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German Pages 414 [434] Year 2010
Beat Hunziker Abwanderungsverhalten von Spendern
GABLER RESEARCH Marktorientiertes Nonprofit-Management Herausgegeben von Professor Dr. Bernd Helmig Universität Mannheim Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Public & Nonprofit Management
Die Schriftenreihe gibt Einblick in den aktuellen Stand der Forschung zum Management von Nonprofit-Organisationen (NPO). Zielsetzung der Reihe ist es, richtungsweisende Erkenntnisse sowie fundierte empirische Untersuchungen zu präsentieren. Der Fokus liegt auf der immer wichtiger werdenden Ausrichtung der NPO am „Markt“. Die Reihe will den Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis fördern und wendet sich nicht nur an Studierende und Wissenschaftler, sondern auch an Führungskräfte, Berater und Politiker mit Arbeitsfeld NPO und Soziales.
Beat Hunziker
Abwanderungsverhalten von Spendern Eine Analyse des Abwanderungsprozesses und der Rückgewinnungsmöglichkeit
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Bernd Helmig
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Freiburg (Schweiz), 2010
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2635-7
Geleitwort Die vorliegende Arbeit greift mit dem Abwanderungsverhalten und den Möglichkeiten der Rückgewinnung von Spendern ein in Wissenschaft und Praxis hoch relevantes und interessantes Thema auf. In Zeiten knapper werdender finanzieller Ressourcen (beispielsweise durch erschwerte Neuspendergewinnung, durch Rückgänge bei Zuwendungen der öffentlichen Hand und der Unternehmen, durch das Abschmelzen des Kapitalstocks während der Finanzkrise etc.) kommt der Bindung von regelmäßigen Spendern (also einer Verhinderung der Spenderabwanderung) bzw. der Rückgewinnung von abgewanderten Spendern eine große Bedeutung für das langfristige Überleben von Nonprofit-Organisationen zu. Insofern verwundert es, dass es bislang kaum wissenschaftliche Arbeiten gibt, die sich dieser Problematik im Kontext von Nonprofit-Organisationen widmen. In diese Forschungslücke stößt die vorliegende Arbeit. Vor diesem Hintergrund besteht die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit zunächst darin, die Abwanderungsgründe von Spendern zu erfassen. Darauf aufbauend sollen verschiedene Typen der Spenderabwanderung identifiziert werden. Schließlich soll herausgefunden werden, auf welche Art und Weise die Spenderabwanderung verhindert werden und abgewanderte Spender zurück gewonnen werden können. Dazu arbeitet Beat Hunziker neben den terminologischen und branchenspezifischen die theoretischen Grundlagen des Spendenverhaltens, insbesondere des Abwanderungsverhaltens, umfassend heraus. Aufbauend auf einer instruktiven Übersicht zur Abwanderungsforschung, innerhalb derer die Forschungsschwerpunkte der Kundenabwanderung präsentiert werden, widmet sich Beat Hunziker den verschiedenen Arten der Beziehungsbeendigung, die in eine eigenständig generierte Matrix von Arten der Beendigung von Kundenbeziehungen mündet. Ferner erfolgt in Anlehnung an die V
existierende Literatur eine Systematisierung von Abwanderungsgründen, bevor die Theorien der Abwanderungsforschung und der Stand der Forschung zu merkmals-, ereignis- sowie prozessbezogenen Studien zum Abwanderungsverhalten von Spendern präsentiert werden. Der empirische Teil der Arbeit besteht aus einer Befragung von (ehemaligen) Spendern einer weltweit tätigen Hilfsorganisation. Für die Generierung des Datenmaterials wurde zu 1.347 potenziellen Auskunftspersonen brieflicher Kontakt aufgenommen, was letztlich zur Durchführung von 77 qualitativen persönlichen Tiefeninterviews führte, die die Datenbasis der vorliegenden Arbeit bilden. Die Interviews wurden einem sorgfältigen Transkriptionsund Codierprozess unterzogen, an den sich eine qualitative Inhaltsanalyse, eine Typenbildung sowie eine typologische Analyse anschlossen. Im Analyseteil beschäftigt sich Beat Hunziker zunächst mit den Auslösern der Spendenabwanderung, wobei er zwischen spenderinitiierten, organisationsinitiierten und konkurrenzinitiierten Auslösern unterscheidet. Anschließend werden die Prozessdeterminanten der Spenderabwanderung einer intensiven Untersuchung unterzogen. Im Rahmen seiner Ergebnisse zur Spenderabwanderung differenziert Beat Hunziker auf Basis der Selbsteinschätzungen der Probanden zwischen abgewanderten, pausierenden, inkonstant aktiven und nicht abgewanderten Spendern. Zudem analysiert Beat Hunziker die Auswirkungen dieser Unterteilung auf das jeweilige Spendenverhalten und Möglichkeiten der Rückgewinnung. Im darauf folgenden Abschnitt präsentiert Beat Hunziker die empirisch generierten Ergebnisse der Typenbildung. Als zentrale Erkenntnis der Arbeit können auf der Basis des empirischen Datenmaterials insgesamt sechs unterschiedliche Abwanderungstypen identifiziert werden, wobei Beat Hunziker bei drei dieser Typen die Wahrscheinlichkeit einer Rückgewinnung als hoch einschätzt.
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Mit der vorliegenden Arbeit erhält der Forscher einen guten Einblick in die Problematik des Spendermanagement bzw. Fundraising im Allgemeinen sowie des Abwanderungsverhaltens im Besonderen. Ferner ist die Dokumentation der qualitativen Forschungsarbeit eine Fundgrube für Wissenschaftler, die sich dieser Methode bemächtigen wollen. Die Erkenntnisse der Arbeit und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen für NonprofitManager sind von Bedeutung für die konkrete Ausgestaltung von deren Spendermanagement bzw. Fundraising. Die von Beat Hunziker generierten wissenschaftlichen Erkenntnisse sind somit von großem Nutzen für Wissenschaft und Praxis. Prof. Dr. Bernd Helmig
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Vorwort An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei allen bedanken, die mich während meiner Dissertation sowohl fachlich als auch moralisch unterstützt haben und die grossen Anteil daran haben, dass dieses Buch zustande gekommen ist. Einen besonderen Dank möchte ich meinem Doktorvater und akademischen Lehrer Prof. Dr. Bernd Helmig für seine Unterstützung und sein entgegengebrachtes Vertrauen aussprechen. Ich danke dem Zweitgutachter Prof. Dr. Markus Gmür. Weiter möchte ich mich auch beim ganzen VMI-Team bedanken, welches mich während meiner Tätigkeit an selbigem Institut mit Rat und Tat unterstützt hat. Auch möchte ich mich herzlich bedanken bei Dr. Juliane Sauer, meinem „Leidensgenossen“ MA in Management Christoph Bärlocher, wie auch allen anderen, mit welchen ich mich wissenschaftlich austauschen konnte und die mir wertvolle Rückmeldungen gegeben haben. Mein Dank gehört auch allen Probanden die an der Studie teilgenommen haben und der Organisation der Fallstudie, welche nicht genannt werden möchte. Ohne ihre Bereitschaft hätte die empirische Untersuchung nicht durchgeführt werden können. Schliesslich möchte ich mich bei meiner Familie und meinen Freunden bedanken, die mich auf meinem Weg zur Dissertation begleitet haben. Sie gaben mir die notwendige Unterstützung und den Rückhalt die ich benötigt habe. Ganz besonders gehört mein Dank Christina Gnos, die mich während der ganzen Zeit begleitet und unterstützt hat und dabei auch wichtigste Motivatorin und Kritikerin war. Vielen Dank! Beat Hunziker
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Inhaltsverzeichnis Geleitwort ......................................................................................V Vorwort ........................................................................................ IX Abbildungsverzeichnis ............................................................. XIX Tabellenverzeichnis....................................................................XX Abkürzungsverzeichnis ..........................................................XXII 1
Einleitung ................................................................................ 1 1.1 Problemstellung .............................................................. 1 1.1.1 Bedeutung privater Geldspenden........................ 2 1.1.2 Problematik des zunehmenden Wettbewerbs um Spendengelder ........................ 3 1.1.3 Problematik der Abwanderung von Spendern und Kunden ........................................ 4 1.2 Zielsetzung und Fragestellung........................................ 6 1.3 Vorgehensweise und Methodik ...................................... 8
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Einordnung des Untersuchungsgegenstandes und theoretischer Hintergrund .................................................. 12 2.1 Nonprofit-Organisationen............................................. 12 2.2 Nonprofit-Sektor........................................................... 17 2.3 Finanzierung von NPO ................................................. 19 2.3.1 Finanzierungsquellen ........................................ 19 2.3.2 Bedeutung der privaten Zuschussfinanzierung ....................................... 20 2.4 Spendenmarkt Schweiz ................................................ 23 2.4.1 Geldspenden von privaten Personen................. 24 2.4.2 Zunehmender Konkurrenzkampf um Spendengelder .................................................. 25 2.5 Marketing in Nonprofit-Organisationen ....................... 26 2.5.1 Fundraising ....................................................... 29 XI
2.5.2 Direct Mail ........................................................ 31 2.6 Relationship Marketing ................................................ 33 2.6.1 Abgrenzung zum klassischen TransaktionsMarketing.......................................................... 35 2.6.2 Kundenbeziehungen bei Dienstleistungen........ 37 2.6.3 Ökonomische Bedeutung der Kundenabwanderung ........................................ 40 2.6.4 Branchenbedingte Eignung des Beziehungsansatzes .......................................... 42 2.7 Relationship Fundraising .............................................. 44 2.7.1 Fundraising als Beziehungs-Marketing ............ 45 2.7.2 Ökonomische Auswirkungen des Spenderschwundes............................................ 48 2.7.3 Lebenszyklus als Hintergrund des Relationship Fundraising .................................. 52 2.7.4 Spendersegmentierung...................................... 54 2.7.5 Herausforderungen beim Relationship Fundraising ....................................................... 59 2.8 Übersicht und Zusammenfassung zur Einordnung des Untersuchungsgegenstandes .................................. 61 3
Spenderverhalten ................................................................. 66 3.1 Theoretische Ansätze des Fundgiving .......................... 67 3.1.1 Ökonomischer Erklärungsansatz – das Gratifikationsprinzip ......................................... 69 3.1.2 Interdisziplinärer Erklärungsansatz – Prosoziales Verhalten ....................................... 72 3.2 Einflussfaktoren auf das Spenden ................................ 74 3.2.1 Soziodemografische Einflussfaktoren .............. 74 3.2.1.1 3.2.1.2 3.2.1.3 3.2.1.4 3.2.1.5 3.2.1.6
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Alter ....................................................................75 Geschlecht...........................................................76 Einkommen und Vermögen ................................78 Familienstand ......................................................79 Religion...............................................................80 Region .................................................................80
3.2.1.7 Ausbildung und Erwerbsstatus............................81 3.2.1.8 Weitere personenbezogene Einflussfaktoren ......81
3.2.2 Motive des Spendens ........................................ 84 3.2.3 Altruismus-Egoismus Diskussion..................... 88 3.3 Typologisierung der Spender ....................................... 90 3.3.1 Geber-Typen nach Reetz/Ruzicka .................... 91 3.3.2 Grossspender-Typen nach Prince/File .............. 92 3.3.3 Mitglieder-Typen nach Schwarz ...................... 93 3.4 Entscheidungsverhalten und –prozesse ........................ 93 3.4.1 Individuelle Entscheidungsprozesse ................. 94 3.4.1.1 3.4.1.2 3.4.1.3 3.4.1.4
Extensive Kaufentscheidungen ...........................96 Limitierte Kaufentscheidungen ...........................97 Habitualisierte Kaufentscheidungen ...................97 Impulsive Kaufentscheidungen ...........................98
3.4.2 Entscheidungsfindung beim Spenden ............. 100 3.4.3 Modell des Spendenverhaltens ....................... 102 3.5 Zusammenfassende Erkenntnisse zum Spendenverhalten ....................................................... 108 4
Abwanderungsverhalten ................................................... 111 4.1 Übersicht zur Abwanderungsforschung ..................... 112 4.2 Arten der Beziehungsbeendigung............................... 115 4.3 Systematisierung von Abwanderungsgründen ........... 118 4.4 Theorien zur Abwanderungsforschung ...................... 120 4.5 Methodik in der Forschung der Kundenabwanderung .................................................. 124 4.6 Erkenntnisse aus merkmals- und ereignisbezogenen Studien ......................................... 127 4.6.1 Qualität und Zufriedenheit als Determinanten der Abwanderung ................... 127 4.6.2 Commitment und Vertrauen als Determinanten der Abwanderung ................... 134 4.6.3 Personen- und umweltbezogene Determinanten ................................................ 136 4.7 Erkenntnisse aus prozessbezogenen Studien .............. 140 XIII
4.8 Erkenntnisse zum Abwanderungsverhalten von Spendern – Stand der Forschung im NPO-Bereich .... 145 4.9 Zusammenfassende Erkenntnisse der Abwanderungsforschung ............................................ 158 5
Methodik der empirischen Erhebung und Gang der Untersuchung ..................................................................... 161 5.1 Grundlagen qualitativer Forschung ............................ 162 5.2 Begründung der Methodenwahl ................................. 164 5.3 Gütekriterien und -standards qualitativer Forschung ................................................................... 166 5.3.1 Anwendbarkeit spezifischer Gütekriterien in der qualitativen Forschung ......................... 168 5.3.2 Formulierung von Kernkriterien ..................... 171 5.4 Fragestellung der empirischen Untersuchung ............ 175 5.5 Vorwissen und Hypothesen in der eigenen Untersuchung .............................................................. 177 5.6 Verwendung der SPAT als Methode zur Erfassung der Spenderabwanderung ........................................... 180 5.6.1 Auslöser (Trigger) .......................................... 183 5.6.2 Ausgangssituation (Initial State) .................... 184 5.6.3 Prozess (Switching Process) ........................... 185 5.6.4 Abwanderung (Outcome) ............................... 187 5.6.5 Instrumentarium der SPAT ............................. 188 5.7 Methodik der eigenen Datenanalyse und Datenauswertung ........................................................ 190 5.7.1 Transkription und Codierverfahren ................ 190 5.7.2 Qualitative Inhaltsanalyse............................... 194 5.7.3 Typenbildung und typologische Analyse ....... 195 5.8 Vorgehensweise und Stichprobenwahl....................... 203 5.8.1 Auswahl der Organisation .............................. 205 5.8.2 Auswahl der Probanden .................................. 207 5.8.3 Ansprache der Probanden ............................... 209
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Ergebnisse der Untersuchung ........................................... 212
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6.1 Stichprobenbeschreibung der empirischen Erhebung..................................................................... 212 6.1.1 Stichprobenumfang und Rücklauf .................. 213 6.1.2 Soziodemografische Daten ............................. 213 6.2 Beziehungsaspekte als Einflussfaktoren auf die Ausgangssituation....................................................... 218 6.2.1 Beziehungsbeginn ........................................... 218 6.2.2 Beziehungsdauer ............................................. 219 6.2.3 Commitment ................................................... 220 6.2.4 Bezug zur NPO ............................................... 221 6.2.5 Spendenmotive ............................................... 223 6.2.6 Beziehungsintensität ....................................... 228 6.2.7 Vertrauen ........................................................ 229 6.2.8 Spendenverhalten............................................ 231 6.2.9 Zusammenfassende Erkenntnisse aus den Einflussfaktoren der Ausgangssituation ......... 236 6.3 Auslöser der Spenderabwanderung ............................ 238 6.3.1 Einfache und komplexe Abwanderung........... 239 6.3.2 Spenderinitiierte Auslöser .............................. 239 6.3.3 Organisationsinitiierte Auslöser ..................... 240 6.3.4 Konkurrenzinitiierte Auslöser ........................ 241 6.3.5 Zusammenfassende Erkenntnisse der Auslöser .......................................................... 242 6.4 Prozessdeterminanten der Spenderabwanderung ....... 243 6.4.1 Wechselbarrieren ............................................ 243 6.4.2 Beschwerden ................................................... 245 6.4.3 Emotionen ....................................................... 246 6.4.4 Zufriedenheit .................................................. 247 6.4.5 Dauer des Abwanderungsprozesses................ 250 6.4.6 Spenderinitiierte kritische Ereignisse ............. 252 6.4.6.1 6.4.6.2 6.4.6.3 6.4.6.4
Familiäre Veränderungen..................................253 Finanzen des Spenders ......................................253 Einstellung zum Spenden ..................................255 Unbeabsichtigte Abwanderung .........................256
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6.4.7 Organisationsinitiierte kritische Ereignisse .... 258 6.4.7.1 6.4.7.2 6.4.7.3 6.4.7.4 6.4.7.5 6.4.7.6 6.4.7.7 6.4.7.8 6.4.7.9
Notwendigkeit der Spende ................................258 Arbeitsweise und Effizienz der NPO ................260 Schlechte Reaktion ...........................................263 Fehlendes Angebot............................................264 Fehlende Anfrage ..............................................264 Fehlendes Zertifikat ..........................................265 Negative Presse .................................................265 Art der Kommunikation ....................................266 Kommunikationshäufigkeit...............................269
6.4.8.1 6.4.8.2 6.4.8.3 6.4.8.4 6.4.8.5
Zu viele NPO ....................................................274 Zu viele Anfragen .............................................274 Angebot eines Konkurrenten ............................276 Bezug zu einer Konkurrenz-NPO .....................277 Spendenaufruf einer Konkurrenz-NPO .............278
6.4.8 Konkurrenzinitiierte kritische Ereignisse ....... 273
6.4.9 Zusammenfassende Erkenntnisse der Prozessdeterminanten ..................................... 279 6.5 Ergebnisse der Spenderabwanderung ......................... 283 6.5.1 Stand der Spendenbeziehung aus Probandensicht................................................ 284 6.5.2 Auswirkungen auf das allgemeine Spendenverhalten............................................ 287 6.5.3 Ausprägungen der Rückgewinnungsmöglichkeit ......................... 289 6.5.4 Bedingungen der Rückgewinnung.................. 291 6.5.5 Mund-zu-Mund-Propaganda .......................... 296 6.5.6 Zusammenfassende Erkenntnisse aus den Ergebnissen des Abwanderungsprozesses ...... 300 6.6 Ergebnisse der Typenbildung ..................................... 302 6.6.1 Unbewusste Abwanderer ................................ 304 6.6.2 Unkonstante Spender ...................................... 306 6.6.3 Variety Seeker ................................................ 307 6.6.4 Frustrierte Abwanderer ................................... 309 6.6.5 Unzufriedene Abwanderer .............................. 311 6.6.6 Zwangsabwanderer ......................................... 312 XVI
6.6.7 Übersicht über die Abwanderungstypen......... 314 7
Diskussion ........................................................................... 317 7.1 Beantwortung der Forschungsfragen .......................... 317 7.2 Ableitung von Handlungsempfehlungen .................... 329 7.2.1 Handlungsempfehlungen für die Spendersegmentierung.................................... 330 7.2.2 Handlungsempfehlungen für die Abwanderungsminimierung ........................... 333 7.2.3 Handlungsempfehlungen für die Rückgewinnung .............................................. 334 7.3 Kritische Würdigung der Arbeit ................................. 337 7.4 Anregungen für zukünftige Forschung ....................... 341
Anhang ....................................................................................... 343 Literatur..................................................................................... 377
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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Ökonomische Auswirkungen der Kundenloyalität ..................................................... 41 Abbildung 2: Einfluss der Verringerung der Abwanderungsrate ................................................. 52 Abbildung 3: Idealtypischer Spenderzyklus ................................ 53 Abbildung 4: Die Spenderpyramide ............................................ 57 Abbildung 5: Übersicht zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes .................................. 64 Abbildung 6: Theoretische Ansätze des Fundgiving ................... 68 Abbildung 7: Modell des Spendenverhaltens ............................ 103 Abbildung 8: Forschungsschwerpunkte der Kundenabwanderung ........................................... 114 Abbildung 9: Systematisierung der Abwanderungsgründe nach Verursacher ............. 119 Abbildung 10: Das Push-Pull-Mooring Modell für Dienstleistungswechsel........................................ 139 Abbildung 11: Katalytisches Wechselmodell nach Roos ............ 181 Abbildung 12: SPAT für die Spenderabwanderung .................... 182 Abbildung 13: Ablauf der Typenbildung und typologischen Analyse......................................... 202
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Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: XX
Unterschiede in wichtigen Strukturmerkmalen von PO und NPO ........................................ 15 Fundraisingkosten nach Fundraisinginstrument .............................................................. 50 Warum Menschen spenden – eine tabellarische Aufstellung. .............................................. 86 Typologie der Kaufentscheide ............................... 99 Abgeleitete Forschungsfragen aus den Erkenntnissen des Spendenverhaltens ................. 110 Arten der Beendigung von Kundenbeziehungen und mögliche Gründe ..................... 117 Strukturierung relevanter Analyseinstrumente der Kundenabwanderung .......................... 124 Zufriedenheit und Abwanderung ......................... 131 Übersicht zur Abwanderungsforschung im nicht profitorientierten Bereich ........................... 147 Gründe der Spendenabwanderung....................... 150 Abgeleitete Forschungsfragen aus der Literatur zum Abwanderungsverhalten ............... 160 Gütestandards quantitativer und qualitativer Forschung ......................................... 167 Gesammelte theoriegeleitete (Unter-) Forschungsfragen ................................................ 176 Gesammelte aus der Theorie abgeleitete, forschungsleitende Thesen .................................. 178 Aufbau des Interviewleitfadens ........................... 189 Verwendete Transkriptionsregeln ....................... 191 Codebaum der thematischen Kategorien ............. 197 Induktiv gebildete Ausprägungen am Beispiel Rückgewinnung ..................................... 200 Angaben zur untersuchten NPO .......................... 207
Tabelle 20: Tabelle 21: Tabelle 22: Tabelle 23: Tabelle 24: Tabelle 25: Tabelle 26: Tabelle 27: Tabelle 28: Tabelle 29: Tabelle 30: Tabelle 31: Tabelle 32: Tabelle 33: Tabelle 34: Tabelle 35: Tabelle 36: Tabelle 37: Tabelle 38: Tabelle 39: Tabelle 40: Tabelle 41:
Übersicht über Umfang und Termin der Erhebung ............................................................. 211 Stichprobenumfang und Rücklauf ....................... 213 Geschlechterverteilung der Stichprobe................ 214 Alter der Probanden............................................. 214 Spendensumme der Probanden ........................... 215 Anzahl Einzelspenden der Probanden ................. 215 Durchschnittliche Spendenhöhe der Probanden ............................................................ 216 Kinder der Probanden .......................................... 216 Familienstand der Probanden .............................. 216 Einkommen der Probanden ................................. 217 Dauer der Unterstützung...................................... 220 Ausprägungen des persönlichen Bezugs ............. 222 Beziehungsintensität durch Anzahl und Wert der jährlichen Spenden ............................... 228 Ausprägungen der Einstellung zum Wechseln ............................................................. 235 Übersicht über die spenderinitiierten Einflussgrössen .................................................... 258 Übersicht über die organisationsinitiierten Einflussgrössen .................................................... 273 Übersicht über die konkurrenzinitiierten Einflussgrössen .................................................... 279 Selbsteinschätzung der aktuellen Spenderbeziehung durch die Probanden .......................... 285 Allgemeines Spendenverhalten ........................... 287 Erneute Spende seit der Befragung ..................... 291 Typologie der Spenderabwanderung ................... 315 Daten zum Spendenverhalten der Abwanderungstypen ............................................ 316
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Abkürzungsverzeichnis AHV B2B B2C bspw. C/D CHF CIT CNP d. h. (f)f. Hrsg. KE LSV LTV Mio. MPT MW NPO o. S. PO QDA ROI S. SIT SPAT Std.abw. TISPO UK USA vgl. VMI z. B. ZEWO
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Alters- und Hinterlassenenversicherung Business-to-Business Business-to-Consumer Beispielsweise Confirmation/Disconfirmation Schweizer Franken Critical Incident Technique Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project das heisst (fort)folgende Herausgeber Kritische Ereignisse Lastschriftverfahren Live-Time-Value Millionen Merkmale-Phasen-Typen Mittelwert Nonprofit-Organisation / Nonprofit-Organisationen ohne Seitenangaben Profit-Organisationen Qualitative Data Analysis Return on Investment Seite Sequential Incident Technique Switching Path Analysis Technique Standardabweichung Trigger-Initial State-Process-Output United Kingdom United States of America Vergleiche Verbandsmanagement Institut zum Beispiel Zentralstelle für Wohlfahrtsorganisationen
1 Einleitung 1.1 Problemstellung Fundraising wird für spendenfinanzierte Nonprofit-Organisationen (NPO) zu einer zunehmend grösseren Herausforderung. Auf der einen Seite werden Gelder vom Staat, der sich einem immer stärkeren Spardruck ausgesetzt sieht, gekürzt oder sind nicht mehr so leicht zugänglich. Auf der anderen Seite sind immer mehr Organisationen auf Spendengelder angewiesen, was zu einer stärkeren Konkurrenzsituation auf dem Spendermarkt führt. Zusätzlich scheint der Spendenmarkt zunehmend gesättigt zu sein, da die Spendenfreudigkeit nicht weiter zunimmt. Diese Entwicklungen erschweren die Finanzierungssituation für die einzelnen Organisationen.1 Im vermehrt umkämpften Markt um Spendengelder, ist die Akquirierung von Neuspendern mit hohen Kosten verbunden. Dadurch steigt die Bedeutung der bestehenden Spender2 und der Beziehungsperspektive im Fundraising. Spenderloyalität kann vermehrt als zentraler Erfolgsfaktor des Fundraising betrachtet werden. Die Pflege der Kundenbeziehungen – respektive Austauschbeziehungen – ist somit von entscheidender Bedeutung für NPO.3 Spendenfinanzierte NPO müssen ihre Marketing-Bemühungen, im Sinne des Relationship Fundraising, verstärkt auf die bestehenden Spender lenken. Der Aufbau und die Pflege von Spenderbeziehungen werden zu zentralen Erfolgskriterien im Fundraising. Auch eine Verhinderung der Abwanderung oder eine Verringerung der 1
2
3
Vgl. dazu Krummenacher (2006), S. 223 ff.; Wagner/Beccarelli (2008), S. 16 f.; Wagner/Kessler (2004), o. S.; für den Spendenmarkt Grossbritanniens Sargeant (2001b), S. 177. In dieser Arbeit wird das generische Maskulinum „Spender“ verwendet und auf eine explizite Erwähnung der „weiblichen Form“ verzichtet, da der Begriff als geschlechtsneutral betrachtet wird. Dieses Vorgehen wird durch die Konzentration auf die wesentlichen Inhalte und die bessere Lesbarkeit begründet. Dort wo die Unterschiede zwischen spendenden Männern und Frauen von Bedeutung sind, werden sie entsprechend hervorgehoben. Vgl. dazu Beccarelli (2006), S. 20. 1
B. Hunziker, Abwanderungsverhalten von Spendern, DOI 10.1007/978-3-8349-6308-6_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Abwanderungsrate ist anzustreben. Dazu fehlen den Organisationen aber grundlegende Erkenntnisse über die Spender und ihre Abwanderungsgründe. 1.1.1 Bedeutung privater Geldspenden Der Dritte Sektor ist weltweit auf Wachstumskurs, was durch das internationale Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project (CNP) belegt wird.4 Sowohl politisch wie auch wirtschaftlich hat der Dritte Sektor an Bedeutung gewonnen. Dies ist auch durch das überdurchschnittliche Beschäftigungswachstum, welches vor allem in Europa zu konstatieren ist, festzustellen.5 Die Datenbasis des Nonprofit-Sektors ist im Hinblick auf seine wirtschaftliche Bedeutung allerdings noch wenig fundiert, da verhältnismässig wenige Forschungsergebnisse dazu existieren.6 Auch über den Umfang des Spendenmarktes existieren, zumindest in der Schweiz, keine detaillierten Zahlen. Aufgrund von Bevölkerungsbefragungen zum Spendenverhalten wurden anhand der angegebenen Spendenbeiträge Hochrechnungen erstellt, um das Volumen des Spendenmarktes Schweiz zu ermitteln.7 Das berechnete Spendenvolumen liegt bei über einer Milliarde Schweizer Franken, wobei nur Spenden von privaten Haushalten mit einbezogen wurden.8 Die Statistik der Stiftung ZEWO,9 welche ebenfalls jährlich eine Erhebung zum Spendenmarkt Schweiz durchführt, bezieht ihre Daten direkt bei den spendensammelnden Organisationen. Allerdings werden nur NPO berücksichtigt, die mit dem ZEWO-Gütesiegel ausgestattet sind, was 4 5 6 7
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Vgl. Salamon (2004), S. 27 ff.; Vgl. Salamon/Anheier (1999). Vgl. Anheier (2004), S. 58. Vgl. Wagner (2007), S. 40 ff. Bei den angesprochenen Studien handelt es sich um den „Spendenmonitor“, des GfSForschungsinstitut (2006), (2009) und die „Spendenmarkt Studie“, von Wagner/Beccarelli (2008); Wagner/Kessler (2004). Vgl. GfS-Forschungsinstitut (2006), S. 2. Die Stiftung ZEWO (Zentralstelle für Wohlfahrtsorganisationen) ist die schweizerische Fachstelle für gemeinnützige, Spendensammelnde Organisationen.
im Jahr 2005 43710 und im Jahr 2008 431 Organisationen11 waren. Diese konnten dabei Gesamteinnahmen von rund zweieinhalb Milliarden Schweizer Franken ausweisen. Der Anteil der Einnahmen durch Spenden betrug in den vergangenen Jahren über 900 Millionen Franken, was ungefähr 35-40 % der Gesamteinnahmen entsprochen hat. Damit sind private Einzelspenden die wichtigste Einnahmequelle dieser ZEWO-zertifizierten, gemeinnützigen Organisationen.12 1.1.2 Problematik des zunehmenden Wettbewerbs um Spendengelder Viele NPO sind von Spendengeldern abhängig und können nur durch die Zuwendungen privater Spender ihren Aufgaben nachkommen. Der zunehmende Wettbewerb um Spendengelder stellt deshalb die Fundraiser zahlreicher NPO vor grosse Probleme. Die gestiegene Konkurrenz ist vorwiegend daraus entstanden, weil das Angebot an Spendengeldern nicht mit der steigenden Nachfrage Schritt halten kann. Das Spendenvolumen ist zwar in den vergangenen Jahren noch leicht gestiegen,13 es wird aber davon ausgegangen, dass dieser Trend nicht weiter anhält und der Spendenmarkt zunehmend gesättigt und somit das Potenzial ausgeschöpft ist.14 Der Hauptgrund für die steigende Nachfrage nach Spendengeldern ist sicherlich in der wachsenden Anzahl an spendensammelnden Organisationen zu finden. Einerseits entstehen neue NPO aufgrund neuer Bedürfnisse, andererseits treten auch immer mehr internationale NPO in den Spendenmarkt der Schweiz ein.15 10 11 12 13
14 15
Vgl. ZEWO (2006a), S. 6. Vgl. ZEWO (2009), S. 1. Vgl. ZEWO (2006a), S. 6. ZEWO (2008), S. 1 f., (2009), S. 1. Von 1997 bis 2002 ist das Spendenvolumen nach Wagner und Kessler um rund 20 % gestiegen, vgl. Wagner/Kessler (2004), o. S.; zum geschätzten Spendenvolumen der letzten neun Jahre siehe GfS-Forschungsinstitut (2006), S. 2. Vgl. Wagner/Beccarelli (2008), S. 16; Wagner/Kessler (2004), o. S. Vgl. Krummenacher (2006), S. 223 f.; Urselmann (2006), S. 81; Wagner/Beccarelli (2008), S. 16. 3
Die Entwicklung des Angebotes an Spendengeldern hält nicht Schritt mit der Entwicklung der Nachfrage, was unweigerlich zu einem stärker umkämpften Markt und zu einem zunehmenden Verdrängungswettbewerb führt. Der stärkere Wettbewerb hat zur Folge, dass einzelne Organisationen gezwungen sind, Einbussen bei der Spendengewinnung in Kauf zu nehmen oder mehr Aufwand zu betreiben, um dieselbe Menge an Spendengeldern zu generieren. Dies führt dazu, dass die Spendengewinnung mit steigenden Kosten verbunden ist, da die Rendite einzelner Akquirierungsaktionen geringer wird.16 1.1.3 Problematik der Abwanderung von Spendern und Kunden Bei einer branchenübergreifenden Studie wurde festgestellt, dass Unternehmen jährlich 15 % bis 20 % des Kundenstamms verlieren.17 Wie stark abwandernde Kunden einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben, wurde lange Zeit kaum beachtet. Kunden werfen aber mit jedem Jahr, das sie dem Unternehmen treu bleiben, zusätzlichen Profit ab.18 So haben Reichheld und Sasser festgestellt, dass die Gewinne im Normalfall ansteigen, wenn die Schwundrate vermindert werden kann.19 Sie sehen folglich eine Notwendigkeit darin, Kunden die das Unternehmen verlassen ausfindig zu machen und zu analysieren, da diese über wertvolle Informationen für das Unternehmen verfügen. Was immer Kunden dazu bewegt hat, eine Beziehung zu einem Anbieter zu beenden, kann auch weitere Kunden veranlassen, dies zu tun.20 Die gesamte Abwanderung von Kunden zu stoppen kann nicht das Ziel eines Anbieters sein, da eine gewisse Abwanderungsrate kaum vermeidbar ist.21 Eine Verringerung der Abwanderungsrate 16 17 18 19 20 21
4
Vgl. Urselmann (2007), S. 33 f. Vgl. Reichheld/Sasser (1990), S. 107 f. Vgl. dazu Bruhn (2001), S. 3 ff.; Reichheld (1996b), S. 39; Reichheld/Sasser (1990), S. 107 f. Vgl. Reichheld/Sasser (1990), S. 105 ff. Vgl. Reichheld/Sasser (1990), S. 108 f. Dies trifft insbesondere auf unfreiwillige oder kundeninduzierte Abwanderung zu, wie beispielsweise durch den Verlust des Arbeitsplatzes oder einen Wohnortswechsel/Umzug des Kunden vgl.
ist jedoch eine sinnvolle Zielsetzung, da der Verlust von verloren gegangenen Kunden durch die Gewinnung neuer Kunden behoben werden muss.22 Werden die Kosten für die Rekrutierung neuer Kunden betrachtet, wird ersichtlich, dass diese rund fünfmal so hoch sind, wie diejenigen zur Bearbeitung eines bestehenden Kunden. Dies kann dazu führen, dass Rekrutierungsaktionen erst nach einer gewissen Dauer einen „Gewinn“ einbringen.23 Die Problematik der (Kunden-)Abwanderung ist auch für das Fundraising von zunehmender Bedeutung. So existieren auch bei Spendern – insbesondere bei Erstspendern – hohe Abwanderungsraten. Sargeant und Mackenzie fanden in ihrer in Grossbritannien durchgeführten Studie heraus, dass NPO 40-50 % ihrer neu gewonnenen Geldgeber zwischen der ersten und zweiten Spende verlieren.24 Von den verbleibenden Spendern wandern im Weiteren rund 30 % jährlich ab.25 Gerade im zunehmend kompetitiven Spendenmarkt wird es immer schwieriger, neue Spender zu gewinnen, was die Kosten der Neuspendergewinnung in die Höhe treibt.26 Die Spendergewinnung ist etwa fünfmal so kostspielig wie die Reaktivierung von ehemaligen Spendern und vier- bis zehnmal so teuer wie die Spenderpflege und -entwicklung.27 Die Akquirierung von Erstspendern mittels Fremdadressen lohnt sich demnach erst durch die Folgespenden über die Zeit.28 Typischerweise dauert es etwa 18 Monate, bis die
22 23 24
25 26 27 28
dazu Keaveney (1995), S. 76 ff. und generell zu kundeninduzierten Abwanderungsgründen Bruhn (2001), S. 166; Michalski (2002), S. 42 ff. Vgl. Reichheld/Sasser (1990), S. 108. Vgl. Harley (1984), S. 15; Petersen (1997), S. 65 ff. zitiert nach Sargeant (2001b), S. 178. Vgl. Sargeant/Mackenzie (1998) zitiert nach Sargeant (2001b), S. 181. Maier-Schwier spricht sogar davon, dass oft über 70 % der Erstspender sofort wieder verloren gehen, vgl. Maier-Schwier (2008), S. 20. Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 2. Vgl. Urselmann (2007), S. 33 f. Vgl. Burnett (2002), S. 157; Hönig/Schulz (2006), S. 285; Sargeant/Jay (2004a), S. 3. Vgl. Haibach (2006), S. 44; Urselmann (2007), S. 64. 5
Kosten der Spendergewinnung durch die neu gewonnenen Spender gedeckt sind.29 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass spendensammelnde Organisationen verstärkte Anstrengungen benötigen, um in einem zunehmend gesättigten und umkämpften Markt die nötigen Finanzmittel beschaffen zu können. Neue Spender zu gewinnen wird schwieriger und ist mit hohen Kosten verbunden. Damit gewinnen die bestehenden Spender an Bedeutung und die Abwanderung der treuen Spender wird zu einem zentralen Problem. Die Gründe für die Beendigung von Spenderbeziehungen sind allerdings noch weitgehend unerforscht und über das Abwanderungsverhalten von Spendern existieren keine gesicherten Informationen und Erkenntnisse.
1.2 Zielsetzung und Fragestellung Die Spenderbindung stellt folglich einen zentralen Erfolgsfaktor für spendensammelnde Organisationen dar. Um jedoch gezielte Strategien zur Pflege von Beziehungen und Verhinderung von Abwanderung vornehmen zu können, ist es für die NPO zwingend notwendig zu wissen, weshalb die Spender die Organisation wechseln oder die Beziehung zur Organisation beenden. Zielsetzung dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zur Schliessung der vorhandenen Forschungsund Wissenslücke zu leisten. Dazu sollen einerseits die Abwanderungsgründe von Spendern erfasst werden. Andererseits soll ein Beitrag zum Verständnis des Abwanderungsprozesses, welchen die Spender durchlaufen, geleistet werden. Beim Abwanderungsprozess wird untersucht, ob es unterschiedliche Typen der Spenderabwanderung gibt und welche spezifischen Eigenschaften diese aufweisen. Letztendlich soll untersucht werden inwiefern die Abwan29
6
Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 3.
derung von den NPO verhindert werden kann, respektive ob die abgewanderten Spender zurück gewonnen werden können. Somit stehen die folgenden (Haupt-)Forschungsfragen im Mittelpunkt dieser Arbeit: 1. 2. 3. 4.
Weshalb beenden Spender ihre finanzielle Unterstützung einer Organisation? Welche Typen der Spenderabwanderung existieren? Wie kann die Spenderabwanderung verhindert werden? Können abgewanderte Spender zurück gewonnen werden?
Anhand einer umfassenden Literaturanalyse sollen weitere Fragestellungen herausgearbeitet werden, welche am Schluss des Theorieteils in gesammelter Form aufgeführt werden. Die theoriegeleiteten Forschungsfragen werden mit der Hauptfragestellung abgestimmt und sollen die Eruierung von Einflussfaktoren auf den Untersuchungsgegenstand erleichtern und die Informationssuche für die Beantwortung der Hauptfragestellung unterstützen. Mittels einer explorativen, empirischen Untersuchung sollen letztlich sämtliche Fragestellungen beantwortet werden. Aufgrund der Erkenntnisse der Untersuchung werden Kategorien von Abwanderungsgründen gebildet. Durch die Analyse des Abwanderungsprozesses werden unterschiedliche Typen der Spenderabwanderung heraus gearbeitet und charakterisiert. Letztlich werden aus den Erkenntnissen Handlungsempfehlungen und Hinweise für Fundraising-Praktiker erarbeitet. Auf wissenschaftlicher Seite gilt es, die vorhandene Forschungslücke zu schliessen, wobei auch neue Forschungsfelder aufgedeckt und Vorschläge für die weiterführende Forschung erarbeitet werden. Weiter wird die Frage beantwortet, inwiefern Erkenntnisse und Methoden aus der Abwanderungsforschung des Profit-Bereichs auf das
7
Fundraising übertragen werden können, oder ob spezifische Untersuchungen und Methoden notwendig sind.30
1.3 Vorgehensweise und Methodik Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Analyse der Abwanderung von Spendern. Dabei werden nur monetäre Spenden betrachtet und sowohl Sach- als auch Zeitspenden nicht berücksichtigt (siehe dazu auch Abschnitt 2.3.1). Da im Zentrum der Arbeit das Beenden von Spenderbeziehungen steht, werden nur Mehrfachspender betrachtet.31 Damit wird auch auf Spenden, die für Sofortund Katastrophenhilfe getätigt werden, nicht weiter eingegangen. Ausserdem werden nur Spenden von Privatpersonen berücksichtigt, da diese sich grundlegend von Unternehmensspenden unterscheiden (zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes siehe Abschnitt 2.8). Bei der Betrachtung der Spenderabwanderung wird darüber hinaus nur auf die spenderinitiierte Abwanderung eingegangen. Nach dem einleitenden Teil, in welchem insbesondere auf die Problemstellung, Zielsetzung und Vorgehensweise der Arbeit eingegangen wird, folgen sechs weitere Kapitel. In Kapitel 2 wird zuerst eine Abgrenzung und Einordnung des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen. Dabei werden anhand der existierenden Literatur Definitionen erarbeitet und Begriffsklärungen sowie eine sinnvolle, sachlogische Abgrenzung des Unter-
30
31
8
Die Zielsetzung von Forschungsprojekten beinhaltet meist eine praktische Zielsetzung, die zur Lösung eines bestimmten praktischen Problems beitragen soll und eine theoretische Zielsetzung, die einen Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt leisten soll, vgl. Riesenhuber (2007), S. 4 f. Einmalige Geldgeber und Mehrfachspender sind zu unterscheiden, da nur gerade etwa 50 % der Erstspender von sich aus ein weiteres mal spenden, vgl. Burnett (2002), S. 155 f. Liljander und Strandvik betrachten als einfachste Form einer Beziehung, wenn ein Kunde mindestens zwei mal ein Angebot beim selben Dienstleister beziehen, vgl. Liljander/Strandvik (1995), S. 141 f.
suchungsgegenstandes vorgenommen.32 Insbesondere werden Besonderheiten von spendenfinanzierten NPO betrachtet. Dabei wird eine Einordnung der privaten Geldspender im Rahmen der Finanzierung von NPO vorgenommen. Nebst der Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes geht es in diesem Teil auch um die theoretische Verankerung der Arbeit. Dabei wird auf der einen Seite das NPO-spezifische Marketing und auf der anderen Seite das Relationship Marketing und das Relationship Fundraising besprochen, welche die theoretische Grundlage der Arbeit bilden. Darüber hinaus wird in diesem Kapitel vertieft auf die Bedeutung der Spenderbindung und die Auswirkungen der Spenderabwanderung eingegangen. Voraussetzung für ein spenderorientiertes Fundraising ist, dass man die Spender versteht. Bevor auf die Abwanderungsgründe von Spendern eingegangen wird, gilt es deshalb zu betrachten, weshalb Personen überhaupt spenden. In Kapitel 3 werden auf der Grundlage einer umfassenden Literaturanalyse zum Spendenverhalten zuerst theoretische Aspekte des Fundgiving diskutiert und anschliessend Einflussgrössen wie Motive und soziodemografische Determinanten des Spendens aufgeführt und präsentiert. Danach wird der Entscheidungsprozess des Spendens betrachtet. Dabei wird auf die Erkenntnisse und Theorien aus dem Profit-Bereich zurückgegriffen, da nur wenige Angaben zum Entscheidungsverhalten von Spendern existieren. Am Ende des Kapitels werden im Hinblick auf die Untersuchung theoriebasierte Thesen und abgeleitete Forschungsfragen aufgestellt. Da in der Fundraising-Forschung das Abwanderungsphänomen noch so gut wie unbeachtet geblieben ist, wird in Kapitel 4 zuerst wiederum auf die Methoden und Erkenntnisse der profitorientierten Marketing-Forschung zurückgegriffen. Nach einem Überblick über den Stand der Forschung der Kundenabwanderung werden aus der 32
Die Definition des Problemfeldes steht jeweils am Beginn eines idealtypischen Ablaufs empirischer Forschungsprojekte, vgl. Riesenhuber (2007), S. 4 f. 9
deutsch- und englischsprachigen Literatur die Erkenntnisse zum Abwanderungsverhalten von Spendern zusammengetragen. Dabei werden Besonderheiten der Spenderabwanderung hervorgehoben und Unterschiede zur Kundenabwanderung diskutiert. Am Schluss des Kapitels werden weitere Forschungsfragen abgeleitet und forschungsleitende Thesen definiert. In Kapitel 5 werden die Ergebnisse der theoretischen Analyse, welche die Basis der anschliessenden empirischen Untersuchung bilden, aufbereitet und die daraus gewonnenen Fragestellungen und Thesen übersichtlich dargestellt. Darauf aufbauend, werden die Methodik der gewählten Untersuchung und das entsprechende Vorgehen dokumentiert. In der Abwanderungsforschung sind prozessorientierte Methoden vorzuziehen, da die Abwanderung meist durch einen komplexen Ablauf und nicht durch statische Einzelgrössen determiniert wird. Deshalb wird als konzeptionelles Raster der empirischen Untersuchung die Switching Path Analysis Technique (SPAT) verwendet. Da kaum Vorwissen über die Spenderabwanderung existiert eignet sich ein qualitatives Vorgehen. Für die empirische Untersuchung werden entsprechend qualitative, leitfadengestützte Telefoninterviews bei ehemaligen Mehrfachspendern einer international tätigen NPO durchgeführt. Insofern handelt es sich bei der Studie um eine explorative Fallstudie.33 Die transkribierten Interviews werden mit Hilfe der Datenanalyse-Software MAXQDA2007 aufbereitet und ausgewertet. Die Ergebnisse der qualitativen Analyse werden in Kapitel 6 dargestellt. Nebst einer Stichprobenbeschreibung werden die Erkenntnisse zu den Einflussfaktoren der Spenderabwanderung präsentiert. Die Strukturierung der Einflussfaktoren erfolgt anhand der Systematik der SPAT. Anschliessend werden die Ergebnisse der Typenbildung diskutiert. Die Typologie der Spenderabwanderer umfasst dabei sechs unterschiedliche Typen.
33
10
Zu den Arten der Forschung vgl. Riesenhuber (2007), S. 5 ff.
Zum Abschluss der Dissertation erfolgt in Kapitel 7 eine Diskussion. Dabei werden zuerst sämtliche Fragestellungen beantwortet. Anschliessend werden Handlungsempfehlungen für das Fundraising abgeleitet. Anhand einer kritischen Würdigung werden letztlich die Grenzen der eigenen Untersuchung aufgezeigt und Anregungen für die zukünftige Forschung gegeben.
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2 Einordnung des Untersuchungsgegenstandes und theoretischer Hintergrund Da sich die hier vorliegende Untersuchung auf NonprofitOrganisationen (NPO) konzentriert, werden zuerst deren Besonderheiten und Bedeutung diskutiert. Speziell von Interesse ist dabei der Bereich der Finanzierung, wobei den Spendengeldern als NPOspezifische Finanzierungsquelle besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im Anschluss an diese thematische Einordnung und die Begriffsklärungen wird eine theoretische Verankerung der Untersuchung vorgenommen. Das Spenden-Marketing (Fundraising) ist ein Teilbereich des Beschaffungs-Marketing von NPO. Deshalb wird zuerst das NPO-spezifische Marketing thematisiert. Die Abwanderungsforschung ist im Zuge des Relationship Marketing entstanden. Dementsprechend ist die Spenderabwanderung unter dem Ansatz des Relationship Fundraising einzuordnen. In diesem Kapitel werden deshalb die theoretischen Ansätze des Relationship Marketing und des Relationship Fundraising als theoretische Grundlage der vorliegenden Untersuchung diskutiert. Zudem wird auf die Besonderheiten des Fundraising und die Notwendigkeit und Bedeutung der beziehungsorientierten Sichtweise in diesem Kapitel vertieft eingegangen.
2.1 Nonprofit-Organisationen Der Begriff der NPO wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet. Dies liegt unter anderem an den länderspezifischen Rechtssystemen sowie den historischen und kulturellen Begebenheiten einzelner Länder.34 Darüber hinaus kann der NonprofitBegriff selbst zu Missverständnissen führen. Der Begriff „nonpro34
Vgl. Helmig et al. (2006b), S. 4.
12
B. Hunziker, Abwanderungsverhalten von Spendern, DOI 10.1007/978-3-8349-6308-6_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
fit“ der eigentlich aus dem Englischen stammt und für „not-forprofit“ steht, wird fälschlicherweise oft als „no profit“ verstanden.35 Die Gewinnerzielung ist bei NPO aber nicht ausgeschlossen. Die Gewinne oder besser die Überschüsse dürfen allerdings im Gegensatz zu Unternehmen nicht an die Kapitalgeber ausgeschüttet werden (sog. non-distribution constrain), sondern sind im Sinne der Zweckerfüllung zu verwenden respektive zum Vorteil der Leistungsadressaten zu nutzen.36 Für die vorliegende Untersuchung wird die Definition37 von Purtschert et al. verwendet, da diese alle wesentlichen Elemente für die Untersuchung beinhaltet. NPO werden demzufolge betrachtet als: „Jene produktiven sozialen Systeme mit privater Trägerschaft, welche ergänzend zu Staat und marktgesteuerten erwerbswirtschaftlichen Unternehmungen spezifische Zwecke der Bedarfsdeckung, Förderung und/oder Interessenvertretung/Beeinflussung (Sachzieldominanz) für ihre Mitglieder (Selbsthilfe) oder Dritte wahrnehmen.“38
Bei der Begriffsklärung geht es darum, dass mittels Merkmalskatalog entschieden werden kann, ob eine reale Organisation als NPO zu betrachten ist oder nicht.39 Wie in der oben stehenden Definition, geht es beim Merkmalskatalog für den NPO-Begriff oft darum, Kriterien zu definieren, welche die NPO von den ProfitOrganisationen (PO) und den staatlichen Organisationen abgrenzen. Bei der Abgrenzung von NPO zu PO ist das erwähnte Verbot der Gewinnausschüttung (non-distribution constraint) ein zentrales Merkmal einer NPO. Daneben existieren auch noch eine Reihe relevanter Strukturmerkmale für die Abgrenzung von NPO zu PO, 35 36 37
38 39
Vgl. Badelt et al. (2007), S. 4 f. Vgl. Badelt et al. (2007), S. 5 ff.; Helmig et al. (2006b), S. 4 ff.; Schwarz et al. (2005), S. 22. Bei Definitionen geht es nicht um deren „Richtigkeit“ sondern um eine intersubjektive Verständlichkeit und um die Eignung für die entsprechende Fragestellung, vgl. Badelt et al. (2007), S. 6. Purtschert et al. (2005), S. 55 f. Vgl. Badelt et al. (2007), S. 6. 13
welche herangezogen werden können. In Tabelle 1 sind die Unterschiede in wichtigen Strukturmerkmalen von NPO und PO aufgelistet. Ein insbesondere aus ökonomischer Sicht zentrales Unterscheidungskriterium zwischen NPO und Unternehmen ist die Sachzieldominanz von NPO. NPO haben als oberstes Ziel eine Bedarfsdeckung oder ein Förderungsgedanke und nicht wie Unternehmen ein Gewinnziel.40 Weiter sind die demokratische Organisationsstruktur, die Produktion von Kollektivgütern und die ehrenamtliche sowie freiwillige Arbeit charakteristische Besonderheiten von NPO.41 Betreffend Finanzierung unterscheiden sich NPO ebenfalls von Unternehmen, da sie sich nur beim Verkauf von Dienstleistungen und Produkten über den Markt finanzieren können. Dies ist üblicherweise aber nur in geringem Umfang oder gar nicht möglich. Im Gegensatz dazu besteht bei Unternehmen eine reine Preisfinanzierung über den Markt. Gerade NPO, welche Karitativleistungen und Kollektivgüter erstellen, sind oft auf weitere Finanzierungsquellen wie Subventionen und Spenden angewiesen.42 Die Abgrenzung der NPO über die Einnahmequellen ist für diese Arbeit vorrangig, da spendensammelnde Organisationen Gegenstand der Untersuchung sind. Aus diesem Grund wird in Abschnitt 2.3 noch stärker auf die Finanzierung von NPO eingegangen. Eine trennscharfe Unterscheidung von NPO und PO ist auch mittels Merkmalskatalog nicht immer möglich. Dies liegt daran, dass NPO in vielfältigen Formen auftreten und deshalb immer wieder schwer zuordenbaren Grenzfälle oder Mischformen von PO und NPO möglich sind.43
40 41 42 43
14
Vgl. Helmig et al. (2006b), S. 4; Schwarz et al. (2005), S. 22. Vgl. Helmig et al. (2006b), S. 7 f.; Schwarz et al. (2009), S. 22 ff. Vgl. Purtschert (2005), S. 54 f. Zur Finanzierung von NPO siehe Abschnitt 2.3. Vgl. Badelt et al. (2007), S. 6.; Purtschert (2005), S. 46 ff.; Schwarz et al. (2005), S. 25 ff.
Zur Erfassung der Vielzahl und Vielfalt der NPO wird vielfach eine Typenbildung nach Merkmalsdimensionen vorgenommen.44 So werden NPO nach den primären Nutzniessern oder Hauptleistungsempfängern in Eigenleistungs-NPO und Drittleistungs-NPO unterschieden. Während Eigenleistungs-NPO beziehungsweise Selbsthilfe-NPO spezifische Leistungen für ihre Mitglieder erbringen, richten sich die Leistungen der Drittleistungs-NPO nach den Bedürfnissen von Dritten. Zu dieser zweiten Gruppe zählen vor allem karitative und soziale NPO.45 In Tabelle 1 werden auch die Unterschiede zwischen Selbsthilfe-NPO und Drittleistungs-NPO aufgrund wesentlicher Strukturmerkmale aufgezeigt. In der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf den Drittleistungs-NPO. Tabelle 1: Unterschiede in wichtigen Strukturmerkmalen von PO und NPO46 Ausprägung bei
StrukturMerkmale
3. Steuerung der Organisationsentscheide
2. Bedarfs- 1. Hauptzweck deckung, Kunden
Profit-Organisation
Nonprofit-Organisation
SELBSTHILFE-NPO Erbringen spezifischer Leistungen Als Erwerbswirtschaft (Sachziel-Dominanz) für die MitAnstreben von Ertrag auf investiertem Kapital, glieder; NPO als Gruppen-Bedarfsalso Gewinn und Renta- wirtschaft oder Kollektivwirtschaft bezeichnet bilität (FormalzielDominanz) Deckt den Fremdbedarf Deckt Eigenbedarf der Mitglieder. Man spricht vom Identitätsprinzip von Nachfragern auf (Mitglieder = Kunden) oder von kolMärkten lektiver Eigenbedarfsdeckung Orientiert sich am Markt, am Kunden- und Konkurrenzverhalten
Mitglieder bestimmen demokratisch (direkt) über die Leistungen oder erzwingen durch indirektes Verhalten (Wahl von Organen, Bereitstellung von Finanzmitteln, Eintritt/Austritt, Apathie) mitgliedergerechte Entscheide der Leitungsorgane; Marktsteuerung ist teils nicht existent, teils sekundär
DRITTLEISTUNGS-NPO Erbringen spezifischer Leistungen (Sachziel-Dominanz) für/an Dritte (Hilfe, Beeinflussung, Förderung, Behandlung)
1) Deckt Fremdbedarf von Klienten, teils Abhängigkeit und Benutzungszwang 2) Wirkt beeinflussend auf Dritte (Zielgruppen) 1) Wenn karitative NPO: a) als Verein: analog Selbsthilfe-NPO sowie b) als Stiftung: bedürfnisorientierte Zuteilung von Leistungen im Rahmen vorhandener Mittel, Marktsteuerung teils inexistent, teils sekundär 2) Wenn Wohlfahrtsbetrieb: zusätzlich zu 1) staatl. Normierung von Leistungen /Entgelten
44
Vgl. Purtschert (2005), S. 43 ff. Vgl. Purtschert (2005), S. 45 ff.; Schwarz et al. (2005), S. 22 ff. 46 Quelle: Purtschert (2005), S. 53. 45
15
4. Produzierte Güter
Nur private, marktfähige Individualgüter, die ausschliesslich vom einzelnen Käufer genutzt werden können
8. Organisa- 7. Erfolgskontionsstruk trolle (Effitur zienz)
6. Faktor Arbeit
5. Finanzmittel
Kapitaleinlagen und direkte individuelle Leistungsentgelte (Preise) aus Güterverkauf
Viele Kollektivgüter, die einer ganzen Gruppe (z.B. allen Personen einer Berufsgruppe) zugutekommen, auch jenen, die nichts dafür bezahlen (Problem der Trittbrettfahrer = nichtzahlende Nutzniesser); private Güter nur im Bereich Dienstleistungsfunktion Mitgliederbeiträge, Steuern als Pauschalentgelte (für die Kollektivgüterproduktion); Preise und Gebühren (= intern subventionierte Entgelte) bei Dienstleistungsverkauf
1) Kollektivgüter bei: a) Förderung, Interessenvertretung ganzer Klientengruppen b) Beeinflussung von Zielgruppen 2) Individualgüter bei Dienstleistungen an Klienten 1) Bei Karitativleistungen und Kollektivgütern: Spenden, Subventionen, Legate, Vermögenserträge (Fundraising) 2) Bei Wohlfahrtsbetrieben: adm. Entgelte (Pflegesätze, Verrechnungstarife, Gebühren)
Vorwiegend hauptamt- Meistens ehrenamtl. Partizipation der 1) Wenn Verein: analog SelbsthilfeNPO lich angestellte Mitarbei- Mitglieder in Leitungsorganen, Ausschüssen und Mitglieder-Basisgruppen 2) Wenn Stiftung: Oberleitung durch tende Ehrenamtsorgane, teils ehrenamtli(Interessengruppen, Parteien, Landesche Helfer im Arbeitsvollzug /Bezirksgruppen, Sektionen), teils im Arbeitsvollzug Primär über marktbestimmte Grössen (Gewinn, Umsatz, Marktanteil etc.), welche die Gesamteffizienz messen
Hierarchisch aufgebaut, klare Kompetenzregelung und Befehlswege, zentrale Steuerung, ausgebaute MarketingInfrastruktur
Kein Indikator für die Gesamteffizienz; schwierige Zieloperationalisierung und Nutzenmessung (kaum quantifizierbar) bei Einzelaktionen
Analog Selbsthilfe-NPO
Demokratisch föderalistisch aufgebaut, Kompetenzregelungen oft unklar, oft keine zentrale Steuerungskompetenz, keine oder unzulängliche MarketingInfrastruktur
In dieser Arbeit werden NPO als private Organisationen betrachtet, also eine Abgrenzung zwischen „öffentlich“ und „privat“ vorgenommen.47 Die Abgrenzung gegenüber dem Staat kann nicht über die oben aufgeführten charakteristischen Merkmale der NPO vorgenommen werden. Grund dafür ist, dass auch staatlichen Organisationen grundsätzlich der Nonprofit-Charakter zugesprochen werden kann.48 Das Hauptkriterium zur Unterscheidung zwischen öffentlich und privat bildet die Rechtsform der Organisation, da juristische Personen des Privatrechts als „private“ anzusehen sind. 47
48
16
Zur Abgrenzung zwischen öffentlichen und privaten Organisationen siehe Badelt et al. (2007), S. 8 ff. Vgl. Schwarz (2005), S. 28. vgl. auch Schauer (1995), S. 149.
Problematisch ist die Abgrenzung allerdings bei den in der Realität weit verbreiteten Mischformen zwischen öffentlichen und privaten Organisationen. Dort muss die Ausübung der Hoheitsgewalt als Abgrenzungskriterium herangezogen werden. Wird keine solche ausgeübt, kann auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts als „private“ Organisation betrachtet werden.49 Eine eindeutige Zuordnung zu „öffentlich“ oder „privat“ kann aufgrund der zahlreichen möglichen Mischformen und Kooperationsformen nicht immer gemacht werden.50
2.2 Nonprofit-Sektor Sämtliche (privaten) NPO eines Landes werden gesamthaft als Nonprofit-Sektor51 oder aufgrund der intermediären Stellung zwischen den beiden idealtypischen Polen „Markt“ und „Staat“ als Dritter Sektor bezeichnet.52 Im englischsprachigen Raum existiert diesbezüglich allerdings keine einheitliche Terminologie und so werden Begriffe wie „independent sector“, „voluntary sector“, „philantropic sector“, „social sector“ oder eben „third sector“ abwechslungsweise und teilweise synonym verwendet.53 Der Nonprofit-Sektor hat nicht nur eine gesellschaftlich wichtige Funktion (durch bspw. die Vermittlung sozialer Werte und Normen) sondern auch eine zunehmende ökonomische Bedeutung.54 Dies wird durch die erhobenen Mitglieder-, Beschäftigtenund Umsatzzahlen des Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project (CNP) aufgezeigt, in welchem die Nonprofit-Sektoren 49 50
51 52 53 54
Vgl. Badelt et al. (2007), S. 8 f. Vgl. Badelt et al. (2007), S. 9 f.; zur überbetrieblichen Zusammenarbeit vgl. Heimerl/Meyer (2007), S. 248 ff. siehe dazu auch die System-Konvergenz und Typentransformation von Schwarz et al. (2009), S. 25 ff. Vgl. Badelt et al. (2007), S. 3. Vgl. Purtschert et al. (2005), S. 56; 22 f.; Schwarz et al. (2005), S. 19 f. Vgl. Helmig et al. (2009a), S. 6 f.; Purtschert et al. (2005), S. 23; Salamon et al. (2004), S. 3. Vgl. Salamon/Anheier (1997), S. 14; Salamon et al. (2004), S. 15. 17
in mehr als 40 Ländern statistisch erfasst und ausgewertet wurden.55 So setzt der NPO-Sektor jährlich beinahe zwei Billionen Dollar um und wäre – wenn man den Sektor als eigene Volkswirtschaft betrachten würde – weltweit gesehen an fünfter Stelle und somit grösser als diejenigen von Frankreich oder China.56 Zwischen den Nonprofit-Sektoren einzelner Länder bestehen beachtliche Unterschiede. Diese Unterschiede sind nicht nur aus ökonomischer Sicht, also was Umfang und Grösse des Sektors anbelangt, sondern auch in struktureller und kultureller Hinsicht festzustellen.57 Was die statistische Erfassung des Dritten Sektors der Schweiz betrifft, so steckt diese noch in den Kinderschuhen: Es ist bisher nur rudimentäres Wissen über Anzahl, Leistungsfähigkeit und Struktur der NPO vorhanden. Bei den wenigen existierenden Studien wurden nur Teilbereiche des Nonprofit-Sektors erfasst und oft sind nur Schätzungen zum Umfang des Sektors gemacht worden.58 Nichts desto trotz können aktuelle Entwicklungstendenzen im Nonprofit-Sektor festgestellt werden, die auch auf die Schweiz zutreffen:59
Der Dritte Sektor ist weltweit auf Wachstumskurs. Der Dritte Sektor ist einer zunehmenden Ökonomisierung und Kommerzialisierung ausgesetzt. Im Dritten Sektor kann eine klare Tendenz zur Internationalisierung bzw. Globalisierung festgestellt werden.
Diese Tendenzen haben einen starken Einfluss auf die einzelnen NPO, insbesondere in den Bereichen Marketing und Finanzierung, worauf im Folgenden kurz eingegangen wird. 55 56 57 58
59
18
Vgl. Salamon et al. (2004), S. 3 ff.; von Schnurbein (2006), S. 32 ff. Vgl. Jacquemart (2006), S. 37. Vgl. Anheier (2003), S. 38 ff.; Salamon et al. (2004), S. 17 ff. Vgl. Schnyder (1994), S. 391; von Schnurbein (2006), S. 32 ff.; Wagner (2007), S. 46 ff. Zum Schweizer Stiftungssektor vgl. Purtschert/von Schnurbein (2006), S. 21 ff.; Purtschert et al. (2003), S. 4. Vgl. Anheier (2003), S. 38 ff.; Helmig et al. (2006b), S. 4.
2.3 Finanzierung von NPO Als Finanzierung wird die Beschaffung von Kapital bzw. Finanzmitteln für die finanziellen Bedürfnisse der NPO verstanden.60 Es geht bei der Finanzierung also um die Bereitstellung des erforderlichen Kapitals, welches für die Durchführung des Organisationszwecks benötigt wird.61 NPO unterscheiden sich, wie bereits erwähnt, im Hinblick auf die Finanzierung und das Marketing erheblich von Unternehmen und vom Staat.62 Im Folgenden werden die einzelnen Finanzierungsquellen und speziell die monetären Ressourcen von NPO kurz diskutiert. 2.3.1 Finanzierungsquellen Die Beschaffungsseite (und somit auch die Finanzierung) stellt bei zahlreichen NPO das primäre Marketing-Problem dar, da die Ressourcenbeschaffung in NPO oftmals mit Schwierigkeiten verbunden ist.63 So können sich NPO im Gegensatz zu Unternehmen in der Regel nicht über den Markt, d.h. über die Einnahmen der bereitgestellten Leistungen respektive den Absatz von Gütern und Dienstleistungen, finanzieren. Sie sind somit auf zusätzliche externe Finanzmittel und -quellen angewiesen.64 Die Finanzierung über den Kapitalmarkt in Form von Anteilsscheinen und Krediten bleibt den NPO auf Grund der fehlenden Gewinnorientierung im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen ebenfalls grösstenteils verwehrt.65 Auch eine Innen- oder Eigenfinanzierung durch einbehaltene Gewinne und Reservenbildung ist bei NPO nur erschwert möglich.66 60 61 62 63 64 65 66
Vgl. Blümle/Schauer (2002), S. 561. Vgl. Boemle (1990), S. 22. Vgl. Blümle/Schauer (2002), S. 561; Helmig et al. (2004), S. 108. Vgl. Purtschert et al. (2006), S. 7 f. Vgl. Haibach (2006), S. 30; Littich (2007), S. 322 f. Vgl. Beccarelli (2005), S. 109. Vgl. Purtschert et al. (2006), S. 7 f.; siehe ausführlich zur Finanzierung von NPO auch Beccarelli (2005), S. 64 ff. 19
NPO sind deshalb auf weitere Finanzierungsquellen wie Subventionen und Spenden angewiesen.67 Mit Subventionen sind dabei staatliche Beiträge oder Zuschüsse gemeint. Es handelt sich also um Finanzierungsleistungen durch staatliche Körperschaften, welche sowohl für zweckgebundene als auch für nicht zweckgebundene Aufgaben bestimmt sein können.68 Unter Spenden werden „freiwillige Beiträge, die Dritte (Spenderinnen und Spender) an eine NPO leisten, ohne eine marktadäquate Gegenleistung dafür zu erhalten“69
verstanden. Weiter können bei NPO im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur die Finanzmittel eine wichtige Ressourcenquelle darstellen, sondern auch die so genannten Finanzmittelsurrogate wie ehrenamtliche und freiwillige Arbeit, Sachspenden, Informationen oder Nutzungsrechte.70 Diese nicht monetären Ressourcen können weiter in materielle Beiträge wie Sach-, Organ- oder Blutspenden oder in immaterielle Beiträge wie ehrenamtliches Engagement, Zeitspenden oder Dienstleistungen eingeteilt werden.71 Für die vorliegende Untersuchung stehen allerdings die geldwerten Ressourcen im Mittelpunkt, weshalb auf die Finanzmittelsurrogate nicht weiter eingegangen wird. 2.3.2 Bedeutung der privaten Zuschussfinanzierung Bei der Finanzierung von NPO können im Hinblick auf die Herkunft der Finanzmittel drei zentrale Einkommensarten unterschieden werden:72
67 68 69 70
71 72
20
Öffentliche Zuschussfinanzierung, welche als direkte staatliche Zuwendungen in Form von Subventionen und Kostenerstattungen oder indirekt in
Vgl. Helmig/Michalski (2007), S. 315; Purtschert (2005), S. 54 f. Vgl. Purtschert et al. (2005), S. 76. Purtschert et al. (2005), S. 71. Vgl. Blümle/Schauer (2002), S. 561; zu den nichtmonetären Leistungen vgl. Purtschert (2005), S. 289 f. Vgl. Felbinger (2005), S. 6 f.; Luthe (1997), S. 133. Vgl. Beccarelli (2005), S. 109 f.; Salamon/Anheier (1997), S. 17 f.
Form von Steuererleichterungen vom öffentlichen Bereich zugesprochen wird. Private Zuschussfinanzierung, welche in Form von Spenden oder Zuwendungen von Einzelpersonen, Unternehmen oder Stiftungen den NPO zufliesst. Selbsterwirtschaftete Einnahmen, welche von Gebühren und Abgaben für bereitgestellte Dienstleistungen und Produkte oder von Kapitaleinkünften aus Vermögen und Liegenschaften stammen.
Im internationalen Vergleich der Nonprofit-Sektoren zeigen sich grosse Unterschiede im Hinblick auf die Gewichtung der einzelnen Einkommensarten.73 Länderübergreifend wurde im Rahmen des CNP festgestellt, dass die selbst erwirtschafteten Einnahmen den grössten Teil der Finanzmittel ausmachen und die private Zuschussfinanzierung eine geringere Rolle spielt, als allgemein angenommen wurde.74 Die Finanzierung der NPO in west- und mitteleuropäischen Ländern ist staatlich dominiert. Die öffentliche Zuschussfinanzierung macht somit den grössten Anteil aus. Dies liegt vermutlich an der vorwiegend staatlichen Finanzierung der Wohlfahrts- und Gesundheitsorganisationen.75 Die private Zuschussfinanzierung ist auf der Ebene des Nonprofit-Sektors auch in diesen Ländern nur von geringer Bedeutung. Weltweit machen gemäss CNP die privaten Zuschüsse nur gerade zwölf Prozent der Gesamteinnahmen aus. Werden die Daten der Entwicklungs- und Schwellenländer nicht berücksichtigt, sind es gar nur sieben Prozent.76 Obwohl private Zuschüsse über den gesamten NonprofitSektor betrachtet prozentual gesehen nicht so stark ins Gewicht fallen wie die beiden anderen Haupteinnahmearten, sind sie in gewissen Bereichen von entscheidender Bedeutung. Dies deshalb, weil die Bedeutung der drei Einkommensarten von NPO je nach Organisation verschieden ist. Dies ist durch die Unterschiede der Finan73 74 75 76
Vgl. Salamon/Anheier (1997), S. 18 f.; Salamon et al. (2003), S. 28 ff. Vgl. Salamon et al. (2003), S. 27 ff., (2004), S. 30 ff. Vgl. Salamon et al. (2004), S. 31 ff. Vgl. Salamon et al. (2003), S. 32., (2004), S. 33. 21
zierung aufgrund des Tätigkeitsgebiets und der Ziele der NPO zu erklären. Während nicht gewinnorientierte Dienstleister wie Krankenhäuser oder Eigenleistungs-NPO wie Genossenschaften oft nur in geringem Umfang oder gar nicht auf die private Zuschussfinanzierung angewiesen sind, spielt diese für wohltätige DrittleistungsNPO eine zentrale Rolle. So finanzieren sich einzelne Hilfswerke ausschliesslich über Fundraising und der durchschnittliche Anteil der privaten Spenden bei der Finanzierung von Hilfswerken in der Schweiz liegt bei 30-40 %.77 Damit ist die private Zuschussfinanzierung für eine Vielzahl gemeinnütziger Organisationen von zentraler Bedeutung. Dies wird auch durch die Zahlen der – von der Zentralstelle für Wohlfahrtsorganisationen (ZEWO) jährlich erhobenen – Spendenstatistik der Schweiz bestätigt.78 Bei den ZEWOzertifizierten Organisationen ist die private Zuschussfinanzierung mit rund 40 % der Gesamteinnahmen die bedeutendste Einnahmeart, was in Zahlen ausgedrückt in den Jahren 2002-2008 zwischen 610 und 936 Millionen CHF ausmachte.79 Betrachtet man die Herkunft der privaten Zuschüsse oder Spendeneinnahmen, kann festgestellt werden, dass private Einzelspenden den mit Abstand grössten Anteil ausmachen. So werden beispielsweise in den USA 90 % des gesamten Spendeneinkommens von Hilfswerken durch Spenden von Privatpersonen gewonnen.80 Einzelpersonen stellen demnach die Haupteinnahmequelle im Bereich gemeinnütziger Spenden dar.81 Dies belegen für die Schweiz auch die Zahlen der ZEWO Statistik, in welcher ausgewiesen wird, dass private Einzelspenden mit 40 % den grössten Anteil der Spendeneinnahmen der gemeinnützigen Organisationen ausmachen. In der Schweiz sind allerdings auch institutionelle 77
78 79 80 81
22
Vgl. Purtschert et al. (2006), S. 12. Siehe zum Anteil privater Spenden auch ZEWO (2006a), S. 6 f., (2007), S. 1, (2008), S. 1 f., (2009), S. 1 Vgl. dazu ZEWO (2007). Vgl. ZEWO (2003), (2004), (2006a), (2006b), (2008), (2009). Vgl. Purtschert (2005), S. 356. Vgl. Andreasen/Kotler (2003), S. 197.
Spenden von Bedeutung. So stammen immerhin rund 20 % der Spendeneinnahmen von Institutionen und anderen NPO. Kaum ins Gewicht fallen hingegen die Spenden- und Sponsoringeinnahmen von Firmen.82
2.4 Spendenmarkt Schweiz Im vorangegangenen Abschnitt wurde die Bedeutung der privaten Geldspenden bei Drittleistungs-NPO aufgezeigt. In diesem Abschnitt werden der Umfang und das Potenzial des Schweizer Spendenmarktes analysiert. Über die Grösse des Spendenmarktes existierten in der Schweiz keine genauen Zahlen. Aufgrund mehrerer Erhebungen kann der Umfang des Marktes der privaten Geldspenden aber auf ungefähr 1.3 Milliarden Schweizer Franken geschätzt werden.83 Diese Angabe basiert auf Bevölkerungsbefragungen zum Spendenverhalten, bei welchen anhand der angegebenen Spendenbeiträge Hochrechnungen zum Gesamtvolumen erstellt wurden.84 Auch die Statistik der Stiftung ZEWO kann zur Abschätzung des Spendenmarktes hinzugezogen werden. Bei dieser jährlichen Erhebung werden die Daten direkt bei den spendensammelnden Organisationen bezogen. Es werden allerdings nur NPO berücksichtigt, die mit dem ZEWO-Gütesiegel ausgestattet sind. Im Jahr 2008 waren das 431 Organisationen, welche Gesamteinnahmen von 2.6 Milliarden Schweizer Franken ausgewiesen haben. Der Anteil der Einnahmen durch Spenden betrug dabei 924 Millionen Franken.85 Auf die privaten Einzelspenden wird im nächsten Abschnitt genauer eingegangen. 82
83
84 85
Vgl. ZEWO (2006a), (2006b), (2008), (2009). Die ZEWO unterscheidet zwischen Spenden und Mitgliederbeiträgen. Vgl. dazu bspw. GfS-Forschungsinstitut (2006), S. 1; Wagner/Beccarelli (2008), S. 4. Ohne Legate und Grossspeden betrug das Spendenvolumen privater Haushalte 830 Mio. CHF, welches in etwa dem Niveau der Jahre 2002-2004 entspricht, vgl. GfS-Forschungsinstitut (2009), S. 1. Vgl. GfS-Forschungsinstitut (2006), (2009); Wagner/Beccarelli (2008); Wagner/Kessler (2004). Vgl. ZEWO (2009), S. 1 f. 23
2.4.1 Geldspenden von privaten Personen Das Spendenvolumen hängt von der Anzahl der Spender und der durchschnittlichen Höhe der Spenden einzelner Personen ab. In der Schweiz ist im Ländervergleich eine sehr hohe Spendenbeteiligungsquote festzustellen.86 So spendeten in den letzten zehn Jahren zwischen 59 % und 81 % der Schweizer Haushalte,87 respektive 60 % bis 70 % der erwachsenen Schweizer Bevölkerung (15 Jahre und älter).88 Der Spenderanteil an der Gesamtbevölkerung und damit das Spendenvolumen verzeichnen allerdings grössere Schwankungen, welche durch einzelne Ereignisse, wie beispielsweise die Naturkatastrophe in Gondo im Jahre 2000 oder der Tsunami im asiatischen Raum von Weihnachten 2004, verursacht werden.89 So wurde bspw. das Jahr 2005 aufgrund zahlreicher Katastrophen zum Rekordjahr, was die Spendeneinnahmen betrifft.90 Die durchschnittliche Spendensumme pro Haushalt liegt in den vergangenen Jahren in der Schweiz in etwa bei 400 bis 500 Schweizer Franken.91 Nicht nur die Spendenbeteiligung sondern auch die durchschnittliche Spendensumme pro Haushalt variiert von Jahr zu Jahr. 2008 betrug der schweizerische Haushaltsdurchschnitt 450 Franken.92 Der Median der jährlichen Spendenhöhe der erwachsenen Schweizer Bevölkerung beträgt 250 Franken.93 Die Schweiz ist nach Priller und Sommerfeld bei der Pro-KopfBetrachtung im Ländervergleich mit neun westlichen Industrieländern Spitzenreiter.94
86 87 88 89 90 91 92 93 94
24
Vgl. Priller/Sommerfeld (2005b), S. 36. Vgl. GfS-Forschungsinstitut (2006), S. 1, (2008), S. 1 f. Vgl. Wagner/Beccarelli (2008), S. 4 f. Vgl. GfS-Forschungsinstitut (2006), S. 1, (2008), S. 1 f. Vgl. GfS-Forschungsinstitut (2006), S. 1; ZEWO (2006a), S. 6. Vgl. GfS-Forschungsinstitut (2004), S. 2, (2008), S. 1, (2009), S. 1. Vgl. GfS-Forschungsinstitut (2009). Vgl. Wagner/Beccarelli (2008), S. 6. Vgl. Priller/Sommerfeld (2005b), S. 3.
2.4.2 Zunehmender Konkurrenzkampf um Spendengelder Auch wenn die Datenlage des Spendenmarktes in der Schweiz nicht sehr präzise ist, können trotzdem einige Tendenzen festgestellt werden, wie beispielsweise die zunehmende Stagnation des Spendenmarktes.95 Während das Angebot an Spendengeldern in etwa gleich geblieben ist,96 hat die Nachfrage nach Spendengeldern in den letzten Jahren stark zugenommen. Dies führt unweigerlich zu einem stärkeren Verdrängungswettbewerb auf dem Spendenmarkt. Gründe für die zunehmende Konkurrenz und die verstärkte Nachfrage nach Spendengeldern gibt es mehrere. Der Hauptgrund liegt sicherlich in der steigenden Anzahl an spendensammelnden Organisationen. Der wachsende Dritte Sektor ist eine weltweit festzustellende Entwicklung97 und in der Schweiz gut zu beobachten. So verzeichnet beispielsweise die Stiftungslandschaft der Schweiz ein beachtliches Wachstum durch Neugründungen.98 Auch wenn nicht alle neu gegründeten NPO auf Spenden angewiesen sind, kann anhand dieser Erkenntnisse davon ausgegangen werden, dass auch die Anzahl der spendenfinanzierten NPO steigt.99 Eine Ursache für Neugründungen ist unter anderem in neuen Bedürfnissen zu sehen, welche durch den gesellschaftlichen, politischen, aber auch Natur bezogenen Wandel zu95
96
97 98
99
Vgl dazu Helmig/Michalski (2007), S. 316; Wagner/Beccarelli (2008), S. 16; ZEWO (2007), S. 4. Diese Tendenz wird auch auf dem deutschen Spendenmarkt festgestellt, vgl. dazu Urselmann (2006), S. 82 ff. Im Vergleich zu Untersuchungen früherer Jahre kann kein Zuwachs beim Anteil der Spendenbeteiligungsquote mehr festgestellt werden und auch die durchschnittliche Spendenhöhe pro Kopf oder Haushalt verzeichnet keinen wesentlichen Anstieg mehr, vgl. GfS-Forschungsinstitut (2007), S. 1 f., (2009), S. 1; Wagner/Beccarelli (2008), S. 4 ff. Bei einer gleich gross bleibenden Bevölkerung führt dies zu einem stagnierenden Markt für private Geldspenden. Dies bezieht sich v. a. auf das Public Fundraising, also private Einzelspenden ohne Grossspenden und Legate, vgl. Wagner/Beccarelli (2008), S. 16. Nicht betrachtet werden dabei die starken Schwankungen im Spendenmarkt, die durch Katastrophen hervorgerufen werden. Zur weltweiten Entwicklung des Dritten Sektors vgl. Salamon (2004), S. 27 ff. Zur Entwicklung der Stiftungslandschaft in der Schweiz vgl. Lichtsteiner et al. (2008); Purtschert/von Schnurbein (2006), S. 23 ff. Zur Bedeutung der Spendengelder im Dritten Sektor vgl. Salamon et al. (2003), S. 28 ff. 25
stande kommen. Ein weiterer Grund für die Zunahme von NPO kann in der Gründung eigener Institutionen als Alternative zur Zuwendung an Bestehende gesehen werden.100 Auch die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung wirkt sich auf den Spendenmarkt aus. So treten international tätige Organisationen in den (attraktiven) Spendenmarkt der Schweiz ein.101 Die Entwicklung des Angebotes an Spendengeldern hält nicht Schritt mit der Entwicklung der Nachfrage, was unweigerlich zu einem stärker umkämpften Markt und zu einem zunehmenden Verdrängungswettbewerb führt. Durch den stärkeren Konkurrenzkampf um Spendengelder, steigen die Kosten der Spendengewinnung. Damit sinken folglich die die Renditen einzelner Akquirierungsaktionen. Die sinkende Effizienz der Spendengenerierung führt letztlich zu steigenden Professionalitätsanforderungen an das Marketing und speziell das Fundraising der NPO. Um auf dem Spendenmarkt bestehen zu können, sind geeignete Marketing- respektive Fundraising-Strategien und -Massnahmen erforderlich.
2.5 Marketing in Nonprofit-Organisationen Eine einheitliche Definition für Marketing existiert bis heute nicht.102 Das Marketingverständnis und der Fokus des Marketings haben sich über die Zeit verändert.103 Früher wurde Marketing als Absatzlehre verstanden und stand für die Vermarktung von Gütern.104 Somit ist in diesem ursprünglichen MarketingVerständnisses der Verkauf von Gütern und Dienstleistungen an Konsumenten zentral gewesen. Dieses Verständnis wurde im Verlauf der Zeit um ökologische und soziale Zielsetzungen ergänzt 100 101 102 103 104
26
Vgl. Wagner/Beccarelli (2008), S. 16 f. Vgl. Krummenacher (2006), S. 223 f.; Urselmann (2006), S. 81; Wagner/Beccarelli (2008), S. 16. Vgl. Purtschert (2005), S. 5. Vgl. Helmig/Thaler (2010), S. 152. Vgl. Purtschert (2005), S. 5.
und auf weitere Organisationstypen wie NPO übertragen und bei weiteren Objekten, wie Dienstleistungen und sozialen Ideen, eingesetzt.105 Das NPO-Marketing ist somit im Rahmen der Weiterentwicklung oder Übertragung des Marketing-Wissens auf weitere Organisationstypen entstanden.106 Bei dieser Übertragung und Ausweitung des Profit-Marketing sind einige Voraussetzungen zu beachten. Beim NPO-Marketing können dort Erkenntnisse aus dem allgemeinen Marketing übernommen werden, wo diese trotz der strukturellen Unterschiede auf NPO passen. Die MarketingPhilosophie muss für den NPO-Bereich neu interpretiert werden. Die vielfältigen Austauschprozesse der NPO müssen berücksichtigt und in das Marketing-Konzept eingebaut werden.107 Gerade die vielfältigen Ansprechsgruppen stellen eine besondere Herausforderung für das NPO-Marketing dar.108 Dort wo Besonderheiten von NPO zu berücksichtigen sind, müssen Modifikationen des Marketing vorgenommen werden.109 In Bereichen, in welchen Unternehmen nicht betroffen sind, durch beispielsweise einzigartige Austauschbeziehungen, existieren keine Marketing-Ansätze die vom Profit-Bereich übernommen oder angepasst werden können. Entsprechend müssen auch neue Inhalte für das NPO-Marketing geschaffen werden, wie dies beim Fundraising oder beim Management von Ehrenamtlichen der Fall ist.110 In dieser Arbeit wird die Definition des Nonprofit-Marketing von Helmig und Thaler verwendet:111 105
106 107
108 109
110
111
Zur Weiterentwicklung der Marketing-Ansätze und ihre Bedeutung für NPO vgl. Helmig/Thaler (2010), S. 152 f.; Purtschert (2005), S. 21 ff. Vgl. Helmig/Thaler (2010), S. 152 f.; Purtschert (2005), S. 21 ff. Vgl. Purtschert (2005), S. 84. Gemäss Helmig (2004), S. 79 muss das NPO-Marketing entsprechend den Organisationsspezifika und Umweltgegebenheiten angepasst werden. Vgl. Helmig/Thaler (2010), S. 153 ff. Vgl. Helmig et al. (2006a), S. 6; Helmig et al. (2008), S. 113 ff.; Helmig/Thaler (2010), S. 151 ff.; Purtschert (2005), S. 84. Vgl. Helmig/Thaler (2010); Purtschert (2005), S. 84. Gemäss Helmig (2004), S. 79 muss das NPO-Marketing entsprechend den Organisationsspezifika und Umweltgegebenheiten angepasst werden. Helmig/Thaler (2010), S. 153. 27
„Marketing for nonprofit oganizations is a philosophy that includes internal and external activities that aim to contribute to the fulfilment of an organization’s overall mission“
Das ursprünglich auf den Austauschprozess Ware gegen Geld fokussierte Marketing-Gedankengut wurde auch auf weitere Austauschbeziehungen ausgeweitet.112 Dabei ist für diese Arbeit insbesondere das Beschaffungs-Marketing von Bedeutung. Darunter versteht man die Ausdehnung des absatzmarktorientierten Marketing-Konzeptes auf den Bereich der Beschaffung. In privatwirtschaftlichen Unternehmen nimmt das Beschaffungs-Marketing in der Regel keine zentrale Rolle ein. Bei PO kommen die Anbieter der zu beschaffenden Ressourcen meist im Sinne des eigenen Absatz-Marketing den Beschaffern entgegen.113 Dem BeschaffungsMarketing werden das Mitglieder-Marketing, das FinanzMarketing und das Marketing für Kooperationen, Personal und weiteren Ressourcen wie Güter und Dienstleistungen zugeordnet.114 Bei einigen NPO, insbesondere bei Drittleistungs-NPO respektive spendensammelnden NPO, kann das BeschaffungsMarketing zu einem wesentlichen Bereich des Marketing werden, da die Mittelbeschaffung eine zentrale Stellung einnimmt.115 NPO haben auf Grund der gestiegenen Konkurrenz einen verstärkten Marketing-Bedarf. Marketing-Aktivitäten im NonprofitSektor werden allerdings von den Stakeholdern oft als unerwünscht, zu teuer oder als Verschwendung von Geldern betrachtet.116 Weiter werden NPO wegen dem Einsatz von MarketingInstrumenten mit dem Vorwurf der Manipulation konfrontiert, der allgemein als Vorurteil gegenüber dem Marketing existiert.117
112 113 114 115 116 117
28
Vgl. Purtschert (2005), S. 23 f. Vgl. Purtschert (2005), S. 25. Zum Beschaffungsmarketing in NPO vgl. auch Schwarz et al. (2005), S. 230 ff. Vgl. Purtschert (2005), S. 25; dazu auch Schneider (1996), S. 19 ff. Vgl. Helmig et al. (2004), S. 108 f. Zur Kritik am Marketing in NPO vgl. auch Cooper (1994), S. 5 ff.
2.5.1 Fundraising Wie sich beim vorhergehenden Abschnitt gezeigt hat, ist beim NPO-Marketing im Gegensatz zum Profit-Marketing das Beschaffungs-Marketing oft von zentraler Bedeutung. Ein wesentlicher Teilbereich beim Beschaffungs-Marketing stellt das FinanzMarketing dar. Beim Finanz-Marketing geht es um die Beschaffung von finanziellen Mitteln. Da karitative und soziokulturelle Organisationen sich grossteils über Spenden finanzieren (siehe Abschnitt 2.3) ist für diese NPO das Fundraising ein zentrales Teilgebiet des Finanz-Marketing. Beim Fundraising geht es darum, Finanzmittel auf dem Spendenmarkt zu beschaffen,118 die für die Tätigkeit der NPO allgemein oder für einen bestimmten Zweck benötigt werden.“119 Der aus den USA stammende Begriff Fundraising (fund raising) bedeutet wörtlich übersetzt Kapitalbeschaffung und kann auch mit Spenden-Marketing gleichgesetzt werden.120 Purtschert et al. verstehen unter Fundraising: „eine systematische und professionelle, auf Marketingprinzipien basierende Einwerbung von finanziellen Ressourcen, für die häufig keine marktadäquate Gegenleistung abgegeben wird.“121
Der Schwerpunkt des Fundraising liegt auf der Akquirierung finanzieller Mittel, beinhaltet allerdings auch das Einwerben von Sachmitteln, Rechten und Informationen sowie Arbeits- und Dienstleistungen.122 Fundraiser haben grossteils auf bereits vorhandene Erkenntnisse aus dem Profit-Marketing zurückgegriffen. Auf Grund der Eigenheiten des Fundraising können die Erkenntnisse aus dem ProfitMarketing allerdings nicht einfach übernommen werden, sondern 118 119 120 121 122
Vgl. Purtschert (2005), S. 159. Schwarz et al. (2005), S. 231. Vgl. Haibach (2006), S. 16; Purtschert et al. (2005), S. 31. Purtschert et. al. 2005, S. 31. Vgl. Haibach (2006), S. 19. 29
müssen entsprechend angepasst werden.123 Gerade weil sich die Beziehungen zwischen NPO und Spendern in ihrer Art von den Kundenbeziehungen im kommerziellen Sektor stark unterscheiden, weisen diese Beziehungen entsprechend besondere Eigenheiten auf.124 Da Unternehmen nicht direkt von Fundraising betroffen sind, können diesbezüglich keine Erkenntnisse vom ProfitMarketing übernommen werden.125 Letztendlich ist das Fundraising auf der einen Seite der Marketing-Erweiterung auf den Organisationstyp NPO anzugliedern und auf der anderen Seite der Erweiterung auf den Funktionsbereich Beschaffung unterzuordnen.126 Da der Spendenmarkt zunehmendem Wettbewerb ausgesetzt ist, hat die Bedeutung des professionellen Fundraising in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen.127 „Fundraising muss heute – bei einem stets enger werdenden Markt – sehr systematisch betrieben werden um erfolgreich zu sein.“128
Dem Fundraising werden wie dem NPO-Marketing, gewisse Vorbehalte von den Stakeholdern oder Spendern hervorgebracht. So fehlt Spendern vielfach das Verständnis für die Professionalisierung, welche im Nonprofit-Sektor in den letzten 25 Jahren im Zusammenhang mit dem verschärften Wettbewerb stattgefunden hat.129 Ausserdem werden Ausgaben im Fundraising wie auch beim NPO-Marketing vielfach als Verschwendung betrachtet.130 Dies ist mit ein Grund, weshalb die Diskussion um die Fundraisingkosten insbesondere in den USA stärkeres Gewicht erhalten hat.131 Die 123 124 125 126 127 128 129 130 131
30
Vgl. Brennan/Brady (1999), S. 328 ff.; Burnett (2002), S. 2 f.; Haibach (2006), S. 22 f. Vgl. Gummesson (1997), S. 139 ff.; Luthe (1997), S. 251 f. Vgl. Purtschert (2005), S. 84. Siehe dazu auch Helmig/Thaler (2010), S. 153 f. Zur Weiterentwicklung des Marketing vgl. Purtschert (2005), S. 24. Vgl. dazu bspw. Hibbert/Horne (1996), S. 4 f. Schwarz et al. (2005), S. 231. Vgl. Burnett (2002), S. 2. Vgl. Helmig et al. (2004), S. 108 f. Vgl. zur Diskussion der Fundraisingkosten und -effizienz bspw. Bowman (2006), S. 288 ff.; Frumkin/Kim (2001), S. 266 ff.; Jacobs/Marudas (2009), S. 33 ff.; Lindahl/Conley (2002), S. 102 ff.; Sargeant/Kähler (1999), S. 5 ff.; Tuckman/Chang (1998), S. 211 ff.
Fundraisingkosten stellen heutzutage eine der grössten Herausforderungen für die NPO dar.132 2.5.2 Direct Mail Fundraising mit der Zielsetzung der Finanzmittelbeschaffung stellt vor allem für Drittleistungs-NPO einen wesentlichen MarketingSchwerpunkt dar.133 Die Beschaffung von Finanzmitteln im Fundraising, erfordert den systematischen Einsatz von MarketingInstrumenten.134 Im Fundraising haben sich verschiedene Formen und Methoden135 der Mittelbeschaffung etabliert. Dazu gehören der Spendenbrief (Mailing), das persönliche Gespräch (face to face), das Telefonfundraising, Fundraising-Events, das ErbschaftsMarketing (Legate-Marketing) oder das Online-Fundraising.136 Trotz der wachsenden Zahl von Fundraising-Instrumenten und Praktiken, insbesondere im Bereich Online-Marketing, bleibt das Mailing – auch Direct Mail genannt – nach wie vor das am häufigsten genutzte Direktwerbemittel im Fundraising.137 Bis heute werden rund 80 % aller Spenden über Mailings generiert.138 So verwenden beinahe alle spendenfinanzierten NPO Direct Mail zur Spendergewinnung oder Spenderentwicklung.139 Beim Mailing handelt es sich um einen schriftlichen, adressierten Spendenbrief, der per Post versandt wird.140 Grundsätzlich können SpendenMailings in zwei Arten unterschieden werden: 132
133 134 135
136
137
138 139 140
Vgl. Lindahl/Conley (2002), S. 102. Von strategischen Wettbewerbsvorteilen für spendensammelnde NPO durch geringere Kosten sprechen bspw. Helmig et al. (2009b), S. 96. Vgl. Purtschert (2005), S. 159. Schwarz et al. (2005), S. 231. Eine klare Unterscheidung zwischen denn Begriffen Fundraising-Methoden, -Instrumente und -Kommunikationskanäle ist nicht immer möglich. Oft werden die Begriffe auch synonym verwendet. Vgl. dazu Fundraising Akademie (2006), S. 319 ff.; Haibach (2006), S. 257 ff.; Sargeant/Jay (2004a), S. 96 ff.; Urselmann (2007), S. 125 ff. Vgl. Maier-Schwier (2008), S. 20; Urban-Engels (2006), S. 489.; von Schnurbein/Iten (2005), S. 16. Urban-Engels (2006), S. 489. Vgl. Sargeant/Kähler (1999), S. 10.; von Schnurbein/Iten (2005), S. 16. Urban-Engels (2006), S. 489. Purtschert et al. (2007), S. 127. 31
Mailings zur Generierung von Finanzmitteln und zur Entwicklung von bestehenden Spendern und Mailings zur Spendergewinnung und Adressgenerierung.
Diese Unterscheidung ist insbesondere im Hinblick auf den weiter unten folgenden Abschnitt „Relationship Fundraising“ von Bedeutung. Bei Ersteren handelt es sich um so genannte „warme Mailings“. da sie an „warme Adressen“ oder „Eigenadressen“ gerichtet sind. „Warme Adressen“ sind jene von bestehenden Spendern, die schon mindestens einmal gespendet haben oder jene von potenziellen Spendern, die auf eine bestimmte Weise im Kontakt mit der Organisation stehen.141 Gut gestaltete Mailings an die eigenen aktiven Spenderadressen („warme“) sollten eine Responsequote zwischen 12 % und 25 % erreichen und damit einen Gewinn erwirtschaften.142 Fundraising Aktionen per Direct Mail an warme Adressen generieren in etwa einen Return on Investment (ROI) von drei, was bedeutet, dass rund ein Drittel der Einnahmen für die Kosten der Fundraisingaktivitäten eingesetzt werden. Dabei sind die Kosten für Personal und laufenden Betrieb noch nicht einberechnet.143 Bei Zweiteren handelt es sich um „kalte Mailings“ da sie an „kalte Adressen“ gerichtet sind. „Kalte Adressen“ sind Fremdadressen, zu denen noch kein Kontakt bestanden hat und die meist über Adresshändler eingekauft werden.144 Bei den Mailings an „Kaltadressen“ ist es das Ziel neue Spender zu generieren, um den Spenderbestand zu erhalten oder aufzustocken. Diese „Kaltmai-
141 142 143
144
32
Vgl. Haibach (2006), S. 245 f.; Sargeant/Kähler (1999), S. 12. Vgl. Urban-Engels (2006), S. 503 f. Vgl. dazu Sargeant/Jay (2004a), S. 3; von Schnurbein/Iten (2005), S. 19. Zu den Kosten von Fundraisingaktionen siehe auch Abschnitt 2.7.2. Vgl. Haibach (2006), S. 245; Urban-Engels (2006), S. 490.
lings“ sind durch eine geringe Responsrate (rund ein Prozent)145 und einen geringen ROI (meist kleiner als eins) gekennzeichnet.146 Das Mailing hat sich seit etwa 1980 mit den neuen Computertechnologien entwickelt und etabliert, welche die Adressverwaltung und damit die persönliche Ansprache von potenziellen und bestehenden Spender in grossem Umfang ermöglichte.147 Die Vorteile des Mailings liegen also in der kostengünstigen, gleichzeitigen, gezielten und persönlichen Ansprache148 und der relativ guten Messbarkeit des Erfolgs. Mailingaktionen weisen eine zeitnahe Erfolgskontrolle auf, da in der Regel 80 % aller Spenden in den ersten vier Wochen eingehen.149 Die Vorteile des Mailings und der zunehmende finanzielle Druck der auf vielen gemeinnützigen Organisationen lastet, haben allerdings dazu geführt, dass jährlich immer mehr Spendenbriefe versandt werden.150 Diese Briefflut hat zu verstopften Briefkästen und einer Ermüdung in den Reaktionen geführt, so dass immer mehr Briefe nicht mehr geöffnet werden und ungelesen im Müll landen.151
2.6 Relationship Marketing Fundraising ist ein Teilgebiet des Marketing, wobei letzteres unterschiedliche Ideen und Ansätze beinhaltet. In diesem Abschnitt wird spezifisch auf den Beziehungsansatz des Marketing eingegangen. Anschliessend wird geprüft, ob sich dieser Beziehungsansatz auch 145
146 147 148 149 150
151
Zur Responsrate bei Mailing an Kaltadressen siehe auch Crole (2006), S. 614 ff.; Urselmann (2007), S. 133. Vgl. Urban-Engels (2006), S. 490 ff. Vgl. Haibach (2006), S. 266 f.; Urselmann (2007), S. 133. Vgl. Haibach (2006), S. 267; Urban-Engels (2006), S. 489; Urselmann (2007), S. 133. Vgl. Urban-Engels (2006), S. 489 ff. Im Jahr 2003 wurden 2.9 Milliarden persönlich adressierte Werbesendungen an deutsche Haushalte geliefert, wovon 257'853'000 Spendenbriefe waren, vgl. Urban-Engels (2006), S. 489. Vgl. Urban-Engels (2006), S. 489; Urselmann (2007), S. 133. 33
im Fundraising eignet und welche Vorteile und Konsequenzen damit verbunden sind. Das Marketing hat sich im Laufe der Zeit auf Grund von Veränderungen in Wirtschaft und Wettbewerb gewandelt und neu ausgerichtet.152 Seit den Neunzigerjahren kann die Kundenorientierung als Kerngedanke der Marketing-Aktivitäten betrachtet werden. Unter Kundenorientierung wird dabei die Ausrichtung des Angebots und sämtlicher Aktivitäten auf die Bedürfnisse der einzelnen Kunden verstanden. Sie ist ein zentraler Bestandteil des Relationship Marketing, bei welchem die Steuerung der Kundenbeziehungen im Vordergrund steht.153 Diese Steuerung der Kundenbeziehung beinhaltet den Aufbau, die Gestaltung, die Erhaltung und die Verstärkung der Beziehung zum Kunden, wobei Profitabilitätskriterien berücksichtigt werden.154 Kundenbeziehungen weisen dabei einen dynamischen Charakter mit unterschiedlichen Phasen einer Beziehung auf. Damit greift das Relationship Marketing die Idee des Kundenlebenszykluskonzepts auf. In diesem Konzept werden idealtypische Gesetzmässigkeiten und Phasen einer Kundenbeziehung beschrieben. Zu diesen Phasen gehören die Akquisitionsphase, die Bindungsphase, die Abwanderungsphase und die Rückgewinnungsphase.155 Auf das Lebenszykluskonzept wird in Abschnitt 2.7.3 noch vertieft eingegangen. Das Relationship Marketing bezieht sich auf sämtliche Phasen der Kundenbeziehung und kann wie folgt definiert werden: „Relationship Marketing umfasst sämtliche Massnahmen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, die der Initiierung, Stabilisierung, Intensivierung und Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen zu den Anspruchsgruppen – insbesondere zu den Kunden – des Unternehmens mit dem Ziel des gegenseitigen Nutzens dienen.“156 152
153 154 155 156
34
Vgl. Bruhn (2001), S. 1 ff.; Morgan/Hunt (1994), S. 34. Zur Veränderung des Kundenverhaltens und zum Wettbewerbsumfeld vgl. auch Furtner (2003), S. 153. Vgl. Bruhn (2001), S. 1 ff. Vgl. Grönroos (1994), S. 9 ff. Vgl. Bruhn (2001), S. 43 ff. Bruhn (2001), S. 9.
Relationship Marketing fusst dabei auf dem Prinzip der Anspruchsgruppenorientierung, wobei Relationship Marketing im engeren Sinne nur die Kundenbeziehungen, im weiteren Sinne aber sämtliche Anspruchsgruppen einer Unternehmung betrifft.157 Das Relationship Marketing wird als Prozess betrachtet und befasst sich somit mit dem Aufbau, dem Erhalt, der Weiterentwicklung und der Beendigung einer Beziehung zu Kunden oder anderen Anspruchsgruppen.158 Beim Relationship Marketing verlagert sich die zentrale Betrachtungsweise von der Kundengewinnung zur Betreuung und Umsorgung bestehender Kunden. Die Zielsetzung besteht darin, die Kunden zu loyalen Kunden zu machen und damit langfristige, stabile und profitable Beziehungen aufzubauen.159 Die Forschung hat sich aber trotz der ökonomischen Bedeutung der Kundenabwanderung lange Zeit auf die Kundenakquirierung und -bindung konzentriert. Der Abwanderungs- und Rückgewinnungsphase wird erst seit kurzem mehr Beachtung geschenkt und es fehlt an systematischen Studien über die Auflösung entwickelter Beziehungen.160 2.6.1 Abgrenzung zum klassischen Transaktions-Marketing Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern spielten bei sämtlichen Handelstätigkeiten schon immer eine zentrale Rolle. Im Industriezeitalter mit der Massenproduktion ist allerdings das Massen-Marketing entstanden, eine Marketing-Theorie die oft als allgemeingültig präsentiert wurde. Seit den Neunzigerjahren wurde aber die Bedeutung von Beziehungen, Netzwerken und Interaktionen besonders hervorgehoben. Dies führte zur Entwicklung des Relationship Marketing. Entscheidend zu dieser Entwicklung beigetragen haben das Dienstleistungs-Marketing und der Netzwerkan157 158
159 160
Vgl. Bruhn (2001), S. 3 ff. Vgl. Bruhn (2001), S. 8 ff.; Dwyer et al. (1987), S. 15 ff.; Grönroos (2004), S. 101; Liljander/Strandvik (1995), S. 152 ff.; Morgan/Hunt (1994), S. 21 f. Vgl. Gummesson (1997), S. 30 ff.; Ravald/Grönroos (1996), S. 19.F Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 273 f.; Dwyer et al. (1987), S. 23; Michalski (2002), S. 1. 35
satz des industriellen Marketing.161 So ist der Begriff des Relationship Marketing zuerst im Dienstleistungs-Marketing162 und dann im Business-to-Business Bereich163 eingeführt worden, weil dort Beziehungen besonders bedeutsam sind.164 Die Nützlichkeit der transaktionsorientierten MarketingTheorie, welche im Industriezeitalter entstanden ist, wurde teilweise stark kritisiert. Zur Kritik gehörte beispielsweise die Produktions- statt Kundenorientierung, die Transaktions- statt Interaktionsorientierung oder die Ausrichtung auf Massenmärkte von Konsumgütern.165 Im Gegensatz zum traditionellen TransaktionsMarketing, welches primär auf die Kundenakquisition ausgelegt ist, liegt die Zielsetzung im Relationship Marketing beim Streben nach langfristigen Beziehungen.166 Mehrere Autoren haben sich für einen Paradigmenwechsel im Marketing eingesetzt.167 Ob es sich beim Relationship Marketing um eine Neuorientierung des Marketing im Sinne eines Paradigmenwechsels oder bloss um eine Erweiterung oder Modifikation des klassischen Konzeptes der 4 P’s168 handelt, darüber herrscht in der Literatur aber keine Einigkeit.169 Während über die theoretische Relevanz des Relationship Marketing lange Zeit Uneinigkeit herrschte, wird die praktische Bedeutung kaum angezweifelt.170 161 162 163 164 165 166
167 168
169 170
36
Vgl. Gummesson (1997), S. 25 f. Vgl. Berry (1983). Vgl. Jackson (1985). Vgl. Grönroos (2004), S. 99; Gummesson (1997), S. 25 ff., (2002), S. 10. Vgl. Grönroos (1994), S. 4 ff. Vgl. Furtner (2003), S. 150 ff.; Liljander/Strandvik (1995), S. 152 ff.; Morgan/Hunt (1994), S. 22. Vgl. Grönroos (1994), S. 4 ff.; Gummesson (1997), S. 333 ff. Die „vier P’s“ sind die klassischen Standardinstrumente des Marketing: Produkt, Promotion (Kommunikation), Preis und Place (Distribution, Ort der Leistungserbringung) die von McCarthy (1981) popularisiert wurden. Vgl. Grönroos (1994), S. 13 ff.; Luthe (1997), S. 250, 272 ff. Vgl. Luthe (1997), S. 250, 272 ff. Während Kotler und Bliemel beispielsweise das Beziehungsmarketing bloss als Werkzeug zur Kundenbindung betrachten, sehen Luthe, Grönroos und Gummesson im Relationship Management eine eigenständiges Konzept und plädieren dementsprechend für einen Paradigmenwechsel, vgl. Grönroos (1994), S. 14 f.; Gummesson (2002), S. 307 ff.; Kotler/Bliemel (2001), S. 86 ff.; Luthe (1997), S. 272 ff.
Diese liegt besonders in der Erfolgsrelevanz des Beziehungsansatzes. So können sich lang andauernde Beziehungen positiv auf das Erfolgsergebnis auswirken, worauf in Abschnitt 2.6.3 noch vertieft eingegangen wird. Die ökonomische Bedeutung der Beziehungsdauer hat dazu geführt, dass das Relationship Marketing sich zu einem bedeutenden Ansatz zur Erhaltung von Kunden entwickelt hat.171 2.6.2 Kundenbeziehungen bei Dienstleistungen Grundvoraussetzung für das Relationship Marketing ist die Existenz einer Beziehung, weshalb hier kurz die Bedingungen und Vorteile von Kundenbeziehungen dargestellt werden. Eine Beziehung setzt mindestens zwei Parteien, die miteinander in Verbindung bestehen, voraus. Im Marketing-Bereich sind meist die Beziehungen zwischen Kunden und Lieferanten die wesentlichen.172 Im Nonprofit-Marketing sollten aber alle Beziehungen zu marketingrelevanten Bezugsgruppen berücksichtigt werden.173 Die einfachste Form einer Beziehung bei Dienstleistungen ist dann gegeben, wenn ein Kunde mindestens zweimal eine Leistung beim selben Dienstleister einkauft.174 Ein Kauf einer Dienstleistung kann den Start einer Beziehung bedeuten. Dies muss aber nicht zwangsläufig eine Beziehung repräsentieren, da der erste Kontakt auch gleichzeitig der letzte sein kann.175 Bestehen die Dienstleistungen aus separaten Einzelleistungen, so kann beim zweiten Kauf von einer Art Beziehung gesprochen werden. Die reine Betrachtung des Wiederkaufs als Definitionsmerkmal würde aber ein zu simples Bild einer Beziehung wiedergeben. So sollte weiter auch noch berücksichtigt werden, ob die Kunden jedes Mal von neuem 171 172 173 174 175
Vgl. Grönroos (1994), S. 4 ff.; Grönroos (2004), S. 99 ff.; Liljander/Strandvik (1995), S. 141 f. Vgl. Gummesson (1997), S. 21. Purtschert (2005), S. 39. Vgl. Liljander/Strandvik (1995), S. 141 ff. Vgl. Liljander/Strandvik (1995), S. 155 ff. 37
eine Wahl zu treffen haben und welche Verbindung der Kunde mit dem Anbieter hat. Der zweifache Kauf einer Dienstleistung bei einem Anbieter stellt bloss die Minimalanforderung einer Beziehung dar.176 Bei einer strengeren Festlegung von Beziehungen kann zwischen Loyalität durch blossen Wiederkauf und „richtigen“ Beziehungen, in welchen beide Parteien sich verbunden fühlen, unterschieden werden.177 In diesem Fall wird die affektive Ebene (gefühlte Verbindung) der Beziehung als Definitionskriterium mit einbezogen. Bei der Analyse von Beziehungen und wird diese oft in kleinere Einheiten unterteilt.178 Nach Grönroos kann man Relationship Marketing als einen Prozess betrachten, welcher im Kern einen Interaktionsprozess beinhaltet. Dieser Interaktionsprozess kann in logische Teilstücke unterteilt werden.179 So kann eine Beziehung bei genauerer Betrachtung in einzelne Episoden und Einzeltransaktionen unterschieden werden.180 Eine Episode kann dabei als Ereignis betrachtet werden, welches einen klaren Anfang und ein klares Ende hat. Eine Episode kann wiederum mehrere Handlungen beinhalten, kann aber auch aus nur einer Interaktion bestehen, wobei dies von der Art der Dienstleistung abhängt.181 Eine solche Zerstückelung einer Beziehung in kleinere Einheiten wird auch oft bei der Analyse von Kundenbeziehungen vorgenommen.182 Die Existenz einer Beziehung zwischen zwei Parteien kann für beide Seiten von Vorteil sein. Sowohl Anbieter als auch Kunden
176 177
178 179 180 181 182
38
Vgl. Liljander/Strandvik (1995), S. 141 ff. Vgl. Liljander/Strandvik (1995), S. 156. Wenn im Folgenden von Loyalität gesprochen wird und nicht explizit auf die affektive Ebene Bezug genommen wird, so wird unter Loyalität einfach die beobachtbare, handelnde Ebene des Wiederkaufverhaltens verstanden. Vgl. dazu das Schichtenmodell der Kundenloyalität von Stahl (1999), S. 41 ff. Siehe dazu auch die SIT und SPAT in Abschnitt 4.5. Vgl. Grönroos (2004), S. 99 ff. Vgl. Liljander/Strandvik (1995), S. 155 f. Vgl. Holmlund (1997), S. 96; Vgl. Liljander/Strandvik (1995), S. 153 f. Vgl. dazu beispielsweise die Messung der Dienstleistungsqualität mittels SIT von Stauss/Weinlich (1997). Siehe auch Liljander/Strandvik (1995), S. 13.
können vom Mehrwert einer Beziehung profitieren.183 Auf die insbesondere ökonomischen Vorteile für die Anbieter wird im nächsten Abschnitt eingegangen. Für Kunden können fortlaufende Beziehungen Sicherheit, Kontrolle und Vertrauen fördern. Sie können dadurch ihr Risiko beim Kauf minimieren und ihre Transaktionskosten senken.184 Während bei Business-to-Business (B2B) Beziehungen vielfach eine gegenseitige Verbundenheit existiert, muss dies bei Kundenbeziehungen (Business-to-Consumer, B2C) nicht unbedingt der Fall sein. Kundenbeziehungen sind meist einfacher zu Beenden und sind nicht unbedingt durch einen direkten persönlichen Kontakt gekennzeichnet. Aus diesem Grund ist es für Organisationen wichtig die Kundensicht auf die Beziehung zu kennen und zu bewerten. Die Stärke der Beziehung hängt vom Grad der Verbundenheit, die der Kunde fühlt, ab. Deshalb sollte bei Dienstleistungsbeziehungen das Hauptaugenmerk auf der Seite des Kunden liegen.185 Eine zentrale Aufgabe des Relationship Marketing ist es, die Kunden zu binden und ihnen ihre Vorteile einer Beziehung aufzuzeigen. Ungebundene Kunden werden eine Beziehung nur dann freiwillig aufrechterhalten, wenn sie deren Vorteile erkennen. Beim Relationship Marketing muss auch das Ende der Beziehungen betrachtet werden. So ist es für Organisationen sinnvoll, wenn sie definieren, ab wann eine Beziehung als beendet betrachtet wird. Bei kontinuierlichen Kundenbeziehungen scheint dies einfach feststellbar, bei unstetigen Beziehungen durch einzelne Interaktionen ist dies aber weniger klar. Während der Kunde den genauen Zeitpunkt der Beziehungsauflösung kennt, wird dies der Anbieter erst nach einer gewissen Zeit, durch das Ausbleiben des Kunden bemerken.186
183 184 185 186
Vgl. Grönroos (2004), S. 99. Vgl. Grönroos (2004), S. 99; Ravald/Grönroos (1996), S. 24. Vgl. Liljander/Strandvik (1995), 157 ff. Vgl. Liljander/Strandvik (1995), 157 ff. 39
Kundenbeziehungen sind kontext- und branchenabhängig. Für das Relationship Marketing sind deshalb Kenntnisse über die Kunden und ihre Beziehung zur Organisation unerlässlich. Aus diesem Grund müssen die Besonderheiten und wesentlichen Eigenheiten der Beziehungen zu den Kunden erfasst werden. Relationship Marketing erfordert somit auch branchenspezifische Marktforschung. 2.6.3 Ökonomische Bedeutung der Kundenabwanderung Relationship Marketing mit dem Primat der Kundenbindung und Beziehungspflege hat sicherlich auf Grund der ökonomischen Auswirkungen der Kundenabwanderung an Bedeutung gewonnen.187 Die Auswirkungen der Abwanderungsrate auf den Unternehmenserfolg wurden in einer branchenübergreifenden Studie von Reichheld und Sasser erstmals umfassend thematisiert.188 Je länger ein Unternehmen seine Kunden binden kann, desto erfolgreicher ist die Organisation. Üblicherweise verlieren Unternehmen jährlich 15 % bis 20 % ihrer Kunden,189 im Extremfall sind es gar 20 % bis 50 % der Kunden.190 Eine Verminderung der Abwanderungsrate um fünf Prozent kann zu einer Erhöhung des Gewinns, je nach Branche, von 25 % bis 85 % führen.191 Die Bindung von Kunden hat somit nicht nur eine Absatzsicherungsfunktion, sondern auch einen Kosteneinsparungs- und Erlössteigerungseffekt. Auf der Kostenseite können aufgrund von Erfahrungseffekten die Transaktionskosten gesenkt werden.192 Darüber hinaus fallen in den Folgejahren die oft defizitären Akquisitionskosten weg. Über die Mund-zu-Mund-Kommunikation der verbundenen Kunden und deren Weiterempfehlungen können indirekte Erlöswirkungen durch 187
188 189 190 191 192
40
Die verstärkte Ausrichtung auf die Kundenbindung ist darauf zurückzuführen, dass der Kundenbindung sowohl auf der Erlös-, als auch auf der Kostenseite erfolgsrelevante Bedeutung zukommt. Vgl. Bruhn (2001), S. 3 ff.; Homburg/Bruhn (2005), S. 17 f. Vgl. Reichheld/Sasser (1990), S. 105 ff. Vgl. Reichheld/Sasser (1990), S. 108. Vgl. Reichheld (1996b), S. 1 ff. Vgl. Reichheld/Sasser (1990), S. 105. Vgl. Bruhn (2001), S. 3 ff.; Grönroos (1994), S. 8; Reichheld/Sasser (1990), 105 ff.
die Kundenbindung generiert werden. Darüber hinaus können bei gebundenen Kunden oft Kauffrequenzsteigerungen und CrossSelling-Potenziale realisiert werden. Die gesteigerte Preisbereitschaft, welche bei gebundenen Kunden beobachtet werden konnte, kann sich ebenfalls positiv auf das Unternehmensergebnis auswirken.193 Eine schematische, branchenübergreifende Darstellung der Ertragssteigerung über die Zeit, in welcher ein Kunde loyal bleibt ist in Abbildung 1 zu sehen. Dabei handelt es sich um eine idealtypische, auf Erfahrungswerten basierende Darstellung. Ökonomische Auswirkungen der Kundenloyalität194
Unternehmensgewinn
Abbildung 1:
Die Kosten zur Gewinnung eines neuen Kunden können oft höher sein, als die Einnahmen welche im ersten Jahr daraus generiert werden können. Dabei handelt es sich meist um einmalige Kosten der Absatzförderung und Werbung. So haben Reichheld und Sasser beispielsweise festgestellt, dass die Rekrutierung eines Kreditkartenkunden 51 Dollar kostet.195 Branchenunabhängig ist es wichtig 193 194 195
Vgl. Bruhn (2001), S. 3 ff.; Palmatier et al. (2007), S. 185 ff.; Reichheld/Sasser (1990), S. 105 ff. Quelle: Reichheld (1996b), S. 39; Reichheld/Sasser (1990), S. 108. Vgl. Reichheld/Sasser (1990), S. 106. 41
zu wissen, wie hoch die effektiven Akquisitionskosten sind. Meist ist das Gewinnen neuer Kunden nur durch Investitionen möglich. Konkret sind dies beispielsweise bei Kreditkartenkunden die Kosten der Direct Mails mit einer Rücklaufquote von zwei bis drei Prozent.196 Reichheld und Sasser plädieren auf Grund ihrer Erkenntnisse dafür, dass sich Unternehmen mit der Abwanderung ihrer Kunden beschäftigen. Einerseits sollten sie dies wegen den angesprochenen direkt erfolgsrelevanten Einflussgrössen tun. Andererseits können die Unternehmen durch die Analyse der Kundenabwanderung lernen und ihre Leistungen durch das Studium der abgewanderten Kunden entsprechend verbessern. Damit kann die Abwanderung von noch mehr Kunden zumindest teilweise vermindern werden.197 Durch die Kenntnis der Abwanderungsgründe kann der Abwanderung gezielt entgegengewirkt werden. 2.6.4 Branchenbedingte Eignung des Beziehungsansatzes Relationship Marketing kann nicht per se als gewinnbringend betrachtet werden. Aus diesem Grund sollte zuerst geklärt werden, unter welchen Umständen Relationship Marketing gewinnbringend ist, bevor die Eignung des Beziehungsansatzes für das Fundraising untersucht wird. Das Konzept des Relationship Marketing hat sich in den Bereichen Marketing von Dienstleistung und Industriegütern auf Grund der erkannten ökonomischen Bedeutung von Käufer-VerkäuferBeziehungen entwickelt.198 Grund dafür ist die starke Bedeutung der Beziehungen in diesen Bereichen. Relationship Marketing kann als systemorientierter Ansatz betrachtet werden.199 Das klassische Transaktions-Marketing kann auf einem Kontinuum als gegenüberliegendes Konzept des Relati-
196 197 198 199
42
Vgl. Reichheld (1996b), S. 37 ff. Vgl. Reichheld/Sasser (1990), S. 106 ff. Vgl. Grönroos (1994), S. 9; Luthe (1997), S. 274. Vgl. Grönroos (1994), S. 13; Purtschert (2005), S. 39
onship Marketing betrachtet werden.200 Gummesson bezeichnet dabei das Transaktions-Marketing als Nullpunkt der Relationship Marketing-Skala.201 Bei der Wahl der Marketing-Strategie sollte nun je nach Produkt der geeignete Punkt auf diesem Kontinuum gewählt werden.202 Ein allgemeingültiger Idealpunkt existiert dabei nicht. So können Anbieter von Verbrauchsgütern unter Umständen am meisten profitieren, wenn sie eine Transaktionskosten-Strategie verfolgen. Bei Dienstleistungsanbietern wird im Normalfall allerdings die Beziehungs-Strategie geeigneter sein.203 Dies insbesondere aus dem Grund, weil bei Dienstleistungen meist ein direkter Kontakt besteht und der Beziehungsaspekt dementsprechend von Bedeutung ist.204 Inwiefern eher Relationship Marketing oder TransaktionsMarketing erfolgsversprechend ist, kann auch von den Marktbedingungen abhängen. So steigen die Kosten der Kundengewinnung in Märkten mit zunehmendem Wettbewerb wie auch bei gesättigten, stagnierenden oder schrumpfenden Märkten, so dass die Kosten zur Gewinnung eines neuen Kunden wesentlich höher sein können, als die zur Erhaltung eines bestehenden Kunden. Somit eigenen sich in stärker umkämpften Märkten defensive Strategien, welche auf bestehende Kunden abzielen, vermehrt.205 Bei der Wahl der geeigneten Marketing-Strategie ist der Punkt auf dem Kontinuum umso eher auf der Seite des Relationship Marketing zu wählen:206 200 201 202 203
204
205
206
Vgl. Grönroos (1994), S. 10. Vgl. Gummesson (1997), S. 30, (2004), S. 136. Vgl. Grönroos (1994), S. 10. Vgl. Grönroos (1994), S. 10 ff.; Gummesson (1997), S. 30 ff.; Purtschert (2005), S. 40. Reinartz und Kumar haben im Katalogverkauf kaum positive Auswirkungen von langen Beziehungen gemessen, vgl. Reinartz/Kumar (2000), S. 17 ff. Grönroos (1994), S. 10. Zu den charakteristischen Besonderheiten von Dienstleistungen vgl. auch Bruhn (1997), S. 10 ff.; Purtschert (2005), S. 38. Fornell und Wernerfelt verstehen unter defensivem Marketing, die Reduktion der Abwanderung bestehender Kunden und die Verringerung von Wechselkunden. Während sich defensive Marketingstrategien auf bestehende Kunden konzentrieren, wenden sich offensive Marketingstrategien vorwiegend an potenzielle Kunden. Vgl. Fornell/Wernerfelt (1987), S. 337 ff. Vgl. dazu auch Bruhn (2001), S. 13 f.; Dwyer et al. (1987), S. 12 f.; Grönroos (1994), S. 10 f. 43
je mehr Interaktionen stattfinden, je wichtiger die Beziehungsqualität ist, je höher die Bedeutung einzelner Kunden ist, je komplexer die Leistungen sind, je stärker der entsprechende Markt umkämpft ist, je höher die Gewinnungskosten für neue Kunden sind und je grösser das Risiko für den Kunden beim Kauf ist.
Mehrere Autoren plädieren dafür, dass NPO ebenfalls ein beziehungsorientiertes Marketing betreiben sollten.207 In der Forschung existiert allerdings noch sehr wenig Wissen darüber, wie Beziehungen im Nonprofit-Bereich zu steuern sind. Dem Relationship Marketing bei NPO wurde bisher noch wenig Beachtung geschenkt.208 Im Folgenden soll kurz auf die Eignung und Bedeutung des Relationship Marketing im Fundraising eingegangen werden.
2.7 Relationship Fundraising In diesem Abschnitt wird das Relationship Fundraising besprochen, welches erstmals von Burnett 1992 erwähnt wurde. Dabei handelt es sich um eine Variante des Relationship Marketing, bei welchem die Bedürfnisse der Spender im Zentrum stehen und eine individualisierte, langfristige Betrachtung der Beziehung zum Spender empfohlen wird.209 Das Relationship Fundraising übernimmt dabei die Idee des Relationship Marketing. Anstelle des Kunden steht allerdings der Spender. Dementsprechend kann das Relationship Marketing nicht einfach übernommen, sondern muss auf die Besonderheiten der Spenderbeziehung angepasst werden. Bevor allerdings auf die Spezifika des Relationship Fundraising eingegangen 207
208 209
44
Vgl. Beccarelli (2006); Burnett (2002); Gummesson (1997), S. 139 ff.; Luthe (1997); Sargeant (2001b). Vgl. Michalski/Helmig (2008a), S. 46. Vgl. Sargeant (2001b), S. 180 f. Zum Buch Relationship Fundraising von Burnett welches erstmals 1992 erschienen ist, vgl. die zweite Auflage Burnett (2002), .
wird, soll im Folgenden geklärt werden, warum der Relationship Ansatz für das Fundraising überhaupt geeignet ist. 2.7.1 Fundraising als Beziehungs-Marketing Wie in Abschnitt 2.6.4 dargestellt wurde, eignet sich der Beziehungsansatz nicht in allen Märkten gleichgut. Deshalb soll hier geklärt werden, ob beim Fundraising der Beziehungsansatz dem Transaktions-Marketing vorzuziehen ist. Wie sich gezeigt hat, ist bei Dienstleistungen vorwiegend das Relationship Marketing geeignet.210 Nach Purtschert sind NPO als Dienstleistungsorganisationen zu betrachten, da die Leistungen von NPO sowohl bei Individualgütern als auch bei Kollektivgütern Dienstleistungscharakter haben.211 Auch Fundraisingaktivitäten können nach Luthe als Dienstleistungen betrachtet werden. Er betrachtet Fundraising nicht nur als Mittel zum Zweck im Sinne der Ressourcenbeschaffung und Finanzsicherheit, sondern als eigenständige Dienstleistungen von NPO für Spender. Damit verdeutlicht er den Beziehungsaspekt zwischen NPO und Spendern.212 Dienstleistungen sind Produkte oder Leistungen, welche angeboten und nachgefragt werden. Diese angebotenen und nachgefragten Leistungen können auch beim Fundraising identifiziert werden. So bieten NPO einen Stellvertreterhandel an. Sie leiten als Mittelsmänner die Ressourcen von Spendern an Dritte weiter und bieten ihnen dafür die Möglichkeit des Engagements, der Teilnahme und der Identifikation mit den Werten und Tätigkeiten der Organisation an.213 Fundraising ist somit die Gestaltung von beziehungsorientierten Tauschprozessen, worin sowohl Aspekte des ökonomischen Tausches (Leistungen gegen Gegenleistungen) als auch des sozialen Tausches (freiwillige
210 211 212 213
Vgl. Grönroos (1994), S. 10 ff.; Gummesson (1997), S. 30 ff.; Purtschert (2005), S. 40. Vgl. Purtschert (2005), S. 38. Vgl. Luthe (1997), S. 232 f. Vgl. Luthe (1997), S. 231. 45
Beziehung) enthalten sind.214 Spender haben denn auch konkrete Erwartungen, wie sie von der NPO behandelt werden möchten und was sie im Gegenzug von der NPO erhalten möchten. Diese Erwartungen enthalten sowohl direkte Gegenleistungen als auch immaterielle Leistungen wie Anerkennung für die Spende.215 Des Weiteren ist Fundraising eine Produktion von Leistungen oder Leistungsbündeln, die unterschiedliche Ausprägungen des Immaterialitätsgrades und des Integrationsgrades aufweisen. Fundraising kann somit als eigenständige, je nach dem eher sach- oder personenbezogene Leistung mit einem Nutzen für die Ressourcengeber betrachtet werden.216 Fundraiser sind dementsprechend als Dienstleister zu betrachten und haben einerseits eine immaterielle Beziehungsebene zum Kunden.217 Andererseits versuchen sie ihre intransparenten Dienstleistungen durch sichtbare Faktoren zu veranschaulichen und greifbar zu machen.218 Die Abgrenzung und Visualisierung von Leistung und Gegenleistung ist denn auch eine der grossen Herausforderungen für die Fundraiser.219 Da Fundraising als Dienstleistung für den Spender betrachtet werden kann, bietet der Relationship-Marketing-Ansatz einen theoretischen Rahmen für das Fundraising. Denn wie in Abschnitt 2.6.4 bereits erwähnt wurde ist bei Dienstleistungen im Normalfall der Beziehungsansatz vorzuziehen. Der Ansatz kann sowohl aus theoretischer wie auch praktischer Sichtweise für die Beschreibung und Gestaltung der Beziehung zwischen NPO und Spendern als praktisch und produktiv betrachtet werden.220 Als weiteren Anhaltspunkt für die Verwendung des Relationship-Marketing-Ansatzes im Fundraising kann die Qualität der Be214 215 216 217
218 219 220
46
Vgl. Luthe (1997), S. 313 ff. Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 45. Vgl. Luthe (1997), S. 320 f. Spender können deshalb auch als Kunden einer NPO bezeichnet werden, vgl. dazu bspw. Helmig et al. (2009c), S. 476 f. Vgl. Staffelbach (1988), S. 279 zit. nach Luthe (1997), S. 218. Vgl. Luthe (1997), S. 233. Vgl. Luthe (1997), S. 250 f. Siehe dazu auch Brennan/Brady (1999), S. 327 ff.
ziehung einer NPO zu den Spendern gesehen werden, welche als Schlüsselfaktor für den Fundraisingerfolg zu betrachten ist.221 Die Wichtigkeit der Beziehungsqualität aus Sicht der Spender für das Fundraising und die Umsetzung einer Relationship FundraisingStrategie hat an Bedeutung und Beachtung gewonnen.222 Weiter kann Fundraising auch wegen der Tatsache, dass es notwendigerweise zur Interaktion und somit zu einer Beziehung zwischen NPO und Ressourcengeber kommt, als beziehungsorientiertes Marketing verstanden werden.223 Der Beziehungsansatz ist auch auf Grund der im Fundraising vorherrschenden Marktbedingungen dem Transaktionsansatz vorzuziehen (siehe dazu Abschnitt 2.6.4). So kann beim Spendenmarkt von einem stagnierenden und zunehmend umkämpften Markt gesprochen werden, bei welchem die Kosten der Spenderrekrutierung um ein Vielfaches höher sind als jene der Spendererhaltung und -bindung. Wagner und Kessler verweisen dementsprechend auch darauf, dass sich im zunehmenden Verdrängungskampf der NPO die Investition in die Spenderbeziehungen lohnt.224 Sowohl die Beziehungsaspekte als auch die Leistungsmerkmale und Marktbedingungen im Fundraising sprechen für die Verwendung des Relationship-Ansatzes. Relationship Fundraising wird auch von vielen NPO akzeptiert und praktiziert, auch wenn eine Verknüpfung mit den theoretischen Erkenntnissen des Relationship-Marketing-Ansatzes noch weitgehend vernachlässigt worden ist.225 Die Relevanz des Relationship-Ansatzes zeigt sich nicht zuletzt durch die ökonomischen Auswirkungen der Spenderabwanderung. Im folgenden Abschnitt werden deshalb die ökonomischen 221
222
223 224 225
Vgl. Luthe (1997), S. 251. Zur Operationalisierung der Beziehungsqualität vgl. HennigThurau/Klee (1997), S. 751 ff.; Shabbir et al. (2008), S. 50 ff. Vgl. dazu die Beiträge von Bennett/Barkensjo (2005); Shabbir et al. (2007); Shabbir et al. (2008); Weir/Hibbert (2000), S. 130. Vgl. Luthe (1997), S. 316 ff. Vgl. Wagner/Kessler (2004), o. S. Vgl. Luthe (1997), S. 251. 47
Aspekte, die für die Anwendung des Relationship Fundraising sprechen, betrachtet. Dabei werden die Kosten und der Spendergewinnung, die Abwanderungsraten und deren Auswirkungen auf die Effizienz im Fundraising exemplarisch aufgezeigt. 2.7.2 Ökonomische Auswirkungen des Spenderschwundes Neue Spender zu gewinnen ist für alle Fundraiser eine wichtige Aufgabe. Neuspendergewinnung ist nicht nur aus Gründen des Wachstums erforderlich, sondern vor allem, um verlorene Spender zu ersetzen. Diese können sowohl durch natürlichen (bspw. durch Tod oder Umzug eines Spenders) oder sogenannten unnatürlichen Schwund verloren gegangen sein.226 Gerade vor dem Hintergrund der steigenden Fundraisingkosten rückt die Bedeutung der Abwanderungsrate von Spendern zunehmend in den Vordergrund. Dabei ist festzuhalten, dass insbesondere NPO, die Fundraising betreiben, welches auf dem TransaktionsMarketing-Ansatz basiert, durch eine hohe Abwanderungsrate gekennzeichnet sind.227 Allgemein verzeichnen spendenfinanzierte NPO, unabhängig von der Organisationsgrösse, hohe Abwanderungsraten und verlieren jährlich rund 25 % bis 50 % ihrer Spender.228 Insbesondere zwischen der ersten und zweiten Spende verlieren die meisten NPO einen Grossteil ihrer Spender. Nur gerade rund die Hälfte der Spender, die von einer Organisation rekrutiert wurde, tätigt eine zweite Spende.229 Aus diesem Grund schlägt Burnett vor, dass man zwischen einmaligen Geldgebern, die auf Fundraisingaktionen reagieren und „richtigen“ Spendern unterscheidet.230 Von den verbleibenden Spendern wandern weiter rund 30 % jährlich ab.231 Die Abwanderungsquote ist je nach Fundrai226 227 228 229 230 231
48
Vgl. Burnett (2002), S. 155 f.; Sargeant/Jay (2004a), S. 3. Vgl. Burnett (2002), S. 156; Sargeant/Jay (2004a), S. 2. Vgl. Crole (2006), S. 614. Vgl. Burnett (2002), S. 156; Sargeant/Jay (2004a), S. 2. Vgl. Burnett (2002), S. 156. Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 2.
singinstrument unterschiedlich hoch. So hat beispielsweise die Face-to-Face-Rekrutierung den Nachteil, dass sie mit einer grösseren Schwundrate verbunden ist als die briefliche Rekrutierung.232 Nicht nur die Abwanderungsraten, sondern auch die Fundraisingkosten fallen je nach Fundraisingaktion in unterschiedlichem Ausmass an.233 Über die Effizienz einzelner Fundraisingaktionen ist allerdings nur wenig bekannt, da kaum empirische Studien dazu durchgeführt wurden.234 Eine Ausnahme stellt dabei die Studie von Sargeant, Jay und Lee dar, bei welcher ein Vergleich der Fundraisingkosten durch verschiedene Instrumente untersucht wird (siehe Tabelle 2). Unterschieden wird in dieser Studie zwischen Rekrutierungs- und Entwicklungsmedien. Dabei handelt es sich um Ergebnisse einer Studie, in der in Grossbritannien 150 der 500 grössten spendenfinanzierten NPO befragt wurden.235 Bei den angegebenen Grössen handelt es sich um die unmittelbaren Einnahmen im Verhältnis zu einer investierten Einheit (Britische Pfund). Bei Direct Mail mittels Kaltadressen werden somit durchschnittlich auf 1 Pfund, das investiert wird, unmittelbar 0.39 £ generiert. Zu beachten ist, dass es sich dabei nur um ungebundene Spender handelt. In der Studie wurden die gebundenen Spender (mittels monatlicher Spenden) getrennt betrachtet. Diese erreichen einen höheren Wert von durchschnittlich 0.81 £ pro investiertem Pfund, wobei die Einnahmen des ersten Jahres betrachtet wurden. Beim vermutlich aussagekräftigeren Median sind die Unterschiede von gebundenen und ungebundenen Spendern nur noch minimal (0.47 £, 0.49 £).236
232 233
234 235 236
Vgl. Burnett (2002), S. 170. Vgl. Haibach (2006), S. 44; Sargeant/Jay (2004a), S. 3.; Sargeant/Kähler (1999), S. 10; UrbanEngels (2006), S. 503 ff. Vgl. Sargeant et al. (2006b), S. 78. Vgl. Sargeant et al. (2006b), S. 77 ff. Vgl. Sargeant et al. (2006b), S. 85 f. 49
Tabelle 2: Fundraisingkosten nach Fundraisinginstrument237 Arithmetisches Mittel
Standardabweichung
Median
0.39 0.61 0.87 0.56 0.66
0.21 0.58 1.01 0.46 0.33
0.47 0.58 0.26 0.35 0.71
3.69
2.49
3.00
Rekrutierungsmedium Direct Mail – Kaltadressen Zeitungswerbung Zeitungs-/Zeitschriftenbeilage Wurfsendungen Strassensammlungen (Face-to-Face)
Entwicklungsmedium Direct Mail
Die in Tabelle 2 aufgeführten Werte können lediglich als näherungsweise Anhaltspunkte für Benchmarks betrachtet werden.238 Deutlich wird allerdings die Tatsache, dass Rekrutierungsmedien meist defizitär sind. Ausserdem zeigt sich, dass Mailings zur Spenderentwicklung (an warme Adressen) einen wesentlich höheren ROI erzielen. Generell wird davon ausgegangen, dass die Spendergewinnung etwa fünfmal so kostspielig ist, wie die Reaktivierung von ehemaligen Spendern und vier- bis zehnmal so teuer wie die Spenderpflege und -entwicklung.239 Obwohl allgemein bekannt ist, dass es einfacher und kostengünstiger ist, Spendengelder von bestehenden Spendern zu generieren, geben einige Fundraiser mehr Geld für die Gewinnung neuer Spender aus, als für die Entwicklung der Bestehenden.240 Gerade im zunehmend kompetitiven Spendenmarkt wird es immer schwieriger, neue Spender zu gewinnen. Damit steigen auch die Kosten der Neuspendergewinnung.241 Diese stellen daher auch eine der grössten Herausforderungen im Fundraising dar.242 In 237
238 239 240 241 242
50
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Sargeant/Lee (2003) zit. nach Sargeant/Jay (2004a), S. 3 und Sargeant et al. (2006b), S. 86 ff. Die Zahlen beziehen sich auf die ersten Spendeneinnahmen, die bei einem investierten Pfund generiert werden. Vgl. Sargeant et al. (2006b), S. 89. Vgl. Burnett (2002), S. 157; Hönig/Schulz (2006), S. 285; Sargeant/Jay (2004a), S. 3. Vgl. Burnett (2002), S. 40 ff. Vgl. Urselmann (2007), S. 33 f. Vgl. Lindahl/Conley (2002), S. 102; Sargeant/Kähler (1999), S. 5 f.
der angesprochenen Studie von Sargeant, Jay und Lee belaufen sich die Kosten zur Gewinnung eines neuen ungebundenen Spenders mittels Kaltmailings im Median auf über 33 £. Wie sich gezeigt hat, verursacht die Neuspendergewinnung mittels kalter Adressen in der Regel mehr Kosten, als damit Spenden generiert werden können.243 Die Akquirierung von Erstspendern mittels Fremdadressen lohnt sich somit erst durch die Folgespenden über die Zeit.244 Typischerweise dauert es etwa 18 Monate, bis die Kosten der Spendergewinnung durch die neu gewonnenen Spender gedeckt sind.245 Die hohen Kosten der Spendergewinnung und die hohen Abwanderungsraten der Spender führen dazu, dass eine Verringerung der Abwanderungsrate enorme Auswirkungen auf den Erfolg haben. Anhand eines mathematischen Beispiels kann die Auswirkung einer Senkung der Abwanderungsrate von 20 % auf 10 % veranschaulicht werden. Dabei werden zwei Organisationen verglichen, welche 100'000 Spender mit einem durchschnittlichen Spendenbetrag von jährlich 100 CHF haben. Im ersten Jahr generieren beide Organisationen Spenden in der Höhe von 10 Millionen CHF, nach zehn Jahren sind es nur noch 3.9 Millionen resp. 1.3 Millionen CHF. In den zehn Jahren hat die Organisation mit der geringeren Abwanderungsrate insgesamt 65 Millionen und damit mehr als 20 Millionen mehr Spenden eingenommen als die Organisation mit der höheren Abwanderungsrate. Die Verringerung der Abwanderungsrate von 20 % auf 10 % hat somit eine Erhöhung der Profitabilität um 50 % zur Folge.246 Dieses Beispiel der Auswirkung einer Senkung der Abwanderungsrate wird in Abbildung 2 grafisch dargestellt.
243 244 245 246
Vgl. Haibach (2006), S. 44; Sargeant/Jay (2004a), S. 3; Urselmann (2007), S. 64. Vgl. Haibach (2006), S. 44; Urselmann (2007), S. 64. Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 3. Vgl. dazu auch Sargeant/Jay (2004a), S. 4 f. 51
Abbildung 2:
Einfluss der Verringerung der Abwanderungsrate247
10 % Abwanderung
20 % Abwanderung
Spendeneinnahmen in Mio. CHF
10
8
6
4
2
0 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
2.7.3 Lebenszyklus als Hintergrund des Relationship Fundraising Wie beim Relationship Marketing, werden auch beim Relationship Fundraising der Ausbau und die Optimierung des Potenzials der Ressourcengeber angestrebt.248 Die Aufgabe der Fundraiser besteht demzufolge darin, Beziehungen zu Spendern aufzubauen und diese zu entwickeln. Diese Entwicklung setzt im Gegensatz zur einfachen Sammlung einzelner Spenden allerdings langfristige Beziehung voraus, die gepflegt werden müssen.249 Beim Relationship 247 248 249
52
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Sargeant/Jay (2004a), S. 4. Vgl. Luthe (1997), S. 321; Urselmann (2007), S. 32 ff. Vgl. Gummesson (1997), S. 142 f.
Fundraising handelt es sich um eine komplette Philosophie, welche die Bildung lebenslanger Beziehungen zum Ziel hat, die für beide Parteien von Vorteil sind.250 Abbildung 3:
Idealtypischer Spenderzyklus251
Dem Relationship-Ansatz im Fundraising liegt analog zum ProfitBereich das Live-Time-Value (LTV) Konzept, auch Customer Lifetime Value (CLV), zu Grunde.252 Dabei werden die zukünftigen Spenden über die erwartete Kunden-Lebensdauer in abdiskontierter Form253 addiert. Dies führt zu einem Gesamtwert eines Spenders und erlaubt eine entsprechende individuelle Ansprache und Betreuung. Damit kann über die gesamte Lebensdauer ein anspre250 251 252
253
Vgl. Burnett (2002), S. 40. Quelle: Beccarelli (2006), S. 21. Vgl. Hönig/Schulz (2006), 298 f.; Sargeant (2001c), S. 26 ff.; Sargeant/Jay (2004a), S. 44. Zum CLV siehe bspw. Verhoef et al. (2007). Abzüglich des Zinsfaktors. 53
chender ROI generiert werden.254 Wie erfolgreich die Ausweitung des Spender-Lebenslaufs (donor life cycle) auch immer ist, irgendeinmal werden die Spender die Organisation verlassen. Die Zeit zwischen Erstspende und Verlassen kann man als Lifetime der Spendenden betrachten, die je nach Organisation viele Jahre oder aber nur einige Monate sein kann.255 Der Lebenszyklus einer Kundenbeziehung weist idealtypische Gesetzmässigkeiten auf und kann in unterschiedliche Phasen aufgeteilt werden, wie aus Abbildung 3 ersichtlich wird.256 Damit wird eine lebensphasenspezifische Behandlung der Spender möglich.257 In der Praxis wird allerdings festgestellt, dass eine Abwanderung in sämtlichen Phasen des Lebenszyklus möglich ist – unabhängig von der Beziehungsqualität und der Zufriedenheit der Beteiligten mit der Beziehung.258 In Anlehnung an den Kundenlebenszyklus gehören zur Akquisitionsphase sämtliche Aktivitäten einer NPO, die zur Initiierung einer Spenderbeziehung beitragen. In der Spenderbindungsphase geht es um die Entwicklung, also den Auf- und Ausbau von bestehenden Spenderbeziehungen, bis zur Auflösung der Beziehung. Bei der Spenderrückgewinnungsphase geht es um die Reaktivierung bereits beendeter Spenderbeziehungen.259 2.7.4 Spendersegmentierung Relationship Fundraising greift die Idee auf, jede einzelne Spendenbeziehung nach ihrem Lifetime Value zu entwickeln und einen möglichst langen Lebenszyklus mit entsprechend hohem Lebenswert zu generieren. Dies erfordert eine spenderspezifische Ansprache. Eine echte Eins-zu-Eins-Ansprache wird allerdings bei der 254 255 256 257 258 259
54
Siehe dazu Crole (2006), S. 614 f.; vgl. auch Sargeant (2001c), S. 26 ff. Vgl. Burnett (2002), S. 155 ff. Zum Kundenlebenszyklus vgl. Bruhn (2001), S. 46 ff. Vgl. Hönig/Schulz (2006), S. 298 f. Vgl. Michalski (2006), S. 585. Vgl. dazu Bruhn/Michalski (2008), S. 273; Michalski (2006), S. 585 f.
Mehrheit von Spendern unpraktikabel sein. Mittels Spendersegmentierung kann aber versucht werden, besser auf die Spenderbedürfnisse einzugehen und einen gewissen Grad von Individualisierung herzustellen. Unter Segmentierung kann dabei das Herunterbrechen des gesamten Marktes auf Teilstücke mit gemeinsamen Eigenschaften und Bedürfnissen verstanden werden.260 Beim Relationship Fundraising Ansatz wird kritisiert, dass viele Spender keine Beziehung wünschen und dass eine massgeschneiderte Kommunikation unerschwinglich ist. Sargeant und Jay weisen diese Kritikpunkte allerdings zurück und sehen in der Befragung der Erstspender nach ihren Präferenzen der Kommunikation die Möglichkeit, einerseits auf die Bedürfnisse der Spender einzugehen und andererseits die verschwenderische Produktion von Informationsmaterial zu reduzieren. Damit kann Geld eingespart werden, weil nicht sämtliche Kommunikationsmittel an alle Spender versendet werden. Oft wünschen Spender, weniger Information zu erhalten oder bevorzugen nur einzelne Kommunikationsarten.261 Die Herausforderung der Segmentierung liegt darin, einerseits genügend Segmente zu selektionieren, um auf die Bedürfnisse der meisten Spender einzugehen und andererseits die Anzahl der Segmente so gering zu halten, dass sie handhabbar und profitabel sind.262 Die meist verbreitete Form der Segmentierung ist jene nach der Spendenhistorie, in welcher nach Häufigkeit, Regelmässigkeit und Höhe der Spenden unterschieden wird.263 Durch die Betrachtung der Spendenhistorie kann der bisher erreichte Lifetime Value eines Spenders errechnet werden, indem die geleisteten Beiträge auf260 261 262 263
Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 76 f. Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 46 f. Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 182. Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 84. In der Fundraisingpraxis wird auch vom RFM-Modell gesprochen, bei welchem der Zeitpunkt der letzten Spende (R = Recency), die Spendenhäufigkeit (F = Frequency) und die Spendenhöhe (M = Monetary) berücksichtigt werden, vgl. dazu Külling (2007), S. 10 f.; Michelotti (2007), S. 12 f. Siehe zum RFM-Modell auch Krafft/Peters (2005), S. 27 ff. 55
summiert werden. Damit kann eine Spenderwert-Pyramide erstellt werden. Spender, die einen Wert von höchsten 50 $ gespendet haben, kosten die NPO Geld, weshalb eine Reduktion der Kommunikation angebracht ist. Nun sollte aber nicht bloss die vergangene Spendentätigkeit betrachtet, sondern auch das zukünftige Potenzial mit einbezogen werden. Bei einer reinen Vergangenheitsbetrachtung würden Erstspender in ein tieferes Segment fallen und weniger Aufmerksamkeit erfahren, als ihnen im Hinblick auf ihr zukünftiges Potenzial zusteht.264 Oft nehmen NPO vielfach eine Unterscheidung von Gross- und Kleinspendern vor, insbesondere auch, weil wenige sehr viel und viele sehr wenig spenden.265 Der Wert, ab welchem ein Spender ein „High Donor“ oder Grossspender wird, kann dabei von einigen Hundert Franken bis zu 10'000 Franken oder mehr betragen.266 Eine weitere Segmentierung der Spender, bei welcher die Spendenhöhe und -historie mit einbezogen wird, ist jene nach den Stufen der Spenderpyramide. Bei dieser häufig verwendeten Darstellungsform der unterschiedlichen Spendertypen wird die traditionelle Idee des Spender-Lebenszyklus abgebildet. Spender sollen dem zufolge dazu bewegt werden, in eine jeweils höhere Stufe der „Loyalitätsleiter“ aufzusteigen. Die verschiedenen Stufen können als Höhe des Involvement oder als Intensität des Engagements des Spenders betrachtet werden.267 Die Spenderpyramide versinnbildlicht damit die Übernahme der Idee des Relationship Marketing für das Fundraising. So spricht Gummesson davon, dass beim Relationship Marketing insbesondere die (Kunden-) Loyalität im Vordergrund steht mit dem Ziel der Erklimmung der „Loyalitätsleiter“.268 Im Sinne der langfristigen Existenzsicherung sollen die Be264 265 266 267
268
56
Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 6 ff. Vgl. Ziegler 1986, S. 240ff. Vgl. dazu Haibach (2006), S. 317; Urselmann (2007), S. 98 f. Zur Spenderpyramide vgl. Beccarelli (2006), S. 22; Burnett (2002), S. 47 ff.; Felbinger (2005), S. 24 f.; Haibach (2006), S. 237 ff. Vgl. Gummesson (1997), S. 30.
ziehungen zu den Spendern gepflegt und etabliert werden, d. h. langfristige, stabile Beziehungen aufgebaut werden.269 Je höher ein Spender in der Spendenpyramide anzusiedeln ist, desto stärker sind die Beziehung und die Bindung des Spenders zur Organisation. So stehen hinter Testamentsspenden meist langjährige gute Beziehungen zur Organisation.270 Mit den höher gelegenen Stufen sind in der Regel auch höhere Beträge verbunden. Somit steigt die durchschnittliche Spendenhöhe beim Erklimmen der Spenderpyramide.271 Abbildung 4:
Die Spenderpyramide272
Stifter Erblasser Grossspender Dauerspender Mehrfachspender Neu- und Erstspender Interessenten breite Öffentlichkeit
Die Spenderpyramide stellt den optimalen Beziehungsverlauf eines Spenders zu einer NPO dar.273 Es handelt es sich um eine verein269 270 271 272
Vgl. Beccarelli (2006), S. 22. Vgl. Haibach (2006), S. 237 ff. Vgl. Burnett (2002), S. 49; Urselmann (2007), S. 37. Quelle: Beccarelli (2006), S. 22. 57
fachte, idealtypische Darstellung, welche die traditionelle Vorstellung des Spenderlebenszyklus illustriert. Selbstverständlich werden sich Spender nicht immer konform dieser „Loyalitätsleiter“ empor bewegen und sämtliche Stufen nacheinander erklimmen.274 Zur Segmentierung einzelner Spendergruppen kann die Spenderpyramide allerdings herangezogen werden.275 Die Segmentierung der Spender wird durch die Unterscheidung der einzelnen Stufen der in Abbildung 4 dargestellten Spenderpyramide vorgenommen:
273 274 275 276 277 278 279 280
58
Ausserhalb der Pyramide befindet sich die breite Öffentlichkeit, aus der die Interessenten herausgefiltert werden können. Interessenten müssen die NPO kennen. Sie weisen eine potenzielle Spendenbereitschaft auf oder haben ein inhaltliches Interesse am Anliegen der Organisation und hatten bereits Kontakt mit der NPO.276 Erstspender sind jene, die eine erste Spende getätigt haben. Sie verzeichnen in der Regel eine hohe Abwanderungswahrscheinlichkeit, weshalb diese auch als einmalige Geldgeber und nicht als (echte) Spender betrachtet werden.277 Die Stufe des Mehrfachspenders wird bereits erreicht, wenn mindestens eine zweite Spende getätigt wird. Dauerspender sind solche, die regelmässig spenden, was meist in Form von Daueraufträgen und Lastschriftenverfahren (LSV) geschieht. Hauptvorteil der Dauerspender für die NPO ist die Planbarkeit der Einnahmen.278 (Förder-)Mitglieder- und Gönnervereinigungen sind meist durch jährliche Beitragsleistungen gekennzeichnet und weisen demnach eine gewisse Regelmässigkeit und Planbarkeit aus. Mitgliedschaften können auch ohne vorherige Spende getätigt werden,279 womit Neumitglieder auch Erstspender sein können. Teilweise wird auch keine Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Dauerspendern vorgenommen.280 Die Definition von Grossspendern kann von Organisation zu Organisation stark variieren. Meist wird dafür ein Schwellenwert definiert, der sich allerdings nicht nur auf eine Einzelspende, sondern auch auf die JahresspendenVgl. Kasten (2006), S. 195. Vgl. dazu bspw. Burnett (2002), S. 47 ff. Vgl. bspw. Haibach (2006), S. 237 f. Vgl. Haibach (2006), S. 238; Urselmann (2007), S. 35 ff. Vgl. Burnett (2002), S. 155 f. Vgl. bspw. Urselmann (2007), S. 89 ff. Zu Fördermitgliedschaften vgl. Beccarelli (2006), S. 20 ff. Vgl. dazu Urselmann (2007), S. 85 ff.
summe oder gar den Wert sämtlicher bisher geleisteter Spenden beziehen kann.281 Legat- oder Testamentspender vermachen einer NPO testamentarisch ihr Vermögen oder einen Teil ihres Vermögens.282
Eine gesonderte Ansprache der Interessenten, Neuspender, Mehrfachspender, Grossspender aber auch der inaktiven Spender in Form von Reaktivierungsansprachen ist der einheitlichen Ansprache sämtlicher Adressen vorzuziehen.283 Weitere Segmentierungskriterien können beispielsweise demografische Kriterien, Lifestylekriterien oder Interessen, Ansprüche und Erwartungen der Spender sein.284 Oft werden aber nur von Grossspendern solche „Profile“ erstellt. Im Bereich der Durchschnittsspender werden eher weniger Segmentierungen aufgrund von Personendaten vorgenommen, auch wenn das Bewusstsein der Bedeutung der Pflege der Durchschnittsspender durchaus vorhanden ist.285 2.7.5 Herausforderungen beim Relationship Fundraising Relationship Fundraising ist ein Ansatz des Marketing, der die einzigartige und spezielle Beziehung zwischen einer NPO und jedem einzelnen Unterstützer ins Zentrum rückt. Der zentrale Aspekt liegt dabei in der Pflege und Entwicklung der Verbindung und der Vermeidung sämtlicher Aktivitäten, die diese Beziehung gefährden oder zerstören könnten.286 Relationship Marketing bildet nicht nur den theoretischen Rahmen des Fundraising und liefert theoretische 281 282 283 284
285
286
Vgl. Urselmann (2007), S. 97 ff. Vgl. Urselmann (2007), S. 115 Siehe dazu auch Purtschert et al. (2006), . Vgl. dazu auch Maier-Schwier (2008), S. 20 f. Zu einem Überblick über mögliche Kriterien der Spendersegmentierung vgl. Haibach (2006), S. 237 ff.; Sargeant/Jay (2004a), S. 76 ff. Vgl. Van Slyke/Brooks (2005), S. 204 f. Ergänzend zu erwähnen ist, dass sich wohlhabende Spender von den “gewöhnlichen” Spendern in Motiven, Informationsbedürfnissen und Verhalten unterscheiden, was für eine spezifische Betrachtung der kleinen und mittleren Spender spricht. vgl. dazu Brown (2004), S. 86 ff. Vgl. Burnett (2002), S. 38. 59
Bausteine zur Analyse des Relationship Fundraising, sondern bietet auch konkrete Anhaltspunkte zu Aufbau, Erhalt, Weiterentwicklung und Gestaltung von Beziehungen.287 Sargeant und Jay betrachten beispielsweise in der Wahlmöglichkeit der Kommunikation durch die Spender die beste Möglichkeit, eine zweiseitige Beziehung mit Spendern zu entwickeln. Dabei sollen Spender aus einem Optionenset auswählen können, wie oft und welche Art der Kommunikation sie bevorzugen.288 Auch wenn beim Relationship Fundraising einzelne Erkenntnisse, Massnahmen und Techniken des beziehungsorientierten Marketing aus dem Profit-Bereich übernommen werden können, ist auf die unterschiedlichen Beziehungen und deren Eigenheiten im NPO-Bereich und insbesondere beim Fundraising289 Rücksicht zu nehmen. Dementsprechend sind auch Anpassungen der Marketing-Methoden an die Gegebenheiten des Fundraising notwendig.290 Als Besonderheit des Fundraising kann der fehlende marktadäquate Gegenwert betrachtet werden. Ausserdem existiert meist kein Kontakt zu den Begünstigten. Damit entzieht sich dem Spender die Möglichkeit der Kontrolle, weshalb das Vertrauen in die NPO einen zentralen Stellenwert einnimmt.291 Beim Relationship Fundraising sind weiter einige Herausforderungen zu beachten, die in dieser Form und Stärke im ProfitBereich nicht auftreten. Besonders zu erwähnen sind die Schwierigkeiten bei der Segmentierung und dem Einsatz von MarketingInstrumenten. Das grösste Problem der Spender-Segmentierung liegt beim fehlenden Wissen über die Spender und ihre Bedürfnisse. Dies liegt einerseits daran, dass NPO in der Regel nur über wenige Spenderdaten verfügen292 und andererseits meist nicht die (fi287 288 289 290 291 292
60
Vgl. Gummesson (1997), S. 142 f.; Luthe (1997), S. 316 ff. Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 81. Vgl. dazu Gummesson (1997), S. 139 ff. Vgl. Burnett (2002), S. 3, 129; Haibach (2006), S. 22 f. Siehe dazu auch Abschnitt 4.6.2. Vgl. Van Slyke/Brooks (2005), S. 204 f.
nanziellen) Möglichkeiten haben, selbst (Markt-) Forschung zu betreiben.293 In der Fundraising-Praxis werden deshalb die Möglichkeiten der Segmentierung oft nicht genutzt und sämtliche Zielgruppen mit demselben Mailing beliefert, da unterschiedliche Ansprachen mit höheren Kosten verbunden sind.294 Der verstärkte Wettbewerb um Spendengelder führt zu einem vermehrten Einsatz ausgeklügelter Marketing-Techniken, welche bei der Rekrutierung im Fundraising verwendet werden. Daraus erwachsenden aber auch zunehmende Abneigungen der Spender gegen den Einsatz von Marketing-Techniken.295 Dies wird durch die Tatsache erschwert, dass viele Spender den Einsatz von Marketing generell als unerwünscht, zu teuer oder Geldverschwendung betrachten.296 Relationship Fundraising wird zunehmend wichtiger und nimmt eine verstärkt bedeutende Rolle ein, wenn es darum geht, profitabel zu sein und langfristig bestehen zu können.297 Bei der Umsetzung der einzelnen Massnahmen ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Spender gegenüber Marketing-Massnahmen sehr sensibilisiert sind. Ausserdem fehlen meist wichtige Angaben zur effektiven zielgruppengerechten Ansprache.
2.8 Übersicht und Zusammenfassung zur Einordnung des Untersuchungsgegenstandes In diesem Kapitel wurde einerseits die thematische Eingrenzung der vorliegenden Arbeit vorgenommen. Dabei waren insbesondere Begriffsklärungen zum besseren Verständnis des Forschungsfeldes von Bedeutung. Andererseits wurde in diesem Kapitel die theoreti293 294 295 296 297
Vgl. Sargeant/Woodliffe (2007), S. 299. Vgl. dazu Maier-Schwier (2008), S. 20. Vgl. Burnett (2002), S. 37. Vgl. dazu Helmig et al. (2004), S. 108. Vgl. Burnett (2002), S. 37. 61
sche Verankerung des Forschungsgegenstandes im NPO-Marketing präsentiert. Für das einheitliche Verständnis wurde zuerst definiert, was unter einer NPO zu verstehen ist. Dabei wurden insbesondere Drittleistungs-NPO betrachtet, welche Karitativleistungen oder Kollektivgüter bereitstellen, da diese sich weitgehend über private Zuschüsse in Form von Spenden finanzieren. Es hat sich gezeigt, dass private Geldspenden für viele gemeinnützige Drittleistungs-NPO eine zentrale Finanzierungsquelle darstellen. Diese Geldspenden von Privatpersonen werden auf dem Spendenmarkt der Schweiz generiert. Deshalb wurde in einem weiteren Schritt der Spendenmarkt der Schweiz thematisiert. Es wurde deutlich, dass das Angebot an Spendengeldern zunehmend stagniert und die Nachfrage danach steigt. Somit sehen sich spendensammelnde NPO verstärkt zunehmender Konkurrenz um Spendengelder ausgesetzt. Damit ist auch die Rekrutierung von Neuspendern mit steigenden Kosten verbunden. Der Schwerpunkt des Fundraisings liegt auf der Beschaffung von Finanzmitteln, weshalb Fundraising ein Bereich des Beschaffungs-Marketing darstellt. Da Fundraising ausschliesslich von NPO betrieben wird, ist die vorliegende Arbeit theoretisch auch in den übergeordneten Bereich des NPO-Marketing einzugliedern. Bei einer genaueren Betrachtung können mehrere Ansätze des Marketing unterschieden werden. Der Beziehungsansatz des Relationship Marketing hat sich als Alternative des klassischen TransaktionsMarketing herausgestellt. Dieser Beziehungsansatz wird im Fundraising unter dem Begriff „Relationship Fundraising“ propagiert. Es hat sich gezeigt, dass für das Fundraising der Beziehungsansatz dem Transaktionsansatz klar vorzuziehen ist.298 Insbesondere die hohen Rekrutierungskosten, die Wichtigkeit der Beziehungsqualität sowie die hohen Abwanderungsraten der Spender sprechen 298
62
Ausgenommen sind dabei selbstverständlich die Aufrufe für Katastrophen- und Soforthilfe, bei welchen ein Beziehungsaufbau nicht möglich ist.
dafür, dass im Fundraising langfristige Beziehungen angestrebt werden müssen. Hinter dem Relationship Fundraising steht die Idee des Spender-Lebenszyklus mit dem Ziel der lebensphasenspezifischen Ansprache der Spender. Dabei wurde bisher insbesondere der Phase der Abwanderung kaum Beachtung geschenkt. Gerade in der Verhinderung der Abwanderung ist allerdings noch viel Potenzial für Effizienzsteigerungen im Fundraising vorhanden. Der Spenderabwanderung muss deshalb vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Hinter dem Relationship Fundraising steht auch die Idee der spenderspezifischen Ansprache. Dies bedeutet, dass eine Spendersegmentierung vorgenommen werden muss. Dabei hat sich gezeigt, dass die Segmentierung im Fundraising dadurch erschwert ist, dass kaum Kenntnisse über die Spender existieren und die spezifische Marktbearbeitung mit höheren Kosten verbunden ist. Gerade Ausgaben für Fundraising und Marketing werden allerdings von den Spendern zunehmend negativ beurteilt. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass die Spendersegmentierung anhand Kosten-NutzenAbwägungen vorgenommen wird. Dabei muss aber das Verständnis der Spender und deren zunehmende Sensibilisierung berücksichtigt werden. In Abbildung 5 wird eine Übersicht über die thematische Eingrenzung der vorliegenden Arbeit gegeben. Dabei wird ein Überblick über die Finanzierungsquellen einer gemeinnützigen Spendensammelnden NPO gegeben. Für diese Arbeit ist die private Zuschussfinanzierung in Form von Geldspenden von Privatpersonen von Bedeutung. Anhand der Spenderpyramide wird grafisch dargestellt, wo die Dauerspender, Mehrfachspender und Mitglieder in Gönnervereinigungen im Bereich der Finanzierung einer NPO anzusiedeln sind.
63
Abbildung 5:
Übersicht zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes299
Ziel dieses Kapitels war es, einerseits eine theoretische Einordnung des Untersuchungsgegenstandes und andererseits eine thematische Abgrenzung und Einbettung vorzunehmen, die zusammen mit den definitorischen Begriffsklärungen für das einheitliche Verständnis und die Klarheit in Bezug auf den weiteren Fortgang der Untersuchung notwendig sind. Es hat sich gezeigt, dass private Geldspenden einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung vieler NPO leisten. Durch den verstärkten Konkurrenzkampf auf dem Spendenmarkt nimmt die Bedeutung des Relationship Fundraising zu. Dabei geht es in erster Linie um die Spenderbindung und die Verhinderung der Spenderabwanderung. Diese Ziele sollen durch Zielgruppen spezifisches Fundraising verfolgt werden. Dafür sind allerdings Erkenntnisse zum Spenderverhalten und speziell zum Ab299
64
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Beccarelli (2005), S. 195.
wanderungsverhalten notwendig. Aus diesem Grund werden dazu in den folgenden Kapiteln die theoretischen und empirischen Erkenntnisse zusammengetragen und diskutiert.
65
3 Spenderverhalten Das Marketing in NPO und im Speziellen der Teilbereich des Fundraising hat in den letzten Jahren an Interesse und Bedeutung gewonnen. Durch den verstärkten Konkurrenzkampf sind die Herausforderungen im Fundraising gestiegen, insbesondere was die Spendergewinnung und -bindung anbelangt. Um geeignete Marketing-Strategien für die Spenderbindung zu entwickeln, ist es notwendig, dass man versteht, weshalb Menschen überhaupt spenden.300 Geldgeber haben beim Spenden Erwartungen und erhalten im Gegenzug meist in irgendeiner Form einen persönlichen Nutzen oder Vorteil.301 Um ihnen im Sinne des Gratifikationsprinzips (siehe Abschnitt 3.1.1) einen Nutzen bieten zu können, muss man die Motive und Erwartungen der Spender und damit die Spender selbst verstehen und kennen.302 Grundlegende Voraussetzung für erfolgreiches Fundraising ist demzufolge die Kenntnis des Fundgiving. Fundraising und Fundgiving können als zwei Seiten eines Austauschprozesses betrachtet werden, die einen direkten Bezug zueinander haben. Auf der Organisationsseite – dem Fundraising – stehen Konzepte und Methoden der Geldbeschaffung. Auf der Seite der Geldgeber – der Fundgiver – sind es Gruppen von Bedingungen und Einflüssen, die je nach Individuum und Situation dazu führen, dass eine Spende getätigt wird oder eben nicht. Auch wenn Fundraising und Fundgiving zwei zusammengehörende Teilstücke eines Austauschprozesses sind, macht es Sinn, hier vertieft den Teil des Fundgiving zu betrachten. Denn vielfach stehen in der spezifischen Literatur alleine die Beschaffungsaktivitäten – also die Organisationsseite – im Vordergrund und die Herkunft der Gelder wird vernachlässigt oder gar nicht bei der Mittelbeschaffung mit einbezogen.303 300 301 302 303
Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 4 f. Vgl. dazu bspw. Grace/Griffin (2006), S. 148. Vgl. Schneider (1996), S. 23. Vgl. zum Fundgiving als Basis des Fundraising Luthe (1997), S. 133 f.
66
B. Hunziker, Abwanderungsverhalten von Spendern, DOI 10.1007/978-3-8349-6308-6_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
In diesem Kapitel werden einige theoretische Aspekte zum Fundgiving diskutiert. Darüber hinaus werden relevante Einflussgrössen auf das Spenden betrachtet und ihr Nutzen für das Fundraising diskutiert. Weiter werden Spendertypologien und Erkenntnisse zum Entscheidungsverhalten von Spendern besprochen. Abschliessend wird der Stand der Literatur anhand eines Modells des Spendenverhaltens diskutiert.
3.1 Theoretische Ansätze des Fundgiving Eine eigentliche Theorie zum Fundgiving existiert genau so wenig, wie es eine Theorie zum Fundraising gibt. Theoretische Ansätze verschiedener Forschungsrichtungen erheben den Anspruch, zumindest Teilbereiche des Phänomens des Spendens erklären zu können. Insbesondere soziologische, ökonomische und sozialpsychologische Ansätze versuchen Erklärungsansätze für das Fundgiving zu liefern.304 So befasst sich beispielsweise der soziologische Ansatz von Blau mit den Fragen des freiwilligen Gebens. In seiner Theorie des sozialen Tausches spielen Interaktionen und soziale Beziehungen eine wesentliche Rolle.305 Weitere soziale Erklärungsansätze beziehen sich auf soziale Normen und Werte oder Gruppenzugehörigkeiten.306 Psychosoziale Ansätze sehen vielfach eine Erklärung für das unterschiedliche Spendenverhalten in der unterschiedlichen Persönlichkeit, welche u. a. durch das Umfeld und Erfahrungen aus der Kindheit geprägt ist.307 Die ökonomischen Ansätze versuchen das Spenden durch den erhaltenen Nutzen für den Spender zu erklären.308 Im Zentrum der theoretischen Erklä304
Vgl.Sargeant/Woodliffe (2008), . 111. Vgl. Blau (1964), S. 35 f. zitiert nach Luthe (1997), S. 149. 306 Vgl. dazu bspw. Sargeant/Woodliffe (2008), S. 119. 307 Vgl. dazu bspw. Eisenberg et al. (2002); Penner et al. (2005); Penner et al. (1995); Schervish (1993); Schervish/Havens (1997). 308 Vgl. dazu bspw. Andreoni (2001); Collard (1978); Cooper (1994); Vesterlund (2006). 305
67
rungsansätze des Fundgiving stehen vielfach die Beweggründe des Spendens weshalb an dieser Stelle auch auf die AltruismusEgoismus-Diskussion in Abschnitt 3.2.3 verwiesen wird. In Abbildung 6 wird eine Übersicht zu den theoretischen Erklärungsansätzen des Fundgiving gegeben. Abbildung 6:
Theoretische Ansätze des Fundgiving309
Theoretische Ansätze des Fundgiving
Sozialpsychologische Ansätze
Soziologische Ansätze Croson et al. (2009) Harbaugh (1998a) Schervish (1993), (1997) Burlingame (1993) Piliavin/Charng (1990) Ostrower (1995) Boulding (1973) Blau (1964) …
Piferi et al. (2006) Penner et al. (2005) Eisenberg et al. (2002) Lee et al. (1999) Ray (1998) Schervish/Havens (1997) Frank (1996) Penner et al. (1995) Cialdini (1984) Macaulay (1970) …
Ökonomische Ansätze
Integrative/ganzheitliche Ansätze
Drollinger (2010) Vesterlund (2006) Andreoni (2001) Harbaugh (1998b) Schneider (1996) Cooper (1994) Krebs (1982) Collard (1978) Arrow (1972) …
Sargeant/Woodliffe (2008) Luthe (1997) Prince/File (1994) Andreoni (1989), (1990) …
Im Folgenden werden zwei theoretische Ansätze des Fundgiving diskutiert. Der erste – das Gratifikationsprinzip310 – steht dabei stellvertretend für die ökonomischen Ansätze, da in dieser Arbeit – welche dem Marketing anzusiedeln ist – insbesondere die ökonomischen Aspekte von Bedeutung sind. Der zweite Ansatz – derjenige des prosozialen Verhaltens nach Luthe – versteht sich als ganzheitlicher Erklärungsansatz, in welchem sowohl ökonomische, soziologische wie auch psychologische Aspekte berücksichtigt 309
310
68
Diese Abbildung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, gibt aber eine Übersicht über die wichtigsten Ansätze zur Erklärung des Fundgiving. Die Einteilung in die Forschungsbereiche ist nicht trennscharf möglich, da viele Ansätze auch Aspekte eines zweiten Forschungsgebiets beinhalten ohne dadurch als ganzheitlich zu gelten. Vgl. dazu Cooper (1994), S. 67 ff.
werden.311 Dieser umfassende Ansatz wird besprochen, da die isolierte ökonomische Betrachtungsweise dem komplexen Phänomen des Fundgiving nicht gerecht wird und mit diesem integrativen Ansatz die Komplexität des Fundgiving verdeutlicht wird. 3.1.1 Ökonomischer Erklärungsansatz – das Gratifikationsprinzip Stellvertretend für die ökonomischen Erklärungsansätze des Spendens wird hier das Gratifikationsprinzip besprochen. Mit Gratifikation ist gemeint, dass das menschliche Handeln durch das Streben des Individuums nach Belohnung oder Vermeidung von Bestrafung motiviert wird.312 Damit ist das Gratifikationsprinzip bei den ökonomischen Erklärungsansätzen des Fundgiving anzusiedeln, die sich vorwiegend an den individuellen Kosten und Nutzen der Spender orientieren.313 Schneider spricht beispielsweise davon: „dass sich eine Gratifikation auch als Nutzen oder Kosten einer Transaktion bzw. als der von dieser ausgehenden Anreiz auffassen lässt.“314
Dem Gratifikationsprinzip zu Grunde liegen kognitive Motivationsmodelle und Theorien, bei denen Austauschprozesse nur dann zustande kommen, wenn der Austausch für die involvierten Parteien von Vorteil ist. Damit können die Gratifikationen als Antriebskräfte des menschlichen Handelns betrachtet werden.315 Folglich ist ein Anreiz oder Beitrag im Sinne einer Gratifikation zu leisten, damit eine Austauschbeziehung zustande kommt.316 Die Gratifikation kann sowohl in immaterieller, materieller wie auch quasimaterieller Form erfolgen. Im Rahmen der immateriellen Einflussgrössen zählt Cooper mehrere motivationale Faktoren der Spenderaktivität auf, die unter 311 312 313 314 315 316
Vgl. Luthe (1997), S. 181 ff. Vgl. Cooper (1994), S. 67. Vgl. Halfpenny (1999), S. 199 ff.; Luthe (1997), S. 154 ff. Schneider (1996), S. 23. Vgl. Cooper (1994), S. 68 f. Vgl. Schneider (1996), S. 23. 69
den weiten Begriff der Gratifikation fallen. So betrachtet sie Spenden als Mittel zur Reduktion kognitiver Dissonanzen, indem die Spender durch die Spende Schuldgefühle abbauen können.317 Spenden können auch als Mittel zur Steigerung des Selbstwertgefühls betrachtet werden, wobei Prestige und Status der spendenden Person im Vordergrund stehen. Einerseits kann die Gratifikation darin bestehen, das man „es sich leisten“ kann und dies der Umwelt nach Möglichkeit mitteilen will oder aber, dass durch die Spende Bewunderung für das soziale Engagement geerntet werden kann.318 Weiter kann das Spendenverhalten ethisch, moralisch oder religiös motiviert sein. Motive wie Mitleid und Erbarmen, Dankbarkeit für empfangene Wohltaten, Ausgleich der Gerechtigkeit oder Freude zu geben sind bereits in der Bibel festgehalten. Diese Art der Gratifikation kann als austauschlose betrachtet werden, welche sich im Innern des Handelnden vollzieht.319 Der Spender kann auch durch eine Bezugsperson – die spendensammelnde Person – motiviert werden. Während Cooper dabei nur die Sympathie zur Person oder mögliche Gegengeschäfte als Gratifikation betrachtet,320 erwähnen Sargeant und Jay auch den Druck, der von der sammelnden Person ausgeht. Die Gratifikation erfolgt dabei in der Form von Vermeidung einer Bestrafung im Sinne von Schuldgefühlen oder „sich schlecht fühlen“.321 Es kommt also nicht bloss auf Nutzen und Kosten des Spendens, sondern auch auf Nutzen und Kosten des Nicht-Spendens an.322 Neben den immateriellen Gratifikationen existieren auch materielle oder quasi-materielle Gratifikationen, die sich ihrerseits motivierend auf das Spenderverhalten auswirken können. Bei den materiellen Gratifikationen ist die Spende mit dem Kauf oder der Nut317 318 319 320 321
322
70
Vgl. Cooper (1994), S. 70 f. Vgl. Cooper (1994), S. 71. Vgl. Cooper (1994), S. 73 f. Vgl. Cooper (1994), S. 74 f. Zum verspürten Druck bei der Spenderrekrutierung vgl. Sargeant/Hudson (2008), S. 96 ff.; Sargeant/Jay (2004b), S. 174 ff. Vgl. Luthe (1997), S. 154 f.; Schneider (1988), S. 11 f.
zung eines Gutes verknüpft. Dabei enthält der Kaufpreis meist einen Spendenanteil, womit der übliche Marktpreis überschritten wird.323 Bei den quasi-materiellen Gratifikationen erhält der Spender einen Nutzen, der in monetären Einheiten ausgedrückt werden kann wie:324
Dienstleistungen in Form von Events, Benefizveranstaltungen, welche dem Spender Unterhaltung bieten, Minderung des zu versteuernden Einkommens durch die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden. Dies wird jedoch lediglich als zusätzlich motivierende Wirkung betrachtet, da die Steuerersparnis im Normalfall kleiner sein wird als die eigentliche Spende, Imagepflege und -verbesserung welche sich hauptsächlich auf unternehmerisches Spendenverhalten bezieht, Chancen in Form von Gewinnspielen.
Cooper hält letztlich fest, dass es zahlreiche Motive des Spendens gibt, dass aber meist nicht eines der genannten Motive alleine, sondern eine Verknüpfung mehrerer Motive die Aktivierung der potenziellen Spender veranlassen dürfte.325 Mittels Gratifikationsprinzip können Interaktionen zwischen NPO und Spendern als klassische Austauschbeziehungen aufgefasst werden, die dem Marketing zugänglich sind.326 Damit kann die Bedürfnisstruktur der Spender identifiziert werden, welche als Grundlage für entsprechende Marketing-Konzepte dienen soll. Aufgabe des Fundraising ist demzufolge das Anbieten eines Nutzenbündels für die potenziellen Spender.327 Den ökonomischen Erklärungsansätzen des Fundgiving328 sind allerdings Grenzen gesetzt. Es wird beispielsweise kritisiert, dass 323 324 325 326 327 328
Vgl. Cooper (1994), S. 75. Vgl. Cooper (1994), S. 75 ff. Vgl. Cooper (1994), S. 79. Vgl. Schneider (1996), S. 24. Vgl. Schneider (1996), S. 24 f. Eine gute Übersicht über die ökonomischen Erklärungsansätze des Fundgiving und ihre Grenzen ist bei Luthe zu finden, vgl. Luthe (1997), S. 154 ff. 71
im Rahmen von Kosten- und Nutzenabwägungen die ökonomischen Erklärungsansätze zu einer Reduktion auf eine eindimensionale Sichtweise führen, die dem komplexen Phänomen des Fundgiving nicht gerecht werden.329 Des Weiteren kann die Sichtweise des pragmatisch-rationalen Verhaltens bei ökonomischen Angelegenheiten nicht auf das Fundgiving übertragen werden, da die Spendenentscheidung immer sowohl rationale wie auch emotionalmoralische Komponenten beinhaltet.330 Letztlich kann auch das Äquivalenzprinzip, welches ökonomischen Erklärungsansätzen zugrunde liegt, kritisiert werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine Spende mit dem Kauf gleichwertiger – wenn auch immaterieller psychischer – Güter gleichgesetzt werden kann.331 Spender erhalten aber per Definition keine marktadäquate Gegenleistung.332 3.1.2 Interdisziplinärer Erklärungsansatz – Prosoziales Verhalten Das komplexe Phänomen „Fundgiving“ kann nach Luthe weder allein durch ökonomische, noch durch einzelne psychologische oder soziologische Erklärungsansätze umfassend und logisch beschrieben werden. Aus diesem Grund versucht er sich an einer Systematisierung relevanter Einflussfaktoren und Bedingungen des Spendens, welche unter dem Begriff „prosoziales Verhalten“ betrachtet werden können. Prosoziales Verhalten kann als freiwillig erbrachten Nutzen für andere Personen oder einen Zweck bezeichnet werden. Darunter fällt auch das Fundgiving, respektive das Spenden von Geld. Prosoziales Verhalten setzt Freiwilligkeit und einen Nutzen für den Empfänger voraus und lässt sich auf einem Kontinuum mit zwei Polen darstellen. Der eine Pol ist durch ein Minimum an Kosten und Risiken des Spenders gekennzeichnet, der andere durch ein Maximum an persönlichem respektive materiellem Einsatz. Prosoziales Verhalten findet nun auf diesem Kontinuum statt und 329 330 331 332
72
Vgl. Luthe (1997), S. 160 f. zur Spendenentscheidung siehe auch Abschnitt 3.4.2. Vgl. Luthe (1997), S. 155. Vgl. Luthe (1997), S. 155. Vgl. Purtschert et al. (2005), S. 71.
kann auch eigennützige oder egoistische Komponenten enthalten.333 Luthe unterscheidet letztlich die relevanten Einflussfaktoren und Bedingungen, die im Rahmen des prosozialen Verhaltens zu Fundgiving führen, in die drei Kategorien:
Dispositionsfaktoren, Wahrnehmungsprozesse und Situationsfaktoren.
Erstere, also die Bedingungen für prosoziales Verhalten, lassen sich in Entstehungsfaktoren (Werte, Normen, Leitbilder) und Persönlichkeitsmerkmale (Empathie, emotionale Ausdrucksfähigkeit) unterteilen. Weitere bedingende Faktoren sind persönliche Erfahrungen, religiöse und politische Präferenzen, soziodemographische Faktoren und Umweltfaktoren. Die Wahrnehmungsprozesse dienen zur Filterung der Komplexität und zur Informationsverarbeitung. Damit verbunden sind Selbstbilder und Einstellungen.334 Bei der dritten Gruppe, den Situationsfaktoren, spielen folgende Einflussgrössen eine Rolle:335
Eindeutigkeit bzw. Uneindeutigkeit der Situation: Ist die Spende notwendig? Aussichten auf Erfolg bzw. Misserfolg: Sind sinnvolle Hilfeleistungen oder Veränderungen möglich? Einschätzung der eigenen Kompetenz bzw. der Bedeutung einer Spende: Kann ich mit meiner Spende etwas ausrichten? Wie kann ich spenden? Kognitive und emotionale Dissonanzen: Man müsste spenden, aber... Ausmass der aktuellen Gesamtbelastung: Stimmung, Konzentration, Zeitdruck. Habe ich gerade jetzt Lust und Zeit zum Spenden? Anpassungsdruck: Spenden auch andere?
Eine zentrale Erkenntnis, welche aus Luthes Arbeit hervorgeht, ist jene, dass es sich beim Fundgiving um ein komplexes, sozialpsychologisches Phänomen handelt, welches sich kaum durch eine 333 334 335
Vgl. Luthe (1997), S. 181. Vgl. Luthe (1997), S. 186 ff. Luthe (1997), S. 190. 73
modellhafte Darstellung abbilden und erklären lässt.336 Aus seiner Arbeit lassen sich folgende zentrale Erkenntnisse für die Fundraisingpraxis ableiten:337
Der Transparenz von Zielen und Absichten, wie auch der Dokumentation der Erfolge kommt eine grosse Bedeutung zu Fundraising-Konzepte sollten sich auch auf die Gestaltung des gesellschaftlichen Umfeldes richten und prosoziales Verhalten fördern. Die Thematisierung der eigennützigen Beweggründe sollte offen geschehen und scheint sehr sinnvoll zu sein.
3.2 Einflussfaktoren auf das Spenden Die theoretischen Ansätze des Fundgiving basieren meist gar nicht oder nur teilweise auf empirischen Ergebnissen. Im Gegensatz dazu wurde im Bereich einzelner Einflussgrössen des Spendens ausgiebig empirische Forschung – insbesondere quantitativer Art – betrieben. In den folgenden Abschnitten werden die Einflussgrössen, die in der Spendenforschung am meisten Beachtung gefunden haben, dargestellt und diskutiert. Dabei werden insbesondere soziodemografische Einflussgrössen und Motive des Spendens betrachtet. 3.2.1 Soziodemografische Einflussfaktoren Für spendensammelnde Organisationen ist es – besonders im zunehmend kompetitiven Umfeld – wichtig zu wissen, welche Zielgruppen angesprochen werden sollen. Damit können die Marketing-Strategien und Massnahmen auf die einzelnen Zielgruppen angepasst werden. Dies ermöglicht eine systematische Segmentierung und damit effektiveres und effizienteres Fundraising.338 NPO verfügen aber in der Regel nur über wenige Spenderdaten339 und 336 337 338 339
74
Vgl. Luthe (1997), S. 186; 191. Vgl. Luthe (1997), S. 192 f. Vgl. Shelley/Polonsky (2001), S. 19 ff. Vgl. Van Slyke/Brooks (2005), S. 204 f.
die meisten NPO erstellen höchstens von den Grossspendern „Profile“. Im Bereich der Durchschnittsspender werden hingegen kaum Segmentierungen vorgenommen, auch wenn das Bewusstsein der Bedeutung der Pflege der Durchschnittsspender vorhanden ist.340 Im Folgenden wird auf einige Erkenntnisse von personenbezogenen Einflussgrössen eingegangen. Dabei wird ein Schwergewicht auf die soziodemografischen Faktoren gelegt, welchen in der Forschung bisher besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Bei der existierenden Forschung handelt es sich vorwiegend um empirische Arbeiten, welche meist den Anspruch der Praxisrelevanz erheben. Die erhobenen soziodemografischen Faktoren sollen nicht zuletzt dazu dienen, Informationen zu liefern, um eine Segmentierung im Fundraising vornehmen zu können.341 3.2.1.1 Alter Betreffend Alter hat sich gezeigt, dass ältere Menschen häufiger und höhere Beträge spenden als jüngere.342 Während bei einigen Studien festgestellt wurde, dass ab einem gewissen Alter – um die 65 Jahre – die Spendenfreudigkeit wieder abnimmt,343 sind andere Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, dass die höchste Alterskategorie die grösste Spendenbeteiligung aufweist.344 Priller und Sommerfeld sehen in den unterschiedlichen länderspezifischen Altersvorsorgeeinrichtungen und -strukturen einen möglichen Erklärungsansatz dafür.345 Andere Autoren sehen in der Generationenzugehörigkeit346 die Ursache für das unterschiedliche Spendenverhalten. Argumentiert wird, dass die heutige Jugend zunehmend 340 341 342
343 344 345 346
Vgl. Van Slyke/Brooks (2005), S. 204 f. Vgl. Shelley/Polonsky (2001), S. 20 ff. Vgl. bspw. Andreoni et al. (2003), S. 117; Kitchen (1992); Mesch et al. (2006), S. 576; Mount (1996), S. 9; Priller/Sommerfeld (2006), S. 12; Rajan et al. (2009), S. 432; Yen (2002), S. 838. Vgl. Havens et al. (2006), S. 550; Schlegelmilch et al. (1997), S. 549. Vgl. Priller/Sommerfeld (2006), S. 12. Vgl. Priller/Sommerfeld (2006), S. 12. Ein Überblick über die unterschiedlichen Generationen und ihre Wertvorstellungen und Lebensstile ist bei Haibach zu finden, vgl. Haibach (2006), S. S. 172 ff. 75
konsumorientiert ist und mehr Geld für persönliche als für gemeinnützige Anliegen ausgibt.347 Der Zusammenhang zwischen dem Alter und der Spendenfreudigkeit dürfte aber stärker durch die finanzielle Situation und die Phase des Lebenszyklus beeinflusst werden, als durch die Generationenzugehörigkeit (Siehe dazu auch Abschnitt 3.2.1.8). Erhebungen zum Schweizer Spendenverhalten zeigen, dass auch hier mit zunehmendem Alter mehr Leute spenden.348 Ob die Spendenhöhe ab einem gewissen Alter wieder abnimmt, darüber existieren voneinander abweichende Ergebnisse. Es kann aber die Tendenz festgehalten werden, dass mit zunehmendem Alter die Spendenfreudigkeit steigt.349 Jüngere Menschen haben nach der Spendenmarkt-Studie auch thematisch andere Schwerpunkte und spenden im Vergleich zu älteren Leuten eher für den Umweltschutz oder die Flüchtlings- und Entwicklungshilfe.350 3.2.1.2 Geschlecht Genderspezifische Verhaltensweisen sind Gegenstand zahlreicher Studien.351 Darüber, dass Männer und Frauen ein unterschiedliches Spendenverhalten haben, ist sich die Forschung zunehmend einig.352 Zahlreiche Studien kommen zum Schluss, dass Frauen und Männer verschiedene Dinge unterstützen und in anderen Bereichen spenden, d. h. sie unterscheiden sich im Hinblick auf den Zweck der Unterstützung. Frauen spenden häufiger für humanitäre Zwecke und Männer eher für kulturelle Anliegen.353 Eine Studie in Schottland hat ergeben, dass im Gesundheits- und Medizinbereich 347 348
349 350 351
352 353
76
Vgl. Simpson (1986), S. 33 zit. nach Sargeant (1999), S. 224. Vgl. dazu die Studien von Minsch/Güssow (2006), S. 56; Wagner/Beccarelli (2008), S. 6 f.; Wagner/Kessler (2004), o. S. Vgl. Wagner/Kessler (2004), o. S. Vgl. Wagner/Beccarelli (2008), S. 8 f. Vgl. bspw. Andreoni et al. (2003); Andreoni/Vesterlund (2001); Kottasz (2004); Mesch et al. (2002); Mesch et al. (2006); Mount (1996); Priller/Sommerfeld (2005a), (2006); Rajan et al. (2009), S. 428; Shelley/Polonsky (2001); Tsiotsou (2006). Vgl. bspw. Andreoni et al. (2003), S. 111 f. Vgl. Kottasz (2004), S. 198.
Frauen häufiger spenden als Männer.354 Andreoni et al. kamen zum Ergebnis, dass Frauen vermehrt im Gesundheits- und Bildungsbereich spenden.355 Auch in der Schweiz konnten teilweise geringe themenbezogene Unterschiede zwischen Männern und Frauen festgestellt werden.356 Die themenbezogenen Unterschiede konnten aber nicht in allen Studien bestätigt werden.357 Bei Genderstudien des Spendenverhaltens wurden häufig inkonsistente Resultate bezüglich Art der Unterschiede gefunden.358 Einige Studien kamen beispielsweise zu dem Schluss, dass Frauen altruistischer sind als Männer, dass Frauen mehr von ihrem frei verfügbaren Einkommen spenden, mehr Informationen über Projekte wünschen und stärker auf emotionale Aufrufe reagieren. Andere Studien konnten diesen Zusammenhang wiederum nicht belegen.359 Andreoni und Vesterlund sind zu dem Schluss gekommen, dass Männer grosszügiger sind, wenn Spenden mit relativ geringen Kosten verbunden ist und Frauen mehr spenden, wenn die Kosten des Spendens höher sind.360 Mount hat herausgefunden dass Männer höhere Summen spenden als Frauen.361 Mesch et al. haben festgestellt, dass unter Eliminierung der Alters-, Bildungs- und Methodenunterschiede mehr (prozentuale Spendenbeteiligung) allein stehende Frauen spenden, als allein stehende Männer.362 Andreoni et al. haben beobachtet, dass Frauen breiter gestreut spenden und an mehrere Organisationen Geld geben, dafür allerdings kleinere Beträge als Männer spenden.363 Auch Schweizer Studien haben zu 354 355 356
357 358 359 360
361 362 363
Vgl. Schlegelmilch/Tynan (1989), S. 130. Vgl. Andreoni et al. (2003), S. 127 f. Vgl. dazu Minsch/Güssow (2006), S. 58; Wagner/Beccarelli (2008), S. 8.; Wagner/Kessler (2004), o. S. Vgl. bspw. Shelley/Polonsky (2001), S. 23 ff. Vgl. Andreoni/Vesterlund (2001), S. 306; Schlegelmilch et al. (1997), S. 549. Vgl. Kottasz (2004), S. 198; Schlegelmilch et al. (1997), S. 549. Vgl. Andreoni/Vesterlund (2001), S. 306; die Kosten oder der Preis einer Spende werden meist im Zusammenhang mit der Steuerbegünstigung von Spenden berechnet, vgl. dazu Vesterlund (2006), S. 568 ff. Vgl. Mount (1996), S. 9. Vgl. Mesch et al. (2002), S. 72; Mesch et al. (2006), S. 575 f. Vgl. Andreoni et al. (2003), S. 127 f. 77
Tage gebracht, dass Frauen häufiger, in Bezug auf die jährliche Spendensumme aber etwa gleich viel spenden wie Männer.364 Genderspezifische Unterschiede können insbesondere im europäischen Vergleich, durch länderspezifische Studien, erkannt werden.365 Dies dürfte auch ein Grund sein, weshalb grösstenteils inkonsistente Ergebnisse des genderspezifischen Spendenverhaltens bezüglich Häufigkeit, Höhe oder Motive zustande gekommen sind. 3.2.1.3 Einkommen und Vermögen Ein steigendes Einkommen hat einen positiven Einfluss auf die Spendenhöhe und Spendenhäufigkeit, was zahlreiche Studien belegt haben.366 Dies ist auf absolute Zahlen bezogen unbestritten. Wird die Spendenhöhe hingegen im Verhältnis zum Einkommen betrachtet, kommen einige Studien zum Ergebnis, dass Haushalte oder Einzelpersonen mit einem geringeren Einkommen verhältnismässig mehr spenden, als jene mit einem höheren Einkommen.367 Teilweise wird auch von einer U-förmigen Kurve des relativen Spendenvolumens berichtet. Dies bedeutet, dass zuerst die relative Spendenhöhe mit steigendem Einkommen abnimmt und ab einer gewissen Höhe wieder zunimmt.368 Nach Havens et al. kommen einige Studien nur zum Schluss, dass es sich bei der relativen Spendenhöhe um eine U-Kurve handelt, weil sie nur die Spendenden betrachten und die relativ grosse Anzahl an Nichtspendern unter den Kleinverdienern nicht mit einbeziehen. Sie kommen zum Schluss, dass Familien aller Einkommens- und Vermögensstufen prozentual etwa gleichviel von ihrem Einkommen spenden.369 364 365 366
367 368 369
78
Vgl. Wagner/Beccarelli (2008), S. 6; Wagner/Kessler (2004), o. S. Vgl. Priller/Sommerfeld (2006), S. 18. Vgl. bspw. Andreoni et al. (2003); Clotfelter (2001); Gittell/Tebaldi (2006), S. 730; Kottasz (2004); Mesch et al. (2006); Minsch/Güssow (2006); Mount (1996); Priller/Sommerfeld (2005a); Rajan et al. (2009), S. 428; Schlegelmilch et al. (1997); Ting-Yuan Ho (2006), S. 21; Yen (2002), S. 839. Vgl. Anheier et al. (1997), S. 207; Priller/Sommerfeld (2006), S. 19. Vgl. Clotfelter (1985); Jencks (1987); Minsch/Güssow (2006), S. 56 f. Vgl. Havens et al. (2006), S. 545 ff.
Das Einkommen und das Vermögen stehen in einem direkten Zusammenhang, wobei das Vermögen in vielen Studien nicht separat betrachtet wurde.370 Weitere, wenig beachtete, Einflussgrössen sind Unterschiede der Herkunft der finanziellen Mittel oder der Einfluss der finanziellen Sicherheit – welche ihrerseits wieder vom Einkommen, Alter und der Ausbildung abhängt.371 Das Einkommen oder das Haushaltsnettovermögen hat meist auch einen Einfluss auf die weiteren Determinanten des Spendenverhaltens.372 3.2.1.4 Familienstand Andreoni et al. untersuchten das Spendenverhalten von Verheirateten und Ledigen. Dabei stand im Vordergrund, wer die Entscheidung über das Spenden bei Verheirateten trifft. Es hat sich gezeigt, dass bei rund der Hälfte der Probanden die Entscheidung gemeinsam getroffen wird. Hat eine Person die Kontrolle über das Spendenkonto, entscheidet sie nach eigenen Präferenzen. Wird gemeinsam eine Entscheidung getroffen, haben die Wünsche des Mannes einen leicht grösseren Einfluss. Bei der Festlegung, wer entscheidet, ist nicht der Altersunterschied, aber oft der Bildungsunterschied ausschlaggebend.373 Bei höheren, geplanten Einzelspenden werden eher gemeinsame Entscheidungen getroffen, während bei spontanen Spenden über kleinere Beträge oft alleine entschieden wird.374 Insgesamt scheint sich das Heiraten positiv auf die Spendenfreudigkeit und die Spendenhöhe auszuwirken. Haushalte mit verheirateten Paaren weisen hierbei eine höhere Spendenhäufigkeit und höhere Spendenbeträge (pro Kopf) aus, als Haushalte mit geschiedenen, verwitweten oder allein stehenden Menschen.375 370
371 372 373
374 375
Vgl. Havens et al. (2006), 555 f.; Vgl. Kottasz (2004), S. 196 ff.; Van Slyke/Brooks (2005), S. 202 f. Vgl. Havens et al. (2006), S. 554 f. Vgl. Havens et al. (2006), S. 545. Vgl. Andreoni et al. (2003), S. 127 f.; zum Entscheidungsprozess innerhalb eines Haushaltes siehe auch Burgoyne et al. (2005), S. 383 ff. Vgl. Burgoyne et al. (2005), S. 391. Vgl. Havens et al. (2006), S. 551; Vgl. Mesch et al. (2006), S. 575 f. 79
3.2.1.5 Religion Der Glaube und die Religionszugehörigkeit haben ebenfalls einen Einfluss auf die Spendenhäufigkeit und -höhe. Menschen, die einer Religionsgemeinschaft angehören, neigen eher zum Spenden.376 Der Glaube oder die Häufigkeit der Kirchbesuche haben auf die Spendenhöhe einen starken Einfluss.377 Betreffend Religionszugehörigkeit wurde festgestellt, dass Katholiken spendenfreudiger sind als Protestanten.378 Männer spenden weniger oft aus religiösen Motiven heraus,379 weshalb Frauen auch öfter Geld an religiöse Organisationen geben, als dies Männer tun.380 3.2.1.6 Region Spenden ist wesentlich durch den regionalen Kontext geprägt. So unterscheiden sich Spendenhäufigkeit und -höhe je nach Land oder Region. In Deutschland sind beispielsweise ein West-Ost- und ein Süd-Nord-Gefälle feststellbar.381 In der Schweiz ist in der Deutschschweiz eine höhere Spendentätigkeit feststellbar als in der Westschweiz.382 Die regional unterschiedliche Spendenbereitschaft kann auf unterschiedliche Faktoren wie (politische) Einstellungen, aber auch durch den wirtschaftlichen Reichtum der Region und ihrer Bürger zurückzuführen sein.383 In einigen Studien konnten auch regional unterschiedliche Präferenzen bezüglich des Spendenzwecks festgestellt sowie ein Einfluss der Gemeindegrösse auf das Spendenverhalten beobachtet werden.384
376
377 378 379 380 381 382 383 384
80
Vgl. Haibach (2006), S. 171; Kottasz (2004), S. 194; Kumar Ranganathan/Henley (2008), S. 7 f.; Priller/Sommerfeld (2006), S. 15 f.; Rajan et al. (2009), S. 432; Schlegelmilch et al. (1997), S. 557; Ting-Yuan Ho (2006), S. 21 f. Vgl. Havens et al. (2006), S. 550. Vgl. Haibach (2006), S. 171. Vgl. Van Slyke/Brooks (2005), S. 211. Vgl. Mesch et al. (2006), S. 569. Vgl. Priller/Sommerfeld (2005b), S. 20 f. Vgl. GfS-Forschungsinstitut (2008), S. 1, (2009), S. 1; Wagner/Kessler (2004), o. S. Vgl. Havens et al. (2006), S. 551 f.; Priller/Sommerfeld (2005b), S. 22. Vgl. bspw. Priller/Sommerfeld (2005b), S. 24.
3.2.1.7 Ausbildung und Erwerbsstatus Menschen mit höherer Bildung verzeichnen grössere Spenderquoten, spenden durchschnittlich höhere Beträge und auch im Verhältnis zum Einkommen mehr, als weniger ausgebildete.385 Die Bildung hat somit auch unabhängig vom Einkommen einen Einfluss auf die Spendenhöhe.386 Nebst dem Bildungsniveau hat auch der Erwerbsstatus einen erheblichen Einfluss auf die Spendenbereitschaft. Erwerbstätige spenden beispielsweise deutlich häufiger als Arbeitslose und Auszubildende. Am häufigsten spenden nach Priller und Sommerfeld aber immer noch Rentner und Hausfrauen.387 Ähnliche Erkenntnisse für die USA liefern Havens et al., bei welchen die Rentner die höchsten Einkommensanteile und auch absolut die höchsten Spenden verzeichnen.388 Der starke Einfluss der wirtschaftlichen Lage und der finanziellen Sicherheit zeigt sich auch darin, dass Beamte und Selbständige die grösste Spendenbereitschaft aufweisen.389 3.2.1.8 Weitere personenbezogene Einflussfaktoren Die oben aufgeführten Einflussgrössen liefern einen Überblick über die wesentlichen demografischen und sozioökonomischen Einflussfaktoren auf das Spendenverhalten. Daneben werden in der Forschung noch zahlreiche weitere Determinanten berücksichtigt, wie beispielsweise ethnische Unterschiede, Aufenthaltsstatus, familiäre sowie kulturelle Hintergründe, Gruppen- und Generationenzugehörigkeiten u.s.w.390 Auch die Steuerbefreiung, resp. Abzugsfähigkeit von Spenden ist Gegenstand mehrerer Studien und kann einen Einfluss auf die Spendenhöhe haben.391 Das Interesse 385
386 387 388 389 390 391
Vgl. Havens et al. (2006), S. 552; Priller/Sommerfeld (2005b), S. 18; Rajan et al. (2009), S. 428; Schlegelmilch et al. (1997), S. 557; Yen (2002), S. 839 f. Vgl. Havens et al. (2006), S. 552. Vgl. Priller/Sommerfeld (2005b), S. 18. Vgl. Havens et al. (2006), S. 552. Vgl. Priller/Sommerfeld (2005b), S. 37. Vgl. bspw. Havens et al. (2006); Kottasz (2004); Mesch et al. (2002). Vgl. bspw. Vesterlund (2006), S. 568 ff. 81
für Politik392 und die persönliche politische Ausrichtung können ebenfalls das Spendenverhalten beeinflussen,393 genauso wie das soziale Umfeld und wahrgenommene soziale Normen.394 Daneben können psychografische und situative Merkmale für die Spendenentscheidung von Bedeutung sein.395 Dazu gehören beispielsweise Einstellungen und Neigungen von Spendern, welche einen Einfluss auf das Spendenverhalten haben.396 Hierbei beeinflusst die Einstellung zum freiwilligen Engagement auch die Spendenhäufigkeit. Es zeigt sich, dass freiwilliges Engagement nicht als Substitution zum Spenden betrachtet werden kann. Wer bereit ist, sich zu engagieren, hat auch eine höhere Spendenbereitschaft.397 Eine vollständige Auflistung aller Einflussfaktoren des Spendenverhaltens ist nicht zielführend, da jede Lebensgeschichte und damit auch Spendenentscheidung einzigartig ist. Dementsprechend haben eine ganze Reihe soziodemografischer Faktoren und psychologischer Determinanten einen Einfluss auf jede Spendenentscheidung. Die hier aufgeführten Determinanten des Spendenverhaltens dürften aber einen ausreichenden Einblick in die Vielfalt und Breite der Forschung zum Spendenverhalten vermitteln. Die aufgeführten Einflussgrössen sind diejenigen, welche in der Literatur die grösste Aufmerksamkeit erhalten haben und bei welchen zumindest teilweise ein Einfluss auf das Spendenverhalten (im Hinblick auf Häufigkeit und Höhe) empirisch nachgewiesen wurde. Einschränkend ist zu beachten, dass der Komplexität des Spendenverhaltens durch die Berücksichtigung nur einzelner Einflussgrössen nicht genügend Rechnung getragen wird. Insbesondere können viele Faktoren nicht isoliert betrachtet werden, da sie in 392 393 394 395 396 397
82
Vgl. Priller/Sommerfeld (2005b), S. 29 f.; Rajan et al. (2009), 432. Vgl. Van Slyke/Brooks (2005), S. 202; Wagner/Beccarelli (2008), S. 8. Vgl. Croson et al. (2009), S. 467 ff.; Lee et al. (1999), S. 286 f. Vgl. dazu Schneider (1996), S. 111 ff. Vgl. bspw. Schlegelmilch et al. (1997). Vgl. Havens et al. (2006), S. 550; Priller/Sommerfeld (2005b), S. 30 ff.; Rajan et al. (2009), S. 432; Schlegelmilch et al. (1997), S. 558; Ting-Yuan Ho (2006), S. 22; Van Slyke/Brooks (2005), S. 203 ff.
Abhängigkeit zu anderen Einflussfaktoren stehen. Verallgemeinerungen im Hinblick auf die Erkenntnisse zu einzelnen Einflussfaktoren sollten mit Vorsicht betrachtet werden.398 Die Determinanten Bildung, Einkommen und Vermögen sind beispielsweise eng miteinander verknüpft. Isolierte Betrachtungen durch bivariate Analyseverfahren können somit schnell zu Scheinkorrelationen und Fehlinterpretationen führen.399 Havens et al. schlagen dementsprechend vor, vermehrt multivariate Analysen vorzunehmen.400 Exemplarisch für diese Problematik kann dabei der Scheineinfluss des Alters betrachtet werden, welcher grossteils auf den Lebenslauf des Spenders und der damit verbundenen finanziellen Situation und Sicherheit zurück zu führen ist. Junge Leute verfügen meist nicht über ein grosses Einkommen. Nach Bestätigung im Berufsleben ist das frei verfügbare Einkommen aufgrund der Gründung des eigenen Haushalts, deren Absicherung und den Kosten der Kinder ebenfalls nicht allzu gross. Das beste Spendenalter beginnt ungefähr mit 45 Jahren, wenn bei vielen Paaren die Kinder aus dem Haus sind und die berufliche Stellung gefestigt ist. Mit dem Eintritt ins Rentenalter kann die Spendenhöhe fallen, da auch das Einkommen zurückgeht.401 Das Rentenalter kann auch dazu beitragen, dass die relative Spendenhöhe zum Einkommen bei geringem Einkommen höher ist, da Rentner oft keine grossen Investitionen oder Vorsorgeabsicherungen zu tätigen haben und deshalb mehr von ihrem Einkommen zur freien Verfügung haben.
398 399 400 401
Vgl. Haibach (2006), S. 169. Siehe dazu Havens et al. (2006), S. 545. Vgl. Havens et al. (2006), S. 545. Vgl. Haibach (2006), S. 169 f.; Wagner/Kessler (2004), o. S. 83
3.2.2 Motive des Spendens Nebst den soziodemografischen Einflussfaktoren haben in der Spenderforschung insbesondere die Spendenmotive viel Beachtung erhalten.402 Bevor auf die Motive des Spendens eingegangen wird, soll zuerst geklärt werden, was unter Motiven zu verstehen ist. Motive können als aktivierende psychische Prozesse verstanden werden. Es handelt sich somit um menschliche Antriebskräfte und Beweggründe. Motive sind im Unterschied zur Motivation latent in unserem Innern angelegt. Motivationen hingegen werden durch einen äusseren Anreiz ausgelöst und können als zielgerichtete Prozesse oder Vorgänge verstanden werden, welche Emotionen oder Triebe beinhalten.403 In der praxisorientierten Fundraising-Forschung wird oft nicht zwischen Motiv und Motivation unterschieden. Deshalb wird in dieser Arbeit auf eine Abgrenzung verzichtet und allgemein von Motiven gesprochen. Zahlreiche Studien haben sich mit den Beweggründen des Spendens beschäftigt.404 Dabei wurden notwendigerweise verschiedene akademische Disziplinen mit einbezogen. Oft wurden beispielsweise Erkenntnisse des „gift-giving context“ also des Schenkens berücksichtigt.405 In vielen Studien wurden die Motive in altruistische und egoistische Beweggründe unterteilt worauf in Abschnitt 3.2.3 vertieft eingegangen wird. Einige Autoren unterscheiden die Motive zwischen intrinsischem Nutzen (gutes Gefühl) und Prestige-Vorteilen (andere sehen wie viel gespendet wurde).406 Wieder andere unterscheiden im Hinblick auf die Public-GoodTheorie zwischen privaten und öffentlichen Vorteilen und beziehen sich darauf, dass NPO vielfach private und öffentliche Güter pro402
403 404 405 406
84
Gute Übersichten zu den Spendenmotiven sowohl in theoretischer wie auch empirischer Hinsicht, geben beispielsweise Felbinger, Luthe, Cooper und Schneider, vgl. Cooper (1994), S. 48 ff.; Felbinger (2005), S. 197 ff.; Luthe (1997), S. 181 ff.; Schneider (1996), S. 90 ff. Vgl. Fuchs/Huber (2002), S. 16; Kroeber-Riel/Weinberg (1996), S. 53 ff. Vgl. dazu Grace/Griffin (2006), S. 148. Vgl. bspw. Ziegler Sojka (1986), S. 240. Vgl. bspw. Harbaugh (1998a), (1998b), .
duzieren oder anbieten. Während bei den öffentlichen Gütern alle profitieren (Trittbrettfahrer), sind es bei privaten Gütern nur diejenigen, die daran einen Beitrag leisten (Ausschlussprinzip).407 Auch bei diesen Studien ist meist der Grad des Eigennutzens der Spendenmotivation Gegenstand der Diskussion. Mehrere Autoren haben sich daran versucht, die Spendenmotive systematisch zu erfassen und dementsprechend generelle MotivKategorien zu bilden.408 Dabei wurden sämtliche möglichen Gründe, weshalb Menschen spenden, zusammengetragen und durch Befragungen von Spendern empirisch erfasst. Eine umfassende und logisch konsistente Kategorisierung birgt allerdings einige Schwierigkeiten in sich. So unterscheiden sich die verschiedenen Kategorien der einzelnen Studien stark und weisen nur wenige Übereinstimmungen auf.409 Es zeigt sich auch, dass die Kategorienabgrenzung und Kategorienbenennung nicht immer trennscharf möglich und mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist.410 Nichts desto trotz wird in der Literatur an der Wichtigkeit der zentralen Motive für das Fundraising festgehalten und auf deren Bedeutung insbesondere für die Spendersegmentierung hingewiesen.411 Cooper hält dazu beispielsweise fest, dass: „die Identifizierung der überwiegend motivationalen Faktoren für das Spendenverhalten von fundamentaler Bedeutung [ist]. Auf Grund dieser Erkenntnisse wird es [..] möglich sein, eigene Grundlagen für ein erfolgversprechendes MarketingInstrumentarium zu schaffen.“412
Ein Beispiel eines empirisch überprüften Motivationskatalogs ist in Tabelle 3 ersichtlich. 407
408
409 410 411 412
Vgl. zu den privaten und öffentlichen Vorteilen des Spendens bspw. Felbinger (2006a), S. 28 ff.; Vesterlund (2006), S. 568 ff. Vgl. Andreasen/Kotler (2003), S. 199; Burnett (2002), S. 30; Felbinger (2005), S. 181 ff.; gfszürich (2004), S. 3; Güssow (2007), S. 10; Haibach (2006); Scheibe-Jaeger (1998), S. 101 ff. Vgl. dazu bspw. Dichter (1964); Felbinger (2005); Haibach (2006), S. 167 f.. Vgl. Felbinger (2006b), S. 13. Vgl. Sargeant et al. (2004), S. 20; 32 Cooper (1994), S. 79. 85
Tabelle 3:
Warum Menschen spenden – eine tabellarische Aufstellung.413
Spendengründe Verbunden fühlen mit dem Zweck Moralisches Empfinden – das Richtige tun Persönliche Erfahrungen mit der Organisation Religion, Spiritualität Engagement eines Familienmitglieds, Freundes oder Mitarbeiters Krankheit eines Familienmitglieds, Freundes oder Mitarbeiters Steuervorteil Wohltätigkeitsevent Antwort auf spezifische Anfrage Ablass, schlechtes Gewissen Familientradition Neuigkeit oder Medienmitteilung Neuer Wohlstand Geschäftsbeziehungen
(%) 59 47 40 36 33 30 28 26 25 21 16 15 5 4
Zu den wichtigsten Gründen gehören sicherlich eine gewisse Identifikation mit dem Zweck oder eine persönliche Bedeutung des Anliegens der Organisation.414 Ein gewisses Mitgefühl oder Betroffenheit, ein schlechtes Gewissen, ein Gerechtigkeitsbedürfnis oder der Wunsch, etwas Gutes zu tun, spielen zudem oft eine Rolle. Eine Art Versicherung kann bei einigen Organisationen auch eine Rolle spielen im Sinne von: „vielleicht bin ich selber mal froh“. Gewisse Organisationen bieten denn auch gleichzeitig einen tatsächlichen Versicherungsschutz an.415 Dies ist vorwiegend in speziellen Bereichen wie beispielsweise bei den Rettungsdiensten der Fall. Nicht nur im Bereich des Spendens, sondern generell, das gemeinnützige Engagement betreffend, hat man sich in der Forschung oft damit beschäftigt, weshalb Menschen sich für gesell-
413 414 415
86
Quelle: Andreasen/Kotler (2003), S. 199. Zur Rolle der Identifikation beim Spenden vgl. auch Michalski/Helmig (2008b), S. 237 ff. In der Schweiz sind beispielsweise die Gönnerbeiträge bei der Rega oder der Paraplegikerstiftung zu beachten, die gleichzeitig eine Versicherung im Schadensfall darstellen.
schaftliche Anliegen einsetzen.416 So wurden auch im Bereich der Freiwilligenarbeit417 oder der Gründung von Stiftungen418 zahlreiche Studien zu den dahinter liegenden Motiven durchgeführt. Eine zentrale Erkenntnis der Erforschung der Spendermotive ist jene, dass das Spendenverhalten nicht durch ein einzelnes Motiv bestimmt wird,419 sondern, dass Spender aus einem Motivmix heraus handeln. Einzelne Motive können dabei eine dominante Stelle einnehmen.420 Da meist ein Motivbündel hinter einer Spendenentscheidung steht,421 ist es für das Fundraising wichtig, dass bei der Kommunikation mit potenziellen Spendern mehrere Motive gleichzeitig angesprochen und abgedeckt werden. An dieser Stelle ist auf eine Problematik der empirischen Motivforschung hinzuweisen. Bei Befragungen zum Spendenverhalten besteht immer das Problem der sozialen Erwünschtheit der Antworten. Personen reagieren unterschiedlich auf Befragungen. Entsprechend wurde festgestellt, dass, je direkter die Probanden zur Beantwortung aufgefordert wurden, desto häufiger haben sie angegeben, gespendet oder Freiwilligenarbeit geleistet zu haben und desto höher waren die genannten geleisteten Beiträge.422 Auch können aufgrund der sozialen Erwünschtheit des Antwortverhaltens bei Befragungen Motive wie „Status“ und „Anerkennung“ unterschätzt werden.423 Darüber hinaus werden bei Befragungen unbewusste oder verdrängte Motive nicht aufgedeckt. Dennoch sind Erkenntnisse der Motivforschung für die Spendersegmentierung von Bedeutung und liefern relevante Anhaltspunkte.
416 417
418
419 420 421 422 423
Siehe dazu Anheier/Toepler (2001); Böhle (2001); Scheibe-Jaeger (1998). Vgl. zu den Motiven von Freiwilligen bspw. Bowman (2004); Clary et al. (1998); Clary et al. (1996); Lichtsteiner (1995), . Vgl. zu den Motiven von Stiftern bspw. Allgäuer (2008); Helmig/Hunziker (2006), (2007); Hunziker/Helmig (2006); Timmer (2005), . Vgl. Cooper (1994), S. 79. Vgl. Felbinger (2006b), S. 13. Vgl. Lindahl/Conley (2002), S. 92. Vgl. Luthe (1997), S. 191; Purtschert (2005), . Vgl. Mesch et al. (2006), S. 582. Vgl. Felbinger (2006a), S. 28.; Lüscher/Pellinghausen (2004), S. 222 ff. 87
3.2.3 Altruismus-Egoismus Diskussion Obwohl der Begriff „Altruismus“ oft verwendet wird, herrscht Uneinigkeit darüber, was unter altruistisch genau zu verstehen ist.424 Dies hat sicherlich nicht zuletzt dazu geführt, dass die Diskussion über das altruistische Verhalten und die „Verträglichkeit“ des Begriffs mit den Modellen des individuellen Verhaltens rational handelnder, egoistischer Personen so breit geführt wird.425 Aus ökonomischer Sichtweise wird das Handeln von Menschen durch ein rationales, nutzenmaximierendes oder egoistisches Menschenbild – den so genannten „homo oeconomicus“ – erklärt. Demnach werden nur dann Spenden getätigt, wenn daraus ein höherer Nutzen entsteht, als dies bei der Unterlassung der Spende der Fall wäre.426 Nun handelt es sich allerdings bei Spenden definitionsgemäss um freiwillige Beiträge, bei welchen man keine marktadäquate Gegenleistung dafür erhält.427 Diese beiden sich widersprechenden Annahmen haben dazu geführt, dass die beiden Begriffe Altruismus und Egoismus zu einem zentralen Diskussionsgegenstand im Bereich der Spendenmotive und -motivation geworden sind. Der Altruismus-Begriff ist demnach in einigen ökonomischen Ansätzen zum Gegenstand von Kosten-/Nutzenabwägungen geworden. Becker hat beispielsweise den Ansatz der individuellen Nutzenmaximierung auf jegliche Form menschlichen Verhaltens angewendet, womit auch Altruismus als Nutzenvorteil definiert wird.428 Wird Altruismus als uneigennütziges Handeln verstanden, kann beim Ansatz von Becker aber nicht mehr von Altruismus gesprochen werden. Andere Autoren sprechen in diesem Kontext von „unechten Altruisten“429 oder von „quasi-altruistisch“430. Monroe
424 425 426 427 428 429
88
Vgl. Ray (1998), S. 386. Zur Altruismus-Diskussion aus ökonomischer und sozialpsychologischer Sicht siehe Ray (1998). Vgl. dazu auch Luthe (1997), S. 154. Vgl. Purtschert et al. (2005), S. 71. Vgl. zum ökonomischen Erklärungsansatz des menschlichen Verhaltens Becker (1993). In Andreonis Theorie des warm glow-giving wird der homo oeconomicus durch das Gute Gefühl des Spendens zum impure altruist, vgl. Andreoni (1989), (1990) Andreonis Theorie folgend wird
argumentiert, dass altruistisch und egoistisch die Pole eines Kontinuums darstellen und sich der Philanthrop oder Spender mit dem quasi-altruistischen Verhalten irgendwo dazwischen befindet.431 Zahlreiche Studien haben sich mit egoistischen und altruistischen Motiven bei Geld- und Zeitspenden beschäftigt oder haben versucht, die Spender in Altruisten und Egoisten zu unterteilen.432 Eine Unterscheidung in egoistische und altruistische Motive hat beispielsweise auch Schneider433 vorgenommen. Bei dieser Spenderbefragung zeigte sich allerdings, dass nicht nur die klare Zuordnung zu altruistischen und egoistischen Motiven mit Schwierigkeiten verbunden ist, sondern auch, dass diese beiden Bedürfnisse sich nicht ausschliessen und gleichzeitig als Beweggründe zum Spenden auftreten können.434 Letztendlich lässt sich festhalten, dass es sich beim Fundgiving um ein komplexes, sozialpsychologisches Konstrukt handelt, bei welchem weder ausschliesslich altruistische, noch rein egoistische Motive das Verhalten beeinflussen.435 Auf die Diskussion über den moralischen Status (Egoismus oder Altruismus) wird im Folgenden nicht weiter eingegangen, da diese zur Beschreibung des Fundgiving nicht als gewinnbringend betrachtet wird:436 „Die Fixierung auf eine Egoismus/Altruismus-Diskussion erweist sich als wenig konstruktiv zur Klärung der Komplexität des Fundgiving.“437
430 431 432
433 434
435
436 437
der Begriff des unechten Altruisten von mehreren Autoren aufgegriffen, vgl. bspw. Bowman (2004), S. 250; 266; Harbaugh (1998b), S. 269 ff. Vgl. Kennett (1980), S. 184; zit. nach Ray (1998), S. 386 f. Vgl. Monroe (1996), . Siehe dazu bspw. Andreoni (1990); Felbinger (2005); Frank (1996); Kottasz (2004); Ray (1998); Schneider (1996); Vesterlund (2006); Ziegler Sojka (1986), S. 240 ff. Zu den Zeitspenden vgl. Rubin/Thorelli (1984), S. 223 f. Bowman (2004), S. 249 ff. Vgl. Schneider (1996), S. 164. Vgl. Schneider (1996), S. 117 ff.; zur Schwierigkeit der Motivzuordnung siehe auch Felbinger (2006a), S. 32. Vgl. Luthe (1997), S. 191; Purtschert (2005), S. 355. Im Bereich der Freiwilligenarbeit, vgl. Bowman (2004), S. 266. Vgl. bspw. Luthe (1997), S. 191 f. Luthe (1997), S. 192. 89
Das Wissen über den Nutzen des Spenders, respektive der erhofften Wirkung und Zielerreichung, die er mit der Spende verbindet, ist von stärkerer Bedeutung.438 Eine einfache Unterscheidung zwischen „altruistisch“ und „egoistisch“ würde nach Ray der Komplexität und Verschiedenheit der menschlichen Motivation auch nicht gerecht werden.439 Des Weiteren wird diese Diskussion keinen Beitrag zur Klärung leisten, weshalb Spender sich für eine bestimmte Organisation entscheiden und nicht für eine andere.440
3.3 Typologisierung der Spender Wie oben erläutert wurde, haben Studien zum Spendenverhalten aufgezeigt, dass nicht eine einzelne Spendercharakteristik, sondern eine Kombination von psychologischen Motiven und soziologischen Einflussfaktoren die Spendenentscheidung beeinflusst.441 Um diese Komplexität zu reduzieren, wurde in der Fundraisingliteratur oft versucht eine Typologisierung der Spender vorzunehmen. Die Vielfalt des menschlichen Verhaltens lässt sich so in bestimmten Typen von Menschen zusammentragen und gruppieren.442 Demzufolge wurde versucht die Spender im Hinblick auf verschiedene Menschenbilder oder Spendertypen zu gliedern und zu unterteilen. Die Typologisierungen philanthropisch handelnder Personen haben zum Ziel die komplexen Motivstrukturen und Einflussgrössen handhabbar zu machen und zu vereinfachen.443 Im Folgenden sollen drei dieser Typologien exemplarisch vorgestellt werden. Die Typologisierung von Prince und File ist sichrlich die bekannteste in diesem Bereich. Während Prince und File sich auf die Erfassung 438 439 440 441 442 443
90
Vgl. Hauser (2004), S. 18 f. Vgl. Ray (1998), S. 412. Vgl. Sargeant et al. (2004), S. 19. Vgl. dazu Lindahl/Conley (2002), S. 92 ff. Vgl. Reetz/Ruzicka (2006), S. 249. Vgl. Reetz/Ruzicka (2006), S. 249.
der Motivstruktur von Grossspendern fokussierten, haben Reetz und Ruzicka allgemein Spendertypen zu gruppieren versucht und vermehrt auch Charakteristika der Spender mit einbezogen. Schwarz hat Mitgliedertypen gebildet und ist besonders wegen seines Schweizer Hintergrunds für diese Arbeit interessant. 3.3.1 Geber-Typen nach Reetz/Ruzicka Reetz und Ruzicka haben versucht, die verschiedenen inneren Motive des Spendens um Personentypen zu gruppieren. Sie haben dabei fünf Gebertypen postuliert, wobei sie drei aktive, einen passiven und einen suchenden Personentyp definierten, welche hier kurz beschrieben werden:444
444
Der Macher-Typ ist es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und Kontrolle auszuüben. Er strebt nach Veränderung, weil er mit dem Ist-Zustand unzufrieden ist. Dabei ist er enthusiastisch und impulsiv. Er ist von Motiven wie Dankbarkeit oder dem Wunsch nach Gerechtigkeit geleitet. Überzeugungsarbeit ist nicht notwendig und er will oft über das Spenden hinaus sinnvoll mitwirken. Der Macher-Typ kann auch als Fürsprecher und als Multiplikator der Organisation auftreten. Der Wohltäter-Typ strebt nach öffentlicher Anerkennung und liebt das Rampenlicht. Er gibt sich als Altruist ist aber meist nur oberflächlich an Förderprojekten interessiert, weshalb er eher nicht als Fürsprecher betrachtet werden kann. Die eher hohen Beträge und die Präsenz in der Öffentlichkeit sprechen dafür, diesen Typ stark an die Organisation zu binden und zu involvieren. Der Netzwerk-Typ handelt aus eigenem Interesse und strebt erfolgsorientiert eigene Ziele an. Er wird nur so viel spenden, wie er für seine Bedürfnisse (bspw. Zugang zu Förderkreis) als notwendig erachtet. Der passive Personentyp ist konfliktscheu und harmoniebedürftig. Er wird kaum von sich aus handeln und spendet vorwiegend, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Dies geschieht sporadisch und deutlich unterhalb seines finanziellen Potenzials. Der suchende Personentyp ist eher schüchtern, einsam und verunsichert. Er versucht mit der Spende Motive wie Zugehörigkeit, Anschluss und Geborgenheit zu befriedigen. Der suchende Personentyp kann zu einem treuen Partner entwickelt werden. Vgl. Reetz/Ruzicka (2006), S. 250 ff. 91
3.3.2 Grossspender-Typen nach Prince/File Prince und File haben in ihrem Buch „The seven Faces of philanthropy“ Grossspenderprofile erstellt. Ziel der Studie war es, die Motivation der Spender zu verstehen. Bei den sieben Gesichtern handelt es sich um ein Modell, welches zur Beziehungsentwicklung von potenziellen Spendern benützt werden soll:445
445
92
The Communitarian: Doing Good Makes Sense. Dieser Typ ist der häufigste. Er spendet, weil es Sinn macht, weil man wichtige Beziehungen knüpfen kann und weil man die eigenen Anliegen vorantreiben kann. Er unterstützt oft lokale Organisationen. The Devout: Doing Good Is God’s Will. Er ist aufgrund seiner religiösen Überzeugung zum Spenden motiviert. Es ist Gottes Wille, dass man anderen hilft. Er unterstützt hauptsächlich nationale und regionale, religiöse Institutionen. The Investor: Doing Good Is Good Business. Er ist auf der einen Seite am Zweck der NPO interessiert und auf der anderen Seite auf seine finanziellen Vorteile wie steuerliche Gewinne bedacht. Er spendet einer breiten Gruppe von NPO, oft Dachorganisationen. The Socialite: Doing Good Is Fun. Er sucht attraktive Wege um zu helfen und fühlt sich gut dabei. Er ist Mitglied in lokalen sozialen Netzwerken und wählt bewusst NPO aus, die er unterstützen möchte. Er hat mehr Interesse an Veranstaltungen und Events und weniger an der Teilnahme am täglichen Geschäft. Er unterstützt NPO in den Bereichen Kunst, Erziehung oder Religion. The Altruist: Doing Good Feels Right. Der Altruist ist ein selbstloser Spender, der aus Edelmütigkeit und Mitgefühl für notwendige Anliegen spendet. Er bleibt anonym und ist nicht interessiert an der Mitarbeit. Dieser Spender entscheidet sich ohne Berater und entscheidet sich mehr als die anderen Typen für soziale Anliegen. Er hilft, weil er es als moralische Pflicht betrachtet und es für seine Persönlichkeit förderlich ist. The Repayer: Doing Good in Return. Er war zuerst Empfänger einer Leistung. Danach spendet er aus Loyalität und Pflichtgefühl. Er unterstützt deshalb meist Institutionen im medizinischen oder schulischen (Bildungs-) Bereich. The Dynast: Doing Good Is a Family Tradition. Bei ihm ist Spenden eine Familientradition, wobei es sich meist um besser gestellte traditionelle Fa-
Vgl. Prince/File (1994), S. 14 ff.
milien handelt. Die jüngeren Angehörigen der Familie suchen sich vielfach andere NPO, die sie unterstützen, als ihre Eltern.
3.3.3 Mitglieder-Typen nach Schwarz Schwarz unterscheidet Mitgliedertypen, die sich durch ihre Bedürfnisse und Motivstrukturen unterscheiden. Dabei definiert er die folgenden fünf Personentypen:446
Der „Economic man“ handelt zweckrational und ist auf die eigenen (materiellen) Vorteile bedacht. Der „Social man“ sucht Geselligkeit, soziale Beziehung, Anerkennung und Kollegialität. Der „Altruist“ will Gutes für andere tun und damit ideelle Bedürfnisse verwirklichen. Der „Self-actualizing man“ strebt nach Selbstverwirklichung und Selbstbestätigung. Der „Complex man“ ist eine Mischung der beschriebenen Typen, welche wohl am wahrscheinlichsten ist.
Die Typologien für Menschenbilder des philanthropischen Handelns, bei welchen einige Überschneidungen feststellbar sind, sollen zum Verständnis des Fundgiving beitragen. Allerdings sind die einzelnen Typen nicht trennscharf voneinander zu unterscheiden. Zudem sind sie für die Fundraisingpraxis nur beschränkt verwendbar, da sie sich stark auf motivationale und psychologische Aspekte beziehen.
3.4 Entscheidungsverhalten und –prozesse Nachdem die motivationalen und soziodemografischen Einflussfaktoren des Spendens, wie auch einige Spendertypologien betrachtet wurden, geht es in diesem Abschnitt um die verhaltensrelevanten Faktoren des Spendens. Die Motive des Spendens (siehe dazu Abschnitt 3.2.2) sowie einzelne Personencharakteristiken und ex446
Vgl. Schwarz (1984), S. 206 ff. 93
terne Einflussgrössen (siehe dazu Abschnitt 3.2.1) sind Gegenstand zahlreicher Studien. Um weitere Erkenntnisse zum Spendenverhalten gewinnen zu können, muss allerdings betrachtet werden, wie Menschen spenden und wie die Entscheidung zum Spenden zustande kommt.447 Im Gegensatz zur Forschung zu den Motiven des Spendens hat jene zur Entscheidungsfindung bisher noch kaum Beachtung gefunden.448 Deshalb wird hier auch auf die Forschung der Entscheidungsfindung im Profitbereich – und somit bei Kaufentscheidungen – zurückgegriffen. 3.4.1 Individuelle Entscheidungsprozesse Kaufentscheidungen sind komplexe Vorgänge, welche sowohl externe Einflussgrössen, als auch psychische Vorgänge im Innern des Menschen beinhalten. Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen haben sich mit dem Entscheidungsverhalten der Kunden auseinandergesetzt, weshalb auch eine Reihe von Theorien und Modellen dazu existieren.449 Totalmodelle versuchen dabei das ganze Konsumentenverhalten abzubilden und zeigen den Zusammenhang zwischen Entscheidungsprozess, Informationsverarbeitung und Einflussvariablen (interne wie externe) auf.450 Totalmodelle sind für die praktische Anwendung allerdings zu komplex, weshalb man sich meist auf Partialmodelle beschränkt. Partialmodelle betrachten nur einen Ausschnitt und konzentrieren sich auf einzelne zentrale Konstrukte. Dabei steht meist die Analyse von Ursache und Wirkung psychischer Prozesse, die das Entscheidverhalten beeinflussen, im Vordergrund. Zu den zentralen Konstrukten gehören beispielsweise die Einstellung, das Image, die kognitive Dissonanz oder das wahrgenommene Risiko.451
447 448 449 450 451
94
Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 5 ff. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 5. Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 19 ff. Vgl. dazu bspw. das Modell des Konsumentenverhaltens von Engel et al. (1995), S. 153. Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 22 ff.
Kaufentscheidungsprozesse können sich wesentlich in ihrer Art unterscheiden. Zur Kategorisierung und Beschreibung der Entscheidungsprozesse kann das Konstrukt Involvement – welchem in der Kaufverhaltensforschung ein wichtiger Erklärungsbeitrag zugesprochen wird – verwendet werden. Involvement ist die „IchBeteiligung“ und damit ein Mass für die persönliche Bedeutung, die einer Leistung oder einem Produkt beigemessen wird. Das Involvement bezeichnet das Engagement, welches einem Objekt gewidmet wird und ist in seiner Ausprägung von der jeweiligen Situation abhängig.452 Insbesondere wird zwischen HighInvolvement und Low-Involvement unterschieden. Während bei Ersterem eine aktive Informationssuche und eine gedankliche Auseinandersetzung erfolgt, ist die Suche nach Information und Alternativen beim Low-Involvement stark beschränkt.453 Die Stärke des Involvement wirkt sich somit auf die objektgerichtete Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und -speicherung aus.454 Bei kognitiven Kaufentscheidungen wird davon ausgegangen, dass diese auf einem Informationsprozess beruhen. Konsumenten haben dabei nur eine beschränkte Verarbeitungs- und Aufnahmefähigkeit von Information. Bei kognitiven Entscheidungsprozessen können unterschiedliche Typen von Kaufentscheidungen nach der benötigten Informationsmenge unterschieden werden. Diese sind von der persönlichen Einstellung des Kunden zum Kaufobjekt abhängig.455 Kaufentscheidungen sind allerdings nicht immer nur das Resultat von Informationsprozessen, sondern sind meist auch von Persönlichkeitsmerkmalen, Umwelteinflüssen und situationsbedingten Gegebenheiten abhängig.456 Hinsichtlich der Kaufsituation können dabei emotionale Reizwerte, Zeitdruck oder die Neuartigkeit der Situation als Bestimmungsgrössen betrachtet werden. Zu 452 453 454 455 456
Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2000), S. 133; Trommsdorff (2004), S. 56 ff. Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 32. Vgl. Trommsdorff (2004), S. 56. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 5 ff. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 7 f. 95
den persönlichkeitsbezogenen Determinanten gehören die Risikoneigung, das Informationsniveau und vor allem das Involvement der Käufer. Weiter kann auch die Produktart, bspw. Gebrauchsoder Verbrauchsgut, den Kaufentscheid beeinflussen.457 Die Kaufentscheidungsprozesse können nach der Beteiligung affektiver (emotional, psychisch gesteuert), kognitiver (gedanklich gesteuert) und reaktiver (reizgesteuert, reflexartig) Prozesse in idealtypische Kaufentscheidungen unterschieden werden.458 Meist werden Kaufentscheidungen anhand der Bedeutung des Kaufs und dem Informationsbedarf in die vier Entscheidungsarten nach Weinberg in habitualisiert, impulsiv, limitiert und extensiv unterschieden,459 welche im Folgenden kurz dargestellt werden. 3.4.1.1 Extensive Kaufentscheidungen Hat ein Konsument eine starke Einstellung zu einem Kaufobjekt, verfügt aber kaum über Erfahrungen und Wissen, mit denen das Gut bewertet oder mit Alternativen verglichen werden könnte, befindet er sich in einer Situation, in der eine ausgedehnte Problemlösung notwendig ist. Das heisst zusätzliche Information wird notwendig. Dabei entsteht durch den Versuch, die wahrgenommenen Kaufrisiken zu minimieren, ein höheres Involvement im Informationsprozess.460 Extensive Kaufentscheidungen sind dadurch gekennzeichnet, dass es sich um komplexe, neuartige Entscheidungssituationen handelt. Das Involvement ist hoch und das wahrgenommene Risiko gross (bspw. durch als subjektiv hoch empfundene Ausgaben). Dies führt dazu, dass eine aktive Informationssuche notwendig wird und deshalb der Entscheidungsprozess länger dauert.461 Bei extensiven Kaufentscheidungen ist die kognitive Beteili457 458 459
460 461
96
Vgl. Foscht/Swoboda (2007), S. 150. Vgl. hierzu die Typologie der Kaufentscheidungsprozesse von Weinberg (1981), S. 13. Vgl. Weinberg (1981), S. 12 ff.; siehe auch Foscht/Swoboda (2007), S. 149 ff.; Pepels (2005), S. 20 ff. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 5 ff. Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 34.
gung der Käufer gross und die Kaufentscheidung festigt sich erst im Verlauf des Entscheidungsprozesses.462 3.4.1.2 Limitierte Kaufentscheidungen Bei limitierten Kaufentscheidungen kann von beschränkter Problemlösung gesprochen werden. Der Konsument hat aufgrund von Wissen und persönlicher Erfahrung einen relativ engen Bezug zum Kaufobjekt, es bestehen aber einige Ungewissheiten bezüglich einiger Eigenschaften. Aufgrund der Erfahrungen besitzt der Konsument ein bestimmtes Alternativprogramm, das heisst ein Set an Marken und Anbietern, die für den Kauf in Frage kommen.463 Bei nicht-dauerhaften Gütern wird beispielsweise oft ein Repertoire an Marken entwickelt, welche wieder gekauft werden.464 Die Informationssuche wird spezifisch auf einige Schlüsselinformationen erfolgen und das Entscheidungsfeld ist bereits eingegrenzt. In dieser Situation wird der Käufer seine Informationssuche einschränken, weil er ein geringeres Risiko wahrnimmt und dementsprechend auch weniger in den Entscheidungsprozess involviert ist. Die Informationssuche wird sich auf spezifische Schlüsselinformationen beschränken, wobei vor allem markenspezifische und nicht produktspezifische Informationen relevant sind.465 3.4.1.3 Habitualisierte Kaufentscheidungen Bei habitualisierten Kaufentscheidungen handelt es sich in der Regel um Wiederholungs- oder Gelegenheitskäufe, welche quasi automatisch ablaufen. Informationen werden schnell wahrgenommen und kaum aktiv gesucht. Habitualisierte Kaufentscheidungen sind durch reaktive Prozesse gesteuert. Sowohl kognitive wie auch emotionale Aspekte spielen nur eine untergeordnete Rolle und sind
462 463 464 465
Vgl. Foscht/Swoboda (2007), S. 151 f. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 5 ff.; Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 34 f. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 7. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 5 ff.; Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 34 f. 97
kaum von Bedeutung.466 Habitualisiertes oder routiniertes Reaktionsverhalten kann sich durch gemachte Erfahrungen sowie entwickelte Neigungen zu bestimmten Kaufverhalten entwickeln. Dabei kann eine starke Bedeutung zu einem komplexen Entscheidprozess geführt haben, dessen Ergebnis nun beibehalten wird.467 Habitualisierte Käufe sind typisch für den sich häufig wiederholenden Erwerb täglicher Bedarfsleistungen.468 Die kognitive Steuerung von Gewohnheitskäufen ist gering, so dass eher reaktive Prozesse ausschlaggebend sind.469 3.4.1.4 Impulsive Kaufentscheidungen Impulsivkäufe sind nicht geplant und durch ein rasches, spontanes Handeln gekennzeichnet. Sie sind stark durch affektive und reaktive Prozesse gesteuert. Kognitive, also gedankliche Steuerung, findet bei Impulsivkäufen kaum statt.470 Sie finden somit bei einem geringen Ausmass an kognitiver Steuerung und gleichzeitig grossem Einfluss von spontanen Eindrücken und Gefühlen statt. Sie laufen ohne bewusste Informationssuche ab und werden durch die Ausweitung der Kaufkraft der Nachfrager begünstigt. Dabei handelt es sich oft um Produkte, die nicht unbedingt benötigt werden.471 Die diskutierten Typologien der Kaufentscheidungen können nach den beteiligten affektiven, kognitiven und reaktiven Prozessen charakterisiert werden, wie dies in Tabelle 4 übersichtlich dargestellt ist.472
466 467 468 469 470 471 472
98
Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 35 f. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 6; Pepels (2005), S. 20. Vgl. Pepels (2005), S. 20. Vgl. Foscht/Swoboda (2007), S. 155 ff. Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 36. Vgl. Pepels (2005), S. 21. Vgl. Weinberg (1981), S. 13.
Tabelle 4:
Typologie der Kaufentscheide473
Kaufentscheidung
Dominante Prozesse affektiv
kognitiv
X
X
extensiv limitiert
X
habitualisiert impulsiv
reaktiv
X X
X
Hibbert und Horn sprechen davon, dass extensive und limitierte Kaufentscheidungen eher selten anzutreffen sind. Sie begründen dies damit, dass für die meisten Leute Liebe, Familie, Arbeit, Gesundheit und so weiter bedeutend wichtiger sind als Kaufobjekte. Entsprechend ist das Kaufverhalten generell eher mit geringen Risiken und wenig Involvement verbunden. Kunden betreiben demnach auch höchstens eine beschränkte Informationssuche. Dies gilt nicht nur für den Bereich der Verbrauchs- und Gebrauchsgüter, sondern auch für teurere Investitionsgüter wie Autos. Geringeres Involvement hat zur Folge, dass Entscheidungen weniger rational gefällt werden. Oft wird bei Low-Involvement Gütern einfach ein Probekauf getätigt. Auch bei teureren Produkten muss es nicht zu einem Informationsprozess kommen. Oft verlässt man sich auf die Aussagen des Verkäufers oder die Reputation und das Image der Verkaufsstelle.474 Zu ergänzen ist, dass das konkrete Kaufverhalten von weiteren Bedingungen abhängt. So werden Entscheide beispielsweise auch von der Art des Produktes, der ökonomischen Realisierbarkeit, den Kaufsituationen und persönlichen Prädispositionen beeinflusst.475
473 474 475
Quelle: Weinberg (1981), S. 16. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 5 ff. Vgl. Weinberg (1981), S. 13. 99
3.4.2 Entscheidungsfindung beim Spenden Während sich die Forschung des Spendenverhaltens stark auf die Motive des Spendens konzentriert hat, wurde dem tatsächlichen Verhalten in Spendensituationen kaum Beachtung geschenkt. Daher existiert auch kaum Wissen über den Spendenprozess. Hibbert und Horne schlagen vor, dass der Entwicklung und Kontrolle von Spendensituationen bei unterschiedlichen Spendentypen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Sie sind ausserdem der Meinung, dass man bei einer zu starken Fokussierung auf die Spendenmotivation die Gefahr besteht, die Realität des Spendenverhaltens aus den Augen zu verlieren.476 Analog zu den Erkenntnissen im Profit-Bereich, wo unterschiedliche Typen von Kaufentscheidungen festgestellt und entsprechende Typologien herausgearbeitet wurden, kann auch beim Spenden eine Klassifizierung nach Art der Entscheidung vorgenommen werden. Es kann analog zum Konsumentenverhalten zwischen impulsivem, limitiertem, extensivem und habitualisiertem Spendenverhalten unterschieden werden.477 Beim rationalen oder extensiven Spendenverhalten handelt es sich um einen komplexen, kognitiven Beurteilungsprozess, der durch hohes Involvement und einen hohen Informationsbedarf gekennzeichnet ist. Das limitierte Spendenverhalten ist durch Erfahrungen und Kenntnisse des Spenders geprägt. Der kognitive Entscheid basiert meist auf Schlüsselinformationen. Der Spender hat ein Alternativenset an NPO, zu welchen er einen relativ engen Bezug hat. Impulsives Spenderverhalten zeichnet sich durch eine rasche, spontane Entscheidfindung aus, welche stark reizgesteuert über Stimuli abläuft. Dabei spielen vor allem affektive und reaktive Prozesse eine entscheidende Rolle und die Aktivierung der potenziellen Spender über (emotionale) Stimuli kann als zentral betrachtet werden. Habituelle Spender sind Gewohnheitsspender, welche 476 477
Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 9. Vgl. dazu auch Schneider (1996), S. 87.
100
durch feste Verhaltensmuster charakterisiert werden. Sie spenden wiederholt und mit regelmässigen Abständen derselben Organisation. Kognitive Prozesse sind nur von untergeordneter, Schlüsselinformationen hingegen von hoher Bedeutung für die relativ schnelle Entscheidung.478 Routinemässiges oder habitualisiertes Spenden ist beispielsweise feststellbar bei der Erneuerung einer Mitgliedschaft oder dem allsonntäglichen Spenden beim Kirchenbesuch.479 Beim Konsumentenverhalten wurde festgehalten, dass meist nur ein geringes Risiko wahrgenommen wird und auch das Involvement eher gering ist. Entsprechend ist auch beim Spendenverhalten davon auszugehen, dass extensive Entscheidsituationen mit intensiven Informationsprozessen die Ausnahme bilden dürften. Es kann angenommen werden, dass Spender nur eine eingeschränkte Informationssuche betreiben, dass beim Spenden kein grosses Risiko wahrgenommen wird und auch das Involvement nur geringes Ausmass annimmt. Hibbert und Horn sprechen davon, dass bei Spendenentscheidungen die limitierten Entscheidungen die dominant vorherrschenden sind.480 Sie begründen diese Annahme damit, dass oft Spenden einfach auf Grund von Anfragen getätigt werden und selbst bei Legaten oft keine Informationssuche stattfindet, sondern der Vorschlag des Anwalts angenommen wird.481 Bei Mehrfach- und Dauerspendern, welche Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind, dürften somit extensive Entscheidungen eher die Ausnahme sein. Vielmehr dürften Mehrfachspender limitierte, habitualisierte und impulsive Entscheidungen treffen. Es ist möglich, dass Spender ein Alternativenset von Organisationen besitzen, bei welchen sie mit einer beschränkten Informationssuche durch einzelne Schlüsselinformationen einen relativ schnel478 479 480
481
Vgl. Schneider (1996), S. 87 f. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 8 f. Sie unterscheiden nur zwischen extensiven und limitierten Entscheidsituationen, womit anzunehmen ist, dass die impulsiven Entscheidungen eher den limitierten zuzuordnen und folglich inbegriffen sind, vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 4 ff. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 9. 101
len Entscheid fällen. Auch reaktiv gesteuerte Spendenentscheide sind denkbar, insbesondere, wenn die Spenden nicht allzu hoch sind und dementsprechend nicht als Risiko wahrgenommen werden. In diesem Fall dürfte das kognitive Involvement gering und die Informationssuche und -verarbeitung beschränkt ausfallen. Weisen potenzielle Spender zusätzlich ein hohes emotionales Involvement auf – was bei Spenden nicht ungewöhnlich sein dürfte – werden impulsive Spendenentscheidungen wahrscheinlicher, insbesondere da es sich bei Spenden auch nicht um dringend benötigte Produkte handelt (siehe dazu Abschnitt 3.4.1.4). 3.4.3 Modell des Spendenverhaltens Sargeant hat darauf verwiesen, dass es notwendig ist zu verstehen, wie eine Spendenentscheidung zu Stande kommt und welche Faktoren die Entscheidung beeinflussen. Demzufolge hat er ein theoretisches Modell des Spendenverhaltens entwickelt. Bei diesem Modell handelt es sich um ein Totalmodel, welches aus der bestehenden Forschung zum Spendenverhalten zusammen getragen wurde.482 Im Vergleich zu früheren Modellen zum Spendenverhalten wie beispielsweise von Guy und Patton483 oder Bendapudi et al.484 wurde bei Sargeant’s Modell einerseits eine stärkere Gewichtung auf die Prozess-Determinanten vorgenommen und andererseits auch die Entscheidung zwischen einzelnen alternativen NPO berücksichtigt.485 Während einige Modelle den gesamten Bereich des Helfens abzubilden versuchen,486 ist jenes von Sargeant nur auf Geldspenden ausgerichtet.487 Im Folgenden werden die einzelnen 482 483 484 485 486 487
Vgl. Sargeant (1999), S. 216 ff.; Sargeant/Woodliffe (2008), S. 111 ff. Siehe dazu Guy/Patton (1989a), S. 20 f.; Guy/Patton (1989b), S. 8 f. Vgl. Bendapudi et al. (1996), S. 33 ff. Vgl. Sargeant (1999), S. 216 f. Vgl. bspw. Bendapudi et al. (1996), S. 37. Vgl. Sargeant/Woodliffe (2007), S. 276. Eine Übersicht zu den verschiedenen in Verhaltensmodellen des Spendens verwendeten Einflussgrössen ist bei Shelley und Polonsky zu finden, wobei einzig das Modell von Sargeant sämtliche Belange mit einbezieht, vgl. Shelley/Polonsky (2001), S. 21.
102
Einflussgrössen des in Abbildung 7 aufgeführten Modells besprochen. Abbildung 7:
Modell des Spendenverhaltens488
Inputgrössen oder Quellen sind externe Grössen, welche den Entscheidprozess beeinflussen. Zu den bedeutendsten Inputgrössen gehören die Marke und das Image der Organisation.489 Ein bekannter Name in Form einer Marke kann helfen, das Vertrauen bei Ansprechgruppen aufzubauen, die Wahrnehmung zu fördern und die Loyalität zu steigern. Dies trägt entscheidend dazu bei, ob eine Spende zu Stande kommt, oder eben nicht.490 Das Image oder der Bekanntheitsgrad können insbesondere bei der Entscheidung zwi488 489 490
Quelle: Sargeant/Woodliffe (2008), S. 112. Vgl. dazu Shelley/Polonsky (2001), S. 21. Zur Bedeutung der Marke bei NPO vgl. Chiagouris (2005); Sargeant et al. (2007); Stride/Lee (2007), . 103
schen verschiedenen Organisationen zum Tragen kommen.491 Auch die Art des Fragens, die Verwendung von unterschiedlichen Fundraising Instrumenten und Medien gehören zu den Inputgrössen, welche auf den Entscheidprozess und letztlich auch auf den Output einen Einfluss haben.492 Auf den Input folgt eine von den potenziellen Spendern individuell unterschiedliche Wahrnehmung und Reaktion. Dabei kommt es darauf an, dass die Anfrage beim Spender auf angemessene Weise ankommt. Der Spender sollte sich mit der Organisation und dem Bedürfnis der Organisation identifizieren können. Die Stärke des Stimulus sollte zudem auf die Spender angepasst sein, so dass die Rezipienten die Notwendigkeit der Spende wahrnehmen und die Anfrage eindeutig und verständlich ist. Auch der Grad der Verantwortung, die der Spender wahrnimmt, spielt eine Rolle. Als „perceptual noise“ bezeichnet Sargeant die klare Wahrnehmung des Bedürfnisses im Zusammenhang mit anderen Organisationen und Bedürfnissen.493 Damit ist eine Abgrenzung gegenüber der Vielfalt an NPO und Anfragen und eine Herausheben aus der Masse gemeint. Durch den „perceptual noice“ soll ebenfalls die Notwendigkeit der Spende hervorgehoben werden. Dies ist insofern stärker von Bedeutung, da die vermehrt unüberschaubare Masse an Spendenanfragen die Spender zunehmend verwirrt.494 Die Prozess-Determinanten können als Einflussgrössen auf den Entscheidungsfindungsprozess betrachtet werden. Dabei sind zwei Schlüsselgrössen hervorzuheben. Auf der einen Seite sind dies persönliche Erfahrungen mit dem Spenden, auf der anderen Seite sind es Bewertungskriterien, die zur Beurteilung herangezogen werden. Zu diesen Bewertungskriterien können individuelle Anreize des Spendens (materielle oder psychische), aber auch 491 492 493 494
Siehe hierzu bspw. GfS-Forschungsinstitut (2006), S. 4. Vgl. Sargeant (1999), S. 219; Sargeant/Woodliffe (2008), S. 112 ff. Vgl. Sargeant (1999), S. 221 f. Vgl. Sargeant (1999), S. 220 ff.; siehe dazu auch Sargeant/Jay (2004a), S. 33 ff.; Sargeant/Woodliffe (2008), S. 116 ff.; Shelley/Polonsky (2001), S. 21.
104
wahrgenommene Bewertungsgrössen im Hinblick auf das Management der Organisation, wie Effektivitäts- und Effizienzmasse gezählt werden.495 Die wahrgenommene Professionalität und Effektivität der Organisation und die wahrgenommene Dienstleistungsqualität können die Höhe von Spenden und die Dauer einer Spendenbeziehung beeinflussen.496 Damit wird ein Zusammenhang der Wahrnehmung und dem Entscheidprozess der Spender zum Ergebnis des Spendenverhaltens ersichtlich. Fundraisingaktivitäten können eine grosse Breite an Ergebnissen zur Folge haben. Meist wurde in der Fundraisingforschung nur zwischen der Entscheidung für oder gegen das Spenden unterschieden. Aber auch die Höhe der Spende und die Häufigkeit können unterschiedlich ausfallen, genauso wie die Dauer der Spendenbeziehung.497 Inwiefern unterschiedliche Ergebnisse auf verschiedene Motivationen zurückzuführen sind, sollte zukünftig stärker erforscht werden.498 Das Spendenverhalten, bzw. die wahrgenommene Reaktion wird weiter von individuellen Charakteristiken und externen Faktoren beeinflusst. Die wichtigsten Personenmerkmale sind nach Sargeant demografische Grössen wie Alter und Geschlecht. Aber auch Einkommen, soziale Zugehörigkeit, Persönlichkeitsmerkmale und soziale Normen haben einen Einfluss auf den Entscheidungsprozess.499 Auch die Motive stellen eine relevante Grösse dar (zu den Motiven des Spendens siehe Abschnitt 3.2.2), welche die wahrgenommene Rektion beeinflussen.500 Weiter haben Sargeant und Woodliffe in situativen und kontextbedingten Faktoren wie verfügbare Zeit und finanziellen Ressourcen oder momentanen Prioritäten 495 496 497 498 499 500
Vgl. Sargeant (1999), S. 222 f. Vgl. Sargeant et al. (2004), S. 31. Vgl. Sargeant (1999), S. 217, 227 f. Vgl. Shelley/Polonsky (2001), S. 23. Sargeant/Woodliffe (2008), S. 124 ff. Vgl. Sargeant (1999), S. 23 ff. 105
der Spender Einschränkungen im Modell berücksichtigt. Ausserdem wurde auch das Feedback (Reaktion der NPO auf die Spende) angefügt, womit das Modell zu einem Kreislauf wird.501 Die Rückmeldung in Form von Anerkennung und Dank beeinflusst somit den Input und die Motivation für zukünftiges Spenden. Die bisherige Forschung des Spendenverhaltens – und demzufolge auch das daraus resultierende Modell von Sargeant und Woodliffe – geht von der Annahme aus, dass Spenden das Ergebnis eines kognitiven Prozesses ist, in welchem ein nicht unerheblicher Informationsprozess stattfindet.502 Diese Annahme kann allerdings kritisch hinterfragt werden. Burnett spricht davon, dass Spenden vielfach emotional oder spontan getätigt werden und manchmal sogar irrational sind.503 Weiter argumentieren Hibbert und Horne, dass bei der Spendenentscheidung oft kein Informationsprozess stattfindet, was sich daran erkennen lässt, dass viele Spender nicht genau sagen können, weshalb sie eine Spende getätigt haben.504 Hierzu können auch die Untersuchungen von Sargeant erwähnt werden, bei welchen rund zehn Prozent der befragten ehemaligen Spender sich nicht mehr erinnern konnten, je für die NPO gespendet zu haben.505 Weiter sind Hibbert und Horne der Ansicht, dass beim Spenden meist nur ein beschränkter Informationsprozess stattfinden dürfte, weil das Involvement und das wahrgenommene Risiko des Spendens relativ gering sind. Das Spenden kann auch durch erlerntes Verhalten und Konditionierung geprägt sein. Weiter kann in den situativen Stimuli ein wichtiger Einflussfaktor für das Spenden gesehen werden. Spenden werden oft nur getätigt, weil eine entsprechend Anfrage erfolgt.506 Die Bedeutung der externen Stimuli wird auch im Modell für Spendenentschei501 502
503 504 505 506
Vgl. Sargeant/Woodliffe (2007), S. 276. Vgl. Sargeant (1999), S. 229. Siehe dazu auch die Modelle von Bendapudi et al. (1996), S. 39.; Guy/Patton (1989a), S. 22. Vgl. Burnett (2002), S. 67. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 8 f. Vgl. Sargeant (2001a), S. 63 ff., (2001b), S. 182 f. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 9.
106
dungen von Van Slyke und Brooks hervorgehoben. Eine Spende kommt in ihrem Modell in der Regel nur in Kombination mit einem externen Auslöser zu Stande, was meist in Form eines Spendenaufrufs geschieht.507 Diese Ausführungen lassen vermuten, dass Spenden stark durch reaktive Prozesse beeinflusst wird und dementsprechend Spendenentscheide vielfach habitualisierten und impulsiven Entscheidtypen entsprechen. Die unterschiedlichen Formen des Spendens stellen die allgemeine Gültigkeit eines kognitiven Modells für sämtliche Spendenaktivitäten in Frage. Deshalb schlägt Sargeant vor, die Eignung kognitiver Modelle bei verschiedenen Spendenformen, unterschiedlichen Kontexten und Situationen zu erforschen.508 Es scheint plausibel, dass die verschiedenen Formen des Spendens unterschiedliche Entscheidprozesse beinhalten. Eine Entscheidung über eine Patenschaft beinhaltet beispielsweise ein höheres Risiko und Involvement, als eine einfache Spende, da man bei einer Patenschaft langfristig mit dem Spendenzweck verbunden ist und eine andauernde Verpflichtung eingeht. Das Spenden bei einer Strassensammlung oder Topfkollekte hingegen ist durch sehr geringes Involvement und Risiko gekennzeichnet.509 Da entsprechend der aufgeführten Argumentation bei ungebundenen Mehrfach- und Dauerspendern extensive Entscheidungen eher die Ausnahme sein werden, ist die Nützlichkeit von kognitiven Spendenmodellen für die vorliegende Arbeit zumindest kritisch zu hinterfragen.
507 508 509
Vgl. Van Slyke/Brooks (2005), S. 205 f. Vgl. Sargeant (1999), S. 229. Vgl. Hibbert/Horne (1996), S. 8 f. 107
3.5 Zusammenfassende Erkenntnisse zum Spendenverhalten Zielsetzung dieses Kapitels zum Spendenverhalten war es, die Erkenntnisse der bisherigen theoretischen und empirischen Forschung zusammen zu tragen. Eine umfassende Theorie zum Spendenverhalten existiert bis anhin nicht. Theoretische Ansätze verschiedener Forschungsrichtungen erheben den Anspruch, zumindest Teilbereiche des Phänomens des Spendens erklären zu können. Mit dem Phänomen des Gebens oder Spendens beschäftigen sich Forscher der Ökonomie, der Psychologie, der Anthropologie, sowie der Soziologie.510 Während die ökonomischen Erklärungsansätze oft Kosten- und Nutzenabwägungen der Individuen ins Zentrum der Diskussion stellen, hat Luthe sich an einem interdisziplinären Erklärungsansatz versucht, welcher der Komplexität des Spendens besser gerecht werden soll. Unter anderem verweist er dabei auf die Wichtigkeit das gesellschaftliche Umfeld in die Fundraising-Konzepte mit einzubeziehen. Beeinflusst wird das Spendenverhalten durch personen- und umweltbezogene Einflussgrössen. Gewisse, insbesondere demografische und sozioökonomische Faktoren liefern dabei Anhaltspunkte für das Fundraising und die Segmentierung der Spenderdatei. Zu den wichtigsten soziodemografischen Einflussgrössen auf das Spendenverhalten gehören das Alter, das Geschlecht und das frei verfügbare Einkommen. Allerdings sollten diese Determinanten nicht isoliert betrachtet werden, da sie nicht unabhängig voneinander sind. Dadurch wird das Fundraising aber vor weitere Probleme gestellt, da meist nur ungenügende Informationen über die Spender vorhanden sind. Viel Beachtung wurde in der Forschung den Motiven des Spendens geschenkt. Dabei hat sich gezeigt, dass meist ein Motivbündel für eine Spendenentscheidung ausschlaggebend ist. Beim 510
Vgl. Sargeant/Woodliffe (2008), S. 111.
108
Fundgiving handelt es sich um ein komplexes, sozialpsychologisches Phänomen, welches durch unterschiedliche Kombinationen von Motiven (Motivbündel) sowie zusätzlichen Gründen und Auslösern zustande kommt. Zur Reduktion der Komplexität des Spendenverhaltens wurden oft Typologien von Spendern erstellt. Mit diesen Typologien sollten die komplexen Motivstrukturen und personenbezogenen Einflussgrössen vereinfacht und überschaubar gemacht werden. Die verschiedenen Typologien weisen allerdings nur wenige Überschneidungen auf, was deren Allgemeingültigkeit in Frage stellt. Über die Entscheidfindung beim Fundgiving existiert bisher nur wenig Wissen, da der Entscheidprozess beim Spenden bis Anhin nur selten Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen war. Somit bleibt unklar, ob bei Mehrfachspendern vorwiegend kognitive, affektive oder reaktive Prozesse überwiegen. So ist auch unbekannt, ob das Spenden ein vorwiegend rationaler, impulsiver oder gewohnheitsmässiger Ablauf ist. Die Art der Entscheidfindung beeinflusst allerdings das Ergebnis, respektive die Dauer der Unterstützung. Somit muss die Entscheidfindung beim Fundraising berücksichtigt werden. Das Modell zum Spendenverhalten von Sargeant und Woodliffe gibt einen guten Überblick über den Stand der Forschung, da es auf Basis einer Literaturübersicht zum Spendenverhalten erstellt wurde. Dabei hat sich gezeigt, dass weitere wichtige Aspekte zu berücksichtigen sind, wie beispielsweise die Art des Fragens, die Erfahrungen der Spender welche mit der Dauer der Spenderbeziehung zusammenhängt, wie auch Gruppenzugehörigkeiten oder persönliche Prioritäten. Zielsetzung dieser Studie ist es, Gründe und Typen der Spenderabwanderung zu identifizieren und Massnahmen zur Verhinderung der Abwanderung und Rückgewinnung ehemaliger Spender abzuleiten (siehe dazu Abschnitt 1.2). Aus den in diesem Kapitel gewonnen Erkenntnissen zum Spendenverhalten lassen sich weite-
109
re Forschungsfragen für die Untersuchung zum Abwanderungsverhalten ableiten. Diese literaturgestützten (Unter-)Forschungsfragen sind in Tabelle 5 aufgelistet. Tabelle 5: UF 2-1 UF 2-2 UF 2-3 UF 2-4 UF 2-5
Abgeleitete Forschungsfragen aus den Erkenntnissen des Spendenverhaltens
Welche soziodemografischen Grössen beeinflussen das Abwanderungsverhalten? Welchen Einfluss haben Spendenmotive auf das Abwanderungsverhalten? Welchen Einfluss hat die Beziehungsdauer auf die Abwanderung? Welche Rolle spielt die Spendenhistorie eines Spenders beim Abwanderungsverhalten? Beeinflusst der Entscheidprozess beim Spenden die Abwanderung?
Das Spendenverhalten ist für das Fundraising von enormer Bedeutung, da sich dieses auch auf die Spendenbeziehung auswirkt. Damit sind die Einflussgrössen des Spendens auch für das Abwanderungsverhalten von Bedeutung. Im nächsten Kapitel werden spezifische Erkenntnisse zum Abwanderungsverhalten untersucht. Da es noch kaum Untersuchungen zum Abwanderungsverhalten von Spendern gibt, wird dabei zuerst auf Erkenntnisse des ProfitBereichs zurückgegriffen.
110
4 Abwanderungsverhalten Die bisherigen Forschungsschwerpunkte des Fundraising liegen bei den Charakteristika der Spender, der Unterscheidung von Spendern und Nicht-Spendern und neuerdings auch bei der Unterscheidung von Gross- und Kleinspendern. Disziplinen übergreifend haben die Motive des Spendens grosse Aufmerksamkeit in der Forschung gefunden. Andere Bereiche wie beispielsweise die Berücksichtigung verschiedener Fundraisingtechniken haben hingegen weniger Aufmerksamkeit erhalten. Schlüsselgrössen wie der Live Time Value oder die Spenderloyalität standen bisher ebenfalls wenig im Zentrum der Forschung. Nur wenige wissenschaftliche Studien haben sich mit der Spenderloyalität und der Spenderabwanderung beschäftigt.511 Die wenigen Studien, die es gibt, haben sich meist auf einen besonderen Spendenbereich wie beispielsweise Mitgliedschaften512 oder Grossspender konzentriert.513 Dem Abwanderungsverhalten und den dahinter liegenden Gründen gewöhnlicher Spender, insbesondere von Mehrfachspendern, wurde bisher kaum Beachtung geschenkt. Deshalb existiert auch kaum Wissen darüber, weshalb diese nicht mehr spenden.514 Das Erforschen der Faktoren, die zu Loyalität führen oder umgekehrt Abwanderung verhindern, stellt jedoch eine grosse Chance dar und sollte in Zukunft stärkere Beachtung finden.515 Die Literatur im Bereich Beziehungs- und BeibehaltungsMarketing ist überwiegend durch den Profit-Bereich geprägt. Im Profit-Bereich hat sich denn auch eine Reihe von Studien mit den Gründen beschäftigt, weshalb Kunden aufhören, Geschäfte mit einzelnen Anbietern zu betreiben.516 Im Folgenden werden deshalb 511 512 513 514 515 516
Vgl. Sargeant (2001b), S. 181. Siehe bspw. Bhattacharya et al. (1995). Siehe bspw. Metrick (2005). Vgl. Sargeant (2001a), S. 61; Sargeant (2001b), S. 181. Vgl. Sargeant/Woodliffe (2007), S. 298 f. Siehe dazu auch Abschnitt 2.7. Vgl. Sargeant (2001b), S. 178 f. 111
B. Hunziker, Abwanderungsverhalten von Spendern, DOI 10.1007/978-3-8349-6308-6_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
vorerst Erkenntnisse aus der Profit-Literatur diskutiert, um die wesentlichen Einflussfaktoren der Loyalität, bzw. der Abwanderung zu erörtern. Anschliessend werden die Erkenntnisse aus dem Nonprofit-Bereich und die Besonderheiten der Abwanderungsforschung bei Spendern zusammengetragen und besprochen.
4.1 Übersicht zur Abwanderungsforschung Das Kundenbeziehungsmanagement umfasst sämtliche Phasen eines Kundenlebenszyklus (siehe zum Lebenszyklus Abschnitt 2.7.3) und beinhaltet folglich Aktivitäten in den Phasen der Neukundengewinnung, Kundenbindung und Kundenrückgewinnung. Während bei der Kundengewinnung die Initiierung einer Kundenbeziehung im Vordergrund steht, geht es bei der Kundenbindung um den Aufund Ausbau bestehender Kundenbeziehungen bis zu deren Beendigung oder Auflösung. Die Kundenrückgewinnungsphase bezieht sich auf die Reaktivierung beendeter Kundenbeziehungen. Während den gefestigten Kundenbeziehungen und ihrer Entwicklung in der Forschung des Kundenbindungsmanagements bereits grosse Aufmerksamkeit geschenkt wurde, haben gefährdete Kundenbeziehungen eher wenig Beachtung erhalten. Mit gefährdet sind jene Kunden gemeint, die sich gedanklich mit der Beendung der Kundenbeziehung auseinandersetzen, womit sich das Forschungsgebiet der Kundenabwanderung befasst.517 Die Abwanderungsforschung kann weiter in unterschiedliche Schwerpunktbereiche unterschieden werden, die sich seit Mitte der 1990er Jahren herausgebildet haben, wie in Abbildung 8 ersichtlich ist. Dabei wird in erster Linie zwischen der Kundenabwanderung im Business-to-Business-Bereich und jener im Business-toConsumer-Bereich unterschieden.518 517 518
Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 273 f. Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 274.
112
Die Forschung der Abwanderung im Business-to-BusinessBereich kann weiter in drei unterschiedliche Forschungsschwerpunkte unterteilt werden, wie dies Tähtinen und Halinen in ihrem State of the Art der Beziehungsbeendigung herausgearbeitet haben.519 Der erste Schwerpunkt der Business-to-BusinessAbwanderungsforschung, der unter dem Begriff „Business Relationship Ending“ gefasst wird, beschäftigt sich allgemein mit der Beendigung von Geschäftsbeziehungen in unterschiedlichen Branchen. Dabei bezieht sich die Mehrheit der Studien auf die klassischen Interaktions- und Netzwerkansätze.520 Ein zweiter Schwerpunkt, der hauptsächlich auf ökonomischen Ansätzen beruht, beschäftigt sich mit der Beziehungsbeendigung in Distributionskanälen und ist somit speziell auf den Handel fokussiert.521 Der dritte Forschungsschwerpunkt der Beziehungsbeendigung im Businessto-Business-Bereich bezieht sich auf die Werbeindustrie und behandelt hauptsächlich die Beendigung von Beziehungen zwischen Werbeagenturen und ihren Kunden.522 Im Business-to-Consumer-Bereich steht die Abwanderung von privaten Kunden im Vordergrund. Dabei wird in erster Linie zwischen Beziehungen im Dienstleistungssektor und im Konsumgüterbereich unterschieden. Im Dienstleistungsbereich hat die Abwanderungsforschung in den letzten Jahren enorm an Interesse gewonnen, was die zunehmende Anzahl an Studien und Publikationen aufzeigt.523
519 520
521 522
523
Vgl. Tähtinen/Halinen (2002), S. 165 ff. Siehe bspw. Alajoutsijärvi et al. (2000); Giller/Matear (2001); Tähtinen (2002); Tidström/Ahman (2006). Siehe bspw. Ping/Dwyer (1992); vgl. Tähtinen/Halinen (2002), S. 176 ff. Siehe bspw. Beverland et al. (2004); Buchanan/Michell (1991); Doyle et al. (1980); vgl. dazu Tähtinen/Halinen (2002), S. 179 ff. Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 275. 113
Abbildung 8:
Forschungsschwerpunkte der Kundenabwanderung524
Bei der Forschung zur Kundenabwanderung werden viele Begriffe für die Beendigung von Beziehungen verwendet. Oft werden auch synonym mehrere gleichzeitig gebraucht. Die in der Marketingund Managementliteratur am häufigsten verwendeten Begriffe sind die Folgenden: Dissolution, Termination, Exit, Switching, Defection und Ending.525 Im Dienstleistungsbereich wird vorwiegend von ‚consumer switching behaviour’ gesprochen.526 In der deutschsprachigen Literatur ist hauptsächlich von Beendigung, Abwanderung oder Wechsel die Rede. Viele Autoren haben auf eine explizite Definition des Phänomens der Kundenabwanderung und der dafür verwendeten Begriffe verzichtet.527 Bei den in dieser Arbeit synonym verwendeten Begriffen Abwanderung und Beendigung wird nicht von Kundenabwanderung gesprochen, sondern von Spenderabwanderung, da letztlich diese Gegenstand der Untersuchung sind und sich Spender von Kunden in ihrem Verhalten unterscheiden. Des Weiteren wird ein eventueller Wechsel wie beim Switching als möglich, aber nicht zwingend notwendig erachtet. Die eigene Defi524
525
526 527
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bruhn/Michalski (2008), S. 274; Michalski (2002), S. 13; Tähtinen/Halinen (2002), S. 181. Vgl. Beloucif et al. (2006), S. 30 f.; Michalski (2002), S. 7 f. Eine gute Übersicht zu den verwendeten Begriffen ist auch bei Tähtinen/Halinen (2002) zu finden. Vgl. Tähtinen/Halinen (2002), S. 174. Vgl. Tähtinen/Halinen (2002), S. 170.
114
nition der Spendenabwanderung wird deshalb bewusst breit gefasst: Spenderabwanderung beinhaltet den Prozess und sämtliche beeinflussenden Faktoren, die dazu führen, dass der Spender nicht mehr spendet.
Im Folgenden werden die unterschiedlichen Arten der Beziehungsbeendigung (Abschnitt 4.2) dargestellt und eine Systematisierung der Abwanderungsgründe (Abschnitt 4.3) vorgenommen. Anschliessend werden im Abschnitt 4.4 die in der Abwanderungsforschung verwendeten theoretischen Ansätze diskutiert, wobei vertieft auf die Theorie von Hirschman eingegangen wird. Darauf aufbauend werden die methodischen Ansätze der Abwanderungsforschung präsentiert (Abschnitt 4.5). In den Abschnitten 4.6 und 4.7 werden im Hinblick auf die eigene Untersuchung die relevanten Abwanderungsgründe und Erklärungsdeterminanten aus der empirischen Abwanderungsforschung besprochen. In Abschnitt 4.8 wird ausführlich auf die spezifischen Erkenntnisse zum Abwanderungsverhalten von Spendern eingegangen.
4.2 Arten der Beziehungsbeendigung In diesem Abschnitt werden die verschiedenen Arten der Beendigung von Kundenbeziehungen betrachtet. Dabei werden, in Anlehnung an die Literatur, Unterscheidungen nach den Entscheidungsträgern und dem Grad der Freiwilligkeit vorgenommen. Nach Hocutt können drei grundsätzliche Arten der Beziehungsbeendigung unterschieden werden:528
528 529
Kundeninitiierte Beziehungsbeendigung: Hierbei wird die Beziehung vom Kunden beendet, obwohl das Unternehmen unter Umständen weiterhin an einer Beziehung interessiert wäre.529 Eine Beendigung einer Marketing-
Vgl. Hocutt (1998), S. 196. Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 275. 115
Beziehung auf Wunsch des Kunden kann freiwillig, beispielsweise durch Unzufriedenheit oder Sättigung, aber auch unfreiwillig, durch externe Einflüsse bedingt, erfolgen.530 Im Zentrum der Abwanderungsforschung bei kundeninitiierter Beziehungsbeendigung steht die Analyse der Abwanderungsgründe oder der Einflussfaktoren, die zur Abwanderung geführt haben.531 Unternehmensinitiierte Beziehungsbeendigung: Eine Beendigung auf Wunsch des Anbieters kann erfolgen, wenn eine für den Anbieter negative Konfliktsituation entsteht, der Anbieter generell mit dem Kunden unzufrieden ist oder mit der Aufrechterhaltung der Beziehung negative finanzielle Folgen verbunden sind und der Kunde unrentabel geworden ist.532 Vielfach steht bei der unternehmensinitiierten Beziehungsbeendigung die Bereinigung des Kundenstamms im Vordergrund.533 Gemeinsame Beziehungsbeendigung: Die dritte Art der Beziehungsbeendigung liegt in der gemeinsamen Auflösung auf gegenseitigen Wunsch oder auf gegenseitiges Einvernehmen. Dies kann beispielsweise eintreffen, wenn das Ziel der Beziehung erreicht wurde und die Notwendigkeit der Beziehung hinfällig wird.534 Diese Art der Beziehungsbeendigung spielt allerdings in der Marketing-Forschung eine untergeordnete Rolle, da damit meist keine negativen Folgen für einen der Austauschpartner verbunden sind.
Im Dienstleistungsbereich werden vorwiegend kundeninitiierte Beziehungsbeendigungen betrachtet, weil diese das grösste Potenzial für Unternehmen beinhalten535 Diese sind für Unternehmen meist nicht erwünscht und beinhalten dementsprechend negative Auswirkungen auf den Erfolg. Eine Unterscheidung der Arten der Beziehungsbeendigung kann auch aufgrund des Grads der Freiwilligkeit vorgenommen werden. Halinen und Tähtinen haben beispielsweise die Typen von chosen, forced und natural Beendigung gebildet.536 Pressey und 530 531 532 533 534 535
536
Vgl. Hocutt (1998), S. 196. Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 275; Tähtinen/Halinen (2002), S. 179. Vgl. Hocutt (1998), S. 196. Vgl. Michalski (2002), S. 14. Vgl. Hocutt (1998), S. 196. Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 274; Hocutt (1998), S. 196; Michalski (2002), S. 15; Tähtinen/Halinen (2002), S. 174. Vgl. Halinen/Tähtinen (2002), S. 167 f.
116
Mathews haben den Grad der Freiwilligkeit noch mehr hervorgehoben und zwischen ‚voluntary dissolution’, ‚unilateral involuntary dissolution’ und ‚bilateral involuntary dissolution’ unterscheiden.537 Generell kann festgehalten werden, dass es unterschiedliche Arten oder Typen der Beziehungsbeendigung gibt. Diese können nach Grad der Freiheit (freiwillig, unfreiwillig) und nach Entscheidungsträger (Kunde, Organisation, Beide) unterschieden werden. In Tabelle 6 werden die unterschiedlichen Arten anhand dieser beiden Kriterien tabellarisch aufgelistet und mittels Beispielen verdeutlicht. Tabelle 6:
Arten der Beendigung von Kundenbeziehungen und mögliche Gründe538
Kunde
Unternehmen
Gemeinsam
Freiwillig
Unzufriedenheit Sättigung Wunsch nach Abwechslung …
Hinfälligkeit des Bedarfs Erfüllung der Ziele …
Unfreiwillig
Grad der Freiwilligkeit
Entscheidungsträger/Auslöser der Beziehungsbeendigung
Wohnortwechsel Tod Finanzielle Veränderung Gesundheit …
Konkurs Juristische Probleme …
Konflikt Unrentabel Problemkunden ….
Neue Technologie Verbot des Produktes …
In dieser Arbeit werden nur die freiwilligen und unfreiwilligen kundeninitiierten Beziehungsbeendigungen betrachtet, da diese für 537 538
Vgl. Pressey/Mathews (2003), S. 131. Quelle: eigene Darstellung. 117
die Organisationen die grösste Herausforderung darstellen und das grösste Potenzial beinhalten, da sie gegen ihren Wunsch erfolgen und unter Umständen durch eigenes Agieren beeinflusst werden können.
4.3 Systematisierung von Abwanderungsgründen Eine Reihe von Studien hat sich mit einzelnen Abwanderungsgründen befasst. Dabei handelt es sich vorwiegend um ereignisorientierte Studien, welche die zufriedenheitsbezogenen Abwanderungsgründe untersucht haben.539 Eine sachlogische Systematisierung der komplexen Abwanderungsgründe ist von Vorteil, um deren Vielzahl überschaubar zu machen. Bei der in dieser Arbeit ausführlich dargestellten Systematisierung der Abwanderungsgründe wurde eine Unterteilung der Gründe nach Verursacher in unternehmens-, kunden- und wettbewerbsbezogene vorgenommen.540 Dies gründet auf der Annahme, dass die Bewertung der Leistungen eines Unternehmens immer im Spannungsfeld Kunde, Wettbewerber/Konkurrenz und Unternehmen erfolgt.541 Auf das Fundraising übertragen, handelt es sich um das Spannungsfeld Spender, Organisation und Konkurrenz (siehe Abbildung 9). Unternehmensbezogene Abwanderungsgründe haben ihren Ursprung beim Anbieter und können sich beispielsweise auf eine ungenügende Dienstleistungsqualität oder unzufrieden stellende Interaktionen mit dem Kunden beziehen. Wettbewerbsbezogene Abwanderungsgründe beziehen sich auf die Konkurrenz. Dabei kann Abwanderung beispielsweise durch die Neubewertung eines vergleichsweise attraktiven Angebotes ei539
540 541
Vgl. bspw. Athanassopoulos (2000); Colgate/Hedge (2001); DeSouza (1992); Finkelman/Goland (1990); Higie et al. (1993); Keaveney (1995); Pressey/Mathews (2003). Siehe dazu auch die Übersicht von Michalski (2002), S. 21 f. Vgl. Michalski (2002), S. 42 ff. Vgl. Bruhn (2000), S. 29 ff.; Bruhn (2008), S. 36 f.
118
nes Konkurrenten oder durch aktive Abwerbung (beispielsweise durch Lockangebote) von Mitbewerbern erfolgen. Kundenbezogene Abwanderungsgründe haben ihre Ursache beim Kunden selbst und können dessen berufliches oder privates Umfeld betreffen. Dabei können finanzielle Veränderungen (beispielsweise durch Jobverlust, Stellenwechsel, Pensionierung oder Wertschriftenverluste) einen Einfluss auf das Einkommen oder Vermögen haben, so dass Personen Beziehungen beenden oder neue Anbieter suchen. Auch familiäre Gründe wie die Geburt von Kindern, Heirat oder Scheidung sind möglich, genauso wie persönliche Veränderungen durch beispielsweise Wohnortwechsel, Krankheit oder Tod. Abbildung 9:
Systematisierung der Abwanderungsgründe nach Verursacher542
Auch Veränderungen der Einstellung können die Abwanderung oder den Wechsel bewirken, so beispielsweise durch veränderte Bedürfnisstrukturen oder durch politische oder soziale Einflüsse. 542
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Michalski (2002), S. 43. 119
Kundenbezogene Abwanderungsgründe können trotz Zufriedenheit mit dem Anbieter zur Beziehungsbeendigung führen.543 Auch das Konstrukt des ‚Variety Seeking’, worunter der Wunsch nach Abwechslung verstanden wird, kann zu den kundenbezogenen Abwanderungsgründen gezählt werden.544 Die Zuteilung einzelner Gründe zu den ausgewählten Kategorien ist auch für das Management von Bedeutung und bei der Implikation der Ergebnisse hilfreich. Die Systematisierung der Abwanderungsgründe wird zur Strukturierung der kritischen Ereignisse für die eigene Untersuchung übernommen.
4.4 Theorien zur Abwanderungsforschung Bei den bisherigen Studien zur Beziehungsbeendigung handelt es sich vorwiegend um empirische und weniger um theoretische Studien.545 Der Stand der theoretischen Fundierung der Beziehungsbeendigung ist denn auch eher gering.546 Eine umfassende, akzeptierte Theorie der Beziehungsauflösung existiert bislang nicht.547 Die Abwanderungsforschung nimmt auf unterschiedliche theoretische Ansätze Bezug. Diese Theorieansätze vermögen einzelne Aspekte und Einflussgrössen der Kundenabwanderung zu erklären, greifen allerdings, insbesondere was die Erklärung des Abwanderungsprozesses anbelangt, zu kurz.548 Empirische Studien haben sich auf unterschiedliche theoretische Erklärungsansätze gestützt, die beispielsweise aus den Disziplinen Wirtschaftswissenschaften, Soziologie und Sozialpsychologie stammen.549 Hier sind beispielsweise
543 544 545 546 547 548 549
Vgl. zur Systemantisierung der Abwanderungsgründe Michalski (2002), S. 42 ff. Vgl. zum Konstrukt Variety Seeking Helmig (1997), (1999), (2001). Vgl. dazu bspw. Tähtinen/Halinen (2002), S. 169. Vgl. Michalski (2002), S. 15. Vgl. Halinen/Tähtinen (2002), S. 164; Michalski (2004), S. 979. Vgl. Michalski (2002), S. 15 ff. Vgl. zu den verwendeten theoretischen Ansätzen Tähtinen/Halinen (2002), S. 169 ff.
120
Ansätze der Sozialpsychologie, wie jene von Baxter550 oder Duck551 zu erwähnen,552 die sich mit der Trennung in Partnerschaften, also Personenbeziehungen auseinandersetzen. Aus der Soziologie wird beispielsweise der Ansatz von Simmel,553 der sich mit der Beziehungsbeendigung in sozialen Gruppen beschäftigt, herangezogen.554 Auf ein Konstrukt der Migrationsforschung, also der geographischen Abwanderung von Personen, greifen Bansal et al. zurück.555 Auf diese unterschiedlichen theoretischen Ansätze wird nicht weiter eingegangen da sie – nicht zuletzt durch die grossen Unterschiede bezüglich Untersuchungsgegenstand – für die vorliegende Arbeit keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringen. Die wesentlichen Erkenntnisse empirischer Studien, die auf diesen Ansätzen basieren, werden allerdings für die eigene Untersuchung berücksichtigt (siehe dazu Abschnitt 4.6). Zu den wirtschaftswissenschaftlichen Theorien, die in der Abwanderungsforschung hinzugezogen wurden, gehören unter anderem die Exit-Voice-Loyalty Theorie von Hirschman,556 die Theory of Planned Behavior557 und die Prospect-Theory.558 Hervorzuheben ist sicherlich die Theorie von Hirschman, die besonders im Hinblick auf die Analyse von Einflussfaktoren der Abwanderung eine Vielzahl an Ideen und Ansatzpunkten liefert.559 Deshalb wird diese Theorie gesondert dargestellt. Viele Studien in der Forschung zur Kundenabwanderung basieren auf der Exit550 551 552 553 554 555 556 557
558
559
Vgl. Baxter (1985). Vgl. Duck (1982). Siehe dazu bspw. Hocutt (1998), S. 195 f.; Michalski (2002), S. 34 ff. Vgl. Simmel (1950). Vgl. zu den verwendeten Ansätzen Tähtinen/Halinen (2002), S. 170 ff. Vgl. Bansal et al. (2005). Vgl. Hirschman (1970). Siehe dazu bspw. Bansal/Taylor (1999). Die Theory of Planned Behavior von Ajzen geht davon aus, dass das Verhalten durch Einstellungen und Verhaltensabsichten bestimmt wird, vgl. Ajzen (1985); (1991). Die Prospect Theory ist eine deskriptive Theorie, die versucht Entscheidungen unter Risiko – also Unsicherheit des Outputs – zwischen Alternativen zu beschreiben Vgl. dazu Levy (1997), S. 88 ff.. Zu den theoretischen Ansätzen in der Marketingforschung vgl. Michalski (2002), S. 15 ff. Vgl. dazu Michalski (2004), S. 979. 121
Voice-Loyalty Theorie, was deren Aussagekraft unterstreicht.560 Hirschman geht davon aus, dass unzufriedene Kunden entweder abwandern (Exit) oder widersprechen (Voice). Nach Hirschman ist die Theorie auch für NPO und ihre Mitglieder und nicht nur für den Profit-Bereich geeignet.561 Mehrere Faktoren haben nach Hirschman einen Einfluss darauf, ob es zur Abwanderung kommt oder nicht:562
Der Grad der Verschlechterung der Qualität beeinflusst die Abwanderungswahrscheinlichkeit. Je deutlicher die Qualitätsverschlechterung ausfällt, desto wahrscheinlicher ist die Abwanderung. Die Intensität des Wettbewerbs und die Existenz austauschbarer Alternativen sind für die Abwanderungsentscheidung relevant. Je stärker die Konkurrenz ist, also je eher Alternativen mit attraktiven Angeboten erhältlich sind, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden abwandern. Je höher die Erfolgschancen beim Widerspruch sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden nicht abwandern, sondern widersprechen. Vorhandene Kosten der Abwanderung für die Kunden erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Widerspruchs. Kosten des Widerspruchs erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Abwanderung. Insbesondere bei frei zugänglichen Produkten ist der Widerspruch im Vergleich zur Abwanderung kostspielig. Hohe Austrittskosten verstärken die Aufrechterhaltung der Beziehung und unterdrücken die Abwanderung. Die Anhänglichkeit an eine Organisation, welche Hirschman als Loyalität bezeichnet, kann dazu führen, dass die Abwanderung weniger wahrscheinlich wird. Letztendlich ist die Bedeutung und Bewertung des Produktes durch den Kunden, also die Kundensicht, ebenfalls eine entscheidende Variable. Demnach kann je nach persönlicher Bedeutung des Objektes eine geringe Veränderungen der Leistung zur Abwanderung bzw. zum Widerspruch führen oder eben nicht (Elastizität der Nachfrage im Hinblick auf die Qualität).
Diese Einflussgrössen werden entsprechend auch in der eigenen Untersuchung berücksichtigt. Bei der Theorie von Hirschman ist einschränkend zu bemerken, dass sie sich nur mit der zufrieden560
561 562
Siehe bspw. Alajoutsijärvi et al. (2000); Fornell/Wernerfelt (1987); Michalski (2004); Roos (1999a); Stewart (1998). Vgl. Hirschman (1974), S. 3 f. Vgl. Hirschman (1974), S. 28 ff.; siehe dazu auch Michalski (2004), S. 979.
122
heitsbasierten Abwanderung beschäftigt und keine Aussagen zur Abwanderung zufriedener Kunden zulässt. Darüber hinaus bezieht sie – wie auch die anderen wirtschaftswissenschaftlichen Erklärungsansätze – den Prozess der Kundenabwanderung nicht mit ein.563 Roos ist allerdings zum Schluss gekommen, dass es beim Wechselverhalten in Geschäftsbeziehungen notwendig ist, den Prozess der Abwanderung mit einzubeziehen. Sie hat das TISPOModell entworfen, welches die Natur des Wechselpfades beschreibt. Dabei betrachtet sie die einzelnen miteinander verbundenen Etappen des Wechselpfades: Trigger – Initial State – Process – Outcome. Das TISPO-Modell dient ihr als Leitlinie für ihre empirische Arbeit und sie verweist darauf, dass es sich nicht um ein generelles Modell handelt.564 Aufgrund der empirischen Erkenntnisse hat Roos auf den Prinzipien des TISPO-Modells das Catalytic Switching Model gebildet, welches als allgemeines, branchenunabhängiges Modell betrachtet werden kann.565 Auch Michalski erarbeitete aufbauend auf dem TISPO-Modell ein theoretisches Modell zum Abwanderungsverhalten (das MPT-Modell).566 Gemeinsam an diesen theoretischen Modellen der Abwanderung ist, dass sie versuchen, den Prozess der Abwanderung zu berücksichtigen und diesen in verschiedene Prozess-Phasen unterteilen. Die Unterteilung des Abwanderungsprozesses in die Teilbereiche des TISPOModells wird auch für die eigene Untersuchung übernommen. Dabei handelt es sich auch um die modelltheoretische Grundlage der Switching Path Analysis Technique (SPAT), auf die in Abschnitt 5.6 noch vertieft eingegangen wird.
563 564 565 566
Vgl. Michalski (2002), S. 17. Vgl. Roos (1999a), S. 113. Vgl. Roos (1999a), S. 245 f. Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 284; Michalski (2002), S. 109. 123
4.5 Methodik in der Forschung der Kundenabwanderung Die verwendeten qualitativen und quantitativen Methoden zur Analyse der Kundenabwanderung können in drei Typen von Methoden unterteilt werden, wie aus Tabelle 7 ersichtlich wird. Dabei ist in der Wirtschaftswissenschaft eine Verschiebung von den merkmalsund ereignisorientierten Methoden hin zu den prozessorientierten Analysen festzustellen.567 Tabelle 7:
Strukturierung relevanter Analyseinstrumente der Kundenabwanderung 568
Merkmalsorientierte Methoden
Ereignisorientierte Methoden
Standardisierte Befragung
Critical Incident Technique (CIT)
Einsatz von Kausalanalysen
Sequential Incident Technique (SIT)
Prozessorientierte Methoden Switching Path Analysis Technique (SPAT)
Zu den merkmalsorientierten Methoden gehören standardisierte Befragungen und Kausalanalysen. Im Fokus standardisierter Befragungen steht die Erhebung der Abwanderungsgründe und der Abwanderungsquote, welche mittels vorgegebenen Antwortkategorien ermittelt werden. Standardisierte Analysen haben den Nachteil, dass durch die eher pauschalen Ergebnisse konkrete Managementimplikationen zur Verringerung der Abwanderung nur schwer abzuleiten sind.569 Mit dem Einsatz von Kausalanalysen versucht man, einzelne Konstrukt Zusammenhänge der Beziehungsbeendigung zu überprüfen. Bei sämtlichen merkmalsorientierten Methoden besteht die Schwierigkeit, die einzelnen relevanten Attribute auszuwählen und zu ermitteln. Weil die Antwortkategorien bereits 567 568 569
Vgl. Michalski (2002), S. 18. Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bruhn/Michalski (2008), S. 276. Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 275 f.; Michalski (2002), S. 18.
124
vorgegeben sind, entscheidet letztlich nicht der Kunde darüber, welche Kriterien aus seiner Sicht qualitätsrelevant sind, sondern der Forscher.570 Ereignisorientierte Methoden basieren auf der Annahme, dass einzelne Situationen und Ereignisse im Dienstleistungsprozess besonders qualitätsrelevant sind. Sie haben gegenüber den merkmalsorientierten Verfahren den Vorteil der Eindeutigkeit der Aussagen, weil die befragten Kunden die bedeutsamen Ereignisse in eigenen Worten schildern können.571 Zur Analyse von negativen Ereignissen und Fehlern wird in der Wissenschaft hauptsächlich die Critical Incident Technique (CIT) verwendet.572 Mit der CIT wird meist die Wahrnehmung einer Dienstleistung aus der Sicht der Kunden erforscht, wobei insbesondere die Dienstleistungsqualität und die Kundenzufriedenheit von Interesse sind.573 Meist werden qualitative Interviews durchgeführt, in welchen die Befragten gebeten werden, die gemachten Erfahrungen zu schildern.574 Ereignisorientierte Methoden wie die CIT werden hauptsächlich für die Sammlung und Klassifizierung von einzelnen (kritischen) Ereignissen verwendet und haben den Vorteil, dass damit eindeutige, konkrete und vergleichbare Ergebnisse und Informationen gewonnen werden können.575 Stauss und Weinlich kritisieren, dass die CIT-Studien den Prozesscharakter von Dienstleistungen nicht berücksichtigen und dass sie meist nur aussergewöhnliche Ereignisse, nicht aber unkritische und übliche Ereignisse mit einbeziehen.576 Diese Nachteile versuchen sie durch die Erweiterung der CIT aufzuheben und entwickeln die Sequential Incident Technique (SIT). Dabei wird nicht nur eine Transaktion betrachtet, sondern es werden mehrere Sequenzen der Interaktion sowie unkritische Ereignis570 571 572 573 574 575 576
Vgl. Meffert/Bruhn (2006), S. 333. Vgl. Meffert/Bruhn (2006), S. 333 ff. Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 276.; einen Überblick über die CIT gibt Gremler (2004). Vgl. Gremler (2004), S. 71. Vgl. Gremler (2004), S. 66.; Stauss/Weinlich (1997), S. 35. Vgl. Gremler (2004), S. 66 ff.; Stauss/Weinlich (1997), S. 35 f. Vgl. Stauss/Weinlich (1997), S. 37 f. 125
se in das Studiendesign einbezogen.577 Damit kann eine grössere Anzahl von Abwanderungsgründen analysiert werden. Der Gesamtzusammenhang der Kundenabwanderung kann aber mit der SIT nicht analysiert und abgebildet werden.578 Der Hauptkritikpunkt gegenüber merkmals- und ereignisorientierter Methoden in der Abwanderungsforschung liegt im Vernachlässigen des Prozesscharakters, welcher dem Abwanderungsverhalten von Konsumenten attestiert wird.579 Im prozessorientierten Ansatz wird letztendlich versucht, den gesamten Abwanderungsprozess abzubilden, was mittels Switching Path Analysis Technique (SPAT) erreicht wird. Die SPAT, welche von Roos entwickelt wurde, ist ebenfalls eine methodische Weiterentwicklung der CIT.580 Bei der SPAT stehen aber nicht einzelne Transaktionen, sondern die Beziehungsperspektive im Vordergrund. Zielsetzung ist es, den gesamten Abwanderungsprozess – von einem bestimmten Auslöser über mehrere Phasen bis hin zur Kündigungssituation und der Wahl eines neuen Anbieters – abzubilden.581 Zum besseren Verständnis der Prozesse, die hinter der freiwilligen Abwanderung stehen, eignen sich dabei Interviews mit möglichst offener Fragestellung und wenig Steuerung durch den Interviewer. Bei der Verwendung der SPAT werden üblicherweise leitfadengesteuerte Interviews in erzählender Form durchgeführt.582 Die SPAT betrachtet das Verhalten der Kunden als Konsequenz kritischer Ereignisse innerhalb einer Beziehung unter der Berücksichtigung des Umfeldes.583
577 578 579
580
581 582
583
Vgl. Stauss/Weinlich (1997), S. 37 f. Stauss (2000), S. 331 f. Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 276 f.; Michalski (2002), S. 19. Vgl. dazu Keaveney (1995), S. 80; Michalski (2002), S. 18 ff.; Roos (1999a), S. 111 ff.; Stauss/Weinlich (1997), S. 33 ff.; Tähtinen/Halinen (2002), S. 184. Vgl. zur SPAT Roos (1999a), 127 ff., (1999b), S. 70 ff., (2002), S. 175 ff.; Roos et al. (2004), S. 257 ff. Vgl. Meffert/Bruhn (2006), S. 337.; Michalski (2004), S. 982 ff. Vgl. Michalski (2002), S. 94 ff.; Roos (1999a), S. 132, (1999b), S. 70 ff. Entspricht am ehesten dem Fokussierten Interview, vgl. dazu Lamnek (2005), S. 368 ff. Vgl. Roos (2002), S. 195 ff.
126
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Verschiebung von ereignisorientierten zu prozessorientierten Methoden feststellbar ist. Grund für die vermehrte Verwendung prozessorientierter Studien ist die Erkenntnis, dass Beziehungsbeendigungen komplexe, dynamische Abläufe sind. Damit sind statische Untersuchungen und isolierte Betrachtungen von Abwanderungsgründen unzureichend. Für die eigene empirische Arbeit wird demzufolge auch eine prozessorientierte Methode verwendet, worauf im nächsten Kapitel ausführlich eingegangen wird.
4.6 Erkenntnisse aus merkmals- und ereignisbezogenen Studien Die Beendigung von Kundenbeziehungen wird von einer Vielzahl von Erklärungsdeterminanten beeinflusst.584 Nebst den bereits aufgeführten theoretischen Erkenntnissen leistet insbesondere auch die empirische Abwanderungsforschung einen Beitrag zur Erklärung der Abwanderung. In diesem Abschnitt werden die zentralen interdependenten Determinanten der Abwanderung zusammengetragen, welche in merkmals- und ereignisorientierten Studien identifiziert wurden. Dabei werden die Einflussgrössen Qualität, Zufriedenheit, Commitment und Vertrauen ausführlich besprochen. und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Konstrukten analysiert (Abschnitte 4.6.1, 4.6.2, 4.6.3). Anschliessend werden die spezifischen Erkenntnisse prozessorientierter Studien diskutiert (Abschnitt 4.7). 4.6.1 Qualität und Zufriedenheit als Determinanten der Abwanderung Bereits durch die Exit-Voice-Loyalty-Theorie von Hirschman585 wurde die zentrale Bedeutung der Zufriedenheit für die Abwande584 585
Vgl. Beloucif et al. (2006), S. 43; Michalski (2002), S. 42. Vgl. Hirschman (1970), (1974), siehe dazu auch Abschnitt 4.4. 127
rung aufgezeigt. Dabei führt eine Qualitätsverschlechterung zu Unzufriedenheit und folglich zu Abwanderung (exit) oder Widerspruch (voice). Die Annahme des Zusammenhangs einerseits von Dienstleistungsqualität und Zufriedenheit und andererseits von Zufriedenheit und erhöhter Abwanderungswahrscheinlichkeit hat in der Forschung viel Aufmerksamkeit erhalten. Da die Zufriedenheit stark von der wahrgenommenen Qualität abhängt, werden diese beiden Einflussgrössen gemeinsam betrachtet. Als Ausgangslage zufriedenheitsbasierter Abwanderung kann jeweils die Bewertung der Dienstleistungsqualität aus Kundensicht betrachtet werden. Angespornt durch die Arbeit von Parasuraman et al. hat die Dienstleistungsqualität in der Forschung erhebliche Beachtung gefunden. In ihrem Modell haben sie die wesentlichen Determinanten der Dienstleistungsqualität aus Kundensicht definiert.586 Die kundenbezogene Qualität wird durch die subjektive Wahrnehmung der Kunden bestimmt587 und ist von zentraler Bedeutung für das Dienstleistungs-Marketing,588 da eine mangelhafte Dienstleistungsqualität die Abwanderung der Kunden zur Folge haben kann.589 Die Ursachen ungenügender Qualität sind dabei hauptsächlich in Fehlern bei Kernleistungen und Interaktionen zu suchen.590 Die wahrgenommene Qualität ist eng verbunden mit der und ausschlaggebend für die Zufriedenheit, wie bereits bei Hirschman’s Theorie aufgezeigt wurde.591 Der Begriff der Kundenzufriedenheit wurde in der Literatur nicht einheitlich definiert. Sämtliche Definitionen gehen aber von einem so genannten Soll-Ist-Vergleich aus.592 Dies deutet darauf 586
587 588 589 590 591 592
Vgl. Parasuraman et al. (1985), S. 46 ff. Die zehn identifizierten Einflussgrössen auf die Dienstleistungsqualität sind: Betriebszuverlässigkeit, Ansprechbarkeit/Angemessene Reaktion, Kompetenz, Erreichbarkeit, Zuvorkommendheit, geeignete Kommunikation, Glaubwürdigkeit, Sicherheit, Verständnis, Sichtbarmachung der Leistung. Zum kundenbezogenen Qualitätsbegriff vgl. Bruhn (2008), S. 34 f. Vgl. Bruhn (2008), S. 129. Vgl. Hirschman (1974), S. 28 ff. Vgl. Michalski (2002), S. 47 f. Vgl. Hirschman (1974), S. 28 ff. Zu den verschiedenen Definitionen der Zufriedenheit vgl. Mentzel (2003), S. 61 f.
128
hin, dass das Confirmation/Disconfirmation-Paradigma (C/DParadigma) als Basismodell der Kundenzufriedenheit betrachtet werden kann. Zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen Dienstleistungsqualität und Zufriedenheit kann ebenfalls das C/DParadigma herangezogen werden. Gemäss C/D-Paradigma vergleichen Kunden die tatsächlich erhaltene Leistung (subjektiv wahrgenommene Qualität) mit der erwarteten Leistung. Werden die Erwartungen erfüllt, entsteht Zufriedenheit. Kommt es zu einer negativen Diskrepanz zwischen Erwartungen und tatsächlichen Leistungen, entsteht Unzufriedenheit.593 Die comparison-level Theorie594 versucht ebenfalls, das Zustandekommen von Zufriedenheit zu erklären. Dabei werden Erwartungen zusätzlich durch frühere Erfahrungen und Vergleichsmöglichkeiten (bspw. alternative Anbieter) beeinflusst.595 Die Erwartungen befinden sich dabei innerhalb einer Toleranzzone von gewünschter bis akzeptabler Leistung, welche zur Zufriedenheit führen.596 Die Zufriedenheit hängt somit von der wahrgenommenen Qualität und den Erwartungen ab, wobei letztere durch Erfahrungen und Vergleichswerte beeinflusst werden.597 Zahlreiche Studien haben sich mit der Wirkung der beeinflussenden Variablen (Dienstleistungs-) Qualität und Zufriedenheit auf die Wechselabsichten beschäftigt.598 Dabei konnte ein positiver Einfluss der Dienstleistungsqualität auf die Zufriedenheit599 sowie auf die Verhaltensabsichten (bleiben/abwandern) festgestellt werden.600 Auch ein positiver Zusammenhang zwischen der Zufrie593
594 595 596 597 598
599 600
Vgl. dazu das Modell von Oliver (1980), S. 460 ff.; zum C/D-Paradigma vgl. auch Mentzel (2003), S. 63 ff. Vgl. Thibaut/Kelley (1959), S. 21. Vgl. zur theoretischen Fundierung des Konstrukts Zufriedenheit Ganesh et al. (2000), S. 66 ff. Vgl. Zeithaml et al. (1996), S. 34 ff. Zu den Bestimmungsgrössen der Zufriedenheit siehe auch Szymanki/Henard (2001), S. 17 f. Vgl. Anderson et al. (1994); Caruana (2002); Chiou/Droge (2006); Mittal/Lassar (1998); Reichheld/Sasser (1990); Taylor/Baker (1994); Zeithaml et al. (1996) vgl. dazu auch Keaveney/Parthasarathy (2001), S. 375; Verhoef et al. (2007), S. 108 ff. Vgl. Anderson et al. (1994), S. 53 ff.; Bansal (1997), S. 135. Vgl. Boulding et al. (1993), S. 7 ff.; Zeithaml et al. (1996), S. 31 ff. 129
denheit und den Verhaltensabsichten konnte beobachtet werden.601 Caruana sowie Taylor und Baker haben in ihren Studien die Kundenzufriedenheit als moderierende Variable betrachtet und ebenfalls einen positiven Zusammenhang der drei Konstrukte Qualität, Zufriedenheit und Verhaltensabsichten festgestellt.602 Dass ein Zusammenhang zwischen der Kundenzufriedenheit und der Abwanderungswahrscheinlichkeit besteht, haben letztlich mehrere empirische Studien aufgezeigt. Der Zusammenhang wurde allerdings unterschiedlich stark und vielfach nur in geringem Ausmass festgestellt. Grund dafür dürften weitere Einflussgrössen auf die Abwanderungswahrscheinlichkeit wie Persönlichkeitsmerkmale von Kunden und Umwelteinflüsse sein. Dies verdeutlicht, dass die Kundenabwanderung kontextabhängig ist und Ergebnisse spezifischer Studien nicht ohne weiteres auf andere Branchen und Bereiche übertragen werden können. Bei der Zufriedenheit herrscht in der Forschung eine messtechnische Unklarheit darüber, ob Zufriedenheit und Unzufriedenheit gegenüberliegende Pole eines Konstrukts oder eigenständige Konstrukte darstellen.603 Die Problematik der Definition von Unzufriedenheit führt dazu, dass der Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Loyalität nicht zwangsläufig dazu führt, dass Unzufriedenheit und Abwanderung ebenfalls zusammenhängen. Dies kann je nach Messverfahren unterschiedlich sein, je nachdem ob es sich um zwei Ausprägungen eines Konstrukts (geringe Ausprägung von Zufriedenheit entspricht Unzufriedenheit) oder um zwei eigenständige Konstrukte handelt.604 Mittal und Lassar kommen beispielsweise zum Ergebnis, dass Unzufriedenheit beinahe immer zur Ab-
601 602 603
604
Vgl. Chandrashekaran et al. (2007), S. 53 ff. Vgl. Caruana (2002), S. 811 ff.; Taylor/Baker (1994), S. 163 ff. Zur Konzeptionalisierung und Operationalisierung von Zufriedenheit und Unzufriedenheit vgl. Babin/Griffin (1998), S. 128 ff.; siehe auch Michalski (2002), S. 59. Vgl. dazu Michalski (2002), S. 58 ff.
130
wanderung führt, Zufriedenheit aber keinesfalls Loyalität garantiert.605 In Tabelle 8 werden die Zufriedenheit und das Abwanderungsverhalten gegenübergestellt, um den Zusammenhang dieser zwei Grössen zu verdeutlichen.
Zufriedenheit
Tabelle 8:
Zufriedenheit und Abwanderung606 Verhalten Treue
Abwanderung
zufrieden
1) zufriedene Kunden
2) zufriedene Abwanderer
unzufrieden
3) unzufriedene Kunden
4) unzufriedene Abwanderer
Wäre das Abwanderungsverhalten alleine durch die Zufriedenheit bestimmt, würden sich sämtliche Kunden in den Feldern 1) und 4) befinden, da zufriedene Kunden treu bleiben und unzufriedene abwandern würden. Wie festgestellt wurde, gibt es aber Kunden, die unzufrieden sind und trotzdem nicht abwandern und zufriedene Kunden, die abwandern.607 Nach Reichheld sind so beispielsweise 60-80 % der ehemaligen Kunden mit dem früheren Anbieter zufrieden oder sehr zufrieden.608 Ursachen für das Abwandern trotz Zufriedenheit liegen beim Kunden selbst (Wunsch nach Abwechslung oder Sättigung) und bei alternativen Anbietern (attraktive Angebote, Lockangebote). Die Gruppe von untreuen Kunden, die zufrieden sind, nennen Jones und Sasser ‚Söldner’ und sprechen davon, dass diese vielfach tiefen Preisen oder Trends nachjagen oder dass es sich um Impulsivkäufer oder ‚Variety Seeker’ handelt.609 605 606 607
608 609
Vgl. Mittal/Lassar (1998), S. 191. Quelle: eigene Darstellung. Vgl. Ganesh et al. (2000), S. 65 ff.; Reichheld (1993), S. 71; Stewart (1998), S. 239 ff.; Strandvik/Holmlund (2000), S. 4; siehe dazu auch Henning-Thurau/Klee (1997), S. 739 f. Vgl. Reichheld (1996a), S. 59. Vgl. Jones/Sasser (1995), S. 97. 131
Hauptgrund, weshalb unzufriedene Kunden nicht abwandern, sind sicherlich Wechselkosten und -barrieren, welche ihren Ursprung beim Anbieter (vertragliche Bindung, Investitionen, Treueprämien), beim Kunden (Commitment, Involvement), aber auch bei den Konkurrenten (d.h., Fehlen valabler Alternativen) haben können.610 Jones und Sasser sprechen bei unzufriedenen Kunden, die treu bleiben von ‚Geiseln’ und verweisen darauf, dass auch diese zufrieden gestellt werden sollten.611 Die meisten empirischen Studien, welche sich mit zufriedenheitsbasierter Abwanderung beschäftigen, beziehen sich auf Kaufabsichten und Wechselabsichten und nicht auf das tatsächliche Verhalten. Absichten sind aber nur dort als Indikatoren zu betrachten, wo ein tatsächlicher Entscheidprozess stattfindet. Ausserdem wurde in der Forschung bereits aufgezeigt, dass Absichten und tatsächliches Verhalten nicht übereinstimmen müssen und deshalb die Betrachtung von Absichten an Stelle von tatsächlichem Verhalten fragwürdig ist.612 Betrachtet man die Studien von Bansal und Taylor wie auch von Bansal et al., bei welchen sowohl die Wechselabsichten als auch das Wechselverhalten berücksichtig wurden, zeigt sich, dass durchaus ein Zusammenhang zwischen den Absichten und dem Verhalten existiert. Aufgrund der Pfadkoeffizienten von 0.26 und 0.84 zeigt sich aber, dass der Zusammenhang stark variieren und unter Umständen nur sehr schwach sein kann.613 HenningThurau und Klee erwähnen, dass die wenigen Studien, die sich effektiv auf Kaufdaten beziehen, nur einen schwachen bis gar inexistenten Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und der Aufrechterhaltung von Beziehungen gemessen haben.614 Entsprechend sollten bei der Abwanderungsforschung nach Möglichkeit 610
611 612
613 614
Zu einer Übersicht zu den Kundenreaktionen auf Unzufriedenheit, insbesondere zur Aufrechterhaltung der Beziehung trotz Unzufriedenheit vgl. Ligas/Coulter (2000), S. 258 ff. Vgl. Jones/Sasser (1995), S. 97. Zur Kritik an der Verwendung von Kaufabsichten vgl. Henning-Thurau/Klee (1997), S. 739; Keaveney (1995), S. 71 f.; Stewart (1998), S. 239; Tähtinen/Halinen (2002), S. 184. Vgl. Bansal/Taylor (1999), S. 212; Bansal et al. (2005), S. 101. Vgl. Henning-Thurau/Klee (1997), S. 739.
132
nicht Verhaltensabsichten, sondern tatsächliches Verhalten beobachtet werden. Die Zufriedenheit ist eine der bedeutendsten Einflussgrössen und besonders auch für das Marketing relevant. Die Abwanderungsgründe wegen mangelhafter Dienstleistungsqualität und Unzufriedenheit sind meist unternehmensbezogen615 und bieten dementsprechend Potenzial für Management-Massnahmen. Wie sich gezeigt hat, wirken allerdings mehrere Einflussgrössen auf die Abwanderungswahrscheinlichkeit, die dazu führen, dass der Grad der Zufriedenheit oft nur einen geringen Einfluss auf die Abwanderungshäufigkeit hat. Aus Anbietersicht sind dabei besonders die Wechselkosten hervorzuheben.616 Aus Kundensicht sind persönliche Einstellungen oder Wahrnehmungen wie das Commitment (siehe dazu Abschnitt 4.6.2), der Wunsch nach Abwechslung617, das Sättigungsempfinden618 oder generelle Einstellungen zum Wechseln619 zu erwähnen. Letztlich ist oft auch der Einfluss der Konkurrenz ausschlaggebend, welcher den Wechsel fördert oder beim Ausbleiben von Konkurrenten verunmöglicht.620 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Zufriedenheit sicherlich eine wichtige Determinante im Hinblick auf die Abwanderung darstellt, dass eine alleinige Betrachtung der Zufriedenheit aber unzureichend ist.
615 616
617
618 619 620
Vgl. dazu Michalski (2002), S. 47. Zum Einfluss der Wechselkosten auf die Abwanderungswahrscheinlichkeit vgl. auch Bansal/Taylor (1999), S. 201 ff.; Bansal et al. (2005), S. 96 ff.; Burnham et al. (2003), S. 109 ff.; Colgate/Hedge (2001), S. 213 ff.; Fullerton (2003), S. 333 ff. Zum Einfluss des Variety Seekings auf das Konsumentenverhalten vgl. bspw. Chintagunta (1998); Helmig (1997); McAlister/Pessemier (1982); Meixner (2005); Ratner et al. (1999); Van Trijp et al. (1996). Zur Sättigung vgl. McAlister (1982). Zur Einstellung gegenüber dem Wechseln vgl. Bansal/Taylor (1999). Vgl. bspw. Stewart (1998), S. 240 f. 133
4.6.2 Commitment und Vertrauen als Determinanten der Abwanderung Auf der Erkenntnis, dass zwischen der Zufriedenheit und der Aufrechterhaltung einer Beziehung oft nur ein schwacher Zusammenhang gemessen werden konnte, haben Henning-Thurau und Klee ein Modell entwickelt, bei welchem zusätzlich die Beziehungsqualität als moderierende Variable betrachtet wird. Die Beziehungsqualität ist dabei ein dreidimensionales Konstrukt, welches aus der vom Kunden wahrgenommenen Qualität, dem Vertrauen und dem Commitment mit der Beziehung besteht.621 Dabei beziehen sie sich unter anderem auf die Commitment-Trust Theorie von Morgan und Hunt, welche die Grössen Relationship-Commitment und Trust (Vertrauen) als zentrale Schlüsselgrössen für erfolgreiches Relationship Marketing betrachten.622 Diese beiden Grössen und deren Zusammenhang mit der Abwanderungswahrscheinlichkeit wurden in mehreren empirischen Studien untersucht.623 Commitment ist ein komplexes Konstrukt mit zumindest einer affektiven und einer fortdauernden Komponente. Über die exakte Natur des Konstrukts Commitment ist man sich aber nicht einig, was eventuell auch der Kontextabhängigkeit zugeschrieben werden kann.624 Einige Autoren haben sich nur auf die affektive Komponente bezogen, welche auch als andauernder Wunsch in einer Beziehung zu verbleiben betrachtet werden kann.625 Personen, die ein starkes affektives Commitment haben, identifizieren sich mit, sind involviert in und geniessen die Zugehörigkeit zu einer Organisation.626 Affektives Commitment basiert auf der Identifikation, ge621
622
623
624 625 626
Vgl. Henning-Thurau/Klee (1997), S. 758. Zur Relationship Quality vgl. auch Shabbir et al. (2007), S. 273 f. Vgl. Henning-Thurau/Klee (1997), S. 751; Morgan/Hunt (1994), S. 22; zur Bedeutung der Konstrukte Trust und Commitment in Kunden-Anbieter-Beziehungen siehe auch Dwyer et al. (1987), S. 22 f. Siehe dazu Fullerton (2003); Garbarino/Johnson (1999); Hennig-Thurau (2002); Hocutt (1998); Ulaga/Eggert (2006). Vgl. Fullerton (2003), S. 334 ff. Vgl. bspw. Moorman et al. (1992), S. 316; Morgan/Hunt (1994), S. 23. Vgl. Allen/Meyer (1990), S. 2.
134
meinsamen Werten, Ähnlichkeit oder einer gefühlten Zugehörigkeit.627 Unter dem fortdauernden (continuance) Commitment kann das „sich gebunden fühlen“ verstanden werden. Diese gefühlte Abhängigkeit kann beispielsweise aufgrund von Wechselkosten, fehlender Alternativen oder Investitionen wie Treueprämien, die nicht ohne weiteres bei einem Wechsel ersetzt werden können, entstehen.628 Letztlich können auch die getätigten Investitionen in eine Beziehung und die Zufriedenheit mit dem Anbieter als Determinanten des Commitment betrachtet werden.629 Einige Autoren haben eine dritte Komponente des Commitment identifiziert, das normative Commitment. Dieses kann als gefühlte Verpflichtung, einer Organisation treu zu bleiben, betrachtet werden.630 Oft wird allerdings die Zwei-Komponenten-Sichtweise vertreten.631 Mehrere Studien konnten einen positiven Zusammenhang von Commitment und der Aufrechterhaltung der Beziehung bestätigen. Personen, die sich mit einer Organisation verbunden fühlen, haben eine geringere Abwanderungswahrscheinlichkeit als jene, die sich nicht verbunden fühlen.632 Hierzu muss ergänzt werden, dass die Konstrukte Commitment und Loyalität miteinander zusammenhängen. Einige Autoren verwenden die Begriffe Loyalität und Commitment gar synonym. Betrachtet man Loyalität rein handlungsbezogen, kann es mit dem Wiederkauf von Leistungen gleichgesetzt werden. Dabei kann ein Wiederkauf erfolgen, weil dies vom Kunden erwünscht wird oder weil es notwendig ist. Commitment ist demnach ein Teil des Konstrukts Loyalität, der auf dem Wunsch des Kunden basiert.633
627 628 629 630 631
632 633
Vgl. Fullerton (2003), S. 334. Vgl. dazu Fullerton (2003), S. 335. Vgl. Hocutt (1998), S. 189 ff. Siehe bspw. Allen/Meyer (1990); Meyer et al. (2002). Zu einem Überblick zum Konstrukt Commitment vgl. auch Fullerton (2003), S. 334 f.; Sargeant/Woodliffe (2005), 62 f. Vgl. Fullerton (2003), S. 341.; Henning-Thurau/Klee (1997), S. 240 ff. Vgl. dazu Mentzel (2003), S. 83 ff. 135
Vertrauen wird genauso wie Commitment auch als Schlüsselgrösse der Kundenbindung und -abwanderung betrachtet und dementsprechend in theoretischen und empirischen Arbeiten ausgewiesen.634 Das Vertrauen entsteht durch Zuverlässigkeit, Integrität und Glaubwürdigkeit des Partners. Vertrauen kann als Glaube an die Zuverlässigkeit des Partners und die Wahrnehmung und Erfüllung seiner Verpflichtungen in der Beziehung betrachtet werden.635 Vertrauen und Commitment sind voneinander abhängige Variablen, denn das Vertrauen beeinflusst das Commitment.636 Auf der einen Seite ist Vertrauen notwendig, um sich überhaupt verbunden fühlen zu können, also eine Voraussetzung für affektives Commitment. Auf der anderen Seite entsteht durch aufgebautes Vertrauen eine Abhängigkeit, welche als fortdauerndes Commitment, also das „sich gebunden fühlen“ betrachtet werden kann. Dementsprechend kann Vertrauen als direkte Einflussvariable auf das Commitment betrachtet werden.637 Der Zusammenhang zwischen Vertrauen und Commitment konnte denn auch in empirischen Arbeiten gemessen und somit bestätigt werden.638 Vertrauen und Commitment sind für die Beziehungsqualität von zentraler Bedeutung. Damit sind sie auch wichtige Einflussfaktoren auf die Abwanderungswahrscheinlichkeit. Es hat sich aber gezeigt, dass diese Variablen interdependent sind und auch mit anderen Einflussgrössen, wie der Zufriedenheit, der wahrgenommenen Leistungsqualität usw. in Zusammenhang stehen. 4.6.3 Personen- und umweltbezogene Determinanten Neben den vermeintlich wichtigsten und daher explizit aufgeführten Determinanten Qualität, Zufriedenheit, Commitment und Ver634
635 636 637 638
Siehe bspw. Bendapudi/Berry (1997); Chiou/Droge (2006); Hennig-Thurau (2002); HennigThurau/Klee (1997); Hocutt (1998); Morgan/Hunt (1994). Zu Definitionen von Vertrauen vgl. Hocutt (1998), S. 192; Morgan/Hunt (1994), S. 23. Vgl. Hennig-Thurau (2002), S. 234; Hocutt (1998), S. 192. Vgl. dazu Hocutt (1998), S. 192. Vgl. bspw. Morgan/Hunt (1994), S. 29 ff.; Ulaga/Eggert (2006), S. 319 ff.
136
trauen existiert eine Reihe weiterer möglicher Einflussgrössen auf die Abwanderungswahrscheinlichkeit. Dies wird bereits durch den teilweise nur geringen Erklärungsgrad der empirisch getesteten Abwanderungs-Modelle suggeriert, bei denen meist nur schwache Zusammenhänge der einzelnen Faktoren gemessen wurden.639 Dies lässt darauf schliessen, dass andere, nicht im Modell erfasste Einflussgrössen ebenfalls massgeblichen Einfluss auf die Abwanderungswahrscheinlichkeit haben. Die besprochenen Determinanten sind stark vom Anbieter und dessen Leistungen abhängig. Darüber hinaus können weiter auch personenbezogene und konkurrenzbezogene Determinanten einen Einfluss auf die Abwanderungswahrscheinlichkeit haben. So haben beispielsweise Bansal et al. in ihrem Modell auch Einstellungen und Konkurrenzangebote als Einflussgrössen auf die Abwanderungswahrscheinlichkeit mitberücksichtigt. Ziel ihres erarbeiteten Ansatzes war das Verständnis der Einflussfaktoren des Wechselverhaltens. Sie haben sämtliche betrachteten Einflussgrössen in drei Kategorien ‚Push’, ‚Mooring’ und ‚Pull Effects’ unterteilt (siehe Abbildung 10).640 Die PushEffekte sind Faktoren, die Menschen dazu bewegen eine Beziehung zu beenden und von einem Anbieter abzuwandern. PushFaktoren beziehen sich hauptsächlich auf die wahrgenommene Beziehungsqualität des Kunden, womit die Leistungsqualität, das Vertrauen und das Commitment verbunden sind (siehe dazu die oben aufgeführten Determinanten).641 Pull-Effekte sind wie die Push-Effekte nicht durch Personencharakteristika gekennzeichnet. Bei den Pull-Effekten handelt es sich um positive Aspekte, die Kunden zu einem neuen Anbieter hinziehen und somit um wettbewerbsbezogene Faktoren, die von den Konkurrenzangeboten ausgehen.642 Ein Push-Pull-Modell wird der Komplexität der Abwanderung nicht gerecht, da auch bei stark ausgeprägten Push- und 639 640 641 642
Vgl. bspw. Hennig-Thurau (2002), S. 240; Ulaga/Eggert (2006), S. 322. Vgl. Bansal et al. (2005), S. 101. Vgl. Bansal et al. (2005), S. 100; Roos (1999a), S. 132. Vgl. Bansal et al. (2005), S. 100. 137
Pull-Faktoren teilweise keine Abwanderung stattfindet. Deshalb werden zusätzlich noch die Mooring-Effekte betrachtet. Diese sind gewöhnlicherweise personenspezifisch. Hierbei handelt es sich um Personencharakteristika wie Neigungen, Einstellungen und Normen, die nicht nur direkt einen Einfluss auf die Wechselwahrscheinlichkeit haben, sondern auch als moderierende Variablen der Push und Pull Einflüsse wirken können. Die Mooring-Effekte wirken demnach auch als Verstärker oder Dämpfer von Push- und Pull-Faktoren.643 Bansal et al. kommen zum Schluss, dass Dienstleistungswechsel weniger durch anbieter- und leistungsbezogene Einflussgrössen, sondern durch konkurrenz- und kundenbezogene Faktoren zustande kommen. Sie weisen darauf hin, dass im Dienstleistungssektor die Alternativen/Konkurrenten und die persönlichen und sozialen Faktoren eine grössere Rolle spielen als die Bewertung der bestehenden Anbieter.644 Nicht die anbieterbezogenen Push-Variablen welche durch die Evaluation und Bewertung der Leistungen durch die Kunden und ihre Erfahrungen zustande kommen haben den stärksten Einfluss, sondern die Konkurrenzangebote und persönliche und soziale Faktoren.645 In der Abbildung 10 werden die verschiedenen Einflussgrössen auf das Abwanderungsverhalten systematisch aufgeführt. Das PPM-Modell (Push-Pull-Mooring) soll ein geeignetes Instrument zur Aufzeichnung der Kundenbewegung sein.646 Zumindest wird eine Grosszahl der in der Literatur aufgeführten Einflussgrössen der Abwanderung im Modell einbezogen. Positiv zu bewerten ist auch der explizite Einbezug von personenbezogenen und umweltbezogenen Einflussfaktoren.
643
644 645 646
Vgl. Bansal et al. (2005), S. 102 f.; zu Verstärker- und Dämpfeffekten vgl. auch Roos (1999b), S. 74 f. Vgl. Bansal et al. (2005), S. 96 ff. Vgl. Bansal et al. (2005), S. 112. Vgl. Bansal et al. (2005), S. 96 ff.
138
Abbildung 10: Das Push-Pull-Mooring Modell für Dienstleistungswechsel647 Tiefe Zufriedenheit Schlechte wahrgenommene Effizienz
Tiefe Bindung
Anbieterbezogene Effekte
Tiefes Vertrauen
Hohe Wechselkosten Ungünstige subjektive Normen Ungünstige Einstellung zum Wechseln
Personenbezogene Effekte
Abwanderungsabsicht
Abwanderungsverhalten
Tiefes Varietey Seeking Wenig Wechselerfahrungen
Attraktivität der Alternativen
Umweltbezogene Effekte
Als Kritikpunkt am Modell von Bansal et al. kann angefügt werden, dass bei dieser kausalanalytischen Betrachtung der Prozess der 647
Quelle: Bansal et al. (2005), S. 101. 139
Abwanderung nicht explizit mit einbezogen wird. Der Prozess sollte allerdings mitberücksichtigt werden, da statische Abwanderungsbetrachtungen in der Literatur oft als unzureichend bezeichnet werden und die Prozesssichtweise propagiert wird.648
4.7 Erkenntnisse aus prozessbezogenen Studien In den letzten Jahren ist eine Verschiebung weg von der Analyse der Abwanderungsgründe hin zu prozessorientierten Untersuchungen der Abwanderung zu erkennen, was sicherlich auf die Etablierung der SPAT zurückzuführen ist.649 So wurden seit 1999 bereits eine Vielzahl an prozessorientierten Abwanderungsanalysen durchgeführt650, wovon die für die vorliegende Arbeit bedeutendsten kurz besprochen werden. Ausschlaggebend für die Verschiebung in Richtung prozessbezogenen Studien war auch die Arbeit von Keaveney, welche branchenübergreifend kritische Ereignisse erfasst hat, die zum Wechsel des Dienstleistungsanbieters geführt haben.651 Sie hat weiter zwischen einfachem und komplexem Wechseln unterschieden, wobei es sich in 55 % der Fälle der Wechselereignisse um komplexe gehandelt hat. Als komplex werden dabei jene Wechselsituationen bezeichnet, die aus mehr als einem Grund zustande gekommen sind.652 Die hohe Prozentzahl an komplexen Wechselsituationen deutet darauf hin, dass es schwierig ist, das Abwanderungsverhalten alleine durch die Betrachtung der Abwanderungsgründe zu erklären. Keaveney schlägt deshalb auch vor, den Abwanderungsprozess zu berücksichtigen.653
648 649 650
651 652 653
Vgl. dazu Strandvik/Holmlund (2000); Tähtinen/Halinen (2002), S. 183 f. Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 277. Für eine Übersicht der prozessorientierten Abwanderungsanalysen vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 277 f. Vgl. Keaveney (1995), S. 71 ff. Vgl. Keaveney (1995), S. 78. Vgl. Keaveney (1995), S. 81.
140
Bei den prozessbezogenen Studien besonders hervorzuheben ist sicherlich die Dissertation von Roos, in welcher sie die SPAT entwickelt hat.654 Sie hat dabei das Wechselverhalten bei Supermärkten untersucht. Die SPAT basiert auf dem TISPO-Modell (siehe dazu auch 4.4) bei dem die vier Phasen – Auslöser, Ausgangssituation, Prozess und Ergebnis – der Abwanderung betrachtet werden. Bei der Prozessphase wurden insbesondere kritische Ereignisse oder Wechselgründe erfasst. Sie hat herausgefunden, dass im Abwanderungsprozess bei Supermärkten Aspekte der Leistungsqualität den grössten Einfluss haben. Sie hat zudem auch Emotionen und Beschwerden als Prozessdeterminanten des Wechselverhaltens berücksichtigt. Wichtigster Faktor der Ausgangssituation ist in ihrer Studie die Länge der Beziehung, die sich sowohl auf den Prozess als auch das Ergebnis auswirkt. Auslöser, Beziehungsdauer und Prozessfaktoren beeinflussen letztlich das Ergebnis der Abwanderung. Beim Ergebnis ist einerseits die Länge des Abwanderungsprozesses zu berücksichtigen und andererseits zwischen unwiderruflicher und reparabler Abwanderung zu differenziert.655 Eine weitere Arbeit, welche sich auf die SPAT bezieht, ist jene von und Roos et al.656 Roos et al. haben das Wechselverhalten in fünf verschiedenen Dienstleistungsbranchen untersucht und verglichen. Dabei haben sie den Ausdruck „Energy Level“ eingeführt. Das Energy Level ist eine spezielle Kombination von bestimmten Auslösern und spezifischen Wechselgründen in einer betrachteten Branche.657 Je nach Energy Level wird das Ergebnis (totale Abwanderung, partielle Abwanderung oder Verhaltensänderung) bestimmen. Entsprechend kommen sie zum Schluss, dass die Abwanderungsprozesse branchenabhängig sind und Wechselkosten oder -barrieren sowie die Existenz möglicher Alternativen (Kon654 655 656 657
Vgl. Roos (1999a). Zu den Ergebnissen der Studie vgl. Roos (1999a), S. 144 ff.; Roos (1999b), S. 73 ff. Vgl. Roos et al. (2004). Vgl. Roos et al. (2004), S. 258. 141
kurrenz) einen Einfluss auf das „Energy Level“ und dementsprechend das Abwanderungsverhalten haben.658 Michalski hat mittels SPAT die Kundenabwanderung bei Banken untersucht und aufgrund der empirischen Ergebnisse sechs Typen von Abwanderungsprozessen identifiziert.659
Reaktive Abwanderung: Durch eine Veränderung im Umfeld des Kunden oder eines Wettbewerbsangebotes erfolgt die Abwanderung. Kurzschlussabwanderung: Durch ein kritisches, unakzeptables Ereignis, welches seinen Ursprung beim Anbieter hat, entsteht eine rasche Abwanderung. Verzweiflungsabwanderung: Mehrere kritische Ereignisse führen über eine längere Zeit zur Verschlechterung der Verbundenheit (Beziehungsqualität) und letztlich zur Abwanderung. Planabwanderung: Die Abwanderung ist vom Kunden beabsichtigt und gewünscht und dementsprechend geplant und sukzessive. Mussabwanderung: Durch die Ablehnung eines Finanzierungsgesuchs erfolgt die Abwanderung und ist dementsprechend eine unternehmensinitiierte Abwanderung. Diese Art der Abwanderung ist bankspezifisch. Wunschabwanderung: Aufgrund einer Beziehung, die für den Kunden von geringer Bedeutung ist, geht diese „vergessen“. Meist findet die Auflösung nach einer Erinnerung (bspw. an ein „ruhendes“ Konto) an die Beziehung statt.
Die Abwanderungstypen wurden hauptsächlich anhand vier Prozessmerkmale gebildet:660
Auslöser der Abwanderung, Verbundenheit des Kunden, Anzahl kritischer Ereignisse und Länge des Abwanderungsprozesses
Die Bildung unterschiedlicher Abwanderungstypen erscheint aufgrund der Komplexität der Abwanderung und der zahlreichen interdependenten Einflussfaktoren sinnvoll. Damit kann analog zu den Spendertypologien (siehe Abschnitt 3.3) die Komplexität der 658 659 660
Vgl. Roos et al. (2004), S. 256 ff. Vgl. Michalski (2002). Vgl. Michalski (2002), S. 145 ff.; Michalski (2004), S. 987 ff.
142
Einflussgrössen reduziert werden. Ausserdem wird durch die Typenbildung eine ganzheitliche Betrachtung ermöglicht, weshalb auch in der eigenen Untersuchung eine Typologisierung angestrebt wird. Zu den prozessorientierten Studien, die sich nicht auf die SPAT bezogen haben, gehört jene von Coulter und Ligas, in welcher mittels fünf Tiefeninterviews die Beendigung von Kundenbeziehungen analysiert wurden. Ausgehend von einer Literaturanalyse haben sie zwischen abruptem, langfristigem und komplexem Abwandern unterschieden und ausschliesslich die langfristige Abwanderung betrachtet. Sie haben diese dabei in drei Phasen unterteilt:661
Dissolution Stage: Diese Phase wird durch einen Stimulus ausgelöst, wird dann von negativen wie positiven Erfahrungen beeinflusst und endet in einem finalen Ereignis, welches letztendlich zur Beendigung führt. Exit Stage: Diese Phase kann eine persönliche, schriftliche oder auch gar keine Rückmeldung oder Beschwerde beinhalten. Post Dissolution Stage: In dieser Phase kann unterschieden werden zwischen Kunden die generell zur Wiederaufnahme der Beziehung bereit sind oder dies beabsichtigen und jenen, die dies nicht in Betracht ziehen.
Die Abwanderung verläuft, je nachdem welche kritische Ereignisse auftreten, ganz unterschiedlich. Nicht nur die Abwanderung selbst ist davon betroffen, sondern auch die Rückgewinnungsmöglichkeit. Diese ist in der Abwanderungsforschung ebenfalls zu berücksichtigen, da diese Post Dissolution Stage für das Management bedeutend, da erfolgswirksam ist. Åkerlund spricht bei ihrer Studie von Fading (Schwund), wobei sie kritische Beziehungen betrachtet, die sowohl beendet, als auch fortgeführt werden können. Sie führt dazu halbstandardisierte Interviews mit Kunden des Privat Banking durch und identifiziert vier verschiedene Typen von Fading-Prozessen:662 661 662
Vgl. Coulter/Ligas (2000), S. 669 ff. Vgl. Åkerlund (2005), S. 161 ff. 143
Der „Bruchlandungprozess“ ist turbulent und durch kritische Ereignisse oder Situationen entstanden. Er ist meist mit negativen Emotionen verbunden. Der „Höhenverlustprozess“ kann als reibungslos betrachtet werden, im Sinne einer natürlichen Abnahme der Beziehungsstärke. Kunden verzeichnen keine Unzufriedenheit oder negative Emotionen. Der „im Sand verlaufende Prozess“ ist ein passiver, der durch die Absenz von Interaktionen gekennzeichnet ist. Die Beziehung verschwindet mehr oder weniger einfach. Der „Probezeitprozess“ ist durch eine von Beginn weg geringe Beziehungsstärke gekennzeichnet. Zu hohe Erwartungen oder Kosten sind die Hauptgründe des Schwundes.
Diese Prozesse werden ihrer Ansicht nach durch drei Arten von Determinanten beeinflusst: den Hintergrund der Beziehung, die Dynamik des Prozesses, und die antreibenden Kräfte des Schwundes. Diese drei Determinanten sind wichtige Faktoren, die den Prozess der Beziehungsabschwächung beeinflussen. Es zeigt sich, dass nicht immer kritische Ereignisse notwendig sind und es beispielsweise auch ohne klaren Prozessstart zu einer Art natürlichen Abschwächung einer Beziehung kommen kann. Die Typologisierung der Prozesse werden im Hinblick auf die Managementimplikationen als wertvoll erachtet, die diese ermöglicht segmentiert einzelne Typen anzusprechen und deren Charakteristik zu berücksichtigen.663 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dem Phänomen der Kundenabwanderung in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde und zahlreiche Publikationen zu diesem Thema existieren. Dank der ereignis- und merkmalsorientierten Studien konnte die Bedeutung der Abwanderung anhand von Quoten aufgezeigt und eine Vielzahl interdependenter Einflussgrössen auf die Beziehungsbeendigung identifiziert werden. Dabei sind nicht nur kritische Ereignisse im Sinne von Fehlern und Schwächen in den 663
Vgl. Åkerlund (2005), S. 156.
144
Dienstleistungen, sondern auch kundenbezogene, konkurrenzbezogene und situationsbezogene Einflussgrössen zu beachten. Insgesamt konnten viele unterschiedliche Gründe und Determinanten für Beziehungsbeendigungen beobachtet werden. Einer statischen Betrachtung von Einflussgrössen wird allerdings entgegengehalten, dass dies nicht hinreichend ist, um das Phänomen der Abwanderung zu erklären, da es sich meist um einen komplexen Abwanderungsprozess handelt. Deshalb haben in den letzten Jahren die prozessorientierten Studien an Bedeutung gewonnen, welche versuchen, den dynamischen Prozess der Abwanderung zu erfassen und zu erklären. Mit den prozessorientierten Studien wurden Phasen und Typen der Abwanderung in mehreren Branchen identifiziert. Dabei wurde deutlich, dass die Kundenabwanderung branchenspezifisch ist und deshalb Ergebnisse nicht ohne weiteres übertragbar sind. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Spendenabwanderung zu berücksichtigen, da es sich bei Spendenbeziehungen um eine besondere Art von Beziehungen handelt, welche einige Eigenheiten beinhalten. Weiter haben sich Typologien von Abwanderern bewährt, da damit die Komplexität der Abwanderung reduziert werden kann und Managementimplikationen ermöglicht werden. Im Folgenden sollen nun die bisherigen Erkenntnisse der Spenderabwanderung gesammelt und dargestellt werden.
4.8 Erkenntnisse zum Abwanderungsverhalten von Spendern – Stand der Forschung im NPO-Bereich Bruhn und Michalski verweisen darauf, dass sich neuere Studien auch mit der Abwanderung im Nonprofit-Bereich befassen. Sie sehen in der Abwanderungsforschung im Nonprofit-Bereich einen dritten Forschungsschwerpunkt im Business-to-Consumer-Bereich, neben den Kategorien Konsumgüter und Dienstleistungen.664 Die 664
Vgl. Bruhn/Michalski (2008), S. 274 f. 145
Besonderheiten von NPO sprechen durchaus für ein eigenes Schwerpunktgebiet. Die grosse Heterogenität innerhalb des Dritten Sektors und die Tatsache, dass NPO in erster Linie als Dienstleistungsbetriebe zu betrachten sind, die teilweise auch Konsumgüter anbieten, sprechen dafür, diese Studien je nach NPO und Untersuchungsgegenstand den vorhandenen Schwerpunkten „Dienstleistungen“ und „Konsumgüter“ zu subsummieren. Das Fundraising als spezielles Gebiet innerhalb der NPO unterscheidet sich auch von der NPO-Abwanderungsforschung, die sich beispielsweise mit Mitgliederschwund oder der Abwanderung von Dienstleistungskunden beschäftigt (siehe dazu auch Abschnitt 2.3). Inwiefern Erkenntnisse der Abwanderungsforschung aus dem Gebiet der Dienstleistungen und allgemein dem Nonprofit-Bereich auf die Sparte Fundraising übertragbar sind, muss noch untersucht werden. Im Folgenden sollen die Arbeiten zur Abwanderung im Nonprofit-Bereich dargestellt und besprochen werden. Dabei werden auch zwei Studien aus dem staatlichen Bereich mitberücksichtigt (zur Abgrenzung von NPO, Staat und Markt siehe auch Abschnitt 2.1). Eine Übersicht zu den verschiedenen Studien ist in Tabelle 9 zu finden.
146
Bereich/ Probanden
Ergebnisse
Newman/ Pyne (1997)
Fokus
AbwandeMerkmalsorientiert: rungsrate, schriftliche Befragung Abwande(N = 240); rungsgründe
Blutspender, Studenten (UK)
Zufriedenheit und Dienstleistungsqualität sind Schlüsselgrössen der Loyalität.
Abwanderungsrate
Merkmalsorientiert: schriftliche Befragung (N = 6‘346)
Freiwillige beim Roten Kreuz (Belgien)
Mit zunehmender Unterstützungsdauer nimmt die Abwanderungswahrscheinlichkeit ab.
Abwanderungsgründe; Einflussgrössen
Merkmalsorientiert/ Ereignisorientiert: Fokusgruppen; schriftliche Befragung (N = 10‘000), MW-Vergleich
Aktive und ehemalige Geldspender, je 10 nationale NPO; (USA/UK)
Finanzielle Gründe und Wechsel als Hauptgründe, rund 10 % konnten sich nicht erinnern; Kommunikationsqualität als Schlüsselgrösse.
Abwanderungsgründe; Einflussgrössen
Merkmalsorientiert/Ereignisorientiert: Fokusgruppen; schriftliche Befragung (N = 4‘800), MW-Vergleich
Aktive und ehemaligen Geldspender, 6 NPO, Face-toFace, (UK)
Finanzielle Gründe und Wechsel als Hauptgründe; Druck durch sammelnde Person hat Einfluss.
Sargeant/Hudso Roos et al. n (2008) (2006)
Metrick (2005)
Autoren
Übersicht zur Abwanderungsforschung im nicht profitorientierten Bereich
Roos et al. Sargeant/Jay Sargeant Dekimpe/ (2004) (2004b) (2001a), (2001b) Degraeve (1997)
Tabelle 9:
Methode
AbwandeProzessorientiert: rungsproSPAT (N = 100) zess, -auslöser, -gründe
Sozialversiche- Wechselverhalten ist branrungssystem chenabhängig und verläuft je (Schweden) nach Auslöser und Wechselkosten unterschiedlich.
Abwanderungsrate
NPO-Hospital, Effektive Verwaltung ist der Erstspender, beste Weg zur Reduktion der Grossspender, Abwanderung. (Kanada)
Merkmalsorientiert: Experiment durch Spendenaufruf (N = 1‘000), Fallstudie
AbwandeProzessorientiert: rungsproSPAT (N = 57) zess, -auslöser, -gründe
Hypothekaranbieter (Schweden)
Situational trigger sind dominant; nur reaktionale Auslöser führen zu langen Abwanderungspfaden, weil nur dort bewusst agiert wird.
Abwanderungsgründe; Einflussgrössen
Aktive und ehemalige, gebundene Kleinspender; 5 NPO doorto-door, (UK)
Ehemalige sind jünger, unzufriedener und haben sich mehr Druck empfunden. Hauptgrund der Abwanderung: zu viele Spendenanfragen.
Merkmalsorientiert/Ereignisorientiert: Fokusgruppen; schriftliche Befragung (N = 10‘000), MW-Vergleich
147
Newman/Pyne (1997) beschäftigten sich mit der Abwanderungsrate von Blutspendern und haben eine schriftliche Befragung bei 240 Studenten durchgeführt. Dabei untersuchten sie die Motivation und Gründe weshalb Personen Blut spenden, nicht spenden, und weshalb sie aufhören zu spenden. Sie erstellten ein Modell des Blutspendens mit den kritischen Momenten für die Beendigung. Sie betrachteten in der Dienstleistungs-Qualität und der Zufriedenheit die Schlüsselgrössen, welche sich auf die Loyalität der Spender auswirken. Zur Eruierung von Fehlern und Erfolgen sowie zur Messung der Qualität schlagen die Autoren vor, die CIT zu verwenden.665 Nur 39 der Probanden haben schon mindestens einmal Blut gespendet, wovon 17 nicht mehr spenden, was einer Abwanderungsquote von 43.6 % entspricht. Da nur gerade 17 ehemalige Spender die Gründe für das Aufhören des Spendens angeben konnten, sind die Ergebnisse nicht sehr aussagekräftig. Ausserdem liefern die meist medizinischen Gründe keine Anhaltspunkte für Geldspenden. Nebst medizinischen Gründen wurden vor allem Wohnortwechsel und soziale Gründe genannt.666 Dekimpe/Degraeve (1997) betrachteten die Schwundrate von Freiwilligen über einen längeren Zeitraum. Sie führten eine schriftliche Befragung bei 6346 freiwilligen Helfern durch. Dabei untersuchten sie anhand eines mathematischen Modells unter anderem Einflussgrössen wie das Alter oder das Geschlecht. Nicht berücksichtigt wurden bei ihrem Modell die Abwanderungsgründe oder die Motivation, die hinter der Freiwilligenarbeit steckt. Sie konnten zeigen, dass mit zunehmender Dauer der Beziehung die Wahrscheinlichkeit der Abwanderung abnimmt und dass jüngere und weibliche Freiwillige mit höherer Wahrscheinlichkeit abwandern.667
665 666 667
Vgl. Newman/Pyne (1997), S. 579 ff. Vgl. Newman/Pyne (1997), S. 587. Vgl. Dekimpe/Degraeve (1997), S. 37 ff.
148
Metrick (2005) hat mittels eines Experiments versucht herauszufinden, ob eine effektive Spenderbetreuung einen Einfluss auf die Abwanderungsrate respektive Loyalität hat. Sie hat dabei ein alternatives Bedankungsmodell mit Telefonanruf getestet. Dazu hat sie 1‘000 Erstspender eines Nonprofit-Hospitals in eine Kontrollgruppe (492) und eine Testgruppe (537) unterteilt. Sie konnte bei der Testgruppe und der Kontrollgruppe beinahe gleich hohe Abwanderungsraten feststellen (ca. 75 %, wobei die Kontrollgruppe sogar leicht tiefere Werte erzielte). In einem weiteren Schritt versuchte sie, durch die Einbindung von Mitgliedern des Direktoriums in die telefonische Bedankung höhere Spenden zu erzielen, was ihr gelang. Sie führte die höhere Anzahl an gewonnen Grossspendern (>10‘000 US$) auch auf diese Massnahme zurück, wobei die absoluten Zahlen (drei in der Testgruppe, einer in der Kontrollgruppe) eine gewisse Skepsis betreffend Aussagekraft zulassen. Sie kam zum Schluss, dass eine effektive Verwaltung von Spendern der beste Weg zur Verminderung der Abwanderung und zur Kostensenkung und Entwicklung der Spender ist. Hierbei wird allerdings die Organisationssicht eingenommen und die Sichtweise der Spender nicht erfasst. Ausserdem konnten diese Interpretationen mit der Untersuchung nicht hinreichend bestätigt werden.668 Sargeant (2001a), (2001b) hat sowohl in den USA als auch in Grossbritannien je eine Studie über Abwanderungsgründe durchgeführt. Dabei hat er vorgängig in Fokusgruppen die möglichen Gründe für die Abwanderung bestimmt. Anschliessend hat er in je zehn Organisationen unterschiedlicher Tätigkeitsgebiete Spender ausgewählt, die mindestens einmal gespendet haben. Jede der Organisationen hat 1‘000 Anschriften zum Sample beigesteuert. Dabei wurde zwischen aktiven und ehemaligen (lapsed) Spendern unterschieden und die Stichprobe dementsprechend halbiert. Als ehemalige Spender hat er diejenigen definiert, die in den letzten 18 Monaten keine Spende getätigt haben. Die Probanden wurden 668
Vgl. Metrick (2005), S. 29 ff. 149
schriftlich befragt, wobei die Ehemaligen zusätzlich über die Gründe der Beziehungsbeendigung befragt wurden. Wichtigster Grund waren finanzielle Umstände, die eine Spende nicht mehr möglich machten. Dieser Grund ist in Wahrheit vielleicht nicht ganz so gewichtig wie die Umfrageresultate zeigen, weil es bei einer Befragung wohl auch am einfachsten ist, diesen Grund anzugeben.669 Weiter haben viele angegeben, dass andere Organisationen die Unterstützung mehr oder zumindest im gleichen Masse verdienen. Auch die Dienstleistungsqualität der Organisationen wird als wichtiger Punkt erachtet, womit in erster Linie die Art und Häufigkeit der Kommunikation gemeint ist. Viele ehemalige Spender (11 %) haben angegeben, dass sie sich nicht erinnern, je für die befragte NPO gespendet zu haben, was auf eine sehr schwache Beziehungsqualität hindeutet.670 Die Resultate der beiden Studien bezüglich Abwanderungsgründe sind in Tabelle 10 dargestellt. Tabelle 10:
Gründe der Spendenabwanderung671
Abwanderungsgründe
USA*
UK*
Ich kann mir die Unterstützung nicht länger leisten Ich fühle, dass andere es mehr verdienen Tod/Wohnortwechsel X hat meine Unterstützung nicht bescheinigt Keine Erinnerung der Unterstützung X hat mich nicht über Verwendung der Mittel informiert X braucht meine Unterstützung nicht mehr Die Qualität der Unterstützung durch X war schwach X hat für unangebrachte Summen gefragt Ich habe gefunden X’s Kommunikation ist unangemessen Ich unterstütze immer noch in anderer Weise X hat meine Wünsche nicht berücksichtigt Mitarbeiter von X waren unfreundlich Nicht gefragt worden für weitere Spenden
54.0 36.2 16.0 13.2 11.1 8.1 5.6 5.1 4.3 3.8 3.4 2.6 2.1 0.0
22.3 26.5 12.7 0.9 11.4 1.7 1.2 0.9 3.1 3.6 6.8 0.7 0.5 3.3
* Angaben in Prozent, Mehrfachantworten möglich 669 670
671
Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 14. Vgl. Sargeant (2001a), (2001b), zu einem Überblick der Resultate der beiden Studien vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 13 ff. Quelle: Sargeant/Jay (2004a), S. 14.
150
Sargeant/Jay (2004b) haben 4‘800 Personen von sechs nationalen gemeinnützigen Organisationen angeschrieben, die durch Face-toFace-Rekrutierung gewonnen wurden, also durch Strassensammlungen. Bei der schriftlichen Befragung haben sie sowohl aktive (2‘500) als auch ehemalige (2‘346) Spender angeschrieben. Diese Spender wurden bei der Rekrutierung meist nach einer regelmässigen Spende in Form von einem direkten, fixen Abzug vom Konto gefragt. Vor der Befragung wurden mittels Fokusgruppen Erkenntnisse gewonnen, die zur Erstellung des Fragebogens verwendet wurden. Die Mittelwertvergleiche der beiden Gruppen – ehemalige und aktive Spender – haben einige signifikante Werte ergeben, wobei die Unterschiede teilweise nicht sehr hoch ausgefallen sind. Ehemalige Spender sind dabei signifikant jünger als die aktiven (im Schnitt etwa sechs Jahre). Die ehemaligen Spender haben sich beim Rekrutierungsprozess stärker unter Druck gefühlt, legen mehr Wert auf Rückmeldung/Dankesschreiben der Organisation und sind weniger glücklich mit der Häufigkeit der Spendenaufrufe, als dies bei aktiven Spendern der Fall ist. Die meistgenannten Gründe für die Abwanderung, sind finanzielle Gründe (58.5 %) und der Wechsel zu einer anderen Organisation (25.6 %).672 Sargeant/Hudson (2008) haben eine quantitative Studie zur Abwanderung von Spendern, die durch Haustür-Fundraising gewonnen wurden, durchgeführt. Dafür haben sie insgesamt 10‘000 Fragebogen an aktive (5‘000) wie auch ehemalige (5‘000) Spender aus fünf grossen nationalen Wohlfahrtsorganisationen versendet. Hauptgründe für die Beendigung waren finanzielle Umstände, welche die Spende nicht mehr zugelassen haben oder der Wechsel zu einer anderen Organisation. Ehemalig Spender sind jünger, weniger zufrieden mit der Kommunikationsqualität und haben eher Druck bei der Rekrutierung verspürt. Daneben wurden auch soziodemografische Faktoren und weitere Einflussgrössen betrachtet
672
Vgl. Sargeant/Jay (2004b), S. 171 ff. 151
und ein Zusammenhang zwischen Vertrauen, Zufriedenheit und der Abwanderung konnte beobachtet werden.673 Roos et al. (2004) untersuchten das Wechselverhalten von Kunden in fünf unterschiedlichen Branchen. Für den Branchenvergleich der Abwanderung wurden insbesondere die Kriterien Wettbewerb und wahrgenommene Wechselbarrieren herangezogen. Bei den untersuchten Branchen Einzelhandel, Privatkunden bei Banken, Telekommunikation, Versicherung und dem schwedisches Sozialversicherungssystem ist letzteres besonders hervorzuheben, da es sich um ein staatliches Monopol handelt. Folglich existieren sehr hohe Wechselbarrieren und kein Wettbewerb. Die Autoren verwendeten jeweils die SPAT (siehe auch Abschnitt 4.5) und haben den Ausdruck „Energy Level“ eingeführt, der je nach Kombination von Auslösern und einzelnen Wechselgründen ein unterschiedliches Ausmass annehmen kann. Je nach Höhe des Energy Levels ist zu erwarten, dass die Kunden in unterschiedlicher Stärke reagieren (partielle oder totale Abwanderung). Damit wird die Bedeutung der Auslöser und einzelner kritischer Ereignisse für die Abwanderung hervorgehoben. Auch die Wechselkosten haben einen Einfluss auf das Abwanderungsverhalten.674 Roos et al. (2006) untersuchten das Wechselverhalten bei einem staatlichen und somit nicht gewinnorientierten Hypothekaranbieter, wobei sie die qualitativen Interviews mittels SPAT analysierten. Speziell bei dieser Kunden-Anbieter-Beziehung ist, dass keine physische Interaktion bei der Dienstleistung existiert. Bei den 57 Interviews wurde festgestellt, dass situative Auslöser – also solche, die vorwiegend auf eine Veränderung des Umfeldes oder auf die besondere Situation des Kunden zurückzuführen sind – die dominanten Auslöser waren und nur wenige reaktive Auslöser und kritische Ereignisse entdeckt wurden. Roos et al. kommen zum Schluss, dass nur bei reaktiven Auslösern lange Abwanderungspfa673 674
Vgl. Sargeant/Hudson (2008), S. 89 ff. Vgl. Roos et al. (2004).
152
de entstehen, da nur dort die Abwanderung in Form von bewusstem Verhalten stattfindet.675 Im Zusammenhang mit der Spenderabwanderung sind sicherlich noch weitere Arbeiten zu erwähnen, die sich nicht direkt mit der Abwanderung, sondern generell mit dem Spendenverhalten und den einzelnen Einflussgrössen beschäftigen.676 Diese liefern wichtige Erkenntnisse zu einzelnen zentralen Determinanten des Spenderverhaltens und der Spenderabwanderung. Sargeant und Woodliffe erstellten beispielsweise ein Modell, in welchem sie die Einflussgrössen auf das Commitment betrachteten. Dabei sehen sie das Commitment als Bestimmungsgrösse des Spendenverhaltens, da verbundene Spender in der Regel einen höheren Lifetime Value (siehe dazu Abschnitt 2.7.3) generieren und weniger oft abwandern.677 Ihr Modell basiert auf Ergebnissen von Fokus-Gruppen. Folgende Variablen konnten sie als Einflussfaktoren auf das Commitment identifizieren:678
675 676
677 678 679
Vertrauen in die Organisation Erhältlichkeit von Alternativen (Einzigartigkeit: Existieren mehrere Organisationen die sich schlecht voneinander abgrenzen, entsteht eher eine Verbundenheit mit dem Zweck, als mit der Organisation) Zahlungsmethoden (Lastschriftenverfahren, Einzahlungsschein,… Langfristige Vereinbarungen beinhalten höheres passives Commitment) Persönliche Beziehungen (existieren persönliche Beziehungen oder Erfahrungen mit den Begünstigten, werden sich Spender stärker verbunden fühlen) Leistungen der Organisation (die wahrgenommene Effizienz und Effektivität der Organisation beeinflusst das Commitment)679 Risiko das bei den Leistungsempfängern wahrgenommen wird, wenn die Spende nicht getätigt wird (Verantwortungs- oder Schuldgefühl)
Vgl. Roos et al. (2006). Vgl. dazu die Arbeiten von Michalski/Helmig (2009); Sargeant et al. (2006a); Sargeant/Lee (2004a), (2004b); Sargeant/Woodliffe (2005). Vgl. Sargeant/Woodliffe (2005), S. 61 ff. Vgl. Sargeant/Woodliffe (2005), S. 67 ff. Siehe dazu Sargeant et al. (2004), S. 19 ff. 153
Greifbare Verbindung zu den Begünstigten (Kontakt, Beziehung zu den Bedürftigen) Mehrfaches Engagement (mehrere Arten der Unterstützung, Kampagnen, Freiwilligenarbeit, Produktkauf) Wahl der Kommunikation (Spender die auswählen konnten, welche Art der Kommunikation sie wünsche, sind stärker verbunden) Kommunikationsqualität (Zufriedenheit mit der Kommunikation als kritische Einflussgrösse) Geteilte Vorstellungen (Identifikation, geteilte Werte und Überzeugungen)680 Wissen/Lernen (Informationssuche, -vertiefung und -erweiterung)
Commitment wurde dabei als Konstrukt mit mehreren Komponenten betrachtet und in Anlehnung an das affektive und fortführende Commitment (siehe dazu Abschnitt 4.6.2) in aktives und passives Commitment unterteilt. Aktives Commitment kann dabei als sich verbunden fühlen betrachtet werden. Die meisten Probanden haben mindestens zu einer oder zu einer geringen Anzahl Organisationen (diejenigen, welche einem näher und wichtiger sind) ein aktives Commitment aufgewiesen. Als passives Commitment wurde das sich gebunden fühlen durch Lastschriftenverfahren oder Direct Debit betrachtet, welche gewisse Wechselkosten implizieren.681 Es hat sich gezeigt, dass Spender mit Lastschriftenverfahren sich oft nicht bewusst sind, dass sie die Organisation weiterhin unterstützen und erst durch die Mitteilung der NPO wieder daran erinnert werden. Dies hat zur Folge, dass nach den Mitteilungen über den Abzug meist eine höhere Anzahl an Kündigungen eingeht.682 Weitere Studien haben sowohl im Commitment als auch im Vertrauen eine Schlüsselgrösse für das Spendenverhalten gesehen.683 Dabei wurde auch die Beziehung zwischen Vertrauen, Commitment und Spendenverhalten untersucht. Beim Spendenver680
681 682 683
Zum Einfluss der Identifikation mit einer NPO siehe auch Michalski/Helmig (2008b), S. 237 ff.; Tidwell (2005), S. 449 ff. Vgl. Sargeant/Woodliffe (2005), S. 66 f. Vgl. Sargeant/Woodliffe (2005), S. 73 f. Vgl. Sargeant et al. (2006a); Sargeant/Lee (2004a), (2004b).
154
halten wurde dabei in erster Linie die Höhe der getätigten Spenden untersucht. Dabei wurde das Commitment als moderierende Variable zwischen dem Vertrauen und dem Spendenverhalten betrachtet. Die Zusammenhänge Vertrauen-Commitment und Commitment-Spendenhöhe konnten empirisch bestätigt werden. Die relativ geringen Ausprägungen lassen aber vermuten, dass noch weitere Einflussfaktoren eine wichtige Rolle spielen, wie beispielsweise die demografischen und finanziellen Faktoren.684 Es wird vermutet, dass die Variablen Commitment und Vertrauen nicht nur auf die Spendenhöhe einen Einfluss haben, sondern auch auf die Loyalität und den Lifetime Value (siehe dazu Abschnitt 2.7.3) und somit zur Unterscheidung von Spendern und Nicht-Spendern geeignet sein könnten.685 Das Vertrauen spielt bei der Beziehung von gemeinnützigen Organisationen und Spendern eine besondere Rolle, weil bei dieser einzigartigen Beziehung der Spender meist kein greifbarer Gegenwert für das gespendete Geld existiert. Da auch selten ein direkter Kontakt zu den Begünstigten besteht, ist es für den Spender zusätzlich schwierig abzuschätzen, ob das Geld wie vorgesehen verwendet wird.686 Vertrauen ist insbesondere deshalb notwendig, da eine Kontrolle nicht möglich ist.687 Vertrauen kann den Ausschlag geben, weshalb Spender eine Organisation unterstützen. Wagner und Kessler sehen deshalb im Vertrauen den wichtigsten Aspekt für die (regelmässige) Spendentätigkeit.688 Somit kann Vertrauen als unabdingbare Voraussetzung für das Fundraising betrachtet werden. Das Vertrauen ist allerdings auch besonders störanfällig. Das bedeutet, dass es durch einen kleinen Missgriff zerstört werden kann,
684 685 686
687 688
Vgl. Sargeant/Lee (2004a), S. 194 ff., (2004b), S. 627 ff. Vgl. Sargeant/Lee (2004a), S. 196. Beim Spendenmonitor 2005 wurde die Seriosität der NPO als äusserst wichtiges Kriterium für den Spendenentscheid bezeichnet, was als Indikator für das notwendige Vertrauen betrachtet werden kann, vgl. GfS-Forschungsinstitut (2006), S. 4. Vgl. dazu Luthe (1997), S. 291 ff. Vgl. Wagner/Kessler (2004), o. S. 155
was gravierende Folgen für die NPO nach sich ziehen kann, da es die Grundlage der Beziehung bildet.689 Wichtige Einflussgrössen auf das Vertrauen sind die Zufriedenheit, welche von der wahrgenommenen Qualität und Performance der NPO abhängt, von der Vertrautheit und von generellen Einstellungen gegenüber den Begünstigten und den NPO.690 Als Indizien für die Vertrauenswürdigkeit einer NPO können regelmässige Information, transparente Jahresberichte, Einschätzungen von Mitarbeitern und Nutzern oder Berichterstattungen in den Medien betrachtet werden.691 Nebst den vorhandenen Informationen spielen auch Gefühle und Neigungen, die auf eine bestimmte NPO oder einen Zweck gerichtet sind, eine wesentliche Rolle.692 Auf den Nonprofit-Sektor bezogen kann das Vertrauen als Basis des Wohlwollens gesehen werden. Besteht wenig Vertrauen in die NPO, werden Leute weniger bereit sein, Ressourcen zur Unterstützung der NPO bereitzustellen.693 Entsprechend kommt auch dem Systemvertrauen eine zentrale Bedeutung zu. Darunter wird das Vertrauen, welches in das System der Fundraising betreibenden Organisationen insgesamt gesetzt wird, verstanden. Die gesellschaftliche Akzeptanz des Spendens beeinflusst somit auch die Rahmenbedingungen der einzelnen NPO.694 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Abwanderung im Nonprofit-Bereich bisher vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt wurde. Hervorzuheben sind sicherlich die Studien von Sargeant695, bei welchen jeweils bestehende und ehemalige Spender verglichen wurden und auch die Abwanderung von Spendern betrachtet und untersucht wurde. Dabei handelt es sich um 689 690 691 692 693 694 695
Vgl. dazu Luthe (1997), S. 291 ff. Vgl. Sargeant/Lee (2002), S. 779 ff. Vgl. dazu Luthe (1997), S. 292. Vgl. dazu Luthe (1997), S. 291 ff. Vgl. Sargeant/Lee (2002), S. 779 ff. Vgl. Luthe (1997), S. 300. Vgl. Sargeant (2001a), (2001b); Sargeant/Hudson (2008); Sargeant/Jay (2004b).
156
merkmals- und ereignisorientierte Studien, die einzelne Gründe und Einflussgrössen betrachten. Das Abwanderungsverhalten von Spendern wird durch eine Vielzahl interdependenter Erklärungsdeterminanten beeinflusst. Deshalb sollten ganzheitliche, dynamische Betrachtungen vorgenommen werden. Es hat sich weiter gezeigt, dass sich die Abwanderungsgründe sowohl nach Land als auch nach Rekrutierungsmethode unterscheiden, weshalb die Erkenntnisse nicht ohne weiteres übertragbar sind. Bei den Studien zu den Abwanderungsgründen von Spendern handelt es sich ausschliesslich um statische Betrachtungen. Die dynamischen Studien von Roos bei staatlichen Organisationen (Sozialversicherung, Hypothekaranstalt) sind von ihrer Natur her eher dem Bereich der Dienstleistungsorganisationen als dem Bereich gemeinnütziger Organisationen zuzuordnen und liefern deshalb kaum spezifische inhaltliche Anhaltspunkte für die Spenderabwanderung. Entsprechend sind die Erkenntnisse auch nur bedingt auf das Abwanderungsverhalten der Spender übertragbar. Mehrere Autoren verweisen denn auch darauf, dass in unterschiedlichen Branchen unterschiedliche Beziehungen bestehen und dementsprechend auch unterschiedliche Abwanderungsprozesse zu erwarten sind.696 Da Spendenbeziehungen eine besondere Art von Beziehungen darstellen und bisher keine prozessorientierten Studien zur Spendenabwanderung existieren, soll mit einer eigenen empirischen Untersuchung diese Forschungs- und Erkenntnislücke ein Stück weit geschlossen werden.
696
Vgl. Michalski (2002), S. 237; Roos (1999a), S. 257 ff.; Roos et al. (2004), S. 256 ff.; Strandvik/Holmlund (2000), S. 17; Tähtinen/Halinen (2002), S. 180 ff. 157
4.9 Zusammenfassende Erkenntnisse der Abwanderungsforschung Zielsetzung dieses Kapitels zum Abwanderungsverhalten war es, die Erkenntnisse der bisherigen theoretischen und empirischen Forschung im Hinblick auf die eigene Untersuchung zu sammeln. Da noch kaum gesicherte Erkenntnisse zur Spenderabwanderung existieren, wurden auch jene der Profit-Forschung berücksichtigt.697 Die Kundenabwanderung, welche sich mit gefährdeten Beziehungen, sowie deren Beendigung und Auflösung befasst, hat in den letzten Jahren vermehrt an Aufmerksamkeit gewonnen. Dabei steht hauptsächlich die kundeninitiierte Beziehungsbeendigung im Vordergrund, da diese das grösste (Verbesserungs-) Potenzial für Unternehmen darstellt. Bei Beziehungsbeendigungen kann zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Beendigung unterschieden werden, wobei insbesondere erstere für Organisationen von Interesse ist, da sie dort mehr Handlungsmöglichkeiten und Einfluss haben. Mehrere Theorien und Ansätze versuchen das Abwanderungsphänomen – oder zumindest Teilaspekte davon – zu erklären. Eine umfassende Theorie zur Abwanderung existiert bisher allerdings nicht. Die Theorie von Hirschman liefert zumindest zur zufriedenheitsbasierten Abwanderung einen wesentlichen Erklärungsbeitrag. Nebst der wahrgenommenen Qualität und der davon abhängenden Zufriedenheit identifiziert er auch Konkurrenz- und Umweltfaktoren als relevante Determinanten der Abwanderung. Bei der Methodik der Abwanderungsforschung ist eine Verschiebung von merkmals- und ereignisorientierten zu prozessorientierten Methoden feststellbar. Der Grund dafür liegt hauptsächlich in der Erkenntnis, dass die komplexen und interdependenten Einflussgrössen der Abwanderung ganzheitlich erfasst werden müssen 697
Da der Stellenwert der Nonprofit-Forschung in der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre insgesamt gering ist, wie auch Helmig/Michalski (2008) festhalten, werden oft Erkenntnisse des ProfitBereichs als erste Anhaltspunkte hinzugezogen.
158
und auch der Prozess der Abwanderung mit einbezogen werden muss. In der empirischen Abwanderungsforschung wurde den einzelnen Erklärungsdeterminanten und Abwanderungsgründen hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Entsprechend wurde vor dem Hintergrund der eigenen Studie eine Systematisierung der Abwanderungsgründe vorgenommen. Dabei wird zwischen spender-, organisations- und konkurrenzbezogenen Abwanderungsgründen unterschieden. Ausserdem wurden mittels Literaturanalyse die zentralen Einflussgrössen analysiert. Die wahrgenommene Qualität und die davon beeinflusste Zufriedenheit spielen eine zentrale Rolle in der Abwanderungsforschung. Allerdings wandern auch zufriedene Kunden ab, weshalb weitere Einflussgrössen berücksichtigt werden müssen. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Konstrukt Commitment, welches wiederum vom Vertrauen abhängt. Das Vertrauen spielt insbesondere bei Spendenbeziehungen eine zentrale Rolle. Im NPO-Bereich und speziell im Fundraising wurden bisher nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zum Abwanderungsverhalten erstellt. Was die Spenderabwanderung betrifft, wurden nur ereignis- und merkmalsorientierte Studien durchgeführt, die sich vorwiegend mit einzelnen Abwanderungsgründen beschäftigen. Nebst den leistungsbezogenen Abwanderungsgründen sind bei Spendenbeziehungen auch personenbezogene und konkurrenzbezogene Einflussgrössen zu berücksichtigen. Deshalb sind insbesondere auch Beziehungsmerkmale und Personenmerkmale mit einzubeziehen. Ausserdem ist es notwendig, den Prozess der Abwanderung zu betrachten. Eine prozessorientierte Studie zur Spenderabwanderung wurde bisher nicht durchgeführt. Damit unterscheidet sich die vorliegende Arbeit von den bisherigen Untersuchungen. Eine gesonderte Studie zur Spenderabwanderung lässt sich auch dadurch rechtfertigen, dass Erkenntnisse aus anderen Branchen und Bereichen nicht einfach übertragbar sind. Einerseits unterscheiden sich Spender stark von Kunden und andererseits ist
159
die Abwanderung länder- und branchenspezifisch, was eine Verallgemeinerung der bisherigen Erkenntnisse aus dem Profit-Bereich nicht zulässt. Aus den Erkenntnissen der Literatur zum Abwanderungsverhalten lassen sich zusätzliche (Unter-)Forschungsfragen ableiten, die in Tabelle 11 dargestellt werden. Tabelle 11: UF 1-1 UF 1-2 UF 3-1 UF 3-2 UF 3-3 UF 3-4 UF 3-5 UF 3-6 UF 3-7 UF 3-8 UF 4-1 UF 4-2 UF 4-3 UF 4-4
Abgeleitete Forschungsfragen aus der Literatur zum Abwanderungsverhalten Welche Faktoren lösen einen Kundenabwanderungsprozess aus? Unterscheiden sich Auslöser und Abwanderungsgründe? Welche kritischen Ereignisse haben welche Auswirkungen? Handelt es sich bei der Spendenabwanderung um einen Prozess (komplexe Abwanderungsgründe)? Welche Art der Abwanderung ist bei Mehrfachspendern vorherrschend? Welchen Einfluss hat die Konkurrenz auf die Spenderabwanderung? Werden bei der Spenderabwanderung „Wechselkosten“ wahrgenommen und welche Rolle spielen diese für die Abwanderung? Welche Bedeutung haben Beschwerden bei der Spenderabwanderung? Wie ist das Verhältnis zwischen Situations-, Konkurrenz- und NPObezogener Abwanderungsgründen? Welche Bedeutung hat das Variety Seeking bei Spendern? Welche Bedingungen werden aus Sicht der ehemaligen Spender an die Rückgewinnung gestellt? Führen unterschiedliche Auslöser zu verschiedenen Ergebnissen? Spielt die Mund-zu-Mund Propaganda bei Spendern eine Rolle? Gehen abgewanderte Spender dem Sektor verloren oder nur der Organisation?
Nachdem die theoretischen und empirischen Erkenntnisse sowohl zum Spendenverhalten, wie auch zum Abwanderungsverhalten zusammengetragen wurden, geht es im nächsten Kapitel darum, die Methodik der eigenen Untersuchung festzulegen. 160
5 Methodik der empirischen Erhebung und Gang der Untersuchung In diesem Kapitel geht es darum, die Grundlagen der qualitativen Forschung im Hinblick auf die empirische Erhebung aufzuarbeiten. Vorerst werden dabei die Eigenschaften und Besonderheiten der qualitativen Forschung besprochen. Darauf aufbauend wird die Begründung für die Wahl der eigenen Forschungsmethode vorgenommen und aufgezeigt, weshalb eine qualitative Untersuchung einer quantitativen vorzuziehen ist. Auch qualitative Forschung kommt nicht ohne Gütekriterien aus. Es existieren allerdings keine allgemeingültigen Kriterien, weshalb die für die eigene Untersuchung angemessenen Grössen aufgeführt und beschrieben werden. In der Praxis der qualitativen Forschung gibt es ein Spektrum unterschiedlicher methodischer Ansätze, welche je nach Fragestellung und Forschungstradition ausgewählt werden. Ein gemeinsames Kennzeichen der qualitativen Forschung ist die Gegenstandsangemessenheit der Methode. Dabei stellen der zu untersuchende Gegenstand und die entsprechende Fragestellung den Bezugspunkt für die Auswahl der Methode dar.698 Da die Fragestellung für die Wahl der konkreten Methoden ausschlaggebend ist, werden die Fragestellungen der empirischen Arbeit nochmals besprochen. Weiter wird auch auf den Einbezug von Vorwissen und den Umgang mit Hypothesen eingegangen und für die eigene Untersuchung dargelegt. Die SPAT kann als theoretischer Bezugsrahmen der eigenen Erhebung betrachtet werden. Deshalb wird ausführlich auf die einzelnen Teilbereiche des Abwanderungsprozesses eingegangen. Darüber hinaus wird eine Anpassung an den Untersuchungsgegenstand der Spenderabwanderung vorgenommen. Da die SPAT als 698
Vgl. Flick et al. (2007), S. 20 ff. 161
B. Hunziker, Abwanderungsverhalten von Spendern, DOI 10.1007/978-3-8349-6308-6_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
strukturierendes Element und weniger als Analysetechnik verstanden wird, wird bei der Auswertung der Daten auf die Methodik der qualitativen Sozialforschung zurückgegriffen. Dabei wird das Vorgehen der Transkription und der Codierung präsentiert. Ausserdem werden die Vorgehensweisen der qualitativen Inhaltsanalyse und der Typenbildung und typologischen Analyse besprochen, da diese für die eigene Untersuchung verwendet werden. Abschliessend wird auf die Vorgehensweise und Stichprobenauswahl eingegangen und beschrieben weshalb die entsprechenden Probanden ausgewählt wurden.
5.1 Grundlagen qualitativer Forschung Die qualitative und die quantitativ-standardisierte Forschung haben sich zu zwei eigenständigen Bereichen entwickelt, die sich in einigen wesentlichen Punkten unterscheiden. Zwei wesentliche Differenzen der beiden Forschungsrichtungen können dabei in der Rolle des Forschers und am Grad der Standardisierung des Vorgehens festgemacht werden.699 Betreffend Abgrenzung von qualitativer und quantitativer Forschung äussern sich Mruck und Mey wie folgt:700 „vor allem ist qualitative Forschung nicht quantitative Forschung: Es geht nicht um das Testen von Theorien bzw. um das Verifizieren/Falsifizieren von aus Theorien abgeleiteten Hypothesen mittels experimenteller Settings oder statistischer Verfahren, nicht um Signifikanztests, nicht um Testgütekriterien wie Objektivität, Validität und Reliabilität.“
Dyllick und Tomczak äussern sich zur Abgrenzung der beiden Forschungs-Ansätze folgendermassen:701 699 700 701
Vgl. Flick et al. (2007), S. 24. Mruck/Mey (2007), S. 28. Dyllick/Tomczak (2007), S. 73.
162
„Während quantitative Forschung in der Regel quantitative Daten (Zahlen, Statistiken) unter Verwendung standardisierter Erhebungsinstrumente – zumeist Fragebogen und standardisierte Interviews – sammelt und mittels statistischer Verfahren auswertet, erfasst qualitative Forschung qualitative Daten (verbale Aussagen, Qualifikationen) unter Verwendung offener Erhebungsinstrumente – zumeist Textanalysen oder offene Interviews – und verarbeitet diese mittels interpretativer Verfahren.“
Bei der Wahl des Verfahrens geht es darum, dasjenige zu wählen, welches für die vorgesehene Fragestellung geeigneter ist. In der Marktforschung ist die qualitative Forschung dort wünschenswert, wo es an Theorien und Modellen fehlt, es um die Generierung von neuem Wissen geht oder das Wissen für standardisierte Erhebungsmethoden unzugänglich ist.702 Qualitative Forschung ist somit zu empfehlen, wenn es um die Erschliessung eines bislang noch wenig erforschten Bereichs geht, wo nur gering Vorkenntnisse existieren.703 Im NPO-Bereich sind beispielsweise nur geringe Forschungsbemühungen festzustellen, welche den marktspezifischen Gegebenheiten und den entsprechenden Austauschbeziehungen Rechnung tragen. Dementsprechend ist generell auch nur wenig gesichertes Wissen über Motive, Einstellungen, Zufriedenheit und Wirkungsmechanismen im Fundraising vorhanden (siehe dazu auch Kapitel 3).704 Weiter ist qualitative Forschung angebracht, wenn eine grosse Informationstiefe im Sinne von beispielsweise komplexen und erklärungsbedürftigen Themenstellungen angestrebt wird. Wenn Motive, Einstellungen, Emotionen und Werte mit einbezogen werden sollten,705 bietet die qualitative Marktforschung Möglichkeiten zur Erschliessung von Gegebenheiten und Prozessen die unter der vermeintlich sichtbaren Oberfläche liegen.706 Damit können Ein702 703 704 705 706
Vgl. Mruck/Mey (2007), S. 32 f. Vgl. Buber/Klein (2007), S. 54; Flick et al. (2007), S. 25; Holzmüller/Buber (2007), S. 8. Vgl. Holzmüller/Buber (2007), S. 14 f. Vgl. Buber/Klein (2007), S. 54. Vgl. Holzmüller/Buber (2007), S. 7. 163
sichten und Erkenntnisse im Rahmen komplexer psychischer, physischer und sozialer Prozesse generiert werden.707 Somit sind in der Marktforschung, qualitative Vorgehensweisen überaus geeignet, um die komplexen Beziehungen zu erfassen und zu analysieren. Besonders da eine zunehmende Kundenorientierung erfolgt, in welcher auch das Umfeld und Beziehungsgeflecht der Kunden Berücksichtigung findet.708
5.2 Begründung der Methodenwahl Wie bereits aus dem theoretischen Teil der Arbeit ersichtlich wird, handelt es sich bei der Spenderabwanderung um ein noch kaum beachtetes Phänomen. Entsprechend existiert dazu auch noch relativ wenig Wissen. Des Weiteren handelt es sich beim Spendenverhalten um ein komplexes, menschliches Verhalten, welches durch psychische, soziale und physische Faktoren beeinflusst wird und deshalb nicht durch standardisierte Erhebungsmethoden untersucht werden kann. Zusätzlich spricht auch die Fragestellung709 der Arbeit für die Verwendung einer qualitativen Untersuchung, da diese zwangsweise eher breit gefasst wurde, um für neue und unerwartete Erkenntnisse offen zu sein. In der deutschsprachigen Marktforschung sind qualitative Methoden bisher noch wenig verbreitet.710 Es ist allerdings ein Trend im Sinne einer Etablierung und zunehmenden Akzeptanz erkennbar,711 auch weil die Markt- und Marketingforschung von einer 707 708 709
710
711
Vgl. Holzmüller/Buber (2007), S. 8. Vgl. dazu Holzmüller/Buber (2007), S. 15. Nach Mruck/Mey (2007), S. 31 sollte das Verfahren „mit Blick auf die konkrete Forschungsfrage und auf den konkreten Kontext (und die in diesem verfügbaren zeitlichen, finanziellen und personellen Ressourcen) ausgewählt werden.“ Auf die Fragestellung der eigenen Untersuchung wird anschliessend in Abschnitt 5.4 genauer eingegangen. Srnka spricht dabei von Skepsis die im Marketing der qualitativen Methoden entgegengebracht wird, vgl. Srnka (2007b), S. 257. Vgl. Mruck/Mey (2007), S. 23 f.
164
Öffnung gegenüber der qualitativen Sozialforschung profitieren kann.712 Die Marketingwissenschaft713 als relativ junge Disziplin verfügt über eine „geringe theoretische Reife“, was sich auch am Fehlen eines breit akzeptierten eigenständigen Theoriegebäudes zeigt.714 In der Marketingwissenschaft geht es deshalb auch darum, Erkenntnisse aus den anderen Disziplinen aufzunehmen, zu übernehmen und weiterzuentwickeln. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn im Zentrum das menschliche Verhalten steht, da es sich dabei generell um ein komplexes Forschungsgebiet handelt, mit welchem sich zahlreiche Disziplinen beschäftigen. Die Untersuchung zum Abwanderungsverhalten von Spendern, kann somit von interdisziplinären Erkenntnissen profitieren. Dies bezieht sich nicht nur auf Theorien und Konzepte (siehe dazu Kapitel 3 und 4), sondern auch auf Methoden und Analysen. Bei dieser hier vorliegenden qualitativen Studie, die thematisch dem Marketing und der Marktforschung anzugliedern sind, wird deshalb auch auf die Erkenntnisse anderer Disziplinen allgemein und was die Methodik anbelangt auf diejenigen der qualitativen Sozialforschung im speziellen zurückgegriffen. Aufgrund der Problemstellung und der Fragestellung der Arbeit sowie der Tatsache, dass es sich um ein bislang kaum beachtetes Forschungsgebiet handelt, kommt für die Untersuchung zum Abwanderungsverhalten von Spendern nur ein qualitatives Vorgehen in Frage (siehe dazu auch Abschnitt 5.1). Einerseits ist ein qualitatives Vorgehen einem quantitativ-standardisierten vorzuziehen, weil noch kaum Wissen existiert. Andererseits aber auch, weil das komplexe Verhalten von (ehemaligen) Spendern untersucht wird, 712 713
714
Vgl. Holzmüller/Buber (2007), S. 16. Die hier vorliegende Arbeit ist, wie bereits in Kapitel 2 erläutert wurde, im Marketing anzusiedeln, da Fundraising ein Teilgebiet des NPO-Marketing darstellt. Vgl. Dyllick/Tomczak (2007), S. 69. Zur Veranschaulichung der fehlenden Akzeptanz einer Marketingtheorie lässt sich auch der Disput über den Paradigmenwechsel des Relationship Marketing von Abschnitt 2.6 heranziehen. 165
welches durch eine Vielzahl von personellen und kontextbezogenen Einflussfaktoren und Determinanten beeinflusst wird.
5.3 Gütekriterien und -standards qualitativer Forschung Die qualitative Forschung als solche wird immer wieder kritisiert, wobei besonders die mangelnde Gültigkeit qualitativer Ergebnisse, die fehlende statistische Repräsentativität, die geringen Fallzahlen oder die Subjektivität des Forschungsprozesses aufgeführt werden.715 Die Kritik an der qualitativen Forschung ist grossteils durch deren Heterogenität zu erklären, welche dazu führt, dass keine allgemeingültigen Standards und Gütekriterien existieren. Auch wenn (gerade wegen der Breite und Heterogenität der qualitativen Forschung) standardisierte Verfahren zu kurz greifen, sind die momentanen Bemühungen um eine Standardisierung der qualitativen Forschung und die dazugehörenden Debatten und Definitionsversuche als positiv zu bewerten.716 Hierbei geht es unter anderem um eine gewisse Qualitätssicherung der qualitativen Forschung, wie dies beispielsweise Lamnek propagiert:717 „Um die Qualität des Weges zur wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung durch bestimmte Methoden feststellen zu können, sind generelle Kriterien nötig, die die verschiedenen Aspekte aller Methoden vor einem bestimmten wissenschaftstheoretischen Hintergrund erfassen und untereinander vergleichbar machen.“
Die Diskussion um einheitliche Kriterien ist sicherlich notwendig, da auch die qualitative Forschung gewisse Qualitätskriterien für deren Rechtfertigung benötigt, damit der „Wildwuchs“ an qualitativer Forschung etwas eingegrenzt werden kann.718 715 716 717 718
Vgl. Buber/Klein (2007), S. 55. Vgl. Mruck/Mey (2007), S. 29 ff. Lamnek (2005), S. 142. Vgl. dazu Hitzler (2002), S. 5.
166
In diesem Abschnitt werden deshalb die Gütekriterien und -standards für die vorliegende qualitative Untersuchung diskutiert. Als Gütestandards können gewisse generelle Kriterien aufgeführt werden, die sowohl für die qualitative wie auch die quantitativstandardisierte Forschung von Bedeutung sind. Diese Standards werden in Tabelle 12 dargestellt. Tabelle 12:
Gütestandards quantitativer und qualitativer Forschung719
Gütestandard
Beschreibung
Nutzen der Studie
Ist die Fragestellung relevant? Leistet sie inhaltlich und in der Darstellung einen Beitrag zur Problemlösung oder Wissensentwicklung?
Angemessenheit der Theorien
Wurden die relevanten Theorien zum Untersuchungsthema berücksichtigt?
Angemessenheit der Methodenwahl
Passen die Methoden und Sampling-Strategien zum Untersuchungsgegenstand, zur Fragestellung und den Untersuchten? Begründung für die Methodenwahl?
Dokumentation des Vorgehens
Wurde das Vorgehen in einer Weise dokumentiert, dass es für Dritte nachvollziehbar ist?
Kritische Theorieprüfung mittels Falsifikation
Wurde versucht, die theoretischen Vorannahmen zu widerlegen?
Verallgemeinerbarkeit
Sind die Ergebnisse über die konkrete Untersuchungssituation hinweg verallgemeinerbar?
Ethisches Vorgehen
War der Umgang mit den UntersuchungspartnerInnen respektvoll?
719
Quelle: Steinke (2007a), S. 267. 167
5.3.1 Anwendbarkeit spezifischer Gütekriterien in der qualitativen Forschung Die Frage nach den Kriterien für Wissenschaftlichkeit, Güte und Geltung qualitativer Forschung ist zentral für die zukünftige Etablierung und die Rechtfertigung der qualitativen Forschung. Diese wird bis anhin allerdings nicht allgemein und nur wenig systematisch beantwortet.720 Folgend werden die Grundpositionen der heterogenen Literatur der Qualitätskriterien diskutiert und wesentliche Merkmale für die eigene Untersuchung formuliert. Steinke identifizierte drei zentrale Positionen in der Diskussion über Qualitätskriterien qualitativer Forschung:721
Die Verwendung quantitativer Kriterien für qualitative Forschung, die Formulierung eigener Kriterien für die qualitative Forschung und die postmoderne Ablehnung von Kriterien.
Bei der Verwendung quantitativer Kriterien für die qualitative Forschung handelt es sich um die scheinbar naheliegendste Lösung. Dabei sollen die klassischen Gütekriterien der quantitativen Forschung – Objektivität, Reliabilität, Validität – auf die qualitative Forschung übertragen werden. Diese entstammt der Auffassung von Einheitskriterien für sämtliche Forschung.722 Die Reliabilität im Sinne einer beliebig häufigen Replizierung der Untersuchung mit gleichen Daten und Ergebnissen ist bei der qualitativen Forschung zurückzuweisen. Dies unter anderem deshalb, weil der Untersuchungsgegenstand keinem Wandel unterliegen dürfte, was bei qualitativer Forschung selten der Fall ist.723 Die Reliabilität wird in der qualitativen Forschung durch die Dokumentation und Erläuterung des Forschungsprozesses und der erhobenen Daten erhöht. Es geht darum klar abzugrenzen, was Aussage des Subjekts und was Interpretation des Forschers ist und wie die Er720 721 722 723
Vgl. Steinke (2007b), S. 319. Vgl. Steinke (2007a), S. 264 ff. Vgl. Steinke (2007a), S. 264, (2007b), S. 319. Flick (2007a), S. 490 ff.
168
gebnisse zustande gekommen sind. Das Kriterium Reliabilität geht somit in Richtung einer Prüfung der Verlässlichkeit der Daten und Vorgehensweisen.724 Nach Kirk und Miller kann die Frage der Validität darin zusammengefasst werden, ob der Forscher das sieht, was er zu sehen meint.725 In der qualitativen Forschung existieren bislang keine allgemeingültigen Kriterien zur Sicherung der Validität. Als gemeinsame Tendenz bezeichnet Flick aber die Verlagerung von der Validität zur Validierung und von der Beurteilung einzelner Bestandteile der Forschung zur Herstellung von Transparenz über den Forschungsprozess.726 Wird bei der Validität nach Datenerhebung, -analyse und -interpretation unterschieden und dabei quantitative und qualitative Forschung miteinander verglichen, so sind in der Auswertung und Interpretation die qualitativen Verfahren nicht gleich gut abgesichert, wie die quantitativen Techniken. Was die Datenerhebung anbelangt sind die qualitativen Methoden aber in der Regel valider.727 Objektivität im Sinne einer inter-individuellen Zuverlässigkeit bzw. Nachprüfbarkeit spielt auch in der qualitativen Forschung eine Rolle. In der quantitativen Forschung versucht man Objektivität über Standardisierung und Operationalisierung des Untersuchungsgegenstandes zu erreichen. In der qualitativen Forschung Bezieht sich die Objektivität aber auf die intersubjektive Nachprüfbarkeit.728 Steinke spricht im Zusammenhang mit der in der quantitativen Forschung geforderten Standardisierung davon, dass diese dem
724 725 726 727 728
Vgl. Flick (2007a), S. 490 ff.; Mruck/Mey (2007), S. 35 f. Vgl. Kirk/Miller (1986), S. 21 zit. nach Flick (2007a), S. 492 f. Vgl. Flick (2007a), S. 499. Vgl. Lamnek (2005), S. 166. Vgl. Lamnek (2005), S. 172 ff.; Srnka (2007b), S. 251 f. 169
Prinzip der Offenheit,729 welches in der qualitativen Forschung gefordert wird, widerspricht.730 Die nahe liegende Lösung der direkten Übertragung der klassischen Gütekriterien der quantitativen Forschung – Objektivität, Reliabilität, Validität – ist zum Scheitern verurteilt und abzulehnen, da diese Kriterien aufgrund methodischer Differenzen nicht mit der qualitativen Forschung vereinbar sind.731 In der qualitativen Forschung sind die Kriterien Objektivität, Validität und Reliabilität durchaus von Bedeutung, sie basieren aber auf einem anderen Verständnis als jene der quantitativen Forschung.732 Eine ScheinQuantifizierung des Qualitativen ist ebenfalls nicht sinnvoll, da diese zwangsweise zu kurz greift und eher zu Verwirrungen führt. So ist es eher sinnvoll, die Alleinstellungsmerkmale der qualitativen Methodik, deren Nützlichkeit, Besonderheit sowie die Gründe der Verwendung aufzuzeigen und zu erläutern, sowie die Reichweite der Studie zu präsentieren.733 Aufgrund methodischer Differenzen wird die Idee der Einheitskriterien mehrheitlich als unangemessen und deshalb als wenig sinnvoll erachtet.734 Entsprechend haben einige Autoren eigene, auf die qualitative Forschung spezifisch ausgerichtete, Kriterien definiert.735 Die dabei am häufigsten Diskutieren sind:736 1.
Kommunikative Validierung: Daten oder Ergebnisse der Forschung werden den Probanden vorgelegt, damit diese deren Gültigkeit bestätigen können. Triangulation: Durch den Einsatz komplementärer Methoden, Theorien, Daten oder Forscher können Verzerrungen kompensiert werden. Triangulation kann als Möglichkeit der Validierung betrachtet werden, wird heute
2.
729
730 731 732 733 734 735
736
Das Prinzip der Offenheit besagt, dass man nicht vorschnell subjektive und alltägliche Sichtweisen der Probanden unter die theoretischen Vorannahmen subsumieren darf. Vgl. Flick (2007a), S. 31 f.; Hoffmann-Riem (1980), S. 339 ff.; Steinke (2007a), S. 265. Vgl. Steinke (2007a), S. 264 f. Vgl. Steinke (2007a), S. 264 f., (2007b), S. 322 f. Vgl. dazu Lamnek (2005), S. 142 ff.; siehe auch Steinke (2007b), S. 322 f. Vgl. Mruck/Mey (2007), S. 35 f. Steinke (2007a), S. 264 f. Vgl. dazu bspw. Miles/Huberman (1994), S. 277 ff. Lincoln/Guba (1985), S. 289 ff. Steinke (2007a), S. 264 f. Vgl. Steinke (2007b), S. 320.
170
3.
4.
aber auch zur breiteren und tieferen Erfassung des Untersuchungsgegenstandes verwendet. Validierung der Interviewsituation: Die Interviews werden überprüft, ob die Teilnehmer wahrheitsgemäss und aufrichtig waren, respektive nicht in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis standen. Authentizität: Bezieht sich auf den sorgfältigen Umgang mit den Äusserungen der Probanden.
Letztlich gibt es auch noch Vertreter, die sich generell gegen die Möglichkeit äussern, dass Qualitätskriterien für qualitative Forschung formuliert werden können und sollen.737 Die generelle Zurückweisung birgt aber die Gefahr der Beliebigkeit und Willkür in sich. Deshalb kann auch die qualitative Forschung nicht ohne Bewertungskriterien bestehen und die Haltung der generellen Zurückweisung von Gütekriterien ist abzulehnen.738 Die qualitative Forschung sollte also nicht ohne Qualitätsprüfung und damit verbundenen Gütekriterien auskommen. Die Prüfung sollte sich dabei auf den gesamten Forschungsprozess beziehen.739 Gütekriterien existieren in der qualitativen Forschung und werden zu deren Legitimation auch herangezogen und weiterentwickelt. Allerdings handelt es sich nicht um allgemeingültige Kriterien, da die Wahl der Prüfverfahren und -kriterien im Einzelfall anhand der konkreten Fragestellung und dem Untersuchungsgegenstand herangezogen werden müssen.740 5.3.2 Formulierung von Kernkriterien Für die qualitative Forschung werden nicht Einzelkriterien, sondern ein System von Kriterien benötigt, die möglichst viele Aspekte der Bewertung qualitativer Forschung abdecken. Da die Heterogenität und Vielzahl von qualitativen Forschungsprogrammen und deren starke Einschränkung der Standardisierbarkeit der methodischen 737 738 739 740
Vgl. dazu Steinke (2007b), S. 321. Vgl. Steinke (2007b), S. 321 f. Vgl. Steinke (2007a), S. 279. Vgl. dazu Steinke (2007a), S. 280. 171
Vorgehensweise eigentlich im Widerspruch zu einem allgemein verbindlichen, universellen Kriterienkatalog stehen, schlägt Steinke ein zweistufiges Vorgehen vor. Dabei sollen in einem ersten Schritt breit angelegte Kernkriterien qualitativer Forschung und Prozeduren definiert werden, an welchen sich die qualitative Forschung orientieren kann. In einem zweiten Schritt sollen untersuchungsspezifische Kriterien und Prüfverfahren angewendet werden. Die Prüfung wird somit durch konkretisierte, modifizierte und gegebenenfalls durch weitere Kriterien je nach Fragestellung, Gegenstand und verwendeter Methode ergänzt.741 Letztlich lässt sich eine abschliessende Kriteriendiskussion nur anhand der jeweiligen Fragestellung, Methode, der Spezifika des Forschungsfeldes und des Untersuchungsgegenstandes führen.742 Im Folgenden werden die von Steinke propagierten Kernkriterien aufgeführt, nach welchen sich auch die eigene Untersuchung ausrichtet. Intersubjektive Nachvollziehbarkeit: Die intersubjektive Überprüfbarkeit kann auf Grund der Unmöglichkeit einer identischen Replikation einer qualitativen Untersuchung nicht als Anspruch gelten. Angemessen ist allerdings der Anspruch auf intersubjektive Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses, welche eine Bewertung der Ergebnisse zulässt. Diese Prüfung der Nachvollziehbarkeit kann auf drei Wegen erfolgen.743 1.
Die zentrale Technik ist jene der Dokumentation des Forschungsprozesses. Diese erlaubt es, jegliche Art qualitativer Studien, unabhängig von Methodik, Fragestellung und Untersuchungsgegenstand einer Schritt für Schritt Prüfung zu unterziehen. Die intersubjektive Nachvollziehbarkeit durch die Dokumentation ist das Hauptkriterium und die Voraussetzung für die Prüfung anderer Kriterien.744 Die Interpretation in Gruppen kann ebenfalls zur Herstellung der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit herangezogen werden. Eine Sonderform stellt
2.
741 742 743 744
Vgl. Steinke (2007b), S. 322 ff. Vgl. Steinke (2007b), S. 323. Vgl. Steinke (2007b), S. 324 ff. Vgl. Steinke (2007b), S. 324.
172
3.
dabei das „peer debriefing“745 dar, in welcher das Projekt mit Kollegen diskutiert wird, die nicht am gleichen Untersuchungsgegenstand arbeiten.746 Durch die Anwendung kodifizierter Verfahren wird Intersubjektivität hergestellt, in dem eine Orientierung an existierenden, etablierten Verfahren vorgenommen wird. Dies erleichtert die Kontrolle und den Nachvollzug.747
Indikation des Forschungsprozesses: Damit ist die Gegenstandsangemessenheit gemeint. Die Indikation bezieht sich nicht bloss auf die Angemessenheit der Erhebungs- und Auswertungsmethode gemeint, sondern auf den ganzen Forschungsprozess. Folglich kann zwischen Indikation des qualitativen Vorgehens, der Methodenwahl, der Transkriptionsregeln, der Samplingstrategie, der methodischen Einzelentscheide im Kontext der gesamten Untersuchung und der Bewertungskriterien unterschieden werden. Insgesamt geht es bei der Indikation somit um die Angebrachtheit jedes einzelnen Schrittes im Forschungsprozess mit der Berücksichtigung der Einflussfaktoren und der Umwelt.748 Empirische Verankerung: Die Bildung und Überprüfung von Theorien oder Hypothesen sollte in den Daten begründet sein. Dies kann durch die Verwendung kodifizierter Verfahren sichergestellt werden, wie auch durch hinreichende Textbelege, die analytische Induktion, das Überprüfen des Eintretens von Prognosen und die kommunikative Validierung.749 Limitation: Bei diesem Kriterium geht es darum, die Grenzen des Geltungsbereichs zu prüfen und die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse zu testen. Dazu eignen sich Vergleiche von verschiedenen Fällen und die explizite Suche nach abweichenden oder extremen Fällen.750 745 746 747 748 749
750
Vgl. zum peer debriefing auch Creswell/Miller (2000), S. 129. Vgl. Steinke (2007b), S. 326. Vgl. Steinke (2007b), S. 326. Vgl. Steinke (2007b), S. 326 ff. Vgl. Steinke (2007b), S. 328 f. Zur Kommunikativen Validierung siehe auch Lamnek (2005), S. 155 f. Vgl. Steinke (2007b), S. 329 f. 173
Kohärenz: Die Ergebnisse sind auf ihren Zusammenhang und mögliche Widersprüche zu untersuchen.751 Relevanz: Die qualitative Forschung soll auf ihren pragmatischen Nutzen untersucht werden. Dabei sollte sowohl die Fragestellung relevant sein, wie auch die Ergebnisse einen Beitrag zur Problemlösung leisten.752 Reflektierte Subjektivität: Die Rolle des Forschers soll kritisch geprüft werden. Dabei sollen seine Interessen, seinen Hintergrund und seine Voraussetzungen mit einbezogen werden und betrachtet werden, ob reflektiert vorgegangen wurde.753 Für die Bewertung einer Studie ist die Anwendung von nur einem oder zwei der vorgeschlagenen Kriterien nicht ausreichend, da auf der Grundlage mehrerer Kriterien darüber entschieden werden muss, ob das bestmögliche Ergebnis erzielt wurde.754 Die Anwendung der vorgeschlagenen Kernkriterien soll zur Güteprüfung der vorliegenden Arbeit herangezogen werden. Auf die genauere Ausgestaltung der Gütekriterien wird in der nachfolgenden Dokumentation der Untersuchung noch vertieft eingegangen. Die methodenspezifischen Kriterien sollen auf die untersuchungsspezifische Anwendung übertragen werden. Damit werden sie in Bezug auf die konkrete Fragestellung, den Gegenstand und die verwendete Methode konkretisiert. Folglich wird der detaillierten Dokumentation der Vorgehensweise der eigenen Untersuchung besondere Beachtung geschenkt. Dabei wird durch Transparenz die intersubjektive Nachvollziehbarkeit ermöglicht. Vorerst wird allerdings nochmals auf die Fragestellung und die verwendeten Theorien und Erkenntnisse eingegangen und deren Bedeutung für die Untersuchung erläutert.
751 752
753 754
Vgl. Steinke (2007b), S. 330. Vgl. Steinke (2007b), S. 330. Zum Kriterium der Praxisrelevanz vgl. auch Dyllick/Tomczak (2007), S. 70 ff. Vgl. Steinke (2007b), S. 330 f. Vgl. Steinke (2007b), S. 330 f.
174
5.4 Fragestellung der empirischen Untersuchung Die Fragestellung nimmt eine zentrale Rolle bei Forschungsprojekten ein. Sie beeinflusst die Entscheidung über die Verwendung der Methode der Datenerhebung und ist ausschlaggebend für die Konzeption des Interviewleitfadens.755 Es sollte dementsprechend schon früh im Forschungsprozess eine klare und eindeutige Fragestellung formuliert werden, die allerdings im Verlauf des Projektes immer wieder konkretisiert, weiter eingegrenzt und überarbeitet werden sollte.756 Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, einen Beitrag zur Schliessung der vorhandenen Forschungs- und Wissenslücke in der Spenderabwanderung zu leisten. Durch die Erkenntnisse der Untersuchung sollen soweit möglich Erkenntnisse generiert werden, die zur Verringerung der Abwanderungsrate beitragen können. Die Hauptfragestellungen richten sich demnach auf das Verständnis der Spenderabwanderung und auf die Möglichkeit der Abwanderung entgegenzuwirken. Dementsprechend stehen die folgenden Hauptfragestellungen im Zentrum der Untersuchung (siehe auch Abschnitt 1.2): 1. 2. 3. 4.
Weshalb beenden Spender ihre Unterstützung einer Organisation? Welche Typen der Spenderabwanderung existieren? Wie kann die Spenderabwanderung verhindert werden? Können abgewanderte Spender zurück gewonnen werden?
Die Hauptfragestellungen dieser Arbeit haben nebst einem Erkenntnis- und Wissensziel auch den Anspruch der praktischen Relevanz.757 Neben den Hauptforschungsfragen werden auch die aus den theoretischen Grundlagen abgeleiteten (Unter-) Fragestellungen in der empirischen Studie untersucht. Diese werden entsprechend der 755 756 757
Vgl. Flick (1998), S. 63, (2005), S. 67 Holzmüller/Buber (2007), S. 5. Vgl. Flick (2007a), S. 174. Zur praktischen Relevanz als Gütekriterium der Marketingforschung siehe Dyllick/Tomczak (2007), S. 70 ff. 175
Struktur der SPAT in die vier Teilbereiche Auslöser, Ausgangssituation, Prozess und Ergebnis unterteilt.758 Eine Übersicht über die gesammelten (Unter-) Fragestellungen wird in Tabelle 13 gegeben. Tabelle 13: Fokus Auslöser
Gesammelte theoriegeleitete (Unter-) Forschungsfragen Unterfragestellungen UF 1-1 Welche Faktoren lösen einen Kundenabwanderungsprozess aus? UF 1-2 Unterscheiden sich Auslöser und Abwanderungsgründe?
Ausgangs- UF 2-1 Welche soziodemografischen Grössen beeinflussen das Abwanderungsverhalten? situation
UF 2-2 Welchen Einfluss haben Spendenmotive auf das Abwanderungsverhalten? UF 2-3 Welchen Einfluss hat die Beziehungsdauer auf die Abwanderung? UF 2-4 Welche Rolle spielt die Spendenhistorie eines Spenders beim Abwanderungsverhalten? UF 2-5 Beeinflusst der Entscheidprozess beim Spenden die Abwanderung?
Prozess
UF 3-1 Welche kritischen Ereignisse haben welche Auswirkungen? UF 3-2 Handelt es sich bei der Spendenabwanderung um einen Prozess (komplexe Abwanderungsgründe)? UF 3-3 Welche Art der Abwanderung ist bei Mehrfachspendern vorherrschend? UF 3-4 Welchen Einfluss hat die Konkurrenz auf die Spenderabwanderung? UF 3-5 Werden bei der Spenderabwanderung „Wechselkosten“ wahrgenommen und welche Rolle spielen diese für die Abwanderung? UF 3-6 Welche Bedeutung haben Beschwerden bei der Spenderabwanderung? UF 3-7 Wie ist das Verhältnis zwischen Situations-, Konkurrenz- und NPObezogener Abwanderungsgründen? UF 3-8 Welche Bedeutung hat das Variety Seeking bei der Spendenabwanderung?
Ergebnis
UF 4-1 Welche Bedingungen werden aus Sicht der ehemaligen Spender an die Rückgewinnung gestellt? UF 4-2 Führen unterschiedliche Auslöser zu unterschiedlichen Ergebnissen? UF 4-3 Spielt die Mund-zu-Mund Propaganda bei Spendern eine Rolle? UF 4-4 Gehen abgewanderte Spender dem Sektor verloren oder nur der Organisation?
758
Näheres zur SPAT siehe auch in Abschnitt 4.5.
176
Die theoriegeleiteten (Unter-) Forschungsfragen sollen unter anderem die Eruierung von Einflussfaktoren auf den Untersuchungsgegenstand erleichtern und die Informationssuche für die Beantwortung der Hauptfragestellung unterstützen. Die folgende empirische Untersuchung soll entsprechend gewählt und ausgerichtet werden, damit die konkreten (Haupt- und Unter-) Fragestellungen bestmöglich beantwortet werden können.
5.5 Vorwissen und Hypothesen in der eigenen Untersuchung Auch in der qualitativen Forschung wird die Tatsache der theoriegeleiteten Wahrnehmung nicht in Frage gestellt und somit der Einbezug von Vorwissen als Voraussetzung betrachtet.759 Im Gegensatz zur quantitativen Forschung, wird bei der qualitativen Methodologie aber die Formulierung von Ex-ante-Hypothesen überwiegend abgelehnt. Dies wird damit argumentiert, dass eine grösstmögliche Offenheit gegenüber Neuem gewährleistet sein sollte, die durch die Formulierung von vorab Hypothesen gefährdet wird.760 In dieser Arbeit wird dem Anspruch des Einbezugs von Vorwissen Rechnung getragen und nicht nur alltagsweltliches Vorwissen, sondern auch allgemein theoretische und gegenstandsbezogene Konzepte mit einbezogen, die durch die vorangegangene Literaturarbeit zusammengetragen wurden.761 Aufgrund der qualitativen und eher explorativen Ausrichtung dieser Arbeit fällt insbesondere der Fragestellung und weniger der Formulierung von vorab Forschungshypothesen eine zentrale Bedeutung zu. Die vorangegangene Literaturarbeit hat dazu geführt, dass trotzdem einige Hypo759
760
761
Zur Diskussion über den Einbezug von Vorwissen in qualitativen Studien siehe Kelle (2007b), S. 32 ff.; Meinefeld (2007), S. 268; Srnka (2007a), S. 162 ff. Besondere Bedeutung kommt dabei der Grounded Theory zu, vgl. dazu Hildenbrand (2007), S. 32 ff.; Lamnek (2005), S. 100 ff.; Lueger (2007), S. 189 ff. Die Grounded Theory wurde von Glaser/Strauss (1967)aufgestellt. Vgl. Meinefeld (2007), S. 266. Zum Umgang mit Hypothesen in der qualitativen Forschung vgl. auch Lamnek (2005), S. 86 ff.; Meinefeld (2007), S. 265 ff.; Mruck/Mey (2007), S. 28 ff. Vgl. zu den Ausprägungen des Vorwissens Meinefeld (2007), S. 273. 177
thesen abgeleitet wurden. Die Hypothesen basieren somit auf dem Vorwissen und dem Vorverständnis und beziehen sich auf die Hauptfragestellungen. Dabei nehmen die vorformulierten Hypothesen einen eher thesenähnlichen Status an. Es geht demzufolge auch nicht um die Überprüfung dieser theoriegeleiteten Thesen, da diese aus der vorherrschenden Literatur abgeleitet und dadurch bereits implizit durch die existierenden Erkenntnisse geprüft erscheinen.762 Die in Tabelle 14 dargestellten Thesen wurden aus den theoretischen Vorkenntnissen abgeleitet und sollen, eine Hilfestellung für die Strukturierung der eigenen Untersuchung und die theoriegeleitete Auswahl der Untersuchungsgruppe dienen.763 Das Vorwissen und somit auch die vorliegenden Arbeitshypothesen determinieren letztendlich das methodische Vorgehen, wie auch die Analyse und Interpretation der empirisch eruierten Ergebnisse. Tabelle 14: Gesammelte aus der Theorie abgeleitete, forschungsleitende Thesen T1
Private Geldspenden sind für viel gemeinnützige Drittleistungs-NPO eine zentrale Finanzierungsquelle. Spendensammelnde NPO sehen sich verstärkt zunehmender Konkurrenz um Spendengelder ausgesetzt. Die Rekrutierung von Neuspendern wird zunehmend teurer. Der Abwanderung von Spendern muss vermehr Beachtung geschenkt werden. Der Beziehungsansatz ist im Fundraising dem Transaktionsansatz vorzuziehen. Die Spendersegmentierung muss anhand Kosten-Nutzen-Abwägungen vorgenommen werden. Das frei verfügbare Einkommen hat einen Einfluss auf die Spendenbereitschaft. Das Alter beeinflusst das Wechsel- und Abwanderungsverhalten von Spendern.
T2 T3 T4 T5 T6 T7 T8
762 763
Vgl. zur impliziten Prüfung der Hypothesen in der qualitativen Forschung Lamnek (2005), S. 93. Vgl. zur theoriegeleiteten, erkenntnisorientierten Auswahl der Untersuchungseinheiten in qualitativen Studien Lamnek (2005), S. 187 ff.; Srnka (2007a), S. 165 f.
178
T9 T10 T11 T12 T13
T14 T15 T16 T17
Die Motive des Spendens beeinflussen die Abwanderungsgründe. Die Dauer der Beziehung und die damit verbundenen Erfahrungen beeinflussen das Spendenverhalten. Die Art des Entscheidprozesses des Spendens beeinflusst die Art der Abwanderung. Die Zufriedenheit ist nur ein unzureichender Indikator um die Spenderabwanderung zu erklären. Abwanderungsabsichten sind zur Erklärung der Spenderabwanderung nur ungenügend, da sich Absichten und tatsächliches Verhalten unterscheiden. Die Abwanderungsgründe können nach den Verursachern (Spender, NPO, Konkurrenz) systematisch in drei Kategorien eingeordnet werden. Der Prozess und die komplexen Einflussfaktoren müssen bei der Spenderabwanderung mitberücksichtigt werden. Das Vertrauen und das Commitment stellen Schlüsselgrössen der Abwanderung dar. Zur Erfassung der Spenderabwanderung eignet sich am besten die prozessorientierte Methode SPAT.
Über formulierte Vorannahmen und die definierten Kriterien der Auswahlentscheidung kann die Intersubjektivität der Forschung gewährleistet werden. Das bedeutet, dass andere Forscher die einzelnen Schritte nachvollziehen können und bei gleicher Vorgehensweise zu ähnlichen Resultaten gelangen können. Diese Arbeit ist im NPO-Marketing und Relationship Fundraising theoretisch verankert, weshalb Erkenntnisse dieser theoretischen Ansätze mit einbezogen werden. Ebenfalls berücksichtigt wurden theoretische und empirische Erkenntnisse der Spenderforschung und der Abwanderungsforschung. Mit dem Einbezug dieses Vorwissens wird dem Gütestandard der Angemessenheit der Theorien, respektive dem Einbezug der wesentlichen Theorien und Erkenntnisse entsprochen (siehe dazu Tabelle 12). Durch die Dokumentation des einbezogenen Vorwissens und insbesondere durch die Auflistung der daraus abgeleiteten forschungsleitenden Thesen
179
wird dem Leser die Nachvollziehbarkeit der Vorgehensweise und der Ergebnisinterpretation ermöglicht. Diese intersubjektive Nachvollziehbarkeit ist für die Prüfung der Qualität der Studie von zentraler Bedeutung (zu den Gütekriterien der Untersuchung siehe. auch Abschnitt 5.3.2).764
5.6 Verwendung der SPAT als Methode zur Erfassung der Spenderabwanderung Die eigene Datenerhebung stützt sich weitgehend auf die Ausführungen der SPAT.765 Bei der SPAT handelt es sich allerdings eher um ein konzeptionelles Grundmodel, denn um eine Technik im Sinne von konkreten Handlungsanweisungen und Instrumenten zur Durchführung einer Untersuchung.766 Aus der SPAT gehen aber die folgenden Merkmale für die Untersuchung hervor:767
Prozessorientierung, Untersuchungsschwerpunkt Beziehungsebene, Erfassen von kritischen Ereignissen, Berücksichtigung von Einflussfaktoren in einem breiten Kontext, Berücksichtigung von Rückgewinnungsmöglichkeit.
Diese Merkmale standen somit bereits im Vorfeld der Untersuchung fest. Der wesentlichste Einbezug aus der SPAT ist sicherlich in der Aufteilung des Abwanderungsprozesses in vier Teilbereiche 764
Die Dokumentation des Vorwissens und des Vorverständnis des Forschers ist ein wichtiges Gütekriterium, welches die intersubjektive Nachvollziehbarkeit ermöglicht und die Indikation des Vorgehens rechtfertigt, vgl. dazu Steinke (2007b), S. 324 ff. Merkens (2007), S. 286 ff. 765 Zur Entwicklung der SPAT vgl. Roos (1999a), S. 111 ff., (1999b), S. 70 f. 766 Die SPAT ist eine Weiterenticklung der CIT. CIT Studien verfolgen eigentlich einen qualitativen Ansatz, werden allerdings sehr unterschiedlich verwendet und so teilweise auch als quantitative Verfahren angewendet. Das Vorgehen wurde bei vielen Studien gar nicht beschrieben und geht bei anderen von Sekundärdatenanalysen, Briefbefragungen bis zu qualitativen Tiefeninterview siehe dazu Gremler (2004). Auch die wenigen SPAT-Studien unterscheiden sich in ihrer Datenerhebung. So spricht Roos beispielsweise von Leitfadeninterviews mit „story telling“-Ansatz, welche sie letztendlich zu quantifizieren versucht, während Michalski von problemzentrierten, teilstrukturierten Interviews spricht vgl. Michalski (2002), S. 91; Roos (1999a), S. 129 ff. 767 In Anlehnung an Michalski (2002), S. 94. 180
zu betrachten. Diese Untergliederung entstammt dem katalytischen Wechselmodell von Roos (siehe Abbildung 11) welches die Grundlage der SPAT bildet.768 Die vier Teilbereiche des Abwanderungspfads sind:
Auslöser (Trigger) Ausgangssituation (Initial State) Prozess (Process) Ergebnis (Outcome)
Diese Teilbereiche wirken im katalytischen Wechselmodell zusammen. Dieses Modell ist ein allgemeines Modell, welches für sämtliche Bereiche des Wechselverhaltens entwickelt wurde. Diese Einteilung ermöglicht eine Strukturierung des Wechselpfades. Dem katalytischen Wechselmodelle liegt das Tispo-Modell zugrunde, welches allgemein für Untersuchungen des Wechselverhaltens entwickelt wurde und die Natur des Wechselpfades beschreibt.769 Abbildung 11: Katalytisches Wechselmodell nach Roos770
Die vier Teilbereiche der SPAT wurden nach ihrer theoretischen Adaption auf die Spender in einem Schaubild771 gesammelt und dargestellt (siehe Abbildung 12). 768 769
770 771
Vgl. Roos (2002), S. 196. Das Tispo-Modell hat seinen Namen auf Grund der Anfangsbuchstaben der vier Elemente des Modells. Zum Tispo-Modell vgl. Roos (1999a), S. 113 ff. Quelle: Roos (1999a), S. 246. Analog jenem von Roos (1999a), S. 130. 181
772
182
- Situations-/ Spenderbezogen - NPO-bezogen - Wettbewerber-/ Konkurrenzbezogen
Auslöser
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Roos (1999a), S. 130.
Abwanderungspfad (Dauer)
Kritische Ereignisse
Kritische Ereignisse
- Kritische Ereignisse: Spender-, NPO- oder Konkurrenzbezogen - Emotionen - Beschwerden - Variety Seeking - Wechselbarrieren
- Beziehungsdauer - Commitment - Vertrauen - Spendenmotive - Soziodemografische Einflussgrössen - Art der Entscheidungsfindung - Informationsverhalten
Kritische Ereignisse
Prozess
Ausgangssituation
Beziehung zur NPO Ergebnis
Zeit zwischen Befragung und Abwanderung
Bedingungen der Rückgewinnung
Abwanderung: widerruflich oder unwiderruflich
Abwanderung oder Wechsel
Negative Mund-zu-Mund Propaganda
Abwanderung/ Wechsel
Rückgewinnung
Abbildung 12: SPAT für die Spenderabwanderung772
Dieses Schaubild stellt den konzeptionellen Rahmen der eigenen Untersuchung dar und bildet dementsprechend die Grundlage für die Strukturierung des Leitfadens, wie auch für den deduktiven Codeplan. Im Folgenden werden die einzelnen Teilbereiche besprochen und deren inhaltliche Anpassung an den Untersuchungsgegenstand Spender vorgenommen. 5.6.1 Auslöser (Trigger) Der Auslöser nimmt bei der SPAT eine zentrale Rolle ein, denn es ist nicht der Wechselgrund, sondern der Auslöser, welcher massgeblich für die Energie und Richtung der Abwanderung ist.773 Der Auslöser ist definiert als Faktor, der die Ausgangssituation einer Beziehung so ändert, dass ein Wechselpfad gestartet wird. Der Auslöser startet den Prozess, muss aber nicht unbedingt der einzige Grund bleiben, weshalb ein Wechsel einer Beziehung vollzogen wird. Bei einfachem Wechseln ist der Auslöser gleichzeitig der einzige Wechselgrund. Bei komplexem Wechseln gibt es mehrere Einflussfaktoren und kritische Ereignisse die zum Wechseln führen.774 Derjenige Faktor, der zeitlich zuerst aufgetreten ist, und den Prozess in Gang gesetzt hat, ist der Auslöser. Die restlichen Einflussfaktoren werden dem Bereich des Prozesses zugeordnet (siehe Abschnitt 5.6.3). Auslöser können bereits lange vor dem effektiven Wechsel aufgetreten sein und deshalb auch als Alarmglocken betrachtet werden. Um Auslöser zu identifizieren, braucht es andere Methoden, als die herkömmlich verwendeten, in den Critical Incident Studien,775 denn der Auslöser muss nicht unbedingt sichtbar oder bewusst sein.776 773 774
775 776
Vgl. Roos (1999a), S. 114. Keaveney (1995) hat zwischen einfachem Wechseln bestimmt durch eine Kategorie oder einen Faktor und komplexem Wechseln mit mehreren Wechselgründen unterschieden, vgl. Keaveney (1995), S. 78. Vgl. Roos (1999a), S. 114 f. Vgl. Roos (2002), S. 196. 183
Der Auslöser kann bei der Interaktion, bei Veränderungen einer Partei oder Veränderungen des Umfeldes (bspw. Markt, Konkurrenz) der Beziehung auftreten. Es werden demzufolge drei Arten von Auslösern/Triggern unterschieden:777
Situational trigger: Der Auslöser liegt ausserhalb des Anbieters und bezieht sich auf eine Situationsveränderung die nicht unbedingt mit dem Anbieter in Verbindung stehen muss (z. B. ökonomische Veränderungen). Influential trigger: Der Auslöser basiert auf einem Vergleich (z. B. mit einem Konkurrenten). Reactional trigger: Der Auslöser geht vom Anbieter aus (z. B. durch unzureichende Angebote, Dienstleistungen oder Interaktionen mit den Kunden).
Analog dazu werden in der eigenen Untersuchung die Auslöser nach Verursachern unterschieden und entsprechend der in Abschnitt 4.3 dargestellten Systematisierung der Abwanderungsgründe unterteilt in:
Spenderinitiierte Auslöser: Auslöser die durch das Umfeld des Spenders, der persönlichen Situation oder seinen Einstellungen entstehen. Organisationsinitiierte Auslöser: Auslöser die durch die Interaktion mit der Organisation, oder Veränderungen durch die Organisation auftreten. Konkurrenzinitiierte Auslöser: Auslöser die durch Konkurrenten oder alternativen Anbietern entstehen.
Diese drei Kategorien werden als Grundkategorien betrachtet und für die systematische Analyse der Auslöser verwendet. Weitere Unterkategorien können, je nach empirischen Befunden induktiv gebildet werden. 5.6.2 Ausgangssituation (Initial State) Als Ausgangssituation wird der anfängliche Stand der Beziehung vor Beginn des Abwanderungsprozesses betrachtet. Dabei kann insbesondere das vorhandene Commitment von Bedeutung sein. Liljander und Strandvik unterscheiden bei der Ausgangssituation beispielsweise zwischen positivem Commitment, indifferentem 777
Zu den drei Auslösern vgl. Roos (2002), S. 196 ff.
184
und negativem Commitment.778 Roos weist darauf hin, dass die Ausgangsituation sowohl die Art des Auslösers, den Abwanderungsprozess als auch das Ergebnis beeinflussen kann.779 Die Ausgangslage kann durch die Beziehungsdauer und das Commitment des Kunden operationalisiert werden und zeigt die Beziehungsstärke auf. Nebst der Beziehungsstärke, kann aber auch die Natur der Beziehung wichtige Informationen für die Beziehung und die Beendigung derjenigen enthalten.780 Während Michalski bei der Abwanderung von Bankkunden auf die Beziehungstypen von Halinen und Tähtinen verweist, die zwischen continuous, episodic und terminal Relationship unterscheiden,781 spielen bei Spenderbeziehungen lediglich die continuous Relationship eine Rolle, da unerwünschte (terminal) oder auf bestimmte Zeit festgelegte terminierte (episodic) Beziehungen bei Spendern eher unwahrscheinlich sind.782 Die Idee, die Art der Beziehung im Rahmen der Ausgangslage mit einzubeziehen, wird in der eigenen Arbeit aufgegriffen, da unterschiedliche Beziehungen zu einem unterschiedlichen Abwanderungsverhalten führen. So werden Motive, soziodemografische Daten, die Art der Spendenentscheidung, das Informationsverhalten der Spender und die Spendenhöhe berücksichtigt. Zusätzlich wird auch das Vertrauen der Spender berücksichtigt, da Vertrauen beim Spenden eine Schlüsselgrösse darstellt (siehe dazu Abschnitt 4.2). 5.6.3 Prozess (Switching Process) Der Wechselpfad kann beschrieben werden durch seine Länge und die verschiedenen Elemente und Phasen darin. Frühere Studien haben beispielsweise das Beschwerdeverhalten betrachtet (allerdings 778 779 780 781 782
Vgl. Liljander/Strandvik (1995), S. 150 ff. Vgl. Roos (1999a), S. 115. Vgl. Michalski (2004), S. 982. Vgl. dazu Halinen/Tähtinen (2002), S. 167 f.; Michalski (2004), S. 982. Zumindest bei ungebundenen Spendern (Patenschaften ausgeschlossen) die nicht für Katastrophenhilfe spenden. 185
dann nur dieses). Daneben spielen oft auch Emotionen oder kognitive Beurteilungen eine Rolle und beeinflussen das Wechselverhalten.783 Roos hat insgesamt drei Arten von Wechseldeterminanten identifiziert:784
Pushing determinants: Werden wahrgenommen als Grund zum Wechseln zu einem anderen Anbieter. Swayer: Haben keine eigene Kraft und wirken verstärkend oder abschwächend auf den Wechselentscheid. Sie können also positiv oder negativ sein. Pulling determinats: Erklären, weshalb Kunden zum ursprünglichen Anbieter zurückkehren.
Problematisch oder verwirrend kann bei diesen Kategorien sein, dass einzelne Einflussgrössen sowohl pushing determinants, pulling determinants als auch swayer sein können. Ausserdem können Ereignisse Auslöser und Wechseldeterminante in einem sein. In der Studie von Roos waren immerhin 45 % aller Wechsel auf Grund eines einzigen Ereignisses zustande gekommen. Es handelte sich somit bei beinahe der Hälfte der Wechsel um einfaches Wechseln.785 Dabei waren die Auslöser gleichzeitig die einzigen Wechselgründe. Damit die Wechseldeterminanten und die Auslöser verglichen und Verwirrungen vermieden werden können, werden in der eigenen Untersuchung die Wechseldeterminanten nicht nach den Kategorien von Roos786 gegliedert, sondern nach den gleichen Kategorien der Auslöser gemäss Verursacher des Ereignisses oder der Einflussgrössen (siehe Abschnitt 5.6.1). Zu den weiteren Faktoren die im Prozess der Spenderabwanderung betrachtet werden, gehört das Variety Seeking, also der Wunsch nach Abwechslung, beziehungsweise die Einstellung zum Wechseln der unterstützten NPO.787 Entsprechend einer Studie von 783 784 785
786 787
Vgl. Roos (1999a), S. 116. Vgl. Roos (1999a), S. 132., (1999b), S. 74. Zur Unterscheidung zwischen dem einfachen und dem komplexen Wechseln, vgl. Keaveney (1995), S. 78. Vgl. Roos (1999a), S. 132., (1999b), S. 74. Zum Variety Seeking vgl. Helmig (1997), (2001).
186
Roos werden auch Emotionen und Beschwerden als Merkmale der Kundenabwanderungsprozesse betrachtet und in der eigenen Untersuchung berücksichtigt.788 Ebenfalls mit einbezogen werden Abwanderungskosten oder -barrieren, sofern solche existieren. 5.6.4 Abwanderung (Outcome) Die Wechselentscheidung ist nicht eine „Entweder-oderEntscheidung“. Kunden können auch nur teilweise wechseln und mit mehreren Anbietern Beziehungen unterhalten. Daneben kann der Kunde auch wieder zum ursprünglichen Anbieter zurückkehren. Hier wird also untersucht, ob es sich bei der Spenderabwanderung um einen widerrufbaren oder unwiderrufbaren Wechsel handelt. Falls eine Wiederaufnahme der Spendenbeziehung denkbar ist, werden die Bedingungen einer Rückkehr betrachtet.789 Im Gegensatz zu den bisherigen Untersuchungen, welche auf die SPAT zurückgegriffen haben, wird bei den Studien zur Spenderabwanderung nicht bloss die Wechselmöglichkeit, sondern auch die komplette Abwanderungsmöglichkeit in Betracht gezogen. Die bisherigen Studien beschäftigten sich meist mit notwendigen Dienstleistungen wie Banken, Versicherungen, Supermärkten oder Telekommunikationsanbietern. Im Gegensatz dazu stellen Spenden keine Notwendigkeit dar und das Beenden einer Beziehung hat nicht automatisch die Aufnahme einer neuen Beziehung zur Folge. Somit wird nicht nur unterschieden, ob es sich um widerrufbare oder unwiderrufbare Beziehungsbeendigungen handelt, sondern auch ob es sich um einen Wechsel oder eine Abwanderung handelt. Letzteres ist insbesondere für den Dritten Sektor von Bedeutung: Wechselspender gehen einer Organisation verloren nicht aber dem Spendenmarkt. Abwandernde hingegen bleiben auch dem Sektor nicht treu und bedeuten einen Verlust für den Dritten Sektor insgesamt. Bei der Abwanderung ist weiter zu unterscheiden, ob ledig788 789
Vgl. Roos (1999a), S. 167 ff. Vgl. Roos (1999a), S. 116 f. 187
lich die eingesparte Summe für die vormals unterstützte NPO nicht mehr gespendet wird oder ob eine generelle Beendigung sämtlicher Spendenaktivitäten erfolgt. Das Ergebnis eines Abwanderungsprozesses kann auch über die Weiterempfehlung der Spender Konsequenzen für die NPO haben, insbesondere bei negativer Mund-zu-Mund Propaganda, weshalb auch diese bei den Spendern untersucht wird.790 5.6.5 Instrumentarium der SPAT Über das Instrumentarium der SPAT existieren nicht allzu viele konkrete Vorgaben und Bestimmungen über die Vorgehensweise und Methodik. Zielsetzung bei der SPAT ist es, den Interviewten möglichst offen über die Abwanderung erzählen zu lassen, mit einem möglichst geringen Einfluss des Interviewers. Dementsprechend werden Leitfaden gestützte qualitative Interviews empfohlen.791 Einen Musterleitfaden für eine SPAT bei Banken ist bei Michalski zu finden.792 Dieser Leitfaden wurde als Ausgangslage für die eigene Untersuchung verwendet, allerdings betreffend Eigenheiten des Untersuchungsgegenstandes Spender angepasst. Für die eigene Untersuchung wurden qualitative, halbstandardisierte Leitfaden-Interviews durchgeführt, wobei die SPAT in erster Linie als konzeptioneller Rahmen für den Leitfaden gedient hat.793 Dementsprechend wurden die in Abbildung 12 gesammelten Einflussgrössen im Leitfaden berücksichtigt, wie in Tabelle 15 ersichtlich wird.
790
791
792 793
Zur negativen Weiterempfehlung vgl. beispielsweise Charlett/Garland (1995), S. 42; Keaveney (1995), S. 79; Richins (1983), S. 68 ff. Dabei ist auch von story-telling Stil die Rede, vgl. dazu Michalski (2004), S. 982 f.; Roos (1999a), S. 132; Roos et al. (2006), S. 212. Vgl. Michalski (2006), S. 592. Bei halbstandardisierten Leitfaden-Interviews wird der Leitfaden nach thematischen Bereichen konstruiert vgl. Flick (2007a), S. 203. Entspreched wurden die Teilbereiche der SPAT auf den Leitfaden übertragen.
188
Tabelle 15:
Aufbau des Interviewleitfadens794
Teilbereich des Leitfadens 1 Ausgangssituation
2 Auslöser 3 Prozessanalyse
4 Ergebnis
5 Soziodemografische Daten
Inhaltliche Ausprägungen BeziehungsmerkBeziehungsbeginn Spendenmotive male Beziehungsdauer Commitment Entscheidverhalten Leistungsmerkmale Information Kontakthäufigkeit Form/Höhe der Spenden Zufriedenheit Beurteilung des Beziehungsstandes (Aktivität) Prozessbeginn/Auslöser Prozessdauer Kritische Ereignisse Reaktion der NPO Emotionen Beschwerden Variety Seeking/Einstellung zum Wechseln Wechselbarrieren Vertrauen Abwanderung Neue Spendenbeziehung Mund-zu-Mund Kommunikation Rückgewinnung Alter, Beruf, Familienstand, Einkommen
Der Leitfaden beinhaltet möglichst offen formulierte Fragen, auf die der Interviewte frei antworten kann.795 Der Leitfaden wurde als strukturelle, systematische Hilfestellung dazu verwendet, wesentliche Punkte nicht ausser Acht zu lassen. Ein striktes Festhalten an den Leitfaden-Fragen wie auch eine strikte Abfolge des Leitfadens wurde allerdings bewusst abgelehnt. Die Begründung liegt darin, dass ein möglichst offenes Erzählen des Interviewten beabsichtigt 794 795
Quelle: eigene Darstellung Zu den Leitfaden-Interviews vgl. Flick (2007a), S. 194 ff. 189
wurde, um auch vom Leitfaden nicht berücksichtigte Aspekte zu entdecken. Ausserdem konnte davon ausgegangen werden, dass nicht alle Fragen des Leitfadens für sämtliche Probanden von Bedeutung sein werden.
5.7 Methodik der eigenen Datenanalyse und Datenauswertung Im Sinne der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit wird das methodische Vorgehen soweit möglich an kodifizierte Verfahren angelehnt. Das regelgeleitete Vorgehen und die Orientierung an existierenden Forschungstechniken erleichtern die Kontrolle und den Nachvollzug durch Aussenstehende.796 Darüber hinaus soll bei der Erhebung aber auch möglichst viel Spielraum für Neues und auch Unerwartetes gelassen werden, womit dem Prinzip der Offenheit Rechnung getragen wird. In diesem Abschnitt werden die verwendeten Verfahren der Datenanalyse und -auswertung und deren Anpassung an den Untersuchungsgegenstand präsentiert. 5.7.1 Transkription und Codierverfahren Bei der Analyse von qualitativen Interviews werden diese üblicherweise aufgezeichnet und anschliessend transkribiert, also verschriftlicht. Die transkriptbasierte Analyse – das Erstellen einer vollständigen Transkription – stellt heute in der qualitativen Sozialforschung den Normalfall dar.797 Je nach Anforderungen wird ein dem Untersuchungsgegenstand angepasstes Transkriptionssystem aufgestellt. Darunter wird ein Regelwerk verstanden, welches festlegt, wie die gesprochene Sprache in eine fixierte Form übertragen wird.798 796 797
798
Vgl. dazu die Kernkriterien qualitativer Forschung nach Steinke (2007b), S. 323 ff. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 38 ff. Zu den Kriterien für die Wahl des Transkriptionssystems siehe auch Höld (2007), S. 659. Zur Transkription und den Transkriptionsregeln vgl. Höld (2007), S. 655 ff.; Vgl. Kuckartz (2007b), S. 37 ff.
190
Die Transkriptionsregeln der eigenen Untersuchung sind in Tabelle 16 festgehalten. In der vorliegenden Arbeit werden die Interviews wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder zusammenfassend. Die vorhandene Dialektik wird nicht mit transkribiert und die Sprache leicht geglättet und in ein normales Schriftdeutsch übertragen. Begründet wird diese Entscheidung damit, dass dadurch im Hinblick auf die Fragestellung kein Erkenntnisverlust zu erwarten ist und die Kosten für Transkription und Auswertung eingegrenzt werden können.799 Tabelle 16:
Verwendete Transkriptionsregeln800
Zeichen
Bedeutung
*** (so klar?) „___“ ( )
Unverständlich Nicht mehr genau verständlich, vermuteter Wortlaut Schweizerischer Mundartausdruck Charakterisierung von nicht sprachlichen Vorgängen, bzw. Sprechweise, Tonfall, z.B. (lacht), (ironisch), (schweigt). Auch Anmerkungen der transkribierenden Person die zum Verständnis beitragen werden in Klammern gesetzt. Steht Anstelle des Namens der ausgewählten Organisation Bezeichnung des Interviewers Bezeichnung für Antwort gebende Person
XXX BH: A: Allgemeines: Es wird wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder zusammenfassend. Es wird eine Übertragung in normales Schriftdeutsch vorgenommen,801 mit Ausnahme spezifischer nicht exakt übertragbarer Mundartausdrücke und typisch schweizerischen Satzstellungen. Alle Satzzeichen werden nach den üblichen Grammatik- und Orthografieregeln verwenden. Die Sprache und Interpunktion wird leicht geglättet, d.h. an das Schriftdeutsch angenähert. Zustimmende bzw. bestätigende Lautäusserungen der Interviewer (Mhm, Aha, etc.) werden nicht mit transkribiert, sofern sie den Redefluss der befragten Person nicht unterbrechen. Jeder Sprecherwechsel wird mit einer Leerzeile deutlich gemacht.
799 800 801
Vgl. Kuckartz (2007b), S. 40 ff. Quelle: eigene Darstellung. Dies stellt die häufigste Technik dar, vgl. Kuckartz (2007b), S. 42 f. 191
Heutzutage ist die Verwendung computergestützter Analyse mittels speziell konzipierter Computerprogramme der qualitativen Datenanalyse (QDA-Software) weit verbreitet.802 Die Datenanalyse wurde in der vorliegenden Arbeit ebenfalls mittels Computerunterstützung vorgenommen, wobei das Programm MAXQDA2007803 zur Anwendung herangezogen wurde. Wie Mayring und Brunner festhalten, nimmt der Computer aber nicht die Auswertungsarbeit ab.804 Für die Auswertung wurde insbesondere in der Sozialwissenschaft eine Reihe von Codiermethoden entwickelt.805 Unter Codieren wird in dieser Untersuchung nach der Definition von Kuckartz „ganz allgemein die Zuordnung von Kategorien zu relevanten Textpassagen bzw. die Klassifikation von Textmerkmalen verstanden“806.
Für die vorliegende Arbeit ist insbesondere die technische Vorgehensweise des „Thematischen Codierens“ von Bedeutung.807 Beim Thematischen Codieren handelt es sich um eine Methodik, welche oft eingesetzt wird, allerdings kaum genauer beschrieben oder theoretisch thematisiert wurde, da es keinen fixierten Ablauf benötigt und die Beherrschung des Vorgehens vorausgesetzt wird.808 Beim thematischen Codieren entsteht eine thematische Struktur der Fallanalysen. Durch die thematische Struktur werden Fall- und Gruppenvergleiche ermöglicht.809 In der vorliegenden Untersuchung wird an ein bewährtes Vorgehen angeknüpft, wobei das Auswertungsverfahren in vier hintereinander angeordnete Schritte eingeteilt wird:810 802
803 804 805 806 807 808 809 810
Zur computergestützten Analyse qualitativer Daten vgl. Kelle (2007a); Kuckartz (2007a), (2007b) Im Folgenden MAXQDA Vgl. Mayring/Brunner (2007), S. 677. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 71. Kuckartz (2007b), S. 57. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 98 f. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 83. Vgl. Flick (2007a), S. 402 ff. Vgl. dazu Kuckartz (2007b), S. 83 ff.
192
1. 2. 3. 4.
Entwickeln der Auswertungskategorien Codieren des Materials Erstellen von Fallübersichten Vertiefende Analyse von ausgewählten Fällen
Entsprechend handelt es sich beim thematischen Codieren um ein mehrstufiges Verfahren.811 Der erste Schritt, die Entwicklung von Auswertungskategorien beginnt bereits bei der Planung der Datenerhebung, etwa zeitgleich mit der Entwicklung des Interviewleitfadens. Dabei können auch schon theoriegeleitete Begriffe und Kategorien vor der Erhebung festgelegt werden. Dieser deduktive Teil betrifft allerdings nur einen Teil der Kategorien, welche ansonsten aus dem Material heraus entwickelt werden. Diese theoretischen Vorannahmen werden auch nur als „Entwürfe“ betrachtet, welche durch die empirische Realität verändert und angepasst werden müssen. Aufgrund der Kategorien und ersten Felderfahrungen wie Probeinterviews wird ein Codierleitfaden erstellt, der dann im zweiten Schritt bei der Durcharbeitung aller Interviews verwendet wird.812 Weiter werden Einzelfallanalysen erstellt und zur ersten Orientierung Kurzbeschreibungen der einzelnen Fälle vorgenommen. Diese werden im weiteren Verlauf der Interpretation kontinuierlich überprüft und gegebenenfalls modifiziert.813 Zuletzt erfolgt eine vertiefende Analyse einzelner ausgewählter Fälle.814 Für die vorliegende Untersuchung werden weiter die Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring815 und der Typenbildung und typologischen Analyse nach Kuckartz816 verwendet. Da bereits von vorliegendem theoretischem Wissen ausgegangen wird, erscheint ein kombiniert deduktiv-induktives Vorgehen am besten geeignet, um einen möglichst grossen Erkenntnisbeitrag zu leis811 812 813 814 815 816
Vgl. Flick (2007a), S. 402 ff. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 85 ff. Vgl. Flick (2007a), S. 402 ff. Vgl. dazu Kuckartz (2007b), S. 83 ff. Vgl. dazu Mayring (2007); Mayring/Brunner (2007), S. 468 ff.. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 96 ff. 193
ten.817 Das heisst, dass zuerst in einem deduktiven Schritt bekannte theoretische Konzepte in einem vorläufigen Kategorienschema zusammengefasst werden. Anschliessend wird in einem induktiven Prozess am vorliegenden Material das Schema schrittweise erweitert, bis alle Elemente des qualitativen Datenmaterials dem erweiterten Kategorienschema eingeteilt werden können. Diese Methode setzt die Bereitschaft voraus, die vorgegebenen (deduktiven) Konzepte zu überdenken und anzupassen (dies entspricht dem Prinzip der Offenheit).818 5.7.2 Qualitative Inhaltsanalyse Die kombinierte deduktiv-induktive Vorgehensweise kann in der qualitativen Inhaltsanalyse819 angewendet werden. Bei der qualitativen Inhaltsanalyse steht in der Regel ein Kategoriensystem im Zentrum der Arbeit, welches über Rückkoppelungsschleifen überarbeitet und an das empirisch erhobene Datenmaterial angepasst wird.820 Mit der qualitativen Inhaltsanalyse wird das empirische Material zergliedert, schrittweise bearbeitet und ein Kategoriensystem (theoriegeleitet am Material) entwickelt.821 Wesentlich sind also die Kategorieentwicklung und die inhaltsanalytische Systematisierung der Zuordnung von Kategorien zu Textbestandteilen.822 Bei der qualitativen Inhaltsanalyse lassen sich mehrere Techniken unterscheiden. Zu den vier grundlegenden Vorgehensweisen gehören dabei die Zusammenfassende Inhaltsanalyse, die Induktive Kategorienbildung, die Explizierende Inhaltsanalyse und die Strukturierende Inhaltsanalyse.823 817
818 819 820 821 822 823
In qualitativen Marktforschungsstudien erscheint ein kombiniertes deduktiv-induktives Vorgehen am geeignetsten um einen Erkenntnisbeitrag zu leisten, vgl. Srnka (2007a), S. 167. Vgl. dazu Srnka (2007a), S. 167. Zur qualitativen Inhaltsanalyse vgl. Mayring (2007); Mayring/Brunner (2007). Vgl. Mayring (2007), S. 474. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 91 ff.; Mayring/Brunner (2007), S. 672 f. Vgl. Mayring/Brunner (2007), S. 673. Vgl. Mayring (2007), S. 471 ff.
194
In der vorliegenden Untersuchung wird nach dem qualitativinhaltsanalytischen Verfahren der induktiven Kategorienbildung vorgegangen, da die Kategorieentwicklung insbesondere im Rahmen der Abwanderungsgründe eine zentrale Rolle spielt.824 Bei der induktiven Kategorienbildung nach Mayring wird das Material strukturiert und es werden anhand der Daten Kategorien gebildet.825 Dabei werden schrittweise aus dem Material heraus Kategorien gebildet. Vorneweg muss dabei deduktiv ein Abstraktionsniveau oder eine Kategorisierungsdimension definiert werden.826 Mit dieser Definition wird das Material Zeile für Zeile durchgearbeitet, bis zum ersten Auftreten einer passenden Textstelle. Für diese wird eine entsprechende Kategorie konstruiert. Die Kategorienbezeichnung wird dabei möglichst nahe am Material formuliert. Wird beim weiteren Verlauf der Analyse erneut eine passende Textstelle gefunden, wird diese der Kategorie zugeordnet (Subsumption). Passt eine neue Stelle zur allgemeinen (deduktiven) Kategoriendefinition, nicht aber zu einer bereits induktiv gebildeten Kategorie, wird eine neue Kategorie aus dem spezifischen Material heraus gebildet. Nach einem Teil des Materialdurchgangs wird das gesammelte Kategoriensystem überarbeitet. Danach wird das ganze Material nochmals durchgegangen und sämtliche Textstellen einer Kategorie zugeordnet.827 5.7.3 Typenbildung und typologische Analyse Die Methode der Typenbildung wird in der qualitativen Forschung oft eingesetzt und thematisiert.828 In der qualitativen Sozialforschung existieren mehrere Konzepte der Typenbildung. Ein davon ist die Typenbildung nach Kuckartz. Besonders am Modell der ty824 825 826 827 828
Vgl. Mayring (2007), S. 472. Vgl. Mayring (2002), S. 115 f. Dies wurde bereits durch das thematische Codieren beim deduktiven Codiervorgang gemacht. Vgl. Birklbauer (2007), S. 812 f.; Mayring (2002), S. 115 f., (2007), S. 472 f. Zur Typenbildung und der typologischen Analyse vgl. Kuckartz (2007b), S. 96 ff.; Lamnek (2005), S. 230 ff.; Mayring (2002), S. 130 ff. 195
pologischen Analyse nach Kuckartz ist, dass dieses von vornherein als computergestütztes Verfahren entwickelt wurde.829 Die typologische Analyse besteht aus vier hintereinander angeordneten Hauptphasen:830
Thematisches Codieren und Themenanalyse, Dimensionalisieren und Feincodierung, Typenbildung, Charakterisierung der Typologie und typenbasierte Fallanalyse.
Am Anfang der Typenbildung und typologischen Analyse stehen das thematische Codieren und die Themenanalyse an. Das Datenmaterial soll strukturiert werden und für die weitere Analyse der Segmente vorbereitet werden. Es geht darum, die einzelnen Fälle zu interpretieren, Codes zu entwickeln und den Textsegmenten zuzuordnen. Die Codes können je nach Theoriebezug induktiv oder deduktiv generiert werden.831 Bei der vorliegenden thematischen Analyse wurde im ersten Codierdurchgang vorwiegend deduktiv codiert. Die Auswertungskategorien wurden aus dem Vorwissen gebildet. Das heisst es wurden aus dem Leitfaden Grobkategorien definiert und die zugrunde liegende Struktur der SPAT übernommen. Im ersten Codiervorgang wurden vorerst allgemeingültige Codierregeln erstellt und festgehalten (siehe dazu die Codierregeln im Anhang). Anschliessend wurde für den ersten Codierdurchgang ein Kategorienleitfaden832 (siehe dazu den Kategorienleitfaden im Anhang) erstellt. Dabei wurden Definitionen für die einzelnen Codes vorgenommen, welche als Codememos in MAXQDA festgehalten wurden. Zu jeder Kategorie wurden auch noch Ankerbeispiele während dem Codieren angefügt. Diese wurden in MAXQDA als Textstellen-Memos eingefügt.
829 830 831 832
Vgl. Kuckartz (2007b), S. 98 f. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 98 f. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 99 f. Der Kategorienleitfaden erhöht u.a. die intersubjektive Nachvollziehbarkeit durch die Transparenz der Codierung.
196
Tabelle 17:
Codebaum der thematischen Kategorien
Nr. Obercode
Code
1
Ausgangssituation
Ausgangssituation
Alle Codings
2
Ausgangssituation
Bezug zur NPO
3
Ausgangssituation
Beziehungsbeginn
76
4
Ausgangssituation
Beziehungsdauer
63
5
Ausgangssituation
Soziodemografische Einflussgrössen
81
6
Ausgangssituation
Beziehungsintensität
7
Ausgangssituation
Spendenmotive
8
Ausgangssituation
Vertrauen
9
Ausgangssituation
Commitment
190
10
Ausgangssituation
Spenderverhalten
384
11
Auslöser
Auslöser
12
Auslöser
Wettbewerber-/Konkurrenzbezogene Auslöser
11
13
Auslöser
NPO-bezogene Auslöser
12
14
Auslöser
Situations-/Spenderbezogene Auslöser
24
15
Prozess
Prozess
36
16
Prozess
Reaktion der NPO
39
17
Prozess
Wechselbarrieren
9
18
Prozess
Variety Seeking
19
Prozess
Beschwerden
38
20
Prozess
Emotionen
34
21
Prozess
Kritische Ereignisse
21
22
Prozess\Kritische Ereignisse Wettbewerbsbezogene KE
23
Prozess\Kritische Ereignisse NPO-bezogene KE
24
Prozess\Kritische Ereignisse Situations-/Spenderbezogene KE
25
Ergebnis
Ergebnis
26
Ergebnis
Zufriedenheit
27
Ergebnis
Rückgewinnungsmöglichkeit
75
28
Ergebnis
Mund-zu-Mund Propaganda
73
29
Ergebnis
Abwanderung
0 112
80 117 84
2
109
79 169 72 0 130
86 2206
197
Während des Materialdurchlaufs wurden – sofern notwendig – Anpassungen an den Codedefinitionen und den Codierregeln vorgenommen. Insgesamt wurden in diesem ersten Codiervorgang 2‘206 Textstellen codiert. Die Codehäufigkeiten sind beim ausgegebenen Codebaum in Tabelle 17 aufgelistet. Hierbei hat es sich um eine Zuteilung von Textstellen zu den thematischen Codes gehandelt, wobei einzelne Textstellen auch mehreren Themenfeldern zugeordnet werden konnten. So hat ein Proband auf die Frage ob er noch für die NPO spendet geantwortet: „Ja das kann mal wieder sein. Ich picke einfach jeden Monat so ein zwei raus und aber ich kann jetzt nicht sagen, ja…“ (Transkript 2.69, 21-22)
Diese Textstelle sagt etwas über das Spendenverhalten, die Rückgewinnung und die Abwanderung aus. In dieser ersten Phase wurden auch Einzelfallanalysen im Sinne von Kurzbeschreibungen jedes einzelnen Falls vorgenommen,833 Dabei wurde der subjektiv gemeinte Sinn eines Textes herausgearbeitet. Für eine erste Orientierung wurde eine Kurzbeschreibung des jeweiligen Falls erstellt. Diese wurde im Verlauf der weiteren Interpretation kontinuierlich überprüft und gegebenenfalls modifiziert. Die Kurzbeschreibung enthält eine für das Interview typische Aussage, eine kurze Beschreibung der Person und die zentralen Themen, die im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand angesprochen wurden.834 Diese Kurzbeschreibungen wurden mittels Textmemos in MAXQDA festgehalten, wie dies im folgenden Beispiel aufgezeigt wird:
833 834
Vgl. dazu Kuckartz (2007b), S. 101. Vgl. Flick (1998), S. 206 f.
198
"Es ist für mich einfacher, wenn man einen Mitgliederbeitrag geben kann und dann bei (der befragten NPO) das ist jetzt für mich in die äussere Reihe geraten." Die 73 jährige geschiedene Rentnerin hat ihr Spendenverhalten geändert weil sie weniger finanzielle Möglichkeiten hat und bei so vielen Spendenanfragen den Überblick bewahren wollte. Deshalb hat sie sich auf einige jährliche Mitgliedschaftsbeiträge beschränkt und den Rest spendet sie dann etwas abwechselnd und spontan. Die Beziehung zur befragten Organisation ist gelockert und sie informiert sich nicht mehr gross über deren Aktivitäten. Verunsichert hat sie auch eine Meldung, dass die Organisation abgelaufene Medikamente verteilte und sie bevorzugt Organisationen mit Mitgliedschaften. (Transkript: 2.31)
Im zweiten Schritt – Dimensionalisierung und Feincodierung – geht es nach der noch recht groben Codierung der ersten Analysephase um eine Feincodierung. Ausprägungen einer Kategorie werden zunächst herausgearbeitet, dann definiert und schliesslich codiert. Dieser Schritt erfordert normalerweise einen erneuten Materialdurchlauf. In dieser Phase finden sowohl Interpretations-, wie auch Klassifizierungsvorgänge statt, welche oft noch zusätzliche Durchgänge durch das Datenmaterial erfordern. Der ganze Vorgang beinhaltet insgesamt fünf Schritte:835 1. 2. 3. 4. 5.
Durchsicht aller Textsegmente zu einem Code Dimensionsanalyse, d. h. systematische Auswertung des empirisch vorgefundenen Antwortspektrums Definition von Dimensionen (Merkmalsausprägungen) Formulierung eines Codierleitfadens mit prototypischen Beispielen Fallbezogene Codierung
In der eigenen Untersuchung wurde dieser zweite Schritt entsprechend dem qualitativ-inhaltsanalytischen Verfahren der induktiven Kategorienbildung vorgenommen (siehe dazu Abschnitt 5.7.2).836 Zielsetzung dieses Analyseschrittes ist es, aus dem Datenmaterial heraus Ausprägungen zu definieren.837 Für die Durchsicht aller 835 836 837
Vgl. Kuckartz (2007b), S. 101. Vgl. Mayring (2007), S. 472. Zu beachten ist, dass es bei wenigen Probanden keinen Sinn macht, viele Merkmalsausprägungen festzulegen, da in der nächsten Phase, bei der Bildung von Typen jeder Einzelfall ein Sonderfall darstellt, vgl. Kuckartz (2007b), S. 100 ff. 199
Textsegmente zu einem Code eignet sich das Textretrieval, welches mittels MAXQDA einfach vorgenommen werden kann. Bei einem einfachen Retrieval werden aus dem Datenmaterial alle Textsegmente zusammengestellt, die einer bestimmten Kategorie zugeordnet wurden.838 Dafür wurden beispielsweise sämtliche Textstellen, die beim thematischen Codieren der Kategorie Rückgewinnungsmöglichkeit zugeordnet wurden, selektioniert. Danach werden durch die systematische, fallweise Auswertung des empirisch vorgefundenen Antwortspektrums Ausprägungen definiert und ein Codierleitfaden mit Ankerbeispielen erstellt. Letztlich folgt ein erneuter fallbezogener Codierdurchgang des ganzen Datenmaterials. Beim Beispiel der Rückgewinnungsmöglichkeit wurden induktiv die Subkategorien „Bedingungen für Wiederaufnahme“ und „Einstellung zur Wiederaufnahme“ gebildet. Die induktiv gebildeten Ausprägungen dieses Beispiels werden in Tabelle 18 aufgeführt. Tabelle 18:
Ausprägungen
Subkategorien
Induktiv gebildete Ausprägungen am Beispiel Rückgewinnung839 Bedingungen für Wiederaufnahme Notwendigkeit erkennen Bewusstwerden über Abwanderung Konkurrenz/Wechsel Veränderung der eigenen Situation Reaktion der NPO Keine Bedingungen
Einstellung zur Wiederaufnahme ziemlich sicher wieder vorstellbar/möglich Neutral Eher nicht vorstellbar ziemlich sicher nicht mehr
In der dritten Phase geht es um die Typenbildung und Charakterisierung der Typologie, wobei zuerst der Merkmalsraum, welcher der Typenbildung zugrunde liegt, definiert wird. Eine Typologie 838 839
Vgl. dazu Kelle (2007a), S. 492; Kuckartz (2007b), S. 110. Quelle: eigene Darstellung.
200
basiert dabei auf mindestens zwei Merkmalen. Anschliessend werden die Typologie konstruiert, die einzelnen Typen beschrieben und die Zuordnung der Personen des Samples zu den gebildeten Typen vorgenommen. Typologien können künstlich (monothetisch, durch Reduktion) oder natürlich (polythetisch) sein, wobei letztere induktiv aus den empirischen Daten, durch intellektuelles Ordnen oder über statistische Algorithmen gebildet werden können.840 Zuletzt folgt die Typenbasierte Fallanalyse, wobei wieder zurück auf die Texte (Interviewtranskripte) gegangen wird. Für die repräsentative Fallinterpretation wird ein möglichst geeigneter Einzelfall als Prototyp herangezogen, welcher stellvertretend für die Probanden dieses Typs steht. Alternativ kann auch ein Modellfall konstruiert werden, wobei die am besten geeigneten Textsegmente zusammengetragen werden.841 In der eigenen Datenanalyse wurde im Sinne der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit dieses etablierte Verfahren von Kuckartz weitgehend übernommen und angewendet. Dementsprechend konnten auch sämtliche Schritte direkt computergestützt mittels MAXQDA vorgenommen werden. In Abbildung 13 wird das Vorgehen der Typenbildung nochmals übersichtlich dargestellt.
840 841
Vgl. Kuckartz (2007b), S. 102 ff. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 105 f. 201
Abbildung 13: Ablauf der Typenbildung und typologischen Analyse842 Thematisches Codieren und Themenanalyse - Definieren von Grobkategorien (deduktiv) - Aufstellen der Codierregeln - Entwickeln eines Kategorienleitfadens (Definition der Kategorien, Anfügen von Ankerbeispielen) - Erster Codierdurchgang durch das Datenmaterial (Zuweisung der Codes zu den Textstellen) - Anpassung der Codedefinitionen und Codierregeln - Einzelfallanalysen / Kurzbeschreibung jedes Falls
Dimensionalisieren und Feincodierung (induktive Kategorienbildung) - Durchsicht aller Textsegmente zu einem Code mittels Textretrieval - Dimensionsanalyse, d. h. systematische Auswertung des empirisch vorgefundenen Antwortspektrums - Zweiter Codierdurchgang: Definition von Dimensionen (Merkmalsausprägungen mittels induktiver Kategorienbildung) - Formulierung eines Codierleitfadens mit prototypischen Ankerbeispielen -Fallbezogene Codierung (fallweises Vorgehen mit Retourschlaufen und rollender Überarbeitung und Anpassung der Kategorien)
Typenbildung - Definition des Merkmalsraums für die Typenbildung - Konstruktion der natürlichen (polythetischen) Typologie induktiv aus den empirischen Daten durch intellektuelles Ordnen - Fallweise Zuordnung jedes Probanden zu einem Typ, mit laufender Anpassung und Überarbeitung der Typologie
Charakterisierung der Typologie und typenbasierte Fallanalyse - Beschreibung der Typen (Besonderheiten und definitionsrelevante Charakteristiken) - Herausfiltern eines repräsentativen Falls für jeden Typ - Beschreibung des Prototypen
842
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an die von Kuckartz (2007b) beschriebene Vorgehensweise, angepasst auf die eigene Untersuchung.
202
5.8 Vorgehensweise und Stichprobenwahl Vor dem Hintergrund der präsentierten theoretischen Begründung bei der Methodenwahl und der Beschreibung der Datenanalyse und -auswertung der eigenen Untersuchung, geht es in diesem Abschnitt darum, die Vorgehensweise der eigenen qualitativen Untersuchung zu dokumentieren. Dabei wird auf die theoretische Begründung der Methodenwahl zurückgegriffen und das eigene Vorgehen entsprechend darauf abgestützt. Besonderes Augenmerk wird auf die Auswahl der Stichprobe gelegt, um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Die Fallauswahl muss dabei im Hinblick auf die Fragestellung festgelegt werden, so dass die ausgewählten Fälle zur Beantwortung der Fragestellung geeignet sind. Dabei gilt es Kriterien und Merkmale der ausgewählten Fälle zu definieren, die auch eine Generalisierbarkeit der Ergebnisse ermöglichen.843 Im Gegensatz zur quantitativen Forschung geht es bei der qualitativen nicht um eine möglichst grosse Fallzahl, sondern um Fälle die für die Fragestellung typisch sind. So ist die Stichprobengrösse nicht schon vorab festgelegt. Nicht die statistische Repräsentativität und die statistische Verteilung von Fällen, sondern die Angemessenheit ist bei der theoretischen Auswahl der qualitativen Forschung von Bedeutung. Die Fälle werden also nach den theoretischen Vorstellungen in die Analyse mit einbezogen. Insbesondere abweichende Fälle sind dabei von Bedeutung.844 Die Auswahl der Untersuchungseinheiten ist für die Güte der Ergebnisse von grosser Bedeutung. Die Wahl der Probanden trägt wesentlich dazu bei, inwiefern die Ergebnisse der Untersuchung
843 844
Vgl. Merkens (2007), S. 286 ff. Vgl. Lamnek (2005), S. 187 ff. Zum Auswahlverfahren oder Sampling in der qualitativen Forschung vgl. auch Flick (2007a), S. 154 ff.; Merkens (2007), S. 286 ff.; Meyer/Reutterer (2007), S. 229 ff. 203
letztendlich generalisierbar sind.845 Bei der Populationsauswahl geht es deshalb darum, die für die Untersuchungsfragestellung und das Untersuchungsfeld relevanten Fälle zu berücksichtigen. Die Auswahl der Untersuchungseinheiten bestimmt letztendlich die Gültigkeit und Reichweite der gewonnen Erkenntnisse und aus der Untersuchung getroffenen Aussagen.846 Bei qualitativen Studien kommen bewusste, gezielte Auswahlverfahren zum Einsatz, um möglichst zu garantieren, dass für die Fragestellung relevante Fälle erfasst werden.847 Die Auswahl kann während der Untersuchung den theoretischen Bedürfnissen folgend beliebig erweitert werden. Die Einbeziehung zusätzlicher Fälle kann beendet werden, wenn es zu einer theoretischen Sättigung kommt und keine neuen relevanten Erkenntnisse mehr entdeckt werden können.848 Wie bei quantitativen Studien ist aber auch beim Sampling qualitativer Untersuchungen die Zugänglichkeit von Bedeutung.849 Im Folgenden geht es nun darum die eigene Fallauswahl möglichst präzise zu beschreiben um im Sinne der Intersubjektivität eine grösstmögliche Nachvollziehbarkeit gewährleisten zu können. Bei der Datenerhebung einer Interviewstudie sind grundsätzlich zwei Arten von Auswahlentscheidungen zu berücksichtigen. Einerseits geht es darum eine Gruppe relevanter Probanden auszuwählen (Fallgruppenauswahl) und andererseits die Personen aus dieser Gruppe zu bestimmen, welche interviewt werden sollen (Fallauswahl).850
845
846
847 848 849 850
In qualitativer wie in quantitativer Forschung ist die Güte einer Stichprobe von zentraler Bedeutung, vgl. zur Güte der Auswahl Lamnek (2005), S. 187 ff. Vgl. Lamnek (2005), S. 189. Meyer/Reutterer (2007), S. 232 betont dazu auch, dass die Reichweite der Ergebnisse wesentlich von der Sampling-Frage abhängt. Vgl. Lamnek (2005), S. 189 f. Vgl. Lamnek (2005), S. 191 ff. Vgl. Merkens (2007), S. 288 ff. Vgl. Flick (2007a), S. 154 f.
204
5.8.1 Auswahl der Organisation Um an ehemalige Spender zu gelangen wurde die Zusammenarbeit mit einer spendensammelnden Organisation angestrebt. Es musste also vorab eine Fallgruppenauswahl vorgenommen werden. Die Entscheidung der Beschränkung auf eine Organisation hatte einerseits Ressourcen- und Machbarkeitsgründe. Auf der anderen Seite stellt eine Betrachtung von mehreren Organisationen keinen grossen Mehrwert in Aussicht, da eine Vergleichbarkeit kaum möglich ist und damit auch keine zusätzliche Generalisierbarkeit der Ergebnisse erreicht werden kann. Die Untersuchung muss entsprechend als Einzelfallstudie betrachtet werden. Bei der Auswahl eines Einzelfalls kann sowohl das Besondere wie auch das Typische des Falls als hinreichender Grund für die Auswahl betrachtet werden.851 Hier ist das Typische der Organisation im Vordergrund gestanden, da die Auswahl einer typischen Organisation eine grössere Generalisierbarkeit der Ergebnisse mit sich bringt. Es wurde also versucht eine typische oder klassische, gemeinnützige, spendenfinanzierte NPO zu wählen. Bei der ausgewählten Organisation handelt es sich um eine weltweit agierende Organisation welche in 19 Ländern Sektionen hat. Dabei wird in dieser Arbeit nur die Schweizer Sektion in Betracht gezogen. Die Hilfs-Projekte der Organisation werden vorwiegend in der Dritten Welt durchgeführt. Die Organisation führt Projekte vor Ort in Krisenregionen durch. Sie interveniert auch bei Naturkatastrophen, ist allerdings vorwiegend nicht mit Katastrophenhilfe beschäftigt und betreibt auch keine explizite Spendenaufrufe für Katastrophenhilfe. Dieses Kriterium ist deshalb relevant, da Katastrophenspender ein anderes Spenderverhalten aufweisen und kaum eine Bindung oder Beziehung zur Organisation aufgebaut werden kann. Gegenstand der eigenen Untersuchung sind allerdings Mehrfachspender.
851
Vgl. Merkens (2007), S. 294 f. 205
Nebst dem Tätigkeitsgebiet waren noch weitere Kriterien für die Auswahl der NPO relevant:
Die Grösse der NPO: Bei kleinen NPO spielen vielfach persönliche Beziehungen zu den Spendern eine wichtige Rolle.852 Diese eher familiären Beziehungen unterscheiden sich von jenen des (professionellen) Fundraising mittels Massenansprachen. Darüber hinaus verfügen kleinere NPO auch oft nicht über genügend ehemalige Spender, die angefragt werden können. Die Professionalität der NPO: Eine professionell geführte, zentralisierte Spenderdatenbank ist noch lange keine Selbstverständlichkeit.853 Deshalb war es wichtig, eine NPO auszuwählen, die über eine solche verfügt. Nur mittels professioneller Datenbank kann eine präzise Fallauswahl der in Frage kommenden Spender vorgenommen werden. Finanzierung durch private Spenden: Dies ist auf der einen Seite relevant, da (ehemalige) private Spender im Zentrum der Untersuchung stehen. Auf der anderen Seite kann durch eine hohe Spendenfinanzierung eine gewisse Unabhängigkeit gewährleistet werden, womit zusätzliche externe Einflussfaktoren ausgeschlossen werden können.
Die ausgewählte NPO hat einen Jahresumsatz von 118.9 Mio. CHF (Jahr 2008). Sie finanziert sich zu 81 % aus privaten Spenden, wobei diese hauptsächlich aus der Schweiz kommen. Diese liegen damit im hohen zweistelligen Millionenbereich. Einige aussagekräftige Daten zur ausgewählten NPO sind in Tabelle 19 aufgeführt.
852 853
Vgl. dazu Haibach (2006), S. 260 ff. Vgl. Hönig/Schulz (2006), S. 298 ff.
206
Tabelle 19:
Angaben zur untersuchten NPO854
Kenngrössen der untersuchten NPO
Zahlen im Jahr 2008
Gesamtausgaben Ausgaben für Projekte Anzahl aktiver Spender in der Schweiz Anteil der privaten Spendeneinnahmen an der Finanzierung Anzahl Mitarbeiter in der Schweiz Weltweit tätige Mitarbeiter in Projekten Durchschnittliche Spende pro Spender
118.9 Mio. CHF 91.4 Mio. CHF 176316 81 % 132.4 Vollzeitstellen 3217 Vollzeitstellen 230 CHF
Das Auffinden einer solchen NPO, welche einer Zusammenarbeit zustimmt war nicht ganz problemlos. Entgegen der Annahme, mit der „kostenlosen Marktforschung“ bei den NPO offene Türen einzurennen, wurde mit der Anfrage bei den NPO auf einige Zurückhaltung und teilweise Abweisung gestossen. Grund dafür dürften Ängste betreffend negativer Auswirkungen durch die Umfrage sein. Zusätzlich wurde das Feld durch die theoretischen Vorgaben stark eingeschränkt. 5.8.2 Auswahl der Probanden Nach der Auswahl und Zusage der entsprechenden Organisation musste die Stichprobe definiert und deren Ansprache vorgenommen werden. In diesem Abschnitt werden die Kriterien der Probandenauswahl kurz besprochen, sowie die aufgetretenen Probleme und das konkrete Vorgehen diskutiert. In der Untersuchung sollten tatsächlich abgewanderte, also ehemalige Spender befragt werden. Hierbei hat sich herausgestellt, dass die Definition eines ehemaligen Spenders nicht unproblematisch ist, zumindest wenn es sich – wie dies hier der Fall ist – um hauptsächlich ungebundene Spender handelt, die keine vertragliche Bindung im Sinne eines Lastschriftenverfahrens oder Direct Debit 854
Quelle: eigene Darstellung, Daten entstammen dem Jahresbericht 2008 der ausgewählten NPO. 207
haben. Eine einheitliche Definition darüber, ab wann ein Spender zu einem „Ehemaligen“ wird, existiert nicht und wird von Organisation zu Organisation unterschiedlich gehandhabt. Nach den Erfahrungen durch den Kontakt mit den NPO gelten Spender meist noch zwei bis drei Jahre nach der letzten Spende als aktiv, teilweise noch länger. Das Dilemma bei der Definition liegt darin, dass aus erinnerungstechnischer Sicht ein möglichst kleiner Zeitraum seit der letzten Spende als sinnvoll erachtet wird, die Organisationen aber einen möglichst langen Zeitraum zwischen der letzten Spende und der Befragung präferieren. Auch hier hat sich eine gewisse Zurückhaltung der NPO gezeigt, welche aus Angst aktive Spender zu verärgern lieber schlechtere Ergebnisse durch ungenauere Erinnerung in Kauf nehmen.855 In Anlehnung an Sargeant wurde eine Zeitspanne von 18 Monaten als zweckmässig erachtet.856 Mit der Organisation konnte allerdings nur eine Mindestdauer von 25 Monaten seit der letzten Spende vereinbart werden. Bei Spendern via Lastschriftenverfahren konnte die Zeitdauer auf mindestens 13 Monate ohne Spende reduziert werden, da mit der Einstellung des LSV die Abwanderung als gegeben betrachtet werden kann. Weitere Kriterien bei der Selektion der ehemaligen Spender waren mindestens drei getätigte Spenden, da erst durch die zweite Spende von einer Art Beziehung gesprochen werden kann. Zudem war es von Bedeutung, dass die Probanden die deutsche Sprache sprechen und es wurden nur Fälle aus den Kantonen Bern und Fribourg berücksichtigt. Die regionale Eingrenzung wurde vorgenommen, da nach Möglichkeit ein persönliches Interview vor Ort vorgesehen war. Bei der Auswahl der Probanden wurden letztlich folgende Kriterien berücksichtigt: 855
856
Durch die grössere Zeitspanne zwischen der letzten Spende und der Befragung erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass es sich tatsächlich um abgewanderte Spender handelt. Durch die Zeitspanne erhöht sich aber eben auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Spender sich nicht mehr erinnern können, oder nicht mehr erreichbar sind (bspw. durch Umzug, Tod,…). Vgl. dazu Sargeant (2001a), (2001b)
208
Anzahl Spenden: Privatpersonen, die mindestens drei oder mehr Spenden getätigt haben. Wohnort: nur Berücksichtigung von deutschsprachigen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, bevorzugt Personen aus dem Raum Bern/Fribourg. Datum der letzten Spende: Die letzte Spende liegt mindestens 25 Monate und höchstens 36 Monate zurück. Bei gebundenen Spendern (mittels LSV), die das Lastschriftverfahren gekündigt haben, liegt die letzte Spende mindestens 13 Monate, höchstens 36 Monate zurück.
5.8.3 Ansprache der Probanden Die Selektion der Probenden ergab rund 1‘400 Adressen, wovon die ersten 500 des Alphabets ausgewählt wurden. Die restlichen Adressen wurden für einen allfälligen zweiten Versand aufbewahrt, falls der Rücklauf der ersten Erhebung zu gering sein sollte. Zusätzlich wurden sämtliche Probanden, welche ein LSV gekündigt haben angeschrieben. Insgesamt waren dies 20 Adressen, was letztendlich zu einem Versand von 520 Briefen führte. Da die Spenderdaten durch den Datenschutz geschützt sind, war es der ausgewählten Organisation nicht möglich, die Adressen der in Frage kommenden Fälle weiter zu reichen. Aus diesem Grund wurde das Anschreiben von der Organisation selbst durchgeführt. In diesem Schreiben (siehe Anhang) wurden die Spender auf die Umfrage der Universität Fribourg aufmerksam gemacht.857 Das Schreiben umfasste:
857
1 Brief der Organisation 1 Brief des VMI 1 Fax/Brief-Rückantwort 1 Antwortcouvert (Geschäftsantwortsendung)
Während der ganzen Untersuchung war es wichtig, dass die Untersuchung von der Universität Fribourg und nicht von der Organisation durchgeführt wurde und dass die Organisation nur ihre Spender auf die Möglichkeit der Teilnahme verweist. Dies einerseits aus Datenschutzgründen und andererseits um den Spendern klar zu machen, dass nicht die Organisation Geld für eine Umfrage ausgibt. 209
Der erste Versand von 520 Briefen fand am 19.10.2007 in Abstimmung mit den anderen Mailings der Organisation statt und wurde mit B-Post versendet. Aufgrund des geringen Rücklaufs von 2.3 % konnten letztlich nur 12 Interviews durchgeführt werden. Deshalb wurde entschieden die Stichprobe zu erweitern und einen zweiten Versand durchzuführen. Dieser wurde inhaltlich leicht angepasst und am 18.01.2008 verschickt. Anhand des Erfahrungswertes des ersten Versandes wurden nochmals 825 Briefe versandt. Es hat sich bei der ersten Befragung herausgestellt, dass kaum Probanden bereit waren, nach Fribourg zu kommen. Alternativ konnten Telefoninterviews durchgeführt werden, wovon mit einer Ausnahme alle Probanden Gebrauch gemacht haben. In der zweiten Erhebung wurde nur noch zur Teilnahme an telefonischen Interviews aufgerufen, um die Komplexität zu reduzieren und den Rücklauf zu erhöhen. Den Teilnehmenden wurde – wie bereits bei der ersten Erhebungswelle – ein Anreiz von 20.- CHF als Entschädigung angeboten. Nach der zweiten Anfrage von Probanden und der Durchführung der Interviews wurde keine weitere Stichprobenerweiterung angestrebt, da eine theoretische Sättigung eingetreten ist. Diese tritt dann ein, wenn keine weiteren Aussagen oder Fälle gefunden werden, durch die die Eigenschaften der untersuchten Kategorien beeinflusst werden.858 Die exakte Stichprobengrösse wurde bei dieser Untersuchung aber auch durch die Rahmenbedingungen (Antworthäufigkeit der angeschriebenen Probanden) beeinflusst, da nur Annahmen über den Rücklauf eines Versandes getroffen werden konnten. In Tabelle 20 wird ein Überblick über den Umfang und den Zeitpunkt der Probandenanfrage gegeben.
858
Vgl. Glaser/Strauss (1967) zit. nach Lamnek (2005), S. 189.
210
Tabelle 20:
Versand 1 Versand 2 Total
Übersicht über Umfang und Termin der Erhebung Anzahl angeschriebener Adressen 520 825 1345
Termin des Versandes Oktober 2007 Januar 2008
Exakte Angaben zum Rücklauf und zur effektiven Stichprobengrösse sind bei der Stichprobenbeschreibung in Tabelle 21 zu finden.
211
6 Ergebnisse der Untersuchung In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung präsentiert. Vorerst wird eine Beschreibung der Stichprobe vorgenommen, in welcher personenbezogene Daten der Probanden, wie auch einige zentrale Spendendaten besprochen werden. Anschliessend werden die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse und der induktiven Kategorienbildung859 präsentiert. Dabei werden die Erkenntnisse zu den einzelnen Einflussfaktoren der Abwanderung nach der Systematik der SPAT unterteilt. In Abschnitt 6.2 folgen demnach die Erkenntnisse der Einflussfaktoren der Ausgangssituation auf die Abwanderung, in Abschnitt 6.3 jene der Auslöser, in Abschnitt 6.4 werden die Ergebnisse der Prozessdeterminanten beschrieben und in Abschnitt 6.5 die Erkenntnisse zu den Ergebnissen der Spenderabwanderung präsentiert. Die induktiven Ausprägungen liefern erste Erkenntnisse zum Spendenverhalten und zum Abwanderungsverhalten von Spendern und erleichtern die Nachvollziehbarkeit der nachfolgenden Interpretationsschritte. Aufbauend auf den Erkenntnissen der Einflussfaktoren der Spenderabwanderung wird in Abschnitt 6.6 die gebildete Typologie der Spenderabwanderer beschrieben. Dabei sind sechs relevante Typen identifiziert worden, welche im Hinblick auf die ihnen zugrunde liegenden Merkmale charakterisiert werden.
6.1 Stichprobenbeschreibung der empirischen Erhebung In diesem Abschnitt wird die Stichprobe der Probanden beschrieben. Einerseits werden der Stichprobenumfang und die Rücklaufquote besprochen. Andererseits werden die soziodemografischen Angaben der Probanden diskutiert. 859
Vgl. Mayring (2007), S. 472.
212
B. Hunziker, Abwanderungsverhalten von Spendern, DOI 10.1007/978-3-8349-6308-6_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
6.1.1 Stichprobenumfang und Rücklauf Für die Untersuchung wurden insgesamt 1‘345 geeignete Probanden angeschrieben und zwei Testprobanden angefragt. Insgesamt sind 104 Antworten eingegangen, wovon 84 Zusagen für ein Interview enthielten. Davon konnten 7 Personen telefonisch nicht erreicht werden. Damit hat sich eine Gesamtstichprobe von 77 verwertbaren Interviews ergeben.860 Tabelle 21:
Stichprobenumfang und Rücklauf
Datenherkunft Testinterviews (Pre-Test) Erhebungsphase I Erhebungsphase II Total
Anfragen 2 520 825 1347
Absagen
Zusagen -
2
Interviews 2
13 (10 begründet) 7 begründet 20 (17 begründet)
14 68 84
12 63 77
Rücklaufquote 100 % 2.3 % 7.6 % 5.7 %
Bei den Rückmeldungen mit einer Absage wurde meist begründet, weshalb keine Spenden mehr getätigt werden. Diese Vorabinformationen wurden bei der späteren Befragung berücksichtigt und haben erste Anhaltspunkte zum Abwanderungsverhalten der Spender geliefert. 6.1.2 Soziodemografische Daten Bei den 77 Interviewten handelt es sich um 31 Männer und 46 Frauen. Der grössere Anteil von Frauen ist nicht überraschend, da die Spenderbeteiligung bei den Frauen generell grösser ist, als bei den Männern.
860
Da der Versand durch die NPO stattgefunden hat, konnten unzustellbare Briefe durch fehlerhafte oder veraltete Adressen nicht ausgewertet werden. 213
Tabelle 22:
Geschlechterverteilung der Stichprobe
Geschlecht Männlich Weiblich Gesamt
Häufigkeit 31 46 77
Prozent 40.3 59.7 100.0
Das durchschnittliche Alter der Probanden beträgt 58 Jahre und liegt damit eher hoch. Es ist allerdings bekannt, dass der Spenderanteil im Alter steigt, was dieses hohe Durchschnittsalter erklärt. Der jüngste Proband ist 24, der älteste 91 Jahre alt. Tabelle 23:
Alter der Probanden
Alter der Probanden (N = 75; Angaben in Jahren) Mittelwert Median Minimum Maximum
57.7 58 24 91
Bei den Probanden handelt es sich nicht um Grossspender, sondern um Klein- oder Durchschnittsspender.861 Dies kann durch die Beiträge, der bis zum Zeitpunkt der Erhebung getätigten Spenden, belegt werden. Dazu wurden die Spenderdaten der Organisation zu den befragten Personen verwendet.862 Nebst den Spenderdaten der beiden Testprobanden fehlen die Angaben von drei weiteren Befragten, deren Adressen nicht mit der Datenbank der NPO übereingestimmt haben. Diese von der NPO gesammelten Daten, beziehen sich auf die Spendenhistorie der einzelnen Probanden und beinhalten die bisher geleistete Spendensumme, die Anzahl Spenden, das
861
862
Dazu gibt es allerdings keine allgemeingültigen Grössen-Kategorien. Als Referenzwert kann die Durchschnittsspende sämtlicher Spender der NPO von Tabelle 19 herangezogen werden. Diese Daten werden im Sinne der Daten- und Between-Method-Triangulation auch in der weiteren Auswertung herangezogen, vgl. dazu Flick (2007b), S. 310 ff.; Foscht et al. (2007), S. 251 ff.; Lamnek (2005), S. 277 f.
214
Jahr der ersten Spende, das Datum der letzten Spende und die Anzahl getätigter Spenden seit der Befragung.863 Bei den ausgewerteten 72 Probanden beträgt das Spendenvolumen zwischen 60 und 950 CHF. Im Durchschnitt liegt die Spendenhöhe der addierten Beiträge pro Proband bei 280 CHF und der Median bei 190 CHF, wie aus Tabelle 24 zu entnehmen ist. Die gesamte Spendensumme dieser 72 Spender beläuft sich auf 20‘172 CHF. Tabelle 24:
Spendensumme der Probanden
Wert der bisherigen Spenden (N=72, Angaben in CHF) Mittelwert Median Minimum Maximum
280 190 60 950
Aufgrund des für die Untersuchung festgelegten Selektionskriteriums ist die Mindestzahl von geleisteten Einzelspenden drei. Im Durchschnitt haben die Probanden allerdings acht Spenden getätigt wie aus Tabelle 25 ersichtlich ist. Das Maximum liegt gar bei 35 Spenden. Alle 72 Probanden zusammen haben 582 Einzelspenden für die Organisation getätigt. Tabelle 25:
Anzahl Einzelspenden der Probanden
Anzahl getätigter Spenden (N=72) Mittelwert Median Minimum Maximum Summe
863
8.1 6.5 3 35 582
Anzahl Spenden seit der Befragung beziehen sich auf den Zeitraum von 2008 bis September 2009. Die Angaben zur Spendenhöhe und Häufigkeit beziehen sich auf den Zeitraum vor der Befragung. 215
Die durchschnittliche Spendenhöhe pro Einzahlung der Probanden liegt bei 38.70 CHF. Der Median liegt bei zirka 30 CHF. Die höchste Durchschnittsspende beträgt 190 CHF pro Zuwendung und die kleinste liegt bei rund fünf Franken, wie aus Tabelle 26 zu entnehmen ist. Tabelle 26:
Durchschnittliche Spendenhöhe der Probanden
Durchschnittsspende (N=72, Angaben in CHF) Mittelwert Median Minimum Maximum
38.7 30.8 5.2 190.0
Der Grossteil der Probanden hat Kinder, nur gerade rund 15 % haben keine Kinder. Entsprechend sind oder waren zirka 90 % der Teilnehmenden auch verheiratet. Nur gerade acht Probanden haben angegeben ledig zu sein.864 Tabelle 27:
Kinder der Probanden
Kinder Keine Kinder Kinder Gesamt Tabelle 28:
Prozent 14.9 85.1 100.0
Häufigkeit 14 8 48 2 5 77
Prozent 18.2 10.4 62.3 2.6 6.5 100.0
Familienstand der Probanden
Familienstand Geschieden Ledig Verheiratet verheiratet (in Trennung) Verwitwet Gesamt 864
Häufigkeit 11 63 74
Wie in Kapitel 3 bereits gezeigt wurde, sind verheiratete Menschen spendenfreudiger als unverheiratete. Vgl. dazu Havens et al. (2006), S. 551; Mesch et al. (2006), S. 575 f.
216
Für die Frage nach dem Einkommen, wurde den Probanden Intervalle von 2000 CHF zur Auswahl vorgegeben. 69 % der Probanden haben ein Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 8000 CHF und bei 44 % liegt es unter 6000 CHF. Weniger als 9 % haben angegeben über mehr als 12000 CHF zu verfügen. Der Median liegt beim Intervall von 6000-7999 CHF. Tabelle 29:
Einkommen der Probanden
Einkommen (in CHF) 0-1999 2000-3999 4000-5999 6000-7999 8000-9999 10000-11999 12000-13999 14000-15999 Gesamt
Häufigkeit 2 9 21 18 8 8 2 4 72
Prozent 2.8 12.5 29.2 25.0 11.1 11.1 2.8 5.6 100.0
Das Einkommen hat einen Einfluss auf die Höhe der Spendenbeiträge. Probanden mit einem höheren Einkommen leisten höhere Durchschnittsspenden.865 Wie in Kapitel 3 aufgeführt wurde, beeinflusst der Lebenslauf der Spender massgeblich ihr Spendenverhalten. In der vorliegenden Studie hat sich gezeigt, dass ältere Probanden der NPO länger treu waren866 und dass mit zunehmendem Alter eine grössere Anzahl an NPO unterstützt wurde867. 865
866
867
Dafür wurden die Angaben der Probanden zu ihrem Einkommen mit ihren Durchschnittsspenden aus der Datenbank der NPO verglichen. Der Korrelationskoeffizient nach Pearson hat den Wert 0.343 mit einer näherungsweisen statistischen Signifikanz von p < 0.01. Dafür wurden die Angaben der Probanden zu ihrem Alter mit ihrer Unterstützungsdauer aus der Datenbank der NPO verglichen Der Korrelationskoeffizient nach Pearson hat den Wert 0.261 mit einer näherungsweisen statistischen Signifikanz von p < 0.05. Hierfür wurden die Angaben der Probanden zu ihrem Alter und der Anzahl unterstützer NPO betrachtet. Der Korrelationskoeffizient nach Pearson hat den Wert 0.240 mit einer näherungsweisen statistischen Signifikanz von p < 0.05. 217
6.2 Beziehungsaspekte als Einflussfaktoren auf die Ausgangssituation Gemäss den theoretischen Erkenntnissen aus Kapitel 4 wird vermutet, dass die Art der Beziehung zwischen den Spendern und der NPO einen Einfluss auf deren Abwanderung hat. Es ist daher notwendig, dass die Ausgangssituation vor der Abwanderung betrachtet und analysiert wird. Die Beziehungsintensität und -historie können die Abwanderung entscheidend beeinflussen. Im Hinblick auf die Beziehung zwischen Spendern und NPO wurden insbesondere die folgenden Aspekte untersucht:
Beziehungsbeginn Beziehungsdauer Commitment Bezug zur NPO Spendenmotive Beziehungsintensität Vertrauen Spendenverhalten
Auch die soziodemografischen Daten sind Indikatoren für die Art der Beziehung zwischen Spender und NPO. Diese wurden bereits bei der Stichprobenbeschreibung in Abschnitt 6.1.2 besprochen. 6.2.1 Beziehungsbeginn Die meisten Spender der Befragung wurden über Werbung auf die untersuchte NPO aufmerksam. Diese ist nach Aussagen der Probanden – sofern sie sich erinnern konnten – per Briefpost zugestellt worden. Dies deutet darauf hin, dass die meisten Spender über Kaltmailing akquiriert wurden. Den meisten Probanden war die Organisation bereits im Vorfeld bekannt, über Berichte und Werbung in den Medien. Einige wenige wurden auch über Bekannte auf die Organisation aufmerksam. Nur gerade vier Probanden haben von sich aus gespendet, ohne Anfrage der Organisation. Rund
218
ein Viertel der Befragten hatte keine Ahnung mehr, wie es zum ersten Kontakt mit der NPO gekommen ist. 6.2.2 Beziehungsdauer Im Hinblick auf die Beziehungsdauer unterscheiden sich die Probanden stark. So haben einzelne die NPO erst seit kurzem unterstützt, während andere bereits seit zirka 20 Jahren der NPO Geld spenden. Es hat sich allerdings deutlich gezeigt, dass viele Probanden nicht mehr genau sagen können, wie lange sie die NPO unterstützen. Besonders Spender mit unregelmässiger oder sporadischer Unterstützungstätigkeit, können meist keine genaue Auskunft über die Beziehungsdauer geben. Dies verdeutlichen auch die folgenden Textbelege: A2.17: „Uh, das ist jetzt noch schwierig, das ist jetzt wirklich noch schwierig. Ein paar Jahre, aber das kann ich ihnen also nicht genau beantworten.“ A2.67: „Das kann ich ihnen nicht sagen. Ich habe es nicht regelmässig gemacht, sondern eher so sporadisch.“ A2.71: „Schon ziemlich lange. So ein paar Jahre. Nicht immer regelmässig.“
Da die Spender vielfach keine genaue Auskunft über die Dauer der Beziehung geben konnten, werden an dieser Stelle die Daten der NPO hinzugezogen. Weil bei der Erstspende nur das Jahr und nicht das genaue Datum bekannt ist, handelt es sich bei den in Tabelle 30 aufgeführten Daten der Unterstützungsdauer nur um gerundete Jahresangaben.
219
Tabelle 30:
Dauer der Unterstützung
Dauer der Unterstützung (N=72, Angaben in Jahren) Mittelwert Median Minimum Maximum
5.4 5 0 13
Für die Dauer wurde das Jahr der ersten Spende vom Jahr der letzten Spende vor der Erhebung subtrahiert. Deshalb weist ein Spender auch eine Dauer von Null Jahren aus, da er im selben Jahr, in welchem er die erste Spende getätigt hat, auch zum letzten Mal gespendet hat. Im Durchschnitt beträgt die Beziehungsdauer etwas mehr als fünf Jahre. Die längste Beziehung dauerte 13 Jahre. Die Angaben der Probanden und die Daten der NPO weisen teilweise grosse Abweichungen auf, welche unterschiedliche Ursachen haben können. Vorstellbar – aber eher unwahrscheinlich – sind Fehler in der Datenbank. Ein gewisser Unterschied wird dadurch erklärt, dass die letzten Befragungen im Frühjahr 2008 durchgeführt wurden, die letzte Spende (welche Grundlage der Berechnung ist) aber bereits im November 2004 getätigt wurde. Damit können rund vier Jahre hinzukommen, wenn sich die Probanden immer noch als Spender betrachten. Hauptgrund für die Abweichungen dürften aber die ungenauen Erinnerungen der Probanden sein. Dies deutet darauf hin, dass Spender die Dauer des Unterstützungszeitraums eher überschätzen. Auch mit der Zeitdifferenz der maximal (gerundeten) vier Jahre zwischen der letzten Spende und dem Zeitpunkt der Erhebung erreicht kein Proband 20 Jahre. 6.2.3 Commitment In der Studie wurde untersucht, ob die Spender sich mit der NPO verbunden fühlen und eine emotionale Bindung zur NPO aufweisen. Bei den Interviews hat sich herausgestellt, dass das affektive Commitment oder gar eine Identifikation mit der Organisation meist nur gering ist. Der Hauptgrund für das schwache affektive 220
Commitment zur NPO liegt darin, dass sich die Spender stärker mit dem Zweck oder der Tätigkeit identifizieren als mit der Organisation als Institution. Entsprechend ist auch die emotionale Bindung eher auf das Anliegen der Organisation gerichtet: A2.67: „Ja, doch, ich fühle mich damit verbunden. Einfach in diesen Sinne, dass etwas für andere Menschen getan wird.“ A2.64: „Tja, verbunden, ich denke es ist eine gute Sache, die nicht nur in der Schweiz stattfindet.“
Es gibt es einige wenige Spender, die eine emotionale Bindung zur NPO aufweisen. Diese existiert jedoch vorwiegend bei Spendern, die auch einen persönlichen Bezug zur Organisation haben. Das fortdauernde Commitment in Form einer vertraglichen Bindung ist in der Studie von untergeordneter Bedeutung, da in der Stichprobe nur gerade drei Probanden ein LSV mit der untersuchten NPO aufgewiesen haben. 6.2.4 Bezug zur NPO Beim persönlichen Bezug zur NPO wurden induktiv sechs Ausprägungen identifiziert, welche in Tabelle 31 dargestellt sind. Während nur gerade bei zwei Probanden ein religiöser Bezug erwähnt wurde, waren es deutlich mehr Nennungen bei den Ausprägungen ‚Kennen von Personen’ (21), ‚Kennen von Spendern’ (17) und ‚Bezug über die Arbeit’ (17). Auch das ‚Kennen von Betroffenen’ (7) und ‚Reisen, Orte, Umstände’ (10) sind oft erwähnt worden.
221
Tabelle 31:
Ausprägungen des persönlichen Bezugs868
Ausprägung
Definition
Ankerbeispiel
Religiöser Bezug
Der gläubige Proband spendet vermehrt oder mehr an Organisationen, die eine entsprechende religiöse Trägerschaft haben oder zumindest deren Idee transportieren.
„Ja also ich bin Jüdin, schon so Blindenschule in Israel oder palästinensische Spitalhilfe oder solche Projekte.“
Kennen von Betroffenen
Der Proband kennt persönlich betroffene Personen, denen die NPO hilft oder er war selbst einmal betroffen.
„Ich unterstütze unter anderem noch Alzheimer, da mein Vater Alzheimer hatte und die Krebsliga unterstütze ich auch noch, weil ich selber hatte.“
Bezug über Arbeit
Der Proband hat einen persönlichen Bezug zur NPO durch die eigene Arbeit (ähnliches Tätigkeitsgebiet, Kollegen, etc.).
„Ich bin selber Arzt und hatte selber Interesse an der Tätigkeit.“
Reisen, Orte, Umstände
Der Proband kennt die Orte oder Umstände der Betroffenen durch Reisen, persönliche Kontakte oder durch eigene Erfahrung.
„Dadurch, dass wir halt auch oft im Ausland herumgereist sind, haben wir natürlich das Elend und die Not in diesen Ländern auch gesehen und man hat eigentlich dann auch sinnvolle Gruppen geholfen zu unterstützen. Das war eigentlich der Grund.“
Kennen von Spendern
Die Probanden kennen andere Spender, die auch für die NPO spenden.
„Ja. Ich hatte eine Kameradin, die XXX ebenfalls unterstützt hat.“
Kennen von Personen
Der Proband kennt persönlich Leute der Organisation oder solche die im Umfeld der NPO gewirkt haben oder Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt haben.
„Das ist einmal im Jahr fix, schon nur weil meiner Kollegin ihr zukünftiger Mann dort arbeitet, darf ich jetzt nicht mehr zurücktreten. (lacht) Nein, ist tatsächlich so.“
„…das wichtigste ist die Rega, wo ich spende, da ich selber in der Aviatik tätig bin…“
Die Häufigkeit der Ausprägungen ist sicherlich stark organisationsabhängig und deshalb nicht verallgemeinerbar. So wird beispielsweise bei religiös orientierten Organisationen der ‚religiöse Bezug’ und bei regionalen Organisationen das ‚Kennen von Betroffenen’ stärker von Bedeutung sein als beim vorliegenden Fall. Für die induktive Bildung der Ausprägungen wurden auch fallfremde Erfahrungen der Probanden mit einbezogen. Im Hinblick auf die 868
Auszug aus dem Kategorienleitfaden
222
untersuchte NPO haben viele Probanden keinen besonderen Bezug zur NPO aufgewiesen. Bei jenen Probanden, die beim Spenden teilweise einen persönlichen Bezug haben, hat dies meist Auswirkungen auf das Spendenverhalten. Die gebildeten Ausprägungen zum Bezug zur NPO werden entsprechend oft auch als Motive des Spendens betrachtet.869 6.2.5 Spendenmotive Wie in Abschnitt 3.2.2 aufgezeigt wurde existiert eine Vielzahl an Motiven für das Spenden. In diesem Abschnitt wird erst der persönliche Bezug als Beweggrund besprochen. Anschliessend werden allgemeine Spendenmotive, äussere Anlässe und organisationsspezifische Gründe des Spendens diskutiert. Ein Motiv des Spendens kann, wie oben aufgeführt, in einem persönlichen Bezug zur NPO betrachtet werden. Der persönliche Bezug ist ein von den Interviewten häufig genanntes Motiv zum Spenden und kann entsprechend als wichtige Einflussgrösse auf das Spendenverhalten erachtet werden. So werden Organisationen zu welchen ein Bezug besteht, oft den anderen vorgezogen. Teilweise kann es auf Grund eines Bezugs auch zu höheren Spendenbeträgen oder zum Wechsel der Organisation führen: A2.03: „Also ich bin überzeugter Christ und wenn das dann irgendwie mit einer Botschaft oder der Übermittlung des Evangeliums verbunden ist, hat das bei mir höhere Priorität.“ A1.06: „Ich habe bereits in den 60er Jahren in Afrika gearbeitet und hatte dort Kontakt mit Franzosen, die bei XXX im Einsatz gewesen sind. Dies war womöglich ein Grund.“
Der persönliche Bezug zu einer NPO ist allerdings nur ein Spendenmotiv von vielen und betrifft bei weitem nicht alle Spender, wie bereits oben aufgeführt wurde. Generell hat sich bei den Spendenmotiven gezeigt, dass die Spender meist nur vage ihre Beweggrün869
Siehe dazu beispielsweise die Gründe des Spendens von Andreasen/Kotler (2003), S. 199. 223
de äussern können. Eine typische Antwort auf die Frage, weshalb sie für die NPO gespendet haben, ist: „weil ich es eine gute Sache find“ oder „weil ich gut finde, was sie machen“.
Für die zweite Erhebungsphase wurde aufgrund dieser Erfahrungen der Interviewleitfaden angepasst. Den Probanden der zweiten Erhebungsphase wurde ein Katalog von Motiven vorgelesen, bei welchen sie mitteilen konnten, ob das entsprechende Motiv für sie zutrifft, nicht zu trifft oder teilweise zutrifft. Der Motivkatalog wurde dabei einerseits aus den Erkenntnissen der ersten Befragung und andererseits aus dem theoretischen Vorwissen aus Kapitel 3 erstellt. Die abgefragten Motive waren:
Mitleid und Erbarmen Dankbarkeit (für empfangene Wohltat) Freude am Geben Ausgleich der Gerechtigkeit Betroffenheit Persönlicher Bezug / Erfahrung Verbundenheit mit Zweck Religiöse Gründe
Die Befragung zu den Spendenmotiven hat die Erkenntnisse der bisherigen Forschung bestätigt, dass Spender meist ein Bündel von Beweggründen haben. So haben sämtliche Probanden bei mehreren Motiven ihre Zustimmung geäussert. Am meisten Zustimmung haben die Betroffenheit, die Freude am Geben und die Verbundenheit mit dem Zweck gefunden. Am wenigsten Zustimmung haben religiöse Gründe erhalten, wobei diese entweder einen sehr grossen oder überhaupt keinen Einfluss haben.870 Über die oben aufgelisteten Beweggründe hinaus wurden auch Anlässe, im Sinne von äusseren Anreizen, von Probanden als relevant betrachtet. Diese Anreize können sowohl von der NPO als 870
Dies entspricht auch den Erkenntnissen der Stifterstudie zu den Motiven der Stiftungsgründung, vgl. Helmig/Hunziker (2007), S. 31 f.
224
auch dem Spender oder seinem Umfeld ausgehen. Insbesondere die „Reaktion auf Anfrage“ stellt einen wichtigen Anlass dar. So wird häufig gespendet, weil gefragt wird. Dies bestärkt die Erkenntnisse, dass Spender nur selten von sich aus aktiv werden, wie bereits in Abschnitt 6.2.1 festgehalten wurde. Durch spezielle Ereignisse aus dem Umfeld des Spenders kann ein Anlass zum Spenden entstehen. Vier Probanden haben beispielsweise auf Wunsch eines Verstorbenen (resp. dessen Hinterbliebenen), Grabspenden getätigt und zwei Befragte haben anstelle von (Weihnachts-) Geschenken eine Spende entrichtet. Ein schlechtes Gewissen kann ebenfalls zum Spenden veranlassen. So erwähnten Probanden dass sie spenden, weil sie sich nicht persönlich für ein Anliegen engagieren können. Bei den Beweggründen für das Spenden hat sich gezeigt, dass unterschieden werden kann, zwischen Gründen die allgemein für das Spenden sprechen (weshalb spenden sie?) und solchen, die für Zuwendungen an eine bestimmte Organisation ausschlaggebend sind (weshalb spenden sie dieser NPO?). Besonders organisationsspezifische Gründe sind für das Fundraising von Bedeutung, um sich von den anderen NPO abzugrenzen und sich entsprechend Positionieren zu können. Spender entscheiden sich für Unterstützungsleistungen, wo sie die Notwendigkeit der Spende besonders hoch einschätzen und den Sinn der Aktivität verstehen: A2.43: „Also ich finde einfach dort, wo die Not so, wie kann ich das formulieren, so eindeutig ist und man wirklich merkt da ist Not, oder es herrscht Not, dann spende ich gerne, ich mache sonst nichts, aber das kann ich zumindest machen, oder.“ A2.33: „…einfach weil die dort Hilfe geleistet haben, wo es am dringendsten nötig war.“ A2.55: „Nein, nein. Also ich meine, wenn jemand kommt, der ein Projekt bringt, welches wirklich nachhaltig und sinnvoll ist, dann würde ich mich dort vielleicht auch mal langfristiger engagieren.“
225
Im Rahmen der organisationsspezifischen Gründe des Spendens ist auch auf den „perceptual noice“ zu verweisen, worunter eine klare Wahrnehmung des Bedürfnisses im Zusammenhang mit anderen Organisationen und Bedürfnissen zu verstehen ist.871 Die Einzigartigkeit oder das Herausstechen aus der Masse kann dementsprechend ein Grund für eine Spende an eine bestimmte Organisation sein: A2.26: „…und dann muss ich soweit die Überzeugung haben, dafür gibt es keine Alternative. Wenn ich z. B. an das Paradebeispiel Greenpeace denke, auch wenn es noch andere Player gibt, noch andere NGOs im Bereich Umwelt usw. da sehe ich jetzt keine Alternative. Bei Amnesty International war das etwa ähnlich und es kann sein, ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber es kann sein, dass ich XXX einmal nicht mehr unterstützt habe, weil ich das Gefühl hatte – es könnte irgendein Bericht gewesen sein – da tummeln sich jetzt so viele medizinische Hilfsorganisationen, sie ist eine von Dutzenden, es ist ein Chaos, dass man gar nicht mehr draus kommt wer jetzt noch wie viel und wie effektiv leistet. Und dann kann das sein, dass ich dann einfach diese Spende nicht mache.“
Entsprechend ist es für NPO wichtig, dass sie die Notwendigkeit der Spendengelder aufzeigen können und sich von der Masse abheben. Zu Organisationen, die als einzigartig wahrgenommen werden, entwickeln Spender eher ein Commitment. Wenn viele NPO in einem ähnlichen Tätigkeitsfeld aktiv sind, wird eher ein Commitment mit dem Zweck als mit der einzelnen Organisation aufgebaut.872 Die Grösse der NPO oder die Bekanntheit des Bedürfnisses können ebenfalls für oder gegen eine Spende sprechen. So gibt es einige Probanden, die lieber Bereiche unterstützen, die nicht so bekannt sind und deshalb weniger Aufmerksamkeit und Spenden erhalten:
871 872
Vgl. Sargeant (1999), S. 221 f. Vgl. Sargeant/Woodliffe (2005), S. 67 f.
226
A0.02: “…da gibt es die Glückskette und die Katastrophen wo man immer „härzigi“ Kinder sieht die gerade Not leiden, die werden von der Glückskette gut abgedeckt, da kommt genügend Geld herein. Bei mir ist es eher so, dass ich, wie soll ich sagen, so aus dem Gefühl heraus, ja so ein wenig an Orten mich engagiere, wo andere etwas weniger hinsehen, wo die Problematik nicht so bekannt ist, oder eben nicht gerade am Fernseher läuft, dass man da etwas zu helfen versucht.“ A1.02: „Ich hatte das Gefühl, dass eine so grosse Organisation, nicht dass sie es weniger benötigen, aber sie haben sicherlich mehr Spenden, so.“
Viele finden auch den unbürokratischen Einsatz der Mittel und die effiziente Verwendung von Spendengeldern als wichtigen Entscheidungsgrund für eine NPO (siehe dazu auch Abschnitt 6.4.7.2): A2.05: „Unabhängigkeit, Unbürokratisch, also (dass) möglichst wenig die Organisation frisst (…) Das ist eigentlich das Beste.“
Wichtig ist den Spendern das Gefühl, dass das Geld auch wirklich ankommt und konkrete Hilfe damit geleistet wird. Eine Beurteilung der Arbeitsweise und der Effizienz in der Mittelverwendung kann von den Spendern über Mitteilungen der Organisation (Informationen zu Projekten, Leistungsberichte, Jahresberichte) oder über Presseberichte (Zeitung oder Fernsehen) erfolgen. Meist ist dafür aber einfach ein subjektives Empfinden ausschlaggebend: A1.11: „Dass es eine offene Rechnung gibt und dass ich sehe, was für administrative Kosten die Organisation hat.“ A1.07: „…also ich habe so die Berichte die sie versenden, da ist ja schön ausführlich (aufgeführt) was sie machen und eben die finanziellen Bedürfnisse die sie haben, um noch besser wirken zu können.“ A2.64: „…und vor allem habe ich das Gefühl, dass das Geld auch dorthin geht, wo es soll.“
Der gute Ruf der NPO, die Bekanntheit, das Image oder ein Zertifikat873 können auch Beweggründe für die Unterstützung einer Or873
In der Schweiz weisst das ZEWO-Gütesiegel eine hohe Bekanntheit auf. 227
ganisation sein, genauso wie ein subjektiv als sympathisch erachteter Zweck der Organisation. Einige Probanden konnten sich nicht dazu äussern, weshalb sie sich für die eine Organisation entschieden haben. 6.2.6 Beziehungsintensität Als Indikatoren der Beziehungsintensität werden das Informationsverhalten der Spender, die Regelmässigkeit der Spenden und die jährliche Spendenhöhe betrachtet. Das Informationsverhalten der Spender ist vorwiegend passiver Natur, was auf eine geringe Beziehungsintensität schliessen lässt. Es gibt kaum Spender die sich aktiv informieren, im Sinne von eigenständigen Recherchen. Beinahe alle Probanden informieren sich passiv über die zugesendeten Broschüren und Briefe. Dabei kann die Informationsaufnahme von einem „quer überfliegen“ bis zu einer „genauen Lektüre“ gehen. Bezüglich der Regelmässigkeit der Spenden zeigen sich grosse Unterschiede. So spenden einige Spender nach eigenen Angaben regelmässig (beispielsweise einmal oder mehrmals jährlich), andere hingegen sehr unstetig und unkonstant. Die genauen Spenderdaten dazu waren nicht verfügbar. Aus der Datenbank der NPO lassen sich allerdings die Anzahl Spenden pro Jahr, sowie die Spendenhöhe pro Jahr für die Probanden errechnen. Tabelle 32:
Beziehungsintensität durch Anzahl und Wert der jährlichen Spenden
Jährliche Unterstützung (N=72) Mittelwert Median Minimum Maximum
228
Spende pro Jahr 1.8 1.5 0.4 8.5
Wert pro Jahr (in CHF) 64.2 45.2 7.7 400
Die Probanden haben jährlich durchschnittlich 1.8 (Median 1.5) Spenden für die NPO getätigt. Der höchste Wert liegt bei über acht Spenden pro Jahr. Das arithmetische Mittel der jährlichen Spendenhöhe beträgt 64.20 CHF, wobei die Spannbreite von zirka acht bis zu 400 CHF geht. 6.2.7 Vertrauen Das Vertrauen nimmt eine wichtige Rolle beim Spenden ein, da eine Kontrolle über die Verwendung der Gelder meist nicht möglich ist. Die Bedeutung des Vertrauens wurde auch schon in mehreren empirischen Untersuchungen hervorgehoben (siehe dazu Abschnitt 4.1.5.3). Die Probanden haben das Vertrauen denn auch durchwegs als sehr wichtig beurteilt: A2.46: „Ja das ist natürlich schon wichtig, das Vertrauen. Also wenn ich kein Vertrauen hätte in eine Organisation, dann würde ich nicht spenden, das ist klar.“
Dabei stellt sich die Frage, was das Vertrauen in eine NPO beeinflusst. Wichtige Einflussfaktoren sind die Informationen der NPO, wie auch Berichte in der Presse. Die Information der NPO sollte deshalb transparent, offen und vertrauenswürdig sein: A2.23: „…mit dem Aufbau und dem Inhalt der Broschüre, das ist schon wichtig, der Inhalt, wofür das ist, die Art, wie es geschrieben wird. Bei XXX, was da auch immer in dem Begleitbrief steht, daraus lese ich, wie der Stil ist, habe ich das Gefühl.“
Zu diesen Informationen gehören Jahresberichte/Geschäftsberichte, Newsletter oder Beilagen mit Informationen über eigene Projekte. Dabei sind vor allem sachliche Informationen gefragt: A2.60: „…das was sie so verschicken, also abgesehen vom Lesestoff der ist interessant, das ist eigentlich vertrauenserweckend. Es drückt nicht sentimental auf die Tränendrüse…“
Ein guter Indikator für das Vertrauen ist sicherlich ein persönlicher Bezug, da dadurch ein Kontakt existiert und unter Umständen gar 229
eine gewisse Kontrolle möglich ist. Eine Art Qualitäts-Kontrolle, kann auch über Zertifikate vorgenommen werden, wobei die zertifizierende Organisation letztlich die prüfende Instanz ist. Somit können Zertifikate das Vertrauen in eine Organisation stärken: A2.34: „Das ist natürlich sehr wichtig, unabdingbar. Das ist schon sehr wichtig, z. B. diejenigen, die das Zewo-Zeichen haben. Sonst spende ich eigentlich nicht an Organisationen ohne dieses Zeichen, ausser ich würde sie kennen.“ A2.18: „Es ist mal sicher ein Bauchgefühl und dann gibt es noch, wie heisst das wieder? Zewo-Siegel gell? Ja da kuck ich dann schon drauf, dass sie das auch hat. Oder wenn’s bei einer lokalen Organisation wäre, dann kennt man entweder die Leute oder ja.“
Die Aussage des Probanden 2.18 beinhaltet gleich drei wichtige Aspekte im Hinblick auf das Vertrauen: Die angesprochenen Indikatoren des persönlichen Bezugs und des Gütesiegels, wie auch das Bauchgefühl. Das Bauchgefühl oder eben fehlende Indikatoren für das Vertrauen stellen eigentlich den Normalfall beim Spenden dar: A2.42: „Schwierig, das ist mehr aus dem Bauch heraus und das was man liest und auch hört.“ A2.37: „ich finde es eine Sache die gut läuft, es ist allerdings so, wie bei einem dem man an die Fassade sieht aber nicht hinter die Kulisse.“ A1.09: „Ja eigentlich schon, einer Organisation der ich nicht vertrauen würde, würde ich gar nicht spenden. Und im Grossen und Ganzen habe ich das Gefühl, doch mol. Und ich finde man muss grundsätzlich entscheiden, finde ich es sinnvoll irgendetwas zu unterstützen oder nicht. Und wenn ich es sinnvoll finde, sollte ich eigentlich auch Vertrauen haben, dann gebe ich halt das Geld und denke dem der es bekommt, soll es gut tun.“
Das Vertrauen ist letztendlich meist nur schwer zu begründen. Viele Spender betrachten deshalb zumindest fehlendes Misstrauen als Voraussetzung für das Spenden. Wichtigstes Kontrollinstrument ist dabei die Presse. Die NPO werden als unterstützungswürdig betrachtet, solange keine negativen oder kritischen Mitteilungen erscheinen:
230
A2.59: „…Hmm, ausschliessen kann ich, dass ich etwas negatives von diesen Organisationen gehört habe…“ A2.29: „…aber das Vertrauen denke ich, vor allem wenn man nichts Schlechtes hört, gehe ich davon aus, dass diese vertrauenswürdig sind.“
6.2.8 Spendenverhalten Das generelle Spenderverhalten hat einen Einfluss auf die Beziehung zwischen den Spendern und der NPO und stellt deshalb einen wichtigen Aspekt der Ausgangssituation dar. Als Indikator des Spendenverhaltens wird hier in erster Linie die Art der Entscheidungsfindung beim Spenden betrachtet (siehe dazu auch Abschnitt 3.4.2). Darüber hinaus sind aber auch grundsätzliche Einstellungen zum Spenden, wie beispielsweise das Variety Seeking, der Wunsch nach Bindung und die Anzahl der unterstützten NPO wichtige Determinanten des individuellen Spendenverhaltens. Über die Entscheidungsfindung beim Spenden existiert bislang noch kaum gesichertes Wissen. Entsprechend wurden die Probanden gefragt, ob sie generell eher impulsiv/spontan, habitualisiert/gewohnheitsmässig oder rational/geplant spenden (siehe dazu auch Abschnitt 3.4). Aufgrund der Theorie ist zu erwarten, dass reaktive und affektive Prozesse beim Spenden dominieren und kognitiv Entscheidungsprozesse eher weniger stark von Bedeutung sind. Habitualisiertes Spenden wurde von den Probanden nur selten im Zusammenhang mit dem Spendenverhalten genannt. Viel öfter haben sie spontanes Spenden als ihr vorwiegendes Entscheidungsverhalten aufgeführt: A2.69: „Die kommen auf ein „Bigeli“(Stapel) und wenn ich die Post mache, tue ich mich dann spontan entscheiden.“ A2.28: „Nein, das ist bei mir immer, wie soll ich sagen, das kommt bei mir einfach auf die Laune drauf an.“
231
Viele Spender haben auch angegeben, geplant und gezielt zu spenden: A2.23: „Das überlege ich mir gut und plane das.“
Teilweise geben Spender an, dass sie je nach Organisation und Zweck entweder spontan oder geplant spenden. So haben sie gewisse Organisationen, die sie gezielt auswählen und gewisse die sie spontan unterstützen. Gerade einzelne Aufrufe, besonders auch Katastrophenspenden, werden oft spontan neben einem fixen Budget getätigt: A2.09: „Ich habe schon meine gezielten Spenden, die ich jährlich durchführe, zum Beispiel Caritas, Strassenkinder in Brasilien oder ich bin da in einer Vereinigung für Schulen, für Patenschaften in (Valle de Luz?) in der Nähe von *** oder schon Brasilien und gewisse sind dann spontan.“ A2.08: „Von allem etwas. Bei anderen Organisationen habe ich Sachen, die jedes Jahr quasi laufen, wie ein Mitgliederbeitrag. Zusätzlich gebe ich dann spontan noch etwas.“
Weshalb Spender einzelne Organisationen regelmässig und andere unkonstant unterstützen, kann in den unterschiedlichen Stellenwerten der NPO liegen. Während einige Spender alle NPO gleich gewichten, haben andere ihre bevorzugten Organisationen und weniger wichtige, die dann eher spontan unterstützt werden. Rund ein Drittel der Probanden gewichtet sämtliche NPO etwa gleich. Ein weiteres Drittel hat die befragte NPO zu den wichtigeren gezählt und der Rest betrachtet die untersuchte NPO als eher weniger relevant im Gegensatz zu den sonst unterstützten NPO. Wenn Spender von geplantem oder gezieltem Spenden sprechen, bezieht sich das meist auf die Einteilung ihres Spendenbudgets. Bei den einzelnen Entscheidungen selbst werden kaum extensive Entscheidungen mit ausführlichen Informationsprozessen durchgeführt. Dies zeigt sich auch darin, dass Spender kaum aktiv Informationen suchen. Vielfach wird eine limitierte Entscheidung 232
oder eine impulsive Entscheidung getroffen. Treue Spender treffen anschliessend hauptsächlich habitualisierte Entscheidungen. Sie selbst bezeichnen diese als geplante und gezielte Spenden, obwohl kaum kognitive Prozesse stattfinden. Das Planen bezieht sich in erster Linie auf das Budget und darauf, die Kontrolle über das eigene Spendenbudget nicht zu verlieren: A2.72: „Ich sondiere schon etwas. Zuerst einmal schaue ich nach, ob sie bereits einmal etwas bekommen haben, dann tue ich es wieder. Ich möchte eigentlich schon gerne etwas konstant bleiben.“ A2.16: „Nein, das ist schon geplant irgendwie, ich teile schon so ein bisschen auf. Ich gebe nicht jeder Organisation, die schreibt.“
Um die Kosten nicht aus den Augen zu verlieren, werden oft Spendenanfragen gesammelt und das eigene Budget auf Organisationen aufgeteilt. Entsprechend spielen bei der Auswahl einzelner Organisationen vor allem reaktive und affektive Prozesse eine Rolle: A2.58: „Also ich lege die, die mich interessieren und die Fixen auf die Seite, das ist so einmal, zweimal, spätestens Ende Jahr entscheide ich mich dann.“ A1.10: „Ich habe folgendes Vorgehen: Ich sammle das Jahr hindurch die Einzahlungsscheine, die ich erhalte. Im Dezember nehme ich die Summe vor und spende es dort, wo ich das Gefühl habe, es sei am nötigsten. Meistens spende ich immer wieder bei denselben.“
Diese Einteilung ist notwendig, da Spender meist mehrere Organisationen gleichzeitig unterstützen. Rund die Hälfte der Probanden hat angegeben, mehr als 6 Organisationen zu unterstützen, jeder Sechste spendet gar an 15 oder mehr Organisationen. Im Hinblick auf die Einstellung zum Spenden, wurden insbesondere der Bindungswunsch und der Wunsch nach Abwechslung der Probanden untersucht. Mehrere Befragte wünschen und bevorzugen Mitgliedschaften, allerdings ohne vertragliche Bindung. Die meisten haben sich kritisch gegenüber Bindungsmassnahmen wie Lastschriftverfahren geäussert. Als Vorteil der Mitgliedschaften 233
wird die einfachere Kalkulierung genannt. Sie erleichtern somit eine gewisse Kontrolle über das eigene Spendenbudget. Eine vertragliche Bindung wird hingegen als hinderlich oder als Verlust der Kontrolle betrachtet, da unerwünschte Fixkosten entstehen und nicht jedes Mal von Neuem über die Vergabe entschieden werden kann: A2.59: „Also ich gebe lieber einfach meinen Beitrag, als das immer einfach abgezogen wird. So weiss ich was hineinkommt und was herausgeht, also ich habe einen besseren Überblick.“ A2.15: „Ich wollte mir die gewissen Freiheiten lassen, wann ich wem spende.“
Die Aussage des Probanden 2.15 deutet auch darauf hin, dass Spender oft unterschiedliche Organisationen unterstützen möchten. Bei der Kategorie ‚Einstellung zum Wechseln’ wurden induktiv unterschiedliche Ausprägungen gebildet. So gibt es sehr treue Spender, solche die bewusst oder unbewusst die Unterstützung wechseln und solche die partiell oder innerhalb eines Optionensets wechseln, wie dies aus Tabelle 33 ersichtlich wird. Die grösste Gruppe der Stichprobe (40 %) bezeichnet sich als treue Spender. Etwa 20 % der Befragten unterstützen einige NPO fix und haben andere die sie wechseln. Die restlichen drei Gruppen ‚unkontrolliertes Wechseln‘, ‚Abwechslung innerhalb Optionenset‘ und ‚Wunsch nach Abwechslung‘ machen jeweils etwas mehr als 10 % der Stichprobe aus. Zur Einstellung gegenüber dem Spenden gehören auch Vorlieben der Spender gegenüber unterschiedlichen Arten von Projekten. Die befragten Probanden haben nur selten angegeben, dass sie hauptsächlich Not- und Soforthilfeprojekte unterstützen.874 Viel öfter haben die befragten Spender angegeben, dass sie sich vorwiegend für langfristige und nachhaltige Projekte einzusetzen. Die 874
Dies kann auch auf die ausgewählte NPO zurückgeführt werden, die keine expliziten Aufrufe für Not- und Soforthilfe startet.
234
meisten der Probanden unterstützen allerdings sowohl langfristige Projekte, als auch Soforthilfeprojekte. Tabelle 33:
Ausprägungen der Einstellung zum Wechseln
Ausprägung
Definition
Ankerbeispiel
Treue Unterstützung
Der Proband unterstützt immer dieselben Organisationen und bleibt ihnen treu.
„Ich habe meine festen, die ich eigentlich immer unterstütze. Und die anderen haben weniger Chancen, die müssen wirklich überzeugen, dass sie rein kommen.“
Unkontrolliertes Wechseln
Der Proband gibt mal hier, mal da, aber vollkommen unkontrolliert und wechselt deshalb unbewusst.
„Nein das ist nicht bewusst. Also es kommt effektiv darauf an, was das für ein Projekt halt gerade kommt, und wenn man das Gefühl hat, „moll“ das „si jetzt würklich armi sieche“ dann spendet man vielleicht wieder etwas. Umgekehrt denkt man vielleicht jetzt habe ich Gestern gerade, dann tu ich natürlich nicht hier gerade auch noch. Ja also das ist immer so etwa“
Einige fix andere wechseln
Der Spender hat einige NPO, die er immer unterstützt. Daneben wechselt er noch bei einigen ab.
“Das kommt ein bisschen darauf an, das sind immer so zwischen 6 und 10. Und regelmässig ist das Greenpeace, WWF, Amnesty International, Pro Natura. Für so Lokalprojekte, ab und zu, was war da noch, eben das wechselt ein bisschen.“
Abwechslung innerhalb Optionenset
Der Spender wechselt die Unterstützung ab, bleibt aber in etwa den selben Organisationen treu: Auswahl aus einem Optionenset
„Ja, ja, also es ist so geplant, dass ich immer nur die gleichen vier Institutionen unterstütze oder sagen wir vielleicht sechs, sechs Institutionen, und andere die ins Haus kommen, „spediere“ (befördere) ich gleich wieder per Post zurück.“ BH: „Und bei den sechs Organisationen (unterstützen) Sie abwechslungsweise mal die eine und dann die andere“ A: „Ja.“
Wunsch nach Abwechslung
Der Spender wechselt bewusst die Organisationen, die er unterstützt, da er auch andere begünstigen möchte.
„… dass ich einfach das Gefühl habe, jetzt haben diese mal wieder etwas zu Gute. Das ist ja das, was mich stören würde, wenn nur eine Organisation alleine da wäre und profitieren würde.“
235
6.2.9
Zusammenfassende Erkenntnisse aus den Einflussfaktoren der Ausgangssituation Spender sind sich nicht immer im Klaren über ihre Spendentätigkeit. So können sie nicht immer sagen, welche NPO sie wann unterstützt haben. Auch zur Unterstützungsdauer und über die Anzahl der unterstützten NPO konnten sich die Probanden nur vage äussern. Trotz der oft ungenauen Auskunft der Probanden konnten einige wichtige Erkenntnisse über den Einfluss der Ausgangssituation der Spendenbeziehung gewonnen werden. Es hat sich gezeigt, dass das Commitment beim Spenden eine untergeordnete Rolle spielt, da ungebundene Mehrfachspender vielfach eine Verbundenheit mit dem Zweck und nicht mit der Organisation aufweisen. Eine stärkere Bindung zu erreichen ist schwierig, da gegenüber vertraglicher Bindung oft eine Abneigung vorhanden ist und emotionale Verbundenheit nur behutsam aufgebaut werden kann. Spender sind stark sensibilisiert und reagieren negativ auf zu emotionale oder aggressive Ansprachen und auf verspürten Druck. Über den persönlichen Bezug zu einer NPO kann eine gewisse Verbindung aufgebaut werden. Besonders das Kennen von Betroffenen oder Mitarbeitern kann dazu führen, dass Spender sich der Organisation „näher“ fühlen und dadurch auch weniger häufig abwandern. Dies ist einer der Vorteile von kleinen NPO, die sehr stark über persönliche Beziehungen funktionieren. Ein persönlicher Bezug kann auch eine motivierende Wirkung haben, so dass Spender häufiger und mehr spenden. Von den weiteren Motiven des Spendens können keine wesentlichen Erkenntnisse abgeleitet werden. Es wird bestätigt, dass immer mehrere Motive gleichzeitig wirken und ein Motivbündel relevant ist. Wie sich gezeigt hat, sind sich die Spender ihrer Motive nur teilweise bewusst. Bei offener Fragestellung kommt es deshalb oft zur Antwort „weil es eine gute Sache ist“. Spenden kommen oft auch in Zusammenhang mit externen Anreizen zustande, die auch von der NPO aus-
236
gehen können. Wichtiger als die allgemeinen Spendenmotive sind für das Fundraising die Motivatoren, die für die Auswahl einer bestimmten Organisation relevant sind. Die Beziehungsintensität ist bei Spendenbeziehungen allgemein nur schwach ausgeprägt. Dies zeigt sich unter anderem auch darin, dass Spender selten von sich aus aktiv werden und sich kaum aus eigenem Antrieb Informationen verschaffen. Wie sich gezeigt hat, ist das Vertrauen für das Spenden unerlässlich ist. Existiert kein Vertrauen in eine Organisation, werden keine Spenden getätigt. Die Spender können ihr Vertrauen aber nur selten begründen. Insbesondere die Art der Information, die sie erhalten, und das allgemeine Image der NPO können dazu führen, dass Vertrauen aufgebaut wird. Das Ausbleiben von negativen Ereignissen – insbesondere in der Presse – ist ebenfalls notwendig, um das Vertrauen aufrecht zu erhalten.875 Die Erkenntnisse des Spendenverhaltens sind für das Verständnis der Abwanderung von zentraler Bedeutung. Wie sich gezeigt hat, laufen bei Spendenentscheidungen vorwiegend reaktive oder affektive Prozesse ab. Nur selten werden sie durch dominant kognitive Prozesse getroffen. Die Spendenentscheidungen sind entsprechend vorwiegend impulsiv oder habitualisiert. Um eine gewisse Kontrolle über das Spendenverhalten zu haben, erstellen Spender oft eine Art Budgetplanung. Dabei sammeln sie Anfragen und verteilen zu einem bestimmten Zeitpunkt das vorhandene Geld auf die ausgewählten NPO. Die Budgetplanung wird in der Regel stärker kognitiv gesteuert, als die Auswahl der Organisationen. Die meisten Spender unterstützen mehrere NPO gleichzeitig. Für die Spenderabwanderung von besonderer Bedeutung ist die Einstellung der Spender gegenüber dem Wechseln. Während einige Spender den Wunsch nach Abwechslung verspüren, neigen andere zur treuen Unterstützung. Darüber hinaus gibt es auch Spender, die 875
Zur Bedeutung ausbleibender kritischer Ereignisse im Hinblick auf das Vertrauen und die Aufrechterhaltung der Beziehung siehe auch Colgate/Hedge (2001), S. 225 f. 237
aufgrund ihres spontanen, ungesteuerten Spendenverhaltens unkontrolliert Wechseln.
6.3 Auslöser der Spenderabwanderung In diesem Abschnitt werden die Erkenntnisse der Auslöser der Spenderabwanderung besprochen. Der Auslöser eines Abwanderungsprozesses ist ein Ereignis, das die Ausgangssituation einer Beziehung so ändert, dass ein Abwanderungspfad gestartet wird. Der Auslöser ist somit für den Start des Abwanderungsprozesses verantwortlich. Bevor die einzelnen Kategorien der Auslöser besprochen werden, wird untersucht, ob es sich bei der Spenderabwanderung um vorwiegend einfache oder komplexe Abwanderung handelt. Da dieselben kritischen Ereignisse sowohl als Auslöser, als auch innerhalb des Abwanderungsprozesses auftreten können, wurden dieselben Kategorien für Auslöser und Prozessdeterminanten gebildet. Dabei wurde auf die Systematisierung der Abwanderungsgründe von Abschnitt 4.3 zurückgegriffen. Die drei Kategorien von Auslöser sind entsprechend:
Spenderinitiierte Auslöser: Auslöser die durch das Umfeld des Spenders, der persönlichen Situation oder seinen Einstellungen entstehen. Organisationsinitiierte Auslöser: Auslöser die durch die Interaktion mit der Organisation, oder Veränderungen durch die Organisation auftreten. Konkurrenzinitiierte Auslöser: Auslöser die durch alternative Anbieter entstehen.
Der Auslöser kann bei der Organisation (bspw. durch die Interaktion mit dem Spender), beim Spender (bspw. durch die Veränderungen seiner Situation) oder bei der Konkurrenz (bspw. Angebote von Konkurrenten) auftreten (siehe dazu auch Abschnitt 5.6.1). In der Befragung konnte weniger als die Hälfte der Spender Angaben zu einem Auslöser der Abwanderung machen. Grund da-
238
für waren ungenaue Erinnerungen und die meist eher unbewusste oder schleichende Abwanderung, die keine Identifikation eines eindeutigen Startereignisses ermöglichte. Weil die Auslöser nicht immer präzise erörtert werden konnten, wird auf die einzelnen Ausprägungen erst in Abschnitt 6.4 bei den kritischen Ereignissen detailliert eingegangen. 6.3.1 Einfache und komplexe Abwanderung Für das Zustandekommen einer Abwanderung können nebst dem Auslöser weitere Prozessdeterminanten verantwortlich sein. Es kann zwischen einfacher und komplexer Abwanderung unterschieden werden. Bei einfacher Abwanderung ist der Auslöser gleichzeitig der einzige Abwanderungsgrund. Bei komplexer Abwanderung ist der Auslöser derjenige Faktor, der den Prozess in Gang gesetzt hat. Damit steht er zeitlich gesehen am Anfang des Abwanderungsprozesses. Bei der Befragung wurde untersucht, ob Spenderabwanderung vorwiegend durch einfaches oder komplexes Abwandern erfolgt. Aus dieser Analyse ausgeschlossen wurden die ehemaligen Spender, die sich weiterhin als ‚aktive’ bezeichnen, da bei diesen keine bewussten Gründe und kein Abwanderungsprozess erhoben werden konnte (siehe dazu Abschnitt 6.6.1). Bei den verbleibenden Probanden haben 27 mehr als einen Grund für die Abwanderung erwähnt. Bei 14 Probanden war ein einzelner Grund für das Abwandern verantwortlich. 6.3.2 Spenderinitiierte Auslöser Die in der Studie am häufigsten aufgetretenen Auslöser sind spenderinitiierte, welche bei 18 Probanden festgestellt werden konnten. Vor allem finanzielle und familiäre Veränderungen beim Spender haben einen Abwanderungsprozess ausgelöst. Dies sind beispielsweise die Pensionierung, Steuernachzahlungen, geringere Einkünfte, Scheidung, Erkrankung oder Ausbildungskosten der Kinder (zu
239
den spenderinitiierten kritischen Ereignissen siehe auch Abschnitt 6.4.6). Finanzielle Veränderungen haben bei der Untersuchung in sechs von elf Fällen zu einfacher Abwanderung geführt, was bedeutet, dass keine weiteren Ereignisse die Abwanderung beeinflusst haben. Besonders bei stärker wahrgenommenen finanziellen Einbussen erfolgt eine einfache Abwanderung. Nebst finanziellen Gründen des Spenders kann auch der Wunsch nach Abwechslung der ‚Variety Seeker’ zur einfachen Abwanderung führen. Ein besonderer Auslöser ist in der ‚unbeabsichtigten Abwanderung’ zu sehen. Dabei ist die Abwanderung vom Spender ungewollt geschehen, durch ein Missverständnis, eigenes Unvermögen oder Nachlässigkeit. Der Spender hat dabei die Absicht gehabt zu spenden, dies aber irgendwie versäumt. 6.3.3 Organisationsinitiierte Auslöser Organisationsinitiierte Auslöser sind solche, bei welchen die Spender nicht mit den Leistungen der NPO zufrieden waren. Einerseits betrifft dies vor allem die Häufigkeit der Anfragen, wenn Spender von der NPO zu viele Briefe erhalten haben. Andererseits sind es auch einzelne Aktivitäten der NPO, welche die Spender negativ empfunden haben. Dies sind beispielsweise vom Spender subjektiv wahrgenommene Geldverschwendung, unangemessene Kommunikation oder schlechte Ausgestaltung eines Mailing (zu den organisationsinitiierten kritischen Ereignissen siehe Abschnitt 6.4.7). Managementfehler können durchaus zur sofortigen Abwanderung führen, wie von den Probanden erwähnte Beispiele gezeigt haben. Mehrere Spender haben schon eine Spendenbeziehung mit einer NPO beendet, weil diese beispielsweise Geld veruntreut oder falsch eingesetzt hat. Dies hat eine grosse Unzufriedenheit zur Folge und das sofortige Einstellen der Unterstützung. Da bei der ausgewählten NPO kaum Fehler wahrgenommen wurden, sind innerhalb der hier vorliegenden Fallstudie nur sehr wenige (bei 8 Probanden) organisationsinitiierte Auslöser aufgetreten. Es kann da-
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von ausgegangen werden, dass je stärker die Unzufriedenheit ist, die durch einen organisationsinitiierten Auslöser entsteht, desto wahrscheinlicher wird eine sofortige (einfache) Abwanderung.876 In der Fallstudie haben organisationsinitiierte Auslöser meist zu einer komplexen Abwanderung geführt, was bedeutet, dass weitere kritische Ereignisse den Abwanderungsprozess beeinflusst haben. 6.3.4 Konkurrenzinitiierte Auslöser Bei den konkurrenzinitiierten Auslösern wurden induktiv zwei Kategorien gebildet, da zwei verschiedene Arten von konkurrenzinitiierten Auslösern festgestellt wurden. Einerseits gibt es Auslöser, die vom Gesamtmarkt ausgehen und eine Abwanderung starten. Andererseits gibt es Auslöser, die von einzelnen Konkurrenten ausgehen und zum Wechsel führen. Zu den gesamtmarktbezogenen Auslösern gehören die vielen Spendenanfragen, welche in Folge des Konkurrenzdrucks versendet werden und Spender verärgern oder Resignation und Hilflosigkeit bei ihnen auslösen. Ein weiterer konkurrenzbezogener Auslöser der den Gesamtmarkt betrifft, ist die wachsende Anzahl an NPO, die zu einer unübersichtlichen Masse an Organisationen führt. Einige Probanden wurden in Anbetracht der Vielzahl von spendensammelnden NPO verwirrt oder sie haben ihre Spenden als unnötig oder wirkungslos erachten. Die von einzelnen Konkurrenten initiierten Auslöser haben sich auf einzelne Spendenaufrufe bezogen. Beispielsweise wurden Konkurrenzanfragen als wichtiger oder sinnvoller erachtet, was die Abwanderung ausgelöst hat (zu den konkurrenzinitiierten kritischen Ereignissen siehe auch Abschnitt 6.4.8). Die konkurrenzinitiierten Auslöser hatten immer eine komplexe Abwanderung ausgelöst, was bedeutet, dass weitere kritische Ereignisse den Abwanderungsprozess beeinflusst haben. Konkurrenzinitiierte Auslöser konnten allerdings nur sechs eindeutig iden876
Vgl. dazu auch das Energy Level in Abschnitt 4.7. 241
tifiziert werden, da besonders die Gesamtmarkt bezogenen Auslöser schleichend wahrgenommen werden und die Probanden sich nicht genau dazu äussern konnten, welches Ereignis letztlich den Abwanderungsprozess ausgelöst hat. 6.3.5 Zusammenfassende Erkenntnisse der Auslöser Die Analyse der Interviews hat aufgezeigt, dass die Spenderabwanderung nicht immer in Form eines komplexen Prozesses abläuft. Oft tritt auch eine einfache Abwanderung aufgrund eines Auslösers auf, wobei der Auslöser gleichzeitig das einzige kritische Ereignis ist. Dies betrifft besonders spenderinitiierte Auslöser wie beispielsweise die Veränderung der finanziellen Situation des Spenders. Konkurrenzinitiierte Auslöser sind einerseits die zunehmenden Spendenanfragen und die steigende Anzahl NPO, die Spender verärgern können. Andererseits können Anfragen einzelner Konkurrenten einen Wechselprozess starten, indem neue Bedürfnisse geweckt werden oder bessere Unterstützungsmöglichkeiten geboten werden. Organisationsinitiierte und konkurrenzininitiierte Auslöser konnten insgesamt nur 15 eindeutig identifiziert werden. Dies spricht einerseits für die gute Arbeitsweise der untersuchten NPO. Andererseits hebt dies aber auch die Schwierigkeit der Probanden hervor, einen konkreten Auslöser des Abwanderungsprozesses zu nennen. Die Probanden konnten sich oft nur vage über die Auslöser der Abwanderung äussern, da sie sich nicht genau erinnern konnten und der Abwanderungsprozess oft unbewusst oder ohne eindeutigen Auslöser (schleichend) stattgefunden hat. Deshalb spielen die Auslöser in dieser Studie eine untergeordnete Bedeutung. Da darüber hinaus keine inhaltliche Unterscheidung zwischen Auslösern und weiteren kritischen Ereignissen vorhanden ist, werden die einzelnen Ausprägungen ausführlich in den Abschnitten 6.4.6, 6.4.7 und 6.4.8 besprochen.
242
6.4 Prozessdeterminanten der Spenderabwanderung Der Abwanderungsprozess wird durch viele unterschiedliche Determinanten beeinflusst. Zuerst werden die Grössen betrachtet, die den Prozess beschleunigen oder verlangsamen können. Dabei steht die Bedeutung einzelner Einflussgrössen bei der Spenderabwanderung im Zentrum des Interesses sowie deren Auswirkung auf die Dauer der Abwanderung. Zu den folgenden Einflussgrössen werden die induktiv gebildeten Ausprägungen ausführlich betrachtet und diskutiert:
Wechselbarrieren Beschwerden Emotionen Zufriedenheit Dauer der Abwanderung
Anschliessend werden die kritischen Ereignisse betrachtet. Diese sind die zentralen Einflussgrössen des Abwanderungsprozesses, die sowohl die Richtung, als auch die Geschwindigkeit des Prozesses massiv beeinflussen können. Dabei wurden die Kategorien analog der Auslöser nach den Verursachern unterteilt in:
Spenderinitiierte kritische Ereignisse Organisationsinitiierte kritische Ereignisse Konkurrenzinitiierte kritische Ereignisse
6.4.1 Wechselbarrieren Wie bereits aus der Theorie von Hirschman (siehe Abschnitt 4.4) bekannt ist, wirken sich Wechselkosten und -barrieren auf den Abwanderungsentscheid aus. Wechselbarrieren können mittels LSV – zumindest teilweise – aufgebaut werden. So haben einige Probanden, die aus finanziellen Gründen nicht mehr spenden können, zuerst ihre ungebundenen Spenden eingestellt:
243
A2.26: „Ja, oder eben, die, die mit LSV gelaufen sind, habe ich weiterlaufen lassen, weil der Aufwand auch zu gross ist dort.“
Ein LSV verhindert zumindest schleichende Abwanderung. Da auch LSV-Beziehungen in Vergessenheit geraten können, werden LSV deshalb oft im Anschluss an Spendenbestätigungen storniert. Die meisten Probanden, die bereits ein LSV hatten, verspüren aber durch die vertragliche Bindung mittels LSV keine grossen Wechselkosten. Die Auflösung des LSV stellt für sie somit kein grosses Abwanderungshindernis dar: A1.05: „Nein, weil das ist für mich eine so einfache Form, einfach so stornieren und fertig. Es ist auch eine anonyme Form.“
Obwohl Spender mit LSV-Erfahrung sich dadurch meist kaum gebunden fühlen und nur geringe Abwanderungskosten wahrnehmen, sind viele Spender nicht bereit eine vertragliche Bindung einzugehen: A2.59: „Also ich gebe lieber einfach meinen Beitrag, als dass immer einfach abgezogen wird. So weiss ich, was hineinkommt und was herausgeht, also ich habe einen besseren Überblick.“ A2.47: „Ich bin dagegen, dass einem einfach ein Teil vom Lohn abgezwackt wird für irgendetwas. Aus diversen Gründen: Einerseits verdiene ich nicht so viel, und das sind ja sowieso nicht die Leute, die es gut bezahlen könnten, die in die Falle gehen. Es ist eine Art Falle. Ich bin dafür, dass etwas, das man schenkt oder unterstützt, dass man das bewusst macht und nicht irgendwie Lastkontenverfahren, wo man keinen Überblick hat. Das ist mir nicht sympathisch.“ A2.43: „Ja da habe ich Mühe mit dem. Da bin ich noch nie darauf eingestiegen mit dem, das habe ich noch nie gewollt und das werde ich auch nie machen, weil ich weiss nicht warum aber, mit dem ist(es?) nicht mehr spenden für mich.“ A.2.39: „Ich würde mich nicht dazu verpflichten, zu einem bestimmten Moment oder fix einmal jährlich zu spenden, das würde ich gar nicht machen.“
Hauptargumente gegen LSV und Patenschaften sind die finanzielle Gefahr einer langfristigen Bindung und der Verlust der Kontrolle
244
über das eigene Spenden. Unsichere Einkommensverhältnisse und negative Einstellungen der Spender gegenüber „automatischen“ Abzügen sprechen gegen vertragliche Bindungen. Probanden die ein LSV haben sind deutlich jünger, als jene mit einer negativen Haltung gegenüber vertraglichen Bindungen.877 Dies kann daran liegen, dass jüngere Probanden eher mit der Technik vertraut sind und generell mehr Einzahlungen über Internet vornehmen. Entsprechend sind sie es gewohnt ihre Finanzen elektronisch abzuwickeln und sie haben mehr Erfahrungen mit Daueraufträgen und Lastschriftverfahren. Dadurch verspüren sie ein geringeres Risiko und geringere Kosten der Auflösung. Da die wenigsten Probanden eine vertragliche Bindung aufweisen,878 beschränken sich die Wechselkosten meist auf die emotionale Verbundenheit im Sinne des affektiven Commitment. Da aber das affektive Commitment bei den befragten Spendern eher gering ist (siehe Abschnitt 6.2.3), kann davon ausgegangen werden, dass allgemein kaum Wechselbarrieren beim Spenden wahrgenommen werden. 6.4.2 Beschwerden Gemäss der Theorie von Hirschman (siehe Abschnitt 4.4) wird in Situationen mit hohen Wechselkosten und mit wenig Alternativen die Strategie des sich Beschweren derjenigen der Abwanderung vorgezogen. Im Spendenmarkt existieren allerdings unzählige Alternativen und es werden kaum Abwanderungskosten wahrgenommen. Im Vergleich zu den Abwanderungskosten werden die Kosten für Rückmeldungen oder Beschwerden von den Spendern meist als 877
Die drei Probanden, welche bei der untersuchten NPO ein LSV hatten, waren durchschnittlich 36 Jahre alt. Alle Probanden, welche bereits mindestens einmal mittels LSV gespendet haben sind durchschnittlich 46 Jahre alt. Das Durchschnittsalter sämtlicher Probanden beträgt 58 Jahre. 878 Nur bei drei Probanden hat eine vertragliche Bindung mittels LSV zur untersuchten NPO bestanden. Insgesamt hat nur gerade jeder Siebte angegeben, dass er bereits einmal eine vertragliche Bindung beim Spenden eingegangen ist. 245
hoch erachtet. Spender betrachten Beschwerden als aufwändig und teilweise als nutzlos: A2.24: „Eh, nein, grundsätzlich nicht, Aber eh,***, es wäre ein zu grosser Aufwand, und für mich ein zu grosser Aufwand, wenn man alles mitteilen will.“ A2.15: „Nein, ich weiss nicht ob das was bringen würde. Das wären vielleicht gegen hundert Organisationen und für das habe ich auch keine Zeit.“ A1.08: „Nein, nein, das nützt erfahrungsgemäss gerade gar nichts.“
Einige Spender melden sich allerdings trotzdem bei den NPO, insbesondere um erhaltene Geschenke und unerwünschte Briefe zurückzusenden.879 Bei letzteren wird oft auch eine Bitte angebracht, aus dem Verzeichnis gestrichen zu werden, um weitere Post zu vermeiden. Bei Spendern, die sich aufgrund kritischer Ereignisse melden, kann davon ausgegangen werden, dass diese eine emotionale Verbundenheit aufweisen, da die Abwanderung im Verhältnis dazu sehr einfach ist.880 Deshalb sind Beschwerden auch im Fundraising von Bedeutung. Sich beschwerende Spender hängen an der Organisation und weisen ein langfristiges Potenzial auf. 6.4.3 Emotionen Emotionen spielen bei der Spenderabwanderung eine untergeordnete Rolle. Meist ist die Abwanderung nicht mit allzu starken Emotionen verbunden, was grossteils am fehlenden affektiven Commitment liegt: A2.06:“ Nein, hat mich nie verärgert. Das ist es mir einfach nicht wert.“
879
Zwölf Probanden haben angegeben, dass sie sich schon bei den NPO gemeldet haben. Dabei waren lediglich zwei inhaltliche Beanstandungen. Bei den übrigen Meldungen handelt es sich um Bitten weniger oder keine Anfragen mehr zu erhalten oder um Mitteilungen zu Adressänderungen. 880 Da keine oder kaum Abwanderungskosten existieren ist gemäss der Theorie von Hirschman die Strategie des Exit dem Voice vorzuziehen (vgl. dazu Abschnitt 4.4), es sei denn es ist eine emotionale Verbundenheit vorhanden, welche ein Wechselhemmnis darstellt. 246
A1.08: „Was heisst emotional betroffen, ich habe nicht „grännt“ (geweint). Es ist mir Wurscht wenn die, wenn die so sind, wenn die wirklich das Gefühl haben sie müssen auch wie andere Organisationen in den Amerikanern das Übel der ganzen Welt sehen, wenn die das meinen, dann unterstütze ich sie einfach nicht mehr. Aber eben ich meine das dürfen die natürlich. Dann spende ich einfach nicht mehr, da bin ich relativ emotionslos.“
Einige wenige Probanden haben im Zusammenhang mit kritischen Ereignissen emotionale Reaktionen ausgewiesen. Es hat sich dabei gezeigt, dass die Emotionen vom Auslöser respektive vom kritischen Ereignis und der Zufriedenheit abhängen. In diesem Kontext ist auf das „Energy Level“ von Roos zu verweisen.881 Am stärksten ausgeprägt sind Emotionen bei organisationsinitiierten kritischen Ereignissen, die zu starker Unzufriedenheit führen. Das Energy Level wird auch von den Abwanderungsbedingungen beeinflusst. Da beim Spenden kaum affektives Commitment und Wechselkosten vorhanden sind, ist die Abwanderung sehr einfach vorzunehmen. Ausserdem existieren ausreichend Alternativen, die einen Wechsel einfach und schnell ermöglichen. Somit kann vermutet werden, dass mit der Spenderabwanderung meist keine emotionalen Reaktionen verbunden sind, was durch die Aussagen der Probanden auch bestätigt wurde. 6.4.4 Zufriedenheit Gemäss den theoretischen Vorkenntnissen ist die Zufriedenheit mit einem Anbieter ein relevanter Einflussfaktor auf die Abwanderungswahrscheinlichkeit. Bei der empirisch erfassten Zufriedenheit der Probanden wurden induktiv zwei Gruppen der Zufriedenheit gebildet. Einerseits die Zufriedenheit mit der Organisation und ihrer Arbeit und andererseits die Zufriedenheit mit der Kommunikation der NPO. Was die Zufriedenheit mit der Organisation als solcher und ihrer Arbeit betrifft, haben sich mit Ausnahme einer Person sämtliche Probanden positiv geäussert. 13 Probanden sind dabei gar sehr zu881
Vgl. Roos et al. (2004), S. 256 ff. 247
frieden, die restlichen Befragten sind eher zufrieden oder konnten sich nicht dazu äussern. Zufriedenheit basiert auf einem Soll-IstVergleich, bei welchem Erwartungen und wahrgenommenes Ergebnis einander gegenüber gestellt werden.882 Hier zeigt sich allerdings, dass Spender oft keine Ist-Analyse vornehmen können und deshalb eine eigentliche Bewertung nicht stattfindet. Analog zum Vertrauen wird oft angenommen, dass die Leistungen entsprechend den Erwartungen sind, solange keine negativen Meldungen diese Annahme widerlegen. Die Zufriedenheit der Probanden deutet damit darauf hin, dass die ausgewählte NPO bisher nicht negativ in Erscheinung getreten ist. Einige Aussagen der Probanden auf die Frage der Zufriedenheit sollen verdeutlichen, dass Spender die Organisationen und ihre Arbeit kaum bewerten können: A2.26: „Ähm, soweit ich das beurteilen kann eigentlich sehr zufrieden. Ich finde dies eine sehr beeindruckende Organisation.“ A2.01: „Also das was ich weiss, was natürlich verschwindend wenig ist, ist sehr positiv.“ A2.33: „Ja ich denke schon, dass die einen guten Job machen.“ A2.28: „…Ja, ich kann es zu wenig genau sagen, was sie machen, aber ich habe schon das Gefühl, dass das was sie machen wirklich humanitär ist.“ A2.15: „Das was ich gelesen habe, das was ich gehört habe, „het mich guet dünkt“ (hatte ich gut gefunden). Ich kann es natürlich nicht nachvollziehen, ich bin ja nicht vor Ort. Ich hatte auch zu wenig Zeit, mich wirklich tief damit zu befassen. Das ist einfach ein bisschen auf der Vertrauensbasis, dass das gut gemacht wird.“
Die Aussage des Probanden 2.15 verdeutlicht, weshalb im Fundraising das Vertrauen von enormer Bedeutung ist. Der Zusammenhang zwischen Vertrauen und Zufriedenheit ist beim Spenden besonders gross, da die Zufriedenheit vorwiegend auf dem Vertrauen und subjektiv empfundenen Gefühlen basiert. 882
Siehe dazu bspw. Mentzel (2003), S. 63 ff.
248
Während die Arbeit der Organisation kaum bewertet werden kann, ist bei der Kommunikation der Organisation ein Soll-IstVergleich möglich. Entsprechend kann die Zufriedenheit mit der Kommunikation von der allgemeinen Zufriedenheit abweichen: A1.09: „Da müsste ich unterscheiden mit der Tätigkeit die war ja super gut, aber mit der Information war ich nicht so zufrieden.“
Aussagen zur Kommunikationszufriedenheit können entsprechend detaillierter geschildert werden, als jene zur Leistung der NPO. So haben Spender unterschiedliche Erwartungen, sowohl im Hinblick auf die Kommunikationshäufigkeit, als auch auf deren Inhalt. Die Erwartungen werden dabei von Erfahrungen und Vergleichen mit Alternativen beeinflusst. Mit dem Inhalt der Kommunikation sind die Probanden mehrheitlich zufrieden: A2.55: „Ich habe das Gefühl es ist vernünftig, nicht all zu aufdringlich, „momol“ (doch doch) es stimmt (in) etwa.“ A2.60: „Doch, ich finde das sehr gut, es ist objektiv und sauber und man rührt nicht überflüssig an der Tränendrüse, was teilweise gemacht wird und man hat einen konkreten, realistischen, praktischen Eindruck.“ A2.36: „Bin ich einverstanden oder zufrieden. Das ist gut, ja. Wie sie die Spenden, ehm wie kann ich das sagen, wie sie uns mitteilen, was gemacht wird mit dem Geld.“
Die ausgewählte NPO stellt somit die meisten Spender zufrieden, was die inhaltliche Kommunikation betrifft. Im Hinblick auf die Häufigkeit sind die Ergebnisse allerdings widersprüchlicher. Während einige die Anzahl erhaltener Briefe zufrieden stellt, finden insgesamt 14 Probanden, dass eher zu viel Post von der NPO versendet wird: A2.33: „Ja, es ist nicht allzu häufig, es kommt nicht jeden Monaten ein Brief. Das finde ich gut.“
249
A2.67: Das bräuchte ich jetzt nicht so häufig. Ich denke, das ist immer noch mit Kosten verbunden und wenn meine Spendengelder an das gehen, finde ich das nicht so toll. A2.14: „Also von mir aus könnte es weniger sein, aber der Inhalt ist immer okay.“ A2.18: „War mir auch fast zu häufig, weil im Endeffekt habe ich jetzt nicht so viel gespendet, als dass ich das Porto rentiert hätte, so habe ich manchmal gedacht.“
Gerade betreffend Häufigkeit der Briefe haben die Spender meist konkrete Vorstellungen, wie viele sie als sinnvoll erachten. Dabei können zwei verschiedene Haltungen ausgemacht werden. Ein Teil der Probanden findet, dass ein Brief pro Jahr ausreichend wäre, maximal zwei. Die anderen Probanden, die ihre Kommunikationswünsche geäussert haben finden 3 bis 4 Briefe pro Jahr angemessen. Es hat sich gezeigt, dass die Probanden oft nicht sagen können, wie viele Briefe sie von einer Organisation erhalten haben. Sie wissen aber, dass sie tendenziell weniger erhalten möchten. 6.4.5 Dauer des Abwanderungsprozesses Der Abwanderungsprozess kann eine unterschiedlich lange Dauer aufweisen. Im untersuchten Sample ist die Dauer allerdings eher von untergeordneter Bedeutung, da sich die Probanden nur selten dazu äussern konnten. Alle Spender, die sich nach wie vor als aktiv betrachten, wurden bei der Analyse nicht mit einbezogen. Ungebundene Spender – besonders solche, die sehr unkonstant spenden – entscheiden vielfach bei jeder Anfrage von neuem, ob sie spenden wollen oder nicht. Eine negative Entscheidung kann dabei bereits die Abwanderung bedeuten, auch wenn nicht bewusst eine Beziehung beendet wurde wie weiter unten noch ausgeführt wird (siehe dazu Abschnitt 6.6.2). Die Probanden spenden – wie in Abschnitt 6.2.8 aufgezeigt wurde – vorwiegend impulsiv und spontan. So kommt es vielfach zu einer schleichenden Abwanderung, bei welcher der Beginn des Abwanderungsprozesses nicht exakt festgehalten werden kann
250
(vgl. dazu auch die ungenaue Angaben zum Auslöser in Abschnitt 6.3). Eine weitere Problematik der Erfassung der Abwanderungsdauer liegt beim tiefen Commitment. Bei Spendern, die sich nicht sehr verbunden fühlen, kann nicht immer von einer Beziehung gesprochen werden, insbesondere wenn Spenden eher zufällig oder auf Wunsch von anderen Personen zustande gekommen sind (z. B. bei Todesfällen). Nur bei einer bewussten Abwanderung kann die Dauer des Abwanderungsprozesses festgehalten werden. Dabei beeinflussen das Spendenverhalten und die Abwanderungsgründe die Dauer. Auf die unterschiedliche Abwanderungsdauer je nach Art der Abwanderung wird bei den Abwanderungstypen in Abschnitt 6.6 noch genauer eingegangen. Bei den Probanden die Angaben zum Abwanderungsprozess machen konnten, wurde am häufigsten eine sofortige Abwanderung erwähnt (15). Dabei handelt es sich um einfache Abwanderung (siehe dazu Abschnitt 6.3.1). Bei sofortiger Abwanderung ist die Dauer der Abwanderung mit dem Moment des Entscheids gegen eine Spende gleichzusetzen. Die Abwanderung wird folglich sofort vollzogen: A2.59: „Und dann musste man halt Prioritäten setzen und dann hat man sich halt in dem Moment gegen das entschieden.“ A1.08: „Nein, dann habe ich spontan gefunden, dann verteile ich mein Geld anders.“
Bei komplexer Abwanderung wurde – sofern die Abwanderung bewusst war – eine Abwanderungsdauer von bis zu einem Jahr festgestellt. Häufiger wurden aber Nennungen gemacht, die auf eine Abwanderungsdauer zwischen einem Monat und einem halben Jahr hindeuten. Auch dabei sind aber vorwiegend unpräzise Angaben gemacht worden:
251
A2.10: „Nein, das habe ich mir schon länger überlegt und nicht einfach so mir nichts dir nichts gesagt jetzt spende ich nicht mehr, oder hier spendet man noch.“ A1.12: „Vielleicht ein halbes Jahr. Aber so genau kann ich das nicht sagen.“
Im Hinblick auf die Abwanderungsdauer unterscheiden sich gebundene von ungebundenen Spendern. Gebundene Spender nehmen eine Abwanderung bewusster vor und können deshalb detaillierter Auskunft über die Dauer des Abwanderungsprozesses geben. A0.01: „Das ist eigentlich recht schnell gegangen, also ein Monat bis ich die Kündigung geschrieben habe.“
Die Abwanderung kann bei gebundenen Spendern länger dauern. Weil es einfacher ist ungebundene Beziehungen zu beenden, werden diese beispielsweise bei finanziellen Gründen zuerst eingestellt wie bereits in Abschnitt 6.4.1 aufgezeigt wurde. 6.4.6 Spenderinitiierte kritische Ereignisse Der Abwanderungsprozess wird durch verschiedene kritische Ereignisse und Wechseldeterminanten beeinflusst. Diese wurden analog der Auslöser (siehe Abschnitt 6.3) in spenderinitiierte, organisationsinitiierte und konkurrenzinitiierte Einflussgrössen unterteilt. Diese Einflussgrössen werden jeweils am Ende des Abschnitts in tabellarischer Form aufgeführt. So sind die spenderinitiierten Einflussgrössen in Tabelle 34 übersichtlich dargestellt. Bei den spenderinitiierten Einflussgrössen wurden induktiv vier Ausprägungen gebildet:
252
Familiäre Veränderungen Finanzen des Spenders Einstellungen zum Spenden Unabsichtliche Abwanderung
6.4.6.1 Familiäre Veränderungen Veränderungen im familiären Umfeld sind beispielsweise der Tod eines Angehörigen, eine Heirat oder Scheidung oder die Familiengründung. Diese kritischen Ereignisse ziehen meist finanzielle Konsequenzen nach sich, weshalb die Abgrenzung zur Ausprägung ‚Finanzen des Spenders’ nicht trennscharf ist. Familiäre Veränderungen ohne finanzielle Konsequenzen können aber ebenfalls einen Einfluss auf die Abwanderung haben. Beispielsweise kann sich bei gemeinsamer Absprache der Spendenaktivität herausstellen, dass der neue Partner die Organisation bereits unterstützt. Durch den Wegfall eines Partners kann das Engagement ebenfalls abnehmen, wenn es sich vorwiegen um ein Anliegen des Partners gehandelt hat: A2.59: „Also, mein Mann hat ja das auch unterstützt und ähm ja, eigentlich durch ihn (…) also mein Mann ist vor zweieinhalb Jahren gestorben und darum habe ich es danach auch nicht mehr unterstützt in diesem Sinne…“
6.4.6.2 Finanzen des Spenders Einer der meistgenannten Gründe, weshalb weniger oder nicht mehr gespendet wird, sind finanzielle Einbussen: A2.33: „Ja, bei mir hat sich etwas verändert, ich bin nicht mehr so finanzkräftig. Ich muss meine Finanzen gut einteilen und spende daher der XXX momentan nichts.“ A2.18: „Ja es liegt nicht an ihnen, sondern an finanziellen Gründen, ich musste insgesamt etwas zurücktreten mit den Spenden.“
Neben den bereits erwähnten veränderten familiären Umständen haben die folgenden Veränderungen des Umfelds des Spenders Einfluss auf seine finanzielle Situation:
Wechselnde Einkünfte Pensionierung Steuerbelastung Bauvorhaben und persönliche Investitionen Krankheit
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Karriererückschritt / kleineres Arbeitspensum
Geringere Einnahmen führen meist auch zu weniger Spenden, da die Ausgaben angepasst werden. Wechselnde Einkünfte betreffen vor allem Freischaffende und Künstler: A2.01: „Das kann ich ihnen nicht sagen, weil mein Mann ist freischaffender Künstler und wir verdienen sehr unregelmässig Geld.“ A1.05: „Unregelmässig, was auch mit der eigenen finanziellen Situation zu tun hat, die unterschiedlich (nicht konstant) ist.“ A2.39: „Ich habe einfach im Moment erfolgsmässig ein bisschen zurückgeschraubt und mich den Lebensständen angepasst.“
Sehr häufig genannt wurde das Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit durch das Erreichen des Pensionsalters. Dies bestätigt auch Erkenntnisse von früheren Studien, die zum Schluss gekommen sind, dass Spender beim Eintritt ins Rentenalter zwischenzeitlich weniger spenden.883 Bei schlecht abgesicherten Spendern kann diese Einschränkung auch weiter anhalten. A1.09: „Also es hatte auch noch den Grund, dass ich pensioniert wurde und dadurch ein viel kleineres Einkommen hatte. Und dann musste ich schon etwas überlegen, wem gebe ich jetzt noch und wem nicht mehr, wie viele kann ich jetzt noch unterstützen.“ A2.31: „ja ich hab jetzt offiziell die berufliche Tätigkeit auch aufgehört und ehm ja dann muss ich einfach mit dem Ersparten muss ich einfach überlegen, wie weit reicht denn das überhaupt wenn man nur die AHV hat, dann habe ich das mal konkret ausgerechnet. Also das kann man ja nicht wirklich ausrechnen wie es dann passiert, aber man kann mal Grundsatzüberlegungen machen, wenn ich gesund bleibe, dann wird das ganz knapp.“ A2.03: „Im Moment, also in den letzten paar Jahren war es eher wechselnd. Ich bin pensioniert, arbeite aber noch für die Firma, für die ich früher gearbeitet habe. Je nachdem wie ich Aufträge habe, ist das wechselhaft. Aber in Zukunft wird das zurückgehen auf die ordentliche Rente, auf die Altersvorsorge, die ich habe.“
883
Vgl. Haibach (2006), , S. 169 f.; Wagner/Beccarelli (2008), o. S.
254
Höhere Auslagen für medizinische Bedürfnisse in Folge von Krankheiten führen auch dazu, dass weniger Geld für Spenden vorhanden ist: A1.07: „Ja gut ich kann mir vorstellen, ich bin jetzt auch pensioniert und schon länger in der Situation, zehn Jahre tue ich jetzt (Dialysieren?) ich bin jetzt bald 74 und Einkommen hä hä, das (ist nicht mehr?) also ich bekomme jetzt von der AHV *** Ergänzungsleistung oder? Und ich habe natürlich meine Spenden so etwas eingeteilt *** ich musste natürlich einige Sachen abschreiben, wissen sie ein Ehepaar das so behindert ist,…“ A2.14: „Ja das hat den Grund, dass ich jetzt siebzig bin, mein Mann ist siebenundsiebzig. Wir haben einfach das was wir haben und leider brauchen wir jetzt mehr für Ärzte und Krankenzeugs zu zahlen.“
Weiter sind spezielle Auslagen für Steuern, Bauvorhaben und weitere Investitionen oft ein Grund, dass bei den Spenden eingespart werden muss: A2.60: „Und das wäre eigentlich dabei gewesen und ich habe eigentlich durch Turbulenzen mit Bauen und mit Mediziner und Steuern…“ A2.26: „…Wir haben in den letzten Jahren ein Bauprojekt durchgezogen und man hat zu dieser Zeit alles ganz genau rechnen müssen und das hatte sicher einen Einfluss darauf, dass ich letztes Jahr generell weniger gespendet habe.“
Finanzielle Gründe sind die am häufigsten genannten. Wie Sargeant und Jay allerdings bereits erwähnt haben, ist es für den Spender am einfachsten diesen Grund aufzuführen.884 6.4.6.3 Einstellung zum Spenden Anstelle eines Eingeständnisses, dass einem das Spenden nicht so wichtig ist, fällt das Vorschieben finanzieller Gründe verhältnismässig einfach. Eine geringe oder sinkende Bedeutung des Spendens, kann aber dafür verantwortlich sein, dass keine Spenden
884
Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 14. 255
mehr getätigt werden. Insofern kann auch die Ausprägung ‚Einstellung zum Spenden’ als spenderbezogener Grund betrachtet werden: A2.26: „Obwohl, 50 oder 100 Franken das ist ja eigentlich ein lächerlicher Betrag, neben all dem was man sonst ausgibt. Aber es gäbe für die Organisation wirklich keinerlei Bedingungen. Es betrifft wirklich nur mich und man müsste mir einfach einen Schups geben und sagen, zweimal nicht Kino und Pizza essen oder einmal zu zweit und dann sind diese 100 Franken raus.“ A2.60: „Ja, und das wäre an und für sich dabei, (…) Und dann hat man irgendwelche Sachen und alles geht nach oben und die Pension und die AHV die bleibt still. Es ist also sehr banal, habe also keine Gründe gehabt, das nicht zu machen.“
Zur einstellungsbedingten Spenderabwanderung kann auch das Variety Seeking hinzugefügt werden. Dabei ist der Wunsch nach Abwechslung beim Spender für die Abwanderung ausschlaggebend. Wie sich gezeigt hat, möchten die meisten Spender mehrere NPO unterstützen. Einige davon machen dies parallel andere hingegen wechseln ab (siehe zur Einstellung der Spender zum Wechseln auch Tabelle 33). 6.4.6.4 Unbeabsichtigte Abwanderung Eine relevante Ausprägung der spenderinitiierten Abwanderung ist jene der ‚Unbeabsichtigten Abwanderung’. Dabei ist die Abwanderung nicht bewusst erfolgt. Gründe dafür können Missverständnisse der Spender, wie auch Unvermögen oder Kontrollverlust der Spender über ihr Spendenverhalten sein: A2.50: „Aber das ist von dem her ein Missverständnis, dass wir ein Jahr lang nicht bezahlt haben, aber dann ist es uns einfach untergegangen, für uns ist das eigentlich klar, dass wir das einzahlen.“ A2.43: „Wir haben den Überblick nicht, erst Ende Jahr, kommt das raus und dann sehen wir es, ah ja dort haben wir zu viel gegeben und da zu wenig und so.“ A1.11: „Das haben sie mir gesagt (dass von mir keine Spende eingegangen ist), als sie mich anriefen. Und das ist mir nicht bewusst gewesen. Da war keine Absicht dahinter.“
256
Zur unbeabsichtigten Abwanderung gehören auch jene Spender, die sich als aktive bezeichnen und der Meinung sind, dass sie regelässig spenden. In einem Extremfall hat eine Person gar die Meinung vertreten, sie hätte ein LSV bei der besagten Organisation. Das spontane unkontrollierte Spenden kann dazu führen, dass Spenden über Jahre ausbleiben, da keine Kontrolle über das Spenden vorhanden ist. Die Spender sind sich nicht bewusst, dass sie keine Spenden mehr entrichten. Trotz der Tatsache, dass die Spender seit mindestens 24 Monaten keine Spende mehr entrichtet haben, gaben einige an, regelmässig oder jährlich zu spenden, wie folgende Textbelege verdeutlichen: A2.29: „Eigentlich (gebe ich) jedes Jahr, vielleicht einmal nicht, aber ich glaube jedes Jahr.“ A2.27: „Nein, ich mache das regelmässig alle Jahre, automatisch.“
Zusammenfassend werden in Tabelle 34 die identifizierten spenderinitiierten Einflussgrössen auf die Spenderabwanderung sowie die entsprechenden Subausprägungen nochmals dargestellt.
257
Tabelle 34:
Spenderinitiierte Einflussgrössen
Kategorie
Übersicht über die spenderinitiierten Einflussgrössen Ausprägung
Subausprägungen/Beispiele
Familiäre Veränderungen
Tod Heirat Trennung Kinder/Familiengründung Spendenverhalten des Partners
Finanzen des Spenders
Wechselnde Einkünfte Pensionierung Steuerbelastung Bauvorhaben/persönliche Investitionen Krankheit Karriererückschritt/kleineres Arbeitspensum
Einstellung zum Spenden
Bedeutung des Helfens / Spendens sinkt Wunsch nach Abwechslung
Unabsichtliche Abwanderung
Missverständnis Kontrollverlust Unbewusstsein
6.4.7 Organisationsinitiierte kritische Ereignisse Für das Management der NPO sind besonders die kritischen Ereignisse relevant, die ihren Ursprung bei der Organisation selbst haben, da diese am besten steuer- und beeinflussbar sind. In diesem Abschnitt werden die identifizierten organisationsinitiierten Einflussgrössen auf die Abwanderung besprochen, die in Tabelle 36 übersichtlich aufgelistet sind. 6.4.7.1 Notwendigkeit der Spende Die wahrgenommene Notwendigkeit einer Spende ist ein Grund zum Spenden. Wird keine Notwendigkeit mehr wahrgenommen, kann dies zur Abwanderung führen. Wenn Spender das Gefühl haben, dass die Spende nicht (mehr) notwendig ist, verzichten sie auf weitere Leistungen. Fehlende Notwendigkeit kann einerseits durch den Eindruck entstehen, dass die NPO genügend Geld oder ausreichend andere Spender hat, die sich für das Anliegen einsetzen:
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A1.12: „Nein, wie gesagt, ich habe so viele Organisationen und ich habe selber gesehen, dass es XXX eigentlich gut geht und dass es nicht so dringend ist, dort zu spenden.“ A2.02: „… ja und warum ich auch noch aufgehört habe, es war ungefähr nach dem Tsunami *** war ein Aufruf, XXX habe genügend Geld und dann habe ich gedacht, dort schicke ich nichts mehr.“ A1.06: „…Oder Schweizer Berghilfe, wo es geheissen hat, sie hätten an der Börse so und so viel Geld verloren. Das hat sicherlich schon einen Einfluss, dass ich sage, die haben noch genügend Reserven, da ist es unnötig zu spenden.“
Andererseits kann auch ein Bedeutungsverlust des Anliegens der NPO zur Abwanderung führen, wenn das zu deckende Bedürfnis nicht mehr als dringend empfunden wird. Für die Wahrnehmung der Notwendigkeit ist die Kommunikation der NPO zentral. Den Spendern muss aufgezeigt werden, dass die NPO auf jede einzelne Spende angewiesen ist und es sich um ein wichtiges oder dringendes Anliegen handelt. Die Grösse und Positionierung einer NPO kann die wahrgenommene Notwendigkeit ebenfalls beeinflussen. Einzelne Spender sind beispielsweise der Meinung, dass sie lieber kleinere Organisationen unterstützen, die weniger Spender haben und ihre Spende deshalb dringender benötigen. Hinsichtlich Positionierung ist es für die NPO wichtig, dass sie sich von anderen NPO abgrenzen kann. Widmen sich viele NPO demselben Anliegen, kann dies einerseits verwirrend wirken. Andererseits ist es schwieriger, die Spender von der Notwendigkeit der Unterstützung zu überzeugen, wenn sich bereits eine Vielzahl an NPO für dieses bestimmte Bedürfnis einsetzen: A1.02: „Der Grund war eigentlich, weil sie eine grosse Organisation sind und wir unterstützen normalerweise kleine und weil sie dort sehr grosse Probleme hatten, haben wir dort mehr gespendet. (…) Ich hatte das Gefühl, dass eine so grosse Organisation – nicht dass sie es weniger benötigen, aber sie haben sicherlich mehr Spenden – so.“
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A0.02: „Nicht unbedingt ein Kriterium aber es geht schon ein wenig in diese Richtung. Ich habe das Gefühl ich gebe lieber Organisationen Geld, wo ich weiss, das ist etwas wo nicht schon sowieso zehntausende von Hausfrauen mitmachen, bös gesagt. Ich meine, (…) es gibt irgendwie Sachen für die kannst du relativ einfach Geld auftreiben indem du irgendwie schöne Fotos hast oder herzige Fotos und klar aufzeigen kannst was es bringt, was mit dem Geld gemacht wird, währendem es andere Organisationen schwieriger haben. Ich spende glaube ich eher, wo ich das Gefühl habe, dass sie es etwas schwieriger haben, aber die ich auch wichtig finde.“
6.4.7.2 Arbeitsweise und Effizienz der NPO Oft genannte organisationsbedingte Einflussgrössen auf das Spendenverhalten und die Abwanderung sind die Arbeitsweise und Effizienz der NPO. Wird eine NPO als zu wenig effizient oder gar verschwenderisch betrachtet, führt dies dazu, dass sich viele Spender überlegen nicht mehr zu spenden. Spendengelder sollen möglichst nicht für Löhne, Administration und Werbung ausgegeben werden, sondern für den Zweck den die NPO verfolgt. Nebst den Verwaltungskosten ist den Spendern auch wichtig, dass die NPO konkrete, nachhaltige Hilfe vor Ort leistet. Sie möchten wissen, für was sie spenden. Was die Gehaltskosten betrifft sind sich die Spender bewusst, dass eine NPO gut geführt sein muss und eine angemessen entlöhnte Führung benötigt. Managersaläre sind allerdings ein heikles Thema, da die Vorstellungen zur angemessenen Entlöhnung weit auseinander liegen. A2.68: „Ich habe nicht Lust irgendjemandem auf einem Direktionsposten einen schönen Mercedes zu finanzieren und mein Geld sollte eigentlich zum grossen Teil an einen anderen Ort. Er muss schon einen angemessenen Lohn haben, das ist mir schon klar. Wenn er eine gewisse Leistung erbringt, dass er es kann und entlöhnt wird, aber nicht aus unersichtlichem Grund.“ A2.22: „Zum Beispiel *** dass Projektleiter zu viel Geld verdienen. (…) Sehe nicht ein, warum der Höchste 250’000 Franken verdienen muss.“ (lacht)
Die Kosten der Bürokratie und Administration sollten möglichst gering sein. Spender versuchen auf unterschiedliche Weise die Effizienz von NPO zu beurteilen und ihr Spendenverhalten daran auszurichten. Einige Spender unterstützen lieber kleinere NPO, in 260
der Hoffnung dort weniger Administrativkosten zu bezahlen. Andere vertrauen auf Spendensiegel oder ausgewiesene Prozentzahlen. Wiederum andere versuchen durch Spenden an konkrete, greifbare Projekte wie z. B. den Bau von Wasserbrunnen eine gewisse Sicherheit zu bekommen, dass ihre Spende richtig eingesetzt wird: A2.49: „…Was mir wichtig war, dass es Organisationen waren, wo ich nicht das Gefühl hatte, es versickere ziemlich viel in der Administration und „im Bürokram“, dass es möglichst direkt zu Gute kommt.“ A2.67: „Ja, wobei die Tendenz schon Richtung kleine, persönliche geht. Da ich doch das Gefühl habe, dort zahlt man die Bürokratie noch weniger mit.“ A0.01: „…Ich hatte das Gefühl, dass sie mit dem Geld, welches sie bekommen, sich gar nicht mehr dem Kerngeschäft widmen, sondern das Geld in der Hierarchie der Organisation irgendwo verpufft. Den Eindruck hat man dabei bekommen, so dass die Spenden nicht mehr für das verwendet werden, für was sie vorgeben diese zu verwenden.“ A2.35: „Ja, das muss stimmen. (lacht) Also dass man eruieren kann, das Verhältnis, was geht von einem Franken wirklich dort hin. Wenn das über 20 % ist, das nicht weg geht, werde ich sehr kritisch und gebe nichts mehr.“ A1.10: „Ja, das Siegel ist für mich eine Voraussetzung. Etwas, dass mir das Gefühlt gibt, die Organisation sei seriös. Ich habe es auch sehr gerne, wenn man auch eine Abrechnung erhält, was gemacht und wie das Geld verteilt wurde. Wenn man einmal eine Prozentzahl erfährt, wie viel in die Bürokratie geht und wie viel effektiv in das Hilfsprojekt. Das kommt eher selten vor. Die meisten geben nicht sehr gerne Auskunft darüber. Dort wo ich das Gefühl habe, dass ein hoher Prozentsatz direkt an den Ort kommt, gebe ich natürlich lieber etwas. Wobei man sagen muss, dass z.B. das Hilfsprojekt in Nepal, welches ich unterstütze, wird von einer Frau aus dem Dorf betreut und ich weiss, dass sie die Kosten selber zahlt, wenn sie nach Nepal fliegt. Ich weiss wie sie das finanziert. Der letzte Franken wird dann auch für das Projekt eingesetzt. Dafür ist eine andere Organisation vielleicht auch professioneller. Ich kann mir schon vorstellen, dass ein gewisser Betrag für die Arbeit draufgeht“
Wie Proband 1.10 anspricht, wird mit der wahrgenommenen Grösse einer NPO meist eine spezielle Arbeitsweise und Effizienz assoziiert. Einerseits werden grosse Organisationen oft mit wenig greifbarer, ineffizienter Geldverwendung und grosser Bürokratie in
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Verbindung gebracht. Andererseits betrachten Spender kleine NPO oft als unprofessionell. Besonders gut sichtbar ist die Geldverwendung natürlich in der erhaltenen Werbung. So erwecken zu viele oder zu aufwendig produzierte Anschreiben den Eindruck von hohen Kosten und damit der Verschwendung von Spendengeldern: A2.22: „Genau. Ich denke, die geben zu viel Geld aus für diese Werbung.“ A1.10: „Es ist eine gute Sache, aber viele von den Spendengeldern gehen verloren, weil sie so “Grümpeli” (Gerümpel/Sachen) in die Briefe reinlegen und dies muss ja auch alles bezahlt werden.“ A2.16: „Ja, also viel zu viel. Da geht dann wieder ein Haufen Geld verloren. Und manchmal mit dem Superpapier, also Vierfarbendruck und Glanzpapier und so. Daran stosse ich mich auch ein bisschen. Ich habe einfach das Gefühl man sollte das in einem möglichst bescheidenen Rahmen aufziehen. Die Leute, die etwas geben wollen, die müssen nicht unbedingt mit einem Hochglanzpapier (…) eingedeckt werden. Wenn ich etwas geben will, dann genügt mir auch ein Brief auf einem Recyclingpapier. Und eben, nicht so fleissig, daran stosse ich mich manchmal, dass sie drei oder vier Mal im Jahr schreiben und Einzahlungsscheine schicken.“ A1.05: „Ja es war dann irgendwann ein spontaner Entscheid, weil es hat mich zu nerven begonnen, weil ich so viel Post von ihnen erhalten habe. Ich dachte, wieso benötigen die den Stutz für diese massive Post, ich weiss ja was es ist, ich unterstütze es ja, ich brauche ja nicht ständig informiert zu werden, was sie jetzt noch machen, und das kostet alles Geld.“
Dankesbrief und Steuerbescheinigung werden heutzutage von den meisten NPO an die Spender versendet. Diese verursachen ebenfalls Kosten, weshalb gewisse Spender negativ auf diese Zusendungen reagieren, wie aus den folgenden Textbelegen ersichtlich wird: A2.12: „Und was mich auch ein bisschen stört ist, dass man Geld ausgibt um die Spenden zu beglaubigen, damit man das bei den Steuern angeben kann. Die Leute sollen sich im Klaren sein, was man da macht. Ich gehe mit meinen Einzahlungsscheinen auf die Post, lasse die abstempeln und dann hat es auf diesen Abschnitten das Zewo-Zeichen und dann behalte ich diese. Dann muss man mir keine Spendenbestätigung schicken. Das sind immer wieder Stütz (Gelder), die für Mist draufgehen. Das könnte man anders gebrauchen.“
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A2.10: „…allgemein sollte man dort Kosten sparen, sie können sich schon wehren. Wenn sie jeweils *** sagen im Jahr 2007 hätten sie keinen Spendenbetrag gefunden und somit könne man nichts vom Steueramt abziehen, also ein solcher Brief der stört mich. Ich weiss das ist Computer, (…) aber eh, man sollte das (solche Briefe) nicht raus lassen.“ A2.11: „Wenn ich etwas gebe, dann erwarte ich nicht, dass diese noch einen langen Dankesbrief schreiben, das kostet nur wieder. Die sollen das Geld gescheiter einsetzen und ich finde, wenn ich Informationen will, dann kann ich auch fragen. Also ich finde, da gilt dann noch, wie sagt man, das „Holprinzip“. Dass man vielleicht Informationen suchen gehen muss, ich erwarte von ihnen nicht, dass sie viel Geld verbrauchen, Zeugs herumzuschicken, schöne Broschüren, die trotzdem niemand liest. Da habe ich ein Problem mit dem.“
Hier zeigt sich eine der grossen Problematiken im Fundraising: Was die einen Spender begrüssen, finden andere schlecht. So führen auch ausbleibende Danksagungen zu unzufriedenen oder verärgerten Spendern. In der Befragung haben sich auch Spender positiv über die Steuerbescheinigungen geäussert, da sie damit einen Überblick über ihre Spendentätigkeit erhalten. 6.4.7.3 Schlechte Reaktion Wie sich weiter oben gezeigt hat, wenden sich Spender nicht oft an eine NPO, um sich zu beschweren oder Änderungswünsche zu äussern. Grund dafür sind die verhältnismässig hohen Kosten im Vergleich zur Abwanderung. Spender, die sich trotzdem an eine NPO wenden, weisen deshalb in der Regel ein hohes Commitment auf. Werden solche Rückmeldungen nicht dem Wunsch des Spenders entsprechend behandelt, führt dies zu Unzufriedenheit was die Abwanderungsentscheidung beeinflusst. Die Organisationen sollten akzeptieren, wenn Spender weniger oder keine Briefe mehr erhalten möchten und sie sollten sich an getroffene Vereinbarungen halten. Eine zufrieden stellende Reaktion kann dazu führen, dass Spender die NPO erneut unterstützen: A2.43: „Schon ja, also wenn man vereinbart hat (…) wenn man sagt man macht es so und man macht es eben gleich nicht so (…) Aber mich nervt es weil entweder macht man es ab oder man macht es nicht ab.“
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A2.69: „Es ist eben auch immer sehr schwerfällig, (…) so wenn man beispielsweise von jemandem keine Post mehr will, das ist sehr schwierig bis das jeweils klappt. Das sind dann im Schnitt vier fünf Telefon, wo man immer wieder das selbe Märchen erzählt, und dann irgend einmal kommt dann plötzlich trotzdem wieder (Post) (…) und das finde ich eigentlich ein Problem.“
6.4.7.4 Fehlendes Angebot Ein Grund für das Ausbleiben von Spenden kann im fehlenden Angebot der NPO liegen. Spender möchten ihren Präferenzen entsprechend spenden. Hat der Proband nicht die Möglichkeit so zu spenden, wie es seinen Wünschen entspricht, spendet er nicht mehr oder einer anderen NPO. So wünschen beispielsweise einige Spender vermehrt mittels Mitgliedschaften oder Patenschaften zu spenden. Verfügt eine NPO nicht über diese Angebote, kann dies dazu führen, dass der Spender sich eine andere Organisation mit entsprechenden Angeboten sucht. Dies trifft ebenfalls auf inhaltliche Präferenzen zu, wenn ein Spender beispielsweise langfristige, nachhaltige Projekte oder Präventionsmassnahmen unterstützen möchte: A2.55: „…ich vermisse Projekte die schwergewichtig auf Vorbeugen und nicht auf das Flicken, also man hilft immer denen, welchen es schlecht geht aber ich sehe wenige Projekte, in welchen man versucht die Situation vorbeugend zu verbessern…“. A2.31: „Dann habe ich gefunden ich muss bei mir eine Ordnung finden. Wenn ich jetzt sage ich tue einmal im Jahr einen Mitgliederbeitrag zahlen, dann habe ich nachher den Beweis zuhause, das ich den Mitgliederbeitrag bezahlt habe und dann ist fertig. Und dann muss ich das ganze Jahr nicht mehr schauen was so alles noch kommt, das schmeiss ich dann einfach fort (lächelt) (…) Es ist für mich einfacher, wenn man einen Mitgliederbeitrag geben kann.“
6.4.7.5 Fehlende Anfrage Wie sich gezeigt hat, agieren Spender selten von sich aus. Deshalb ist es notwendig, dass Spender mit entsprechenden Anfragen konfrontiert werden. Erhält ein Spender keine Anfrage mit Einzahlungsschein, spendet er nicht: A2.15: „Das ist schon so, wenn man nicht erinnert wird, spendet man nicht.“
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6.4.7.6 Fehlendes Zertifikat Einige Spender haben das in der Schweiz bekannte ZEWO-Siegel erwähnt. Verfügt eine NPO nicht über ein gewünschtes QualitätsLabel oder Zertifikat, kann dies dazu führen, dass sie von einigen Spendern kein Geld erhält. Hierzu ist zu bemerken, dass dies eher ein Grund ist nicht zu spenden (siehe auch Abschnitt 6.2.7) als ein Abwanderungsgrund: A1.11: „…vor allem achte ich auch, ob das ZEWO-Siegel vorhanden ist.“ A1.10: „Ein Kriterium ist das ZEWO-Siegel.“
Die Aussagen der Probanden, die das Siegel als Spendengrund betrachten, bestätigen die Erkenntnis, dass Spender sich nicht besonders intensiv mit den NPO auseinandersetzen und limitierte Entscheide treffen (siehe dazu Abschnitt 6.2.6 und 6.2.8). So haben diese Spender für die untersuchte NPO gespendet, obwohl diese kein Zertifikat besitzt. 6.4.7.7 Negative Presse Das Vertrauen ist eine grundlegende Voraussetzung für Spender (siehe dazu auch Abschnitt 6.2.7). Da Kontrollen nur schwer möglich sind, wiegen Beiträge in der Presse umso schwerer. Negative Presseberichte können deshalb dazu führen, dass die Spender ihre Unterstützung einstellen. Die Reaktionen auf Presseberichte können unterschiedlich stark sein, was von der einzelnen Person aber auch dem publizierten Beitrag abhängt: A2.12: „…und dann gibt’s manchmal solche, die berichten in der Presse über irgendetwas und wenn nur eine kleine Unstimmigkeit da ist oder ein kleiner Verdacht, dann gebe ich gerade nichts mehr.“ A1.10: „Und wenn irgendetwas passiert und ich davon höre, dass die Organisation irgendetwas macht, was mir nicht gefällt, spende ich ein Jahr nichts mehr.“
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Das Unterschlagen oder Veruntreuen von Spendengeldern wird als besonders gravierend betrachtet. Andere Mitteilungen über Aktivitäten können eine etwas geringere Wirkung haben wie Börsenverluste, verwenden von älteren Medikamenten, verspätete Hilfeleistungen usw. 6.4.7.8 Art der Kommunikation Die wichtigste Interaktion zwischen Spendern und NPO findet über die direkte Kommunikation, meist in Form von Briefpost, statt. Entsprechend können bei der direkten Kommunikation auch zahlreiche kritische Ereignisse stattfinden. Dabei konnten drei Gruppen von kritischen Ereignissen identifiziert werden: die Ausgestaltung der Mailing, die Inhalte und der Umfang der Kommunikation. Bei der Ausgestaltung sind die Form des Anschreibens, die Art des Materials und die Beilagen, die angefügt werden, von Bedeutung. Ausserdem ist relevant, in welcher Form die Information „verpackt“ ist, sei dies eher in Briefform, als Broschüre oder Zeitschrift. Hierbei gehen die Meinungen der Spender stark auseinander: A2.62: „Am besten im Moment für mich ist Amnesty International. Da gibt es eine Art kleine Zeitschrift, die man relativ schnell durch hat. Green Peace hat auch so etwas Ähnliches. XXX schickt mehr einen Brief.“
Beilagen wie Geschenke oder Karten sind vielfach unerwünscht, genauso wie vorgedruckte Einzahlungsscheine. Zu aufwendige Ausgestaltungen und Beilagen sind wegen den Zusatzkosten und der Ineffizienz (siehe dazu auch Abschnitt 6.4.7.2) unerwünscht. Durch Beilagen und vorgedruckte Einzahlungsscheine können Spender auch Druck verspüren. Spender schätzen aber ihre Wahlfreiheit und reagieren verärgert, wenn sie sich gedrängt oder bevormundet fühlen:
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A2.23: „…was ich schwierig finde ist, dass die Organisationen, diese Spendenvereinigung, die schicken einem immer irgendetwas, irgend ein Geschenk und das ist eigentlich unangenehm, weil man da unter Druck gesetzt wird.“ 2.14: „Was mich zum Beispiel nicht so toll dünkt, die Organisationen die einfach so Kärtchen oder weiss der „Gugger“ was drein legen, das will ich nämlich gar nicht (…) Wegen einem Kärtchen gebe ich nichts und wenn etwas Grösseres drin ist, habe ich mir jeweils die Mühe genommen und schicke es wieder zurück, aber ja es ist einfach etwas mühsam manchmal.“ A2.10: „Wenn ich spenden will, dann will ich den Betrag selber festsetzen. Also das heisst einen vorgedruckten Einzahlungsschein in der und der Höhe akzeptiere ich nicht.“
Der Umfang der Kommunikation kann Spender ebenfalls verärgern. Wie sich gezeigt hat, informieren sich viele Spender nur in geringem Masse. Gerade die zunehmende Informationsflut wird diese Tendenz noch verstärken, weshalb es wichtig ist, die relevanten Informationen in kurzer Form zu präsentieren: A2.47: „Auch dicke Heftchen sind sinnlos, wer will das schon lesen. Man kommt ja gar nicht dazu, all das Material anzuschauen und etwas in den Abfall zu schmeissen macht die Sache nicht sympathischer, ohne es anzuschauen.“ A2.39: „…was ich schlecht finde ist, wenn man einen zweiseitigen Brief lesen muss, bevor man überhaupt weiss, um was es geht. Das kommt dann noch dazu, dann nehme ich mir die Zeit in der Regel nicht, dann überfliege ich das und dann kommt es auf den Stapel und dann ist es weg.“ A2.18: „Ich finde es einfach schade, dass man mit so wahnsinnig viel Text überflutet wird und man kann nicht die Zeit haben, das alles zu lesen. Kurz und bündig wäre das manchmal praktischer, dass man sich kurz und bündig über Projekte informieren kann und nicht so ellenlange Texte lesen muss.“
Letztendlich ist auch der Inhalt der Kommunikation relevant. Während zur Aufmerksamkeitsgewinnung durchaus mit Reizen gearbeitet werden kann, sollte bei der Spenderbetreuung und -bindung die sachliche Information im Vordergrund stehen. Zu emotionale Inhalte können bei Mehrfachspendern negative Folgen haben und auf Ablehnung stossen:
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A2.23: „…ich gehe eher nach Fakten, was einem da genau erklärt wird. Und wenn dann auch die Ärzte zu Wort kommen, was sie da machen, seit wann sie das machen, unter welchen Bedingungen sie das machen, darauf stütze ich mich mehr ab, also auf Fakten.“ A2.23: „…Also es können schon Bilder sein, aber einfach nicht so reisserisch, nicht dieses extrem unter Druck setzten, Verbindlichkeit oder Bilder zeigen, die wirklich entsetzlich sind. Das hat dann schon Bild, äh, Blick-Zeitungscharakter.“ A2.03: „Wenn man dann so mit Kindern und Fotos auf die Tränendrüse drückt. Solche beachte ich eigentlich nicht.“
Natürlich sind auch Falschaussagen oder Missverständnisse zu vermeiden, da diese die Abwanderung begünstigen können. Dies zeigt auch ein Missverständnis, welches im Rahmen der Fallstudie erfasst wurde. Die NPO hat ihren Spendern mitgeteilt, dass sie nicht mehr für den Tsunami spenden sollen, da in diesem Bereich genügend zweckgebundene Gelder eingegangen sind. Einige Spender haben dies allerdings missverstanden und das Gefühl gehabt, die Organisation als solche hätte genügend Geld und sei nicht mehr auf Spenden angewiesen. Dieses Missverständnis hat dazu geführt, dass einige Spender die NPO nicht mehr unterstützt haben: A2.09: „Und einmal, nach dem Tsunami hat man gehört, dass sie kein Geld brauchen, da habe ich sofort gestoppt und da war ich dann auch ein bisschen erstaunt. (…) Also eher negativ, wenn sie da schon sagen, sie hätten genug, dann habe ich die eine Zeit lang nicht mehr unterstützt. Da hatte ich eine Mitteilung, dass sie sich da nicht beteiligen bei dem Tsunami und dass sie genug Geld hätten.“
Auch Fehler bei der Datenbank oder unsaubere Adressabgleiche können Spender verärgern: A1.10: „Das kann ich ihnen nicht sagen. Also bei einer Organisation (…) spendete ich regelmässig unter meinem Namen und auch von meinem Verdienst und plötzlich hiess es Herr und Frau. Ich bin eigentlich keine Emanze, aber ich finde, wenn mein Name auf dem Einzahlungsschein steht, möchte ich auch gerne so angeschrieben werden.“
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A1.10: „Ich kann ihnen auch von einem anderen Hilfswerk sagen, das mir einen Brief mit zwei Weihnachtskarten geschickt hat und einem ausgefüllten Einzahlungsschein von Fr. 50.- und einen leeren. Zwei Tage später hat dann mein Mann auch einen Brief ohne Weihnachtskarten aber mit einem ausgefüllten Einzahlungsschein über Fr. 30.-. Da löscht es mir ab. Die Organisation kann doch mindestens die Adressliste auf Vordermann bringen.“
Ein zentrales Problem der Kommunikation liegt in der Heterogenität der Spender, welche unterschiedliche Ansichten, Auffassungen, Vorstellungen und Erwartungen haben. Die Kommunikation muss deshalb sehr klar sein und darf keinen Interpretationsspielraum zulassen. Als besonders kritisch sind wertende und politische Aussagen zu betrachten, da bei der breiten Spenderschaft nicht alle dieselben Meinungen und Ansichten vertreten: A1.08: „Also mich hat es von einem bestimmten Moment an gedünkt, dass die Organisation politisch sehr einseitig ist. Oder also ich finde, der Gedanke ist gut, dass man hilft oder und dass man allen hilft und ich hatte dann so plötzlich ist mir… hab ich das Gefühl gehabt, das seien alles so Altmarxisten da am Werk und da habe ich gefunden wenn die Organisation auf einem Pfad ist, wo einfach, wo viele Amerika-Hasser sind, dann muss ich sagen, dann unterstütze ich lieber andere Leute, wo ich das Gefühl habe, dass es nicht so ist.“
6.4.7.9 Kommunikationshäufigkeit Die Häufigkeit der Kommunikation ist für die gezielte Beziehungspflege von zentraler Bedeutung. So kann die Organisation bei zu wenig Kontakten in Vergessenheit geraten, gerade weil Spender sich eher reaktiv verhalten. Zu viele Ansprachen hingegen können Spender verärgern. Das Problem der zu vielen Kontakte ist aus Spendersicht wesentlich präsenter und häufiger aufgetreten. Die Spender erhalten aufgrund des Konkurrenzdrucks auf dem Spendenmarkt oft sehr viele Anfragen. Deshalb sind sie auch speziell sensibilisiert, wenn sie von einer Organisation zusätzlich noch mehrere Briefe erhalten. Bei der Häufigkeit der versendeten Briefe ist in erster Linie nicht die exakte Anzahl versendeter Briefe, sondern die subjektive Wahrnehmung des Spenders ausschlaggebend. Die Wahrnehmung und die Vorstellung einer angemessenen Kommunikationshäufigkeit sind von Proband zu Proband unterschiedlich. Während die einen mit der Häufigkeit der Anfragen 269
sehr zufrieden sind, finden andere, dass sie viel zu viele Briefe von der Organisation erhalten: A2.22: „Ja, gut, man muss es so sagen. Ich finde es eine gute Sache, aber ich denke, sie kommen viel zu oft mit so Bettelbriefen.“ A2.08: „Ich habe es nicht gern, wenn zu viel Post kommt. (…) Dies finde ich bei XXX aber gut. Ich weiss, dass zwischendurch was kommt, aber ich weiss nicht wie viele.“
Einige Spender können nicht genau sagen, wie oft solche Anfragen kommen und von welcher Organisation sie sind. Spender, die Spendenbriefe sammeln, haben über den entsprechenden Zeitraum einen besseren Überblick über die Häufigkeit der Anfragen einzelner Organisationen. Wie sich gezeigt hat, ist dieses Spendenverhalten weit verbreitet. Deshalb ist es wichtig, dass Anfragen nicht zu oft versendet werden. Insbesondere kurz hintereinander folgende Briefe können zu Unzufriedenheit oder Verärgerung bei den Spendern führen: A2.12: „Und das ist eindeutig zu viel, das will ich nicht mehr. Und von ihrem Hilfswerk sind in dieser Zeit gerade 3 Briefe gekommen.“ 2.39. „…tue ich die Briefe sicherlich auf die Seite und wenn ein zweiter Brief kommt, dann ist es für mich abgehakt.“ A2.39: „Ich finde es ein Affront, mehr als einmal jährlich einen solchen Brief zu verschicken. Wenn das bei XXX der Fall sein sollte, wäre es ganz klar, dass ich es nicht mehr machen würde.“
Die Auswirkungen von zu vielen Briefen auf die Spenderbeziehung sind unterschiedlich. Einige Spender tätigen bei der Realisierung abrupt keine Spende mehr, was eine sofortige Abwanderung zur Folge hat. Bei anderen kann dies der Auslöser oder ein Verstärker eines Prozesses sein, mit der Folge einer erhöhten Sensibilisierung gegenüber Anfragen der entsprechenden NPO:
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A1.09: „Ich weiss noch, dass ich genau darum XXX mal nicht mehr unterstützt habe, weil ich eine Zeit lang eine dermassen grosse Flut von Informationen ins Haus geliefert bekommen habe, dass ich gesagt habe „also nein so nicht!“ Für mich war das etwas kontraproduktiv. Auf der einen Seite sehe ich ein, dass man informieren muss, um auch die Leute aufmerksam zu machen, das ist gut, aber mich hat das dann fast ein wenig vergrault. (…) Das war so ein Prozess. Also man bekommt ja eine enorme Menge an Briefen und Anfragen (…) dass ich das im Einzelnen auch nicht so genau sagen kann. Aber das von XXX weiss ich ganz genau, dass ich da ein Übermass an Informationen bekommen habe (…) und je mehr das kommt desto weniger kann ich mitfühlen.“ A1.05: „Ja es war dann irgendwann ein spontaner Entscheid, weil es hat mich zu nerven begonnen, weil ich so viel Post von ihnen erhalten habe.“
Für die NPO ist es wichtig, richtig abzuwägen und den Spenderbedürfnissen entsprechend eine angemessene Anzahl an Anfragen zu versenden. Problematisch ist dabei, dass Spender unterschiedliche Präferenzen aufweisen und diese den NPO nicht bekannt sind. Eine Möglichkeit besteht in der Nachfrage bei den Spendern nach deren Kommunikationswunsch.885 Viele Spender würden es als sinnvoll erachten, wenn die Organisation sie anfragen würde, wie viele Briefe sie erhalten möchten. Bei der Berücksichtigung des Spenderwunsches ist zu beachten, dass Spender oft die Anzahl der Anfragen überschätzen, was dazu führt, dass sie eine zu geringe Anzahl an Kontakten angeben. Der Proband 0.01 hatte beispielsweise ein LSV und angegeben, dass er keine Mitteilungen erhalten möchte. Dies hat dann aber zur Abwanderung beigetragen, da er nichts mehr von der NPO gehört hat: A0.01: „Ja, ja, zum Beispiel oder eine Art der Verstärkung halt doch also in Form eines Dankes, oder wie super es ist, dass ich dort spende. Aber wie gesagt, mir war schon bewusst, dass ich darauf verzichtet habe, weil ich dachte, sie müssen nicht noch unbedingt Briefe schicken und so. Aber schlussendlich denke ich, dass das eben trotzdem einen Einfluss gehabt hat. (…) Also ich würde eben wie gesagt darauf schauen, dass der Kontakt besser wäre, dass ich schon irgendwie eine Mitteilung erhalte was passiert, oder was gerade die neusten Projekte sind, oder solche Sachen. Also ich würde mich nicht mehr von einer solchen Mailingliste streichen lassen oder so.“ 885
Sargeant und Jay sehen darin eine Möglichkeit auf die Bedürfnisse der Spender einzugehen und eine Beziehung zu entwickeln, vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 81. 271
Um diesem Problem vorzubeugen, sollte Spendern einen Optionenset mit Kontakthäufigkeiten vorgelegt werden. Damit können realistische Vorgaben zur Auswahl gestellt werden, die auch eingehalten werden können. Denn wenn sich NPO nicht an die Vereinbarung halten, werden damit ebenfalls Spender verärgert. Die Überschätzung der Anzahl Anfragen wird durch Anfragen von Konkurrenten verstärkt – insbesondere bei ähnlichen NPO – da Spender teilweise Mühe haben, die einzelnen NPO auseinander zu halten (siehe dazu auch Abschnitt 6.4.8). In Tabelle 35 werden die identifizierten organisationsinitiierten Einflussgrössen und kritischen Ereignisse nochmals übersichtlich zusammengefasst.
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Tabelle 35:
Organisationsinitiierte Einflussgrössen
Kategorie
Übersicht über die organisationsinitiierten Einflussgrössen Ausprägung
Subausprägungen/Beispiele
Notwendigkeit
Die NPO hat genügend Geld / Spender Das Anliegen ist nicht zwingend
Arbeitsweise/Effizienz
Schlechte Reaktion einer NPO
Nicht Einhalten von Vereinbarungen Fehlendes Entgegenkommen: Wiedergutmachung, Entschuldigung, Erklärung
Fehlendes Angebot
Keine Mitgliedschaft möglich Keine Patenschaft möglich Zu unterstützende Projekte entsprechen nicht den Erwartungen des Spenders
Fehlende Anfrage
Keine Zusendung von Spendenanfragen Keine Zusendung von Einzahlungsscheinen
Fehlendes Zertifikat
Die NPO verfügt über kein Qualitäts-Label oder Zertifikat
Negative Presse
Unterschlagung / Veruntreuung von Spendengeldern Hohe Löhne Widerrechtliche Handlungen Börsenverluste Verwenden minderwertiger Hilfsgüter Verspätete oder ungenügende Hilfeleistung, etc.
Art der Kommunikation
Inhalt (wertende Aussagen, Emotionalität, Missverständnisse,…) Umfang (Länge des Inhalts) Ausgestaltung (Beilagen, Papierqualität,…)
Kommunikationshäufigkeit
Subjektive Wahrnehmung der Kommunikationshäufigkeit Anzahl gesammelter Anfragen
Hohe Lohnkosten Grosse Bürokratie / Administration Werbekosten Unnötige Anschreiben
6.4.8 Konkurrenzinitiierte kritische Ereignisse Konkurrenten können den Abwanderungsprozess von Spendern durch ihr Agieren und Auftreten beeinflussen. Bei der Analyse der 273
Interviews konnten einige induktive Ausprägungen von konkurrenzbedingten Einflussgrössen gebildet werden, die im Folgenden besprochen werden. 6.4.8.1 Zu viele NPO Die Anzahl der spendensammelnden NPO auf dem Schweizer Spendenmarkt ist steigend, was dazu führen kann, dass Spender den Überblick über die unterstützten NPO verlieren. Dies ist besonders dann der Fall, wenn viele ähnliche Organisationen im gleichen Tätigkeitsgebiet aktiv sind. Gerade Spender, die viele NPO unterstützen, können sich dadurch überfordert fühlen. Eine mögliche Reaktion der Spender ist die Veränderung des Spendenverhaltens, durch beispielsweise eine Konzentration auf weniger NPO. Dabei werden bewusst weniger NPO unterstützt, um eine bessere Übersicht zu erhalten. Durch die vielen NPO können einzelne Organisationen auch in der Menge unbeabsichtigt vergessen geraten. Weiter kann sich auch eine gewisse Hoffnungslosigkeit breit machen, wenn Spender realisieren, dass sie nicht überall helfen können. Dies führt dann zum Verzicht auf weitere Spenden: A2.15: „Ja, ich habe immer ein bisschen und mit der Zeit kam da diese Flut von Spendenbriefen, also nicht nur von diesen, sondern es ist von überall her extremer geworden, das man den Überblick verloren hat und nicht mehr so überall gespendet hat, sondern eher einzelne Sachen.“ A2.53: „Nein, jetzt habe ich gerade ein bisschen abgeklemmt. Es ist einfach wahnsinnig (…) ich kann nicht immer überall einzahlen.“
6.4.8.2 Zu viele Anfragen Mit der zunehmenden Anzahl an NPO steigt auch die Anzahl von Spendenanfragen. Die vielen Anfragen können zu einer Änderung des Spendenverhaltens führen. Eine mögliche Folge ist jene, dass Spender sich auf wenige NPO konzentrieren oder generell weniger spenden. Besonders bei Spendern die Briefe sammeln, können die
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vielen Anfragen zu Frustration führen und damit die Einstellung sämtlicher Spendentätigkeit nach sich ziehen: A2.12: „Ja, das hängt von verschiedenen Sachen ab. Ich habe im 2007, am 15. Oktober bis Mitte Januar alle diese Bettelbriefe, die gekommen sind, gesammelt. Das waren 72 Stück.“ A1.05: „Ich glaube das war wirklich auf Ende Jahr, wo ich wieder ein Paket von Post erhalten habe, wo ich mir gesagt habe, so jetzt ist fertig. Das ist wirklich so abgelaufen.“ A2.39: „Aber ich habe gesagt, jetzt will ich es einfach mal wissen. Als ich dann Ende Jahr den Stapel gesehen habe! Ich habe sie alle immer am gleichen Ort hingelegt und Ende Jahr war der Stapel etwa 30cm hoch. Und dann könnt ihr euch ja vorstellen, dass waren nicht alles einzelne Anfragen gewesen, da sind todsicher doppelte und dreifache gewesen. Dann habe ich einfach gesagt, weg damit.“
Gerade in Zeiten in denen mehrere NPO gleichzeitig Anfragen versenden, führt dies dazu, dass Spender Briefe ungeöffnet zurücksenden oder wegwerfen, unabhängig davon, welche Organisationen dies betrifft: A2.03: „… wenn sich das dann an einem Tag häuft oder während einer Woche, dann selektioniere ich, dann geht es plötzlich einfach weg, weil ich genug habe. Und dann schaue ich nicht unbedingt, welche Organisation es ist. (…) Wenn es Tage gibt, an denen mehrere Briefe kommen, dann hat man je nach dem das Gefühl, man wird überhäuft und man „het gnueg“ und dann landet das halt ein bisschen schneller im Papierkorb.“ A2.15: „Das ist richtig. Diese Briefe sind zum Teil einfach auch in der Menge untergegangen, die ich einfach nicht mehr studieren wollte. Ja, wenn man einfach solche Massen bekommt, es werden immer mehr und es kommen immer neue Organisationen, da könnt ihr ja auch nichts dafür.“
Die vielen Anfragen führen auch dazu, dass Spender weniger häufig neue NPO unterstützen, um nicht noch mehr Post zu erhalten. Einerseits haben Spender die Erfahrung gemacht, dass auch einmalige Spenden dazu führen, dass sie anschliessend jahrelang Briefe von der unterstützten NPO erhalten. Andererseits befürchten Spender die Adressweitergabe der NPO und damit eine Zunahme der Briefe:
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A2.47: „Es ist sehr schwierig, an einem Ort etwas zu spenden, ohne dass man von 20 anderen Orten eine Anfrage bekommt. Also verstopfte Briefkästen mit Sachen wo man schon unterstützten könnte, (…) Es gibt Tage, an denen 6-7 solche Couverts zusammen kommen, einfach weil sie einmal diese Adresse haben und das ist mir sehr unsympathisch.“ A2.14: „(ich) habe eben gedacht es ist vielleicht nicht so schlau, weil wenn ich dann mal hier mal da, das ist so Tropfen auf den heissen Stein und es regt die Papierflut wieder an oder und dann denken sie, die hat noch Interesse, dann müssen wir sie noch etwas mehr bearbeiten mit Papier.“
Die Problematik der zunehmenden Spendenanfragen zeigt sich auch in der verwendeten Sprache der Probanden, die im Hinblick auf die Anzahl der Anfragen häufig negativ geprägt ist. So haben 18 Probanden insgesamt 30 Mal den Ausdruck ‚Bettel’ verwendet. Spendenanfragen werden sehr häufig mit dem negativ geprägten Terminus ‚Bettelbrief’ betitelt. Oft wurde auch von ‚Flut’ gesprochen und Ausdrücke wie ,Mailingflut’, ‚Papierflut’, ‚Informationsflut’ ‚überflutet’ oder ‚Flut an Briefen’ verwendet. Vier Probanden haben davon gesprochen, dass sie ‚überschwemmt’ werden mit Anfragen und Briefen. Fünf Probanden haben gesagt, dass sie ‚überhäuft’ werden. Weiter wurde im Zusammenhang mit der Anzahl von Anfragen auch von ‚Massen’, ‚überschüttet’, ,bombardiert’ und ,verstopften Briefkästen’ gesprochen. Die Einflussgrössen ‚zu viele NPO’ und ‚zu viele Anfragen’ gehen von sämtlichen Organisationen aus und führen zu teilweiser oder kompletter Abwanderung aus dem Spendenmarkt. Einflüsse einzelner Konkurrenten führen hingegen eher zu einem Wechsel, als zur Abwanderung, wie die nachfolgenden Ausprägungen aufzeigen. 6.4.8.3 Angebot eines Konkurrenten Bieten Konkurrenten Unterstützungsmöglichkeiten an, die dem Spender besser entsprechen, kann dies zu einem Wechsel der unterstützten NPO führen. Gerade Probanden, die sich dahingehend geäussert haben, dass sie die Kontrolle über ihr Spendenverhalten
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verloren haben, bevorzugen konstantere Unterstützungsmöglichkeiten. Besonders in Mitgliedschaften oder jährlichen Zahlungen ohne zusätzliche Anfragen sehen einige Spender die Möglichkeit, ihr Spendenverhalten zu kontrollieren und die Anzahl der Anfragen zu reduzieren. Auch Patenschaften beinhalten eine Reduktion der Informationsverarbeitung, beinhalten im Gegensatz zu Mitgliedschaften aber einen Bindungsaspekt, den viele Spender nicht erwünschen. Die hier ausgewählte, untersuchte NPO bietet den Spendern diese Möglichkeiten nicht an, weshalb Wechselabsichten durch solche Konkurrenzangebote beeinflusst wurden: A2.31: „Nein eigentlich sind das dann andere wo ich Mitglied werden kann (…) Es ist für mich einfacher, wenn man einen Mitgliederbeitrag geben kann und dann bei XXX das ist jetzt für mich in die äussere Reihe geraten. A2.28: „Aber sagen wir es so, ich habe einfach meine gewissen Sachen, die ich fix habe (…) Also ich habe bei World Vision eine Patenschaft und in einem Tierheim eine Patenschaft und bei Schweizer Flüchtlingswerk.“
6.4.8.4 Bezug zu einer Konkurrenz-NPO Ein persönlicher Bezug zu einer NPO ist ein Grund zum Spenden, wie in Abschnitt 6.2.4 bereits erläutert wurde. Besteht ein solcher Bezug zu einer Konkurrenz-NPO, kann dies die Abwanderung beeinflussen. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn Spender ihr Spendenverhalten ändern und beispielsweise weniger Organisationen berücksichtigen. Beim konkreten Auswahlprozess werden jene NPO berücksichtigt, zu welchen ein Bezug besteht. Der Bezug zu einer Konkurrenz-NPO führt allerdings nicht alleine zur Abwanderung, sondern tritt nur in Kombination mit weiteren kritischen Ereignissen auf. Es entsteht somit eine Verlagerung der Spendenaktivität auf NPO, zu welchen ein stärkerer Bezug besteht. Die Bindung an eine Konkurrenz-NPO durch die Unterstützung langfristiger Projekte oder vertragliche Abmachungen wie LSV können die Selektion gleichermassen beeinflussen:
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A1.02: „Der Grund war eigentlich, weil sie eine grosse Organisation sind und wir unterstützen normalerweise kleine und weil sie dort sehr grosse Problem hatten, haben wir dort mehr gespendet (…) Es sind so ganz kleine private Hilfswerke, bei denen wir jemanden kennen, der jemanden bei der Organisation kennt.“ A: „Ja, ich musste etwas zurückstecken (…) die unterstütze ich weiterhin, wie z.B. Celebral. Ich hatte mal einen Sohn, der celebrale Störungen hatte. Ich bin dankbar, dass das wieder gut wurde.“ A2.19: „Das war für mich ganz klar eine Reduktion zu einem Ort mit Schwerpunkt Schweiz. Also weniger im Ausland oder kaum noch im Ausland, aber dafür in der Schweiz.“
6.4.8.5 Spendenaufruf einer Konkurrenz-NPO Ein Spendenaufruf eines Konkurrenten, der als wichtige(r) oder sympathische(r) eingestuft wird, kann eine Wechselentscheidung beeinflussen. Auch eine Verschiebung der Prioritäten oder eine auswahlbezogene Abwanderung kann durch das Auftreten der Konkurrenz beeinflusst werden. Diese eigentlich im Innern des Spenders ablaufenden Vorgänge, werden durch die Anfragen anderer NPO beeinflusst. Dafür spricht auch die oft reaktive Vorgehensweise von Spendern. So können andere NPO ein neues Bedürfnis wecken oder die Spender für andere Anliegen sensibilisieren. Dasselbe gilt für das spontane Entscheiden oder den Wunsch nach Abwechslung. Eigentlich handelt es sich dabei um spenderbezogene Einflussgrössen, aber ohne die Anfragen anderer NPO werden die Spender nicht auf Projekte aufmerksam, die ihnen sinnvoller, notwendiger oder momentan gerade sympathischer erscheinen. Auch der Wunsch nach Abwechslung wird durch die Vielzahl unterschiedlicher Anfragen verstärkt. So können Anfragen von Konkurrenten den Wechsel beschleunigen: A2.23: „Ich musste mich einfach entscheiden und Anfang des Jahres konnte ich finanziell einfach gar nichts mehr, dann habe ich dann den Film „the earth“ gesehen und dann habe ich gedacht, da muss man sofort was machen und dann habe ich bei XXX den Mitgliederbeitrag glaube ich, nicht geleistet.“
278
In Tabelle 36 werden zusammenfassend alle induktiv gebildeten konkurrenzinitiierten Einflussgrössen der Spenderabwanderung übersichtlich präsentiert. Tabelle 36:
Konkurrenzinitiierte Einflussgrössen
Kategorie
Übersicht über die konkurrenzinitiierten Einflussgrössen Ausprägung
Subausprägungen/Beispiele
Zu viele NPO
Kontrollverlust/Verwirrung Überforderung/Hilflosigkeit
Zu viele Anfragen
Frustration Verweigerung der Informationsaufnahme
Angebot eines Konkurrenten
Mitgliedschaft Patenschaft Jährliche Zahlungen
Bezug zu einer anderen NPO
Emotionaler Bezug Persönlicher Bezug Langfristige Unterstützung
Bevorzugter Aufruf
Prioritätenwechsel Alternative wirkt spontan sympathischer Unterstützung des Konkurrenten wird als wichtiger/sinnvoller erachtet Wunsch nach Abwechslung
6.4.9 Zusammenfassende Erkenntnisse der Prozessdeterminanten Eine eindeutige Abgrenzung der einzelnen Einflussfaktoren auf die Abwanderung ist nicht immer möglich, da diese vielfach nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ungebundene Mehrfachspender kaum Wechselkosten empfinden, die ihnen bei einer Auflösung der Spenderbeziehung entstehen. Dafür ist das in der Regel tiefe affektive Commitment, wie auch die hohe Anzahl an alternativen NPO verantwortlich. Das Spenden hat keinen besonders hohen Stellenwert und ist für den Spender nicht notwendig. Deshalb fällt es auch besonders leicht, Unterstützungsleistungen einzustellen. Mögliche Wechselkosten können durch vertragliche Bindung entstehen, beispielsweise über LSV. Die wenigsten Spen279
der sind aber bereit sich vertraglich an eine Organisation zu binden. Die LSV-Spender der Studie haben ebenfalls kaum Abwanderungskosten wahrgenommen. Da Spender keine Abwanderungskosten wahrnehmen, sind Beschwerden relativ zur Abwanderung gesehen aufwändig. Aus diesem Grund beschweren sich Spender auch nur in Ausnahmefällen und ziehen in der Regel die Abwanderung vor. Denjenigen Spendern, die sich beschweren, sollte aber besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, da sie meist ein hohes affektives Commitment aufweisen. Emotionen werden beeinflusst von der Zufriedenheit, den kritischen Ereignissen, die für die Abwanderung verantwortlich sind und den Abwanderungsbedingungen. Die Probanden sind mehrheitlich sehr zufrieden mit der Organisation und wurden nur selten enttäuscht. Aber auch bei organisationsinitiierten kritischen Ereignissen waren verhältnismässig wenige Emotionen mit der Abwanderung verbunden. Dies liegt daran, dass sich negative Emotionen nicht lohnen, weil Abwandern oder Wechseln unkomplizierte und schnelle Alternativen darstellen, die emotionslos vollzogen werden können. Die Probanden sind sehr zufrieden mit der befragten NPO und ihrer886 Arbeitsweise wie in Abschnitt 6.4.4 aufgezeigt wurde. Sehr oft haben die ehemaligen Spender erwähnt, dass sie die Leistungen der NPO eigentlich nicht beurteilen können. Entsprechend basiert die generelle Zufriedenheit grossteils auf Vertrauen, Sympathie und Bauchgefühl. Darüber hinaus können auch die Informationen der NPO sowie Presseberichte Anhaltspunkte für die Arbeit der Organisation liefern. Wesentlich besser als die Leistungen, können die Spender die Kommunikation der NPO beurteilen. Deshalb sind Äusserungen zur Zufriedenheit mit der Kommunikation detaillierter. Mehrfachspender schätzen eher sachliche, kurz gehaltene Informationen und weniger emotionale, Mitleid erregende Bilder. 886
Lediglich ein Proband war mit der NPO und ihrer Arbeitsweise generell unzufrieden.
280
Auch Beilagen und Geschenke werden eher negativ wahrgenommen. Im Hinblick auf die Kommunikationshäufigkeit wünschen sich die meisten Spender weniger oder zumindest nicht mehr Briefe zu erhalten. Die kritischen Einflussgrössen im Abwanderungsprozess wurden nach Verursacher in spenderinitiierte, organisationsinitiierte und konkurrenzinitiiert unterteilt. Bei den spenderinitiierten kritischen Ereignissen ist besonders oft die finanzielle Situation des Spenders genannt worden. Diese hat sich langfristig oder zwischenzeitlich verschlechtert, beispielsweise durch den Eintritt ins Rentenalter, wechselnde Einkünfte, Steuerbelastung, Krankheit oder grössere Investitionen. Weiter können auch familiäre Veränderungen für das Ausbleiben von Spenden verantwortlich sein. Diese sind vielfach mit finanziellen Konsequenzen verbunden. Beispiele für familiäre Veränderungen sind Tod eines Familienangehörigen, Heirat, Trennung oder die Familiengründung. Ein wesentlicher spenderinitiierter Abwanderungsgrund ist in der unbeabsichtigten Abwanderung zu sehen, insbesondere wenn Spender keine Kontrolle über ihr Spendenverhalten haben. In diesem Fall spenden die Probanden nicht, obwohl die Spende eigentlich beabsichtig war. Auch Missverständnisse oder Unvermögen können dazu führen, dass Spenden ungewollt ausbleiben. Der Ausprägung ‚unabsichtliche Abwanderung’ können auch die Spender, welche sich als aktive bezeichnen, zugeteilt werden. Diese sind der Meinung, dass sie regelmässig spenden, obwohl sie seit mindestens zwei Jahren keine Spende mehr getätigt haben. Letztlich können auch Einstellungen des Spenders zur Abwanderung führen, wenn dieser beispielsweise dem Helfen oder Spenden eine geringere Bedeutung zukommen lässt oder er den Wunsch verspürt eine andere NPO zu unterstützen. Zu den kritischen organisationsinitiierten Einflussgrössen gehören eine ‚schlechte Reaktion’ auf eine Anfrage oder eine ‚fehlende Anfrage’ um Spenden. Diese stellen aber eher die Ausnahme
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dar, da sich Spender nur selten bei der NPO melden und meist eher zu viele Anfragen erhalten. Die vom Spender subjektiv wahrgenommene ‚Kommunikationshäufigkeit’ einer NPO wurde hingegen von vielen Probanden als negative Einflussgrösse auf das Spendenverhalten erwähnt. Sehr viele Spender erhalten nach eigenem Gutdünken zu viele Briefe. Auch gegenüber der ‚Art der Kommunikation’ haben sich einig Probanden negativ geäussert. So können Beilagen und Geschenke Spender verärgern, da diese sich dadurch unter Druck gesetzt fühlen. Auch emotionale oder wertende Aussagen können Spender negativ beeinflussen. Wichtig ist auch, dass Missverständnisse vermieden werden und die Aussagen eindeutig und verständlich sind. Die Informationen sollten kurz gehalten werden, da sie ansonsten nicht gelesen werden. Die NPO muss den Spendern auch die Wichtigkeit und Notwendigkeit jeder einzelnen Spende aufzeigen. Erachten Spender ihren Beitrag nicht als notwendig, spenden sie nicht mehr. Die Spender müssen auch den Eindruck haben, dass die Organisation effizient arbeitet und die Spendengelder für den Zweck einsetzen. Für diese Beurteilung können Jahresberichte und transparente Bilanzen hilfreich sein. Auch Presseberichte können für die wahrgenommene Effizienz relevant sein. Negative Beiträge in der Presse – insbesondere über die Verschwendung von Spendengeldern – führen oft zur sofortigen Abwanderung von Spendern. Als weiteres Indiz für die effiziente Arbeitsweise betrachten einige Spender das ZEWOZertifikat. Einige Spender sind nicht bereit Organisationen zu unterstützen, die diese Qualitäts-Label nicht besitzen. Letztlich können auch fehlende Angebote als organisationsinitiierte Einflussgrössen auf die Abwanderung betrachtet werden. Bietet eine NPO einem Spender nicht die Möglichkeit, nach seinen Präferenzen zu spenden, kann dieser sich dazu entschliessen, nicht mehr zu spenden oder eine andere NPO mit passendem Angebot zu unterstützen. Hierbei spielen auch konkurrenzinitiierte Einflüsse eine Rolle, da der Spender vergleichbare Alternativen aufgezeigt bekommt.
282
Konkurrenzinitiierte kritische Ereignisse können sowohl von einzelnen NPO als auch dem Gesamtmarkt ausgehen. Letztere führen meist zur partiellen oder totalen Abwanderung. Treten zu viele Konkurrenten auf dem Markt auf – insbesondere wenn sie in einem ähnlichen Tätigkeitsgebiet agieren – kann dies dazu führen, dass Spender sich überfordert oder ohnmächtig fühlen und aufhören zu spenden. Noch ausgeprägter ist diese Reaktion bei zu vielen Spendenanfragen zu beobachten. Grosse Mengen von Anfragen führen u.a. zu Frustration oder der Verweigerung weiterer Informationsaufnahme. Viele Probanden versuchen aufgrund der vielen Anfragen ihre Spenden auf weniger NPO zu konzentrieren, um eine bessere Kontrolle und weniger Briefe zu erhalten. Konkurrenzinitiierte kritische Ereignisse, die von einzelnen Anbietern ausgehen, führen meist zu einem Wechsel. Das heisst es werden im Gegensatz zu gesamtmarktbezogenen kritischen Ereignissen andere NPO unterstützt und nicht weniger gespendet. Ein besser geeignetes Angebot eines Wettbewerbers stellt einen solchen Wechselgrund dar. So wünschen einige Probanden vermehrt jährliche Mitgliedschaften, welche von der untersuchten NPO nicht angeboten werden. Auch projektbezogene Anfragen der Konkurrenz können Spender dazu veranlassen die Unterstützung zu wechseln, wenn sie beispielsweise die Konkurrenzanfrage als notwendiger einschätzen, das Anliegen als sympathischer erachten oder einfach abwechseln möchten. Entsteht ein persönlicher Bezug zu einer anderen NPO, kann dies ebenfalls dazu führen, dass der Spender die Unterstützung zur befragten NPO einstellt.
6.5 Ergebnisse der Spenderabwanderung In diesem Abschnitt werden die Erkenntnisse des Outcomes besprochen. Der Outcome ist dem Endzustand oder Ergebnis der Abwanderung gleichzusetzen. Dabei sind fünf Kategorien zu be-
283
trachten. Für die betroffene NPO ist von Interesse, ob es sich um komplette oder nur teilweise Abwanderung handelt (Abschnitt 6.5.1). Für den Gesamtspendenmarkt ist von Bedeutung, ob die Spender andere NPO unterstützen und damit dem Sektor treu bleiben, oder ob sie keine Spenden mehr entrichten (Abschnitt 6.5.2). Unabhängig davon ob die Spender abgewandert sind oder ob sie die NPO gewechselt haben, stellt sich die Frage, ob diese zurückgewonnen werden können. Deshalb wird die Rückgewinnungsmöglichkeit und -wahrscheinlichkeit betrachtet (Abschnitt 6.5.3). Die Frage, wie verloren gegangene Spender zurückgewonnen werden können, wird anhand der Rückgewinnungsbedingungen diskutiert (Abschnitt 6.5.4). Letztlich ist auch die Mund-zu-MundPropaganda ein wesentliches Ergebnis der Abwanderung, da gerade im Dienstleistungsbereich Weiterempfehlungen von grosser Bedeutung sind. Dabei werden sowohl negative, als auch positive Äusserungen der ehemaligen Spender betrachtet (Abschnitt 6.5.5). 6.5.1 Stand der Spendenbeziehung aus Probandensicht Bei den Probanden handelt es sich nach dem festgelegten Definitionskriterium der Auswahl um ehemalige Spender. Es sind Mehrfachspender, die seit mindestens zwei Jahren keine Spende mehr getätigt haben.887 Bereits bei der Definition und der Eingrenzung der Untersuchungsgruppe hat sich gezeigt, dass bei ungebundenen Spendern eine eindeutige Abgrenzung zwischen aktiven und ehemaligen Spendern nicht möglich ist. Der Zeitraum, ab wann ein Spender zu einem ehemaligen wird, ist denn auch je nach NPO verschieden, sofern überhaupt eine Unterteilung zwischen aktiven und ehemaligen Spendern vorgenommen wird. Bei der Befragung der Probanden hat sich sehr schnell gezeigt, dass sich viele Spender selbst nicht als ehemalige betrachten. Ins887
Als Referenzwert kann die Definition der Studie von Sargeant und Jay herangezogen werden. Sie haben Spender nach 18 Monaten ohne Spende als ehemalige betrachtet, vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 14.
284
gesamt konnten vier verschiedene Ausprägungen des aktuellen Standes der Spenderbeziehung gebildet werden. Tabelle 37:
Selbsteinschätzung der aktuellen Spenderbeziehung durch die Probanden
Ausprägung
Definition
Ankerbeispiel
Abgewandert (n = 17)
Der Spender gibt bewusst kein Geld mehr an der NPO
„Die Spendentätigkeit habe ich eingestellt“ „Nein ich spende nun für eine andere Organisation“
Pause (n = 23)
Der Spender unterstützt die NPO momentan gerade nicht, hat aber vor weiterhin zu spenden.
„Also, sie haben mich angerufen, weil ich eben keine Spende mehr geschickt habe und habe gesagt, dass zu einem späteren Zeitpunkt werde ich das wieder in Betracht ziehen. Einfach im Moment liegt es nicht drin, das ich unterstützen kann.“
Unkonstant aktiv (n = 15)
Der Spender wird die NPO weiter unterstützen, aber sehr unregelmässig.
„Ja das kann mal wieder sein. Ich picke einfach all Monat so ein zwei raus und aber ich kann jetzt nicht sagen, ja…“ „Nein, ich habe die nicht direkt beendet. Ich spende zwar nicht regelmässig, aber einfach spontan.“
Keine Abwanderung (n = 22)
Der Spender sieht sich als aktiven Spender und nimmt keine Abwanderung wahr.
„Doch ich bin weiterhin Spenderin.“ „Eigentlich gebe ich jedes Jahr etwas.“
Insgesamt nur gerade 17 Probanden haben die Unterstützung der ausgewählten NPO bewusst beendet. 23 Befragte haben angegeben, dass sie momentan die NPO gerade nicht unterstützen. Sie betrachten die Beziehung aber nicht als definitv beendet, auch wenn sie zwischenzeitlich die Spenden bewusst eingestellt haben. Die 15 ‚unkonstant Aktiven’ bezeichnen ihre Unterstützung als unregelmässig, was das Ausbleiben der Spenden erklärt. Insgesamt 22 Probanden wurden der Ausprägung ‚Keine Abwanderung’ zugeordnet. Diese betrachten sich weiterhin als aktive Spender. Hierbei entsteht eine Diskrepanz zwischen der Fremd- und Eigenbeurteilung der Aktivität. Diese kann dadurch zustande kommen, dass die 285
Abstände der Spenden sehr grosse Zeiträume umfassen oder dass die Spender ihre Aktivität nicht richtig einschätzen, wie folgende Beispiele verdeutlichen: A2.58: „Das ist einmal im Jahr fix“ A2.35: „Ich weiss nicht, ob wir letztes Jahr auch gegeben haben, aber(dass wir) sonst jeden September 100 Franken schicken. Das ist unsere letzte Version.“ A2.30: „Und es ist sicher, dass ich letztes Jahr eingezahlt habe, aber ich weiss nicht, ob ich dieses Jahr schon was überwiesen habe.“
Was die grossen Abstände zwischen den einzelnen Spenden betrifft, ist darauf zu verweisen, dass die meisten Spender häufiger gespendet haben, als alle zwei Jahre. Nur gerade acht Spender haben durchschnittlich weniger als eine Spende pro Jahr getätigt und lediglich zwei Spender haben weniger häufig als alle zwei Jahre gespendet (siehe zur Spendenhäufigkeit Tabelle 32).888 Somit kann bei den meisten ‚Aktiven’ davon ausgegangen werden, dass es sich um unbeabsichtigte Abwanderung handelt. Die grosse Anzahl von unbewussten Abwandernden ist für die eigene Untersuchung problematisch, da nur bewusst Abgewanderte nach ihren Gründen befragt werden können. Die Abgrenzung der vier Ausprägungen zur Selbsteinschätzung der aktuellen Spendenbeziehung ist nicht trennscharf möglich. Als wichtiges Unterscheidungskriterium kann das Bewusstsein der Abwanderung gesehen werden, welches von der Ausprägung ‚Abgewandert’ bis zur Ausprägung ‚Keine Abwanderung’ stetig zunimmt.
888
Die durchschnittliche Spendenhäufigkeit pro Jahr wurde errechnet indem die Anzahl Spenden eines Probanden durch seine Unterstützungsdauer geteilt wurde.
286
6.5.2 Auswirkungen auf das allgemeine Spendenverhalten Für den Dritten Sektor ist von Bedeutung, ob es sich bei der Einstellung der Spendentätigkeiten um eine generelle Abwanderung oder um einen Wechsel zu einer anderen NPO handelt. Im Hinblick auf diese Frage können die vier induktiv gebildeten Ausprägungen zum allgemeinen Stand der Spendentätigkeit herangezogen werden, die in Tabelle 38 aufgelistet sind. Tabelle 38:
Allgemeines Spendenverhalten
Ausprägung
Definition
Ankerbeispiel
Geld an andere NPO
Das Geld, das nicht für die befragte NPO gespendet wurde, kam einer anderen zugute
„…das ist jetzt eine Organisation wo ich im Moment einfach beiseite lasse, (…) dann tue ich jetzt eine Zeitlang irgendwo anders.“ „Ja, schon so, (ich) habe andere berücksichtigt.“
Konzentration auf wenige NPO
Der Proband spendet weiterhin, aber nur noch konzentriert auf wenige Organisationen.
„eh, ich habe mir jetzt vorgenommen, dass ich einfach nur gewisse, wie soll ich sagen, nur drei vier ganz gezielt dafür vermehrt berücksichtigen werde.“
Weniger Spenden
Der Proband spendet weniger und hat deshalb der befragten NPO nichts mehr gegeben. Andere NPO unterstützt er allerdings noch.
„Ja. Es geht mir natürlich gut, aber ich muss doch auch schon schauen. (…) ich muss mich schon etwas zurückhalten.“
Der Proband spendet gar nicht mehr.
„Nein, ich habe dann niemanden anderen unterstützt.“
Komplette Abwanderung
„Es ist im Moment so, dass ich alles ein bisschen runter geschraubt habe...“
Bei der Ausprägung ‚Geld an andere NPO‘ handelt es sich um einen Wechsel zu einer anderen NPO. Dies bedeutet, dass das eingesparte Geld der Abwanderung nun einer anderen NPO gespendet wird:889
889
Vereinzelt haben Probanden auch mehr Geld gespendet als früher aber andere NPO berücksichtigt. 287
A0.02: Ja gut, wie soll ich sagen. Das war so eine Art Prioritätenwechsel. Das ich angefangen habe auch andere Projekte zu unterstützen.
Die zwei mittleren Ausprägungen beziehen sich auf eine Reduktion der Spendentätigkeit. Die ‚Konzentration auf wenige NPO‘ bedeutet, dass zahlenmässig weniger NPO berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob eine finanzielle Reduktion stattgefunden hat. So haben Spender teilweise gleichviel Geld gespendet aber an weniger Organisationen: A2.60: „…dass ich mich auf wenige beschränke, zwei oder drei.“
Die Ausprägung ‚Weniger Spenden’ bezieht sich auf eine finanzielle Reduktion der Spendentätigkeit unabhängig von der Anzahl der unterstützten NPO: A2.20: „ja ich habe im Jahr zwischen zwölf und fünfzehnhundert gespendet und jetzt habe ich drastisch reduzieren müssen.“
War die Reduktion sowohl finanzieller Art als auch auf die Anzahl NPO bezogen, wurden sie beiden Ausprägungen zugeteilt. Für den Dritten Sektor kann positiv gewertet werden, dass es sich bei den Befragten nur in wenigen Fällen um eine komplette Abwanderung gehandelt hat. Der Grund für eine komplette Abwanderung ist hauptsächlich bei den finanziellen Schwierigkeiten der Probanden zu finden: A2.49: „Ja, wissen sie, ich bin jetzt schon ziemlich lange im Ruhestand und bin finanziell auch nicht mehr so rosig gebettet und darum habe ich im Moment auch nicht mehr gespendet.“
Die vier Ausprägungen zum Stand der allgemeinen Spendentätigkeit sind nicht trennscharf und können auch kombiniert auftreten. So hat ein Proband beispielsweise einen Prioritätenwechsel vorgenommen und sowohl andere, als auch weniger NPO unterstützt.
288
Die Antworten der Probanden zeigen, dass nur wenige gar nicht mehr spenden und viele zu einer anderen NPO gewechselt haben. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass viele Spender sich auf weniger NPO konzentrieren. Damit möchten sie einzelne NPO stärker gewichten und betrachten weniger NPO und dafür grössere Beiträge als wirksamer: A2.34: „Das kann ich jetzt mal sagen. Es ist nicht so schlau, wenn man möglichst vielen spendet, sondern man sagt, dass es besser ist, wenn man es bündelt und nur wenigen, dafür ein bisschen mehr zusenden lässt. Es ist besser einer Organisation 100.- zu spenden, als 5 Organisationen je 20.-. Ich gehe eigentlich ein bisschen nach diesem Prinzip.“ A2.35: „Also, jetzt haben wir uns zur Treue bekannt, weil irgendwann muss man Entscheidungen treffen, ob man kleine Beträge, also 10, 20 Franken oder will man regelmässig 100 Franken. Und wir haben uns für das Treue, Regelmässige entschieden.“
Eine Konzentration auf weniger NPO kann auch im Versuch begründet sein, die Kontrolle über das eigene Spendenverhalten zurück zu gewinnen und die erhaltenen Anfragen zu reduzieren. 6.5.3 Ausprägungen der Rückgewinnungsmöglichkeit Für das Management einer NPO ist es wichtig, einerseits Abwanderung zu verhindern und andererseits verloren gegangene Spender zurück zu gewinnen. Wie sich gezeigt hat, ist die Gewinnung neuer Spender rund fünfmal teurer, als die Reaktivierung von ehemaligen Spendern.890 Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob ehemalige Spender überhaupt zurück gewonnen werden können und welche Bedingungen diese an eine Wiederaufnahme der Spenderbeziehung stellen. Die positive Einstellung der Probanden hinsichtlich erneuter Spenden weist auf eine ausgesprochen hohe Rückgewinnungsmöglichkeit hin. Einerseits gibt es viele ehemalige Spender, für welche eine erneute Spende denkbar ist, die aber noch keine definitive Zusage machen können (n = 17). Andererseits gibt es eine Reihe von 890
Vgl. Burnett (2002), S. 157; Hönig/Schulz (2006), S. 285; Sargeant/Jay (2004a), S. 3. 289
Spendern, die bereits die feste Absicht haben, wieder zu spenden (n = 13):891 A2.62: „Im Moment habe ich sie nicht unterstützt, aber ich werde sie künftig sicher wieder unterstützen.“ A2.16: „Jaja, nächstes Jahr spende ich wieder dort, jetzt habe ich schon an anderen Orten gespendet.“
Zählt man zu diesen auch die Spender hinzu, welche sich selbst als aktive bezeichnen, können bei sechs von sieben Probanden neuerliche Spenden erwartet werden. Dass Spender auch tatsächlich wieder bereit sind, die befragte Organisation zu unterstützen belegen auch die Reaktionen auf den durch den Interviewer angebotenen Anreiz zur Teilnahme. Den Probanden wurde angeboten, dass sie für die Teilnahme an der Befragung eine Entschädigung von 20 CHF erhalten. Nur gerade 10 % der Befragten haben den Beitrag für sich oder eine andere Institution in Anspruch genommen. Mehr als 80 % der Teilnehmer haben angeboten, den Betrag für die befragte NPO zu spenden. Damit wird die hohe Zufriedenheit der Probanden mit der ausgewählten NPO bestätigt, welche in Abschnitt 6.4.4 bereits festgehalten wurde. Nur wenige Probanden betrachten eine Wiederaufnahme der Spenderbeziehung als unwahrscheinlich oder schliessen diese gar kategorisch aus. Eine Wiederaufnahme wird vor allem dann ausgeschlossen, wenn die Abwanderung aus langfristig veränderten Lebensbedingungen der Spender oder aus tiefgründiger Unzufriedenheit zustande gekommen ist. Einige wenige Probanden wissen noch nicht, ob sie wieder für die NPO spenden werden, was insbesondere auf spontane, unkonstante Spender zutrifft. Einige möchten es sich noch offen lassen, ob sie wieder für die NPO spenden. 891
Zu den induktiv gebildeten Kategorien der Rückgewinnungsmöglichkeit siehe auch Tabelle 18.
290
In der vorliegenden Studie konnten die Aussagen der Probanden mit dem tatsächlichen Verhalten überprüft werden. So ist aus den Spenderdaten ersichtlich, ob sie seit dem Ende der Erhebung (2008) bis zum Juli 2009 erneut eine Spende getätigt haben. Wie aus Tabelle 39 ersichtlich wird, haben immerhin 22 der Befragten erneut eine Spende an die ausgewählte Organisation getätigt. Trotzdem haben 23 Probanden, die eine erneute Spende als ziemlich sicher bezeichnet haben, bisher nicht wieder gespendet. Tabelle 39:
erneute Spende
Erneute Spende seit der Befragung892 ziemlich sicher 15
Einstellung zur Rückgewinnung gut voreher nicht ziemlich sistellbar neutral vorstellbar cher nicht 5 1 0 1
Total 22
keine Spende
23
11
3
4
0
41
Gesamt
38
16
4
4
1
63
6.5.4 Bedingungen der Rückgewinnung An eine Wiederaufnahme der Spendertätigkeit können Bedingungen gebunden sein. Bei der Befragung konnten fünf verschiedene Ausprägungen von Bedingungen identifiziert werden. Diese sind:
Notwendigkeit erkennen Wechsel von Konkurrenz Reaktion der NPO Bewusstwerden über Abwanderung Veränderung der eigenen Situation
Bei der Ausprägung ‚Notwendigkeit erkennen’ handelt es sich hauptsächlich um eine Bedingung, die an konkrete Projekte und Anfragen geknüpft ist. Dabei kann es sich um einen speziellen An892
Diejenigen Spender, die sich als aktive bezeichnet haben, wurden ebenfalls in der Kategorie ‚ziemlich sicher’ eingestuft. Nicht von allen Spendern waren sowohl Einstellungen als auch Spenderdaten verfügbar, weshalb nur 63 Probanden in der Tabelle erfasst sind. 291
lass handeln, bei welchem der Spender seine Spende als sinnvoll und wichtig erachtet. Bei Spendern, die eher projektbezogen und spontan spenden, steht der Zweck im Vordergrund und sie weisen keine grosse emotionale Bindung zur Organisation auf. Damit rückt die subjektiv empfundene Notwendigkeit ins Zentrum der Spendenentscheidung: A2.55: „Also sagen wir, wenn jetzt ein Projekt käme, das mich wirklich sehr überzeugen würde, dann würde ich eine Ausnahme machen. Aber das ist dann Projekt bezogen. Und ich muss auch sagen, die Projekte, die mich am meisten überzeugen würden, wären dann Projekte über Geburtenkontrollen.“ A1.10: „Genau, wenn ich im Moment irgendwo das Gefühl habe, dass es dringend ist, dann kann es schon vorkommen, dass ich eine andere Organisation dann mal vergesse.“
Der Proband 1.10 würde bei einer Wiederaufnahme der Spendentätigkeit für die hier befragte NPO eine andere Organisation nicht mehr unterstützen. Entsprechend haben einige Probanden einen Wechsel von einer anderen NPO als Bedingung geäussert. Gerade bei Spendern mit einem fixen Unterstützungsportfolio und Spendenbudget muss eine bestehende NPO wegfallen, damit eine andere (wieder) unterstützt werden kann: A1.09: „Also ich betrachte jeweils die Organisationen und dann könnte es sein, dass jemand wegfällt, weil’s es vielleicht nicht mehr benötigt oder so und ich mir dann sage jetzt ist mir das näher als etwas anderes und ich finde deren Einsatz wirkungsvoller oder sinnvoller als ein anderer, das könnte schon sein.“
Ein fixer Wechsel der Organisation ist sicherlich schwieriger zu bewerkstelligen, als die projektbezogene Gewinnung für eine Einzelspende. Dafür beinhalten die organisationstreuen Spender langfristig mehr Potenzial als solche, die nur kurzfristig für ein bestimmtes Anliegen zurück gewonnen werden können. Eine weitere Bedingung, die an eine Rückgewinnung gestellt werden kann, ist eine Reaktion der NPO. Dies ist insbesondere bei ehemaligen Spendern der Fall, die vorwiegend durch organisations292
initiierte Gründe abgewandert sind und mit der Kommunikation oder Arbeit der NPO unzufrieden waren. Die Reaktion kann als Behebung eines Schadens, Erklärung, Wiedergutmachung oder Berücksichtigung des Spenderwunsches erfolgen: A2.68: „Wenn man sieht, dass dieser Schaden behoben wird, dann schaut man sich das an. Ich mache ja auch Fehler, aber man lernt daraus. Das ist sicher kein Thema.“
Bei zufriedenen ehemaligen Spendern, kann eine Art der Reaktion bereits in der erneuten Kontaktaufnahme bestehen: A1.02: „Also nötig, eigentlich nicht, aber ich wäre schon froh, wenn wieder mal ein Einzahlungsschein kommt.“
Die angesprochene Bedingung von Proband 1.02 stellt allerdings eher die Ausnahme dar. Seine Aussage bekräftigt aber die Erkenntnis, dass Spender sich vorwiegend passiv verhalten und meist reaktive und affektive Spendenentscheidungen treffen. Das reaktive Verhalten zeigt sich auch bei der Wiederaufnahmebedingung ‚Bewusstwerden über Abwanderung’. Dabei kommt es zur erneuten Spende, weil Spender erfahren haben, dass sie seit längerem nicht mehr gespendet haben. Dies kann durch eine Erinnerung der NPO oder die jährliche Steuerbescheinigung geschehen. Diese Bedingung der Wiederaufnahme betrifft vorwiegend unbewusst abgewanderte Spender: A2.03: „Also wenn ich das jetzt weiss, motiviert es mich nächstes Mal eher, wenn ich einen Brief von XXX erhalte, zu spenden, da ich weiss, dass ich schon lange nichts mehr gegeben habe“. (lacht) A2.50: „Aber das ist von dem her ein Missverständnis, dass wir ein Jahr lang nicht bezahlt haben, aber dann ist es uns einfach untergegangen, für uns ist das eigentlich klar, dass wir das einzahlen.“
293
A2.43: „…Ende Jahr oder am Anfang vom neuen Jahr bekommt man immer eine Spendenbestätigung für die Steuer und dort steht hinten drauf, sie haben so und so viel gespendet. Und dann ist mal ein Jahr gekommen, wir haben da nichts gespendet in diesem Jahr und dann habe ich meinem Mann gesagt, uh, schau mal jetzt haben wir doch nichts gegeben. Und dann haben wir dafür nachher gegeben, weil wir gemerkt haben, dass wir denen nichts gegeben haben und das war uns auch nicht recht.“
Erinnerungsschreiben sind ein wichtiges Instrument des Rückgewinnungsmanagements. Damit können Spender auf das Ausbleiben von Spenden aufmerksam gemacht werden. Die Gefahr besteht aber, dass Spender mit solchen Erinnerungen verärgern werden, wie bei den organisationsinitiierten Einflussgrössen gesehen wurde (siehe dazu Abschnitt 6.4.7.8). Viele Spender sind grundsätzlich nicht gegen Rückfragen der NPO abgeneigt und einige Spender begrüssen gar Erinnerungsschreiben. Rückfragen und Erinnerungen können Spender sowohl positiv als auch negativ beeinflussen: A1.09: „Ich denke oft, wenn ein direkter Kontakt gut verläuft, wenn das jemand gut erklären kann, dann könnten sie einem schon umstimmen, auf der anderen Seite vielleicht auch mehr verstimmen, das käme ganz auf den Gesprächspartner darauf an.“ A2.26: „Ich glaube, ich habe ein Schreiben gekriegt Anfangs Jahr mit einem Begleitbrief, dass sie gesagt haben, so sinngemäss, dass es sie wieder freuen würde, wenn ich wieder spenden würde und dann habe ich einen Spenderausweis bekommen mit Franken Null. Das fand ich noch clever, das ist eine sanfte Erinnerung. (…) Das finde ich sympathisch. Ich denke, eine kleine Erinnerung im rechten Moment oder vielleicht auch dieses Gespräch wird mein Spendenverhalten in der nächsten Zeit beeinflussen.“
Nicht alle Bedingungen der Wiederaufnahme der Spenderbeziehung richten sich an die Organisation. So haben viele ehemalige Spender eine ‚Veränderung der eigenen Situation‘ als Bedingung geäussert, um wieder zu spenden. Dies betrifft hauptsächlich ehemalige Spender, die wegen finanziellen Problemen nicht mehr spenden: A0.02: „Ja das kann ich mir schon vorstellen. Die Bedingung wäre ein hoher Kontostand meinerseits.“
294
A2.46: „Wenn ich das Geld noch hätte, würde ich mitmachen.“ A2.33: „Doch, wenn sich die finanzielle Situation wieder verbessern würde, würde ich auch XXX wieder unterstützen.“
Bei einigen Probanden ist eine finanzielle Besserung jedoch nicht in Sicht, weshalb eine Rückgewinnung auch eher unwahrscheinlich ist. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Rentner mit schlechter Altersvorsorge. Diese weisen vielfach eine hohe Bereitschaft auf, die NPO wieder zu unterstützen, besitzen aber keine eigenen Möglichkeiten: A2.39: „Nein, es ist ganz klar, wenn es mir besser geht, will ich auch das es anderen besser geht. Aber das müsste irgendwie mit einem Lottogewinn zu tun haben.“ A2.46: „Wissen sie ich bin ganz knapp bei Kasse und ich dürfte gar nicht mitreden jetzt hier ehm bei der ***. Wenn ich noch einmal zu Geld komme, dann ist das die einzige Organisation die „zünftig“ bekommt (lacht) die ist mir sehr sympathisch.“
Andere Probanden durchlaufen nur eine momentane finanzielle Durststrecke, die sich in absehbarer Zeit wieder bessern wird. Gründe können Steuerbelastungen oder mittelfristig geringere Einkünfte durch Jobverlust oder geringere Auftragsdichte bei Freischaffenden sein (siehe dazu auch Abschnitt 6.4.6.2): A2.26: „Nein, ich würde keine Bedingungen daran stellen, ausser an meine eigene Situation, es müsste für uns, für die Familie, es verändert sich auch noch in diesem Jahr und dann haben wir eine ganz andere Steuersituation.“ A2.20: „…ich glaube, ich habe nur einmal im Jahr gegeben bei allem. Weil (lacht) ich habe noch eine Steuernachzahlung machen müssen und das ist gerade etwas happig zugegangen. Aber ich werde es weiterhin machen.“
Auch familiäre Veränderungen können dazu führen, dass eine Wiederaufnahme der Spendentätigkeit erfolgt, beispielsweise durch das Wegfallen der Ausbildungskosten für die Kinder. Auch Veränderungen des Spendenverhaltens von Partnern und Familienmit295
gliedern können Bedingungen darstellen, dürften aber eher die Ausnahme sein: A1.09: „Und da mein Partner ja noch XXX unterstützt, habe ich dann gefunden, dass ich das nicht mehr unterstützen muss. Wenn er jetzt nicht XXX unterstützen würde oder er nicht wäre, könnte ich mir gut vorstellen, dass XXX eine Organisation wäre, die ich unterstützen würde.“
Nicht immer wird eine konkrete Bedingung an eine erneute Spende gestellt. Probanden, die keine Bedingungen erwähnt haben, äusserten sich dahingehend, dass weitere Spenden bedingungslos erfolgen werden oder eine Wiederaufnahme undenkbar ist.893 6.5.5 Mund-zu-Mund-Propaganda Beim Kauf von Dienstleistungen sind vielfach Weiterempfehlungen ausschlaggebend. Entsprechend können auch beim Spenden Meinungen von Bekannten die Entscheidung beeinflussen, da ansonsten nur wenige Anhaltspunkte bei der Entscheidungsfindung hinzugezogen werden können. Ob und in welcher Weise Spender über ihr Spendenverhalten sprechen ist allerdings weitgehend unbekannt. In der Studie hat sich gezeigt, dass rund die Hälfte der Spender nie über ihre Spendentätigkeit spricht. Ihre eigene Spendentätigkeit betrachten die meisten Probanden als ihre Privatsache: A2.10: „Nein eigentlich nicht, das ist mehr Privatsache.“ A2.09: „Nein, das muss ich nicht an die grosse Glocke hängen.“ A1.12: „Das ist etwas, was ich für mich mache.“ A2.69: „Ja über solches, also darüber spreche ich eigentlich nicht mit anderen Leuten.“
893
Zur Übersicht zu den Ausprägungen der Rückgewinnungsbedingungen und -möglichkeiten siehe auch Tabelle 18.
296
Bei Paaren und Familien wird das Spendenverhalten oft intern abgesprochen. Mit Personen ausserhalb der Familie finden aber kaum Gespräche über das eigene Spenden statt: A2.16: „Ja, nicht speziell, nein. Mit meiner Frau natürlich. Aber ansonsten nicht speziell. Ich gehe den Leuten nicht erzählen, ich spende dort hin.“ A1.10: „Eigentlich ausschliesslich mit meinem Mann. Dann schimpfen wir manchmal zusammen etwas, aber mit anderen Leuten spreche ich nicht darüber. Was ich und wie viel ich spende, geht niemanden etwas an, finde ich. Ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, ich hätte es zum Fenster rausgeworfen, so ist es nämlich nicht.“ A2.02: „Mit meinem Mann, mehr nur mit meinem Mann. Weil wenn man an manchen Orten redet, (und sieht) die sind gerade ganz dagegen, dann mag ich nicht diskutieren.“
Wie die Aussagen der Probanden 1.10 und 2.02 zeigen, versuchen Spender mit dem Vermeiden von Gesprächen auch Konflikte zur verhindern. Kritische Äusserungen zur Aktivität der unterstützten Organisation können zu Verunsicherung und zu Rechtfertigungszwang gegenüber anderen und sich selbst führen. Dies ist beim Spenden viel ausgeprägter als beim Kauf von Produkten, da die Spende auf Vertrauen basiert und keine greifbare Bestätigung zur Dissonanzreduktion vorhanden ist. Trotzdem haben einige Probanden auch angegeben, dass sie gelegentlich mit anderen Leuten über ihr Spendenverhalten sprechen: A2.32: „Ja, mit den Leuten, die in die Meditation kommen, denen sage ich dann, für wen ich spende.“ A2.71: „Haben wir auch schon gemacht, ja. Wir haben auch schon darüber diskutiert.“ A2.22: „Ehm, ja schon, aber nicht so konkret. Je nach dem was für eine Situation es ist. Doch, doch, man spricht schon darüber.“
297
Nur rund 30 Probanden haben angegeben, dass sie gelegentlich mit anderen Leuten (ausserhalb der Familie) über ihr Spendenverhalten sprechen. Durch weiteres Nachfragen hat sich dabei gezeigt, dass meist nicht die eigenen Transaktionen Thema des Gesprächs sind. Viel eher als über das eigene Spenderverhalten wird generell über die spendensammelnden Organisationen, über einzelne Aktionen oder politische Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Spenden gesprochen. Somit bleibt das Diskussionsthema eher unpersönlich und bezieht sich mehr auf aktuelle Geschehnisse und Presseberichte: A2.39: „Nicht spezifisch. Wenn es in einer Diskussionsrunde aufkommt, aber ich erwähne nicht einzelne Transaktionen, sicher nicht.“ A2.70: „Also über die konkreten Spenden nicht, aber über die Organisationen kann ich mich gut austauschen.“ A1.02: „Wenn man über spenden diskutiert, dann ist dies mehr so allgemein, nicht organisationsspezifisch.“
Nur wenige Spender kennen Leute, die ebenfalls die ausgewählte Organisation unterstützen. Dies ist ein zusätzliches Indiz dafür, dass wenig über das eigene Spendenverhalten gesprochen wird. Viele Spender gehen davon aus, weitere Spender zu kennen. Da sie aber nicht darüber sprechen, können sie es nur annehmen. Die Annahme ist meist dadurch begründet, dass sich ihr Bekanntenkreis für ähnliche Dinge interessiert und engagiert: A2.33: „Also wissen tu ich es nicht, aber ich vermute ja. Zum Beispiel ein Kollege aus Zürich, der könnte eventuell etwas gespendet haben oder der Bruder in Bern, das ist möglich.“ A2.31: „Hmm ich würde jetzt sagen, so ins Detail sind wir jetzt noch nie gegangen. Also es gibt sicher unter meinen Bekannten Leute die XXX unterstützen.“ A2.70: „Ja, ich glaube meine Töchter schon, aber ich mische mich nicht so in das Privatleben anderer ein.“ (lacht)
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A0.02: „Ähm. Ich wüsste das nicht aktiv. Aber da es eine sehr bekannte Organisation ist, und ich in einem Kreis verkehre, wo relativ viele Leute spenden, kann ich mir das gut vorstellen, dass ich einige kenne, aber nicht dass ich das jetzt aktiv wüsste die und die sind es. Aber garantiert ein grosser Teil dieser Leute sind mal dabei gewesen oder sind noch dabei.“
Da das eigene Spendenverhalten von den Spendern vorwiegend894 als Privatsache betrachtet wird, spielt die Mund-zu-MundPropaganda beim Spenden keine bedeutende Rolle. Bei negativen Auftritten von Organisationen – insbesondere in der Presse – können diese aber auch über Gespräche im Bekanntenkreis weiterverbreitet werden. Auch die direkte und indirekte Kommunikation einzelner NPO oder generell die Situation auf dem Spendenmarkt können zum Thema werden, wenn sich Spender daran stören. Bei negativen Ereignissen kann die Mund-zu-Mund-Kommunikation somit einen gewissen Verstärkereffekt haben: A2.23: „Jaja, und ich mache auch meine Freundinnen und Freunde darauf aufmerksam, so Hey übrigens, da habe ich gehört, da geht das nicht weiter das Geld, das ist wirklich nicht im ***. Weil das ist eine Lüge, wenn man Geld gibt für diese Menschen und das Geld kommt da nicht an, das ist eine Lüge, das ist einfach nicht in Ordnung.“ A1.09: „Da hat sich sicherlich ein Gespräch ergeben, nicht speziell über XXX aber schon über die Flut an Briefen. Wie sinnvoll ist die Masse der Kommunikation. Information muss sein, aber in welchem Umfang soll oder darf sie sein, so dass man Lust hat diese zu lesen und nicht das Gefühl hat, oh nein nicht schon wieder. Das ist ungerecht. Es ist vielleicht etwas unfair so zu denken. Aber ich merke auch bei anderen Personen, dass es halt schon etwas so ist, in dem Sinne hat sich schon etwa ein Gespräch ergeben. Ich merke, dass auch andere Personen das Gefühl haben, dass es etwas viel ist.“
894
Nur rund jeder siebte Proband hat angegeben ausserhalb der Familie über sein Spendenverhalten zu sprechen. 299
6.5.6 Zusammenfassende Erkenntnisse aus den Ergebnissen des Abwanderungsprozesses Anhand der induktiven Kategorienbildung konnten interessante Erkenntnisse zum Outcome der Spenderabwanderung generiert werden. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass es für die NPO schwierig ist, abgewanderte Spender zu identifizieren. Auch wenn aus Organisationssicht klare definitorische Abgrenzungen gemacht werden können, bedeutet das nicht, dass diese mit der Sichtweise der Spender übereinstimmen. Gemäss Selektionskriterium der hier vorliegenden Studie wurden nur ehemalige Spender befragt, worunter alle verstanden wurden, die seit mindestens zwei Jahren keine Spende mehr getätigt haben. Die Selbsteinschätzung der Probanden zum aktuellen Stand der Spendenbeziehung hat aber gezeigt, dass sich viele nicht als ehemalige Spender betrachten. Nebst den bewusst abgewanderten gibt es eine Reihe von Spendern die eine kurzzeitige Spendenpause eingelegt haben. Weiter gibt es Spender, die nicht genau sagen können, ob sie in letzter Zeit noch gespendet haben, da sie sehr unregelmässig spenden. Die grösste Gruppe der Probanden hat sich noch als aktive Spender betrachtet. Dabei können viele als unbewusst Abgewanderte betrachtet werden (siehe dazu Abschnitt 6.6.1). Für den Spendenmarkt positiv ist, dass viele abgewanderte Spender der Studie weiterhin NPO unterstützen und dem Spendenmarkt erhalten bleiben. Nur eine kleine Gruppe der Probanden spendet überhaupt nicht mehr, wobei dies besonders auf Personen zutrifft, die aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht mehr spenden können. Eine Konzentration der Spendentätigkeit konnte auf zwei Arten festgestellt werden. Einerseits haben Spender weniger Geld zur Verfügung und deshalb weniger Geld gespendet. Andererseits haben Spender sich auf weniger Organisationen konzentriert um einen besseren Überblick über ihre Spendentätigkeit zu erhalten. Die grösste Gruppe der abgewanderten Spender hat angegeben, dass sie mit dem eingesparten Geld eine andere NPO be-
300
günstigen. Somit haben die Probanden öfter einen Wechsel vollzogen, als eine Abwanderung. Äusserst positiv für die untersuchte NPO ist die sehr gute Rückgewinnungsmöglichkeit. Die meisten Probanden sind grundsätzlich bereit wieder für die NPO zu spenden. Einige haben dies bereits beabsichtigt und eingeplant. Der Hauptgrund für die hohe Rückgewinnungsmöglichkeit ist sicherlich in der hohen Zufriedenheit mit der NPO zu sehen. So ist es auch kaum zu Abwanderung wegen Unzufriedenheit gekommen. Weniger optimistisch stimmen die Rückgewinnungsbedingungen, da diese vielfach an Veränderungen der Situation des Spenders geknüpft sind. Damit sind sie von der NPO nicht beeinflussbar. Ausserdem ist bei finanziellen Problemen oft keine positive Entwicklung sichtbar. Kurzfristig können Spender vielfach durch projektbezogene Anfragen zurück gewonnen werden, bei welchen der Spender eine Unterstützung als sinnvoll und notwendig erachtet. Bei Spendern die vorwiegend wegen organisationsinitiierten kritischen Ereignissen nicht mehr Spenden, ist in einer angemessenen Reaktion der NPO eine Rückgewinnungsbedingung zu sehen. Die Reaktion kann dabei in Aufklären, Erläutern oder Wiedergutmachen bestehen. Weiterempfehlungsabsichten und Mund-zu-Mund-Propaganda sind im Dienstleistungsbereich sehr bedeutend. Im Fundraising spielen diese Einflussgrössen allerdings kaum eine Rolle, da das Spenden für die meisten Probanden eine Privatsache ist. Sie brauchen keine Zustimmung von anderen Personen für ihre Spenden und noch weniger erwünschen sie negative Äusserungen zu ihrem Spenderverhalten oder gegenüber den von ihnen unterstützten Organisationen. Wenn die Probanden über das Spendenverhalten sprechen, ist dies allgemein gehalten und meist auf aktuelle Ereignisse im Dritten Sektor bezogen. Somit hat die Mund-zu-MundPropaganda höchstens einen Verstärkereffekt bei negativen Ereignissen in der Presse und ist ansonsten nicht sehr bedeutsam.
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6.6 Ergebnisse der Typenbildung In diesem Abschnitt wird die empirisch begründete Bildung der Abwanderungstypen bei Mehrfachspendern präsentiert. Bei der Typenbildung geht es um das Verstehen des Typischen, also eine ganzheitliche Sichtweise und nicht um das Verstehen des Einzelnen.895 Typen dienen dazu, den Untersuchungsgegenstand überschaubar zu machen und Charakteristiken hervorzuheben. Durch das Erkennen von zentralen Gemeinsamkeiten und Unterschieden können Rückschlüsse auf die dahinter liegenden Mechanismen gezogen werden.896 In der empirischen Sozialforschung wurden verschiedene Konzepte zur empirisch begründeten Typenbildung erarbeitet. In der vorliegenden Studie wird nach der typologischen Analyse nach Kuckartz verfahren.897 Diese besteht aus vier Hauptphasen, wobei die ersten beiden Schritte – thematisches Codieren und Dimensionalisierung und Feincodierung – bereits für die Auswertung der einzelnen Kategorien vorgenommen wurden. Es bleiben also die Typenbildung und die typenbasierte Fallanalyse.898 Der Ausgangspunkt der Typenbildung liegt in der Definition eines Merkmalsraums, da ein Typ eine Kombination verschiedener Merkmale beschreibt und eine Typologie mindestens zwei Typen mit wenigstens zwei vergleichbaren Merkmalen beinhaltet.899 Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale der vorliegenden Typenbildung sind:
895 896 897 898 899
Stellenwert der NPO Anzahl unterstützter NPO Bewusstheitsgrad der Abwanderung Rückgewinnungsmöglichkeit Dominante kritische Ereignisse Dauer der Abwanderung Vgl. Kuckartz (2007b), S. 96; Michalski (2002), S. 145. Vgl. Lamnek (2005), S. 230. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 98. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 98 ff. Siehe auch Abschnitt 5.7.3. Vgl. Kuckartz (2007b), S. 102; Lamnek (2005), S. 230 ff.
302
Hauptursache der Abwanderung Einstellung zum Wechseln
Bei der Auswahl der wesentlichen Merkmale geht es darum, diejenigen zu wählen, die einen besonderen Einfluss auf die Art der Abwanderung haben. Darüber hinaus sollten sich die Probanden betreffend dieser Eigenschaft auch unterscheiden. Ziel war es unterschiedliche Typen von Abwanderern zu definieren, die sich möglichst eindeutig voneinander abgrenzen lassen. Probanden innerhalb eines Typs sollten hingegen möglichst homogen sein. Aufgrund der Anzahl der relevanten Merkmale wurde eine polythetische Typologie konstruiert. Diese werden induktiv aus dem empirischen Material gebildet, wobei diese sich sowohl intellektuell, als auch mit Hilfe statistischer Algorithmen bilden lassen. In dieser Studie ist die intellektuelle Typenbildung im Vordergrund gestanden – also das systematische geistige Ordnen.900 Die gebildete Typologie der Spenderabwanderer beinhaltet sechs unterschiedliche Typen: 1. 2. 3. 4. 5.
6.
900
Unbewusste Abwanderer: Sehen sich noch als aktive Spender. Das Ausbleiben der Spenden ist unbewusst und unbeabsichtigt. Unkonstante Spender: Sind sich bewusst, dass sie sehr unkonstant und unregelmässig spenden und sehen sich nicht als regelmässige Spender. Variety Seeker: Sind zufrieden, möchten aber nicht immer dieselbe NPO unterstützen. Frustrierte Abwanderer: Wurden mit zu vielen Anfragen von zu vielen NPO konfrontiert und spenden deshalb weniger, gar nicht mehr oder anders. Unzufriedene Abwanderer: Sind mit der NPO nicht zufrieden. Ein kritisches organisationsinitiiertes Ereignis ist ausschlaggebend für das Ausbleiben der Spenden. Zwangsabwanderer: Spenden wegen privaten Gründen nicht mehr, würden die NPO aber gerne weiter unterstützten.
Vgl. Kuckartz (2007b), S. 103 ff. 303
Diese Typen werden im Folgenden genauer beschrieben. Im Anschluss an die Beschreibung wird jeweils ein geeigneter Einzelfall – ein ‚Prototyp’ – für die repräsentative Fallinterpretation herangezogen. Bei der Typenbildung wurde analog der induktiven Kategorienbildung in einem iterativen Prozess vorgegangen. Wobei beim ersten Probanden die typischen Merkmale der Abwanderung identifiziert wurden. Daraus wurde ein Abwanderungstyp definiert. Anschliessend wurde jeder weitere Proband analysiert und einem bestehenden Typ zugeordnet, oder – wenn kein passender Typ existierte – ein neuer Typ kreiert. Dieses schrittweise Vorgehen erfordert mehrere Materialdurchgänge, da die Typen entsprechend dem neuen Datenmaterial immer wieder angepasst werden müssen, bis sämtliche Probanden einem Typ zugeordent werden können. Darüber hinaus sind die Definitionen der Typen ständig zu überarbeiten, bis diese sich eindeutig voneinander unterscheiden und in sich möglichst homogen sind. Erst wenn alle Personen des Samples eindeutig einem Typ zugeordnet werden können und die Abgrenzung der einzelnen Typen zweifelsfrei möglich ist, endet dieser Schritt. Im Folgenden werden nun die Merkmale und Charakteristiken dieser Typen präsentiert. 6.6.1 Unbewusste Abwanderer Wichtigstes Charakteristikum der unbewussten Abwanderer ist in der Selbsteinschätzung der aktuellen Spendenbeziehung zu finden. Die unbewussten Abwanderer sehen sich als aktive Spender. Damit unterscheiden sich die unbewussten Abwanderer von sämtlichen anderen Typen durch den Bewusstheitsgrad der Abwanderung. Wie die weitere Analyse gezeigt hat, gibt es aber noch zusätzliche Merkmalsausprägungen, welche für diesen Typ spezifisch sind. Die Hauptursache für das Ausbleiben der Spenden liegt in einer unbeabsichtigten Abwanderung der Spender durch ein Missverständnis, eigenes Unvermögen oder den Verlust der Kontrolle
304
über das Spendenverhalten. Die unbewussten Abwanderer schätzen ihre Spendentätigkeit falsch ein und sind der Überzeugung, dass sie regelmässig spenden und dies auch erst gerade getan haben. Unbewusste Abwanderer unterstützen meist mehr als fünf NPO gleichzeitig, wobei die befragte NPO im Vergleich zu den anderen unterstützten Organisationen meist nur einen gleichwertigen oder gar geringeren Stellenwert hat. Sie überschätzen oft ihre Spendentätigkeit und haben keinen Überblick über ihre Spendentätigkeit. Die unbewussten Abwanderer haben im Durchschnitt beinahe 10 Spenden an die NPO getätigt mit einem Gesamtwert von 352 CHF. Damit weisen sie den höchsten durchschnittlichen Spendenwert auf. Jede zweite Person dieses Typs hat seit der Befragung wieder gespendet. Dies liegt über dem allgemeinen Durchschnitt. Für die Tatsache, dass sie sich als aktive, regelmässig Spender bezeichnen, ist dies allerdings keine besonders hohe Quote. Die Gruppe der unbewussten Abwanderer ist mit 21 Probanden die grösste Teilmenge der Stichprobe. Dies verdeutlicht die Problematik der Definition von ehemaligen Spendern. Bei diesen Spendern kann es sinnvoll sein, wenn ihnen das tatsächliche Spendenverhalten vor Augen geführt wird, da sie aus einem Versehen heraus nicht mehr gespendet haben (siehe dazu Abschnitt 6.5.4). Ein Überblick über die getätigten Spenden eines Jahres kann dazu führen, dass unbewusste Abwanderer erneut spenden. Unbewusste Abwanderer 2.64 Die 44 jährige ledige Lehrerin sieht sich als aktive Spenderin der befragten NPO und spendet nach eigenen Angaben mehrmals jährlich an diese NPO. Sie unterstützt ungefähr 20 Organisationen wobei XXX (nach eigenen Angaben) an ungefähr 17. Stelle steht. Ihr Spendenschwerpunkt liegt ansonsten eigentlich eher bei NPO, die in der Schweiz aktiv sind. Sie spendet eher geplant vierteljährlich und ist sehr zufrieden mit der befragten NPO. Sie spendet der NPO nach eigenen Angaben seit rund 20 Jahren. Die erste erfasste Spende in der Datenbank ist allerdings aus dem Jahre 1999. Sie hat seit der Befragung keine Spende getätigt.
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6.6.2 Unkonstante Spender Unkonstante Spender haben keine eigentliche Spenderbeziehung zur NPO und sehen sich deshalb auch nicht als aktive Spender. Sie sind sich bewusst, dass sie sehr unregelmässig, sehr spontan und reaktiv spenden und sehen sich deshalb auch nicht als ehemalige Spender. Sie sind generell bereit wieder zu spenden, was aber ebenfalls unkonstant oder spontan geschieht. Nur jeder vierte unkonstante Spender hat seit der Befragung tatsächlich wieder gespendet. Ihre Erstspende liegt oft schon lange zurück, was auf eine lange Unterstützungsdauer hindeutet. Die Abstände zwischen den Einzelspenden können aber stark variieren. Im Durchschnitt haben die unkonstanten Spender 1.7 Spenden pro Jahr getätigt. Bei den unkonstanten Spendern kann nicht von einer Beziehung zur NPO gesprochen werden, da diese nur Einzelspenden tätigen und sich nicht mit der NPO verbunden fühlen. Sie spenden teilweise auch auf Wunsch von Verstorbenen oder weil sie einen speziellen Aufruf gerade als besonders sympathisch, sinnvoll oder notwendig erachten. Die betrachtete NPO hat bei den unkonstanten Spendern keinen hohen Stellenwert und wird im Vergleich zu anderen NPO oft als weniger wichtig erachtet. Unkonstante Spender unterstützen entweder sehr viele NPO, wobei sie unkontrolliert zwischen diesen wechseln und zu keiner Organisation eine wirkliche Beziehung aufweisen. Oder sie spenden einigen wenigen Organisationen regelmässig und unterstützen nebenbei noch weitere NPO spontan. Mit 16 Probanden bilden sie die zweitgrösste Gruppe der Untersuchung. Sie weisen mit 50.60 CHF die höchsten Durchschnittsspenden aus, wobei diese durch zwei extreme Ausreisser verzerrt sind, was auch durch die deutlich höhere Standardabweichung als bei den anderen Typen verdeutlicht wird (siehe dazu Tabelle 41). Der Median der durchschnittlichen Spenden liegt an zweiter Stelle hinter den ‚Unbewussten Abwanderern’ und beträgt 36.50 CHF.
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Die unregelmässigen Spender beinhalten ein nicht zu unterschätzendes Potenzial, welches aber nicht gezielt gefördert werden kann. Hauptproblem ist das unregelmässige Spenden und die sehr impulsive und reaktive Entscheidfindung. Ausserdem erwünschen unkonstante Spender oft keine Bindung oder regelmässige Beiträge, sondern schätzen ihre Freiheit immer von Neuem zu entscheiden. Somit bleibt den NPO einzig die Möglichkeit die unkonstanten Spender für weitere Einzelspenden zu gewinnen, indem sie diese weiterhin anschreiben. Unkonstante Spender 2.69 Die 45 jährige verheiratete Gartenbauingenieurin spendet vorwiegend für Umweltorganisationen und nebenbei noch spontan abwechselnd für andere, wobei dies „aus dem Bauch“ heraus entschieden wird. Die befragte NPO unterstützt sie nicht besonders, weshalb diese einen entsprechend geringen Stellenwert hat. Sie sieht sich nicht als aktive Spenderin, kann sich aber vorstellen wieder einmal dort zu spenden. Sie unterstützt drei NPO im Umweltbereich regelmässig und pickt daneben jeden Monat einig spontan heraus, die sie unterstützt. Ihre Spendenhäufigkeit ist auch vom jeweils vorhandenen Geld abhängig.
6.6.3 Variety Seeker Während bei den ersten beiden Typen keine bewusste Beziehungsbeendigung stattgefunden hat, haben die restlichen vier Typen eine bewusste Abwanderung vollzogen. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale dieser vier Typen sind somit die dominanten kritischen Ereignisse und die Hauptursache der Abwanderung. Die Variety Seeker unterscheiden sich von den anderen Typen durch ihren Wunsch nach Abwechslung. Das herausragende Merkmal liegt in ihrer Einstellung gegenüber dem Wechseln: Sie wünschen nicht immer dieselbe NPO zu unterstützen, sondern möchten auch andere begünstigen. Deshalb wechseln sie bewusst ab. Bei den Variety Seekern gibt es zwei unterschiedliche Verhaltensweisen. Einerseits gibt es solche, die nur wenige NPO (1-5)
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und andererseits solche die sehr viele NPO (15 und mehr) unterstützen. Diejenigen, die sehr viele NPO unterstützen, wechseln innerhalb eines Optionensets und bleiben diesen treu. Das bedeutet, dass sie zu den einmal unterstützten NPO zurückkehren. Bei denjenigen, die wenige NPO unterstützen, ist eine Rückkehr nicht geplant aber offen. Die Variety Seeker sind mit der NPO zufrieden und ihre Abwanderung ist entsprechend unabhängig von der Zufriedenheit mit der NPO. Sie spenden vielfach in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen. Die Variety Seeker weisen die kleinste Anzahl getätigter Spenden (Mittelwert sechs und Median fünf Einzahlungen) und die kürzeste Beziehungsdauer auf (Mittelwert und Median betragen vier Jahre). Der Wert der Gesamtspenden liegt im Durchschnitt bei 242 CHF, der Median bei 165 CHF. Die Durchschnittsspenden pro Einzahlung liegen mit 39 CHF (Median 35 CHF) an dritter Stelle hinter den ‚Unbewussten Abwanderern’ und den ‚Unkonstanten Spendern’. Variety Seeker sind deutlich (Mittelwert 48, Median 50 Jahre) jünger als die übrigen Abwanderungstypen. Die Beziehung der Variety Seeker zur NPO ist kurz und intensiv. So weisen sie zwar die kürzeste Beziehungsdauer auf, aber auch die meisten Spenden pro Jahr (2.4) und das höchste Spendenvolumen pro Jahr (95.3 CHF, siehe dazu auch Tabelle 41). Variety Seeker planen ihre Spendenausgaben und haben ein Budget, welches sie für Spenden ausgeben können. Bei Variety Seekern haben oft weitere Faktoren einen Einfluss auf den Wechselentscheid. Besonders konkurrenzinitiierte kritische Ereignisse können einen Wechselentscheid beschleunigen. Anfragen der Konkurrenz können den Wunsch nach Abwechslung durch das Aufzeigen von Alternativen und das Wecken neuer Bedürfnisse verstärken (siehe dazu auch Abschnitt 6.4.8.5). Die bewusste Abwanderung verläuft meist sehr schnell. Einerseits kann sie durch einen Aufruf eines Konkurrenten ausgelöst werden, andererseits auch
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durch die erneut fällige Spendenentscheidung. Der Wunsch nach Abwechslung ist allerdings seit Beziehungsbeginn latent vorhanden, weshalb der Abwanderungsprozess eigentlich bereits bei der Erstspende startet. In dieser Untersuchung wurden elf Variety Seeker identifiziert. Sie können grundsätzlich zurück gewonnen werden, da sie mit der NPO zufrieden sind. Die Gruppe der Wechselspender, die nur wenige NPO unterstützt, wechselt längerfristig zu anderen NPO. Deshalb ist deren Rückkehr weniger gewiss. Sie spenden aber während einem kurzen Zeitraum konstanter als die zweite Gruppe. Die zweite Gruppe wechselt innerhalb eines grösseren Optionensets. Ihre Rückkehr ist demnach wahrscheinlich, allerdings nicht sehr konstant und erneut nur kurzfristig. Variety Seeker 1.03 Die Interviewte ist eine 45 jährige Logopädin, verheiratet und Mutter von zwei Kindern mit einem Haushaltseinkommen von 10‘000-12‘000 Franken pro Monat. Sie wechselt häufig die Organisation und spendet je nach Aktualität. Sie hat ihre ‚Taktik’ etwas abzuwechseln und unterstützt momentan andere NPO. Sie ist zufrieden mit der Organisation und denkt, dass sie wieder einmal für die NPO spenden wird. Momentan aber eher nicht, wegen vorhandenen Fixkosten und der Unterstützung anderer NPO.
6.6.4 Frustrierte Abwanderer Frustrierte Abwanderer wurden mit zu vielen Anfragen konfrontiert und spenden deshalb weniger oder gar nicht mehr. Hauptgrund ist die zunehmende Anzahl an Anfragen, die durch die steigende Zahl der NPO entstanden ist. Sie reagieren verärgert oder hilflos auf die grosse Anzahl an Anfragen und verändern dadurch ihr Spendenverhalten. Frustrierte Abwanderer spenden an viele NPO (mehr als 6) gleichzeitig. Frustrierte Abwanderer haben in der Regel mehrere Gründe für die Abwanderung und durchlaufen einen längeren Prozess. Wie lange dieser Prozess läuft, ist schwer zu sagen, da die Verärgerung 309
über die viele Post schleichend beginnt. Typischerweise beginnen frustrierte Abwanderer die Spendenaufrufe zu sammeln, um ihren Eindruck zu bestätigen. Anschliessend entscheiden sie sich weniger oder gar keine NPO mehr zu unterstützten. Oft kommen auch noch veränderte finanzielle Möglichkeiten der Probanden hinzu, die sie dazu bewegen, ihr Spendenverhalten zu überdenken. Die vielen Anfragen zeigen den Spendern auch auf, dass sie nicht überall helfen können. Diejenigen frustrierten Abwanderer, die weiterhin spenden, konzentrieren sich auf weniger NPO oder auf einzelne spezielle, besonders kleinere zu welchen ein persönlicher Kontakt besteht. Da die befragte NPO bei den frustrierten Abwanderern einen geringen Stellenwert aufweist, wird sie nach der Veränderung des Spendenverhaltens nicht mehr berücksichtigt. Die Einstellung zur Rückgewinnung ist im Vergleich zu den anderen Probanden eher schlecht, da das Spendenverhalten bewusst verändert wurde. Sie wünschen sich oft, von den einzelnen NPO weniger Anfragen zu erhalten. Mit dem veränderten Spendenverhalten versuchen sie gezielter und regelmässiger zu spenden, um eine bessere Übersicht und Kontrolle zu haben. Die durchschnittliche Spendenhöhe pro Beitrag ist eher klein (Median von 21.25 CHF), da sie ihr Spendenbudget auf viele NPO aufgeteilt haben und andere NPO stärker bevorzugen. In der vorliegenden Studie wurden neun Probanden dem Typ ‚Frustrierte Abwanderer’ zugeordnet. Diese sind mehrheitlich männlich und haben ein hohes Durchschnittsalter (Mittelwert 63, Median 66 Jahre).
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Frustrierter Abwanderer 2.15 Die 44 jährige, verheiratete Elektrozeichnerin hat ihre Spenden breit gestreut und eine zunehmende Flut an Spendenbriefen wahrgenommen. Sie hat dadurch auch den Überblick über ihr Spendenverhalten verloren, da sie teilweise an rund 50 NPO gespendet hat. Einzelne Briefe sind oft in der Menge untergegangen, da sie diese nicht mehr „studieren“ wollte. Die viele Post hat dazu geführt, dass sie, wenn mehrere in kurzer Zeit gekommen sind, sämtliche wieder zurückgesendet hat. Sie hat angefangen Leuten in der Umgebung direkt zu helfen und weniger den NPO zu spenden, da sie zu viele Briefe erhalten hat. Der Prozess hat etwa zwei Jahre gedauert. Sie könnte sich vorstellen wieder für die befragte NPO zu spenden, wobei sie jetzt eher andere Dinge (kleinen Sachen, zu denen sie einen Bezug hat) unterstützt.
6.6.5 Unzufriedene Abwanderer Unzufriedene Abwanderer sind mit der Organisation nicht zufrieden. Ein kritisches organisationsinitiiertes Ereignis ist ausschlaggebend für die Abwanderung. Je nach Stärke des empfundenen kritischen Ereignisses findet eine direkte Abwanderung oder ein längerer Abwanderungsprozess statt. Die emotional empfundene Ausprägung des negativen Ereignisses hat auch einen Einfluss auf die Möglichkeit der Rückgewinnung. Wenn das organisationsinitiierte kritische Ereignis nicht sehr stark ist, erfolgt eine komplexe Abwanderung mit mehreren Einflussgrössen. Wird ein solches Ereignis aber als stark negativ empfunden, führt dies zu sofortiger, einfacher Abwanderung. Dabei entsteht meist starke Verärgerung, was die Rückgewinnung verunmöglicht oder an konkrete Bedingungen knüpft. Von der befragten NPO sind nur wenige stark negativ wahrgenommene Ereignisse ausgegangen. Erfahrungen der Probanden mit anderen Spendenbeziehungen haben jedoch gezeigt, dass beispielsweise bei Geldverschwendung oder unangebrachtem Agieren der NPO die Spender sofort die Unterstützung eingestellt haben. Die Bereitschaft zur Rückgewinnung war entsprechend niedrig. Solche starken negativen Ereignisse sind somit zu vermeiden. Die organisationsinitiierten Ereignisse werden meist durch Pressemit-
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teilungen oder durch die eigene Kommunikation mit den Spendern übermittelt. Unzufriedene Abwanderer unterstützen nach der Abwanderung andere NPO und gehen dem Sektor nicht verloren. Sie sind im Hinblick auf ihr Spendenverhalten, den Stellenwert der befragten NPO, die Anzahl unterstützter NPO oder auch ihre Einstellung gegenüber dem Wechseln sehr heterogen. In der Studie wurden nur sechs Probanden diesem Typ zugeordnet, was darauf hindeutet, dass die befragte NPO nur wenig Anlass zur Unzufriedenheit gegeben hat. Auf Grund der geringen Fallzahl ist auch die Aussagekraft der Spenderdaten zu diesem Typ in Tabelle 41 eher gering. Die unzufriedenen Abwanderer dieses Samples waren die schlechtesten Spender was die jährlich durchschnittlichen Spenden betrifft (Anzahl = 1.4, Volumen = 30 CHF) und auch im Hinblick auf das gesamte Spendenvolumen (188 CHF). Unzufriedener Abwanderer 1.08 Der Interviewte ist 57 jährig, verheiratet und hat vier Kinder. Er ist ein eher treuer Spender, spendet aber generell nicht sehr viel. Er findet, dass die Organisation „gute Sachen“ macht. Die politische (amerikafeindliche) Ausrichtung hat ihn allerdings gestört, so dass er halt einfach nichts mehr gibt und sein Geld anderen NPO zukommen lässt. Von einem bestimmten Moment an hat er gefunden, dass die NPO politisch sehr einseitig ist und hat deshalb spontan entschieden dort nicht mehr zu spenden. Eine Rückgewinnung ist nicht ganz ausgeschlossen, es müsste sich aber um ein super Projekt handeln. Er findet die NPO immer noch eine gute Organisation mit guten Leistungen, abgesehen von ihrer politischen Einstellung.
6.6.6 Zwangsabwanderer Zwangsabwanderer spenden wegen privaten Gründen nicht mehr, würden die NPO aber gerne weiterhin unterstützten. Zwangsabwanderer sind treue Spender, die nur eine kleine Anzahl an NPO unterstützen. Die befragte NPO hat bei ihnen einen hohen Stellenwert. Zwangsabwanderer spenden nicht mehr, weil sie nicht mehr können, wofür ein oder mehrere kritische spenderinitiierte Ereignisse verantwortlich sind. Der Hauptgrund liegt meist bei finanziel312
len Problemen des Spenders. So verzeichnen Zwangsabwanderer auch die tiefste durchschnittliche Einkommenskategorie. Die finanziellen Probleme sind durch andere Ereignisse im Umfeld des Spenders zustande gekommen wie Pensionierung, Tod eines Angehörigen, Scheidung, Heirat, Steuernachzahlungen oder notwendige Investitionen. Zwangsabwanderer sind mit der NPO sehr zufrieden und würden gerne wieder spenden. Sie weisen somit eine ausgeprägte Bereitschaft zur Rückgewinnung aus. Die Rückgewinnung ist von der finanziellen Veränderung abhängig. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Spendern, die momentan nicht die Möglichkeit haben zu spenden (beispielsweise durch ein Bauvorhaben, Steuerbelastung, Scheidungskosten oder Ausbildungskosten der Kinder) und jenen, die langfristig gesehen nicht mehr spenden können (beispielsweise durch schlechte Altersvorsorge, Arbeitsunfähigkeit, Kosten durch Krankheit). Die Zwangsabwanderer haben nicht nur die höchsten Rückgewinnungsabsichten, sondern verzeichnen mit 43 % auch einen grossen Anteil erneuter Spenden seit der Befragung. Insgesamt wurden 14 Zwangsabwanderer in dieser Studie identifiziert. Zwangsabwanderer spenden teilweise auch sehr kleine Beiträge, was auf ihren guten Willen und die schlechte finanzielle Situation zurückgeführt werden kann. Zwangsabwanderer 1.01 Die Interviewte ist eine 70 jährige pensionierte Sozialarbeiterin, die nur noch wenig Geld zur Verfügung hat und deshalb vielerorts einsparen musste. Aus finanziellen Gründen ist es ihr nicht mehr möglich zu spenden, was sie selbst bedauert. Die Organisation war immer eine der wichtigsten NPO und diese möchte sie (zusammen mit zwei anderen) auch treu bleiben, obwohl sie ja die Möglichkeit der Unterstützung nicht mehr hat. Sie spendete mindesten an 5 grösseren NPO aus verschiedenen Tätigkeitsgebieten per Bankzahlung (jährlich 600-900 Franken) und viel bei Kirchkollekten, musste aber auch die andere Spendentätigkeit einstellen. Sie war immer sehr zufrieden mit der NPO. Sie hat von 1995 bis 2004 insgesamt 12 Spenden an die Organisation getätigt und seit der Befragung erneut gespendet.
313
6.6.7 Übersicht über die Abwanderungstypen Bei der Zuordnung der einzelnen Probanden zu den gebildeten Typen hat sich gezeigt, dass auch nach mehrfacher Anpassung der Typ-Definitionen einzelne Fälle schwierig einzuordnen waren. Nicht sämtliche Fälle eines Typs weisen alle Typen-Merkmale auf und nicht alle Merkmale sind gleichbedeutend für die Zuteilung. Während einzelne Typen durch ein dominantes Merkmal bestimmt werden, sind bei anderen mehrere relevante Eigenschaften ausschlaggebend. Innerhalb einzelner Typen weisen nicht immer alle Probanden sämtliche Merkmale auf. Je nach Typ sind einzelne Merkmale von unterschiedlicher Bedeutung. So ist der ‚Wunsch nach Abwechslung’ bei den Variety Seekern das entscheidende Zuteilungskriterium. In Tabelle 40 wird die Typologie der Spenderabwanderung mit den einzelnen Merkmalen übersichtlich dargestellt. Die hervorgehobenen Felder stellen besonders bedeutende Merkmale für den entsprechenden Typ dar. Besonders bedeutend für die Einteilung der Probanden ist der Hauptgrund der Abwanderung. Dieser hat Auswirkungen auf den Prozess und die Rückgewinnungsmöglichkeit der Probanden. Somit sind auch gezielte typspezifische Massnahmen für das Fundraising notwendig und möglich, worauf in Abschnitt 7.2 noch genauer eingegangen wird. Dabei werden auch die typspezifischen Rückgewinnungsbedingungen aufgezeigt.
314
Gering
Different
Different
Hoch
Mittel
Different
Wenige oder viele
Viele
Different
Wenige
Bewusstheitsgrad der Abwanderung Rückgewinnungsmöglichkeit Dominante kritische Ereignisse Dauer der Abwanderung Hauptursache der Abwanderung
Unbewusst
Keine Beziehung
Bewusst
Bewusst
Bewusst
Bewusst
Hoch
Hoch
Mittel
Mittel bis gering
Eher gering
Hoch
Spenderinitiiert
Spenderinitiiert
Spenderinitiiert
NPOinitiiert
Spenderinitiiert
-
Kurz
Mittel
Konkurrenzinitiiert Lang
Different
Kurz
Fehlende Kontrolle
Unkonstante, spontane Unterstützung Unkontrolliertes Wechseln
Wunsch nach Abwechslung
Zu viele Anfragen
Kritisches NPOinitiiertes Ereignis
Finanzielle Schwierigkeiten
Wunsch nach Abwechslung
Einige fix, andere spontan
Different
Treue Unterstützung
Einstellung zum Treue UnWechseln terstützung
Zwangsabwanderer
Gering
Variety Seeker
Gering
Unkonstante Spender
Stellenwert der NPO Anzahl unterstützter NPO
Unbewusste Abwanderer
Unzufriedene Abwanderer
Typologie der Spenderabwanderung Frustrierte Abwanderer
Tabelle 40:
Nebst den typenbildenden Merkmalen von Tabelle 40 unterscheiden sich die Abwanderungstypen auch in ihrem Spendenverhalten und einigen soziodemografischen Grössen. Diese sind in Tabelle 41 aufgeführt. Da die Anzahl Probanden bei einzelnen Typen sehr gering ist und nicht alle Daten sämtlicher Probanden verfügbar waren, ist die Aussagekraft einzelner Grössen eingeschränkt.
315
316
6.05 19 3.082 5.63 16 3.030 3.60 10 2.413 4.13 8 2.232 6.00 5 2.915 6.21 14 3.191 5.43 72 2.973
42.39 19 24.799 50.57 16 49.221 38.71 10 16.664 30.18 8 20.540 25.70 5 12.252 29.61 14 15.019 38.70 72 29.429
81.67 19 89.679 63.28 16 44.687 95.26 10 104.014 48.70 8 19.522 29.77 5 8.469 40.53 14 30.621 64.20 72 66.965
352.34 19 242.118 331.56 16 274.625 242.39 10 205.059 210.63 8 170.009 188.00 5 124.579 223.13 14 183.429 280.17 72 223.573
Alter
Spendensumme
9.53 19 7.042 8.06 16 5.183 6.20 10 4.237 7.13 8 4.518 8.00 5 4.848 8.07 14 5.015 8.08 72 5.443
Spendenvolumen pro Jahr
MW N Std.abw MW Unkonstante N Spender (N=16) Std.abw MW Variety Seeker N (N=11) Std.abw MW Frustrierte N Abwanderer (N=9) Std.abw Unzufriedene MW N Abwanderer (N=6) Std.abw MW ZwangsabN wanderer (N=14) Std.abw MW Insgesamt N (N=77) Std.abw
Unbewusster Abwanderer (N=21)
Durchschnitts spende
Abwanderungstyp
Dauer der Beziehung
Daten zum Spendenverhalten der Abwanderungstypen Anzahl Spenden
Tabelle 41:
53.90 20 9.846 63.07 15 14.033 47.64 11 13.411 63.11 9 10.068 64.50 6 18.458 58.71 14 12.755 57.67 75 13.465
7 Diskussion In diesem Kapitel werden die zu Beginn aufgestellten Forschungsfragen und die theoriegeleiteten Unterfragestellungen anhand der Ergebnisse der empirischen Untersuchung beantwortet. Darüber hinaus werden einige zentrale Erkenntnisse der Studie zusammenfassend präsentiert. Aufbauend auf den Erkenntnissen werden Handlungsempfehlungen für das Fundraising abgeleitet und erläutert. Schlussendlich wird eine kritische Würdigung der eigenen Studie vorgenommen und Empfehlungen für zukünftige Forschungsvorhaben abgegeben.
7.1 Beantwortung der Forschungsfragen Bevor die vier Hauptfragestellungen ausführlich diskutiert werden, sollen zuerst die theoriegeleiteten Unterfragestellungen schrittweise behandelt werden. Im Hinblick auf die Auslöser der Abwanderung standen die folgenden beiden Fragen im Zentrum: UF 1-1: UF 1-2:
Welche Faktoren lösen einen Spenderabwanderungsprozess aus? Unterscheiden sich Auslöser und Abwanderungsgründe?
Wie die Untersuchung gezeigt hat, kann die Spenderabwanderung durch sehr unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden. Die Auslösung eines Abwanderungsprozesses kann seinen Ursprung sowohl beim Spender wie auch bei der NPO oder der Konkurrenz haben. Vielfach kann allerdings nicht eindeutig identifiziert werden, welcher Einflussfaktor den Prozess ausgelöst hat. Dies wird dadurch begründet, dass Spender oft sehr affektiv und impulsiv agieren und sich deshalb nicht genau erinnern können, wann und was dazu geführt hat, dass sie zum ersten Mal an eine Abwanderung gedacht haben. Besonders wenn der Prozess schleichend ausgelöst wird, 317
B. Hunziker, Abwanderungsverhalten von Spendern, DOI 10.1007/978-3-8349-6308-6_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
durch beispielsweise eine zunehmende Unzufriedenheit aufgrund der vielen Anfragen, kann kein genauer Zeitpunkt der Prozessauslösung festgehalten werden. Am einfachsten können Auslöser identifiziert werden, die zu einer schnellen Abwanderung führen. Dies sind besonders plötzlich auftretende finanzielle Einbussen der Spender oder sehr stark negativ empfundene Aktionen der NPO. Gerade bei sofortiger Abwanderung zeigt sich, dass Auslöser und Abwanderungsgründe identisch sein können. Deshalb ist die gleiche Kategorisierung von Auslösern und kritischen Ereignissen sinnvoll. Da der Abwanderungsprozess bei der Spenderabwanderung meist weniger stark kognitiv gesteuert wird, als beispielsweise bei der Abwanderung gebundener Dienstleistungskunden,901 sind die Auslöser der Spenderabwanderung von untergeordneter Bedeutung. Insbesondere bei ,unbewussten Abwanderern’ und ‚unkonstanten Spendern’ lässt sich kein bewusster Prozess und damit auch kein Auslöser identifizieren. UF 2-1:
Welche soziodemografischen Grössen beeinflussen das Abwanderungsverhalten?
Da das Spendenverhalten der Probanden auch deren Abwanderungsverhalten beeinflusst, sind dieselben soziodemografischen Grössen, die das Spenden beeinflussen auch bei der Abwanderung von Bedeutung. So sind vor allem der Lebenslauf des Spenders und damit sein Alter und seine finanziellen Bedingungen relevant. Dies trifft insbesondere auf die ‚Zwangsabwanderer’ zu, welche aufgrund von Investitionen oder schlechter Altersvorsorge keine Spenden mehr entrichten können. Mit zunehmendem Alter steigt die Zahl der ‚frustrierten Abwanderer’. Dies liegt u.a. daran, dass mit zunehmendem Alter die Zahl der Spendenanfragen steigt, da ihre Adresse in immer mehr Datenbanken Eingang gefunden hat. Das Alter hat auch einen Einfluss auf den Wunsch nach Abwechs901
Vgl. dazu beispielsweise die Studien von Michalski (2002); Roos (1999a).
318
lung. Empirische Untersuchungen der Konsumentenforschung haben gezeigt, dass jüngere Personen eher nach Abwechslung suchen als ältere.902 Dies wird mit der vorliegenden Studie in so fern bestätigt, dass der Abwanderungstyp ‚Variety Seeker’ deutlich jünger ist als die anderen Typen. Unterschiede zwischen Frauen und Männern konnten nur ansatzweise beobachtet werden. Der einzige Abwanderungstyp, bei welchem mehr Männer als Frauen vertreten sind, ist jener der ‚frustrierten Abwanderer’. Dies kann ein Anzeichen dafür sein, dass sich Männer schneller über zu viel Post ärgern und stärker darauf reagieren. Dafür können die genderspezifischen Spendenpräferenzen verantwortlich sein: Frauen spenden generell breiter gestreut und Männer bevorzugen es eher weniger NPO zu unterstützen, dafür mit höheren Beiträgen. Auch wenn die männlichen Probanden im Durchschnitt weniger aber dafür höhere Spenden an die befragte NPO entrichtet haben, lassen sich aufgrund der kleinen Stichprobe diese Annahmen nicht eindeutig bestätigen. UF 2-2:
Welchen Einfluss haben Spendenmotive auf das Abwanderungsverhalten?
Da Spender meist ein Bündel von Motiven haben, sich deren aber kaum bewusst sind, konnte kein wesentlicher Einfluss einzelner Spendenmotive auf die Abwanderung erkannt werden. Die Ausnahme stellt der persönliche Bezug zu einer NPO dar. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein Motiv im eigentlichen Sinne, sondern um einen äusseren Anlass für das Spenden. Besteht ein solcher Bezug, kann dies zu höheren oder mehr Spenden führen. Bei ‚frustrierten Abwanderern’ und ‚Zwangsabwanderern’ kann die Abwanderung aufgrund einer Konzentration auf weniger NPO stattfinden. Dabei wird in der Regel zuerst die Unterstützung von NPO eingestellt, zu welchen kein persönlicher Bezug besteht. So-
902
Siehe dazu beispielsweise Givon (1984), S. 16 ff.; Meixner (2005), S. 55. 319
mit kann ein persönlicher Bezug vor Abwanderung schützen oder zumindest die Beziehungsdauer verlängern. UF 2-3: UF 2-4:
Welchen Einfluss hat die Beziehungsdauer auf die Abwanderung? Welche Rolle spielt die Spendenhistorie eines Spenders beim Abwanderungsverhalten?
Bezüglich Spendenhistorie und Beziehungsdauer konnten nur wenige Erkenntnisse im Hinblick auf die Abwanderung gewonnen werden. Dies liegt an der geringen Fallzahl und den unvollständigen Spenderdaten. Die Beziehungsdauer unterscheidet sich nicht auffällig zwischen den einzelnen Abwanderungstypen. Die geringste Beziehungsdauer weisen die ‚Variety Seeker’ und die ‚Frustrierten Abwanderer’ auf mit durchschnittlich rund 4 Jahren. Die restlichen Typen haben eine durchschnittliche Beziehungsdauer von fünf bis sechs Jahren. Dabei ist zu vermerken, dass die ‚Unkonstanten Spender’ auf Einzelspenden reagieren und sich deshalb nicht in einer Beziehung mit der NPO sehen. Die ‚Variety Seeker’ bleiben einer Organisation nicht sehr lange treu. Während ihrer Unterstützungszeit weisen sie allerdings überdurchschnittlich hohe jährliche Spendenbeiträge auf. Die Beziehung ist demzufolge kurz aber intensiv. Die ‚Unbewussten Abwanderer’ verzeichnen in dieser Studie durchschnittlich die längste Beziehungsdauer, die grösste Anzahl geleisteter Spenden und den höchsten bisherigen Spendenwert. UF 2-5:
Beeinflusst der Entscheidprozess beim Spenden die Abwanderung?
Gemäss Annahmen aus dem theoretischen Abschnitt 3.4.2 entscheiden sich Mehrfachspender vorwiegend impulsiv. Dies hat sich bei den Interviews bestätigt. Bei Spendenentscheidungen sind somit affektive und reaktive Prozesse dominant vorherrschend. Dies hat zur Folge, dass auch die Abwanderungsentscheidung stark von affektiven Prozessen beeinflusst wird. Besonders gut ersichtlich ist 320
dies bei den ‚Unkonstanten Spendern’ und den ‚Unbewussten Abwanderern’, die nicht bewusst aufgehört haben zu spenden. Wenn Spender von geplanter und gezielter Unterstützung sprechen, beziehen sie sich damit in erster Linie auf die Kontrolle des Spendenbudgets und nicht auf die Verteilung des Geldes auf die einzelnen NPO. Wechselentscheide sind meist stärker kognitiv gesteuert als Abwanderungsentscheide. So findet bei ‚Variety Seekern’ und ‚frustrierten Abwanderern’ eine gezielte Auswahl der neuen oder verbleibenden Organisationen statt. UF 3-1:
Welche kritischen Ereignisse haben welche Auswirkungen?
Bei den kritischen Ereignissen sind sowohl die Verursacher, als auch die Stärke der wahrgenommenen kritischen Ereignisse bedeutend für die Abwanderung. Besonders stark negativ empfundene organisationsinitiierte Ereignisse führen zur sofortigen Abwanderung. Der Einfluss der Konkurrenz wird meist weniger stark empfunden, weshalb konkurrenzinitiierte Ereignisse meist einen längeren Abwanderungsprozess zur Folge haben. Auch bei spenderinitiierten Ereignissen ist die wahrgenommene Stärke für die Abwanderungsdauer ausschlaggebend. Bei gravierenden finanziellen Einbussen oder Veränderungen im Umfeld des Spenders führt dies meist zu rascher, totaler Abwanderung. Geringe finanzielle Einbussen oder zwischenzeitlich höhere Ausgaben führen meist zu einem Abwanderungsprozess und oft zu teilweiser Abwanderung (kleinere Beträge oder weniger NPO). UF 3-2:
Handelt es sich bei der Spendenabwanderung um einen Prozess (komplexe Abwanderungsgründe)?
Im Unterschied zu Kunden von notwendigen Leistungen oder Kunden mit Wechselkosten, wird die Abwanderung (der Wechsel) von Spendern sehr einfach und schnell vollzogen. Deshalb findet bei der Spenderabwanderung vielfach kein eigentlicher Prozess 321
statt. Trotzdem haben auch bei der Spendenabwanderung oft mehrere kritische Ereignisse zur Abwanderung beigetragen. Der Bewusstheitsgrad des Abwanderungsprozesses ist allerdings deutlich geringer, als bei Kunden die Abwanderungskosten verspüren oder Informationskosten haben, um einen neuen Anbieter zu evaluieren. Der Abwanderungsprozess verläuft deshalb bei Spendern oft schleichend, was sich auch daran zeigt, dass die Probanden sich kaum detailliert über Dauer und Ablauf des Prozesses äussern können. UF 3-3:
Welche Art der Abwanderung ist bei Mehrfachspendern vorherrschend?
Die unbewusste Abwanderung ist jene, die in der vorliegenden Studie am häufigsten vorgekommen ist. Zurückzuführen ist dies auf das oft sehr spontane, unkonstante und unkontrollierte Spenden. Gerade Spender die sehr viele NPO unterstützen, wissen oft nicht wann und wie oft sie einer Organisation spenden. Die fehlende Kontrolle führt letztlich dazu, dass einzelne Organisationen unbeabsichtigt längere Zeit keine Spenden erhalten. UF 3-4:
Welchen Einfluss hat die Konkurrenz auf die Spenderabwanderung?
Die Konkurrenten haben auf zwei Arten einen Einfluss auf die Spendenabwanderung. Einerseits werben Konkurrenten mittels spezifischer Anfragen Spender ab. Andererseits führt die zunehmende Gesamtzahl der Konkurrenten und damit Anfragen dazu, dass Spender verärgert werden und nicht mehr oder anders spenden. Der erste Einfluss ist besonders bei Spendern von Bedeutung, die unregelmässig spenden. Diese reagieren stärker auf Einzelaufrufe und unterstützen Organisationen nicht konstant. Diese Spender können relativ leicht zurück gewonnen werden, indem sie mit erneuten Anfragen konfrontiert werden. Dabei muss ihnen die einzelne Anfrage sinnvoller, notwendiger oder sympathischer erschei322
nen, als vergleichbare Anfragen der Konkurrenz. Das Abwerben von konstanten Spendern kann durch spezielle Angebote erfolgen, welche die Konkurrenz nicht anbietet oder von den Spendern stärker präferiert werden. Konstante Spender sind allerdings schwieriger zu einem Wechsel zu bewegen. Oft spielen bei solch langfristigen Wechseln zu Konkurrenten noch weitere kritische Ereignisse eine Rolle, wie beispielsweise negative Erfahrungen mit der ursprünglichen NPO oder Veränderungen der Prioritäten des Spenders. Die zunehmende Gesamtzahl der Konkurrenten ist für den Spendenmarkt problematisch, da verärgerte Spender teilweise keine Spenden mehr entrichten und dem Sektor verloren gehen. Darüber hinaus ist die Rückgewinnung dieser ‚frustrierten Abwanderer’ schwierig zu bewerkstelligen. UF 3-5:
Werden bei der Spenderabwanderung „Wechselkosten“ wahrgenommen und welche Rolle spielen diese für die Abwanderung?
Ungebundene Spender verspüren keine Wechselkosten, da das Einstellen der Spenden keinen Aufwand verursacht. Darüber hinaus existieren sehr viele Alternativen, die mit ihren Aufrufen das Wechseln einfach ermöglichen, ohne dass Spender selbst aktiv Informationen suchen müssen. Auch gebundene Spender über LSV verspüren kaum Abwanderungskosten durch die Kündigung. In der Schweiz sind trotzdem nur wenig Spender bereit ein LSV zu vereinbaren. Diejenigen, die ein solches unterzeichnen, sind meist vertraut mit Onlinegeschäften, weshalb ihnen die Abwanderung ebenfalls sehr leicht fällt. Die meisten Spender weisen auch keine starke emotionale Verbundenheit mit der Organisation auf, da Spender sich eher mit dem Zweck als mit der Organisation verbunden fühlen. Der Abwanderungsprozess von Spendern beinhaltet meist kein Risiko und keine Informationskosten. Die fehlenden Wechselkos-
323
ten führen dazu, dass die Abwanderung oft spontan und schnell vollzogen wird. UF 3-6:
Welche Bedeutung haben Beschwerden bei der Spenderabwanderung?
Da keine Wechselkosten wahrgenommen werden und viele alternative Anbieter zur Auswahl stehen, werden Beschwerden im Vergleich zur Abwanderung als relativ aufwendig empfunden. Deshalb kommt es nur in Ausnahmefällen zu Beschwerden. Spender die sich beschweren, weisen in der Regel ein hohes affektives Commitment auf. Werden die Beschwerden zur Zufriedenheit behandelt, sind Spender meist wieder bereit zu spenden. UF 3-7:
Wie ist das Verhältnis zwischen Spender-, Konkurrenz- und NPO-bezogenen Abwanderungsgründen?
Grundlegende Fehler einer NPO führen dazu, dass viele Spender sofort abwandern, wenn ihr Vertrauen nicht mehr uneingeschränkt vorhanden ist. So haben viele Probanden angegeben, dass sie sofort die Unterstützung einstellen würden, wenn publik wird, dass Spendengelder hinterzogen oder missbraucht wurden. Schafft es eine NPO, solche Fehler zu vermeiden – wie dies bei der Fallstudie eingetreten ist – sind die spenderbezogenen Abwanderungsgründe die am häufigsten auftretenden. Der zunehmende Konkurrenzdruck führt aber dazu, dass vermehrt auch konkurrenzbezogene Abwanderungsgründe relevant werden. UF 3-8:
Welche Bedeutung hat das Variety Seeking bei der Spendenabwanderung?
Viele Spender möchten mehrere Organisationen begünstigen und wechseln deshalb ihre Unterstützung ab. Dabei sind zwei Arten von ‚Variety Seekern’ zu unterscheiden. Einerseits gibt es Spender die innerhalb eines Optionensets wechseln. Diese bleiben den NPO zwar treu, wechseln aber spontan zwischen diesen ab. Deshalb 324
wird die einzelne NPO meist sehr unregelmässig und mit eher kleinen Beiträgen unterstützt. Andererseits gibt es ‚Variety Seeker’, die nur eine kleine Anzahl NPO unterstützen und nach einer bestimmten Zeit die ausgewählten Organisationen wechseln. Dabei beenden sie die Beziehung zu einer NPO, um eine andere zu begünstigen. In der vorliegenden Studie war jeder siebte Proband ein ‚Variety Seeker‘ und hat aufgrund seines Wunsches nach Abwechslung die Unterstützung beendet. Damit ist das Variety Seeking ein oft auftretendes Phänomen beim Spenden. UF 4-1:
Welche Bedingungen werden aus Sicht der ehemaligen Spender an die Rückgewinnung gestellt?
Wie sich in der Befragung der Probanden gezeigt hat, sind Spender meist bereit, wieder für die NPO zu spenden. Die Bedingungen sind allerdings je nach Abwanderungstyp unterschiedlich:
Unbewusste Abwanderer müssen sich über die ausbleibenden Spenden bewusst werden. Unkonstante Spender tätigen vorwiegend Einzelspenden und können durch weitere Anfragen zurückgewonnen werden, sofern sie diese als unterstützungswürdig und sinnvoll erachten. Variety Seeker werden eine gewisse Zeit lang bewusst andere NPO unterstützen, weshalb in erster Linie die verstrichene Zeit eine Bedingung darstellt. Frustrierte Abwanderer haben ein bewusst verändertes Spendenverhalten, weshalb die NPO beim Spender eine höhere Priorität erhalten müsste. Konstante Unterstützungsmöglichkeiten mit geringer Kommunikation (Anzahl Briefe) werden bevorzugt. Auch eine finanzielle Verbesserung der eigenen Situation kann dazu führen, dass erneut gespendet wird. Unzufriedene Abwanderer können vor allem durch eine Reaktion der NPO zurück gewonnen werden. Beispielsweise kann ein aufgeklärtes Missverständnis, eine Erklärung für ein bestimmtes Agieren der NPO oder das Eingehen auf die Spenderwünsche zur Wiederaufnahme der Spendenbeziehung führen. Zwangsabwanderer stellen die Bedingungen der Rückgewinnung an ihre eigene Situation, die sich verbessern müsste.
325
UF 4-2:
Führen unterschiedliche Auslöser zu unterschiedlichen Ergebnissen?
Bei der Abwanderung ungebundener Spender sind oft nicht die Auslöser des Prozesses, sondern die Hauptursachen der Abwanderung von zentraler Bedeutung. Ausgenommen sind diejenigen Abwanderungen, bei welchen der Auslöser gleichzeitig einziger Abwanderungsgrund ist. Wie bei den einzelnen kritischen Ereignissen innerhalb des Prozesses ist auch bei den Auslösern nicht die Art, sondern die Intensität der Auslöser wesentlich. Insbesondere bei zufriedenheitsbasierter Abwanderung ist das Ergebnis von der Stärke des kritischen Ereignisses oder Auslösers abhängig. Je stärker die Unzufriedenheit ist, desto schneller findet die Abwanderung statt und desto schwieriger gestaltet sich die Rückgewinnung. Somit hat auch bei den Spendern das „Energy Level“ einen Einfluss auf die Abwanderung.903 So führt beispielsweise ein Skandal durch die Veruntreuung von Spendengeldern zu stark verärgerten Spendern, die sofort und oft unwiderruflich die Unterstützung einstellen. Letztlich ist somit nicht die Art des Auslösers für das Ergebnis entscheidend, sondern die Stärke und Intensität der auftretenden kritischen Ereignisse. UF 4-3:
Spielt die Mund-zu-Mund-Propaganda bei Spendern eine Rolle?
Spender sprechen kaum über ihr eigenes Spendenverhalten, da sie dies als Privatsache erachten. Damit sollen auch externe Kritik und Rechtfertigungsdruck des eigenen Spendens vermieden werden. Die Mund-zu-Mund-Propaganda ist entsprechend nicht so bedeutend, wie dies beispielsweise bei Dienstleistungen der Fall ist. Gespräche finden vorwiegend über (politische) Aktualitäten, die das Spenden und den Dritten Sektor betreffen statt. Auch Aktionen einzelner NPO und Entwicklungen auf dem Spendenmarkt können zu Gesprächsthemen gehören. Die Grundlage bilden dabei meist 903
Vgl. zum Energy Level Roos et al. (2004), S. 256 ff.
326
Presseberichte. Somit können Weitererzählungen der Spender als Verstärker von negativen Presseberichten fungieren. UF 4-4:
Gehen abgewanderte Spender dem Sektor verloren oder nur der Organisation?
Spender, die eine Beziehung zu einer NPO einstellen, unterstützen meist weiterhin andere NPO. Dies trifft insbesondere auf ‚Variety Seeker’ und ‚unzufriedene Abwanderer’ zu. Werden Spenden aus finanziellen Gründen nicht mehr getätigt, kann dies dazu führen, dass gar keine Spenden mehr getätigt werden. Dies ist allerdings abhängig von der Ausprägung der finanziellen Veränderung. Wird weniger gespendet, ist der Stellenwert der einzelnen NPO ausschlaggebend, ob diese noch unterstützt wird oder nicht. Gleiches trifft auf ‚frustrierte Abwanderer’ zu, bei welchen eine totale Abwanderung vom Spendenmarkt möglich ist, je nach Frustrationsgrad. Im Zentrum der vorliegenden Studie standen die folgenden vier Forschungsfragen: 1. 2. 3. 4.
Weshalb beenden Spender ihre Unterstützung einer Organisation? Welche Typen der Spenderabwanderung existieren? Wie kann die Spenderabwanderung verhindert werden? Können abgewanderte Spender zurück gewonnen werden?
Die Ergebnisse der empirischen Studie wurden bereits in Kapitel 6 ausführlich besprochen. In diesem Abschnitt werden in Bezug auf die Forschungsfragen die zentralen Ergebnisse zusammengefasst präsentiert. Die Gründe weshalb Spender nicht mehr spenden sind sehr unterschiedlich und oft sind mehrere Einflussfaktoren für die Abwanderung ausschlaggebend. Zur Strukturierung und besseren Überschaubarkeit wurden sechs verschiedene Abwanderungstypen identifiziert, welche sich im Hinblick auf ihre Abwanderungsgründe,
327
wie auch den Abwanderungsprozess unterscheiden. Der Abwanderungstheorie zufolge ist die Zufriedenheit ein entscheidender Einflussfaktor der Abwanderung. Auch in der vorliegenden Studie hat sich gezeigt, dass unzufriedene Spender zur Abwanderung neigen. Im betrachteten Sample waren die ‚unzufriedenen Abwanderer’ allerdings die kleinste Gruppe. Unzufriedene Abwanderer sind jene, die vorwiegend nicht mehr spenden, weil sie mit der unterstützten NPO nicht mehr zufrieden sind. Die Unzufriedenheit kann natürlich auch bei den anderen Abwanderungstypen eine verstärkende Rolle einnehmen, so dass eine Abwanderungsentscheidung schneller gefällt wird. Auch bei der Selektion einzelner Organisationen durch ein verändertes Spendenverhalten kann die Zufriedenheit einen wesentlichen Einfluss haben. Der Grossteil der Probanden war allerdings mit der NPO zufrieden. Entsprechend waren bei den anderen Abwanderungstypen andere Gründe ausschlaggebend. Die beiden grössten Gruppen von Abwanderern sind die ‚unbewussten Abwanderer’ und die ‚unkonstanten Spender’. Während die ‚unbewussten Abwanderer’ unbeabsichtigt nicht mehr spenden und sich als aktive regelmässige Spender betrachten, sehen sich die ‚unkonstanten Spender’ nicht als aktive Spender. Sie spenden unregelmässig und sehr impulsiv auf einzelne Aufrufe und betrachten sich nicht in einer Beziehung zur Organisation. Die ‚Variety Seeker’ sind mit der unterstützten NPO zufrieden. Sie wandern ab, weil sie auch andere Organisationen unterstützen möchten. ‚Variety Seeker’ wechseln damit bewusst die Organisation, weil sie einen Wunsch nach Abwechslung verspüren. Die ‚frustrierten Abwanderer’ sind mit der einzelnen NPO meist zufrieden, nicht aber mit der Anzahl Spendenbriefe die sie von den vielen NPO erhalten. Aufgrund der Unzufriedenheit mit den vielen Anfragen und der verspürten Hilflosigkeit, ändern sie meist ihr Spendenverhalten. Sie spenden oft weniger, gar nicht mehr oder nur noch vereinzelt kleinen NPO, zu denen sie einen persönlichen Bezug haben.
328
Die ‚Zwangsabwanderer’ sind sehr gute und treue Spender, denen die unterstützte NPO wichtig ist. Sie können aber aufgrund von Veränderungen im privaten Umfeld – meist mit finanziellen Konsequenzen – nicht mehr spenden. Wie aus der Befragung der ehemaligen Spender hervorgeht, können Spender vielfach zurück gewonnen werden. Nur gerade bei jedem zehnten Probanden wurde eine Wiederaufnahme als eher unvorstellbar betrachtet. Dies betrifft vorwiegend ‚Zwangsabwanderer’, die auch in Zukunft nicht mehr spenden können und ‚unzufriedene Abwanderer’ die nicht mehr spenden möchten. Eine Verhinderung der Abwanderung ist nicht immer möglich, insbesondere bei ‚Zwangsabwanderern’ und ,Variety Seekern’. Mit zielgruppengerechter Spenderansprache kann aber ein Grossteil der Spenderabwanderung verhindert werden. Einerseits kann damit Unzufriedenheit vermieden werden, andererseits können Spender ihren Prioritäten entsprechend agieren, so dass sie zur rechten Zeit eine angemessene Erinnerung erhalten. Weitere Hinweise zur Verhinderung der Abwanderung und zur Rückgewinnung sind im folgenden Kapitel aufgeführt.
7.2 Ableitung von Handlungsempfehlungen Im Fundraising sind betriebswirtschaftliche Denkweisen unerlässlich geworden. Effizienz- und Effektivitätskriterien sind auch für NPO wichtig, insbesondere in Bereichen wo sie unter Konkurrenzdruck stehen. Eine Orientierung an den Bedürfnissen der Spender und eine Segmentierung mit zielgruppengerechter Kommunikation sind notwendig, um auf dem Spendermarkt bestehen zu können. Erkenntnisse aus der gewinnorientierten Betriebswirtschaft können aber nicht eins zu eins übernommen werden. Instrumente müssen an die speziellen Bedingungen des Fundraising angepasst oder gar eigens entwickelt werden.
329
Die grösste Herausforderung im Fundraising stellen die fehlenden Spenderdaten dar. Ohne Spenderdaten können keine zielund problemgerichteten Massnahmen ergriffen werden. Im ProfitBereich können Unternehmen mit ihren Ressourcen Analysen und Massnahmen ergreifen, ohne damit Kunden zu verärgern, sofern das Preis-Leistungs-Verhältnis der Dienstleistungen und Produkte für die Kunden stimmt. Im Fundraising erwünschen sich die Spender allerdings, dass sämtliche Erträge dem vorgesehenen Zweck zugutekommen. Marktanalysen, Marketinginstrumente und generell Administration und Management sind Spendern unerwünscht, da sie befürchten, dass ihre Spendengelder dafür eingesetzt werden.904 Damit erschwert sich die Datenbeschaffung der spendenfinanzierten NPO und somit die Ziel gerichtete Arbeitsweise sowohl bei der Mittelbeschaffung, als auch der Mittelverwendung. Vor dem Hintergrund der verstärkten Konkurrenz und der steigenden Fundraisingkosten war eine zentrale Zielsetzung dieser Studie, Erkenntnisse zur Kostensenkung im Fundraising zu gewinnen. Dabei wird der Ansatz postuliert, dass durch bessere Spenderbindung und -rückgewinnung die defizitäre Neuspendergewinnung verringert werden kann. Im Folgenden werden einige Handlungsempfehlungen für die Spendersegmentierung, die Spenderbindung oder Abwanderungsverhinderung, wie auch die Rückgewinnung ehemaliger Spender aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse aus der vorliegenden Studie abgeleitet. 7.2.1 Handlungsempfehlungen für die Spendersegmentierung Mittels Spendersegmentierung können Spender entsprechend ihren Bedürfnissen und Vorlieben angesprochen werden und damit die Anzahl versendeter Briefe reduziert werden. Da NPO allerdings kaum Wissen über die einzelnen Spenderbedürfnisse haben, erschwert sich die Segmentierung. Drei mögliche Wege stehen den 904
Für die vorliegende Untersuchung war es deshalb wichtig, dass den Spendern deutlich gemacht wurde, dass keine Spendengelder dafür verwendet wurden.
330
NPO zur Verfügung um an Spenderdaten für die Segmentierung zu gelangen. Der erste Weg besteht in der direkten Befragung der Spender nach ihren Vorstellungen und Wünschen. Dieser Weg ist deshalb problematisch, weil isolierte Marktforschungsstudien von den Spendern als Verschwendung von Spendengeldern betrachtet werden können. Deshalb sollten solche Rückfragen zusammen mit einem vorgesehen Schreiben stattfinden. Einerseits können einer Spenderaufforderung einige Fragen angehängt werden. Andererseits können einem Dankesschreiben Rückfragen angefügt werden. Die Fragen können sich insbesondere auf die Wünsche der erhaltenen Kommunikation und deren Häufigkeit beziehen. Diese Rückfragen können damit begründet werden, dass die NPO Kosten einsparen und unnötige Briefe vermeiden möchte, was auch ein Anliegen der Spender ist. Wie sich in der Studie gezeigt hat, befürworten viele Spender Anfragen betreffend ihren Kommunikationswünschen, sofern die Wünsche dann auch akzeptiert und eingehalten werden. Den Spendern sollten deshalb realistische Vorgaben gemacht werden, wenn möglich ohne Vereinbarung exakter Häufigkeiten. Spender überschätzen die Häufigkeit der erhaltenen Briefe eher, was sie zu Angaben veranlassen kann, die zu tief sind, wenn sie frei entscheiden können. Insbesondere bei unkonstanten Spendern können zu wenige Kontakte dazu führen, dass die Organisation in Vergessenheit gerät und die Spenden ausbleiben. Eine Auswahl der gewünschten Informationen stellt im Gegensatz zur Häufigkeit kaum Probleme dar. So werden die meisten Spender positiv darauf reagieren, wenn sie gefragt werden, ob sie Dankesschreiben, Spendenbestätigungen für die Steuererklärung, Informationen über langfristige Projekte oder Soforthilfe und Leistungsberichte der Organisation erhalten möchten. Zumindest kann verhindert werden, dass Spender verärgert werden, die einzelne Informationen als überflüssig betrachten.
331
Der zweite Weg, an Informationen über die Spender zu gelangen, liegt im Datenmanagement der vorhandenen Spenderdaten. Besitzen und verwalten NPO eine geeignete Datenbank mit gesammelten Spenderdaten, verfügen sie bereits über viele wertvolle Informationen. Einerseits können damit Gross-, Mittel- und Kleinspender unterschieden werden. Gerade Grossspender können oder müssen anders behandelt werden. Sie beinhalten meist ein grösseres Potenzial und sind weniger sensibel im Hinblick auf die Kosten der NPO, weshalb eine aufwendigere Betreuung angebracht ist. Andererseits können auch die Spendenhistorien analysiert werden. Darin kann beispielsweise erkannt werden, ob Spender regelmässig spenden oder sehr unkonstant. Gerade bei regelmässigen Spendern kann beim Ausbleiben von Spenden an Rückgewinnungsmassnahmen gedacht werden. Eine dritte Möglichkeit, an Spenderdaten zu gelangen, liegt im Beschwerdemanagement. Beschwerden und Rückmeldungen sollten systematisch erfasst und gesammelt werden. Dadurch können Spenderpräferenzen erfasst und Chancen und Gefahren aufgedeckt werden. Wie die Studie gezeigt hat, beschweren sich nur sehr wenige Spender. Trotzdem ist ein gezieltes Beschwerdemanagement von Bedeutung. Einerseits weisen Spender, die sich beschweren, in der Regel eine starke Verbundenheit mit der Organisation auf.905 Sie verfügen somit über ein langfristiges Potenzial, sofern die Beschwerden zur Zufriedenheit der Spender beantwortet werden können. Andererseits können durch das Beschwerdemanagement Fehler und Schwachstellen aufgezeigt werden. Beschwert sich eine Person, kann dies bedeuten, dass sehr viele Spender aus demselben Grund ebenfalls unzufrieden sind, sich aber nicht beschweren sondern abwandern. Für die Organisationen ist es deshalb wichtig, dass sie den Spendern das Beschweren erleichtern, um deren Kosten des Beschwerens zu senken. Umso einfacher Rückmeldungen
905
Siehe dazu auch Raju/Rao Unnava (2006), S. 173 ff.
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möglich sind, desto eher werden sie erfolgen und desto mehr relevante Informationen gelangen an die NPO. 7.2.2 Handlungsempfehlungen für die Abwanderungsminimierung Gelingt es einer NPO, die Abwanderungsrate der Spender zu senken, kann sie damit die Effizienz des Fundraising markant verbessern. Abwanderung kann allerdings nicht immer verhindert werden. Insbesondere spenderinitiierte Abwanderung, die somit ihren Ursprung beim Spender selbst hat, kann nicht vermieden werden. Auch auf die konkurrenzinitiierte Abwanderung hat die einzelne NPO nur wenig Einfluss. Wichtig ist, dass die organisationsinitiierte Abwanderung verringert werden kann. Diese entsteht hauptsächlich durch Unzufriedenheit mit den Leistungen oder der Kommunikation der NPO. Deshalb müssen sämtliche Aktivitäten einer NPO im Vorfeld auf mögliche Fehler und Risiken untersucht werden. Gerade die Kommunikation der NPO mit den Spendern und der Öffentlichkeit birgt viele Gefahren in sich, da Spender sehr unterschiedliche Ansichten, Werte und Wahrnehmungen haben. Wertende Aussagen sind deshalb mit Bedacht einzusetzen und Missverständnisse sind zu vermeiden. Bei Mehrfachspendern ist es wichtig, dass die Anliegen der Organisation klar und prägnant transportiert werden. Mitteilungen müssen entsprechend kurz und informativ sein. Emotionalität kann bei der Spendergewinnung erfolgreich sein, wird von Mehrfachspendern allerdings nur bedingt erwünscht. Wichtig ist, dass die Spender bei jedem Aufruf von der Wichtigkeit des Anliegens der NPO und der Notwendigkeit jeder Spende überzeugt werden können. Dies ist insbesondere bei unregelmässigen Spendern von Bedeutung, die keine wirkliche Beziehung zur NPO aufweisen. Für die NPO ist es auch wichtig, dass sie sich mit ihrer Kommunikation von der Konkurrenz unterscheiden und positionieren können. Spender sind im Hinblick auf die Kommunikationshäufigkeit meist stark sensibilisiert. Deshalb ist es wichtig, dass sie nicht mit
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zu vielen Anfragen konfrontiert werden. Insbesondere bei Spendern, die Anfragen über einen gewissen Zeitraum sammeln, führen mehrere Anfragen derselben NPO zu Verärgerung. Deshalb sollten einzelne Mailing auch einen genügend grossen zeitlichen Abstand aufweisen und nicht in zu kurzer Abfolge versandt werden. Für eine angemessene Kommunikationshäufigkeit muss eine NPO allerdings die Wünsche seiner Spender kennen. Wie bereits Sargeant und Jay erwähnen, stellt die Befragung der Spender nach ihren Präferenzen eine wesentliche Bindungsmassnahme dar. Damit kann einerseits auf die Bedürfnisse der Spender eingegangen werden und andererseits kann die verschwenderische Produktion von Informationsmaterial reduzieren werden, was auch im Interesse der Spender ist.906 7.2.3 Handlungsempfehlungen für die Rückgewinnung Wie die Untersuchung gezeigt hat, können Spender meist zurück gewonnen werden. Je nach Abwanderungstyp sind die Rückgewinnungswahrscheinlichkeiten und die Bedingungen für die Wiederaufnahme der Spendenbeziehung unterschiedlich ausgeprägt. ‚Unbewusste Abwanderer’ haben das Ausbleiben der Spenden nicht beabsichtigt. Sie sehen sich noch als aktive Spender und haben zukünftige Spenden beabsichtigt. Die Bedingung zur Rückgewinnung kann im Bewusstwerden der eigenen Spendentätigkeit gesehen werden. Eine Mitteilung der NPO über die vergangene Spendentätigkeit oder eine Nachfrage beim Spender können diesen dazu veranlassen wieder zu spenden, da ihm bewusst wird, dass er dies vernachlässigt hat. Die ‚Unkonstanten Spender’ haben keine eigentliche Beziehung zur NPO. Sie spenden sehr spontan, Projekt bezogen und reagieren auf einzelne Anfragen. Deshalb können sie durch erneute Anfragen zurück gewonnen werden. Dabei muss die Spendenanfrage den Spender überzeugen, dass seine Spende sinnvoll und 906
Vgl. Sargeant/Jay (2004a), S. 46 f.
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notwendig ist. Die Rückgewinnung erfolgt nicht langfristig, sondern bloss für eine Spendenanfrage und steht in ständigem Wettbewerb mit den Anfragen anderer NPO. Die Rückgewinnung der ‚Variety Seeker’ kann von der NPO nur bedingt beeinflusst werden. ‚Variety Seeker’ haben die Unterstützung bewusst, wegen ihrem Wunsch nach Abwechslung gewechselt. Wechselspender, die innerhalb eines Optionensets wechseln, werden die NPO mit grösserer Wahrscheinlichkeit wieder unterstützen, als Wechselspender die eine Beziehung komplett beenden um eine neue einzugehen. Hauptkriterium der Rückgewinnung ist die verstrichene Zeit seit der letzten Spende. ,Frustrierte Abwanderer’ haben ihr Spendenverhalten meist bewusst geändert, da sie mit den vielen Anfragen unzufrieden waren. Die Rückgewinnung ist aufgrund des bewussten Entscheids, ihr Spendenverhalten zu ändern, schwieriger zu bewerkstelligen als bei anderen Abwanderungstypen. ‚Frustrierte Abwanderer’ spenden teilweise weiterhin an NPO aber hauptsächlich an solche, zu denen sie einen Bezug haben. Die NPO muss demnach versuchen einen Bezug herzustellen oder einen höheren Stellenwert beim Spender zu erreichen. ‚Frustrierte Abwanderer’ präferieren regelmässige Spenden mit eingeschränkter Kommunikation. Diese Möglichkeit kann beispielsweise durch (Förder-)Mitgliedschaften angeboten werden. Mitgliedschaften werden von mehreren Probanden der Studie erwünscht, weshalb deren Potenzial organisationsspezifisch zu eruieren ist. Bei den ‚unzufriedenen Abwanderern’ hängt die Rückgewinnungswahrscheinlichkeit vom Grad der Unzufriedenheit ab. Eine angemessene Reaktion der NPO ist die wichtigste Bedingung für eine Rückgewinnung. Je nach kritischem Ereignis kann die Reaktion in einer Erklärung, Korrektur oder Wiedergutmachung liegen. ‚Zwangsabwanderer’ weisen eine sehr hohe Bereitschaft zur Rückgewinnung auf. Sie spenden allerdings aus privaten Gründen nicht mehr, meist finanziellen. Da die Bedingung für die Rückge-
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winnung eine Verbesserung der (finanziellen) Situation des Spenders ist, kann die NPO sie nicht beeinflussen. Je nach Organisation können bei den ‚Zwangsabwanderern‘ alternative Unterstützungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, beispielsweise durch freiwillige Arbeit. Unterschiedliche Abwanderungstypen stellen unterschiedliche Bedingungen an eine Rückgewinnung. Um zu erfahren, welcher Abwanderungstyp hinter der Abwanderung steckt, sind Rückfragen bei den Spendern notwendig. Auch wenn die meisten Spender gegenüber solchen Rückfragen positiv eingestellt sind, sind damit gewisse Probleme verbunden. Hauptproblem ist die Selektion ehemaliger Spender, da die Unterscheidung zwischen aktiven und ehemaligen nur unpräzise möglich ist. Sehen sich Spender noch als aktive, sollten sie nicht zu direkt als ehemalige angesprochen werden. Einziger Anhaltspunkt für die Selektion ist meist die Spenderdatenbank. Für ein gezieltes Rückgewinnungsmanagement sind oft Rückfragen bei den abgewanderten Spendern notwendig. Mit Rückfragen – beispielsweise durch einen Telefonanruf – können natürlich auch Spender verärgert werden. Da es sich aber um ehemalige Spender handelt, ist das Verlustpotenzial eher gering. Sind diese mit der NPO zufrieden oder fühlen sich gar verbunden, werden sie kaum negativ auf Rückfragen reagieren. Zu Unmut oder Verärgerung können Rückfragen insbesondere bei unzufriedenen Spendern führen, die der Meinung sind, die NPO verschwende zu viel Geld mit Briefen und Werbung. Diese können ein solches Telefonat als Bestätigung ihrer Annahmen betrachten und damit ihre Abwanderung rechtfertigen. Da diese Spender von sich aus aber vermutlich nicht mehr gespendet hätten, ist der Verlust verkraftbar. Ein Vorteil eines Telefonanrufs bei der Rückfrage liegt im Dialog, bei welchem direkt reagiert und Stellung bezogen werden kann. Dabei kann dem Spender aufgezeigt werden, weshalb Marketingmassnahmen ergriffen werden und welche Kosten damit verbunden
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sind. Ist ein ehemaliger Spender definitiv nicht mehr zurück zu gewinnen, können zumindest die Kosten für weitere Anfragen eingespart werden. Bei der Selektion der „ehemaligen Spender“ ist nicht nur deren Spendenhistorie, sondern auch die Höhe der Beiträge relevant. Ein Spender, der kaum den Wert eines Telefonanrufs zur Rückgewinnung gespendet hat, ist schwieriger davon zu überzeugen, dass diese Marketingmassnahme sinnvoll ist. Deshalb sind Kosten-NutzenAbwägungen entscheidend, auch wenn das zukünftige Potenzial mitberücksichtigt werden muss. Für die NPO wären Spenderdaten vorteilhaft, die Rückschlüsse über den Spender geben. Kann beispielsweise anhand der getätigten Spenden der Abwanderungstyp erkannt werden, können Rückgewinnungsmassnahmen gezielter ergriffen werden. So haben in der Studie beispielsweise ‚Zwangsabwanderer’ oft regelmässig geringe Beiträge gespendet, weil ihnen die NPO und ihre Unterstützung weiterhin wichtig ist, sie aber kaum noch über Mittel dazu verfügen. Inwiefern die Spenderdatenbank über die Spendertypen und Abwanderungstypen Aufschluss gibt, muss aber noch untersucht werden. Solche und weitere Vorschläge für zukünftige Forschungsprojekte werden im nächsten Abschnitt aufgeführt.
7.3 Kritische Würdigung der Arbeit Zielsetzung dieser Arbeit war es, das Abwanderungsverhalten von Mehrfachspendern zu erforschen, um einerseits praxisrelevante Erkenntnisse für das Fundraising zu gewinnen und andererseits einen Beitrag zur Schliessung der Forschungslücke und zum wissenschaftlichen Fortschritt zu leisten. Im Hinblick auf die praktische Relevanz der Studie kann auf die zahlreichen Handlungsempfehlungen verwiesen werden. Anhand der Studie wurde die Notwendigkeit des Relationship Ansat-
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zes im Fundraising nachgewiesen. Auch wurde aufgezeigt, dass das Hauptaugenmerk im Fundraising auf der Spenderbindung und -entwicklung liegen muss. Die vorliegende Arbeit hat wertvolle Anhaltspunkte für ein effektives Relationship Fundraising geliefert und Wege aufgezeigt, die für die Spendersegmentierung und Abwanderungsverhinderung gewinnbringend sind. Insbesondere die empirisch begründete Typologie der Spenderabwanderer ermöglicht es zielgruppengerechte Ansprachen und gezielte Rückgewinnungsmassnahmen durchzuführen. Anhand der umfassenden Literaturarbeit und der Aufarbeitung des theoretischen Hintergrundes konnten wichtige Vorkenntnisse gewonnen und in die Befragung einbezogen werden. Darüber hinaus konnte die Forschungslücke präzisiert und zusätzliche aus der Theorie abgeleitete Fragestellungen berücksichtigt werden. Die Zusammenarbeit mit einer spendensammelnden NPO hat den Vorteil mit sich gebracht, dass mittels Datenbank für die Befragung geeignete Probanden ausgewählt und gezielt angeschrieben werden konnten. Da es sich bei den Probanden um ehemalige Mehrfachspender gehandelt hat, konnten die Hintergründe der stattgefundenen Abwanderung und nicht bloss Verhaltensabsichten befragt werden. Das Tatsächliche Verhalten der Spender konnte auch durch die vorhandenen Spenderdaten überprüft werden. Durch diese Triangulation konnte das Spenderverhalten umfassender abgesichert und gründlicher erfasst werden. Darüber hinaus konnte mit der Triangulation eine Vervollständigung der Erkenntnisse und eine Überschreitung der Erkenntnismöglichkeit der Einzelmethode erreicht werden. Aufgrund der Ausgangslage und des Untersuchungsgegenstandes wurde eine qualitative empirische Studie durchgeführt. Die Verwendung etablierter Techniken und Gütekriterien aus der qualitativen Sozialforschung haben die Transparenz erhöht und die Einhaltung der Standardanforderungen qualitativer Forschung erleichtert. Weiter hat die Verwendung der computergestützten Datenana-
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lyse mittels MAXQDA die Auswertungsarbeit erleichtert und die Nachvollziehbarkeit der einzelnen Schritte erhöht. Im Bereich der Spenderabwanderung ist die vorliegende Studie die erste prozessorientierte Untersuchung die sich diesem Phänomen annimmt. Die erstmalige Verwendung der SPAT ein einem neuen thematischen Umfeld kann als wissenschaftlicher Fortschritt dieser Studie betrachtet werden. Somit wurde diese Technik in einem neuen Bereich angewendet und deren Nützlichkeit bei ungebundenen „Kunden“ getestet, die eine nicht notwendige Leistung erwerben.907 Die SPAT hat sich dabei als konzeptioneller Rahmen zur Strukturierung der Spenderabwanderung als nützlich und hilfreich erwiesen. Da sich Spender aber von Kunden in vielerlei Hinsicht unterscheiden, musste die SPAT an den Untersuchungsgegenstand angepasst werden. Die Prozessbetrachtung ist bei der Abwanderungsforschung notwendig, da einzelne kritische Ereignisse zu wenig aussagekräftig sind und der Komplexität des Abwanderungsphänomens nicht gerecht werden. Durch die Studie konnte die Nützlichkeit der SPAT für die Abwanderungserfassung ungebundener Spender bestätigt werden. Dabei wurde sie nicht als Technik im eigentlichen Sinne, sondern zur systematischen Unterteilung und Strukturierung der Abwanderung in Teilbereiche verwendet. Im Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung sind einige Einschränkungen zu vermerken insbesondere was die Allgemeingültigkeit der Resultate betrifft. Die empirische Untersuchung hat sich auf eine Organisation beschränkt, weshalb sie als Fallstudie zu betrachten ist. Auch wenn die ausgewählte NPO als typisches humanitäres Hilfswerk betrachtet werden kann, sind die Ergebnisse nicht eins zu eins auf andere Organisationen übertragbar. Darüber hinaus hat sich die Untersuchung auf Mehrfachspen907
Bisherige SPAT-Studien haben die Abwanderung mehr oder weniger stark gebundener Kunden von notwendigen Dienstleistungen wie Banken, Versicherungen oder Supermärkten untersucht, vgl. dazu bspw. Michalski (2002); Roos (1999b); Roos et al. (2004). 339
der mit geringem Spendenvolumen beschränkt und aufgrund der qualitativen Vorgehensweise eine geringe nicht repräsentative Fallzahl aufgewiesen. Da in der Stichprobe der Studie nur wenige Spender organisationsinitiiert abgewandert sind, sind die Aussagen zur zufriedenheitsbasierten Abwanderung limitiert. Weitere organisationsbedingte kritische Ereignisse sind deshalb denkbar und wahrscheinlich. Auch wenn in der Studie umfassende Erkenntnisse zu den Einflussfaktoren der Spenderabwanderung gewonnen werden konnten, kann aufgrund des Fallstudiencharakters und der geringen Fallzahl kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Die Aussagen zur Abwanderung gebundener Spender, sind relativ beschränkt, da die ausgewählte Organisation keine Patenschaften und verhältnismässig wenige Spender mit LSV hat. Deshalb waren im Sample nur wenige LSV-Spender und keine Spender mit Patenschaften vorhanden. Was die Erfassung des Prozesses mittels SPAT betrifft, hat sich gezeigt, dass Spender den Abwanderungsprozess schlechter reflektieren können, als dies bei Studien von gebundenen Kunden im Dienstleistungssektor der Fall war. Dafür verantwortlich ist das weniger bewusste Vorgehen und die geringere Anzahl kognitiver Evaluationsprozesse bei Spendern. Dadurch sind die Aussagen zu den Prozessauslösern und zur Abwanderungsdauer weniger präzise und von geringerer Bedeutung. Nichts desto trotz hat sich gezeigt, dass auch bei Spendern oft eine komplexe Abwanderung (mehrere Einflussfaktoren) stattfindet und statische, standardisierte Methoden der Komplexität des Abwanderungsphänomens nicht gerecht werden. Mit der präsentierten Studie konnte nur ein Teil der Forschungslücke geschlossen werden. Zur weiteren Schliessung und zur Beantwortung neu aufgetauchter Fragestellungen, werden letztlich Anregungen und Empfehlungen für die weiterführende Forschung gegeben.
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7.4 Anregungen für zukünftige Forschung Wie in der Limitation aufgezeigt wurde, sind die Ergebnisse nur teilweise auf andere NPO übertragbar. Deshalb können organisationsspezifische Untersuchungen präzisere Ergebnisse liefern. Dies trifft insbesondere auf NPO in anderen Tätigkeitsgebieten (bspw. Natur- und Umweltschutz, Politik, Tierschutz,…) und auf kleine Organisationen zu, die stärker über den persönlichen Bezug Fundraising betreiben. Länderspezifische Besonderheiten des Fundraising und des Spendenverhaltens sprechen auch für länderspezifische Studien zur Spenderabwanderung. Da in der vorliegenden Untersuchung vorwiegend ungebundene Mehrfachspender betrachtet wurden, könnten spezifische Studien zu gebundenen Spendern zusätzliche Erkenntnisse liefern. Gebunden Spender haben den grossen Vorteil gegenüber ungebundenen, dass ihre Abwanderung durch die Kündigung einfach erkennbar ist. Dadurch können gezielter Rückgewinnungsmassnahmen eingeleitet werden. Was die Spenderrückgewinnung betrifft, gibt es kaum gesichertes Wissen über deren Chancen und Gefahren. Studien zum Rückgewinnungsmanagement und zu einzelnen Massnahmen, könnten wesentliche Erkenntnisse für das Fundraising zutage bringen. Im Hinblick auf weitere Effektivitäts- und Effizienzkennzahlen des Fundraising können Studien zur Nutzung der Spenderdaten und Datenbanken auf Organisationsebene wichtige Erkenntnisse liefern. Einerseits können Spendenvolumen und Potenzial eines Spenders Auskunft über dessen Ertrag geben. Damit kann der Aufwand zur Spenderbindung und -betreuung angepasst werden, wie auch die damit zusammenhängende Kommunikationshäufigkeit und deren Inhalt. Andererseits könnten durch das Erkennen von Spendenmustern Typen identifiziert werden, die dann zielgruppengerecht angesprochen werden. Gerade zur Identifikation
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ehemaliger Spender wären solche Muster im Spendenverhalten sehr hilfreich. Zur inhaltlichen Analyse der Datenbanken und der Spenderhistorie ist allerdings bislang kaum Forschung betrieben worden. Weil Spender sich meist nur ungenau an ihre Spendentätigkeit erinnern können und ihre Leistungen oft überschätzten, sind Spenderbefragungen zum Spendenvolumen und Spenderverhalten kritisch zu betrachten. Alternative Erhebungsmethoden zum Spendenvolumen sollten in Betracht gezogen werden. Daten könnten beispielsweise bei den NPO selbst oder über Steuerstatistiken erhoben werden.
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Anhang Anhang A: Leitfaden für die Interviews Teil 1: Ausgangssituation (Kundenmerkmale) Teil 2: Auslöser Teil 3: Prozessanalyse Teil 4: Ergebnis Teil 5: Soziodemografische Daten Teil 1: Ausgangssituation (Kundenmerkmale)
Leistungsmerkmale
Beziehungsmerkmale
Begrüssung, Einwilligung zur Aufnahme des Gesprächs mit dem Tonband Warm up: Wie sind Sie auf die NPO aufmerksam geworden? Wie ist die NPO erstmals mit Ihnen in Kontakt getreten? Wie ist die erste Spende zustande gekommen? Motive des Spendens: Aus welchen Gründen haben Sie gespendet? * Dauer der Unterstützung: Seit wann unterstützen Sie die NPO? Commitment/Involvement mit NPO: Liegt Ihnen die NPO X am Herzen? Ich kann mich mit X identifizieren NPO ist von persönlicher Bedeutung Verbundenheit mit der NPO Involvement mit dem Zweck der NPO, das Anliegen ist mir persönlich wichtig: Ich kann mich mit X identifizieren Aktivität hat persönliche Bedeutung Verbundenheit mit Anliegen Unterstützen Sie eher langfristige Projekte oder Not- und Soforthilfe? Spenden sie: Impulsiv, aus dem Bauch heraus, spontan, rational, überlegt, geplant, gewohnheitsmässig? Informieren Sie sich über die Aktivitäten der NPO? Wie? Wie und wie oft treten Sie mit der NPO in Kontakt? Wie viel haben Sie gespendet? In welcher Form haben Sie die Spenden überwiesen? Für welche Aktivitäten der NPO setzten Sie sich besonders ein? Engagement? Jährlicher Beitrag? Reaktion auf bestimmte Mailings? Sehen Sie sich als aktiven Spender? Oder haben Sie die Organisation in letzter Zeit bewusst nicht mehr Unterstützt?
343
B. Hunziker, Abwanderungsverhalten von Spendern, DOI 10.1007/978-3-8349-6308-6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Teil 2: Auslöser Fokus Prozessbeginn/Prozess
Prozess Auslösung
Frage (auf Umgangssprache achten) Sehr geehrte(r) Frau/Herr Muster, bitte erzählen Sie, wie es zur Beendigung der Spendenaktivität kam? Wie es zur Kündigung des LSV kam? Wann haben Sie zum ersten Mal daran gedacht nicht mehr für X zu spenden? War die Entscheidung die Organisation nicht mehr zu unterstützen spontan, oder haben Sie länger geplant diese Beziehung zu beenden? Wenn Sie geplant war, wie sah der Prozess aus? Hatten andere NPO einen Einfluss auf die Auslösung? Oder Veränderungen der privaten Situation?
Teil 3: Prozessanalyse Fokus Prozessdauer Ereignis Ereignis
Ereignis (negativ) Reaktion der NPO
Emotionen
Wechselbarriere: Vertragliche Bindung Wechselbarriere: Emotionale Bindung 344
Frage (auf Umgangssprache achten) Wie lange war der Prozess der Abwanderung? Was ist anschliessend passiert? Gab es noch andere Ereignisse, welche Ihre Entscheidung beeinflusst haben, die Spendenbeziehung zu beenden? Dinge die Sie in Ihrem Vorhaben beeinflusst haben (negativ/positiv)? Wie haben Sie sich bei diesem Ereignis gefühlt? Wie hat die NPO reagiert? Was hätte die NPO machen können, damit Sie nicht abgewandert wären? Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie die Beziehung letztendlich beendet hatten? Haben Sie Ihre Entscheidung hinterfragt oder gar mal bereut? Gabe es Verträge/LSV welche gekündigt werden mussten? Gab es persönliche Bedenken, die Ihre Entscheidung zur Abwanderung beeinflusst haben?
Kündigungssituation Kündigungssituation Vertrauen
Kommunikation
LSV Zufriedenheit
Einstellung zum Wechseln
Bitte erzählen Sie, wie Sie die Spendenbeziehung zur Organisation beendet haben. Wie hat die NPO auf die Kündigung reagiert? Wie wichtig ist Ihnen, dass Sie der NPO, welcher Sie spenden vertrauen? Hat sich Ihr Vertrauen in X verändert? Wie häufig wünschen Sie Kontakt? Wurden sie nach ihrem Informationsbedarf gefragt? Haben LSV-Erfahrung? Haben Sie Vorurteile, Vorbehalte gegenüber LSV? Wie zufrieden waren Sie mit der NPO / mit der Kommunikation vor und nach der Abwanderung? Wechseln sie die NPO ab? Sind sie treu?
Teil 4: Ergebnis Fokus Mund-zu-MundKommunikation Neue Spendenbeziehung Einstellung zur Wiederaufnahme
Bedingungen zur Wiederaufnahme Rückgewinnungsmassnahmen
Beschwerde Beschwerdereaktion Frühwarnindikator: Spendenrückgang Frühwarnindikator: Abwanderungsankündigung
Frage (auf Umgangssprache achten) Haben Sie bis zur Kündigung mit Dritten über Ihre Probleme mit der NPO gesprochen? Haben Sie mit den „eingesparten“ Spenden eine andere Organisation unterstütz? Stellen Sie sich vor, einige Tage nach der Kündigung hätte Sie jemand angerufen und gefragt, ob Sie nicht wieder Spenden möchten. Wie hätten Sie reagiert? Welche Bedingungen würden Sie an die Wiederaufnahme der Spendenbeziehung stellen? Wie hat die NPO nach der Beendigung der Spendenbeziehung reagiert? Kontakt? Wie haben Sie dies aufgenommen? Haben Sie sich bei der Organisation beschwert? Im Beschwerdefall: Wie hat die NPO auf Ihre Beschwerde reagiert? Haben Sie bereits vor der Beendigung die Spenden reduziert? Haben Sie die Absicht der Beendigung angekündigt? 345
Teil 5: Soziodemografische Daten (geschlossene Fragen) Interviewer: „Zum Abschluss unseres Gespräches würde ich mich freuen, wenn Sie mir noch einige konkrete Fragen beantworten könnten. Spenderinformationen: Alter: Familienstand:
Beruf: Kinder:
Haushaltsnettoeinkommen pro Monat: Unter 2000
8000-10000
2000-4000
10000-12000
4000-6000
12000-14000
6000-8000
Über 14000
Gibt es Ihnen nahe stehende Personen, welche ebenfalls für die NPO spenden/gespendet haben? Unterstützen Sie weitere NPO? Wie viele? In welchen Tätigkeitsgebieten? Andere? Wenn ja, welchen Stellenwert hat die besagte Organisation X während der Unterstützungsdauer eingenommen? Unterstützen sie eher grosse NPO? Wie wichtig ist Ihnen die Grösse der NPO? *
Motive für das Spenden Stimme eher zu
Mitleid/Erbarmen Dankbarkeit für empfangene Wohltat Freude am Geben Ausgleich der Gerechtigkeit Persönlicher Bezug / Betroffenheit / Erfahrung Verbundenheit mit Zweck Reaktion auf Anfrage Religiöse Gründe Andere
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Teils/teils
Stimme eher nicht zu
Anhang B
Anschrieben der NPO Begleitbrief Antwortvorlage
LOGO der NPO Frau Hanna Muster Beispielstrasse 12 9999 Nieniken
Liebe Frau Muster In der Vergangenheit haben Sie schon mehrfach für ……NPO…..… gespendet. Dafür möchten wir Ihnen bei dieser Gelegenheit nochmals herzlich danken. Wie Sie aus dem beigelegten Brief entnehmen können, führt das Verbandsmanagement Institut (VMI) der Universität Fribourg eine Befragung von Spenderinnen und Spendern durch, wozu wir Sie herzlich einladen möchten. Bitte seien Sie versichert, dass Ihre persönlichen Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben werden. Wir danken Ihnen noch einmal für Ihr langjähriges Vertrauen und Ihr Interesse in unsere Organisation und stehen für allfällige Fragen gerne zu Ihrer Verfügung unter der Telefonnummer …KONTAKT NR..… (Nahtarif).
Mit freundlichen Grüssen ……NPO…..…
Unterschrift Leiter Fundraising & Kommunikation 347
Verbandsmanagement Institut (VMI) Institut pour le management des associations Postfach 1559 CH-1701 Freiburg
Genf, 18. 01. 2008
IHRE MEINUNG IST UNS WICHTIG! Praktisch alle Nonprofit-Organisationen, so auch XXX, sind auf Spendengelder angewiesen. Trotz aller Bemühungen entscheiden sich Spenderinnen und Spender immer wieder, die Unterstützung von Nonprofit-Organisationen und damit die Beziehung zu denselben einzustellen. Aber auch aus dieser Situation können Nonprofit-Organisationen lernen, wenn es gelingt, die Gründe dafür zu erfahren. Zu diesem Zweck führt das Verbandsmanagement Institut (VMI) der Universität Fribourg im Rahmen eines Forschungsprojektes und mit Unterstützung von XXX eine Befragung von ehemaligen Spenderinnen und Spendern durch, zu deren Teilnahme wir Sie herzlich bitten. Herr Beat Hunziker von der Universität Fribourg wird die ehemaligen Spenderinnen und Spender persönlich befragen. Die Gespräche, die in der Regel eine Dauer von 15-20 Minuten haben, werden telefonisch durchgeführt. Um allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für Ihre Zeit und Mühe zu danken, erhalten Sie vom VMI 20 Franken als kleine Entschädigung. Selbstverständlich werden Ihre Angaben vertraulich behandelt und entsprechend den Datenschutzbestimmungen anonym ausgewertet. Es würde uns ausserordentlich freuen, wenn Sie an dieser Befragung teilnehmen und damit dazu beitragen, dass die Dienstleistungen von NonprofitOrganisationen für Spenderinnen und Spender weiter verbessert werden. Wir bedanken uns bereits heute für Ihre Zusage, die Sie durch den bereits frankierten Rücksendeumschlag, per E-Mail ([email protected]) oder mittels beigelegter Faxantwort übermitteln können. Für Fragen steht Ihnen Beat Hunziker ([email protected]) vom VMI jederzeit sehr gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüssen Verbandsmanagement Institut
Prof. Dr. Bernd Helmig
lic.rer.pol. Beat Hunziker
Direktor des VMI
Tel +41 26 / 300 84 00
348
Fax +41 26 / 300 97 55
[email protected]
www.vmi.ch
Fax/Brief Rückantwort Verbandsmanagement Institut (VMI) Universität Freiburg/Schweiz Postfach 1559, CH-1701 Freiburg
Telefon: +41 26 / 300 84 09 Fax: +41 26 / 300 97 55 E-Mail: [email protected]
Ja, ich nehme an der Studie/Befragung teil Sie können mich telefonisch am besten erreichen (Bitte geben Sie die Termine an, an welchen Sie am besten erreichbar sind):
Tageszeit:
Wochentag:
Jederzeit
jeden Tag
am Vormittag
Montag
am Mittag
Dienstag
am Nachmittag
Mittwoch
am Abend
Donnerstag
Freitag
am Wochenende
Name:
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Vorname
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Strasse/Nr.
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PLZ/Ort
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Tel.
..............................................................................................................................................
E-mail
..............................................................................................................................................
_________________________________________________________________________________________
Datum:
.................................................... Unterschrift
........................................................................
Sämtliche Angaben werden vertraulich behandelt und entsprechend den Datenschutzbestimmungen anonym ausgewertet! Bitte die Rückantwort bis zum 28. März 2008 an die Fax Nummer: +41 (0)26 300 97 55 faxen, oder per Post mittels beigelegtem Rückantwortumschlag zurücksenden. Besten Dank Beat Hunziker, Verbandsmanagement Institut (VMI), Postfach 1559 CH-1701 Freiburg
Tel +41 26 / 300 84 00
Fax +41 26 / 300 97 55
[email protected]
www.vmi.ch
349
Anhang C Codierregeln Anweisungen zum Codieren der Interviews und dem Umgang mit dem Codierleitfaden 5. 6. 7. 8. 9. 10.
11.
12.
13.
350
Die Interviewtexte werden nicht verändert. Orthografische und grammatikalische Fehler werden nicht korrigiert. Es wird so wenig Interviewtext wie möglich codiert. Die Aussagen sollten jedoch nachvollziehbar und verständlich sein. Die Frage des Interviewer wird mit codiert, wenn die Aussagen nicht verständlich und selbsterklärend sind. Einzelne Antworten können mehreren Codes zugeordnet werden Ö Mehrfachcodierungen Verschiedene Antworten werden einem Code zugeordnet. Die Häufigkeit der codierten Textstellen wird für die Auswertung des Interviews nicht berücksichtigt. Ausschlaggebend ist lediglich, ob eine Textstelle codiert werden konnte. Die Fragen aus dem Interviewleitfaden, welche für die Auswertung und die entsprechenden Var-label von Relevanz sind, werden im Codierleitfaden aufgeführt Bei einzelnen Var-label sind keine Fragen angegeben, da im Interviewleitfaden keine expliziten Fragen zu diesen gestellt wurden. Var-label, welche vor der Auswertung aufgrund der Theorie formuliert wurden, jedoch in den Interviews nicht vorgefunden werden konnten, bleiben im Codierleitfaden ersichtlich, verfügen aber über keine Definitionen, Ankerbeispiele und Codierregeln. Die Ankerbeispiele stammen aus den ausgewerteten Interviews.
Anhang D
Kategorienleitfaden Phase A: Thematisches Codieren und Themenanalyse Kategorienleitfaden Phase B: Dimensionalisierung und Feincodierung
Kategorienleitfaden Phase A: Thematisches Codieren und Themenanalyse Kategorie 1: Ausgangssituation Kategorie
Definition
Ankerbeispiel
Codierregel / Anmerkungen
Bezug zur NPO
Vorhandensein von Involvement, Erfahrungen mit der NPO oder einem besonderen Bezug, einer besonderen Verbindung mit der NPO
„hm indirekt, also ich meine es betrifft auch meine Arbeit aber ich kenne auch mehrere Leute die dort schon tätig gewesen (sind). Und ich habe es mir natürlich auch schon überlegt, ja schon.“
Sämtliche Textstellen, die einen Hinweis auf einen Bezug des Spenders zur NPO geben werden codiert, egal ob bei der direkten Abfrage oder im Verlauf des Gesprächs.
Beziehungsbeginn
Beziehungsdauer
Zustandekommen der Spenderbeziehung (Beginn der Beziehung, Aufmerksamkeit auf die NPO)
Dauer der Beziehung zwischen NPO und Spender
BH: Sie haben auch keinen persönlichen Bezug zur Organisation? A: „Nein, eigentlich nicht.“ „Vermutlich erhielt ich irgendwann einmal Post von ihnen.“ „ui, das weiss ich nicht mehr, das ist schon so lange her. Also das muss schon Jahre her sein, seit mir das ein Begriff ist. Wahrscheinlich mal irgendwie mit einer Broschüre, die gekommen ist.“ „Ehm irgendwie über Berichte, über den Initiator und nachher natürlich einfach die Papiere die dann kommen, also diese Spendenaufforderungen. Aber ich habe schon – ich glaube am Fernsehen – noch Berichte gesehen über die Arbeit“ „Wir spenden nicht viel, es ist eher symbolisch, würde ich sagen. Vielleicht seit 15 Jahren oder so. Ich kann es Ihnen aber nicht genau sagen“
Textstellen die Auskunft geben zur ersten Kontaktaufnahme, zur Erstmaligen Kenntnisnahme und zur ersten Spende.
Zeit von der ersten Spende bis zur Kündigung oder bis zum heutigen Tag, sofern die Beziehung noch als bestehend erachtet wird.
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Soziodemografische Einflussgrössen
Angaben zur Person, welche einen Einfluss auf die Spendenbeziehung haben können
„Also ich bin alleine jetzt und momentan arbeitslos.(lacht) Das ist nicht viel?“
Beziehungsintensität
Intensität der Spendenbeziehung, wie Häufigkeit des Spendens und zur zu Häufigkeiten des Kontaktes Aussagen über die Gründe (Motive, Motivation) des Spendens
"Ja, ich kann es zu wenig genau sagen, was sie machen, aber ich habe schon das Gefühl, dass das was sie machen wirklich humanitär ist."
Spendenmotive
Vertrauen
Aussagen zur Bedeutung und zum Vorhandensein des Vertrauens in die unterstützte(n) Organisation(en)
„Ich habe gefunden, dass es eine gute Sache ist. Also ich meine ich habe ja nicht, also es kommen ja X Sachen ins Haus zu fliegen und manchmal hat man immer ein schlechtes Gewissen, weil man zu viel fortschmeisst und dann fängt man an dort etwas zu geben und da „e chli“ (ein wenig) geben und überall zu wenig.“ „Ja, ich habe Kinder und Grosskinder. Und Sie können annehmen, dass das Spenden auch eigentlich aus einer gewissen Dankbarkeit herauskommt. Dafür das es uns gut geht.“ „Das ist schon sehr wichtig, z.B. diejenigen, die das Zewo-Zeichen haben. Sonst spende ich eigentlich nicht an Organisationen ohne dieses Zeichen, ausser ich würde sie kennen.“ „Nein, ich schaue was in der Presse über sie geschrieben wird und wie sie sich öffentlich äussern, wie sie sich darstellen öffentlich, das denke ich, ist schon wichtig. Das ist eine Visitenkarte.“
352
Aussagen zu Geschlecht, Alter, Einkommen, Beruf, Kinder, Familienstand,… Sowohl bei der expliziten Befragung, als auch innerhalb des Gesprächs. Textstellen die zur Spendenhäufigkeit und -regelmässigkeit, wie auch zum Informationsverhalten Auskunft geben.
Aussagen zu inneren Motiven, Motivationen, Gründen und äusseren Anlässen, die zum Spenden führen.
Sämtliche Textstellen, die auf die Wichtigkeit oder das Vorhandensein des Vertrauens hinweisen.
Commitment
Spenderverhalten
Aussagen zur affektiven und fortführenden Bindung eines Spenders.
Aussagen zum Verhalten des Spenders im Hinblick auf das Spenden. Zur Art des Spendens.
„Ja, schon ein bisschen. Also, ich kenne niemanden, aber ich habe eine gewisse emotionale Bindung.“ „Nein, nein. Die schreiben eben auch immer ob man sich binden möchte, wissen sie binden, immer einen Beitrag geben. Das mache ich nicht. Ich weiss ja nicht, wie das bei uns weiter geht. Plötzlich muss ich ins Altersheim oder. Das mache ich nicht. Ich entscheide wirklich von Fall zu Fall jetzt gebe ich denjenigen so viel. Ich will mich nirgends binden.“ "Das kann sogar mit der Tageslaune zusammenhängen. Also wenn zwei Briefe miteinander kommen, dann sieht es schon nicht gut aus." „das ist eher aus dem Bauch heraus, spontan, das ich vielleicht irgendwo ein Inserat sehe oder einen Bericht in Somalia“
Textstellen die zur emotionalen Verbundenheit mit oder zur Gebundenheit (bspw. durch vertragliche Bindung) an die NPO Auskunft geben. Wie stark sich ein Spender gebunden oder verbunden mit der Organisation fühlt.
Sämtliche Aussagen, die einen Hinweis auf die Spendenweise des Probanden geben, sei dies die Art der Entscheidungsfindung oder den Umgang mit Anfragen. Auch bevorzugte Zahlungsweisen, Unterstützungsmöglichkeiten und Anliegen werden codiert.
Kategorie 2: Auslöser Codes die Gründe der Abwanderung beinhalten, respektive, die Auslöser des Abwanderungsprozesses sind Kategorie Definition Ankerbeispiel Codierregel Wettbewerber-/ Konkurrenzbezogene Auslöser
Aussagen die sich auf Auslöser durch Vergleiche oder Interventionen durch oder mit der Konkurrenz (andere NPO) beziehen.
„Nein, jetzt habe ich gerade ein bisschen abgeklemmt. Es ist einfach wahnsinnig, was da für Bettelbriefe kommen. Ich kann nicht immer überall einzahlen. Ich bin jetzt Rentner. Letztes Jahr habe ich diese gesammelt, da war eine volle Kartonschachtel voll.“
Ereignisse und Einflussgrössen, die von der Konkurrenz ausgehen und eine Abwanderung auslösen (nur das erste kritische Ereignis des Prozesses).
„Wie gesagt, ich habe den Eindruck, der XXX geht es eher gut und ich unterstütze nun mal die anderen. Ich habe absolut nichts gegen XXX, aber ich habe die Prioritäten nun anders gesetzt.“
353
NPObezogene Auslöser
Äusserungen, die sich auf Auslöser beziehen, die von der NPO ausgehen, wie bspw. Unzufriedenheit mit der NPO.
Situations-/ Spenderbezogene Auslöser
Aussagen zu Auslösern der Abwanderung, die sich auf den Spender und sein persönliches Umfeld beziehen.
„Was heisst emotional betroffen, ich habe mich nicht „grännt“ (geweint). Es ist mir Wurscht wenn die so sind, wenn die wirklich das Gefühl haben sie müssen auch wie andere Organisationen in den Amerikanern das Übel der ganzen Welt sehen, wenn die das meinen, dann unterstütze ich sie einfach nicht mehr.“ „Ja. Wir haben letztes Jahr die Briefe gesammelt und dann als ich umzog, hat meine Frau die ganze Schachtel weggeschmissen. Aber jetzt sammle ich wieder und gewisse Sachen zahle ich ein.“ "Es ist mir daher aus finanziellen Gründen nicht möglich mehr zu spenden."
Ereignisse und Einflussgrössen, die von der Organisation selbst ausgehen und eine Abwanderung auslösen (nur das erste kritische Ereignis des Prozesses).
Ereignisse und Einflussgrössen, die vom Spender und seinem Umfeld ausgehen und eine Abwanderung auslösen (nur das erste kritische Ereignis des Prozesses).
Kategorie 3: Prozess Ereignisse und Zustände, die die Abwanderung oder den Abwanderungsprozess beeinflussen Kategorie Definition Ankerbeispiel Codierregel Reaktion der NPO
Aussagen zur Reaktion der NPO auf das Ausbleiben der Spenden oder Kündigung oder Beschwerde.
"Ich denke, eine kleine Erinnerung im rechten Moment oder vielleicht auch dieses Gespräch wird mein Spendenverhalten in der nächsten Zeit beeinflussen."
Wechselbarrieren
Äusserungen zu Hindernissen und Hemmnissen die NPO zu verlassen
„Ich möchte es eigentlich selber bestimmen, vor allem den Zeitpunkt und falls ich einmal aufhören möchte, ist das am einfachsten.“
Variety Seeking
Äusserungen zum Wunsch nach Abwechslung der Unterstützung
"Ahhh, nein, andere auch, einmal hier, einmal da."
354
Alle Äusserungen die darauf hinweisen, ob und wie die NPO auf das Ausbleiben der Spenden reagiert hat. Auch unveränderte Spendenanfragen, oder gezielte Rückgewinnungsmassnahmen. Sämtliche Einflussgrössen, die eine Abwanderung erschweren, verlangsamen oder verhindern und alle Kostenfaktoren der Abwanderung oder des Wechsels. Sämtliche Textstellen, die zur Einstellung des Probanden zum Wechseln von NPO Aufschluss geben.
Beschwerden
Aussagen zu (negativen) Rückmeldungen an die NPO.
Emotionen
Äusserungen zu Gefühlen während des Abwanderungsprozesses
Wettbewerbsbezogene KE
Aussagen zu kritischen Ereignissen die von Wettbewerbern (anderen NPO) ausgehen und einen Einfluss auf die Spenderbeziehung haben.
BH: Haben Sie darauf beschlossen Kontakt mit der Organisation aufzunehmen und Ihre Meinung zu äussern? A: „Nein, nein, das nützt erfahrungsgemäss gerade gar nichts.“ "Und dann kann man, also wenn ich jetzt beispielsweise zurückschreiben würde, dass ich das nicht mehr möchte, das kommt genau gleich. Aus einer Kartei kommt man nicht heraus." „Was heisst emotional betroffen, ich habe nicht „grännt“ (geweint). Es ist mir Wurscht wenn die so sind, wenn die wirklich das Gefühl haben sie müssen auch wie andere Organisationen in den Amerikanern das Übel der ganzen Welt sehen, wenn die das meinen dann unterstütze ich sie einfach nicht mehr. Aber eben ich meine das dürfen die natürlich. Dann spende ich einfach nicht mehr, da bin ich relativ emotionslos.“ "aber es kann sein, dass ich XXX einmal nicht mehr unterstützt habe, weil ich das Gefühl hatte – es könnte irgendein Bericht gewesen sein – da tummeln sich jetzt so viele medizinische Hilfsorganisationen, sie ist eine von Dutzenden, es ist ein Chaos, dass man gar nicht mehr draus kommt wer jetzt noch wie viel und wie effektiv (Hilfe) leistet." "Das kann sogar mit der Tageslaune zusammenhängen. Also wenn zwei Briefe miteinander kommen, dann sieht es schon nicht gut aus."
Sämtliche Textstellen, die über Reaktionen von Spendern an die NPO Auskunft geben, egal ob es sich um Beschwerden, oder Wunschäusserungen oder Rücksendungen, Absagen und Adresskorrekturen handelt.
Sämtliche Textstellen, die auf emotionale Faktoren hindeuten, die mit der Abwanderung verbunden sind, bspw.: Verärgerung, Bedauern, Trauer etc.
Sämtliche Textstellen, die darauf hindeuten, dass Konkurrenten einen Einfluss auf die Abwanderung gehabt haben könnten. Nicht nur direkt abgefragte kritische Ereignisse, sondern auch während des Gesprächs auftauchende Hinweise auf beeinflussende konkurrenzinitiierte Einflussgrössen.
355
NPObezogene KE
Situations/Spenderbezogene KE
Aussagen zu Ereignissen die von der unterstützen NPO ausgehen und welche einen Einfluss auf die Spenderbeziehung haben.
„Ich habe nicht Lust irgendjemandem auf einem Direktionsposten einen schönen Mercedes zu finanzieren und mein Geld sollte eigentlich zum grossen Teil an einen anderen Ort.“
Aussagen zu Ereignissen des Spenderumfeldes, die sich auf die Spenderbeziehung ausgewirkt haben.
"Ja es liegt nicht an ihnen, sondern an finanziellen Gründen, ich musste insgesamt etwas zurücktreten mit den Spenden."
"Ich finde es eine gute Sache, aber ich denke, sie kommen viel zu oft mit so Bettelbriefen."
Alle Textstellen, die zeigen, dass die NPO durch ihr Auftreten, Handeln, oder Image zur Abwanderung beigetragen hat. Nicht nur direkt abgefragte KE, sondern auch während des Gesprächs auftauchende Hinweise auf beeinflussende organisationinitiierte Einflussgrössen. Sämtliche Textstellen, die sich auf den Spender und sein Umfeld beziehen und die Abwanderung beeinflusst haben könnten. Nicht nur direkt abgefragte KE, sondern auch während des Gesprächs auftauchende Hinweise auf beeinflussende spenderinitiierte Einflussgrössen.
Kategorie 4: Ergebnis Codes zum heutigen und zukünftigen Stand der Beziehung zwischen Spender und NPO Kategorie Definition Ankerbeispiel Codierregel Zufriedenheit
Aussagen dazu, wie zufrieden die Spender mit der NPO heute und früher sind.
„Also soweit man das beurteilen kann als Laie, ja, natürlich“
Rückgewin nungsmöglichkeit
Aussagen über die Absicht in Zukunft nochmals für die NPO zu spenden.
„Es kann sehr gut sein, dass irgendwann plötzlich mal wieder was kommt, das ist nicht abschliessend oder immerwährend, aber im Moment ist XXX einfach „usekeit“(herausgefallen).“
356
Alle Textstellen die auf die Zufriedenheit der Spender mit der NPO und ihren Leistungen, sowohl vor als auch nach der Abwanderung, hinweisen. Alle Textstellen die auf mögliche weiterer Spenden hindeuten, sowie deren Begründungen. Sowohl explizit abgefragte Antworten als auch Äusserungen im Verlauf des Gesprächs.
Mund-zuMund Propaganda
Abwanderung
Äusserungen zur Weiterempfehlung, respektive auch negative Äusserungen über die NPO/Spendenbeziehung an Dritte. Aussagen zum Ergebnis derBeendigung der Spenderbeziehung
„Was ich und wie viel ich spende, geht niemandem etwas an, finde ich.“ „Jaja, und ich mache auch meine Freundinnen und Freunde darauf aufmerksam, so hey übrigens, da habe ich gehört, da geht das Geld nicht weiter.“ "Eigentlich gebe ich jedes Jahr etwas." “… und darum habe ich im Moment auch nicht mehr gespendet.“
Sämtliche Textstellen die darauf hinweisen, dass Spender mit anderen Personen über das Spenden und die NPO gesprochen haben, sowohl negative als auch positive Äusserungen. Sämtliche Textstellen, die Auskunft über das Ausmass der Abwanderung und die heutige Situation geben. Sowohl fehlende, teilweise, als auch komplette, wie auch organisationsbezogene und spendenmarktbezogene Abwanderung.
Kategorienleitfaden Phase B: Dimensionalisierung und Feincodierung Nach dem thematischen Codieren und der Zuteilung von Textstellen zu thematischen Kategorien, wurde eine Feincodierung vorgenommen, bei welcher Ausprägungen induktiv (aus dem Datenmaterial heraus) gebildet wurden. Folgend sind die Definitionen und Codierregeln für die induktiv gebildeten Ausprägungen aufgeführt. Kategorie: Ausgangssituation – Bezug zur NPO Bedeutung eines persönlichen Bezugs beim Spenden: Sämtliche Textstellen, die sich auf die Bedeutung eines persönlichen Bezugs im Hinblick auf das Spendenverhalten beziehen werden in Ausprägungen gegliedert. AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Grund für einen Wechsel
Ein persönlicher Bezug führt zu einem Wechsel der Unterstützung
„Leute die in Not sind in der näheren Umgebung direkt diesen zu helfen.“ „Das ist sporadisch. Manchmal kommt es vor, dass ich jemandem anderen nehme. (…) die kennen wir nämlich persönlich.“
Probanden unterstützen bspw. vermehrt Anliegen, zu welchen ein Bezug vorhanden ist.
357
Der persönliche Bezug stellt ein Spendenmotiv für den Spender dar. Er spendet auch teilweise mehr oder häufiger an NPO mit einem Bezug.
„das wichtigste ist die Rega, wo ich spende, da ich selber in der Aviatik tätig bin und ansonsten ist eigentlich alles auf dem gleichen Rang“
Kein Einfluss auf das Spendenverhalten
Ein Bezug zur NPO hat keinen Einfluss ob der Proband spendet oder nicht
„Nein das spielt keine Rolle“
Religiöser Bezug
Der gläubige Proband spendet vermehrt oder mehr an Organisationen die eine entsprechende religiöse Trägerschaft haben oder deren Idee transportieren Der Proband fühlt sich mit einer NPO (emotional) verbunden
„Ja also ich bin Jüdin, schon so Blindenschule in Israel oder palästinensische Spitalhilfe oder solche Projekte.“
Spendenmotiv
Rein emotional
Kennen von Betroffenen
358
Der Proband kennt persönlich Personen, denen die NPO hilft oder er war selbst einmal davon betroffen.
„Also ich bin überzeugter Christ und wenn das dann irgendwie mit einer Botschaft oder der Übermittlung des Evangeliums verbunden ist, hat das bei mir höhere Priorität.“
BH: Haben sie einen persönlichen Bezug zur NPO? A: „Ja, schon ein bisschen. Also, ich kenne niemanden, aber ich habe eine gewisse emotionale Bindung.“ „Ich unterstütze unter anderem noch Alzheimer, da mein Vater Alzheimer hatte und die Krebsliga unterstütze ich auch noch, weil ich selber hatte.“ „Krebsliga hat dieses Mal am Meisten bekommen von uns, aber das war, weil wir „so mängs“ (so viele) durch Krebs verloren haben.“
Auch Probanden die die Bedeutung des Bezugs nicht explizit erwähnen oder gar verneinen, aber trotzdem vorwiegend für NPO spenden, zu welchen sie einen Bezug haben, wurden berücksichtigt.
Bei der Befragung nach dem Spendenmotiv „persönlicher Bezug“ geben die Probanden an, dass dieser keine Bedeutung hat. Sämtliche Textstellen die einen Hinweis darauf geben, dass die religiöse Zugehörigkeit das Spendenverhalten beeinflusst.
Aussagen die darauf hindeuten, dass ein emotionaler Bezug besteht der das Spendenverhalten beeinflusst. Aussagen die darauf hinweisen, dass der Spender einen Bezug zur NPO hat, weil er betroffene Personen kennt, die von der NPO unterstützt werden und deshalb einen persönlichen Bezug aufweisen.
Bezug über Arbeit
Reisen Orte Umstände
Der Proband hat einen persönlichen Bezug zur NPO durch die eigene Arbeit
Der Proband kennt die Orte oder Umstände durch Reisen, persönliche Kontakte oder Erfahrungen
Kennen von anderen Spendern
Die Probanden kennen andere Spender, die auch für die NPO spenden
Kennen von Personen
Der Proband kennt persönlich Leute der Organisation oder solche die im Umfeld der NPO gewirkt haben oder Erfahrungen gesammelt haben Der Proband hat keinen eigentlichen Bezug zur NPO. Die Beziehung und Kommunikation läuft über die Presse.
Eigentlich nicht
„Ich bin selber Arzt und hatte selber Interesse an der Tätigkeit“ „Ich habe an einem Ort gearbeitet, wo *** für sie gearbeitet haben und so bin ich drauf gekommen. Das war schon in den frühen 90er Jahren.“ „Dadurch, dass wir halt auch oft im Ausland herumgereist sind, haben wir natürlich das Elend und die Not in diesen Ländern auch gesehen und man hat eigentlich dann auch sinnvolle Gruppen geholfen zu unterstützen. Das war eigentlich der Grund.“ „Ja, also die Erfahrung war ja auch irgendwie darin. Ich war „öpä“ (hin und wieder) in armen Ländern und das bewegt mich sehr stark.“ „Ja, für die gleiche, ich weiss von einer Person.“ „Ja. Ich hatte eine Kameradin, die XXX ebenfalls unterstützt hat.“ „Also bei diesen spontanen Sachen gibt es immer eine Begegnung mit einem Menschen.“ „Das ist einmal im Jahr fix, schon nur weil meiner Kollegin ihr zukünftiger Mann dort arbeitet, darf ich jetzt nicht mehr zurücktreten. (lacht) Nein, ist tatsächlich so.“ „Ich hatte niemals direkten Kontakt. Das heisst, ich sehe es in etwa im Fernsehen und mein Mann las sehr gerne und auch ich habe jetzt Zeit zum Lesen und darum sagt es mir etwas.“
Textstellen die darauf verweisen, dass über die eigene Arbeit /Tätigkeit ein Bezug zur NPO existiert (ähnliches Tätigkeitsgebiet, Kollegen, etc.). Textstellen die über persönliche Erfahrungen durch Reisen oder besondere Kenntnisse gewisser Situationen Aufschluss geben und deshalb ein Bezug zur NPO hergestellt wurde.
Textstellen die aufzeigen, dass der Proband andere Spender kennt und deshalb eine Bezug zur NPO hat. Textstellen die aufzeigen, dass der Proband Personen im Umfeld oder direkt in der NPO kennt und deshalb einen Bezug zur NPO hat. (auch Fallfremde also nicht von XXX werden aufgenommen) Nur Probanden die explizit geäussert haben, dass sie keinen Bezug haben.
359
Kategorie: Ausgangssituation – Beziehungsbeginn Textpassagen die das Zustandekommen der Beziehung beschreiben. AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Keine Ahnung mehr
Der Proband weiss nicht mehr wie und über was er aufmerksam wurde und wie es zur ersten Spende kam
„Das geht zu weit zurück, das weiss ich nicht mehr.“
Aufmerksam durch Umfeld
Der Proband wurde über die Arbeit oder das Umfeld auf die Organisation aufmerksam
„Ich habe an einem Ort gearbeitet, wo *** für sie gearbeitet haben und so bin ich drauf gekommen.“
Aufmerksam über Werbung
Durch Direktwerbung (v.a. Mailing) auf die NPO aufmerksam geworden
„Da sind diese Unterlagen mir irgendwie per Post zugestellt worden.“ „Ja, ich habe irgendwann mal ein Werbeschreiben bekommen.“ „Mein Mann hat immer dort eingezahlt. Jetzt bin ich alleine, er ist verstorben und nun behalte ich dies bei.“
Aufmerksam über Bekannten
Der Proband wurde über einen Bekannten oder ein Familienmitglied auf die NPO aufmerksam
Aufmerksam über Medien
Über Fernsehen, Printmedien oder Radio das erste Mal auf die NPO aufmerksam geworden
„Ich glaube durch die Zeitung, da habe ich das gelesen.“
Einbezahlt aktiv
Erste Spende über Internet oder sonst auf eigene Initiative.
„Nein, nein, das habe ich von mir aus gemacht. Das mache ich eigentlich alle Jahre mit einer anderen Sache.“
360
„Das habe ich von verschiedenen Orten gehört, vom Fernsehen oder auch in der Presse…“
Äusserungen die darauf hindeuten, dass der Spender sich nicht mehr erinnern kann, wie es zum ersten Kontakt gekommen ist, wie er auf die NPO aufmerksam wurde und wie es zur ersten Spende gekommen ist. Der Kontakt ist über das Umfeld des Spenders zustande gekommen. Dabei ist das berufliche Umfeld gemeint und nicht das Private durch Bekanntschaften. Textstellen die aufzeigen, dass ein Erstkontakt über direkte Werbung (v. a. Briefpost) der NPO zustande gekommen ist. Passagen die aufzeigen, dass der Spender über das private Umfeld (Bekannte, Freunde, Familie) auf die NPO aufmerksam wurde. Textpassagen die aufzeigen, dass der Proband über Mitteilungen in den Medien (PR, Mitteilungen, Werbung) auf die NPO aufmerksam wurde. Ausschlaggebend ist, dass der Spender agiert hat und nicht reagiert. Er ist also selber aktiv geworden.
Einbezahlt über EZ
Erste Spende über einen erhaltenen Einzahlungsschein oder als Reaktion auf eine Anfrage. Passiv auf Anfrage.
„Durch eine Mitteilung von XXX mit beigelegtem Einzahlungsschein, ganz konventionell.“ „Ich gehe davon aus, dass ich Unterlagen bekommen habe, dass ich erst gespendet habe, als ich einen Einzahlungsschein in den Händen hatte.“
Der Spender hat auf eine Anfrage reagiert (passiv). Die beiden Testinterview sind die einzigen die Face-toFace rekrutiert wurden. Sonst nur über Mailing, was an den unterschiedlichen NPO (Fundraisinginstrumenten) liegt.
Kategorie: Ausgangssituation – Spendenmotive für eine NPO Gründe die dafür sprechen eine bestimmte NPO zu unterstützen und einer anderen vorzuziehen. Selbstgenannte Motive durch offene Befragung. AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Notwendigkeit/ Sinnhaftigkeit
Geringe Kosten
Bezug zu einer NPO
Der Spender sieht eine Notwendigkeit sich für diese Sache einzusetzen. Er findet den Einsatz/das Projekt sinnvoll.
Unbürokratischer Einsatz der Mittel, ohne Verschwendung von vielen Spendengeldern durch die Arbeitsweise der NPO. Der Spender spendet wegen einem persönlichen Bezug.
„Also ich finde einfach dort, wo die Not so, (…) so eindeutig ist und man wirklich merkt da ist Not, oder es herrscht Not, dann spende ich gerne...“ „Also ich bevorzuge Organisationen die Hilfe zur Selbsthilfe bringen. Und nichts mit abhängig werden, sondern wo die Leute merken was sie selber machen können und was sie selber weiterführen können, das finde ich sehr sinnvoll.“ „Ja einen kleinen Büroapparat bei den jeweiligen Organisationen ist mir noch wichtig.“ „Dann sag ich mir, dann gebt sie XXX, dann geben sie es denen, weil die ja praktisch ohne Gehalt arbeiten.“ „Das ist sporadisch. Manchmal kommt es vor, dass ich jemandem anderen nehme. Z. B. Metradision, Silvias Kinderhilfe für Sri Lanka. Sie kennen wir nämlich persönlich. Es hat schon immer einen Grund.“
Aussagen die darauf verweisen, dass ein Projekt oder eine Tätigkeit als besonders notwendig und sinnvoll sind und welche einen Grund darstellen, weshalb eine bestimmte NPO unterstützt wird und andere nicht.
Textstellen die die Effizienz und die Kosten der NPO als Kriterium für das Spenden thematisieren und auch dass das Geld an den „richtigen“ Ort oder möglichst direkt zu den Bedürftigen geht. Aussagen die aufzeigen, dass ein Bezug zu einer NPO einen Einfluss auf die Spendentätigkeit hat.
361
Der Spender weiss nicht mehr genau warum er für die NPO gespendet hat. Die NPO hat das Zewo Gütesiegel.
warum mein Entscheid dann auf XXX gefallen ist, weiss ich nicht genau.
Äusserungen die dahingehend sind, dass der Proband sich nicht über die Auswahlkriterien äussern kann.
„Generell schaue ich sicher auf das ZEWO-Siegel“
Image der Organisation
Weil die Organisation bekannt ist, einen guten Ruf hat und man überzeugt ist, dass die NPO gute Arbeit leistet.
„Weil es eine bekannte Organisation ist und weil ich überzeugt bin, dass sie viel leisten. Wir unterstützen auch nur ganz wenige uns bekannte Institutionen.“
Sympathisches Anliegen
Die NPO oder der Zweck jener ist dem Spender sympathisch. Der Spender findet, die machen eine gute Sache.
„Ja, aus reiner Sympathie. Ich weiss nicht mehr, wo sie damals geholfen haben, aber es hat uns einfach Eindruck gemacht.“
Einzigartigkeit, Lücke
Die Organisation ist in einem Bereich tätig, wo nicht schon X andere sind.
„Sachen, (…) die eher ein bisschen zu kurz kommen…“
Grabspenden
Der Spender spendet auf Wunsch von Verstorbenen
Textstellen welche belegen, dass das ZewoSiegel als Grund für oder gegen eine NPO gesehen wird. Die Auswahl der NPO wird durch das Image, den Ruf und das öffentliche Auftreten beeinflusst. Gute Informationn und ausführliche Dokumentation können das Image fördern. Textstellen die zeigen, dass eine „gute Sache“ ein „sympathisches Anliegen“ oder Zweck als Auswahlgrund wirken. Es kann auch eine Überzeugung von guter Arbeit oder mutigem Einsatz sein. Eine gewisse Einzigartigkeit oder isolierte Stellung der NPO sprechen für eine Spende. Dort wo sich sehr viele NPO betätigen, kann für gewisse Spender kein Bedarf für ihre Spende ersichtlich sein. Die Beliebtheit des Themas kann Leute zum Spenden motivieren Textpassagen die festhalten, dass der Antrieb zum Spenden aus Anfragen bei Verstorbenen gekommen ist.
Keine Ahnung
ZEWO Siegel
362
„Weil ich wirklich das Gefühl gehabt habe, dass das etwas Gutes ist.“
„Katastrophen wo man immer „härzigi“ (niedliche) Kinder sieht, die gerade Not leiden, die werden von der Glückskette gut abgedeckt, da kommt genügend Geld herein. Bei mir ist es eher so, dass ich (…) mich an Orten engagiere, wo andere etwas weniger hinsehen, wo die Problematik nicht so bekannt ist.“ „Danach ist hie und da, als einer gestorben ist, hat es geheissen, XXX, zahlen sie dort ein. So ist eigentlich dann auch meine Adresse bei euch reingekommen.“
Kategorie: Ausgangssituation – Spendenmotive für das Spenden allgemein Motive die die Probanden zum Spenden bewegen. Da in der ersten Erhebungsphase ersichtlich wurde, dass Spender sich meist nur vage über allgemeine Motive äussern können, wurden diese in der zweiten Erhebungsphase geschlossen abgefragt. Deshalb wurden auch Codierregeln und Anweisungen überflüssig Ausprägung Definition Ankerbeispiel Religion
Religiöse Spenden.
Gerechtigkeit
Der Spender spendet aufgrund der wahrgenommenen Ungerechtigkeit auf der Welt.
Dankbarkeit
Spenden aus Dankbarkeit, dass es einem so gut geht.
Schlechtes Gewissen
Der Spender spendet wegen schlechtem Gewissen, weil er zu wenig macht, sich zu wenig einsetzt und das Gefühl hat, etwas machen zu müssen. Es kann sich auch um Kompensation dafür handeln, dass kein eigenes Engagement möglich ist. Der Spender fühlt sich vom Anliegen betroffen Der Spender spendet, weil er gefragt wird Der Spender spendet aus speziellem Anlass, beispielsweise an Weihnachten an Stelle von Geschenken
Betroffenheit Reaktion auf Anfrage Spezieller Anlass
Gründe
für
das
BH: Gibt es religiöse Gründe, spielt das für sie eine Rolle, wenn sie spenden? „Ja, ich glaube schon an Gott, wie soll ich sagen, (…) aber ich habe meinen Glauben und z.B. bei ***, da spende ich „gäng“ (immer) etwas.“ „Ja, einfach generell, das Leid auf dieser Welt, die Ungerechtigkeit und die unschuldigen Leute. Und wir, die in einer reichen Schweiz wohnen, können gesund sein (…) da habe ich schon gefühlt, da muss ich etwas machen.“ „Ja, ich habe Kinder und Grosskinder. Und sie können annehmen, dass das Spenden auch aus einer gewissen Dankbarkeit herauskommt. Dafür das es uns gut geht.“ „Dann weiss ich, ich habe es bezahlt und habe kein schlechtes Gewissen mehr und dann kann ich das ad acta legen.“
„Ich ertrage es einfach nicht, dass es denen so schlecht geht, ich möchte einfach helfen.“ „wenn ein Einzahlungsschein kommt, dann tue ich wieder“ „Also von diesen Meditationsabenden, ich mache jede Woche einen und (…) einen Drittel davon spende ich von diesen Einnahmen. Und selbstverständlich nicht nur von dort, auch von mir persönlich. Also statt ein Geschenk in der Familie, sage ich „amäl“ (jeweils) wenn sie einverstanden sind *** lieber dort (…) etwas geben.“
363
Kategorie: Ausgangssituation – Commitment Ausprägung
Definition
Ankerbeispiel
Codierregel
Starke emotionale Bindung
Der Spender verspürt eine starke emotionale Bindung zur NPO
Textpassagen welche aufzeigen, dass der Spender sich emotional verbunden fühlt oder sich mit der NPO identifizieren kann.
Schwache emotionale Bindung
Der Spender empfindet keine grosse emotionale Verbundenheit
„ja, ja ja. Ich hatte mal einen schweren Unfall und dann mit dem Arzt *** gewesen und dann ist jemand der viel Herz hatte, hat mich angenommen und unkompliziert und der hat mir geholfen und dann hat er mir gesagt er (…)gehöre zu XXX. *** so verschiedene Gefühle spielen eigentlich, dass man sich zu einer Organisation sehr verbunden fühlt.“ „ich fühle mich überhaupt nicht verbunden. Aber ich finde einfach, dass das für mich eine Organisation ist.“ „Sie liegt mir eigentlich nicht sehr am Herzen.“
Verbundenheit mit Zweck
Dem Spender liegt der Zweck der NPO am Herzen
„Also der Zweck, also dass eben Ärzte in diese Gebiete geschickt werden und dort eben helfen, ja das ist mir wichtiger als die Organisation.“
Textpassagen welche erkennen lassen, dass der Spender nicht sehr stark emotional involviert ist und deshalb keine Zugehörigkeit verspürt. Textpassagen die über die Verbundenheit zur NPO und zum Zweck Auskunft geben.
Kategorie: Auslöser – Wettbewerber-/Konkurrenzbezogene Auslöser Codes die Gründe der Abwanderung beinhalten, respektive, die Auslöser des Abwanderungsprozesses sind. Aussagen die sich auf Vergleiche mit oder Interventionen durch die Konkurrenz (andere NPO) beziehen. AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Andere Prioritäten
364
Der Spender unterstützt andere NPO, bspw. weil er sich einschränken musste, oder eine andere NPO als wichtiger erachtet.
„Es war mehr es gibt so viele Sachen die ich unterstützen möchte und ich muss mich etwas einschränken und möchte etwas Neues machen.“
Aussagen, bei welchen die Konkurrenz neue Bedürfnisse oder Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt hat, die den Wechselprozess gestartet haben.
Fehlende Notwendigkeit
Zu viele Anfragen generell
Der Spender sieht die Notwendigkeit nicht, weil beispielsweise zu viele NPO in einem Tätigkeitsgebiet agieren. Der Spender hat generell zu viele Anfragen erhalten und deshalb nicht mehr gespendet.
„Der Grund war eigentlich, weil sie eine grosse Organisation sind und wir unterstützen normalerweise kleine und weil sie dort sehr grosse Probleme hatten, haben wir dort mehr gespendet.“
Die Notwendigkeit wird im Zusammenhang mit der Konkurrenz & dem Umfeld der NPO bewertet.
„Also es hatte schon damit zu tun, dass eine solche Wahnsinnsflut von Briefen gekommen ist?“
Die Anzahl der Anfragen bezieht sich nicht auf die untersuchte NPO sondern auf den Gesamtmarkt.
Kategorie: Auslöser – NPO-bezogene Auslöser Äusserungen, die sich auf Auslöser beziehen, die von der NPO ausgehen, wie bspw. Unzufriedenheit mit der NPO. AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Unzufriedenheit mit der Art der Anfrage
Der Spender hat die Kommunikation mit der NPO nicht geschätzt, was die Abwanderung ausgelösst hat.
Zu viele Anfragen
Der Spender erhält zu viele Anfragen von der NPO.
„Wenn ich spenden will, dann will ich den Betrag selber festsetzten. Also das heisst einen vorgedruckten Einzahlungsschein in der und der Höhe akzeptiere ich nicht. Das ist einfach für mich, da kommt ein rotes Tuch und dann ist für mich fertig, dann wird nicht mehr gespendet.“ „Ja (…) weil es hat mich zu nerven begonnen, weil ich so viel Post von ihnen erhalten habe. Ich dachte, wieso benötigen die den Stutz für diese massive Post, ich weiss ja was es ist, ich unterstütze es ja, ich brauche ja nicht ständig informiert zu werden, was sie jetzt noch machen, und das kostet alles Geld.“
Die Unzufriedenheit bezieht sich auf den Inhalt und die Ausgestalltung der Kommunikation, bspw. einen vorgedruckten Einzahlungsschein. Die Anzahl der Anfragen bezieht sich nur auf die untersuchte NPO und nicht auf alle Organisationen.
365
Kategorie: Auslöser – Situations-/Spenderbezogene Auslöser Aussagen zu Auslösern der Abwanderung, die sich auf den Spender und sein persönliches Umfeld beziehen. AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Unabsichtliche Abwanderung
Familiäre Veränderung
Finanzen des Spenders
Ein Missverständnis, Unvermögen oder Unbewusstheit des Spenders haben zur Abwanderung geführt. Eine Veränderung im familiären Umfeld, wie bspw. der Tod eines Angehörigen, hat die Abwanderung ausgelöst. Abwanderung wird durch finanzielle Veränderungen beim Spender ausgelöst.
„Aber das ist von dem her ein Missverständnis, dass wir ein Jahr lang nicht bezahlt haben, aber dann ist es uns einfach untergegangen, für uns ist das eigentlich klar, dass wir das einzahlen.“
Der Spender hatte die Absicht weiterhin zu spenden, die Abwanderung kam unabsichtlich zustande.
„Es ist sowieso so, also mein Mann ist vor zweieinhalb Jahren gestorben und darum habe ich es danach auch nicht mehr unterstützt in diesem Sinne, man musste einfach Prioritäten setzten und sonst haben wir eigentlich vorher schon alles gemeinsam besprochen.“ „Ja, bei mir hat sich etwas verändert, ich bin nicht mehr so finanzkräftig. Ich muss meine Finanzen gut einteilen und spende daher der XXX momentan nichts.“
Können auch finanzielle Folgen nach sich ziehen, die familiären Veränderungen stehen aber am Ursprung der Abwanderung. Dazu gehören bspw. Schulden, Steuernachzahlungen, und Einkommenseinbussen.
Kategorie: Prozess – Einstellung zum Wechseln Äusserungen zum Wunsch nach Abwechslung der Unterstützung oder zur Treue. AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Treue Unterstützung Unkontrolliertes wechseln
366
Ständige Unterstützung derselben NPO Der Proband gibt mal hier mal da, aber vollkommen unkontrolliert weshalb er unbewusst wechselt.
„Ich habe meine Festen, die ich eigentlich immer unterstütze. Und die anderen haben weniger Chancen …“
Eine oder mehrere NPO werden konstant unterstützt.
„Nein das ist nicht bewusst. Also es kommt effektiv darauf an, was das für ein Projekt halt gerade kommt, und wenn man das Gefühl hat, „moll“ das „si jetzt würklich armi sieche“ (arme Leute) dann spendet man vielleicht wieder etwas. Hand kehr um denkt man vielleicht jetzt habe ich Gestern gerade, dann tu ich natürlich nicht hier gerade auch noch…“
Der Proband wechselt spontan und unkontrolliert zwischen den Anfragen. Das Unbewusstsein und das Fehlen einer Beziehung sind ausschlaggebend.
Einige Fix andere Wechseln
Der Spender hat einige NPO die er immer unterstützt. Daneben wechselt er bei einigen ab.
Wunsch nach Abwechslung
Der Spender wechselt bewusst die NPO, die er unterstützt, da er auch andere begünstigen möchte. Der Spender wechselt die Unterstützung ab, bleibt aber etwa den selben Organisationen treu: Auswahl aus einem Optionenset
Abwechslung innerhalb Optionenset
“Das kommt ein bisschen darauf an, das sind immer so zwischen 6 und 10. Regelmässig ist das Greenpeace, WWF, Amnesty International, Pro Natura, (…) ab und zu, was war da noch, eben das wechselt ein bisschen.“ „... Dass ich einfach das Gefühl habe, jetzt haben diese mal wieder etwas zu gute. Das ist ja das, was mich stören würde, wenn nur eine Organisation alleine da wäre und profitieren würde.“
Sowohl Treue als auch Abwechslung: NPO mit unterschiedlichem Stellenwert
„Ja, ja, also es ist so geplant, dass ich immer nur die gleichen vier Institutionen unterstütze oder sagen wir vielleicht sechs Institutionen, und andere die ins Haus kommen, spediere ich gleich wieder per Post zurück. BH: Und bei den sechs NPO (unterstützen) Sie abwechslungsweise mal die eine und dann die andere A: Ja.“
Wurde kaum explizit erwähnt, sondern ist aus dem Gesprächs ersichtlich geworden. Die Probanden sprechen davon treu zu sein aber abzuwechseln.
Der bewusste Wunsch, das Bedürfniss sind relevant
Kategorie: Prozess –Spenderbezogene kritische Ereignisse Aussagen zu Ereignissen des Spenderumfeldes, die sich auf die Spenderbeziehung ausgewirkt haben. AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Finanzen des Spenders
Der Spender hat weniger Geld zur Verfügung durch eine Veränderung in seinem Umfeld
„Das ist immer ein bisschen von meinem Portemonnaie abhängig. Ich habe früher mehr verdient, also habe ich auch mehr gespendet. Ja, das ist eigentlich ein bisschen parallel zum Einkommen.“
Familiäre Veränderung
Eine Veränderung im familiären Umfeld, wie beispielsweise der Tod eines Angehörigen, hat die Abwanderung beeinflusst.
„…also mein Mann ist vor zweieinhalb Jahren gestorben und darum habe ich es danach auch nicht mehr unterstützt (…) und sonst haben wir eigentlich vorher schon alles gemeinsam besprochen.“
Gründe für die finanzielle Belastung sind bspw. wechselnde Einkünfte, Pensionierung, Steuerbelastung, persönliche Investitionen, Krankheit, Karriererückschritt Die familiären Veränderungen haben meist finanzielle Konsequenzen, stehen diesen aber bevor.
„…aber es ist so dass wir jetzt von den Ausbildungskosten her, von den Kindern“
367
Unabsichtliche Abwanderung
Einstellungen des Spenders
Ein Missverständnis oder ein Unvermögen oder Unbewusstheit des Spenders hat zur unbewussten Abwanderung geführt
Einstellungen des Spenders die sich verändern, können einen Einfluss auf das Abwandern gehabt haben.
„Aber das ist von dem her ein Missverständnis, dass wir ein Jahr lang nicht bezahlt haben, aber dann ist es uns einfach untergegangen, für uns ist das eigentlich klar, dass wir das einzahlen.“ „Ja also mir war das nicht bewusst, ich bekomme immer wieder die Post und weiss dann nicht mehr...“ „Das haben Sie mir gesagt, als Sie mich anriefen. Und das ist mir nicht bewusst gewesen. Da war keine Absicht dahinter.“ „Obwohl, 50 oder 100 Franken das ist ja eigentlich ein lächerlicher Betrag, neben all dem was man sonst ausgibt. Aber es gäbe für die Organisation wirklich keinerlei Bedingungen. Es betrifft wirklich nur mich und man müsste mir einfach einen Schups geben und sagen, zweimal nicht Kino und Pizza essen oder einmal zu zweit und dann sind diese 100 Franken raus.“
Hierzu können auch diejenigen Spender gezählt werden, welche sich noch als aktive bezeichnen und der Meinung sind regelmässig zu spenden. Spontanes, unkontrolliertes Spenden ist oft eine Ursache dafür, dass Spenden über Jahre ausbleiben, da keine Kontrolle vorhanden ist. Auch Textstellen die Aufzeigen, dass dem Spender einfach andere Dinge wichtiger sind, gehören dazu.
Kategorie: Prozess – Organisationsbezogene kritische Ereignisse Aussagen zu Ereignissen die von der unterstützen NPO ausgehen und welche einen Einfluss auf die Spenderbeziehung haben AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Notwendigkeit
368
Der Proband sieht nicht unbedingt eine Notwendigkeit die NPO zu unterstützen oder betrachtet Grösse, Arbeitsweise oder Verwaltungsapparat (Effizienz) als unbefriedigend.
„Nein, ich überlege mir dann auch solche Sachen wie z.B. wenn eine Lungenliga, oder die Gehörlosen oder die Blinden kommen. Dort gibt es (…) doch auch Fälle, dass die Aufgaben haben, die bereits vom Sozialstaat begünstigt oder bezahlt werden. Und dann zahle ich vielleicht nicht mehr ein…“ „Nein, wie gesagt, ich habe so viele Organisationen und ich habe selber gesehen, dass es XXX eigentlich gut geht und dass es nicht so dringend ist dort zu spenden.“
Aussagen die aufzeigen, dass die NPO nicht zu überzeugen vermag, dass sie die Spenden braucht
Arbeitsweise/Effiz ienz
Schlechte Reaktion der NPO
Fehlendes Angebot der NPO
Die Arbeitsweise und Effizienz in der Mittelverwendung beeinflusst die Abwanderung
Die NPO behandelt eine Anfrage ungenügend oder zur Unzufriedenheit des Spenders.
Der Proband sieht einen Grund darin nicht mehr zu spenden, weil er kein Angebot erhält, dass seinen Präferenzen entspricht.
„Zum Beispiel *** dass Projektleiter zu viel Geld verdienen. (…) Sehe nicht ein, warum der Höchste 250’000 Franken verdienen muss. (lacht)“ „…Was mir wichtig war, dass es Organisationen waren, wo ich nicht das Gefühl hatte, es versickere ziemlich viel in der Administration und „im Bürokram“, dass es möglichst direkt zu Gute kommt.“ „Wenn ich etwas gebe, dann erwarte ich nicht, dass diese noch einen langen Dankesbrief schreiben, das kostet nur wieder. Die sollen das Geld gescheiter einsetzen (…) ich erwarte von ihnen nicht, dass sie viel Geld verbrauchen, Zeugs herumzuschicken, schöne Broschüren, die trotzdem niemand liest.“ „Schon ja, also wenn man vereinbart hat (…) wenn man sagt man macht es so und man macht es eben gleich nicht so (…) Aber mich nervt es weil entweder macht man es ab oder man macht es nicht ab.“ „Es ist eben auch immer sehr schwerfällig, (…) so wenn man beispielsweise von jemandem keine Post mehr will, das ist sehr schwierig bis das jeweils klappt. Das sind dann im Schnitt vier fünf Telefon, wo man immer wieder das selbe Märchen erzählt, und dann irgend einmal kommt dann plötzlich trotzdem wieder ...“ „Ich sage ich vermisse bei all diesen, also Mitleid und all das spielt eine Rolle, aber ich vermisse Projekte die schwergewichtig auf Vorbeugen und nicht auf das Flicken, also man hilft immer denen, welchen es schlecht geht aber ich sehe wenige Projekte, in welchen man versucht die Situation vorbeugend zu verbessern.“
Gründe für eine Spende sind: Die NPO arbeitet effizient und verschwendet keine Spendengelder für Löhne, Administration usw. Die NPO leistet konkrete, nachhaltige Hilfe vor Ort. Die Effizienz bezieht sich auf - Gehaltskosten - Bürokratie und Administration - Werbung - Dankesbriefe und Steuerbescheinigung
Reaktionen der NPO gehen von Anfragen der Spender aus, seien dies Reklamationen, Hinweise oder Wunschäusserungen.
Fehlende Angebote beziehen sich sowohl auf inhaltliche als auch formelle Wünsche. Bspw. keine Patenschaften, keine Mitgliedschaften keine vorbeugende Projekte, keine Hilfe zur Selbsthilfe,…
369
Fehlende Anfrage
Kein Label
Negative Presse
Unzufriedenheit mit Kommunikation
Häufigkeit der Kommunikation
Von der NPO ist keine Anfrage gekommen.
Die NPO verfügt nicht über ein gewünschtes Qualitäts-Label oder Zertifikat. Ein Skandal oder eine unsaubere Angelegenheit wurde von der Presse aufgegriffen
Der Spender hat eine Kommunikation mit der NPO nicht geschätzt, was die Abwanderung beeinflusst hat.
Der Spender erhält zu viele Anfragen von der NPO
„Das ist schon so, wenn man nicht erinnert wird, spendet man nicht.“ „Also der Beat Richner beispielsweise, dem habe ich nun schon seit geraumer Zeit nichts mehr gegeben. Weil ich glaube, es ist gar nichts nach Hause gekommen.“ „…Vor allem achte ich auch, ob das ZEWO-Siegel vorhanden ist“ „…Ein Kriterium ist das ZEWOSiegel.“ „Das ist eine Hilfsaktion, die keine Unterstützung mehr von mir erhält. Da habe ich schon so viele negative Meldung gehört.“ „…und dann gibt’s manchmal solche, die berichten in der Presse über irgendetwas und wenn nur eine kleine Unstimmigkeit da ist oder ein kleiner Verdacht, dann gebe ich gerade nichts mehr.“ „Und manchmal mit dem Superpapier, also Vierfarbendruck und Glanzpapier und so. Daran stosse ich mich auch ein bisschen.“ „Wenn man so (…) auf die Tränendrüse drückt. Solche beachte ich eigentlich nicht.“ „…was ich schlecht finde ist, wenn man einen zweiseitigen Brief lesen muss, bevor man überhaupt weiss, um was es geht“ „Die haben ja immer ziemlich viel verschickt (…) auch wenn man eine Zeit lang keinen Wank gemacht hat, kommt das immer noch.“ „Und das ist eindeutig zu viel, das will ich nicht mehr. Und von ihrem Hilfswerk sind in dieser Zeit gerade 3 Briefe gekommen.“
370
Der Spender hat keine Spendenaufforderung oder keinen Einzahlungsschein erhalten.
Textstellen die das Zewo-Zeichen als Spendengrund oder Kriterium erwähnen. Betrifft Skandale, aber auch kritische und neutrale Presseberichte, die bei den Spendern Unsicherheit oder Misstrauen auslösen.
Sämtlichen Textstellen die Hinweise auf Unzufriedenheit mit der Kommunikation (nicht Häufigkeit) geben. Dies betrifft sowohl die Ausgestaltung (bspw. ein vorgedruckter Einzahlungsschein) als auch den Umfang und den Inhalt. Betrifft die Anzahl an Anfragen – in der Regel Briefe – über welche sich die Probanden äussern.
Kategorie: Prozess – Wettbewerbsbezogene kritische Ereignisse Einflussgrössen der Abwanderung, die von den Konkurrenten und vom Spendenmarkt ausgehen SubausDefinition Ankerbeispiel Codierregel prägung Zu viele NPO
Es gibt zu viele Player auf dem Markt, weshalb es schwierig ist zu spenden und den Überblick zu behalten.
Zu viele Anfragen generell
Der Spender hat generell zu viele Anfragen erhalten und deshalb nicht mehr gespendet
„… dann muss ich soweit die Überzeugung haben, dafür gibt es keine Alternative. Wenn ich z.B. an das Paradebeispiel Greenpeace denke, auch wenn es noch andere Player gibt, noch andere NGOs im Bereich Umwelt usw. da sehe ich jetzt keine Alternative. Amnesty International war das etwa ähnlich und es kann sein, ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber es kann sein, dass ich XXX einmal nicht mehr unterstützt habe, weil ich das Gefühl hatte (…) da tummeln sich jetzt so viele medizinische Hilfsorganisationen, sie ist eine von Dutzenden, es ist ein Chaos, dass man gar nicht mehr draus kommt wer jetzt noch wie viel und wie effektiv leistet. Und dann kann das sein, dass ich dann einfach diese Spende nicht mache.“ „Man wird heute so überschwemmt mit Bettelbriefen. Ich habe gerade nachdem ich den Brief von euch bekommen habe, habe ich mich geachtet und es gibt also Tage, an denen ich 5 Einladungen zum Spenden bekomme, von irgendjemandem.“ „Das ist richtig. Diese Briefe sind zum Teil einfach auch in der Menge untergegangen, das ich einfach nicht mehr studieren wollte. Ja, wenn man einfach solche Massen bekommt, es werden immer mehr und es kommen immer neue Organisationen.“
Äusserungen die auf eine zu hohe Anzahl an spendensammelnden NPO schliessen lassen. Sowohl im Hinblick auf den Spendenmarkt, als auch bei „vor-OrtLeistungen“
Textstellen die darauf verweisen, dass der Spender zu viele Briefe erhält. Diese beziehen sich auf den Gesamtmarkt und nicht auf die Häufigkeit von Anschriften einzelner Organisationen.
„Ich habe im 2007, am 15. Oktober bis Mitte Januar alle diese Bettelbriefe, die gekommen sind, gesammelt. Das waren 72 Stück.“
371
Bevorzugter Aufruf
Angebot eines Konkurrenten
Bezug zu einer anderen NPO
372
Der Proband hat bei einer Auswahl eine andere NPO bevorzugt, weil beispielsweise ein Aufruf besonders gut oder notwendig erschienen ist.
Der Proband schätzt ein anderes Angebot stärker. Beispielsweise eine Patenschaft oder Mitgliedschaft die von einer anderen NPO angeboten wird.
Der Proband hat einen stärkeren, direkteren oder bedeutenderen Kontakt zu einer anderen NPO. Beispielsweise besitzt er einen persönlichen Bezug.
„Konkret war das nichts gegen XXX, sondern einfache eine neue Akzentuierung und Schwerpunktlegung. Dabei ist XXX einfach herausgefallen. (…) Das war für mich ganz klar eine Reduktion zu einem Ort mit Schwerpunkt Schweiz.“ „Ich habe folgendes Vorgehen: Ich sammle das Jahr hindurch die Einzahlungsscheine, die ich erhalte. Im Dezember nehme ich die Summe vor und spende es dort, wo ich das Gefühl habe, es sei am Nötigsten.“ „Ja gut, wie soll ich sagen. Das war so eine Art Prioritätenwechsel. Das ich angefangen habe auch andere Projekte zu unterstützen.“ „Nein eigentlich sind das dann andere wo ich Mitglied werden kann, (…) es ist für mich einfacher, wenn man einen Mitgliederbeitrag geben kann und dann bei XXX das ist jetzt für mich in die äussere Reihe geraten.“ „Genau, langfristige, nachhaltige vor allem Grundversorgung so, ist auch wieder eine Werbung drin mit Kartoffeln. Das macht Sinn. Die bringen denen Kartoffeln, die müssen die Kulturen selber lernen anzupflanzen mit Hilfe zur Selbsthilfe, aber auch sauberer Brunnen, etc. all so was.“ „ Ja. Es sind so ganz kleine private Hilfswerke, bei denen wir jemanden kennen, der jemanden bei der Organisation kennt. Und so ein Projekt unterstützen.“ „Ja, oder eben, die, die mit LSV gelaufen sind, habe ich weiterlaufen lassen, weil der Aufwand auch zu gross ist dort.“
Auch kurz- und mittelfristige Prioritätenverschiebungen können eine Rolle spielen, genauso wie spontane emotionale Entscheide für eine andere NPO. Der Spender wechselt die Unterstützung aufgrund einer bevorzugten Anfrage.
Textstellen die darauf verweisen, dass Konkurrenten durch ihr Angebot positiv Aufgefallen sind. Dies betrifft sowohl inhaltliche, als auch formelle Angebote (bspw.: Spendenformen wie Patenschaften oder Projekte die Vorbeugen,…)
Äusserungen die darauf hinweisen, dass zu einer anderen NPO eine stärkere Bindung/Beziehung existiert hat (sowohl emotional als auch strukturell).
Kategorie: Ergebnis – Aktueller Stand der Beziehung zur befragten NPO Codes zum heutigen und zukünftigen Stand der Beziehung zwischen Spender und NPO. Vom Probanden wahrgenommener Stand zur Spendenbeziehung mit der entsprechenden NPO. (Je nur eine Kategorie pro Interview) AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Abgewandert
Der Spender gibt kein Geld mehr
Pause
Spendet momentan gerade nicht, hat aber vor weiterhin zu spenden.
Unkonstant aktiv
Weitere Unterstützung allerdings mit Pausen. Unkonstante oder unregelmässige Unterstützung.
Keine Abwanderung
Der Spender sieht sich als aktiven Spender und nimmt keine Abwanderung wahr.
„Die Spendentätigkeit habe ich eingestellt“ „ich spende nun für eine Andere“ „Sie haben mich angerufen, weil ich eben keine Spende mehr geschickt habe und habe gesagt, dass zu einem späteren Zeitpunkt werde ich das wieder in Betracht ziehen. Einfach im Moment liegt es nicht drin, dass ich unterstützen kann.“ „Ja das kann mal wieder sein. Ich picke einfach all Monat so ein zwei raus …“ „Nein, ich habe die nicht direkt beendet. Ich spende zwar nicht regelmässig, aber einfach spontan.“ „Doch ich bin weiterhin Spenderin.“ „Ich weiss nicht, ob wir letztes Jahr auch gegeben haben, aber sonst jeden September 100 Fr. schicken.“
Bewusste Beendung der Spendentätigkeit zur befragen NPO Textstellen die aufzeigen, dass der Proband zurzeit bewusst nicht spendet, die Beziehung aber nicht als beendet betrachtet. Im Unterschied zur Ausprägung „Pause“ ist das Ausbleiben der Spende weniger bewusst.
Aus Sicht des Spenders hat sich nichts in der Spendenbeziehung geändert, er sieht sich noch als Spender.
Kategorie: Ergebnis – Aktueller Stand zum allgemeinen Spendenverhalten Bezieht sich auf die Abwanderung im Hinblick auf den Spendenmarkt. AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Konzentration auf wenige NPO
Der Proband spendet weiterhin, aber nur noch konzentriert auf wenige NPO.
„eh, ich habe mir jetzt vorgenommen, dass ich einfach nur gewisse, wie soll ich sagen, nur drei vier ganz gezielt dafür vermehrt werde berücksichtigen....“
Unabhängig vom Finanziellen werden nur noch weniger NPO unterstützt (Anzahl der NPO, nicht Summe der Spendengelder)
373
Weniger Spenden
Komplette Abwanderung
Geld an andere NPO
Der Proband spendet weniger und hat deshalb der befragten NPO nichts mehr gegeben... anderen gibt er aber noch. Der Proband spendet gar nicht mehr
Das Geld das nicht für die befragte NPO gespendet wurde kam einer anderen zu gute
„Es ist im Moment so, dass ich alles ein bisschen runter geschraubt habe und angefangen habe, dass Zeugs ein bisschen zusammen zu sammeln und ich mache also nur sporadisch was.“
„Nein, ich habe dann niemanden anderen unterstützt. Das würde dazu führen, dass ich mir wie eine Grund*** lege und diese 1000 Steine nicht zahle, aber nicht dass ich jetzt eine Organisation auslasse, weil sie mir nicht mehr passt und dafür eine andere, eher nicht.“ „…dass ich das nachher einfach gesagt habe das ist jetzt eine Organisation wo ich im Moment einfach neben aussen lasse, weil ich einfach gar nicht kann überall spenden, dann tue ich jetzt eine Zeitlang irgendwo anders.“
Hat meist auch eine Konzentration auf weniger NPO zur Folge, bezieht sich aber auf den finanziellen Umfang
Textstellen die darauf verweisen, dass ein Wechsel stattgefunden hat.
Kategorie: Ergebnis – Rückgewinnungsmöglichkeit Wie die Probanden die Möglichkeit/Wahrscheinlichkeit einer erneuten Spende betrachten. Ob sie denken, wieder einmal für die NPO zu spenden oder eher nicht. AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Ziemlich sicher wieder Vorstellbar / möglich
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Eine erneute Unterstützung ist ziemlich sicher oder sogar gewiss. Eine erneute Spende ist denkbar, kann aber noch nicht definitiv zugesagt werden.
Im Moment habe ich sie nicht unterstützt, aber ich werde sie künftig sicher wieder unterstützen.
Äusserungen die zeigen, dass der Proband zukünftige Spenden vorsieht
„Also XXX finde ich an und für sich sehr gut und ich kann mir auch vorstellen, wieder dafür zu spenden.“
Der Proband erachtet eine weitere Spende für die NPO für möglich. Er äussert sich positiv über zukünftige Spenden, ohne diese bereits zu beabsichtigen
Neutral
Eher nicht vorstellbar
Ziemlich sicher nicht mehr
Weder positiv noch negativ eingestellt bezüglich Wiederaufnahme.
„Das weiss ich nicht recht.“
Der Proband möchte es nicht ausschliessen betrachtet es aber eher als unwahrscheinlich wieder zu Spenden Eine erneute Spende ist kaum vorstellbar
„Nein, es ist ganz klar, wenn es mir besser geht, will ich auch dass es anderen besser geht. Aber das müsste irgendwie mit einem Lottogewinn zu tun haben.“
„Das ist offen“
„Im Fernsehen, als ich das Schweizerische Rote Kreuz sah, sind mir die Haare zu Berge gestanden. Das ist doch nicht möglich, dass eine solche (…) und die ist für mich erledigt diese Organisation, ein für alle Mal. Da gibt es auch keine Korrektur mehr (…) das hat mich dermassen verärgert. Das wird sehr schwierig sein, so was nochmals zu korrigieren.“
Textstellen die darauf verweisen, dass eine erneute Spende vollkommen offen ist. Keine Präferenzen für oder gegen eine erneute Spende. Die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Spende kann sich auf die Motivation oder die Umstände (Möglichkeiten) beziehen. Der Proband zieht eine erneute Spende nicht in Betracht, sei dies aus Unmöglichkeit (bspw. fehlende Finanzen) oder aus persönlicher Absicht (bspw. andere Prioritäten, nicht korrigierbare Unzufriedenheit)
Kategorie 4: Ergebnis – Rückgewinnungsbedingungen Welche Bedingungen stellen Probanden an eine NPO um wieder zu spenden? AuspräDefinition Ankerbeispiel Codierregel gung Notwendigkeit erkennen
Wenn Spender die Notwendigkeit ihrer Spende erkennen.
„Genau, wenn ich im Moment irgendwo das Gefühl habe, dass es dringend ist, dann kann es schon vorkommen, dass ich eine andere Organisation dann mal vergesse.“
Bewusstwerden über Abwanderung
Wenn Probanden merken, dass sie länger nicht mehr gespendet haben.
„Also wenn ich das jetzt weiss, motiviert es mich nächstes Mal eher, wenn ich einen Brief von XXX erhalte, zu spenden, da ich weiss, dass ich schon lange nichts mehr gegeben habe. (lacht)“
Anfragen müssen den Spender überzeugen, dass seine Spende notwendig ist. Notwendigkeit kann auch durch einen speziellen Anlass zustande kommen. Betrifft in erster Linie unbewusst abgewanderte, solche die sich noch als aktive Spender betrachten.
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also ich betrachte jeweils die Organisationen und dann könnte es sein, dass jemand wegfällt, weil es vielleicht nicht mehr benötigt wird oder so und ich mir dann sage jetzt ist mir das näher als etwas anderes und ich finde deren Einsatz wirkungsvoller oder sinnvoller als ein anderer, das könnte schon sein. „wenn ich das Geld noch hätte würde ich mitmachen.“
Konkurrenz/ Wechsel
Unterstützung durch Verzicht bei einer anderen Organisation
Veränderung der eigenen Situation
Eine Veränderung beim Probanden oder dessen Umfeld.
Reaktion der NPO
Die NPO reagiert auf das Ausbleiben der Spenden, was zu erneuten Spenden führt.
„Wenn man sieht, dass dieser Schaden behoben wird, dann schaut man sich das an. Ich mache ja auch Fehler, aber man lernt daraus. Das ist sicher kein Thema.“
Keine Bedingungen
Der Proband stellt keine Bedingungen an eine Wiederaufnahme.
„ich glaube nicht, dass sie wirklich etwas hätten machen können.“
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Durch den Wechsel (resp. Abwanderung bei einer anderen NPO) können bspw. finanzielle Ressourcen frei werden, die eine erneute Spende ermöglichen. Betrifft insbesondere finanzielle Veränderung (zusätzlich frei verfügbares Geld) aber auch Veränderungen im persönlichen Umfeld (bspw. neuen Lebenspartner). Sämtliche Textstellen die darauf hinweisen, dass die NPO mit einer speziellen Reaktion die Spender zurückgewinnen könnte. Indem bspw. die NPO Erklärungen abgibt oder Stellung bezieht, oder lediglich eine erneuten Kontaktaufnahme (bspw. Einzahlungsschein) startet. Keine Bedingung kann bedeuten, dass es keine gibt oder eine Wiederaufnahme undenkbar ist.
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