduktdaten. Es dient der visuellen Kontrolle und ist Referenz für alle nachfolgenden Produktionsprozesse, d. h. es ist das Urmeter für die Produktion.
Erstellung Bauteilzeichnungen zur Anfrage Nachdem das Datenkontrollmodell abgenommen wurde, werden die Bauteilkonstruktionen in 3D-CAD von den VW-Fachabteilungen oder einem Entwicklungslieferanten erstellt. Diese Unterlagen werden der Beschaffung zur Verfügung gestellt, gebündelt und als Anfrageunterlagen an die Lieferanten verschickt. Die Anfrageunterlagen bestehen aus Bauteilzeichnung, Lastenheften, Bauteilstückzahlen, Logistikkonzepten und Qualitätsanforderungen seitens Volkswagen. Die Beschaffung startet dann eine weltweite Anfrage über das Volkswagenkommunikationsnetz (B2B-Beschaffungsplattform).
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Rechtzeitige Lieferantenfestlegung Die Beschaffung steht nun in der Pflicht einen Lieferanten zu nominieren. Die Nominierung eines Lieferanten für ein Bauteil hängt davon ab, ob der angefragte Lieferant in der Lage ist, das angefragte Bauteil zu fertigen. Hierzu überprüft der Lieferant seine eigenen Herstellverfahren, Kapazitätsvolumina und die in den Anfrageunterlagen geforderten Ansprüche seitens Volkswagen. Die VolkswagenBeschaffung gibt dem Lieferanten zwei Wochen Zeit (bei komplexeren Bauteilen kann die Angebotszeit auch länger sein), um ein entsprechendes Angebot abgeben zu können. Nachdem die Angebote eingegangen sind, werden mit den Lieferanten Preisverhandlungen geführt. Dieser Prozess ist im Projektentstehungsprozess mit sechs bis zwölf Wochen Beschaffungszeit festgelegt. Für komplexere Bauteile kann dieser Entscheidungsvorgang auch länger sein, wobei dann aber die Anfrageunterlagen früher in den Volkswagen-Fachabteilungen erstellt werden. Dieser terminliche Ablauf wird von der „Beschaffung Neue Produktanläufe“ koordiniert, damit alle Bauteile rechtzeitig vom Lieferanten zur Serien- und Vorserienproduktion zur Verfügung stehen.
Prototypen Die Versorgung von Prototypenteilen wird über den Prototypeneinkauf der Beschaffung sichergestellt. Die Prototypenteile kommen aus einem Prototypenwerkzeug, das nicht auf Höchststückzahlen ausgelegt ist, sodass nur eine bestimmte Anzahl von Teilen produziert wird. Das Prototypenwerkzeug kann schnell auf mögliche Änderungen von Maßen reagieren, weil es nicht bis auf das kleinste Detail gefertigt werden muss. Form- und Außenkonturen sind die wichtigsten Parameter um ein Prototypenfahrzeug aufzubauen.
Frühzeitige Werkzeugfreigabe (Beschaffungsfreigabe) In der Phase zwischen Lieferantenfestlegung und Beschaffungsfreigabe (B-Freigabe) der Serienwerkzeuge beim Lieferanten erarbeitet der Lieferant mit der Volkswagen-Fachabteilung die Erstellung seriengerechter Bauteil-Zeichnungsstände (B-Freigabe). Durch diese enge Zusammenarbeit kann der Lieferant seine Werkzeugauslegung, Anzahl Schieber, Formen und andere werkzeugspezifische Auslegungen frühzeitig berücksichtigen und bei Erteilung der B-Freigabe seinen Werkzeugmachern schnellere und genauere Angaben zur Verfügung stellen. Somit ist der Serienlieferant in der Lage die erforderliche Teileverfügbarkeit zur Vorserie/Serie sicherzustellen. Die erforderliche Teileverfügbarkeit zur Vorserie/Serie kann nur durch eine nicht erwartete technische Änderung (ÄKO-Änderungskontrolle) nach der B-Freigabe
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beeinflusst werden. Technische Änderungen nach B-Freigabe bedeuten ein Ändern von Serienwerkzeugen, das dann so schnell wie möglich vom Werkzeugmacher umgesetzt werden muss, um die erforderliche Teilequalität zur Vorserie/Serie zu gewährleisten.
Herstellbarkeitsprüfung/Zeichnungsfreigabe Bei der Herstellbarkeitsprüfung handelt es sich um ein Instrument, mit dem simuliert werden kann, ob ein Bauteil in einem Serienwerkzeug hergestellt werden kann. Die Machbarkeitsstudie ist eine Untersuchung der Herstellbarkeit von Produkten unter Serienbedingungen. Sie ist eine Grundlage für die Beschaffung von Werkzeugen und Anlagen. Unter Federführung des Lieferanten sind mit den beteiligten Bereichen des Abnehmers im Volkswagen-Konzern Machbarkeitsstudien durchzuführen. Dabei ist die Qualitätsleistung unter Serienbedingungen vor Produktionsbeginn (SOP) in Abstimmung mit dem Volkswagen-Konzern mit einer Vorproduktion (2-Tages-Produktion) abzusichern. Diese Studien und Absicherungsläufe sind für alle neuen Produkte, bei Produktänderungen, Prozess- und Ablaufänderungen, inkl. Produktionsverlagerungen beim Lieferanten und/oder Unterlieferanten und bei Stückzahlveränderungen erforderlich.
Überprüfung der Werkzeugkonstruktion vor Fräsfreigabe Bevor Volkswagen dem nominierten Serienlieferanten eine endgültige Freigabe zur Fräsung (B-Freigabe) der Werkzeuge erteilt, wird die Konstruktion der Werkzeuge beim Lieferanten überprüft. Auf diese Weise wird anhand der Konstruktionspläne für das Werkzeug beim Lieferanten vor Ort sichergestellt, dass die geplante Fräsung im Werkzeugblock den Zeichnungsvorgaben der Volkswagen-Fachabteilung entspricht und dass die für die Serienherstellung benötigten Abmaße eingehalten werden. Auf diese Weise kann eine zeitintensive Falschauslegung des Werkzeugs frühzeitig verhindert werden. Die Betreuung vor Ort beim Lieferanten erfolgt durch die Beschaffung in Zusammenarbeit mit Fachexperten aus den Bereichen Produktion und Qualitätssicherung.
Frühzeitige Fertigstellung der Serienwerkzeuge Durch die frühzeitige Fertigstellung der Serienwerkzeuge kann ein reibungsloser Serienanlauf gewährleistet werden. Beim VW Tiguan wurden daher erstmals nahezu 100% der geforderten ersten Bauteile beim Lieferanten bereits zu einem früheren Meilenstein „Vorserie I“ als normalerweise üblich aus Serienwerkzeugen her-
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gestellt. Zur Vorserie I werden erste Fahrzeuge unter Serienbedingungen gebaut. Mittels der Vorserie I sollen Fertigungsanlagen und -prozesse optimiert sowie Passung und Maßhaltigkeit der Zusammenbauten mit vorliegender Teilequalität geprüft werden. Die Vorserienfahrzeuge werden zur Durchführung der Qualitäts- und Absicherungsläufe sowie der Typprüfung verwendet. Bei früheren Projekten erfolgte die Fertigstellung der Serienwerkzeuge erst zu einem späteren Zeitpunkt im Produktentstehungsprozess in Form von Kleinserienwerkzeugen, die bspw. beim Tiguan nicht zum Einsatz kamen. Bei der Umstellung von Kleinserien- auf Serienwerkzeuge besteht häufig die Gefahr, dass die Bauteile nicht die geforderte Maßlichkeit aufweisen. Da beim Tiguan auf die Erstellung von Kleinserienwerkzeugen verzichtet wurde, konnte eine Optimierung der Bauteile gleich im Serienwerkzeug umgesetzt werden. Auf diese Weise konnte beim Tiguan eine weitere zeitraubende Umstellung von Klein- auf Serienwerkzeuge vermieden und sehr früh ein Serienprozess beim Lieferanten abgebildet und aufgebaut werden. Die ersten serienwerkzeugfallenden Bauteile wurden prozessdefiniert beim VW Tiguan durch Experten des Außendienstes der Qualitätssicherung vor Ort an der Produktionsstätte des Lieferanten begutachtet. So war man in der Lage, frühzeitig den Lieferanten auf evtl. Fehlerquellen und Ungenauigkeiten im Werkzeug oder in den Bauteilen hinzuweisen. Bei Kleinserienwerkzeugen hätte man Änderungen evtl. erst in den Serienwerkzeugen umgestellt und so noch weitere Optimierungsschleifen fahren müssen. Diese zusätzlichen Optimierungsschleifen bei Umstellung von Klein- auf Serienwerkzeug konnten so vermieden werden. Allerdings hätten bei wesentlichen Änderungen an den Bauteilen erhöhte Kosten anfallen können, da Änderungen im Serienwerkzeug kostenintensiver sind als bei Kleinserienwerkzeugen.
Überprüfung der Verbaubarkeit in einer fahrzeugspezifischen Qualitätsprüf- und Messeinrichtung Im Rahmen der Überprüfung der Verbaubarkeit in einer fahrzeugspezifischen Qualitätsprüf- und Messeinrichtung werden die ersten werkzeugfallenden Bauteile eines Lieferanten an einem auf Null-Maß gefrästen Fahrzeugskelett montiert und auf ihre Maßlichkeit und Verbaubarkeit überprüft. Anbauteile, wie z. B. Stoßfänger, Außenspiegel, Säulenverkleidungen und auch die Wasserfangleiste des Tiguan wurden nach jeder konstruktiven Anpassung oder z. B. einer Einspritzdruckänderung am Serienwerkzeug zur Optimierung der Bauteile am Fahrzeugskelett montiert. Dadurch kann für jedes Bauteil sichergestellt werden, dass Maße und Verbaubarkeit den Vorgaben entsprechen. Somit können zeitraubende Optimierungsschleifen auf ein Minimum reduziert werden. Im Fall der Wasserfangleiste konnte man auf ein bereits abgestimmtes Umfeld zugreifen, sodass die Wasserfangleiste mit allen Parametern (konstruktive Maße) ohne weitere Umfeldänderungen hergestellt und eingebaut werden konnte. Im folgenden Kapitel werden die Randbedingungen des Anlaufmanagements speziell beim VW Tiguan erläutert.
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Das Fahrzeuganlaufmanagement bei Volkswagen am Beispiel des VW Tiguan Produktbeschreibung VW Tiguan Der Tiguan bedient das Kunden- bzw. Fahrzeugsegment für gelände- und alltagstaugliche Fahrzeuge der Kompakt-Klasse. Das Segment des Kompakt-Klasse SUVs2 war bisher in der Volkswagen-Modellpalette nicht vertreten, sodass das Anlaufmanagement aufgrund des Neuigkeitsgrades eine große Herausforderung darstellte. Darüber hinaus war die Entwicklung des Tiguan von einer hohen Anzahl an Neuteilen geprägt. Mehr als 60% aller Bauteile wurden speziell für dieses Fahrzeug entwickelt und konstruiert. Die Aufgabe des Anlaufmanagements war es, alle Neu- und Übernahmeteile qualitätsgerecht, preislich und insbesondere terminlich ins Ziel zu bringen, d.h. den SOP zum vereinbarten Termin umzusetzen. Der VW Tiguan (Kompakt-Klasse) ist der „kleine Bruder“ des VW-Touareg, einem Fahrzeug der Fullsize-Klasse. Abbildung 3 zeigt beide Fahrzeuge im Vergleich. Die automobilen Kerneigenschaften des Tiguan zeichnen sich durch die hohe Alltagstauglichkeit, das hochwertig anmutende Interieur und die hervorragenden Fahreigenschaften aus. Der VW Tiguan wird bei der AUTO 5000 GmbH produziert. Dabei handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der Volkswagen AG, die im Jahre 2001 gegründet wurde. Dort wird bereits der VW Touran gefertigt, und im Herbst des Jahres 2007 befindet sich dort auch die Serienfertigung des VW Tiguan. Ab dann werden zwei verschiedene Fahrzeuge auf einer Fertigungslinie produziert. Alle Bauteile müssen dann zum richtigen Zeitpunkt und in der korrekten Reihenfolge für das jeweils zu fertigende Fahrzeug an die Montagelinie geliefert werden. Der folgende Abschnitt erläutert die weiteren Herausforderungen während der Anlaufphase des VW Tiguan.
Abb. 3 VW Tiguan (links) und VW Touareg (rechts)
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SUV = Sport Utility Vehicle
Fahrzeuganlaufmanagement bei Volkswagen am Beispiel des VW Tiguan
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Das Fahrzeuganlaufmanagement des VW Tiguan Während der Anlaufphase kam es zu Änderungs- oder Neuteilentscheidungen, die mit einer längeren Werkzeuganfertigungszeit verbunden waren. So wurde bspw. bei Fahrzeugerprobungen festgestellt, dass Bauteile nicht den gewünschten Kriterien hinsichtlich Funktionalität und/oder Qualität entsprachen. Kommt es daraufhin zu Anpassungen, ändert sich der gesamte Terminplan für die betroffenen Bauteile. Der damit verbundene Zeitverlust ist oftmals nur schwer zu kompensieren. Die betroffenen Bauteile bedürfen daher einer erhöhten Aufmerksamkeit. Ein Beispiel für einen solchen Umfang ist die Wasserfangleiste beim VWTiguan. Erst sehr spät im Projektverlauf wurde entschieden, dass diese Umrahmung links und rechts der Windschutzscheibe (siehe Abbildung unten) im Fahrzeug verbaut werden muss. Erprobungen am Fahrzeug hatten gezeigt, dass mithilfe dieser zusätzlichen Leiste das Regenwasser besser abgeführt werden kann und dadurch die Sicht des Fahrers verbessert werden konnte. Abbildung 4 illustriert den Verbauort der Wasserfangleiste an der Frontscheibe des Tiguan. Durch eine intensive Betreuung des Lieferanten konnte dieses Bauteil allerdings termingerecht im Fahrzeug zum Einsatz gebracht werden. Durch die späte technische Entscheidung der Wasserfangleiste war die Untersuchung der Herstellbarkeit, wie bereits erläutert, von besonderer Bedeutung. Dabei konnte durch Simulationen am Computermodell auf zeit- und kostensparende Weise getestet werden, ob das Bauteil zum einen den technischen Vorgaben entsprach. Darüber hinaus wurde überprüft, ob die vom Lieferanten für das Bauteil geplante Werkzeugauslegung korrekt war und dieses gemäß den technischen Anforderungen gefertigt werden konnte. Durch dieses Vorgehen war der Lieferant der Wasserfangleiste in der Lage die Werkzeuge gemäß den Anforderungen zu erstellen, und zum anderen konnte auf diese Weise das Risiko minimiert werden, dass in einer späten Projektphase die Nichtherstellbarkeit des Bauteils festgestellt wird. Das hätte eine erhebliche zeitliche Verzögerung im Prozessablauf zur Folge und kann in Einzelfällen zur Verschiebung des
Abb. 4 Frontscheibe mit Wasserfangleiste des VW Tiguan
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Start of Production (SOP) führen. Durch die Herstellbarkeitsprüfung konnte auch der zeitliche Verlust durch die späte Entscheidung für die Wasserfangleiste kompensiert werden. Unmittelbar nach der Nominierung wurden dem Serienlieferanten Werkzeugspezialisten durch Volkswagen zur Seite gestellt, die ihn bei der Anfertigung der (Serien-) Werkzeuge unterstützt haben.
Zusammenfassung und Key Findings Die vorgestellten Instrumente sollen einerseits den Grundprozess des Anlaufmanagements aufzeigen. Diese Inhalte haben dazu beigetragen, die Bauteile des VW Tiguan (illustrativ erläutert am Beispiel der Wasserfangleiste) kosten-, qualitätsund termingerecht im Fahrzeug zu verbauen. Damit konnten die Vorserie II und die 0-Serie terminlich vorgezogen und der geplante Start of Production für den Tiguan statusgerecht erreicht werden. Um allerdings die erfolgreiche Umsetzung des Anlaufmanagements zu gewährleisten, ist es zwingend notwendig die genannten Instrumente nicht nur vereinzelt, sondern in einem definierten Standardprozess anzuwenden. Die erfolgreiche Umsetzung des Anlaufmanagements beim VW Tiguan wäre allerdings ohne eine entsprechende Anlauforganisation nicht möglich gewesen. Durch die Organisation des Bereiches „Beschaffung Neue Produktanläufe“ und den erläuterten Prozessen ist es möglich, dass jedes neue Anlaufprojekt (Kompakt-Klasse bis Fullsize-Klasse) intensiv betreut werden kann. Der Fokus liegt somit auf dem ganzheitlichen Projekt mit allen zeitlichen Restriktionen, und nicht auf dem einzelnen Bauteil. Durch das Zusammenspiel der in den vorangehenden Kapiteln genannten Methoden konnten optimale Ergebnisse im Anlauf des Tiguan erzielt werden. Zum einen wurde durch die Herstellbarkeitsprüfung sichergestellt, dass alle Bauteile herstellbar und verbaubar sind. Darüber hinaus wurden die Lieferanten während der frühzeitigen Erstellung der Serienwerkzeuge durch den Volkswagen-Außendienst betreut. Im Rahmen von Reviews hatten die Lieferanten des Weiteren Gelegenheit, in regelmäßigen Abständen den Termin- und Kostenstatus ihrer Bauteile einem Volkswagen-Gremium, bestehend aus allen wesentlich beteiligten Fachbereichen zu präsentieren. Dort konnten Probleme angesprochen und entsprechende Lösungsansätze erarbeitet werden. Um die Gefahr von Fehlern in der Maßlichkeit von Bauteilen bei der Umstellung von Klein- auf Serienwerkzeuge zu vermeiden, wurde beim Tiguan komplett auf die Erstellung von Kleinserienwerkzeugen verzichtet. So konnten die Bauteile sofort auf dem Serienwerkzeug optimiert werden. Volkswagen-interner Erfolgsfaktor beim Anlaufmanagement des Tiguan war einerseits die Organisationsform der Fahrzeuggeschäftsführung, die durchgehend bis EOP für ein Projekt verantwortlich ist. Diese Geschäftsführungsform konnte nur so erfolgreich agieren, da sie die Befugnis hat, vielfach direkte Produktentscheidungen
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selbst zu treffen und ebenfalls eine direkte Anbindung an den Vorstand hat. Darüber hinaus hat die räumliche Nähe aller beteiligten Fachbereiche in einem Projekthaus wesentlich zur Minimierung des Informations- und Zeitverlustes beigetragen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Key Findings aus der Abwicklung des Anlaufs beim Tiguan auf alle zukünftigen Fahrzeugprojekte bei Volkswagen übertragen werden können. Der wesentliche Erfolgsfaktor hier ist, dass die Serienlieferanten für ihren Bauteilumfang frühzeitig bzw. spätestens ab Nominierung durch Volkswagen bei der Erstellung der Serienwerkzeuge begleitet werden.
Lieferantenmanagement in der Anlaufphase eines 0.5-Tiers Michael Druml, Jörg Blechinger MAGNA STEYR Fahrzeugtechnik AG & Co KG
Das Unternehmen MAGNA
STEYR
MAGNA STEYR ist der weltweit führende Partner der Automobilhersteller für die Entwicklung und Produktion von Fahrzeug-Komponenten und Systemen sowie kompletter Fahrzeuge. Bei MAGNA STEYR Fahrzeugtechnik in Graz wurden im Jahr 2006 mehr als 248.000 Fahrzeuge produziert. Das Unternehmen wurde 1899 von Johann Puch als Erste Steiermärkische Fahrrad-Fabriks-AG gegründet. Die ersten Produkte waren Fahrräder und Motorräder – bereits 1904 wurde am Standort Graz mit der Produktion von Automobilen begonnen. 1928 wurde das „Puch Werk“ mit der Österreichischen DAIMLERMotorengesellschaft Wiener Neustadt und 1934 mit der STEYR - WERKE AG zur STEYR - DAIMLER - PUCH AG zusammengeschlossen. 1998 übernahm schließlich die von Frank Stronach 1957 gegründete Firma MAGNA die STEYR - DAIMLER - PUCH AG . Heute umfasst das Produktionsspektrum sieben verschiedene Modelle von drei Automobilhersteller-Gruppen. So werden für DaimlerChrysler die Modelle Chrysler Voyager und 300C sowie die Jeep-Modelle Grand Cherokee und Commander ebenso gefertigt wie die Mercedes-G-Klasse. Seit 2003 laufen auch die Modelle BMW X3 und das Saab 93 Cabrio von den Grazer Montagelinien. Bei allen Fertigungen werden der Rohbau, die komplette Lackierung und Endmontage in der vom Kunden geforderten Qualität geliefert. Besonders stolz ist MAGNA STEYR auf die 2006 vom renommierten Marktforschungsinstitut J.D. Power verliehene Auszeichnung zum besten europäischen Produktionswerk für Fahrzeuge, die nach Nordamerika geliefert werden. Im Entwicklungsbereich ist MAGNA STEYR in der Lage, von der Konzeptentwicklung über das Engineering von Komponenten und Systemen bis hin zum fertigen Fahrzeug alle Schritte bis zur Homologation selbstständig durchzuführen. Ausgehend von der gewachsenen Kompetenz im Bereich Antriebsstrang/Allradfahrzeuge setzt sich der Engineering-Bereich nunmehr intensiv mit alternativen Antriebssystemen auseinander. Schwerpunkte der bisherigen Forschungsarbeit liegen
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M. Druml, J. Blechinger
im Bereich erdgasbetriebener Fahrzeuge, Wasserstofftanksystemen und verschiedenen Hybrid-Lösungen. Entscheidender Wettbewerbsvorteil von MAGNA STEYR ist die Gesamtfahrzeug-Kompetenz, die auch Bereiche wie Produktionsplanung, Logistik, Beschaffung usw. umfasst. Von der „home base“ Graz aus expandiert MAGNA STEYR global. So ist das Unternehmen auch in Nordamerika sowie im Raum Asia Pacific mit Vertriebsbüros und Engineering-Standorten „vor den Toren“ der großen Automobilhersteller vertreten. Das internationale Wachstum ist notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Standorte abzusichern. All diese Leistungen sind nur Dank der aufgebauten Infrastruktur mit einem bestens funktionierenden Zulieferanten-Netzwerk sowie spezifisch ausgebildeter und motivierter MitarbeiterInnen möglich.
Supply Chain Management (SCM) und Supplier Relationship Management (SRM) bei MAGNA STEYR Die allgemein bekannten Trends in der Automobilindustrie wie bspw. die abnehmende Zahl unabhängiger Automobilhersteller bei gleichzeitigem Erhalt der Markenvielfalt, Individualisierung resultierend in einer steigenden Anzahl von Segmenten und zunehmender Variantenvielfalt, Internationalisierung und Globalisierung, Innovation und neue Technologien sowie die Verlagerung der Wertschöpfung erhöhen die Prozess- und Produktionskomplexität in der gesamten Automobilindustrie. Die besondere Herausforderung, die an die MAGNA STEYR im Allgemeinen und an das Supply Chain Management (SCM) der MAGNA STEYR im Speziellen jedoch gestellt wird, ist die Umsetzung der überaus unterschiedlichen Anforderungen der Kunden in Bezug auf Abläufe und Systeme und die Überleitung derselben in eine standardisierte Prozess- und Systemwelt. Diese standardisierte Prozess- und Systemwelt soll darüber hinaus auch ein hohes Maß an Transparenz und die notwendige Flexibilität gewährleisten. Der Integrationsgrad in die Prozesse und Systeme der Kunden variiert stark. Beispielhaft sei an dieser Stelle die Produktion für DaimlerChrysler erwähnt, wo vier unterschiedliche Fahrzeuge auf ein und derselben Produktionslinie hergestellt werden. Die gesamte systemtechnische Abwicklung aller Prozesse angefangen von der Kundenauftragsabwicklung, der Produktionsplanung und Produktionssteuerung, der Materialplanung, der Dokumentation oder der Bandversorgung bis hin zum fertigen Fahrzeug erfolgt in diesem Fall vollständig und durchgehend im System des Kunden DaimlerChrysler. Die systemtechnische Prozessunterstützung für andere am Standort Graz erzeugte Fahrzeuge erfolgt im standorteigenen Betriebssystem, wobei auch hier Unterschiede hinsichtlich der Schnittstellen des Betriebssystems zu den Kundensystemen je nach Integrationstiefe in die Kundenprozesse bestehen. Ein wesentliches Differenzierungsmerkmal der MAGNA STEYR gegenüber dem Wettbewerb ist also, dass das implementierte SCM-Modell überaus flexibel ist. Die-
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se Flexibilität bezieht sich vor allem auf die Anpassungsfähigkeit des Prozessmodells und die unterstützende Informationstechnologie und die flexible Integrationstiefe in die Prozessmodelle und Informationstechnologie der Kunden. Einen Teilbereich des Supply Chain Management bei MAGNA STEYR stellt das Supplier Relationship Management (SRM) dar. Zu diesem Bereich werden alle lieferantenseitigen Prozesse in der Lieferkette gezählt. SRM bei MAGNA STEYR ist als eine Weiterentwicklung des klassischen Lieferantenmanagements zu verstehen. Es wird nicht nur auf operativer Ebene gelebt, sondern ist auch im strategischen Bereich und im normativen Unternehmensmanagement verankert. Im normativen Supplier Relationship Management als Teil des normativen Unternehmensmanagements bei MAGNA STEYR werden ausgehend von der Unternehmensvision die Ziele, Werte und Verhaltensnormen in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Lieferanten festgelegt. Im normativen Supplier Relationship Management werden die Handlungsvorgaben und Wertvorstellungen für das strategische und operative Management definiert. Im Bereich des Supplier Relationship Management stellen sich überaus komplexe Aufgaben. Ein Großteil der Kontrakte mit Lieferanten wird bspw. durch den Kunden abgeschlossen. Im Ergebnis erfordert diese spezielle Situation eine effektive und effiziente Steuerung der wechselseitigen Beziehungen zwischen Lieferant, MAGNA STEYR und dem jeweiligen Kunden. Transparente Kommunikationskanäle, aber auch Eskalationswege, eine klare Definition von Prozessen, Richtlinien und Verantwortlichen sowie eine leistungsfähige IT-Systemunterstützung ist die Voraussetzung für die geforderte Effektivität und Effizienz. Leistungsfähigen Beziehungen und Beziehungsstrukturen zu Lieferanten sowohl als auch zu Kunden wird daher bei MAGNA STEYR eine hohe Bedeutung beigemessen, wobei lieferantenseitig besonderes Augenmerk strategischen bzw. kritischen Lieferanten gilt.
Der Produktentstehungsprozess (PEP) bei MAGNA
STEYR
Vor dem Hintergrund stetig kürzer werdender Produktlebenszyklen bzw. der Forderung nach einem raschen „Time to Market“ resultierend in stark reduzierten Entwicklungszeiten, ist die simultane Abwicklung von Prozessen in der Produktentstehung heute eine Grundanforderung. Prozesse, Verantwortlichkeiten, aber auch die Informationsflüsse zwischen allen beteiligten Fachbereichen sowie Kunden und Lieferanten müssen klar und transparent dokumentiert sein. Die „Project Guide Line“ als Prozessstandard der MAGNA STEYR strukturiert und standardisiert alle im Rahmen der Produktentstehung zu durchlaufenden Prozesse bzw. auch die Meilensteine („Quality Gates“) im Rahmen des PEP (siehe Abb. 1), zu denen ProjektReviews bzw. -Previews durchgeführt werden. Methodisches und strukturiertes Vorgehen zu Beginn der Produktentstehung führt zur Vorverlagerung von Erkenntnissen und damit zu höherer Beeinflussbarkeit von später anfallenden Kosten. Im Bereich des Supply Chain Management ebenso
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Abb. 1 Meilensteinkette der MAGNA STEYR
wie in dem Bereich des Supplier Relationship Management haben in den frühen Phasen das Design von Prozessen und unterstützenden Systemen, systematische Vorgehensweisen zur Vermeidung von Risiken und zur Sicherung von Ergebnispotenzialen, aber auch die Einflussnahme auf die Produktgestaltung selbst (Stichwort „Design for Logistics“) einen hohen Stellenwert. Lieferanten für die am Standort Graz laufenden Projekte wurden bisher in erster Linie durch den Auftraggeber vorgegeben. Für die MAGNA STEYR als Tier 0, 5 bedeutet diese Konstellation ein Spannungsfeld. Der Koordinationsaufwand hinsichtlich laufender Aktivitäten zwischen Auftraggeber, Lieferant und MAGNA STEYR ist im Vergleich deutlich höher zu bewerten als in einer klassischen Zweierbeziehung. Ein Treiber für diesen verstärkten Koordinationsbedarf ist bspw. eine erhöhte Komplexität hinsichtlich der Prozessabläufe bedingt durch die Erweiterung der Zweierbeziehung zwischen Hersteller und Lieferant um die zusätzliche Dimension Tier 0, 5. Zusätzliche Schnittstellen werden aufgebaut. Die Kontrakte bestehen zwischen Lieferant und Kunde der MAGNA STEYR. „Machtverhältnisse“ sind damit grundlegend anders definiert als in üblichen Geschäftsmodellen. Dies stellt einen weiteren Treiber für einen erhöhten Koordinationsaufwand dar. Auch die Komplexität von Kommunikations- und Informationswegen zwischen allen Supply-Chain-Beteiligten nimmt deutlich zu. Von entscheidender Bedeutung ist die Festlegung anlaufkritischer Umfänge zu Beginn eines Projektes. Nicht alle Lieferanten können bzw. müssen im Rahmen des Produktentstehungsprozesses mit gleicher Intensität betreut werden. Es gilt also die Lieferantenbasis zu analysieren und die anlaufkritischen Umfänge zu filtern. Die Identifizierung anlaufkritischer Lieferanten erfolgte je nach Projekt teilweise in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber nach dessen vorgegebenen Methoden und Tools, teilweise aber auch durch MAGNA STEYR selbst auf Basis eigenentwickelter
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Methoden und Standards. Sind diese anlaufkritischen Umfänge festgelegt, so gilt es gemeinsam in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber und Lieferanten, Ziele festzulegen bzw. gemeinsame Normen und Werte zur Zusammenarbeit zu definieren. Die Kooperation mit Lieferanten in der Produktentstehung mit dem Schwerpunkt auf ein gemeinsames Design von Supply-Chain-Prozessen ist ein entscheidender Faktor zur Gestaltung effizienter Abläufe in späteren Phasen des Produktlebenszyklus. Supplier Relationship Management bei MAGNA STEYR ist daher auf die gemeinsam abgestimmte Optimierung von Supply-Chain-Prozessen speziell in den frühen Phasen der Produktentstehung ausgerichtet. Die übergeordneten Zielsetzungen, die in allen Anlaufprojekten der MAGNA STEYR Gültigkeit haben, sind dabei die Reduzierung der Prozesskomplexität für den Serienbetrieb, die Sicherstellung einer entsprechend hohen Flexibilität bei kurzen Durchlaufzeiten, die Stabilität von Prozessen, eine möglichst späte Variantenbildung („late configuration“) sowie die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit in der Supply Chain unter der Berücksichtigung der Total Cost of Ownership (TCO). Einige der im Rahmen des Produktentstehungsprozesses eingesetzten Methodiken und Tools werden im Folgenden näher dargestellt.
Methoden und Tools zur Unterstützung des SRM im Produktentstehungsprozess Identifizierung anlaufkritischer Lieferanten Im Sinne eines „Frontloadings“ ist es notwendig schon vor Serienprojekten eine entsprechende projektunabhängige Lieferantenbasis für kritische Kaufteile aufzustellen, um für den Anlassfall vorbereitet zu sein. Technologie und Lokalisierungsaspekte stehen hierbei im Vordergrund. Es gilt, bereits bestehende Lieferanten und neue potenzielle Lieferanten zu unterscheiden. Für Lieferanten, die bereits in die Serie liefern, werden die aktuellen Lieferantenbewertungen aus der Serie herangezogen (Kennzahlensystem). Im Zuge der Globalisierung sind Lieferanten in neuen Beschaffungsmärkten, im Speziellen in Low Cost Countries (LCC) zunehmend von Interesse. Den gegebenen Chancen (Kostensenkung, Erhöhung des Lieferantenwettbewerbs, etc.) sind natürlich die Risiken (höhere Transportkosten, höhere Koordinationskosten, höherer Betreuungsaufwand, etc.) gegenüberzustellen. Durch die Beschaffungsmarktforschung werden potenzielle Lieferanten identifiziert und vorselektiert. Die Zuordnung erfolgt über Warengruppen im strategischen Einkauf auf Gesamtfahrzeugebene (Rohbauteile, Exterieur, Interieur, Fahrwerk/Antriebsstrang und Elektrik/Elektronik). Der zuständige strategische Einkauf unterzieht die potenziellen Lieferanten einer weiteren Analyse. Über Lieferantenselbstauskunft, Referenzanfragen und eine erste Beurteilung direkt vor Ort werden die Lieferanten entsprechend beurteilt, zur Anfrage freigegeben oder kommen als Lieferanten nicht in Betracht.
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Alle für ein konkretes Projekt definierten Lieferanten detaillierten Prozessanalysen zu unterziehen und zu entwickeln, ist aus ressourcentechnischen Gründen nicht möglich. Ziel der Identifizierung anlaufkritischer Lieferanten ist es, eine Priorisierung der zu entwickelnden Lieferanten vorzunehmen, um in weiterer Folge die zur Entwicklung erforderlichen Ressourcen zielgerichtet einsetzen zu können. Wesentlich ist es, in einem ersten Schritt die Kritizität bzw. die Komplexität des jeweiligen Versorgungsprozesses zu analysieren. Eine Beurteilung von Kriterien wie die Anlieferart, die Entfernung des jeweiligen Lieferanten vom endgültigen Produktionsstandort oder bspw. die Anzahl der Umschlagspunkte in der Supply Chain führt zu einer ersten Abschätzung der Lieferantenbasis. Die Risikobeurteilung erfolgte integral durch all jene in den Projekten beteiligten Fachbereiche, die Schnittstellen zu Lieferanten hatten.
Lieferantensteuerung, Lieferantenauditierung und Lieferantenentwicklung in der Anlaufphase Jedes Projekt folgt einerseits gewissen Standards, weist aber auch ganz bestimmte Ausprägungen auf, die in spezifischen Anforderungen an die Lieferantenbasis resultieren. Für die Anlaufprojekte war es wesentlich, sowohl Standardprozesse (z. B. Richtlinien betreffend das EDI Management) als auch die projektspezifischen Anforderungen und Charakteristika des Versorgungsprozesses (z. B. Anforderungen an Sequenzlieferanten, die aufgrund unterschiedlicher Fixierung des Auftragshorizontes je nach Auftraggeber der MAGNA STEYR variieren) zu Beginn eines Projektes transparent darzustellen und an den Lieferanten frühzeitig zu kommunizieren. Durch die Definition anlaufkritischer Lieferanten wurde eine Schwerpunktsetzung vorgenommen. Eine gezielte Lieferantensteuerung sowie Lieferantenauditierung und -entwicklung konnten damit starten. Ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Lieferantensteuerung war also die intensive Einbindung von anlaufkritischen Lieferanten vor allem in der Startphase der Projekte. Ziele und die zur Zielerreichung erforderlichen Aktivitäten wurden gemeinsam zu Beginn des Projektes definiert und in weiterer Folge konsequent verfolgt. Die Ziele und Aktivitäten wurden damit nicht von einer Partei vorgegeben, sondern von allen beteiligten Partnern gemeinsam erarbeitet und festgelegt. Regelmäßige und mit sehr hoher Frequenz geführte Review-Meetings zur Projektkontrolle, an denen alle anlaufkritischen Lieferanten teilnahmen, waren ein weiterer Baustein der Lieferantensteuerung. Zwei positive Aspekte resultierten daraus. Zum einen wurde ein Abweichen vom gemeinsam definierten Korridor vermieden. Eine stetige und regelmäßige Ausrichtung der Supply-Chain-Partner auf die festgelegten Ziele war das Resultat. Der andere wesentliche Aspekt war der im Rahmen dieser Meetings stattfindende Wissenstransfer. Synergieeffekte konnten genutzt werden, alle beteiligten Partner profitierten von „öffentlich zugänglich“ gemachten Lösungen zu Supply-Chain-Problemen und dem dahinter stehenden Know-how.
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Hinsichtlich der Lieferantenauditierung wurde grundsätzlich auf zwei Methoden zurückgegriffen. Inhalt der Lieferantenprozessanalyse war nicht nur die Analyse der Prozesse beim Tier 1-Lieferanten, sondern die Analyse der gesamten Supply Chain startend bei Tier 2-Lieferanten bis letztendlich hin zur Produktionslinie bei MAGNA STEYR. Zielgruppe waren Lieferanten, die im Hinblick auf den Serienanlauf mit hohem Risiko eingestuft wurden. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Umsetzung der Projektanforderungen bzw. auf der Früherkennung wesentlicher Probleme innerhalb des Projektes im Hinblick auf die Serienproduktion und der Einleitung notwendiger Korrekturmaßnahmen. Das übergeordnete Ziel der Auditierungen war die Feststellung der Serientauglichkeit der gesamten Supply Chain. Die Lieferantenselbstauskunft wurde für weniger kritische Umfänge eingesetzt. Mittels Fragebogen wurden definierte Lieferanten dazu angehalten, über den Status im Projekt Auskunft zu geben (Anm.: dieser Prozess wird heute webbasiert durchgeführt). Wenn auch diese Methodik nicht in derselben hohen Detaillierung und Intensität wie die Lieferantenprozessanalyse auf Supply-Chain-Prozesse einging, so konnten aufgrund dieser Befragung dennoch entscheidende Rückschlüsse auf den Projektstand gezogen werden. Indem der Kommunikations- und Informationsfluss mit diesen Lieferanten forciert wurde, wurden diese stärker in das Projekt einbezogen und die Beziehung zu diesen Lieferanten wurde entsprechend vertieft. Die Zeitpunkte der Auditierungen in den MAGNA STEYR-Projekten wurden mit den Auftragebern der MAGNA STEYR geplant und abgestimmt. Gezielte Auditierungen wurden am Ende der Konzeptphase, zum Zeitpunkt erster physischer Produktion in der Produktionslinie und bei der Feststellung der Serientauglichkeit rd. drei Monate vor SOP im Rahmen des Leistungstests durchgeführt. Basis für die Auditierungen waren je nach Projekt von den Auftraggebern vorgegebene Richtlinien, Richtlinien der MAGNA STEYR selbst, aber auch Richtlinien und Standards internationaler Institutionen (z.B. APQP, PPAP, VDA). Ziel beider beschriebener Methoden zur Lieferantenauditierung war die Erhebung des Projektstandes. Im Rahmen des standardisierten internen ManagementReportings wurde der aktuelle Projektstand regelmäßig berichtet und – sofern erforderlich – Korrekturmaßnahmen eingeleitet. Ein wesentlicher Faktor für die effiziente und effektive Lieferantensteuerung im Produktentstehungsprozess war die Systemunterstützung. Die zielorientierte und gemeinsame Abarbeitung von Projektphasen mit den Lieferanten wurde über die MA GNA STEYR Quality Platform sichergestellt. Der externe Partner wurde dabei über webbasierte Checklisten optimal in den Produktentstehungsprozess eingebunden und das Erreichen der einzelnen Meilensteine kontinuierlich beiderseitig verfolgt. Der flexible Aufbau dieses Tools und die in jeder Projektphase mögliche Unterstützung der jeweiligen Prozesse durch das entsprechende Modul führen zu hoher Akzeptanz bei internen und externen Partnern (Lieferanten). Eine Übersicht zu den implementierten Modulen zeigt Abb. 2. Durch die hochflexible Systemunterstützung wurde letztendlich in jeder Phase bzw. zu jedem Zeitpunkt im Produktentstehungsprozess eine redundanzarme und kanalisierte Projektdokumentation sichergestellt.
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Abb. 2 Module zur Prozessunterstützung in der MAGNA STEYR Quality Platform
Key Learnings aus den Anlaufprojekten Von wesentlicher Bedeutung im Rahmen von Anlaufprojekten ist die klare und transparente Dokumentation der aus dem jeweiligen Projekt resultierenden Vorgaben und Anforderungen, allgemeiner und spezifischer Prozessabläufe und der entsprechenden Verantwortlichkeiten bzw. Schnittstellen. Ebenso ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die frühzeitige Einbindung von Lieferanten in den Planungsprozess. Leistungsfähige Beziehungen und Beziehungsstrukturen entstehen. Insgesamt führt diese Form der Zusammenarbeit zu einer hohen Identifikation mit dem jeweiligen Projekt, aber auch zu einer hohen Motivation aller am Projekt beteiligten Partner. Eine „Projektkultur“ wird entwickelt, der Projekterfolg wird entscheidend positiv beeinflusst. Die Definition gemeinsamer Ziele sowie die gemeinsame Festlegung des Weges zur Zielerreichung führen zu einer partnerschaftlichen Beziehung hoher Intensität, aber auch hoher Effektivität und Effizienz. Kommunikations- und Informationsflüsse müssen durch eine entsprechend leistungsfähige und flexible Informationstechnologie unterstützt werden. Zeitnähe und Qualität der Kommunikation sind sicherzustellen, Medienbrüche im Informationsfluss im Sinne des Informationsverlustes möglichst zu vermeiden. Die IT-technische Anpassungsfähigkeit, das IT-technische Know-how sowie die Informationstechnologie der MAGNA STEYR stellen diese Anforderungen sicher. Die Vielzahl unterschiedlichster Herausforderungen, die im Rahmen der Anlaufprojekte an MAGNA STEYR gestellt und bewältigt wurden, haben zu einem enormen Know-how-Aufbau im Bereich des Anlaufmanagements geführt. Die Erfahrungen aus der Vielzahl an Projektanläufen führten aber auch im Serienbetrieb zu wesentlichen Weiterentwicklungen sowohl im normativen als auch im strategischen und operativen Bereich.
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Die Betrachtung, Planung und Optimierung eines abgegrenzten Ausschnitts der Lieferkette oder eines funktionalen Teilbereiches wie Einkauf, Logistik oder Engineering ist nicht zielführend. Vielmehr gilt es, die gesamtheitliche und prozessorientierte Sichtweise der Supply Chain bzw. die Sichtweise der Total Cost of Ownership (TCO) im Denken aller Unternehmensfunktionen zu verankern. Intern wurde diesem Supply-Chain-Gedanken bei der MAGNA STEYR Rechnung getragen, indem bspw. die klassischen Unternehmensfunktionen Einkauf und Logistik zur prozessorientierten Organisation des Supply Chain Management zusammengelegt wurden und die Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsbereich im Sinne des Design to Logistics weiter intensiviert wurde. Extern wurde am Aufbau neuer strategischer Lieferantenpartnerschaften (aber auch Dienstleisterpartnerschaften) bzw. an der Weiterentwicklung von bestehenden strategischen Partnerschaften gearbeitet. Neben dem ERP-System, über das allgemeine Standardprozesse (z.B. Materialplanung bzw. -abrufe) abgewickelt werden, unterstützt die MAGNA STEYR Quality Platform heute die Zusammenarbeit mit Lieferanten integral über den gesamten Produktlebenszyklus (siehe Abb. 3). Schlanke und transparente Prozessabläufe mit klar definierten Verantwortlichkeiten sowie eine hochflexible IT-Infrastruktur zur Unterstützung dieser Prozessabläufe sind heute der wesentlichste Erfolgsfaktor der MAGNA STEYR um sich den Herausforderungen eines hochdynamischen Umfeldes stellen zu können.
Abb. 3 Zielorientierte Zusammenarbeit mit Lieferanten im Produktlebenszyklus
Lieferantenmanagement im Serienanlauf am Beispiel des Plattformprojekts CP4 der Robert Bosch GmbH Peter Rumpf, Werner Wölfler Robert Bosch GmbH
Lieferantenmanagement im Einkauf der Robert Bosch-Gruppe Die Robert Bosch-Gruppe ist weltweit auf dem Gebiet der Kraftfahrzeug- und Industrietechnik sowie der Gebrauchsgüter- und Gebäudetechnik tätig und umfasst ein Fertigungs-, Vertriebs- und Kundendienstnetz mit rund 300 Tochtergesellschaften und mehr als 12.000 Kundendienstbetrieben in über 140 Ländern. Rund 260.000 Mitarbeiter erwirtschafteten im Geschäftsjahr 2006 einen Umsatz von 43, 7 Mrd. Euro. Der Unternehmensbereich Kraftfahrzeugtechnik beschäftigt derzeit rund 161.000 Mitarbeiter bei einem Umsatz von rund 27, 2 Mrd. Euro. Der Geschäftsbereich Diesel Systems nimmt mit 8, 4 Mrd. Euro Umsatz und rund 60.000 Mitarbeitern als führender Hersteller von Einspritzsystemen für Dieselmotoren eine bedeutende Stelle in der Bosch-Gruppe ein. Das Gesamteinkaufsvolumen der Bosch-Gruppe lag 2006 bei 21, 7 Mrd. Euro und verteilt sich auf die Bereiche Investitionsgüter, indirekte Materialien, Dienstleistungen, Handelswaren und direkte Materialien. Mit 16 Mrd. Euro Einkaufsvolumen für Investitionsgüter und direkte Materialien kommt den Aufgaben der Volumenbündelung und des Anlaufmanagements mit Lieferanten auch aufgrund der langfristigen Auswirkungen von Lieferanten- und Technologieentscheidungen in diesen Einkaufsfeldern eine besondere Bedeutung zu. Die Einkaufsorganisation der Bosch-Gruppe ist in die Bereiche Zentraleinkauf, Geschäftsbereichseinkauf und Werkseinkauf gegliedert. Sie umfasst die Bereiche Fach- und Projekteinkauf für direkte Materialien, Einkauf indirekte Materialien, technischer Maschineneinkauf sowie Qualitätssicherung Fremdbezug. Durch übergreifende Projektaktivitäten zur internationalen Lieferantenentwicklung und zur Beschaffung in Niedrigkostenregionen werden darüber hinaus strategische Ziele fokussiert. Die enge Verzahnung von Einkauf und Logistik in der Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik zeigt sich in der organisatorischen Einheit für diese Bereiche in der Geschäftsführung, den Leitungsbereichen der Zentrale sowie in G. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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Geschäftsbereichen und Werken. Der Zentralbereich Einkauf und Logistik verantwortet die strategische Steuerung sowie die Festlegung und Überwachung der Einhaltung der entsprechenden Grundsätze, Leitlinien, Methoden und Zielsetzungen für das gesamte Supply Chain Management. Die Umsetzung dieser Grundsätze und Strategien erfolgt in den Geschäftsbereichs- und Werksorganisationen. Voraussetzung für einen exzellenten Serienanlauf mit Lieferanten ist das effektive und effiziente Zusammenspiel aller mittel- und unmittelbar beteiligten Bereiche an der Schnittstelle zum Lieferanten. Für den Bereich der direkten Materialien liegt die Koordinations- und Steuerungsaufgabe für die Anlaufaktivitäten mit den Lieferanten beim Projekteinkauf für Neuentwicklungsprojekte.
Lieferantenmanagement im Kontext komplexer Neuentwicklungsprojekte Zur Sicherstellung eines effizienten „Time-to-Market“-Prozesses für die Kundenentwicklungsprojekte bei gleichzeitiger Absicherung der Technologie- und Kostenführerschaft wurde im Geschäftsbereich Diesel Systems ein standardisierter Prozess für die Produktentstehung (PEP) eingeführt. Der PEP stellt als Bestandteil des Bosch-Engineering-Prozesses (BES) ein systematisches und transparentes Vorgehen für Plattformentwicklungsprojekte, Akquisitionsprojekte und Kundenprojekte dar und sichert über die in Abb. 1 dargestellte Projektmanagementsystematik mit regelmäßiger Bewertung des Projektfortschritts über Projektreviews (PB) die funktions- und bereichsübergreifende Bearbeitung der erforderlichen Aufgaben ab.
Abb. 1 PEP-Phasendiagramm – Diesel Systems
Lieferantenmanagement im Serienanlauf am Beispiel des Plattformprojekts CP4
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Die Differenzierung der Entwicklungsprojekte in Plattformentwicklungen und Erstanwendungsentwicklungen mit hohem Innovationsgrad und in Anpassungs- und Applikationsentwicklungen mit reduziertem Neuigkeitsgrad bei hoher Wiederholhäufigkeit über einzelne Kundenprojekte ermöglicht ein Plattform- und Technologiemanagement über den gesamten Produktlebenszyklus. In der Plattformvorbereitung und im Plattformprojekt werden die technologischen Rahmenbedingungen für die zukünftigen Kundenprojekte auf Grundlage der Funktionsanforderungen des Einspritzsystems und der Einzelkomponenten sowie der internen und externen Herstellungsprozesse definiert und in die technische Spezifikation überführt. Entsprechend der Funktionsbedeutung und des Innovationsgrades des jeweiligen Bauteils und Herstellungsprozesses ist die frühzeitige Einbindung der zukünftigen Serienlieferanten in den Produktentstehungsprozess einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Sie eröffnet die im Rahmen der zunehmenden Verlagerung von Wertschöpfung an Lieferanten verstärkte Erfordernis zum Einbringen von Innovationen für die Funktion und die Prozesstechnologien aus dem Lieferantenmarkt und ermöglicht die optimale Abstimmung von Produktdesign und Prozesstechnologien für Fremdbezugskomponenten. Dieses in der frühen Phase des Produktentstehungsprozesses aufgesetzte Lieferantenmanagement ist die Voraussetzung für einen exzellenten Serienanlauf und für die gemeinsame Erreichung der Qualitäts-, Kosten- und Lieferbzw. Terminziele mit den Lieferanten. Zur Steuerung des Lieferantenmanagements für Plattformentwicklungsprojekte wurde im Geschäftsbereich Diesel Systems durch den Projekteinkauf der an den Projekt- und Musterphasen des PEP ausgerichtete Technische Einkaufsprozess (TPP) definiert und eingeführt. Der Projektfortschritt wird durch vorgegebene Erfolgsfaktoren zu den Lieferantenaktivitäten bewertet und im Rahmen von Einkaufsbewertungen (EB) entsprechend dem Prozessschema in Abb. 2 durch standardisierte Unterlagen gegenüber der Einkaufsleitung verantwortet. Die Verantwortung für die Durchführung der Einkaufsaktivitäten liegt beim Projektleiter des Projekteinkaufs, dem in Abhängigkeit der Komplexität und Projektphase des Neuentwicklungsprojektes Projektmitarbeiter aus dem Einkauf zugeordnet sind. Das Projektteam des Projekteinkaufs steuert die Einkaufsaktivitäten zum Lieferanten und in das eigene Unternehmen und führt die lieferanten- und projektbezogenen Beschaffungsstrategien zusammen.
Projektmanagement mit Lieferanten zur Erreichung der Qualitäts-, Kosten- und Terminziele Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit Lieferanten in Entwicklungsprojekten ist das Erreichen von Qualitäts-, Kosten- und Liefer- bzw. Terminzielen im Serienanlauf und in der Serie. Das Erreichen dieser projektbezogenen Zielsetzungen muss unter Beachtung übergeordneter lieferantenbezogener Strategien und Erfordernisse erfolgen.
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Abb. 2 TPP-Phasendiagramm – Diesel Systems
Wesentliche lieferantenbezogene Strategien in der Robert Bosch-Gruppe sind: • • • • •
Umsetzung des Bosch-weiten Vorzugslieferantenkonzeptes Umsetzung des Triadenkonzeptes Steigerung des Einkaufsvolumens aus Emerging Markets Erzielung maximaler Bündelungseffekte Entwicklung der Lieferanten nach den Prinzipien des Bosch-Produktions-Systems (BPS)
Die Umsetzung dieser Strategien im Abgleich zu den projektbezogenen Zielsetzungen des Entwicklungsprojektes sowie ergänzender Anforderungen der am Entwicklungsprojekt beteiligten Bereiche erfordert einen transparenten und auf die wesentlichen Zielsetzungen von Qualität, Kosten, Termin und Lieferung fokussierten Lieferantenauswahlprozess. Der Prozess der Lieferantenauswahl ist die Basis für das Projektmanagement mit den Lieferanten und umfasst die Schritte Lieferantenbewertung, Lieferantenentscheidung und Lieferantenverifizierung. Die frühzeitige Festlegung und Einbindung der Lieferanten ermöglicht die nachfolgende Verifizierung der Lieferantenentscheidung auf Basis der Zielerfüllung der Musterlieferungen sowie das Einleiten von Verbesserungsmaßnahmen. Das Vorziehen der Lernkurveneffekte beim Lieferanten stellt den hervorstechenden Erfolgsfaktor für die Absicherung der Qualitäts-, Kosten- und Terminziele im Serienanlauf dar. Das Projektmanagement mit Lieferanten im Rahmen des TPP umfasst: • Einkaufsstatusbericht (ESB): Kriterienliste und Bewertungssystematik (Ampelfunktion) auf Projekt- und Bauteilebene für operative und strategische Erfolgsfaktoren der Einkaufsaktivitäten in Abhängigkeit der Projekt-/Musterphasen
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• Einkaufsbewertung (EB): Vorstellung des ESB durch den Projektleiter des Projekteinkaufs vor der Einkaufsleitung (Review-Gremium) zur Absicherung, Steuerung und Dokumentation des Projektfortschrittes und der Erfolgsfaktoren aus Einkaufssicht • Bauteileklassifizierung (A-/B-/C-Teile): Bewertung der Bauteile entsprechend ihrer Bedeutung für Funktion, Prozess und Preis zur Projektsteuerung bezüglich Risikobehaftung der Bauteile, Ressourcensteuerung und Priorisierung • Technical Purchasing Tracking Tool (TPTT): Datenbank zur Dokumentation, Fortschrittskontrolle und einheitlichem Reporting auf Bauteileebene mit Ampelfunktion Seit Einführung des TPP wurden rund 20 Projekte entsprechend dieser Projektmanagementsystematik durchgeführt. Die Umsetzung dieser Systematik sowie der Einsatz weiterer standardisierter Werkzeuge werden im Kontext des Lieferantenmanagements zum Serienanlauf der CP4 erläutert.
Das Plattformprojekt Common-Rail-Pumpe der 4. Generation (CP4) Die CP4 wurde als Plattformprojekt für eine neue Generation von Dieseleinspritzsystemen aufgesetzt und hatte den erfolgreichen Serienanlauf mit der 2-Tagesproduktion des Erstkunden im September 2006. Das Entwicklungsprojekt, für das über 25 Kundenapplikationen vorgesehen sind, wurde im International Simultaneous Engineering Center (ISEC) am Entwicklungs- und Fertigungsstandort in StuttgartFeuerbach durchgeführt. Bis zu 180 Mitarbeiter aus Entwicklung, Fertigung und Einkauf waren physisch in einem Gebäude zusammengeführt und hatten in zehn verschiedenen SE-Teams das Neuprojekt in Serie geführt. Wesentliche Zielsetzungen des Projektes waren die weltweite Standardisierung der Herstellungsprozesse durch Einbindung der internationalen Fertigungsstandorte und Maschinenlieferanten sowie die frühzeitige Einbeziehung der Zulieferer für Fremdbezugskomponenten. Die transparente Kommunikation der marktseitigen Wachstumspotenziale und Substitutionseffekte der CP4 an die ausgewählten Lieferanten als Grundlage für die wirtschaftliche Attraktivität sowie die Erzeugung von Begeisterung für die Mitarbeit in diesem Entwicklungsprojekt legte, auch in Verbindung mit der deutlichen Darstellung der Erwartungshaltungen des ISEC-Teams, die Grundlage für die enge Einbindung der Lieferanten in die gemeinsamen Entwicklungsaktivitäten. Ein wesentlicher Bestandteil der Einkaufsaktivitäten stellte neben der Einbindung der Lieferanten auch die Durchführung von Wettbewerbsanalysen und die Ermittlung und Bewertung am Markt verfügbarer Technologien durch die Einkaufsorganisation mit der Zielsetzung zur Erreichung der Innovations- und Kostenführerschaft für das CP4-Entwicklungsprojekt dar.
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Lieferantenmanagement und Hochlaufabsicherung im Plattformprojekt CP4 Die Einbindung der Lieferanten in das Entwicklungsprojekt begann mit der Durchführung strukturierter Anfragen zu Beginn des CP4-Plattformprojektes bei Vorzugslieferanten der Bosch-Gruppe und spezialisierten Technologiepartnern über den elektronischen Marktplatz SupplyOn®. Die Aktivitäten des Lieferantenmanagements begannen bereits in der A-Musterphase mit der Festlegung von rund 80% der SE-Lieferanten in einer systematischen Lieferantenentscheidung und wird für ausgewählte Schwerpunkte entsprechend Abb. 3 im Folgenden beschrieben. Das Mustermanagement mit Lieferanten umfasste Vereinbarungen zu Preisen, Liefermengen und -terminen sowie eine konsequente Umsetzung der Maßnahmen der vorbeugenden Qualitätssicherung (VQS) mit Änderungs- und Beanstandungsmanagement. Insgesamt wurden in der B-Musterphase rund 7.000 Teilesätze für Fertigungsausproben, Entwicklungs- und Kundenmuster durch die Lieferanten bereitgestellt, wobei für rund 95% der Bauteile und 80% der Fertigungsprozesse zukünftige Serienlieferanten und seriennahe Herstellungsprozesse zum Einsatz kamen. Die Zusammenführung von SE-Arbeit und Mustermanagement zur Erreichung der Qualitäts-, Kosten- und Lieferziele mit den Lieferanten wurde durch die organisatorische Zuordnung der Musterbeschaffung in das Projektteam des Projekteinkaufes abgesichert. Ausgangspunkt für die Projekteinkaufsaktivitäten waren die Absicherung der Bauteilefunktion und die Schaffung von Transparenz über die gesamte Fertigungsprozesskette beim Lieferanten und den Unterlieferanten.
Abb. 3 TPP – Lieferantenmanagement CP4
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Gemeinsam mit der Fertigungskoordination von Diesel Systems wurde eine Software zur Analyse und Dokumentation der internen und externen Fertigungsprozessketten entwickelt und eingeführt (MiPet). Diese Standard-Software unterstützt die ganzheitliche Prozesskettenentwicklung in der SE-Phase durch Bewertung und Ableitung von Maßnahmen für Muster- und Serienfertigungsprozesse anhand der Kriterien Reifegrad der Technologie, Maschinen- und Prozessfähigkeit. Für die CP4 wurden rund 1.350 Fertigungsprozessschritte für Lieferanten und Unterlieferanten bis zur Materialherstellung dokumentiert und bewertet. Zum Ende der B-Musterphase war noch für rund 20 externe Fertigungsprozesse eine Prozessentwicklung erforderlich, mit Ende der C-Musterphase reduzierte sich die Anzahl auf drei Fertigungsprozesse. Neben der Absicherung der Serienfähigkeit durch abgeleitete Maßnahmen aus der Musterherstellung beim Lieferanten wurde über die transparente und standardisierte Visualisierung eine übergreifende Kommunikationsbasis für die SE-Arbeit mit Lieferant, Entwicklung und Fertigungsbereich ermöglicht. Die Transparenz der Fertigungsprozesse beim Lieferanten war die Voraussetzung für die Anwendung von Kalkulationsprogrammen zur Erreichung von Kostentransparenz und zur Bewertung der Kostensensitivität der technischen Merkmale und Fertigungsprozesse. Für alle Fremdbezugskomponenten der CP4 mit hoher Kostenbedeutung wurden so Schattenkalkulationen zur Kostenarbeit bei Design- und Prozessänderungen auf Basis von mit dem Lieferanten abgestimmten Fertigungsprozessdaten ermittelt. Die Einführung interdisziplinärer SE-Teams für ausgewählte Bauteile unter Leitung der Projekteinkäufer mit Teilnahme von Lieferant, Unterlieferant, Maschinenhersteller und Bosch-Mitarbeitern, der temporäre Einsatz von Resident-Engineers der Lieferanten im CP4-ISEC sowie die Verfügbarkeit von Maschinen für Musterherstellung und seriennahe Fertigung in der C-Musterphase waren Anforderungen an die frühzeitige Bereitstellung personeller und finanzieller Ressourcen durch den Lieferanten. Diese Voraussetzungen waren die wesentlichen Veränderungen in den Rahmenbedingungen des Lieferantenmanagements in der SE- und Musterphase und zielten entsprechend Abb. 4 auf das Vorziehen der Ressourcen zur Vermeidung von Anund Hochlaufrisiken mit nachfolgend übersteigertem Ressourceneinsatz ab. Zur Schaffung eines gegenseitigen Vertrauensverhältnisses durch klare Kommunikationsstrukturen zwischen dem ISEC-Team und den Lieferanten fand 2004 der erste gemeinsame CP4-Lieferantentag statt. Die zweite gemeinsame Veranstaltung am 31.01.2006 setzte, mit Abschluss der Produkt- und Prozessentwicklung der C-Musterphase, den Schwerpunkt auf die Serienanlaufphase und das zielgerichtete Zusammenführen aller Aktivitäten mit den Lieferanten zu einem erfolgreichen Launch Management. Schwerpunkt dieser Phase des Anlaufmanagements mit den Lieferanten war die Vermeidung spezifischer Anlaufrisiken sowie die frühzeitige Definition robuster Alternativen für absehbare Risiken. Da häufig nur eine eingeschränkte Erfahrungsbreite der produkt- und prozessspezifischen Entwicklungen zum Zeitpunkt des Serienanlaufes vorliegt und kapazitative Absicherungen häufig noch nicht vollstän-
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Abb. 4 TPP – Aufwand Anlaufmanagement
dig umgesetzt werden können, treffen allgemeine und projektspezifische Risiken im An- und Hochlauf auf besonders sensible Randbedingungen. Basis für die Risikoanalyse der Fremdbezugskomponenten bei der CP4 war die Prozesskettenanalyse mit MiPet. Zur Absicherung der Anlieferqualität wurde eine Firewall-Systematik eingeführt, die die Implementierung von Quality Gates für kritische Prozesse und Merkmale oder erhöhtem Risiko aus der FMEA-Bewertung vorsah. Zur Absicherung der Verfügbarkeit der technischen Kapazitäten wurde für ausgewählte Bauteile im Fremdbezug ein Monitoring mittels Projekt-Handbuch eingeführt, das die Verfolgung der im Serienanlauf relevanten Arbeitspakete mit Termin und Verantwortlichkeit ermöglicht und abschließend die Bestätigung der technischen Kapazitäten vor Ort beim Lieferanten einforderte. Zur weiteren Reduzierung des Anlaufrisikos wurden kritische Maschinen und Einrichtungen identifiziert und der Sicherheitsstatus dieser Engpass-Maschinen überprüft sowie Reaktions- und Notfallpläne ausgearbeitet. Das Lieferantenmanagement in der Anlaufphase wurde danach mit der abschließenden Ausgestaltung und Umsetzung der Transport-, Lager- und Verpackungskonzepte abgeschlossen.
Erfolge im Lieferanten- und Projektmanagement im Anlauf CP4 Bereits in der frühen Hochlaufphase wurden die Erfolge der frühzeitigen Einbindung der Lieferanten in das Anlaufmanagement des CP4-Projektes deutlich und zeigten eine gegenüber vergleichbaren früheren Serienanläufen deutlich stabilere Versorgungssituation und verbesserte Qualitätskennzahlen.
Lieferantenmanagement im Serienanlauf am Beispiel des Plattformprojekts CP4
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Auch die Qualitätsindikatoren bei den Lieferanten weisen auf eine erhebliche Verbesserung im Vergleich zu vorangegangenen Produktanläufen hin. In einem Beispiel konnte der Lieferant für ein komplexes Bauteil durch den frühzeitigen Einsatz der Serienmaschine, die intensive SE-Arbeit mit dem CP4-Team sowie entsprechende Erfahrungen aus der Musterfertigung bereits sechs Monate nach Serienbeginn die interne Fehlerrate auf rund 1% reduzieren. Durch die Einrichtung von Quality Gates und prozessstabilisierende Maßnahmen wurden im gleichen Zeitraum keine fehlerhaften Teile ausgeliefert. So lagen die CP4-internen Folgeaufwendungen aufgrund von Qualitätsproblemen durch Zukaufteile deutlich unter denen vorangegangener Anlaufprojekte. Die Stabilität der heutigen Lieferanten und ihrer Prozesse ermöglichte auch den frühzeitigen Auswahlprozess der Zweitlieferanten. Rund neun Monate nach Serienstart waren bereits rund 60% der Zweitlieferanten mit Schwerpunkt aus Niedrigkostenregionen ausgewählt, wobei die abschließende Festlegung und Durchführung über ein Bidding-Verfahren mit Unterstützung einer externen Beratungsfirma erfolgte. Voraussetzung für die zielgerichtete Auswahl der Lieferanten war die Durchführung einer Portfolio-Analyse über alle Bauteile, in der auf Basis von Funktions- und Prozessbedeutung aus der Bauteileklassifizierung und das über die Schattenkalkulation ermittelte Kostenpotenzial, die Beschaffungsstrategie für die Emerging Markets abgeleitet wurde. Bezogen auf die Erfolgsfaktoren des TPP wurden die Einkaufsbewertungen zum Abschluss der B- und C-Musterphase (EB2 und EB3) in den erforderlichen Rekursionen bestätigt. Die Rekursionen verdeutlichten, dass trotz der zeitlich frühen Einbindung der Lieferanten und des ganzheitlichen Lieferantenmanagements einzelne Aufgabenstellungen nicht in allen Fällen zum geforderten Zeitpunkt vollständig umgesetzt waren. Sie bestätigten aus Einkaufssicht jedoch auch, dass aufgrund der klaren Kriterienfestlegung und der eindeutigen Kommunikation der Anforderungen eine hohe und zeitnahe Transparenz in der Aufgabenabarbeitung und letztlich eine hohe Verbindlichkeit in der Umsetzung der Maßnahmen beim Lieferanten mit erfolgreichem Abschluss der Projektphasen erzielt wurde. Die Steuerung der Einkaufsaktivitäten über den TPP hat darüber hinaus zu einer verbesserten Integration und zielgerichteten Zusammenarbeit aller Einkaufsbereiche geführt und die Integration der strategischen Beschaffungsstrategien mit den operationalen Anforderungen der Plattformprojekte bezüglich Qualität, Kosten und Lieferung erfolgreich verbunden. Auch gegenüber den internen Partnern in der SE-Arbeit konnten die technischen Randbedingungen der Lieferanten präziser dargestellt und insbesondere in kritischen Entscheidungssituationen die Erfordernisse der Lieferanten in den SEProzess stärker eingebracht werden. Letztlich stärkte die systematische Anwendung und die Transparenz des TPP die Position des Einkaufs im gesamten SimultaneousEngineering-Projekt der CP4.
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Weiterentwicklung des Supply Chain Management bei Anlaufprojekten Die Erreichung des heutigen Reifegrades des TPP hat rund drei Jahre in Anspruch genommen. Dabei waren die intensiven Diskussionen zur Zielsetzung des TPP und den einzelnen Themenfeldern ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die positive Akzeptanz dieser Vorgehensweise innerhalb und außerhalb der Einkaufsorganisation. Der zusätzliche Aufwand für die Einführung und Absicherung der Systematik sowie für die Durchführung der Einkaufsbewertungen wird nachweislich durch die verbesserte Effektivität und Effizienz in der SE-Arbeit und im Hochlaufmanagement überkompensiert. Das integrale Zusammenspiel zwischen der Projekteinkaufsorganisation und dem Mustermanagement sowie dem Prozess- und Anlaufmanagement des TPP war dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Um dieses Zusammenspiel zukünftig datenseitig besser zu unterstützen, wird derzeit das Technical Purchasing Management System (TPMS) eingeführt. Darüber hinaus wird das Prozessmodell des TPP um die entsprechenden Vorgehensweisen für Anpassungs- und Applikationsprojekte innerhalb des Produktentstehungsprozesses ergänzt. Die positiven Erfahrungen aus der Projektanwendung, der Erfahrungsaustausch mit Kunden sowie die Aktivitäten im Rahmen des Arbeitskreises „Reifegradabsicherung Neuteile“ des VDA erreichten, dass innerhalb der Bosch-Gruppe das Prozessmodell in einen Referenzbeschaffungsprozess für die Bosch-Gruppe übertragen und verbindlich vorgegeben wurde. Während die bisherige Bewertung der Erfolgsfaktoren durch das Einkaufsteam erfolgte, sollen zukünftig auch die Lieferanten die Bewertung der Erfolgsfaktoren und des Projektstatus eigenständig durchführen, um so den Bewertungsabgleich der TPP-Kriterien aus Sicht des Lieferanten und aus Einkaufssicht zu ermöglichen. Die Weiterentwicklung des Prozessmodells und die Absicherung des Anlauf- und Hochlaufmanagements mit Lieferanten erfordert die Erweiterung der Bewertungssystematik um logistische Fragestellungen und die ganzheitliche Betrachtung des Anlaufmanagements über die gesamte Supply Chain vom Kunden über die interne Produktion zu den Lieferanten und Unterlieferanten. Die Steuerung dieses Nivellierungsprozesses über eine Vielzahl von internen und externen Fertigungsstufen stellt dabei eine der wesentlichen Herausforderungen an eine ganzheitlich agierende Beschaffungs-, Produktions- und Distributionslogistik der Zukunft dar.
Teil IV
Logistikmanagement
Logistikmanagement im Anlauf Stefan A. Doch, Florian Rösch, Axel Mayer Bereich Logistik, Technische Universität Berlin
Einleitung Die Planung der Logistikprozesse für Beschaffung und Produktion steht in der unternehmerischen Praxis vor der Herausforderung, ein umfangreiches Logistiknetzwerk zur Sicherstellung des Materialflusses vom Lieferanten bis zur Fertigungslinie gestalten zu müssen (Straube 2004). Diesen Planungsprozess hat die Automobilindustrie vor dem Hintergrund steigender Komplexität der Fahrzeuge, steigender Variantenvielfalt durch kundenindividuelle Produktgestaltung und kürzer werdender Planungszyklen zu bewerkstelligen (Straube 2004). Neben Kosten- und Qualitätsgrößen stellt dabei die Time-to-Market die wesentliche Kenngröße für den Anlaufprozess dar (Baumgarten u. Risse 2001). Das dabei zum Einsatz kommende Instrumentarium umfasst neben den aus anderen Logistikmanagementaufgaben bekannten Methoden des Lieferantenmanagements, der Datenintegration oder des Entwicklungscontrollings die spezifischen Instrumente des Anlaufmanagements: Diese beinhalten die Anlaufplanung, die Teileverfolgung und das Änderungsmanagement sowie den Design-to-Logistics- und Frontloading-Ansatz. Bei der Umsetzung dieser Konzepte in der Unternehmenspraxis kommt der Logistik als Unternehmensfunktion die Aufgabe des verbindenden Gliedes zwischen Produktentwicklung und Produktion sowie der unternehmensübergreifenden Koordination der Wertschöpfungspartner zu (Baumgarten u. Risse 2001). Der zugrunde liegende Zielekanon logistischer Planung im Anlaufprozess ist dementsprechend vielfältig. Zeitliche Ziele sollen in Form der frühzeitigen Einbindung logistischer Anforderungen in den Produktgestaltungsprozess im Sinne eines Design-to-Logistics-Ansatzes operationalisiert werden. Die Formalisierung des Zusammenspiels zwischen den beteiligten Unternehmensfunktionen durch standardisierte Prozesse und Informationssysteme verfolgt das Ziel der Schaffung interner Prozesseffizienz, der Einsatz der Methoden der IT-gestützten Logistikplanung und der Digitalen Fabrik dient der Erfüllung weitreichender Prozessqualitäts- und -stabilitätsziele, die sich in der frühzeitigen Planung logistischer Prozesse und Ressourcen manifestieren. Die standardisierte Planung logistischer Beschaffungs- und Distributionsprozesse ist schwerpunktmäßig in der Schaffung änderungsflexibler und variantenarmer Beziehungsstrukturen begründet. G. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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Planungssystematik der Logistik im Anlaufmanagement Die Abgrenzung der Planungsaufgaben, Prozessschnittstellen und Verantwortlichkeiten ist dabei in Form einer bereichsübergreifenden Systematik zu organisieren. Die hierfür verwendeten Referenzproduktentstehungsprozesse stellen die Grundlage für die prozessuale Einordnung der Logistikplanungsumfänge in den bereichsübergreifenden Gesamtkontext dar. Das Hauptziel dieser Maßnahme ist die frühzeitige Berücksichtigung der logistischen Anforderungen im Planungsprozess. Für die Planung logistischer Prozesse verbleibt sonst oft nur ein geringes logistikseitiges Kostenoptimierungspotenzial, da wesentliche Rahmenbedingungen durch entwicklungsseitige Restriktionen bestimmt werden (Straube 2004). Die Systematik eines Referenzproduktentstehungsprozesses beinhaltet üblicherweise eine Simultaneous-Engineering-Ebene, eine Steuerungsebene und eine Entscheidungsebene (Longmuß 2003). Während die Simultaneous-Engineering-Ebene und die Steuerungsebene Projektorganisation und -ablauf generell strukturieren, werden auf der Entscheidungsebene logistisch unmittelbar relevante Entscheidungen getroffen und Meilensteine festgelegt. Für die Logistik lassen sich drei Hauptmeilensteine identifizieren: die Entscheidung über die Entwicklung eines neuen Fahrzeugmodells, die Design- und Konzeptverabschiedung und der Start-of-Production (SOP) (Straube 2004). Nach Erreichung dieser Meilensteine schließen sich die im Folgenden näher beschriebenen Phasen der Strategischen, Taktischen und Operativen Logistikplanung respektive an. In diesen Planungsphasen hat die Unternehmensfunktion der Logistik die Verantwortung für weite Teile der Prozessplanung und Auslegung der logistischen Ressourcen sowie eine unterstützende Rolle in der Produktbeeinflussung zu erfüllen. Dies macht es in aller Regel erforderlich, die logistischen Aufgabenumfänge weiter zu systematisieren. Dabei zum Einsatz kommende Differenzierungskriterien können sich an dem Auftragsbezug der Planung, der Unsicherheit der Planungsergebnisse aufgrund unvollständig vorliegender Planungsgrundlagen, der Schwierigkeit der Einflussnahme auf übergreifende Entscheidungen und Rahmenbedingungen, dem Planungsgegenstand oder der Fristigkeit der Planungstätigkeit orientieren. Die skizzierten Planungsphasen sowie ausgewählte Planungsumfänge stellt Abb. 1 dar. Einer vertikalen Unterteilung der Logistikplanung folgend gilt es auf der strategischen Ebene die grundsätzliche Entwicklungsrichtung des Unternehmens aktiv mit-zugestalten. Die Strategische Logistikplanung im Speziellen dient der Beeinflussung der Gesamtstrategie des Unternehmens, welche den Logistikprozess maßgeblich determiniert. In dieser Phase werden unter anderem die Lieferanten-, Produkt, Produktions-, Vertriebs- oder Kundenstruktur bestimmt (Straube 2004). Für diese Planungsschritte hat sich der Begriff des Supply Chain Design durchgesetzt. Hierunter wird die ganzheitliche Optimierung des Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsnetzwerkes verstanden. Ziel dieser Optimierung sind die Generierung von Skalen- und Verbundeffekten unter Einbezug von Standortvorteilen sowie unter Berücksichtigung der Risiken globaler Produktionsaktivitäten (Seidel 2006). Aufgrund der komplexen Netzwerkstrukturen, in die Unternehmen heute eingebunden sind,
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Abb. 1 Planungsumfänge der Logistik im Anlaufmanagement
ist sicherzustellen, dass im Sinne eines Total-Cost-of-Ownership-Ansatzes nicht nur die Investitionskosten, sondern auch alle standortübergreifenden Koordinationsund Betriebskosten berücksichtigt werden (Carr u. Christopher 1992). Somit ist auf strategischer Ebene die grundlegende Struktur des Wertschöpfungsnetzwerkes durch die Festlegung der Lieferantenanzahl und Standorte, der Anzahl und Kombination der Produktionsstandorte sowie der Bedienung der Absatzländer durch die Produktionsstandorte zu definieren (Straube et al. 2007). Die Organisation der strategischen Logistikplanung ist von dem Bedarf nach bereichsübergreifenden Kompetenzen gekennzeichnet. Während globale, d.h. standortunabhängige Planungsumfänge von einer nicht operativ gebundenen Einheit übernommen werden können, werden gerade für die Planung standortspezifischer Parameter ausgeprägte Erfahrungswerte benötigt. Darüber hinaus spielt bereits an dieser Stelle die enge Abstimmung mit den Einkaufs- und Vertriebsfunktionen des Unternehmens eine entscheidende Rolle, um lieferanten- und kundenseitige Rahmenbedingungen und Restriktionen in die Planung mit einfließen lassen zu können. Wie den Herausforderungen der strategischen Netzwerkplanung mithilfe standardisierter Prozesse und einer systemseitigen Unterstützung begegnet werden kann, schildert der Beitrag der 4flow AG. Die taktische Planungsebene greift die auf der strategischen Ebene entwickelten Grundsatzentscheidungen auf, um für deren Umsetzung geeignete Maßnahmen zu definieren und den dafür benötigten Mitteleinsatz herauszuarbeiten. Im Rahmen
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der strategischen Vorgaben gilt es die Zielsetzung einer möglichst logistikgerechten Gestaltung der Produkt-, Beschaffungs-, Produktions- und Absatzstruktur zu gewährleisten. Dazu schreibt sie die generellen Regeln und Abläufe der Disposition fest, wählt geeignete Kooperationspartner für die einzelnen Prozessschritte aus und plant die bereitzustellenden Produktionsfaktoren (Sierke 1997). Die Schnittstellen der hier betrachteten Planungsinhalte stellen zum einen die Produktionsbereitstellung und zum anderen der entweder hersteller- oder lieferantengetriebene Zulieferprozess dar (Weber 1998). Als wesentliche Einflussfaktoren kommen dabei die Verpackungsarten, Behälterinhalte, Anlieferkonzepte sowie verschiedene Kostenfaktoren wie Frachten, Flächenbedarfe und Investitionen zum Tragen (Schneider 2007). Um diese auf eine ganzheitliche Art und Weise in der Planung berücksichtigen zu können, ist die intraorganisationale Koordination von Logistik, Fertigung und Einkauf ein entscheidender Erfolgsfaktor der Taktischen Logistikplanung. Darüber hinaus stellt die Verknüpfung der Planungstätigkeit mit einer umfassenden Prozesskostenrechnung eine der maßgeblichen Herausforderungen dar, da das Kostenbewusstsein auch in den Phasen des Produktentstehungsprozesses wächst sowie die Anforderungen an eine weitreichende Plausibilisierung von Investitionsentscheidungen bedeutsamer werden. Aufgrund der Unvollständigkeit von Planungsinformationen und der Komplexität des Planungsgegenstandes hat sich dazu das Vorgehen durchgesetzt, ausgehend von einer Prozessanalyse auf der Ebene der einzelnen Prozessschritte eine Kostenzuordnung vorzunehmen, um so im Rahmen einer übergreifenden Betrachtung die Kostentreiber im Prozessmodell zu identifizieren (Schneider u. Otto 2006). Der Beitrag der AUDI AG zeigt hierzu ein strukturiertes Modell der Prozessplanung vor SOP sowie dessen systemseitige Abbildung mit den Mitteln der Digitalen Fabrik auf. Bei der operativen Planung steht schließlich die effiziente Durchführung der in den vorangegangenen Stufen detailliert geplanten Maßnahmen im Vordergrund, vor allem hinsichtlich des Übergangs von der Vorserien- zur Serienlogistik (Wildemann 2004). Mit dieser Phase gehen zwei besondere Herausforderungen einher: Zum einen treten in ihr besonders viele Abweichungen von den geplanten Prozessen zutage, da nicht antizipierbare Wirkungsketten oft erst kurz vor SOP sichtbar werden und somit kleine Planabweichungen große Auswirkungen nach sich ziehen können. Zum anderen sind bei der Konzeption von Notfallstrategien die für die Kammlinienfertigung ausgelegten Serienprozesse so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, d.h. die Notfallmaßnahmen sind mit einem adäquaten Planungsaufwand und den kleinstmöglichen Auswirkungen auf andere Prozesse zu realisieren. Als zentrale Aufgabe, die über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes von Relevanz ist, kann das Komplexitätsmanagement angesehen werden. Es verfolgt das Ziel, durch die Beherrschung der unternehmensinternen Komplexität zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beizutragen. Durch den Rückgriff auf Gleichteile oder Module ist es trotz einer hohen Anzahl kundenindividueller Varianten möglich, die sich daraus ergebende Teilekomplexität zu begrenzen. Eine hohe Anzahl und Vielfalt an Einzelteilen und Baugruppen führt zu einer komplexeren Materialdisposition und damit zu einer steigenden Heterogenität der Logistikprozesse (Mayer 2007). Eine weitere, sich über den gesamten Planungsprozess erstreckende
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Herausforderung entsteht durch die im Zeitablauf auftretenden bauteilspezifischen oder -übergreifenden Änderungen, sodass es nötig ist, dem eigentlichen Planungsprozess ein permanentes Änderungsmanagement zur Seite zu stellen.
Informationssysteme der Logistik im Anlaufmanagement Die umfassenden Herausforderungen des Logistikmanagements im Anlauf können ohne den Einsatz geeigneter Informationssysteme kaum bewältigt werden, da die Optimierung der dargestellten Prozesse unter der Berücksichtigung der relevanten Parameter die Leistungs- und Problemlösungskapazitäten des Menschen übersteigen (Bracht u. Bierwirth 2003). Die Anwendung von Methoden und Werkzeugen der Digitalen Fabrik für die Aufgabenumfänge der Logistikplanung stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor zur Überwindung dieser Problemstellung dar. Dabei erfahren vor allem Systeme des Manufacturing Process Management (MPM), die in ihrer Grundfunktion auf die Verwaltung und Ausgestaltung von komplexen Produktionsprozessen ausgelegt sind, eine wachsende Verbreitung in der Logistik (Michel 2005). Das Konzept der Digitalen Fabrik umfasst zusätzlich die infrastrukturelle IuK-Basis für Fabrikplanung und -betrieb, um eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen produkt-, produktions- und logistikplanenden Unternehmensbereichen zu ermöglichen (Wenzel 2004). Gerade diese Eigenschaft der Digitalen Fabrik, die mit den intraorganisationalen Koordinationsaufgaben der Logistik korrespondiert, macht die Digitale Fabrik zu einem zentralen IT-Konzept der Logistik im Anlaufmanagement. Dabei birgt gerade der Rückgriff auf digitale Mock-Ups das Potenzial, logistische Gestaltungsparameter frühzeitig in die Produktgestaltung einfließen zu lassen, da im Vergleich zu physischen Mock-Ups die Änderungs-, Testund Simulationsbereitschaft der produktgestaltenden Bereiche größer ist. An die im Rahmen der Digitalen Fabrik gewonnenen Produkt- und Prozessplanungsinformationen anschließende Konzepte der Materialfluss- und Netzwerksimulation stellen einen weiteren IT-Schwerpunkt der Logistik im Anlaufmanagement dar. Aufbauend auf der Integration der Bereiche der Produkt- und Ressourcenstruktur im Rahmen der Prozessplanung kann im Rahmen von Simulationsszenarien eine weiterführende Optimierung, Bewertung hinsichtlich Kosten- und Servicekriterien sowie eine Validierung gegenüber der übergreifenden Strukturplanung erreicht werden (Straube u. Doch 2007). Damit stellt die von der Logistik zu verantwortende Prozessplanung im Anlaufprozess den Konsolidierungspunkt für eine Zusammenführung von bisher weitgehend isoliert vorherrschenden Produkt-, Ressourcen- und Fabrikstrukturinformationen dar. Bisherige Einsatzhürden sind dabei in der fehlenden Transparenz und Usability der zur Verfügung stehenden Werkzeuge zu sehen. Aktuelle Softwareentwicklungen im Bereich intuitiver und leicht anpassbarer Kostenmodelle und Heuristiken sowie objektorientierter und zum Teil webbasierter Simulationsumgebungen stellen jedoch erste Ansätze für die skizzierten Problemstellungen dar (Sürie 2006).
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Die Zielsetzung, eine Durchgängigkeit der Daten zwischen Produktgestaltung und Prozessgestaltung zu realisieren, wird durch den Einsatz von Produktdatenmanagement-Systemen (PDM) und eine umfassende Integration der Produktdaten verfolgt. Diese in den Phasen des Produktentstehungsprozesses bereits weit fortgeschrittene Entwicklung gilt es in einem weiteren Schritt vermehrt auch in die Serienphase zu überführen. Die Integration von Produktdatenmanagementfunktionalitäten in den Planungsbereich zentraler ERP-Systeme stellt hierfür den aktuell beschrittenen Weg dar (Straube u. Doch 2007). Über diesen Punkt hinausgehend wird die Bereitstellung einer Kommunikationsplattform zur Integration externer Entwicklungspartner in der Supply Chain gefordert, um so die angestrebte Parallelisierung der Entwicklung auch über die Unternehmensgrenzen hinaus zu ermöglichen. Neben diesem auf die Logistikplanung fokussierten Teil befinden sich typischerweise eine Vielzahl an IT-Systemen im Einsatz, die die Aufgaben des Monitoring während des Anlaufprozesses unterstützen. Dabei ist vor allem der vermehrte Einsatz von Managementinformationssystemen und Data Warehouses in der Logistik hervorzuheben, da diese IT-Konzepte auf ein hohes Maß an Prozesstransparenz abzielen. Auch logistikspezifische Systeme, vor allem im Bereich der Prozesskostenrechnung und Geoinformationsbereitstellung stellen im Sinne eines ganzheitlichen Logistikmanagements im Anlauf wichtige Bausteine einer Systemlandschaft dar. Eine umfassende Darstellung relevanter IT-Systeme und deren mögliche Einsatzfelder in den dargelegten Phasen der Planung bietet Abb. 2.
Abb. 2 Landkarte logistikrelevanter Informationssysteme im Anlaufmanagement
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Fazit Zusammenfassend lassen sich zwei entscheidende Treiber für die wachsende Rolle des Logistikmanagements im Anlauf identifizieren: Die steigende Anzahl der zu bewältigenden Produktneueinführungen in den letzten Jahren hat den Anlauf zum Normalfall im Unternehmen gemacht. Diese Entwicklung wird sich auch in Zukunft weiter verstärken und macht somit stabile und standardisierte Logistikprozesse erforderlicher denn je. Während Verfahren der Prozessoptimierung bereits breiten Einsatz in der Unternehmenspraxis erfahren, ist eine der Zukunftsaufgaben die Integration der Informationssysteme angesichts der derzeit vorhandenen heterogenen Systemlandschaften. Zusätzlich hat sich die Logistik zu einer der zentralen Koordinationsinstanzen in Unternehmen entwickelt und wird hierdurch mit Planungsumfängen konfrontiert, deren methodische und systemseitige Abbildung große Herausforderungen beinhaltet. Gleichzeitig stellt die Logistik die Unternehmensfunktion dar, die aufgrund ihres integrativen Charakters maßgeblich dazu beitragen kann, diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Damit geht zusätzlich das Potenzial einher, im Rahmen einer frühzeitigen Einbindung in den Produktentstehungsprozess einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung relevanter Zielgrößen wie bspw. einer kurzen Time-to-Market oder moderaten Anlaufkosten zu leisten.
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Strategische Netzwerkplanung als notwendiger Beitrag zur Lieferantenauswahl: Supply Chain Design im Produktentstehungsprozess Christian Nieters, Stefan Wolff 4flow AG
Die frühe Planung von Lieferantennetzwerken in der Automobilindustrie ist von großer Bedeutung für die Gesamtkostensituation von Fahrzeugmodellen. Notwendig erscheint daher die Schaffung einer „Supply Chain Design“-Funktion in Automobilkonzernen an der Schnittstelle zwischen Entwicklung, Beschaffung und Logistik, um im Rahmen des Produktentstehungsprozesses alternative Supply Chains bewerten und die optimale Supply Chain für den Automobilhersteller ermitteln zu können. Im vorliegenden Artikel werden die Anforderungen an ein Supply Chain Design im Produktentstehungsprozess hergeleitet, die Elemente für eine solche Netzwerkplanung entwickelt sowie die Phasen für die Einführung dieser Funktion beschrieben.
Neue Fahrzeugprojekte in der globalen Automobilindustrie Automobilhersteller sehen sich heute mit verschiedenen, teils gegenläufigen Entwicklungen konfrontiert: Die in den Fahrzeugen eingesetzten Technologien weisen große Entwicklungssprünge und zugleich eine steigende Komplexität auf, z. B. im Bereich der Elektronik. Die Individualisierung der Kundenwünsche geht einher mit der Besetzung von Nischen und mit einer weiteren Kundensegmentierung. Zudem erhöht sich mit zunehmendem globalem Wettbewerb der Preis- und Kostendruck auf die Automobilhersteller, die einerseits auf stagnierenden Märkten wie Europa oder Nordamerika, andererseits auf wachsenden Märkten wie z. B. in asiatischen Schwellenländern operieren. Als eine Reaktion auf diese Trends vergeben die Automobilhersteller einen größer werdenden Anteil der Entwicklung sowie der Automobilproduktion, d. h. der Modulfertigung und Modulmontage, an Lieferanten (Mercer Management Consulting 2003). Bei abnehmender Entwicklungs- und Fertigungstiefe auf Seiten der Automobilhersteller nimmt die generelle Bedeutung der Lieferanten und damit der Lieferantenauswahl zu. G. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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Um internationale Aktivitäten besser nutzen und die sich daraus ergebenden längeren Distanzen überbrücken zu können, wenden Automobilhersteller innovative Anlieferkonzepte an. Als Beispiel lässt sich die Anliefermethode Long Range SILS nennen. Hier wird die Sequenz an der Montagelinie bereits sechs Tage vor der Montage eingefroren. Entfernt sitzende, aber entsprechend angebundene Lieferanten können Vormontagen und die Sequenzierung vornehmen und haben dann noch zwei bis drei Tage Zeit, die Teile zum Werk des Automobilherstellers zu liefern (Kohagen 2006). Gleichteile bzw. Plattformeffekte sollen es ermöglichen, die einzelnen Kundenwünsche durch eine Vielzahl von Fahrzeugmodellen bei moderaten Kostenstrukturen zu erfüllen. Die Preisposition eines Automobilherstellers wird wesentlich durch die Umlegung der Entwicklungs- und Produktionsvorbereitungskosten auf die produzierten Volumen bestimmt (Dudenhöffer 2001). Durch das Plattform-Konzept lassen sich Synergien zwischen den Aktivitäten in der Entwicklung, Produktion und Vermarktung aufdecken sowie Rationalisierungspotenziale aufzeigen (Riesenbeck et al. 2001). Ziel eines Automobilherstellers ist es, für ein neues Fahrzeugmodell Vorteile in der Beschaffung zu nutzen und hierbei die steigende Bedeutung der Lieferanten sowie innovative Anlieferkonzepte zu berücksichtigen. Erfolg versprechend für ein international agierendes Automobilunternehmen ist es dabei, den Nutzen der Plattformstrategie mit den Vorteilen eines global aufgestellten Konzerns zu verbinden und für ein weltweites, entsprechend hohes Fahrzeugvolumen die angeführten Synergieeffekte zu erzielen.
Die Notwendigkeit der strategischen Netzwerkplanung in der frühen Phase von Fahrzeugprojekten Die Auswahl der Lieferanten findet in der frühen Phase eines Fahrzeugprojektes im Rahmen des Produktentstehungsprozesses statt. In diesen Sourcing-Entscheidungen werden die Entwicklungs- und Serienlieferanten für Neuteile unter der Zielvorgabe festgelegt, ein Optimum an Qualität, Service und Preis zu erreichen (Wolters 1999). Die strategische Aufgabe der Lieferantenauswahl im Beschaffungsprozess wird vom Einkauf wahrgenommen (Batran 2004). Dabei ermöglicht eine Zentralisierung des Einkaufs eine Bündelung des Plattformbedarfs sowie die Nutzung einer weltweit vorhandenen Lieferantenbasis. Da mit der Nominierung der Lieferanten bestimmt wird, welche Fertigungstiefe der Lieferant übernehmen soll, wie viele unterschiedliche Lieferanten und welche Standorte zum Einsatz kommen und ob sich daraus lokale oder globale Anlieferprozesse ergeben (Batran 2004), ist die Perspektive der Supply Chain bei der Lieferantenauswahl von besonderer Bedeutung und entsprechend zu beachten. Eine Möglichkeit, die Supply Chain bei Sourcing-Entscheidungen zu berücksichtigen, ist der Ansatz der Total Cost of Ownership (Ellram 1995) bzw. der synonym zu verstehende Ansatz der Total Landed Cost (Pooler et al. 2004). Es handelt sich um einen
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funktionsbereichs- und unternehmensübergreifenden Ansatz, der sämtliche Kosten entlang der Supply Chain und über den Lebenszyklus eines Beschaffungsobjekts identifiziert und strukturiert. Die Lieferantenauswahl basiert daher nicht mehr alleine auf dem Teilepreis, sondern auf der Summe aus Teilepreis und Supply-ChainKosten. Die Anwendung des Total-Landed-Cost-Ansatzes ist dann geeignet, wenn das Beschaffungsobjekt einen bereits relativ hohen Kostenblock verursacht und regelmäßig beschafft wird und die Beschaffung beeinflussbare Kosten aufweist (z. B. durch Prozessänderungen) bzw. mit hohen, nicht transparenten Prozesskosten verbunden ist (Wannenwetsch 2006). Die gesamtkostenoptimale Auswahl des Lieferanten macht es notwendig, zur Bestimmung des optimalen Supply-Chain-Kosten-Anteils an den Total Landed Cost je Lieferant Supply-Chain-Szenarien zu prüfen und zu bewerten. Dies kann eingeordnet werden in den Aufgabenbereich Supply Chain Design des Supply Chain Management, in dem längerfristige Entscheidungen über Struktur, Standorte, Anliefer- und Transportprozesse sowie Ressourceneinsatz in einem Logistiknetzwerk getroffen werden (Chopra u. Meindl 2004; Kummer 2006). Dieser Aufgabenbereich ist unter dem Begriff Supply-Chain-Konfiguration auch von elementarer Bedeutung beim globalen Supply Chain Management (Stölzle u. Hoffmann 2004). Die Bewertung von Netzwerk- und Anlieferszenarien soll in den Produktentstehungsprozess eingebunden sein (Baumgarten u. Wolff 1999). Der Trend zum „Design ganzer Prozessketten“ beginnt schon bei der Entwicklung des Automobils (VDA 2006) und unterstützt die Definition und Umsetzung der Supply-Chain-Strategie (Wiedemann et al. 2007). Die Einbindung des Supply Chain Design in den Produktentstehungsprozess ist also ebenso wichtig wie die Integration der Logistik in den Entwicklungsprozess (Straube u. Koperski 1999; Pfohl u. Gareis 2000). Erforderlich ist es daher, einen zentralen Prozess der strategischen Netzwerkplanung in der frühen Phase eines Fahrzeugmodells bzw. einer Fahrzeugplattform aufzusetzen, um Netzwerk- und Anlieferszenarien kostenseitig bewerten zu können und um diese Supply-Chain-Kosten dem Einkauf zur Lieferantenauswahl zur Verfügung zu stellen. Diese Aufgabe soll als Supply Chain Design im Produktentstehungsprozess verstanden werden (zur Einordnung siehe Abb. 1).
Die Anforderungen an ein Supply Chain Design zur Unterstützung der Lieferantenauswahl Die Aufgabe des Supply Chain Design stellt sich kontinuierlich mit den zu vergebenden Teileumfängen des neuen Fahrzeugmodells. Zur Ausführung dieser Aufgabe hat das Supply Chain Design im Wesentlichen folgende Anforderungen zu erfüllen: • Modell: Benötigt wird ein Modell, anhand dessen alternative Supply Chains bewertet werden können. Dies bedeutet zum einen Transparenz über weltweit mögliche Anliefermethoden wie z. B. Lager- oder Sequenz-Anlieferung (Baumgarten u. Wolff 1999). Für die allgemeinen Anlieferprozesse sind reale Infrastruktur-
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Abb. 1 Supply Chain Design im Kontext des Produktentstehungsprozesses
punkte zu ermitteln wie z. B. Eingangs- und Ausgangshäfen oder Importläger. Zum anderen beinhaltet das Modell die Identifikation der Kostentreiber in diesen Anliefermethoden und damit die Definition der Kostenarten und -bestandteile der Total Landed Cost. Insgesamt ist zu beachten, dass ein Standardmodell erstellt wird, das wiederholt für Sourcing-Entscheidungen eingesetzt werden kann (Ellram 1995). • Daten: Aus dem Modell ist die notwendige Datenbasis abzuleiten; die entsprechenden Daten zum Bewerten der Supply Chains sind zu beschaffen (Pohlen 1996). Hier lässt sich eine generelle Datenbasis (vor allem Tarife für die Aktivitäten Transportieren, Umschlagen und Lagern) von sourcing-spezifischen Daten unterscheiden, welche entweder dem Automobilhersteller oder dem Lieferanten zuzuordnen sind. Eine Anforderung ist in jedem Fall die Bereitstellung der Daten in angemessener Zeit und Qualität. • Informationstechnologie: Ein Standardmodell und die damit verbundene Datenbasis ermöglichen den Einsatz eines IT Tools zur Unterstützung des SupplyChain-Design-Prozesses. Die Auswahl des Tools richtet sich nach den Funktionalitäten zur Modellierung und Bewertung von Supply Chains, nach der Reproduzierbarkeit und Transparenz der ermittelten Supply-Chain-Kosten, nach den Möglichkeiten zum Im- und Export von Daten sowie zur Archivierung und Weiterverwendung der Ergebnisse (Wolff u. Nieters 2002). • Organisation: Notwendig zur kontinuierlichen Planung und Bewertung von Supply Chains ist eine effektive und effiziente Aufbau- und Ablauforganisation (LaLonde u. Pohlen 1996). Hervorzuheben ist insbesondere die Integration über definierte Schnittstellen zu externen Lieferanten und zu beteiligten Abteilungen (neben dem Einkauf vor allem Entwicklung, Logistik, Behälterplanung, Zoll).
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Schritte eines kontinuierlichen Supply-Chain-Design-Prozesses Kernstück des Supply Chain Design bildet der für jeden Vergabeumfang ablaufende Prozess zur Bewertung der Supply-Chain-Kosten (siehe Abb. 2). Der Inhalt eines Vergabeumfangs reicht von einfachen Teilen bis hin zu komplexen Systemen, zu denen mehrere Teile und verschiedene Wertschöpfungsschritte gehören können. Schritt 1 im Supply-Chain-Design-Prozess ist die Festlegung der Szenarien. Der Einkauf informiert, um welche Teile es sich bei einem laufenden Sourcing handelt und welche potenziellen Lieferanten für diesen Vergabeumfang in die engere Betrachtung kommen. Supply Chain Design und Einkauf stimmen miteinander ab, ob es betrachtenswerte Strukturszenarien gibt, bspw. ob die Montagewerke von einem oder von mehreren Lieferantenstandorten versorgt werden können. Zudem wird bestimmt, welche Anliefermethoden je Montagewerk möglich sind. Grundlage hierfür ist ein definiertes Set von Standardanlieferprozessen mit genau festgelegten Kostentreibern und -verantwortlichkeiten. Ergebnis des ersten Schrittes sind also alternative Supply Chains je potenziellem Lieferant in einem Sourcing. Die möglichen Szenarien beziehen sich dabei nicht allein auf unterschiedliche Anlieferprozesse und die Anzahl der Lieferantenstandorte, sondern auch auf die Fertigungstiefe oder auf den Einsatz von Dienstleistern. Schritt 2 des Supply-Chain-Design-Prozesses beinhaltet die Erstellung der Datenbasis. Neben der generellen Datenbasis, die sourcing-übergreifend gültig und immer verfügbar ist, besteht die Notwendigkeit, die sourcing-spezifischen Daten zusammenzutragen. Dies betrifft zum einen die relevanten unternehmensinternen Daten wie Teile, Mengen, Behälter etc., zum anderen die von den Lieferanten erforderlichen Daten wie Standortangaben oder Kostenangaben, für den Fall dass sie
Abb. 2 Der Supply-Chain-Design-Prozess im Überblick
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für einen Teil der Supply-Chain-Kosten in der gewählten Anliefermethode verantwortlich sind. Zur Erstellung der Datenbasis gehört ebenfalls die Aufbereitung der Daten und die Modellierung der festgelegten Szenarien, was zugleich das Ergebnis des zweiten Schrittes darstellt. In Schritt 3 des Supply-Chain-Design-Prozesses kommt es zur Bewertung der Supply-Chain-Szenarien. Hier wird anhand von Checklisten geprüft, ob die einzelnen Lieferanten die Supply-Chain-Anforderungen an Behälter, Informationstechnologie, Service und logistische Aktivitäten wie Transportieren, Umschlagen und Lagern erfüllen. Neben dieser formalen Prüfung erfolgt die Kalkulation der SupplyChain-Kosten je Lieferant und Szenario. Die Berechnung geschieht mithilfe von Heuristiken, die die gültigen und optimalen Routen für eine Anlieferung bestimmen. Das Zustandekommen der ermittelten Kosten lässt sich z. B. mittels Auslastungsanalysen detaillierter durchleuchten, sodass gegebenenfalls weitere Optimierungspotenziale identifiziert werden können. Als Ergebnis des dritten Schrittes liegen somit komplett bewertete und transparente Supply Chains je potenziellem Lieferanten vor. Im vierten Schritt des Supply-Chain-Design-Prozesses werden die Ergebnisse zusammengestellt und an den Einkauf weitergegeben. Diese umfassen die Kosten der bewerteten Supply-Chain-Szenarien sowie Präferenzen für einzelne Anliefermethoden und -strukturen je Lieferant. Ziel in diesem Schritt ist es, dem Einkauf die Information über die bevorzugte Supply Chain mitzugeben, wenn er sich auf einen bestimmten Lieferanten festlegt. Der Einkauf wiederum fügt Teilepreise und Supply-Chain-Kosten zu Total Landed Cost als Grundlage der Entscheidung final zusammen. Bis zur letztendlichen Entscheidungsfindung kann sich der Prozess von der Szenarienfestlegung bis zur Ergebnisübermittlung wiederholen. Es handelt sich um ein iteratives Vorgehen, bei dem Einkauf und Supply Chain Design in enger Kommunikation stehen. Das Ergebnis ist schließlich die Nominierung des gesamtkostenoptimalen Lieferanten.
Phasen und Aktivitäten der Implementierung einer Supply-Chain-Design-Funktion Die Umsetzung des beschriebenen Supply Chain Design vollzieht sich in den Phasen Konzeption, Integration und Skalierung. Einzelne Aktivitäten in der Implementierung lassen sich nach den Bereichen Supply-Chain-Modell und Daten, IT Tool sowie Prozess bzw. Organisation aufgliedern (siehe Abb. 3). Je Phase ist dabei hervorzuheben: • Konzeptionsphase: Bei der Erstellung des Supply-Chain-Modells ist darauf zu achten, die Bestandteile und die Berechnung der mit den Anliefermethoden verbundenen Total Landed Cost mit dem Einkauf abzustimmen, da der Einkauf diese Kosten zur Auswahl der Lieferanten heranzieht. Gleichermaßen ist bei der Definition der Prozesse eine Zusammenarbeit mit den involvierten Abteilungen
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Abb. 3 Umsetzungsphasen des Supply Chain Design
notwendig, um z. B. die Dauer für einzelne Aktivitäten festzulegen und die einzelnen Prozessschritte zeitlich und sachlogisch in Einklang zu bringen. Auf Basis des Supply-Chain-Modells und des definierten Supply-Chain-Design-Prozesses lassen sich die Anforderungen an ein unterstützendes IT Tool definieren, speziell hinsichtlich des Workflow sowie der Kostenkalkulation und -optimierung. Insgesamt ist anhand der Menge und der Durchlaufzeit der Sourcings die Größe des Supply-Chain-Design-Teams zu ermitteln. • Integration: Da sich die Generierung der grundlegenden Datenbasis in der Regel als sehr zeitintensiv darstellt, ist diese Aktivität sehr früh, am besten parallel zur Erstellung des Supply-Chain-Modells zu starten. Die Implementierung des Supply-Chain-Design-Prozesses wird begleitet durch eine entsprechende Kommunikation in den betroffenen Organisationseinheiten. Gleichzeitig werden die organisatorischen Schnittstellen zu beteiligten Abteilungen aufgesetzt. Für das IT Tool erfolgen die technische Installation, die Funktionsabnahme sowie der Piloteinsatz für ausgewählte Sourcings. Die Vorbereitung des Supply-Chain-DesignTeams auf seine neuen Aufgaben geschieht durch Schulungen sowohl des Prozesses als auch der Software. • Skalierung: Die erhobene Datenbasis ist generell in regelmäßigen Abständen (z. B. bei neu verhandelten Transporttarifen) oder aus speziellen Anlässen (bspw. anlässlich einer Änderung der Montagewerke) zu aktualisieren. Im Falle eines zusätzlich zu bewertenden Fahrzeugmodells muss die Datenbasis analog erweitert werden. Neben dem eigentlichen Supply-Chain-Design-Prozess sind zusätzliche Support-Prozesse zu implementieren, die die Verantwortlichkeiten und den Ablauf für die Pflege des Supply-Chain-Modells und die Wartung der Datenbasis, vor allem der Tarife und Kostensätze, vorgeben. Basierend auf den Erfahrungen aus dem Piloteinsatz kommt die Software mit angepassten und zusätzlichen unterstützenden Funktionalitäten flächendeckend zum Einsatz. In dieser Phase gibt es für das Supply-Chain-Design-Team ein erneutes Training, um mit den neuen Funktionalitäten und Support-Prozessen vertraut zu werden und um den Ablauf des Supply Chain Design zu verstetigen. Das Vorgehensmodell zeichnet sich insgesamt durch eine schnelle Einführung aus, d. h. durch einen fließenden Übergang von der Konzeptionsphase in die Integrationsphase, um zeitnah erste positive Resultate zu erzielen und um damit das Konzept
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C. Nieters, S. Wolff
im Automobilunternehmen zu etablieren. Darauf aufbauend lässt sich das Supply Chain Design skalieren und auf mehr als ein Fahrzeugmodell bzw. mehr als eine Plattform anwenden. Zur Skalierung gehört ebenso, den Ansatz des Supply Chain Design bzw. der Total Landed Cost fortlaufend zu verbessern und weiterzuentwickeln (Ellram 1999).
Nutzen und Erfolgsfaktoren des Supply Chain Design Charakteristisch für das Supply Chain Design ist die Planung des Lieferantennetzwerkes in einer sehr frühen Phase eines Fahrzeugprojektes. Hierdurch hat die Lieferantenauswahl hohe Relevanz für das spätere Supply Chain Management, da großer Einfluss auf die Struktur und die Anliefermethoden des Netzwerkes genommen werden kann. Für einen Automobilhersteller ergeben sich daraus eine Reihe von Vorteilen: Durch die frühe Gestaltung des Lieferantennetzwerkes können auch frühzeitig dessen Kosten beeinflusst werden. Vorteilhaft wirkt sich dabei der TotalLanded-Cost-Ansatz aus, weil dieser eine gesamtkostenoptimale Lieferantenauswahl fördert. Neben der Sicherstellung kosteneffizienter Supply Chains garantiert das Supply Chain Design zudem den Aufbau robuster und stabiler Anlieferprozesse. Darüber hinaus beschleunigt die frühzeitig gewonnene Datenbasis im Supply-ChainDesign-Prozess die anschließenden Phasen des Automobilprojekts, denn die Daten der gesourcten Lieferanten ermöglichen eine proaktive Umsetzung der Logistikplanung. Voraussetzung für die Umsetzung des Supply Chain Design ist die Konzeption eines Supply-Chain-Modells, die Generierung der dazugehörigen Datenbasis, die Implementierung einer Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Auswahl und der Einsatz eines unterstützenden IT Tools. Als Erfolgsfaktoren besonders hervorzuheben sind zum einen das Supply-Chain-Design-Team, zum anderen die Etablierung der Supply-Chain-Design-Funktion. Entscheidend für das Team ist die Kooperation mit beteiligten Abteilungen, um auf das relevante Wissen zur Planung der Plattform bzw. des Fahrzeugmodells zugreifen zu können. Zugleich ist eine begleitende Schulung des Prozesses und des IT Tools elementar für eine zielführende Erfüllung der Supply-Chain-Design-Aufgaben. Eine Einführung in die Thematik ist ebenso notwendig in den beteiligten Abteilungen wie Einkauf, Behältermanagement oder Zoll sowie bei den potenziellen Lieferanten. Dies garantiert einen reibungslosen Ablauf und fördert die Etablierung des Supply Chain Design. Ausschlaggebend für die Akzeptanz im Konzern ist zudem das schnelle Generieren erster positiver Ergebnisse. Für eine erfolgreiche dauerhafte Anwendung ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Konzeption des Supply Chain Design skalierbar und erweiterbar ist. Skalierbarkeit ist wichtig, um das Konzept auch auf andere Fahrzeugmodelle und -plattformen zu übertragen. Erweiterungen ergeben sich nicht zuletzt aus dem gemeinsamen Lernprozess im Supply-Chain-Design-Team und mit den beteiligten Abteilungen sowie Lieferanten. Zukünftige inhaltliche Schwerpunkte können dahin gehen, für die Bewertung von Anlieferprozessen „Target Supply Chain Cost“ vor-
Strategische Netzwerkplanung als notwendiger Beitrag zur Lieferantenauswahl
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zugeben oder das Supply Chain Design enger mit dem Lieferantenmanagement zu verzahnen.
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Taktische Logistikplanung vor Start-of-Production (SOP) – Aufgabenumfang und softwarebasierte Unterstützung im Rahmen der Virtuellen Logistik bei der AUDI AG Dr. Markus Schneider AUDI AG
Vor dem Hintergrund kontrahierender Produktlebenszyklen, immer komplexeren kundenindividuellen Fahrzeugen und der steigenden Anzahl an Fahrzeugmodellen und -derivaten wird die Fähigkeit das Logistiksystem weit vor SOP (Start-ofProduction) belastbar zu planen immer mehr zu einer Kernkompetenz eines Automobilherstellers. Das Anlaufmanagement, also die problemlose effiziente Überführung eines neuen Modells in die Serienfertigung und die Verkürzung der Time-to-Volume gewinnt an Bedeutung (Harjes et al. 2004; Schraft u. Bierschenk 2005). Dies wird auch aus dem Beitrag der AUDI AG zum Thema Vorserienlogistik im Rahmen dieses Buches bereits sehr deutlich. Klaus nennt als eine wichtige Aufgabe der Logistik die „Erstkonfiguration des Fließsystems“. Er beschreibt, dass um einen störungsfreien Ablauf der Prozessketten in einem Unternehmen zu garantieren, sogenannte Geschäftsbereitschaftsprozesse vorgeschaltet werden müssen. Die Betriebsmittel, Fertigungs- und Logistikeinrichtungen sind zu planen, zu beschaffen und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen (Klaus 2002). Die Qualität der Ergebnisse der Logistikplanung vor Start-of-Production (SOP) hat außerdem maßgeblichen Einfluss auf die Herstellungskosten eines Automobils. 70 – 80% der Kosten eines Produktes werden im Produktentstehungsprozess festgelegt (Menges 2005). Auf diese noch nicht strukturdeterminierten Kosten gilt es Einfluss zu nehmen. Das bedeutet, dass die logistische und fertigungstechnische Planung variantenreicher Produkte bereits in der Entwicklungsphase beginnen und über den gesamten Produktlebenszyklus weiter fortgeführt werden muss (Bongulielmi et al. 2003). Planungskapazitäten müssen im Rahmen eines „Frontloading“ früher eingesetzt und Schritte, die spät im Planungsprozess vorgesehen waren, müssen vorgezogen werden (Menges 2005). Das Ziel ist, lange bevor ein Fahrzeug gebaut wird, ein effizientes und effektives Logistiksystem zu gestalten, die Machbarkeit des Logistikkonzeptes nachzuweisen und das Anlaufmanagement besser mit geprüften Planungsdaten zu unterstützen, um kostenintensive Fehler im Fahrzeuganlauf zu vermeiden.
G. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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Planungsumfeld der Logistik vor SOP Den Prozessen der Auftragsabwicklung vorgelagert findet die Produktentwicklung statt. In diese Entwicklungen ist die Logistikplanung über die SimultaneousEngineering-Teams bereits in sehr frühen Phasen mit einbezogen. In späteren Phasen des Produktentstehungsprozesses kommt ein Vertreter der Vorserienlogistik hinzu, wie dies in dem ersten Beitrag der AUDI AG in diesem Buch beschrieben wird. Die von Klaus als „vertikal“ bezeichnete Integration fordert, die Prozesse der Auftragsabwicklung und der Herstellung der Geschäftsbereitschaft eng zu verknüpfen (Klaus 2002). Dombrowski zufolge ist die Prozesskette zwischen dem Fabrikplanungsprozess, dem Produktentstehungsprozess und dem Auftragsabwicklungsprozess jedoch unterbrochen (Dombrowski 2006). Hier wird die Meinung vertreten, dass die Prozesse der Fertigungs- und der Logistikplanung diese Geschäftsbereitschaftsprozesse darstellen und die Aufgabe haben, die Verbindung zwischen diesen in Abb. 1 dargestellten Prozessketten herzustellen. Die Anforderungen und Gegebenheiten der täglich ablaufenden Fertigungs- und Logistikprozesse müssen über einen intensiven Informationsaustausch besser in die
Abb. 1 Integration des Fabrikplanungs-, Produktentstehungs- und Auftragsabwicklungsprozesses durch die Geschäftsbereitschaftsprozesse der Fertigungs- und Logistikplanung mit den Werkzeugen der Digitalen Fabrik als Bindeglied (in Anlehnung an Dombrowski 2006)
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Fertigungsplanungs- und Logistikplanungsprozesse (Geschäftsbereitschaftsprozesse) eingebunden werden. Produktentwicklung, Produktions- und Logistikplanung, bisher meist getrennte, sequenziell bearbeitete Aufgabenfelder, können mit Blick auf Zeit, Kosten und Qualität nur gemeinsam zu zielführenden Problemlösungen finden (Meier u. Hanenkamp 2003). Die Planungsprozesse sind zu parallelisieren (Simultaneous Engineering), um die Entwicklungszeiten zu verkürzen und damit die Fertigung und andere Abteilungen bereits während des Entwicklungsprozesses Einfluss auf das Produkt nehmen können (Scheer 1998). Die unter dem Schlagwort der Digitalen Fabrik diskutierten Werkzeuge und Methoden sind als ein zentrales Bindeglied zwischen diesen Prozessketten anzusehen. Dies kann durch die durchgängige Integration der in den jeweiligen Planungsprozessen genutzten Werkzeuge und die datentechnische Vernetzung der Planungsteams erreicht werden. Das Konzept des Planungsdesktops strebt eine integrative Planungsumgebung an, die die einzelnen Methoden und Werkzeuge in ein rollenund aufgabenorientiertes Gesamtsystem überführt und dem Planer inklusive der notwendigen Daten in einem System zur Verfügung stellt (Schneider u. Otto 2006). Während jedoch die Fertigungsplanungsprozesse des Karosseriebaus und der Montage bereits seit Längerem sehr intensiv mit rechnergestützten Methoden und Werkzeugen unterstützt werden, fehlten die Konzepte und Werkzeuge zur Planung der Logistikprozesse bis vor Kurzem weitestgehend (Jahn u. Richter 2003). Es gilt digitale Logistiksysteme in Form von experimentierfähigen Modellen zu erstellen, um die Kosten für ein Logistiksystem unter Berücksichtigung der Interdependenzen prognostizieren zu können.
Ausgangssituation für die Entwicklung eines Planungswerkzeuges für die taktische Logistikplanung vor SOP Zu Beginn des Projektes wurden die Entwicklungsarbeiten parallel zur Planung eines neuen Fahrzeugprojektes vorangetrieben und die jeweils aktuell anstehenden Planungsaufgaben wurden untersucht und softwaretechnisch umgesetzt. Das gewählte Vorgehen ermöglichte eine sehr detaillierte Untersuchung der Planungsaufgaben und -methoden. Die zeitnahe Anwendung der Software im Planungsprozess gewährleistete eine schnelle und praxisgerechte Entwicklung. Die Anforderungen an ein derart komplexes Softwaretool lassen sich nicht vorab abschließend beschreiben, sondern müssen schrittweise für einzelne Teilprojekte in interdisziplinärer Zusammenarbeit erhoben werden. Die Fortentwicklung fand auf Basis von Prototypen oder bereits im produktiven Einsatz befindlichen Modulen der Planungssoftware im Lauf mehrerer Jahre vor dem Hintergrund eines theoriebasierten Gesamtkonzeptes statt (Forbrig u. Kerner 2004). Der sehr zeitnahe produktive Einsatz der Software im Planungsprozess erbrachte wertvolle Rückmeldungen, die umgehend in die weiteren Entwicklungsprozesse einbezogen werden konnten.
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Allerdings führte dieses schrittweise Vorgehen auch zu einigen Problemen. Mit fortschreitender Aufgabenabdeckung und Integration verschiedener Umfänge und Methoden wurde klar, dass ein theoriebasiertes Gesamtkonzept für die Entwicklung zunächst fehlte. Das fachliche Modell und die in dem Planungswerkzeug umgesetzten Methoden müssen auf Basis eines Gesamtkonzeptes geeignet strukturiert werden. Für den bisher kaum untersuchten Bereich der Logistikplanung vor SOP mussten diese Prinzipien jedoch erst erforscht und abgeleitet werden. Dieses Gesamtkonzept wird im Weiteren skizziert.
Phaseneinteilung der Logistikplanung vor SOP Die unterschiedlichen Dimensionen der Logistikplanung werden in Phasen eingeteilt und abgegrenzt (Schneider u. Otto 2006). Diese Phasen und die jeweiligen Aufgaben werden in Abb. 2 dargestellt. Der taktischen Logistikplanung vor SOP vorgelagert findet eine strategische Logistikplanung vor SOP (ca. vier bis zwei Jahre vor SOP) statt. In dieser Phase wird eine möglichst kostenoptimale Standortentscheidung getroffen (Bierwirth 2004). Die taktische Logistikplanung vor SOP (ca. drei Jahre vor SOP bis 3 Monate nach SOP) setzt sich aus den Phasen der Konzept- und der Feinplanung zusammen. In der Phase der Konzeptplanung besteht die Hauptaufgabe darin, neue Logistik- und
Abb. 2 Phaseneinteilung der Logistikplanung und Aufgaben
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Verpackungskonzepte für ein Fahrzeugprojekt unter Einhaltung der Kostenziele zu erstellen. Es wird ein grobes Logistikkonzept eher top-down-orientiert entworfen, das ein Set von Regelwerken, Methoden und vorgefertigten Planungsbausteinen als Leitlinie für die folgende Phase der Feinplanung darstellt. In der Phase der Feinplanung werden verschiedene Aufgaben wahrgenommen, u. a. die Überwachung der Anzahl der Varianten als wesentlichem Kostentreiber und die Suche nach Möglichkeiten zur Variantenreduzierung zu unterstützen. Werden nach einem bestimmten Zeitpunkt in der Planung noch Änderungen am Fahrzeug oder an den Bauteilen vorgenommen, müssen diese verfolgt werden, damit eventuelle Auswirkungen auf die Verpackungs- und Anlieferkonzepte Eingang in die Planung finden. Beim Sourcing erfolgt die Auswahl eines oder mehrerer Lieferanten nach vorgegebenen Auswahlkriterien, wie Qualität, Preis und Liefertreue. Hier unterstützt die Logistikplanung den Einkauf durch die Erstellung eines Anlieferkonzeptes und die Kalkulation der Transportkosten. Nur auf Basis des Stückpreises in Verbindung mit den Transportkosten kann der günstigste Lieferant ausgewählt werden. Im Rahmen des Behälterplanungsprozesses werden hauptsächlich die notwendigen Spezialbehälter für Bauteile identifiziert, entwickelt und beschafft. Die Materialflussplanung umfasst die Analyse und Gestaltung der gesamten Logistikkette vom Lieferanten, über den Transport und die Lagerung bis zum Verbauort sowie den Rücktransport des Leergutes. Dabei müssen ein geeignetes Anlieferkonzept definiert und die benötigten Ressourcen (Fördermittel, Lagerflächen, Behälter, Betriebsmittel und Personal) zugeordnet werden. Bedarfe an Transportmitteln, Flurförderzeugen, Behältern, Flächen und Personal werden abgeleitet. Der Begriff der taktischen Logistikplanung vor SOP wird wie folgt definiert: „Die taktische Logistikplanung vor SOP umfasst alle einmalig zu treffenden Maßnahmen bezüglich der Gestaltung eines Logistiksystems und der darin stattfindenden Logistikprozesse auf der auftragsunabhängigen Fließsystemebene.“ (Schneider u. Otto 2006) Auf der Ebene der Gestaltung des Logistiksystems werden im Rahmen der Geschäftsbereitschaftsprozesse alle einmalig zu treffenden Maßnahmen vorgenommen. Das Logistiksystem, als Planungsobjekt der Logistik, wird auf einer (kunden-) auftragsunabhängigen Fließsystemebene konfiguriert und die zum Planungszeitpunkt noch auftragsunabhängigen Referenzprozesse, die die konkreten, auftragsabhängigen Objektflüsse durchlaufen können, werden auf der Ebene von Prototypen definiert. Es findet eine das Fließsystem konfigurierende, teilebasierte, prozessbasierte, kostenorientierte, engpasssensitive, Strukturen und Prozesse integriert berücksichtigende Planung statt (Schneider u. Otto 2006). Die Struktur- und die Prozessplanung erfolgen integriert. Aufgabe der Logistikplanung ist es, den Dreiklang aus Produkt, Ressource und Prozess in Übereinstimmung zu bringen. Die Interdependenz bei der Findung geeigneter Maßnahmen (Vernetzungsproblem) ist das herausragende Problem der Logistikplanung vor SOP. Wie die Analyse der Aufgaben der Logistikplanungsabteilungen der AUDI AG ergeben hat, sind die Materialfluss- und die Behälterplanung die Kernaufgaben in
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dieser Planungsphase und lassen das höchste Potenzial für eine softwaretechnische Unterstützung erwarten. Die beiden wichtigsten Bezugspunkte der Logistikplanung bilden dabei das Produkt und die Montagelinie, auf der das Produkt gefertigt werden soll. Alle logistischen Prozesse werden in Abhängigkeit vom Produkt betrachtet, da dieses den Auslöser jeglichen logistischen Handelns darstellt. Das wichtigste Entscheidungskriterium für die Logistikplaner bildet jedoch die bedarfsgerechte Bereitstellung der Materialien für die internen Kunden, also die Fertiger an der Montagelinie. Während der Phase der operativen Logistikplanung vor SOP (ca. ein Jahr vor SOP bis drei Monate nach SOP) findet das Anlaufmanagement statt. Dies ist Gegenstand des ersten Beitrages der AUDI AG in diesem Buch. Hierfür existieren geeignete Vorserienprozesse und unterstützende IT Tools. Diese Phase soll eine termin- und qualitätsgerechte Versorgung der Anlaufproduktion mit Teilen sicherstellen und die Vorserienprozesse schrittweise in die Serienprozesse, die von der taktischen Logistikplanung auf Prozessprototypebene definiert werden, überführen. Die Betreuung der Teileumfänge wird an die Seriendisposition übergeben. Dies setzt eine intensive Kommunikation mit der technischen Entwicklung, der Fertigung und den Lieferanten voraus. Fitzek unterteilt das Anlaufmanagement in die drei Phasen: Vorserie, Nullserie und Produktionshochlauf. In der Vorserie wird nach Abschluss des Prototypenbaus in entwicklungsnaher Umgebung mit Serienwerkzeugen gefertigt. In der Nullserie werden die Serienwerkzeuge in seriennaher Umgebung eingesetzt. Nach SOP beginnt die Phase des Produktionshochlaufes, die mit Erreichen der geplanten Ausbringungsmenge, also der Kammlinie, endet (Fitzek 2006). Hier wird argumentiert, dass das Anlaufmanagement den Mittler zwischen der taktischen Logistikplanung vor SOP und der Serienphase darstellt. Das Abgrenzungsmerkmal ist, dass die Prozesserprobung in der Anlaufphase bereits auftragsorientiert stattfindet. Die Serienplanung befasst sich mit der Auftragsabwicklung auf Basis vorliegender (Kunden-) Aufträge. Dazu stehen die „in Betriebsbereitschaft versetzten“ Ressourcen und die definierten Anlieferkonzepte zur Verfügung. Die Bedarfsplanung ermittelt auf Basis der Stücklisten den Bedarf untergeordneter Einzelteile nach Menge und Periode. Durch die Kapazitätsplanung und -terminierung werden die Fertigungsaufträge unter Berücksichtigung der Arbeitspläne den einzelnen Betriebsmittelgruppen zugeordnet (Scheer 1998). Die Auftragsfreigabe ist der Mittler zwischen der Planung und der Steuerung im Serienbetrieb und legt die für eine bestimmte Periode auszuführenden Fertigungsaufträge fest (Scheer 1998).
Leistungen der taktischen Logistikplanung vor SOP Im Folgenden soll nun betrachtet werden, welche Ergebnisse oder Produkte die taktische Logistikplanung vor SOP erbringt. Unter einem Produkt wird eine Leistung oder eine Gruppe von Leistungen verstanden, die von einer Stelle außerhalb des jeweils betrachteten Fachbereiches benötigt wird (Scheer 2001).
Taktische Logistikplanung vor Start-of-Production (SOP)
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Gesamtheitlich betrachtet kann die Erstellung eines Logistikkonzeptes als die zentrale Leistung der taktischen Logistikplanung vor SOP betrachtet werden, wie in Abb. 3 dargestellt wird. Es wird zunächst das bereits erwähnte grobe Logistikkonzept eher top-downorientiert entworfen, das ein Set von Regelwerken, Methoden und vorgefertigten Planungsbausteinen beinhaltet. Dies dient den Logistikplanern bei der Erstellung des feinausgeplanten Logistikkonzeptes als Vorgabe und Planungsleitlinie. In Form von Sachgütern werden als Ergebnis der Geschäftsbereitschaftsprozesse notwendige Ressourcen beschafft und in Betriebsbereitschaft versetzt. Die Behälter müssen rechtzeitig entwickelt, produziert und in den Behälterkreislauf eingesteuert werden. Die Flurförderzeuge und die Lagerausstattung sind zu beschaffen. Die Bereitstellung der Ressourcen beinhaltet auch, dass benötigte Flächen rechtzeitig geräumt werden und mit dem Aufbau für den neuen Verwendungszweck begonnen werden kann. Hierbei sind auch Aspekte wie Arbeitssicherheit, Brandschutz, Anbindung an EDV-Systeme und die Schulung der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Wichtige Planungsleistungen der Logistikplanungsabteilung bilden somit die für die Sachgüter erstellten Investitionspläne. Für die Behälter müssen auch Lieferlospläne erstellt werden, um im Fahrzeuganlauf die Fertigstellung und die Einschleusung der Behälter in den Kreislauf zwischen Werk und Lieferant mit der ansteigenden Anzahl zu produzierender Fahrzeuge zu synchronisieren. Ein zentrales Planungsergebnis stellt die teilebezogene Zuordnung von Verpackungs- (Behälter/Gebinde, Behälterart, etc.) und Anlieferkonzepten (Behälter, Füllgrad, Anzahl
Abb. 3 Leistungen der taktischen Logistikplanung vor SOP
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Behälter an der Montagelinie, etc.) im Rahmen der Materialfluss- und Behälterplanung dar. Das Verpackungs- und Anlieferkonzept hat erheblichen Einfluss auf die Durchsatzraten, den Flächenbedarf im Lager und an der Montagelinie und das Transportvolumen. Für die Fertigungsplanung bilden diese Informationen somit eine wichtige Basis für das Materialbereitstellungslayout. Flächenpläne bringen die Flächenbedarfe für jedes in einem Werk zu produzierende Fahrzeugmodell zu verschiedenen Zeitpunkten in Einklang und dienen der optimalen Flächennutzung innerhalb der Lager- und Umschlagsflächen. Auf Basis dieser beiden Pläne, die die Quellen und Senken festlegen, lassen sich Fahrkreispläne erstellen. Die interne Transportplanung umfasst die Bestimmung der Routen, der Fahrzeiten und die Anzahl einzusetzender Transportfahrzeuge. Auch das für das umzuschlagende Material notwendige Personal und die Frachtkosten müssen prognostiziert werden. Diese einzelnen Pläne müssen aufeinander abgestimmt sein und ergeben das eher bottom-up-orientiert erstellte, feingeplante Logistikkonzept.
Referenzmodell der taktischen Logistikplanung vor SOP Um die im Vorigen beschriebenen Leistungen erbringen zu können, ist eine softwaretechnische Unterstützung im Rahmen der Digitalen Fabrik dringend erforderlich. Jedes Softwarewerkzeug der Digitalen Fabrik basiert auf einem Modell (Schraft u. Bierschenk 2005). Erst ein theoretisches Konzept ermöglicht die durchgängige fachliche Strukturierung der Planungssoftware und sollte auch die technische Architektur beeinflussen (Forbrig u. Kerner 2004). Dieses in Abb. 4 dargestellte Referenzmodell der taktischen Logistikplanung vor SOP bildet die Leitlinie für die Entwicklung eines softwaregestützten Planungswerkzeuges. Ein Planungswerkzeug sollte die „vertikale Integration“ zwischen den Planungsabteilungen, der Technischen Entwicklung und dem Auftragsabwicklungsprozess fördern. Im Planungsprozess müssen alle relevanten Planungsgrößen berücksichtigt werden. Dies muss bereits parallel zum Produktentstehungsprozess in sehr frühen, dem Auftragsabwicklungsprozess vorgelagerten Planungsphasen geschehen, und die Aufgaben der taktischen Logistikplanung vor SOP müssen unterstützt werden. Daher wird das Logistiksystem „virtuell“ abgebildet. Als virtuell wird allgemein die Eigenschaft eines Objektes bezeichnet, physisch (noch) nicht vorhanden zu sein. Mithilfe der Virtuellen Logistik sollen Logistiksysteme in einem experimentierfähigen Modell abgebildet werden, um die logistischen Kosten gesamtheitlich und unter Berücksichtigung der Interdependenzen in einem Logistiksystem prognostizieren und optimieren zu können, ohne dass dieses Logistiksystem (bereits) physisch existieren muss (Schneider 2007). Die Virtuelle Logistik ermöglicht eine bottom-up-orientierte Plankostenrechnung. Es werden für einen Beschäftigungsgrad, in der Automobilindustrie also die Anzahl innerhalb des Logistiksystems zu produzierender Fahrzeuge, für die Zukunft
Taktische Logistikplanung vor Start-of-Production (SOP)
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Abb. 4 Referenzmodell der taktischen Logistikplanung vor SOP (in Anlehnung an Schneider u. Otto 2006)
zu erwartende Kosten auf Basis von Verbrauchs- und Zeitstudien und methodisch gesicherten Schätzungen ermittelt. Entscheidender Vorteil ist, dass die Kosten nicht von Vergangenheitswerten, sondern von einer teileorientierten (Stückliste), leistungsbezogenen Logistikplanung für ein neu zu fertigendes Modell abgeleitet werden. Um das zu planende Logistiksystem abbilden und visualisieren zu können, werden Prozesskettenmodelle eingesetzt. Diese beschreiben die logistischen Abläufe. Über die den Prozesskettenelementen zugeordneten Ressourcen können die Prozesskosten, Bestände, Kapazitäten und Durchsätze prognostiziert werden (Bernemann 2002).
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Von den Bauteilen ausgehend, werden die Referenzprozesse mithilfe der Prozesskettenmodelle definiert und mit Ressourcen (Flächen, Flurförderzeuge, Personal, etc.) parametrisiert. Diese Ressourcen werden im Falle einer konkreten Prozessdurchführung genutzt. Das Logistiksystem wird aggregiert in Form von Durchsätzen, nicht auf Basis einzelner Aufträge betrachtet. Auf diese Weise wird ein Logistiksystem auf der Ebene des Fließsystems konfiguriert und in einem experimentierfähigen Modell abgebildet. Eine Prognose der Logistikkosten wird mithilfe eines analytischen Kostenplanungs- und -kalkulationsmodells ermöglicht.
Praxisbeispiel zur softwarebasierten teilebezogenen Logistikplanung Die Abbildung eines Logistiksystems soll anhand eines Praxisbeispiels für ein Bauteil illustriert werden. Abb. 5 zeigt auf der linken Seite das in eine Baumstruktur eingeordnete Teil „Lager“. In dieser Struktur navigiert der Planer. Die Maske auf der rechten Seite zeigt dem Planer die relevanten Planungsinformationen. Auf Basis dieser Daten und der Entscheidungsregeln, die durch das grobe Logistikkonzept gegeben sind, legt der Planer das Verpackungskonzept fest,
Abb. 5 Zuweisung eines zentral vordefinierten und mit Ressourcen parametrisierten Anlieferkonzeptes zu einem Bauteil
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wie dies auch in der Leistungssicht gefordert wird. Hierzu kann von dieser Maske aus auf die zentral gepflegte Behälterbibliothek zugegriffen werden. In einem Pull-down-Menü wird der passende Behälter ausgewählt. Ist die Verpackung bekannt, kann wiederum unter Berücksichtigung der globalen Vorgaben ein Anlieferkonzept gewählt werden. Über ein Pull-down-Menü wird die Logistikkette „Anlieferung im Großladungsträger über Halle 2“ dem Bauteil zugewiesen, die zentral in der „Supply Chain Library“ abgelegt ist (siehe Abb. 5). Unter der ausgewählten Logistikkette befinden sich die Operationen. Diesen sind die Ressourcen, wie Flächen oder Flurförderzeuge und die Zeitbausteine zur Abbildung der Zeitdauer der Aktivitäten zugewiesen. Nun lassen sich die Umlaufdauer der Behälter zum Lieferanten und die Prozesskosten für das jeweilige Teil mithilfe des Planungswerkzeuges auswerten. Es können sehr schnell verschiedene Alternativen abgebildet und bewertet werden. Das somit erstellte Planungsergebnis auf Teileebene bildet eine wichtige Grundlage für fahrzeugprojektweite Auswertungen, welche der Erstellung der in der Leistungssicht geforderten Flächen- und Personalpläne, der Fahrkreisplanung und der Frachtprognose dienen. Weiterhin können die Prozesse der gewerke- und standortübergreifenden Planung unterstützt werden. Die Logistikplaner von anderen Standorten können mithilfe definierter Abgleichmechanismen prüfen, ob die Planungsdaten übernommen werden sollen. Es handelt sich dabei um einen Pull-Mechanismus. Somit werden auch standortübergreifend konsistente und abgestimmte Planungsergebnisse gesichert und zentrale Planungsstrategien eingesetzt. Die Planungsmethoden können zumindest teilweise standardisiert werden. Das gewährleistet die übergreifende Nachvollziehbarkeit und Plausibilität der Planungsergebnisse auch dann, wenn die Planung durch mehrere Arbeitsgruppen an verschiedenen Standorten erfolgt (Schneider u. Völker 2006).
Unterstützung des Anlaufmanagements durch die Leistungen der softwarebasierten taktischen Logistikplanung vor SOP Somit lässt sich festhalten, dass die in der Phase der taktischen Logistikplanung vor SOP durchgeführten Geschäftsbereitschaftsprozesse notwendig sind. Alle benötigten Betriebsmittel und Ressourcen werden geplant, beschafft und in einen betriebsbereiten Zustand versetzt. Eine „Erstkonfiguration des Fließsystems“ kann vorgenommen werden (Klaus 2002). Lange bevor ein Fahrzeug gebaut wird, kann ein effizientes und effektives Logistiksystem gestaltet und die Machbarkeit des Logistikkonzeptes durch Plausibilitätschecks, Visualisierung und Simulation nachgewiesen werden. Somit kann bereits zum SOP mit optimalen Abläufen und Strukturen gestartet und nicht erst nach SOP optimiert werden. Die effizientere Gestaltung der Logistikabläufe hat entscheidenden Einfluss auf die laufenden Logistikkosten, wie etwa Lager- oder Transportkosten.
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M. Schneider
Das Anlaufmanagement, also die problemlose effiziente Überführung eines neuen Modells in die Serienfertigung, wird durch eine bessere Versorgung mit geprüften Planungsdaten unterstützt. Kostenintensive Fehler im Fahrzeuganlauf können vermieden werden (Zäh et al. 2003). Beispielsweise müssen auch in einer Übergangssituation die Auswirkungen prognostiziert werden können, wenn ein Fahrzeugmodell stufenweise ausläuft, während das Nachfolgemodell anläuft. Dies ist zur Sicherstellung eines problemlosen Produktionshochlaufes erforderlich. Diese Untersuchungen werden in der Praxis mangels Datenverfügbarkeit jedoch bisher nur in sehr begrenztem Umfang durchgeführt. Sind beide Fahrzeuge (Vorgänger und Nachfolger) in Form digitaler Modelle verfügbar, lassen sich auch für derartige Situationen Flächenbedarfe im Lager und die an der Montagelinie bereitzustellende Anzahl an Bauteilen prognostizieren. Die Fähigkeit, das Logistiksystem weit vor SOP belastbar zu planen, wird durch die steigende Anzahl an Fahrzeugmodellen immer mehr zu einer Kernkompetenz eines Automobilherstellers.
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Taktische Logistikplanung vor Start-of-Production (SOP)
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Teil V
Produktionsmanagement
Produktionsmanagement im Anlauf Sebastian Gottschalk, Axel Hoeschen Werkzeugmaschinenlabor, RWTH Aachen
Einleitung Produktionsmanagement hat im Serienanlauf insbesondere eine fabrikplanerische Aufgabe der Planung und Umsetzung eines neuen Produktes in eine meist bestehende Produktionsumgebung. Im Folgenden werden drei Teilaspekte des Produktionsmanagements im Serienanlauf beleuchtet, die von besonderem Interesse erscheinen: das Vorgehen der Werksstruktur- und Betriebsmittelplanung, die Standardisierung in der Produktion und die Befähigung der Mitarbeiter zum Umgang mit den komplexen Koordinationsaufgaben im Serienanlauf.
Werksstruktur- und Betriebsmittelplanung Die Entwicklung einer Werksstruktur ist ein kontinuierlicher Prozess der Anpassung an wechselnde Produkt- und Marktanforderungen sowie technologische Veränderungen der Betriebsmittel. Serienanläufe stellen an die Fabrikplanung immer wieder neue Anforderungen, Prozesse in eine meist bereits bestehende Produktion zu integrieren, ohne dabei den weiterlaufenden Betrieb zu behindern. Für die Werksstrukturplanung besteht die Herausforderung vor allem in der Langfristigkeit vieler zu treffender Entscheidungen. Mit den Änderungen, die im Rahmen eines Serienanlaufs in der Produktion vorgenommen werden, wird die Werksstruktur weiterentwickelt; spätere Veränderungen sind unter Umständen sehr teuer oder gar nicht möglich (Schuh et al. 2004). Um während der Planungen der Integration eines einzelnen neuen Produktes die Gesamtentwicklung der Werksstruktur nicht aus den Augen zu verlieren, hat sich ein Gegenstromverfahren bewährt (Abb. 1). Top-down kommend findet das klassische Fabrikplanungsvorgehen Anwendung: Aus dem Produktaufbau, den Fertigungstechnologien und den Bedarfsprognosen werden Prozess-, Ressourcen- und Kapazitätsbedarfe abgeleitet, Flächenbedarfe ermittelt und in das Layout eingeplant. In gewachsenen Werksstrukturen ist diese Planung meist mit so vielen Restriktionen G. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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S. Gottschalk, A. Hoeschen
Abb. 1 Gegenstromverfahren in der Werksstrukturplanung (Schuh et al. 2007)
belegt, dass der Lösungsraum sehr stark eingeengt ist und sich die Frage der Optimalität der Lösung oft nicht stellt. Es ist daher notwendig, dem eine weitere Planungsperspektive gegenüberzustellen. Dies geschieht in einem Bottom-up-Vorgehen, das die systematische, langfristige Entwicklung der Prozesse und Strukturen in der Fabrik erarbeitet, um Neuinvestitionen und Umplanungen im Rahmen von Serienanläufen bewusst für die Weiterentwicklung der Produktion zu nutzen. Prozess- und Ressourcenplanung erfolgen typischerweise für eine bestimmte Stückzahlerwartung und Mengenverteilung. Problematisch dabei ist, dass meist von statischen Annahmen ausgegangen wird, während das Produktionssystem tatsächlich einer Entwicklungsdynamik unterliegt. In der Werksstrukturplanung muss daher die Änderungsdynamik vorgedacht und so weit wie möglich berücksichtigt werden, um aufwendige und zeitintensive Umbauten im Anlauf zu minimieren. Am Beispiel des Produktionslayouts kann dies z. B. bedeuten, die Flächen nach ihrer Änderungsdynamik zu klassifizieren. So unterliegen bestimmte Logistikflächen, genauso wie einzelne Vormontagen, etwa einer hohen Änderungsdynamik, während eine Lackierung meist geringerer Dynamik unterliegt. Wird diese Änderungsdynamik am Aufwand, der für die Nutzungsänderung einer Fläche notwendig ist, gespiegelt, ergibt sich eine Regel dafür, wie die Flächen zueinander zu ordnen sind: Flächen mit hoher Änderungsdynamik werden mit Flächen, für die ein geringer Aufwand bei der Nutzungsänderung notwendig ist, zusammengelegt. Ein ähnlicher Ansatz kann bei der Gestaltung von Betriebsmitteln verfolgt werden. Hier ist das Ziel, die unterschiedliche Veränderungszyklizität der Anlagenkomponenten voneinander zu entkoppeln (Schuh 2004). Abbildung 2 stellt das Beispiel einer modularisierten Montagezelle dar, in der dieser Ansatz umgesetzt wurde. Der Grundaufbau der Zelle ist unspezifisch und kann in eine beliebige Linienstruktur integriert werden. Innerhalb der Zelle gibt es ein Prozessmodul, das spezifisch für das benötigte Verfahren ist (z. B. Schrauben, Pressen oder Prüfen). Durch die Standardisierung der Geometrie und die steuerungstechnische Autonomie der Prozessmodule
Produktionsmanagement im Anlauf
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Abb. 2 Modularisierung einer Montagezelle
ist es möglich, einzelne Zellen innerhalb einer bestehenden Linie auszutauschen. Da deren Prozessfähigkeit „offline“ sichergestellt werden kann und die Schnittstellen normiert sind, dauert dieser Vorgang nur wenige Minuten. Innerhalb des Prozessmoduls befinden sich produktspezifische Komponenten des Aufbaus wie Werkzeuge und Zuführeinrichtungen, die ebenfalls über standardisierte Schnittstellen einfach ausgetauscht werden können. Bei einigen Betriebsmitteln wie z. B. Montagezellen sind modularisierte Standardlösungen erhältlich. Um eine Fabrik im Serienanlauf entsprechend der modularen Montagezelle konfigurieren zu können, müssen jedoch auch Infrastruktur, Flächenplanung und proprietär entwickelte Betriebsmittel auf diese Anforderungen eingerichtet werden. Das Vorgehen, das dabei Verwendung findet, wird von den Fragen bestimmt, welcher Änderungsabhängigkeit und -dynamik eine Fabrikeinrichtung unterliegt und wie diejenigen Elemente mit hoher Dynamik kosten- und zeitminimal verändert oder getauscht bzw. wie die Elemente mit geringer Dynamik langfristig stabil genutzt werden können, um Investitionen maximal auszuschöpfen und Änderungsaufwände zu minimieren (Wiendahl 2005).
Standardisierung in der Produktion Die mit einem Serienanlauf verbundenen Schwierigkeiten werden wesentlich durch den Neuigkeitsgrad der Prozesse und Produktionsmittel beeinflusst. Um dies transparent und beherrschbar zu machen, ist ein systematisches Release Management für die Produktion erforderlich. Gleichzeitig spielt die Nutzung von Produktionsanlagen über mehrere Produktlebenszyklen und verschiedene Produktmodelle eine wachsende Rolle in der Produktionsgestaltung (McKinsey u. WZL 2006). Diese liegen heute bei vier bis sechs Jahren etwa im Automobilbau oder bei langlebigen
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Konsumgütern und entfernen sich zunehmend von der Lebensdauer von Produktionsanlagen. So können viele Standardkomponenten in der Industrieautomatisierung (bspw. Roboter) über zehn Jahre genutzt werden, Fördertechnik und Grundaufbauten sogar in der Größenordnung von etwa 20 Jahren. Werkzeuge und Vorrichtungen werden in der Regel nur über einige Jahre genutzt und sind daher zumeist auf eine spezifische Anwendung hin gestaltet. Der praktische Umgang mit der dargestellten Problematik kann über die Festlegung von Standards für Prozesse und Produktionsmittel erfolgen. In diesen werden konkrete Vorgaben für die Produktentwicklung gemacht, um damit proaktiv auf bestimmte Aspekte der Produktionsgestaltung Einfluss zu nehmen. Abbildung 3 zeigt mögliche Ebenen der Standardisierung im Automobilkarosseriebau. Deren Einfluss auf die Produktgestaltung kann etwa wie folgt verstanden werden: Wenn auf der Ebene von Anlagenkomponenten z. B. die Geometrien von Schweißzangen standardisiert werden, folgen daraus unmittelbar Restriktionen für die Gestaltung der Zugänglichkeit von Fügestellen im Produkt. Eine Vereinheitlichung von Anlagenaufbauten und Systemen stellt Anforderungen an Verfahrensauslegung wie z. B. die Prozessüberwachung und -dokumentation oder die Fügeverfahren und -spezifikationen. Auf der obersten Ebene werden Prozessreihenfolgen, Fügetechnologien oder Geometrien der Produktaufnahme vereinheitlicht. Dokumentiert werden Produktionsstandards in einer „Bill of Process“ oder „Bill of Equipment“, die in Abstimmung zwischen allen am Entwicklungsprozess beteiligten Funktionen aufgebaut und systematisch in Releases weiterentwickelt wird. Eine Festlegung von Standards verursacht einen hohen Initialaufwand und provoziert die Gefahr, Gestaltungsfreiheiten in der Produktentwicklung stark einzugrenzen. Standardisierung ist deshalb wie eine Investition zu verstehen, in der sich die Bemühungen auf die wesentlichen, d. h. für die Kosten oder die Stabilität des Produktionsprozesses kritischen Faktoren fokussieren.
Abb. 3 Ebenen der Standardisierung in der Produktion im Automobilkarosseriebau
Produktionsmanagement im Anlauf
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Mitarbeiterqualifikation und -befähigung Kennzeichnend für den Serienanlauf ist ein hoher Vernetzungsgrad der Prozesse. Der Umgang mit unvermeidlichen Störungen – bevor diese ihre maximal schädliche Auswirkung entfalten können – erfordert eine hohe Qualifikation einer Vielzahl von dezentralen Entscheidungsträgern. Charakteristisch dabei ist, dass Entscheidungen fast immer Auswirkungen haben können, die jenseits des Verantwortungsbereiches des Entscheidungsträgers liegen und in einem komplexen Zielsystem getroffen werden. Mitarbeiterqualifikation ist daher im Serienanlauf als die entscheidende Voraussetzung für effiziente Entscheidungsfindung in der Organisation zu sehen. Drei Elemente sind hierzu erforderlich (Abb. 4): • Entscheidungsgrundlage: Der Entscheidungsträger muss grundsätzlich in der Lage sein, einen Entscheidungsbedarf zu erkennen und die Situation richtig einzuschätzen. Problematisch ist dabei, dass dem Entscheidungsträger meist ungenügende, ungenaue oder veraltete Informationen über die tatsächliche Entscheidungssituation zur Verfügung stehen. • Entscheidungsfähigkeit: Der Entscheidungsträger muss über genügend Erfahrung und Einschätzungsvermögen verfügen, die Wirkbeziehungen seiner Entscheidung zu erkennen. Diese sind meist intransparent, da der Entscheidungsträger über ungenügende Kenntnis der Beeinflussung angrenzender Funktionen und Prozesse durch seine Entscheidung verfügt. • Zielsystem: Der Entscheidungsträger muss willens und in der Lage sein, die Entscheidung hinsichtlich der optimalen Erreichung des Gesamtzieles zu treffen. In der Praxis steht dem häufig eine Nichtentsprechung zwischen lokalem und globalem Zielsystem entgegen. Das lokale Zielsystem des Entscheidungsträgers, etwa das reibungslose Funktionieren der ihm unterstehenden Abteilung, steht unter Umständen in Konflikt mit dem globalen Zielsystem, also dem Gesamterfolg des Serienanlaufs. Die Entscheidungsgrundlage wird bestimmt von der Kenntnis und der Einschätzung der Entscheidungssituation. Für ihre Qualität sind nicht die dem Entscheidungsträger theoretisch zur Verfügung stehenden Informationen entscheidend, sondern nur
Abb. 4 Drei Säulen der Entscheidungsfähigkeit der Organisation (Schuh et al. 2007)
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die tatsächlich verwendeten. Es genügt daher nicht, die Menge der dem Entscheidungsträger zur Verfügung stehenden Daten und Informationen zu erhöhen, weil die Qualität der Entscheidungsgrundlage nach Überschreitung eines Maximums mit steigender Informationsdichte wieder abnimmt (Weth 2001). Dieser Zusammenhang wird im Umfeld des Serienanlaufs noch einmal dahingehend verschärft, dass Entscheidungen häufig unter hohem Zeitdruck gefällt werden müssen. So kann es möglich sein, dass ein umfangreiches Wissensmanagementsystem, ein Kennzahlensystem oder entsprechende Datenbanken die benötigte Information zwar enthalten, diese im Entscheidungsfall aber keine Rolle spielt, weil dem Entscheidungsträger die Existenz der Information nicht bewusst oder bekannt ist, oder ihm sich die Bedeutung dieser Information für die Entscheidung in der vorhandenen Zeit nicht erschließt. Ein Lösungsansatz zur Adressierung dieses Problems ist die Aggregierung bestehender Daten. Das bedeutet, dass Kennzahlen etwa durch Verwendung von Farben vorverdichtet und in ihrer Aussage (kritisch/unkritisch) und ihrer Tendenz (verbessernd/verschlechternd) erkennbar gemacht werden. Eine einfache Methode zur Vorverdichtung von Kennzahlen ist etwa die Einfärbung der Zahl und des Zahlenfeldes nach Aussage und Tendenz, sodass auf den ersten Blick erkennbar ist, ob sich zwischen der Vielzahl der ermittelten Kennzahlen eine relevante verbirgt oder nicht. Bei dieser Verdichtung steht die Geschwindigkeit der Informationsaufnahme im Vordergrund. Es muss nach Möglichkeit „auf einen Blick“ erkennbar sein, ob unter der Vielzahl der Informationen Daten von Relevanz für die Entscheidungssituation enthalten sind. Ein weiterer Ansatz ist die zeitliche Begrenzung von Kennzahlen. Diese werden dabei problembezogen erfasst und nach Ablauf einer Zeitspanne auf ihre Notwendigkeit überprüft. Sobald die Aussage, die sie quantifizieren, nicht mehr relevant ist, werden die Kennzahlen nicht weiter erhoben und verschwinden aus dem System. So wird die Zahl der zur Verfügung stehenden Daten zwar verringert, die Qualität der in ihnen enthaltenen Informationen aber erhöht. Ein weiterer Aspekt kann die Aufbereitung sein. So können komplexe und umfangreiche Wissensdatenbanken auch eine Hemmschwelle darstellen, nach der betreffenden Information zu suchen. Diese Hemmschwelle ist umso höher, je weniger vertraut dem entsprechenden Mitarbeiter das Informationssystem ist. Es kann hier hilfreich sein, auf die Benutzung von speziellen Systemlösungen zu verzichten und die Daten stattdessen in Papierform oder anhand von MS-Excel-Listen zur Verfügung zu stellen, wenn die Mitarbeiter aus ihrem privaten oder täglichen Arbeitsumfeld mit der Benutzung dieses Programms vertraut sind. Auch für die Entscheidungsfähigkeit, d. h. Kenntnis der mit der Entscheidung verbundenen Auswirkungen ist nicht die theoretisch zur Verfügung stehende Information entscheidend, sondern nur die tatsächlich berücksichtigte. Ein Gantt-Chart etwa, das alle relevanten Wirkbeziehungen und Abhängigkeiten innerhalb des Anlaufmanagements darstellen würde, wäre viel zu komplex, um im Entscheidungsfall verwendet werden zu können. Die scheinbare Vollständigkeit der Information ist meist nur Illusion, da diese Informationen nicht verwendet werden und daher keinen Einfluss auf die Qualität der Entscheidung haben.
Produktionsmanagement im Anlauf
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In der Praxis wird diese Problematik der Überinformation durch das heuristische Bezugssystem des Entscheidungsträgers abgefangen. Dieser muss über ein Einschätzungsvermögen verfügen, welche möglichen Folgen im Entscheidungsfall zu berücksichtigen sind und welche nicht. Dieses Einschätzungsvermögen wird häufig mit der Erfahrung eines Mitarbeiters gleichgesetzt, was insofern problematisch ist, als dass Erfahrung in komplexen Entscheidungsumfeldern und in dynamischen Systemen immer nur diejenigen Probleme berücksichtigen kann, die bereits aufgetaucht sind. Die Bildung dieses Einschätzungsvermögens kann dadurch gefördert werden, dass Mitarbeitern im Laufe ihrer Karriere ermöglicht wird, ihre Perspektive auf den Anlaufprozess zu wechseln. So kann hilfreich sein, etwa Prozessentwicklern zu ermöglichen, die Auswirkungen ihrer Entwicklungsentscheidung direkt zu erleben, indem sie in regelmäßigen Abständen die von ihnen geplanten Prozesse tatsächlich durchführen. Gleichermaßen kann es hilfreich sein, dass Produktionslogistiker die von ihnen beschafften Produkte selbst transportieren oder verarbeiten, um ein intuitives Verständnis von Los- und Verpackungsgrößen zu bekommen. Prozessentwickler können das von ihnen konstruierte Produkt unter Serienbedingungen fertigen und montieren, sodass sie frühzeitig die Wirkzusammenhänge ihrer Entscheidungen erleben können. Auch ist Job-Rotation eine Möglichkeit, Wirkzusammenhänge im Anlaufmanagement erfahrbar zu machen. Die systematische Erschließung von Abhängigkeiten und Einflüssen durch praktisches Erleben ist dabei wirksamer als deren modellhafte oder visuelle Aufbereitung, weil sich die Kenntnis dieser Wirkzusammenhänge zu einem „Gefühl“ verdichtet, das im Entscheidungsfall sofort und unbewusst zur Verfügung steht. Ein weiterer Aspekt zur Erschließung von Beziehungen zwischen Entscheidungen und Auswirkungen ist die frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter der Produktion in den Entwicklungsprozess. So ist es oft von großem Nutzen, Prozesse, Handgriffe oder Produktkomponenten schon sehr frühzeitig durch einfache Modelle zu simulieren. In sehr frühen Stadien reicht unter Umständen die Modellierung mithilfe von Flipcharts und Stellwänden, im weiteren Verlauf des Anlaufprozesses können die Modelle nach und nach ausdetailliert werden, bis zum Schluss Prozesssimulationen auf den errichteten Serienmaschinen durchgeführt werden können. Ein einheitliches Zielsystem zu etablieren ist insbesondere im Anlaufmanagement eine entscheidende Herausforderung, weil dem Mitarbeiter die konkreten übergeordneten Unternehmensziele nicht immer transparent sind. Auch stimmt das lokale Ziel des Entscheidungsträgers oft nicht mit dem Gesamtziel des Serienanlaufs überein. So hat etwa die Produktentwicklung das Ziel, Erkenntnisse über Markt- und Kundenverhalten bis möglichst kurz vor Markteinführung in das Produkt mit einfließen zu lassen. Die Produktion hingegen ist daran interessiert, das finale Design möglichst frühzeitig zu definieren, um eine störungsfreie Prozessgestaltung zu gewährleisten. Neben diesen grundlegenden, fast trivialen Zielkonflikten existiert im Anlaufmanagement in der Praxis noch eine Fülle von weiteren Zielkonflikten, die nur mehr oder weniger offensichtlich sind und daher auch nur mehr oder weniger gut adressiert werden können. So kann z. B. die Produktion daran interessiert sein, die am höchsten qualifizierten und leistungsfähigsten Mitarbeiter der bestehenden Linie zu erhalten und nicht
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dem Projekt zur Verfügung zu stellen. Auch berücksichtigen Bewertungs- und Gratifikationsmodelle oft zwar die Leistung im eigenen Verantwortungsbereich, beziehen aber die negative Auswirkung der „lokalen Optimierung“ von Einzelbereichen auf die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems nicht mit ein. Besonders bei regional verteilten Werken, die nicht selten im unternehmensinternen Wettbewerb zueinander stehen, kann die Konkurrenzsituation großen Einfluss auf die Motivation der Mitarbeiter haben, ihr Wissen und ihre Erfahrung mit den Kollegen des konkurrierenden Standortes zu teilen. Diese Zielkonflikte müssen adressiert und den Mitarbeitern transparent gemacht werden. So müssen sich etwa Anreizsysteme am Gesamtziel orientieren, sie dürfen bestehende Interessenkonflikte nicht verstärken. Bei Kapazitäts- und Weisungskonflikten zwischen Projekt und Linie, insbesondere im Rahmen einer Matrixorganisation, muss gewährleistet sein, dass beide Konfliktparteien gleichermaßen vom Erfolg des Anlaufs profitieren. Dies kann sowohl durch ein geeignetes Gratifikationsbzw. Sanktionsmodell geschehen als auch durch geeignete Verantwortungstransfers, wenn etwa derjenige Produktionsbereich die Mitarbeiter des Serienanlaufs stellt, der nachher die Verantwortung für eine termingerechte und funktionierende Serienproduktion hat. Weitere Möglichkeiten zur Synchronisierung von Abteilungs- und Unternehmenszielen sind die Bildung überregionaler Anlaufteams, in der Mitarbeiter verschiedener Standorte gemeinsam vom Erfolg eines Projektes profitieren, sowie interdisziplinäre oder funktionsübergreifende Anlaufteams, in denen die Kongruierung der Einzelziele auf Basis von direkter Verhandlung und Interaktion geschehen kann.
Fazit und Einordnung der Fallstudien Die Komplexität des Serienanlaufs besteht in der Vielfalt von Faktoren, die aufeinander Einfluss nehmen. Einen „vollständigen“ Planungsansatz kann es nicht geben, vielmehr besteht die Aufgabe darin, auf der einen Seite durch die Standardisierung von Prozessen und Technologien die Vielzahl an ungeplanten und unvermeidbaren Störungen im Anlauf zu reduzieren und auf der anderen Seite die prozessbeteiligten Mitarbeiter zu befähigen, im Sinn des Gesamtzielsystems mit Störungen umzugehen. Die Praxisbeiträge der Firmen JÜPO und Kostal zeigen aus den zwei unterschiedlichen Sichten eines mittelständischen Unternehmens und eines global aufgestellten Zulieferers, wie Ansätze und Instrumente in solch unterschiedlichen Umfeldern installiert werden können, mit denen die Absicherung zuverlässiger Prozesse verbessert werden kann. Neben den Werkzeugen spielt in beiden Fällen die Standardisierung von Abläufen und Vorgaben eine wichtige Rolle. Beide Fälle zeigen weiterhin, dass eine sichere Durchführung von Serienanläufen im Produktionsnetzwerk eine klare Fokussierung der Standorte auf ihre jeweiligen Kompetenzen erfordert.
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Gestaltung von Serienanläufen im globalen Entwicklungs- und Produktionsverbund Markus Bergholz Leopold Kostal GmbH & Co. KG
Vorstellung des Unternehmens Kostal Die Firma Kostal ist ein mittelständischer Automobilzulieferer mit Stammhaus in Lüdenscheid, der an 27 Standorten in 14 Ländern mit ca. 11.000 Mitarbeitern mechatronische Produkte herstellt. Der weltweite Umsatz betrug 2006 dabei ca. 1,2 Mrd. Euro. Das Unternehmen wurde 1912 gegründet und befindet sich seitdem ununterbrochen in Familienbesitz. Die Produkte des Geschäftsbereiches Automobil-Elektrik werden in drei Geschäftsfelder unterteilt: • Mechatronikmodule, wie bspw. Lenksäulenmodule, Dachbedieneinheiten und Gangwahlschalter • Elektronische Steuergeräte, wie bspw. Türsteuergeräte und Bordnetzsteuergeräte • Schalter und Bedienfelder, wie bspw. Fensterheberschalter, Lichtdrehschalter und Bedienfelder in der Instrumententafel. Charakteristisch für das Wachstum des Unternehmens ist die Entwicklung der Produkte von der Elektromechanik hin zur Elektronik und Mechatronik. Im Zuge dieses Wandlungsprozesses ergeben sich erheblich steigende Anforderungen an die Abwicklung von Neuproduktprojekten. Mit zunehmender Produktkomplexität und insbesondere der Differenzierung zwischen mechanischen Komponenten, ElektronikHardware und -Software stieg der Umfang der Engineering-Leistung erheblich an. Der unterschiedliche Verlauf des Produktreifegrades bezogen auf die unterschiedlichen Engineering-Disziplinen bildet somit eine wesentliche Herausforderung im Entwicklungsprozess. Die Reifegradentwicklung der jeweils erforderlichen Produktionsprozesse und -technologien ist dabei analog zu sehen. Infolgedessen gestaltet sich der Anlauf eines neuen Produktes prinzipiell als synchroner Anlauf je eines Mechanikprojektes (mit den Technologien Kunststoffspritzguss, Stanzen und manueller bzw. teilautomatisierter Montage), eines Elektronikprojektes (mit Leiterplattenbestückung in SMD- und Wellenlöttechnik) sowie eines Softwareprojektes (mit dem dazugehörigen Flashen/Testen). Neben der technologischen Entwicklung der Produkte ist ein weiterer Veränderungstreiber in der zunehmenden Globalisierung des Unternehmens zu sehen. AusG. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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gehend von der Gründung des ersten Auslandsstandortes in Mexiko im Jahre 1973 ist das Unternehmen mittlerweile in 14 Ländern präsent, an denen mit 7.800 die Mehrzahl der insgesamt 11.000 Mitarbeiter beschäftigt ist (vgl. Abb. 1). Die Gründung der Standorte war zum einen marktinduziert, um deutsche OEM im Ausland ebenso wie lokale OEM durch eine lokale Produktion und EngineeringLeistung zu unterstützen. Andererseits werden die spezifischen Vorteile einzelner Standorte im Rahmen eines Produktions- und Entwicklungsverbundes in standortübergreifenden Prozessketten kombiniert. Die Standorte der Kostal-Gruppe weisen entsprechend der jeweiligen Anforderungen unterschiedliche Profile auf: Beispielsweise werden am brasilianischen Standort vollkommen autonom Produkte für lokal tätige OEM akquiriert, entwickelt und produziert. Hierdurch kann den lokalen Marktspezifika erfolgreich Rechnung getragen werden, während gleichzeitig auf die technologischen Grundlagen der Unternehmensgruppe zurückgegriffen werden kann. Andere Standorte wie bspw. Irland sind in hohem Maße in die Wechselbeziehungen innerhalb des Produktionsverbundes einbezogen. Hier werden unter anderem in hohen Stückzahlen Elektronikbaugruppen für Lenksäulenmodule produziert, die zur Modulmontage nach Tschechien geliefert werden.
Abb. 1 Produkte und Standorte
Gestaltung von Serienanläufen im globalen Entwicklungs- und Produktionsverbund
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Charakteristika und Restriktionen für den Anlauf von Neuproduktprojekten in der Automobilzulieferindustrie Typisch für Neuprodukte in der Automobilzulieferindustrie ist der Bezug zu spezifischen Fahrzeugen des OEM. Analog zu den Plattformkonzepten der verschiedenen Baureihen der Hersteller werden für die Zulieferprodukte ebenfalls Plattformen gebildet. Herstellerübergreifende Plattformkonzepte und Gleichteile können hierbei nur in beschränktem Maße verwendet werden. Die Produktanforderungen der Automobilhersteller sind bezogen auf die technische Gestaltung typischerweise sehr spezifisch. Die technischen Lösungen für prinzipiell vergleichbare Funktionen, wie bspw. die eines Lenkstockschalters, müssen somit je nach Hersteller sehr unterschiedlich ausgeführt werden. Die Produktspezifikation reicht dabei von der Festlegung der Funktion, der Betriebsbedingungen (z. B. Temperatur) und des Designs bis zur Festlegung der technischen Gestaltung. Diese stark herstellerbezogene Differenzierung resultiert unter anderem daraus, dass die Produkte der Firma Kostal in der direkten Mensch-Maschine-Schnittstelle zwischen Fahrer und Fahrzeug liegen. Somit sind sie wesentlich für dessen Wahrnehmung des Fahrzeugs bzw. der Marke. Gleichzeitig sind viele der Produkte wie Lenksäulenmodule im höchsten Maße für die Zuverlässigkeit und Sicherheit des Fahrzeugs verantwortlich. Neuproduktprojekte sind somit von einem intensiven Dialog zwischen Zulieferer und OEM geprägt, in dem nicht nur die Gestaltung des Produktes, sondern auch die Produktionsprozesse intensiv abgestimmt und letztendlich vom OEM explizit freigegeben werden. Abweichungen von diesem Freigabestand, bspw. eine Modifikation der Prozesskette oder der eingesetzten Betriebsmittel, bedürfen dementsprechend einer erneuten Freigabe. Bestandteil solcher Freigaben sind dabei aufwendige Laborprüfungen der Produkte in Hinsicht auf Temperatur- und Klimabeständigkeit sowie Lebensdauerprüfungen, die teilweise mehrere Monate in Anspruch nehmen können. Der Ablauf des Neuproduktprojektes des Zulieferers muss dabei eng mit dem übergeordneten Terminplan des Fahrzeugprojektes abgestimmt werden. Sowohl die unterschiedlichen Prototypenphasen als auch die Zeiträume der Design- und Bauraumfestlegung müssen über die gesamte Lieferkette hinweg synchronisiert werden. Die Produkt- und Prozessreife der Zulieferprodukte muss somit eng mit derjenigen des Gesamtfahrzeuges verzahnt werden. Die unternehmensübergreifenden Freigabeprozesse bilden dabei ein zentrales Koordinationswerkzeug. Zur Beurteilung des Zusammenspiels aller Komponenten des Gesamtfahrzeuges ist es bspw. erforderlich, zu definierten Zeitpunkten in der Vorserie sämtliche Bauteile des Fahrzeugs bereits aus Serienprozessen verfügbar zu haben. Solche kundenseitig festgelegten Meilensteine sind für sämtliche Zulieferer verbindlich und geben einen eindeutig fixierten Zeitrahmen für das Projekt vor.
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Phasen des Produktionsanlaufes Der Erfolg des Produktionsanlaufes in Hinsicht auf Qualität, Termine und Kosten wird maßgeblich durch die vorgelagerten Projektschritte determiniert. In diesem Sinne sollen im Produktionsanlauf neben der Phase des eigentlichen Hochlaufs der Produktionsprozesse die zeitlich vorangestellten Phasen des Produktentwicklungsprozesses mitbetrachtet werden. Diese dürfen jedoch nicht isoliert wahrgenommen werden. Vielmehr muss der starken Verknüpfung der parallel ablaufenden Produktund Prozessentwicklungsphasen im Sinne des Simultaneous Engineering Rechnung getragen werden (vgl. Abb. 2). Bereits bei der Festlegung des Produktionskonzeptes und dessen verbindlicher Abstimmung mit dem OEM werden wesentliche Weichenstellungen für den erfolgreichen Anlauf getroffen. Vor dem Hintergrund zunehmend kürzerer Produktlebenszyklen in Kombination mit steigenden Qualitätsanforderungen ist ein erfolgreicher Anlauf neben den Herstellkosten eine der wesentlichen Zielgrößen des Produktionskonzeptes. Beispielsweise werden skalierbare Montagekonzepte gewählt, sodass im Rahmen des Anlaufes durch Inbetriebnahme zusätzlicher, identischer Produktionslinien ein gestufter Kapazitätsaufbau erfolgen kann. Zusätzlich sorgen Poka-YokeAnsätze ebenso wie an den Reifegrad angepasste Prüfkonzepte im Produktionskonzept dafür, eventuelle qualitative Risiken proaktiv zu vermeiden. Dabei wird generell eine 100% Endprüfung des Produktes in seiner vollständigen Funktionalität
Abb. 2 Serienanlaufprozess und alternative Anlaufszenarien
Gestaltung von Serienanläufen im globalen Entwicklungs- und Produktionsverbund
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durchgeführt. Dies führt vor dem Hintergrund der Komplexität der Produkte dazu, dass das Prüfen mittlerweile einen nicht unwesentlichen Anteil des Gesamtprozesses ausmacht. Einen weiteren wesentlicher Bestandteil des Produktionskonzepts bildet die Erstellung der Betriebsmittel, deren Terminlage in hohem Maße durch das Fahrzeugprojekt festgelegt ist. Ein Kernpunkt ist die typischerweise mehrmonatige Dauer für die Erstellung der komplexen Spritzgusswerkzeuge. Vor dem Hintergrund der extrem hohen Anforderungen an Funktionalität und Optik der Kunststoffeinzelteile, die weit über den Anforderungen des Consumer-Bereichs liegen, müssen weiterhin entsprechende Zeitdauern für prozessseitige und maßliche Anpassungen eingeplant werden. Die Phase der Inbetriebnahme und Optimierung ist dadurch geprägt, dass im Sinne eines Regelkreises aus den Erfahrungen mit den ersten aufgebauten Produkten Änderungen erforderlich werden. Parallel müssen in dieser Phase bereits nicht unwesentliche Stückzahlen für die Prototypenfahrzeuge des OEM geliefert werden, aus denen wiederum Änderungsforderungen entstehen können. Insgesamt dauert diese Phase somit typischerweise zwischen einem halben und einem Jahr. Bei zunehmender Reife von Produkt und Prozess werden dabei mehrere längere Trial Runs unter Serienbedingungen durchgeführt. Der Abschluss dieser Phase wird durch den Freigabeprozess und die Erstbemusterung (PPAP) bestimmt. Gemeinsam mit Vertretern des OEM werden im Rahmen einer Prozessserie eine längere Produktion unter Serienbedingungen und ein detailliertes Audit des Prozesses und der Betriebsmittel durchgeführt. Das Ergebnis wird seitens des OEM anhand standardisierter Checklisten mit einer Punktzahl oder einem Notensystem bewertet, welches aggregiert zu einer Beurteilung der Produktionsbereitschaft z. B. in Rot/Gelb/Grün gemäß einer Ampel-Logik führt. Gleichzeitig werden umfangreiche Laborprüfungen mit den Produkten durchgeführt. Sofern beide Freigabeschritte positiv verlaufen, gibt der OEM seine formelle Freigabe der Produktion im Rahmen des Production Part Approval Process (PPAP). Durch die Annahme und formelle Gegenzeichnung des durch den Zulieferer einzureichenden Erstmusterprüfberichtes wird dies dokumentiert. Dies ist gleichzeitig der Beginn der Serienproduktion. Der Hochlauf der Zulieferer-Produktion ist dabei weitestgehend durch die Fahrzeugproduktion des OEM bestimmt. Dabei kann dieser je nach Logistikkonzept sowie der Position in der Lieferkette (z. B. als Tier 2-Lieferant) zusätzlich zur reinen Fahrzeugstückzahl von der Füllung der Logistikkette (u. a. von Sequenzierungs- und Kanbanlagern) überlagert werden. Diese Phase ist somit von der Notwendigkeit zur kurzfristigen Reaktion auf veränderte Bedarfe bzgl. Liefermenge und Variantenmix geprägt. Dabei erschweren die hohe Variantenzahl (ca. fünf bis 150 Varianten für ein Lenksäulenmodul) in Kombination mit der noch geringen Stückzahl die Disposition und Produktionssteuerung. Zusätzlich muss neben Störungen in der eigenen Wertschöpfungskette ebenfalls mit Problemen bei den vorgeschalteten Lieferanten gerechnet werden. Mit den eigenen Lieferanten wird dabei der gleiche Freigabeprozess durchgeführt, wie der OEM ihn praktiziert. Ausgehend vom unverrückbar festliegenden Fahrzeuganlauf des OEM (Start of Production, SOP) ergibt sich somit
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ein in der Rückwärtsterminierung eindeutig fixierter Prozess, der über die gesamte Zulieferstruktur sowohl in der Breite als auch in der Tiefe der Wertschöpfungsstufen synchron durchzuführen ist. Störungen an einer Stelle dieses sensiblen Gesamtprozesses können dabei Konsequenzen für eine Vielzahl der beteiligten Partner haben. Neben den geschilderten generellen Anforderungen an die Durchführung von Anläufen in der Automobilzulieferindustrie erwachsen in der letzten Zeit zusätzliche Anforderungen aus der Notwendigkeit, Produktionsanläufe in globalen Produktionsnetzen zu realisieren. Ist an einem Neuproduktprojekt nur ein einziger ausländischer Standort beteiligt, so wird das bereits etablierte Anlaufkonzept problemlos angewendet. Bei Kostal wird in der Mehrzahl der Töchterwerke seit vielen Jahren eine Vielzahl von Neuproduktprojekten für lokale OEM erfolgreich und vollkommen autonom in der eigenen Organisation abgewickelt. Neben diesem mittlerweile als Regelfall etablierten Szenario entstehen aber zunehmend auch Konstellationen, die eine standortübergreifende Projektabwicklung notwendig machen. Einflussgrößen sind hierbei die technologische Komplexität des jeweiligen Projektes bzw. der dazugehörigen Prozesse sowie die Art und Intensität der Kommunikation im Projektverlauf. Als zusätzliche Opportunität kann eine standortübergreifende Projektabwicklung ebenso zum Kapazitätsabgleich im Produktions- und Entwicklungsverbund genutzt werden. Die hohe technologische Komplexität von Produkten, wie sie in der Regel für deutsche OEM entwickelt werden, kann ein derart hohes Kompetenzniveau im Engineering erforderlich machen, welches derzeit nur in der Unternehmenszentrale vorhanden ist. Die Abstimmungsintensität derartiger Projekte mit dem OEM spricht weiterhin dafür, diese in räumlicher und kultureller Nähe abzuwickeln. Weiterhin kann eine intensive Nutzung unterstützender Zentralfunktionen bspw. im Bereich komplexer Simulationen oder Labor/Prüffeld erforderlich sein, so dass dies zusätzlich für eine Abwicklung des technischen Initialprozesses am Headquarter spricht. Da aber viele Standorte des Produktionsverbundes über eine hohe Kompetenz im Bereich der Serienproduktion von komplexen Produkten (wie z. B. Tschechien im Falle von Lenksäulenmodulen für Premiumkunden) verfügen, ist vor dem Hintergrund des hohen Kostendruckes eine spätere Serienproduktion an diesen Standorten mit ihrer vorteilhaften Kostenstruktur unabdingbar. Somit ergibt sich die Notwendigkeit, Projekte standortübergreifend abzuwickeln.
Typologie von Anläufen Vor dem Hintergrund der genannten Rahmenbedingungen können generell drei verschiedene Arten von Produktionsanläufen bzw. Anlaufszenarien unterschieden werden. Determinante ist hierbei die Zuordnung der einzelnen Phasen des Produktionsanlaufes zu den beteiligten Standorten.
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Anlauf an einem neuen Standort nach SOP Insbesondere in der Vergangenheit erfolgten die Entwicklung, die Vorbereitung der Produktion und der Produktionsanlauf am Standort Deutschland. Nachdem die Produktion einige Zeit stabil lief, wurde diese im Sinne einer klassischen Produktionsverlagerung an den ausländischen Zielstandort verlagert. Vorteile dieses Ansatzes liegen in der Abwicklung der geschlossenen Prozesskette des technischen Initialprozesses an einem Standort sowie die Nutzung des konzentrierten Know-hows der Zentrale. Zusätzlich hat diese Konstellation den Vorteil, dass Abstimmungs- und Freigabeprozesse mit deutschen OEM durch die räumliche und sprachlich-kulturelle Nähe vereinfacht werden. In der kritischen Phase des Anlaufes können sich hieraus weiterhin Vorteile in der Reaktionsgeschwindigkeit ergeben. Einerseits kann durch kurze Logistikketten eine schnelle Reaktion sichergestellt werden, sofern die Probleme erst bei dem Verbau der Produkte beim OEM erkannt werden und gegebenenfalls defekte Teile kurzfristig ersetzt werden müssen. Andererseits kann auf veränderte Bedarfe des OEM in Hinsicht auf Stückzahlen und Varianten ebenfalls umgehend reagiert werden. Die Nachteile dieses Szenarios sind darin zu sehen, dass die Produktion nach Anlauf verlagert werden muss. Es entstehen quasi doppelte Aufwände durch Trainingsmaßnahmen ebenso wie durch die Notwendigkeit, die Dauer der Produktionsunterbrechung durch entsprechende Lagerbestände zu überbrücken. Diese Lagerbestände aufzubauen ist häufig mit hohen Zusatzkosten für die Materialbeschaffung, für Sonderschichten und für die eigentliche Lagerung verbunden. Einen nicht unwesentlichen Umfang haben auch die erhöhte Kapitalbindung und die Beschaffung der zusätzlichen Verpackung (vor dem Hintergrund der in der Automobilindustrie gebräuchlichen Mehrwegverpackungen). Aufwände entstehen ebenfalls durch die Notwendigkeit der Freigabeprozesswiederholung zusammen mit dem OEM nach der abgeschlossenen Verlagerung. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der geschilderte Ansatz zwar erhebliche Vorteile bzgl. der Absicherung technischer und logistischer Risiken im Anlauf selbst bietet, hierfür aber nicht unerhebliche Aufwände in Kauf genommen werden müssen. Vor dem Hintergrund der Wettbewerbssituation sowie den durch verkürzte Produktlebenszyklen reduzierten Zeitraum zur Amortisation derartiger Aufwände ist dieses Szenario somit nur eingeschränkt gangbar.
Anlauf an einem neuen Standort vor SOP In den vergangenen Jahren wurden erhebliche Anstrengungen unternommen, durch geeignete Maßnahmen eine Verlagerung an den Zielstandort möglichst nahe an den Zeitpunkt des SOP vorzuverlegen, idealerweise sie sogar vor dem SOP durchzuführen. Ein möglicher Ansatz liegt in der Erstellung redundanter Betriebsmittel zur Abbildung der erforderlichen Gesamtkapazität, sodass der Anlauf einer Produktionslinie an einem deutschen Standort erfolgt und kurze Zeit später parallel zum
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Hochlauf des Produktes bereits eine zweite Produktionslinie erstellt wird. Nach Qualifizierung dieser kann die erste Linie bereits an den Zielstandort verlagert werden, wobei die erforderliche Produktionskapazität durch die Zweitlinie weiterhin am Ursprungsstandort sichergestellt wird. Nach dem erfolgreichen Anlauf der Produktion am Zielstandort und einer Zeit der Parallelproduktion zum Ausschluss möglicher Risiken kann dann eine Verlagerung der Zweitlinie erfolgen. Durch dieses Szenario können Risiken wirkungsvoll ausgeschlossen werden, jedoch erfordert die Parallelproduktion an zwei Standorten in der änderungsintensiven Hochlaufphase einen erhöhten Abstimmungsaufwand zwischen den Standorten. So muss bspw. eine synchrone Disposition verschiedener Änderungsstände der Komponenten und Fertigprodukte an zwei Standorten erfolgen. Gleichzeitig müssen Prozessänderungen synchron eingesteuert werden. Dieses Szenario bietet den Vorteil, dass begrenzte Risiken bzgl. der logistischen Versorgung bestehen, da die vergleichsweise geringen Vorserienbedarfe durch die Wahl eines geeigneten Zeitfensters für die Verlagerung aus einem Lagerbestand abgedeckt werden können. Es besteht jedoch die Anforderung an die Organisation des aufnehmenden Standortes, sich eng in den Projektablauf einzubinden und in der kommunikationskritischen Phase des Anlaufes einen kontinuierlichen Austausch mit dem OEM sicherzustellen. Gleichzeitig muss der räumlichen Entfernung zwischen Entwicklung und Produktion bezüglich der Abstimmung eventueller Probleme und notwendiger Änderungen Rechnung getragen werden. Die Aufwände hinsichtlich der logistischen Vorlaufschaffung und der Vermeidung einer doppelten Abarbeitung des Kundenfreigabeprozesses werden zwar vermieden, auf der anderen Seite werden aber erhebliche Anstrengungen nötig, um bereits in frühen Phasen eine Einbindung des Zielstandortes in das Projekt sicherzustellen. Dies stellt gleichzeitig eine hohe Anforderung an diesen Standort, da er nicht nur in hohem Maße mit dem Ursprungsstandort über alle Fachabteilungen abgestimmt sein muss, sondern gleichzeitig über eine profunde Erfahrung hinsichtlich der Produktionsabläufe verfügen muss, um auf die typischerweise auftretenden Probleme schnell und effektiv reagieren zu können. Die hierfür erforderlichen spezifischen Kompetenzen im Bereich Produktionsplanung, Qualitätswesen aber auch Logistik gehen weit über das für einen reinen Produktionsstandort übliche Niveau hinaus.
Standortübergreifende Abwicklung des Anlaufprojektes In der Erweiterung der vorgestellten Zielrichtung, nämlich die Verlegung des Überganges zwischen den beteiligten Standorten in eine möglichst frühe Phase des Projektes hinein, ist sicherlich ein Optimum in der gemeinsamen, standortübergreifenden Abwicklung des Anlaufprojektes zu sehen. Hierbei erfolgt keine Übergabe zwischen verschiedenen Parteien, vielmehr sind spezifische Aufgaben schon zu Projektbeginn auf die jeweiligen Standorte verteilt. Dabei erfolgt üblicherweise die Wahrnehmung der Kundenschnittstelle und der Entwicklung durch einen Standort, wobei die Prozessgestaltung ebenso wie die Erstellung der Produktionsmittel durch
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den späteren Produktionsstandort erfolgt. Dies setzt folglich voraus, dass an diesem Standort in den betroffenen Fachabteilungen die Kompetenz zur Abwicklung von Neuproduktprojekten vollständig vorhanden sein muss. Die Probleme einer standortübergreifenden Abwicklung eines solchen Projektes müssen in dem Kontext als zusätzliche Erschwernis gesehen werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass die in einem Simultaneous-EngineeringProjekt unverzichtbare enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklung und Produktionsgestaltung im Sinne einer Optimierungsschleife auch über eine Distanz, sprachliche und kulturelle Barrieren sowie Zeitzonen hinweg gewährleistet wird. Die Vorteile dieses Szenarios sind eindeutig in der Vermeidung von Redundanzen im Ablauf wie auch in der Möglichkeit der optimalen Abstimmung der Prozess- und Betriebsmittelgestaltung auf den Produktionsstandort zu sehen.
Beispiele für erfolgreich abgewickelte Anläufe Die Auswahl des jeweils optimalen Anlaufszenarios ist in hohem Maße durch die jeweilige Konstellation des spezifischen Projektes determiniert. Dies soll im Folgenden anhand verschiedener Beispiele exemplarisch dargestellt werden.
Anlauf an einem neuen Standort nach SOP Ein Beispiel für dieses Anlaufszenario ist die Verlagerung der Produktion des Regensensors für einen Kunden von Irland nach China. Dieses Produkt wurde in Deutschland entwickelt und die Produktion wurde in Irland eingerichtet, wo auch der Serienanlauf erfolgte. Nach einer längeren Zeit der stabilen Serienproduktion wurde das Produkt an den Zielstandort China verlagert. Charakteristisch für dieses Produkt ist der hohe Elektronikanteil, sodass von der Verlagerung der Kunststoffspritzgussteile keine spezielle Herausforderung ausging. Die Know-how-intensive Produktion des Optikkörpers, der die Verbindung zwischen der Windschutzscheibe und dem Regensensor herstellt, erfolgt dabei zentral in Deutschland. Entscheidend für den reibungslosen Anlauf in China waren eine hohe Kompetenz und Prozesssicherheit in der Elektronik-Leiterplattenbestückung sowie in der umfangreichen Programmierung, Kalibrierung und Prüfung des Produktes. Dementsprechend wurde ein umfangreiches produktspezifisches Qualifikationsprogramm für den Standort China durchgeführt. Von diesem waren vor allem die Engineering-Bereiche betroffen. Diese mussten in die Lage versetzt werden, Risiken im Prozess zu erkennen und eventuell auftretende Probleme kurzfristig beheben zu können. Weiterhin müssen kleinere Varianten- oder Modelländerungen selbstständig durchgeführt werden. Ebenso musste ein entsprechendes Basiswissen über die Technologie des Produktes Regensensor in sämtlichen Fachabteilungen vom Einkauf, der Entwicklung,
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der Qualitätssicherung und dem Betriebsmittelwesen bis hin zu den Bandleitern in der Produktion etabliert werden. Die Verlagerung des Prozesses erfolgte mehrstufig. Im ersten Schritt der Verlagerung wurde parallel zur laufenden Serie in Irland die Produktion der Leiterplatten auf den in China vorhandenen Elektronik-Produktionslinien eingerichtet. Die produzierten Leiterplatten wurden manuell endmontiert und für die Programmierung und Prüfung an den bisherigen Serienproduktionsstandort Irland geschickt. Nachdem die Teams aus Irland und China die Produkte fertiggestellt hatten, wurde aus dem gemeinsam begutachteten Ergebnis eine Prozessoptimierung in China abgeleitet. Die Prozesskette wurde somit quasi „virtuell“ über zwei Standorte hinweg durch das chinesische Team abgebildet (vgl. Abb. 3). In einem zweiten Schritt wurde die zu verlagernde (neu erstellte) Programmierund Prüfzelle in Irland in Betrieb genommen, wobei die freigegebene Serienproduktion auf dem bisherigen Equipment weiterlief. Nach der Verlagerung der Programmier- und Prüfzelle war der vollständige Serienprozess in China vorhanden. Im Rahmen intensiver Trial Runs gemeinsam mit dem Team aus Europa wurde das Training vor Ort abgeschlossen. Die produzierten Produkte wurden in umfangreichen Laborversuchen unter anderem unter Klimawechselbedingungen mehrmonatig erprobt. Auf der Basis dieser positiven Erprobungen erfolgte die Freigabe durch den Kunden. Die erheblichen Aufwände in der Qualifikation der Organisation auf einer breiten Ebene ebenso wie umfangreiche Testläufe der Produktion mit nicht unerheblichen Fertigungskosten sowie die „virtuelle“ Abbildung der Prozesskette über zwei Standorte hinweg haben letztendlich dazu beigetragen, dass der Anlauf der Produktion in
Abb. 3 Beispiel für einen Anlauf an einem neuen Standort nach SOP
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China für den Kunden weder in der Logistikperformance noch in der Qualitätslage negativ bemerkbar war.
Anlauf an einem neuen Standort vor SOP Der Produktionsanlauf des Lenksäulenmoduls für einen deutschen OEM am Standort Kostal Mexiko soll als Beispiel für dieses Anlaufszenario dargestellt werden. Die Produktion des Fahrzeugs erfolgt in den USA. Deswegen war es aus Gründen möglicher Wechselkursschwankungen ebenso wie zur Verkürzung der Logistikkette und des Qualitätsregelkreises erforderlich, eine Produktion des Lenksäulenmoduls in Mexiko vorzusehen. Das Produkt stellt dabei von seinem technologischen Ansprüchen ein sehr komplexes Produkt dar (vgl. Abb. 4). Dementsprechend fand die Entwicklung dieses Produktes im Headquarter in Deutschland statt. Dies hatte ebenfalls den Vorteil, in Engineering-Belangen eine einfache Abstimmung mit den betroffenen Abteilungen des Kunden realisieren zu können. Die Planung des Produktionskonzeptes erfolgte in Deutschland, insbesondere um die Erfahrungen aus der Produktion der technologisch verwandten Lenksäulenmodule anderer Baureihen zu nutzen. Somit wurden die Spritzgusswerkzeuge ebenso wie die Montagelinien in Deutschland erstellt. Zusätzliche technologische
Abb. 4 Beispiel für einen Anlauf an einem neuen Standort vor SOP
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Herausforderungen lagen in der Beherrschung der Folienleiterplattentechnologie, die für dieses Produkt erstmalig eingesetzt wurde. Der Standort Mexiko verfügte zum Zeitpunkt des Projektbeginns bereits über profunde Erfahrungen mit der Abwicklung vergleichbarer Projekte für Fahrzeuge anderer deutscher Automobilhersteller. Zusätzlich wurden für das neue Produkt intensive Trainingsmaßnahmen durchgeführt. Schon frühzeitig wurden mexikanische Ingenieure aus der Produktionsplanung, dem Betriebsmittelwesen und dem Qualitätswesen in Deutschland in das Projekt eingebunden. Diese Ingenieure stellten gleichzeitig die Schnittstelle zum Produktionswerk in den USA dar, welches für die Prozessfreigabe verantwortlich war. Somit waren nicht nur zwei KostalStandorte, sondern gleichzeitig auch zwei Kundenstandorte beteiligt. Die Inbetriebnahme und Optimierung der Produktion erfolgte zweigeteilt. Die Betriebsmittel wurden in Deutschland erstellt und einem intensiven Probebetrieb unterzogen. In diesem Zusammenhang wurden bspw. in Deutschland an der Montagelinie intensive Schulungsmaßnahmen und Trial Runs unter Serienproduktionsbedingungen mit mexikanischen Produktionsmitarbeitern und Bandleitern durchgeführt. Somit erfolgte die Übergabe der Produktionsanlagen an den Standort Mexiko schon auf deutschem Boden. Die mexikanischen Mitarbeiter waren unter anderem selbst für die Demontage der Anlagen verantwortlich, welches die zuverlässige und effiziente Wiederinbetriebnahme in Mexiko erheblich unterstützt hat. Die Verlagerung erfolgte Linie für Linie in mehreren Schritten, sodass das gleiche mexikanische Team jeweils die Möglichkeit hatte, die Prozesse am neuen Standort anlaufen zu lassen, zu stabilisieren und vom Kunden freigegeben zu bekommen, um anschließend den nächsten Verlagerungsschritt durchzuführen. Da diese Verlagerung parallel zur Vorserienphase und den entsprechenden Kundenbedarfen durchgeführt wurde, entstanden auf Einzelteil- und Baugruppenebene zwischen den Standorten erhebliche Logistikaufwände. Trotzdem hat sich das gewählte Szenario als äußerst vorteilhaft für den Erfolg des Gesamtprojektes erwiesen. Durch die intensive Koordination und Abstimmung zwischen den Standorten konnte ein reibungsloser Anlauf der Produktion am Standort Mexiko sichergestellt werden.
Standortübergreifende Abwicklung eines Neuproduktprojektes Für die Produktgruppe Lichtdrehschalter wurde zwischen den Standorten Deutschland und Spanien eine erfolgreiche standortübergreifende Abwicklung von Neuproduktprojekten etabliert. Der Standort Spanien blickt dabei auf einen profunden Erfahrungsschatz in der hochvolumigen Serienproduktion von Lichtdrehschaltern für verschiedene Kunden, unter anderem auch deutsche Premiumkunden, zurück. Basierend auf dieser Erfahrung wurden zuerst die serienbegleitende Abwicklung von Änderungen und der Anlauf neuer Varianten autonom durch die lokale Organisation übernommen. Dann wurde zunächst für einfache in Deutschland entwickelte
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Abb. 5 Beispiel für eine standortübergreifende Abwicklung eines Neuproduktprojektes
Lichtdrehschalter die vollständige Produktionsplanung und Betriebsmittelerstellung in Spanien durchgeführt (vgl. Abb. 5). Zwischenzeitlich wurde ein Lichtdrehschalter mit einer LIN-Elektronik für den Kunden gemeinschaftlich von Deutschland und Irland (Elektronik) entwickelt, wobei die vollständige Produktionsplanung und Betriebsmittelerstellung in Spanien erfolgte. Hierzu waren entsprechende Kompetenzen sowohl in der Kunststoffeinzelteilprojektierung als auch in der Einrichtung des Leiterplattenbestückprozesses erforderlich. Die Montage erfolgt teilautomatisiert, wobei auf Basis der gruppenweiten Standards auf die lokalen Automatisierungsanbieter zurückgegriffen werden konnte, was sich sehr positiv auf die Stabilität im Anlauf auswirkte. Da bereits erhebliche Erfahrungen mit der Produktgruppe, aber auch mit dem OEM-Kunden vorhanden waren, erfolgte die Betreuung des Freigabeprozesses im Rahmen des Anlaufes weitgehend durch die spanische Organisation. Dieses Beispiel zeigt den positiven Einfluss einer langfristigen und fokussierten Qualifikation der lokalen Organisation über alle Fachbereiche hinweg. Über vergleichbare Produkte waren bereits etablierte Zusammenarbeiten zwischen den Standorten bis zum Personaltausch vorhanden, sodass die Überbrückung der Entfernung innerhalb des Projektes keinen Einfluss auf die reibungslose Durchführung des Anlaufes hatte.
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Erfolgsfaktoren Die erfolgreiche Durchführung der geschilderten Anlaufszenarien setzt eine entsprechende Gestaltung der Prozesse, Organisation und Ressourcen der beteiligten Standorte voraus. Diese legen die Basis für die Zusammenarbeit der Standorte ebenso wie für den systematischen Aufbau der erforderlichen Kompetenzprofile. Charakteristisch für die Entwicklung des Kostal Entwicklungs- und Produktionsverbundes ist das organische Wachstum auf der Basis der eigenen Substanz gegenüber dem vielfach in der Automobilzulieferindustrie anzutreffenden Wachstum durch Merger and Akquisition. Dementsprechend wurde von Beginn an auf eine Harmonisierung und Vereinheitlichung der Organisation, Prozesse und Ressourcen zwischen den Standorten geachtet. Beispielsweise ist die Aufbauorganisation sämtlicher Standorte sowohl von der Bezeichnung als auch von der Aufgabenwahrnehmung identisch. Somit wird eine ein-eindeutige Zuordnung bzw. Übergabe von Verantwortlichkeiten auch zwischen den Standorten ermöglicht. Dies drückt sich ebenfalls in der Verwendung von einheitlichen Prozessdefinitionen und -standards aus, welche im Rahmen eines integrierten ManagementSystems beschrieben sind. Die operative Zusammenarbeit in Neuproduktprojekten wird dabei über die Verwendung des ProKostal-Entwicklungsprozesses sichergestellt, der über ein Gateway- und Meilensteinkonzept in Verbindung mit Prozessund Dokumentfestlegungen eine systematische Projektabwicklung sicherstellt. Dieser Prozess ist an allen Standorten gelebte Praxis und wird in der Abwicklung durch ein webbasiertes Content Management System erheblich vereinfacht. Diese unternehmensspezifische Vorgehensweise ist zusätzlich wichtig, um unabhängig von den kundenspezifisch unterschiedlichen Ablauf- und Prozessdefinitionen eine einheitliche Planungsgrundlage zu verwenden. Der generische Charakter des ProKostal-Ansatzes zeigt sich unter anderem darin, dass er auf so unterschiedliche Projekte wie Einzelschalter für die Instrumententafel für lokale chinesische OEM ebenso wie für komplexe mechatronische Produkte für europäische Premiumhersteller erfolgreich applizierbar ist. Die vereinheitlichten Prozessdefinitionen werden durch gruppenweit eingeführte IT Tools unterstützt. Dabei werden neben den branchenüblichen Tools wie bspw. SAP, CATIA, CIMdatabase insbesondere deren unternehmensspezifische Anpassungen gruppenweit standardisiert. Zusätzlich berücksichtigen unternehmensspezifisch erstellte Tools generell die Möglichkeit eines standortübergreifenden Einsatzes. Auf der Seite der Produktionsressourcen ist eine weitreichende standortübergreifende Vereinheitlichung implementiert. So sind bspw. Spritzgusswerkzeuge und die dazugehörigen Maschinenkonzepte derart standardisiert, dass Produktionsumfänge ohne Schwierigkeiten zwischen Standorten des Produktionsverbundes verlagert werden können. Das Konzept und die eigentliche technische Ausrüstung von Montagelinien sind derart standardisiert, dass die Erstellung einer Linie an verschiedenen Standorten zum gleichen Ergebnis führt. Dies ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Verlagerung ebenso wie für eine standortübergreifende Abstimmung über die Prozessgestaltung im Simultaneous-Engineering-Projekt.
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Für die standortübergreifende Harmonisierung der genannten Faktoren wird bei Kostal das Prinzip der Funktionalverantwortung genutzt. Die Einzelstandorte sind als unabhängige Tochtergesellschaften mit entsprechenden Verantwortlichkeiten in den jeweiligen Linienfunktionen organisiert. Gleichzeitig wird die standortübergreifende Abstimmung bezogen auf die Linienfunktionen durch die Wahrnehmung einer zentralen Verantwortung im Stammsitz in Lüdenscheid realisiert. Durch die intensive, aber vor allem auch partnerschaftliche Abstimmung „von Fachmann zu Fachmann“ in der jeweiligen Funktion wird somit eine Harmonisierung von Standards entsprechend der gemeinsamen Bedürfnisse erreicht. Gleichzeitig schafft dieser intensive fachliche Austausch eine intensive Vernetzung der Standorte bis auf die Ebene von Einzelpersonen, die der Garant für eine effektive Abwicklung von standortübergreifenden Projekten ist. Damit wird neben der globalen Integration auf fachlicher Ebene eine Integration auf persönlicher Ebene erreicht, die charakteristisch für das Familienunternehmen Kostal ist. Das Ergebnis sind kurze Entscheidungswege, die über Funktional- und Landesgrenzen hinweg ein Gesamtoptimum herbeiführen.
Fazit Um den teilweise sehr unterschiedlichen Anforderungen globaler Neuproduktprojekte in der Automobilzulieferindustrie gerecht zu werden, ist das jeweils optimale Anlaufszenario einzelfallbezogen zu bestimmen. Hierbei sind neben Effizienzgesichtspunkten insbesondere mögliche Risiken im Anlauf zu berücksichtigen. Durch eine geeignete Basis bezogen auf die Organisation, Prozesse und Ressourcen in dem eigenen Produktionsverbund wird die Grundlage für eine derartige projektspezifische Konfiguration gelegt. Hierdurch wird sichergestellt, dass im Rahmen des Standortverbundes das jeweils geforderte Projektergebnis auch über geografische Grenzen hinweg gewährleistet ist. Aus den spezifischen Stärken einzelner Standorte wird somit ein komparativer Vorteil für den Produktionsverbund ebenso wie für die Partnerschaft zwischen Zulieferer und OEM realisiert.
Schnell und einfach Hochfahren Achim Kampker, Gregor Tücks JÜPO GmbH
Anlaufmanagement bei der JÜPO GmbH Die JÜPO GmbH ist ein mittelständisch geprägtes Familienunternehmen, das seit über 60 Jahren im Markt agiert. Sie ist global aufgestellt und beschäftigt über 400 Mitarbeiter weltweit. JÜPO entwickelt und fertigt Ladungsträger für den Transport spezifischer (Sonderladungsträger) und universeller Güter (Universalladungsträger). Im Gegensatz zum Branchentrend hat JÜPO immer die gesamte Wertschöpfungskette abgedeckt, während die meisten Wettbewerber sich auf den Handel zurückgezogen haben. Hierbei lag der Schlüssel zum Erfolg in einer stetigen Produkt- sowie Prozessinnovation. Im Bereich der Universalladungsträger, meistens mit hohen Stückzahlen, überwiegt der Anteil der Prozessinnovation, im Bereich der Sonderladungsträger die Produktinnovation, wo die Stückzahlen meistens im Bereich zwischen ca. 20 und 500, in Ausnahmefällen auch bei bis zu 1.000 Stück pro Auftrag liegen. Insbesondere bei den Sonderladungsträgern sind die Anforderungen an die Wiederholgenauigkeit der einzelnen Ladungsträger sehr hoch, da in vielen Fällen automatisiert Produkte entnommen werden. Weiterhin spielt die Änderungsflexibilität der Ladungsträger eine große Rolle, da diese konform mit der Teileänderung der zu transportierenden Teile einhergeht. Die Voraussetzung für das Überleben von JÜPO ist die Fähigkeit, neue Produkte zu entwickeln und anschließend schnell und einfach zur Serienreife zu führen. Jeder Auftrag eines neuen Produktes ist daher als Neuanlauf einzustufen. Bei Sonderladungsträgern wird darüber hinaus in der Regel der Produktionsanlauf beim Kunden realisiert, JÜPO spricht vom „Anlauf für den Anlauf“. Die Durchlaufzeit der einzelnen Projekte beträgt, je nach Auftragsvolumen, zwischen zwei und sechs Monaten bis zur Serienreife. Da die Materialbeschaffung (in der Hauptsache Stahl, Gussteile und Kunststoffe) teilweise bis zu acht Wochen in Anspruch nimmt, ist eine schnelle Auftragsklärung und Detailkonstruktion unbedingt vonnöten.
G. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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Kernprozesse der JÜPO sind somit die Auftragsklärung, die Konstruktion, der Muster- und Vorrichtungsbau, der Einkauf und die Produktion (Fertigung, Lackierung, Montage). Die Grundidee der JÜPO ist die Etablierung einfacher robuster, aber dennoch flexibler Prozesse und Hilfsmittel. Aufgrund von Lohnkostenvorteilen ist die Wertschöpfung über viele Standorte verteilt. Die Auftragsklärung und Kundenbetreuung muss nah am Kunden und damit im Herzen Europas sein. Die Produktion ist in Osteuropa und Asien angesiedelt. Weiterhin ist der Einkauf in seiner Bedeutung ausschlaggebend, da der Materialpreis im Kern den Ladungsträgerpreis bestimmt. Im Falle der JÜPO ist der Entwicklungs- und Vertriebsstandort in Aachen und eine verlängerte Werkbank für Entwicklungstätigkeiten in Rumänien angesiedelt, die Produktion verteilt sich über Tschechien, China und weltweite Lieferanten. Der Muster- und Vorrichtungsbau ist auf die Entwicklungsstandorte verteilt. In der Auftragsklärung werden bereits die Weichen für den Erfolg eines verlustarmen Produktionsanlaufs gestellt. In der Phase der Angebotserstellung werden alle Bereiche vom Vertrieb über den Einkauf, die Arbeitsvorbereitung, Konstruktion und Produktion einbezogen. Die Koordination obliegt dem Vertrieb. Nach Auftragseingang wird in einem Projekt-Kick-off die interne Verantwortung vom Vertrieb auf die Projektleitung mit ihrem Projektteam übergeben. Der Vertrieb bleibt während der gesamten Projektlaufzeit das kontrollierende Bindeglied zwischen internen und externen Einheiten, während die inhaltliche Arbeit durch die fachlichen Einheiten ausgeführt wird. So kann der Vertrieb immer wieder auch eine vermittelnde Rolle gegenüber dem Kunden einnehmen. Bei Übergabe des Projektes sind Produktionsort bzw. -lieferant festgelegt. Bereits bei Angebotsabgabe wird neben den Material-, Arbeits-, Vorrichtungs- und Gemeinkosten auch eine Meilensteinplanung entlang der verfügbaren Unternehmenskapazitäten durchgeführt. Diese Planung zielt schon auf einen möglichst reibungslosen Produktionsanlauf hin. Die Aufgaben und Verantwortung sind stets klar definiert und verteilt. Der Disziplin entsprechend zu dokumentieren kommt hier eine große Bedeutung zu. Hierzu existieren in jeder Phase standardisierte Dokumente, die einfach auszufüllen sind und die kritischen Themen zusätzlich visualisieren. Die Auftragsabwicklung setzt sich aus folgenden Phasen zusammen: • • • • •
Auftragsklärung Projektinitialisierung Projektplanung Projektabwicklung Projektabschluss
Schnelligkeit und Einfachheit bei gleichzeitiger Vermeidung von Fehlern werden bei der Auftragsabwicklung im Kern durch die Verwendung methodischer Bausteine erzielt. Der Rahmen ist standardisiert, das Innenleben ist auf Basis der Kreativität und der Erfahrung der Mitarbeiter zu gestalten. Hier ist die Herausforderung insbesondere darin zu sehen, das Maß zwischen Vorgaben und Gestaltungsfreiräumen der Mitarbeiter richtig auszulegen. Dieses bedarf einer ständigen Kontrolle der Kompe-
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tenzen des einzelnen Mitarbeiters. Hier liegt ein weiterer Schlüssel der Unternehmensphilosophie: die kontinuierliche und gezielte Weiterbildung der Mitarbeiter. Die Projektabwicklung unterteilt sich mit Blick auf den Produktionsstart und den folgenden Produktionshochlauf in die technische Klärung des zu transportierenden Produkts, des Aufbaus der Vorrichtungen und Werkzeuge sowie der optimalen Gestaltung der Fertigungsprozesse. Hinzu kommt die Koordination einer Vielzahl von Lieferanten. Zielsetzung ist eine schnelle Abwicklung einer Vorserie an den Entwicklungsstandorten. Nach einer Optimierungsschleife erfolgt dann die Verlagerung der Produktion an die Serienstandorte. Dies erfolgt mittels eines technikorientierten Anlaufteams. Dieses Team ist das Bindeglied zwischen „handwerklicher“ Arbeit und dem industriellen Fertigungsprozess. Mitglieder des Projektteams können je nach Projekt auch im Anlaufteam vertreten sein.
Einfache Methoden bestimmen den Alltag Die hier beschriebenen Phasen der Auftragsabwicklung werden im betrieblichen Alltag der Anlaufphase von Sonderladungsträger-Projekten durch einfache Methoden unterstützt. Das projektbezogene Zusammenspiel zwischen dem Kunden und dem JÜPO-internen Anlauf ist in Abb. 1 zu sehen.
Abb. 1 Zusammenspiel im Anlaufprozess
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Die mit dem Kunden ausgearbeiteten oder vorgegebenen Anforderungen, sowohl die des zu transportierenden Bauteils als auch die des Ladungsträgers, werden in Form von Zeichnungen, Stücklisten und entsprechenden Spezifikationen an JÜPO übermittelt. Aus Sicht der Produktion wird jetzt die Anlaufplanung angestoßen, wo einzelne Planungsgrößen explizit geplant werden. Nach dem Fertigungsstart für das Erstmuster beginnt die eigentliche Produktionsanlaufphase, welche sich bis zum Erreichen der Kammlinie erstreckt. In dieser Phase sind Entscheidungen bei auftretenden Störungen in der Produktion systematisch zu treffen, die durch entsprechende Eskalationsebenen laufen. Aus einem durchgeführten Produktionsanlauf ist es essenziell, die gemachten Erfahrungen für nachfolgende Anläufe zu nutzen. Es wird somit eine Anpassung des Planungsprozesses vorgenommen. Dieses Dreibein bildet die methodische Grundlage eines schnellen und einfachen Produktionsanlaufs bei JÜPO. Als Teil der Projektabwicklung wird die Anlaufplanung bei der JÜPO, wie auch bei vielen anderen Unternehmen der Automobilzulieferbranche, durch ein Phasenmodell beschrieben. Die Phasenübergänge werden durch Meilensteine gekennzeichnet. Meilensteine sind Eckpunkte im Projektverlauf, kennzeichnen wesentliche Zwischenresultate und übernehmen die Funktion von Entscheidungs- bzw. Qualitätsmesspunkten (Schuh et al. 2003). Den Meilensteinen werden bestimmte Ergebnisse zugeordnet, die im Verlauf der Projektabwicklung zu erreichen sind. Erst nach Vorlage der vorgesehenen Ergebnisse ist der entsprechende Meilenstein erreicht und das Projekt setzt sich in der nächsten Phase fort. Zwischen den Meilensteinen sind die einzelnen Planungsschritte ablauforientiert und die jeweiligen Verantwortlichkeiten aufbauorientiert dokumentiert. Diese Planung wird durch ein zentrales Hilfsmittel, das Produktions-Anlauftomogramm, unterstützt, wie es in Abb. 2 zu sehen ist (Schuh et al. 2005). Unter einem Tomogramm wird in diesem Zusammenhang eine Abbildung der Charakteristik relevanter Planungsgrößen zu bestimmten Zeitpunkten bzw. Meilensteinen in der Anlaufphase der Produktion, dargestellt durch die Kreise t1 bis t5, verstanden. An ihm richten sich also alle entscheidenden Größen des Planungsprozesses aus. Das Tomogramm bei der JÜPO ist durch zwei Zieldichotomien des Anlaufmanagements aufgebaut. Auf der einen Seite steht einer schnellen und hohen Auslastung der Produktionsmitarbeiter und der Produktionsprozesse eine maximal wünschenswerte Verfügbarkeit von unterschiedlichen Materialien sowie Vorrichtungen und Werkzeugen gegenüber. Auf der anderen Seite bildet bei der JÜPO die Neuheit von Produktionsprozessen sowie Vorrichtungen und Werkzeugen einen Gegenpol zu Lerneffekten bei Mitarbeitern und zur Robustheit des Materialeinsatzes. Die somit aufgezogenen Quadranten bilden die Anlauf-Gestaltungsfelder bei der JÜPO, wobei jeder Quadrant durch zwei Planungsgrößen beschrieben wird.
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Abb. 2 Das Anlauftomogramm ist die Grundlage der Planung
Serientauglichkeit sowie Integrationsgrad von Werkzeugen und Vorrichtungen Unter der Planung der Serientauglichkeit wird die reibungslose Benutzbarkeit der Werkzeuge und vor allem aller Schweißvorrichtungen für die Serienproduktion verstanden. Bei der Verlagerung dieser Betriebsmittel aus Eigen- und Fremdfertigung in die jeweiligen Produktionsstätten wären Nacharbeiten während der Serienproduktion aufgrund fehlerhafter Vorrichtungen sehr kostenintensiv. Unter dem Integrationsgrad wird bei der JÜPO das Zusammenspiel neuer Werkzeuge und Vorrichtungen aus unterschiedlichen Fertigungsquellen (intern aus den Entwicklungsstandorten als auch extern von weiteren Lieferanten) verstanden. Die Integration erfolgt je nach Projekt entsprechend unterschiedlich schnell.
Prozessanpassung und Stückzahlsteigung der Produktionsprozesse Ein neuer Produktionsprozess wird hinsichtlich seiner technischen und organisatorischen Auslegung (bspw. Anpassung der Fertigungslosgröße) bewusst, d. h. geplant, angepasst und optimiert. Die Stückzahlsteigerung wird im Vorfeld festgelegt, da sie unter anderem in die Plankalkulation einfließt. Je nach Produkt gibt es unterschiedliche Steigungsgradienten, die vor allem durch die Produktkomplexität determiniert werden.
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Schichtbelegungen und Vorgabezeiten für das direkte Personal Die Schichtbelegung in den Produktionsstätten wird hinsichtlich der beiden Kriterien Qualifikation und Verfügbarkeit festgelegt. Dabei kann es z. B. auch zu einem gezielten Austausch von Mitarbeitern in verschiedenen Phasen der Produktion kommen, um das Ziel der schnellen Auslastung sicherzustellen. Hiermit geht die Planung der Vorgabezeit der Mitarbeiter für die unterschiedlichen Arbeitsplätze einher. Die Vorgabezeit ändert sich mit der Wiederholhäufigkeit, also dem Lerneffekt der Tätigkeit, und wird im Lohnsystem entsprechend abgebildet.
Verschnitt sowie Anlieferungssynchronität von Rohmaterial und Zukaufteilen Die hohe Fertigungstiefe der JÜPO sieht eine exakte Beschaffungsplanung der Rohmaterialien vor. Hierbei spielt vor allem der Verschnitt von Profilstählen und Blechen eine entscheidende Rolle. Im Einkauf wird ein regelmäßiger Preisvergleich von exakt zugeschnittenen Materialien zu ungeschnittenen Standardpaketen durchgeführt. Bei der Beschaffung ist weiterhin darauf zu achten, dass die unterschiedlichen Beschaffungszeiten verschiedener Materialien und Teile auf den Serienproduktionsstart synchronisiert werden. Hier werden die Fragen beantwortet „Wann braucht man was?“ und „Was sind kritische Langläufer?“. Die Ausprägungen der einzelnen Planungsgrößen werden in der Auftragsabwicklungsphase „Projektplanung“ durch das abteilungsübergreifende Projektteam explizit festgelegt und in der Projektabwicklungsphase kontrolliert. Wie bereits oben erwähnt, erfolgt die Planung bei der JÜPO zu fünf Haupt-Zeitpunkten in der Anlaufphase (vgl. Abb. 4). Diese sind im Einzelnen: • • • • •
Start Fertigung Muster, t1 Start Fertigung Vorserie, t2 Start Fertigung Serie, t3 Mitte Produktionshochlauf, t4 Erreichen Kammlinie, t5
Nachdem die Planung durchgeführt wurde, kommt es in der eigentlichen Anlaufphase immer wieder zu Störungen und nicht geplanten Beeinflussungen in der Produktion, welche Planabweichungen zur Folge haben. Wie die Erfahrung zeigt, werden sich die Störungen niemals im Vorfeld komplett eliminieren lassen. Da Störungen somit akzeptiert werden müssen, sind für den Umgang mit ihnen entsprechende Hilfsmittel bereitzustellen, um bei Planabweichungen eine möglichst schnelle Entscheidung herbeizuführen und einen einfachen Problemlösungsansatz zu generieren (Wildemann 1995). Bei der JÜPO hat sich ein Entscheidungskonzept zur Behebung von aufgetretenen Störungen etabliert, welches auf den vier Anlauf-Gestaltungsfeldern des Anlauftomogramms basiert (Abb. 3).
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Abb. 3 Entscheidungen werden im Team getroffen
Das Entscheidungskonzept wird nicht automatisiert bei jeder Abweichung vom Sollzustand aktiviert, sondern erfolgt erst bei einer Problembestätigung durch das Projektteam. Das Team muss also die Notwendigkeit einer Störbehebung bestätigen (rote Ellipse in Abb. 3). Eine mögliche Störung im Produktionsanlauf ist sowohl örtlich als auch zeitlich nicht in ihrer Gesamtheit durch das Projektteam zu beobachten bzw. zu erfassen. In der Regel werden Abweichungen vom Sollzustand durch Mitarbeiter in der Produktion entdeckt und im besten Fall durch ausreichendes Wissen als unerheblich eingeschätzt. Erkennt ein Mitarbeiter während des Produktionsanlaufs eine überaus problematische Abweichung, so wird diese Störung an das Projektteam weitergeleitet. Aus dem Projekt- wird somit gewissermaßen ein Entstörteam, das die Aufgabe hat, die vorhandene Störung in einem ersten Schritt schnell qualitativ zu bewerten. Bei der Zusammensetzung des Projektteams ist darauf zu achten, dass die Mitglieder ausreichend qualifiziert sind, um Störungen objektiv zu bewerten. Zur Bewertung wird das Problem in die beiden beschreibenden Klassen „Komplexität des Problems“ und „Dynamik des Problems“ zerlegt. Hierfür stehen entsprechende Klassifizierungstabellen, basierend auf der Ampelsymbolik, bereit. Zum Beispiel würde beim Bruch eines Stanzwerkzeugs die Komplexität des Problems mit „Niedrig“ bewertet, da man relativ eindeutig das Problem und die Ursachen beschreiben kann. Die Dynamik dieses Problems würde dagegen mit „Hoch“ angegeben werden, da ein Stillstand der Fertigungsabläufe eine Vielzahl von Veränderungen bzw. Umdisponierungen in den Prozessabläufen der Fertigung zur Folge hätte.
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Treffen Komplexität und Dynamik aufeinander, wird von Turbulenz gesprochen (Chakravarthy 1997). Bei JÜPO wird somit eine Aussage über die Turbulenz bzw. den Turbulenzgrad der Störung im Produktionsanlauf gemacht. Der Erkenntnisgewinn durch das Konzept vereinfacht das Finden entsprechender Lösungen bzw. Maßnahmen. Hierbei ist es nicht notwendig, dass das Projektteam als Einheit eine einzige Maßnahme herausarbeitet. Vielmehr von Bedeutung sind individuell erarbeitete Maßnahmen, um das vorher gemeinsam bewertete Problem zu beheben. Die Maßnahmen werden in regelmäßigen Projektbesprechungen diskutiert und hinsichtlich folgender Bewertungsgrößen (Kosten und Zeit) quantitativ bewertet: • • • •
Kostenintensität (Was kostet die Maßnahme absolut?) Kostenbindung (Wie lange werden Kosten verursacht?) Zeitintensität (Wie lange dauert die Umsetzung der Maßnahme?) Zeitwirkung (Wann wirkt die Maßnahme?)
Anhand dieser Bewertungsgrößen wird nun die Entscheidung herbeigeführt. Falls das Projektteam aufgrund von Barrieren keine Entscheidung treffen kann, wird über den Projektleiter die Geschäftsführung involviert, die dann entsprechend Einfluss nehmen kann. Die Daten zur Bewertung müssen somit gleichzeitig repräsentativen Charakter besitzen, sodass auch Personen, die mit der jeweiligen Problematik nicht vertraut sind, genug Informationen erhalten können, um die getroffenen Entscheidungen nachzuvollziehen oder eine Entscheidung treffen zu können. Ein neuer Ist-Anlauf-Zustand ist das Resultat. Um die Anlaufplanung so realitätsnah wie nötig zu gestalten und die Lücke zwischen „Soll“ und „Ist“ so gering wie möglich zu halten, ist eine Anpassung des Planungsprozesses notwendig (Schuh et al. 2004). Bei der JÜPO wird der These gefolgt, dass eine Vielzahl auftretender Probleme im Hochlauf der Produktion in den Phasen der Projekt- bzw. Anlaufplanung verursacht werden. Zur regelmäßigen Verifizierung dieser These wird ein einfaches Hilfsmittel eingesetzt, das IshikawaDiagramm (Abb. 4). Eine Aufgabe des Projektteams bei Projektabschluss ist die Aufarbeitung der gesammelten Erfahrungen mittels dieses Diagramms. Als Basis zur Anpassung der Planungsprozesse muss der Produktionshochlauf als Geschäftsprozess mit allen Abläufen und Verantwortlichkeiten beschrieben werden. In den letzten Jahren hat sich bei der JÜPO ein Standard als Referenzablauf für alle Sonderladungsträger-Projekte herauskristallisiert. Aus den dokumentierten Störungen und Problemen des Hochlauf-Geschäftsprozesses können jetzt mithilfe des Ishikawa-Diagramms die Haupt- und Detailursachen für diese Probleme aufgezeigt werden. Hier werden also die Probleme aus dem Kristallisationspunkt im Hochlauf den Ursachen in der Planung zugewiesen. Beispielsweise können folgende Ursachen für das Problem „Schweißvorrichtungen von Lieferanten nicht rechtzeitig im Einsatz“ verantwortlich sein: • Unklare Vorgaben • Falsche Vorgaben • Zu lange und somit zu späte Budgetfreigabe
Schnell und einfach Hochfahren
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Abb. 4 Nachbetrachtungen verbessern die Prozesse
Erst durch das Sichtbarmachen der Ursachen können nun konkrete Anpassungen im Planungsprozess vorgenommen werden. Für das beschriebene Beispiel sind folgende Anpassungen denkbar: • Projekt-Kick-off-Termin ändern. • Frühzeitige Ausschreibung Konzeptwettbewerb für Lieferanten. • Investitionsfreigabe mit Risikoabschätzung für „noch kein Produkt-DesignFreeze vorhanden“ vorziehen. Die gemachten Anpassungen werden in einer Historie zur Nachverfolgung im JÜPO-Projekthandbuch dokumentiert, welches jedem Projektteam zur Verfügung steht. Die Anpassung kann mittelfristig auch durch die Ergänzung neuer einfacher Methoden erweitert werden, um einen schnellen Produktionsanlauf zu realisieren. Somit ist gezeigt, dass durch einfache Hilfsmittel und klar durchdachte Strukturen Anläufe erfolgreich gestaltet werden können. Die einzelnen Aufgaben sind so weit zu zerlegen, dass eine klare Abgrenzung möglich ist, aber auch gleichzeitig Abhängigkeiten erkannt werden. Es bedarf in erster Linie keiner aufwendigen Hilfsmittel, sondern einer intelligenten Struktur der Organisation und der Abläufe. Weiterhin ist anzuerkennen, dass es immer Anpassungen und Änderungen im Verlauf eines Projektes geben wird. Entsprechend flexibel ist die Organisation zu gestalten. Im Kern kann dies durch eine Einbeziehung der Mitarbeiter auf allen Ebenen geschehen, sodass sich ein Verständnis einer lernenden Organisation entwickelt und eine gemeinsame Verantwortung für den Erfolg entsteht.
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A. Kampker, G. Tücks
Literaturverzeichnis 1. Chakravarthy B (1997) A new Strategy for Coping with Turbulance. Sloan Management Review 1997/4:69–82 2. Schuh G, Desoi J C, Tücks G (2005) Holistic Approach for Market and Value Chain optimised Production Ramp-Up in Automotive Industry. In: Bramley A, Brissaud D, Couttellier D, McMahon C (Hrsg) Advances in Integrated Design and Manufacturing in Mechanical Engineering. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 255–268 3. Schuh G, Straube F, Kampker A, Tücks G (2004) Den Produktionsanlauf als Wettbewerbsvorteil nutzen. Branchenreport Automobilzulieferer 2004/2:54–55 4. Schuh G, Röpke M, Tücks G, Knappenberger U (2003) Integration der Variantenplanung in den Entwicklungsprozess. VDI-Z 2003/4:68–70 5. Wildemann H (1995) Entstörmanagement als PPS-Funktion. 2. Auflage TCW, München
Teil VI
Änderungsmanagement
Grundlagen des Änderungsmanagements im Anlauf Florian Rösch, Axel Mayer, Stefan A. Doch Bereich Logistik, Technische Universität Berlin
Problembeschreibung Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen sichern zu können, ist es in der Automobilindustrie erforderlich, eine breite Produktpalette in hoher Qualität anbieten zu können. Darüber hinaus reagieren die Automobilhersteller auf den steigenden globalen Konkurrenzdruck mit technologischen Entwicklungen und Innovationen, durch die ohnehin verkürzte Produktlebens- und Innovationszyklen weiter reduziert werden (Straube et al. 2006). Bei der zunehmenden Anzahl an resultierenden Entwicklungsprojekten stellt der Anlauf die entscheidende Phase für den Erfolg dar (Weber 1999). Durch mangelnde Koordination und unzulängliches Projektmanagement entstehen hierbei häufig zeitliche Verzögerungen, Zusatzarbeiten und erhöhte Fehlerraten. Einen weiteren Komplexitätstreiber stellen in dieser späten Phase des Entwicklungsprozesses die geplanten, aber vor allem die ungeplanten Änderungen dar. Änderungen sind definiert als alle nachträglichen Anpassungen von freigegebenen, d. h. verbindlich festgelegten Arbeitsergebnissen (Zanner et al. 2002). Sie beinhalten immer eine Änderung der technischen Dokumentation bzw. Datenbasis, schließen aber auch alle damit zusammenhängenden Produkt- und Prozessänderungen mit ein. Nach gültigen Normen sind Änderungen prüfungs-, genehmigungs- und dokumentationspflichtig (Niemerg 1997). Auch wenn das Produktmodell im Vordergrund des klassischen Änderungswesens steht, müssen Prozesse aufgrund der engen Verzahnung in die Betrachtung einbezogen werden. Ein Prozess kann ähnlich einem Produkt für Änderungen verantwortlich und ebenso Gegenstand der Änderung selbst sein. Änderungen können nicht nur im Anlauf, sondern während des gesamten Produktlebenszyklus, d. h. auch in den dem Entwicklungsprozess nachgelagerten Phasen auftreten. Beispiele hierfür sind neben kundeninduzierten Produktpflege- und -aufwertungsmaßnahmen auch die Nachentwicklung durch produkt- und prozessseitige Optimierungen (Assmann 2000). Allerdings sind Änderungen in den ersten Phasen des Produktlebenszyklus, also in der Planung und Konstruktion, mit dem geringsten Aufwand zu realisieren (Jania 2004). Während in der Praxis häufig
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nur Änderungen im eigenen Unternehmen koordiniert werden, müssen in Entwicklungspartnerschaften die Auswirkungen der Änderungen auf Lieferanten beurteilt werden. In der Unternehmenspraxis durchgeführte Studien zeigen, dass Produktänderungen allein in der Entwicklungs- und Konstruktionsphase bis zu 40% der Gesamtressourcen beanspruchen (Lindemann u. Reichwald 1998). Neben diesem hohen erforderlichen Ressourceneinsatz verursachen Änderungen zusätzliche Turbulenzen im Produktentwicklungsprozess, was beispielhaft nachfolgende Problemfelder bedingen kann (Risse 2003): • Durch die isolierte Änderung eines Bauteils werden Änderungen bei angrenzenden Bauteilen nicht oder zu spät berücksichtigt. • Die Einsatztermine bauteilübergreifender Änderungen werden nicht aufeinander abgestimmt, wodurch erheblicher Nacharbeitsaufwand oder Zeitverzug entstehen kann. • Es existieren mehrere Änderungsstände für ein Bauteil. • Durch Intransparenz im Änderungsmanagementprozess kann erheblicher Improvisationsaufwand hervorgerufen werden. • Zulieferer haben nur eingeschränkten Zugriff auf Datenumfänge, die von einer Änderung betroffen sind. • Es fehlt an einer durchgängigen Dokumentation der Änderungen, was dazu führt, dass Änderungsstände nicht mehr nachvollziehbar sind. Gleichzeitig führen Änderungen zu Qualitätssteigerungen und Kostenreduzierungen bei Produkten und Prozessen. Daher ist eine isolierte Betrachtung von Änderungen als Störgröße nicht ausreichend. So ist es nicht zielführend, allein die Anzahl der Änderungen zu minimieren, da hierdurch nachhaltige Qualitätsprobleme in den späteren Serienprodukten und -prozessen resultieren können. Vielmehr ist es erforderlich, Änderungen zeitlich in frühe Phasen des Produktentwicklungsprozesses zu verlagern, da sie zu diesem Zeitpunkt mit geringem Aufwand realisiert werden können. Da diese Strategie nicht für alle Änderungen anwendbar ist, muss darüber hinaus der Umgang mit Änderungen möglichst effizient und effektiv gestaltet werden.
Methoden und Konzepte Der Bereich des Änderungsmanagements zielt darauf ab, die Termintreue der Prozesse im Serienanlauf sicherzustellen und gleichzeitig Durchlaufzeiten zu reduzieren. Änderungen im Anlauf sind wesentliche Kosten- und Zeittreiber. Dabei kann das Änderungsmanagement – wie in Abb. 1 dargestellt – in drei Phasen unterteilt werden: Änderungsplanung, Änderungsausführung und Änderungsabsicherung. Alle drei Phasen werden von Informationssystemen unterstützt. Die Änderungsplanung verfolgt das Ziel der Vermeidung und Vorverlagerung von technischen Änderungen. Sie hat damit einen präventiven Charakter. Um sinn-
Grundlagen des Änderungsmanagements im Anlauf
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Abb. 1 Bestandteile des Änderungsmanagements
volle Entscheidungen darüber zu treffen, ob eine Änderung tatsächlich erforderlich ist, muss eine Bewertung von Nutzen und Risiken erfolgen. Hierfür ist es erforderlich, dass potenzielle Änderungen durch Erprobungen oder Tests früh identifiziert werden können. Im Anschluss ist es notwendig, Transparenz über die Auswirkungen von Änderungen zu erlangen. Dies betrifft sowohl die assoziierten Aufgabenpakete als auch tangierte Bauteile, die einem ähnlichen Änderungsprozess unterliegen. Auf Basis einer technischen und wirtschaftlichen Gesamtbewertung muss dann von einem interdisziplinären Projektteam über die Änderung entschieden werden. Sobald die Änderung beschlossen ist, müssen die eingesetzten Methoden eine effiziente Abwicklung der Änderungen gewährleisten. Hierfür hat sich in der Unternehmenspraxis die Implementierung eines Standardänderungsprozesses bewährt, der insbesondere die Genehmigungs- und Abstimmungsprozesse koordiniert. Dieser Workflow sollte unabhängig von dem Auslöser der Änderung und von der terminlichen Dringlichkeit immer vollständig durchlaufen werden. Allerdings ist es möglich, bei dringenden Änderungsaufträgen Schritte zu parallelisieren. Ein generischer Standardprozess, der in Abb. 2 dargestellt ist, wird im Folgenden mit seinen einzelnen Phasen beschrieben (Fitzek 2006): 1. Auslösung des Änderungsvorhabens: Änderungsbedarfe können an unterschiedlichen Stellen in einer Wertschöpfungskette erkannt werden. Damit eine Kommunikation über verschiedene Stufen dieser Kette erfolgen kann, sollten zu diesem frühen Zeitpunkt bereits Änderungskoordinatoren mit klaren Verantwortlichkeiten ernannt werden. 2. Vorabklärung: Die Phase der Vorabklärung gehört zeitlich noch zu der Änderungsplanung. Das bedeutet, in dieser Phase ist es Ziel, die Auswirkungen von Änderungen bereits möglichst exakt zu beschreiben. Es müssen solche Ände-
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Abb. 2 Standardänderungsprozess (in Anlehnung an Fitzek 2006)
rungen herausgefiltert werden, die aus Kosten- oder Termingründen als nicht sofort umsetzbar einzustufen sind. Hierfür ist bereits eine umfassende Abstimmung mit den Lieferanten von Komponenten und Werkzeugen erforderlich, da ein hoher Anteil an Mehrkosten, Terminverschiebungen oder technischen Barrieren nicht vom änderungsauslösenden Unternehmens selbst beeinflusst wird. Wenn alle beteiligten Unternehmen von der Notwendigkeit und Umsetzbarkeit der Änderung überzeugt sind, wird sie freigegeben und es erfolgt eine Detaillierung. In dieser frühen Phase muss darüber hinaus analysiert werden, ob weitere Änderungen an dem betroffenen Bauteil erfolgen sollen oder in naher Zukunft zu erwarten sind. In diesem Fall kann eine Änderungsbündelung sinnvoll sein, um den Aufwand insbesondere bei den Lieferanten reduzieren zu können. 3. Detaillierung: In einem fest definierten Zeitraum müssen verbindliche Angaben zu den Änderungskosten, den Auswirkungen auf den Gesamtterminplan und den vereinbarten Meilensteinen gemacht werden. Zur Ermittlung der Änderungskosten kann bspw. die Prozesskostenrechnung herangezogen werden. Bei umfangreichen Änderungen müssen vollständige Projektpläne erstellt werden. 4. Abstimmung: In dieser Phase erfolgt eine Abstimmung der Änderungen sowohl mit den betroffenen Lieferanten als auch mit den Kunden. Sollte z. B. aufgrund von abhängigen Baugruppen intensiver Koordinationsbedarf entstehen, empfiehlt sich die Einrichtung eines Änderungskreises, an dem Vertreter aller Beteiligten teilnehmen. Durch direkte, persönliche Meetings kann eine schnelle und effiziente Abstimmung von Änderungen erfolgen.
Grundlagen des Änderungsmanagements im Anlauf
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5. Genehmigung der Wertgrenzen: Ziel dieser Phase ist die vertragliche Vereinbarung eines Budgets zur konstruktiven und produktiven Umsetzung einer Änderung zwischen dem Automobilhersteller und dem beteiligten Lieferanten. Formal gibt der Einkauf des Automobilherstellers hierzu eine Änderungskostenfreigabe. In der Praxis treten bei den Genehmigungsprozessen häufig Verzögerungen auf. Klar festgelegte Workflows sowie Vertretungsregelungen und definierte Eskalationsprozesse tragen dazu bei, diese Probleme zu vermeiden. 6. Konstruktive Umsetzung: In der Phase der konstruktiven Umsetzung werden zunächst die Zeichnungen der Bauteile und Werkzeuge angepasst und im Anschluss daran ein Erstmuster erstellt und geprüft. Bei positivem Ausgang wird die Änderung in die Produktion übermittelt. 7. Produktive Umsetzung: Mit der Umstellung der Produktion auf das neue Bauteil ist der Standardänderungsprozess abgeschlossen. Wichtig ist in dieser Phase, dass neben dem Anlauf des geänderten Bauteils auch der Auslauf des veralteten Stands berücksichtigt und aktiv gestaltet wird. Für die produktive Umsetzung, die der Phase der Änderungsabsicherung zugeordnet werden kann, existieren verschiedene Methoden, um die Änderungsstände physisch zu überwachen. Diese Methoden dienen einer frühestmöglichen Fehlererkennung insbesondere bei Zulieferteilen. Im Beitrag des Mercedes-Benz-Werks Bremen werden exemplarisch verschiedene in der Praxis erfolgreich verwendete Methoden vorgestellt. Wie in Abb. 1 verdeutlicht ist, müssen alle Phasen des Änderungsmanagements von Informationssystemen unterstützt werden. Workflow-basierte Systeme unterstützen den geregelten Austausch von Informationen und erleichtern damit auch die unternehmensübergreifende Kommunikation. IT-Integrationskonzepte wie die PLM-ERP-Integration befinden sich derzeit noch in einer frühen Entwicklungsphase, bergen jedoch das Potenzial, die Koordination zwischen Produktdesign, Produktionsprozess und Logistiksystem auszuweiten (Straube u. Doch 2007). Darüber hinaus bedarf es in jedem Fall einer einheitlichen Verwaltung von Produktdatenmodellen, um gerade in globalen Wertschöpfungsketten Transparenz über Änderungsstände aufrechterhalten zu können (Seiler et al. 2006). Das Unternehmen Behr GmbH & Co. KG hat erfolgreich ein solches System, bestehend aus Regeln und Informationstechnologie, implementiert. Dieses Konzept wird in einem weiteren Beitrag detailliert beschrieben.
Fazit Wesentliche Basis für ein erfolgreiches Änderungsmanagement bildet – neben den präventiven Maßnahmen der Änderungsplanung – die Implementierung und Nutzung eines Standardänderungsprozesses sowie dessen Vernetzung mit dem Produktdatenmanagement. Aufgrund des zunehmenden Trends der Verlagerung von Entwicklungskompetenzen zu den Zulieferern wird aber eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Herstellern unterschiedlicher Wertschöpfungsstufen immer
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bedeutender. Beide Praxisbeiträge adressieren die Besonderheiten eines Änderungsmanagements in einem globalen Produktionsverbund und liefern damit interessante Anregungen für den Umgang mit dieser Herausforderung.
Literaturverzeichnis 1. Assmann G (2000) Gestaltung von Änderungsprozessen in der Produktentwicklung. Dissertation, Technische Universität München 2. Conrat Niemerg JI (1997) Änderungskosten in der Produktentwicklung. Dissertation, Technische Universität München 3. Fitzek D (2006) Anlaufmanagement in Netzwerken: Grundlagen, Erfolgsfaktoren und Gestaltungsempfehlungen für die Automobilindustrie. Haupt, Bern 4. Jania T (2004) Änderungsmanagement auf Basis eines integrierten Prozess- und Produktdatenmodells mit dem Ziel einer durchgängigen Komplexitätsbewertung. Dissertation, Universität Paderborn 5. Lindemann U, Reichwald R (1998) Integriertes Änderungsmanagement. Springer, Berlin Heidelberg New York 6. Risse J (2003) Time-to-Market-Management in der Automobilindustrie: Ein Gestaltungsrahmen für ein logistikorientiertes Anlaufmanagement. Haupt, Bern 7. Seiler CM, Grauer M, Barten AE (2006) Prozessorientierte Integration des Änderungsmanagements. In: Industrie Management 22/6:47–50 8. Straube F (2004) e-Logistik – Ganzheitliches Logistikmanagement. Springer, Berlin Heidelberg New York 9. Straube F, Doch SA, Rösch F (2006) Kundenwunschlogistik in der globalen Automobilindustrie. In: VDI-Berichte (Hrsg) 7. Jahrestagung Automobillogistik. Logistik: Erfolgsfaktor der Zukunft! VDI, Düsseldorf, S 9–24 10. Straube F, Doch SA (2007) Umsetzungsstand und Entwicklungsperspektiven der e-Logistik. In: Schweizer Logistik Katalog 2007 – Jahrbuch für Materialfluss und Logistik 32:48–49 11. Zanner S, Jäger S, Stotko CM (2002) Änderungsmanagement bei verteilten Standorten. In: Industrie Management 18/3:40–43
Änderungsmanagement im Anlauf am Beispiel des Mercedes-Benz-Werks Bremen Frederik König, Joachim Betker Daimler AG
Das Werk Bremen Die Produktion von Automobilen in Bremen hat eine lange Tradition, die mit der Gründung der „Hansa-Automobilgesellschaft m.b.H.“ im Jahr 1905 in Varel bei Bremen begann. Nach und nach verlagerte sich der Schwerpunkt der Produktion nach Bremen, was 1938 zum Neubau eines Werks im Stadtteil Sebaldsbrück führte. Unter dem neuen Handelsnamen „Carl F. W. Borgward Automobil- und Motorenwerke“ wurden bis 1961 Personen- und Lastkraftwagen gefertigt, darunter auch die „Isabella“. Nach dem Konkurs der Borgward-Werke wurde die Produktion bereits 1962 wieder aufgenommen. Im Jahr 1969 wurden die „Hanomag-Henschel Fahrzeugwerke“ gegründet, die 1971 vollständig von der DaimlerBenz AG übernommen wurden. Lag der Schwerpunkt des Produktionsprogramms anfangs auf dem Lkw-Sektor, stand ab 1978 mit der vollständigen Eingliederung des Werks in den Produktionsverbund die Produktion von Personenkraftwagen im Fokus. Heute produzieren im Mercedes-Benz-Werk Bremen rund 13.500 Mitarbeiter Mercedes-Benz-Fahrzeuge der der C-, CLK-, SL- und SLK- Klasse. Während im „Nordwerk“ Limousine, T-Modell der C-Klasse sowie Coupé und Cabriolet der CLK-Baureihe gefertigt werden, findet im „Südwerk“ die Montage von SL- und SLK- Klasse statt. Aufbau- und Ablauforganisation des Werks folgen der klassischen Produktionsschrittfolge in der Fahrzeugproduktion. Die Produktionsgewerke Presswerk, Karosseriebau, Oberfläche und Montage werden im Sinne der logistischen sowie qualitativen Koordination der Informations- und Teileflüsse durch die Bereiche Logistik- und Qualitätsmanagement unterstützt. Das Werk Bremen steht mit anderen Mercedes-Benz-Werken in einem Produktionsverbund. So werden z. B. Achsen aus dem Werk Hamburg und Motoren sowie Getriebe aus dem Werk Untertürkheim bezogen. Darüber hinaus findet ein Austausch von Karosserieteilen der C-Klasse mit dem Werk Sindelfingen per Bahn statt. Im Rahmen der logistischen Anbindung von internen und externen Lieferanten ist das Werk Bremen aktuell durch eine Struktur geprägt, die eine zeit- und produk-
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tionssynchrone Anlieferung von Teileumfängen forciert. Außer Just-in-Time- (JIT) und Just-in-Sequence- (JIS) Belieferungsformen findet eine einstufige Versorgung der Montagebänder über Lieferantenlogistikzentren (LLZ) statt. Neben den auch durch eine hohe Teile- und Variantenvielfalt geprägten logistischen Herausforderungen sind mit verkürzten Entwicklungs- und Lebenszykluszeiten weitere, die Komplexität erhöhende Faktoren gegeben (Dombrowski 2006), die ein Anlaufmanagement in Produktionsstandorten der Automobilindustrie in besonderem Maße herausfordern. Im Mercedes-Benz-Werk Bremen ist der Anlaufprozess aufgrund der zahlreichen Neuanläufe nicht mehr nur Randprozess, sondern zunehmend gelebter Alltag.
Der „Anlauf in Serie“ als komplexe Herausforderung Die erfolgreiche Einführung neuer Produkte und Produktionsprozesse unter Beachtung sich stetig ändernder Rahmenbedingungen in die Serienproduktion stellt hohe Anforderungen an das Managen von Anlaufprozessen. Dabei ist in der Automobilindustrie unter hohem Zeitdruck das komplexe Zusammenspiel von Produkt, Prozess, Anlagen und Personal zu initiieren (Weber 2001). Aktuell steht das Werk Bremen vor der Aufgabe, in wenigen Jahren mehrere Neutypprojekte erfolgreich von der Entwicklungsphase in die Phase der Serienproduktion zu überführen. Über die Anläufe von C-Klasse Limousine, T-Modell sowie GLK, CLK-Coupé und Cabriolet hinaus stellen Auslauf- und Modellpflegeszenarien weitere Komplexitätsfaktoren dar. Damit bestimmen die mit Anlauf-, Auslaufund Modellpflegeprozessen einhergehenden Produkt- und Prozessänderungen zunehmend den Produktionsalltag. Neben den Risiken, die aus der Herausforderung „Anläufe in Serie“ zu beherrschen resultieren, bietet sich für das Werk Bremen die Chance, Effizienz und Effektivität in Anlaufprojekten konsequent weiter zu optimieren. Die zeitliche Taktung eines Anlaufs folgt dem Mercedes-Benz-Development-System (MDS), das für alle Anlaufprojekte einen verbindlichen Standard vorgibt. Wie in Abb. 1 dargestellt, ist der Gesamtentwicklungsprozess in Strategie-, Technologie- bzw. Komponentensowie Gesamtfahrzeugphase zu unterteilen. Nach Durchlaufen von Strategie- und Technologiephase, wo allgemeine Fahrzeuganforderungen festgelegt und Komponenten entwickelt werden, rückt mit der Gesamtfahrzeugphase das Zusammenspiel von Produkt- und Prozessinnovationen in den Vordergrund. Die Anlaufphase setzt sich dabei aus Nullserie, Produktionstests und Hochlauf zusammen. In die Nullserienproduktion, die in Verantwortung der Anlauffabrik im MercedesBenz-Werk Sindelfingen stattfindet, werden bereits erste Karosseriebau- und Lackieranlagen des Werks Bremen einbezogen. Im Anschluss an die Produktübergabe ins Werk dienen drei Produktionstests zur Bestätigung von Anlagen-, Produkt- und Qualifizierungsqualität. Abschließend beginnt mit der Produktion des ersten kundenfähigen Fahrzeugs im Karosseriebau, dem „Job No. 1“, die Phase des Hochlaufs,
Änderungsmanagement im Anlauf am Beispiel des Mercedes-Benz-Werks Bremen
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Abb. 1 Anlauf als entscheidende Phase
an deren Ende die Erreichung der „Kammlinie“, der geplanten Soll-Stückzahl von kundenfähigen Fahrzeugen, steht. Die Steigerung der produzierten Fahrzeugstückzahl während des Hochlaufs erfolgt in Stufen, den sogenannten „Plateaus“. Dadurch wird eine Verstetigung von Qualitäts- und Qualifizierungszielen angestrebt. Zur Überprüfung von als Reifegraden bezeichneten Produkt- und Prozessqualitäten in Form eines „Gateway“-Konzepts werden Projektmeilensteine, die Quality Gates, eingesetzt.
Steigende Komplexität von Produktund Produktionsinnovationsprozessen drückt sich in erhöhtem Änderungsaufkommen aus Richtungsweisenden Charakter für alle Aktivitäten des Anlaufmanagements hat der Termin der Markteinführung des neuen oder modellgepflegten Fahrzeugs. Das Erreichen eines qualitäts- und quantitätsgerechten Markteinführungsvolumens erfordert in besonderem Maße das Zusammenspiel aller am Anlaufprojekt beteiligten Funktionen aus Planungs-, Entwicklungs- und Werksorganisation. Alle Beteiligten sind deshalb aufgefordert, den „Anlauf in Serie“ unter Berücksichtigung möglicher
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Chancen und Risiken sowie einer Erhöhung der Produkt- und Prozesskomplexität erfolgreich zu managen. Grundsätzlich liegt Anlaufprojekten das Risiko zugrunde, dass die Erhöhung der Komplexität in unvorhergesehenen Änderungen mündet, die die Regel und nicht die Ausnahme darstellen (Straub 2006). Wie in Abb. 2 gezeigt, steht ein erhöhtes Änderungsaufkommen in der Anlaufphase dem Trend zur Verkürzung von Anlaufphase und Produktlebenszyklus entgegen (Wildemann 2002). Vor diesem Hintergrund ist ein Änderungsmanagement im Anlauf gefordert, die Änderungsauslöser möglichst früh im Innovationsprozess zu identifizieren und basierend auf dieser frühen Fehlererkennung die schnellstmögliche Fehlerabstellung einzuleiten. In den Fokus der Änderungsumsetzung rücken damit die Prozesse der Fehlerfrüherkennung, der Identifikation der Änderungsursachen sowie der Fehlerabstellung. So kommt bspw. der eindeutigen Identifikation von Änderungsursachen vor dem Hintergrund der Vermeidung von Rücksprungschleifen in Änderungsprozessen eine bedeutende Rolle zu. Zur Erreichung von Qualitäts-, Stückzahl-, Zeit- und Kostenzielen im Anlauf werden vor und nach dem Innovationstransfer in die Infrastruktur des Werks unterschiedliche Anlaufmanagementmethoden eingesetzt. Im Folgenden werden einige Methoden erläutert, die aus Sicht eines Produktionswerks einen spürbaren Beitrag zur frühen Fehlererkennung und schnellen Fehlerabstellung leisten.
Abb. 2 Trend zum „Fast Ramp-up“ versus potenzieller Änderungsanstieg in der Anlaufphase
Änderungsmanagement im Anlauf am Beispiel des Mercedes-Benz-Werks Bremen
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Einsatz von Methoden im Anlauf- und Änderungsmanagement Für die Absicherung der Änderungsstände über die Innovationsprozessverläufe werden im Werk Bremen unterschiedliche Methoden herangezogen. Im Fokus stehen dabei die Absicherung der physischen Änderungsstände von Bauteilen, Komponenten und Systemen sowie der informationstechnische Steuerungsprozess der Änderungsabwicklung. Bei den in Abb. 3 gezeigten Methodenbeispielen sind das „Colour Matching“, die „Regenprobe“ sowie der „Meisterbock im Karosseriebau“ als Methoden zu verstehen, die der konkreten Fehlererkennung dienen. Zur frühestmöglichen Fehlererkennung und -abstellung bei Lieferantenumfängen dient die Methode „Koordinationsteam anlaufkritische Teile“, der im Rahmen der geänderten Wertschöpfungsverteilung zwischen OEM und Lieferanten eine bedeutende Rolle zukommt. Das IT-System „New Product Change Management“ stellt einen Workflow-Standard zur Abwicklung des gesamten Änderungsprozesses, von der Änderungsidee über die Abstimmung aller betroffenen Bereiche bis zur produktiven Umsetzung der beschlossenen Änderung, dar. Der Ausgangssituation entsprechend, dass im Rahmen von Anlaufszenarien umfangreiche Änderungen gegenüber dem Vorgängerprodukt oder -prozess notwendig sind, widmet sich das „Koordinationsteam anlaufkritische Teile“ der Qualitäts- und Terminerreichung. In den Vordergrund rückt dabei die Begleitung des als Bemus-
Abb. 3 Beispiele für Anlaufmethoden zur Absicherung der Änderungsstände
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terung bezeichneten Prozesses zur Erreichung der Serienqualität. Beginnend mit der Bewertung aller Bauteilumfänge eines Anlaufs mithilfe eines definierten Kriterienkatalogs, identifiziert ein interdisziplinär zusammengesetztes Team mögliche kritische Umfänge. Anschließend werden die den als kritisch eingestuften Umfängen zugeordneten Lieferanten intensiv durch die Mitarbeiter aus Qualitätsmanagement, Logistik, Einkauf und Entwicklung betreut. Diese Betreuung umfasst bspw. die Bewertung der Serienproduktionsstandorte und Serienwerkzeuge im Hinblick auf die termin- und qualitätsgerechte Erreichung der Prozessfähigkeit vor der Anlaufphase des Herstellers. Bei ungeplanten Produkt- und Prozessänderungen unterstützt das Team den Lieferanten bei den notwendigen Abstimmungsprozessen und dient als Sprachrohr zur Organisation des Herstellers. Der Einsatz eines „Fügemeisterbocks im Karosseriebau“ zielt auf die Steigerung der Karosseriequalität ab. Basierend auf der exakten Nachstellung des Ist-Zustandes der Produktionsanlagen werden die Teile auf dem Meisterbock fixiert. Durch die standardisierte Nachbildung des Anlagenstatus ist die Möglichkeit zur exakten Analyse der Bauteilabstimmung, wie bspw. der Türen zur Seitenwand, gegeben. Damit lassen sich Schwierigkeiten nachstellen, die dann direkt am Meisterbock analysiert und gelöst werden können. In diesem Sinne ist der Meisterbock eine praktikable Methode, die durch die Verkürzung und Vermeidung von Änderungsschleifen als hochwirtschaftlich anzusehen ist. Weitere, mögliche Einsatzgebiete eines Fügemeisterbocks sind in Aufbauanalysen mit angrenzenden Karosseriebau- und Montageteilen oder in der Simulation von Anlagenänderungen zu sehen. Zur Überprüfung der Dichtigkeit von Fahrzeugen dient die Methode der „Regenprobe“. Ziel dieses im Werk Bremen in Anlauf- und Serienproduktionsphase angewendeten Instruments ist die nachhaltige Sicherstellung der Dichtigkeit. Die Fahrzeuge werden dabei einer genau definierten „Schlechtwetter-Umgebung“ ausgesetzt. Wassermenge, Tröpfchengröße, Fahrzeuglage und Düsenposition sind genau definiert. Diese Analysemethode hilft Fehler in Bezug auf das Dichtigkeitsverhalten und damit Änderungsursachen zu erkennen. Gesteigerte Qualitätsansprüche, hohe Formintegration und der Einsatz neuer Materialien wie z. B. von Kunststoffen bedingen einen erhöhten Anspruch an die Farbstimmigkeit von Fahrzeugen. Eine Absicherung der farblichen Gesamtabstimmung von Karosserie und Anbauteilen wird im Werk Bremen mit der Methode „Colour Matching“ verfolgt. Per Definition umfasst das „Colour Matching“ die farbliche Stimmigkeit von Karosserie und Anbauteilen zueinander sowie zu einer Referenzfarbvorlage. Zum einen werden dabei in einem Lichtstudio, wo künstliches Tageslicht zum Einsatz kommt, alle vorab festgelegten Anbau- und Karosserieteile visuell beurteilt. Ein anderes Instrument ist die Einstellung und Überprüfung von Farbtönen mit Unterstützung der Messtechnik. Mithilfe der Farbmetrik kann bereits in einer frühen Phase des Anlaufprojekts beurteilt werden, ob Karossen- und KunststoffLackmaterial zueinander ein kritisches Helligkeits- oder Farbflopverhalten aufweisen. Im Lichtstudio können Kunststoff- und Karossenlack weiter optimiert und im Sinne der Prozessfreigabe bemustert werden.
Änderungsmanagement im Anlauf am Beispiel des Mercedes-Benz-Werks Bremen
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Die Methode des „Colour Matching“ dient der präventiven Änderungsvermeidung und frühzeitigen Fehlererkennung. Durch vielfältige Fehler- und Prozessanalysemöglichkeiten bietet sie weiterhin Potenziale für zielsichere und kurzfristige Korrekturmaßnahmen. Die schnelle Fehlerabstellung in der Lieferantenkette wird über die objektiven, eindeutigen Messergebnisse gefördert. Weiterhin ist das Änderungsmanagement über Unternehmensgrenzen hinaus häufig durch eine fehlende Transparenz bei der Initiierung und Abwicklung von Änderungen geprägt. Die Schaffung eines durchgängigen, alle von der Änderung betroffenen Unternehmen einbindenden Informationsflusses ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die schnelle und prozesssichere Änderungsumsetzung. Grundsätzlich gilt, dass ein hohes Änderungsvolumen nur mit einem durchgängigen Gesamtprozess und einem effizienten IT-System transparent und beherrschbar wird. Im Sinne der Definition, dass das Änderungsmanagement den Workflow vom Änderungsanlass bis zur Durchführung einer Änderung umfasst, werden über das IT-System „New Product Change Management“ alle Änderungen ausgelöst und abgestimmt. Dabei sind sieben Phasen zu unterscheiden, die der Auslösung, Detaillierung, Bewertung, Abstimmung, Genehmigung, konstruktiven und produktiven Umsetzung dienen. Im Rahmen der Auslösung wird der änderungswürdige Zustand unter Angabe der betroffenen Umfänge und des Einsatzes der Änderung beschrieben. Diese Angaben werden in der Detaillierungsphase durch die Entwicklung in eine technische Beschreibung überführt. Anschließend wird der beschriebene Änderungsvorschlag durch weitere Bereiche hinsichtlich der Auswirkungen bewertet. In der Abstimmungsphase sprechen die im Prozess Beteiligten auf Basis der bisher erzielten Ergebnisse eine Umsetzungsempfehlung aus, die dann die Grundlage für die Genehmigungsphase ist, wo über das Änderungsvorhaben entschieden wird. Stimmt das Beschlussgremium dem Änderungsvorhaben zu, schließt sich die Phase der konstruktiven Umsetzung der Änderung an, die auch der Änderungsfreigabe in den Logistiksystemen dient. Abschließend wird die Änderung im Fahrzeug umgesetzt. Die beschriebenen Methoden sind als Beispiele zu verstehen, wie ein Produktionswerk der Automobilindustrie mit dem Thema Änderungsmanagement im Anlauf umgehen kann. Angesichts der Herausforderung, immer komplexere Produkt- und Prozessinnovationen in immer kürzeren Zeitabständen anlaufen zu lassen, kommt dem konsequenten Einsatz sowie der Weiterentwicklung dieser Methoden eine tragende Rolle zu. Sie wirken als Stellhebel zur frühen Fehlererkennung und schnellen Fehlerabstellung und unterstreichen die Bedeutung des Erfolgsfaktors Änderungsmanagement im Anlauf.
Erkenntnis eines effizienten Anlaufmanagements Die Kunst liegt darin, das Rad eben nicht neu zu erfinden, sondern konsequent „runder“ zu gestalten. Beginnend mit dem Anlauf der Limousine der neuen C-Klasse sind sämtliche Bereiche des Mercedes-Benz-Werks Bremen gefordert, das Anlauf-
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F. König, J. Betker
management im Sinne der schnellen Erreichung von Kundenfähigkeit und Kammlinie weiter zu optimieren. Damit ein derartiger „Fast Ramp-up“ Realität wird, ist insbesondere die frühe Einbindung aller am Anlaufprojekt beteiligten Bereiche erforderlich. Außerdem ist darauf zu achten, dass Produkt- und Prozessreifegrad zum Zeitpunkt der Übergabe des Neufahrzeugs an das Produktionswerk die notwendigen und hinreichenden Voraussetzungen für ein schnelles Hochlaufen der Produktion erfüllen. Mit der Standardisierung und konsequenten Optimierung von Anlaufmanagementmethoden, die so früh wie möglich in Produkt- und Produktionsinnovationsprozesse integriert werden, sind große Erfolge bezüglich der Steigerung dieser Produkt- und Prozessreifegrade erzielbar. Entscheidend ist auch hier die Orientierung an den Bedürfnissen des internen Endkunden, dem Produktionsstandort. Maßgebend für die Steilheit der Anlaufkurve ist die Lernkurve in der Produktion von Lieferanten und OEM. Innerhalb von Anlaufprozessen wird das Änderungsmanagement auch in Zukunft einen wesentlichen Erfolgsfaktor darstellen. Vor dem Hintergrund der angestrebten Technologie- und Innovationsführerschaft werden kurzfristig einsetzende Änderungen am Produkt und Prozess auch weiterhin eher die Regel als die Ausnahme sein – in den Vordergrund tritt damit der Aspekt, wie änderungsflexibel ein Anlaufmanagement konzipiert ist. Gefordert sind eine frühzeitige Integration der Lieferanten sowie eine stärkere Durchgängigkeit der Änderungsinformationen. Sicherlich sind dem kurzfristigen Reagieren auf späte Änderungen Grenzen gesetzt, aber bei verkürzten Entwicklungs- und Lebenszyklen sowie vielfältigen Netzwerkbeziehungen sind diese Grenzen hochdynamisch. Wesentlich unterstützen kann ein effizienter und zielgerichteter Informationsfluss. Aus Anläufen lässt sich immer lernen.
Literaturverzeichnis 1. Dombrowski U, Schmidt S, Wrehde J (2006) Herausforderungen für die Automobilindustrie. In: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb (ZWF) 101/5:254–259 2. Straub W, Weidmann M, Baumeister M (2006) Erfolgsfaktoren für einen effizienten Anlauf in der automobilen Montage. In: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb (ZWF) 101/3: 124–129 3. Weber J (2001) Anlaufvorbereitung im Automobilbau: Den Serienanlauf sicher im Griff – ein erfahrungsbasiertes Kennzahlensystem. In: VDI-Z 143/1–2:76–78 4. Wildemann H (2002) Änderungsmanagement – Leitfaden zur Einführung eines effizienten Managements technischer Änderungen. TCW, München
Änderungsmanagement bei einem Systemlieferanten – Der Globale Technische Änderungsdienst der Behr GmbH & Co. KG Michael Behn, Achim Trojan Behr GmbH & Co. KG
Ausgangslage Die Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart, ist Systempartner der internationalen Automobilindustrie. Die Unternehmensgruppe ist spezialisiert auf Fahrzeugklimatisierung und Motorkühlung und zählt weltweit zu den führenden Erstausrüstern bei Pkw und Nutzfahrzeugen. Der Umsatz betrug im Geschäftsjahr 2006 rund 3,2 Mrd. Euro. Behr beschäftigt an 17 Entwicklungsstandorten und in 30 Produktionswerken sowie 13 Beteiligungsgesellschaften weltweit rund 19.000 Mitarbeiter. Abbildung 1 gibt einen Überblick über das Gesamtsystem Thermomanagement. Der Funktionsbereich Neuanlauflogistik und Änderungsmanagement ist Bestandteil der Zentralfunktion Logistik der Behr Germany. Die großen Automobilzulieferer sind heute zunehmend gefordert, komplette Systeme liefern zu können, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Durch die Abbildung von Systemen ist der Zulieferer in der Lage, vernetzte, optimal aufeinander abgestimmte Komponenten zum höchsten Kundennutzen anzubieten und in ein Fahrzeug zu integrieren. Es kann damit ein Wechsel vom klassischen Zulieferer von Teilen zum Systempartner des OEM beobachtet werden. In Abb. 2 wird diese Entwicklung hin zum Lieferanten von Modulen und des Gesamtsystems FahrzeugThermomanagement am Beispiel der Firma Behr aufgezeigt. Die zukünftige Herausforderung als Systemlieferant wird darin bestehen, in einem Entwicklungs- und Produktionsverbund immer komplexere Produkte und Subkomponenten in technisch genau definierten Änderungsständen herzustellen und an den Kunden auszuliefern. Dabei müssen folgende Rahmenbedingungen besonders berücksichtigt werden: die Parallelfertigung an mehreren Standorten, die globale Verwendung von Baugruppen, dezentrale Produktionsstandorte und weltweit verteilte Konstruktionshoheiten.
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Abb. 1 Gesamtsystem Thermomanagement
Abb. 2 Integrationsstufen von der Komponenten-Lieferung bis zum Systempartner
Parallelfertigung an mehreren Standorten Im Zuge globaler Plattformstrategien für Fahrzeuge ist es heute üblich, ein System an mehrere weltweit verteilte Fertigungswerke anzuliefern. Dies bedingt eine absolut transparente Steuerung der Änderungsstände der angelieferten Produkte und der Vorbaugruppen sowie der Transport- und Lagerbestände. Besondere Aufmerksamkeit verlangen dabei auch die Supply Chains, die über mehrere Produktionsstufen bis zu 25 Wochen Materialvorlauf bedeuten können.
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Globale Verwendung von Baugruppen Bei der generell angestrebten Standardisierung von Teilen und Baugruppen im Automotivbereich ist es ein generelles Ziel bei wettbewerbsfähigen Anbietern, Gleichteile in mehreren Endprodukten auch bei unterschiedlichen Kunden zu verbauen („globale Baukästen“). Dies bedingt, dass die Auswirkungen technischer Änderungen von Baugruppen bezüglich ihrer technischen, produktionstechnischen und auch logistischen Einflüsse mit hoher Präzision beurteilt werden müssen.
Dezentrale Produktionsstandorte Im Rahmen der Reduzierung von Investitionen und der daraus resultierenden gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit ist es nahezu unvermeidlich, Produktionskompetenzcenter zu schaffen, die weltweite Produktions- und Montagestandorte bedienen. Es entsteht so ein komplexes Produktions- und Logistiknetzwerk von zuliefernden und verbauenden Standorten. Auch dies bedarf im Änderungsmanagement besonderer, schneller Steuerungsmechanismen.
Weltweit verteilte Konstruktionshoheiten Aufgrund der Globalisierung werden heute ebenfalls Konstruktions- und Entwicklungsleistungen an die kostengünstigsten Standorte innerhalb eines Konzerns vergeben. Es ist also üblich, dass große Distanzen (auch Zeitzonen) zwischen dem Entwicklungsstandort und den Produktionsstandorten liegen. Mittlerweile liegt also auch ein großes Potential in der Steuerung von einheitlichen und eindeutigen technischen Änderungsständen innerhalb des daraus resultierenden weltweiten Entwicklungsnetzwerkes. In allen oben aufgeführten Bereichen kann durch ein entsprechend gestaltetes Änderungsmanagement ein signifikantes Optimierungspotenzial realisiert werden. Die Verbesserungen treffen vor allem folgende Kostenblöcke: • • • •
Bestandsoptimierung Vermeidung von Verschrottungskosten Vermeidung von Sondertransporten und Flugkosten Produktionsbeeinträchtigungen durch falsche Änderungsstände bis hin zum Fertigungsabriss beim OEM • Reduzierung von Entwicklungsleistungen Um dieses Potenzial zu erschließen ist es zwingend erforderlich, die nachfolgenden Grundlagen zu schaffen: Dabei müssen Basisregeln in der Industrialisierung und im Produktionsumfeld definiert und die organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen geschaffen werden. Darüber hinaus gilt es, die Anforderungen an ein Änderungsmanagementsystem, das die zuvor definierten Regeln abbildet und die Strukturen wirkungsvoll unterstützt, zu berücksichtigen.
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Basisregeln Um eine stabile Grunddatenplattform zu realisieren, die das Fundament eines globalen Netzwerkes darstellt, müssen die nachfolgend beschriebenen Grundregeln innerhalb eines Entwicklungs- und Produktionsverbundes durchgängig akzeptiert und gelebt werden.
Basisregeln in der Industrialisierung Für ein Produkt bzw. ein Teil hat im Konzern nur eine Stelle die Konstruktionshoheit. Das heißt, dass es eine eindeutige Definition gibt, welcher Standort im Entwicklungsnetzwerk für das Design eines bestimmten Teiles oder einer Baugruppe verantwortlich ist. Nur die Stelle mit Konstruktionshoheit hat Änderungszugriff auf die Originalzeichnungen/CAD-Dateien. Es muss über ein Berechtigungskonzept in einem geeigneten EDM/PDM gewährleistet werden, dass nur die benannte Stelle mit Konstruktionshoheit Änderungszugriff auf die CAD-Dateien hat. Diese Stelle führt die konstruktions- und datentechnischen Änderungen aus und ist dafür mit benannten Freigebern verantwortlich. Die Verwender dieser Teile und Baugruppen beantragen notwendige konstruktive Änderungen bei der Stelle mit Konstruktionshoheit. Dafür ist es wichtig entsprechende Anfrageprozesse zu definieren und mit einem geeigneten IT-System (Workflow, Standardverteiler) zu unterstützen. Eine formlose Anfrage und Abstimmung über ein Mail-System ist in einem komplexen globalen Netzwerk in den meisten Fällen nicht zielführend. Die mit der Konstruktionshoheit belegte Stelle stimmt vor der Freigabe die Änderungen mit allen Teileverwendern oder -fertigern ab. Die sollte ebenfalls systemunterstützt erfolgen, da Standardbaugruppen eine hohe Mehrfachverwendung über Produkte und Standorte haben, was den Abstimmungsprozess komplex gestalten kann. Die Abstimmung einer Änderung erfolgt hinsichtlich Technik und Kosten sowie Terminen. Da in der Regel in einem globalen Logistiknetzwerk erhebliche Umlaufbestände an Material vorhanden sind (Dispositionsketten von Überseeteilen, Vormaterial bei Lieferanten), ist es dringend notwendig, diese Änderung bereits im Vorfeld bezüglich der möglichen Einsatztermine abzuprüfen, um eine genaue Aussage über eventuell anfallende Schrottkosten oder Sondertransportkosten zu erhalten und einen plausiblen Einsatztermin zu definieren. Die Anwendung eines konzernübergreifenden Nummernsystems ist dabei sicher eine obligatorische Voraussetzung, ohne die ein strukturiertes Änderungsmanagement im vorher beschriebenen Rahmen keinen Sinn macht. Dabei muss sichergestellt sein, dass es pro Teil im Konzernnetzwerk nur eine Sach- bzw. Zeichnungsnummer geben kann.
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Es gibt ein gemeinsames Teilesuchsystem, mit dem die Identifikation von für die Verwendung in Neuprojekten geeigneten Standardbaugruppen erleichtert wird. Des Weiteren existiert eine Stelle im Konzern, in der der aktuelle Zeichnungsstand für alle berechtigten Bereiche eines Netzwerkes verfügbar ist.
Basisregeln im Produktionsumfeld Für ein Produkt bzw. Teil kann es im Konzern mehrere Stellen mit Produktionshoheit geben. Dabei liegt die Produktionshoheit dort, wo die Teile produziert werden. Die Stellen mit Produktionshoheit sind für Verfahren, Kosten und Qualität ihrer eigenständigen Fertigungsprozesse voll verantwortlich. Jede Stelle mit Produktionshoheit sowie die Teileverwender betreuen Änderungen und Neuanläufe fertigungstechnisch, logistisch und kalkulatorisch autark. Aus diesen Regeln wird klar ersichtlich, dass die Designprozesse wesentlich restriktiver gehandhabt werden müssen als die Produktionsprozesse, die mit wesentlich höheren lokalen Freiheitsgraden ausgestattet sind, solange die Richtlinien des BehrProduktionssystems eingehalten werden.
Organisatorische und strukturelle Voraussetzungen Eine Voraussetzung zum erfolgreichen Aufbau eines Entwicklungs- und Produktionsnetzwerkes ist die Vorgabe bestimmter organisatorischer Grundfunktionen innerhalb eines jeden Standortknotens. Zusätzlich zu den klassischen Organisationseinheiten ist es sinnvoll, ergänzende Funktionen abzubilden, die besondere Fähigkeiten im Handling von technisch und logistisch komplexen Änderungen und Produktionsanläufen besitzen und die Anknüpfpunkte des technischen und logistischen Netzwerkes sind. Operativ besonders bewährt haben sich dabei das Änderungsmanagement und die Neuanlauf/ -Änderungslogistik, wie aus Abb. 3 ersichtlich wird. Nachfolgend ist als Beispiel für die Funktion eines Netzwerkknotens die Aufgabenbeschreibung des Änderungsmanagements an einem Behr-Standort dargestellt. Das operative Änderungsmanagement am Standort und das Monitoring aller von anderen Behr-Standorten eingehenden technischen Änderungen umfasst die Überprüfung aller ausgehenden technischen Änderungen auf systemgerechten Aufbau. Diese Änderungskontrolle wird für alle Projekte mit Konstruktionshoheit am Standort ausgeführt. Dabei werden die folgenden Kernaufgabenstellungen bearbeitet: die System- und Methodenverantwortung im Änderungsmanagement, die Freigabe von Änderungen im Änderungsmanagementsystem, die Betreuung der Grunddatenmodule des MRP-Systems (Stücklisten, Teilestämme) und die Verwaltung und Koordination der Betriebsmittel und Werkzeugdateien im MRP-System.
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Abb. 3 Netzwerk des Änderungsmanagements
• System- und Methodenverantwortung im Änderungsmanagement: Dies beinhaltet die Verantwortung für die Einhaltung der Konzernvorgaben und das operative Funktionieren des Änderungsprozesses am Standort. • Freigabe von Änderungen im Änderungsmanagementsystem: Dabei wird überprüft, ob der technische Sachverhalt der Änderung im System korrekt umgesetzt ist und die Teilestämme und Stücklisten für das MRP-System optimal vorkonfiguriert wurden. Die Prüfung der Konstruktionszeichnungen auf formelle Richtigkeit ist ebenfalls Bestandteil der Freigabe. • Betreuung der Grunddatenmodule des MRP-Systems (Stücklisten, Teilestämme): Dies umfasst die Funktion des „First Level Supports“ bei falschen Stücklisten und Teilestammkonfigurationen im lokalen MRP-System. Hier muss eine ständige Verfügbarkeit gewährleistet sein, um eine reibungslose Produktion in den Werken zu gewährleisten. Diese Funktion ist besonders beim Einsatz integrierter MRP-Systeme wie SAP/R3 und JIT-/JIS-Abwicklungen von entscheidender Bedeutung. • Verwaltung und Koordination der Betriebsmittel und Werkzeugdateien im MRPSystem: Dabei wird die Benummerung der Werkzeuge durchgeführt, deren Lagerorte vorkonfiguriert und den Produktionsteilen zugeordnet. Eine überprüfte und eindeutige Zuordnung zu den Produktionssachnummern ist für den Bereitstellungsprozess im Produktionswerk von entscheidender Bedeutung. Diese Tätigkeiten erfolgen in enger Zusammenarbeit mit Kundencentern, Produktlinien und der Neuanlauflogistik.
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Anforderungen an ein Änderungsmanagementsystem am Beispiel des Globalen Technischen Änderungsdienstes (GTA) der Behr GmbH & Co. KG Um den eingangs genannten Rahmenbedingungen gerecht zu werden, ist es ein deutlicher Vorteil in der operativen Anwendung, wenn alle am Änderungsprozess beteiligten Mitarbeiter mit einer einheitlichen Software arbeiten, die zuverlässig alle von einer Änderung betroffenen Entwicklungsstandorte identifiziert und dem Anwender visualisiert. Innerhalb eines organisch gewachsenen Konzernverbundes ist es dabei durchaus üblich, unterschiedliche MRP-Systeme zu nutzen. Dies führt in der Regel zu Schnittstellenproblemen und Fehlern im Grunddatenbestand. Eine häufig praktizierte Lösung ist das manuelle Übertragen von Daten von einem führenden (Konzern-) System in ein standortbezogenes MRP-System einer Tochtergesellschaft. Dabei entstehen wiederum negative Effekte wie redundante, mit hohem personellem Aufwand verbundene Datenpflege in den Entwicklungs- und Konstruktionsabteilungen. Ein neu zu konzipierendes System muss deshalb eine sinnvolle Schnittstellenkonfiguration besitzen, um diesen Datenabgleich vollständig zu automatisieren. Bei der systemischen Abbildung komplexer globaler Entwicklungs- und Produktionsnetzwerke ist es notwendig, durch einen systemgestützten Workflow und darin integrierte Rollenzuweisungen sicherzustellen, dass jeder von einer Änderung betroffene Standort sowie die verantwortlichen Bearbeiter integriert und informiert werden. Jede berechtigte Person hat dabei die Möglichkeit, den aktuellen Stand der Änderung im Netzwerk über das System zu verfolgen und ggf. Bearbeitungsengpässe zu identifizieren. Um die Anwendbarkeit und Akzeptanz einer Änderungssoftware im globalen Einsatz zu gewährleisten, ist es erforderlich die Benutzeroberfläche zumindest in Englisch, noch besser jedoch in den wichtigsten Konzernsprachen abzubilden. Wenn die Benutzeroberfläche anwenderbezogen zugeordnet werden kann, ist der Wechsel von Mitarbeitern innerhalb des Netzwerkes deutlich vereinfacht. Der technische Sprachgebrauch im Grunddatenmanagement lässt sich bei vielen Firmen mit etwa 3.000 standardisierten Begriffen abbilden. Unter dieser Rahmenbedingung ist es sinnvoll nicht nur die Benutzeroberfläche, sondern zusätzlich auch den Dateninhalt (Teilestämme, Stücklisten, etc.) durch das System anwenderbezogen in dessen jeweiliger Sprache zu visualisieren. Bei einer Parallelproduktion an verschiedenen Standorten ist es durchaus üblich, dass sich die Stücklisteninhalte technisch identischer Teile regional unterscheiden. Beispielsweise kann dabei ein Blechhalter an einem Standort mit automatischer Zuführung von einem Coil und an einem anderen Standort halbautomatisch von einem Blechzuschnitt gestanzt werden. In der Stückliste des Halters wird also standortabhängig eine andere Halbzeugsachnummer integriert sein, wodurch standortspezifische Stücklisten entstehen. Diese lokalen Stücklistenvarianten müssen vom System abgebildet und erkannt werden.
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Resultierend aus dem schon vorher beschriebenen Konzept der Konstruktionshoheit ist es notwendig einen zentralen Datenbestand, unabhängig von der verwendeten MRP-Software zu schaffen. Es ist sinnvoll diese Daten in einem im Regelfall bereits verwendetem EDM-System (Engineering Data Management) zentral anzulegen und zu verwalten. Dies bedingt die Versorgung der MRP-Systeme über eine entsprechende MRP-GTA/EDM-Schnittstelle. Daraus resultierend wird die Verwaltungsberechtigung der Teilestämme und Stücklisten aus dem MRP-System in das GTA/EDM-System verlagert. Genau definierte lokale Felder – bspw. Fertigungsvorschriften, Verpackungen und Hilfs- und Betriebsstoffe – können weiterhin im lokalen MRP-System gepflegt werden. Grundsätzlich wird dabei berücksichtigt, dass alle Mitarbeiter, die nur LeseZugriff auf das MRP-System haben (z. B. Mitarbeiter aus der Produktion), auch in Zukunft nach diesem Prinzip arbeiten können und keinen EDM/GTA-Zugriff benötigen.
Systemische Umsetzung der Anforderungen Die skizzierten Anforderungen wurden im Rahmen des Globalen Technischen Änderungsdienstes bei der Behr GmbH & Co. KG in ein entsprechendes systemtechnisches Konzept überführt. Abbildung 4 zeigt den Aufbau der involvierten Systeme (EDM-System und die MRP-Systeme SAP/R3 sowie Infor XPPS) und die dafür benötigten Schnittstellen schematisch auf. Im Konzerndatenverbund ist die Trennung der Datenbestände und deren Verwaltungsberechtigung nach den folgenden Richtlinien geregelt: Daten der Produktent-
Abb. 4 Schematischer Aufbau der Datenstrukturen zwischen Entwicklung und Produktion
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wicklung werden zentral über das EDM-System (Metaphase) verwaltet. Zu diesen Daten gehören vor allem die Zeichnungen, Teilestämme (TST) und die Konstruktionsstücklisten (STL). Ergänzt werden diese Daten durch die elektronischen Änderungsvorgänge (AEN), die diese Daten modifizieren oder erstmalig freigeben. Eine wichtige Steuerfunktion haben die sogenannten Lokationstabellen (LOK), die an jedem Teilestamm angefügt sind. Durch diese werden den Teilestämmen und damit den Stücklisten Produktions- und Verwendungsorte zugewiesen. Das folgende Beispiel soll diese Zuweisungen verdeutlichen: • • • •
Teil X wird produziert in Werk A (Eigenfertigung Werk A) Teil X wird produziert in Werk B (Eigenfertigung Werk B) Teil X wird gekauft von Werk C aus Werk A (Kaufteil im Konzernverbund) Teil X wird gekauft von Werk D von externem Lieferanten (Externes Kaufteil)
Basierend auf diesen Schlüsselrelationen (die in allen logischen Kombinationen vorkommen können), werden über Schnittstellen den MRP-Systemen der Standorte die relevanten Stücklisten eingespielt. In den lokalen MRP-Systemen können diese Stücklisten nicht mehr eigenständig verändert werden, da sie für die Verwaltung gesperrt sind. Änderungen der Stücklisten werden von der Produkt- und Prozessentwicklung angefordert und über elektronische Änderungsvorgänge (AEN) entsprechend der zugehörigen Workflows aktualisiert.
Integrierter Workflow im Änderungsmanagement In den GTA ist eine entsprechende Workflowsteuerung implementiert, die anhand der Lokationskennzeichen die von einer technischen Änderung betroffenen Standorte informiert und die lokalen Änderungsbearbeitungen steuert. Dabei wird berücksichtigt, ob ein Teil an dem jeweiligen Standort Eigenfertigungs- oder Kaufteil ist und der Ablauf entsprechend angepasst. Dieser Prozess ist in Abb. 5 exemplarisch dargestellt, wobei das von der Änderung betroffene Teil im Werk A ein Kaufteil, im Stammhaus und Werk B hingegen ein Eigenfertigungsteil ist.
Globale und lokale Stücklisten Grundsätzlich ist es bei weltweiten Produktionsnetzwerken üblich, dass Stücklisten im Halbzeugbereich und bei Logistikbaugruppen lokale Unterschiede aufweisen können. Daher wird im GTA zwischen einer für alle einheitlichen Konstruktionssicht und einer nur lokal sichtbaren Produktions- oder Werkssicht unterschieden. Dabei kann es theoretisch so viele Werkssichten wie Standorte geben, solange das Teil technisch/konstruktiv nicht verändert wird.
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Abb. 5 Integrierter Workflow im Änderungsmanagement
Im Beispiel in Abb. 6 ist im Werk B das Gehäuse ein Eigenfertigungsteil, im Werk A hingegen ein Kaufteil, wodurch im Werk A das Granulat nicht Bestandteil der lokalen Stücklistensicht ist. Die für Generierung dieser lokalen Produktions- und Werkssicht benötigte GTASchnittstelle versorgt das MRP-System des betroffenen Standortes mit der jeweiligen, für das Werk gültigen Stückliste. Im in Abb. 7 dargestellten Beispiel ist das Gehäuse im Werk B ein Eigenfertigungsteil und deswegen mit der Stücklistenposition Granulat versehen, im Werk A ist es ein Vollkaufteil, dessen Stückliste aus diesem Grund kein Granulat enthält.
Abb. 6 Unterscheidung der einheitlichen Konstruktionssicht von der lokal sichtbaren Produktionsoder Werkssicht im GTA
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Abb. 7 Übertragung standortspezifischer Stücklisten in die MRP-Systeme
Das GTA-System kann dabei prinzipiell mit jedem MRP-System zusammenarbeiten, da alle spezifischen Umsetzungen in der Schnittstelle stattfinden.
Fazit Das Betreiben eines globalen Entwicklungs- und Produktionsnetzwerkes als Systemlieferant ist ohne ein strukturiertes Änderungsmanagement nicht darstellbar. Dabei ist ein im Konzern standardisiertes, eindeutiges Nummernsystem die Basis für alle Aktivitäten im Änderungsmanagement. Die vielfältigen Anforderungen an Systemlieferanten machen es erforderlich, dass ein Änderungsmanagementtool als Integrationsplattform zwischen PDM- und MRP-System im Bereich Grunddaten fungiert. Durch die materialstammbezogene Festlegung von Verwendungs- und Standortrelationen weist dieses System den lokalen MRP-Systemen die benötigten Stücklisten zu. Dies ist, in Verbindung mit der Sperrung der Stücklisten im MRP-System, der Schlüssel für aktuelle, transparente und einheitliche Stücklisten. Änderungen an den Stücklisten dürfen nur über das zentrale Änderungssystem eingespeist werden. Die dezentrale Materialstamm- und Stücklistenverwaltung im MRP-System können (oder müssen) deaktiviert werden. Durch das dadurch notwendige aktive Zuweisen der Stücklisten ist gewährleistet, dass das Änderungsmanagementsystem immer alle Informationen über produzierende und verwendende Standorte der Teilstämme und Stücklisten sowie den aktuellen Stand der Produktionsstücklisten aller Standorte beinhaltet. Das Änderungsmanagementsystem darf nur eine Konstruktionsstückliste zulassen, muss jedoch lokale Stücklistensichten darstellen, um regionale Abweichungen bei Kaufteilen, Rohmaterial und Logistikbaugruppen abzubilden.
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Die dargestellten Kernelemente eines integrierten Änderungsmanagementsystems, wie es die Behr GmbH & Co. KG im Rahmen des Globalen Technischen Änderungsdienstes (GTA) erfolgreich umgesetzt hat, ermöglichen eine zeitnahe und zuverlässige Reaktion auf Änderungsanforderungen. So ist es auch in Zukunft möglich, als Systemlieferant in global aufgestellten Produktions- und Entwicklungsnetzwerken erfolgreich zu bestehen.
Teil VII
Kostenmanagement
Kostenmanagement im Anlauf – Aufgaben und Instrumente Klaus Möller, Martin Stirzel Georg-August-Universität Göttingen; International Performance Research Institute gGmbH
Einführung Der Produktionsanlauf stellt die Schnittstelle zwischen Entwicklung und Serienproduktion dar. Er umfasst Vorserie, Nullserie und Produktionshochlauf. Zentrale Herausforderung des Anlaufs ist es, die Stückzahlenerhöhung bei der Reproduktion des Entwicklungsergebnisses sicherzustellen. Für das Controlling von Anläufen stehen als Effizienzmaßstab die Zielgrößen Zeit, Qualität und Kosten im Mittelpunkt (Blank 1998). Gerade im Anlauf besteht die besondere Herausforderung in der „Austarierung“ der drei Zielgrößen, da diese in einem interdependenten Zusammenhang stehen (Mayer u. Zinkernagel 1999; Eversheim 1997). Die Dimension Qualität stellt eine Voraussetzung dar, Maßstab ist wie o. a. die Reproduktion von Entwicklungsergebnissen. In der Zeitdimension geht es darum, Entwicklungsund Durchlaufzeiten einzuhalten bzw. zu minimieren. Kostenseitig müssen einerseits die Kosten für den Anlauf (Werkzeugkosten, Schulungen etc.) und andererseits Folgekosten in der Serie (Fehlerkosten, Änderungskosten etc.) minimiert werden. Häufig besteht bereits innerhalb der Kostendimension ein Trade-off zwischen Vorlauf- und Folgekosten: Beispielsweise können Fehlerverhütungskosten im Anlauf Prüf- und Fehlerbeseitigungskosten in der Serie senken. Die entsprechenden zielund zukunftsorientierten Bewertungs- sowie Steuerungsaktivitäten sind Gegenstand des Kostenmanagements im Anlauf. Ein solches existiert bisher in einer geschlossenen Form allerdings nicht. Vielmehr werden vereinzelt Kostenaspekte im Zusammenhang mit dem Anlauf thematisiert und Lösungsansätze in funktionaler oder instrumentaler Hinsicht vorgeschlagen. Es erscheint auch fraglich, ob sich für eine Anlaufsituation – die ja immer wieder eine neuartige Konstellation darstellt – ein starres System von Regeln zur proaktiven Kostenplanung, -steuerung und -kontrolle etablieren lässt. Im Folgenden wird daher – nach einer kurzen Einführung zum Kostenmanagement – ein Überblick über die zentralen Instrumente des Kostenmanagements im Anlauf gegeben. Durch die Nutzung dieser instrumentellen Ansätze kann damit der Kostenaspekt im Anlauf zielorientiert gesteuert werden.
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Konzeptionelle Grundlagen des Kostenmanagements im Anlauf In diesem Kapitel werden Grundlagen der Begriffe Kosten und Kostenmanagement sowie relevante Kostenarten und damit verbundene Aufgaben beschrieben.
Kostenmanagement Kosten werden – im vorherrschenden wertmäßigen Kostenverständnis – als „der bewertete Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen für die Herstellung und den Absatz von betrieblichen Leistungen und die Aufrechterhaltung der dafür erforderlichen Kapazitäten“ verstanden (Wöhe u. Döring 2005). Im Gegensatz zur dokumentierenden und damit vergangenheitsorientierten Kostenrechnung mit den Teilsystemen Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung bezeichnet der Begriff Kostenmanagement die aktive und zielorientierte Gestaltung und Beeinflussung von Kostenstruktur, -niveau und -verlauf (vgl. Tabelle 1 sowie grundlegend Kajüter 2000; Franz u. Kajüter 2002). Die drei Dimensionen Kostenniveau, Kostenverlauf und Kostenstruktur sind variabel und damit als Gestaltungsparameter des Kostenmanagements beeinflussbar. Eine Veränderung wirkt sich direkt auf die Kostensituation als primäres Gestaltungsobjekt aus. Damit sind Entscheidungen im Kontext des Kostenmanagements immer zukunftsorientiert (z. B. Produktdifferenzierung, Fertigungstiefe, Produktionsverfahren, Logistik). Das Kostenmanagement wird dazu notwendigerweise in frühen Phasen der Produktentwicklung und des Produktanlaufs gestaltend tätig, um die Kostenverursachung zielorientiert zu steuern. Im Rahmen des Anlaufs ist daher ein wesentliches Ziel, Kostenkonsequenzen zu antizipieren und entscheidungsorientiert zu beeinflussen. Wesentliches Element des Kostenmanagements ist seine Funktion als Impulsgeber, um Unwirtschaftlichkeiten und Gestaltungsspielräume zu einem frühen Zeitpunkt und in den richtigen Bereichen antizipativ aufzuzeigen. Damit geht das Kostenmanagement über die traditionelle Kostenrechnung mit ihrer eher vergangenheitsorientierten Dokumentations-, Abbildungs- und Verrechnungsfunktion hinaus. Insbesondere die Entscheidungsunterstützung für wirtschaftliches Handeln stellt ein wesentliches Differenzierungsmerkmal dar und beinhaltet einen Wandel von einer ex post ausgerichteten „Kontrollrechnung“ zu einem sowohl retrospektiv wie auch prospektiv orientierten Bündel von Instrumenten. Wesentlich unterstützt wurde diese Entwicklung zu entscheidungs- und maßnahmenbezogenen Ansätzen durch das anglo-amerikanische Verständnis des Management Accounting. Die traditionelle Kostenrechnung und das Kostenmanagement sind allerdings nicht isoliert voneinander zu betrachten: Das Kostenmanagement greift auf die rechnerische Abbildung der Ausgangsgrößen zurück und kann nur mit den entsprechenden Kosteninformationen Gestaltungsvorschläge erbringen. In einer Rückkopplungsschleife fließen Impulse dann wieder in die Gestaltung der Kostenrechnung ein.
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Tabelle 1 Dimensionen und Gestaltungsmöglichkeiten des Kostenmanagements (Möller 2003) Kostenniveau
Kostenverlauf
Kostenstruktur
Änderungen •
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Senkung des Niveaus der entscheidungsrelevanten Kosten durch Fixkostenanstieg. Generelle Kostenniveausenkung durch Wettbewerbsintensivierung. Verschärfung der Kostenintensität durch steigende Faktorpreise.
•
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•
Hohe Innovationsrate, abnehmende Produktlebenszeiten und steigende Produktentwicklungszeiten führen zu Verkürzung der Pay-off-Period. Investitionsintensive Technologien führen zum Anstieg der Vorlaufkosten. Gesetzliche Regelungen machen eine Berücksichtigung der Nachlaufkosten notwendig. Periodenbezogenheit der Kostenrechnung führt zu Zurechnungsproblemen.
•
•
•
•
Fixkostenanstieg bzw. Anstieg der Starrheit der Kostenstrukturen durch investitions- und kostenintensive Technologien. Verbesserte Technologien (Rationalisierung, Automatisierung, Verkürzung der Bearbeitungszeiten etc.) führen zur Verlagerung von produktiven auf dispositive Tätigkeiten, was einen Gemeinkostenanstieg zur Folge hat. Materialkostenanstieg durch sinkende Fertigungstiefe. Automatisierung, Flexibilisierung und gestiegene Kundenanforderungen führen zu Variantenanstieg, was einen Anstieg der Erlösund Kostenträger zur Folge hat.
Ziele Reduzierung der angefallenen Kosten
Optimierung/Flexibilisierung der Kostenreagibilität
Optimale Allokation/Verwendung/ Dimensionierung der Kosten
Einflussfaktoren • •
Menge der Produktionsfaktoren Wert der Produktionsfaktoren
• • • •
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Beschäftigung Technik Lernen/Erfahrung Sprünge durch Unstetigkeit im Wertgerüst, Komplexität Remanenz/Präkurrenz der Kostenänderung
•
• •
Zeitlicher Horizont des Kostenanfalls (variabel/fix) Zurechenbarkeit der Kosten (einzel/gemein) Entstehungszusammenhang (primär/sekundär)
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Kostenmanagement im Anlauf Kosten haben in zweierlei Hinsicht Bedeutung für den Anlauf: Zum einen fallen Kosten für die während des Anlaufs durchgeführten Aktivitäten (Projektkosten) an, zum anderen wird ein beträchtlicher Anteil der späteren Kostenstrukturen (Produktkosten) während der Anlaufphase beeinflusst und determiniert. Die Projektkosten erstrecken sich über die Phasen der Forschung und Entwicklung und über die anlaufspezifischen Phasen Vorserie, Nullserie und Produktionshochlauf. Das erste kundenfähige Produkt wird zu Beginn der Hochlaufphase gefertigt. Die Kosten für die einzelnen Phasen variieren abhängig von der Art der Produkte. Bei einer neuen Variante ist weniger konstruktive Entwicklungsarbeit notwendig, sodass einige Prozesse aufgrund früherer Erfahrungen standardisiert durchgeführt werden können und lediglich eine geringe Anzahl an Änderungen zu erwarten ist. Neu zu entwerfende Produkte sind von hoher Unsicherheit geprägt. Werden gesetzliche Bestimmungen, Funktions- oder Belastungstests nicht erfüllt, können sich die Kosten in einzelnen Phasen stark erhöhen. In der Serie anfallende Produktkosten werden bereits in frühen Phasen von Projekten festgelegt. Diese Kosten können mittels Kennzahlen regelmäßig überprüft werden. Sowohl dem Einkauf als auch dem Engineering sollten Zielvorgaben bezüglich der Produktkosten vorliegen. Für den Einkauf sind insbesondere für die Materialbeschaffung und damit auch für die Lieferantenauswahl entsprechende Kennzahlen zu bilden. Zu verwendende Materialien werden frühzeitig determiniert, da diese in Entwicklungs- und Anlaufphasen verschiedene Funktions- und Belastungstests bestehen müssen, um eine Serienfreigabe zu erhalten. Zur Sicherstellung der Materialversorgung muss die Zusammenarbeit mit den Lieferanten möglichst früh begonnen werden. Dass Lieferanten für Prototypenteile oft nicht den Zulieferern für die Serienproduktion entsprechen, bedeutet Synergieverluste im Lieferantenmanagement. Das Engineering muss versuchen, sich anbahnende Kostenfallen vor bzw. während der Entwicklung zu erkennen und diesen gegenzusteuern, solange noch die Möglichkeit gegeben ist, zu relativ geringen Kosten konstruktive Änderungen vorzunehmen. So sollte bspw. das sog. „Design-Waste“, d. h. die Konstruktion kostenintensiver, aber nicht-wertsteigernder Elemente oder Funktionen vermieden werden, um das vorhandene Budget zu nutzen und sich Wettbewerbs- oder Kundenvorteile zu sichern.
Aufgaben des Kostenmanagements im Anlauf Die Kosten des gesamten Produktlebenszyklus und damit verbunden die kumulierte Produktrendite werden unter anderem durch den Produktionsanlauf festgelegt (Stender et al. 2004). Die Kostendimension ist ein wichtiger Faktor und bedarf einer genauen Planung, Steuerung und Kontrolle im Zuge des Produktionsanlaufprozesses (Möller 2002). Dabei stehen Plankosten und deren Einhaltung bzw. die Überwachung von Über- oder Unterschreitungen im Mittelpunkt, denn je weiter der Entwicklungsprozess fortgeschritten ist, desto zeit- und kostenintensiver werden Än-
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derungen am Produkt oder dessen Komponenten (Kajüter 2000). Genauso gilt umgekehrt: „Je früher Kostenabweichungen erkannt werden, desto wahrscheinlicher können sie aufgefangen werden und desto niedriger sind evtl. Änderungskosten“ (Jehle 1984). Aus diesem Zusammenhang leitet sich die Forderung ab, bereits von Beginn des Entwicklungsprozesses an die Einhaltung der Kostenziele sowohl für Produktkomponenten als auch für das Gesamtprodukt zu kontrollieren. Problematisch ist hierbei, dass die Möglichkeiten der Kostenerfassung und -beurteilung erst im Laufe des fortschreitenden Entwicklungsprozesses zunehmen. Deshalb muss sich die Kostenkontrolle zu Beginn auf prognostizierte Kontrollgrößen (Wirdkosten) stützen, die mit Hilfe verschiedener Instrumente der konstruktions- und entwicklungsbegleitenden Kalkulation ermittelt werden. Durch einen solchen Soll/Wird-Vergleich als Zusatz (Planfortschrittskontrolle) werden potenzielle Kostenabweichungen frühzeitig aufgedeckt, wobei gewisse Toleranzgrenzen aufgrund der Ungenauigkeit von Schätzgrößen berücksichtigt werden sollten (Kajüter 2000). Weiter sind die Planungsprämissen während des Entstehungsprozesses zu kontrollieren (Wird/Ist-Vergleich). Im Vordergrund stehen dabei die technischen Anforderungen an ein Produkt. Werden diese während des Entwicklungszyklus geändert (z. B. aufgrund gesetzlicher Bestimmungen), können sich die geplanten Kostenziele als unrealistisch erweisen und die Suche nach kostengünstigeren Lösungen erforderlich machen. Die Notwendigkeit hierzu wird jedoch nur erkannt, wenn die der Planung zugrunde gelegten Prämissen kontrolliert werden (Kajüter 2000). Deshalb wird eine stetige Kontrolle der Plankosten und der damit verbundenen Zielerreichung der technischen Anforderungen bspw. über eine (später beschriebene) kombinierte Meilenstein-Kosten-Trendanalyse erforderlich. Durch eine Realisationskontrolle kann die Erreichung der Kostenziele zu Beginn des Marktzyklus überprüft werden. Hieraus lässt sich einerseits ein Feedback für die Kostenplanung und -steuerung während der Produktentwicklung ableiten. Andererseits wird bei negativen Kostenabweichungen weiterer Kostensenkungsbedarf für die Phase der Produktion und Vermarktung sichtbar. Während die Realisationskontrolle somit nur einmalig nach Abschluss der Entwicklungsphase durchgeführt wird, können die Planfortschritts- bzw. Prämissenkontrollen sowohl an definierten Meilensteinen als auch in regelmäßigen Kontrollintervallen stattfinden. Kostenkontrollen sollten nach Friedl „zumindest nach Abschluss jeder Phase des technischen Entwicklungsprozesses durchgeführt werden“ (Friedl 1994), um kurze Rückkopplungsschleifen zu ermöglichen.
Phasenorientierte Betrachtung In den einzelnen Phasen des Anlaufs treten unterschiedliche Anforderungen an das Kostenmanagement auf. In der Vorserie erfolgt die Produktion von Prototypen in größeren Stückzahlen, dies im Gegensatz zum Prototypenbau bereits unter seriennahen Bedingungen. Der Unterschied zum Prototypenbau macht sich dadurch bemerkbar, dass auch die zur
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Fertigung und Montage des neuen Produkts notwendigen Prozesse bereits am Entwicklungsobjekt erprobt werden. Die Stückkosten sind noch relativ hoch, jedoch deutlich geringer als im Prototypenbau. Diese Phase ist nach Clark und Fujimoto äußerst wichtig für die Problemfrüherkennung, da Unternehmen die Prototypenproduktion zur Prozessverbesserung nutzen können, um späteren Problemen in der Produktion frühzeitig entgegenzuwirken (Clark u. Fujimoto 1991). Nach der Vorserie schließt sich die seriennahe Produktion der Nullserie an. In der Nullserie sollen alle Teile und Komponenten mit Serienwerkzeugen hergestellt werden; fremd bezogene Teile sollen bereits aus der Serienproduktion des Zulieferers stammen. Fertigungs- und Montageprozesse können nun detailliert getestet und abgestimmt werden (Gentner 1994). Der Übergang auf Serienwerkzeuge schon vor dem eigentlichen Produktionsstart ist notwendig, weil Einzelteile und Baugruppen durch die Umstellung von Modell- auf Serienwerkzeuge ihre Eigenschaften ändern können und dadurch ihre Funktion im fertiggestellten Produkt beeinträchtigt werden kann. Aus Erfahrungen der BMW AG geht jedoch hervor, dass durch die eingesparten Änderungskosten an Serienwerkzeugen die höheren Kosten einer seriennäheren Vorserie um ein Vielfaches kompensiert werden (Wangenheim 1998). In der Nullserie kann es zu umfangreichen Änderungen kommen. Diese Änderungen können oft nicht mehr vollständig in der kurzen Zeit bis zum Serienstart durchgeführt werden, da der Termin für den Produktionsstart durch die Markteinführung und die bereits vorliegenden Bestellungen eingehalten werden muss, in der Regel ohne Rücksicht auf die Kosten- und Qualitätssituation. Nach einer Untersuchung in Unternehmen verschiedener Branchen ermittelte Wildemann, dass durchschnittlich 20% aller Änderungen allein in der Nullserie und 50% erst nach Serienstart durchgeführt werden (Wangenheim 1998). Nach Abschluss der Vor- und Nullserie und Erteilung der Serienfreigabe aufgrund der Ergebnisse aus der Nullserie erfolgt der Produktionshochlauf mit dem ersten kundenfähigen Produkt. Der Produktionshochlauf erfolgt einige Zeit vor Verkaufsbeginn, um so die Distributionskanäle füllen zu können (Clark u. Fujimoto 1991). Der Beginn des Produktionshochlaufs wird auch „Start of Production“ (SOP) genannt (Pfohl u. Gareis 2000). Während des Produktionshochlaufs ist im Vergleich zur späteren stabilen Serienproduktion eine noch geringere Qualität, eine niedrigere Ausbringungsmenge sowie ein erhöhter Bedarf an Material und Arbeitskräften zu verzeichnen. Das Ende des Produktionshochlaufs tritt ein, wenn eine stabile Produktion vorliegt. Dies wird in der Praxis jedoch unterschiedlich definiert und muss bei der Implementierung von Instrumenten beachtet werden. Einige Unternehmen sehen den Produktionsanlauf als erfolgt an, wenn ein gegebenes Qualitätsziel, z. B. eine bestimmte Ausschussbzw. Fehlerzahl, erreicht ist. Andere Unternehmen hingegen definieren das Ende des Produktionshochlaufs mit dem Erreichen der durch die Arbeitsvorbereitung vorgegebenen Durchlaufzeit des Produkts im gesamten Produktionsprozess. Solange die Fertigungsprozesse in der Hochlaufphase noch nicht stabil sind und die Produktionsmitarbeiter noch keine ausreichende Erfahrung mit den Produktions- und Montagevorgängen gesammelt haben, wird die Durchlaufzeit eines Produktes im Hochlauf länger als geplant sein (Wangenheim 1998).
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Die genannten Kriterien sind, isoliert betrachtet, ungeeignet für die Identifikation einer stabilen Produktion, da eine eindimensionale Realisierung Suboptima darstellt (Wangenheim 1998). Weiterhin wird oft die Normalproduktivität herangezogen. Diese ist die Plangröße dafür, wie viele fehlerfreie Produkte in einer bestimmten Periode hergestellt werden sollen (Lanza u. Fleischer 2005). Laick gibt zur Definition für eine sichere Produktion und somit das Ende des Produktionshochlaufs folgende Kriterien (Laick 2003): • Erreichen der Normalproduktivität in Form einer erreichten Anzahl fehlerfreier Einheiten eines Produktes in einer bestimmten Zeitperiode, • Erreichen der gesetzten Qualitätsziele der Produktionsprozesse, bspw. mithilfe von statistischer Prozesslenkung, • Erreichen einer vorgegebenen Durchlaufzeit in der Produktion für ein Produkt, • Erreichen der geplanten Stückkosten pro hergestellter Einheit, • Erreichen eines definierten Zeitpunkts nach Beginn des Produktionshochlaufs, z. B. sechs Monate nach SOP. Hier zeigen sich auch die Komplexität von Anläufen und die Erfordernis einer mehrdimensionalen Steuerung.
Instrumente des Kostenmanagements im Anlauf Kennzahlensteuerung von Anläufen Um Kosten im Anlauf zu planen, zu steuern und zu kontrollieren, ist eine Messung erforderlich. Dies kann über Kennzahlen erfolgen. Kennzahlen werden im Rahmen von Instrumenten und Methoden eingesetzt. Kennzahlen sollen relevante Zusammenhänge in verdichteter und quantitativ messbarer Form wiedergeben. Kennzahlen sind klassische Instrumente des Controllers, weil mit ihrer Hilfe die Informationsversorgung in einer für das Management adäquaten Weise erfolgen kann. Mit Kennzahlen lassen sich sowohl Informationsals auch Steuerungsaufgaben wahrnehmen (Horváth 2006). Sie stellen ein wichtiges Hilfsmittel für Planung (Sollgrößen) und Kontrolle (Istgrößen) dar. Dabei können folgende Kennzahlenarten unterschieden werden (Horváth 2006): • Gliederungszahlen • Beziehungszahlen • Indexzahlen Sie lassen sich mit den folgenden Arten des Vergleichs in Bezug bringen (Horváth 2006): • Kennzahlenvergleich (innerbetrieblich oder zwischenbetrieblich) • Zeitvergleich • Soll-Ist-Vergleich
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Kennzahlensysteme sind geordnete Gesamtheiten von Kennzahlen, die in einer Beziehung zueinander stehen und so als Gesamtheit über einen Sachverhalt vollständig informieren. In der Praxis gibt es zweierlei Erscheinungsformen von Kennzahlensystemen (Horváth 2006): • Ordnungssysteme ordnen die Kennzahlen bestimmten Sachverhalten, z. B. dem Anlauf, zu und erfassen hierdurch bestimmte Aspekte des Unternehmens. • Rechensysteme beruhen auf der rechnerischen Zerlegung von Kennzahlen und haben eine Hierarchie mit der Struktur einer Pyramide. Kostenmanagement mittels Kennzahlensystemen muss sich in jüngster Zeit immer mehr der Kritik stellen, eindimensional und nicht umfassend bzw. nicht hinreichend realitätsnah zu sein, um die Erreichung von Sachzielen in geeigneter Form beurteilen zu können (Horváth 2006). Gerade in der Anlaufphase stellen anfallende Kosten alleine keine geeignete Entscheidungsgrundlage dar. Hieraus hat sich der Trend entwickelt, die Realität mehrdimensional mit Performance Measurement abzubilden, um die tatsächliche Leistungserbringung zu messen. Performance Measurement misst Effizienz und Effektivität der jeweiligen Organisationseinheiten und dient der Ausrichtung von Einheiten auf allen Ebenen an der Unternehmensstrategie (Neely 1998; Horváth 2006).
Instrumente für das Anlaufcontrolling Für das Anlaufcontrolling existieren verschiedene Instrumente, die sich hinsichtlich ihrer Orientierung und der betrachteten Dimension unterscheiden lassen. Abbildung 1 systematisiert die im Folgenden erläuterten Instrumente. Daneben kommen in der Anlaufphase (Standard-) Instrumente des Kostenmanagements wie Target Costing, Benchmarking und Prozesskostenrechnung (insb. für die Produktkalkulation) unterstützend zum Einsatz (Möller 2002). Im Folgenden werden diese nicht näher beschrieben; vielmehr sollte die spezifischen Instrumente im Anlauf im Vordergrund stehen.
Projektmanagement/Projektcontrolling Unter dem Begriff Projektmanagement werden alle planenden, überwachenden, koordinierenden und steuernden Maßnahmen verstanden, die für die Um- oder Neugestaltung von Systemen oder Prozessen notwendig sind. Dabei sind das Vorgehen zum Erlangen der Lösung, die dazu erforderlichen Mittel, deren Einsatz und Koordination wichtiger als die Lösung selbst. Im Unterschied dazu hat das Linienmanagement eher das sogenannte laufende Geschäft und die Führung der Organisation zur Aufgabe (Kuster et al. 2006). Um den Begriff Projektmanagement zu klären, werden die beiden Teilbegriffe definiert. Ein Projekt ist nach DIN 69901 ein „Vorhaben, das im wesentlichen durch die Einmaligkeit seiner Bedingungen in ihrer
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Abb. 1 Systematisierung der Instrumente des Anlaufcontrollings
Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie z. B. Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle Begrenzungen der Ressourcen oder andere Begrenzungen, Abgrenzungen gegenüber anderen Vorhaben, projektspezifische Organisation“. Projekte sind damit Vorhaben, die im Wesentlichen neuartig und komplex in ihrem Umfang sind, eine klare Zielsetzung verfolgen, zeitlich begrenzt sind und an denen mehrere Stellen bzw. Abteilungen oder Bereiche beteiligt sind. Management versteht sich als die Leitung soziotechnischer Systeme in personen- und sachbezogener Hinsicht mit der Hilfe professioneller Methoden. Die DIN 69901 definiert Management von Projekten als Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisationen, -techniken und -mitteln für die Abwicklung sowohl aller Projekte als auch eines einzelnen Projektes. Durch Projektmanagement soll ein vorbestimmter Leistungsumfang bezüglich Zeit, Qualität und Kosten erreicht werden. Dies wird nur erreicht, wenn die Zusammenarbeit aller am Projekt Beteiligten sichergestellt ist, die Delegation von Verantwortung tatsächlich umgesetzt wird und eine Anpassung der Aufbau- und Ablauforganisation an die speziellen Probleme und Eigenarten des Projektes erfolgt ist (Ohlhausen u. Warschat 1997).
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Meilenstein-Trendanalyse Die laufende Kontrolle und Analyse der Terminsituation ist ein wichtiger Bestandteil des Anlaufcontrollings. Dabei genügt es jedoch nicht, lediglich den bisherigen Projektverlauf zu analysieren, vielmehr müssen Prognosen über den weiteren Projektverlauf getroffen werden. Für diese Anforderung ist die Meilenstein-Trendanalyse ausgezeichnet geeignet. Sie stellt die Terminentwicklung und -prognose grafisch besonders gut und übersichtlich dar (Risse 2003). Ein Meilenstein ist nicht nur ein kalendarisch wichtiger Termin, er stellt vielmehr den Abschluss oder Beginn eines Prozesses mit wesentlichen Projektinhalten wie Dauer, Aufwand und Ergebnis dar. Diese sind vor allem produktbezogene Sachziele, z. B. Spezifikationen, Prototypen etc., Dokumentationen wie Abnahmeberichte, Freigaben für neue Projektphasen, Freigaben zum Entwicklungsabschluss, KostenReviews, Audit-Ergebnisse des Qualitätsmanagements und Entscheidungsbesprechungen für eventuell neue Zielsetzungen und Prozesse. Diese Werte müssen alle konkret definiert und mess- und überprüfbar sein (Fischer u. Dangelmaier 2000). Die Meilenstein-Trendanalyse dient der phasenbezogenen Überwachung des Projektverlaufs. Ein Meilenstein hat neben den oben erwähnten Eigenschaften die Aufgabe, ein konkretes und kontrollierbares Arbeitsergebnis zu definieren. Ein Meilenstein beinhaltet deshalb zusammenfassend folgende Eigenschaften (Wangenheim 1998): • ein objektiv messbares Ergebnis einer Entwicklungsaufgabe, • die Bestimmung eines Realisierungstermins und • die Festlegung einer verantwortlichen Organisationseinheit. Abhängig von der betrachteten Detaillierungsebene des Projektstrukturplans können Meilensteine vielschichtig definiert werden. Meilensteine auf einer hoch aggregierten Ebene können etwa das Ende einer kompletten Entwicklungsphase kennzeichnen. Die Summe der Meilensteine wird einerseits durch das Risiko des Entwicklungsprojektes und andererseits durch die Abhängigkeit von der Komplexität des Innovationsgrads bestimmt. Bei sehr komplexen Projekten ist es möglich, hierarchische Meilensteinpläne aufzubauen und einzeln zu überwachen (Specht u. Beckmann 1996). Die einzelnen Meilensteine werden im Meilenstein-Überwachungsplan eingetragen. Die Ordinate des Überwachungsplans stellt die Planwerte der jeweiligen Realisierungstermine für die einzelnen Meilensteine dar, die Abszisse die Ist-Werte. Die Meilensteine werden in regelmäßigen Abständen kontrolliert. Meilensteine, die zum Kontrolltermin erreicht sein müssen, werden inhaltlich geprüft. Für Meilensteine, die in der Zukunft liegen, wird der Realisierungstermin prognostiziert. Auf der Abszisse wird der Zeitpunkt der Kontrolle abgetragen. Die jeweilig prognostizierten Realisierungstermine für die zukünftigen Meilensteine werden im Überwachungsplan eingezeichnet und mit den bisherigen Prognosen für die einzelnen Meilensteine durch einen Linienzug verbunden (Wangenheim 1998). Charakteristische Kurvenverläufe der Meilenstein-Trendanalyse werden in Abb. 2 dargestellt.
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Abb. 2 Charakteristische Kurvenverläufe der Meilenstein-Trendanalyse (in Anlehnung an Risse 2003)
Eine periodische Kontrolle der Meilensteine erfolgt immer gemeinsam mit den für die Erreichung der in den Meilensteinen formulierten Arbeitsergebnisse Verantwortlichen. Wegen einer daraus resultierenden Diskussion der Terminsituation werden in der Meilensteintrendanalyse auch qualitative Faktoren berücksichtigt, die in einer rein quantitativen Terminverfolgung nicht erfasst werden (Brockhoff u. Urban 1988). Über die Linienzüge im Überwachungsplan können Plan-Ist-Vergleiche der aktuell zu erreichenden Meilensteine und Plan-Wird-Vergleiche für zukünftige Meilensteine ermöglicht werden. Eine zu erwartende Verspätung wird durch einen steigenden Kurvenverlauf angedeutet, ein fallender Kurvenverlauf hingegen weist auf eine mögliche vorzeitige Realisierung des Meilensteins hin. So können sowohl Aussagen zum aktuellen Projektstand als auch zum künftigen Projektverlauf gemacht werden (Wangenheim 1998). Eine prozentuale Angabe des Fortschrittgrads ist mit der Meilenstein-Trendanalyse nicht möglich. Die Aussagefähigkeit über den erreichten Projektstand ist abhängig von der Güte der Meilenstein-Definition. Müssen konkrete Leistungsziele oder Konkretisierungsstufen des Endprodukts erreicht werden, stellt die Meilenstein-Trendanalyse eine Kombination aus ablauforientierter und ergebnisorientierter Projektfortschrittsmessung dar, wobei hier jedoch auf den konkreten Inhalt der Meilenstein-Definition und deren Erfüllungsstand zu achten ist. Um eine aussagefähige Projektfortschrittskontrolle anhand der MeilensteinTrendanalyse zu erreichen, ist es außerdem wichtig, die Meilensteine gleichmäßig über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg zu verteilen (Benes u. Nau 1994). Insbesondere bei einer simultanen Problemlösung im Rahmen des Simultaneous Engineering besteht jedoch das Problem, dass die einzelnen, parallel erarbeiteten Ergebnisse erst gegen Ende des Projekts anfallen. Hierdurch herrscht auch beim Einsatz der Meilenstein-Trendanalyse lange Zeit Unklarheit über den tatsächlichen Projektstand (Wangenheim 1998).
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Kombinierte Meilenstein-Kosten-Trendanalyse Die oben bereits beschriebene ablauforientierte Meilenstein-Trendanalyse kann mit einer Kostenanalyse zu einer integrierten Betrachtung kombiniert werden. Gegenüber der reinen Durchführungskontrolle besteht hier der Vorteil, dass durch die Maßgröße Kosten mehrere Einsatzfaktoren parallel betrachtet werden können und diese durch die Bewertung auf eine einheitliche Dimensionsbasis gestellt werden (Wangenheim 1998). Möglich ist auch eine Ergänzung der Meilenstein-Trendanalyse durch eine zeitabhängige Projektkostenkontrolle (Brockhoff u. Urban 1988). Jedoch ist diese Vorgehensweise aufgrund der Schwächen der zeitabhängigen Projektkostenkontrolle mit erheblichen Nachteilen behaftet (Wangenheim 1998). Die kombinierte Meilenstein- und Kosten-Trendanalyse stellt im Sinne einer Entwicklungswertermittlung auf der Basis von Meilensteinen eine aussagekräftige Projektfortschrittsmessung dar, die auch als Zeit-/Kostenkurve bezeichnet wird. Auf der vertikalen Achse wird hier der bewertete Verbrauch aller Faktoren in Plan- und Ist-Größen abgetragen und nicht – wie bei der Durchführungskontrolle – die Einsatzmengen eines einzigen Faktors. Die Kontrolle der Meilensteine beinhaltet die Ermittlung der bis dahin aufgelaufenen Entwicklungskosten. Ergänzend können Prognosen der Cost-to-Complete und Time-to-Complete grafisch veranschaulicht werden (Wangenheim 1998). Jede Phase kann auf diese Weise durch einen Termin- bzw. Kostenverlauf angegeben werden. Im Einzelnen bedeutet: • steigender Kurvenverlauf: Kosten-/Terminüberschreitung, • fallender Kurvenverlauf: Kosten-/Terminunterschreitung, • waagrechter Kurvenverlauf: Übereinstimmung Plan und Ist. Die Darstellung dieser integrierten Kosten und Terminanalyse erfolgt in Abb. 3. Die Kombination von Meilenstein- und Kosten-Trendanalyse erlaubt es so, den Zeit-Kosten-Trade-Off und die bestehenden Abhängigkeiten anschaulich darzustellen. Die Kommunikation und Dokumentation des Projektgeschehens könnten gegebenenfalls unterstützt werden, indem ein Beiblatt zur grafischen Darstellung Ursachen, Gegenmaßnahmen und Auswirkungen der ermittelten Abweichungen erläutert und so für Projektleiter, Unternehmensführung und eventuell Auftraggeber wichtige Zusatzinformationen bereitgestellt werden (Albert u. Högsdal 1987).
Performance Index und Cost Performance Index Der Ansatz des Performance Index dient der Ermittlung des Projektfortschritts. Hierbei werden die zu einem bestimmten Zeitpunkt beendeten Arbeitspakete mit den laut Projektablaufplan bis zu diesem Zeitpunkt zu bearbeitenden Arbeitspaketen verglichen, anstatt diese mit den insgesamt zu bearbeitenden Arbeitspaketen zu vergleichen. Über einen zusätzlichen Vergleich zwischen den geplanten und den bis dahin tatsächlich entstandenen Kosten im Cost Index wird die Entwicklungsstand-
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Abb. 3 Integrierte Kosten- und Terminanalyse (in Anlehnung an Specht u. Beckmann 1996)
messung zum Cost Performance Index erweitert. Dieser stellt somit eine Kombination aus einer ablauforientierten mit einer inputorientierten Fortschrittsmessung dar. Der Performance Index bildet ab, inwieweit die Abarbeitung der geplanten Arbeitspakete plangemäß (Wert = 1), verzögert (1 > Wert > 0) oder schneller (Wert > 1) verläuft. Der Cost Index bietet dieselben Aussagen für den bewerteten Faktoreinsatz, ohne jedoch Aussagen über Mengen- und Wertkomponenten zu ermöglichen. Der Cost Performance Index gibt an, ob die erledigten Arbeitspakete mit dem geplanten Faktoreinsatz realisiert werden. Eine Aussage über einen eventuellen Terminverzug hingegen liefert er nicht. Eine ungewichtete Aggregation der Arbeitspakete im Performance Index ermöglicht, dass die Arbeitspakete vergleichbar und verrechenbar sind (Wangenheim 1998).
Break-Even-Time-After-Release (BEAR) Der Break-Even-After-Release-Zeitraum umfasst die Zeitspanne zwischen der Aufnahme der Serienproduktion und der Erreichung des Break Even, in dem sich Investitionen und der Gewinn egalisieren. Die BEAR-Time ist damit eine Teilmenge der Break Even Time, die Rückschlüsse darüber erlaubt, wie gut der Produktion und dem Marketing die Umsetzung der Neuproduktidee in ein am Markt akzeptiertes Produkt gelungen ist. Abbildung 4 verdeutlicht die Funktionsweise dieses Instruments.
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Abb. 4 BEAR (in Anlehnung an Gentner 1994)
Break Even Time (BET) Die Break Even Time bezeichnet die Zeit im Produktlebenszyklus, die verstreicht, bis der Gewinn die Höhe der Investitionen egalisiert. Der Vorteil der Break-EvenTime-Analyse liegt in der übergreifenden Betrachtung über alle Entwicklungs- und Anlaufphasen hinweg und der Verpflichtung aller beteiligten Funktionen auf den kritischen Erfolgsfaktor Zeit. Hierbei läuft die Break-Even-Time-Analyse nicht Gefahr, einseitig eine Suboptimierung der Zeitdimension vorzunehmen, da sie Kostenund monetäre Leistungsaspekte zur Ermittlung der Break Even Time einsetzt und somit die Integration dieser Dimensionen bewirkt. Ähnlich der bei der klassischen Investitionsrechnung ermittelten Amortisationszeit ist die Break Even Time dazu geeignet, das Risiko eines Innovationsprojekts auszudrücken und unterstützt so auch bei der Auswahl zwischen Wahl- bzw. Handlungsalternativen (Gentner 1994). Im Gegensatz zu anderen Projektbeurteilungsgrößen wie dem internen Zinsfuß liegt das Hauptaugenmerk bei der BET auf der Innovationszeit (Gaiser 1993): • Erfolgswirkungen und Zeitverkürzungen bzw. Zeitverzögerungen werden sichtbar. • Das Abflachen der Erfolgskurve bei späterem Markteintritt wird deutlich (Verpassen der Pionierpreise). • Simulationen helfen, den optimalen Entwicklungsbeginn und den optimalen Markteintrittszeitpunkt zu ermitteln. Durch die Break-Even-Time-Analyse ist jedoch kein rechnerisches Optimum zu ermitteln. • Die Diskussion über eine Reduktion der Innovationszeiten wird in Gang gehalten und die Umsetzung von Maßnahmen zur Steigerung der Innovationsgeschwindigkeit wird gefördert. Eine weitere Stärke der BET liegt in der klaren grafischen Darstellung, die die Innovationsverantwortlichen aus den verschiedenen Fachbereichen zu Sensitivitäts-
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Abb. 5 Break-Even-Time-Analyse (in Anlehnung an Risse 2003)
analysen und zu Diskussionen über Veränderungen von Stellgrößen animiert (Gaiser 1993). Die Break-Even-Time-Analyse wird in Abb. 5 illustriert.
Zeitabhängige Projektkostenkontrolle Die einfachste Form einer inputorientierten Projektfortschrittsmessung ist die Kontrolle der entstandenen Entwicklungskosten im Entwicklungsverlauf als pauschale Messgröße für die eingesetzten Faktormengen. Grundlage für diese Form der Fortschrittsmessung ist die Verteilung des Projektbudgets entsprechend dem prognostizierten Kostenanfall auf die Entwicklungszeit und die kumulierten Kosten im Zeitverlauf. Einer solchen Plankostenkurve über die Entwicklungszeit werden die kumulierten Ist-Kosten gegenübergestellt (Wangenheim 1998). Die Differenz der beiden Kurven ergibt – in Anlehnung an die starre Plankostenrechnung – die Gesamtabweichung. Die zu realisierende Gliederungstiefe der Abweichungsanalyse hängt von der Struktur und dem Detaillierungsgrad des Entwicklungsbudgets ab. Während sich bei einem globalen Projektbudget die Abweichung nur auf Gesamtprojektebene ermitteln lässt, kann bei einer detaillierten Budgetierung nach Kostenarten auf Teilprojekt- und Arbeitspaketebene eine wesentlich genauere Abweichungsanalyse durchgeführt werden. Eine grundlegende Voraussetzung ist hierbei, dass auch die Ist-Kosten im entsprechenden Detaillierungsgrad erfasst werden (Coenenberg u. Raffel 1988).
Cost-to-Complete Bei sehr großen Entwicklungsprojekten ist eine Budgetierung, heruntergebrochen bis auf die Ebene der Arbeitspakte, zu aufwendig. Als einfache Alternative zur Be-
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stimmung des Realisierungsgrads schlagen Coenenberg und Raffel in einem solchen Fall die Betrachtung der Restkosten (Cost-to-Complete) vor. Diese werden mittels Schätzungen der Mitarbeiter und Trendextrapolation bisheriger Kostenüber- bzw. -unterschreitungen ermittelt (Coenenberg u. Raffel 1988). Realisierungsgrad =
Budgetierte Gesamtkosten − Restkosten Budgetierte Gesamtkosten
Die Differenz aus den budgetierten Gesamtkosten und den Restkosten ergibt den Entwicklungswert. Die Ermittlung der bereits abgearbeiteten Arbeitspakete ist bei diesem Ansatz nicht notwendig. Durch die Betrachtung der verbleibenden Restkosten bis zum Projektabschluss wird eine Verfälschung des tatsächlich realisierten Entwicklungsstands durch eventuelle Unwirtschaftlichkeiten, bei denen Budgetüberschreitungen eine vorzeitige Projektrealisierung vortäuschen, vermieden (Gaiser 1993). Die Erstellung der Cost-to-Complete kann durch eine ergänzende Prognose der noch notwendigen Zeit (Time-to-Complete) ergänzt werden. Mitarbeitern fällt eine Einschätzung der noch benötigten Zeit oft leichter als die Abschätzung der Restkosten (Wangenheim 1998). Eine Ermittlung der Cost-to-Complete (FK nachfolgend) kann alternativ durch das Abziehen des bis zum Betrachtungszeitpunkt realisierten Arbeitswerts AW von den geplanten Gesamtkosten PK0 ermittelt werden. FKt = PK0 − AWt Die tatsächlichen Gesamtkosten werden hier in Abhängigkeit der Ist-Kosten IKt zum Zeitpunkt t wie folgt errechnet: PKt = FKt + IKt = PK0 − AWt + IKt Nur dann, wenn der zum Zeitpunkt t geschaffene Arbeitswert (AWt ) den zum gleichen Zeitpunkt gemessenen Ist-Kosten (IKt ) entspricht, also AWt = IKt , wird für das Projekt kein Überzug angezeigt. Die Einführung von speziellen Indizes zur Messung der Projektparameter Kosten, Termin und Leistung kann auf lange Sicht zu einem wichtigen Diagnoseinstrument zur Früherkennung von sich anbahnenden Projektproblemen bzw. -abweichungen werden (Meyborg et al. 1999). Angenommen wird hierbei allerdings, dass vom Betrachtungszeitraum bis zum Projektende keine weiteren Kostenüberschreitungen mehr zu erwarten sind (Madauss 2000). In der Unternehmenspraxis zeigt sich hier aber eher das Gegenteil (Wangenheim 1998). Entwicklungskostenabweichung Als Entwicklungskosten werden alle im Rahmen des Serienentwicklungsprozesses angefallenen Kosten subsumiert. Dies bedeutet, dass alle Aufwendungen, die zeitlich mit der Leistungserstellung zwischen der Entwicklungsfreigabe und der Überleitung in den Serienanlauf zusammenfallen, hier erfasst werden. So entstehen für
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die Steuerung von Entwicklungsprojekten mehrere Anwendungsmöglichkeiten. Die Entwicklungskosten können zum einen mit den Entwicklungskosten desselben Zeitraumes für das Vorgängermodell in Form der Entwicklungskostenabweichung 1 verglichen werden. Die Ermittlung dieser Differenz ist aber nur dann sinnvoll, sofern: • die Entwicklungskosten des Vorgängermodells mit einem entsprechenden Preissteigerungsfaktor erhöht wurden, um Inflationseffekte zu eliminieren; • die ermittelte Differenz auch in Relation zu einer Mehr- oder Minderleistung des aktuellen Modells gegenüber dem Vorgängermodell gesetzt wird. Die auf diese Weise ermittelte Entwicklungskostenabweichung 1 gibt an, um welchen absoluten Betrag bzw. um welchen Prozentsatz sich das Entwicklungsbudget (ex ante) bzw. die tatsächlichen Entwicklungskosten des Projekts gegenüber dem Vorgängermodell verändert haben und ob diese Differenz durch höhere produktbezogene Leistungsparameter auch gerechtfertigt ist. Die Entwicklungskostenabweichung 2 wird im Sinne eines Plan-Ist-Vergleichs interpretiert. Dabei eignet sich diese Kennzahl besonders gut für eine mitlaufende Projektsteuerung und -kontrolle. Die Ist-Erfassung der Entwicklungskosten erfolgt auf der Basis der in der Praxis bewährten Projektkostenrechnung. Dies ermöglicht eine Kennzahlenermittlung gestützt auf Größen, die ohnehin im Unternehmen erfasst und ausgewertet werden. Die Kennzahlen können folglich mit minimalem Aufwand bereitgestellt werden. Die Entwicklungskostenabweichung errechnet sich über folgende Formeln (Gentner 1994): Entwicklungskostenabweichung 1 = Entwicklungskosten des aktuellen Monats − Entwicklungskosten des Vorgängermodells Entwicklungskostenabweichung 2 = Entwicklungs-Ist-Kosten des aktuellen Monats − Entwicklungs-Plankosten des aktuellen Monats (Gentner 1994)
Anlaufkostenabweichung Analog zu den Entwicklungskosten sind unter den Anlaufkosten alle Kosten zu subsumieren, die den Prozess des Serienanlaufs betreffen. Dies umfasst jene Kosten, die zwischen der Überleitung zum Serienanlauf und der Freigabe zur Serienproduktion anfallen. Die Definition der Anlaufkostenabweichung 1 und 2 ist wie folgt: Anlaufkostenabweichung 1 = Anlaufkosten des aktuellen Modells − Anlaufkosten des Vorgängermodells Anlaufkostenabweichung 2 = Anlauf-Istkosten des aktuellen Modells − Anlauf-Plankosten des aktuellen Modells Die Anlaufkostenabweichung ist analog zu den vorherigen Ausführungen über die Entwicklungskostenabweichung zu behandeln und kann ebenfalls über die Projektkostenrechnung erfasst werden (Gentner 1994).
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Herstellkostenabweichung Unter den Herstellkosten werden alle Material- und Fertigungskosten zusammengefasst. Mehrere empirische Studien aus der Automobilindustrie belegen die fundamentale Bedeutung des Zusammenhangs zwischen Entwicklungsarbeit und den daraus beeinflussten Herstellkosten. Für die Ermittlung der beiden Herstellkostenabweichungen 1 und 2 bieten sich mehrere Zeitpunkte an: • Mitlaufend auf Grundlage prognostizierter Werte im Entwicklungsprozess bzw. zu dessen Ende, um so eine Beurteilung der Entwicklungsleistung im Sinne einer kostengünstigen Herstellung sowie zum Zwecke steuernder Eingriffe in den Entwicklungsprozess zu ermöglichen. • Am Ende des Produktlebenszyklus, um so mit einer Gesamtbetrachtung auf Basis der Ist-Herstellkosten zu kontrollieren, ob die prognostizierten Herstellkosten eingehalten wurden. Die Daten lassen sich der Standard-Plankalkulation bzw. der Standard-Istkostenrechnung direkt entnehmen. Damit ist eine einfache Verfügbarkeit der Basisdaten für die Ermittlung der Herstellkostenabweichung gegeben (Gentner 1994).
Zusammenfassendes Fazit Die Verfolgung von Projektkosten und deren Auswirkungen auf die später anfallenden Produktkosten werden kaum im Zusammenhang betrachtet; in der Praxis wird dies noch durch unterschiedliche Verantwortungsträger für Entwicklung/Anlauf und Serie (Stirzel u. Hüntelmann 2006) verstärkt. Konzepte und Instrumente zur Beherrschung von Kosten in der Anlaufphase sollten dies berücksichtigen und entgegenwirken. Zeit- und Qualitätsziele sind im Anlauf von hoher Bedeutung. Kajüter geht sogar noch einen Schritt weiter und schätzt die strategische Bedeutung der beiden Dimensionen Zeit und Qualität während des Produktionsanlaufs höher ein als die Kostendimension (Kajüter 2000). Die Dimensionen Zeit und Qualität beeinflussen über ihre Auswirkung auf den kompletten Produktlebenszyklus und die damit entstehenden Folgekosten bzw. Erlösausfälle den Erfolg und die Gewinnmarge des Produkts (Wiesinger u. Housein 2002). Eine verknüpfende Betrachtung von Zeit-, Qualitätsund Kostenzielen ist daher zur zielorientierten Steuerung durch das Controlling erforderlich. Deshalb müssen Instrumente zum Einsatz kommen, die möglichst alle Dimensionen abdecken und Wechselwirkungen berücksichtigen (Möller 2002). Im vorliegenden Beitrag wurden die zentralen Instrumente im Bereich Kostenmanagement im Anlauf vorgestellt. Eine Empfehlung zu ihrer Kombination bzw. zu einem „richtigen“ Instrumentenbündel lässt sich nicht geben, da die Variationsbreite möglicher Anlaufszenarien sehr groß ist. Für jeden Serienanlauf ist daher aufs Neue zu prüfen und zu entscheiden, welche Instrumente zum Einsatz kommen sollen.
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Da im Anlauf Potenziale geschaffen werden, die zunächst intangibel sind und deren sichtbare Wirkung – insbesondere bezogen auf den finanziellen Erfolg – erst viel später eintritt, ist eine integrierte finanzielle und nicht-finanzielle Steuerung mittels Performance Measurement sinnvoll. Performance Measurement bildet die Wirkungszusammenhänge zwischen nicht-monetären und monetären Einflussfaktoren ab und verknüpft so intangible Nutzen mit zukünftigem tangiblen Nutzen. Die Betrachtung des Übergangs von der Entwicklung in die Produktion bei komplexen Serienprodukten darf sich nicht allein auf die Unternehmen beschränken, die diese letztendlich herstellen, montieren und vertreiben. Gerade die Komplexität des Produkts erfordert den frühzeitigen Einbezug einer Vielzahl von Lieferanten sowohl in die Entwicklung als auch in die Produktion. Insbesondere beim Übergang von der Entwicklung in die Produktion haben Innovationsprozesse beim Zulieferer einen großen Einfluss auf das Gesamtsystem (Wangenheim 1998). Forschungsbedarf besteht daher besonders in der Entwicklung geeigneter Methoden, die die mehrdimensionale Steuerung von Anläufen unternehmensübergreifend ermöglichen.
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Zusammenfassung und Ausblick Günther Schuh, Wolfgang Stölzle, Frank Straube RWTH Aachen; Universität St. Gallen; Technische Universität Berlin
Das Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfährt aufgrund steigender Innovationsanforderungen, kürzer werdender Produktlebenszyklen, wachsender Modell- und Variantenvielfalt sowie gestiegener Produktkomplexität einen Bedeutungswandel, eine damit einhergehende Professionalisierung und eine methodische Fundierung. Diesem Umgang mit dem Thema Anlaufmanagement wird mit der Entwicklung des integrierten Anlaufmanagementmodells als Systematisierungsrahmen Rechnung getragen. Aus den verschiedenen Akteursperspektiven wird im Verlauf des Buches beleuchtet, wie Lieferanten, Kunden und interne Unternehmensfunktionen sich der Herausforderung des Serienanlaufs stellen. Dazu zeigen verschiedene Beispiele, dass die unternehmensinterne und unternehmensübergreifende Koordination der Anlaufprozesse einen erfolgskritischen Faktor darstellt. Die dabei zu berücksichtigenden Managementdimensionen werden hierzu im Rahmen des integrierten Anlaufmanagementmodells systematisiert und sukzessive aufgearbeitet sowie deren Beitrag zur Erreichung der Qualitäts-, Zeit- und Kostenziele des Serienanlaufs dargelegt. Das Ziel des Buches ist es aufzuzeigen, wie erfolgreiche Unternehmen Serienanläufe organisatorisch, technisch und konzeptionell gestalten. Dabei werden aus theoretischer und praktischer Sicht die einsetzbaren Methoden und Instrumente illustriert, mit denen eine flexible, exakte und vor allem termintreue Abwicklung des Serienanlaufs sicherzustellen ist. Im Kapitel „Anlaufstrategie“ werden die strategischen Gestaltungsfelder des Serienanlaufs präsentiert und entsprechende Stellhebel in den einzelnen Managementdimensionen identifiziert. Die Anlaufstrategie nimmt im Rahmen des ganzheitlichen Anlaufmanagements eine übergeordnete Rolle ein, an der sich die einzelnen Anlaufprojekte eines Unternehmens sowie die betroffenen Supply Chain-Partner orientieren können. Insbesondere der Nutzung von Konzepten des Flexibilitäts-, Komplexitäts-, Qualitäts- und Kostenmanagements in und von Supply Chains werden in diesem Zusammenhang große Potenziale beigemessen, die Qualitäts-, Zeitund Kostenziele zu erreichen. Der Beitrag der AUDI AG betont dabei im Besonderen die Bedeutung kooperativer Aspekte einer Anlaufstrategie und weist innovative Wege zur unternehmensinternen und -übergreifenden Umsetzung auf. Am Beispiel G. Schuh et al. (Hrsg.), Anlaufmanagement in der Automobilindustrie erfolgreich umsetzen © Springer 2008
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der Kolbenschmidt Aluminium-Technologie AG wird deutlich, wie durch die Implementierung von simulationsgestützten Frontloading-Maßnahmen die Parameter der Serienproduktionsprozesse in höchster Planungsqualität termingerecht festgelegt werden können und so ein nahtloser Übergang von der Vorserienproduktion in die Serienfertigung ermöglicht wird. Das Kapitel „Anlauforganisation“ stellt vor, wie die in den Serienanlauf involvierten Bereiche räumlich und formal strukturiert werden können. Es geht auf die Festlegung der zeitlichen und logistischen Ablaufbeziehungen ein. Im Detail werden die Grundtypen der Anlauforganisation, die Bedeutung einer funktionsübergreifenden Zusammenarbeit, die Notwendigkeit zur Befähigung von Anlaufteams und das Profil eines idealtypischen Anlaufmanagers herausgearbeitet. Der Beitrag der TRW Automotive GmbH zeigt eine erfolgreiche Umsetzung der in der Kapiteleinführung dargestellten aufbauorganisatorischen Anforderungen in Form festgelegter Projektmanagementstandards im Serienanlauf auf. Auf die ablauforganisatorische Implementierung des Serienanlaufs konzentrierten sich die Ausführungen der Nutzfahrzeugsparte der Daimler AG, die einen meilensteinbasierten Referenzprozess bei der Nutzfahrzeugentwicklung erfolgreich einsetzt. Im Kapitel „Lieferantenmanagement“ wird dargelegt, dass Planung, Steuerung und Kontrolle der Lieferantenaktivitäten in der Anlaufphase insbesondere von der Intensität der Integration von Zulieferern in den Produktentstehungsprozess beeinflusst werden. Da die Integration von Lieferanten mit einem hohen Einsatz von Ressourcen und einer steigenden Steuerungskomplexität verbunden ist, muss das Lieferantenmanagement der Anlaufphase Werkzeuge bereitstellen, die Lieferanten im Anlauf zu bewerten, um sie dann einer differenzierten Betreuung zukommen zu lassen. Der Beitrag der Volkswagen AG kann als Beispiel für eine erfolgreiche Umsetzung des Lieferantenmanagements im Anlauf herangezogen werden, da eine ganzheitliche Anwendung verschiedener qualitätssichernder und Transparenz fördernder Maßnahmen erreicht sowie die Prozesse der Zusammenarbeit klar definiert wurden. Die MAGNA STEYR Fahrzeugtechnik AG & Co KG verdeutlicht in ihrer Ausarbeitung den Beitrag des Lieferantenmanagements zur Flexibilisierung der logistischen Prozesse im Anlauf als wettbewerbskritischen Faktor des Unternehmens. Um dieser Bedeutung Rechnung zu tragen, werden anlaufkritische Lieferanten durch gemeinschaftliche Ziel- und Vorgehensvereinbarungen effizient gesteuert, auditiert und weiterentwickelt. Auch die Robert Bosch GmbH betont die Bedeutung des Lieferantenmanagements im Serienanlauf und stellt die Weiterentwicklung der Integrationsfähigkeit der eigenen Zulieferer in den Fokus der Betrachtung. Anhand des Kapitels „Logistikmanagement“ wird verdeutlicht, welche Aufgaben entlang des Produktentstehungsprozesses von der strategischen, taktischen und operativen Logistikplanung wahrzunehmen sind und wie diese in den Gesamtkontext des Serienanlaufs eingebunden werden können. Die integrierte informationstechnische Unterstützung und systemseitige Abbildung dieses Tätigkeitsspektrums wird als wesentlicher Erfolgsfaktor des Logistikmanagements im Anlauf beschrieben. Der Beitrag der 4flow AG betont die Notwendigkeit der strategischen Netzwerkplanung in der frühen Phase von Fahrzeugprojekten, da die Konfiguration des Lieferantennetzwerkes die Kostenstruktur von Fahrzeugprojekten in hohem Maße
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beeinflusst. Das Beispiel der AUDI AG zeigt, wie die Methoden der Digitalen Fabrik in der Logistikplanung dazu genutzt werden können, die logistische Prozessund Ressourcenplanung bereits während des Produktentstehungsprozesses in einer hohen Planungsqualität durchzuführen. Im Kapitel „Produktionsmanagement“ wird aufgezeigt, dass dieser Gestaltungsdimension im Serienanlauf insbesondere eine fabrikplanerische Aufgabe zukommt, ein neues Produkt in eine zumeist bestehende Produktionsumgebung einzuplanen und prozesstechnisch zu integrieren. Als erfolgskritische Kernaspekte werden die anlauforientierte Werksstruktur- und Betriebsmittelplanung, der Einsatz von Standards in der Produktion sowie die Befähigung der Mitarbeiter im Umgang mit komplexen Koordinationsaufgaben im Serienanlauf identifiziert. Die Leopold Kostal GmbH & Co. KG hat es durch die Festlegung auf drei idealtypische Anlaufszenarien erreicht, die Basis für den Einsatz skalierbarer Montagekonzepte zu schaffen, die während des Serienanlaufs einen gestuften Kapazitätsaufbau in der Produktion ermöglichen. Durch die Herstellung von Transparenz über Ziele und Zielkonflikte während des Serienlaufs gelingt es der JÜPO GmbH, Störungen im Serienanlauf frühzeitig zu erkennen und zielkonforme Lösungsinstrumente bedarfsgerecht bereitzustellen. Ausgehend von typischen Problemfeldern im Umgang mit Änderungen im Produktentstehungsprozess bietet das Kapitel „Änderungsmanagement“ eine Systematisierung der Phasen und Aufgaben dieser Managementdimension. Als wesentliches Instrument zur standardisierten und effizienten Bearbeitung von Änderungsvorhaben wird ein generischer Standardänderungsprozess beschrieben. Die Daimler AG verdeutlicht, wie ein Produktionswerk im Spannungsfeld zwischen dem Trend zur Verkürzung der Anlaufzeiten und zur Reduktion von Modelllebenszyklen auf der einen Seite und der steigenden Anzahl von Änderungen auf der anderen Seite agiert sowie in welcher Weise Instrumente zur Absicherung von Änderungsständen angewandt werden. Auf die informationstechnische Unterstützung eines standardisierten Änderungsprozesses konzentriert sich der Artikel der Behr GmbH & Co. KG, wodurch die Herausforderungen variantenreicher Fertigung in einem globalen Werksverbund erfolgreich gelöst werden können. Die International Performance Research Institute gGmbH beschreibt im Kapitel „Kostenmanagement“ dessen theoretische Grundlagen und leitet daraus die Entstehung und Wirkungszusammenhänge von Kosten sowie die Unterscheidung von Projektkosten und Produktkosten ab. Auf dieser Basis werden die Aufgaben und Instrumente des Kostenmanagements im Anlauf dargestellt und darauf aufbauend ein Handlungsrahmen zur Analyse und Beeinflussung von Anlaufkosten für die Unternehmenspraxis aufgespannt. Die dargestellten wissenschaftlichen Ergebnisse und praktischen Einblicke helfen, den aktuell noch bei Serienanläufen auftretenden technischen und/oder wirtschaftlichen Defiziten zu begegnen. Somit bleibt auch für die Zukunft der Themenbereich des Anlaufmanagements ein bedeutendes Gebiet, in dem sowohl von der Wissenschaft als auch von Unternehmen noch erhebliche Beiträge geleistet werden können. Das Anlaufmanagement erlebt dabei in seiner Bedeutung und Ausgestaltung derzeit einen Wandel vom Projektgeschäft hin zur kontinuierlichen Un-
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ternehmensfunktion. Die damit verbundene zunehmende Aufmerksamkeit des Serienanlaufs als erfolgskritischer Unternehmensprozess kann dazu beitragen, Umsetzungshürden für ein erfolgreiches Anlaufmanagement zu senken. Jedoch bedarf es entsprechender organisatorischer Veränderungen, innovativer Informationssysteme und standardisierter Prozesse, um der gestiegenen Bedeutung des Serienanlaufs gerecht zu werden. Die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themengebietes des Anlaufmanagements hat dazu geführt, dass eine weitgehende Transparenz über die Erfolgsfaktoren des Serienanlaufs und die zum Einsatz kommenden Strategien, Methoden und Systeme herrscht. Die gängigen Probleme des Serienanlaufs werden jedoch weiterhin durch unklare Projektorganisationen sowie fehlende bereichsübergreifende Kommunikation und Unterstützung hervorgerufen. Zukünftige Arbeiten auf dem Gebiet werden daher vermehrt darauf eingehen, das Anlaufmanagement in den weiteren Kontext der Umsetzungs- und Innovationsfähigkeit von Unternehmen zu integrieren. Des Weiteren bietet das Themengebiet des Anlaufmanagements durch sein hohes Maß an methodischer Reife die Möglichkeit, die jungen Themengebiete des Change Management, des Implementierungsmanagements und des Innovationsmanagements durch geeignete Konzepte voranzutreiben. Die heute als erfolgskritisch anzusehenden Faktoren eines interdisziplinären und akteursübergreifenden Umgangs mit den Herausforderungen von Serienanläufen werden somit auch in Zukunft nicht an Relevanz verlieren und der Disziplin des Anlaufmanagements zu einer festen Stellung in der Unternehmenspraxis ebenso wie in der Forschung verhelfen.
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Herausgeber Prof. Dr.-Ing. Günther Schuh Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh studierte Maschinenbau und Betriebswirtschaftslehre an der RWTH Aachen. Er promovierte 1988 nach einer Assistentenzeit am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) bei Prof. Eversheim, wo er bis 1990 als Oberingenieur tätig war. Von 1990 an war er vollamtlicher Dozent für Fertigungswirtschaft und Industriebetriebslehre an der Universität St. Gallen (HSG). 1993 wurde er dort Professor für betriebswirtschaftliches Produktionsmanagement und zugleich Mitglied des Direktoriums am Institut für Technologiemanagement. Prof. Schuh folgte im September 2002 Prof. Eversheim auf den Lehrstuhl für Produktionssystematik der RWTH Aachen und ist Mitglied des Direktoriums des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) und des Fraunhofer IPT in Aachen. Seit 01.10.2004 ist er Direktor des Forschungsinstituts für Rationalisierung e.V. (FIR) an der RWTH Aachen. Prof. Schuh wurde 1991 die Otto-Kienzle-Gedenkmünze der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik verliehen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf den Gebieten des Produktions-, Technologie-, Innovations- und Komplexitätsmanagements sowie auf dem Gebiet der Unternehmensnetzwerke, Produktionscontrolling und Prozessoptimierung. Es ist Gründungsgesellschafter der Schuh & Co. Firmengruppe mit Sitz in Aachen, St. Gallen und Atlanta. Prof. Schuh ist in mehreren Aufsichts- und Verwaltungsräten tätig.
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Prof. Dr. Wolfgang Stölzle Prof. Dr. Wolfgang Stölzle studierte Wirtschaftswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Stuttgart-Hohenheim und Mannheim. Anschließend arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter, später als Akademischer Rat am Fachgebiet Unternehmensführung an der Technischen Universität Darmstadt (Leitung: Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Christian Pfohl). Dort wurde er 1993 über Entsorgungslogistik promoviert und habilitierte sich 1999 über industrielle Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen. 1999 wurde er an die Technische Universität München (Standort Weihenstephan) auf eine Professur für Betriebswirtschaftslehre der Brau- und Lebensmittelindustrie berufen. 2000 lehnte er einen Ruf an die Universität Bremen ab, 2001 übernahm er den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Logistik und Verkehrsbetriebslehre an der Universität Duisburg-Essen (Campus Duisburg). 2002 wurde ihm dort zusätzlich die Direktion des Zentrums für Logistik und Verkehr übertragen. 2004 wechselte er an die Universität St. Gallen als Inhaber des Lehrstuhls für Logistikmanagement und in Personalunion Studiendirektor des Executive MBA-Programms in Logistikmanagement. Zu den Forschungsgebieten von Prof. Stölzle gehören: Betriebswirtschaftliche Logistik/Supply Chain Management, Verkehrsmanagement, Beschaffungsmanagement, Unternehmensführung/Controlling, Umweltmanagement. Prof. Stölzle hält folgende ausgewählte Mandate: Berufenes Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Bundesrepublik Deutschland; Berufenes Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesvereinigung Logistik (BVL); Berufenes Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME); Gewählter Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission Logistik im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. (2004–2006); Berufenes Mitglied des „Independent German Certification Board (IGCB) for Standardization of Logistics Qualification and Training within Europe“ der Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V.
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Prof. Dr.-Ing. Frank Straube Prof. Dr.-Ing. Frank Straube studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin mit Studienaufenthalten in Grenoble (Universität Grenoble, Frankreich) und Boston (MIT, USA). 1987 promovierte er am Fachgebiet Logistik der TU Berlin (Prof. Dr.-Ing. H. Baumgarten). Seit 2000 ist Prof. Straube Lehrbeauftragter für das Management internationaler Logistikprojekte an der Universität Paris II (Pantheon-Assas), Frankreich, seit 2003 ständiger Gastprofessor. Nach seiner Habilitation an der Universität St. Gallen, Schweiz, war er Vorsitzender des Direktoriums und Gründer des Kühne-Institut für Logistik an der Universität St. Gallen, wo er seit 2005 eine ständige Gastprofessur innehat. Im Oktober 2004 folgte Prof. Straube dem Ruf an die TU Berlin und ist seither Leiter des Bereichs Logistik am Institut für Technologie und Management. Frank Straube leitet seit 1984 Logistikprojekte in der Praxis, davon zwölf Jahre als Vorsitzender der Geschäftsführung einer international tätigen Beratungs- und Planungsgesellschaft für Logistik und Unternehmensplanung. Er hat Instrumentarien zum Anlaufmanagement in Praxisprojekten verschiedener Industrien entwickelt und implementiert sowie eine Arbeitskreisreihe zu diesem Themenfeld in der Zeit in St. Gallen ins Leben gerufen, die anschließend gemeinsam mit der RWTH Aachen und der TU Berlin fortgesetzt wurde. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und Mitglied des Board der European Logistics Association, Brüssel, sowie Mitglied in Aufsichts- und Fachbeiräten namhafter Unternehmen sowie Gründer des International Transfer Centers for Logistics (ITCL) zur Realisierung innovativer Planungsund Weiterbildungsaktivitäten für Unternehmen.
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Autoren Dr.-Ing. Stephan Beer Dr.-Ing. Stephan Beer studierte am Gießereiinstitut der RWTH Aachen und promovierte am Max-Planck-Institut in Düsseldorf über Leichtmetalle, im Speziellen Magnesiumwerkstoffe. Sein beruflicher Werdegang begann 1995 bei der Firma Kolbenschmidt im Kolbenbereich. Von 2000 bis 2002 war er bei der Hydro Aluminium tätig. Seit 2003 ist Stephan Beer bei der KS Aluminiumtechnologie für die Verfahrensentwicklung inkl. Prototypengießerei verantwortlich. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die serienreife Entwicklung neuer Produkte und die Weiterentwicklung der Serienproduktionsprozesse. Ralf U. Beetz Ralf Uwe Beetz ist seit dem Abschluss seiner Lehre zum Kfz-Elektriker seit 1976 bei der AUDI AG tätig. Innerhalb der AUDI AG hat er diverse Fachbereiche in den unterschiedlichsten Funktionen durchlaufen. Schwerpunkte seiner Tätigkeit waren die Serieneinsatzvorbereitung im Produktprozess auf der Produktionsseite. Berufsbegleitend hat er die Ausbildungen zum Meister und zum Betriebswirt absolviert. Heute leitet er die Vorserienlogistik in Neckarsulm. Michael Behn Michael Behn studierte Produktionstechnik/Wirtschaftsingenieurwesen an der Fachhochschule Heilbronn. Seit 1991 ist er bei der Behr GmbH & Co. KG in verschiedenen Leitungspositionen in Industrialisierung und Logistik tätig. Sein aktuelles Aufgabengebiet umfasst die Verantwortung für die Bereiche Logistikplanung, Neuanlauflogistik und Änderungsmanagement Dr.-Ing. Markus Bergholz Dr.-Ing. Markus Bergholz studierte an der RWTH Aachen Maschinenbau. Anschließend war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter der Gruppe Fabrikplanung am Lehrstuhl für Produktionssystematik des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) in Aachen. Seit 2004 ist er bei Fa. Kostal in Lüdenscheid beschäftigt, zunächst als Leiter Produktionsplanung Ausland. Seit 2007 leitet er die Produktlinie Bedienelemente und Schalter. Dr. Joachim Betker Dr. Joachim Betker studierte von 1981 bis 1986 Maschinenbau an der TU Braunschweig und der TU Stuttgart. Im Anschluss promovierte er am Institut „Grundlagen der Landtechnik“ an der Universität Stuttgart-Hohenheim. Bei der Volkswagen AG war er im zentralen Planungsbereich in verschiedenen Projekten tätig. Anschließend leitete er das Produktionsvorbereitungszentrum bei Smart France in Hambach und ab 2000 die Entwicklungsverbindungsstelle sowie den Rohbau SL/SLK im Mercedes-Werk Bremen. Heute ist er verantwortlich für die Oberfläche SL/SLK.
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Jörg Blechinger Dipl.-Ing. Jörg Blechinger übernahm nach Abschluss seines Wirtschaftsingenieurwesen- und Maschinenbaustudiums an der Technischen Universität Graz 1998 die Verantwortung für die Materialplanung der Bildröhrenfabrik Philips Lebring. Mit dem Wechsel in die zentrale Logistik bei Magna Steyr im Jahr 2002 war er für den Aufbau des logistischen Lieferantenmanagements und in weiterer Folge für die Koordination des Fachkreises Materialplanung verantwortlich. Als Mitarbeiter bei Magna Steyr übernahm er im Sommer 2005 den Auftrag der Magna International zum Aufbau der Magna Logistik Europa. Im Sommer des Jahres 2006 wechselte Jörg Blechinger von Magna Steyr zur Magna International in die Position des Managers Magna Logistics Europe. Stefan A. Doch Dipl.-Oec. Stefan A. Doch studierte Wirtschaftswissenschaften mit Fachrichtung Wirtschaftsinformatik an den Universitäten Oldenburg und Cork (Irland). Seine Studienschwerpunkte lagen in den Bereichen Wirtschaftsinformatik, Produktionsmanagement, Logistik und Unternehmensführung. Während seines Studiums absolvierte Stefan A. Doch Praktika in der Automobil- und Hightech-Industrie. Seit November 2005 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bereich Logistik im Institut für Technologie und Management der Technischen Universität Berlin unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Frank Straube. Seine Schwerpunkte in Lehre und Forschung liegen auf den Gebieten der IT-gestützten Logistikplanung und der kundenindividuellen Differenzierung logistischer Leistungen. Michael Druml Mag. Michael Druml übernahm im Frühjahr 2006 die Position des Director Global Supply Chain Management bei Magna Steyr. Nach Abschluss seines Studiums der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz leitete er die Abteilungen Inventory Control, Traffic and Customs bei Chrysler-Eurostar. Ab 2002 ist er als Director Supply/Logistics bei Magna Steyr angestellt und seit April 2006 auch mit der Leitung des Einkaufs betraut. Das Aufgabengebiet von Michael Druml umfasst die komplette Supply Chain und somit die Gesamtverantwortung für Einkauf, Logistik und Lieferantenmanagement bei Magna Steyr. Timo E. Eickmeyer Timo Eike Eickmeyer studiert seit Oktober 2003 Betriebswirtschaftslehre an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg mit den Schwerpunkten Produktionswirtschaft und Logistik, Internationales Management und Marketing. Von August 2006 bis April 2007 absolvierte er ein Praktikum in der Vorserienlogistik der AUDI AG am Standort Neckarsulm. Dort war er für die Verfolgung der Teileanlieferung zum Aufbau von Vorserienfahrzeugen zuständig und unterstützte die Vorseriendisposition sowie die Einsatzterminsteuerung. Er wird sein Studium voraussichtlich im August 2008 als Diplom-Kaufmann abschließen.
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Bastian Franzkoch Dipl.-Ing. Bastian Franzkoch studierte Maschinenbau mit der Vertiefungsrichtung Fertigungstechnik an der RWTH Aachen. Seit Januar 2004 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Produktionssystematik des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen. Seit Januar 2006 ist Bastian Franzkoch Gruppenleiter der Gruppe Globale Produktion in der Abteilung Produktionsmanagement des WZL. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Globale Produktion, Verfügbarkeitsmanagement in der Produktion und Anlaufmanagement. Dr.-Ing. Sebastian Gottschalk Dr.-Ing. Sebastian Gottschalk studierte Maschinenbau an der RWTH Aachen und der INSA de Lyon (F) mit der Vertiefung Produktionstechnik. Seit 2002 arbeitet Dr.-Ing. Sebastian Gottschalk als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Produktionssystematik des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) im Themenbereich Fabrikplanung und Produktionsoptimierung und verantwortet heute als Oberingenieur die Abteilung Produktionsmanagement. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Fabrikplanung, Montagegestaltung und Lean Production. Er verantwortet zahlreiche Beratungs- und Forschungsprojekte und ist Autor verschiedener Beiträge zu unterschiedlichen Aspekten des Produktionsmanagements. Alexander Grimm Alexander Grimm absolvierte nach der Ausbildung zum Speditionskaufmann ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Logistik, Marketing und Statistik. Nach mehrjähriger Tätigkeit in der Speditionsbranche ist er seit 1999 in der Vorserienlogistik der AUDI AG Neckarsulm im Bereich Vorseriendisposition und Fahrzeugsteuerung tätig, speziell in den Baureihen A6 und A4 inkl. A4 Cabrio. Außerdem ist er zuständig für die Betreuung von Praktikanten und Diplomanden in der Vorserienlogistik. Seit 2004 studiert er „Umweltwissenschaften“ an der Fernuni Hagen mit dem Abschlussziel „Master of Environmental Sciences (M.Env.Sc.)“. Andreas Grzegorski Andreas Grzegorski ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Manufacturing Engineering Europe/NAFTA bei Daimler Trucks sowie am Lehrstuhl für Fertigungstechnik und Betriebsorganisation an der TU Kaiserslautern. Sein Arbeitsschwerpunkt umfasst die Gestaltung von Produktions-, Produktionsplanungs- und Engineeringprozessen in globalen Netzwerken. Axel Hoeschen Dipl.-Ing. Axel Hoeschen ist seit 2006 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Produktionssystematik des Werkzeugmaschinenlabors (WZL). Er studierte Maschinenbau an der RWTH Aachen und der École Centrale Paris. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Organisationsgestaltung in der Produktion. Dr. Joerg S. Hofstetter Dr. oec. Dipl. Ing. Joerg S. Hofstetter ist Projektleiter am Lehrstuhl für Logistikmanagement und Nachwuchsdozent an der Universität St. Gallen. Er studierte Maschinenwesen an der Universität Stuttgart und dem Institut National Polytechnique
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de Grenoble, bevor er an der Universität St. Gallen in BWL promovierte. Er arbeitete in der Produktentwicklung bei ITT Automotive in Auburn Hills, MI, USA und im Area Management bei Lufthansa Cargo in Bangkok und Singapur. Er ist Verwaltungsratspräsident der Naveco AG in Zug und Fachbeiratsmitglied mehrerer Industrieverbände. Dr.-Ing. Achim Kampker Dr.-Ing. Achim Kampker studierte Maschinenbau an der RWTH Aachen und war anschließend zuerst als Gruppenleiter und später als geschäftsführender Oberingenieur am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH beschäftigt, wo er im Themengebiet „Unternehmensentwicklung“ promovierte. Seit 2006 ist er als Geschäftsführer bei der JÜPO GmbH für das operative Geschäft verantwortlich. Phillip Kirst Dipl.-Kfm. Phillip Kirst MBA ist seit Oktober 2004 an der Universität St. Gallen als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am heutigen Lehrstuhl für Logistikmanagement tätig. Er beschäftigt sich in seiner Dissertation mit dem Thema „Supplier Switching Management“ und hat im Bereich Einkauf und Beschaffung verschiedene Projekte und Studien verantwortet. Von Juni 2007 bis Februar 2008 war er an der Copenhagen Business School in Dänemark als „Visiting Research Associate“ tätig, um seine Doktorarbeit zu beenden. Frederik König Dipl.-Ing. oec. Frederik König studierte von 1998 bis 2003 Wirtschaftsingenieurwesen mit den Schwerpunkten Logistik und Produktentwicklung an der TU HamburgHarburg und der Universität Bremen. Bis 2003 arbeitete er als studentischer Mitarbeiter am Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaft (BIBA). Er absolvierte mehrere Praktika in der Automobilindustrie. Seit 2002 ist er im Mercedes-Werk Bremen tätig. Nach Abschluss seiner Dissertation zum Thema „Das Anlaufwerk im Fast Ramp-up“ ist er aktuell Mitarbeiter in der Werksprojektleitung der neuen C-Klasse. Dr.-Ing. Frank H. Lehmann Dr.-Ing. Frank H. Lehmann leitet bei Daimler Trucks den Bereich Manufacturing Engineering Europe/NAFTA. In dieser Funktion ist er für den wirtschaftlichen Produktionsprozess bei Mercedes-Benz und Freightliner verantwortlich. Arbeitsschwerpunkte sind Prozesse und Organisation globaler Produktionsverbünde im Rahmen der Herstellung technisch komplexer, kundenindividueller Serienprodukte. Karl Lindenberg Karl Lindenberg war über viele Jahre in Europa und China als Qualitätsleiter bei TRW Automotive beschäftigt. In den letzten Jahren war er als Global Director Customer Quality für die technischen Kundenprozesse aller Geschäftsbereiche verantwortlich. Dazu gehörten die inhaltliche Definition des Anlaufmanagements im Reifegradprozess sowie die Unterstützung des Anlaufs beim Fahrzeughersteller selbst.
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Durch seine Mitgliedschaft in externen Arbeitskreisen glich er die TRW-Prozesse dem aktuellen Trend an. Heute ist er als Consultant für Qualitätsmanagement und Service in der europäischen und asiatischen Automobilindustrie tätig. Dr. Bernd Martens Dr. rer. pol. Bernd Martens ist im Einkauf der Volkswagen AG als Bereichsleiter verantwortlich für die Organisationseinheit „Beschaffung – Neue Produktanläufe“. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die termingerechte Vergabe von Bauteilen an Serienlieferanten sowie die Einhaltung der Erstmustertermine für Fahrzeugneuanläufe und die Kontrolle der Beschaffungsinvestitionen der Marke Volkswagen PKW. Darüber hinaus verantwortet er in seinem Bereich die Beschaffungsstrategie, das Kostenmanagement und das Kaufteilemanagement. Dr.-Ing. Axel Mayer Dr.-Ing. Axel Mayer studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit Fachrichtung Maschinenwesen an der Technischen Universität Berlin. Dabei legte er seine Studienschwerpunkte auf die Bereiche Logistik und Materialflusstechnik sowie Produktionstechnik. Während seines Studiums absolvierte er Praktika in verschiedenen Branchen, u.a. der Automobilzulieferindustrie, in Europa und den USA. In der Zeit von Dezember 2003 bis Juni 2007 war Axel Mayer Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Logistik am Institut für Technologie und Management der Technischen Universität Berlin unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. F. Straube. Seit Juli 2007 arbeitet er in der Zentralen Logistik eines Zulieferunternehmens der Nutzfahrzeugindustrie. Prof. Dr. Klaus Möller Prof. Dr. Klaus Möller hat die Professur für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Unternehmensrechnung und Controlling (W3) an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen inne. Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Darmstadt wurde Klaus Möller am Lehrstuhl Controlling der Universität Stuttgart bei Professor Dr. Dr. h.c. mult. Péter Horváth promoviert und habilitiert. Zum Wintersemester 2005/2006 übernahm er die Vertretung des Lehrstuhls für Controlling und Unternehmensrechnung an der TU München. Darüber hinaus war er von der Gründung im Jahr 2002 bis 2007 Geschäftsführer des gemeinnützigen Forschungsinstitutes IPRI – International Performance Research Institute gGmbH. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift „Controlling“. Christian Nieters Dipl.-Ing. Christian Nieters ist Senior Consultant bei der 4flow AG. Er leitet Projekte in der Beratung mit den Schwerpunkten Logistikplanung und -software. Die Berliner 4flow AG ist ein führender Anbieter von Logistikberatung und Logistiksoftware. 4flow consulting bietet Managementberatung, Konzeption und Umsetzungsunterstützung für Logistik und Supply Chain Management aus einer Hand. 4flow vista ist die Standardsoftware zur Logistikplanung und -optimierung.
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Nils Peters Dipl.-Wi.-Ing. Nils Peters ist nach seinem Studium an der Universität Karlsruhe sowie ersten Tätigkeiten in der Automobilindustrie seit Oktober 2005 an der Universität St. Gallen am heutigen Lehrstuhl für Logistikmanagement als Wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt. Er beschäftigt sich in seiner Dissertation mit dem Thema der Nachhaltigkeitsstrategien in Wertschöpfungsnetzwerken und hat im Bereich Technologiemanagement sowie Supply Chain Management verschiedene Projekte und Studien verantwortet. Florian Rösch Dipl.-Wi.-Ing. Florian Rösch studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit Fachrichtung Unternehmensplanung an der Universität Karlsruhe (TH). Seine Studienschwerpunkte lagen in den Bereichen Materialflusslehre und Logistik, Supply Chain Management sowie Organisation und Unternehmensführung. Während seines Studiums absolvierte Florian Rösch Praktika in der Nutzfahrzeug-, Automobil- und Logistikbranche in Deutschland und Europa. Seit Oktober 2004 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Logistik am Institut für Technologie und Management der Technischen Universität Berlin unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. F. Straube und beschäftigt sich im Rahmen seiner Dissertation mit Flexibilitätskonzepten in Wertschöpfungsnetzen. Peter Rumpf Diplom-Wirtschaftsingenieur Peter Rumpf ist seit 1995 in der Robert Bosch Gruppe tätig und hat seit 2000 in unterschiedlichen Funktionen im Einkauf und Logistik des Geschäftsbereiches Diesel Systems u. a. die Einführung des Technischen Einkaufsprozesses mitgestaltet. Dr. Markus Schneider Dr. Markus Schneider hat von 1995 bis 1997 eine Ausbildung als Speditionskaufmann bei der GAT Spedition GmbH Kempten absolviert. Anschließend studierte er Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik an der Otto-FriedrichUniversität Bamberg und an der Rijksuniversiteit Limburg Maastricht (Niederlande). Seit 2003 ist er als Logistikplaner für die Fahrzeugmodellreihe A3 bei der AUDI AG Ingolstadt tätig und hat in dieser Zeit mehrere Produktionsanläufe begleitet. Des Weiteren leitet er dort das Projekt „Virtuelle Logistik“ und hat zu diesem Thema berufsbegleitend am Lehrstuhl für „Betriebswirtschaft insbesondere Logistik und Controlling“ an der Universität Regensburg eine Promotion erstellt. Martin Stirzel Dipl.-Kfm. techn. Martin Stirzel ist seit 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter am IPRI – International Performance Research Institute gGmbH in Stuttgart. Er betreut und leitet Projekte zu Controlling, F&E/Anlauf und Logistik.
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Autorenverzeichnis
Edwin Tom Edwin Tom ist im Geschäftsbereich Aftermarket als Global Business Development Coordinator tätig. Seine Hauptaufgaben sind die Koordinierung regionaler Teams für globale Projekte sowie die Gestaltung und Ausarbeitung von Anlaufprozessen. In diesem Bereich ist er für TRW Automotive als interner Trainer tätig. Achim Trojan Achim Trojan studierte Produktionstechnik/Wirtschaftingenieurswesen an der Fachhochschule Aalen und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hohenheim. Erste berufliche Erfahrungen sammelte er bei der C. & E. Fein Elektrowerkzeuge GmbH als Assistent der Geschäftsleitung Produktion und Logistik. Seit 1991 ist er bei der Behr GmbH & Co. KG in verschiedenen Leitungspositionen tätig. Heute ist er für die Logistik der Behr Deutschland verantwortlich. Gregor Tücks Dipl.-Ing. Gregor Tücks studierte Maschinenbau an der RWTH Aachen und war anschließend als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH beschäftigt. Nach seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter in der EMAG-Gruppe ist er bei der JÜPO GmbH seit 2007 als Produktionsleiter für alle Produktionswerke und den Einkauf weltweit verantwortlich. Stephan Uske Diplom Betriebswirt (FH) Stephan Uske studierte Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Organisation von Unternehmen und Human Resources Management. Seit 2004 leitet er als Programm-Manager im europäischen TRW Geschäftsbereich Brems- und Lenktechnologien die Entwicklung und Einführung von globalen Programm-Management-Prozessen, -Werkzeugen und die Personalentwicklung im Programm-Management. Darüber hinaus nimmt er einen Lehrauftrag für General Management an der Fachhochschule Koblenz wahr. Dr.-Ing. Stefan Wolff Dr.-Ing. Stefan Wolff ist seit 2000 Vorsitzender des Vorstandes der 4flow AG. Zuvor war er stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung und Partner einer international tätigen Management- und Logistikberatung. Dr. Wolff ist seit 1990 als Berater großer und mittelständischer Unternehmen im Bereich Logistik tätig. Daneben ist er seit 1998 Lehrbeauftragter für Global Supply Chain Management an der Technischen Universität Berlin. Er engagiert sich ehrenamtlich als Vorsitzender des Förderbeirates der Bundesvereinigung Logistik (BVL). Werner Wölfler Herr Ing. Werner Wölfler, MBA, ist seit 1989 in der Robert Bosch-Gruppe tätig. Nach seiner Beratertätigkeit bei mittelständischen Unternehmen der Automobilzulieferindustrie ist er seit Mitte 2004 seitens des Einkaufs für das Plattformprojekt CP4 verantwortlich.
Sachverzeichnis
A Absicherungsläufe 114 Änderungshäufigkeit 102 Änderungskontrolle 114 Änderungsmanagement 5, 216, 227, 233 Änderung 215, 216 Änderungsabsicherung 219 Änderungsbündelung 218 Änderungsplanung 216 Änderungsprozess 235 Colour Matching 226 Fügemeisterbock 226 Konstruktive Änderungen 232 Problemfelder 216 Regenprobe 226 Anlaufcontrolling 250 Anlaufkostenabweichung 259 Break Even Time (BET) 256 Break-Even-Time-After-Release (BEAR) 255 Cost-to-Complete 257 Anlaufmanagementsystem 86 Anlaufmethoden 85 Anlauforganisation 4, 55, 57, 70, 154 Ablauforganisation 56, 62 Anlaufmanager 61 Anlaufteam 58, 61 Aufbauorganisation 56 Eigenständige Funktionseinheit 59 Entstörteam 209 Funktionsübergreifende Zusammenarbeit 60 Grundtypen 57 Planung und Steuerung 83 Projektleiter 72 Projektmanager 48, 73
Projektorganisation 57 Temporäres Team 76 Anlaufplanung 206 Phasenmodell 206 Anlaufregelwerk 12 Anlaufstrategie 4, 10 Zieldimensionen 10 Zielsetzung 13 Anlaufszenarien 192 Neuer Standort nach SOP 193, 195 Neuer Standort vor SOP 193, 197 Standortübergreifende Abwicklung 194, 198 Auftragsabwicklung 204 B B2B-Beschaffungsplattform 112 Bauteileklassifizierung 135 Bedarfs- und Kapazitätsmanagement Behälterplanung 165, 171 Bemusterung 110 Beschaffungsfreigabe 113 Beschaffungsmarktanalyse 125 Betriebsmittel -erstellung 191 -gestaltung 178 -planung 177
38
C Change Management 266 Cost Performance Index 254 D 3D-CAD
112
277
278 Daten -kontrollmodell 112 -modell 50 Design for Logistics 124 Design-freeze 46
Sachverzeichnis
Einkaufsbewertung 135, 139 Einkaufsstatusbericht 134 Entwicklungskosten 258 Erstbemusterung 191
MRP-System 233 Planungsdesktop 163 Produktdatenmanagement-System (PDM) 148, 236 Virtuelle Logistik 168 Workflowmanagement 237 Informationstechnische Integration 38 Innovationsmanagement 266 Integriertes Anlaufmanagementmodell 3 Interdisziplinäre SE-Teams 137 Intraorganisationale Koordination 146, 157, 226
F
K
Fabrikplanung 177 Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) 17, 138 Design-FMEA 50 Prozess-FMEA 50 Fertigungsprozesskette 136 Flächenplanung 168 Flexibilität 36 Flexibilitätsmanagement 13 Freigabeprozesse 189 Fremdbezugskomponenten 138 Frontloading 19, 47, 48, 115, 125, 161
Herstellbarkeitsprüfung 114 Herstellkostenabweichung 260
Kalkulation 247 Kapazitätsplanung 35 Kennzahlen 182, 249 Kennzahlensystem 250 Kernteam 74 Komplexitätsmanagement 13, 96, 146 Dynamik 56 Interdependenz 56 Interdisziplinarität 56 Komplexitätstreiber 55 Produktionssystem 83 Prozesse 83 Konstruktionshoheit 231, 232 Kosten 244 Änderungskosten 247 Design-Waste 246 Entwicklungskosten 258 Plankosten 247 Produktkosten 246 Projektkosten 246 Stückkosten 248 Kostenmanagement 5, 13, 19, 154, 231, 244 Instrumente 249 Plankostenrechnung 168 Produktlebenszykluskostenrechnung 18 Prozesskostenrechnung 18 Kundenteams 48
I
L
Implementierungsmanagement 266 Inbetriebnahme 191 Industrial Engineering 232 Industriestandard 16 Informationssysteme 147, 154, 219, 227, 266 Änderungsmanagementsystem 231, 235 Digitale Fabrik 147, 163, 168 Digitales Mock-Up 147
Launch Readiness 100 Lieferanten-Nominierung 113 Lieferantenbewertung 125 Bewertungssystematik 101 Lieferanten-Reviews 111 Lieferantenauditierung 102, 127 Lieferantenprozessanalyse 127 Lieferantenselbstauskunft 127 Lieferantenbezogene Strategien 134
E
G Gateway-Konzept 62, 83 Gateway-Review 69 Meilenstein 252 Quality Gate Rollenmatrix 88 Quality Gates 84, 123 Gegenstromverfahren 177 Globale Produktionsnetze 192 H
Sachverzeichnis Triadenkonzept 134 Vorzugslieferantenkonzept 134 Lieferantenmanagement 4, 89, 152 Anlaufkritische Lieferanten 101 Anlaufkritische Umfänge 124 Beziehungsmanagement 123 Commodities 98 Early Supplier Involvement 14, 21 Frühzeitige Einbindung 133 Integration 22 Kooperation 125 Lieferantenanalyse 101 Lieferantenauswahl 134 Lieferantenbasis 101, 124 Lieferantenentwicklung 14, 17, 22, 94 Lieferantenintegration 14, 39, 94, 95, 135 Lieferantenwechsel 14 Management der Lieferantenbasis 94 Priorisierung 126 Vertrauensverhältnis 137 Lieferantensteuerung 126 Lieferantentypen 97 Child Suppliers 98 Contractual Suppliers 98 Mature Supplier 99 Partner 99 Systemlieferant 99 Vorzugslieferant 136 Zweitlieferant 139 Logistikkonzept 23, 167 Just-in-Time 23 Long Range SILS 152 Standardanlieferprozess 155 Logistikmanagement 4, 143 Logistiknetzwerk 231, 232 Logistikplanung 37, 144, 147, 162 Aufgaben 161 Feinplanung 165 Operative Logistikplanung 146, 166 Phasen 144, 164 Strategische Logistikplanung 144, 164 Taktische Logistikplanung 145, 164, 165 M Machbarkeitsstudien 114 Materialflussplanung 165 Meilenstein 252 -Kosten-Trendanalyse 254 -Trendanalyse 252 Mitarbeiterbefähigung 177, 181 Mitarbeiterqualifikation 181 Entscheidungsfähigkeit 181, 182 Entscheidungsgrundlage 181
279 Zielsystem 181, 183 Monitoring 138 Mustermanagement 136, 140 N Normalproduktivität
249
O Organisatorische Integration
36
P Parallelfertigung 230 Performance Index 254 Performance Measurement 250 Personalfloating 37 Planabweichungen 208 Planungs- und Controllingwerkzeuge 85, 88 Planungsprämissen 247 Plattform -Strategie 152, 230 -projekt 133 Produktdatenmodell 219 Produktentstehungsprozess 45, 84, 96, 123, 132, 247 Produktentwicklungsprozess 216 Produktions-Anlauftomogramm 206 Produktionsdatenmanagementsystem 232 Produktionshochlauf 85 Produktionskonzept 190 Produktionsmanagement 5, 177 Produktionsmittelstandards 180 Produktionsprozess 233 Produktionsstandards 180 Bill of Equipment 180 Bill of Process 180 Produktionstests 85 Prognosegüte 101 Programmmanagement 66, 70 Programmplanung 32 Projekteinkauf 110, 133, 140 Projekthaus 111 Projektmanagement 47, 48, 66, 70, 72 Projektabwicklung 192 Projektcontrolling 250 Unterstützung 77 Werkzeuge 77 Projektreifegradprozess 68 Applikationsprozess 68 Entwicklungsprozess 68 Prototypen 113 Prozesskettenmodell 169 Prozessstandards 180
280 Q Qualitätsmanagement 13, 17 Advanced Product Quality Planning (APQP) 17 Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) 17 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess 17 Plan-do-act-check(PDAC) 17 Qualitätsvorausplanung 17 Quality Function Deployment 17 Qualitätssicherung 110 R Reaktions-und Notfallpläne 138 Realisationskontrolle 247 Referenzproduktentstehungsprozess 144 Referenzprozess 83, 170, 210 Commercial Vehicle-Development System 83, 84 Reifegradcontrolling 62, 83, 223 Gateway-Konzept 62, 83 Produktreifegrad 63 Prozessreifegrad 63 Reifegradabsicherung Neuteile 140 Reifegradprozesse 21 Release Management 24 Richtlinien 233 Risiko -beurteilung 126 -bewertung 89 Run at Rate 102
Sachverzeichnis Abstimmung 218 Auslösung 217 Detaillierung 218 Eskalation 219 Genehmigung 219 Konstruktive Umsetzung 219 Produktive Umsetzung 219 Vorabklärung 217 Start-of-production 85 Supplier Relationship Management 123 Supply Chain Design 14, 144, 151, 153, 156 Erfolgsfaktoren 158 Integrationsphase 157 Konzeptionsphase 156 Skalierungsphase 157 Supply-Chain-Design-Team 157, 158 Supply Chain Management 122 Flexibilität 13, 20 Integration 21 Komplexität 15 Konfiguration 16 Koordination 12 Visibilität 15 Supply-Chain-Strategie 153 Supply-Chain-Szenario 153, 155 Systemunterstützung 127 T Total Cost of Ownership (TCO) 152 Total-Landed-Cost 153, 158 Transparenz 137 Turbulenzgrad 210
125, 145,
S V Serienanlauf 1, 246, 266 Anlaufphase 226 Hochlauf 191, 223 Nullserie 2, 223, 248 Produktionshochlauf 2, 248 Vorserie 2, 247 Serienproduktionssimulation 102 Simulation 50 Materialfluss- und Netzwerksimulation 147 Simulationstools 47 Simultaneous Engineering 21, 32, 36, 162 Störungen 208 Standardänderungsprozess 25, 217, 225 Änderungsauslöser 224 Änderungsstand 225
Variantenmanagement 16 Variantenanzahl 102 Variantenbildung 125 Verfügbarkeitsabsicherung 138 Verlängerte Werkbank 98 Vorserienlogistik 32 W Werksstrukturplanung 177 Wettbewerbsvorteil 10 Z Zulieferer-Lieferanten-Beziehungen
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