Zufriedenheitsorientierte Steuerung des Customer Care : Management von Customer Care Partnern mittels Zufriedenheits-Service Level Standards
 9783834996411, 3834996416 [PDF]

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Zitiervorschau

Maxie Schmidt Zufriedenheitsorientierte Steuerung des Customer Care

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Focus Dienstleistungsmarketing Herausgegeben von Universitätsprofessor Dr. Dr. h.c. Werner Hans Engelhardt, Ruhr-Universität Bochum, Universitätsprofessorin Dr. Sabine Fließ, FernUniversität in Hagen, Universitätsprofessor Dr. Michael Kleinaltenkamp, Freie Universität Berlin, Universitätsprofessor Dr. Anton Meyer, Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsprofessor Dr. Hans Mühlbacher, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Universitätsprofessor Dr. Bernd Stauss, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt und Universitätsprofessor Dr. Herbert Woratschek, Universität Bayreuth (schriftführend)

Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft ist de facto längst vollzogen, er stellt jedoch mehr denn je eine Herausforderung für Theorie und Praxis, speziell im Marketing, dar. Die Schriftenreihe will ein Forum bieten für wissenschaftliche Beiträge zu dem bedeutenden und immer wichtiger werdenden Bereich des Dienstleistungsmarketing. In ihr werden aktuelle Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung in diesem Bereich des Marketing präsentiert und zur Diskussion gestellt.

Maxie Schmidt

Zufriedenheitsorientierte Steuerung des Customer Care Management von Customer Care Partnern mittels Zufriedenheits-Service Level Standards

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Bernd Stauss

Deutscher Universitäts-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, 2007

1. Auflage November 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Sabine Schöller Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0917-2

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Geleitwort Customer Care gewinnt im Rahmen von kundenorientierten Strategien zunehmend an Bedeutung. Durch den planvollen Umgang mit Kundenanliegen sollen Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und ökonomischer Erfolg sichergestellt werden. In diesem Kontext kommt den Organisationseinheiten besondere Bedeutung zu, die als interne oder externe Dienstleister den operativen Kundendialog führen. Zur unternehmerischen Steuerung dieser Customer Care Center werden Service Level Agreements eingesetzt, die primär Festlegungen für technische Qualitäts- und Produktivitätskennziffern enthalten, die objektiv gemessen werden können. Demgegenüber werden Kundenzufriedenheitsziele in der Regel nicht fixiert, was die Gefahr einer Fehlsteuerung impliziert. Die Dissertation von Frau Schmidt befasst sich daher mit der theoretisch und praktisch bedeutsamen Frage, ob eine am Ziel der Kundenzufriedenheit ausgerichtete Steuerung von (externen) Customer Care Centern möglich ist und wie ein entsprechendes Steuerungskonzept ausgestaltet sein kann. Zur Beantwortung dieser komplexen Frage konkretisiert Maxie Schmidt zunächst das generelle Zufriedenheitskonstrukt im Hinblick auf den Spezialfall der Customer Care Zufriedenheit und entwickelt Anforderungskriterien für Zufriedenheits-Service Level Standards. Auf dieser Basis gelingt es ihr, ein Steuerungskonzept für Customer Care Center zu entwerfen, das den Kriterien entspricht und zugleich praktikabel ist. Mit dieser Dissertation leistet Frau Schmidt einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Customer Care-Forschung. Zugleich gibt sie all den Unternehmen eine konkrete Hilfestellung, die mit einem konsistenten Managementkonzept sicherstellen wollen, dass der Funktionsbereich Customer Care nicht nur Kundenanliegen effizient abwickelt, sondern tatsächlich die Ziele der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung erreicht. Insbesondere unter Beachtung der weit verbreiteten öffentlichen Kritik an den Dienstleistungen von Customer Care Centern ist zu hoffen, dass die Empfehlungen dieses Werks auf breite Resonanz stoßen.

Bernd Stauss

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Vorwort Erfahrungen mit Customer Care Centern lösen bei Kunden leider viel zu oft Unzufriedenheit aus. Dies wurde im Laufe der Arbeit an der Dissertation auch immer wieder deutlich – fast jeder, mit dem ich ins Gespräch über das Thema „Customer Care“ kam, hatte sofort eine oder mehrere konkrete „Leidensgeschichten“ über telefonische Kontakte mit Customer Care Centern zu berichten. Ursache der negativen Kundenwahrnehmung ist die stark effizienzgerichtete Steuerung von Customer Care Partnern durch Unternehmen. Da der Grad der Kundenzufriedenheit mit dem Customer Care die Dauer und Profitabilität von Kundenbeziehungen nachhaltig beeinflusst, liegt in mangelnder Customer Care Zufriedenheit ein großes Risiko für Unternehmen. Die vorliegende Arbeit fordert daher die Weiterentwicklung der bisherigen Steuerungsinstrumente und stellt ein effektives Konzept für die „Zufriedenheitsorientierte Steuerung des Customer Care“ vor. Diese Dissertation entstand während meiner Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement von Prof. Dr. Bernd Stauss an der Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt (WFI) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Bernd Stauss. Bereits im Studium hat er mich mit seiner Begeisterung und seiner außerordentlichen Fachkompetenz im Fach Dienstleistungsmanagement mitgerissen. Während der Promotionszeit war er mir ein Doktorvater, wie man ihn sich nicht besser wünschen kann und ein wunderbarer Chef am Lehrstuhl. Er hat mich hervorragend wissenschaftlich betreut und von ihm habe ich sowohl fachlich als auch durch seine Persönlichkeit und seine Art des Arbeitens sehr viel gelernt. Dafür bin ich ihm sehr verbunden. Für die Übernahme des Koreferats meiner Dissertation, die auch mit der inhaltlichen Diskussion im Rahmen des Doktoranden- und Habilitandenprogramms der WFI verbunden war, bedanke ich mich sehr herzlich bei Prof. Dr. Klaus D. Wilde. Meinen Kollegen am Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement danke ich für die sehr gute Zusammenarbeit, die wissenschaftlichen Diskussionen und das jederzeit anregende und geistig bereichernde Klima sowie die schöne gemeinsame Zeit. Vor allem gilt dies Katrin Plein, mit der mich nicht nur unser gemeinsamer Start am Lehrstuhl verbindet.

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Meiner Familie und meinen Freunden, die mir immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben und mich auch in stressigeren Zeiten „ertragen“ haben, danke ich. Einige von Ihnen haben dabei besonders viel „investiert“: Herzlich danke ich Dr. Christian Coenen und Dr. Martin Mende, die in ihrer eng bemessenen Freizeit die umfangreiche „Rohversion“ der Arbeit durchgelesen und mir sehr konstruktives Feedback gegeben haben. Dank der modernen Technik funktionierte das sogar über den Atlantik hinweg. Sehr dankbar bin ich meiner Freundin Claudia Vieluf, die sich neben ihrer Familie die Zeit genommen hat, mit viel Gespür erste Lektoratsaufgaben wahrzunehmen. Ulf Kreutzer danke ich für seine Geduld und Hilfe im Endspurt. Sehr verbunden bin ich Heiko Maaß, da er mir jederzeit in praktischen Dingen geholfen und mich auch in schwierigen Phasen unterstützt hat. Mein ganz besonderer Dank gebührt meinen Eltern, Dr. Hannelore Schmidt und Prof. Dr. Manfred Schmidt. Sie haben durch ihr Engagement und ihren beständigen und liebevollen Rückhalt mein Studium und die Promotion erst ermöglicht. Meine Mutter hat mich stets in meinem Bestreben ermutigt und war immer für mich da. Gleiches gilt für meinen Vater, der mit großem Einsatz meine Dissertation durch seine gründliche sowie kritische Lektüre vorangebracht hat.

Meinen Eltern widme ich diese Arbeit.

Maxie Schmidt

Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ...........................................................................................XXIII Abkürzungsverzeichnis......................................................................................... XXIX 1

Einführung.......................................................................................................... 1 1.1 Zufriedenheitsorientierte Steuerung von Customer Care Dienstleistern als Problemfeld............................................................................................. 1 1.2 Gang der Untersuchung ............................................................................... 5

2

Notwendigkeit der zufriedenheitsorientierten Steuerung des Customer Care..................................................................................................................... 9 2.1 Grundlegende Ausführungen zum Customer Care....................................... 9 2.1.1 Definition von Customer Care ............................................................ 9 2.1.2 Bedeutung und Ziele des Customer Care .........................................10 2.2 Customer Care Center als wesentliche Organisationsform des Customer Care ............................................................................................14 2.2.1 Definition und Charakterisierung von Customer Care Centern .........14 2.2.1.1 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands...................14 2.2.1.2 Definition des Call Centers als Ausgangspunkt..................15 2.2.1.3 Bearbeitung von Inbound-Kundenanliegen im Customer Care Center .......................................................16 2.2.1.4 Fokussierung auf die Bearbeitung telefonischer Anliegen im Customer Care Center....................................17 2.2.1.5 Abschließende Definition von Customer Care Centern ......18 2.2.2 Einsatz von Customer Care Centern als Beitrag zum Erreichen der Ziele des Customer Care ............................................................19 2.2.3 Organisation und Personal sowie Technologie als Rahmenfaktoren im Customer Care Center......................................22

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Inhaltsverzeichnis

2.2.3.1 Identifikation der wesentlichen Rahmenfaktoren der Leistungserbringung im Customer Care Center .................22 2.2.3.2 Organisation und Personal im Customer Care Center .......23 2.2.3.3 Kurzüberblick über relevante Technologien im Customer Care Center .......................................................26 2.3 Konkretisierung der Customer Care Leistung als Bearbeitung von Kundenanliegen im Rahmen von Customer Care Kontakten ......................28 2.3.1 Kundenanliegen als Gegenstand von Customer Care Kontakten .....29 2.3.1.1 Identifikation der im Customer Care Center zu bearbeitenden Kundenanliegen .........................................29 2.3.1.2 Kategorisierung der Kundenanliegen .................................31 2.3.2 Charakterisierung und Definition von Customer Care Kontakten......33 2.3.2.1 Mittelbarkeit von Customer Care Kontakten als wesentliches Merkmal der Customer Care Leistung ..........33 2.3.2.2 Kontextabhängige Heterogenität der Customer Care Kontakte .............................................................................33 2.3.2.3 Dienstleistungstypische Integrativität und Intangibilität von Customer Care Kontakten ...........................................34 2.3.2.4 Häufigkeit und begrenzte Dauer von Customer Care Kontakten ...........................................................................37 2.3.2.5 Ergebnisfokus von Customer Care Kontakten ...................39 2.3.2.6 Abschließende Definition des Customer Care Kontakts.....40 2.3.3 Prozessbetrachtung von Customer Care Kontakten .........................41 2.3.3.1 Identifikation und Beschreibung des Kundenprozesses beim Customer Care Kontakt .............................................41 2.3.3.2 Ermittlung und Beschreibung des gesamten Customer Care Leistungsprozesses...................................................45 2.4 Notwendigkeit einer zufriedenheitsorientierten Steuerung insbesondere externer Customer Care Dienstleister .........................................................53 2.4.1 Forderung von Kundenzufriedenheit mit dem Customer Care Kontakt als Zielgröße der Customer Care Steuerung .......................53 2.4.2 Steuerung externer Customer Care Dienstleister als Fokus der Arbeit.................................................................................................55

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2.4.2.1 Erbringung der Customer Care Leistung durch externe Customer Care Dienstleister als relevantes Phänomen .....56 2.4.2.2 Besondere Herausforderungen der Steuerung externer Customer Care Dienstleister aufgrund der Dreieckskonstellation des Customer Care .........................59 2.4.2.3 Notwendigkeit eines effektiven Steuerungsinstrumentariums zur Steuerung externer Customer Care Dienstleister ..............................................62 3

Service Level Standards als Steuerungsinstrument für Customer Care.....63 3.1 Service Level Standards als Instrument zur Steuerung externer Dienstleister im Rahmen von Service Level Agreements............................63 3.1.1 Grundlegende Ausführungen zu Service Level Agreements als Rahmen von Service Level Standards ..............................................63 3.1.1.1 Definition und wesentliche Charakteristika von Service Level Agreements ..............................................................64 3.1.1.1.1 Literaturüberblick zu Definitionen von Service Level Agreements .................................64 3.1.1.1.2 Wesentliche Charakteristika von Service Level Agreements ..............................................66 3.1.1.1.3 Abschließende Definition von Service Level Agreements .......................................................70 3.1.1.2 Ziele und Nutzen des Einsatzes von Service Level Agreements ........................................................................70 3.1.1.3 Überblick über notwendige Bestandteile von Service Level Agreements ..............................................................73 3.1.2 Hauptelemente der Steuerung mittels Service Level Standards .......75 3.1.2.1 Service Level Standards sowie deren Ausgestaltungsoptionen .....................................................75 3.1.2.2 Maluszahlungen als wesentliche Konsequenzen der Nichteinhaltung der Service Level Standards.....................76 3.1.2.3 Unternehmerische Mitwirkungspflichten als Geltungsbedingung für Service Level Standards ...............79 3.1.3 Managementprozess für den Einsatz von Service Level Standards als Steuerungsinstrument ................................................80

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3.1.3.1 Analyse für die Service Level Standards............................81 3.1.3.2 Planung für die Service Level Standards ...........................82 3.1.3.3 Kontrolle der Service Level Standards ...............................82 3.1.3.4 Gestaltung bezüglich der Service Level Standards ............82 3.2 Service Level Standards im Customer Care – Status Quo und Kritik ..........83 3.2.1 Maßgebliche Rolle von ACD-Kennzahlen in der Steuerung von Customer Care Centern ....................................................................84 3.2.2 Wesentliche Kritikpunkte an herkömmlichen Service Level Standards für die Steuerung von Customer Care Centern................87 3.2.2.1 Negative Folgen der Ausrichtung der Steuerung des Customer Care Centers auf Produktivität und technisch-objektive Qualität ...............................................87 3.2.2.1.1 Ausrichtung der Steuerung auf Produktivität und technisch-objektive Qualität durch die ACD-Kennzahlen ...............................................87 3.2.2.1.2 Probleme der Ausrichtung auf Produktivität und technisch-objektive Qualität ........................89 3.2.2.2 Zusätzliche praktische Defizite bei der Verwendung von Kundenzufriedenheitskennzahlen im Customer Care ........93 3.3 Forderung von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care und Vorschlag der Entwicklung eines Konzepts .................................94 3.3.1 Konzeptentwicklung für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care als Ziel der Arbeit und Erkenntnisbeitrag ..............................................................................94 3.3.2 Erarbeitung von Anforderungskriterien an Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care.........................97 3.3.3 Managementprozess für den Einsatz von Service Level Standards als Grundlage der Konzeptentwicklung und Struktur der weiteren Arbeit ..........................................................................108

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Analyse für die Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care..................................................................................................................111 4.1 Konkretisierung des Konstrukts der Customer Care Zufriedenheit ...........111 4.1.1 Definition und Charakterisierung der Kundenzufriedenheit als Basis für die Konkretisierung des Konstrukts der Customer Care Zufriedenheit ...................................................................................112 4.1.1.1 Definition der Kundenzufriedenheit nach dem C/DParadigma und Betrachtungsebenen der Kundenzufriedenheit ........................................................112 4.1.1.2 Kundenzufriedenheit als multiattributives Konstrukt .........115 4.1.1.3 Kundenzufriedenheit als mehrfaktorielles Konstrukt.........117 4.1.1.4 Kundenzufriedenheit als Ausstrahlungseffekten unterworfenes Konstrukt ..................................................118 4.1.2 Definition der Customer Care Zufriedenheit nach dem C/DParadigma und als Transaktionszufriedenheit ................................119 4.1.3 Customer Care Zufriedenheit als multiattributives Konstrukt ..........121 4.1.3.1 Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit .....................................122 4.1.3.1.1 Erkenntnisquellen für die Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit...........................122 4.1.3.1.2 Literaturübersicht konzeptioneller und empirischer Arbeiten zu Dimensionen und Merkmalen der Customer Care Zufriedenheit..122 4.1.3.1.3 Identifikation der wesentlichen Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit ....................128 4.1.3.1.4 Konkretisierung der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit durch Zuordnung der Merkmale.................................129 4.1.3.2 Bedeutungsgewicht der Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit .....................................131 4.1.3.3 Konsequenzen der Multiattributivität für die Planung und Messung der Customer Care ZufriedenheitsService Level Standards ..................................................133 4.1.4 Customer Care Zufriedenheit als mehrfaktorielles Konstrukt ..........134

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4.1.5 Customer Care Zufriedenheit als Ausstrahlungseffekten unterworfenes Konstrukt .................................................................136 4.2 Reflektion des Konstrukts der Customer Care Zufriedenheit vor dem Hintergrund der Customer Care Dreieckskonstellation .............................139 4.2.1 Notwendigkeit der Betrachtung von Einflüssen auf die Customer Care Zufriedenheit außerhalb der Customer Care Beziehung ........140 4.2.2 Dienstleistungsbeziehung und Einfluss unternehmensbestimmter Rahmenbedingungen auf die Customer Care Zufriedenheit ...........141 4.2.3 Kernleistungsbeziehung und Einflüsse auf die Customer Care Zufriedenheit ...................................................................................145 4.2.3.1 Einfluss durch Leistungsversprechen des Unternehmens..................................................................145 4.2.3.2 Einfluss durch Ausstrahlungseffekte ................................145 4.3 Unternehmensspezifische Analyse der Kundenanforderungen an die Customer Care Leistung ...........................................................................150 4.3.1 Identifikation und Zugänglichkeit relevanter Kunden-Zielgruppen für die Erhebung..............................................................................150 4.3.1.1 Notwendigkeit der Befragung der Kunden........................150 4.3.1.2 Identifikation relevanter Zielgruppen unter den Kunden ...151 4.3.1.3 Zugänglichkeit der verschiedenen Kunden-Zielgruppen ..153 4.3.2 Verfahren zur unternehmensspezifischen Konkretisierung der Customer Care Zufriedenheit aus Kundensicht ..............................154 4.3.2.1 Verfahren zur Identifikation beurteilungsrelevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit ....................................................................154 4.3.2.1.1 Verfahren zur Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale ............................155 4.3.2.1.2 Verfahren zur Ermittlung des Bedeutungsgewichts der Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit....159 4.3.2.2 Verfahren zur Ermittlung der Faktorzugehörigkeit der Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit ....................................................................163

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4.4 Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien nach der Analysephase............................................................................................166 5

Planung für die Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care..................................................................................................................171 5.1 Festlegung der Leistungsgrößen für die Zufriedenheits-Service Level Standards ..................................................................................................172 5.1.1 Basisoptionen der Festlegung der Leistungsgrößen .......................173 5.1.2 Möglichkeit der Kombination der Basisoptionen .............................174 5.1.3 Entscheidung für Leistungsgrößen auf Dimensionsebene ..............175 5.2 Formulierung von Sollvorgaben für die Zufriedenheits-Service Level Standards ..................................................................................................176 5.2.1 Quantifizierung der Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit als Voraussetzung der Formulierung von Sollvorgaben ...................................................................................177 5.2.1.1 Auswahl einer geeigneten Skala ......................................177 5.2.1.1.1 Anforderungen an eine geeignete Skala..........177 5.2.1.1.2 Grundsätzliche Entscheidung für eine Rating- und Zufriedenheitsskala ......................178 5.2.1.1.3 Ausgestaltung der Zufriedenheitsskala ............180 5.2.1.1.4 Transformation der Skalenpunkte der 5erZufriedenheitsskala zu Indexwerten ................182 5.2.1.2 Zuordnung der Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit zu den Skalenpunkten der 5erZufriedenheitsskala ..........................................................184 5.2.2 Diskussion relevanter Ausgestaltungsoptionen der Sollvorgaben für die Zufriedenheits-Service Level Standards ..............................185 5.2.2.1 Spezifikation der Sollvorgaben als Mittel- oder Anteilswerte......................................................................186 5.2.2.2 Option der Formulierung von Zufriedenheits- und Unzufriedenheitsstandards auf Basis der Anteilsmethode ................................................................188 5.2.2.3 Formale Ausgestaltungsoptionen der Sollvorgaben .........189

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5.2.3 Vorgehen zur Bestimmung der Sollvorgaben für die Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care ...........191 5.2.3.1 Detailbetrachtung der Bestimmungsfaktoren der Sollvorgaben ....................................................................191 5.2.3.1.1 Referenzniveau der Customer Care Zufriedenheit für die Leistungsgröße als Ausgangsbasis ................................................191 5.2.3.1.2 Berücksichtigung der Anforderungen der Kunden auf Basis der wahrgenommenen Bedeutung der Leistungsgrößen......................193 5.2.3.1.3 Berücksichtigung der kundengerichteten Ziele des Unternehmens und dessen Wettbewerbsposition im Hinblick auf die Kernleistung.....................................................194 5.2.3.1.4 Berücksichtigung der Kosten der Sollvorgaben....................................................195 5.2.3.2 Exemplarische Ermittlung von Sollvorgaben für die Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care .................................................................................196 5.2.4 Besondere Aspekte der Bestimmung der Sollvorgaben..................198 5.2.4.1 Optionale Dynamisierung der Sollvorgaben .....................198 5.2.4.2 Optionale Festlegung faktortypgerechter Sollvorgaben aufgrund der Mehrfaktorstruktur der Customer Care Zufriedenheit ....................................................................199 5.2.5 Möglichkeiten und Herausforderungen einer Differenzierung der Sollvorgaben nach Kundensegmenten und Anliegen......................201 5.2.5.1 Vorbemerkungen zur Differenzierung der Sollvorgaben nach Kundensegmenten und Anliegen.............................201 5.2.5.2 Handlungsspielräume einer Differenzierung der Sollvorgaben nach Kundensegmenten und Anliegen.......202 5.2.5.3 Differenzierung der Sollvorgaben nach dem Kundensegment ...............................................................204 5.2.5.3.1 Priorisierung der Kunden nach dem Kundenwert......................................................204 5.2.5.3.2 Bestimmung kundenwertspezifischer Sollvorgaben....................................................205

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5.2.5.3.3 Bewertung der Differenzierung der Sollvorgaben nach dem Kundenwert ...............207 5.2.5.4 Differenzierung der Sollvorgaben nach dem Anliegen .....208 5.2.5.4.1 Priorisierung der Anliegen aus Unternehmenssicht nach dem Anliegenwert....208 5.2.5.4.2 Bestimmung anliegenspezifischer Sollvorgaben....................................................210 5.2.5.4.3 Bewertung der Differenzierung der Sollvorgaben nach dem Anliegen ....................214 5.2.5.5 Differenzierung der Sollvorgaben nach Anliegen und Kundensegment ...............................................................215 5.2.5.5.1 Kombination von Kundensegment- und Anliegendifferenzierung in einer Matrix............216 5.2.5.5.2 Kombination der Differenzierung der Sollvorgaben nach Anliegen und Kundenwert im Kundenbeziehungs-Lebenszyklus ..............219 5.2.5.6 Zwischenfazit zur Differenzierung der Sollvorgaben ........220 5.2.6 Zwischenfazit zur Formulierung der Sollvorgaben ..........................221 5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung der ZufriedenheitsService Level Standards ...........................................................................222 5.3.1 Vereinbarung verschuldensabhängiger und anfänglich pauschaler Maluszahlungen ...........................................................223 5.3.2 Festlegung der Höhe der Maluszahlung als Anteil an der Gesamtvergütung............................................................................224 5.3.3 Möglichkeiten der Flexibilisierung der Steuerung und Besonderheiten der Steuerung mehrerer Dienstleister ...................229 5.3.4 Ergänzende Ausgestaltungsmodalitäten der Maluszahlungen........231 5.4 Planung der Mitwirkungspflichten des Auftraggeberunternehmens für die Zufriedenheits-Service Level Standards..............................................232 5.5 Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien nach der Planungsphase..........................................................................................234

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Kontrolle der Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care..................................................................................................................239 6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung ........................240 6.1.1 Aktueller und konkreter Customer Care Kontakt als Gegenstand der Customer Care Zufriedenheits-Befragung ................................242 6.1.2 Festlegung der Befragungszeitpunkte für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung................................................................243 6.1.3 Identifikation und Vorstellung relevanter Befragungsmethoden für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung ...........................246 6.1.3.1 Identifikation relevanter Befragungsmethoden für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung........................246 6.1.3.2 Call-Ausgangsbefragung per Interactive-VoiceResponse .........................................................................249 6.1.3.3 Mündliche telefonische Call-Folgebefragung ...................251 6.1.3.4 Online-Call-Folgebefragung .............................................252 6.1.4 Auswahl der Teilnehmer für die Customer Care ZufriedenheitsBefragung .......................................................................................253 6.1.4.1 Grundsätzliches Vorgehen bei der Auswahl der zu Befragenden.....................................................................254 6.1.4.1.1 Entscheidung für eine Teilerhebung ................254 6.1.4.1.2 Bestimmung der notwendigen Stichprobe .......255 6.1.4.2 Besondere Herausforderungen der Selektion der Befragungsteilnehmer für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung.................................................258 6.1.4.2.1 Unterschiedliche Selektionsprozesse bei Call-Ausgangs- und Call-Folgebefragungen ....258 6.1.4.2.2 Vor- und Nachteile von Call-Ausgangs- und Call-Folgebefragung für die Selektion..............259 6.1.5 Gestaltung des Fragebogens für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung................................................................267 6.1.5.1 Maximale Fragenzahl in Abhängigkeit von den Befragungsmethoden .......................................................268 6.1.5.2 Inhalte des Fragebogens der Customer Care Zufriedenheits-Befragung.................................................269

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XIX

6.1.5.2.1 Direkte Abfrage der Zufriedenheitswerte der Leistungsgrößen als Kern der Befragung ........269 6.1.5.2.2 Abfrage der Gesamtzufriedenheit als wichtige Ergänzung der Befragung ..................270 6.1.5.2.3 Abfrage der Weiterempfehlungsbereitschaft zur Einbeziehung der Kundenbindung als empfohlene Ergänzung der Befragung ............271 6.1.5.2.4 Abfrage zusätzlicher Zufriedenheitswerte als mögliche Ergänzung der Befragung ................273 6.1.5.3 Reihenfolge der Fragen in der Customer Care Zufriedenheits-Befragung.................................................274 6.1.5.3.1 Abfrage der Zufriedenheitswerte der Leistungsgrößen ..............................................274 6.1.5.3.2 Position der Frage zur Gesamtzufriedenheit unter Berücksichtigung von Ausstrahlungseffekten .....................................275 6.1.5.4 Formulierung der Customer Care ZufriedenheitsBefragung.........................................................................277 6.1.5.5 Darstellung der 5er-Zufriedenheitsskala im Fragebogen..281 6.1.5.6 Ergänzung des Fragebogens durch den Einsatz von offenen Fragen (Freitextfelder).........................................281 6.1.5.7 Vorschlag eines Beispielfragebogens ..............................283 6.1.6 Zwischenfazit: Auswahl der Befragungsmethoden bei verschiedenen Bedingungen der Customer Care ZufriedenheitsBefragung .......................................................................................286 6.2 Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards .......288 6.2.1 Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards........................................................................................288 6.2.1.1 Grundsätzliches Vorgehen bei der Ermittlung der IstWerte der Zufriedenheits-Service Level Standards ..........289 6.2.1.2 Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards für verschiedene Steuerungsebenen als Herausforderung.........................................................290 6.2.1.3 Unterschiedliches Antwortverhalten bei verschiedenen Befragungsmethoden als Herausforderung......................291

XX

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6.2.2 Mögliche Ergebnisse des Soll-Ist-Vergleichs der ZufriedenheitsService Level Standards als Resultat der Kontrolle ........................295 6.3 Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien nach der Kontrollphase ............................................................................................296 7

Gestaltung bezüglich der Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care ................................................................................................299 7.1 Kurzfristige Gestaltung ..............................................................................299 7.1.1 Berücksichtigung kurzfristiger Einflüsse auf die Realisierbarkeit der Ist-Werte ...................................................................................300 7.1.2 Ableitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Leistung des Dienstleisters ..................................................................................302 7.1.2.1 Priorisierung der Handlungsfelder mittels der DefizitEinfluss-Matrix..................................................................303 7.1.2.2 Identifikation der Ansatzpunkte zur Leistungsverbesserung ....................................................305 7.1.2.2.1 Erkenntnisse aus der Customer Care Zufriedenheits-Befragung ................................306 7.1.2.2.2 Zusätzlicher Einsatz ereignisorientierter Messverfahren der Customer Care Zufriedenheit....................................................307 7.1.2.2.3 Zusätzlicher Einsatz von Mystery Calling, Gesprächsaufzeichnung und Monitoring im Customer Care Center.....................................309 7.1.2.2.4 Verknüpfung der Zufriedenheits-Service Level Standards mit dem operativen Steuerungsinstrumentarium des Dienstleisters ...................................................312 7.1.2.3 Auswahl von Verbesserungsmaßnahmen mittels der Effektivitäts-Effizienz-Matrix .............................................318 7.1.3 Verwendung von Beschwerden als zusätzliche Frühwarnindikatoren .......................................................................319 7.2 Langfristige Gestaltung..............................................................................323 7.2.1 Veränderte Kundenanforderungen als Ursache der Anpassung.....324

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7.2.2 Veränderte Leistungsfähigkeiten des Dienstleisters als Ursache der Anpassung ................................................................................325 7.2.3 Eingeschränkte langfristige Realisierbarkeit als Ursache der Anpassung ......................................................................................326 7.3 Zufriedenheits-Service Level Standard-Controlling als Gestaltungsaufgabe ..................................................................................331 7.3.1 Bewertung des Nutzens der Zufriedenheits-Service Level Standards........................................................................................331 7.3.2 Kosten-Nutzen-Betrachtung............................................................336 7.4 Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien nach der Gestaltungsphase .....................................................................................337 8

Bewertung des Konzepts zur Steuerung des Customer Care mittels Zufriedenheits-Service Level Standards ......................................................341 8.1 Überblick über das entwickelte Konzept ....................................................341 8.2 Bewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien...................................341

9

Zusammenfassung, Fazit und Ausblick .......................................................347 9.1 Zusammenfassung der Erkenntnisse hinsichtlich der formulierten Teilziele .....................................................................................................347 9.2 Fazit und Ausblick .....................................................................................355

Literaturverzeichnis .................................................................................................359 Verzeichnis der geführten Expertengespräche........................................................395 Stichwortverzeichnis ................................................................................................397

Abbildungsverzeichnis

XXIII

Abbildungsverzeichnis Teil 1 Abb. 1-1:

Teilziele der vorliegenden Arbeit ............................................................. 4

Abb. 1-2:

Gang der Untersuchung der vorliegenden Arbeit .................................... 7

Teil 2 Abb. 2-1:

Customer Care als Quelle für Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und ökonomischen Erfolg auf Unternehmensebene..............................................................................13

Abb. 2-2:

Strukturierungsrahmen im Customer Care Center .................................22

Abb. 2-3:

Relevante Kundenanliegen für Customer Care Center ..........................30

Abb. 2-4:

Kategorisierung der Customer Care Anliegen ........................................32

Abb. 2-5:

Überblick über die Prozessphasen des Customer Care Kontakts aus Kundensicht.....................................................................................42

Abb. 2-6:

Detailbetrachtung des Kundenprozesses beim Customer Care

Abb. 2-7:

„Gesprächsphase“ bei einem reinen IVR-Kontakt ..................................44

Abb. 2-8:

Grundsätzliche Struktur einer Service Map ............................................46

Abb. 2-9:

Grundstruktur der Customer Care spezifischen Service Map.................50

Kontakt ...................................................................................................42

Abb. 2-10: Exemplarische Customer Care Service Map..........................................52 Abb. 2-11: Zusammenhang zwischen Customer Care Zufriedenheit, Customer Care Bindung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und ökonomischem Erfolg......................................................................55 Abb. 2-12: Dreieckskonstellation zwischen Unternehmen (Auftraggeber), Kunde und Customer Care Dienstleister ................................................60 Teil 3 Abb. 3-1:

Definitionen von SLAs in der Literatur ....................................................66

Abb. 3-2:

Service Level Standards, Konsequenzen ihrer Nichteinhaltung sowie Bedingungen ihrer Gültigkeit als Hauptelemente der Steuerung mittels Service Level Standards............................................75

XXIV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 3-3:

Managementprozess für den Einsatz von Service Level

Abb. 3-4:

Wesentliche Kennzahlen in der bestehenden Steuerung von

Standards als Steuerungsinstrument .....................................................81 Customer Care Centern .........................................................................86 Abb. 3-5:

Einordnung der Kennzahlen der Steuerung von Customer Care Centern als Produktivitäts-, technisch-objektive, objektive und subjektive Qualitätskennzahlen..............................................................88

Abb. 3-6:

Angestrebte Rolle der Customer Care Zufriedenheit bei der Steuerung von Customer Care Centern .................................................95

Abb. 3-7:

Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards als Konsequenz aus der Zusammenführung des Ziels „Customer Care Zufriedenheit“ und des Steuerungsinstruments „Service Level Standards“ ....................................................................................95

Abb. 3-8:

Anforderungskriterien an Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care.........................................................99

Abb. 3-9:

Anforderungskriterien und Erläuterung im Überblick ............................108

Abb. 3-10: Konzeptentwicklung für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care und Aufbau der Arbeit..............................................................................................109 Teil 4 Abb. 4-1:

Grundmodell der Entstehung von Kundenzufriedenheit nach dem C/D-Paradigma ....................................................................................115

Abb. 4-2:

Grundmodell der Entstehung der Customer Care Zufriedenheit

Abb. 4-3:

Verdichtete Literaturübersicht zu relevanten Dimensionen und

nach dem C/D-Paradigma und wesentliche Kontextfaktoren ...............121 Merkmalen der Customer Care Zufriedenheit ......................................127 Abb. 4-4:

Wesentliche Beurteilungskriterien der Customer Care Kontakte als Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit .............................128

Abb. 4-5:

Definition der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit und Zuordnung der Merkmale ..............................................................130

Abbildungsverzeichnis

Abb. 4-6:

XXV

Empirische Studien mit Anhaltspunkten zum Bedeutungsgewicht der Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit ........................................................................................132

Abb. 4-7:

Untersuchung der Customer Care Zufriedenheit vor dem

Abb. 4-8:

Grundmodell der Einflüsse auf die Entstehung von Customer

Hintergrund der Customer Care Dreieckskonstellation ........................140 Care Zufriedenheit in der Customer Care Dreieckskonstellation..........141 Abb. 4-9:

Einflüsse auf die Entstehung von Customer Care Zufriedenheit innerhalb der Customer Care Dreieckskonstellation ............................148

Abb. 4-10: Relevante Zielgruppen unter den Kunden des Unternehmens für die Primärerhebung..............................................................................152 Abb. 4-11: Basisverfahren zur Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit ........................................156 Abb. 4-12: Kontaktpunktorientierte Verfahren zur Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit ...........157 Abb. 4-13: Problemzentrierte Verfahren zur Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit ...........158 Abb. 4-14: Zwischenbewertung der Anforderungskriterien nach Teil 4..................169 Teil 5 Abb. 5-1:

Aufgaben in der Planungsphase ..........................................................171

Abb. 5-2:

Detaillierungsgrad der Leistungsgröße der ZufriedenheitsService Level Standards ......................................................................173

Abb. 5-3:

Leistungsgrößen der Zufriedenheits-Service Level Standards auf

Abb. 5-4:

Skala zur Erfassung der Customer Care Zufriedenheit ........................182

Abb. 5-5:

Zuordnung der Punkte der 5er-Zufriedenheitsskala zu den

Abb. 5-6:

Zusammenfassung der Spezifikationsoptionen für die

Dimensionsebene ................................................................................176

Ausprägungen der Zufriedenheitsskala................................................185 Zufriedenheits-Service Level Standards...............................................190 Abb. 5-7:

Ausgangsbasis und Einflussfaktoren auf die Höhe der Sollvorgaben ........................................................................................192

XXVI

Abb. 5-8:

Abbildungsverzeichnis

Exemplarische Zufriedenheits-Service Level Standards für die vier Leistungsgrößen Erreichbarkeit, Interaktionskompetenz, Fachkompetenz und Problemlösung....................................................198

Abb. 5-9:

Relevante Spezifikationsoptionen für die Differenzierung der Sollvorgaben nach Kundensegment und/oder Anliegen ......................203

Abb. 5-10: Umsetzung der Differenzierung der Sollvorgaben nach Key Account- und Account-Kunden.............................................................206 Abb. 5-11: Matrix zur Kombination der Differenzierung nach Anliegen und Kundengruppen....................................................................................216 Abb. 5-12: Beispielhafte Festlegung der Maluszahlungen für die definierten Zufriedenheits-Service Level Standards...............................................228 Abb. 5-13: Schematische Darstellung der Veränderlichkeit eines Anteils der Maluszahlungen ...................................................................................230 Abb. 5-14: Zwischenbewertung der Anforderungskriterien nach Teil 5..................238 Teil 6 Abb. 6-1:

Aufgaben in der Kontrollphase .............................................................239

Abb. 6-2:

Planungsschritte der Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung für die Kontrolle der ZufriedenheitsService Level Standards ......................................................................241

Abb. 6-3:

Relevante Befragungsmethoden zur Erhebung der Customer

Abb. 6-4:

Organisation der IVR-Call-Ausgangsbefragung ...................................250

Abb. 6-5:

Organisation der Call-Folgebefragungen (telefonisch und online)........251

Abb. 6-6:

Überblick über besondere Herausforderungen der Selektion der

Care Zufriedenheit ...............................................................................249

Teilnehmer für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung bei den unterschiedlichen Befragungsmethoden .......................................267 Abb. 6-7:

Beispielfragebogen zur Messung der Zufriedenheit für die Leistungsgrößen der Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care Center .........................................................................285

Abb. 6-8:

Checkliste wichtiger Kriterien der unternehmensspezifischen Auswahl der Befragungsmethoden ......................................................287

Abb. 6-9:

Zwischenbewertung der Anforderungskriterien nach Teil 6..................298

Abbildungsverzeichnis

XXVII

Teil 7 Abb. 7-1:

Aufgaben in der Gestaltungsphase ......................................................299

Abb. 7-2:

Defizit-Einfluss-Matrix zur Priorisierung der Notwendigkeit der Identifikation von Verbesserungsmaßnahmen für die Leistungsgrößen ..................................................................................305

Abb. 7-3:

Auswahl möglicher wesentlicher operativer Treiber der vier Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit ...................................316

Abb. 7-4:

Effektivitäts-Effizienz-Matrix zur Auswahl von Verbesserungsmaßnahmen .................................................................319

Abb. 7-5:

Realisierbarkeitsmatrix - Bewertung der Realisierbarkeit der Zufriedenheitswerte durch deren Vergleich mit operativen Kennzahlen ..........................................................................................327

Abb. 7-6:

Wirkungskette der Nutzenbewertung des Einsatzes von

Abb. 7-7:

Detailbetrachtung der Wirkeffekte auf die Kundenbindung in der

Abb. 7-8:

Detaillierte Wirkungskette zur Nutzenbewertung von

Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care.................331 Wirkungskette ......................................................................................334 Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care.................335 Abb. 7-9:

Kosten-Nutzen-Rate des Einsatzes von Zufriedenheits-Service Level Standards ...................................................................................336

Abb. 7-10: Zwischenbewertung der Anforderungskriterien nach Teil 7..................339 Teil 8 Abb. 8-1:

Überblick über das entwickelte Konzept für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards zur zufriedenheitsorientierten Steuerung des Customer Care....................342

XXIX

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

ACD = Automatic Call Distribution BA

= Beschwerdeanalyse

C/D

= Confirmation/Diconfirmation

CIT

= Methode der Kritischen Ereignisse / Critical Inident Technique

CRM = Customer Relationship Management CTI

= Computer Telephony Integration

i.e.S. = im engeren Sinn IVR

= Interactive Voice Response

i.w.S. = im weiteren Sinn KA

= Kündigeranalyse

SIT

= Sequentielle Ereignismethode / Sequential Incident Technique

SLA(s)= Service Level Agreement(s)

1.1 Problemstellung

1

1 Einführung 1.1 Zufriedenheitsorientierte Steuerung von Customer Care Dienstleistern als Problemfeld Zentrale unternehmerische Ziele in einem Umfeld zunehmenden Wettbewerbs sind das Erreichen von Kundenzufriedenheit und langfristiger Bindung profitabler Kunden an das Unternehmen (Diller 1996; Homburg/Bruhn 2005; Stauss 1999). In diesem Kontext wird die Gestaltung der Beziehung zu den Kunden und der professionelle Umgang mit den Kunden verstärkt zum Erfolgsfaktor. Eine besondere Rolle dabei spielt Customer Care (Dangelmaier et al. 2004; Töpfer/Greff 2000, S. 87f.; Wiencke/Koke 19F99, S. 3ff.). Customer Care ist der planvolle Umgang mit allen Anliegen, die von aktuellen, potentiellen und verlorenen Kunden im Zusammenhang mit der Nutzung der unternehmerischen Kernleistung an das Unternehmen gerichtet werden (Stauss/Seidel 2007, S. 35; Wiencke/Koke 1999, S. 3ff.). Für die Kontaktaufnahme der Kunden zum Customer Care spielen vermehrt mittelbare Medien wie Telefon, E-Mail, Fax/Brief und Internet eine Rolle. Die größte Bedeutung haben telefonische Customer Care Kontakte (Wulf 2006; o.V. 2006b), sie stehen daher in dieser Arbeit im Fokus. Unternehmen bündeln die Betreuung der Customer Care Kontakte aufgrund zu erwartender Leistungs- und Kostenvorteile häufig in dafür spezialisierten Organisationseinheiten, so genannten Customer Care Centern (u.a. Anton 1997, S. 3; Böse/Flieger 1999; Engelbach 2003, S. 24; König 2002, S. 45). Daraus resultiert eine Customer Care-spezifische Dreieckskonstellation zwischen dem Unternehmen, seinen Kunden und dem Customer Care Center, das die Kundenanliegen bearbeitet und die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunde bildet. Die Bedeutung des Customer Care für das Unternehmen und die spezielle Stellung des Customer Care Centers als Bindeglied zwischen Kunden und Unternehmen führt zu einem hohen Bedarf der Steuerung des Customer Care Centers (u.a. Weinkopf 2002a, S. 14). Sowohl die Notwendigkeit der Steuerung als auch die damit verbundenen Herausforderungen steigen, wenn das Customer Care Center nicht unternehmensintern betrieben, sondern an einen externen Dienstleister ausgelagert wird (Busch 2006; Dangelmaier et al. 2004; DDV 2005; Küsters 2005; Menn 2006; Ostrowski 2005). Zugleich lassen sich die Probleme der Steuerung von Customer Care

2

1 Einführung

präziser und besser am Beispiel externer Customer Care Provider herausarbeiten. Die Steuerung externer Customer Care Center steht daher im Fokus dieser Arbeit.1 Wesentliche Zielgröße der Steuerung des Customer Care Centers ist die Customer Care Zufriedenheit, die Zufriedenheit der Kunden mit den Customer Care Kontakten (Bucci 2005; Dawson 2004). Damit die positiven Wirkungen des Customer Care auf Kundenzufriedenheit und Kundenbindung realisiert werden können, müssen die Customer Care Kontakte mindestens den Erwartungen der Kunden entsprechen. Bei mangelnder Customer Care Zufriedenheit droht die Gefahr der Kundenabwanderung (Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 25 Keaveney 1995; o.V. 2006e). Es ist demzufolge eine systematische und zielgerichtete zufriedenheitsorientierte Steuerung des Customer Care Dienstleisters zu realisieren. Ein wesentliches Instrument zur Steuerung externer Dienstleister sind Service Level Standards (Dangelmaier et al. 2004; Gensch/Löhmann 2001; Hiles 2000; Stucki 2002, S. 38). Diese haben auch für die Steuerung von Customer Care Centern eine zentrale Bedeutung erlangt (Buser/Welte/Wiederkehr 2003; Reinsdorf/Bremer 2002; Mester/Schneider 2002). Service Level Standards legen für ausgewählte Bestandteile der Leistung (Leistungsgrößen) ein vom Dienstleister zu erreichendes Leistungsergebnis fest (Sollvorgaben). Service Level Standards entfalten ihre Steuerungswirkung als vergütungsrelevanter Bestandteil der Leistungsbeziehung, indem sie in Service Level Agreements (SLAs) , Verträgen zwischen Unternehmen und Dienstleister, festgeschrieben werden (Burr 2003; Hiles 2000; Karten 2001; Marlière 2003). Eine Bestandsaufnahme der herkömmlichen Service Level Standards in Customer Care Centern zeigt aber, dass es häufig zu einer unkritischen Übernahme der in Call Centern gebräuchlichen Kennzahlen kommt: „Überraschenderweise werden viele Contact Center überwiegend nach Maßgabe technischer Kenndaten geführt. Es mangelt an einem Instrumentarium für die Prozessbewertung aus Kundensicht“ (Grävemeyer 2004, S. 82). Damit wird die Customer Care Zufriedenheit in der bestehenden Steuerung von Customer Care Centern vernachlässigt. Dieser Mangel kann zudem negative Effekte auf die Customer Care Zufriedenheit haben. Die bestehenden Steuerungsansätze sind deshalb nicht zielführend für eine zufriedenheitsorientierte Steuerung.

1

Trotz des Fokus auf externe Customer Care Center sind die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit auf die Steuerung der vom Unternehmen intern betriebenen Customer Care Center übertragbar. Dies gilt insbesondere, wenn diese als eigenständige Unternehmenseinheiten gesteuert werden.

1.1 Problemstellung

3

Es ist dringend erforderlich, die Methodik der Steuerung der Customer Care Center weiterzuentwickeln, so dass sie eine zufriedenheitsorientierte Steuerung erlaubt. Es gibt bisher allerdings keine theoretische fundierte Betrachtung der zufriedenheitsorientierten Steuerung von Customer Care Centern. In der einschlägigen Literatur zu Customer Care wird zwar erkannt, dass herkömmliche Kennzahlen unzureichend für die Steuerung von Customer Care Centern sind (Bochberg 2002; Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 152; Cleveland/Mayben/Greff 1999, S. 181; Feinberg et al. 2000, S. 140; Monger 2004). Dennoch sind kaum Ansatzpunkte und konzeptionelle Überlegungen für eine tatsächliche Integration von Zufriedenheitsgrößen in die Steuerung des Customer Care zu finden. In der Literatur zu SLAs werden sogar Vorbehalte gegenüber der Verwendung einer subjektiven Größe wie der Kundenzufriedenheit als Service Level Standard formuliert (Burr 2002a). Die Arbeit leistet einen Beitrag zur Überwindung der Defizite in Theorie und Praxis, indem vorgeschlagen wird, das Steuerungsziel „Customer Care Zufriedenheit“ mit dem Steuerungsinstrument „Service Level Standards“ zu verbinden und Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care Dienstleisters einzusetzen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung eines Konzepts zum Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung externer Customer Care Dienstleister, das sowohl theoretisch fundiert als auch geeignet für die praktische unternehmerische Umsetzung ist. Die Entwicklung des Konzepts ist systematisch zu strukturieren. Als Grundlage dafür wird der Managementprozess des Einsatzes von Service Level Standards herangezogen. Dieser umfasst die Analyse-, Planungs-, Kontroll- und Gestaltungsphase. Besondere Herausforderungen für die Steuerung mittels Zufriedenheits-Service Level Standards ergeben sich aufgrund des subjektiven Charakters der Customer Care Zufriedenheit, der im Gegensatz zu üblichen Service Level Standards steht. Es gilt daher, Anforderungskriterien an den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care Dienstleisters zu identifizieren. Den formulierten Anforderungskriterien muss das entwickelte Konzept genügen – sie sind entsprechend in den Phasen des Managementprozesses als Entscheidungsgrundlage für die Ausgestaltung des Konzepts heranzuziehen. Aus dem formulierten Ziel leiten sich für die vorliegende Arbeit die in Abb. 1-1 dargestellten Teilziele ab. Durch die Erfüllung dieser Teilziele trägt diese Arbeit zum Abbau

4

1 Einführung

der praktischen und theoretischen Defizite bei, die in der zufriedenheitsorientierten Steuerung des Customer Care bestehen. 1. Entwicklung eines grundlegenden Verständnisses der Leistungserbringung im Customer Care Center aus Kundensicht und der Herausforderungen der Steuerung externer Customer Care Center 2. Identifikation und Charakterisierung der wesentlichen Hauptelemente sowie des Managementprozesses der Steuerung mittels Service Level Standards 3. Kritische Bestandsaufnahme der gängigen Steuerung von Customer Care Centern 4. Erarbeitung der Anforderungskriterien, die sich an Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care stellen 5. Entwicklung einer Steuerungsmethodik zum Einsatz von ZufriedenheitsService Level Standards im Customer Care anhand der Phasen des Managementprozesses a. Konkretisierung des Konstrukts der Customer Care Zufriedenheit und Reflektion vor dem besonderen Hintergrund der Leistungserstellung im Customer Care Kontext (Analysephase) b. Erarbeitung des Vorgehens für die Formulierung der Zufriedenheits-Service Level Standards und der weiteren Steuerungselemente (Planungsphase) c. Entwicklung des Kontrollinstrumentariums zur laufenden Überprüfung der Einhaltung der Zufriedenheits-Service Level Standards (Kontrollphase) d. Möglichkeiten der Nutzung der Zufriedenheits-Service Level Standards für die kurz- und langfristige Gestaltung, Konzeption eines ZufriedenheitsService Level Standard-Controlling (Gestaltungsphase) 6. Bewertung des Konzepts der Zufriedenheits-Service Level Standard im Customer Care anhand der Erfüllung der Anforderungskriterien

Abb. 1-1: Quelle:

Teilziele der Arbeit Eigene Darstellung

Um das Ziel der Arbeit erreichen zu können, wird eine sowohl theoretischkonzeptionelle als auch praxisorientierte methodische Herangehensweise gewählt: Basis der Konzeptentwicklung ist die Aufarbeitung der wesentlichen wissenschaftlichen aber auch praxisorientierten Literatur zum Customer Care und zur Kundenzufriedenheit sowie zum Steuerungsinstrument Service Level Standards. Zusätzlich werden Einsichten aus der unternehmerischen Praxis herangezogen, die in Tiefeninterviews mit Vertretern von Unternehmen und Customer Care Dienstleistern gewonnen wurden und anonymisiert in die Arbeit einfließen. Diese Dualität von Theorie und Praxis sichert die Anwendbarkeit der theoretisch fundierten Ergebnisse.

1.2 Gang der Untersuchung

5

1.2 Gang der Untersuchung Den vorgestellten Ziele wird sich die vorliegende Arbeit wie folgt nähern (siehe Abb. 1-2): Nach der Einführung widmet sich Teil 2 der Erarbeitung des grundlegenden Verständnisses der Leistungserstellung im Customer Care Center, wobei die Anliegen der Kunden, die Customer Care Kontakte sowie der Kundenprozess der Inanspruchnahme der Customer Care Leistung charakterisiert werden. Zudem wird die Notwendigkeit einer zufriedenheitsorientierten Steuerung des externen Customer Care Dienstleisters herausgearbeitet. In Teil 3 werden Service Level Standards als Instrument zur Steuerung externer Dienstleister im Rahmen von Service Level Agreements eingeführt und die Hauptelemente der Steuerung mittels Service Level Standards identifiziert sowie der Managementprozess im Detail vorgestellt. In Teil 3 erfolgt die Bestandsaufnahme und Kritik der bestehenden Service Level Standards für Customer Care Center. Im Kapitel 3.3 werden die in Teil 2 erarbeitete Notwendigkeit der zufriedenheitsorientierten Steuerung des Customer Care Center und das in Teil 3 vorgestellte Steuerungsinstrumentarium verknüpft. Zur Beseitigung der identifizierten Defizite wird folgerichtig der Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care gefordert und die Entwicklung eines entsprechenden Konzepts vorgeschlagen. Zudem werden Anforderungskriterien an Zufriedenheits-Service Level Standards erarbeitet und auf Basis des Managementprozesses der Steuerung mittels Service Level Standards das Vorgehen zur Konzeptentwicklung dargestellt, das die weitere Struktur der Arbeit bestimmt. Die Teile 4 bis 7 sind die Hauptteile der Arbeit, in denen – anhand des Managementprozesses und unter Berücksichtigung der Anforderungskriterien – das Konzept für die Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care entwickelt wird. Die Teile vier bis sieben schließen daher alle mit einer Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien. In Teil 4 steht die Analyse für die Steuerung mittels Zufriedenheits-Service Level Standards im Mittelpunkt. Das Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit wird konkretisiert. Zudem wird die Customer Care Zufriedenheit vor dem Hintergrund der Customer Care Dreieckskonstellation betrachtet, und spezielle Aspekte des Zustandekommens der Zufriedenheitsurteile werden herausgearbeitet. Schließlich werden

6

1 Einführung

die Möglichkeiten zur unternehmensspezifischen Analyse der Kundenanforderungen an die Customer Care Leistung untersucht. Gegenstand von Teil 5 ist die Planung für die Zufriedenheits-Service Level Standards. Zunächst wird die Festlegung der zu steuernden Leistungsgrößen wird diskutiert. Zentral im Teil 5 ist die Erarbeitung eines konkreten Vorgehens zur Festlegung der geforderten Zufriedenheitsniveaus (Sollvorgaben) unter Berücksichtigung der gegebenen Bedingungen und der Charakteristika der Customer Care Zufriedenheit. Die Planung weiterer Steuerungselemente schließt die inhaltliche Betrachtung ab. Teil 6 ist der Kontrolle für die Steuerung mittels Zufriedenheits-Service Level Standards gewidmet. Dafür ist vor allem eine Customer Care Zufriedenheits-Befragung zu entwickeln und die Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards zu diskutieren. In Teil 7 werden Bedarf und Möglichkeiten der kurzfristigen Anpassung der Leistungserstellung und der langfristigen Anpassung der Zufriedenheits-Service Level Standards erörtert. Zudem wird eine Kosten-Nutzen-Betrachtung für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards vorgenommen In Teil 8 wird eine Bewertung des Einsatzes von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung externer Customer Care Dienstleister vorgenommen. Dazu wird das entwickelte Konzept im Überblick dargestellt und eine übergreifende Bewertung vorgenommen, inwieweit das Konzept die Anforderungskriterien erfüllt. In Teil 9 werden die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst und die Arbeit schließt mit einem Fazit und Ausblick.

1.2 Gang der Untersuchung

7

1 Einführung Grundlagen und Problemhintergrund 2 Notwendigkeit der zufriedenheitsorientierten Steuerung des Customer Care

3 Service Level Standards als Steuerungsinstrument im Customer Care

3.3 Forderung von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care und Erarbeitung von Anforderungskriterien

Konzeptentwicklung für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care unter Berücksichtigung der Anforderungskriterien 4 Analyse für die Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care 7 Gestaltung bezüglich der Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care

5 Planung für die Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care

6 Kontrolle für die Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care 8 Bewertung des Einsatzes von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care 9 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse, Fazit und Ausblick

Abb. 1-2: Quelle:

Gang der Untersuchung der vorliegenden Arbeit Eigene Darstellung

2.1 Grundlagen des Customer Care

9

2 Notwendigkeit der zufriedenheitsorientierten Steuerung des Customer Care In diesem zweiten Teil der Arbeit werden in Kapitel 2.1 zunächst grundlegende Ausführungen zur Definition und Bedeutung von Customer Care vorgenommen. Basierend darauf wird im Kapitel 2.2 das Customer Care Center als wesentliche Organisationsform des Customer Care definiert und charakterisiert und der potentielle Beitrag von Customer Care Centern zur Erreichung der Ziele des Customer Care verdeutlicht. Weiterhin werden die Rahmenfaktoren der Leistungserstellung im Customer Care Center erörtert. Kapitel 2.3 widmet sich der Konkretisierung der Customer Care Leistung, welche die Bearbeitung bestimmter Kundenanliegen innerhalb von Customer Care Kontakten umfasst und als Customer Care Prozess erbracht wird. In Kapitel 2.4 wird die Notwendigkeit einer zufriedenheitsorientierten Steuerung von Customer Care Centern herausgearbeitet. Zugleich wird aufgrund der Relevanz und der damit verbundenen besonderen Herausforderungen der Fokus auf die Steuerung externer Customer Care Center gelegt, d.h. auf die Steuerung von Customer Care Dienstleistern.

2.1 Grundlegende Ausführungen zum Customer Care 2.1.1 Definition von Customer Care In der Literatur existieren unterschiedliche Begriffsverständnisse von Customer Care. Dies gilt sowohl für den Aufgabenumfang des Customer Care als auch den von Customer Care angesprochenen Kundenkreis. Hinsichtlich des Aufgabenumfangs sehen einige Autoren Customer Care als umfassendes Konzept im Sinne einer kundenorientierten Unternehmensphilosophie oder eines „Total Customer Care“ (Reinecke/Sipötz/Wiemann 1998). Allerdings gestattet diese Definition kaum eine wirkliche Abgrenzung zu anderen unternehmerischen Aufgaben (Marketing, Vertrieb, Service usw.) und ist daher genauer zu fassen. Eine solche Konkretisierung nehmen Stauss/Seidel (2007, S. 35) vor, indem sie Customer Care als den planvollen Umgang mit den Anliegen, die Kunden an das Unternehmen richten, definieren. In der vorliegenden Arbeit wird Customer Care als Ergänzung der eigentlichen Leistung des Unternehmens (Kernleistung) und damit als wesentlicher Bestandteil des kundenorientierten Serviceangebots von Unternehmen

10

2 Customer Care

verstanden (u.a. Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 17; Dangelmaier et al. 2004; Kruse 1998, S. 13). In Bezug auf die Kunden, deren Betreuung Aufgabe des Customer Care ist, beschränken einige Autoren Customer Care auf Bestandskunden bzw. die Nachkaufphase, also den Zeitraum nach dem Kauf eines Produkts/einer Dienstleistung. Hansen/Jeschke (1992, S. 94) ordnen Customer Care in das Nachkaufmarketing ein, Anton (1997, S. 3) spricht dem Customer Care als Hauptzweck zu „…to assist the customer after the sale and build a long term relationship“ und Hafner (2001, S. 2) definiert Customer Care als Anstrengungen eines Unternehmens zum Erhalt des bereits bestehenden Kundenstammes und Maßnahmen zur Verhinderung von Kundenabwanderungen. Bestandskunden sind sicherlich eine wesentliche, aber nicht die einzige Zielgruppe des Customer Care unter den Kunden des Unternehmens. Daher soll im Folgenden dem Verständnis von Stauss/Seidel (2007, S. 35) gefolgt werden, dass Customer Care eine unternehmerische Aufgabe sowohl gegenüber Bestandskunden als auch Interessenten und verlorenen Kunden ist. Customer Care bezieht sich damit auf Kunden in allen Phasen des Kundenbeziehungslebenszyklus (Stauss 2006b).2 Dieses breitete Begriffsverständnis wird auch von anderen Autoren unterstützt (Bullinger/Bamberger/König 2003; Wiencke/Koke 1999, S. 16ff.). Zusammenfassend wird Customer Care in der vorliegenden Arbeit wie folgt verstanden: Customer Care ist die umfassende Betreuung der potentiellen, aktuellen und ehemaligen Kunden des Unternehmens bezüglich aller Anliegen, die sich im Zusammenhang der beabsichtigten, derzeitigen oder vergangenen Nutzung der Kernleistung des Unternehmens ergeben. Customer Care spielt damit eine wesentliche Rolle in der Umsetzung einer Kundenbeziehungsmanagement-Strategie und kann als Instrument in das Kundenbeziehungsmanagement (Customer Relationship Management, CRM) eingeordnet werden (Stauss/Seidel 2007, S. 37). 2.1.2 Bedeutung und Ziele des Customer Care Die Rolle von Customer Care für Unternehmen ist insbesondere vor dem Hintergrund zu sehen, dass angesichts des härteren Wettbewerbs um Kunden die Relevanz von

2

Damit wird in Anlehnung an Stauss (2006b) im Folgenden auch von einem Kundenbegriff ausgegangen, der sowohl potentielle als auch aktuelle und verlorene (ehemalige) Kunden umfasst.

2.1 Grundlagen des Customer Care

11

Kundenorientierung und die Differenzierung vom Wettbewerb für den unternehmerischen Erfolg zunehmen (Reinecke/Sipötz/Wiemann 1998, S. 264). In diesem Kontext ergibt sich die Bedeutung von Customer Care sowohl kunden- als auch wettbewerbsgerichtet: -

Wesentlich mit Blick auf die Kunden ist die Schaffung von Kundennutzen über die eigentliche Kernleistung des Unternehmens hinaus. Die gestiegene Komplexität der Kernleistung vieler Unternehmen resultiert in einem höheren Betreuungsbedarf der Kunden im Zusammenhang mit der Nutzung der Kernleistung. Gleichzeitig erwarten immer mehr Kunden, zusätzlich zur eigentlichen Kernleistung ein unternehmerisches Serviceangebot wahrnehmen zu können (Buser/Welte/ Wiederkehr 2003, S. 18). Unternehmen müssen ihren Kunden weiterhin eine Möglichkeit zum Kontakt mit dem Unternehmen bieten. Customer Care hat in diesem Rahmen eine besondere Stellung als „Gatekeeper“ in das Unternehmen (Hansen/Stauss 1985). Günter (2000) schreibt Customer Care zudem eine Nutzungsfunktion zu: Die adäquate Betreuung der Kunden fördert die Inanspruchnahme der Kernleistung oder ist Voraussetzung dafür. Dies ist insbesondere bei erklärungsbedürftigen Kernleistungen relevant (Krah 2004, S. 32). In einem Telekommunikationsunternehmen (Expertengespräch 4) wurde empirisch eine klare Verbindung zwischen kundenseitiger Kenntnis der Vorteile des (relativ komplexen) Produktes durch Customer Care Aktivitäten und Ausmaß der Produktnutzung und der Verhinderung von Kündigungen ermittelt. Darüber hinaus ist der fortwährende Kontakt mit den Kunden aus Unternehmenssicht oft eine der wenigen Möglichkeiten, Wissen über die Kunden zu erhalten (Hansen/Stauss 1985; Günter 2000; Stauss 2002a; Stauss/Seidel 2007). Dieses Wissen ist Grundlage für die Schaffung kundenorientierter Produkt- und Dienstleistungsangebote.

-

Bezieht man noch den Wettbewerb ein, ist zu bemerken, dass viele Produkte im Kernnutzen austauschbar geworden sind. Dadurch wird eine Differenzierung gegenüber Wettbewerbern am Markt notwendig. Ein wesentliches Differenzierungspotential besteht dabei vor allem in einem kundenorientierten Betreuungsangebot durch Customer Care im gesamten Kundendialog und in allen Phasen des Kundenkontakts (u.a. Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 17; Kudernatsch 1998, S. 11; Töpfer/Mehdorn 1995, S. 32ff.). Je mehr Wettbewerber am Markt existieren und je weniger das Unternehmen das Monopol auf seine Kernleistung hat, desto größer wird die Bedeutung von Customer Care.

Customer Care hat damit eine wesentliche Bedeutung für das Erreichen von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung: Kundenzufriedenheit und Kundenbindung

12

2 Customer Care

sind wichtige Zielgrößen für Unternehmen (Diller 1996; Homburg/Bruhn 2005; Stauss 1999). Eine Studie von Stauss/Dornach/Coenen (2006) zum Zufriedenheitsmanagement in Deutschland ergab, dass 97% der Befragten Kundenzufriedenheit als zentrales Unternehmensziel bezeichnen. Vom Erreichen dieser Größen erwarten Unternehmen einen positiven Effekt auf den ökonomischen Erfolg (Meyer/Oevermann 1995; Reichheld/Sasser 1991; Reinecke/Sipötz/Wiemann 1998, S. 264): Kundenzufriedenheit ist eine Voraussetzung der Kundenbindung (Oliver 1997; Stauss 1997, für eine Übersicht empirischer Studien siehe Homburg/Bucerius 2006, S. 57f.), aber kein Garant dafür, da der Zusammenhang von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird (Finkelman/Goland 1990, S. 4; Stauss 1997; Stauss 1999). Mit einer steigenden Kundenbindung werden positive Auswirkungen den ökonomischen Erfolg verbunden (Diller 1996; Kumar 1999; Reichheld 2004, 2006; Reichheld/Teal 1996). Dabei spielen nach Diller 1996, S. 82) vor allem die Erhöhung der Umsätze (Ausschöpfung des Umsatzpotentials der Kunden und Generierung von Kundenempfehlungen), die Senkung von Kosten (geringere Akquisitions- und Bearbeitungskosten) und die Stabilisierung des Unternehmenserfolgs (Festigung von Geschäftsbeziehungen und damit Umsätzen und Gewinnen, Nutzung anhaltenden Kundenfeedbacks zur kundenorientierten Anpassung der Leistungen) eine Rolle. Die Kundenzufriedenheit wirkt so indirekt über die Kundenbindung auch positiv auf den ökonomischen Erfolg.3 Customer Care beeinflusst die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung positiv (Dangelmaier et al. 2004; Krah 2004, S. 32; Töpfer/Greff 2000, S. 87f.; Töpfer/Mann 1999, S. 68f.; Weinkopf 2002a, S. 17; Wiencke/Koke 1999, S. 7). Zudem wird Customer Care von Kunden als Teil der Leistung des Unternehmens wahrgenommen, so dass die kundenseitige Beurteilung des Customer Care auf die Beurteilung des Unternehmens wirkt (Güthoff 1995, S. 78ff.). Dadurch ergeben sich die mit der Kundenzufriedenheit und insbesondere mit der Kundenbindung verbundenen förderlichen Effekte auf den ökonomischen Erfolg. Diese Wirkungskette ist in Abb. 2-1 dargestellt.

3

.

Der Kundenzufriedenheit werden auch direkte Erfolgswirkungen zugeschrieben (u.a. Anderson/Fornell/Rust 1997; Anderson/Mittal 2000; Homburg/Bucerius 2006). Aber die Wirkung der Kundenbindung soll im Vordergrund stehen.

2.1 Grundlagen des Customer Care

Customer Care

13

Unternehmen

Kundenbindung

Ökonomischer Erfolg

Customer Care Kundenzufriedenheit

Abb. 2-1: Quelle:

Customer Care als Quelle für Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und ökonomischen Erfolg auf Unternehmensebene Eigene Darstellung

Die Bedeutung des Customer Care für Kundenzufriedenheit und Kundenbindung und damit ökonomischen Erfolg wurde auch empirisch bestätigt: - Ergebnis der Studie von Kroker (2000, S. 19, zitiert aus Frielitz et al. 2000, S. 9) war, dass 68% der abgewanderten Kunden mangelnden Kundenservice als Grund angegeben hatten. - Weiterhin ergab eine Studie von Keaveney (1995), dass der am zweithäufigsten genannte Abwanderungsgrund ein unbefriedigender Kontakt mit Kundenkontaktmitarbeitern des Unternehmens war (34% aller Befragten). - Eine Studie von RightNow Technologies zum Kundenservice in Deutschland 2006 (o.V. 2006e) offenbarte, dass auf die Frage, wodurch die Bindung der Kunden an Unternehmen am stärksten beeinflusst wird, mit 34% der größte Anteil aller Befragten den Kundenservice angaben. Die gleiche Studie ergab, dass sich fast alle Befragten (93%) bereit zeigten, in hohem Maße oder zumindest verstärkt wieder die Leistungen eines Unternehmens in Anspruch zu nehmen bzw. 81% angaben, das Unternehmen weiterzuempfehlen zu wollen, wenn dieses regelmäßig exzellenten Kundenservice bietet. Die Ziele des Customer Care ergeben sich daher wie folgt: Customer Care soll allen potentiellen, aktuellen und ehemaligen Kunden eine Kontaktmöglichkeit zum Unternehmen sowie ein an den Kundenbedürfnissen orientiertes Betreuungsangebot bezüglich aller Anliegen, die sich im Zusammenhang der beabsichtigten, derzeitigen oder vergangenen Nutzung der Kernleistung ergeben, bieten (u.a. Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 17; Dangelmaier et al. 2004; Kruse 1998, S. 13; Stauss/Seidel 2007, S. 35f.). Durch die kundengerechte Lösung der Anliegen auf Customer Care Ebene sollen auf Unternehmensebene Kundenzufriedenheit und

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2 Customer Care

Kundenbindung sowie die damit verbundenen positiven Effekte auf den ökonomischen Erfolg erreicht werden (Bamberger 1995, S. 14; Meier 2001, S. 22; Stauss/Seidel 2007, S. 35; Töpfer/Mann 1999, S. 68f.). Nachdem in Kapitel 2.1 ein grundlegendes Verständnis des Customer sowie seiner Bedeutung und Ziele erarbeitet wurde, wird im nächsten Kapitel der Einsatz von Customer Care Centern als Organisationsform des Customer Care beschrieben.

2.2 Customer Care Center als wesentliche Organisationsform des Customer Care 2.2.1 Definition und Charakterisierung von Customer Care Centern 2.2.1.1 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Eines der wesentlichen Prinzipien des Kundenbeziehungsmanagements ist die Bündelung der Kommunikationskanäle des Kunden zum Unternehmen in dafür spezialisierten organisatorischen Einheiten (Stauss/Seidel 2002, S. 33). Die kundenorientierte Organisation des Kundenkontakts im Rahmen des Customer Care erfolgt in so genannten Customer Care Centern (Engelbach 2003, S. 24; Greff/Kruse 1999, S. 58; König 2002, S. 44f.; Stauss/Seidel 2007, S. 37f.; Weinkopf 2002a, S. 18). An dieser Stelle muss darauf verwiesen werden, dass die Kundenbetreuung durch Customer Care auch im direkten persönlichen Kontakt zwischen Kunde und Mitarbeiter, also von Angesicht zu Angesicht, erfolgen kann (z.B. in einem lokalen Servicecenter oder durch den Kundenberater in der Geschäftsstelle einer Bank oder durch den Außendienst-Wartungstechniker im Hause des Kunden). Dieser Fall wird in der vorliegenden Arbeit aus zwei Gründen nicht betrachtet: Erstens wird der direkte persönliche Kundenservice häufig durch reguläre (Außendienst-)Mitarbeiter des Unternehmens erbracht und ist damit eher Gegenstand der Personalführung als der Steuerung interner oder externer organisatorischer Einheiten. Zweitens unterscheidet sich das Erbringen persönlicher Customer Care Aktivitäten von dem nicht-persönlicher Customer Care Aktivitäten, bei denen sich Kunde und Customer Care Mitarbeiter nicht unmittelbar gegenüberstehen. Mit beiden Formen sind jeweils spezifische Charakteristika und Probleme verbunden, so dass eine gemeinsame Betrachtung wenig sinnvoll erscheint. Im Folgenden stehen deshalb Customer Care Center, in denen die

2.2 Customer Care Center

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Customer Care Leistung im mittelbaren Kunden-Anbieter-Kontakt erbracht wird, als wesentliche Organisationsform des Customer Care im Mittelpunkt. Customer Care Center haben sich auf der Basis von Call Centern entwickelt, zeichnen sich aber durch einen anderen Aufgabenschwerpunkt aus. Aufbauend auf der Definition des Call Centers wird eine Definition von Customer Care Centern für die vorliegende Arbeit entwickelt. 2.2.1.2 Definition des Call Centers als Ausgangspunkt Der Begriff „Call Center“ bezeichnet die Bündelung des Kundendialogs durch die räumliche und organisatorische Zusammenfügung von Telefonarbeitsplätzen (Böse/Flieger 1999, S. 5). In der Literatur gibt es zahlreiche Definitionen für Call Center (vgl. zu einer Übersicht verschiedener Definitionsansätze Greff/Kruse 1999, S. 30ff.; Kruse 1998, S. 14f.). Eine der ersten Definitionen, die von vielen Autoren aufgegriffen wurde, stammt von Wiencke/Koke (1997, S. 11 und 1999, S. 9), die Call Center definieren als „Unternehmensabteilungen oder eigenständige Firmen, die unter Wahrung von Unternehmens- und Marketingzielen und mit Hilfe modernster Informationsund Telekommunikationstechnik einen serviceorientierten telefonischen Dialog des Unternehmens mit Kunden, Interessenten und Lieferanten gewährleisten“. Sehr ähnliche Definitionen finden sich unter anderem bei Kruse (1998, S. 14f.), Thieme/Steffen (1999, S. 39), Menzler-Trott (1999, S. 1) und Gouthier (2002, S. 205), Aufgrund des Anspruchs der Kunden, Unternehmen nicht nur telefonisch, sondern auf verschiedenen Kontaktwegen erreichen zu können (Schrick 2000, S. 465f.), hat sich das Verständnis von Call Centern erweitert. So bezeichnet Dawson (1999, S. 5) Call Center relativ allgemein als „a collection of people and technologies whose role is to service customers“. Dawson fasst den Begriff „Call“ sehr weit als nichtpersönliche, also über ein Kommunikationsmedium durchgeführte Transaktion zwischen dem Unternehmen und dem Kunden. Diese mediale Transaktion muss u.U. nicht einmal einen direkten Kontakt zu einem Mitarbeiter umfassen. Der Empfänger eines „Calls“ kann auch ein automatisiertes System, wie bspw. eine Interactive Voice Response (IVR)-Anlage (siehe Kapitel 2.2.3.3), sein (Bodin/Dawson 1996, S. 32; Burgers et al. 2000, S. 142). Aufgrund dieser weiten Auslegung schlagen einige Autoren andere Bezeichnungen vor: “Contact Center“ (u.a. Schrick 2000, S. 465f.) „Customer Interaction Center“ (u.a. Töpfer/Greff 2000, S. 204f.) oder „Communication Center“ (u.a. Kudernatsch 1998, S. 8). Im Weiteren wird vereinfachend nur der Begriff Call Center verwendet.

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2 Customer Care

In Anlehnung an die aufgeführten Definitionen und an Greff/Kruse (1999, S. 30ff.) wird folgende Definition des Call Centers zugrunde gelegt: Call Center sind Organisationseinheiten eines Unternehmens oder rechtlich selbständige Unternehmen, die mithilfe geeigneter moderner Telekommunikations- und Informationstechnologien einen serviceorientierten und effizienten medialen Dialog zwischen Unternehmen und Kunden ermöglichen, um zum Erreichen von Unternehmenszielen beizutragen. Ausgehend von dieser Definition des Call Centers kann das Verständnis von Customer Care Centern erarbeitet werden. Dabei soll zur Definition von Customer Care Centern auf zwei grundsätzliche Charakteristika von Call Centern und deren Ausprägung im Customer Care Center eingegangen werden: Erstens, die Inbound- vs. Outbound-Orientierung (Kapitel 2.2.1.3) und zweitens die angebotenen Kommunikationskanäle (Kapitel 2.2.1.4). 2.2.1.3 Bearbeitung von Inbound-Kundenanliegen im Customer Care Center Wesentlich für die Charakterisierung von Call Centern ist die Unterscheidung zwischen den beiden Hauptaufgabengebieten bzw. hauptsächlichen Kommunikationsrichtungen Inbound und Outbound (u.a. Bruns 1998, S. 138; Finger 2001, S. 87; Greff 1999, S. 491; Jahnke/Spielhagen 2001, S. 34; Thieme/Steffen 1999, S. 40f.; Wiencke/Koke 1999, S. 12.; Zapf 2003, S. 363). Ein Outbound-Call Center agiert aktiv und geht aus eigener Initiative auf den Kunden zu, der Telefonkontakt wird also vom Unternehmen initiiert. Leistungen von Outbound-Call Centern sind dementsprechend unter anderem Direktmarketing und Telefonmarketing, Verkauf, Vertriebsunterstützung, Inkasso, Marktforschung, Kampagnenmanagement oder einfachere Aufgaben wie Adressqualifizierung. Ein Inbound-Call Center ist dagegen auf die reaktive Bearbeitung von Kundenanfragen konzentriert, der Telefonkontakt wird vom Kunden initiiert. In der Praxis kommen auch Mischformen vor, also Call Center, die beide Aufgabenbereiche bedienen (Busch 2005). Anhand der oben aufgeführten Definition von Customer Care als „Umgang mit kundeninitiierten Kommunikationsformen“ wird deutlich, dass bei Customer Care die Inbound-Perspektive dominiert (Stauss/Seidel 2007, S. 35f.). Als Instrument des Customer Care nehmen Customer Care Center entsprechend vorrangig InboundAktivitäten wahr. Outbound-Aktivitäten dienen lediglich zur Erfüllung der Kundenanforderungen bei der Abwicklung der Inbound-Anliegen, z.B. in Form von vereinbarten Rückrufen der Mitarbeiter an die Kunden im Rahmen der Klärung des spezifischen Anliegens (Stauss/Seidel 2007, S. 36). Aktuell wird diskutiert, dass aufgrund der Relevanz von Umsatz- und Gewinnzielen und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen für Un-

2.2 Customer Care Center

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ternehmen in Customer Care Centern verstärkt Anstrengungen im Sinne von Cross-, Near- und Far-Selling unternommen werden bzw. werden sollen (Böse/Flieger 1999, S. 24f.; Hermes 2005; o.V. 2006b, S. 5; Expertengespräch 6). Auf Basis der von Kunden als erfolgreich empfundenen Bearbeitung des Inbound-Anliegens soll bei ihnen die Bereitschaft geschaffen werden, Zusatzkäufe zu tätigen (Menzler-Trott 1999a, S. 2f.; Myers/Pickersgill/van Metre 2004). Damit übernehmen diese Center auch Vertriebsaufgaben, also traditionelle Outbound-Aufgaben. Diese Aktivitäten werden aber im Folgenden von der Betrachtung ausgeschlossen, da sie nicht der Definition von Customer Care Centern als Instrumente des Inbound-orientierten Customer Care entsprechen. Die Erkenntnisse dieser Arbeit sind jedoch auch dafür relevant, da die im Kontakt erreichte Zufriedenheit mit der Anliegenbearbeitung die Voraussetzung für anschließende erfolgreiche Verkaufsmaßnahmen ist. 2.2.1.4 Fokussierung auf die Bearbeitung telefonischer Anliegen im Customer Care Center Oben wurde bereits eine Konzentration der Customer Care Aktivitäten auf nichtpersönliche Kommunikationsformen vorgenommen. Diese mediale Kommunikation kann in mündliche (Telefon) und schriftliche Kommunikation (E-Mail, Brief und Fax sowie Chat) unterschieden werden. Dabei nimmt die telefonische Kommunikation den größten Stellenwert, wie in verschiedenen Studien gezeigt wird: Folgende Kontaktkanäle bieten Unternehmen den Kunden an: - Der Sprachdialog per Telefon wird in allen Centern angeboten (Busch 2005, S. 30; o.V. 2006b). - Nach der Aspect-Contact Center Trendstudie 2006 (Aspect-Studie) sind 80% der Center auch für E-Mail-Kommunikation mit den Kunden ausgerüstet (o.V. 2006b) und in der Callcenter-Trendstudie 2005 der Christoph Busch Unternehmensberatung (CBU-Studie) gaben 90% der Center an, per E-Mail verfügbar zu sein (Busch 2005). - Die Möglichkeit für Online Chats bieten nach der Aspect-Studie 2006 nur 10% der befragten Unternehmen an (o.V. 2006b), während in der CBU-Studie 2005 immerhin 62% der Teilnehmer angaben, über Internet (u.a. Chat, Foren) für die Kunden ansprechbar zu sein (Busch 2005, S. 30). - Nach der CBU-Studie 2005 stellen die meisten Anbieter mindestens zwei Kommunikationskanäle zur Verfügung, wobei der telefonische Kanal der wichtigste Zugangskanal bleibt (Busch 2005, S. 31).

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2 Customer Care

Folgende Kontaktkanäle werden von den Kunden vor allem genutzt: - Das Telefon hat einen sehr hohen Stellenwert, wobei auch zukünftig zunächst keine wesentliche Änderung zu erwarten ist. Mehr als 80% der kundenseitigen Kontakte findet per Telefon statt. Laut einer von dem Call Center-Dienstleister buw durchgeführten Marktbefragung (buw-Marktbefragung) wurden 2004 von den Kontakten 82% per Telefon an das Unternehmen herangetragen (Wulf 2006, S. 5). Die Aspect-Studie 2006 ermittelte ähnliche Zahlen (85%) (o.V. 2006b). - Die Bedeutung der E-Mail-Kommunikation wird voraussichtlich weiter steigen, obgleich der Gesamtanteil im Vergleich zur Telefonie noch relativ gering ist: In der Aspect-Studie wurde ein Wachstum des E-Mail-Kanals um 28% ermittelt, bei einem Gesamtanteil von 8,5% (o.V. 2006b). Ergebnissen der buw-Marktbefragung zufolge gingen im Jahr 2003 8% der Kontakte per E-Mail ein, im Jahr 2004 waren es 9% (Wulf 2006, S. 5). - Die Bedeutung der Kommunikationskanäle Post und Fax nimmt ab. Laut der buw-Marktbefragung ist zu erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt (Wulf 2006, S. 5). Die Aspect-Studie 2006 kam zum gleichen Ergebnis (Briefaufkommen sinkt um 30% und Faxaufkommen um 22% im Vergleich zum Vorjahr) und ermittelte auch, dass immer mehr Center auf Brief und Fax als Kommunikationskanal ganz verzichten (o.V. 2006b). - Kommunikationskanäle wie Online-Chat und SMS nehmen momentan noch einen sehr geringen Anteil der Kontakte ein (Wulf 2006, S. 5). Angesichts seiner hohen Bedeutung in der Praxis liegt der Schwerpunkt der Betrachtung in der vorliegenden Arbeit auf dem Kommunikationskanal „Telefon“. Die Erkenntnisse sind dennoch weitgehend auf die anderen Kontaktkanäle übertragbar, wenn auch einschränkend darauf hingewiesen werden muss, dass sich Unterschiede ergeben, da es sich beim Telefon um mündliche und bei allen anderen um schriftliche Kommunikation handelt. 2.2.1.5 Abschließende Definition von Customer Care Centern Aufbauend auf den Grundlagen zum Customer Care und den bisherigen Ausführungen werden Customer Care Center wie folgt definiert: Customer Care Center sind organisatorische Einheiten (Unternehmensabteilungen oder rechtlich selbständige Unternehmen), die eine Schnittstelle zwischen dem Unternehmen, das die Kernleistung anbietet, und dessen Kunden,

2.2 Customer Care Center

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die die Kernleistung in Anspruch nehmen, sind, indem in Customer Care Centern die kauf- und vertrags- sowie beziehungsrelevanten Anliegen, die potentielle, aktuelle und ehemalige Kunden im Kontext der Inanspruchnahme der Kernleistung haben und die diese Kunden telefonisch an das Unternehmen richten, gebündelt und in einem serviceorientierten und effizienten medialen Dialog mit dem Kunden bearbeitet werden, um durch die erfolgreiche Bearbeitung der Kundenanliegen zu Kundenzufriedenheit und Kundenbindung beizutragen. Nach der Definition von Customer Care Centern kann ihr Beitrag zum Erreichen der Ziele des Customer Care diskutiert werden. 2.2.2 Einsatz von Customer Care Centern als Beitrag zum Erreichen der Ziele des Customer Care Dem Einsatz von Customer Care Centern kann in Anlehnung an die einschlägige Literatur ein großer Beitrag zum Erreichen der Ziele des Customer Care zugemessen werden (u.a. Bullinger/Bamberger/König 2003; Burgers et al. 2000, S. 142; Dieckhoff et al. 2001, S. 12f.; Hinkel et al. 2004, S. 540; Kantsperger/Kunz 2005, S. 136; de Ruyter/Wetzels/Feinberg 2001, S. 24; Wiencke/Koke 1999, S. 24). Dabei sind die Qualität und die Kosten der Erbringung von Customer Care zu betrachten. Der Beitrag von Customer Care Centern zum Erreichen der Customer Care Ziele ergibt sich zum einen aus der verbesserten Qualität der Customer Care Leistung. Zwar könnten einige Kunden einen Qualitätsverlust empfinden, wenn die Kundenbetreuung nicht bzw. nicht mehr persönlich, sondern im Customer Care Center erfolgt. Dennoch ergeben sich mit der Bündelung der Customer Care Aktivitäten im Customer Care Center die folgenden Qualitätsvorteile: - Customer Care Center bieten den Kunden den geforderten direkten, einfachen und einheitlichen Kontaktkanal zum Unternehmen (im Sinne eines „one-face-tothe-customer“) und dienen zur Überwindung der räumlichen Distanz (Kantsperger/Kunz 2005, S. 136; Wiencke/Koke 1999, S. 16ff.). Sie sind damit wesentliches Bindeglied zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden (Bochberg 2002, S. 26; Dean 2004, S. 63f.; König 2002, S. 44f.; Schrick 2000). Im Customer Care Center werden Kundenprobleme durch die Kommunikation mit nur einem zentralen Ansprechpartner gelöst, unabhängig von der Zahl der daran unternehmensintern beteiligten Funktionen (Hinkel et al. 2004, S. 537).

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2 Customer Care

- Gleichzeitig kann im Customer Care Center durch die Bündelung der Kundenkommunikation Wissen über den Kunden gesammelt und integriert werden (im Sinne eines „one-face-of-the-customer“) (Kantsperger/Kunz 2005, S. 136; Burgers et al. 2000, S. 142; de Ruyter/Wetzels/Feinberg 2001, S. 24). Dieses Wissen kann in der Folge genutzt werden, um Betreuungsangebote zu verbessern. - Customer Care Center verbessern die Erreichbarkeit des Unternehmens für die Kunden (Menzler-Trott 1999a, S. 2f.). Dieser Effekt basiert insbesondere auf der Erweiterung der möglichen Kontaktzeiten, die durch die Standortunabhängigkeit der Customer Care Center noch verstärkt wird (Dieckhoff et al. 2001, S. 12; Wiencke/Koke 1999, S. 26f.), sowie auf der Erhöhung des möglichen Volumens eingehender Kundenanliegen. - Im Customer Care Center können die Aufgaben der Kundenbetreuung organisatorisch gebündelt werden, so dass das diesbezüglich notwendige Know-how dort konzentriert vorgehalten werden kann. Aufgrund der Bündelung der Problemlösungskompetenzen im Customer Care Center tragen diese zur qualitativen Verbesserung der Kundenbetreuung durch eine effektivere Problemlösung bei (Wiencke/Koke 1999, S. 25). Zudem kann das Customer Care Know-how beim Kundenkontakt gezielt ausgebaut werden und durch diese Professionalisierung die Betreuung in zukünftigen Kontakten noch besser erfolgen. - Durch den Einsatz von Customer Care Centern kann ein Unternehmen sein bestehendes Serviceangebot nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich erweitern, da dieses nun kostengünstiger angeboten werden kann (Wiencke/Koke 1999, S. 26f.). Der Beitrag von Customer Care Centern zum Erreichen der Customer Care Ziele ergibt sich zum anderen aus der möglichen Senkung der Kosten der Kundenbetreuung, die zu einer Verbesserung der Effizienz des Customer Care führt. Die Nutzung des Customer Care Centers durch die Kunden verursacht zwar Kosten für das Unternehmen für die Betreuung der Kunden und den Betrieb des Customer Care Centers und diesen Kosten stehen oft keine (direkten) Erträge gegenüber, da die Kunden die Customer Care Leistung zu geringen Kosten bzw. kostenlos in Anspruch nehmen. Dennoch kann durch die Bündelung der Customer Care Aktivitäten im Customer Care Center ein Kostenvorteil erreicht werden. Dieser kann sich aufgrund folgender Faktoren ergeben: - Durch die Bündelung und die verstärkte Übernahme von Betreuungsaktivitäten in Customer Care Centern können Einsparungen in der Außendienst- und Filialor-

2.2 Customer Care Center

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ganisation (Dieckhoff et al. 2001, S. 12f.; Wiencke/Koke 1999, S. 24f.) realisiert werden. Teilweise können Customer Care Center herkömmliche Organisationsstrukturen vollständig ersetzen (z.B. Direktbanken) (Wiencke/Koke 1999, S. 16ff.). Beruhend auf der Forderung nach einem differenzierten, kundenwertorientierten Kundenbeziehungsmanagement (Günter/Helm 2006; Homburg/Daum 1997) ist besonders die Senkung der Kosten der Kundenbetreuung für Kunden mit geringerem Kundenwert von Interesse. Die Betreuung dieser Kunden im Customer Care Center verursacht im Vergleich zur persönlichen Betreuung geringeren monetären Aufwand (Myers/Pickersgill/van Metre 2004). - Mit der Bündelung und möglichst abschließenden Bearbeitung eingehender Kundenanliegen im Customer Care Center werden andere Unternehmensteile von Routineaufgaben entlastet. Dadurch können Personalkosten (für eventuell teurere) Mitarbeiter in anderen Unternehmensteilen eingespart und Ressourcen erschlossen werden (Bittner et al. 2000, S. 17ff.; Dieckhoff et al. 2001, S. 12f.; Wiencke/Koke 1999, S. 24f.). - Eine sofortige Lösung von Kundenanliegen im Customer Care Center – ohne weiteren Handlungsbedarf des Unternehmens – senkt die Kosten der Lösung der Kundenprobleme (Wiencke/Koke 1999, S. 24f.). - Die Mitarbeiter im Customer Care Center haben Spezialisierungsvorteile im Hinblick auf die Bearbeitung von Kundenanliegen. Die laufenden Betriebskosten können durch die Konzentration des Know-hows und zusammenlegbarer Tätigkeiten gesenkt werden. Dadurch erhöht sich die Produktivität (Dieckhoff et al. 2001, S. 12f.; Menzler-Trott 1999a, S. 2f.). - Bei Einsatz geeigneter Technologien kann durch automatisierte WorkflowUnterstützung im Customer Care Center eine Vereinfachung interner Prozesse erreicht werden (Menzler-Trott 1999a, S. 2f.). Customer Care Center tragen entsprechend dazu bei, das Ziel des Customer Care, die Herstellung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, besser erreichen zu können und zwar bei gleichzeitig möglichst kostengünstiger Betreuung der Kunden. Die Senkung der Kosten des Kundenkontakts ist nicht spezifisch für Customer Care Center, sondern gilt für alle Call Center, so dass die Betrachtung der Kosten in der vorliegenden Arbeit lediglich als Nebenbedingung formuliert wird, auf die nur eingegangen werden soll, wenn sich besondere Erkenntnisse ergeben. Zusammenfassend können Customer Care Center als ein effektives und effizientes Instrument der operativen Umsetzung der Customer Care Strategie eines Unterneh-

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2 Customer Care

mens bezeichnet werden (Bullinger/Bamberger/König 2003, S. 7; König 2002, S. 45; Kruse 1998, S. 13). Customer Care Center haben daher eine große strategische Bedeutung im Rahmen der kundenbeziehungsorientierten Strategie des Unternehmens (Kantsperger/Kunz 2005, S. 135) und beim Aufbau einer langfristigen Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen und Kunden (Anton 1997, S. 3). Die Betreuung von Kundenanliegen in einem Customer Care Center unterliegt bestimmten Rahmenfaktoren, die im nächsten Kapitel identifiziert und beschrieben werden. 2.2.3 Organisation und Personal sowie Technologie als Rahmenfaktoren im Customer Care Center 2.2.3.1 Identifikation der wesentlichen Rahmenfaktoren der Leistungserbringung im Customer Care Center In Anlehnung an den Strukturierungsrahmen von Heinzl/Zapf (2000, S. 243) ist die Funktionsweise der Leistungserbringung im Customer Care Center in Abb. 2-2 dargestellt. Auslöser für die Interaktion zwischen dem Kunden und dem Customer Care Center ist das Kundenanliegen. Die Entgegennahme jedes Anliegens initiiert einen internen Prozess, der zur Erstellung der Dienstleistung (Output) führt, wobei dies teilweise interaktiv mit dem Kunden geschieht.

Customer Care Center Mitarbeiter

Technologie

Customer Care Dienstleister

Anliegen

Kunden

Interne Prozesse Leistung Organisation

Abb. 2-2: Quelle:

Strukturierungsrahmen im Customer Care Center Eigene Darstellung, in Anlehnung an Heinzl/Zapf 2000, S. 243

Gerade für Customer Care Center bestehen besondere Herausforderungen (Zapf 2003, S. 363ff.): Der Kunde initiiert durch seine Anfragen den Dialog mit dem Custo-

2.2 Customer Care Center

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mer Care Center und bestimmt, zu welchem Zeitpunkt er Kontakt aufnimmt, welchen Informationsbedarf er hat oder zu welchen konkreten Problemen er Hilfestellung sucht. Daher ist die Kommunikation nur eingeschränkt steuerbar. Das Volumen der Kundenanliegen ist im Einzelnen nicht vorhersehbar. Zudem führen unterschiedliche Kundenbedürfnisse und Kundenkommunikationsverhalten dazu, dass die zeitliche Dauer einzelner Kontakte nicht bis ins Detail planbar ist (Hafner 2001, S. 25; Zapf 2003, S. 363). So stellt die Sicherstellung des Zugangs zum Center eine wesentliche Herausforderung dar (Hafner 2001, S. 28f. und S. 33; Zapf 2003, S. 364): Customer Care Center stehen vor der schwierigen Aufgabe, ankommende Anrufe in kürzester Zeit und ohne lange Wartezeiten für die Kunden entgegenzunehmen und zu bedienen (Bodin/Dawson 1996, S. 84; Kudernatsch 1998, S. 9). Erfolgsfaktor ist deshalb die möglichst exakte Prognose der Zahl und zeitlichen Verteilung der Anrufeingänge über den Tag (so genannter Forecast) sowie der flexible Einsatz von Mitarbeitern und Technik (Cleveland 1996, S. 16f.). Darüber hinaus muss die Aufgabenbearbeitung im Center sinnvoll organisiert werden. Die wesentlichen Rahmenfaktoren der Leistungserbringung im Customer Care Center sind daher Organisation, Personal und Technologie (Wiencke/Koke 1999, S. 30). 2.2.3.2 Organisation und Personal im Customer Care Center Zentrales Charakteristikum und Gestaltungsparameter eines Customer Care Centers ist dessen projektbezogene Organisation (Brasse/Langhoff 2003, S. 10f.). Ein Projekt beinhaltet den spezifischen Auftrag eines bestimmten Unternehmens (Auftraggebers) mit speziellen Inhalten, beispielsweise die Betreuung der Kunden eines Energieversorgers. Ein Customer Care Center kann mit einem oder mehreren Projekten betraut sein. In Customer Care Centern herrscht eine vergleichsweise flache Hierarchie mit typischerweise drei Ebenen (u.a. Bittner et al. 2000, S. 44ff.): Mitarbeiter, die im direkten Kundenkontakt stehen (so genannte Call Center Agents4), befinden sich auf der untersten Ebene. Auf der mittleren Ebene stehen Supervisoren (Team-/Gruppenleiter), die Teams von i.d.R. 10-20 Mitarbeitern leiten. Supervisoren werden häufig aus dem Kreis der Kundenkontaktmitarbeiter rekrutiert und haben die Verantwortung für das Tagesgeschäft und die Personaleinsatzplanung (Duffner 1998, S. 37f.). Des Weiteren sind sie für die Qualitätssicherung bezüglich einer kunden- und serviceorientier-

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Die Begriffe Agent und (Kundenkontakt-) Mitarbeiter werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

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2 Customer Care

ten Gesprächsführung zuständig (Bittner et al. 2000, S. 45). Über den Supervisoren steht das Customer Care Center Management, das für die gesamte Leitung des Centers verantwortlich ist und dabei vor allem strategische Unternehmensführung, Qualitätssicherung und Controlling zu seinen Aufgaben zählt. Handelt es sich um ein externes Customer Care Center, kommen noch Schnittstellenaufgaben bzw. -verantwortlichkeiten gegenüber dem auftraggebenden Unternehmen hinzu (Bittner et al. 2000, S. 45f.). In größeren Centern wird im Management häufig eine Stelle eingerichtet, die die Kapazitätsplanung sowie Personaleinsatzplanung vornimmt (Bittner et al. 2000, S. 46). Da in größeren Centern meist auch mehrere Projekte bearbeitet werden, unterstehen dem Management darüber hinaus häufig noch Projektleiter, die die Koordination eines gesamten Projekts übernehmen (Erstellung von Auswertungen und Reporting, Erarbeitung von Gesprächsleitfäden, Personaleinsatzplanung) (Bittner et al. 2000, S. 46). Die Aufgabenerfüllung in Customer Care Centern ist häufig sehr arbeitsteilig (Bittner et al. 2000, S. 47). Die Bearbeitung der Kundenanliegen wird vor allem nach zwei grundlegenden Prinzipien organisiert, dem der vertikalen und der horizontalen Zuordnung der Bearbeitung der Kundenanliegen. Die vertikale Zuordnung zu verschiedenen „Ebenen“ („levels“) wird abhängig vom Komplexitätsgrad des Anliegens vorgenommen. Kundenanliegen werden grundsätzlich in Standard- und Spezialanliegen unterschieden (Heinzl/Zapf 2000, S. 243). Zumeist sind die Center so aufgebaut, dass es einen 1st-level gibt, in dem zunächst alle Kundenanrufe angenommen werden. Handelt es sich um Standardanliegen, können diese sofort im Erstkontakt bearbeitet und beantwortet werden. Welche Anliegen als standardisiert betrachtet werden, muss vom Unternehmen festgelegt werden, wobei dies vor allem konkret definierte Problemfälle mit vorgegebenen Lösungen sind, also einfach zu bearbeitende Aufgaben des Tagesgeschäfts, die keine besonderen Anforderungen an den Agent stellen und die keiner bzw. wenig Rücksprache mit dem Unternehmen bedürfen (Expertengespräch 12). Spezialanliegen wie komplexere Produktberatung und die Annahme von Beschwerden erfordern spezielles Wissen auf Seiten der Mitarbeiter und werden daher zur Bearbeitung durch Spezialisten an eine weitere Bearbeitungsebene, den 2nd-level, weitergeleitet (Bolte 2002, S. 106; Heinzl/Zapf 2000, S. 243). Dort erfolgen, wenn erforderlich, auch umfangreichere Recherchearbeiten. Teilweise kann es notwendig sein, Fachabteilungen des Unternehmens (Ersteller der Kernleistung) einzubinden, diese dann einen 3rd-level darstellen (Stauss/Seidel 2007, S. 541ff.). Eine rein einstufige Konzeption ist für Center geeignet, in denen vor allem Standardanliegen eingehen, die mit einer einmaligen

2.2 Customer Care Center

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Bearbeitung eine Lösungsquote von 75-90% aufweisen (Menzler-Trott 2000, S. 250). Eine zwei- oder mehrstufige Konzeption ist geeignet, wenn viele verschiedene bzw. komplexe Aufgaben zu bewältigen sind. Die Bearbeitung der anspruchsvolleren Spezialanliegen im 2nd- und 3rd-level entlastet die Kapazität des 1st-level (Menzler-Trott 2000, S. 250). Das zweite Prinzip ist eine horizontale Zuordnung der Bearbeitung der Kundenanliegen zu verschiedenen, nach inhaltlichen Gesichtspunkten gebildeten Teams. Um tatsächlich eine Bündelung fachlichen Know-hows erreichen zu können, ist es auf jeden Fall sinnvoll, eine – zumindest temporäre – Spezialisierung der Agents vorzunehmen. Dabei werden für bestimmte fachliche Aufgaben spezialisierte Teams gebildet, beispielsweise für die Bearbeitung spezifischer Kundengruppen (Kundenwert, regionale Zuordnung der Kunden u.ä.), Anliegen (Art und Komplexität der Anliegen) und/oder zugrunde liegender Kernleistungen (Produktlinie A und B). Eine solche fachliche und inhaltliche Spezialisierung erlaubt die effektive und effiziente Erledigung der Aufgaben. Die organisatorische Zuordnung kann auf Centerebene (Bestellcenter, Beschwerdecenter; Center für VIP-Kunden oder Center für Kunden aus der Vertriebsregion Norddeutschland, usw.) und auf Gruppenebene (Bestellteam, Beschwerdeteam, VIP-Team, Team für die Vertriebsregion Norddeutschland) stattfinden (Duffner 1998, S. 36). Da der Kontakt zum Customer Care Center vom Kunden ausgeht, besteht für die Zuordnung der Bearbeitung der Kundenanliegen zu Teams die besondere Schwierigkeit, dass das Anliegen bis zum Gespräch nicht eindeutig identifiziert werden kann (Bolte 2002, S. 103). Demzufolge droht die Gefahr, dass der Mitarbeiter, der den Kundenanruf entgegennimmt, für eine fallabschließende Bearbeitung fachlich nicht ausreichend qualifiziert ist. Mit speziellen Rufnummern für bestimmte Anliegen versucht man, dem entgegen zu treten. Dadurch können die Kunden ihrem Anliegen entsprechend an qualifizierte Agents geroutet werden. Dennoch kann trotz dieser Maßnahmen aus verschiedensten Gründen das eigentliche Anliegen des Kunden bis zu seiner tatsächlichen Schilderung nicht sicher eingeordnet werden. Kunden könnten aus Versehen oder mit Absicht eine falsche Rufnummer benutzen, z.B. weil der Aufwand, die richtige Nummer zu finden, zu groß ist oder sie diese nicht finden. Damit können Weiterleitungen innerhalb des Customer Care Centers notwendig werden, z.B. an andere Agents im 1st-level oder an den 2nd-level. Für solche Weiterleitungen sind klare Regeln zu definieren, in welchen Fällen an welche Stellen weiterzuleiten ist und welche Informationen dabei übermittelt werden müssen (Bolte 2002, S. 105). Grundsätzlich gilt allerdings, dass Weiterleitungen des Kunden inner-

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2 Customer Care

halb des Customer Care Centers aufgrund der fast immer negativen Wirkungen zu vieler Weiterleitungen auf den Kunden möglichst vermieden werden sollen (Zapf 2003).5 Wenn Agents im 1st-level zunächst möglichst breit qualifiziert werden, können Weiterleitungen möglicherweise umgangen werden (Bolte 2002, S. 106). Zudem ist zu bestimmen, wann Anliegen unbedingt an den 3rd-level, also das Unternehmen, weiterzuleiten sind. Prädestiniert dafür sind z.B. von Kunden geäußerte Probleme mit sofortigen und/oder massiven Folgen für das gesamte Unternehmen (Stauss/Seidel 2007, S. 568). Wie in den bisherigen Ausführungen deutlich wurde, ist das Personal eine wesentliche Ressource im Customer Care Center, da es im direkten Kundenkontakt steht. Es stellt meist den größten Kostenfaktor dar (Durr 1996, S. 36). Die Qualifikation der Agents wirkt wesentlich auf die Qualität des Kontakts des Kunden mit dem Customer Care Center. Aus diesem Grund ist zunächst die Gewinnung geeigneter Mitarbeiter (Personalauswahl) wesentlicher Erfolgsfaktor, da die Branche u.a. durch eine hohe Fluktuation und nicht feststehende Qualifizierungswege geprägt ist (Geier/Groh 2003, S. 92). Grundlage der Personalrekrutierung ist die Entwicklung passender Anforderungsprofile, in denen die für die Aufgabenerfüllung benötigten Kompetenzen spezifiziert werden. Mittels geeigneter Auswahlmethoden, wie Telefoninterview, Assessment-Center, Arbeitsproben, eventuell Persönlichkeitstests usw., werden geeignete Mitarbeiter ausgewählt (Geier/Groh 2003, S. 92). Weiterhin spielt die fortlaufende Qualifizierung der Agents (Personalentwicklung) eine zentrale Rolle. Hierzu werden Instrumente, wie formale Trainings, Side-by-Side Coaching, Rollenspiele usw., eingesetzt (Oettl/Wagner/Gandolf 2006). 2.2.3.3 Kurzüberblick über relevante Technologien im Customer Care Center Eine weitere wichtige Ressource im Customer Care Center ist die angewendete Technologie, auch aufgrund des lediglich medial stattfindenden Kontakts. Der Einsatz von Technik ist allerdings kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, das den effizienten Personaleinsatz, die Minimierung der Wartezeiten und die Bearbeitung der Anrufe unterstützt (Durr 1996, S. 36ff.). Es gibt eine Vielzahl technischer Lösungen für den Call Center-Bereich, wie Telefonanlage, ACD, IVR, CTI, Work-Flow-Engines, Personaleinsatzplanungsprogramme u.a. (siehe dazu u.a. Böse/Flieger 1999, S. 142ff.; Cleveland/Mayben/Greff 1998, S. 211ff.; Dawson 1999; Klein 1998,

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Zapf formuliert die Faustregel, dass Kunden maximal zwei Weiterleitungen ohne große Verstimmung akzeptieren (Zapf 2003).

2.2 Customer Care Center

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S. 335ff.; Kudernatsch 1998, S. 18ff.; Menzler-Trott 1999, S. 3ff.; Thieme/Steffen 1999, S. 83ff.; Wiencke/Koke 1999, S. 125ff.). Im Folgenden werden die wichtigsten Technologien, die auch für die weitere Arbeit relevant sind, basierend auf den genannten Autoren kurz vorgestellt. Zu ihnen gehört die ACD (Automatic Call Distribution)-Anlage, mit der im Call Center eingehende Anrufe entgegengenommen und zur Bearbeitung verteilt werden. Die Calls können dabei an den nächsten freien Agent geroutet werden (wenn alle Agents den gleichen Wissensstand haben), es kann die bisherige Auslastung einbezogen werden oder das Routing kann die Fähigkeiten der verschiedenen Agents für die Bearbeitung bestimmter Anliegen berücksichtigen (Skill-based Routing). Steht kein freier Mitarbeiter zur Verfügung, werden die Anrufer in eine Warteschlangen eingereiht, in denen sie einen Klingelton oder standardisierte Ansagen hören, z.B. Hinweise zu neuen Produkten, Hinweise zu bereits bekannten Störungen bei einer Störungshotline oder Hinweise zum Bestellvorgang bei einer Bestellhotline. Die ACD-Anlage ermöglicht über die Anrufverteilung hinaus das Erfassen und Auswerten anrufbezogener Daten, u.a. Anzahl der eingegangenen Anrufe, die durchschnittliche Wartezeit, die durchschnittliche Gesprächsdauer. Diese Daten können als Echtzeit (Real-time)Informationen oder als statistische Daten (History Report) abgerufen werden. Der CBU-Studie zufolge (Busch 2005, S. 47) verfügen 88% der befragten Center über eine ACD-Anlage. Eine weitere wichtige Technik ist IVR (Interactive Voice Response) . Dies ist ein computergestützter Sprachdialog, der durch die Stimme des Anrufers oder das Drücken bestimmter Telefontasten gesteuert wird. Häufig werden IVR-Anlagen vor die Verbindung mit dem Agent geschaltet, um zum einen den Kunden und sein Anliegen möglichst genau qualifizieren und ihn damit an die zuständige Mitarbeitergruppe routen zu können und um zum anderen verschiedene Customer Self Care Dienstleistungen anzubieten (z.B. Abfrage des Kontostands bei einer Bank, Durchführen von Transaktionen, etc.). Letzteres trägt sowohl zu einer erhöhten Verfügbarkeit der Agents für komplexere Anliegen als auch im Idealfall zu einer schnelleren Problemlösung für den Kunden bei. Mit der Entwicklung leistungsfähiger SpracherkennungsSoftware nimmt die Bedeutung der Steuerung mittels Spracheingabe zu. Nach der Aspect-Studie 2006 verfügen bereits 49% der befragten Unternehmen über Anwendungen zur interaktiven Sprachverarbeitung; der Zuwachs von 15% relativ zum Vorjahr erfolgte vor allem bei den Spracherkennungssystemen (o.V. 2006b).

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2 Customer Care

Die dritte wesentliche Technologie ist CTI (Computer Telephony Integration). CTI steht für die nahtlose Integration von Telefon- und Datenverarbeitungsanlagen. Durch CTI-Technologien wird die Bereitstellung kundenspezifischer Informationen am Arbeitsplatz des Mitarbeiters ermöglicht: Die CTI-Anlage kann die Kunden anhand ihrer Telefonnummern identifizieren. Dies ist auch Voraussetzung dafür, dass Anrufer bei Anrufeingang bestimmten Kundengruppen zugeordnet werden können, in die Warteschlange zur Anrufannahme angeordnet und/oder nach anruferspezifischen Kriterien geroutet werden können. Sind die Anrufer identifiziert, werden die im Unternehmen vorliegenden Kundendaten eingespielt: Damit werden dem Agent und den von ihm zur Bearbeitung des Anliegens verwendeten Systemen bereits bei der Zuteilung des Anrufs alle bekannten Daten über den identifizierten Anrufer zur Verfügung gestellt. Während des Gesprächs können alle neuen Informationen, die der Agent aufnimmt, an die Datenbank weitergeleitet werden. Auch anderen Agents, mit denen der Kunde verbunden wird, werden diese Daten zur Verfügung gestellt. Damit haben alle Mitarbeiter Zugriff auf Grunddaten über den Kunden (Name, Anschrift usw.) und auf weitere unternehmens- und personenbezogene Daten, wie Transaktionsdaten. Voraussetzung dafür ist allerdings das Bestehen einer entsprechenden Kundendatenbank. Immer häufiger werden in den Centern auch CRM-Systeme eingesetzt bzw. die Center in vorhandene CRM-Systeme eingebunden (Ostrowksi 2005). Durch die CTI kann der Agent weiterhin an seinem Platz auf Informationen aus anderen ITSystemen zurückgreifen, wie Lagerbestände und Preisinformationen. Da CTI aufgrund technischer Entwicklungen seit einiger Zeit auch für kleinere Call Center einsetzbar wird, steigt ihre Verbreitung und Bedeutung. Nach der CBU-Studie (Busch 2005, S. 47) verfügen 54% der befragten Center über eine CTI-Anwendung. Im Kapitel 2.2 wurde das Customer Care Center definiert, sein Beitrag zu einer qualitativ besseren und daneben auch kostengünstigeren Bearbeitung der Kundenkontakte gezeigt. Weiterhin wurden die Rahmenfaktoren Organisation, Personal und Technologie vorgestellt. Das folgende Kapitel 2.3 wird genauer auf die Leistung eingegangen, die im Customer Care Center erbracht wird: die Bearbeitung und Lösung von Kundenanliegen.

2.3 Konkretisierung der Customer Care Leistung als Bearbeitung von Kundenanliegen im Rahmen von Customer Care Kontakten Im Weiteren werden zunächst die verschiedenen vom Customer Care Center zu bearbeitenden Kundenanliegen identifiziert und kategorisiert (Kapitel 2.3.1). Daraufhin

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

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erfolgt eine Charakterisierung und Definition des Customer Care Kontakts, in dessen Rahmen die Anliegen bearbeitet werden (Kapitel 2.3.2). Schließlich wird die Kundenwahrnehmung des Customer Care Prozesses diskutiert (Kapitel 2.3.3). 2.3.1 Kundenanliegen als Gegenstand von Customer Care Kontakten 2.3.1.1 Identifikation der im Customer Care Center zu bearbeitenden Kundenanliegen Im Rahmen ihrer Definition von Customer Care zählen Stauss/Seidel (2007, S. 35f.) die relevanten Kundenanliegen auf, die im Customer Care zu bearbeiten sind und dementsprechend im Customer Care Center eingehen können. Stauss/Seidel unterscheiden - kauf- und vertragsrelevante Kundenanliegen: Bestellungen und Kündigungen und - beziehungsrelevante Kundenanliegen: Änderungsanzeigen, Lob, Beschwerden, Anfragen, wie generelle Informationen über das Unternehmen, konkrete Informationen zum Leistungsangebot, Informationen zu Geschäftsvorgängen, Informationen zum Kundenstatus und Anregungen (Ideen und Verbesserungsvorschläge). In der einschlägigen Literatur finden sich ebenfalls Hinweise auf relevante Kundenanliegen. Viele Autoren stellen Leistungskataloge von Call Centern auf, die sich teilweise stark ähneln (u.a. Böse/Flieger 1999, S. 24f.; Töpfer/Greff 2000, S. 40; Wiencke/Koke 1999, S. 16-23). Allerdings sind von den in der Literatur aufgeführten Leistungen hier nur die Inbound-Leistungen, die auf die Kunden (und nicht andere Zielgruppen) gerichtet sind, zu betrachten: - Töpfer/Greff (2000, S. 40) nennen sechs Leistungen: Service und Kundendienst, Aufträge und Bestellungen, Preisanfragen, Beschwerden/Reklamationen, Anforderung von Informations-Unterlagen und Produktanfragen. - Böse/Flieger (1999, S. 24f.) unterscheiden vier Einsatzmöglichkeiten: 1. Bestellannahme, d.h. Entgegennahme von Aufträgen, Reservierungen und Ticketwünschen sowie deren Eintrag in EDV-System und Aussagen über die Lieferzeit; 2. Kundenhotline/Servicetelefon, d.h. Aktivitäten rund um die Kundenbetreuung wie Stammdatenänderungen, Bearbeitung von Vorgängen wie Rechnungser-

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2 Customer Care

klärung, Leistungsänderungen, Anforderungen von Informationen, anschließender Versand von Angeboten, Broschüren und Entgegennahme von Reklamationen; 3. Infotelefon, d.h. eine Rufnummer, unter der ein begrenztes Servicespektrum für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung gestellt wird, beispielsweise bei der Markteinführung neuer Produkte, bei bestimmten aktuellen Ereignissen, Produktumstellungen, Tarifänderungen; 4. Helpdesk, d.h. die Bereitstellung von Hilfeleistungen und Beratung für den Anrufer, z.B. bei der Lösung technischer Probleme, der Anwendung komplexer Produkte und Softwareprogramme. - Wiencke/Koke 1999, S. 16-23) nennen sieben Aufgaben, die sich größtenteils den genannten Einsatzmöglichkeiten von Böse/Flieger 1999 zuordnen lassen: Informations-Hotline, also Informationsanfragen von Interessenten und Kunden (vgl. InfoTelefon bei Böse/Flieger 1999) Beschwerdemanagement (vgl. Servicetelefon bei Böse/Flieger 1999), Auftrags- und Bestellannahme (vgl. Bestellannahme bei Böse/ Flieger 1999), Reservierungszentrale/Ticketservice (vgl. Bestellannahme bei Böse/Flieger 1999), Notfall- und Support-Service, z.B. Pannenservice des ADAC, Computerhotlines bei Softwareproblemen (vgl. Helpdesk bei Böse/Flieger 1999), aktive Händler- und Kundenbetreuung und After Sales Service (vgl. Servicetelefon bei Böse/Flieger 1999). Basierend auf Stauss/Seidel (2007) und unter Heranziehung der genannten Leistungskataloge, werden in der vorliegenden Arbeit acht im Customer Care Center zu bearbeitende Kundenanliegen unterschieden (siehe Abb. 2-3). 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Abb. 2-3: Quelle:

Anfragen (allgemeine Informationen, Leistungsangebot, Kunden- und Vorfallsstatus) Aufträge und Bestellungen Beratung hinsichtlich Kauf und Nutzung der Kernleistung Kundendaten-Änderungen Kundenstatus-Änderungen (z.B. Kündigungen oder Neuanmeldungen) Notfallbetreuung/Kunden-Helpdesk/Support Anregungen Beschwerden und Lob Relevante Kundenanliegen für Customer Care Center Eigene Darstellung

Dabei wurde der Anliegentyp „Anfragen“ von Stauss/Seidel beibehalten. Der Typ „Bestellungen“ wurde um Aufträge zum Typ „Bestellungen und Aufträge“ ergänzt, der

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

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Typ „Kündigungen“ wurde mit anderen Änderungen des Kundenstatus, wie der Neuanmeldung, zum Typ „Kundenstatus-Änderungen“ zusammengefasst, Änderungsanzeigen wurden spezifischer als „Kundendaten-Änderungen“ bezeichnet, Ideen und Verbesserungsvorschläge allgemein „Anregungen“ genannt und Beschwerden und Lob in einem Punkt zusammengefasst. Zusätzlich wurden zwei Arten von Kundenanliegen ergänzt: Erstens, die „Beratung“, die über eine allgemeine Informationsanfrage hinausgeht und eine Beratung hinsichtlich des Kaufs oder der Nutzung des Produkts sein kann und zweitens das Kundenanliegen „Notfallbetreuung/KundenHelpdesk/Support“, da es von den anderen Typen nur teilweise erfasst wird und aufgrund der spezifischen Situation (z.B. zeitkritische Probleme) mit besonderen Anforderungen verbunden ist. In der Praxis spielt einschlägigen Studien zufolge vor allem die Beratung eine große Rolle: In der buw-Marktbefragung war dies die mit Abstand größte Kategorie mit 28% aller Anliegen (Wulf 2006, S. 4). Auch die CBU-Studie bestätigt und zeigt zudem die hohe Bedeutung von Beschwerden: 78% (2004) und 91% (2005) aller befragten Unternehmen (bei Mehrfachnennungen) gaben an, ihr Inbound-Center vor allem für Beschwerdemanagement genutzt zu haben (Busch 2005; Busch 2006). 2.3.1.2 Kategorisierung der Kundenanliegen Zur Vereinfachung der folgenden Betrachtung ist es sinnvoll, die identifizierten acht Anliegentypen zu Anliegenkategorien zusammenzufassen. Dazu soll auf eine Kategorisierung des Forschungs- und Entwicklungsprojekts „INCCA – Professionelle Services in innovativen Call Center Organisationen“ zurückgegriffen werden.6 Im INCCA-Projekt wurden die Inbound-Aktivitäten von Customer Care Centern zu drei Kategorien von Inbound-Kernprozessen aggregiert (Meier/Geier 2003, S. 61f.): Dienstleistungen, die das Auslösen eines bestimmten Vorgangs zum Ziel haben, meist durch Eingabe standardisierter Angaben bzw. Daten in ein ITSystem (Auftragsannahme), Dienstleistungen, bei denen vom Anrufer angefragte Informationen übermittelt werden sollen, wobei diese Informationen unterschiedlich komplex sein können (Informationsdienste) und Dienstleistungen, die Beschwerden von Kunden betreffen, wobei die Reaktion bzw. Entscheidung des Customer Care Center im Mittelpunkt steht (Beschwerdemanagement).

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Das INCCA-Projekt wurde vom Projektträger PT-DLR in Bonn betreut und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

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2 Customer Care

Die oben identifizierten Anliegen können diesen drei INCCA-Kernprozessen teilweise zugeordnet werden: - Beratung und andere Anfragen sind Informationsdienste. Diese Anliegenkategorie wird hier als „Informationsabfrage“ bezeichnet. - Kundenstatus-Änderungen, Aufträge/Bestellungen sowie KundendatenÄnderungen sind Bestandteil der Auftragsannahme und werden in der Anliegenkategorie „Auftragsabgabe“ zusammengefasst. Das INCCA-Kategorisierungsschema muss aber auch erweitert werden: - Neben Beschwerden werden auch andere Formen des Kundenfeedbacks berücksichtigt und die Anliegenkategorie „Feedbackäußerung “gebildet. Auf Beschwerden liegt dennoch ein klarer Fokus. - Weiterhin wird eine Anliegenkategorie „Sofort-Support-Anforderung“ ergänzt, da Kundenanliegen im Sinne von Helpdesk/Notfall-Anfragen – wie schon oben angesprochen – speziellen Anforderungen unterliegen, z.B. besonders zeitkritisch sind. Die entwickelte Kategorisierung der für Customer Care Center relevanten Anliegen ist in Abb. 2-4 dargestellt.

Informationsabfrage

Beratung

Abb. 2-4: Quelle:

Anfrage

Auftragsabgabe

Kundenstatus- Aufträge und änderung Bestellungen

Feedbackäußerung

KundendatenLob und änderung Beschwerden

Anregungen

SofortSupport-Anforderung

Notfallbetreuung

Helpdesk/ Support

Kategorisierung der Customer Care Anliegen Eigene Darstellung

Wie die Verteilung der Anliegentypen und -kategorien im jeweiligen Customer Care Center ist, wird unternehmensspezifisch unterschiedlich sein. Gegebenenfalls muss eine Erhebung stattfinden, indem bei eingehenden Anrufen ermittelt wird, um welche Anliegen es sich handelt, bspw. indem eine Kategorisierung der eingegangenen Anrufe seitens der Agents erfolgt. Daraus kann dann der Anteil der eingegangenen Anliegentypen bzw. -kategorien an der Gesamtanrufmenge ermittelt werden.

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

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Die Bearbeitung der Kundenanliegen findet im Rahmen des Kontakts der Kunden zum Customer Care Center statt. Diese „Customer Care Kontakte“ sollen im Folgenden charakterisiert und definiert werden. 2.3.2 Charakterisierung und Definition von Customer Care Kontakten 2.3.2.1 Mittelbarkeit von Customer Care Kontakten als wesentliches Merkmal der Customer Care Leistung Der Kontakt mit dem Customer Care Center findet medial, d.h. über das Kontaktmedium „Telefon“ statt. Daher kommt es während des Customer Care Kontakts nicht zum persönlichen (face-to-face) Austausch zwischen Anrufer und Mitarbeiter. Dies wird als Mittelbarkeit bezeichnet und ist ein wesentliches Merkmal von Customer Care Centern (Hafner 2001, S. 26ff.). Die Mittelbarkeit hat folgende Auswirkungen: - Informationen können nur sprachlich übermittelt werden, wobei der telefonische Kontakt zwischen Kunde und Agent zeit-synchron stattfinden muss (Wiencke/Koke 1999, S. 11f.; Zapf 2003, S. 364). - Die Interaktion verursacht Kommunikationskosten, die Unternehmen und/oder Kunde tragen müssen (Hafner 2001, S. 26ff.). Außer bei für den Kunden kostenfreien Rufnummern übernimmt der Kunde einen – abhängig von der Rufnummer unterschiedlich hohen – Anteil an den insgesamt anfallenden Verbindungskosten. Die Telefongebühren für den Kunden können bei 0180-Servicerufnummern immerhin bis zu 14 Cent die Minute betragen (0180-5-Nummer). - Es besteht grundsätzlich eine räumliche Distanz und zusätzlich kann auch eine soziale Distanz bestehen, da der Mitarbeiter am Telefon nur mit seiner Stimme „Nähe“ schaffen kann. Abhängig vom Anliegen kann die Distanz zum Mitarbeiter vom Kunden auch als geringer wahrgenommen werden, wenn das Anliegen sehr persönlich ist, z.B. etwa die Beratung hinsichtlich einer Rentenversicherung bzw. der Kunde emotional stark involviert ist, z.B. Beschwerde über einen Mitarbeiterkontakt (Price/Arnould/Deibler 1995, S. 43). 2.3.2.2 Kontextabhängige Heterogenität der Customer Care Kontakte Customer Care Kontakte sind aufgrund ihres unterschiedlichen Kontexts heterogen. - Zum einen werden sich die Customer Care Kontakte in Abhängigkeit vom jeweiligen Anliegen unterscheiden, was eine wichtige Rolle bei der Charakterisierung von Customer Care Kontakten spielt.

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2 Customer Care

- Zum anderen nimmt auch der Kunde Einfluss darauf, wie sich der Customer Care Kontakt entwickelt. Dabei relevante Einflussfaktoren sind vor allem die jeweilige individuelle Situation, in der sich der Kunde bei dem Kontakt mit dem Customer Care Kontakt befindet, sowie die Kundenpersönlichkeit mit den jeweiligen Fähigkeiten, Vorlieben usw. Weitere Kontextfaktoren sind Kernleistung und Branche des Unternehmens, für dessen Kunden die Customer Care Leistung angeboten wird. Für den weiteren Verlauf der Arbeit wird diesbezüglich unterstellt, dass es sich nur um eine Kernleistung/Branche handelt, um die Komplexität der Ausführungen zu verringern. Dennoch sind die Charakteristika der Kernleistung im Weiteren als Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Ein weiterer Kontextfaktor wäre der Eingangskanal (Telefon, Brief, E-Mail, usw.), der aber in der vorliegenden Arbeit nicht relevant ist, da lediglich der telefonische Customer Care Kontakt betrachtet wird. 2.3.2.3 Dienstleistungstypische Integrativität und Intangibilität von Customer Care Kontakten Ausgangspunkt dieser Diskussion ist die Erkenntnis, dass „services are deeds, processes and performances“ (Zeithaml/Bitner/Gremler 2006). Der Kunde erlebt bei Inanspruchnahme der Dienstleistung einen so genannten Service Encounter (Shostack 1985, Bitner/Hubbert 1994) oder Augenblick der Wahrheit (Carlzon 1992). Shostack (1985, S. 243) definiert den Service Encounter als „a period of time during which a consumer directly interacts with a service“. Nach Shostack ist der Service Encounter der klar begrenzte Zeitraum, in dem der Kunde und der Ersteller der Dienstleistung persönlich, telefonisch oder durch andere Medien interagieren. Bitner/Hubbert (1994, S. 74) legen die von Shostack betonte direkte Interaktion etwas weiter aus und charakterisieren den Service Encounter als „a discrete event occurring over a definable period of time“. Service Encounter sind zeitlich begrenzte, eigenständige Interaktionen zwischen Kunde und Mitarbeiter, die dem Austausch von Leistungen gegen Entgelt dienen, die daher zweckbezogen sind und bei denen es zu einer sozialen Interaktion zwischen Kunde und Mitarbeiter kommt, wobei Kunde und Mitarbeiter festgelegte Rollen über-

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

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nehmen und notwendige Informationen austauschen (Czepiel et al. 1985, S. 4ff.; Håkansson 1982; Liljander/Strandvik 1995).7 Customer Care Kontakte können als Service Encounter eingeordnet werden. - Der Anruf in einem Customer Care Center ist eine zeitlich begrenzte und eigenständige Interaktion des Kunden mit einem Mitarbeiter im Customer Care Center. - Im Kontakt erbringt der Mitarbeiter am Kunden eine Leistung (die Lösung des Anliegens). Die Entgeltlichkeit trifft bei Customer Care allerdings so nicht zu: Customer Care Leistungen können vom Kunden – abgesehen von den Kommunikationskosten – meist „unentgeltlich“ in Anspruch genommen werden, da sie Zusatzleistungen zur bestehenden Kernleistung sind. Kunden entgelten die Customer Care Leistung aber teilweise indirekt über den Preis der Kernleistung. Es gibt auch Ausnahmen, z.B. wenn Unternehmen ihren Kunden Servicepakete verkaufen und gegen ein Entgelt eine bessere, schnellere Kundenbetreuung zusichern. Zwar fallen auf Kundenseite weitere Kosten an (u.a. psychische Kosten), die aber hier mit „Entgelt“ nicht gemeint sind. - Die Kontaktaufnahme des Kunden zum Customer Care Center erfolgt zum Zweck der Lösung des Kundenanliegens. - Zwischen Kunde und Mitarbeiter entsteht dabei ein Dialog (sozialer Austausch), in dem die Rollen für beide als festgelegt betrachtet werden können, da der Kunde ein Anliegen an den Mitarbeiter richtet, der es lösen soll und in dem Kunde und Mitarbeiter die dafür notwendigen Informationen austauschen. Anton bezeichnet Customer Care Kontakte deshalb auch als „telephonic moments of truth“ (Anton 1997, S. 14). Im Rahmen des Customer Care Kontakts wird am Kunden eine Dienstleistung erbracht, die Customer Care Leistung (Verhoef/Antonides/de Hoog 2004). Dienstleistungen sind nach herrschender Literaturmeinung vor allem durch zwei konstitutive Merkmale gekennzeichnet: Die Intangibilität der Leistung und die Integration des externen Faktors (Hentschel 1992, S. 29; Parasuraman/Zeithaml/Berry 1985, S. 42;

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Czepiel et al. (1985, S. 4ff.) nennen als Attribute eines Service Encounters: Zweckorientierung, aufgabenbezogener und daher begrenzter Austausch von Informationen, entgeltliche Erbringung der Leistung durch den Anbieter, vorher festgelegte Rollen von Mitarbeiter und Kunde. Auch Håkansson (1982) legt ähnliche Kriterien an: product or service exchange, information exchange, financial exchange and social exchange.

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2 Customer Care

Zeithaml/Parasuraman/Berry 1985, S. 33).8 Das Merkmal „Integration des externen Faktors“ bedeutet, dass der Kunde sich selbst oder ein Objekt in den Prozess der Dienstleistungserstellung einbringt (Parasuraman/Zeithaml/Berry 1985, S. 42; Zeithaml/Parasuraman/Berry 1985, S. 33). Das Merkmal „Intangibilität“ bedeutet, dass Dienstleistungen eingeschränkt physisch und/oder intellektuell (be-)greifbar sind und einen geringen bis gar keinen Anteil definierter und physisch messbarer Ergebniseigenschaften haben (Hentschel 1992, S. 29; Parasuraman/Zeithaml/Berry 1985, S. 42; Zeithaml/Parasuraman/Berry 1985, S. 33). Die Trennschärfe des Merkmals Intangibilität ist in der Literatur umstritten, da Dienstleistungen häufig tangible Bestandteile beinhalten oder diese zu ihrer Erstellung benötigen. Die diesbezügliche Diskussion soll hier nicht ausführlich thematisiert werden. Vielmehr wird in Anlehnung an Shostack 1982, S. 53) die Intangibilität als Kontinuum betrachtet. Customer Care Kontakte sind als Service Encounter durch die dienstleistungstypische Integrativität und Intangibilität gekennzeichnet: - Integrativität: Der interaktive Dialog zwischen Kunde und Mitarbeiter ist wesentlicher Bestandteil der Customer Care Leistung. Customer Care Dienstleistungen sind daher grundsätzlich von einer hohen Kontaktintensität gekennzeichnet (Bolte 2002, S. 100; Weinkopf 2002a, S. 14). Im Kontakt mit dem Customer Care Center stellen Kunden dem Mitarbeiter Informationen zur Verfügung, z.B. Bestellinformationen, Problembeschreibungen oder Kundendaten. Durch ihre Integration ermöglichen sie erst die Leistungserstellung. Der Grad der Integrativität ist nicht bei allen Interaktionen gleich hoch. So ist er unter anderem abhängig von der Art des Kundenanliegens: Anfragen und Kundendaten-Änderungen haben zumeist einen geringeren Integrativitätsgrad als Kundenstatus-Änderungen, Aufträge und Bestellungen. Beratung und Notfallbetreuung weisen einen relativ hohen Grad an Integrativität auf. Diese Zuordnung wird allerdings auch beeinflusst durch die Branche des Unternehmens und die dem Anliegen jeweils zugrunde liegende Kernleistung. - Intangibilität: Aufgrund der Mittelbarkeit von Customer Care Kontakten kann die Intangibilität der Customer Care Leistung relativ stark ausgeprägt sein. Die Inanspruchnahme von Leistungen des Customer Care Centers enthält wenig tangible

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Von einigen Autoren werden weitere Charakteristika genannt, wie Heterogenität und Vergänglichkeit (Parasuraman/Zeithaml/Berry 1985, S. 42; Zeithaml/Parasuraman/Berry 1985, S. 33). Diese Merkmale lassen sich aber aus den beiden zuerst genannten ableiten, so dass Dienstleistungen definiert werden als „Produkte, die des direkten Kontakts zwischen Anbieter und Nachfrager bedürfen und sich vor, während und nach dem Kontakt als überwiegend intangibel darstellen“ (Hentschel 1992, S. 26).

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

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Elemente für den Kunden. Der Dialog mit dem Mitarbeiter findet nicht persönlich statt und der Kunde hat lediglich Kontakt mit Repräsentationen der Leistungserstellung, vor allem der Stimme des Mitarbeiters am Telefon (Hafner 2001). Dadurch bleibt die eigentliche Leistungserstellung für den Kunden abstrakt: Im Beispiel der Auftragsabgabe nimmt der Mitarbeiter den Auftrag entgegen und führt bspw. Änderungen in der Kundendatenbank durch. Dies ist vom Kunden aber nicht beobachtbar und daher auch nicht leicht nachvollziehbar. Auch das Leistungsergebnis ist zunächst oft kaum fassbar. So wird der Kunde nicht sofort wissen, ob der Agent sein Anliegen richtig bearbeitet hat, d.h. die richtige Bestellung aufgenommen, die Stammdaten richtig geändert, die Kündigung oder die Beschwerde korrekt weitergeleitet hat. Abhängig vom Anliegen und der zugrunde liegenden Kernleistung besteht eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Intangibilität der Leistungserstellung und des Leistungsergebnisses im Customer Care Center. Bei komplexen Anliegen (z.B. Beratung) oder Kernleistungen (z.B. Bankleistungen, Software/PC) ist aufgrund der höheren intellektuellen Herausforderungen von einer relativ hohen Intangibilität auszugehen, ansonsten ist diese als geringer einzustufen (z.B. Änderung der Stammdaten). 2.3.2.4 Häufigkeit und begrenzte Dauer von Customer Care Kontakten Die Häufigkeit von Customer Care Kontakten hängt von verschiedenen Faktoren ab, vor allem von der Kernleistung: Grundsätzlich gilt, dass bei einer komplexeren Kernleistung Customer Care stärker in Anspruch genommen wird, da größerer Beratungsbedarf besteht (u.a. Expertengespräch 6). Auch spielt eine Rolle, um welche Kernleistung es sich genau handelt: Bestimmte Leistungen beziehen Kunden nur einmal, so dass sie lediglich im Ausnahmefall eines Defekts oder einer Störung mit dem Customer Care Center in Kontakt treten müssen. Andere Produkte/Dienstleistungen sind vor und auch während der Nutzung beratungsintensiver und häufigere Customer Care Kontakte sind wahrscheinlich (z.B. Computer/Software, Urlaubsreisen usw.). Bei einigen Produkten/Dienstleistungen ist der Kontakt zum Customer Care sogar notwendiger Bestandteil der Produktnutzung (z.B. PrepaidMobilfunk-Karten, die regelmäßig aufgeladen werden müssen). Die Häufigkeit ist also auch branchenabhängig: Angaben der Deutschen Telekom zufolge, treten bspw. Kunden im Privatkundenbereich im Durchschnitt nur ca. 1-2 Mal pro Jahr aktiv an ihre Telekommunikationsdienstleister heran (Hinkel et al. 2004, S. 539). Sicher spielt aber auch die Kundenpersönlichkeit eine Rolle, etwa wie beratungsbedürftig ein Kunde ist. Die genannten Faktoren lassen sich schlecht generalisieren und sind unternehmensspezifisch zu ermitteln.

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2 Customer Care

Customer Care Kontakte sind typischerweise von kurzer Dauer, es handelt sich meist nur um die wenigen Minuten der Anrufdauer. Eine Studie von Verhoef/Antonides/de Hoog (2004) ergab eine durchschnittliche Dauer der Anrufe im Kundenservice eines Finanzdienstleisters von lediglich 208 Sekunden, also knapp dreieinhalb Minuten. Damit fallen Customer Care Kontakte unter die „brief encounter“ (Price/Arnould/Deibler 1995, S. 44 und S. 53). Da mit der Dauer der Customer Care Kontakte die Kontaktkosten durch die Personalkosten für die im Kontakt beschäftigten Mitarbeiter steigen und die Erreichbarkeit des Customer Care Centers aufgrund der gebundenen Mitarbeiterkapazitäten sinkt, wird versucht, eine möglichst niedrige Dauer zu erreichen, was sich in Zeitlimits für die Dauer der Bearbeitung bestimmter Anliegen äußert.9 Die Dauer der Customer Care Kontakte ist abhängig von der Art des Anliegens: Bei Informationsabfragen handelt es sich oft um relativ schnell zu gebende Auskünfte, wobei eine Beratung hier auch länger dauern kann. Auftragsabgaben sind ebenfalls relativ schnell abzuhandeln. Eine Beschwerde entgegenzunehmen nimmt oft mehr Zeit in Anspruch. Sofort-Support kann sehr zeitaufwendig sein, z.B. Helpdesk, aber auch von sehr kurzer Dauer, z.B. die Entgegennahme eines Notrufs. Die Dauer kann auch bei verschiedenen Kunden bzw. Mitarbeitern unterschiedlich sein, z.B. aufgrund unterschiedlich ausgeprägter Fähigkeiten des Kunden, sein Anliegen verständlich zu machen und die notwendigen Informationen bereitzustellen und verschiedener Fähigkeiten des Mitarbeiters in der Diagnose des Anliegens, dem Umgang mit den Systemen und der Problemlösung. Daher sind hinsichtlich der Dauer nur Tendenzaussagen möglich. Trotz dass in den meisten Fällen von einer kurzen Anrufdauer ausgegangen werden kann, ist denkbar, dass die Dauer der Kontakte von den Kunden als länger wahrgenommen wird. Dies ist der Fall, wenn Kunden ihre Anliegen erst dann als abgeschlossen betrachten, wenn bestimmte Teilleistungen erbracht sind, die vom Kunden als Bestandteil der Customer Care Leistung gesehen werden. Diese Teilleistungen müssen aber nicht notwendigerweise auch im Verantwortungsbereich des Customer Care liegen, was im weiteren Verlauf der Arbeit noch thematisiert werden wird. Beispiele dafür sind die Auslieferung einer Bestellung, die der Kunde beim Customer Care Center aufgegeben hat, wobei aber die eigentliche Lieferung vom Unternehmen selbst oder einem anderen Dienstleister durchgeführt wird, sowie die Situation, dass der Kunde sich mit einem Problem an das Customer Care Center wendet und die

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Das wird in Teil 3 aufgegriffen.

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

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angebotene Problemlösung zunächst ausprobieren muss. Weiterhin kann sich auch die faktische Dauer über eine längere Zeitspanne als einen Anruf erstrecken. Dies kann der Fall sein, wenn zur Lösung des Anliegens mehrere Gespräche notwendig sind, z.B. wenn das Customer Care Center den Kunden zurückrufen muss, da zunächst noch interner Klärungsbedarf besteht, etwa wenn Informationen zu einer Anfrage zusammenzustellen sind oder mit der Fachabteilung ein Beschwerdegrund nachvollzogen werden muss. 2.3.2.5 Ergebnisfokus von Customer Care Kontakten In der Literatur wird zwischen prozess- und ergebnisorientierten Dienstleistungen unterschieden (Scharitzer 1994, S. 33f.). Bei prozessorientierten Dienstleistungen (z.B. Konzertbesuch, Club-Urlaub oder Arztbesuch) ist vor allem das Kontakterlebnis Bestandteil des Leistungsversprechens.10 Eindrücke hinsichtlich dieses Erlebnisses werden in hohem Maß für die Qualitätsbeurteilung herangezogen (Scharitzer 1994, S. 34). Bei ergebnisorientierten Dienstleistungen (z.B. Paketzustellung, KfzWerkstatt oder Selbstbedienungsbereich einer Bank) dagegen ist eher das tatsächlich erlangte Ergebnis der Leistungserstellung Grundlage der Beurteilung der Dienstleistung. Der Erstellungsprozess kann dann eine erhöhte Bedeutung für die Beurteilung gewinnen, wenn das Ergebnis unbefriedigend ist. Aufgabe des Customer Care ist die Betreuung von Kundenanliegen. Damit geht einher, dass Kunden sich mit dem Ziel an das Customer Care Center wenden, dass ihr konkretes Problem gelöst wird. Der Nutzen der Customer Care Leistung für den Kunden wird vor allem durch das Ergebnis, die Lösung seines Kundenproblems, gestiftet (Aleff 2002, S. 117; de Ruyter/Wetzels 2000, S. 281; Mills/Margulies 1980, S. 261ff.; Schulze 2000). Bei Customer Care Kontakten liegt also ein Ergebnisfokus vor. Dessen ungeachtet spielt aufgrund der Interaktivität der Customer Care Leistung auch das Prozesserleben für die Beurteilung der Leistung (die wahrgenommene Qualität) eine Rolle (Thelen/Koll/Mühlbacher 2004, S. 298). Wie stark ausgeprägt der Ergebnisfokus ist, kann sich je nach Anliegen unterscheiden, wobei hierbei – analog zur Dauer – nur Tendenzaussagen möglich sind: Bei der Kategorie „Informationsabfrage“ herrscht bei reinen Anfragen ein starker Ergebnisfo-

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Hierzu ist anzumerken, dass auch bei prozessorientierten Dienstleistungen ein Ergebnis vorliegen kann. Zudem ist die Bedeutung des Prozesserlebens nicht vom Grad der Integrativität abhängig, da auch wenig integrative Leistungen prozessorientiert sein können, wie z.B. ein Konzertbesuch (Scharitzer 1994, S. 34).

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2 Customer Care

kus und geringe Prozessorientierung vor, da die Anrufer lediglich an der Information interessiert sind, während bei der Beratung auch ein höherer Anteil an Prozessorientierung zu vermuten ist, insbesondere aufgrund der erhöhten Kontaktdauer. Im Rahmen der „Auftragsabgabe“ sind ebenso ein hoher Anteil an Ergebnisfokus und ein relativ geringer Anteil an Prozessorientierung zu vermuten. Die Kategorie „SofortSupport-Anforderung“ sollte stark ergebnisdominant sein, z.B. schnelle Hilfe bei einem Notfall, während auf den Prozess dann oft kein so großer Wert gelegt wird. Bei der „Feedbackäußerung“ dürfte neben dem Ergebnisfokus auch der Prozess, z.B. die Art der Entgegennahme der Beschwerde eine Rolle spielen (Stauss/Seidel 2007). 2.3.2.6 Abschließende Definition des Customer Care Kontakts Auf Basis der bisherigen Ausführungen wird im weiteren Verlauf der Arbeit folgendes Verständnis von Customer Care Kontakten zugrunde gelegt. Die Inanspruchnahme der Customer Care Dienstleistung im Rahmen des Customer Care Kontakts umfasst die Bearbeitung eines Kundenanliegens aus Kundensicht, von der Kontaktaufnahme des Kunden mit dem Customer Care Center bis zur für den Kunden zufrieden stellenden, endgültigen Erledigung des Anliegens. Dabei interagiert der Kunde in einer zeitlich begrenzten und kurzen telefonischen Interaktion mit dem zuständigen Customer Care Center. Die Interaktion kann mit einem Mitarbeiter des Centers (Agent) oder mit automatisierten Spracherkennungssystemen (IVR) stattfinden, wobei der Fokus in der vorliegenden Arbeit auf der mittelbaren Interaktion mit einem Mitarbeiter liegt. Dieser kann jedoch der Kontakt mit verschiedenen technischen Systemen (ACD-Anlage und Warteschlange sowie IVR) vorgelagert sein. Der Kunde initiiert den Customer Care Kontakt, um sein Problem zu lösen, das in die grundlegenden Anliegenkategorien Auftragsabgabe, Informationsabfrage, Feedbackäußerung oder Sofort-Support-Anforderung fällt. Voraussetzung erfolgreicher Customer Care Kontakte ist, dass sich der Kunde in die Leistungserstellung einbringt. Dabei kann der Kunde die Leistungserstellung nicht in allen Aspekten kognitiv erfassen und physisch nur auditiv erleben. Customer Care Kontakte werden für die weiteren Ausführungen wie folgt definiert: Ein Customer Care Kontakt ist die Inanspruchnahme der Customer Care Dienstleistung und damit die mittelbare, vom Kunden initiierte, zeitlich begrenzte und meist relativ kurze telefonische Interaktion des Kunden eines Unternehmens mit einem Mitarbeiter im Customer Care Center und den im Customer Care Center vorgeschalteten Technologien, die durch Intangibilität und Kundenintegration gekennzeichnet ist und durch die der Kunde das Ziel

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

41

verfolgt, ein bestimmtes Anliegen (Auftragsabgabe, Informationsabfrage, Feedbackäußerung oder Sofort-Support-Anforderung) zu lösen. Für ein besseres Verständnis von Customer Care Kontakten ist eine Prozessbetrachtung des Customer Care Kontakts wichtig. 2.3.3 Prozessbetrachtung von Customer Care Kontakten Die Wahrnehmung des Customer Care Kontakts durch den Kunden basiert auf dem Kundenerleben (Stauss/Seidel 2006b, S. 176). Aus Kundensicht erfolgt die Inanspruchnahme der Customer Care Leistung im Rahmen eines kundenseitigen Nutzungsprozesses. Das heißt, die Kunden durchlaufen im Rahmen des Customer Care Kontakts einen „Kundenprozess“, der aus einer vom Kunden individuell wahrgenommenen Abfolge von Teilinteraktionen mit dem Customer Care Center besteht (Siefke 1998, S. 26; Stauss/Seidel 2006b, S. 176ff.). Dieser Kundenprozess ist nur ein Teil des gesamten Customer Care Leistungsprozesses: Bei der Bearbeitung der Kundenanliegen laufen daneben noch interne Prozesse beim Customer Care Dienstleister und eventuell auch beim Auftraggeber ab (Stauss/Seidel 2006b, S. 176). Diese sind für das interne Prozessmanagement von großer Bedeutung und haben damit Einfluss auf die Qualität der Leistungserstellung. 2.3.3.1 Identifikation und Beschreibung des Kundenprozesses beim Customer Care Kontakt Der Kundenprozess beim Customer Care Kontakt kann – analog zum allgemeinen Kundenprozess bei Dienstleistungskontakten – in Vorkontakt-, Kontakt- und Nachkontaktphase unterteilt werden (Bolte 2002, S. 102; Hafner 2001, S. 68; Siefke 1998, S. 127 ff.). Hinsichtlich der Kontaktphase ist im Customer Care Kontext eine weitere Erläuterung notwendig. Bolte (2002, S. 102) beschränkt die Kontaktphase auf den persönlichen Kontakt zum Customer Care Mitarbeiter. Hier soll die Kontaktphase aus folgenden Gründen aber weiter gefasst werden: Zum Ersten hat der Kunde schon in dem Moment, in dem eine telefonische Verbindung zum Customer Care Center hergestellt wird, „Kontakt“ zum Center, auch wenn es sich hier nur um eine Warteschleife handelt. Daher wird eine Verbindungsphase vorangestellt. Zum Zweiten kann zur Anliegenklärung eine Rücksprache mit dem Kunden nötig werden, so dass noch eine Rücksprachephase aufgenommen wurde. Damit beinhaltet die Kontaktphase im weiteren Sinn (i.w.S.) drei Unterphasen, nämlich im Kern die Kontaktphase im engeren

42

2 Customer Care

Sinne (i.e.S.), die die eigentliche Gesprächsphase darstellt, sowie die Verbindungsund die Rücksprachephase. Die Phasen des Kundenprozesses beim Customer Care Kontakt sind in Abb. 2-5 dargestellt. Customer Care Kontakt Kontaktphase i.w.S. Vorkontaktphase

Abb. 2-5: Quelle:

Verbindungsphase

Gesprächsphase (Kontaktphase i.e.S.)

Rücksprachephase

Nachkontaktphase

Überblick über die Prozessphasen des Customer Care Kontakts aus Kundensicht Eigene Darstellung

Jede der resultierenden fünf Phasen kann in ihre jeweiligen Prozessschritte unterteilt werden (in Anlehnung an Bolte 2002, S. 102; Hafner 2001, S. 68; Siefke 1998, S. 127 ff.) (siehe Abb. 2-6).

Customer Care Kontakt

Kontaktphase i.w.S.

Abb. 2-6: Quelle:

Kontakte während Nachbearbeitung

Nachkontaktphase

Umsetzung der vorgeschlagenen Problemlösung durch den Kunden

Rückruf an den Kunden

Evtl. Weiterleitung des Kunden

Rücksprachephase

Verabschiedung

Problemlösung

Fragen des Agenten

Schilderung des Anliegens durch Kunden

Gesprächsphase (Kontaktphase i.e.S.)

Begrüßung durch Mitarbeiter, evtl. Identifikation des Anrufers

Warteschlange/ evtl. IVR-Identifikation des Anrufers und/oder des Anliegens

Verbindungsphase

Wählen der Nr und Freizeichen

Suche nach und Entscheidung für Kontaktkanal

Problemauftrit und Entscheidung für den Anruf

Vorkontaktphase

Detailbetrachtung des Kundenprozesses beim Customer Care Kontakt Eigene Darstellung

1) In der Vorkontaktphase erfolgt die Problemwahrnehmung durch den Kunden. Er trifft die Entscheidung, sich an die Kundenbetreuung des Unternehmens zu wenden, sucht Kontaktmöglichkeiten und entscheidet sich für eine davon. Nach der Vorkontaktphase tritt der Kunde in die Kontaktphase i.w.S. ein, die aus mehreren Phasen besteht:

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

43

2) Zunächst schließt sich die Verbindungsphase an. Der Kunde wählt die Rufnummer des Customer Care Centers und hört das Freizeichen. Danach befindet sich der Kunde zunächst meist in der Warteschlange. Hier werden ihm Ansagen vorgespielt und er wird möglicherweise aufgefordert, sich mittels IVR zu identifizieren oder sein Anliegen zu spezifizieren. 3) Den Kern des Customer Care Kontakts macht die Gesprächsphase, die Kontaktphase i.e.S., aus. Darin findet die eigentliche Interaktion mit dem Mitarbeiter des Customer Care Centers statt. Zunächst wird der Kunde vom Mitarbeiter begrüßt. An dieser Stelle muss sich der Anrufer eventuell identifizieren, sofern das nicht schon in der Verbindungsphase geschehen ist. In einigen Branchen, z.B. im Bankbereich, und für bestimmte Anliegen, z.B. Bestellung, Auskünfte über Kundendaten oder Datenänderungen, ist diese Identifizierung Voraussetzung der Bearbeitung des Kundenanliegens. Es gibt aber durchaus Branchen oder Anliegen, z.B. Informationsanfragen, bei denen keine Identifizierung notwendig ist. Nach der Begrüßung schildert der Kunde sein Anliegen. Der Mitarbeiter stellt dem Kunden dabei Fragen, um das Problem genau zu identifizieren oder um Informationen über das Anliegen bzw. den Kunden aufzunehmen. Der Mitarbeiter löst das Problem möglichst sofort. In dem Fall verabschieden sich Kunde und Mitarbeiter voneinander. Nach der Schilderung des Anliegens kann aber auch eine Weiterleitung an den 2nd-level notwendig werden. Sollte kein kompetenter Mitarbeiter verfügbar sein bzw. wird eine Recherche notwendig, muss ein Rückruftermin vereinbart werden. Ein Sonderfall der Kontaktphase i.e.S., auf den hier der Vollständigkeit halber eingegangen werden soll, liegt vor, wenn der Kunde nicht in Dialog mit einem Mitarbeiter, sondern nur mit der Technik im Customer Care Center tritt. Dies kann beispielsweise ein Kontakt mit der IVR-Anlage sein, etwa für die Abfrage des Kontostandes auf der Prepaid-Karte eines Mobilfunkkunden. Bei einem reinen IVR-Kontakt würden sich die Kontaktpunkte in der Kontaktphase i.e.S. wie in Abb. 2-7 dargestellt verändern.

44

2 Customer Care

Customer Care Kontakt

Abb. 2-7: Quelle:

Verabschiedungsansage

Problemlösung

Tastendruck des Kunden

Vorgabe möglicher Aktionen und dazugehöriger Tasten

Begrüßungsansage

IVR-Kontakt (Kontaktphase i.e.S.)

„Gesprächsphase“ bei einem reinen IVR-Kontakt Eigene Darstellung

4) Wird das Anliegen des Kunden nicht im Rahmen des Gesprächs gelöst, kommt es eventuell zu weiterem Klärungsbedarf seitens des Mitarbeiters im Customer Care Center. Wird der Kunde vom Mitarbeiter zurückgerufen, ist dies nicht mehr Bestandteil der eigentlichen Gesprächsphase, sondern fällt in die Rücksprachephase. Damit endet die Kontaktphase i.w.S. 5) Die letzte Phase ist die Nachkontaktphase. In dieser Phase setzt der Kunde eine gegebenenfalls vom Agent vorgeschlagene Problemlösung um (z.B. Installation einer Software). Zudem kann es zu weiteren Kontakten im Rahmen der Nachbearbeitung durch das Customer Care Center bzw. das Unternehmen kommen. Die Nachbearbeitung seitens des Mitarbeiters besteht im Anstoß von Folgeaktivitäten, wie dem Auslösen eines Bestellvorgangs oder der Weitergabe einer Beschwerde zur Bearbeitung an die jeweilige Stelle. Darüber hinaus muss der Anruf dokumentiert werden, sofern dies noch nicht während des Gesprächs erfolgt ist (Bolte 2002, S. 102 und S. 105). Zu den Nachfolgekontakten des Kunden mit dem Customer Care Center gehören u.a. auf den Kontakt folgende Zufriedenheitsbefragungen, auf die später noch eingegangen wird. Bei dieser Ermittlung des Kundenprozesses wird berücksichtigt, dass der Customer Care Leistungsprozess vom Kunden angestoßen wird und erst dann als beendet gelten kann, wenn der Kunde dies so wahrnimmt, selbst wenn der Prozess schon vorher unternehmensintern als beendet definiert ist. Die Definition der Anfangs- und Endpunkte der Customer Care Prozesse im Rahmen der internen Prozesssicht können von der Kundenwahrnehmung des Prozesses abweichen. Dies soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Nimmt ein Kunde eine Bestellung vor, kann der

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

45

interne Prozess mit der Eingabe der aufgenommenen Bestellung durch den Mitarbeiter als abgeschlossen definiert werden, sofern die Auslieferung der Bestellung nicht mehr durch das Customer Care Center durchgeführt wird. Nun ist aber mehr als fraglich, ob der Kunde zu diesem Zeitpunkt sein Anliegen auch tatsächlich als erledigt wahrnimmt oder erst mit der Auslieferung der bestellten Produkte oder gegebenenfalls sogar erst mit Abschluss der möglichen (Teil-)Rücksendung und Abrechnung. In diesem Fall muss das Prozessende im Sinne der Kundensicht definiert werden, z.B. bei Eingang der Auslieferungsbestätigung durch den Paketversender. 2.3.3.2 Ermittlung und Beschreibung des gesamten Customer Care Leistungsprozesses Für die Darstellung und Analyse des Leistungsprozesses bei Dienstleistungen gibt es verschiedene Verfahren, denen gemein ist, dass es sich bei allen um Varianten von Ablaufdiagrammen handelt (Siefke 1998, S. 99). Sie stellen systematisch und strukturiert die Teilprozesse der Dienstleistungserstellung visuell dar und machen sie der Analyse zugänglich (vgl. u.a. Kleinaltenkamp 1999a). Shostack (1985, 1987) begründete das Service Blueprinting, aus dem Gummesson und Kingman-Brundage (u.a. Gummesson/Kingman-Brundage 1992; Gummesson 1993; Kingman-Brundage 1989) das Service Mapping entwickelten.11 Der Vorteil des Service Mapping gegenüber dem Service Blueprinting ist eine stärkere Ausrichtung auf den Kunden, indem der vom Kunden im Rahmen der Inanspruchnahme der Leistung durchlaufene Kundenpfad als Ausgangspunkt genommen und um die zugehörigen unternehmensinternen Prozesse ergänzt wird (Kingman-Brundage 1989, S. 30ff.; Kingman-Brundage 1994, S. 235ff.; Gummesson/Kingman-Brundage 1992, S. 105ff.). Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Orientierung an der Kundenwahrnehmung des Customer Care Prozesses steht das Service Mapping im Folgenden im Vordergrund. Im Weiteren wird der Aufbau einer Service Map vorgestellt (1), auf den Customer Care Kontext angepasst (2) und daraufhin eine Customer Care Service Map exemplarisch erarbeitet (3).

11

In der Literatur wird zwischen den Begriffen ‘‘Service Blueprinting’’ als Prozess der Planung eines neuen oder veränderten Dienstleistungsprozesses und ‘‘Service Mapping’’ als Wiedergabe eines bestehenden Dienstleistungsprozesses unterschieden (Fließ/Kleinaltenkamp 2002, S. 396).

46

2 Customer Care

(1) Aufbau einer Service Map Eine Service Map ist folgendermaßen aufgebaut: Innerhalb der Service Map teilen durch verschiedene Linien („Lines“) die Prozesslandkarte in Bereiche. Innerhalb dieser nehmen jeweils unterschiedliche Akteure verschiedene Rollen wahr (Bitner 1993, S. 364; Fließ/Kleinaltenkamp 2002, S. 396ff.; Gummesson/Kingman-Brundage 1992, S. 105ff.; Gummesson 1993; Kleinaltenkamp 1999a, S. 34). Bitner ergänzt die Service Map noch um die physischen Elemente, mit denen der Kunde bei Inanspruchnahme der Dienstleistung in Kontakt kommt (Bitner 1993). Auch wenn die von verschiedenen Autoren diskutierten Service Maps voneinander abweichen, besteht Einigkeit über die grundsätzliche Struktur einer Service Map (Kleinaltenkamp 1999a, S. 34; Kingman-Brundage/George/Bowen 1995). Diese grundsätzliche Struktur einer Service Map zeigt Abb. 2-8. Wie detailliert Service Maps dargestellt werden, wird dadurch bestimmt, ob bestimmte Prozessphasen besonders intensiv zu untersuchen sind (Stauss 1995b, S. 32). Physische Elemente Kundenpfad Kunde

Dienstleister

Frontstage Line of visibility Backstage Line of internal interaction Support

Rollen und AKteure

Line of external interaction

Line of implementation Management

Abb. 2-8: Quelle:

Grundsätzliche Struktur einer Service Map Eigene Darstellung in Anlehnung an Bitner 1993; Gummesson/Kingman-Brundage 1992, S. 106; Kingman-Brundage 1989; Kleinaltenkamp 1999a, S. 34; Siefke 1998; Shostack 1992

(2) Anpassung des Service Mapping auf den Customer Care Kontext Nun soll die schematische Darstellung in Abb. 2-8 erläutert und gleichzeitig dabei die notwendigen Anpassungen auf den Customer Care Kontext vorgenommen werden. Ziel ist es, die Grundstruktur einer Customer Care-spezifischen Service Map zu erarbeiten (siehe Abb. 2-9).

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

47

1. Der Kundenpfad besteht aus den aufeinander folgenden Prozessphasen, die Kunden bei der Inanspruchnahme der Dienstleistung durchlaufen. Im Customer Care ist der Kundenpfad oben identifizierte Customer Care Kundenprozess mit den Phasen: Vorkontaktphase, Kontaktphase (mit Verbindungsphase, Kontaktphase i.e.S. und Rücksprachephase) und Nachkontaktphase. 2. Mit der Line of external interaction werden die Kunden- von den Anbieterprozessen getrennt. Somit wird unterschieden, welche Handlungen der Kunde allein und welche er mit dem Kundenkontaktpersonal zusammen durchführt. Im Customer Care Kontext behält die Line of external interaction ihre ursprüngliche Bedeutung und muss nicht angepasst werden. 3. Durch die Line of visibility werden die Anbieteraktivitäten unterhalb der Line of external interaction in für Kunden sichtbare und nicht sichtbare Bereiche geteilt. Im Customer Care ergibt sich hinsichtlich der Line of visibility eine Besonderheit: Aufgrund der Mittelbarkeit der telefonischen Customer Care Kontakte ist die visuelle Wahrnehmung des Customer Care Kunden eingeschränkt. Von einer Sichtbarkeitslinie kann daher kaum gesprochen werden. Es werden daher für die Customer Care Service Map zwei neue Linien eingeführt: - Line of direct interaction: Diese entspricht der bisherigen Line of visibility. Zwischen der Line of direct interaction und der darüber stehenden Line of external interaction finden alle unmittelbar kundeninduzierten Aktivitäten statt, die im direkten Kundenkontakt erbracht werden. Damit wird der FrontstageBereich definiert. In diesem agieren die Mitarbeiter des Customer Care Centers, die im direkten Kundenkontakt die telefonischen Anfragen beantworten. Dies sind Mitarbeiter im 1st-level, aber auch im 2nd-level, denn auch mit den Mitarbeitern im 2nd-level können Kunden im direkten telefonischen Kontakt stehen, bspw. nach einer Weiterleitung zur Problemklärung. - Line of audibility: Diese trennt die Aktivitäten der Frontstage-Mitarbeiter, welche der Kunde akustisch wahrnimmt, wie Tastaturgeräusche bei der Eingabe von Kundendaten, von denen, die er akustisch nicht mehr wahrnimmt. 4. Im Backstage-Bereich finden die direkt kundenbezogenen Aktivitäten statt, die an der Kundenschnittstelle zu erledigen sind, aber vom Kunden nicht wahrnehmbar sind. Im Customer Care findet im Backstage-Bereich die Weiterbearbeitung der Kundenanliegen statt, bspw. Recherchen, Verfassen von Schreiben usw., häufig auch zeitlich versetzt. Kann eine Recherche bezüglich einer eingegangenen Beschwerde vom Kundenkontaktpersonal nicht während des Anrufs erledigt

48

2 Customer Care

werden, wird diese Aufgabe an den Backstage-Bereich weitergeleitet und dort bearbeitet. Dies betrifft vor allem die Rücksprache mit dem 3rd-level (Fachabteilungen des Unternehmens). Danach kann der Kundenkontaktmitarbeiter mit dem Kunden Rücksprache halten und diesen vom Ergebnis in Kenntnis setzen. 5. Support-Aktivitäten beziehen sich direkt auf die Tätigkeiten des Kundenkontaktpersonals im Rahmen der Interaktion mit den Kunden und sollen das Kundenkontaktpersonal in die Lage versetzen, seine Aufgaben zu erfüllen. Darunter fallen u.a. Mitarbeitertraining, Entwicklung von Soft- und Hardware, Reinigung der Räume, Instandhaltung. Sie werden als prozessunterstützende sekundäre Tätigkeiten bezeichnet (Fließ/Möller/Momma 2003, S. 31). Da sie nicht vom Kundenkontaktpersonal, sondern von anderen Akteuren ausgeführt werden (KingmanBrundage 1989), wird eine Interaktion zwischen den Akteuren notwendig. Deshalb werden die Support-Aktivitäten von den nicht sichtbaren prozessunterstützenden primären Tätigkeiten (Backstage) durch die Line of internal interaction getrennt (Fließ/Möller/Momma 2003, S. 31). Auch im Customer Care ist davon auszugehen, dass es Support-Aktivitäten gibt, u.a. das Training der Mitarbeiter hinsichtlich Gesprächsführung, Systembenutzung usw., die (Weiter-)Entwicklung und Pflege einer ausschließlich im Customer Care Center verwendeten Software, die Pflege und Instandhaltung der technischen Ausrüstung am Arbeitsplatz der Agents (u.a. PC-Technik, Telefon/Headset) und die Reinigung des Centers. 6. Durch die Line of implementation werden von den bisher genannten Tätigkeiten die Management-Aktivitäten sowie die Infrastruktur getrennt (Kingman-Brundage 1989; Kleinaltenkamp 1999b). Management-Aktivitäten stehen in Bezug zur Interaktion mit den Kunden. Sie werden von anderen Funktionsbereichen der betrachteten Organisation erbracht und sind auch für andere als die in der Service Map betrachteten Leistungsprozesse relevant (z.B. unternehmensinterne Ressourcenzuteilung, Mitarbeiterbefragungen und Umsatzberichte) (Fließ/Kleinaltenkamp 2002, S. 396). Im Customer Care sind diese Management-Aktivitäten auch relevant. Sie werden teilweise vom Customer Care Management erfüllt. Zusätzlich sind Funktionsbereiche im Unternehmen und externe Dienstleister (z.B. Paketdienste) zu betrachten. Die Aktivitäten des Unternehmens und der externen Dienstleister beeinflussen die Effektivität und Effizienz des Customer Care Centers und können daher auf die Wahrnehmung des Customer Care Kontakts durch die Kunden wirken. Deshalb sind in der Customer Care Service Map Schnittstellen zu diesen Akteuren sichtbar zu machen und zu analysieren. Voraussetzung dafür ist, in die Managementebene zusätzlich zu den weiteren Funktionsbereichen im Customer Care die Aktivitäten des Unternehmens und externer

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

49

Dienstleister einzuzeichnen. Die Systeminfrastruktur beinhaltet die technischen Voraussetzungen der Leistungserstellung. Im Customer Care bezieht sich die Systeminfrastruktur auf die oben vorgestellten Technologiekomponenten (v.a. ACD-Anlage, IVR und CTI). Darüber hinaus ist der Zugriff auf die Kundendatenbank wesentlicher Teil der Infrastruktur. 7. Die physischen Elemente beziehen sich auf die „physical evidence“. Diese umfasst das tangible Umfeld der Dienstleistungserstellung, in dem Anbieter und Kunde bei der Erbringung der Dienstleistung interagieren (Geschäftsstätte, „servicescape“) sowie alle materiellen Güter, die die Leistung oder Vermittlung der Dienstleistung ermöglichen oder erleichtern (Zeithaml/Bitner/Gremler 2006). Im Customer Care beinhalten die physischen Elemente die für die Kunden wahrnehmbare materielle, technische und personelle Ausstattung des Customer Care Centers (Hafner 2001, S. 52). Aufgrund der Mittelbarkeit der Customer Care Leistung befindet sich der Kunde nicht persönlich am Ort der Leistungserstellung. Daher schlägt Hafner12 (2001, S. 71ff.) vor, das physische Umfeld für die Telefonsituation umzuinterpretieren: Er definiert die Telefonstimme des Mitarbeiters, die vom Anrufer zu tragende Kosten der Rufnummer sowie die Gestaltung der Warteschleife als physisches Umfeld. Diese Zuordnung soll übernommen werden. Sie muss allerdings ergänzt werden, denn Hafners Interpretation ist relativ eng. So gehören zum weiteren physischen Umfeld auch Informationsmaterialien (z.B. Broschüren) und Briefpapier (Zeithaml/Bitner/Gremler 2006). Dies ist im Customer Care Kontext relevant: Customer Care Informationsmaterialien informieren die Kunden über die Möglichkeiten des Kontakts mit dem Customer Care Center. Bei der Interaktion mit Customer Care kommt es häufig zu Schriftverkehr, da bestimmte Geschäftsvorgänge mit einem Brief an den Kunden abgeschlossen werden. Diese schriftlichen materiellen Elemente erlebt der Kunde einerseits „äußerlich“ (Gestaltung des Briefpapiers, Rechtschreibung, Sauberkeit), andererseits aber auch inhaltlich (Eingehen auf Kundenproblem, Verwendung von Textbausteinen, Individualität der Antwort). Zusammengefasst sind daher folgende Elemente des physischen Umfelds für Customer Care Service Maps relevant: Telefonstimme, Kosten des Kontaktkanals, Gestaltung der Warteschleife/ Eingangsbescheide, Informationsmaterialien, Schriftverkehr.

12

Hafner baut dabei auf der Definition der Potentialdimension von Donobedian (1980, S. 79ff.) auf. Hafner benennt das „physische Umfeld“ zudem in „Komfort“ um (Hafner, 2001, S. 71ff.).

50

2 Customer Care

Abb. 2-9 stellt die bisher erarbeitete Grundstruktur der Customer Care-spezifischen Service Map im idealtypischen Format einer Service Map dar. Physische Elemente des Customer Care Customer Care Kundenpfad Line of external interaction Customer Care Center Frontstage (1st & 2nd-level) Line of „audibility“ Customer Care Center Frontstage (1st & 2nd-level) Line of direct interaction Customer Care Center Backstage Line of internal interaction Customer Care Support-Aktivitäten Line of implementation Customer Care Management; unternehmerische Funktionsbereiche, externe Dienstleister; Systeminfrastruktur

Abb. 2-9: Quelle:

Grundstruktur der Customer Care spezifischen Service Map Eigene Darstellung

(3) Entwicklung einer exemplarischen Customer Care Service Map Auf Basis der Grundstruktur der Customer Care Service Map soll eine exemplarische Customer Care Service Map erstellt werden. Dazu sind mehrere Schritte notwendig. Zuerst ist der Kundenprozess bei der Interaktion mit dem Customer Care Center zu erheben, d.h. der Kundenpfad ist detailliert zu analysieren. Die fünf Prozessphasen sind zunächst als Kundenpfad abzutragen. Im nächsten Schritt ist der Kundenprozess mit den internen Prozessen zu ergänzen, also den Prozessen, die beim Customer Care Anbieter stattfinden. Hier sind die Schnittstellen des Kundenprozesses mit den internen Prozessen zu ermitteln und es ist einzutragen, welche internen Prozesse auf die Kundenprozesse einwirken. Darüber hinaus ist zu analysieren, ob noch weitere Akteure an dem Customer Care Leistungsprozess beteiligt sind, zu denen Schnittstellen existieren. Vor allem ist hier an das Unternehmen zu denken, das 3rdlevel ist und/oder dem Center verschiedene Inputfaktoren zu Verfügung stellt (z.B. Forecasts). Aber auch die anderen Akteure, wie z.B. weitere Dienstleister, sind einzubeziehen.

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

51

Eine exemplarische Customer Care Service Map zeigt die Abb. 2-10. Darin ist der mögliche Prozessverlauf bei einem Anruf dargestellt, beginnend mit der Wahrnehmung des Anliegens durch den Kunden. Dabei wurden verschiedene Varianten berücksichtigt: -

Es finden Weiterleitungen statt, innerhalb des 1st-level (z.B. weil der Anruf von einem anderen Kompetenzteam bearbeitet werden muss), vom 1st- in den 2ndlevel (z.B. weil es sich um eine Spezialanfrage handelt) und in das Backoffice zur Recherche oder Weiterbearbeitung.

-

Es wurde berücksichtigt, dass zur endgültigen Klärung ein Rückruf beim Kunden notwendig sein kann.

-

Die Problemlösung erfolgt entweder sofort oder mit Verzögerung. Sie wird den Kunden also entweder direkt im Gespräch kommuniziert und/oder schriftlich bekannt gegeben.

-

Die Dateneingabe bzw. die Systemnutzung ist auf die Line auf audibility gezeichnet, da dies teilweise für den Kunden „hörbar“ ist. Zusätzlich ist der Umgang mit Systemen durch den Agent für den Kunden wahrnehmbar, insbesondere, wenn es Probleme bei der Systemnutzung gibt, die zu Verzögerungen in der Bedienung führen.

Auf Basis der erarbeiteten Grundstruktur der Customer Care Service Map kann das Unternehmen unternehmensspezifische Customer Care Service Maps erstellen. Die in Abb. 2-10 dargestellte Service Map ist ein Beispiel dafür. Im Unternehmenskontext kann diese allgemeine Customer Care Service Map für die einzelnen Phasen des Kundenprozesses jeweils detailliert dargestellt werden, um eine genauere Analyse der Kunden- und internen Prozesse zu ermöglichen. Weiterhin können für die unterschiedliche Customer Care Leistungserstellung bei verschiedenen Anliegen, Kundengruppen oder Kernleistungen jeweils passende Customer Care Service Maps abgeleitet werden. Der Steuerung des Customer Care dienen Customer Care Service Maps, da mit deren Erstellung detaillierte und prozessorientierte Einsichten darüber gewonnen werden, in welchem Zusammenhang das Erleben des Customer Care Kontakts durch Kunden mit der Leistungserstellung im Customer Care Center steht und welche Rolle dabei die Beziehungen zwischen dem Customer Care Center und dem Unternehmen sowie weiteren beteiligten Akteuren spielen.

Abb. 2-10: Quelle:

Exemplarische Customer Care Service Map Eigene Darstellung

Customer Care SupportAktivitäten Line of implementation Customer Care Management; unternehmerische Funktionsbereiche, externe Dienstleister; Systeminfrastruktur

Line of internal interaction

Customer Care Center Backstage

Line of „audibility“ Customer Care Center Frontstage (1st & 2nd-level) Line of direct interaction

Customer Care Center Frontstage (1st & 2nd-level)

Line of external interaction

Customer Care Kundenpfad

Physische Elemente des Customer Care

•Wahrnehmung Anliegen •Entscheidung Anruf

Informationsmaterialien

Suche & Entscheidung Kontaktkanal

Vorkontaktphase

ACD-Anlage

Kontaktphase i.w.S.

IVR-Anlage

Kundendatenbank

Dateneingabe/Systemnutzung durch MA

Weiterbearbeitung durch anderes Kompetenzteam

Weiterleitung im 1st-level (anderes Kompetenzteam) oder an 2nd-level (Spezialanfrage)



CC-externe Problemlösung

CC-interne Problemlösung

Weiterbearbeitung im Backstage (z.B. Recherche)

Folgeaktivitäten/ Nachbearbeitung

Folgeaktivitäten/ Nachbearbeitung

Erstellung und Aussendung Bestätigungsschreiben etc.

Evtl. Rückruf zur Klärung

Sofortige Problemlösung

Erstellung und Aussendung Bestätigungsschreiben etc.

Mdl. Kommun. der Lösung

Weiterbearbeitung oder Weitergabe an Backstage

Bestätigungsschreiben

Nachkontaktphase

Anliegen wird als erledigt wahrgenommen

Rücksprachephase

Mdl. Kommun. der Lösung

Telefonstimme

Gesprächsphase (Kontaktphase i.e.S.)

Schilderung Anliegen, Rückfragen)

Gestaltg. IVR

WarteFreischlange/ zeichen IVR

Wählen

Gestaltg. Warteschl.

Verbindungsphase

52 2 Customer Care

2.3 Customer Care Leistung: Customer Care Kontakte & Customer Care Prozess

53

Im vorliegenden Kapitel 2.3 wurde zunächst die Leistungserstellung im Customer Care Center als Bearbeitung verschiedener Kategorien von Anliegen (Informationsabfrage, Auftragsabgabe, Feedbackäußerung und Sofort-Support-Anforderung) in Customer Care Kontakten dargestellt. Daraufhin wurden Customer Care Kontakte charakterisiert als integrative und intangible Service Encounter und kurze, mittelbare, kontextabhängige Transaktionen des Kunden mit dem Customer Care Center, in denen ein Ergebnisfokus vorherrscht. Der Prozess der Inanspruchnahme der Customer Care Leistung innerhalb der Customer Care Kontakte wurde als Prozess mit den Phasen Vorkontaktphase, Kontaktphase (i.w.S., mit den Unterphasen Verbindungsphase, Kontaktphase i.e.S. und Rücksprachephase) sowie Nachkontaktphase beschrieben und die Grundstruktur einer Customer Care Service Map wurde erarbeitet.

2.4 Notwendigkeit einer zufriedenheitsorientierten Steuerung insbesondere externer Customer Care Dienstleister Aufgrund der strategischen Bedeutung des Customer Care und damit der Customer Care Center, ergibt sich ein unmittelbarer Bedarf der Steuerung von Customer Care Centern. 2.4.1 Forderung von Kundenzufriedenheit mit dem Customer Care Kontakt als Zielgröße der Customer Care Steuerung Die angestrebten Vorteile aus dem Einsatz von Customer Care Centern ergeben sich überhaupt erst, wenn der Kunde zufrieden mit den Customer Care Kontakten ist. Eine Studie von de Ruyter/Wetzels (2000, S. 281) ergab, dass die Zufriedenheit mit den Customer Care Kontakten positiv das Vertrauen der Kunden in das Unternehmen beeinflusst. Anton bezeichnet die Customer Care Kontakte daher als „telephonic moments of truth“ (Anton 1997, S. 14). Gleichzeitig können die positiven Effekte des Einsatzes der Customer Care Center nur dauerhaft erreicht werden, wenn sich Kunden mit Betreuungsbedarf überhaupt an das Customer Care Center wenden. Diese „Customer Care Bindung“ (in Anlehnung an Bliemel/Eggert 1998; Diller 1995, S. 20; Meyer/Kantsperger 2005a, S. 230) ist nicht selbstverständlich. Zwar sind die Kunden bei einigen Problemen mehr oder weniger darauf angewiesen, sich an das Customer Care Center zu wenden und es gibt in der Regel keinen anderen Anbieter, der das gleiche Leistungsspektrum wie das Customer Care Center vollständig erbringen kann. Andererseits gibt es aber Al-

54

2 Customer Care

ternativen, z.B. die Nutzung eines Meinungsforums statt der Inanspruchnahme der Beratung. Im Endeffekt haben Kunden immer die Möglichkeit, auf die Leistungen des Unternehmens insgesamt zu verzichten, wenn sie die Customer Care Leistungen nicht in Anspruch nehmen wollen. Die Customer Care Bindung ist ein wichtiges Hilfskonstrukt, allerdings sollte sie freiwillig13 sein: Eine Customer Care Bindung, die nur dadurch entsteht, weil sich der Kunde immer wieder an das Customer Care Center wenden muss, da dort für die Lösung der Kundenanliegen übermäßig lang gebraucht wird oder da die Kernleistung entsprechend qualitativ minderwertig oder beratungsbedürftig ist, kann nicht im Sinne des Unternehmens sein, da sie langfristig mit Kundenunzufriedenheit einherginge. Voraussetzung der Customer Care Bindung ist die Customer Care Zufriedenheit. Die Bedeutung der Customer Care Zufriedenheit für die Entscheidung, sich wieder an Customer Care zu wenden, wurde empirisch bestätigt: die Studie von de Ruyter/Wetzels (2000, S. 281) ergab, dass die Zufriedenheit mit den Customer Care Kontakten Voraussetzung dafür ist, dass sich Kunden wieder an Customer Care wenden. Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski (2005, S. 67) konnten in ihrer Call Center-Benchmarking-Studie folgenden Zusammenhang zwischen Customer Care Zufriedenheit und Customer Care Bindung nachweisen: Es gaben 70% der vollkommen und sehr zufriedenen Kunden, 37% der zufrieden gestellten und nur 17% der weniger zufriedenen und unzufriedenen Kunden an, das Center bestimmt wieder nutzen zu wollen. Die Leistungen des Customer Care Centers müssen dem Anspruch genügen, dass die Customer Care Kontakte den Kundenanforderungen entsprechen und für Kunden einen Nutzen bzw. Mehrwert schaffen, da nur dann Customer Care Zufriedenheit erreicht werden kann (Hafner 2001, S. 23; Heskett et al. 1994; Meier 2001, S. 22; Seghezzi 1996, S. 11ff.; Weinkopf 2002a, S. 14; Wiencke/Koke 1999, S. 151). Abb. 2-11 zeigt das Zielsystem des Customer Care Centers in Anlehnung an Abb. 2-1.

13

Dies steht im Gegensatz zur Kundenbindung, bei der sowohl eine freiwillige Verbundenheit als auch eine zwangsweise Gebundenheit diskutiert werden (u.a. Bliemel/Eggert 1998).

2.4 Notwendigkeit der zufriedenheitsorientierten Steuerung des Customer Care

Customer Care Ebene

Quelle:

Unternehmensebene

Customer Care Zufriedenheit

Kundenbindung

Customer Care Bindung

Kundenzufriedenheit

Abb. 2-11:

55

Ökonomischer Erfolg

Zusammenhang zwischen Customer Care Zufriedenheit, Customer Care Bindung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und ökonomischem Erfolg Eigene Darstellung

Die Customer Care Zufriedenheit ist demnach zentrale Zielgröße der Steuerung der Customer Care Center. Die Bedeutung der Zufriedenheit als Zielgröße im Customer Care Center wird in Literatur und Praxis bestätigt. Feinberg et al. (2000) verlangen strategische Berücksichtigung der Zufriedenheit von Anrufern mit ihren Erfahrungen und dem Ergebnis des Kontakts mit dem Customer Care Center. Monger (2004, o.S.) sagt, „… the customers’ perceptions are the reality that we must deal with in our centers”. Die Bedeutung wurde auch empirisch belegt: In einer Studie der Zeitschriften Call Center Magazine und Managing Offshoring (Dawson 2004) gaben 75% der befragten Unternehmen an, dass hohe Kundenzufriedenheit die wesentliche Erfolgskennzahl ist. Der Merchants Global Contact Centre Benchmarking Report 2006 des IT-Dienstleisters Dimension Data (Merchants-Report), der unter 363 Call Centern in 38 Ländern durchgeführt wurde, bestätigt dies (o.V. 2006a): 75% der Befragten erkennen die strategische Bedeutung der Kundenzufriedenheit für Contact Center an. Der Grad der Kundenzufriedenheit ist der Schlüsselwert dafür, ob das Center seine Aufgaben effektiv erfüllt. Auch die Unternehmensvertreter, die im Rahmen der für die vorliegende Arbeit durchgeführten Expertengespräche befragt wurden, gaben eine hohe Bedeutung des Kundenzufriedenheitsziels für das Customer Care Center an. Die Bedeutung spiegelt sich darüber hinaus in der Zufriedenheitsmanagement-Studie von Stauss/Dornach/Coenen (2006, S. 16) wider, in der 91% der Befragten einen sehr großen oder großen Stellenwert des Managements von Kundenzufriedenheit im Customer Care sehen. 2.4.2 Steuerung externer Customer Care Dienstleister als Fokus der Arbeit Customer Care Center können sowohl unternehmensintern betrieben werden als auch an einen externen Customer Care Dienstleister ausgelagert werden. Aus fol-

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2 Customer Care

genden Gründen wird die Betrachtung der vorliegenden Arbeit auf die Steuerung externer Customer Care Center und damit externer Customer Care Dienstleister konzentriert werden: Erstens ist das Outsourcing von Customer Care Centern ein beobachtbares und praktisch relevantes Phänomen (siehe Kapitel 2.4.2.1) . Zweitens – und dies ist der wichtigere Grund – ergeben sich bei der Steuerung externer Dienstleister besondere Herausforderungen im Hinblick auf die spezielle Dreieckskonstellation zwischen den beteiligten Parteien (siehe Kapitel 2.4.2.2). Zu diesen beiden Gründen kommt die Tatsache, dass sich durch die Annahme einer institutionellen Trennung von Unternehmen und Customer Care Center in der Diskussion die Leistungsbeziehungen zwischen den drei Akteuren besser herausarbeiten lassen. 2.4.2.1 Erbringung der Customer Care Leistung durch externe Customer Care Dienstleister als relevantes Phänomen Aus der obigen Definition geht hervor, dass es sowohl unternehmensinterne als auch -externe Customer Care Center geben kann. Unternehmen stehen grundsätzlich vor der Entscheidung, ihr Customer Care Center selbst zu betreiben oder an einen Customer Care Dienstleister outzusourcen. Unternehmensinterne Customer Care Center sind Einheiten, die in die Gesamtorganisation eingebunden und damit unternehmensrechtlich unselbständig sind. Externe Customer Care Center werden durch rechtlich selbständige Unternehmen (externe Dienstleister) betrieben, deren Geschäftszweck die Erbringung von Call Center- bzw. Customer Care Center Leistungen im Auftrag von Unternehmen ist.14 Die Fremdvergabe von Customer Care Leistungen an externe Dienstleister ist ein tatsächlich beobachtbares und relevantes Phänomen: - Das Marktforschungsinstitut Gartner prognostiziert ein Wachstum auf dem weltweiten Markt für die Auslagerung im Bereich Kundendienstleistungen von 8,4 Milliarden Dollar im Jahr 2004 auf 12,2 Milliarden Dollar in 2007 (o.V. 2005b). - In einer Datamonitor-Studie wurde Deutschland als Westeuropas drittgrößter Call Center Outsourcing-Markt ermittelt, wobei Datamonitor in Zukunft einen weiteren Anstieg des Outsourcing-Volumen erwartet (o.V. 2005a).

14

Daneben existiert als Mischform noch das „verbundene“ Customer Care Center, ein externes Center, das vom Unternehmen ausgegründet wurde, aber in der Regel überwiegend für dieses Unternehmen tätig ist (Dieckhoff et al. 2001, S. 15). Verbundene Customer Care Center stellen aber keine in das Unternehmen eingebundenen Abteilungen dar und sind daher aus Sicht der Steuerung den externen Centern zuzuordnen, wobei hier durch die rechtliche Verbundenheit sicherlich stärkere Einflussmöglichkeiten auf das Center bestehen.

2.4 Notwendigkeit der zufriedenheitsorientierten Steuerung des Customer Care

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- Auch Uwe Selbmann von Optima Direct, einem Bereich der weltweit agierenden Dialogmarketing-Agentur Rapp Collins, sagt, „was das Outsourcing von CallCenter-Dienstleistungen angeht, hinken wir zwei bis drei Jahre hinter der Entwicklung in den USA her“ und sieht hier „…ein enormes Potenzial.“ - Ebenso sagt der Merchants-Report 2006 einen weiteren Anstieg des Call CenterOutsourcing (o.V. 2006a) voraus. - Die Relevanz des Outsourcing zeigt sich auch in der Vielzahl entsprechender Outsourcing-Dienstleister: Der Deutsche Direktmarketingverband geht von mehr als 300 externen Dienstleistern und einer entsprechend vielfachen Anzahl betriebener Center aus (u.a. DDV 2005; Ostrowski 2005). Das entspricht einem Wachstum der Zahl der outgesourcten Call-Center in Deutschland um etwa 50% seit 2002 (Ostrowski 2005). Und die Aspect Contact Center Trend-Studie 2006 zeigt, dass Outsourcing-Dienstleister ein starkes Wachstum zu verzeichnen haben: Die Zahl der Agents stieg um fast 19%, die der Arbeitsplätze um über 8% (o.V. 2006b). Die externen Dienstleister werden in der Literatur und in der Praxis häufig auch schon als eigene "Branche" bezeichnet (Dieckhoff et al. 2001, S. 14; Weinkopf 2002a, S. 14). - Die CBU-Studie stellt einen seit mehreren Jahren andauernder Aufwärtstrend des Outsourcing insbesondere von Inbound-Calls fest: Die Teilnehmer gaben an, dass es eine Steigerung des Call-Volumens um ca. 14% von 2004 auf 2005 gibt und der Anteil der Studienteilnehmer, die im Jahr 2005 Calls extern vergeben wollen, wächst von 28 auf 36% (Busch 2005). Die Call Center Trendstudie 2006 von CBU zeigt, dass dieser Trend andauert (Busch 2006). - Nicht nur Großunternehmen, sondern zunehmend auch mittelständische Unternehmen lagern die Inbound-Kundenbetreuung verstärkt aus (Menn 2006). - Der Trend zum Customer Care Outsourcing zeigt sich in verschiedenen Branchen. Im Zuge der Umstrukturierung ihres Servicebereichs will die T-Com die bislang 10.000 Stellen im Center-Bereich in eine neue Gesellschaft ausgliedern (o.V. 2006d). Auch in der Luftfahrtindustrie kommt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Droege & Comp. unter 48 Topmanagern von Fluglinien und Flughäfen aus 18 Ländern zu dem Ergebnis, dass Fluggesellschaften künftig verstärkt Tätigkeiten im Kundenservice auslagern wollen (Eberle 2006). Damit übereinstimmend ermittelte die Customer Management Studie der Unternehmensberatung Otto Henning & Company einen andauernden Trend zum Outsourcing von Aktivitäten an der Kundenschnittstelle in der Telekommunikationsindustrie (Küsters 2005).

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2 Customer Care

Beweggründe eines Outsourcing liegen im Allgemeinen darin, dass sich Unternehmen von der Auslagerung eine Senkung der Kosten, eine Verbesserung der Leistung und/oder eine höhere Konzentration auf das Kerngeschäft erhoffen (Beer 1997, S. 122 f.; Buse/Freiling/Weissenfels 2001, S. 19; Grover/Cheon/Teng 1996, S. 93; Gupta/Gupta 1995; Heinrich 1992; Heinzl 1991, S. 48 f.; Köhler-Frost 2000). Diese Ziele finden sich auch im Bereich der Call Center wieder: Die Teilnehmer der CBUStudie 2005 gaben an, dass bei rund 43% des Outsourcing-Volumens eine bessere Erreichbarkeit durch Steigerung der Verfügbarkeit angestrebt wird (Leistungssteigerung). Bei ca. 25% des Outsourcing-Volumens sind Kostensenkungen und Reduzierung interner Ressourcen maßgebliche Ziele des Outsourcing (Busch 2005, S. 39). An dieser Stelle soll die Entscheidungsfindung und letztendliche Durchführung des Outsourcing nicht ausführlich thematisiert werden. Dazu gibt es eine Vielzahl einschlägiger Literaturquellen (siehe u.a. Baumgärtner 2004; Böse/Flieger 1999, S. 2934; Dangelmaier et al. 2004; Dieckhoff et al. 2001, S. 14; Haunschild/Koch 1999; Happel 2003; Stauss/Seidel 2007, S. 568f.). Hier sei in Anlehnung an die genannte Literatur nur Folgendes angemerkt: Die Entscheidung bezüglich des Customer Care Outsourcing muss von jedem Unternehmen spezifisch für die jeweilige Situation getroffen werden, indem potentielle Vorteile und drohende Nachteile abgewogen werden. Mögliche Vorteile des Customer Care Outsourcing bestehen vor allem darin, dass externe Customer Care Dienstleister meist einen höheren Professionalisierungsgrad aufweisen: Durch das Outsourcing wird Expertenwissen zugänglich, da professionelle Customer Care Anbieter über weitreichende Erfahrungen verfügen und damit Rekrutierung und Training sowie Steuerung der Mitarbeiter besser erbringen können. In diesem Zusammenhang ermöglichen sie es dem Unternehmen aufgrund erhöhter Spezialisierungsvorteile, eine umfassendere Betreuung der Kunden zu gewährleisten. Daneben arbeiten die Dienstleister oft kostengünstiger und flexibler, so dass die Fixkosten des Unternehmens, insbesondere im Bereich der Personal- und IT-/Telekommunikationskosten, gesenkt und die Kostentransparenz erhöht wird. Nachteile sind eine ungenügende Identifikation mit dem Auftraggeberunternehmen und mangelnde Fachkenntnis der Dienstleister hinsichtlich der Kernleistung. Zudem werden die angestrebten Kosteneinsparungen nicht immer realisiert. Auch bestehen erhöhte Anforderungen an das Management der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Dienstleister, die zu steigenden Kosten führen können (Expertengespräche 3, 8). Bei einer Outsourcing-Entscheidung sind die im Unternehmen verfolgten Customer Care Ziele, die intern vorhandenen Customer Care Kompetenzen sowie die Möglichkeiten des Zugriffs auf geeignete Customer Care Dienstleister zu berücksichtigen.

2.4 Notwendigkeit der zufriedenheitsorientierten Steuerung des Customer Care

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2.4.2.2 Besondere Herausforderungen der Steuerung externer Customer Care Dienstleister aufgrund der Dreieckskonstellation des Customer Care Oben wurde das Customer Care Center als Schnittstelle zwischen dem Unternehmen und den Kunden beschrieben. Die Erbringung der Kundenbetreung im Customer Care Center kann gedanklich als eine „Dreieckskonstellation“ zwischen Kunde, Unternehmen und Customer Care Center beschrieben werden: Der Kunde nimmt die Kernleistung des Unternehmens in Anspruch, aber die damit einhergehenden Kundenanliegen werden vom Customer Care Center betreut. Diese Dreieckskonstellation wird beim Outsourcing des Customer Care Centers institutionell verankert (siehe Abb. 2-12). Die Akteure sind das (Auftraggeber-)Unternehmen, die Kunden und der externe Customer Care Dienstleister. Zwischen diesen Akteuren bestehen die folgenden Beziehungen: - Kunden und Unternehmen haben eine Kernleistungsbeziehung, d.h. das Unternehmen bietet eine Kernleistung (Produkt oder Dienstleistung) an und die Kunden des Unternehmens nehmen diese Kernleistung aktuell in Anspruch, haben dies in der Vergangenheit getan und/oder werden dies zukünftig tun. - Auftraggeberunternehmen und Dienstleister stehen in einer Dienstleistungsbeziehung: Das Unternehmen beauftragt den Dienstleister mit der Erbringung der Dienstleistung „Kundenbetreuung/Customer Care Aktivitäten“ gegenüber den Kunden des Unternehmens. Das Kerngeschäft des Customer Care Dienstleisters ist entsprechend die Erbringung von medialer Kundenbetreuung im Customer Care Center. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass beim Customer Care Outsourcing ein (oder mehrere) externe Customer Care Dienstleister den gesamten Inbound-Kundendialog mit den Kunden des Auftraggeberunternehmens übernehmen und in einem oder mehreren Customer Care Centern erbringen. Der Customer Care Dienstleister übernimmt dabei mindestens den 1st-level, gegebenenfalls auch den 2nd-level (Wiencke/Koke 1999, S. 35ff.). Im Fokus steht die Erbringung durch einen einzigen externen Dienstleister. Bestehen Besonderheiten der Steuerung mehrerer Dienstleister, wird dies gesondert thematisiert. - Zwischen Dienstleister und Kunde besteht eine Customer Care Beziehung. Die Kunden greifen im Kontext der Kernleistungsbeziehung auf das Betreuungsangebot des Customer Care Centers zu. Der Dienstleister erbringt gegenüber dem Kunden die eigentliche Customer Care Leistung.

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2 Customer Care

Dienstleistungsbeziehung

Unternehmen

Beauftragung

Kernleistungsbeziehung Kernleistung

Customer Care Dienstleister Leistungen

Anliegen Customer Care Beziehung

Abb. 2-12: Quelle:

Kunden

Dreieckskonstellation zwischen Unternehmen (Auftraggeber), Kunde und Customer Care Dienstleister Eigene Darstellung

Aufgrund dieser Dreieckskonstellation ergeben sich besondere Herausforderungen für die Steuerung externer Customer Care Dienstleister: Speziell aus der Dienstleistungsbeziehung Dienstleister ergeben sich folgende Probleme:

zwischen

Unternehmen

und

-

Bei der Steuerung outgesourcter Customer Care Center ist die zu steuernde Einheit, also der Customer Care Dienstleister, unternehmensextern. Er kann nicht wie interne Customer Care Einheiten hierarchisch kontrolliert werden, sondern muss durch marktliche und vertragliche Mechanismen gesteuert werden. Zudem werden die Customer Care Dienstleistungen oft auch räumlich entfernt vom Unternehmen erbracht. Aus diesen Gründen bestehen geringere Möglichkeiten des Zu- und Durchgriffs auf den Dienstleister als auf interne Abteilungen (u.a. Dangelmaier et al. 2004). Allein die Sicherstellung des Informationsflusses zwischen Dienstleister und Unternehmen ist beim Outsourcing schon eine Herausforderung (Wiencke/Koke 1999, S. 35-39).

-

Darüber hinaus ist bei externen Dienstleistern zu unterstellen, dass ihre Ziele von denen des Unternehmens abweichen. Der Dienstleister verfolgt mit der Erbringung der Customer Care Leistung einen eigenen Geschäftszweck und damit das wirtschaftliche Ziel der Maximierung seines Gewinns, der sich als Differenz zwischen anfallenden Kosten und dem vom Unternehmen gezahltem Preis der Leistung ergibt. Demgegenüber steht das Ziel des Unternehmens, eine möglichst gute Customer Care Leistung zu einem geringen Preis zu beziehen (Dangelmaier

2.4 Notwendigkeit der zufriedenheitsorientierten Steuerung des Customer Care

61

et al. 2004), die zur Erfüllung der Unternehmensbedürfnisse und dadurch zum Erreichen der Unternehmensziele beiträgt (Dean/Kiu 2002, S. 407). -

Weiterhin ist das Customer Care Outsourcing meist mit langfristigen Verträgen verbunden (Hermes 2004, S. 132ff.). So wird Dr. Stefan Knoll, der Vorsitzende des Vorstands des Dienstleisters SNT Deutschland AG, mit folgender Aussage zitiert: „Unter einer Laufzeit von fünf Jahren lohnt sich der Aufwand nicht“ (Hermes 2004, S. 133). Daraus resultiert eine enge Beziehung zwischen Unternehmen und Dienstleister, wobei letzterer vom Unternehmen verstärkt als Partner angesehen wird, es kommt aber auch zu einer größeren Abhängigkeit des Unternehmens vom Dienstleister (Dangelmaier et al. 2004). Die Abhängigkeit des Unternehmens vom Dienstleister steigt, wenn dieser mehr Erfahrungen bezüglich des Customer Care Outsourcing hat oder wenn dieser relativ spezielle Aufgaben übernimmt, für die nur er qualifiziert ist oder die eine lange Einarbeitungszeit erfordern (u.a. Kenntnis der unternehmensinternen Prozesse, die für die Customer Care Leistungserstellung relevant sind und der Kernleistung des Unternehmens). Insbesondere steigt die Gefahr der Abhängigkeit vom Dienstleister bei einer beschränkten Zahl anderer Customer Care Dienstleister, die ähnliche Aufgaben und in der gleichen Qualität erfüllen können. Aber auch der Dienstleister ist – wirtschaftlich – abhängig vom Unternehmen, wenn dieses ein hohes Auftragsvolumen an den Dienstleister vergeben hat.

Durch die anderen Beziehungen in der Dreieckskonstellation werden diese Probleme verstärkt: Der Kunde nimmt die Customer Care Leistung in der Customer Care Beziehung in Anspruch, entwickelt dort eine Einschätzung der Leistung und bildet ein Zufriedenheitsurteil. Das Unternehmen muss sich die Leistung des Dienstleisters im Rahmen der Kernleistungsbeziehung zurechnen lassen, denn der Kunde nimmt die Customer Care Leistung als Teil der Unternehmensleistung wahr (Güthoff 1995, S. 78ff.). Dem Unternehmen liegt oft daran, diesen Eindruck aufrechtzuerhalten: Die Kundenbetreuung wird durch den Dienstleister dem Kunden gegenüber „im Namen des Unternehmens“ erbracht. So haben die Aktivitäten des Customer Care Dienstleisters Einfluss auf die Kernleistungsbeziehung, werden aber unternehmensextern und nicht im direkten Einflussbereich des Unternehmens erbracht. Der Steuerungsbedarf und die Herausforderungen der Steuerung des Customer Care Centers erhöhen sich daher beträchtlich, wenn das Customer Care Center durch einen externen Dienstleister betrieben wird.

62

2 Customer Care

2.4.2.3 Notwendigkeit eines effektiven Steuerungsinstrumentariums zur Steuerung externer Customer Care Dienstleister Aufgrund der Relevanz des Outsourcing sowie der besonderen Herausforderungen und der besseren Möglichkeit, die Beziehungen zwischen den Akteuren in der Customer Care Dreieckskonstellation herauszuarbeiten, wird in dieser Arbeit die Steuerung externer Customer Care Dienstleister im Vordergrund stehen. Das Steuerungsobjekt ist der Customer Care Dienstleister bzw. ein externes Customer Care Center. Dabei wird in der Arbeit vor dem Hintergrund der beschriebenen Aufbauorganisation im Customer Care Center von folgenden Customer Care Steuerungsebenen ausgegangen: der Customer Care Dienstleister, das fokale Customer Care Center, die zugehörigen Customer Care Teams und die Customer Care Mitarbeiter in den Teams. Hier wird zunächst davon ausgegangen, dass es sich um ein Center handelt, das von dem Customer Care Dienstleister betrieben wird, so dass synonym von der Steuerung des externen Customer Care Centers und des Customer Care Dienstleisters gesprochen wird. Übernimmt ein externer Dienstleister das Customer Care Center, muss ein effektives Steuerungsinstrument angewendet werden, das das kontinuierliche Monitoring bezüglich der Leistung des Dienstleisters ermöglicht (Dangelmaier et al. 2004; Stauss/Seidel 2007, S. 567ff.). Bei externen Dienstleistern sind dies vertragliche Koordinations- und Steuerungsmechanismen. Als wesentliches Steuerungsinstrument gegenüber externen Customer Care Dienstleister wird daher auf Service Level Standards zurückgegriffen (u.a. Dangelmaier et al. 2004). Daher beschäftigt sich der folgende Teil 3 mit den Service Level Standards als Steuerungsinstrumentarium für Customer Care Center. Zusammenfassend gilt für Kapitel 2.4, dass darin gezeigt wurde, dass die Zielgröße der Steuerung von Customer Care Centern die Kundenzufriedenheit sein sollte. Weiterhin wurde der Fokus auf die Steuerung externer Customer Care Dienstleister gelegt und es wurden die damit verbundenen besonderen Herausforderungen erarbeitet und daraus die Notwendigkeit eines effektiven Steuerungsinstrumentariums für Customer Care Dienstleister abgeleitet.

3.1 Service Level Standards als Steuerungsinstrument

63

3 Service Level Standards als Steuerungsinstrument für Customer Care Ein wesentliches Instrument zur Steuerung von Dienstleistern sind Service Level Standards, d.h. Leistungsstandards, die das zu erbringende Leistungsniveau für eine bestimmte (Dienst-)Leistung definieren. Sie entfalten ihre Steuerungswirkung, indem sie im Rahmen von Service Level Agreements (SLAs) – unterstützt durch weitere SLA-Elemente – zu einem vertraglich festgeschriebenen und vergütungsrelevanten Bestandteil der Beziehung zwischen Auftraggeber und Dienstleister werden (Kapitel 3.1). Service Level Standards werden bereits zur Steuerung des Customer Care eingesetzt, diese Steuerung ist aber aufgrund der mangelnden Berücksichtigung der Customer Care Zufriedenheit zu kritisieren (Kapitel 3.2). Daher wird in Kapitel 3.3 gefordert, Zufriedenheit als Service Level Standard im Customer Care einzusetzen und es werden Anforderungskriterien an Zufriedenheits-Service Level Standards erarbeitet. Danach wird das Vorgehen zur Entwicklung eines die Anforderungskriterien berücksichtigenden Konzepts für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care dargestellt und damit die Struktur der folgenden Teile der Arbeit vorgegeben.

3.1 Service Level Standards als Instrument zur Steuerung externer Dienstleister im Rahmen von Service Level Agreements Die Service Level Standards werden für die Steuerung von Dienstleistern im Rahmen von SLAs wirksam. An den Anfang des Kapitels 3.1 sind daher grundlegende Ausführungen zu SLAs gestellt (Kapitel 3.1.1). Basierend darauf werden in Kapitel 3.1.2 die Hauptelemente der Steuerung mittels SLAs identifiziert. In Kapitel 3.1.3 schließt sich eine Darstellung der Aufgaben im Managementprozess des Einsatzes von Service Level Standards als Steuerungsinstrument an. 3.1.1 Grundlegende Ausführungen zu Service Level Agreements als Rahmen von Service Level Standards In der wissenschaftlichen Literatur sind SLAs bisher wenig aufgearbeitet worden (Burr 2002a, S. 133). Erst in jüngerer Zeit erfolgt eine Annäherung an eine wissenschaftliche Betrachtung (u.a. Berger 2005; Schmidt 2001). So existiert bisher vor allem eine Vielzahl sehr managementorientierter, kaum theoretisch fundierter Beiträge,

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3 Service Level Standards

oftmals mit dem Charakter von Handbüchern oder Checklisten, häufig von Unternehmensberatungen verfasst und im Internet oder nicht-wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht (u.a. Bernhard/Mann/Lewandowski 2003; Karten 2001; Sturm/Morris/Jander 2000). Daneben gibt es auch „Mischformen“, z.B. Beiträge in praxisorientierten wissenschaftlichen Publikationen und Kapitel bzw. Erwähnungen in (Lehr-)Büchern zum Dienstleistungsmanagement im weiteren Sinne (u.a. Axelsson/Wynstra 2002; Burr 2002a, S. 133; Burr 2006; Buser/Welte/Wiederkehr 2003; Ellis/Kauferstein 2004; Gensch/Löhmann 2001; Hiles 1993, 1994, 2000; Johnston/Clark 2001; Larson 1998; Lehner/Locher/Graf 2001; Marlière 2003). Da SLAs aus der Praxis hervorgegangen sind, stellen neben wissenschaftlichen auch praxisorientierte Quellen eine wichtige Grundlage für die Beschäftigung mit Service Level Standards und SLAs in der vorliegenden Arbeit dar. 3.1.1.1 Definition und wesentliche Charakteristika von Service Level Agreements SLAs haben ihren Ursprung im Bereich der Informationstechnologie und dabei vor allem im Kontext der unternehmensinternen Dienstleistungserbringung. Sie wurden eingesetzt, um die Leistungsbeziehung zwischen der unternehmenseigenen ITAbteilung und den Nutzern im Unternehmen zu spezifizieren und so kontrollierbar zu machen (Hiles 1993; Marlière 2003, S. 183; Bernhard/Mann/Lewandowski 2003). Mit der Zunahme des Outsourcings von IT-Dienstleistungen wurde die Verwendung von SLAs auch auf Leistungsbeziehungen zu externen Dienstleistern ausgedehnt (u.a. Berg 1985, Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 146; Köhler-Frost 2000). Der Grundgedanke, dass SLAs die Leistungsbeziehung zwischen einem Unternehmen und dem beauftragten Dienstleister regulieren, ist auch auf die Erbringung anderer Dienstleistungen übertragbar (u.a. Dangelmaier et al. 2004; Ellis/Kauferstein 2004; Parish 1997; Sturm 2005; Tonks/Flanagan 1994). SLAs werden daher in der Literatur mittlerweile als erfolgversprechender Ansatz und kritischer Erfolgsfaktor beim Outsourcing von Dienstleistungen eingeordnet (u.a. Dangelmaier et al. 2004; Gensch/Löhmann 2001; Stucki 2002, S. 38). 3.1.1.1.1 Literaturüberblick zu Definitionen von Service Level Agreements In der einschlägigen Literatur finden sich zahlreiche unterschiedliche Definitionen von SLAs, die sich diesen aus verschiedenen Perspektiven nähern, vor allem über deren Inhalte (u.a. Marlière 2003) oder deren Funktionen (u.a. Karten 2001). Andrew Hiles war einer der ersten Autoren, der sich mit dem Thema „SLAs“ beschäftigt hat. In Hiles’ viel beachteter Veröffentlichung „Service Level Agreements – Managing

3.1 Service Level Standards als Steuerungsinstrument

65

Cost and quality in service relationships“ aus dem Jahr 1993 definiert er ein SLA als „an agreement between the service provider and its customers quantifying the minimum acceptable service to the customer“ (Hiles 1993, S. 2, Herv. im Orig.). Hiles’ Arbeit stellt eine wesentliche Basis der weiteren Beschäftigung mit diesem Thema dar und die Definitionen anderer Autoren bauen stark auf der von Hiles auf. Abb. 3-1 gibt einen Überblick über einschlägige Definitionen von SLAs. Die Definitionen von Marlière 2003 und insbesondere von Berger 2005 sind dabei am umfangreichsten und umfassen weitestgehend auch die Inhalte der anderen. Autor(en)

Definition

Hiles 1993, 1994, 2000

“…an agreement between the service provider and its customers quantifying the minimum acceptable service to the customer“ (Hiles 1993, S. 2; ebenso in 1994, 2000).

Larson 1998

„A service level agreement identifies the service commitments of both service supplier and service buyer to each other at the boundary of their responsibilities. SLAs comprise the definitions, the repeatable functions, processes or outputs delivered from another part of the user’s (buyer’s) enterprise or from a third party, and a set of pre-agreed performance levels“ (Larson 1998, S. 128).

Gensch/Löh mann 2001

„SLAs sind Vereinbarungen zwischen Dienstleistungsnehmer und Dienstleistungsgeber, die die Art, die Qualität und den Preis der vom Dienstleistungsnehmer zu erbringenden Dienstleistungen in detaillierter Form beschreiben, die Dienstleistungen also konkretisieren“ (Gensch/Löhmann 2001, S. 35).

Karten 2001

„A service level agreement is a formal negotiated agreement which helps to identify expectations, clarify responsibilities, and facilitate communication between a service provider and its customers“ (Karten 2001, S. 1.6).

Johns-

„…forms of contracts agreed between a service supplier and the service purchaser or user“ (Johnston/Clark 2001, S. 129), „…mechanisms for routine discussion of the measures and targets“ (Johnston/Clark 2001, S. 130), SLAs enthalten eine Spezifikation der durch den Supplier zu erbringenden Dienstleistungen (Johnston/Clark 2001, S. 130).

ton/Clark 2001

Burr 2002a, 2000b, 2003; Burr/Stephan 2006

„Service Level Agreements sind kennzahlenbasierte Vereinbarungen des Dienstleistungsanbieters mit seinem Kunden bezüglich der zu gewährenden Dienstleistungsqualität“ (Burr 2002a, S. 132, ähnlich Burr 2000b, Burr/Stephan 2006);

Buser/ Welte/ Wiederkehr 2003

SLA bezeichnet die „genaue Vereinbarung zwischen Leistungserbringer und Leistungsbezüger (sic) bezüglich Qualität und Quantität von Dienstleistungen“ (Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 146).

„Service Level Agreements dienen dazu, die Qualität von Dienstleistungen zu standardisieren, zu messen und dem Kunden nachzuweisen – d.h. letztendlich, Dienstleistungsqualität zu normieren und zu garantieren. Zu diesem Zweck vereinbart der Dienstleistungsproduzent mit dem internen oder externen Kunden Bandbreiten oder Kennzahlen für einzelne, möglichst objektiv messbare Qualitätsparameter, die in der Summe die Servicequalität beschreiben“ (Burr 2003, S. 34).

66

3 Service Level Standards

Marlière 2003

„Service Level Agreements sind vollständige Leistungsbeschreibungen, die mindestens Inhalt und Umfang der vom Servicegeber zu erbringenden Leistungen, die zur Leistungserstellung notwendigen Mitwirkungs- und Beistellpflichten der Kunden, die qualitativen Standards bei der Leistungserbringung (Service Level) [Service Level Standards, Anm.d.V.] und ihre Messgrößen sowie die damit zusammenhängenden Sanktionen bei Nichteinhaltung der zugesagten Standards festlegen“ (Marlière 2003, S. 185).

Berger 2005

„Ein Service-Level-Agreement ist eine formale, schriftlich dokumentierte, für einen bestimmten Zeitraum abgeschlossene Vereinbarung zwischen einem Leistungsnehmer (Kunde) [Auftraggeberunternehmen, Anm.d.V.] und einem Leistungsanbieter (Dienstleister), in der der Leistungsnehmer die Erbringung gewisser inhaltlich und qualitativ definierter Dienstleistungen und der Kunde hierfür die Leistung definierter finanzieller Ausgleichszahlungen zusagt. Die Festlegung der durch den Dienstleister zu erbringenden Qualität der Dienstleistungen erfolgt durch die Vereinbarung von einzuhaltenden Service-Levels (Sollwerte) [Sollvorgaben der Service Level Standards, Anm.d.V.] für bestimmte, gemeinsam definierte, quantifizierbare und für den Leistungsnehmer relevante Merkmale der Dienstleistungen, die durch Kennzahlen ausgedrückt werden. Ein SLA definiert ferner Verfahren, die den Nachweis der Einhaltung der Service-Levels regeln, sowie Konsequenzen für den Fall der Abweichung von vereinbarten Service-Levels“ (Berger 2005, S. 28).

Abb. 3-1:

Definitionen von SLAs in der Literatur

Quelle:

Eigene Darstellung auf Basis der genannten Literatur

3.1.1.1.2 Wesentliche Charakteristika von Service Level Agreements Aus den aufgeführten Definitionen können folgende wesentliche Charakteristika von SLAs identifiziert werden: Beziehungsorientierung, Leistungssteuerung, Formalisierung, Systematik und Ergebnisorientierung. Diese werden im Weiteren erläutert. (1) Beziehungsorientierung SLAs sind als gemeinsam erarbeitete Vereinbarungen zwischen dem Dienstleister und seinem Auftraggeber definiert. Dies weist auf die große Bedeutung hin, die dem intensiven Austausch zwischen Auftraggeber und Dienstleister während der Erarbeitung des SLA und der Leistungserstellung zugesprochen wird. SLAs übernehmen im Erarbeitungsprozess die Funktion eines beiderseitigen Erwartungsangleichs (u.a. Karten 2001, S. 1.6). Da SLAs eine klare Basis für die Leistungserstellung schaffen, können sie zur Reduktion von Konflikten in der Phase der Leistungserstellung dienen (Karten 2001, S. 1.6). Die erfolgreiche spätere Leistungsbeziehung hängt davon ab, ob sowohl Unternehmen als auch Dienstleister das SLA vollständig akzeptieren können. Daher ist dem gemeinschaftlichen Vereinbarungsprozess große Bedeutung beizumessen (Hiles 2000; Karten 2001). Die Gestaltung der Beziehung ist damit gleichzeitig Voraussetzung und Kennzeichen der Steuerung mit SLAs.

3.1 Service Level Standards als Steuerungsinstrument

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(2) Leistungssteuerung In SLAs wird die vom Dienstleister zu erbringende Leistung quantifiziert und festgelegt (vgl. u.a. auch Burr 2002a, S. 132; Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 146; Johnston/Clark 2001, S. 129f.; Karten 2001, S. 1.6), um eine effektive Leistungserstellung zu erreichen (u.a. Hiles 1993, S. 3ff.; Kostick/Williams/Arnold 2002, S. 450ff.; Marlière 2003, S. 183f.; Sturm/Morris/Jander 2000, S. 13). Da Unternehmen die Leistungen des Dienstleisters zur Unterstützung der eigentlichen Geschäftstätigkeit in Anspruch nehmen, ist Effektivität der Leistungserbringung nur gegeben, wenn die Leistung an denen mit ihr verbundenen Zielen des Unternehmens („business needs“) ausgerichtet wird. Dabei wird in SLAs genau die für die Zielerreichung des Auftraggebers minimal notwendige Leistung definiert. SLAs sollen zu einer effektiven Leistung beitragen, aber durch ein zu hohes Leistungsniveau verursachte Kosten vermeiden, indem sie das zu definierende Leistungsniveau dort festlegen, wo sich ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis für den Auftraggeber einstellt. Das notwendige Leistungsniveau wird in so genannten Service Level Standards festgeschrieben. Um das Erreichen der Leistung zu garantieren, sind Sanktionen für die Verfehlung der Leistungsstandards Bestandteil von SLAs. Mit der Möglichkeit zur Bewertung der vom Dienstleister erbrachten Dienstleistungen durch die Standards kommt SLAs eine entscheidende Steuerungsfunktion beim Outsourcing zu (Stucki 2002, S. 38). (3) Ergebnisorientierung Wesentlich für die Charakterisierung von SLAs und Service Level Standards ist der zugrunde liegende Standardisierungsansatz. Zwar unterscheidet Burr (2003, S. 34) zwischen input-, verrichtungs- und outputorientierten SLAs, bei denen entsprechend die Inputs, die Leistungserstellungsprozesse oder die Leistungsergebnisse standardisiert werden. Nach herrschender Meinung sollten aber in SLAs vor allem die Ergebnisse der Leistungserstellung und nicht detailgenau die dazu beim Dienstleister notwendigen Prozesse abgebildet und standardisiert werden (Marlière 2003, S. 188). Es gibt drei zentrale Gründe für die Ergebnisorientierung von SLAs . - Erstens kann sich der Dienstleister bei Verfehlen der Service Level Standards nicht aus der Verantwortung ziehen, wenn er bestimmte Leistungsergebnisse zugesagt hatte und ihm die entsprechenden Leistungserstellungsprozesse nicht vorgeschrieben wurden (u.a. Behn/Kant 1999; Hiles 1993, S. 90): “To make matters worse, some technical SLAs come perilously close to directing how the vendor

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3 Service Level Standards

must execute. This can let the vendor off the hook if the project fails, as long as the vendor followed the customer's instructions in the SLA” (Sopko 2002, S. 1). - Zweitens kann durch eine Ergebnis- und nicht implementierungsorientierte Vereinbarung von SLAs vermieden werden, dass es zu einer Komplexitätsverschiebung hin zum Auftraggeber bzw. einem aufwendigeren Schnittstellenmanagement kommt (o.V. 1994, S. 359). Die Komplexität an der Schnittstelle zwischen Dienstleister und Kunde bleibt nur dann beherrschbar, wenn nicht jede einzelne Leistungskomponente bzw. jedes Implementierungsdetail spezifiziert, sondern das Ergebnis als Zusammenspiel aller an der Implementierung beteiligten Komponenten und Personen definiert und kontrolliert wird (Schmidt 2001, S. 1f.). - Drittens kann der Dienstleister, wenn ihm Freiheiten in der Implementierung gelassen werden, die Dienstleistungserstellung möglicherweise sogar durch Nutzung von Synergieeffekten zwischen mehreren Kunden oder Verwertung technologischen Fortschritts optimieren (Schmidt 2001, S. 34). Insofern der Dienstleister diese Optimierung in Preis- oder Leistungsvorteilen an das Unternehmen weitergibt, kann das Leistungsniveau kostengünstiger erreicht oder ein besseres Niveau angeboten werden.15 Wenn SLAs als ergebnisorientierte Regelungen verstanden werden, müssen Service Level Standards erstens den Nutzen der Dienstleistung für den Leistungsempfänger messen und zweitens die Perspektive der letztendlichen Empfänger bzw. Nutzer der Dienstleistung widerspiegeln: “A true measure of service has to be end to end, starting with the end user's experience, through all the technology layers and activities, and back to the end user“ (o.V. o.J. a, S. 1). Ergebnisorientierung ist also zugleich Konsequenz und Mittel der Orientierung am Empfänger der Dienstleistung, was maßgeblich zur Steuerung der Leistungsbeziehung beiträgt. Diesem ergebnisorientierten Verständnis wird im Weiteren gefolgt und Verfahrensbeschreibungen („agreed procedures“) spielen, wie von Marlière (2003, S. 185) vorgeschlagen, nur dann eine Rolle, wenn für Besonderheiten der Leistungserbringung ein höherer Spezifizierungsgrad notwendig ist.

15

Bezugnehmend auf das Prinzip der Leistungssteuerung ist hierzu allerdings anzumerken, dass eine Erhöhung der Service Level Standards nur bei einer damit einhergehenden Steigerung der Bedürfnisse sinnvoll ist, da vereinbarte SLAs schon am notwendigen Qualitätsniveau zur Erfüllung der Geschäftsbedürfnisse ausgerichtet sind bzw. sein sollten. Andernfalls wäre für das Unternehmen eine Preissenkung vorteilhafter. Dabei ist aber fraglich, ob der Dienstleister während der Laufzeit des Vertrags genügend Anreiz hat, die Optimierungsvorteile weiterzugeben.

3.1 Service Level Standards als Steuerungsinstrument

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(4) Formalisierung SLAs weisen einen hohen Formalisierungsgrad auf. Sie sind grundsätzlich für beide Parteien bindend, wobei allerdings zwischen internen und externen SLAs zu unterscheiden ist (Larson 1998, S. 128): Interne SLAs werden zwischen zwei Vertragsparteien innerhalb eines Unternehmens bzw. zwischen rechtlich verbundenen Unternehmen geschlossen. Sie haben eher den Charakter eines Übereinkommens, bei dem juristische Konsequenzen der Nichteinhaltung oft ausbleiben. Dies ist auch dadurch bedingt, dass innerhalb des Unternehmens von einem gemeinsamen Zielrahmen ausgegangen werden kann, dem sich beide Parteien verpflichtet fühlen. Externe SLAs sind Verträge zwischen rechtlich selbständigen Einheiten – z.B. einem Unternehmen und seinen externen Dienstleistern – mit unterschiedlicher Interessenlage. SLAs dienen zur Gestaltung der Vertrags- und Leistungsbeziehung zwischen dem Auftraggeberunternehmen und dem Dienstleister (Sommerlad 1999, S. 93; Sommerlad 2000, S. 296). ). Allerdings unterliegt ein SLA dem allen Verträgen innewohnenden Problem, dass nicht alle Eventualitäten aufgenommen werden können. Daher besteht eine große Herausforderung darin, zwar alle komplexen technischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Regelungen abzubilden, die notwendig sind, um die Beziehung zum externen Dienstleister vertraglich zu untermauern (Schneider 1996, S. 125 und S. 133), aber gleichzeitig die Anwendbarkeit des Vertrages zu gewährleisten (Schmidt 2001. S. 2f.). Als Bestandteil des Outsourcing-Vertrages sind SLAs rechtlich verbindlich: Bei Abweichungen einer Seite hat die andere Seite daher eine gesetzliche Handhabe (u.a. Johnston/Clark 2001, S. 129; Karten 2001, S. 1.6; Larson 1998, S. 128). Da der Fokus dieser Arbeit auf die Steuerung der unternehmensexternen Erbringung des Customer Care durch einen Dienstleister gerichtet ist, daher werden im Folgenden nur externe SLAs betrachtet. (5) Systematik SLAs sind durch die systematische Herangehensweise an die Steuerung des Dienstleisters charakterisiert. Dies betrifft zum Ersten den Prozess der Erstellung und die klar gegliederte und umfassende Darstellung der notwendigen Regelungen zur Dienstleistersteuerung in den SLAs. Zum Zweiten ist hier die kontinuierliche und methodische Leistungsüberwachung und -steuerung angesprochen. Darüber hinaus sind SLAs keine statischen Verträge, sondern „living documents“ (Karten 2001, S. 1.6), die systematisch, d.h. nach definierten Prozeduren und in festgelegten Abständen jeweils an die aktuelle Situation angepasst werden. Damit unterliegen SLAs

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3 Service Level Standards

einem kontinuierlichen Managementkreislauf, in dem die periodische Überprüfung der Regelungen der SLAs (SLA-Review) neue Planungsaktivitäten anstoßen kann (siehe Kapitel 3.1.3). 3.1.1.1.3 Abschließende Definition von Service Level Agreements Ausgehend von den aufgeführten Begriffsbestimmungen sowie den Charakteristika von SLAs wird für die vorliegende Arbeit folgende Definition von SLAs formuliert: SLAs sind von Unternehmen und Dienstleister in einem systematischen Prozess gemeinsam erarbeitete und periodischer Anpassung unterzogene, vertraglich formalisierte und damit rechtlich bindende Vereinbarungen, die die Leistungsbeziehung zwischen den Vertragsparteien nach beidseitig akzeptierten Grundsätzen regeln, indem darin mittels Service Level Standards das Ergebnis der vom Dienstleister zu erbringenden Leistung nach Umfang und Qualität eindeutig definiert und quantifiziert wird und indem der Preis der Leistung, die Sanktionen für den Fall der Abweichung des Dienstleisters von der vereinbarten Leistung sowie die Bedingungen der Leistungserstellung festgelegt werden. Im Weiteren soll auf Ziele des Einsatzes von SLAs für Unternehmen und Dienstleister eingegangen werden, die zu einem Nutzen für die Beteiligten führen. 3.1.1.2 Ziele und Nutzen des Einsatzes von Service Level Agreements Wesentliche Ziele des Einsatzes von SLAs sind Leistungs- und Kostentransparenz und die dadurch zu erreichenden besseren Steuerungsmöglichkeiten. Damit einhergehend werden durch die Institutionalisierung der Kommunikation zwischen Unternehmen und Dienstleister eine Verbesserung der Kommunikation und ein Dialog auf der Beziehungsebene angestrebt (Karten 2001, S. 1.6; Lee/Ben-Natan 2002, S. 13f.). (1) Transparenz der Leistungsbeziehung SLAs enthalten klare Regelungen für die Leistungsbeziehung und standardisieren bzw. normieren das Niveau der Leistungserstellung (Burr 2003, S. 34). In ihnen werden durch die Definition von Service Level Standards eindeutig die Ziele der Dienstleistungserstellung definiert und die beiderseitigen Verpflichtungen, Rollen und Verantwortlichkeiten bestimmt (Lee/Ben-Natan 2002, S. 6ff.). Aufgrund dessen entwickeln sowohl Unternehmen als auch Dienstleister im Vorhinein realistische Er-

3.1 Service Level Standards als Steuerungsinstrument

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wartungen an die Leistungsbeziehung (Burr 2003, S. 44; Lee/Ben-Natan 2002, S. 8ff.). Mittels SLAs kann die Effektivität der Dienstleistungen konsistent, kontinuierlich und auf gemeinsam vereinbarter Basis beurteilt und diskutiert werden (Karten 2001, S. 1.6). Daneben sind für den Konfliktfall klare Regelungen spezifiziert (u.a. Bernhard 2000, S. 33; Karten 2001). Für das Auftraggeberunternehmen ergibt sich die Garantie einer bestimmten Leistung durch den Dienstleister (Burr 2003, S. 40). Dabei kann das Unternehmen diese Leistung auf Basis ausgewählter Kernparameter der Dienstleistungsqualität standardisieren und effizient kontrollieren, was zu einer Komplexitätsreduktion führt (u.a. Burr 2003, S. 40 und S. 44; Knoblauch/Egardt 2003, S. 30). Durch die Normierung der Leistung kann opportunistisches Verhalten des Dienstleisters eingeschränkt werden (Burr 2003, S. 37f.). Der Dienstleister seinerseits hat klare Vorgaben bzw. Ziele vom Auftraggeber hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen und ihrer Qualität, an denen er sich orientieren kann (Benko 1995, S. 191; Bernhard 2000, S. 33). Der Dienstleister erfährt, welche Kriterien maßgeblich für die Bewertung seiner Leistung sind, so dass er diese im Interesse einer langfristigen Partnerschaft berücksichtigen (Dangelmaier et al. 2004) und Dienstleistungserstellung, Ressourcen sowie Kapazitäten besser planen kann (u.a. Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 150; Hiles 1994). Das erleichtert dem Dienstleister die Aufteilung seiner Ressourcen auf verschiedene Auftraggeber und deren Rechtfertigung diesen gegenüber (Sturm/Morris/Jander 2000, S. 17). Darüber hinaus kann er dem Unternehmen gegenüber die Qualität der Leistungen genau nachweisen, was dem Dienstleister die Sicherheit gibt, dass das Unternehmen die Leistungsbeziehung mindestens bis Ende der Vertragslaufzeit fortführt (Sturm/Morris/Jander 2000, S. 17). Durch die Ergebnisorientierung bleibt dem Dienstleister Gestaltungsfreiheit für die eigentlichen Prozesse der Leistungserstellung, solange er die Ziele erreicht. (2) Erhöhte Kostentransparenz Durch SLAs steigt die Transparenz der Gesamtkosten und der Kosten für einzelne Leistungsbestandteile. Auch wird der Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Leistungsniveaus und dafür anfallenden Kosten deutlicher (Sturm/Morris/Jander 2000, S. 17f.). Dadurch kann der Auftraggeber erstens die für die Leistungserstellung anfallenden Kosten besser planen und kontrollieren (Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 150).

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3 Service Level Standards

Zweitens sind Effizienzvorteile zu erwarten: Das Unternehmen bezahlt für eine normierte Leistung, unabhängig davon, wie der Dienstleister diese erbringt und unabhängig von Stundenzahlen, die die Mitarbeiter des Dienstleisters dafür verwenden müssen. Damit wird der Dienstleister sich um Effizienz der Leistungserstellung bemühen (Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 148; Buser 2003, S. 25ff.). Drittens ist die Kenntnis der Kosten der Leistungserstellung schon die erste Voraussetzung dafür, den Ertrag (im Sinne des Return on Investment) der Dienstleistungserstellung berechnen zu können (Lee/Ben-Natan 2002, S. 14). Die Preistransparenz hat auch Vorteile für den Dienstleister. Wenn ein gestaffeltes Vergütungsmodell festgelegt wird, also für unterschiedliche Qualitätsniveaus unterschiedliche Vergütungen vereinbart werden, kann er für eine qualitativ bessere Leistung eine höhere Vergütung verlangen. Sollen veränderte Anforderungen des Auftraggebers an die Dienstleistung berücksichtigt werden, kann das nur durch eine beiderseitig akzeptierte Anpassung des SLA geschehen. Dadurch ist für den Dienstleister gesichert, dass er nur dann höhere Leistungen erbringen muss, wenn seine Vergütung entsprechend angeglichen wird. Er ist daher steigenden Erwartungen nicht ohne weiteres ausgeliefert (Sturm/Morris/Jander 2000, S. 16f.). Aufgrund der beschriebenen Nutzeneffekte ist der Einsatz von SLAs sowohl für das Unternehmen als auch den Dienstleister sinnvoll, allerdings nur, wenn es sich um eine längerfristige Leistungsbeziehung handelt und die Bedeutung der zu steuernden Leistung den Aufwand rechtfertigt. Damit SLAs zur Steuerung der Leistungsbeziehung zwischen Unternehmen und Dienstleister dienen können, müssen sie bestimmte Bestandteile aufweisen.

3.1 Service Level Standards als Steuerungsinstrument

73

3.1.1.3 Überblick über notwendige Bestandteile von Service Level Agreements Empfehlungen hinsichtlich der notwendigen Bestandteile von SLAs und einer geeigneten Strukturierung des SLA-Dokuments sind z.B. in Form von Checklisten oder Muster-SLAs in den meisten einschlägigen Veröffentlichungen enthalten (u.a. Burr 2003, S. 34; Hiles 1993, S. 44ff., S. 94ff. und S. 107; Hiles 1994, S. 16; Karten 2001, S. 2.4, S. 4.1ff. und S. 5.1ff.; Larson 1998, S. 129; Lehner/Locher/Graf 2001, S. 40f.; Lewandowski/Mann 2000, S. 227ff.; Marlière 2003, S. 185f.; Sturm/Morris/Jander 2000, S. 61ff.; Tonks/Flanagan 1994; Winkelmann-Ackermann/Bundi 1999, S. 39). Eine einheitliche äußere Form mit standardisiertem Inhalt wird grundsätzlich angeraten (u.a. Lehner/Locher/Graf 2001, S. 40). Eine sehr gute Übersicht zur Gliederung eines SLA findet sich bei Ellis/Kauferstein (2004, S. 123f.). Karten (2001, S. 2.4) findet eine schlüssige Einteilung der notwendigen Komponenten von SLAs in Leistungsbestandteile, in denen die Leistung genauer spezifiziert wird, Managementbestandteile, die die mit dem Einsatz von SLAs verbundenen Managementaufgaben regeln, und sonstige Bestandteile. (1) Leistungsbestandteile Im Mittelpunkt stehen die Service Level Standards, d.h. die Leistungsstandards, die das gemeinsam vereinbarte und durch den Dienstleister zu erbringende Leistungsniveau qualitativ und quantitativ beschreiben. Sehr eng mit den Service Level Standards verknüpft sind die Mitwirkungspflichten des Unternehmens. Dabei handelt es sich um spezielle Bedingungen der Leistungserstellung und Voraussetzungen der Gültigkeit der Standards für die Leistungsbewertung. Darüber hinaus sind weitere Leistungsbestandteile festzulegen: - Kontextinformationen: u.a. Informationen über Zweck und Umfang des SLA, die beteiligten Parteien und wichtige der Leistungserstellung zugrunde liegende Annahmen, - Leistungsbeschreibung: Inhalt und Umfang der zu erbringenden Dienstleistungen aus Kundensicht, spezifische Kundengruppen für bestimmte Teilleistungen, - Vergütung: Preise für verschiedene Leistungsniveaus, - Allgemeine Bedingungen der Leistungserstellung, z.B. Umfeldbedingungen, definierte Ausnahmen, z.B. geplante Wartungsaufgaben.

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3 Service Level Standards

(2) Managementbestandteile Wesentlich sind die Regelungen für die Kontrolle der Einhaltung der Service Level Standards (Häufigkeit, Verfahren, Datenquellen und Verantwortlichkeiten der Messung). Für das Reporting der Messergebnisse sind zudem Häufigkeit, Inhalte, Darstellungsform, Aggregationsgrad, Adressaten und Art der Distribution der entsprechenden Berichte zu definieren. In direktem Zusammenhang mit den Service Level Standards stehen die Konsequenzen bei Nichteinhaltung der zugesagten Sollvorgaben. Das sind v.a. monetäre Konsequenzen. Darüber hinaus können nicht-monetäre Sanktionen vereinbart werden. Diese umfassen z.B. die Einberufung außerordentlicher Treffen, die Eskalation der Probleme an das Top Management der beteiligten Parteien, das Recht des Unternehmens, beim Dienstleister einen Audit vorzunehmen und Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten, die Verpflichtung zur persönlichen Erläuterung der Abweichungen durch das Management des Dienstleisters gegenüber dem Management des Unternehmens, materielle Ersatzleistungen seitens des Dienstleisters oder das Recht der außerordentlichen Kündigung seitens des Unternehmens (Berger 2005, S. 84). Weiterhin sind Regelungen im Hinblick auf den periodischen Review des SLA festzulegen, also hinsichtlich der kontinuierlichen Kommunikation zwischen den Parteien und der formalen, systematischen Kontrolle, ob das SLA angepasst werden muss sowie der formalen Mechanismen und Prozesse zur Modifikation des SLA. (3) Sonstige Bestandteile Ergänzend zu den genannten Bestandteilen sind formale Regelungen festzuhalten. Dazu gehört die Geltungsdauer des SLA, die genaue Spezifikation der Vertragsparteien, die Art der Vergütung (Pauschalentgelt, nutzungsabhängiges Entgelt oder Mischformen), die Abwicklung der Bezahlung (z. B. Häufigkeit der Zahlungen und Zahlungswege). Daneben sind auch Datenschutzbestimmungen und Begriffsdefinitionen aufzunehmen. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Steuerung von Customer Care mittels Service Level Standards. Im nächsten Kapitel erfolgt daher eine differenzierte Betrachtung der dafür relevanten Hauptelemente von SLAs.

3.1 Service Level Standards als Steuerungsinstrument

75

3.1.2 Hauptelemente der Steuerung mittels Service Level Standards Die Steuerung des Customer Care Dienstleisters mittels Service Level Standards beruht auf drei Hauptelementen (siehe Abb. 3-2). Im Mittelpunkt der Leistungssteuerung stehen die Service Level Standards (3.1.2.1). Die beiden weiteren Hauptelemente von SLAs, die für die Steuerung mittels Service Level Standards zentral sind, sind die Konsequenzen der Nichteinhaltung der Service Level Standards, die die Durchsetzbarkeit der Standards sicherstellen (3.1.2.2) und die unternehmerischen Mitwirkungspflichten, die die Bedingung für die Gültigkeit der Service Level Standards sind (3.1.2.3). Auf diese drei Hauptelemente der Steuerung des Customer Care Dienstleisters mittels Service Level Standards wird sich die Betrachtung in der folgenden Arbeit fokussieren. Im Folgenden werden sie daher genauer beschrieben. Service Level Standard Leistungsgröße Durchsetzungsvoraussetzung Konsequenzen der Nichteinhaltung (v.a. Maluszahlungen)

Abb. 3-2: Quelle:

Sollvorgabe Geltungsvorausetzung Unternehmerische Mitwirkungspflichten

Service Level Standards, Konsequenzen ihrer Nichteinhaltung sowie Bedingungen ihrer Gültigkeit als Hauptelemente der Steuerung mittels Service Level Standards Eigene Darstellung

3.1.2.1 Service Level Standards sowie deren Ausgestaltungsoptionen Wie oben dargestellt, beschreiben Service Level Standards das gemeinsam vereinbarte und durch den Dienstleister zu erbringende Leistungsniveau qualitativ und quantitativ (u.a. Berger 2005; Marlière 2003). Service Level Standards haben als Leistungsstandards zwei wesentliche Komponenten (Berger 2005; Burr 2003, S. 34; Stauss/Seidel 2007, S. 326): - Die Leistungsgröße, d.h. der Aspekt der Leistungserbringung, der gesteuert werden soll. Die Leistungsgrößen müssen die für die Leistungsempfänger wesentlichen Leistungsaspekte widerspiegeln. - Die Sollvorgabe, d.h. das für die Leistungsgröße zu erreichende Leistungsniveau bzw. der Zielwert.

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3 Service Level Standards

Bei der Festlegung eines Service Level Standards sind Entscheidungen über die Ausgestaltung dieser beiden Komponenten zu treffen: - Die Voraussetzung der Bestimmung konkreter zahlenmäßiger Sollvorgaben ist, eine Quantifizierung der Leistungsgrößen. - Weiterhin sind die Sollvorgaben in verschiedener Hinsicht formal auszugestalten (Becker 2006; Hiles 1993, 1994, 2000; Karten 2001). Es ist zu entscheiden, ob die Sollvorgaben als punktuelle Ziele festgelegt werden. Punktuelle Ziele fixieren ein genau zu erreichendes Leistungsniveau. Das ist nur dann notwendig und sinnvoll, wenn die punktgenaue Einhaltung erforderlich ist. Ist dies nicht der Fall, kann ein Zielkorridor (Toleranzgrenze) um die Sollvorgaben vereinbart werden. Weiterhin ist festzulegen, ob die Sollvorgaben als das Erreichen eines absoluten Zielwerts oder die Realisierung einer bestimmten Steigerung des bisherigen Werts formuliert werden. - Zur konkreten Höhe der Sollvorgaben ist grundsätzlich anzumerken, dass Service Level Standards im Regelfall begrenzte Ziele sind. Schon Hiles (1993, 2000) begründete die Auffassung, dass mit Service Level Standards kein Maximalniveau der Leistung, sondern das aus funktionaler Sicht minimal akzeptable Leistungsniveau, bei dem die geringstmöglichen Kosten anfallen, angestrebt wird. Solche begrenzten Ziele definieren eine das „Anspruchsniveau“ befriedigende Lösung. „Begrenzt“ bedeutet hier allerdings nicht, dass z.B. eine Mindestanforderung nicht auch überschritten werden darf, sondern meint lediglich, dass statt einer Maximierungsforderung, ein am Optimalniveau orientierter Zielwert vorgegeben wird. Service Level Standards schreiben ein dauerhaft zu erreichendes Leistungsniveau vor. Es ist dennoch denkbar, bei der Vereinbarung der Service Level Standards mit dem Dienstleister zunächst eine Übergangsfrist zu definieren, innerhalb derer eine schrittweise Annäherung an die Zielerreichung durch den Dienstleister erfolgen kann. Nach den Service Level Standards wird im folgenden Kapitel das nächste Element vorgestellt, die Konsequenzen der Nichteinhaltung der Standards. 3.1.2.2 Maluszahlungen als wesentliche Konsequenzen der Nichteinhaltung der Service Level Standards Im SLA sind Konsequenzen für den Fall festzulegen, dass der Dienstleister die Service Level Standards nicht einhält.

3.1 Service Level Standards als Steuerungsinstrument

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(1) Notwendigkeit von Maluszahlungen Im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit der Service Level Standards sind insbesondere monetäre Sanktionen zur Absicherung der Steuerungswirkung unerlässlich (Schrey 2003, S. 298ff.). Dies liegt darin begründet, dass Unternehmen und Dienstleister gerade im Kontext externer SLAs unterschiedliche, teilweise sogar entgegengesetzte Ziele haben (Dangelmaier et al. 2004): Ziel des Dienstleister ist Gewinnmaximierung, also Minimierung seiner eigenen Kosten und/oder Maximierung des Entgelts vom Unternehmen. Dies kann zu Bemühungen des Dienstleisters führen, bei gleich bleibender Leistungsvergütung die Qualität der Dienstleistung zu verringern, um seine Kosten zu senken. SLAs müssen demzufolge Steuerungsmechanismen enthalten, die das Verhalten des Dienstleisters so beeinflussen, dass die erwünschte Leistung erbracht wird. Der wesentliche Steuerungsmechanismus ist aufgrund des Ziels der Gewinnmaximierung des Dienstleisters dessen Entgelt (Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 148; Dangelmaier et al. 2004). Die Verbindung der Erreichung der Service Level Standards mit dem Entgelt des Dienstleisters wirkt qualitätsverbessernd und -sichernd (Dangelmaier et al. 2004). Daher werden monetäre Sanktionen als Abschläge von der vereinbarten Vergütung vereinbart, so genannte Maluszahlungen. Diese fallen an, wenn der Dienstleister den vereinbarten Leistungsstandard verfehlt. (2) Ausgestaltung der Maluszahlungen Im Folgenden soll auf Möglichkeiten der Ausgestaltung der Maluszahlungen eingegangen werden (in Anlehnung an Berger 2005, S. 90f.). Grundsätzlich können verschuldensabhängige und -unabhängige Maluszahlungen vereinbart werden.16 Ausschlaggebend für die Formulierung verschuldensunabhängiger Sanktionen ist der Grad, zu dem die Service Level Standards vom Dienstleister beeinflussbar sind (Berger 2005, S. 84). Unabhängig davon werden die Maluszahlungen meist erst bei Überschreiten einer gewissen Toleranzgrenze fällig, um den administrativen Aufwand zu begrenzen und eventuelle zufällige kleinere

16

Nach dem im deutschen Schadenersatzrecht vorherrschenden Verschuldensprinzip werden bei Fehlen expliziter Regelungen verschuldensabhängige Sanktionen angenommen (Berger 2005, S. 85).

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Schwankungen der Leistung zu berücksichtigen, die nicht in der Kontrolle des Dienstleisters liegen (Berger 2005, S. 89f.). Die Bemessung der Höhe der Sanktionen kann grundsätzlich anhand des Verrechnungspreises der Dienstleistung erfolgen, so dass Sanktionen als Ausgleich für eine geringere als die bezahlte „Qualität“ der Leistung wirken, oder an dem potentiellen Schaden für den Kunden aus der Nichterfüllung der Service Level Standards, so dass Sanktionen verursachte Schäden kompensieren. Auch eine Kombination beider Methoden ist möglich (Berger 2005, S. 86). Da eine Darlegung und Quantifizierung des Schadens aber als schwierig einzuschätzen ist (Berger 2005, S. 94), soll im Folgenden davon ausgegangen werden, dass Maluszahlungen als Anteil an der Vergütung definiert werden. Der Anteil der Maluszahlungen an der Vergütung kann pauschal oder variabel vereinbart werden. Eine pauschale Maluszahlung wird bei Verfehlen der Service Level Standards in gleicher Höhe fällig, unabhängig vom Ausmaß der Nichteinhaltung. Variable Maluszahlungen werden durch den Grad der Abweichung vom Standard bestimmt. Variable Maluszahlungen können linear gestaltet werden, dabei steigt die Maluszahlung proportional mit dem Grad der Verfehlung der Service Level Standards. Sollen schon geringe Abweichungen von den Standards vermieden werden, ist auf degressive Maluszahlungen zurückzugreifen, und wenn vor allem größere Abweichungen verhindert werden sollen, sind progressive Maluszahlungen sinnvoll (Hinz/Tonnesen 2002, S. 38). Bei der Vereinbarung variabler Maluszahlungen wird empfohlen, Obergrenzen für das mögliche Höchstniveau für die gesamten Maluszahlungen bzw. für die Maluszahlungen zu einzelnen Service Level Standards zu definieren, um das Risiko für den Dienstleister zu begrenzen (Berger 2005, S. 91). Der Nachteil variabler Maluszahlungen ist, dass sie komplizierter zu berechnen sind. (3) Geringe Bedeutung optionaler Bonuszahlungen Im Zusammenhang mit monetären Konsequenzen der Nichteinhaltung der Service Level Standards soll an dieser Stelle noch auf die optionale Vereinbarung von Bonuszahlungen hingewiesen werden. Neben der Bestrafung der Verfehlung von Service Level Standards durch Maluszahlungen kann der Dienstleister damit bei Übererfüllung des vereinbarten Leistungsniveaus über die eigentliche Vergütung hinaus belohnt werden. Bonuszahlungen sind im Gegensatz zu Sanktionen allerdings kein zwingender Bestandteil von SLAs. Sie werden überdies mit dem Argument abgelehnt, dass die

3.1 Service Level Standards als Steuerungsinstrument

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Zahlung der vollen Vergütung Belohnung genug für die Einhaltung der Leistungspflichten sein sollte (Hawkins 1997, S. 14, zitiert aus Berger 2005, S. 85). Fraglich ist zudem, ob die Vereinbarung von Bonuszahlungen für den Dienstleister vorteilhaft ist und damit wirklich als Anreiz dient. Dem Dienstleister ist bewusst, dass dem Unternehmen für die Leistungsvergabe ein gewisses Budget zur Verfügung steht. Sollen Bonuszahlungen vereinbart werden, wird das Unternehmen anstreben, die Grundvergütung insgesamt niedriger zu halten, damit die Vergütung inklusive möglicher Bonuszahlungen noch im Budget bleibt. Darüber hinaus bringt eine Mehrleistung des Dienstleisters dem Unternehmen nur in bestimmten Fällen einen wirklichen Nutzen, der die Vereinbarung von Boni rechtfertigt, da Service Level Standards grundsätzlich schon auf einem optimalen Niveau definiert werden sollten (Berger 2005, S. 85f.): Wenn in den Service Level Standards ein geringeres als notwendiges Leistungsniveau vereinbart wurde, weil der Dienstleister kein höheres Leistungsniveau zusichern konnte bzw. wollte, können Bonuszahlungen Anreiz zu einer Mehrleistung sein, die dem Unternehmen Nutzen bringt. Wenn der erhöhte Preis eines höheren garantierten Service Level Standards für das Unternehmen den Nutzen nicht aufwiegt, eine Überschreitung des Service Level Standards jedoch einen Nutzen für das Unternehmen bringt, kann eine Bonuszahlung sinnvoll sein, die geringer als die normalerweise anfallenden Kosten ist. Handelt es sich bei den Service Level Standards aber um bewusst niedrig gehaltene Werte, um Kosten zu sparen oder weil ein höherer Service Level Standard nicht notwendig ist, sind Boni für die Übererfüllung abzulehnen, da sie nicht im Interesse des Unternehmens sind. Bonuszahlungen sind daher nur optional zu vereinbaren, wenn beide Parteien dies in der jeweiligen Situation als zweckdienlich erachten. Die Ausgestaltung der Boni erfolgt analog zu der von Maluszahlungen. Das Unternehmen sollte mit dem Dienstleister allerdings eine Obergrenze für die maximale Bonuszahlung festlegen, um das Gesamtbudget nicht zu überschreiten (Berger 2005, S. 91). Als letztes Hauptelement der Steuerung mit Service Level Standards werden im folgenden Kapitel die unternehmerischen Mitwirkungspflichten diskutiert. 3.1.2.3 Unternehmerische Mitwirkungspflichten als Geltungsbedingung für Service Level Standards Mit den Konsequenzen der Nichteinhaltung eng verbunden sind unternehmerische Mitwirkungspflichten. Diese beinhalten vom Unternehmen im Vorfeld oder wäh-

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3 Service Level Standards

rend der Leistungserbringung zu erfüllende Aufgaben, ohne die die Leistungserbringung nicht möglich ist oder stark erschwert wird. Erfüllt das Unternehmen die im SLA festgelegten Mitwirkungspflichten nicht und es kommt dadurch zu einer Verfehlung der Service Level Standards durch den Dienstleister, werden normalerweise anfallende Konsequenzen verringert bzw. ganz ausgesetzt. Mitwirkungspflichten stellen demnach sowohl Voraussetzungen der Leistungserstellung als auch Bedingungen der Gültigkeit des SLA dar. Vor dem Hintergrund der Ergebnisorientierung von SLAs soll an dieser Stelle die Verantwortung des Dienstleisters bei der Vereinbarung solcher Mitwirkungspflichten hervorgehoben werden. Der Dienstleister muss ermessen, welche Voraussetzungen vom Unternehmen zu schaffen sind bzw. welche Bedingungen vom Unternehmen laufend zu erfüllen sind, damit der Dienstleister die Service Level Standards einhalten kann. Es liegt dann beim Dienstleister, diese Voraussetzungen bzw. Bedingungen so weit wie möglich abzusichern. Es sollte daher schon bei der Vereinbarung des SLA darauf dringen, dass notwendige Mitwirkungspflichten formuliert werden und muss nach Abschluss des SLA im Rahmen der laufenden Leistungserbringung die Einhaltung der Bedingungen vom Unternehmen einfordern. Damit hat der der Dienstleister dem Unternehmen gegenüber eine „Holschuld“ des Dienstleisters, was aufgrund der Ergebnisorientierung von SLAs auch sinnvoll ist. Die drei vorgestellten Hauptelemente der Steuerung des Customer Care Dienstleisters mittels Service Level Standards (siehe Abb. 3-2) sind in den Managementprozess der Steuerung mittels Service Level Standards einzubinden, der im nächsten Kapitel diskutiert wird. 3.1.3 Managementprozess für den Einsatz von Service Level Standards als Steuerungsinstrument Die systematische Herangehensweise wurde oben als Charakteristikum der Steuerung mittels Service Level Standards genannt. In der SLA-spezifischen Literatur werden für die prozessuale Herangehensweise an die Steuerung verschiedene Systematiken beschrieben (u.a. Buser 2003, S. 25; Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 146ff.; Dangelmaier et al. 2004; Ellis/Kauferstein 2004, S. 121ff.; Hiles 1993, 1994, 2000; Maestranzi/Aay/Seery 2002, S. 787ff. Sturm/Morris/Jander 2000, S. 13ff.; Wassermann/Kleinhans/Richart 2003, S. 146-150). Da diese einen sehr unterschiedlichen Detaillierungsgrad aufweisen und voneinander abweichen, wurde zusätzlich auf Literatur zu Entscheidungs- und Steuerungsprozessen zurückgegriffen (Becker

3.1 Service Level Standards als Steuerungsinstrument

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2006; Staud 2001; Staehle 2005; Ulrich/Fluri 2006) und ein Managementprozess mit den in Abb. 3-3 dargestellten Prozessphasen abgeleitet. Dieser wird nachführend erläutert. Analyse • Situation/Bedingungen der Leistungserstellung • Anforderungen der Leistungsempfänger

Planung

Gestaltung • Kurzfristig: Anpassung der Leistung, Sanktionen • Langfristig: Anpassung des SLA (Review) • Service Level StandardControlling

Managementprozess für den Einsatz von Service Level Standards

• Service Level Standards • Konsequenzen der Nichteinhaltung • Mitwirkungspflichten

Kontrolle • Festlegung des Erhebungsinstrumentariums • Laufende Ermittlung der Ist-Werte der Service Level Standards

Abb. 3-3:

Managementprozess für den Einsatz von Service Level Standards als Steuerungsinstrument

Quelle:

Eigene Darstellung

3.1.3.1 Analyse für die Service Level Standards Erste Aufgabe in der Analysephase ist es, die Leistungssituation zu analysieren, in der die Dienstleistung erbracht wird und für die das SLA später gelten soll. Dafür sind Ziel und Zweck der Dienstleistung festzulegen, die Leistungsempfänger zu identifizieren und die zu erbringenden Leistungen, die Leistungserstellungsprozesse sowie die Schnittstellen zwischen Auftraggeber und Dienstleister zu definieren (u.a. Hiles 2000; Karten 2001). Die zweite Aufgabe ist die Analyse der Anforderungen der Leistungsempfänger. Diese sind mittels geeigneter Verfahren für die jeweilige Situation zu ermitteln. Sofern es relevant erscheint, sind dabei die Anforderungen verschiedener Leistungsempfänger zu unterscheiden.

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3 Service Level Standards

3.1.3.2 Planung für die Service Level Standards In der Phase der Planung sind die drei Hauptelemente der Steuerung mittels Service Level Standards zu planen: Die Planung der Service Level Standards erfolgt, indem auf Basis der Analyseergebnisse die relevanten Leistungsgrößen ausgewählt und die Sollvorgaben für diese bestimmt werden. Zusätzlich müssen die Konsequenzen ihrer Nichteinhaltung und die vom Unternehmen zu leistenden Mitwirkungspflichten geplant werden. Bei der Planung sind das unternehmerische Kerngeschäft sowie die mit der Dienstleistung verbundenen Ziele zu berücksichtigen. Diese sind dem Dienstleister im Rahmen der Abstimmung der geplanten Regelungen mit diesem zu verdeutlichen, um ein Verständnis der geplanten Service Level Standards zu erreichen (Hiles 1993; Karten 2001). 3.1.3.3 Kontrolle der Service Level Standards Die Einhaltung des SLA muss durch die kontinuierliche Kontrolle der Einhaltung der Service Level Standards überprüft werden (Mester/Schneider 2002, S. 2). Daher sind Prozesse zur Überwachung der Einhaltung der Service Level Standards zu schaffen und Mess- und Reportingsysteme aufzubauen (u.a. Hiles 1994, S. 15; Mester/Schneider 2002, S. 2; Sturm/Morris/Jander 2000, S. 13f.). Ziel der Kontrollphase ist es, die Ist-Werte der definierten Standards zu ermitteln, um diese dann mit den Sollvorgaben vergleichen zu können. Dafür ist ein Erhebungsinstrumentarium zu planen, d.h. unter anderem ist zu bestimmen, welche Daten von wem wie oft und mit welchen Methoden erhoben werden und ob die Daten automatisch generiert werden können (u.a. Fishman 2000, S. 14ff.; Hiles 1993, S. 41f. und 61f.; Høje 1982, S. 17). Zudem ist das Vorgehen bei der Ermittlung der Ist-Werte festzulegen. Dies betrifft u.a. die Festlegung der Länge der Kontrollzyklen, d.h. in welchen Zeitabständen die Messergebnisse jeweils zum Ist-Wert des Service Level Standards zusammengefasst werden. 3.1.3.4 Gestaltung bezüglich der Service Level Standards Während der Laufzeit des SLA sind kurzfristige und langfristige Gestaltungsaufgaben wahrzunehmen und ein Controlling durchzuführen: Die kurzfristige Gestaltung umfasst die Konsequenzen aus der laufenden Kontrolle der Einhaltung der Service Level Standards: Erstens muss überprüft werden, ob Ma-

3.1 Service Level Standards als Steuerungsinstrument

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luszahlungen fällig werden. Zweitens sind Maßnahmen für die notwendige Anpassung der Leistung abzuleiten. Dies betrifft vor allem die Anpassung der Leistung des Dienstleisters, aber auch die Anpassung der Bedingungen für die Leistungserstellung (v.a. die Mitwirkungspflichten des Unternehmens). Dabei sollten mögliche Probleme frühzeitig identifiziert werden, um im Idealfall schon vor dem Verfehlen des Service Level Standards Gegenmaßnahmen ergreifen zu können (Hiles 1993; Karten 2001). Ist es zu einer Nichteinhaltung gekommen, muss unverzüglich eine Verbesserung der Leistungserstellung vorgenommen werden, um die Einhaltung der Standards umgehend wieder sicherzustellen. Die langfristige Gestaltung beinhaltet, dass während der Laufzeit in größeren Zeitabständen die definierten Service Level Standards, die Sanktionen und Mitwirkungspflichten periodisch überprüft werden (Review). Dabei muss das SLA daraufhin analysiert werden, ob es noch angemessen ist, d.h. ob die Regelungen noch die situativen Bedingungen der Leistungserstellung und die Anforderungen der Leistungsempfänger sowie die Fähigkeiten des Dienstleisters widerspiegeln (Johnston/Clark 2001, S. 129; Karten 2001, S. 1.6). Ist dies nicht der Fall, muss eine Anpassung der Service Level Standards erfolgen. Dies schließt den Kreis zur Planung. Im Rahmen der Beziehung zwischen Unternehmen und Dienstleister wird dieser Zyklus u.U. mehrmals durchlaufen (Rujis 2002, S. 479f.). Bestandteil der Gestaltung ist es auch, ein Service Level Standard-Controlling vorzunehmen, indem eine Kosten-Nutzen-Betrachtung durchgeführt wird. Im Kapitel 3.1 wurde das grundlegende Verständnis von Service Level Standards als Steuerungsinstrument gegenüber externen Dienstleistern im Rahmen von SLAs erarbeitet. Wesentlich dabei war die Identifikation der drei Hauptelemente (Service Level Standards, Konsequenzen ihrer Nichteinhaltung und unternehmerische Mitwirkungspflichten) und der vier Phasen des Managementprozesses der Steuerung mittels Service Level Standards. Gegenstand des Kapitels 3.2 ist die Bestandsaufnahme und kritische Reflektion der herkömmlichen Anwendung von Service Level Standards zur Steuerung von Customer Care Centern.

3.2 Service Level Standards im Customer Care – Status Quo und Kritik Die Customer Care Zufriedenheit ist wesentliches Ziel der Leistungserbringung durch den Customer Care Dienstleister. Gängige Kennzahlen zur Steuerung von Customer

84

3 Service Level Standards

Care Centern sind allerdings hinsichtlich ihres Beitrags zum Erreichen des Ziels der Customer Care Zufriedenheit kritisch zu bewerten. 3.2.1 Maßgebliche Rolle von ACD-Kennzahlen in der Steuerung von Customer Care Centern Customer Care Center sind im Grunde genommen Call Center, wenn auch mit einem spezifischen Aufgabenschwerpunkt. Daher ist deren Steuerung stark an der von Call Centern orientiert, was vielfach zur unkritischen Übernahme der in Call Centern gebräuchlichen Kennzahlen führt. In Abb. 3-4 sind in Anlehnung an einschlägige Veröffentlichungen (u.a. Anton 1997; Böse/Flieger 1999, S. 213; Cleveland/Mayben 1997; Cleveland/Mayben/Greff 1998, S. 181f.; Feinberg et al. 2000; Menzler-Trott 2000, S. 204ff.; Schäfer 2001; Stauss/Seidel 2007; Tom/Burns/Zeng 1997; Wiencke/Koke 1999, S. 149ff.) gängige Kennzahlen zusammengestellt, getrennt nach ACD-Kennzahlen und weiteren Kennzahlen. Die Kennzahlen sind kurz erläutert und es wird zusätzlich knapp inhaltlich charakterisiert, welche Aspekte der Leistungserstellung die Kennzahlen bewerten.

Kennzahl

Erläuterung

Steuerungsinhalt

Servicelevel

Anteil der Anrufe, die innerhalb einer bestimmten Zeitspanne angenommen werden, an allen angebotenen17 Anrufen

Zugang der Kunden zum Center

Erreichbarkeitsquote

Anteil der angenommenen an den insgesamt angebotenen Anrufen

Zugang der Kunden zum Center

Blockierte Anrufe (Blocked Calls)

Anteil der Anrufe, bei denen Anrufer ein BeZugang der Kunden zum setztzeichen bekommen, an allen angebotenen Center Anrufen

Abbruchquote (Lost Calls)

Anteil der Anrufe, bei denen Kunden den Anrufversuch abgebrochen haben, an allen angebotenen Anrufen

ACD-Kennzahlen

17

Zugang der Kunden zum Center

Als „angebotene“ Anrufe werden alle Bemühungen von Kunden bezeichnet, das Center zu erreichen. Dazu gehören sowohl die Anrufe, bei denen Kunden mit einem Mitarbeiter sprechen als auch die Anrufe, bei denen die Anrufer ein Besetz- oder Freizeichen bekommen und auflegen.

3.2 Service Level Standards im Customer Care – Status Quo und Kritik

85

Durchschnittliche Antwortgeschwindigkeit (Average Speed of Answer, ASA),

Durchschnittliche Wartezeit bzw. Anzahl KlinZugang der Kunden zum geltöne bis zur Annahme der Anrufe, zusätzCenter lich: - Wartezeit von Eingang in Telefonanlage bis Begrüßung durch Mitarbeiter - Annahmezeit des Mitarbeiters (Erstes Klingelzeichen bis Begrüßung) - Wartezeit in Warteschlange - Anzahl Anrufer in Warteschlange und Aufleger in Warteschlange

Weiterleitungs- und Rückfragequote

Anteil der internen und externen ACDVerbindungen (für Weiterleitungen und Rückfragen)

Bearbeitung/ Fachkompetenz

Erstlösequote

Anteil der Anrufe, bei denen das Anliegen sofort gelöst werden kann, an allen angenommenen Anrufen (in der ACD-Anlage messbar dadurch, ob innerhalb einer zu definierenden Zeitspanne ein erneuter Anruf von derselben Rufnummer erfolgt)

Bearbeitung/ Fachkompetenz

Auslastung der Mitarbeiter

Verhältnis zwischen der Zeit, in der die Mitarbeiter mit Gesprächen beschäftigt sind zu der Zeit, in der sie auf die Entgegennahme von Anrufen warten

Auslastung der Mitarbeiter

Anwesenheit am Arbeitsplatz

Anzahl der Mitarbeiter in verschiedenen LoginStati (nicht bereit, abwesend, bereit, u.a.)

Auslastung der Mitarbeiter

Angebotene Gespräche

Alle Anrufversuche von Kunden (inkl. Anrufe, die Besetztzeichen bekommen, Aufleger und tatsächlich geführte Gespräche)

Auslastung der Mitarbeiter

Anzahl der geführten Gespräche

Durch Mitarbeiter tatsächlich geführte Gespräche

Auslastung der Mitarbeiters

Gespräche pro Stunde

Anzahl der Gespräche, die von Mitarbeitern pro Stunde geführt werden

Auslastung der Mitarbeiter

Durchschnittliche Bearbeitungsdauer/Anrufdauer

Durchschnittliche Gesamtdauer der Bearbeitung von Anrufen, inkl. Gesprächsdauer und Nachbearbeitungsdauer (evtl. anliegenspezifisch)

Auslastung der Mitarbeiter

Durchschnittliche Gesprächsdauer (evtl. getrennt nach Anliegen)

Zeit, die Mitarbeiter durchschnittlich in Gesprächen mit Kunden verbringen

Auslastung der Mitarbeiter

Durchschnittliche Nachbearbeitungsdauer (evtl. getrennt nach Anliegen)

Zeit, die Mitarbeiter durchschnittlich auf die Nachbearbeitung von Gesprächen verwenden

Auslastung der Mitarbeiter

Anteil der pro Anruf/Mitarbeiter/Team anfallenden Kosten an den Gesamtkosten

Kosten

Weitere Kennzahlen Kosten pro Anruf/pro Mitarbeiter/pro Team

86

3 Service Level Standards

Zahl der Klingeltöne

Anzahl der Klingeltöne bis zur Anrufannahme

Zugang der Kunden zum Center

Ausmaß der fachlichen Kompetenz

Fachwissen der Mitarbeiter, gemessen bspw. durch Kenntnis festgelegter Antworten auf bestimmte Anfragen

Fachkompetenz der Mitarbeiter

Ausmaß der Gesprächsführungs-/ Kommunikationsfähigkeiten

Fähigkeit der Mitarbeiter zur Gesprächsführung, gemessen bspw. durch richtige Verwendung von Begrüßungsformeln

Kommunikative Kompetenz der Mitarbeiter

Kundenzufriedenheit

Zufriedenheit der Anrufer mit dem Kontakt

Kundenzufriedenheit

Abb. 3-4: Quelle:

Wesentliche Kennzahlen in der bestehenden Steuerung von Customer Care Centern Eigene Darstellung, in Anlehnung an die genannte Literatur

Einigkeit herrscht darüber, dass die Mehrzahl der in Customer Care Centern erfassten und genutzten Standards ACD-Kennzahlen sind, die von der ACD-Anlage automatisch erfasst werden (u.a. Anton 1997; Hauser/Katz 1998, S. 520; Mandelbaum 2001, S. 6; Strawe 2002, S. 40). Diese ACD-Kennzahlen betreffen vor allem den Zugang zum Center und die Auslastung der Mitarbeiter. So wird die Kennzahl Servicelevel bzw. die Erreichbarkeitsquote (Zugang) in fast allen Centern verwendet und die Kennzahl „Anrufe pro Stunde“ (Auslastung) ist eine traditionell bevorzugte und fast überall eingesetzte Maßgröße (Cleveland/Mayben/Greff 1998, S. 196). Dass die ACD-Kennzahlen in der unternehmerischen Praxis die Beurteilung der Leistung und die Steuerung von Call- und Customer Care Center dominieren (Strawe 2002a, S. 40), wird hauptsächlich wie folgt begründet: Da ACD-Kennzahlen von der ACDAnlage automatisch erfasst und bereitgestellt werden, sind sie einfach zu messen (Fry 2004; Grävemeyer 2004, S. 82; McIntosh 2003, S. 4; o.V. 2004, S. 29). Aufgrunddessen werden sie zudem als zuverlässig bzw. objektiv angesehen (Fry 2004). Darüber hinaus sind diese Kennzahlen relativ leicht verständlich, was sie für den Einsatz zur Steuerung des Mitarbeiterverhaltens im Tagesgeschäft geeignet erscheinen lässt.18 Feinberg et al. (2000, S. 139) äußern dazu, dass die Bedeutung der ACD-Kennzahlen („operational determinants“) eher historisch aufgrund ihrer Messbarkeit gewachsen ist als aufgrund ihrer Bedeutung für die Qualitätswahrnehmung durch die Kunden. Grävemeyer (2004, S. 82) fasst dies prägnant zusammen: „Überraschenderweise werden viele Contact Center überwiegend nach Maßgabe technischer Kenndaten geführt“. Eine geringere Rolle spielen weitere Kennzahlen. Dazu gehören kostenbezogene Kennzahlen (z.B. Kosten pro Anruf/pro Mitarbeiter/pro Team), Kennzahlen der Zu-

18

Die Fülle der ACD-Kennzahlen ist problematisch, da meist mehr Kennzahlen generiert werden, als für die Steuerung sinnvoll und tatsächlich handhabbar sind (o.V. 2004, S. 29).

3.2 Service Level Standards im Customer Care – Status Quo und Kritik

87

gänglichkeit, fachlichen und kommunikativen Qualität, die durch stichprobenartige Mystery Calls (Testanrufe) oder durch Gesprächsbewertungen von Trainern bzw. Vorgesetzten erhoben werden und die Kundenzufriedenheit. 3.2.2 Wesentliche Kritikpunkte an herkömmlichen Service Level Standards für die Steuerung von Customer Care Centern Mit Service Level Standards, die auf diesen herkömmlichen Kennzahlen basieren, wird der Steuerung der Customer Care Center eine spezifische Ausrichtung gegeben. 3.2.2.1 Negative Folgen der Ausrichtung der Steuerung des Customer Care Centers auf Produktivität und technisch-objektive Qualität 3.2.2.1.1 Ausrichtung der Steuerung auf Produktivität und technisch-objektive Qualität durch die ACD-Kennzahlen Abhängig von der Art der verwendeten Kennzahl erfolgt eine Leistungsbewertung und -steuerung des Customer Care Centers unter verschiedenen Gesichtspunkten. Es werden Produktivitätskennzahlen sowie objektive und subjektive Qualitätskennzahlen unterschieden (Stauss/Seidel 2007). -

Produktivitätskennzahlen messen die Effizienz der Leistungserstellung, indem sie deren Input- und Outputgrößen zueinander in Bezug setzen (Stauss/Seidel 2007, S. 351).

-

Objektive Qualitätskennzahlen zielen im Gegensatz zu Produktivitätskennzahlen zwar auf die Qualität des Leistungsergebnisses ab, konkretisieren dieses aber unabhängig vom Urteil der Kunden (Stauss/Seidel 2007, S. 328). „Objektiv“ bedeutet eine möglichst wertfreie, neutrale, sachliche und unvoreingenommene und damit intersubjektiv überprüfbare Qualitätsbewertung mithilfe neutraler Personen oder objektiver Indikatoren (Siefke 1998, S. 104).

-

Subjektive Qualitätskennzahlen beziehen sich wie objektive Qualitätskennzahlen auf das Ergebnis der Leistungserstellung. Sie beruhen aber auf dem subjektiven Zufriedenheitsurteil der Kunden (Stauss/Seidel 2007, S. 328). Im Gegensatz zu objektiven Verfahren messen „subjektive“ Verfahren die individuelle, subjektive Beurteilung durch unterschiedliche Personen (u.a. Siefke 1998, S. 104f.).

88

3 Service Level Standards

Die vorgestellten Kennzahlen (siehe Abb. 3-4) sollen nachfolgend diesen Kategorien von Kennzahlen zugeordnet werden, wobei eine zusätzliche Kategorie eingeführt wird (siehe Abb. 3-5):19 Produktivitätskennzahlen

Technisch-objektive Qualitätskennzahlen

Objektive Qualitätskennzahlen

Subjektive Qualitätskennzahlen

- Auslastung der Mitarbeiter - Anwesenheit am Arbeitsplatz - Angebotene Gespräche - Anzahl der geführten Gespräche - Gespräche pro Stunde - Durchschnittliche Bearbeitungsdauer/Anrufdauer - Durchschnittliche Gesprächsdauer - Durchschnittliche Nachbearbeitungsdauer

- Servicelevel - Erreichbarkeitsquote - Blockierte Anrufe (Blocked Calls) - Abbruchquote (Lost Calls) - Durchschnittliche Antwortgeschwindigkeit („Average Speed of answer, ASA“), - Weiterleitungs- und Rückfragequote - Erstlösequote

- Ausmaß der fachlichen Kompetenz - Ausmaß der Gesprächsführungs-/ Kommunikationsfähigkeiten - Anzahl der wahrgenommenen Klingeltöne

- Kundenzufriedenheit z.B. mit Erreichbarkeit, Fachkompetenz, Gesprächsführung/ Kommunikation

ACD-Kennzahlen

Abb. 3-5: Quelle:

Einordnung der Kennzahlen der Steuerung von Customer Care Centern als Produktivitäts-, technisch-objektive, objektive und subjektive Qualitätskennzahlen Eigene Darstellung

- Die ACD-Kennzahlen der Auslastung sind den Produktivitätskennzahlen zuzurechnen, da sie zeitliche und personelle Input- und Outputgrößen erfassen. - Die ACD-Kennzahlen für den Zugang zum Center messen objektiv bewertbare Bestandteile des Leistungsergebnisses. Deswegen sind sie grundsätzlich den objektiven Qualitätskennzahlen zuzuordnen. Da sie aber durch die ACD-Anlage erfasst werden, bilden sie die objektive Qualität aus einer eher technischen Sicht ab. Sie sind deswegen mit ähnlichen Problemen verbunden, wie die anderen ACDKennzahlen. Um die unten folgende Bewertung aller im Customer Care Center verwendeten Kennzahlen klarer vornehmen zu können, sollen diese ACDKennzahlen des Zugangs von den anderen objektiven Qualitätskennzahlen unterschieden werden, indem eine eigene, zusätzliche Kategorie eingeführt wird, die technisch-objektiven Qualitätskennzahlen. - Die weiteren, nicht von der ACD-Anlage erfassten, Kennzahlen der Fach- und kommunikativen Kompetenz sowie der Zugänglichkeit bilden die Qualität des Leistungsergebnisses ab und sind dabei nicht auf eine technische Perspektive be-

19

Die Kostenkennzahlen werden nicht weiter betrachtet, da vor allem die Aspekte bzgl. der Leistung der Customer Care Center herausgearbeitet werden sollen.

3.2 Service Level Standards im Customer Care – Status Quo und Kritik

89

schränkt, messen aber v.a. objektiv bewertbare Sachverhalte (z.B. wie viele Klingeltöne bis zur Annahme des Gesprächs ertönen, welche Begrüßungs- und Verabschiedungsformeln verwendet werden und wie bestimmte Fragen inhaltlich beantwortet werden). Sie sind daher objektive Qualitätskennzahlen. - Die Kundenzufriedenheit ist eine subjektive Qualitätskennzahl, da sie die Meinung tatsächlicher Kunden erfasst. Da für die Steuerung von Customer Care Centern vor allem ACD-Kennzahlen herangezogen werden, wird damit die Steuerung vor allem auf Produktivität und technisch-objektive Qualität ausgerichtet. Die objektive Qualität und insbesondere die subjektive Qualität spielen eine geringere Rolle. Dies muss im Hinblick auf das Ziel des Einsatzes von Customer Care Centern kritisch bewertet werden. 3.2.2.1.2 Probleme der Ausrichtung auf Produktivität und technisch-objektive Qualität Als wesentliche Zielgröße der Steuerung von Customer Care Centern wurde die Customer Care Zufriedenheit identifiziert. Vor dem Hintergrund, dass dies eine subjektive Größe ist, ergeben sich wesentliche Probleme an den bestehenden Steuerungskennzahlen für Customer Care Center: Das erste Problem ist die durch die gängigen Kennzahlen ausgelöste Beschränkung auf bestimmte Teilaspekte der Customer Care Leistung bei der Steuerung. Bei ACD-Kennzahlen werden stärker subjektiv geprägte Leistungsaspekte der Customer Care Kontakte, z.B. wie freundlich bzw. zuvorkommend der Kunde vom Mitarbeiter behandelt wurde, gar nicht oder kaum erfasst und damit auch nicht steuerbar (Cleveland/Mayben/Greff 1998, S. 43). Diese Kritik wird beim Einsatz der weiteren objektiven Qualitätskennzahlen (z.B. Fachkompetenz im Sinne richtiger Antworten) etwas entschärft. Das zweite Problem ist die Vernachlässigung der Sicht der Kunden. Das grundsätzliche Problem der Produktivitäts- und technisch-objektiven, aber auch der objektiven Qualitätsstandards ist, dass diese das subjektive Kundenurteil nur ungenügend wiedergeben. Sie erlauben im Wesentlichen eine „mechanistische“ Sicht und sind eine anbieterseitige Beurteilung der Leistung des Customer Care Centers. Zu einem Problem wird dies, da nicht davon auszugehen ist, dass die Verantwortlichen in Unternehmen Kundenerwartungen und -urteile richtig einschätzen (Stauss 1991a, S. 17) und entsprechend die Kennzahlen auswählen, die Kundenurteile erfassbar machen würden. Die Relevanz dieses Problems ist in der Literatur unumstritten (Haf-

90

3 Service Level Standards

ner 2001, S. 108; Stauss 1991a, S. 17; Wiencke/Koke 1999, S. 60ff.; Zeithaml/Parasuraman/Berry 1988). Für die ACD-Kennzahlen konnten Feinberg et al. (2000) in einer Studie empirisch bestätigen, dass keine der getesteten gängigen ACD-Kennzahlen einen wirklich signifikanten Einfluss auf die Zufriedenheit der Anrufer hatte. Gerade gängige Kennzahlen wie Servicelevel und durchschnittliche Gesprächsdauer können trotz ihres angenommenen Einflusses auf das Kundenurteil nur wenig über den Gesprächseindruck oder die Erfahrungen des Anrufers aussagen (Grävemeyer 2004, S. 82; McIntosh 2003, S. 5; o.V. 2004, S. 29; Strawe 2002, S. 40). Auch die oben angesprochenen weiteren objektiven Qualitätskennzahlen, z.B. Fachkompetenz, abgeprüft durch Anteil richtiger Antworten, repräsentieren nur ungenügend das subjektive Zufriedenheitsurteil der Kunden über die Leistung des Customer Care Centers, denn die in „objektiven“ Verfahren wie Mystery Calling und Gesprächsmonitoring erfassten Kennzahlen können die subjektive Sicht nicht ersetzen: Testanrufer werden zwar möglicherweise gebeten, sich in die Rolle eines Kunden hineinzuversetzen, es handelt sich dabei aber letztendlich doch nicht um „echte“ Kunden. Und bei der Gesprächsaufzeichnung werden zwar reale Kundengespräche bewertet, aber nicht durch Kunden selbst, sondern durch unternehmensinterne Trainer oder Trainer beim Dienstleister. Entsprechend stellt Woratschek (2005, S. 277) fest, dass es sich hierbei letztlich um eine Erhebung der Kundenzufriedenheit aus Unternehmenssicht handelt, denn das Unternehmen selbst legt die Erhebungskriterien fest und überprüft diese teilweise mit Hilfe weiterer Dienstleister. Woratschek (2005, S. 277) bezeichnet dies auch als „simulierte“ Kundensicht, im Gegensatz zur „originären“ Kundensicht, die nur durch die tatsächliche Erhebung der Zufriedenheit gewonnen werden kann (Woratschek 2005, S. 277). Durch den starken Fokus auf Produktivität und (technisch-)objektive Qualität werden demnach zwar vermeintlich genaue Kennzahlen gemessen, die aber nicht die Wahrnehmung des Customer Care Kontakts aus Kundensicht abbilden (Hauser/Katz 1998, S. 520; Schrick 2000, S. 477). Die Folge ist, dass für Unternehmen das Ausmaß der Kundenzufriedenheit nicht abschätzbar ist und dass damit auch nur eingeschränkte Steuerungsmöglichkeiten für die Customer Care Zufriedenheit bestehen. Dieses Phänomen zeigte Dawson (2004) in einer empirischen Studie: Diese ergab, dass die Einschätzung der Zufriedenheit der Anrufer durch das Unternehmen und die Selbsteinschätzung der Kunden stark voneinander abweichen: Call Center Dienstleister nehmen an, dass 65% der Kunden nach einem Anruf sehr zufrieden sind und Call Center Mitarbeiter nehmen an, dass 56% der Kunden sehr zufrieden sind. Allerdings teilen diese Einschätzung nur 22% der Kunden. Diese Abweichung ist sogar noch auffälliger im Fall von Unzufriedenheit: Call Center

3.2 Service Level Standards im Customer Care – Status Quo und Kritik

91

Dienstleister und Mitarbeiter denken, dass nur 2% der Kunden nicht sehr zufrieden sind, während dies auf 29% der Privatkunden und 36% der Geschäftskunden zutrifft. Die Zufriedenheit wird also überschätzt, während die Unzufriedenheit unterschätzt wird. Das dritte Problem geht darüber hinaus, dass die Zufriedenheit der Anrufer nicht oder nicht in allen Facetten steuerbar wird: Die nicht-adäquate Wahl von Steuerungskennzahlen im Customer Care kann im Endeffekt negative Effekte auf die Customer Care Zufriedenheit haben. Da sich die Kennzahlen über die daran gekoppelte Vergütung des Dienstleister direkt auf das Verhalten im Center auswirken (Dangelmaier et al. 2004), rückt bei einer Konzentration auf Produktivität das Ziel in den Mittelpunkt, die Kontaktdauer und damit die Kosten der Kundenbetreuung möglichst zu minimieren (de Ruyter/Wetzels 2000, S. 282). Die Konsequenz ist, dass ein Verhalten des Dienstleisters gefördert wird, dass dem Erreichen der Customer Care Ziele abträglich ist. Die Steuerungsmechanismen wirken also kontraproduktiv (u.a. o.V. 1995; Gilmore 2001, S. 158; Hauser/Katz 1998, S. 522; McIntosh 2003, S. 7; Stauss/Seidel 2007, S. 511). Kerr (1975, 1995) beschreibt dieses Phänomen sehr treffend in einem Artikel mit dem Titel „On the Folly of Rewarding A, While Hoping for B“. Im Management werden dadurch die Ressourcen, die für die Steuerung vorhanden sind, in falsche Bahnen gelenkt. Dies betrifft vor allem die enorme Zeit im Umgang mit der Vielzahl an Produktivitätskennzahlen. Dazu kommen Probleme auf Mitarbeiterebene. Zum einen orientieren sich die Agents eher an den Produktivitätsvorgaben, wenn sowohl Produktivitätsstandards als auch Ziele wie Kundenzufriedenheit und Qualität der Anrufe propagiert werden (Singh 2000). Die Gefahr liegt dann darin, dass Kundenkontakte als schnell abzuwickelnde „Transaktionen“ gesehen und die Kunden beim Anruf entsprechend behandelt werden (McIntosh 2003, S. 7). Zusätzlich werden Mitarbeiter durch Produktivitätskennzahlen stark unter Druck gesetzt (Gilmore 2001, S. 158). Daraus können Burnout-Effekte resultieren (Singh 2000). Die Folgerung daraus ist, dass eine vorrangig an Produktivitätskennziffern ausgerichtete Steuerung zu Lasten der Qualität gehen kann (Cleveland/Mayben/Greff 1998, S. 196; S. 200; Hauser/Katz 1998, S. 520; Kohstall/Lauterbach/Lüdeke 2002, S. 9; Kordupleski/Rust/Zahorik 1993; McIntosh 2003, S. 6; Menzler-Trott 2000; Singh 2000; Stauss/Seidel 2007, S. 352). Der signifikant negative Zusammenhang zwischen Produktivität und Kundenzufriedenheit wurde in empirischen Studien im Dienstleistungsbereich auch nachgewiesen (Anderson/Fornell/Rust 1997). Zum anderen ist es schwerer, Mitarbeiter mit Kompetenzen zu einem professionellen Umgang mit den Kunden zu gewinnen und zu halten, da diese Kompetenzen kaum geschätzt oder vergütet werden (McIntosh 2003, S. 7).

92

3 Service Level Standards

Den Produktivitäts- und technisch-objektiven Qualitätsstandards soll bei aller Kritik nicht die Bedeutung für die Steuerung von Customer Care Center vor allem im Tagesgeschäft abgesprochen werden, insbesondere für den Zugang zum Center: Aufgrund ihrer automatisierbaren Erfassung sind die Kennzahlen vor allem für das interne Qualitätsmanagement eines Customer Care Dienstleisters sehr nützlich (u.a. McIntosh 2003). Da interne Qualität Voraussetzung einer exzellenten externen Leistung ist (Brasse/Langhoff 2003), haben auch Produktivitäts- und objektive Qualitätskennzahlen Einfluss auf die Customer Care Zufriedenheit. Sie können aber die individuelle Erfassung und Steuerung der Zufriedenheit nicht ersetzen. Zwar wurden die mit der Bevorzugung von ACD-Kennzahlen einhergehenden Gefahren in der Literatur und Praxis teilweise erkannt. Verwiesen sei hier auf die Call Center Balanced Scorecard von CCBenchmarks e.V.20 (Bochberg 2002; Brützel 2002, S. 24f.; Stockmann 2003, S. 38; Strawe 2002, S. 40f.). Diese enthält die Dimension „quantitative und qualitative Servicequalität“ und ist damit ein erster Versuch, die vom Anrufer subjektiv wahrgenommene Qualität systematisch in die Beurteilung des Centers einzubeziehen. Allerdings ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Scorecard wirklich in der Praxis Verbreitung gefunden hat, zudem ist sie allgemein für Call Center und nicht für Customer Care Center formuliert. Trotz teilweiser Anstrengungen ist deshalb die grundsätzliche Tendenz zur mangelnden Einbeziehung von Customer Care Zufriedenheit in die Steuerung festzustellen. Zusammenfassend kann die vorliegende Situation wie folgt beschrieben werden: Es wurden in Wissenschaft und Praxis bislang wenige Standards für Customer Care Center formuliert, die konkrete Vorstellungen der Kunden berücksichtigen (Hafner 2001, S. 108f.). Damit mangelt es an einem Instrumentarium für die Bewertung der Leistung von Customer Care Dienstleistern aus Kundensicht (Grävemeyer 2004, S. 82). Selbst in dem Fall, dass Customer Care Zufriedenheit zur Steuerung genutzt wird, gibt es oft praktische Defizite in der Anwendung.

20

Der Verein CCBenchmarks e.V. wurde im Januar 2002 in Düsseldorf von verschiedenen Firmen gegründet. Die Entwicklung der CCBenchmarks-Balanced Scorecard basierte auf den Ergebnissen der Analyse der Controlling- und Reporting-Systeme verschiedener Call Center im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes „FREQUENZ – Personalmanagement im Call Center“ (Projektzeitraum 2000-2002).

3.2 Service Level Standards im Customer Care – Status Quo und Kritik

93

3.2.2.2 Zusätzliche praktische Defizite bei der Verwendung von Kundenzufriedenheitskennzahlen im Customer Care Probleme bei der Verwendung von Kundenzufriedenheitskennzahlen in der Praxis beziehen sich zum einen auf die Messung der Zufriedenheit und zum anderen auf die Nutzung der Messergebnisse für die Steuerung: Die Messung der Kundenzufriedenheit ist Voraussetzung der Nutzung der Kennzahlen zur Steuerung. Während ACD-Kennzahlen im Center automatisch von der ACDAnlage erfasst werden, müssen Kundenzufriedenheitswerte eigens erhoben werden. Die Messung der Kundenzufriedenheit weist allerdings Mängel auf: So ergab die Merchants-Studie 2006, dass nur 64% aller Center Kundenzufriedenheit messen (o.V. 2006a) und eine Studie von CCBenchmarks zum Performancemanagement in Contact Centern bestätigt dieses Ergebnis (Schmidt 2004). Trotz der ausdrücklichen Lippenbekenntnisse zur Bedeutung der Zufriedenheit der Anrufer wird diese also von mehr als einem Drittel der Center gar nicht erfasst. Dass die Kundenzufriedenheit mit den Customer Care Kontakten sporadisch und ad hoc sowie mit relativ hohem Abstraktionsniveau gemessen wird, wird in der Praxis als Problem im Customer Care bereich gesehen (Expertengespräche 4, 7, 10). Dieses Phänomen ist plausibel, wenn man Resultate aus einer allgemeineren Studie zum Zufriedenheitsmanagement in Deutschland betrachtet (Stauss/Dornach/Coenen 2006). Die Studie ergab, dass Kundenzufriedenheitsbefragungen vor allem jährlich durchgeführt werden (40%, im Vergleich zu 11% monatlichen Befragungen) und dabei mehrheitlich ad hoc. Aus der beschriebenen Herangehensweise an die Messung resultiert das Problem, dass aus einer globalen Zufriedenheitsbewertung des Customer Care Kontakts höchstens allgemeine Trends abgelesen werden können, sich daraus aber keinerlei differenzierte Erkenntnisse hinsichtlich der Zufriedenheit der Anrufer mit einzelnen Aspekten des Customer Care Kontakts ziehen lassen. Findet die Messung darüber hinaus in relativ großen Zeitabständen statt, wird die Datenbasis für eventuelle Steuerungsmaßnahmen weiter geschwächt. Die Nutzung der Kundenzufriedenheits-Messergebnisse – sofern diese vorliegen – zur Steuerung des Customer Care Centers erscheint auch unzureichend. Aus den Expertengesprächen ergab sich, dass die Anruferzufriedenheit aktuell kaum zu einem vergütungsrelevanten Bestandteil des SLA mit dem Customer Care Dienstleister gemacht wird (Expertengespräche 2,3, 4, 5, 6, 9, 10, 12, 15). Auch diese Tendenz zur mangelnden Nutzung von Zufriedenheitswerten zur Steuerung ex-

94

3 Service Level Standards

terner Dienstleister zeigt sich in der Studie zum Zufriedenheitsmanagement von Stauss/Dornach/Coenen (2006): Nur 11% der Unternehmen gaben an, Zufriedenheitswerte für die Steuerung externer Dienstleister zu verwenden. In Kapitel 3.2 wurden Defizite in der Berücksichtigung der Customer Care Zufriedenheit bei der Steuerung von Customer Care Dienstleistern identifiziert: Durch den Fokus auf ACD-Kennzahlen wird die Customer Care Zufriedenheit in der Steuerung vernachlässigt und es können überdies negative Effekte auf die Customer Care Zufriedenheit resultieren. Zudem erfolgen nur eine ungenügende Erfassung der Zufriedenheit sowie eine lediglich geringe Nutzung von Zufriedenheitswerten für die Steuerung externer Customer Care Dienstleister. In Kapitel 3.3 erfolgt als Schlussfolgerung daraus die Forderung von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care.

3.3 Forderung von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care und Vorschlag der Entwicklung eines Konzepts Die Steuerung des Customer Care Centers muss systematisch und konsequent auf das Ziel des Einsatzes des Customer Care Centers – Customer Care Zufriedenheit zu erreichen – ausgerichtet werden. Die notwendigen Konsequenzen werden im Folgenden dargestellt. 3.3.1 Konzeptentwicklung für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care als Ziel der Arbeit und Erkenntnisbeitrag Damit die Customer Care Zufriedenheit in der Steuerung des Customer Care Dienstleisters steuerungsrelevant wird, muss die Vergütung des Customer Care Dienstleisters vom Erreichen von Customer Care Zufriedenheit abhängen. Zugleich sind in der Steuerung von Customer Care Centern ausreichend detaillierte Kundenzufriedenheitswerte einzusetzen, um eine Steuerung verschiedener Aspekte der Customer Care Zufriedenheit zu ermöglichen. Abb. 3-6 zeigt den anvisierten Zielbereich.

3.3 Zufriedenheits-Service Level Standards für Customer Care

Betrachtung der Zufriedenheit mit verschiedenen Aspekten der Customer Care Leistung

95

Zielbereich

Beschränkung der Betrachtung auf die Customer Care Gesamtzufriedenheit

Keine Relevanz von Zufriedenheitszielen für die Vergütung

Abb. 3-6: Quelle:

Relevanz von Zufriedenheitszielen für die Vergütung

Angestrebte Rolle der Customer Care Zufriedenheit bei der Steuerung von Customer Care Centern Eigene Darstellung

Um dies zu erreichen, wird in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagen, auf das Steuerungsinstrumentarium „Service Level Standards“ zurückzugreifen, allerdings mit der Neuerung, dass Zufriedenheits-Service Level Standards vereinbart werden (siehe Abb. 3-7). Nur dann kann der Dienstleister im Hinblick auf das Erreichen von Zufriedenheitszielen gesteuert werden.

Customer Care Zufriedenheit als Zielgröße im Customer Care

Steuerungsinstrument „Service Level Standards“

Zufriedenheits-Service Level Standards als Steuerungsinstrument im Customer Care

Abb. 3-7:

Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards als Konsequenz aus der Zusammenführung des Ziels „Customer Care Zufriedenheit“ und des Steuerungsinstruments „Service Level Standards“

Quelle:

Eigene Darstellung

Die vorliegende Arbeit verbindet damit die Forderung nach Customer Care Zufriedenheit als Steuerungsgröße für Customer Care Dienstleister mit dem Steuerungsin-

96

3 Service Level Standards

strumentarium Service Level Standards. Damit leistet sie in zweierlei Hinsicht einen Beitrag zur Aufarbeitung theoretischer und praktischer Defizite. -

Zum einen wird in der Customer Care Literatur die Forderung nach zufriedenheitsorientierter Steuerung des Customer Care zwar unterstützt. So fordert Monger (2004, o.S.) eine stärkere Berücksichtigung von Zufriedenheitsgrößen anstatt nur der herkömmlichen Service Level Standards in der Steuerung des Customer Care: „…If your customers are not satisfied all of those metrics are meaningless”. Ähnlich argumentieren Feinberg et al. (2000, S. 140): „Measure the reason why the thing was created“, denn „no amount of measuring speed of answer, abandonment rates etc. can take the place of knowing, tracking, and strategically considering how satisfied the callers were with their experience and outcome in the call center experience“. (u.a. Feinberg et al. 2000; Monger 2004). Allerdings finden sich nur wenige konkrete Ansatzpunkte dafür.

-

Zum anderen wird mit der Empfehlung, Zufriedenheits-Service Level Standards zu formulieren, auch ein Defizit in der Literatur und Praxis der Steuerung mittels SLAs behoben. Bisher ist die Verwendung einer in hohem Maße subjektiven Größe in einem SLA in der einschlägigen Literatur zu SLAs und Service Level Management sowie der unternehmerischen SLA-Praxis wenig verbreitet bzw. es bestehen teilweise sogar große Vorbehalte: Erstens findet aufgrund des Ursprungs von SLAs im IT-Bereich oft eine Fokussierung auf quantitative und technisch erfassbare Sachverhalte statt. Dies äußert sich u.a. darin, dass Service Level Standards üblicherweise für Leistungsgrößen wie Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Reaktionszeiten eines Systems empfohlen und auch definiert werden (Gensch/Löhmann 2001, S. 35f.; Hiles 1993, S. 6f. und S. 16; Hiles 1994, S. 15; Larson 1998, S. 130f.; Schrey 2000, S. 159f.; Sturm/Morris/Jander 2000, S. 22ff.). Zweitens ist vor diesem Hintergrund auch die teilweise in der Literatur vertretene Ablehnung von (End-)Kundenzufriedenheit als Service Level Standard zu sehen, wie z.B. durch Burr (2002a, S. 140; 2002b, S. 520; 2006), der argumentiert, dass sich wesentliche Aspekte der Dienstleistungsqualität aufgrund ihrer subjektiven Natur (der starken Prägung durch persönliche Einstellungen, Charakter und Erwartungen bzw. bisherige Erfahrungen), der Quantifizierung innerhalb eines SLA entzögen. Selbst wenn Kundenzufriedenheit von einigen Autoren zu SLAs als wichtige Zielgröße verstanden wird (siehe u.a. Ellis/Kauferstein 2004, u.a. S. 25ff., S. 41ff., S. 49ff.; Larson 1998, S. 131), beziehen die genannten Autoren das hauptsächlich auf die Zufriedenheit des auftraggebenden Unternehmens.

3.3 Zufriedenheits-Service Level Standards für Customer Care

97

Die Arbeit zeigt daher für die Perspektive des Customer Care, wie eine zufriedenheitsorientierte Customer Care Steuerung stattfinden kann. Gleichzeitig wird ein Erkenntnisgewinn für das Themengebiet der Service Level Standards/SLAs geschaffen, indem diskutiert wird, inwieweit eine subjektive Größe als Service Level Standard formuliert und die Zufriedenheit externer Kunden zum Gegenstand eines SLA zwischen dem Auftraggeberunternehmen und dem Dienstleister gemacht werden kann. Ziel der weiteren Arbeit ist die Entwicklung eines aus Unternehmenssicht umfassenden Konzepts zur Steuerung des Customer Care Dienstleisters mittels Zufriedenheits-Service Level Standards. Damit soll die Bearbeitung der dem Customer Care Dienstleister übertragenen Kundenkontakte einer zufriedenheitsorientierten Steuerung zugänglich gemacht werden. Der konsequente Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards ist eine grundlegende Neuerung in der Steuerung des Customer Care. Daher muss in dieser Arbeit überprüft werden, inwieweit Zufriedenheitsgrößen als Service Level Standards in SLAs zur Steuerung externer Customer Care Center Dienstleister sinnvoll einsetzbar sind. Dafür ist es notwendig, Anforderungskriterien zu formulieren, anhand derer eine solche Überprüfung vorgenommen werden kann. 3.3.2 Erarbeitung von Anforderungskriterien an Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care Um relevante Anforderungskriterien an Zufriedenheits-Service Level Standards zu identifizieren, wurde auf folgende wesentliche Erkenntnisquellen zurückgegriffen. -

Anforderungen an Service Level Standards aus der allgemeinen Literatur zu SLAs21 (u.a. Berger 2005, S. 105ff.; Bernhard 2003; Boger 2004; Dangelmaier et al. 2004; Hiles 2000; Karten 2001; Marlière 2003; Sturm 1997, S. 11-12; Sturm/Morris/Jander 2000).

-

Allgemeine Anforderungen an Kennzahlen und Kennzahlensysteme aus der einschlägigen Literatur, die übertragen werden können, da Zufriedenheits-Service Level Standards Kennzahlen sind (u.a. Brown 1997; Fieten 1981, S. 24; Hom-

21

Diese Anforderungen greifen damit auch auf die grundlegenden Ausführungen zu Service Level Standards in Kapitel 3.1 zurück.

98

3 Service Level Standards

burg/Werner 1998, S. 121; Horvath 1983; Kaplan/Norton 1997; Meyer 2005; Reichmann/Lachnit 1976). -

Anforderungen an die Ausgestaltung von Zielvereinbarungen und variablen, v.a. kundenorientierten, Vergütungssystemen (u.a. Eyer/Haussmann 2005; Homburg/Jensen 1998; Homburg/Jensen 2000; Jensen 2006) sowie kundenorientierten Anreizsystemen (Lehmkühler 2001) gegenüber Mitarbeitern des eigenen Unternehmens.

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Anforderungen aus der Literatur zum Controlling von Kundenzufriedenheit (u.a. Weber 2006).

-

Erkenntnisse aus den Expertengesprächen zu Bedingungen einer Steuerung mit Service Level Standards im Customer Care Center.

Basierend auf diesen Erkenntnisquellen wurden Anforderungskriterien an Zufriedenheits-Service Level Standards erarbeitet. Dabei konnten die in den Quellen enthaltenen Anforderungen an Service Level Standards bzw. Kennzahlen allerdings nicht eins zu eins übernommen werden, da sie im Kontext anderer Einsatzbedingungen formuliert wurden, z.B. der stark quantitative Bezug, insbesondere in der SLALiteratur, teilweise auch zu unspezifisch waren, insbesondere die allgemeine Literatur zu Kennzahlen, oder auf die Steuerung einzelner Mitarbeiter und nicht gesamter Organisationseinheiten abzielten, wie kundenorientierte Anreizsysteme. Stattdessen war bei der Übertragung jeweils der besondere Einsatzzweck der Standards zu berücksichtigen, nämlich die Steuerung eines externen Customer Care Dienstleisters im Hinblick auf das Ziel der Schaffung von Customer Care Zufriedenheit. Vor diesem Hintergrund wurden die zahlreichen gefundenen Anforderungen vorselektiert, inhaltlich angepasst und teilweise neu interpretiert, wobei auch bestimmte Kriterien stärker berücksichtigt bzw. andere vernachlässigt wurden. Im letzten Schritt wurden sie inhaltlich zu Gruppen zusammengefasst. In diesen Schritten flossen die Erkenntnisse aus den Expertengesprächen flankierend ein. Mit diesem Vorgehen konnten die in Abb. 3-8 dargestellten wesentlichen Anforderungskriterien für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care formuliert werden. Diese Anforderungskriterien werden im Folgenden vorgestellt.

3.3 Zufriedenheits-Service Level Standards für Customer Care

I. Zielbezogenheit

II. Inhaltliche Relevanz

III. Handlungsorientiertheit

XII. Wirtschaftlichkeit

99

IV. Realisierbarkeit

V. Durchsetzbarkeit Anforderungskriterien an ZufriedenheitsService Level Standards

XI. Akzeptanz

X.Integrationsvermögen

Abb. 3-8: Quelle:

IX. Messbarkeit und Messgenauigkeit

VIII. Aktualität und Frühwarncharakter

VI. Eindeutigkeit und Transparenz

VII. Informationsgehalt

Anforderungskriterien an Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care Eigene Darstellung

(I) Zielbezogenheit Die Service Level Standards sind eindeutig mit den Zielen der Leistungserbringung für das Auftraggeberunternehmen zu verknüpfen (Bernhard 2003, S. 264f.; Hiles 2000, S. 134). Dazu müssen sie sich konsequent am Geschäftszweck des Unternehmens bzw. dessen „business needs“ orientieren (für viele: Hiles 2000, S. 7f., S. 134). Die Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care müssen daher die Ziele des Einsatzes des Customer Care Centers repräsentieren und aus ihnen abgeleitet werden: Die Zielbezogenheit bezieht sich im Kern darauf, dass Customer Care Zufriedenheit hergestellt wird. Daneben steht das Ziel, Kundenbindung zum Unternehmen zu erreichen, um deren voraussichtliche positive Effekte auf den ökonomischen Erfolg zu realisieren. Kongruent mit den bisherigen Ausführung wird das Ziel der Senkung der Kostenziele lediglich als Nebenbedingung einbezogen. (II) Inhaltliche Relevanz Service Level Standards müssen die wesentlichen Anforderungen der Leistungsempfänger möglichst vollständig und aktuell abbilden (Dangelmaier et al., 2004; Hiles 2000, S. 134). Dazu sind sie aus deren konkreten Bedürfnissen an die Leistungser-

100

3 Service Level Standards

stellung abzuleiten (Boger 2004; Dangelmaier et al. 2004.; Hiles 2000, S. 7f.; Sturm/Morris/Jander 2000, S. 64). Weiterhin müssen sie das Ergebnis der Leistungserstellung an dem Punkt mess- und steuerbar machen, an dem die Leistungsempfänger es tatsächlich in Anspruch nehmen („end-to-end-Sicht“) (Hiles 2000, S. 134; Lee/Ben-Natan 2002, S. 39-54; Marlière 2003, S 188). Als wesentliche Leistungsempfänger des Customer Care wurden im Teil 2 die externen Kunden definiert, die sich mit einem Anliegen an das Customer Care Center wenden. Die Zufriedenheits-Service Level Standards sollen daher möglichst vollständig und aktuell die wichtigsten Kundenanforderungen an die Customer Care Kontakte widerspiegeln. Dabei ist das Ergebnis der Customer Care Kontakte aus Kundenwahrnehmung zu berücksichtigen und nicht lediglich die Ergebnisse interner Prozesse beim Customer Care Dienstleister, wie z.B. die erfolgte Mitarbeitereinsatzplanung. Das Anforderungskriterium beinhaltet weiterhin, dass die ZufriedenheitsService Level Standards eine entsprechend differenzierte Steuerung der heterogenen Customer Care Kontakte ermöglichen. Hier ist besonders die Existenz verschiedener Kundensegmente mit unterschiedlichen Anliegen von Bedeutung. Diese Heterogenität ist schon bei der Erhebung der Anforderungen zu berücksichtigen, indem Anforderungen verschiedener Kundensegmente in Bezug auf unterschiedliche Anliegen ermittelt werden. Darüber hinaus sollten differenzierte Sollvorgaben für verschiedene Kundengruppen und/oder Anliegen formuliert werden. Zusätzlich sollten die Zufriedenheits-Service Level Standards die Anforderungen des Leistungsempfängers „Auftraggeberunternehmen“ an die Customer Care Leistung berücksichtigen. (III) Handlungsorientiertheit Damit mittels Service Level Standards die Leistung des Dienstleister nicht nur gemessen, sondern auch gesteuert werden kann, müssen die Service Level Standards die Ableitung von Handlungsempfehlungen sowohl für die kurzfristige als auch für die langfristige Gestaltung ermöglichen (Gerstenberg 1987, S. 40; Meffert/Schwetje 1998, S. 77; Menzler-Trott 2000, S. 203; o.V. 2003a; Stabenau/Petersen/Damm et al. 1993, S. 30). Das bedeutet, dass aus den Zufriedenheits-Service Level Standards die Ursachen ihrer Verfehlung oder Einhaltung identifiziert werden können müssen, damit der Customer Care Dienstleister konkrete Ansatzpunkte für sinnvolle Maßnahmen zur

3.3 Zufriedenheits-Service Level Standards für Customer Care

101

kurfzristigen Leistungsverbesserung ableiten kann. Weiterhin müssen die Zufriedenheits-Service Level Standards eine Überprüfung ermöglichen, ob die bisherigen Standards weiterhin angemessen sind oder langfristig angepasst werden müssen (SLA-Review). (IV) Realisierbarkeit Service Level Standards sollten als herausfordernde aber realistische Ziele formuliert werden (u.a. Boger 2004; Hiles 2000, S. 134; Peterson 2001; Sturm/Morris/Jander 2000, S. 64). Damit wird eine möglichst klare Wirkungsbeziehung zwischen Leistung des Dienstleisters und Zielerreichung gefordert. Zum Beispiel bei der herkömmlichen Kennzahl „Servicelevel“ wird davon ausgegangen, dass unter der Bedingung gleich bleibenden Anrufaufkommens eine stärkere Anstrengung des Dienstleisters, etwa in Form erhöhten Personaleinsatzes, zu einem höheren Servicelevel führt. Der Dienstleister soll folglich durch seine eigene Leistung den Zielwert des Service Level Standards möglichst direkt beeinflussen und die Zielerfüllung steuern können. Als Anforderung an Zufriedenheits-Service Level Standards ergibt sich somit, dass sowohl beeinflussbare Leistungsgrößen gewählt als auch erfüllbare Sollvorgaben formuliert werden. (V) Durchsetzbarkeit Damit Service Level Standards zur Steuerung externer Customer Care Dienstleister dienen können, müssen sie nicht nur juristisch durchsetzbar22 sein, sondern das Verhalten des Dienstleisters und seiner Mitarbeiter beeinflussen. Die Verhaltensrelevanz ist abzusichern, indem Service Level Standards mit einem Steuerungsmechanismus verknüpft werden (Hiles 2000, S. 134). Dieser sollte zusätzlich für ein Zielvereinbarungssystem auf Mitarbeiterebene nutzbar sein (Bernhard 2003, S. 264f.). Im Falle des Outsourcing des Customer Care empfiehlt sich als Steuerungsmechanismus das Entgelt des Dienstleisters heranzuziehen, denn der Dienstleister verfolgt mit dem Angebot der Customer Care Leistung seinen eigentlichen Geschäftszweck

22

Die juristische Durchsetzbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit bei externen SLAs grundsätzlich angenommen, da externe SLAs Bestandteil des Outsourcing-Vertrags sind. Mögliche Einschränkungen bei der gerichtlichen Durchsetzbarkeit von Forderungen gegenüber dem Dienstleister (z.B. wegen zu hoher Gerichtskosten oder zu langer Verfahrensdauern) sollen hier nicht betrachtet werden.

102

3 Service Level Standards

und sein Ziel ist Gewinnmaximierung (Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 148; Dangelmaier et al. 2004). Nur durch die Sanktionierung einer Nichteinhaltung der Sollvorgaben über die Vergütung des Dienstleisters werden dessen Managemententscheidungen beeinflusst (Dangelmaier et al. 2004; Karten 2001, S. 4.10ff.). Demzufolge müssen für den Customer Care Dienstleister zu den ZufriedenheitsService Level Standards angemessene und geeignet ausgestaltete Sanktionen, vor allem Malusregelungen, vereinbart werden, die in der Folge auch auf Mitarbeiterebene übertragen werden können (Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 148; Dangelmaier et al. 2004; Hiles 2000, S. 135). Je häufiger die Maluszahlungen anfallen, desto unmittelbarer ist der Anreiz. (VI) Eindeutigkeit und Transparenz Service Level Standards sind eindeutig zu definieren und zu formulieren (Bernhard 2003, S. 264f.; Davis 2002, S. 36; Diefenbach 2004, S. 14; Hiles 2000, S. 134; Wassermann/Kleinhans/Richart 2003, S. 148). Aussage bzw. Absicht der Service Level Standards sollen transparent sein, d.h. verständlich und anschaulich und somit für alle Beteiligten auf Seiten des Auftraggeberunternehmens und des Dienstleisters leicht nachvollziehbar (Bernhard 2003, S. 264f.; Boger 2004; Dangelmaier et al. 2004; Sturm/Morris/Jander 2000, S. 64). Dies betrifft nicht nur die Leistungsgrößen und die Sollvorgaben der Zufriedenheits-Service Level Standards, sondern auch die Sanktionen bei Nichteinhaltung und die Mitwirkungspflichten des Unternehmens. (VII) Informationsgehalt Service Level Standards müssen über die Erreichung der formulierten Ziele im Zeitablauf informieren, um die kennzahlengestützte Analyse von Veränderungstendenzen zu ermöglichen (Dangelmaier et al. 2004; Gerstenberg 1987, S. 40; Homburg/Werner 1998, S. 126; Stabenau/Petersen/Damm et al. 1993, S. 30). Weiterhin müssen sie die Leistung der zu steuernden Einheit differenziert abbilden, damit Handlungsempfehlungen spezifisch für die betroffene Einheit abgeleitet werden können und so schnell auf problematische Entwicklungen reagiert werden kann (Bernhard 2003, S. 264f.; Dangelmaier et al. 2004; Gerstenberg 1987, S. 40; McIntosh 2003, S. 5; Stabenau/Petersen/Damm et al. 1993, S. 30). Zufriedenheits-Service Level Standards sollen demnach die zeitliche Entwicklung der Ist-Werte der Customer Care Zufriedenheit zeigen und dabei aussagekräftig für verschiedene Steuerungsebenen (d.h. für Teams, Center und Dienstleister und ide-

3.3 Zufriedenheits-Service Level Standards für Customer Care

103

alerweise auch für den einzelnen Mitarbeiter) sein. Werden differenzierte Zufriedenheits-Service Level Standards vereinbart (siehe Anforderungskriterium Inhaltliche Relevanz), muss der Informationsgehalt dies unterstützen. Dabei müssen Zufriedenheits-Service Level Standards widerstrebende Überlegungen ausbalancieren: Einerseits müssen sie anschaulich sein und ein verdichtetes Bild der zu messenden Sachverhalte geben, aber andererseits auch detailliert genug, damit sie ihre Aussagekraft behalten und Tendenzen und Niveauunterschiede erkennen lassen (Bernhard 2003, S. 264f.; Dangelmaier et al. 2004; Hiles 2000, S. 134). Gleichzeitig sind die Zeitintervalle der Auswertung (Kontrollzyklen) so festzulegen, dass Leistungsschwankungen aufgedeckt werden (Bernhard 2003, S. 264f.; Boger 2004; Hiles 2000, S. 134; Sturm/Morris/Jander 2000, S. 64). Bei längeren Kontrollzyklen besteht die Gefahr, dass Schwankungen der Ist-Werte unentdeckt bleiben, da sich dann über diesen längeren Zeitraum hinweg ein mittlerer Ist-Wert einstellen wird. Je kürzer die Kontrollzyklen sind, desto mehr fallen die Schwankungen auf. Zudem muss die Länge der Kontrollzyklen an die vereinbarten Zahlungszeitpunkte angepasst werden, damit die Ist-Werte in die Vergütungsberechnung eingehen können. (VIII) Aktualität und Frühwarncharakter Die Service Level Standards müssen aktuelle Entwicklungen der Leistungserbringung widerspiegeln, damit eine zeitnahe Steuerung folgen kann (u.a. Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 154): Der Dienstleister will die erhobenen Zufriedenheitsdaten zur unmittelbaren Nachsteuerung seiner Customer Care Center Aktivitäten nutzen, so dass diese Daten in hinreichender Aktualität vorliegen (Bernhard 2003, S. 264f.; Wassermann/Kleinhans/Richart 2003, S. 150). Zudem sollten Service Level Standards einen Frühwarncharakter aufweisen: Erstens sollen bei einem drohenden Verfehlen der Sollvorgaben möglichst schon vorher Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, um dieses zu verhindern (Hiles 1993; Karten 2001). Eine frühe Warnung ist vor allem wichtig, wenn größere Abweichungen vom Zielwert zu erwarten sind. Zweitens ist gerade bei Dienstleistungen – wie auch der Customer Care Leistung – eine frühzeitige Warnung vor Fehlentwicklungen noch wichtiger, denn ein missglückter Customer Care Kontakt ist im Nachhinein kaum wieder gut zu machen. Daher sollten Dienstleister antizipativ gesteuert werden (Wimmer/Roleff 2001, S. 324). Die Zufriedenheits-Service Level Standards sollten daher frühzeitig Anzeichen möglicher Fehlentwicklungen deutlich werden lassen, so dass entsprechende Risiken rechtzeitig identifiziert und weitere Fehler bei den folgenden Customer Care Kontakten vermieden werden können.

104

3 Service Level Standards

(IX) Messbarkeit und Messgenauigkeit Service Level Standards müssen messbar sein. Nur so kann ihre Einhaltung überprüft werden, um festzustellen, ob die planmäßige Umsetzung gesichert bzw. gefährdet ist (Bernhard 2003, S. 264f.). Für die Überprüfung der Einhaltung der Zufriedenheits-Service Level Standards sind demzufolge geeignete Verfahren zu finden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass abhängig von der Wahl des Messverfahrens die Zahl der erfassbaren ZufriedenheitsService Level Standards möglicherweise beschränkt ist. Wenn ZufriedenheitsService Level Standards zudem differenziert für verschiedene Kundensegmente und/oder Anliegen festgelegt wurden, müssen sie auch entsprechend differenziert messbar sein. Sowohl Unternehmen als auch Dienstleister müssen die Messergebnisse anerkennen. Dabei ist die Genauigkeit der Messung, also ihre Qualität, zu gewährleisten, indem folgende Gütekriterien abgeprüft werden (u.a. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 88; Weis/Steinmetz 2005, S. 28).: Die Validität einer Messung bezieht sich auf die materielle Genauigkeit von Messergebnissen, d.h. ob das eigentliche Phänomen – die Customer Care Zufriedenheit – erfasst wird. Die Reliabilität ist die formale Genauigkeit der Messung, d.h. ob unter unveränderten Messbedingungen präzise und stabile Zufriedenheitswerte erhoben werden). Die Objektivität gibt den Grad an, zu dem die Durchführung der Erhebung, die Auswertung der Daten als auch die Interpretation der Ergebnisse frei von subjektiven Einflüssen sind. Darüber hinaus muss als weiteres Gütekriterium die Repräsentativität der Messergebnisse für die Anrufer im Customer Care Center gewährleistet sein (u.a. Homburg/Werner 1998, S. 202). Da die Daten in die Vergütung des Dienstleisters eingehen, sind an die genannten Gütekriterien besonders hohe Anforderungen zu stellen (u.a. Meffert/Schwetje 1998, S. 87). Daher werden eindeutige Erfassungsvorschriften zur Kontrolle der ZufriedenheitsService Level Standards benötigt. Zur Vermeidung von subjektiven Fehlern in der Messung wird im Kontext von SLAs teilweise eine möglichst hohe Automatisierung der Messung gefordert (Bernhard 2003, S. 264f.). (X) Integrationsvermögen Die Service Level Standards müssen in ihrem Zusammenspiel sinnvoll sein: Mögliche Zielbeziehungen der Service Level Standards untereinander sind zu berücksich-

3.3 Zufriedenheits-Service Level Standards für Customer Care

105

tigen und bei gegensätzlichen Zielen ist eine entsprechende Priorisierung vorzunehmen, die sich dann in der Gewichtung der jeweiligen Service Level Standards bei der Vergütung widerspiegelt (Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 148). Die Zufriedenheits-Service Level Standards sollten daher in einer Art Kennzahlensystem integriert werden, in dem sie priorisiert werden können. Dieses kann nur eine beschränkte Anzahl von Standards enthalten, um wirtschaftlich und handhabbar zu bleiben, daher sollten nur die wichtigsten Zufriedenheits-Service Level Standards aufgenommen werden. Die festgelegten Zufriedenheits-Service Level Standards sowie die Gewichtung sollten über einen gewissen Mindestzeitraum hinweg stabil bleiben, damit sowohl für Unternehmen als auch für den Dienstleister klare Bedingungen vorliegen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Rahmenbedingungen, unter denen die Ziel vereinbart wurden, stabil bleiben (Eyer/Haussmann 2005, S. 39ff.). Gleichzeitig sollte ein gewisser Grad von Flexibilität erhalten bleiben, um auf eventuelle, kurzfristigere Verschiebungen in den Zielprioritäten des Unternehmens reagieren zu können. (XI) Akzeptanz Die vereinbarten Zufriedenheits-Service Level Standards müssen sowohl vom Dienstleister als auch vom Auftraggeberunternehmen akzeptiert werden. Wünschenswert ist darüber hinaus die Akzeptanz von Zufriedenheits-Service Level Standards innerhalb der gesamten Customer Care Branche, also ihre Anerkennung als Industriestandard von Customer Care Dienstleistern und ihren Auftraggebern. Innerhalb des Auftraggeberunternehmens muss die unternehmerische Relevanz und die Wirtschaftlichkeit der Zufriedenheits-Service Level Standards verdeutlicht werden. Dem Dienstleister muss die Fairness der Zufriedenheits-Service Level Standards, der Sanktionen sowie der unternehmerischen Mitwirkungspflichten in der Planung und der eigentlichen SLA-Laufzeit demonstriert werden. Für die Akzeptanz spielt generell die Gestaltung der Beziehung zwischen Unternehmen und Dienstleister eine wesentliche Rolle. (XII) Wirtschaftlichkeit Wie andere Steuerungsinstrumente müssen Zufriedenheits-Service Level Standards dem Anspruch der Wirtschaftlichkeit genügen. Das heißt, es ist ein möglichst günstiges Verhältnis zwischen dem Aufwand der Vereinbarung und Kontrolle der Zufriedenheits-Service Level Standards und ihrem Nutzen anzustreben.

106

3 Service Level Standards

Für die Planung und Kontrolle der Zufriedenheits-Service Level Standards ergibt sich ein hoher finanzieller und zeitlicher Aufwand (u.a. Burr 2002b, S. 521; Burr 2003, S. 39; Corrall/Brewerton 1999, S. 90; Dangelmaier et al. 2004; Lewandowski/Mann 2002, S. 269; Van Ossel/Gemmel 2003, S. 170). Zwar fallen Kosten für die Planung des SLA als quasi fixe Kosten an, allerdings wird der Aufwand bei einer großen Anzahl von Service Level Standards über dem für eine geringe Anzahl liegen. Die Kosten für die Kontrolle der Service Level Standards (monetäre und zeitliche Ressourcen) steigen mit der Zahl der Service Level Standards. Auch daher ist die Anzahl von Service Level Standards zu beschränken (Diefenbach 2004, S. 14). Im Kern der Forderung nach Wirtschaftlichkeit steht daher, die notwendigen Aufwendungen zu minimieren, indem die anfallenden Aufgaben so kostengünstig wie möglich erledigt werden. Dies gilt insbesondere für die Erhebung und Auswertung, so dass eine hohe Praktikabilität der Messung anzustreben ist und möglichst kostengünstige, eventuell sogar automatisierte Messverfahren auszuwählen sind (Bernhard 2003, S. 264f.; Boger 2004; Dangelmaier et al. 2004; Sturm/Morris/Jander 2000, S. 64). Weiterhin ist der Nutzen der Zufriedenheits-Service Level Standards zu ermitteln und den Kosten gegenüberzustellen (Kosten-Nutzen-Betrachtung). Die erarbeiteten Anforderungskriterien werden in Abb. 3-9 jeweils mit einer knappen Erläuterung im Überblick zusammengefasst.

Anforderungskriterien und Erläuterung I. Zielbezogenheit



Widerspiegelung des Ziels des Customer Care Centers, Customer Care Zufriedenheit herzustellen



Repräsentieren des Ziels der Kundenbindung und zusätzlich der Nebenbedingung der Kostenziele

II. Inhaltliche Relevanz



Vollständige Abbildung der wesentlichen und aktuellen Anforderungen der Kunden an den Customer Care Kontakt in den Zufriedenheits-Service Level Standards, dabei Berücksichtigung der Kundensicht (end-to-end-Sicht)



Widerspiegelung der Anforderungen verschiedener Kundengruppen und bezüglich unterschiedlicher Anliegen

• •

Formulierung differenzierter Sollvorgaben für verschiedene Kundengruppen und/oder Anliegen Zusätzlich: Erfüllung der Anforderungen des Auftraggeberunternehmens als weiterem Leistungsempfänger

3.3 Zufriedenheits-Service Level Standards für Customer Care

107

III. Handlungsorientiertheit



Ableitbarkeit von Handlungsempfehlungen zur kurzfristigen Leistungsanpassung durch den Dienstleister



Ableitbarkeit von Handlungsempfehlungen zu Notwendigkeit und Möglichkeiten der langfristigen Anpassung des SLA (SLA-Review)

IV. Realisierbarkeit

• •

Beeinflussbarkeit der Leistungsgröße durch den Dienstleister Erfüllbarkeit der Sollvorgaben für den Dienstleister

V. Durchsetzbarkeit

• •

Verhaltensrelevanz durch Verknüpfung mit Entgelt (v.a. Maluszahlungen) Zusätzlich: Nutzbarkeit für Zielvereinbarungssystem beim Customer Care Dienstleister auf Mitarbeiterebene

VI. Eindeutigkeit und Transparenz

• •

Eindeutige Definition und Formulierung Transparenz, d.h. verständliche, anschauliche und leicht nachvollziehbare Regelungen sowie Klarheit von Aussage und Absicht für alle Beteiligten

VII. Informationsgehalt

• •

Information über zeitliche Entwicklung der Ziele Aussagekraft für die zu steuernden Einheiten (Mitarbeiter, Teams, Customer Care Center oder Customer Care Dienstleister)



Festlegung der Kontrollzyklen im Hinblick auf die Aufdeckung von Leistungsschwankungen und die Frequenz der Vergütungsberechnung



Möglichkeit zu verdichteten Aussagen und Detailbetrachtungen

VIII. Aktualität und Frühwarncharakter

• •

Aussagen über aktuelle Entwicklungen der Leistungserbringung Frühzeitige Warnung vor möglichen Fehlentwicklungen

IX. Messbarkeit und Messgenauigkeit



Messbarkeit, d.h. Vorhandensein geeigneter Messverfahren, auch bei differenzierten Zufriedenheits-Service Level Standards

• • •

Genauigkeit der Messung (Validität, Reliabilität und Objektivität und Repräsentativität) Festlegung eindeutiger Erfassungsvorschriften Eventuell Möglichkeit zur Automatisierung der Messung

108

3 Service Level Standards

X. Integrationsvermögen



Berücksichtigung möglicher Zielbeziehungen zwischen den Zufriedenheits-Service Level Standards durch entsprechende Priorisierung

• •

Auswahl der wichtigsten Service Level Standards (beschränkte Anzahl von Standards) Hohe Stabilität bei ausreichender Flexibilität

XI. Akzeptanz

• • •

Unternehmensinterne Verdeutlichung der Relevanz und der Wirtschaftlichkeit Demonstration von Fairness gegenüber dem Dienstleister Gestaltung der Leistungsbeziehung

XII. Wirtschaftlichkeit

• • • •

Kostenbewusstsein in Planung und Vereinbarung der Zufriedenheits-Service Level Standards Beschränkung der Anzahl der Service Level Standards Praktikable und kostengünstige Erhebungsverfahren, eventuell Automatisierung Kosten-Nutzen-Betrachtung

Abb. 3-9: Quelle:

Anforderungskriterien und Erläuterung im Überblick Eigene Darstellung

Die erarbeiteten Anforderungskriterien sind die Leitlinien sowie der Prüfstein für das im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu entwickelnde Konzept für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care. 3.3.3 Managementprozess für den Einsatz von Service Level Standards als Grundlage der Konzeptentwicklung und Struktur der weiteren Arbeit Um das Ziel der Arbeit zu erfüllen, ein aus Unternehmenssicht umfassendes Konzept zur Steuerung des Customer Care Dienstleisters mittels Zufriedenheits-Service Level Standards zu entwickeln, soll auf den oben beschriebenen Managementprozess für den Einsatz von Service Level Standards als Steuerungsinstrument zurückgegriffen werden. Für die Konzeptentwicklung ist dieser Prozess zu durchlaufen, wobei innerhalb der Prozessphasen Besonderheiten im Hinblick auf den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards zu diskutieren sind. Das Vorgehen zur Konzeptentwicklung für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care bestimmt den Aufbau der folgenden Arbeit (siehe Abb. 3-10):

3.3 Zufriedenheits-Service Level Standards für Customer Care

109

Konzeptentwicklung für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care unter Berücksichtigung der Anforderungskriterien Analyse



Customer Care Leistungssituation Anforderungen der Customer Care Kunden Teil 4

Gestaltung

Planung Managementprozess für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards

• Kurzfristig:Sanktionen, Leistungsanpassung • Langfristig: SLA-Review • Zufriedenheits-Service Level Standard-Controlling Teil 7

• Zufriedenheits-Service Level Standards • Konsequenzen der Nichteinhaltung • Mitwirkungspflichten Teil 5

Kontrolle • •

Festlegung des Erhebungsinstrumentariums Laufende Erhebung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards Teil 6

Evaluation des Konzeptes für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care

Abb. 3-10: Quelle:

Berücksichtigung der Anforderungskriterien



Teil 8

Konzeptentwicklung für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care und Aufbau der Arbeit Eigene Überlegung

Die Anforderungskriterien werden für die Konzeptentwicklung als Kriterien herangezogen, um Entscheidungen zur Ausgestaltung des Konzepts zu treffen. Für jede der Phasen werden spezifische Herausforderungen der Verwendung der Customer Care Zufriedenheit als Service Level Standard erörtert und Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen, um die größtmögliche Erfüllung der Anforderungskriterien zu gewährleisten. Hierbei werden auch die Grenzen des Einsatzes von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung externer Customer Care Dienstleister deutlich. Da die Anforderungskriterien durch das zu entwickelnde Konzepts so weit wie möglich erfüllt werden sollen, erfolgt in den einzelnen Teilen am Ende jeweils eine Zwischenbewertung hinsichtlich der Erfüllung der Anforderungskriterien bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt in der Konzeptentwicklung. Der beschriebene Managementprozess der Steuerung wird in den Teilen 4 bis 7 mit den vier Phasen (Analysephase, Planungsphase, Kontrollphase und Gestaltungsphase) durchlaufen. Daran schließt sich mit Teil 8 eine Bewertung des entwickelten Konzepts für den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung

110

3 Service Level Standards

externer Customer Care Dienstleister an, die auf Basis der Anforderungskriterien vorgenommen wird. Die folgende Arbeit geht konsistent mit dem bisherigen Verständnis davon aus, dass Customer Care Verantwortliche im Unternehmen ein hohes strategisches Interesse an der effektiven Steuerung des Dienstleisters und damit ein hohes Involvement im Analyse- und Planungsprozess haben.23 Die mit Analyse und Planung verbundenen Aufgaben prägen wesentlich das Steuerungskonzept, da hier die grundlegenden Entscheidungen über die Steuerungsziele und -größen sowie das angestrebte Leistungsniveau getroffen werden. Aufgrund der großen Bedeutung des Customer Care für das Unternehmen sollte es daher in der hauptsächlichen Verantwortung des Unternehmens liegen, diese konzeptionelle Arbeit vorzunehmen (ähnlich Stauss/Seidel 2007, S. 567ff.). Diese Perspektive wird im Weiteren zugrunde gelegt. Im Kapitel 3.3 wurde die Notwendigkeit der Entwicklung eines Konzepts zum Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards für die Steuerung des Customer Care Dienstleisters gezeigt. Es wurden Anforderungskriterien an ein solches Konzept erarbeitet sowie der Konzeptentwicklung auf Grundlage des Managementprozesses des Einsatzes von Zufriedenheits-Service Level Standards strukturiert. Der folgende vierte Teil widmet sich dem ersten Schritt des Managementprozesses, der Analyse für die Zufriedenheits-Service Level Standards durch das Unternehmen.

23

Auf die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Planung hat diese Aufgabenzuteilung keinen Einfluss.

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

111

4 Analyse für die Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care Gegenstand von Teil 4 ist die Analyse des Kontexts, in den die ZufriedenheitsService Level Standards eingebettet werden sollen. In der Analysephase müssen die Leistungssituation analysiert und die Anforderungen der Leistungsempfänger ermittelt werden. Für die grundlegende Analyse der Leistungssituation sei auf die Ausführungen in Teil 2 verwiesen: Ziel und Zweck der Customer Care Leistung ist die Betreuung der Kunden und Herstellung von Customer Care Zufriedenheit. Als Leistungsempfänger wurden die Endkunden des Unternehmens, die sich mit Anliegen an das Customer Care Center wenden, identifiziert und definiert. Die vom Customer Care Dienstleister zu erbringende Leistung ist die Bearbeitung und Lösung der Kundenanliegen. Die Leistungserstellungsprozesse und Schnittstellen zwischen Auftraggeber und Dienstleister wurden in den Customer Care Service Maps dargestellt. Für die Analyse der Leistungssituation und der Anforderungen der Leistungsempfänger verbleiben folgende Aufgaben, die im Weiteren diskutiert werden: Aufgrund der besonderen Leistungsgröße „Customer Care Zufriedenheit“ ist zunächst das Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit konzeptionell und auf Basis einschlägiger Literatur zu konkretisieren (Kapitel 4.1). In Kapitel 4.2 wird das Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit vor dem Hintergrund der Customer Care Dreieckskonstellation betrachtet, um weitere Einsichten über das zugrunde liegende Konstrukt und die Leistungssituation zu gewinnen. Schließlich erfolgt die unternehmensspezifische Analyse der Anforderungen an die Customer Care Leistung aus Kundensicht (Kapitel 4.3). Der vierte Teil schließt mit einer Zwischenbewertung, inwieweit die in Teil 3 erarbeiteten Anforderungskriterien in der vorliegenden ersten Prozessphase erfüllt wurden (Kapitel 4.4).

4.1 Konkretisierung des Konstrukts der Customer Care Zufriedenheit Als Grundlage für die Konkretisierung der Customer Care Zufriedenheit wird im Folgenden zunächst die Kundenzufriedenheit definiert und charakterisiert (Kapitel 4.1.1). Dabei soll keine vollständige Aufarbeitung der sehr ausführlichen Diskussion zur Definition und Charakterisierung der Kundenzufriedenheit in der Literatur stattfinden, sondern lediglich auf die für die vorliegende Arbeit relevanten Punkte

112

4 Analysephase

eingegangen werden. Auf dieser Basis kann in den Kapiteln 4.1.2 - 4.1.5 die Customer Care Zufriedenheit definiert und charakterisiert werden. 4.1.1 Definition und Charakterisierung der Kundenzufriedenheit als Basis für die Konkretisierung des Konstrukts der Customer Care Zufriedenheit 4.1.1.1 Definition der Kundenzufriedenheit nach dem C/D-Paradigma und Betrachtungsebenen der Kundenzufriedenheit (1) Grundlegende Definition der Kundenzufriedenheit nach dem C/D-Paradigma Die Entstehung von Kundenzufriedenheit wird in der wissenschaftlichen Diskussion vor allem mit dem Diskonfirmations-Paradigma oder Confirmation/DisconfirmationParadigma (C/D-Paradigma) beschrieben (Homburg/Homburg-Stock 2006; Kaas/Runow 1984, S. 452; Oliver 1980; Oliver 1997; Parasuraman/Zeithaml/Berry 1985, 1988; Siefke 1998, S. 5; Stauss 1999). Zwar ist das C/D-Paradigma nicht unumstritten (Bergmann 2002, S. 7) und es besteht hinsichtlich verschiedener Elemente des C/D-Paradigmas noch Unklarheit (siehe die Übersicht in Stauss 1999). Trotzdem gilt es als bewährt und hat sich in verschiedenen Kontexten als sinnvoll erwiesen: „Studies focusing upon the antecedents of satisfaction have produced strong support for the expectancy disconfirmation paradigm across a wide variety of products“ (Tse/Nicosia/Wilton 1990, S. 180). Das C/D-Paradigma stellt daher den Kern der verschiedenen Begriffsverständnisse in der Literatur dar (u.a. Stauss 1999, S. 6; Wimmer/Roleff 1998, S. 1243). Konkurrierende verhaltenswissenschaftliche Erklärungsansätze der Kundenzufriedenheit, wie die Equity Theorie und die Attributionstheorie, können in den Rahmen des C/DParadigmas integriert werden (Homburg/Homburg-Stock 2005, S. 19ff.; Stauss 1999, S. 6). In der vorliegenden Arbeit wird mit der herrschenden Meinung im Weiteren dem Verständnis der Entstehung von Kundenzufriedenheit nach dem C/D-Paradigma gefolgt. Kundenzufriedenheit ist nach dem C/D-Paradigma das Ergebnis der Bewertung des Vergleichs von Erwartungen an und Wahrnehmung von konkreten, selbsterfahrenen Konsumerlebnissen durch Kunden (Churchill/Suprenant 1982, S. 503; Czepiel/Rosenberg 1977b, S. 93; Kaas/Runow 1984, S. 452 Stauss/Seidel 2006b, S. 174).

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

113

Die Erwartungen der Kunden sind Ansichten und Meinungen über das Konsumerlebnis und werden vor Inanspruchnahme der Leistung gebildet (Siefke 1998, S. 65). Sie können auf die Vergangenheit („past history“) des Käufers und die aktuelle Situation, in der der Kunde sich im Rahmen der Konsumentscheidung befindet, zurückgeführt werden (Miller 1977, S. 73). Vor allem folgende vier Einflussfaktoren spielen eine Rolle im Erwartungsbildungsprozess (Bergmann 2002; Burmann 1991, S. 250; Morgan 1992, S. 22; Parasuraman/Zeithaml/Berry 1985; Schütze 1992, S. 154ff.; Siefke 1998, S. 68): Derzeitige Bedürfnisse und Anforderungen, bisherige (Konsum-)Erfahrungen, informelle Kommunikation, vor allem Mund-zu-MundKommunikation unter Kunden sowie formale Anbieterkommunikation über Preis und Leistungsversprechen. Die gebildeten Erwartungen werden mit der Leistungswahrnehmung verglichen. Diese steht für die vom Kunden subjektiv wahrgenommene Leistung des Bezugsobjekts, die Erfahrung mit diesem Bezugsobjekt bzw. auch den Nutzen des Objekts für den Kunden (Korte 1995, S. 32; Schütze 1992, S. 160). Als Ergebnis des Vergleichs zwischen erwarteter und wahrgenommener Leistung ergibt sich die Diskonfirmation.24 Weicht die wahrgenommene Leistung erheblich von der erwarteten Leistung ab, resultiert positive oder negative Diskonfirmation. Entspricht die wahrgenommene der erwarteten Leistung, spricht man von Konfirmation. Im C/D-Paradigma wird prinzipiell davon ausgegangen, dass aus positiver Diskonfirmation, also einer starken Übertreffung der Erwartungen, Zufriedenheit25 bzw. sogar Begeisterung resultiert, während aus negativer Diskonfirmation, also einer (großen) Untererfüllung der Erwartungen, Unzufriedenheit entsteht (Homburg/Giering/Hentschel 1999, S. 175 f.; Johnston 1995a; Oliver 1980; Oliver 1997, S. 98ff.; Stauss 1999, S. 6). Entspricht die wahrgenommene Leistung der Erwartung, tritt ein neutrales Gefühl, eine gewisse Indifferenz, ein und Kunden fühlen sich „zufrieden gestellt“.

24 25

Diskonfirmation wird mit der herrschenden Meinung als subjektiv wahrgenommenes Phänomen definiert (Tse/Wilton 1988, S. 205; Spreng/Page 2003, S. 36; Yi 1990, S. 95). Die Bezeichnung „Zufriedenheit“ wird auf verschiedenen begrifflichen Ebenen verwendet: Zufriedenheit ist zum einen der Oberbegriff für den im Zufriedenheitskonstrukt erfassten psychischen Sachverhalt, wird zum anderen aber auch für die Benennung der aus der Diskonfirmation resultierenden Ausprägungen der Zufriedenheit genutzt (Schütze 1992, S. 128).

114

4 Analysephase

Allerdings hat sich in der Literatur die Meinung durchgesetzt, dass Kundenzufriedenheit nicht direkt Ergebnis der Diskonfirmation ist, sondern dass ein zweistufiger Zufriedenheitsprozess (Schütze 1992, S. 179) vorliegt: Die sich ergebende Diskonfirmation wird in einem zweiten Schritt einer individuellen Bewertung unterzogen. Hier spielen Faktoren wie situative Umstände, Ursachenzuschreibung der Diskonfirmation, wahrgenommene Gerechtigkeit und Emotionen eine Rolle (Meyer/Kantsperger 2005b, S. 223f.; Stauss 1999, S. 8; Schütze 1992, S. 197). Eine Übertreffung der Erwartungen der Kunden kann daher auch zu Unzufriedenheit führen, wenn der Kunde das hohe Leistungsausmaß als störend ansieht. Die Bewertung der Diskonfirmation hängt demzufolge von der aktuellen Stimmung und Situation sowie von ganz persönlichen Vorlieben des Kunden ab. Schütze (1992, S. 267) bezeichnet Zufriedenheit deshalb als Erleben übertroffener, bestätigter oder nicht bestätigter Erwartungen. Diese Fortentwicklung der „klassischen Sichtweise von Kundenzufriedenheit“ hin zu einer Zweistufigkeit (Siefke 1998, S. 70) hat sich auch auf die Auffassung hinsichtlich der adäquaten Vorgehensweise bei der Messung der Zufriedenheit ausgewirkt. In der Literatur hat sich diesbezüglich die Überzeugung durchgesetzt, dass das Zufriedenheitsurteil der Kunden direkt erfasst und nicht auf Basis der separat erhobenen Erwartungs- und Wahrnehmungskomponenten ermittelt werden sollte (Dean 2004, S. 62; Dabholkar/Shepherd/Thorpe 2000; Hentschel 1992, S. 124f.; Stauss 1999, S. 13). Nur dann wird die Zufriedenheit und nicht nur die Diskonfirmation gemessen (Korte 1995, S. 40). Dadurch kann zudem einem weiteren Problem der Operationalisierung des C/D-Paradigmas begegnet werden. Eine getrennte Erhebung von Erwartungen und Wahrnehmung ist praktisch kaum möglich: Erwartungen und Wahrnehmung beeinflussen sich gegenseitig und es kommt bei der Messung der Leistungswahrnehmung zu Verzerrungen der erinnerten Erwartungen, so dass bei einer Messung der Wahrnehmung eigentlich bereits die Diskonfirmation gemessen würde (u.a. Kaas/Runow 1984, S. 453; Meyer/Kantsperger 2005b, S. 225; Miller 1977, S. 74; Oliver 1997, S. 87; Siefke 1998, S. 70; Stauss 1999). Trotz der Tatsache, dass das C/D-Paradigma weiterhin als Konzeptualisierung der Entstehung von Kundenzufriedenheit weithin akzeptiert wird, wird der direkten Messung der Kundenzufriedenheit der Vorzug gegeben (Stauss 1999, S. 13). Abb. 4-1 stellt das erläuterte Grundmodell der Entstehung von Kundenzufriedenheit nach dem C/D-Paradigma dar:

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

Bisherige Erfahrungen Anbieterkommunikation

115

Bedürfnisse Word-of-Mouth

Erwartung

Wahrnehmung Vergleich Diskonfirmation und Bewertung

(Un-)Zufriedenheit

Abb. 4-1: Quelle:

Grundmodell der Entstehung von Kundenzufriedenheit nach dem C/D-Paradigma In Anlehnung an u.a. Korte 1995; Matzler 1997; Oliver 1997; Schütze 1992; Siefke 1998; Stauss 1999

(2) Betrachtungsebenen der Kundenzufriedenheit Im Hinblick auf die Kundenzufriedenheit wird in der Literatur zwischen zwei hauptsächlichen Betrachtungsebenen unterschieden (u.a. Bitner/Hubbert 1994; Stauss/Seidel 2006b, S. 178f.). Es handelt sich zum einen um ein Zufriedenheitsurteil auf der Ebene eines Kontakts (Service Encounter Satisfaction oder Transaktionszufriedenheit). Diese ist das Ergebnis des Vergleichs von Erwartungen und Wahrnehmung von Ereignissen und Verhaltensweisen, bezogen auf einen klar definierten, abgrenzbaren und beschränkten Zeitraum (Dienstleistungstransaktion) (Stauss/Seidel 2006b, S. 178) bzw. „the consumer‘s dis/satisfaction with a discrete service encounter“. In dieser Transaktionszufriedenheit werden „the consumer‘s feelings about a discrete interaction with the firm and will result from the evaluation of the events and behaviors that occur during that definable period of time“ widergespiegelt (Bitner 1990; Bitner/Booms/Tetreault 1990; Bitner/Hubbert 1994, S. 76). Davon wird zum anderen die Beziehungszufriedenheit unterschieden, die eher einer längerfristigen, einstellungsähnlichen globalen Zufriedenheit mit dem Unternehmen entspricht und sich basierend auf allen Transaktionen und Erfahrungen mit dem Unternehmen ergibt (Bitner/Hubbert 1994, S. 77; Stauss 1999, S. 12).

116

4 Analysephase

4.1.1.2 Kundenzufriedenheit als multiattributives Konstrukt Im Rahmen des C/D-Paradigmas wird davon ausgegangen, dass Kunden Erwartungen und Wahrnehmungen in Bezug auf einzelne Leistungsmerkmale bilden und dass sich das globale Zufriedenheitsurteil der Kunden als aggregiertes Ergebnis der Bewertung einzelner wahrgenommener Merkmale der Leistung ergibt (Meffert/Schwetje 1999, S. 44). Dies wird als Multiattributansatz oder merkmalsorientierter Ansatz bezeichnet (Siefke 1998, S. 26; Stauss/Seidel 2006b, S. 174). Entsprechend wird die Zufriedenheit hier als multiattributives Konstrukt definiert (Korte 1995, S. 35ff.; Schütze 1992, S. 171; Siefke 1998, S. 26; Stauss/Hentschel 1992, S. 116ff.; Stauss/Seidel 2006b, S. 174). Die Annahme der Multiattributivität der Kundenzufriedenheit stützt sich auf die Vorstellung der kognitiven Abbildung der Kundenzufriedenheit im menschlichen Gedächtnis nach dem Prinzip der semantischen Informationsverarbeitung (Dabholkar 1993, S. 12; Hafner 2001, S. 62; Stauss 1999, S. 12). Im Multiattributansatz beziehen sich „Erwartung“ und „Wahrnehmung“ jeweils auf einzelne Leistungsdimensionen bzw. -merkmale. Deren Vergleich führt zu Teilzufriedenheiten. Die Teilzufriedenheiten werden nach einem bestimmten Algorithmus zur Gesamtzufriedenheit verdichtet (Siefke 1998, S. 73). Aus der Multiattributivität der Zufriedenheit ergibt sich, dass als Voraussetzung der Konkretisierung der Zufriedenheit die aus Kundensicht relevanten Merkmale und Dimensionen zu ermitteln sind. Dabei werden im Zufriedenheitsurteil nicht nur leistungsspezifische Qualitätsdimensionen bzw. qualitätsspezifische Leistungsmerkmale im engeren Sinne erfasst, wie dies bei der Dienstleistungsqualität26 der Fall ist, sondern potentiell alle vom Kunden wahrnehmbaren Leistungsbestandteile (Bitner/Hubbert 1994; Rust/Oliver 1994, S. 6 und die dort angegebene Literatur). Das Unternehmen muss sich also alle vom Kunden wahrgenommenen Leistungsbestandteile zurechnen lassen. Dies hat bei Dienstleistungen besondere Implikationen: Der vom Kunden erlebte Prozess der Inanspruchnahme der Leistung kann Schritte umfassen, die nicht zum eigentlichen Verantwortungsbereich des Dienstleisters gehö26

Auf die Abgrenzung von Kundenzufriedenheit und Dienstleistungsqualität und das Verhältnis beider Konstrukte zueinander wird in der Literatur ausführlich eingegangen (Iacobucci/Grayson/Ostrom 1994; Finn/Kayandé 1998, S. 100; Stauss 1999, S. 11f.). Daher kann hier darauf verzichtet werden. Es soll der herrschenden Meinung gefolgt werden, dass die Dienstleistungsqualität, die vom Kunden wahrgenommene Qualität einer Leistung ist (Grönroos 1983; Hentschel 1992, S. 120; Liljander and Strandvik 1995; Parasuraman/Zeithaml/Berry 1985; Parasuraman/Zeithaml/Berry 1988) und dass diese auf der Ebene eines individuellen Encounters einer der Einflussfaktoren von Kundenzufriedenheit ist (Bitner/Hubbert 1994).

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

117

ren, aber trotzdem das Zufriedenheitsurteil der Kunden prägen (Stauss/Seidel 2006b, S. 177). Weiterhin ist im Rahmen des Multiattributansatzes zu diskutieren, wie die Aggregation der Teilzufriedenheiten zum globalen Zufriedenheitsurteil stattfindet. Dabei sind nicht alle Leistungsdimensionen/-merkmale für Kunden gleich wichtig, sondern sie leisten einen unterschiedlichen Beitrag zur Gesamtzufriedenheit (Korte 1995, S. 37). Die Gesamtzufriedenheit entspricht damit nicht nur einem einfachen Saldo der Teilzufriedenheiten, sondern ist von deren Gewichtung abhängig (Korte 1995, S. 37). Daher wird im Multiattributivansatz eine Bedeutungsgewichtung der Teilzufriedenheiten vorgenommen (Schütze 1992, S. 175ff.). In der Literatur hat sich bezüglich des Aggregationsmechanismus grundsätzlich die Auffassung durchgesetzt, dass die geringere Zufriedenheit mit einer Dimension/einem Merkmal durch eine höhere Teilzufriedenheit mit einem anderen ausgeglichen werden kann (Kompensatorisches Modell) (Day 1977, S. 168; Dichtl/Peter 1996, S. 19; Siefke 1998, S. 115). Allerdings wird angenommen, dass es auch Bedingungen gibt, unter denen eher nichtkompensatorische Modelle Anwendung finden: Wenn bspw. ein oder mehrere Merkmale eine herausragende Bedeutung besitzen, kann möglicherweise eine Unzufriedenheit mit diesen Merkmalen nicht durch eine höhere Zufriedenheit mit anderen Merkmalen kompensiert werden (Korte 1995, S. 37; Schütze 1992, S. 174). Es herrscht in der Literatur demnach keine Einigkeit darüber, wie genau die Aggregation von Teilzufriedenheiten zur Gesamtzufriedenheit stattfindet, sondern es sind jeweils die Bedingungen des Einsatzbereichs zu betrachten (Korte 1995, S. 38). 4.1.1.3 Kundenzufriedenheit als mehrfaktorielles Konstrukt Mittlerweile ist mit dem Stand der aktuellen Forschung davon auszugehen, dass ein linearer Zusammenhang zwischen Erfüllungsgrad der Erwartungen und Kundenzufriedenheit nicht bei allen Leistungsdimensionen/-merkmalen gegeben ist. Dies wird als Mehrfaktorstruktur der Kundenzufriedenheit bezeichnet (Bitner/Booms/Tetreault 1990; Brandt 1987; Brandt 1988; Johnston 1995b; Kaiser 2005; Oliver 1997; Schütze 1992; Stauss/Hentschel 1992, S. 59ff.). In der Literatur gilt eine Dreifaktorstruktur der Kundenzufriedenheit27 als etabliert (für einen ausführlichen Literaturüberblick siehe

27

Einige Autoren führen als zusätzliche Kategorie „neutrale Faktoren“ an, bei denen eine Variation des Erfüllungsgrades keinen oder nur geringen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit hat (u.a. Bailom/Hinterhuber/Matzler/Sauerwein 1996, S. 118; Kano et al. 1984, S. 39ff.; Schütze 1992, S. 243). Diese vierte Gruppe wird in der Literatur aber meist vernachlässigt, so dass auch hier auf eine Betrachtung verzichtet werden soll.

118

4 Analysephase

Bartikowski/Llosa 2004 und Matzler/Sauerwein 2002). Bei dieser wird unterschieden zwischen: -

Basisfaktoren, d.h. Minimalanforderungen, deren Nichterfüllung zu massiver Unzufriedenheit führt, deren Erfüllung aber keine Zufriedenheit hervorruft,

-

Leistungsfaktoren, bei denen sich die Zufriedenheit proportional zum Erfüllungsgrad verhält und

-

Begeisterungsfaktoren, die vom Kunden nicht erwartet werden und deshalb zu überproportionaler Zufriedenheit führen, wenn sie erfüllt werden, aber bei geringem Erfüllungsgrad keine Unzufriedenheit auslösen.

Die Einteilung der Anforderungen an eine Leistung in Basis-, Leistungs-, Begeisterungsanforderungen ist nicht statisch, vielmehr wandeln sich mit zunehmendem Bekanntheitsgrad der Leistung und mit zunehmender Gewöhnung des Kunden an die Leistung Begeisterungsanforderungen in Leistungsanforderungen und diese wiederum in Basisanforderungen. 4.1.1.4 Kundenzufriedenheit als Ausstrahlungseffekten unterworfenes Konstrukt Bei der Bildung des Zufriedenheitsurteils über verschiedene Merkmale oder verschiedene Phasen des Kontakts hinweg spielen Ausstrahlungseffekte eine Rolle. Ausstrahlungseffekte sind Verzerrungen der Leistungswahrnehmung durch individuelle Beurteilungsmuster. Diese beruhen auf Denkschemata von Kunden und damit darauf, dass Kunden in einer kognitiv vereinfachenden Art und Weise von einem Eindruck auf einen anderen schließen und dabei subjektiven Denkgewohnheiten und -präferenzen folgen, die schwer durchschaubar und nachvollziehbar sind (KroeberRiel/Weinberg 2003, S. 300ff.; Schütze 1992, S. 162ff.). Ausstrahlungseffekte sind also Resultat einer kognitiven Vereinfachung durch den Kunden. Sie treten insbesondere dann auf, wenn der Zufriedenheitsbewertung relativ kurze Interaktionen zugrunde liegen. Es werden drei mögliche kognitiv vereinfachende Beurteilungsmuster unterschieden (Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 300ff.; Schütze 1992, S. 162f.; Wirtz 2003, S. 98f.): 1. Von einem einzelnen Eindruck wird auf den Gesamteindruck geschlossen, und für die Urteilsbildung werden Schlüsselinformationen/Schlüsselindikatoren genutzt.

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

119

2. Die Beurteilung des Gesamteindrucks wird aufgrund eines Strebens nach kognitiver Konsistenz auf die Beurteilung eines einzelnen Eindrucks übertragen. 3. Die Bewertung eines einzelnen Eindrucks strahlt auf die eines anderen Eindrucks aus. Dabei ziehen Kunden die Bewertung eines Attributs als Anhaltspunkt für die Bewertung eines anderen Attributs heran, weil sie nicht zwischen eigentlich unabhängigen Merkmalen unterscheiden können oder wollen bzw. weil sie kognitive Dissonanzen vermeiden wollen. So kann sich die Beurteilung eines oder mehrerer wichtiger Merkmale auf die der weniger wichtigen Merkmale auswirken oder die Einschätzung in Bezug auf zeitlich vorgelagerte Merkmale auf die von zeitlich nachgelagerten (Wirtz 2003, S. 98f.). Diese Analogieschlüsse sind insbesondere bei Dienstleistungen relevant, bei denen Vertrauenseigenschaften vorherrschen (Zeithaml/Bitner/Gremler 2006), so dass die Kunden die Einzeleindrücke nur schwer bewerten können (Day 1977; Schütze 1992, S. 164). Auf Basis des in diesem Kapitel erarbeiteten Verständnisses der Kundenzufriedenheit, die nach dem C/D-Paradigma definiert und als multiattributives, mehrfaktorielles und Ausstrahlungseffekten unterliegendes Konstrukt charakterisiert wurde, wird die Customer Care Zufriedenheit im Folgenden definiert und charakterisiert. 4.1.2 Definition der Customer Care Zufriedenheit nach dem C/D-Paradigma und als Transaktionszufriedenheit Überträgt man das C/D-Paradigma auf den Customer Care Kontext, ist das zugrunde liegende Konsumerlebnis der Customer Care Kontakt – der mittelbare, telefonische und meist kurze Kontakt des Kunden mit dem Customer Care Center. Kunden bilden im Vorfeld des Customer Care Kontakts Erwartungen an diesen. Einflussfaktoren auf die Erwartungen sind analog zu oben die Bedürfnisse des Kunden in der Situation des Customer Care Kontakts, seine bisherigen Erfahrungen mit dem oder anderen Customer Care Centern, informelle Kommunikation sowie die Anbieterkommunikation über die Leistungen des Customer Care Centers. Beim Customer Care Kontakt nehmen Kunden die vom Dienstleister erbrachte Customer Care Leistung wahr. Die kundenseitige Bewertung des Vergleichs zwischen diesen Erwartungen und Wahrnehmungen bzgl. des Customer Care Kontakts führt zum Customer Care Zufriedenheitsurteil, mit den drei Ausprägungen hohe Zufriedenheit („Begeisterung“), Indifferenz („zufriedengestellt sein“) oder Unzufriedenheit („Enttäuschung“).

120

4 Analysephase

Customer Care Kontakte wurden in Teil 2 als Service Encounter, als relativ kurze Interaktionen mit dem Customer Care Center (Transaktionen) eingeordnet. Daher soll hier ein transaktionsorientiertes Verständnis der Customer Care Zufriedenheit zugrunde gelegt werden. Die Customer Care Zufriedenheit ist demnach eine Transaktionszufriedenheit, die nach jedem Customer Care Kontakt gebildet wird, und kein übergreifendes, beziehungsbezogenes Urteil (de Ruyter/Wetzels 2000, S. 281). Dieses Verständnis ist vor dem Hintergrund sinnvoll, dass aus transaktionsorientierten Customer Care Zufriedenheits-Werten eher Steuerungsmaßnahmen abgeleitet werden können (Anforderungskriterium Handlungsorientiertheit) (Stauss 2006a). Aufgrund der Kontextabhängigkeit des Customer Care Kontakts (siehe Teil 2) ist die Customer Care Zufriedenheit abhängig von dem Anliegen, der Kernleistung/Branche sowie der Kundenpersönlichkeit und der individuellen Situation, in der es zum Customer Care Kontakt kommt. Zusammenfassend wird die Customer Care Zufriedenheit wie folgt definiert: Customer Care Zufriedenheit ist ein Zufriedenheitsurteil über einen konkreten Customer Care Kontakt, d.h. über eine zeitlich begrenzte und zumeist kurze, mittelbare, telefonische Transaktion mit dem Customer Care Center, das aus der subjektiven Bewertung des Vergleichs von Erwartungen an und Wahrnehmung der Ereignisse und Mitarbeiterverhaltensweisen während der Inanspruchnahme der Customer Care Leistung entsteht und das dem Einfluss von Kontextfaktoren unterliegt (individuelle Situation und Persönlichkeit des Kunden, Art des Anliegens sowie Charakteristika der Kernleistung/Branche). Abb. 4-2 zeigt das Grundmodell der Entstehung von Zufriedenheit für die Customer Care Zufriedenheit mit den wesentlichen Kontextfaktoren.

121

Art des Anliegens

Erwartung an den Customer Care Kontakt

Wahrnehmung des Customer Care Kontakts Vergleich Diskonfirmation und Bewertung

Customer Care (Un-)Zufriedenheit

Charakteristika von Kernleistung/Branche

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

Individuelle Situation und Persönlichkeit des Kunden

Abb. 4-2:

Grundmodell der Entstehung der Customer Care Zufriedenheit nach dem C/DParadigma und wesentliche Kontextfaktoren

Quelle:

Eigene Darstellung

Nach dieser Definition der Customer Care Zufriedenheit soll in Anlehnung an die obige Darstellung zur Kundenzufriedenheit in den folgenden Kapiteln die Customer Care Zufriedenheit als multiattributives, mehrfaktorielles und Ausstrahlungseffekten unterliegendes Konstrukt charakterisiert werden. 4.1.3 Customer Care Zufriedenheit als multiattributives Konstrukt Analog zu den obigen Ausführungen wird die Customer Care Zufriedenheit als multiattributives Konstrukt verstanden. Die Customer Care Zufriedenheit entsteht aus der Aggregation der gewichteten (Teil-)Zufriedenheiten mit Dimensionen der Customer Care Leistung, die wiederum aus der Aggregation der gewichteten (Teil-)Zufriedenheiten mit den dazugehörigen Merkmalen resultiert (Meffert/Bruhn 1981, S. 589). Im vorliegenden vierten Teil ist es zunächst erforderlich, ausgehend vom multiattributiven Verständnis die Customer Care Zufriedenheit durch die Identifikation ihrer Dimensionen und Merkmale zu operationalisieren und es ist die Bedeutungsgewichtung der Dimensionen und Merkmale zu ermitteln. Dies ist Gegenstand der folgenden Kapitel 4.1.3.1 und 4.1.3.2.

122

4 Analysephase

4.1.3.1 Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit 4.1.3.1.1 Erkenntnisquellen für die Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit Die Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit greift auf folgende Erkenntnisquellen zurück. Den Rahmen bieten vor allem die die Ausführungen zur Charakterisierung und Definition von Customer Care Kontakten sowie zur Prozessbetrachtung von Customer Care Kontakten in Kapitel 2.3. Wie oben dargestellt wurde, entsteht ein Zufriedenheitsurteil auf Basis aller vom Kunden wahrnehmbaren Leistungsaspekte. Daher sind für die Customer Care Zufriedenheit alle Leistungsmerkmale relevant, die der Kunde während des Customer Care Kundenprozesses wahrnimmt (Hentschel 1992, S. 151; Siefke 1998, S. 27). Die wesentliche Erkenntnisquelle sind einschlägige Literaturquellen, in denen sich die Autoren konzeptionell und empirisch mit Beurteilungskriterien und Kundenanforderungen an Kontakte mit Call Centern bzw. Customer Care Centern beschäftigt haben (siehe unten, Abb. 4-3). Hierbei sind nur die Ergebnisse relevant, die auf den Customer Care Kontext übertragbar sind, d.h. die auf Inbound Center und auf Anliegen, die im Customer Care Center anfallen, bezogen sind. Die Literaturquellen sind vor dem Hintergrund der schon bekannten Charakteristika der Customer Care Kontakte und des Customer Care Kundenprozesses zu betrachten. Als Ergänzung zur Erkenntnisbildung können die Ergebnisse aus den geführten Expertengesprächen (u.a. Expertengespräche 1, 3, 9, 11) genutzt werden. 4.1.3.1.2 Literaturübersicht konzeptioneller und empirischer Arbeiten zu Dimensionen und Merkmalen der Customer Care Zufriedenheit Abb. 4-3 gibt einen Überblick über relevante Literaturquellen und die wesentlichen Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit, die darin genannt werden.28 Die herangezogenen Quellen werden in der Abbildung jeweils kurz charakterisiert.

28

In der Tabelle wurde bei einigen Begriffen auf eine Übersetzung verzichtet, um der Originalquelle besser gerecht zu werden.

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

123

In der Unterschiedlichkeit der Studien besteht eine Herausforderung für deren Interpretation: Die Mehrzahl der zitierten Autoren leitet die Dimensionen und Merkmale konzeptionell ab, es gibt aber auch empirische Studien (z.B. Hafner 2001 und Kudernatsch 1998). In der Literatur wurden die Dimensionen und Merkmale zum Teil vor einem unterschiedlichen Hintergrund bzgl. der betrachteten Anliegen, Branchen und/oder Anforderungsbereiche identifiziert. Die Autoren haben zudem verschiedene Herangehensweisen und Ordnungsprinzipien genutzt. Hafner (2001) ordnet empirisch hergeleitete Merkmale den Dimensionen von SERVQUAL29 zu und passt diese teilweise an, während bspw. Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski (2005) die Merkmale auf Basis der Einteilung von Donobedian (1980) in Potential-, Prozess- und Ergebnisdimension ermitteln und Kudernatsch (1998) die Merkmale zu selbst ermittelten Dimensionen zuordnet. Weiterhin herrscht ein sehr unterschiedlicher Detaillierungsgrad der Aufzählungen. Einige Autoren nennen nur Merkmale und verzichten auf eine Zuordnung zu Dimensionen, andere nennen Dimensionen und Merkmale. Aufgrund der Unterschiedlichkeit wurden zur Identifikation der relevanten Dimensionen und Merkmale die in der Literatur genannten Dimensionen und Merkmale der Studien losgelöst von den jeweiligen Ordnungsprinzipien inhaltlich analysiert. Die Ergebnisse werden in den folgenden Kapiteln dargestellt.

29

Parasuraman/Zeithaml/Berry (1988) identifizierten bei SERVQUAL fünf wesentliche Dimensionen von Dienstleistungsqualität: Annehmlichkeit des tangiblen Umfelds („tangibles“), Verlässlichkeit („reliability“), Reaktionsfähigkeit („responsiveness“), Leistungskompetenz/Souveränität („assurance“) und Einfühlungsvermögen („empathy“).

Charakterisierung der Quelle

Konzeptionelle Herleitung der Dimensionen und Merkmale im Inbound Center

Konzeptionelle Herleitung der Dimensionen und Merkmale im Inbound Center

Konzeptionelle Herleitung der Merkmale im Inbound Center; nur mitarbeiterbezogene Attribute untersucht; Faktoranalyse und Zuordnung zu vier Dimensionen

Konzeptionelle Herleitung der Dimensionen und Merkmale im Inbound Center

Konzeptionelle Herleitung von Merkmalen des Zuhörverhaltens der Mitarbeiter im Center (Inbound und Outbound), Branche: Mobilfunk, Anliegen: Informationsanfragen sowie Telesales

Autor/Jahr

Anton 1994 und 1997; Anton/Perkins/ Monger 1995

Böse/Flieger 1999

Burgers et al. 2000

Cleveland/ Mayben/Greff 1999

deRuyter/ Wetzels 2000

- Attentiveness: Ausmaß der verbalen und nonverbalen Kommunikation mit dem Kunden - Perceptiveness: aktives Bemühen um Verstehen des Anrufers - Reponsiveness: Ausmaß des gegenseitigen Verständnisses/Rapports zwischen Agent und Kunde

u.a. - Erreichbarkeit - zuvorkommende Behandlung und Eingehen auf die Wünsche und Bedürfnisse - prompte Erledigung und Einhaltung von Versprechen - gut geschulte bzw. informierte Mitarbeiter - sozial verantwortliches Handeln und ethisches Handeln der Agents im Namen des Unternehmens

- Adaptiveness: u.a. Fähigkeit zur Anpassung an unterschiedliche Anliegen/Kunden/Situationen, Gefühle unter Kontrolle halten, Problem des Kunden genau definieren - Assurance: u.a. Erklärungen über die Bearbeitung für den Kunden, vertraulicher Umgang mit Daten - Empathy: u.a. Einfühlungsvermögen, zuvorkommende Behandlung des Kunden - Authority: u.a. Entscheidungsmacht des Agents

Transparenz der Rufnummer Verfügbarkeit: u.a. Schnelligkeit der Verbindung, Servicezeiten, Wartezeiten One-stop-Shopping: u.a. Weiterverbindungen, abschließende Lösung Persönliche Betreuung: u.a. individuelle Betreuung, persönliche Gesprächsführung - Promptes Ergebnis

-

- Zugang zum Center: u.a. Öffnungszeiten, Bekanntheit der Rufnummer, Wartezeiten und Weiterverbindungen - Interaktion mit dem Agent: u.a. Schnelligkeit, Einfühlungsvermögen, Hilfsbereitschaft, Flexibilität, Verstehen, Interesse am Anrufer - Lösung: u.a. Vollständigkeit, Genauigkeit, Geschwindigkeit und Fairness der Lösung

Dimensionen/Merkmale

124 4 Analysephase

- Tangibles Umfeld (“Komfort“): kostengünstige Servicerufnummer, angenehme Warteschleife, angenehme Telefonstimme - Zuverlässigkeit: u.a. Einhaltung von Versprechen, richtige Lösung schon beim ersten Anruf, Verfügbarkeit zu versprochenen Zeiten - Reagibilität: Anzahl der Freizeichen, Dauer von Weiterverbindungen, Hilfsbereitschaft, Eingehen auf Kundenwünsche - Souveränität: u.a. Vertrauensbegründendes Verhalten der Agents, Höflichkeit, Fachwissen - Einfühlungsvermögen: u.a. Ansprache mit Namen, Kundenerechte Betriebszeiten, Kundeninteressen im Fokus u.a. - Einfaches Durchkommen, jederzeit - Jederzeit mit einem Mitarbeiter verbunden werden können und nicht nur der Technik - Abschließende Lösung des Problems während eines Anrufs - Problemlösung ohne Weiterverbindungen - IVR-Menüs sind kurz und bedürfnisgerecht - Mitarbeiter: Freundlichkeit, Sprachliche Gewandtheit, Sprechweise, Richtigkeit der Auskünfte, Produktwissen, Auftragsausführung, Aufnahmeschnelligkeit - Erreichbarkeit: Öffnungszeiten, Wartezeit, Telefonkosten, Rufnummernsystem - Technik: u.a. Tonbandansage, Musik, Hintergrund, Legitimationsprüfung, EDV Störungen - Beschwerde: Aufnahme, Bearbeitungsgeschwindigkeit, Klärung - Potentialqualität: Angebotenes Leistungsspektrum, Technische Kontaktmöglichkeiten, Telefonische Erreichbarkeit - Prozessqualität: Freundlichkeit, Engagement, Fachliche Beratung, Individualität/Flexibilität, Verständlichkeit der Aussagen und Ausdrucksweise - Ergebnisqualität: Wartezeit am Telefon, Schnelligkeit der Erledigung des Anliegens, Zuverlässigkeit der Erledigung des Anliegens, Höhe der Gebühren für die erhaltene Leistung

Empirische Herleitung (Blueprinting/SIT mit Kunden) der Dimensionen und Merkmale im Inbound Center; Branche/Anliegen: Helpdesk eines B2B Industriegüterherstellers; Zuordnung zu den SERVQUAL Dimensionen

Konzeptionelle Herleitung der Dimensionen und Merkmale im Inbound Center

Empirische Herleitung (Blueprinting/SIT mit Kunden) der Dimensionen und Merkmale im Inbound Center, Branche: Direktanlagebank, Anliegen: telefonische Kundenbetreuung (v.a. Informationsabfrage)

Konzeptionelle Herleitung von Merkmalen im Inbound Center und Zuordnung zu den drei Dimensionen der Dienstleistungsqualität von Donobedian (1980), Verschiedene Branchen

Hafner 2001

Hauser/Katz 1998

Kudernatsch 1998

Meyer/ Kantsperger/ Wilkoszewski 2005

Dimensionen/Merkmale - Problemlösung - Keine Warteschlangen - Verhalten des Agents

Charakterisierung der Quelle

Konzeptionelle Herleitung der Dimensionen und Merkmale im Inbound Center

Autor/Jahr

Dean 2004

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit 125

Charakterisierung der Quelle

Konzeptionelle Herleitung der Dimensionen und Merkmale im Inbound Center

Zusammenstellung in der Praxis relevanter Dimensionen/Merkmale für Inbound Centern

Konzeptionelle Herleitung der Dimensionen und Merkmale im Inbound Center

Konzeptionelle Herleitung von Dimensionen der Beschwerdezufriedenheit

Autor/Jahr

Menzler-Trott 2000

o.V. 2006b (Aspect Contact Center Satisfaction Index™ Europe)

Pucker 1998

Stauss/Seidel 2002a

- Zugänglichkeit: Leichtigkeit, mit der ein unternehmerischer Ansprechpartner für ein Kundenproblem gefunden wird - Interaktionsqualität: Kundenorientierte Gestaltung der Interaktion: Freundlichkeit/Höflichkeit, Einfühlungsvermögen/Verständnis, Bemühtheit/Hilfsbereitschaft, Aktivität/Initiative, Verlässlichkeit - Reaktionsschnelligkeit: Schnelligkeit, mit der Eingangsbestätigung eintrifft, Schnelligkeit, mit der auf Kundenbeschwerden reagiert wird, Schnelligkeit, mit der der Fall gelöst wird - Angemessenheit/Fairness des Ergebnisses: Angemessenheit der Problemlösung, Fairness der angebotenen Wiedergutmachung

- Erreichbarkeit - Sofortlösungsquote - Lösungszeit

- Empathy and Advocacy: u.a. Wissen des Agents, Sprechweise/Verständigung, Geduld, Professionalität, Verantwortungsübernahme für Problemlösung durch Agent, Fürsorge und Hilfsbereitschaft des Agents, Erfassen der Situation, Freundlichkeit, Flexibilität, Nachfassen - Efficiency: Schnelligkeit, Möglichkeit, einen Mitarbeiter zu sprechen, Problemlösung beim ersten Anruf, Verbindungsqualität, kurze Wartezeiten, wenige Weiterverbindungen - Automation: u.a. Verbindung zu Mitarbeiter, einfache IVR-Menüs, Problemlösung über automatisierte IVR-Menüs möglich

- Erreichbarkeit - Kundenfreundlichkeit: empfundene Gesprächsleitung durch Agents - Kompetenz: kompetenter Eindruck vermittelt, Rücksprache mit anderen Agents notwendig, Weiterverbindungen - Problemlösung: Anfrage richtig verstanden worden, zur Lösung des Problems die richtigen Infos gegeben, konnte Problem durch Anruf gelöst werden oder Rückruf notwendig

Dimensionen/Merkmale

126 4 Analysephase

Abb. 4-3:

Quelle:

Konzeptionelle Herleitung der Dimensionen und Merkmale im Inbound Center

Konzeptionelle Herleitung der Dimensionen und Merkmale im Inbound Center

Wiencke/Koke 1999

Empirische Herleitung der Dimensionen und Merkmale im Center durch Interviews mit Kunden und Mitarbeitern

Töpfer/Greff 1995

Thieme/Steffen 1995

Charakterisierung der Quelle

Autor/Jahr

-

physikalische und persönliche Erreichbarkeit Mitarbeiterkompetenz kundenorientierte Gesprächsführung Verbindlichkeit der getroffenen Vereinbarungen

Ausgezeichnete Erreichbarkeit Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft Umgehende Weiterleitung an den richtigen Ansprechpartner Kompetente Beratung im Pre und After Sales Bereich Schnelle, abschließende Bearbeitung der Kundenanliegen Aktive Betreuung der Kunden durch Outbound Aktivitäten

u.a. - Anzahl der Klingelzeichen bei Kontakt - Nennung des eigenen Namens durch Agent - Bedarfsanalyse und aktives Zuhören - Zufriedenstellende Auskunft - Freundlichkeit - Zwischeninformationen bei Wartezeiten - Angebot eines Rückrufes - fachliche Kompetenz - Hilfsbereitschaft

Dimensionen/Merkmale

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit 127

Verdichtete Literaturübersicht zu relevanten Dimensionen und Merkmalen der Customer Care Zufriedenheit Eigene Darstellung

128

4 Analysephase

4.1.3.1.3 Identifikation der wesentlichen Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit Auf Basis der genannten Erkenntnisquellen konnten die im Folgenden dargestellten Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit identifiziert werden (siehe Abb. 4-4).

Customer Care Zufriedenheit

Abb. 4-4: Quelle:

Erreichbarkeit

Fachkompetenz

Interaktionskompetenz

Problemlösung

Merkmale

Merkmale

Merkmale

Merkmale

Wesentliche Beurteilungskriterien der Customer Care Kontakte als Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit Eigene Darstellung

Die Erreichbarkeit des Centers ist die erste wichtige Dimension, auch vor dem Hintergrund, dass der Zugang der Kunden zum Customer Care Center die Voraussetzung der Dienstleistungserstellung im Customer Care Center ist. Haben die Kunden das Center erreicht und sind mit einem Mitarbeiter verbunden, gewinnt die Kompetenz an Bedeutung für das Zufriedenheitsurteil über den Customer Care Kontakt, da es aufgrund der Mittelbarkeit und der Intangibilität kaum weitere für den Kunden wahrnehmbare Ausstattungsmerkmale gibt. Der Kunde muss die Bearbeitung des Anliegens im Customer Care Center als kompetent beurteilen (Fachkompetenz), auch wenn der Kunde die tatsächliche Fachkompetenz möglicherweise nicht abschließend beurteilen kann. Weiterhin muss der Kunde das Gefühl haben, dass im Kontakt mit ihm adäquat umgegangen wird und ein kundenorientiertes Gespräch zustande kommt (Interaktionskompetenz). Während und nach dem Gespräch rückt weiterhin die Problemlösung in das Blickfeld, da der Kunde sich mit dem Ziel der Lösung eines Anliegens an das Customer Care Center wendet. In die Beurteilung der Problemlösung aus Kundensicht wird einfließen, inwieweit im Customer Care Center während des Customer Care Kontakts eine Problemlösung herbeigeführt werden kann oder ob diese im Center nur angestoßen werden kann.

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

129

4.1.3.1.4 Konkretisierung der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit durch Zuordnung der Merkmale Die Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit wurden anhand der Literaturanalyse im Detail definiert und durch Zuordnung von Merkmalen konkretisiert (Abb. 4-5). ERREICHBARKEIT Definition: Die Erreichbarkeit ist die Wahrnehmung des Erreichbarkeitspotentials und der konkreten Verfügbarkeit sowie der Gestaltung des Zugangs aus Kundensicht. Dies beinhaltet, dass die gewünschten Kontaktkanäle in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung stehen, einfach zu finden, zu kundenfreundlichen Öffnungszeiten verfügbar und nicht zu teuer sind, dass der Weg (Warteschlange, IVR-Routing, IVRLegitimation usw.) bis zum Kontakt mit dem Unternehmen (Mitarbeiter oder Technik) so angenehm wie möglich gestaltet wird und dass möglichst der Kontakt zu einem Mitarbeiter hergestellt wird. Merkmale: - Vielfalt der angebotenen Kontaktkanäle - Öffnungszeiten/Betriebszeiten/Servicezeiten des Centers - Kosten des Kontakts (Gebühren für die Rufnummer) - Einheitliche Rufnummer - Einfach auffindbare/viel kommunizierte Rufnummer - Leicht merkbare Rufnummer (Ziffernfolge eingängig) - Tatsächliche Verfügbarkeit zu den versprochenen Zeiten - Wartezeit in Warteschleife vor Annahme des Gesprächs (durch Mensch oder Technik) - Anzahl Freizeichen in Warteschlange vor Annahme des Gesprächs (durch Mensch oder Technik) - Gestaltung der Warteschlange (Tonbandansage, Musik) - Einfache und kurze Legitimationsprüfung (IVR) - Kurzes und verständliches IVR-Routing - Mündliche Erreichbarkeit eines Mitarbeiters - Sofortige Leitung an den richtigen Ansprechpartner - Wartezeit am Telefon während des Gesprächs - Verfügbarkeit der Technik/Systemverfügbarkeit FACHKOMPETENZ Definition: Die Fachkompetenz ist die aus Kundensicht wahrgenommene Fähigkeit des Mitarbeiters, das Anliegen schnell verstehen und ohne Rücksprache und Weiterleitung sofort lösen zu können bzw. dem Kunden hilfreiche und richtige Auskünfte zu geben. Dies beinhaltet Professionalität in Bezug auf die Kernleistung sowie auf die im Customer Care Center verwendeten Informations- und Kommunikationstechnologien (insb. Computersysteme). Merkmale: -

Produktwissen bzgl. Kernprodukt/fachliche Beratung Sofortiges Verständnis von Anliegen Kompetenz zur sofortigen Lösung des Problems (ohne Rücksprache und Weiterverbinden) Aktualität der Auskünfte Richtigkeit der Auskünfte Richtige Angaben zu weiterem Vorgehen - Aufnahmeschnelligkeit und Bearbeitungsgeschwindigkeit (Kompetenz im Umgang mit den Syste-

130

4 Analysephase

men) INTERAKTIONSKOMPETENZ Definition: Die Interaktionskompetenz ist die aus Kundensicht wahrgenommene Fähigkeit, dem Kunden aufgeschlossen, interessiert und freundlich zu begegnen, sich für diesen zu interessieren und sich für die Lösung seines Anliegens einzusetzen. Darin kommt besonders stark der „Kümmerer“-Gedanke des Customer Care zum Ausdruck. Merkmale: -

Angenehme Telefonstimme Gleich bleibende Freundlichkeit/Höflichkeit/Zuvorkommenheit gegenüber dem Kunden Ansprache mit Namen Aufbau einer persönlichen Beziehung An Kunden angepasste Sprache und Verhalten, verständliche Ausdrucksweise Einfühlungsvermögen/Verständnis für das individuelle Problem und die Situation des Kunden Hilfsbereitschaft und Entgegenkommen (darunter u.a. auch Angebot eines Rückrufs) Richtiges Auffassen des individuellen Problems (aktives Zuhören) Gewünschte Problemlösung herausfinden (Bedarfsanalyse) Eingehen auf individuelle Kundenwünsche Vertrauen generierendes Verhalten (Informationen über Probleme, Vorgehen während des Anrufs, Wartezeiten sowie nächste Schritte geben, Daten schützen, in Situation souverän wirken)

PROBLEMLÖSUNG Definition: Die Problemlösung ist die kundenseitige Beurteilung der Qualität und der Schnelligkeit der Problemlösung. Dies beinhaltet, ob die Anliegen im Customer Care Center abschließend, vollständig und richtig gelöst werden können und ob diese Lösung möglichst schon während des Anrufs erreicht wird sowie ob dabei getroffene Vereinbarungen eingehalten werden. Merkmale: -

Breite des angebotenen Leistungsspektrums Schnelligkeit der Erledigung der Anliegen Zuverlässigkeit der Erledigung der Anliegen (Auftragsausführung) Verbindlichkeit (Einhalten von Versprechungen und Zusagen) Einhaltung von Rückrufterminen Sofortige Lösung der Anliegen im Rahmen des Anrufs (abschließende Bearbeitung) Richtigkeit der Auskünfte bzw. der Leistung Vollständigkeit der Lösung Entgegenkommen und Eingehen auf individuelle Kundenwünsche/Bedürfnisse Handlungsspielraum (Authority) zur sofortigen Lösung des Problems (ohne Rücksprache und Weiterverbinden) - Fairness der Lösung - Lösung übertrifft Erwartungen - Lösung entspricht den in anderen Unternehmen erlebten Standards Abb. 4-5: Quelle:

Definition der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit und Zuordnung der Merkmale Eigene Darstellung

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

131

Im Weiteren ist auf die wichtung bei der Aggregation der einzelnen Teilzufriedenheiten zum Customer Care Zufriedenheitsurteil einzugehen. 4.1.3.2 Bedeutungsgewicht der Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit Es gibt nur wenige empirische Studien, aus denen Aussagen zum Bedeutungsgewicht der Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit entnommen werden können. Aufgrund der Unterschiedlichkeit dieser Studien in Bezug auf die herangezogenen Dimensionen/Merkmale, die zugrunde liegende Branche und die Herangehensweise an die Empirie an sich sind diese aber nicht im Detail vergleichbar und daher die Aussagen auch nicht generalisierbar. Dennoch werden die Ergebnisse in der folgenden Abb. 4-6 dargestellt, um einen Einblick in die Bedeutung unterschiedlicher Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit zu geben. Autor / Jahr

Charakterisierung der Quelle

Dimensionen/Merkmale

Anton/ Perkins/ Monger 1995

Regressionsanalytische Bestimmung des Einflusses auf die Zufriedenheit







Kudernatsch 1998

Regressionsanalytische Bestimmung des Einflusses auf die Zufriedenheit (Bedeutungsgewichte in Klammern)

– – – –

Merkmale, die die Zufriedenheit mit dem „Zugang zum Center“ stark beeinflussen: – Wartezeiten vor Verbindung mit dem Mitarbeiter – Einfachheit der IVR-Menüs – Einfach zu findende Telefonnummer Merkmale, die die Zufriedenheit mit der „Interaktion mit dem Agent“ stark beeinflussen: – Hilfsbereitschaft – Verstehen des Anliegens – Zuvorkommenheit – Einhaltung von Versprechen – Schnelligkeit Merkmale, die die Zufriedenheit mit der „Lösung“ stark beeinflussen: – Vollständigkeit der Lösung – Erwartungen übertreffen mit Lösung Mitarbeiter (41,45%) – Freundlichkeit (1: 28,75%) – Sprachliche Gewandtheit (2: 19,38%) Technik (2: 27,33) – EDV-Störungen (1: 35,69%) – Legitimationsprüfung (2: 33,56%) Erreichbarkeit (3: 25,99%) – Wartezeit (1: 27,67%) – Telefonkosten (2: 26,77%) Beschwerde (4: 5,27%) – Klärung (1: 37,25) – Bearbeitungsschnelligkeit (2: 32,65%)

132

4 Analysephase

Meyer/ Kantsperger/ Wilkoszewski 2005

Regressionsanalytische Bestimmung des Einflusses auf die Zufriedenheit

Rangfolge der von den Autoren ermittelten Bedeutung für die Zufriedenheit: – Individuelle Betreuung – Zuverlässigkeit der Einhaltung von Zusagen – Schnelligkeit der Bearbeitung – Verständlichkeit – Fachliche Kompetenz – Breite des Leistungsspektrums

o.V. 2006b (2006 Aspect Contact Center Satisfaction Index™ Europe)

Direkte Befragung von Kunden nach der Bedeutung, die diese den verschiedenen Merkmalen beimessen (auf einer Skala von 1-100, mit 100 = maximale Bedeutung)

– Knowledgeable and informed (Empathy & Advocacy) – Speaks clearly/easy to understand (Empathy & Advocacy) – Patient (Empathy & Advocacy) – Professional (Empathy & Advocacy) – Takes responsibility for resolving issue (Empathy & Advocacy) – Cares and wants to help (Empathy & Advocacy) – Understands situation (Empathy & Advocacy) – How quickly they answered the phone (Efficiency) – Able to speak with person without long delay (Efficiency) – Friendly and courteous (Empathy & Advocacy) – Able to resolve issue in single interactions (Efficiency) – Flexible and creative (Empathy & Advocacy) – Clear connection without delays or lags (Efficiency) – Appreciates your business (Empathy & Advocacy) – Authority to solve without transferring (Efficiency) – Minimize waiting time (Efficiency)

92 89 88 88 88 87 86 86 85 84 83 82 82 81 81 81

Abb. 4-6:

Empirische Studien mit Anhaltspunkten zum Bedeutungsgewicht der Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit

Quelle:

Eigene Darstellung

Auf Basis der Studien kann für die vorliegende Arbeit – mit Blick auf den in Teil 2 herausgearbeiteten Ergebnisfokus von Customer Care Kontakten – davon ausgegangen werden, dass die Problemlösung sehr wichtig für die Kunden ist. Die Interaktionskompetenz und die Fachkompetenz spielen für die Qualitätswahrnehmung eine große Rolle, allerdings werden bloße Freundlichkeit und reines Basiswissen als selbstverständlich30 vorausgesetzt. Die Erreichbarkeit hat eine mittlere Bedeutung. Demnach kann ein „Ranking“ der Dimensionen aufgestellt werden, an dessen Spitze die Problemlösung steht, danach Fach- und Interaktionskompetenz und danach die Erreichbarkeit. Die Bedeutung einzelner Dimensionen kann aber von dieser allgemeinen Einschätzung auch abweichen. Zudem kann die kundenindividuelle Einschätzung anders sein, wenn es sich um unterschiedliche Anliegen handelt.

30

Auf Aspekte der Wahrnehmung von Dimensionen als „selbstverständlich“ wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch eingegangen.

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

133

Da über den letztendlichen Aggregationsmechanismus der Teilzufriedenheiten zur Gesamtzufriedenheit in der Literatur bisher keine Einigkeit herrscht, ist der Anwendungskontext zu betrachten. Wenngleich an dieser Stelle keine allgemeinen Ausführungen für Customer Care formuliert werden können, erscheinen doch folgende Annahmen plausibel: Unter den weniger bedeutenden Leistungsdimensionen und merkmalen kann Unzufriedenheit mit einem durch eine höhere Zufriedenheit mit anderen Dimensionen und Merkmalen ausgeglichen werden (kompensatorisch). Es ist aber zu vermuten, dass in Bezug auf bestimmte, sehr wichtige Dimensionen und Merkmale eher ein nicht-kompensatorisches Modell Anwendung findet. Beispielsweise kann eine nicht vorhandene Problemlösung (mangelndes Ergebnis) aufgrund des Ergebnisfokus von Customer Care Kontakten schwer ausgleichbar sein, während mangelnde Freundlichkeit des Mitarbeiters möglicherweise durch ein überaus zufriedenstellendes Ergebnis kompensiert werden kann. 4.1.3.3 Konsequenzen der Multiattributivität für die Planung und Messung der Customer Care Zufriedenheits-Service Level Standards Aus der Multiattributivität der Customer Care Zufriedenheit ergeben sich wesentliche Konsequenzen für die weitere Arbeit: - Für die Planung der Zufriedenheits-Service Level Standards in Teil 5 folgt, dass multiattributive Zufriedenheits-Service Level Standards zu formulieren sind. Das bedeutet, dass als Leistungsgrößen die Teilzufriedenheiten (Dimensionen oder Merkmale) bzw. die Gesamtzufriedenheit herangezogen und für diese Sollvorgaben formuliert werden. Dabei ist der Einfluss der Teilzufriedenheiten auf die Gesamtzufriedenheit (Bedeutungsgewicht) zu berücksichtigen. Dies wird in Kapitel 5.2 ausführlich diskutiert. - Für die Erhebung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards im Rahmen der Kontrolle (Teil 6) resultiert, dass eine merkmalsorientierte bzw. multiattributive Messung der Customer Care Zufriedenheit erfolgen muss (u.a. Beutin 2006; Hentschel 1999; Stauss 1999). Multiattributive Verfahren der Kundenzufriedenheitsmessung gehen entsprechend dem charakterisierten Zufriedenheitskonstrukt davon aus, dass sich das Gesamtzufriedenheitsurteil als gewichtetes Ergebnis einer individuellen Einschätzung verschiedener Leistungsbestandteile ergibt (u.a. Hentschel 1999). Das heißt, mit multiattributiven Verfahren werden die Teilzufriedenheiten für einzelne Leistungsbestandteile erfasst. Es werden unterschiedliche Ausprägungen der multiattributiven Messverfahren unterschieden:

134

4 Analysephase

- Einstellungs- vs. zufriedenheitsorientierte Messung: Aufgrund des zugrunde

liegenden Customer Care Zufriedenheits-Konstrukts auf Transaktionsebene ist hier nur die zufriedenheitsorientierte Messung relevant; - Indirekte vs. direkte Erfassung der Zufriedenheit: Für die vorliegende Arbeit

wird basierend auf der Definition der Kundenzufriedenheit nach dem C/DParadigma in Kapitel 4.1.1.1 davon ausgegangen, dass aufgrund des zweistufigen Zufriedenheitsprozesses die Teilzufriedenheiten direkt erfasst (im Sinne einer ex-post-Messung) und nicht als Differenz aus getrennt erfassten Erwartungen und Wahrnehmungen berechnet werden sollten (Dean 2004, S. 62; Hentschel 1992, S. 124f.; Korte 1995, S. 40; Stauss 1999, S. 13); - Einkomponenten- vs. Zweikomponentenansatz, d.h. ob nur die Zufriedenheit

oder auch die Bedeutungsgewichtung des Merkmals erfragt wird: Hier wird mit der herrschenden Meinung davon ausgegangen, dass keine gesonderte Erfassung der Bedeutung erfolgen sollte (Meyer/Kantsperger 2005, S. 225; Schütze 1992; Stauss 1999, S. 13f.). Nachdem die Multiattributivität der Customer Care Zufriedenheit ausführlich diskutiert wurde und beurteilungsrelevante Dimensionen/Merkmal abgeleitet wurden, erfolgt analog zur Charakterisierung der Kundenzufriedenheit (Kapitel 4.1.1) im nächsten Kapitel die Betrachtung der Mehrfaktorialität der Customer Care Zufriedenheit. 4.1.4 Customer Care Zufriedenheit als mehrfaktorielles Konstrukt Kundenzufriedenheit wurde als mehrfaktorielles Konstrukt charakterisiert. Auch in Bezug auf den Customer Care Kontext wird in der Literatur das Vorhandensein einer Mehrfaktorstruktur angenommen bzw. empirisch gezeigt (Hafner 2001, S. 46f.; Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski 2005, S. 64f.). Hierzu gibt es allerdings sehr wenige Arbeiten. Auf Basis der vorhandenen Erkenntnisse soll eine Zuordnung der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit zu den verschiedenen Faktortypen vorgenommen werden. Dies kann aufgrund der geringen empirischen Basis jedoch nur eine tendenzielle Zuordnung sein. Hafner (2001, S. 46f.) ordnet die Erreichbarkeit vor allem als Basiskomponente ein, die von Kunden vorausgesetzt wird und deren Erfüllung nicht zu Zufriedenheit führt, deren starke Einschränkung aber in Kundenunzufriedenheit resultiert. Töpfer/Greff

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

135

(2000, S. 36) bezeichnen „ergebnislose Kontaktversuche“ und „Abbruch des Gesprächs“ als Basisfaktoren. Beide beziehen sich auf die Erreichbarkeit, was deren Einordnung als Basisfaktor verstärkt. Als Fazit ergibt sich, dass die Erreichbarkeit vor allem als Basisfaktor zu charakterisieren ist. Diese Zuordnung ist aber nicht eineindeutig. Unter bestimmten Umständen kann die Erreichbarkeit auch zum Begeisterungsfaktor werden (Hafner 2001, S. 46f.). Hat der Kunde eher geringe Erwartungen an die Erreichbarkeit (bspw. aufgrund früherer schlechter Erfahrungen) und wird diese Erwartung dann stark übererfüllt, kann daraus eine überproportional hohe Zufriedenheit resultieren. Hinsichtlich der Interaktionskompetenz benennt Hafner (2001, S. 46f.) die klare Artikulation und Höflichkeit als Basisfaktoren. Gleichzeitig bezeichnet er aber das Eingehen auf individuelle Sonderwünsche als Begeisterungsfaktor (Hafner 2001, S. 46f.). Auch in der Call Center Benchmarking-Studie von Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski (2005, S. 64f.) werden Freundlichkeit und Verständlichkeit als Basisfaktoren eingeordnet. Töpfer/Greff (2000, S. 36) bezeichnen die Merkmale „Nennung des eigenen Namens“, „Bedarfsanalyse“, „aktives Zuhören“ „freundliche Verabschiedung“, die in der vorliegenden Arbeit der Interaktionskompetenz zuzuordnen sind, als Leistungsfaktor. Dies ist aber differenziert zu sehen. Für einige Faktoren ist eine enorme Zunahme der Erwartungen bzw. des Anspruchsniveaus der Kunden über die letzten Jahre zu unterstellen, so dass die reine Freundlichkeit, d.h. die Nennung des Namens und die freundliche Verabschiedung, zum Basisfaktor wird. Gerade Merkmale wie Bedarfsanalyse und aktives Zuhören sind aber auch heute noch nicht selbstverständlich und können als Leistungsfaktoren oder sogar Begeisterungsfaktor eingeordnet werden. Töpfer/Greff (2000) führen zudem Merkmale der Interaktionskompetenz („freundliche Zwischeninformation bei Wartezeiten“ und „Angebot eines Rückrufs“) auch als Begeisterungsfaktoren an. Hier wäre möglich, dass sich diese Faktoren mittlerweile schon zu Leistungsfaktoren entwickelt haben. Darüber ist aber keine Aussage möglich. Fazit dieser Ausführungen ist, dass eine grundlegende Interaktionskompetenz von Kunden als selbstverständlich erwartet wird, dass einzelne Merkmale der Interaktionskompetenz aber durchaus Leistungsfaktoren oder im seltenen Fall auch Begeisterungsfaktoren (z.B. Eingehen auf Sonderwünsche) sein können. Im Hinblick auf die Fachkompetenz sind kaum Anhaltspunkte in der Literatur enthalten. Töpfer/Greff (2000, S. 36) bezeichnen eine „zufriedenstellende Auskunft“ als Leistungsfaktor. Dieses Merkmal ist zum Teil der Fachkompetenz zuzuordnen, im Sinne des Merkmals, ob die Agents eine richtige Auskunft geben können. Dadurch

136

4 Analysephase

ist die Fachkompetenz zumindest teilweise als Leistungsfaktor einzuordnen. Es ist anzunehmen, dass die Fachkompetenz auf einem sehr grundlegenden Niveau auch ein Basisfaktor ist, denn Kunden erwarten ganz selbstverständlich, Agents mit einer elementaren Fachkompetenz am Telefon vorzufinden. Bei allem, was über dieses Basisniveau hinausgeht, ist Fachkompetenz aber ein Leistungsfaktor, d.h. je höher die Fachkompetenz, desto größer die Zufriedenheit und umgekehrt. Das von Kunden erwartete Minimalniveau ist abhängig von der Branche und dem Anliegen. Auch für die Problemlösung sind in der Literatur nur wenige Informationen enthalten. Wie schon angesprochen, bezeichnen Töpfer/Greff (2000, S. 36) eine „zufriedenstellende Auskunft“ als Leistungsfaktor. Dieses Merkmal betrifft neben der Fachkompetenz auch die Problemlösung, im Sinne des Merkmals, ob das Problem zufriedenstellend gelöst wurde. Die Problemlösung wäre demnach vor allem als Leistungsfaktor zu charakterisieren. Allerdings wird von Hafner (2001, S. 46f.) das Eingehen auf individuelle Sonderwünsche als Begeisterungsfaktor aufgeführt. Dieses Merkmal wurde zwar schon im Kontext der Interaktionskompetenz genannt, es spielt aber auch für die Problemlösung eine Rolle. Daher kann die Problemlösung zwar vor allem als Leistungs- aber auch als Begeisterungsfaktor eingeordnet werden. Die Customer Care Zufriedenheit ist ein mehrfaktorielles Konstrukt, wobei die Erreichbarkeit vor allem als Basisfaktor, die Interaktionskompetenz abhängig vom betrachteten inhaltlichen Schwerpunkt als Basis- oder Leistungsfaktor, die Fachkompetenz als Leistungsfaktor und die Problemlösung als Leistungsfaktor und möglicherweise Begeisterungsfaktor eingeordnet wurde. Gegenstand des folgenden Kapitels ist analog zu den obigen Ausführungen die Diskussion hinsichtlich des Vorliegens von Ausstrahlungseffekten bei der Customer Care Zufriedenheit. 4.1.5 Customer Care Zufriedenheit als Ausstrahlungseffekten unterworfenes Konstrukt Auch im Customer Care Kontext sind Ausstrahlungseffekte auf die Leistungswahrnehmung zu vermuten, denn ein Kunde tritt mit einem bestimmten Erfahrungshintergrund an das Customer Care Center heran: Die Customer Care Leistung wird vom Kunden im Kontext der Kernleistungsbeziehung wahrgenommen. In diesem Rahmen hat sich der Kunde ein Urteil über die Kernleistung des Unternehmens (Kernleistungszufriedenheit), ein Urteil über die Beziehung zum Unternehmen (Be-

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

137

ziehungszufriedenheit) und über das von ihm wahrgenommene Unternehmensimage bilden können. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er als Kunde verschiedener Unternehmen schon deren Customer Care Leistungen in Anspruch genommen und damit schon Erfahrungen mit dem Kontakt zu verschiedenen Customer Care Centern gesammelt hat. Unter Umständen hat der Kunde darüber hinaus auch schon Erfahrungen mit dem unternehmenseigenen Customer Care Angebot gemacht. Im Hinblick auf die verschiedenen Kontakte hat sich beim Kunden möglicherweise eine Einstellung bezüglich der gesamten Customer Care Branche gebildet (Customer Care Branchenimage). Den oben dargestellten Ausstrahlungseffekte, die die Leistungswahrnehmung und damit das Zufriedenheitsurteil beeinflussen, liegen drei Beurteilungsmuster zugrunde: Erstens, der Einzeleindruck wirkt auf den Gesamteindruck, zweitens, der Gesamteindruck wirkt auf den Einzeleindruck und drittens, der Einzeleindruck wirkt auf Einzeleindruck. Verbindet man den gerade dargestellten Erfahrungshintergrund des Kunden mit diesen vier grundsätzlichen Beurteilungsmustern, können Customer Care-spezifische Ausstrahlungseffekte charakterisiert werden. Dabei handelt es sich zum einen um zwei Ausstrahlungseffekte auf die Customer Care Zufriedenheit insgesamt (1 und 2) und um einen Ausstrahlungseffekt zwischen den einzelnen Dimensionen/Merkmalen des Customer Care Kontakts (3). Diese Effekten werden im Folgenden beschrieben. (1) Ausstrahlungseffekte von Kernleistungs- und Beziehungszufriedenheit sowie Unternehmensimage auf den aktuellen Customer Care Kontakt Die vom Kunden schon vorgenommene Beurteilung des Unternehmensimages und seine Beziehungszufriedenheit sowie Kernleistungszufriedenheit wird auf den Einzeleindruck beim Customer Care Kontakt übertragen (siehe zweites Beurteilungsmuster). Dieser Ausstrahlungseffekt ist im Customer Care Kontext von Bedeutung, da die Kunden den Customer Care Kontakt im Rahmen der Kernleistungsbeziehung wahrnehmen und deswegen auch nicht unabhängig davon beurteilen (Day 1977, S. 171f.). Wenn bspw. Kunden mit extremer Unzufriedenheit mit der Kernleistung in die Customer Care Situation gehen, etwa wenn sie eine Beschwerde über das Unternehmen äußern wollen, kann das deren Grundeinstellung gegenüber dem Customer Care Center negativ beeinflussen. Diese negative Voreinstellung beeinflusst dann die Wahrnehmung der Customer Care Leistung und der Customer Care Zufriedenheit.

138

4 Analysephase

Die Ausstrahlung der Kernleistungsbeziehung auf die Customer Care Zufriedenheit wurde empirisch nachgewiesen. Bennington/Cummane/Conn (2000) führten eine Studie über die Call Center von Centrelink durch, einem staatlichen Dienstleister in Australien, dessen Kernleistung die persönliche Vor-Ort-Beratung von Kunden in Service Centern ist. Dabei wurde festgestellt, dass ein signifikanter Teil der erklärten Varianz der Zufriedenheit mit dem Call Center durch die Zufriedenheit mit der persönlichen Interaktion im Service Center beeinflusst wurde. Bennington/Cummane/Conn (2000, S. 171) kommen daher zu folgendem Schluss: „it appears that it is difficult to isolate the call center operation from other parts of the organisation in the thinking of customers“. (2) Ausstrahlungseffekte von Customer Care Branchenimage und vorherigen Customer Care Kontakten auf den aktuellen Kontakt Haben Kunden positive oder negative Erfahrungen mit Customer Care Centern gemacht, wirkt dies auf das Image der und die Einstellung zu Customer Care Centern bzw. zur gesamten Branche, das Customer Care Branchenimage (erstes Beurteilungsmuster). Von diesem Customer Care Branchenimage wird dann auf den aktuellen Customer Care Kontakt geschlossen (siehe zweites Beurteilungsmuster). Aber auch ohne dass Kunden schon Erfahrungen mit Customer Care Centern gemacht haben, sind sie möglicherweise mit dem negativen Image der Call Center Branche in Berührung gekommen. Häufig sind die Erwartungen an Customer Care sogar schon als negative Vorurteile zu bezeichnen. Ergebnisse von Tests bestätigen dies (o.V. 2005b). Analog dazu kann auch die Erfahrung mit einem in der Vergangenheit erlebten Customer Care Kontakt auf den aktuellen Customer Care Kontakt ausstrahlen (drittes Beurteilungsmuster). (3) Ausstrahlungseffekte zwischen einzelnen Dimensionen und Merkmalen des Customer Care Kontakts Ausstrahlungseffekte zwischen einzelnen Leistungsmerkmalen des Customer Care Kontakts ergeben sich aus dem dritten Beurteilungsmuster (Einzeleindrücke wirken aufeinander) (Kroeber-Riel/Weinberg 2003, Wirtz 2003). Folgende Effekte können unterschieden werden: - Ausstrahlung der Bewertung von Merkmalen, die Kunden wichtig sind, auf die Bewertung weniger wichtiger Merkmale. Solche Effekte wurden in einer Studie von de Ruyter et al. (1997) im Dienstleistungsbereich nachgewiesen. Ist den Kunden

4.1 Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit

139

die Fachkompetenz der Customer Care Center Mitarbeiter sehr wichtig, die Freundlichkeit aber nicht so wichtig, so kann sich die Einschätzung der Fachkompetenz auf die Einschätzung der Freundlichkeit auswirken. - Ausstrahlung der Bewertung von Merkmalen, die in der Interaktion zeitlich vorgelagert sind, auf die Bewertung zeitlich nachgelagerter Merkmale. Eine negative Einschätzung der Erreichbarkeit des Customer Care Centers kann bei Freundlichkeit, Fachkompetenz und Problemlösung zu ebenfalls negativen Urteilen führen. Diese Ausstrahlungseffekte haben Einfluss auf die Bildung des Customer Care Zufriedenheitsurteils. Darauf wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch eingegangen. In Kapitel 4.1 wurde die theoretisch-konzeptionelle Charakterisierung der Customer Care Zufriedenheit vorgenommen. Die Customer Care Zufriedenheit wurde als bewertetes Ergebnis des Vergleichs zwischen Erwartungen an und Wahrnehmung des Customer Care Kontakts definiert. Sie wurde als multiattributives Konstrukt mit den Dimensionen Erreichbarkeit, Interaktionskompetenz, Fachkompetenz und Problemlösung charakterisiert, die durch Zuordnung von Merkmalen konkretisiert wurden. Weiterhin wurde die Customer Care Zufriedenheit als mehrfaktorielles Konstrukt beschrieben und eine tendenzielle Zuordnung dieser Dimensionen zu den Faktortypen vorgenommen. Schließlich wurden drei mögliche Ausstrahlungseffekte identifiziert. Im Kapitel 4.2 erfolgt eine Reflektion des Konstrukts der Customer Care Zufriedenheit vor dem besonderen Hintergrund der Customer Care Dreieckskonstellation.

4.2 Reflektion des Konstrukts der Customer Care Zufriedenheit vor dem Hintergrund der Customer Care Dreieckskonstellation In Teil 2 wurde die Dreieckskonstellation zwischen Customer Care Center, Unternehmen und Kunde dargestellt. Diese ist der Rahmen für die Entstehung der Customer Care Zufriedenheit. Die Reflektion der Customer Care Zufriedenheit vor dem Hintergrund der Dreieckskonstellation bietet daher relevante Einsichten zum Verständnis der Customer Care Zufriedenheit und zur Steuerung des Customer Care Dienstleisters. Daher ist dies im Kapitel 4.2 zu untersuchen.

140

4 Analysephase

Erwartung an Customer Care Kontakt

Wahrnehmung des Customer Care Kontakts

Unternehmen

Vergleich Diskonfirmation und Bewertung Customer Care (Un-)Zufriedenheit

Customer Care Dienstleister

Kunde

Abb. 4-7:

Untersuchung der Customer Care Zufriedenheit vor dem Hintergrund der Customer Care Dreieckskonstellation

Quelle:

Eigene Darstellung

4.2.1 Notwendigkeit der Betrachtung von Einflüssen auf die Customer Care Zufriedenheit außerhalb der Customer Care Beziehung Prinzipiell entsteht die Customer Care Zufriedenheit im Customer Care Kontakt zwischen Kunde und Mitarbeitern des Customer Care Dienstleisters und somit innerhalb der Customer Care Beziehung. In dieser Konstellation hat der Customer Care Dienstleister als direkter Interaktionspartner des Kunden beim Customer Care Kontakt maßgeblichen Einfluss auf die Kundenwahrnehmung des Customer Care Kontakts und damit auf die Customer Care Zufriedenheit (siehe Abb. 4-8). Dennoch bestehen aufgrund der Dreieckskonstellation Einflüsse auf die Customer Care Zufriedenheit, die außerhalb der Kontrolle des Dienstleisters liegen. Insbesondere ist zu beachten, dass das Unternehmen, welches Vertragspartner des Dienstleisters beim Abschluss des SLA ist, aufgrund seiner Stellung in der Dreieckskonstellation Einfluss auf die Entstehung der Customer Care Zufriedenheit hat, obwohl es nicht direkt an der Customer Care Beziehung beteiligt ist (siehe Abb. 4-8).

4.2 Customer Care Zufriedenheit in der Customer Care Dreieckskonstellation

Dienstleistungsbeziehung (DLB)

141

Unternehmen

Einfluss

Kernleistungsbeziehung (KLB)

Customer Care Dienstleister Leistung

Entstehung von Customer Care Zufriedenheit Anforderungen

Customer Care Beziehung (CCB)

Abb. 4-8: Quelle:

Kunden

Grundmodell der Einflüsse auf die Entstehung von Customer Care Zufriedenheit in der Customer Care Dreieckskonstellation Eigene Darstellung

4.2.2 Dienstleistungsbeziehung und Einfluss unternehmensbestimmter Rahmenbedingungen auf die Customer Care Zufriedenheit Im Kontext der Dienstleistungsbeziehung beeinflusst das Unternehmen die Customer Care Zufriedenheit, indem es mittels der Vorgabe von Rahmenbedingungen auf die Fähigkeit des Dienstleisters einwirkt, die Customer Care Leistung zu erstellen und Customer Care Zufriedenheit herzustellen. (1) Einfluss unternehmensbestimmter Rahmenbedingungen der Customer Care Leistungserstellung auf die Customer Care Zufriedenheit Die Customer Care Dreieckskonstellation führt zu einem speziellen Umfeld der Arbeit des Customer Care Centers, in dem das auftraggebende Unternehmen Einfluss auf die Leistungserstellung im Customer Care Center hat. So leistet das Unternehmen in verschiedener Hinsicht „Zuarbeit“, bspw. durch die Erstellung des Forecasts. Gleichzeitig reguliert das Unternehmen die tatsächliche Ausführung der Kundenbetreuung im Customer Care Center teilweise mit, z.B. indem es dem Dienstleister Prozesse für den Umgang mit den Kunden vorschreibt, wie Sprachregelungen, Kulanzregelungen usw. Diese unternehmensbestimmten Rahmenbedingungen der Customer Care Leistungserstellung beeinflussen die Möglichkeit des Dienstleisters, Customer Care

142

4 Analysephase

Zufriedenheit zu erzielen. Dadurch hat das Unternehmen Einfluss auf die Realisierbarkeit der Zufriedenheits-Service Level Standards durch den Dienstleister. Im Folgenden soll zunächst für jede Dimension der Customer Care Zufriedenheit untersucht werden, ob ein potentieller Einfluss unternehmensbestimmter Rahmenbedingungen besteht. (2) Vorliegen unternehmensbestimmter Rahmenbedingungen bei den vier Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit Auf die oben spezifizierten Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit wirken Rahmenbedingungen, die teilweise oder vollständig vom Unternehmen und nicht vom Dienstleister kontrolliert werden. Deswegen kann der Dienstleister die Zufriedenheitswerte für diese Dimensionen nur eingeschränkt beeinflussen. Die Erreichbarkeit wird vom Unternehmen stark beeinflusst: - Die Bekanntheit der Rufnummer hängt in der Regel vom Unternehmen ab. - Die Bereitstellung von dem Anrufaufkommen angemessenen Mitarbeiterkapazitäten durch den Dienstleister ist abhängig vom korrekten Forecast durch das Unternehmen. Zudem verfügt das Unternehmen eher als der Dienstleister über Informationen über Ereignisse, die das zu erwartende Anrufaufkommen nachhaltig und auch kurzfristig beeinflussen können, z.B. über zu erwartende Anrufspitzen aufgrund besonderer Ereignisse wie Werbekampagnen usw. - Darüber hinaus legen Unternehmen teilweise bestimmte Bedingungen fest. Beispielsweise wenn dem Customer Care Dienstleister vom Unternehmen untersagt wird, dass Anrufer, die unter einer für das Anliegen falschen Rufnummer angerufen haben, an die zuständigen anderen Mitarbeiter weitervermittelt werden können, sondern der Kunde erneut anrufen muss und dann den ganzen Prozess mit allen anfallenden Wartezeiten und Kosten nochmals durchlaufen muss. Die Interaktionskompetenz kann durch Auswahl und Training der Agents vom Dienstleister fast autonom beeinflusst werden. Unternehmensbestimmte Rahmenbedingungen sind dennoch denkbar, etwa wenn das Unternehmen dem Dienstleister Vorschriften zum Umgang mit dem Kunden macht, z.B. Formulierungen, Anforderungen an die Einhaltung der Corporate Identity durch den Agent, Häufigkeit der Ansprache mit Namen usw. Dies kann Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Interaktionskompetenz haben (z.B. übermäßige Namensnennung) und die Beeinflussbarkeit des Dienstleisters einschränken.

4.2 Customer Care Zufriedenheit in der Customer Care Dreieckskonstellation

143

Die Fachkompetenz kann der Dienstleister zu einem Teil selbst beeinflussen. Das Potential der Mitarbeiter und ihr Fachwissen zur Kernleistung sowie zum Umgang mit den Systemen kann der Dienstleister durch Auswahl und Training steuern. Dennoch gibt es unternehmensbestimmte Rahmenbedingungen: Erstens ist eine Voraussetzung für die entsprechende Qualifikation der Agents, dass der Informationsfluss vom Unternehmen zum Dienstleister reibungslos funktioniert, damit der Dienstleister seine Mitarbeiter hinsichtlich der Kernleistung zeitnah schulen kann und diese umfassend, richtig und aktuell Auskunft geben können. Zweitens müssen evtl. vom Unternehmen zur Verfügung gestellte Informationstechnologien (z.B. Computersysteme) funktionieren und in Echtzeit verfügbar sein. Die Problemlösung unterliegt in besonderem Maße unternehmensbestimmten Rahmenbedingungen: -

Zentral ist hier die Frage, ob die Aufgabe des Dienstleisters so ausgelegt ist, dass das Problem letztendlich abschließend gelöst werden kann oder dass er nur eine durch das Unternehmen oder andere Dienstleister zu übernehmende Problemlösung einleitet. Dies ist abhängig vom Anliegen. Eine abschließende Problemlösung ist bspw. möglich, wenn der Customer Care Dienstleister Informationsmaterialien nach einer Kundenanfrage direkt versenden kann. Keine abschließende Problemlösung ist bspw. bei einer Auftragsabgabe möglich, bei der das Center nur die Bestellung in die Datenbank einträgt und den Bestellvorgang auslöst, die bestellte Ware aber vom Unternehmen bereitgestellt werden muss und die Zustellung durch einen weiteren Dienstleister erfolgt. In diesem Fall endet der Einflussbereich des Customer Care Dienstleisters mit dem Anstoß der weiteren Prozessschritte, während der Kunde evtl. auch die darauf folgenden Schritte in sein Zufriedenheitsurteil über den Customer Care Kontakt einbezieht.

-

Das Spektrum der Anliegen, die das Customer Care Center bearbeiten kann, wird durch das Unternehmen festgelegt.

-

Das Unternehmen schreibt dem Customer Care Dienstleister evtl. bestimmte Prozessabläufe zur Problemlösung vor, die die Problemlösungsdauer verlängern können.

-

Das Unternehmen gibt dem Dienstleister bestimmte Richtlinien bezüglich der Problemlösung vor, indem es Handlungsspielräume festlegt. Beispielsweise werden Kulanzspielräume bei Beschwerden dem Dienstleister vom Unternehmen teilweise vorgegeben.

144

4 Analysephase

Es existieren also zahlreiche unternehmensbestimmte Rahmenbedingungen, die die Customer Care Zufriedenheit beeinflussen. Dies betrifft insbesondere die Dimensionen Erreichbarkeit und Problemlösung. (3) Unterscheidung der unternehmensbestimmten Rahmenbedingungen in konstitutive und laufende Rahmenbedingungen der Leistungserbringung Die unternehmensbestimmten Rahmenbedingungen können nach ihrem laufenden/variablen oder konstitutiven/grundlegenden Einfluss auf die Leistungserstellung wie folgt unterschieden werden: Laufende Rahmenbedingungen betreffen den Prozess der Leistungserbringung. Sie werden während der Leistungserbringung durch kontinuierlich auszuführende Aktivitäten des Unternehmens erst ausgefüllt und sind aufgrund dessen über die gesamte Leistungsbeziehung hinweg in ihrem Erfüllungsgrad variabel. Die Güte der aktuellen Aufgabenerfüllung durch das Unternehmen in Bezug auf diese Bedingungen beeinflusst die laufende Leistungserbringung durch den Dienstleister. Ein Beispiel für eine laufende Rahmenbedingung ist die tägliche Bereitstellung korrekter Forecasts durch das Unternehmen. Konstitutive Rahmenbedingungen beziehen sich auf das Potential der Leistungserbringung. Sie werden mit der Etablierung der Leistungsbeziehung zwischen Unternehmen und Dienstleister festgelegt und haben dann zunächst den Charakter von feststehenden, „konstitutiven“ Rahmenbedingungen für diese Leistungsbeziehung. Ein Beispiel für eine konstitutive Rahmenbedingung ist, welche Anliegen das Customer Care Center bearbeiten soll. Eine Änderung dieser Rahmenbedingungen ist schwieriger als bei laufenden Rahmenbedingungen. Sie ist aus Unternehmenssicht zudem möglicherweise unerwünscht, z.B. wenn das Unternehmen die Vorgaben hinsichtlich der „Corporate Identity“ im Auftreten der Agents nicht aufgeben möchte, oder auch unmöglich, z.B. wenn das Ausliefern von bestellten Waren nicht vom bisher beauftragten Dienstleister auf den Customer Care Dienstleister verlagert werden kann. Diese laufenden und konstitutiven unternehmensbestimmten Rahmenbedingungen, die die Customer Care Zufriedenheit beeinflussen, sind in allen weiteren Prozessphasen (Planung, Kontrolle und Gestaltung) zu berücksichtigen. Daher wird auf diese Rahmenbedingungen im weiteren Verlauf der Arbeit an den jeweils relevanten Stellen eingegangen.

4.2 Customer Care Zufriedenheit in der Customer Care Dreieckskonstellation

145

4.2.3 Kernleistungsbeziehung und Einflüsse auf die Customer Care Zufriedenheit Im Kontext der Kernleistungsbeziehung wirken weitere Einflüsse auf die Customer Care Zufriedenheit. 4.2.3.1 Einfluss durch Leistungsversprechen des Unternehmens Mit impliziten und expliziten Leistungsversprechen bezüglich der Customer Care Leistung, beeinflusst das Unternehmen die Kundenanforderungen (Morgan 1992, S. 22; Parasuraman/Zeithaml/Berry 1985). Implizite Leistungsversprechen in Bezug auf Customer Care werden durch Unternehmen oft schon dadurch gegeben, dass sie im Zuge der verstärkten Beziehungsorientierung in ihrer Außenkommunikation den Kunden versprechen, sie gut betreuen zu wollen, eine enge persönliche Beziehung zum Kunden aufbauen zu wollen usw. Kunden könnten dies als Leistungsversprechen hinsichtlich des Customer Care wahrnehmen. Darüber hinaus machen Unternehmen auch explizite Leistungsversprechen hinsichtlich Customer Care, unter anderem im Rahmen der Stimulierung von Kunden, sich mit Problemen an das Customer Care Center zu wenden. Ein Beispiel hierfür ist 1&1 Puretech, ein Webhosting-Anbieter. Puretech bewirbt in einem Newsletter an alle Kunden sein Customer Care Angebot offensiv: „1&1 Service und Support: Jetzt noch besser – Verlassen Sie sich auf uns. Wir sind an 7 Tagen die Woche 24 Stunden telefonisch für Sie da – egal ob bei Fragen zur Konfiguration im 1&1 Control-Center, bei technischen Problemen oder allgemeinen Vertragsfragen. Um Ihnen noch schneller behilflich sein zu können, haben wir unseren Service nun weiter optimiert ...“ (o.V. 2005a). Das Leistungsversprechen von Puretech ist, dass die Kunden sich jederzeit und einfach an das Customer Care wenden können und dort eine Lösung für ihre Probleme bekommen. Diese Leistungsversprechen beeinflussen die Customer Care Zufriedenheit, unterliegen aber in der Regel nicht der Kontrolle des Dienstleisters. 4.2.3.2 Einfluss durch Ausstrahlungseffekte Die Customer Care Zufriedenheit wurde als Ausstrahlungseffekten unterworfenes Konstrukt charakterisiert. Dabei wurden folgende „ausstrahlende Faktoren“ genannt: 1. Unternehmensimage, Beziehungs- und Kernleistungszufriedenheit; 2. Customer

146

4 Analysephase

Care Branchenimage und schon erlebte Customer Care Kontakte sowie 3. Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit. Die Ausstrahlung des Customer Care Branchenimages und anderer erlebter Customer Care Kontakte soll hier nicht weiter betrachtet werden. Sie sind zwar durch den einzelnen Customer Care Dienstleister wenig veränderbar bzw. kaum kontrollierbar. Diese Einflüsse sind aber nicht spezifisch für die konkrete Beziehung zwischen einem Unternehmen und einem Customer Care Dienstleister, sondern typische Phänomene, mit denen Customer Care Dienstleister umgehen können müssen. Relevant ist die Ausstrahlung von Unternehmensimage, Beziehungs- und Kernleistungszufriedenheit. Diese Größen sind fast ausschließlich unternehmensbestimmt. Der Customer Care Dienstleister kann diese Größen höchstens sehr langfristig verändern und hat daher wenig Einfluss. Daher ist die Berücksichtigung dieser Effekte im Kontext der Dienstleistersteuerung sehr relevant. Dabei sind nicht nur die Kundenurteile über die Unternehmensbereiche, mit denen Kunden die Kernleistungsbeziehung haben, sondern auch über andere Unternehmensteile einzubeziehen (Expertengespräch 11). Relevant ist weiterhin die Ausstrahlung der einzelnen Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit. Diesbezüglich ist eine differenziertere Betrachtung notwendig, da die ausstrahlenden Faktoren vom Dienstleister unterschiedlich stark kontrollierbar sind. Dies steht in engem Zusammenhang mit den unternehmensbestimmten Rahmenbedingungen. Es wurden die Effekte der Ausstrahlung wichtigerer und der Ausstrahlung zeitlich vorgelagerter Dimensionen unterschieden. - Im Fall der Ausstrahlung wichtiger auf weniger wichtige Dimensionen, kommt es darauf an, welche Aspekte die Kunden für wichtig halten. Da hier nicht auf eine unternehmensindividuelle bzw. branchenbezogene Erhebung zurückgegriffen werden kann, wird für die Analyse die Problemlösung als besonders wichtige Dimension herausgegriffen. Eine für den Dienstleister eingeschränkte Beeinflussbarkeit der Customer Care Zufriedenheit besteht dann, wenn die Problemlösung nicht von diesem kontrollierbar ist. Das Ausmaß der Kontrollierbarkeit hängt von den gegebenen Rahmenbedingungen ab und diese müssen analysiert werden. Diesbezügliche Fragen sind, wie hoch die Kulanzspielräume des Dienstleisters sind, welchen Anteil der Problemlösung vom Dienstleister selbst erbracht werden kann und welcher vom Unternehmen erbracht werden muss. Kann der Dienstleister ein Kundenanliegen in Eigenregie sofort lösen, z.B. Aktualisierung eines Eintrags in Kundendatenbank noch während des Kundenge-

4.2 Customer Care Zufriedenheit in der Customer Care Dreieckskonstellation

147

sprächs, ist die Beeinflussbarkeit der Problemlösung hoch. Ist der Dienstleister in der Problemlösung stark vom Unternehmen abhängig, z.B. Anmeldung eines Reparaturbedarfs beim Customer Care Center, aber Durchführung der Reparatur durch den Außendienst des Unternehmens, ist die Beeinflussbarkeit der Problemlösung eingeschränkt. In dem Fall kann dann durch die Ausstrahlung die Beeinflussbarkeit der Zufriedenheit mit den anderen Dimensionen eingeschränkt sein. Eine negative Bewertung der Problemlösung kann zu einer Verschlechterung der Bewertung der anderen Dimensionen führen. - Im Fall der Ausstrahlung zeitlich vorgelagerter auf zeitlich nachgelagerte Dimensionen ist zunächst die Erreichbarkeit zu betrachten, da diese am Anfang des Customer Care Kontakts steht. Es ist zu diskutieren, in welchem Ausmaß der Dienstleister die Erreichbarkeit kontrollieren kann. Oben wurde schon gezeigt, dass die Erreichbarkeit vom Dienstleister mittels der eigenen Kapazitätsplanung zwar relativ stark, aber dennoch nicht vollständig zu beeinflussen ist. Daher hat das Unternehmen einen großen Einfluss. Weiterhin sind die Fachkompetenz und die Interaktionskompetenz relevant, die sich auf die Zufriedenheit mit der letztendlichen Problemlösung auswirken. Diese sind allerdings durch den Dienstleister in hohem Maße selbst beeinflussbar, weshalb dort eine eingeschränkte Beeinflussbarkeit der Zufriedenheit mit der Problemlösung aufgrund von Ausstrahlungseffekten dieser beiden vorgelagerten Dimensionen nicht anzunehmen ist. Zusammenfassend sind die Ausstrahlung von Unternehmensimage, Beziehungsund Kernleistungszufriedenheit auf den gesamten Customer Care Kontakt sowie die Ausstrahlung von der Problemlösung und der Erreichbarkeit auf die anderen Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit relevant. Als Zwischenfazit zur Reflektion der Customer Care Zufriedenheit vor dem Hintergrund der Customer Care Dreieckskonstellation soll in folgender Abbildung gezeigt werden, wie die Einflüsse auf die Customer Care Zufriedenheit in der Customer Care Dreieckskonstellation wirken (siehe Abb. 4-9). Die Customer Care Zufriedenheit ist in die Dreieckskonstellation eingebettet und die erarbeiteten Einflüsse auf die Customer Care Zufriedenheit sind dargestellt. Aufgrund der Dreieckskonstellation ergibt sich folgendes Bild:

148

4 Analysephase

Dienstleistungsbeziehung (DLB)

Unternehmen

Einfluss aus DLB: Unternehmensbestimmte Rahmenbedingungen der Leistungserstellung Customer Care Dienstleister Leistung

Einfluss aus KLB: • Leistungsversprechen bzgl. Customer Care • Ausstrahlungseffekte

Kernleistungsbeziehung (KLB)

Entstehung von Customer Care Zufriedenheit Anforderungen

Customer Care Beziehung (CCB)

Kunden

Abb. 4-9:

Einflüsse auf die Entstehung von Customer Care Zufriedenheit innerhalb der Customer Care Dreieckskonstellation

Quelle:

Eigene Darstellung

Die Customer Care Zufriedenheit entsteht in der Customer Care Beziehung als Abgleich zwischen Anforderungen der Kunden und (wahrgenommener) Leistung des Dienstleisters. Der Dienstleister selbst beeinflusst durch seine Leistung die Customer Care Zufriedenheit, aber das Unternehmen hat durch unternehmensbestimmte Ausstrahlungseffekte und Rahmenbedingungen sowie Leistungsversprechen auch Einfluss darauf. Diese Einflüsse sind spezifisch für die hier zugrunde liegende Steuerung externer Customer Care Dienstleister und die Steuerungsgröße Customer Care Zufriedenheit. Sie haben daher weitreichende Auswirkungen auf die Steuerung des Customer Care Dienstleisters. Im Hinblick auf die Erfüllung des Ziels der vorliegenden Arbeit, ein Konzept zur Steuerung externer Customer Care Dienstleister zu entwickeln, muss im weiteren Verlauf an den relevanten Stellen eine Auseinandersetzung mit der beschriebenen Problematik erfolgen. In Kapitel 4.2 wurde gezeigt, das das Customer Care Zufriedenheitsurteil zwar grundsätzlich in der Customer Care Beziehung zwischen Customer Care Dienstleister und Kunde entsteht und so von den Kundenanforderungen und der (wahrgenommenen) Leistung des Dienstleisters abhängig ist. Darüber hinaus ist die Customer Care Zufriedenheit im Rahmen der Customer Care Dreieckskonstellation weiteren Einflüssen ausgesetzt, vor allem Ausstrahlungseffekten, unternehmensbestimmten Rahmenbedingungen der Customer Care Leistungserstellung sowie Leis-

4.2 Customer Care Zufriedenheit in der Customer Care Dreieckskonstellation

149

tungsversprechen des Unternehmens bezüglich der Customer Care Leistung. Mit diesen Ausführungen ist die Analyse der Leistungssituation abgeschlossen. In Kapitel 4.3 wird diskutiert, wie – spezifisch für das betreffende Unternehmen – die für die Kunden relevanten Anforderungen an die Customer Care Leistung zu identifizieren sind.

150

4 Analysephase

4.3 Unternehmensspezifische Analyse der Kundenanforderungen an die Customer Care Leistung Die Analyse der Kundenanforderungen ist Grundlage der Planung der Zufriedenheits-Service Level Standards in der konkreten Dienstleistungsbeziehung zwischen Unternehmen und Customer Care Dienstleister. Sie ist daher branchenbezogen und unternehmensindividuell vorzunehmen. Zwar können vorliegende Systematiken, wie die obige Aufstellung der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit und ihrer Merkmale oder SERVQUAL (Zeithaml/Parasuraman/Berry 1985, 1988, 1990) zu einer grundlegenden Strukturierung des Analysefeldes dienen. Eine Ermittlung der für die Kunden des Unternehmens relevanten Aspekte der Customer Care Leistung können sie allerdings nicht ersetzen.31 Gegenstand des folgenden Kapitels ist zuerst die Identifikation und Zugänglichkeit der wesentlichen Kunden-Zielgruppen für die Analyse der Kundenanforderungen. Mit konkreten Analyseverfahren zur Ermittlung beurteilungsrelevanter Dimensionen/Merkmale der Customer Care Zufriedenheit aus Kundensicht beschäftigt sich Kapitel 4.3.2. 4.3.1 Identifikation und Zugänglichkeit relevanter Kunden-Zielgruppen für die Erhebung 4.3.1.1 Notwendigkeit der Befragung der Kunden Um kundenorientierte Zufriedenheits-Service Level Standards definieren zu können (vgl. das Anforderungskriterium Inhaltliche Relevanz), wird in der vorliegenden Arbeit gefordert, dass Unternehmen eine Befragung der Kunden zu ihren Anforderungen an den Customer Care Kontakt durchführen (Kudernatsch 1998, S. 33; Stabenau et al. 1993, S. 19).32

31

32

Gerade im Hinblick auf die SERVQUAL-Dimensionen hat sich in der Literatur die Meinung durchgesetzt, dass dieser Kriterienkatalog ohnehin nicht direkt anwendbar, sondern für die Branche, das Unternehmen und die Dienstleistung anzupassen ist (Andersson 1992, S. 44-46; Cronin/Taylor 1994; Matzler/Bailom 2004, S. 281; Oliver 1997, S. 45ff.). Davon bleibt unberührt, dass die Ansprüche des Unternehmens gegenüber dem Dienstleister über die Kundenanforderungen hinausgehen können oder dass das Unternehmen nicht alle erhobenen Kundenanforderungen erfüllen will. Dies wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch erläutert.

4.3 Unternehmensspezifische Analyse der Kundenanforderungen

151

Allerdings nehmen viele Unternehmen keine Kundenbefragung vor. Die Studie von CCBenchmarks (Schmidt 2004) bestätigte, dass sich die Zieldefinition für Customer Care Center kaum an Markterhebungen orientiert. Unternehmen beschränken sich der Einfachheit halber häufig auf eine unternehmensinterne Einschätzung der Kundenwünsche (Hinterhuber/Handlbauer/Matzler 1997; Matzler/Bailom 2004, S. 271; Quartapelle/Larsen 1996, S. 171ff.), z.B. über die Befragung von Mitarbeitern in Customer Care Centern und der verantwortlichen Customer Care Manager oder unter Rückgriff auf die Kompetenz von Managern im Unternehmen. Darüber hinaus ist die Nutzung verschiedener unternehmensexterner Informationsquellen verbreitet: Eine Beobachtung aus den Expertengesprächen ergab, dass Unternehmen auf die Expertise der Customer Care Dienstleister zurückgreifen bzw. auf die Erfahrungswerte von Marktforschungsagenturen und/oder Beratungen (u.a. Expertengespräche 2, 3, 12). Mit Blick auf das Erkenntnisziel wird deutlich, dass diese Beschränkung die notwendige Kundenperspektive vernachlässigt. Zwar können Marktforschungsagenturen aus ihren Erfahrungen mit verschiedenen Unternehmen und deren Kunden auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen und die Übernahme der Erkenntnisse erscheint zunächst pragmatisch. Zudem können die aus den genannten Quellen gewonnenen Informationen auch zur Ergänzung oder zur Vorstrukturierung der Analyse dienen. Aber zur Befragung der Kunden gibt es langfristig keine Alternative. 4.3.1.2 Identifikation relevanter Zielgruppen unter den Kunden Grundsätzlich sollte die Erhebung der Kundenanforderungen auf eine breite Grundlage gestellt werden, um die Anforderungen aller Kunden möglichst repräsentativ zu ermitteln (Homburg/Jensen 1998, S. 20; Matzler/Bailom 2004, S. 268) (vgl. auch Anforderungskriterium Inhaltliche Relevanz). Im Kontext der vorliegenden Arbeit ist zunächst zu diskutieren, welche Kundengruppen relevante Zielgruppen der Erhebung der Anforderungen an Customer Care Kontakte sind. An dieser Stelle soll sowohl auf den im Teil 2 zugrunde gelegten Kundenbegriff, der potentielle, aktuelle und verlorene Kunden umfasst, als auch auf die beiden Mitakteure der Kunden im Rahmen der Customer Care Dreieckskonstellation, Customer Care Center und Unternehmen, zurückgegriffen werden. Dies wird in der in Abb. 4-10 dargestellten Matrix zusammengeführt und im Weiteren erläutert.

152

4 Analysephase

Unternehmen Customer Care

Potentielle Kunden des Unternehmens

Aktuelle Kunden des Unternehmens

Ehemalige Kunden des Unternehmens

Potentielle Customer Care Kunden Aktuelle Customer Care Kunden Ehemalige Customer Care Kunden

Abb. 4-10: Quelle:

Kaum relevante Zielgruppe

Weniger relevante Zielgruppe

Relevante Zielgruppe

Sehr relevante Zielgruppe

Relevante Zielgruppen unter den Kunden des Unternehmens für die Primärerhebung Eigene Darstellung

Mit Blick auf den Kundenstatus gegenüber dem Unternehmen erscheint es im Sinne der obigen Argumentation sinnvoll, vor allem die aktuellen Kunden (Bestandskunden) zu befragen, da diese eine wesentliche Zielgruppe für Customer Care Leistungen in allen Anliegenkategorien sind. Analog dazu sind aufgrund ihres früheren Status als Bestandskunden auch verlorene Kunden des Unternehmens eine relevante Zielgruppe. Weniger relevant sind potentielle Kunden des Unternehmens. Diese wenden sich lediglich mit Informationsabfragen im Sinne von Vorkauf-Beratung und Produktinformationen an das Customer Care Center. In diesem Zusammenhang sei zudem auf die Warnung von Vavra (1997, S. 65) vor einer zu starken Konzentration auf potentielle Kunden hingewiesen, da diese möglicherweise nie Kunden des Unternehmens werden, so dass eine Ausrichtung an deren Anforderungen nicht zielführend ist. Mit Blick auf den Kundenstatus gegenüber dem Customer Care Center sollten für die Erhebung grundsätzlich solche Kunden ausgewählt werden, die schon Erfahrungen mit dem Customer Care Center des Unternehmens hatten, oder zumindest mit anderen Customer Care Centern. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen können diese die relevanten Leistungsdimensionen/-merkmale realistischer einschätzen. Aktuelle Customer Care Kunden können sehr zeitnahe Informationen über ihre Anforderungen geben. Daneben sind weiterhin die verlorenen Customer Care Kunden relevant, denn sie verfügen über wertvolle Informationen zu Problemen mit dem Customer Care Center, die zu der Entscheidung geführt haben, das Customer Care Center nicht

4.3 Unternehmensspezifische Analyse der Kundenanforderungen

153

mehr in Anspruch zu nehmen. Im Gegensatz zu potentiellen Unternehmenskunden sind auch die potentiellen Customer Care Kunden interessant, da von diesen Informationen darüber ermittelt werden können, warum sie das Customer Care Center nicht in Anspruch nehmen. Sind die potentiellen, aktuellen und/oder verlorenen Customer Care Kunden gleichzeitig Kunden anderer Unternehmen und anderer Customer Care Center, kann aus deren Befragung erhoben werden, wie die Customer Care Center dieser Unternehmen im Leistungsvergleich abschneiden und wo Verbesserungspotentiale für das eigene Unternehmen liegen. In der Abb. 4-10 werden die vor allem wichtigen Befragungszielgruppen dargestellt: vor allem Bestandskunden des Unternehmens, die zugleich aktuelle Customer Care Kunden sind, daneben Bestandskunden des Unternehmens, die ehemalige Customer Care Kunden sind und verlorene Kunden des Unternehmens. Bei der Identifikation der relevanten Zielgruppen für die Erhebung sind darüber hinaus noch weitere Faktoren zu beachten: -

Wenn bestimmte Kundengruppen das Customer Care Center mehr nutzen als andere, sollten diese in der Befragung stärker repräsentiert sein.

-

Wenn das Unternehmen mit den Customer Care Leistungen bestimmte Kundengruppen gezielt ansprechen will, ist eine gezielte Erhebung der Anforderungen bestimmter Kundengruppen wesentlich. Dies kann der Fall sein, wenn bestimmte unternehmerische Ziele im Mittelpunkt stehen. Soll der Aufbau profitabler Geschäftsbeziehungen zu Neukunden vorangetrieben werden, müssen insbesondere Neukunden befragt werden. Steht das Ziel der Kundenakquise im Fokus, ist eine stärkere Einbeziehung potentieller Kunden des Unternehmens sinnvoll.

-

Bei der Erhebung der Anforderungen ist es weiterhin sinnvoll, Überlegungen zu einer Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards schon zu berücksichtigen und Kunden aus verschiedenen Kundensegmenten in die Befragung einzubeziehen bzw. eine dementsprechend differenzierte Auswertung der Befragung vorzusehen.

Auf Basis dieser Überlegungen sind im gegebenen Unternehmenskontext die relevanten Kundenzielgruppen zu definieren.

154

4 Analysephase

4.3.1.3 Zugänglichkeit der verschiedenen Kunden-Zielgruppen Die Kundengruppen können vom Unternehmen zum Zweck der Befragung mehr oder weniger einfach kontaktiert werden. Dies hängt von den im Unternehmen vorhandenen Kontaktdaten ab. Von der wichtigsten Zielgruppe, den aktuellen Kunden des Unternehmens, liegen häufig Kontaktdaten vor, insbesondere, wenn es sich um eine vertraglich begründete Geschäftsbeziehung handelt. Die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins von Kontaktdaten steigt, wenn Kunden schon häufigen Kontakt zum Unternehmen haben und in diesem Zusammenhang eine Aufnahme der Kontaktdaten erfolgen muss (z.B. Versandhandel). Dies gilt analog für verlorene Kunden des Unternehmens. Lediglich von potentiellen Kunden des Unternehmens, die also noch keine Transaktion mit dem Unternehmen getätigt haben, liegen keine individuellen Daten vor. Diese Kunden bleiben anonym und sind für Befragungen kaum zugänglich. Die dadurch ausgelöste Beschränkung der Befragung ist aber unproblematisch, da es sich bei den potentiellen Kunden des Unternehmens um keine wesentliche Zielgruppe der Befragung handelt. In Kapitel 4.3.2 werden Verfahren zur Befragung der relevanten Kundengruppen diskutiert. 4.3.2 Verfahren zur unternehmensspezifischen Konkretisierung der Customer Care Zufriedenheit aus Kundensicht Für die Konkretisierung der Customer Care Zufriedenheit aus Kundensicht sind zunächst die beurteilungsrelevanten Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit zu ermitteln. Geeignete Verfahren hierfür sollen im Kapitel 4.3.2.1 vorgestellt werden. Im Kapitel 4.3.2.2 wird zusätzlich auf Verfahren zur Ermittlung der Faktortypzugehörigkeit aus Kundensicht eingegangen. 4.3.2.1 Verfahren zur Identifikation beurteilungsrelevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit Beurteilungsrelevante Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit beeinflussen die Customer Care Zufriedenheit maßgeblich (Mühlbacher/Botschen 1990, S. 163). Für deren Identifikation sind zwei Schritte notwendig: 1. Ermittlung der aus Kundensicht nen/Merkmale (Kapitel 4.3.2.1.1).

grundsätzlich

relevanten

Dimensio-

4.3 Unternehmensspezifische Analyse der Kundenanforderungen

155

2. Ermittlung des Bedeutungsgewichts für diese Dimensionen/Merkmale, um diejenigen mit dem größten Einfluss auf die Customer Care Zufriedenheit zu bestimmen (Kapitel 4.3.2.1.2). Für die Bewertung der Verfahren zur Ermittlung der beurteilungsrelevanten Dimensionen/Merkmale soll an die in Teil 3 vorgestellten Anforderungskriterien an Zufriedenheits-Service Level Standards erinnert werden. Insbesondere sind die Inhaltliche Relevanz (Identifikation aller aus Kundensicht relevanten Merkmale unter Berücksichtigung der Prozesswahrnehmung der Kunden, Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Kundengruppen und/oder bei bestimmten Anliegen) und die Wirtschaftlichkeit (kostengünstige Erhebung der Verfahren der Kundenanforderungen) zu berücksichtigen. 4.3.2.1.1 Verfahren zur Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale Für die erstmalige und grundlegende Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale spielen vor allem Verfahren der qualitativen Marktforschung eine große Rolle (u.a. Oliver 1997, S. 40-51). Liegen schon Messergebnisse aus früheren multiattributiven Customer Care Zufriedenheits-Befragungen vor, kann mittels der qualitativen Verfahren überprüft werden, ob in diese Befragungen tatsächlich die aus Kundensicht relevanten Dimensionen/Merkmale eingegangen sind. Das kann bspw. der Fall sein, wenn es sich nicht um eine Neueinrichtung des Customer Care Centers handelt und wenn in der Vergangenheit entsprechende Erhebungen stattgefunden haben. Je weniger aber die Situation, in der die Messungen durchgeführt wurden, mit der aktuellen Customer Care Situation vergleichbar ist (u.a. ob fokale Kundengruppen und Anliegen gleich sind), desto wichtiger ist die Überprüfung der Ergebnisse. Die Anwendung der Verfahren ist demzufolge zu empfehlen. Im Weiteren wird daher auf folgende wesentlichen qualitative Verfahren eingegangen: Basisverfahren (Interviews und Fokusgruppen), kontaktpunktorientierte Verfahren (Sequential Incident Technique und Critical Incident Technique) sowie problemzentrierte Verfahren (Beschwerdeanalyse und Kündigeranalyse). Die Anwendung der Verfahren wird knapp erläutert und deren Eignung anhand der Anforderungskriterien bewertet (siehe Abb. 4-11, Abb. 4-12 und Abb. 4-13).

156

Verfahren

4 Analysephase

Basisverfahren: Kundeninterviews und Fokusgruppen

Einordnung/ Bedeutung

- Wesentliche Basisverfahren der qualitativen Marktforschung - Große Bedeutung zur ersten Identifikation relevanter Leistungsmerkmale (u.a. Bartikowski/Llosa 2004), auch im Customer Care Kontext (Kudernatsch 1998) - Literatur: Cina 1989, S. 34f., Günter 1998; Hauser/Katz 1998, S. 523; Kießling/Koch 1999

Vorgehen

- Durchführung der Interviews/Diskussionen mit spezifischen Fragen zu Customer Care - Inhaltsanalytische Analyse der Mitschnitte und Identifikation der Dimensionen/Merkmale

Bewertung

- Können mit allen relevanten Kundengruppen durchgeführt werden, aber vor allem sinnvoll mit Kunden, die schon Erfahrungen mit Customer Care Centern haben - Anliegen- und kundengruppenspezifische Befragung bzw. Auswertung möglich - Durch relativ unstrukturierte Art der Befragung kann keine Vollständigkeit garantiert werden; Vorteil der Fokusgruppen, dass durch Interaktion mehr Inhalte generiert werden - Hohe Aktualität der Ergebnisse - Gute Wirtschaftlichkeit (zwar kostspielige Durchführung, aber schnelle Gewinnung relevanter Erkenntnisse)

Abb. 4-11:

Basisverfahren zur Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit

Quelle:

Eigene Darstellung

Aus den Abbildungen wird deutlich, dass die Verfahren unterschiedliche Vor- und Nachteile für die Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit haben und verschiedene Informationen generieren. Idealerweise sollten die Verfahren deshalb kombiniert angewendet werden: So können die Basisverfahren zur ersten Sammlung von Erfahrungen mit den Kundenwünschen und deren Strukturierung dienen, die kontaktpunktorientierten Verfahren können zur Erhebung der Hauptinformationen angewendet und die problemzentrierten Befragungen können vor allem zur Ergänzung genutzt werden. Die in diesen qualitativen Verfahren gewonnenen Informationen hinsichtlich der relevanten Dimensionen und Merkmale sind jeweils nur auf einem relativ kleinen Sample basiert und besitzen daher eine eingeschränkte Repräsentativität. Aufgrund dessen sollten die Erkenntnisse im Anschluss an die qualitative Untersuchung in einer größeren Kundenbefragung validiert werden, bei der die ermittelten Dimensionen und Merkmale daraufhin überprüft werden, ob auch die Mehrzahl der Kunden diese als relevant empfindet (Cina 1989, S. 35). Wenn die vorliegenden Kundendaten dies zulassen, ist es zusätzlich sinnvoll, spezifisch für die Beschwerde- und Kündigeranalyse großzahlige, quantitativ angelegte konfirmatorische Kundenbefragungen unter Beschwerdeführern oder Kündigern durchzuführen, um repräsentativere Ergebnisse zu erlangen (Homburg/Werner 1998, S. 46-50; Stauss/Seidel 2005).

4.3 Unternehmensspezifische Analyse der Kundenanforderungen

Verfahren

157

Kontaktpunktorientierte Verfahren: Methode der kritischen Ereignisse (Critical Incident Technique, CIT) Sequentielle Ereignismethode (Sequential Incident Technique, SIT)

Einordnung/ Bedeutung

- CIT und SIT sind ereignisorientierte Verfahren, da sie orientiert sind an den Ereignissen, die Kunden an den Kontaktpunkten zum Dienstleister erleben (Stauss/Hentschel 1990, Bitner 1990; Bitner/Booms/Tetreault 1990) - Besondere Bedeutung zur Ermittlung der für Kunden relevanten Leistungsmerkmale (Benkenstein 1993, S. 1102ff.; Meyer/Ertl 1998, S. 231; Siefke 1998, S. 125; Stauss 1994; Stauss 1999, S. 16; Stauss/Hentschel 1990; Stauss/Hentschel 1991, S. 10; Stauss/Hentschel 1992; Stauss/Weinlich 1996) - Anwendung von CIT und SIT zur Generierung von Leistungsmerkmalen des Customer Care zeigen Hafner (2001) und Kudernatsch (1998) - Verbreitung in der Praxis beschränkt: Laut Stauss/Dornach/Coenen (2006, S. 45) verwenden nur 30% aller befragten Unternehmen die CIT ergänzend zur Gewinnung eines besseren Verständnisses der Kundenanforderungen. Auch im Customer Care Kontext werden CIT und SIT für die Erhebung von Kundenanforderungen an Customer Care Kontakte bisher noch wenig angewendet (Hafner 2001) - Literatur zu CIT: Bezold 1996, S. 132; Bitner/Booms/Tetreault 1990; Hafner 2001, S. 65f.; Stauss/Hentschel; 1990, S. 10; Stauss 1993; Stauss 1994; Thelen/Koll/Mühlbacher 2004, S. 303 - Literatur zur SIT: Bezold 1996, S. 157ff.; Bitner 1990, S. 69ff.; Bitner/Nyquist/Booms 1985, S. 48ff; Hafner 2001, S. 65; Hentschel 1992; Stauss 2000; Stauss/Hentschel 1991; Stauss/Weinlich 1996, S. 50

Vorgehen

Critical Incident Technique (CIT) 1. Genaue Schilderung besonders positiver oder negativer Ereignisse während des Customer Care Kontakts durch Kunden 2. Inhaltsanalytische Auswertung der geschilderten kritischen Ereignisse (Interpretation und Kategorisierung): Identifikation explizit oder implizit genannter und für kritische Bewertung ausschlaggebender Kriterien; Rangreihung nach Häufigkeit Sequential Incident Technique (SIT) 1. Gestützte Sammlung von Ereignissen in Kundeninterviews auf Basis des zuvor ermittelten Kundenpfads 2. Auswertung siehe Schritt 2 bei CIT, dabei Berücksichtigung vor allem der Ereignisse mit hoher angegebener Relevanz und hoher Frequenz (Häufigkeit der Nennung durch Kunden)

Bewertung

- Anwendung auf Kunden beschränkt, die schon Erfahrungen mit Customer Care Centern haben - Anliegen- und kundengruppenspezifische Befragung bzw. Auswertung möglich - Bei CIT: Eingeschränkte Vollständigkeit, da ungestütztes Verfahren und Erhebung nur außergewöhnlich positiver oder negativer Ereignisse - Bei SIT: Höhere Vollständigkeit als bei CIT, aber abhängig von Detailtreue des Kundenpfads; nur geeignet für Standardprozesse - Bei CIT: Möglichkeit der Erhebung besonders kritischer Merkmale, daher sehr handlungsrelevant - Eingeschränkte Repräsentativität - Fraglich, ob Kunden den notwendigen kognitiven Aufwand leisten können/wollen - Aktualität der Daten abhängig vom Abstand zum Kontakt, generell aber hoch - Relativ kostenintensiv

Abb. 4-12:

Kontaktpunktorientierte Verfahren zur Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit

Quelle:

Eigene Darstellung

158

Verfahren

4 Analysephase

Problemzentrierte Verfahren: Beschwerdeanalyse (BA) und Kündigeranalyse (KA)

Einordnung/ Bedeutung

- BA und KA sind ereignisorientierte Verfahren, aber gesonderte Betrachtung, da spezifische Zielgruppe und spezifisches Informationspotential - BA und KA zielen auf die Kunden ab, die aufgrund erlebter Probleme beim Customer Care Kontakt Konsequenzen gezogen haben: Die Artikulation einer Beschwerde über das Customer Care Center oder die Aufkündigung der Geschäftsbeziehung zum Unternehmen - Verfahren besonders handlungsrelevant, denn es können genau die Merkmale identifiziert werden, die zu einer Beschwerde oder Kündigung führen - Laut der Studie von Stauss/Dornach/Coenen (2006, S. 45) ist die Beschwerdeanalyse in Unternehmen schon relativ weit verbreitet als Instrument zur Gewinnung eines besseren Kundenverständnisses: 73% aller befragten Unternehmen gaben an, diese zu nutzen - Literatur zur Beschwerdeanalyse u.a. Stauss/Hentschel (1990); Stauss/Seidel (2002a) - Literatur zur Kündigeranalyse u.a. Homburg/Werner (1998, S. 46-50); Stauss/Seidel (2005)

Vorgehen

Beschwerdeanalyse (BA) 1. Sammlung von Kundenbeschwerden über das Customer Care Center 2. Beschwerdeanalyse, d.h. Auswertung der in den Beschwerden über das Customer Care Center enthaltenen negativen kritischen Ereignisse, Auswertung analog zu CIT Kündigeranalyse (KA) 1. Interviews mit Kunden zur Identifikation von Kündigungsgründen 2. Inhaltsanalytische Auswertung und Identifikation der Merkmale der Customer Care Leistung, die vor allem zu Kündigungen geführt haben

Bewertung

- Anwendung auf Kunden beschränkt, die sich schon bei dem Customer Care Center beschwert haben bzw. die als Kündiger identifiziert werden können (v.a. Kündiger in vertraglichen Kernleistungsbeziehungen) - Anliegen- und kundengruppenspezifische Befragung bzw. Auswertung möglich - BA: Grundsätzlich eingeschränkte Vollständigkeit, da abhängig von tatsächlicher Artikulation der Beschwerden durch Kunden und von Registrierung der Beschwerden im Unternehmen; be bei i Beschwerdeanalyse im Customer Care besonders problematisch, wenn das Customer Care Center der einzige Beschwerdekanal ist und Kunden die Beschwerden über das Customer Care Center auch diesem gegenüber äußern müssen - KA: Eingeschränkte Vollständigkeit, da nur Kündiger betrachtet werden - Eingeschränkte Repräsentativität - Gewinnung sehr handlungsrelevanter Informationen - Hohe Aktualität - Relativ kostengünstig, da Beschwerden/Kündigungen vorliegen (keine eigene Erhebung)

Abb. 4-13:

Problemzentrierte Verfahren zur Identifikation relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit

Quelle:

Eigene Darstellung

Das Ergebnis des Einsatzes dieser Verfahren ist ein Katalog von Dimensionen/Merkmalen, die für Kunden beim Customer Care Kontakt grundsätzlich relevant sind. Für diese muss im nächsten Schritt das Bedeutungsgewicht ermittelt werden, um die beurteilungsrelevanten Dimensionen/Merkmale zu bestimmen.

4.3 Unternehmensspezifische Analyse der Kundenanforderungen

159

4.3.2.1.2 Verfahren zur Ermittlung des Bedeutungsgewichts der Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit Auch die Verfahren zur Ermittlung des Bedeutungsgewichts müssen den Anforderungskriterien Inhaltliche Relevanz und Wirtschaftlichkeit genügen. Erste Anhaltspunkte für die Bedeutungsgewichtung bieten die oben vorgestellten qualitativen Verfahren zur Erhebung der relevanten Dimensionen und Merkmale: -

Aus Interviews und Fokusgruppen können beispielsweise aufgrund der Häufigkeit der Nennung bestimmter Aspekte und der Aktiviertheit der Befragten bei der Äußerung Rückschlüsse auf die Bedeutungsgewichtung gezogen werden.

-

Im Rahmen der SIT wird jeweils die Relevanz der Erlebnisse abgefragt.

-

Bei der CIT-Befragung sind Informationen über die subjektive Relevanz bestimmter Leistungsmerkmale insofern enthalten, dass Kunden besonders kritische Ereignisse schildern, so dass die darin identifizierten Merkmale als besonders relevant einzuschätzen sind (Stauss 1994).

-

Auch bei Beschwerdeanalyse und Kündigeranalyse stehen kritische Situationen im Mittelpunkt, daher gilt analog zur CIT, dass die identifizierten Merkmale als wichtig einzuschätzen sind.

Allerdings ist zu kritisieren, dass die Kunden bei Interviews/Fokusgruppen und der SIT die Relevanz der Ereignisse und damit der Merkmale selbst angeben, was zur Überschätzung der Bedeutung durch die Kunden und damit zu einer Anspruchsinflation33 führen kann. Außerdem wurde gezeigt, dass die Repräsentativität der Ergebnisse eingeschränkt ist. Daher soll auf spezifische Verfahren zur Ermittlung des Bedeutungsgewichts eingegangen und deren Anwendung anhand der genannten Anforderungskriterien bewertet werden. In der Literatur werden als Möglichkeiten zur Ermittlung der Bedeutung einzelner Leistungsdimensionen/-merkmale vor allem die direkte Abfrage der Bedeutung und die Berechnung aus Kundenzufriedenheitsdaten genannt (Homburg/Werner 1998, S. 89; Matzler/Bailom 2004, S. 285; Matzler/Sauerwein/Stark 2004; Schneider 2000, S. 80; Stauss 1999, S. 13). Diese Methoden sind auch in der Praxis relativ weit verbreitet: Laut der Befragung zum Zufriedenheitsmanagement in

33

Auf das Problem der Anspruchsinflation wird in diesem Kapitel noch eingegangen.

160

4 Analysephase

Deutschland von Stauss/Dornach/Coenen (2006) nutzen 59% aller befragten Unternehmen die direkte Abfrage mittels einer eigenen Bedeutungsskala und 46% die Berechnung mittels statistischer Auswertungsverfahren. Auf diese beiden Möglichkeiten wird im Folgenden eingegangen. (1) Durchführung repräsentativer Kundenbefragungen zur direkten Abfrage des Bedeutungsgewichts einzelner Leistungsmerkmale Bei der direkten Abfrage der Bedeutung werden Kunden in einer Befragung gebeten, auf Ratingskalen oder auf Rangordnungsskalen ihre Einschätzung über die Bedeutung aller in der Primärerhebung der Kundenanforderungen als relevant identifizierten Leistungsdimensionen/-merkmale abzugeben (Homburg/Werner 1998, S. 89; Matzler/Bailom 2004, S. 285; Oliver 1997, S. 54). Die direkte Abfrage der Bedeutung ist insgesamt als problematisch zu bewerten. Zwar können die Daten mit ausreichender Aktualität erhoben werden und eine anliegen- und/oder kundengruppenspezifische Auswertung ist möglich. Allerdings sind die Kosten der notwendigen neuen Befragung relativ hoch. Das Kostenargument kann entkräftet werden, wenn auf Ergebnisse früherer Customer Care ZufriedenheitsBefragungen vorliegen, in denen die Bedeutung erhoben wurde. Allerdings können die Ergebnisse dieser früheren Befragungen nur genutzt werden, wenn die Erhebungssituation mit der nun vorliegenden Customer Care Situation vergleichbar ist und wenn in der früheren Befragung die jetzt als relevant ermittelten Dimensionen/Merkmalen enthalten waren. Wesentlich für die Kritik der direkten Abfrage ist aber die mangelnde Qualität der Ergebnisse aufgrund verschiedener Einschränkungen hinsichtlich der Interpretierbarkeit der Ergebnisse.34 Vor allem die Anspruchsinflation spielt eine Rolle, also die Tendenz, dass die Befragten dazu neigen, alle Customer Care Leistungsmerkmale als sehr wichtig bzw. mittel-wichtig einzustufen35 (Handy 1977, S. 217; Homburg/Werner 1998, S. 89; Matzler/Bailom 2004, S. 285; Meyer/Kantsperger 2005b, S. 225; Schütze 1992, S. 175; Stauss 1999, S. 14). Eine eingeschränkte Interpretier-

34 35

Diese Kritik betrifft sowohl die Nutzung früherer Befragungsergebnisse als auch die erneute Erhebung. Dies gilt insbesondere für die in der Praxis übliche Abfrage mit Ratingskalen. Daher wird in der Literatur verschiedentlich der Einsatz von Rangordnungsskalen vorgeschlagen (u.a. Schneider 2000). Zu den Rangordnungsskalen zählen vor allem Paarvergleich, Rangordnungsverfahren und Konstantsummenskalen (zu den einzelnen Skalen siehe Mühlbacher 1995).

4.3 Unternehmensspezifische Analyse der Kundenanforderungen

161

barkeit resultiert zudem daraus, dass die Befragten unbewusst falsche Angaben machen, da sie den Begriff „Bedeutung“ unterschiedlich interpretieren (Matzler/Bailom 2004, S. 285), da die Angabe der Bedeutung in der Befragungssituation sich von der Bedeutung bei der tatsächlichen Inanspruchnahme der Customer Care Leistung unterscheidet (Oliver 1997, S. 54ff.) oder da die Bedeutung in Abhängigkeit von der empfundenen Zufriedenheit angegeben und damit über- oder unterschätzt wird (Matzler/Bailom 2004, S. 285; Oliver 1997, S. 54ff.; Schneider 2000, S. 80). Antwortverfälschungen ergeben sich auch mit zunehmender Zahl der Customer Care Leistungsmerkmale, da aufgrund des langen Fragebogens die Beurteilungs- und Diskriminanzfähigkeit der Befragten erschöpft wird und keine konsistente und valide Einstufung für die Befragten mehr möglich ist (Homburg/Werner 1998, S. 89; Matzler/Bailom 2004, S. 285; Oliver 1997, S. 54; Schütze 1992, S. 175). Darüber hinaus geben Kunden im Sinne strategischen Antwortverhaltens auch bewusst falsche Antworten, um eine für sie günstigere Leistungsgestaltung zu erreichen (Homburg/Werner 1998, S. 89; Matzler/Bailom 2004, S. 285). Im Customer Care Center ist dies für die Kosten der Rufnummer oder für die Öffnungszeiten und Erreichbarkeit des Customer Care Centers denkbar. Auch wenn es für einige der eben genannten Probleme Abhilfeversuche gibt, wird von der direkten Erfragung der Bedeutung abgeraten (u.a. Westbrook 1997) und die Berechnung empfohlen (Beutin 2006, S. 157f.; Homburg/Klarmann 2006, S. 227ff.; Meffert/Schwetje 1998, S. 80; Westbrook 1997). (2) Berechnung des Bedeutungsgewichts: Kausal-, Korrelations-, Regressionsanalyse Die Berechnung der Bedeutungsgewichte setzt voraus, dass Daten zur Zufriedenheit mit einzelnen Customer Care Dimensionen/Merkmalen sowie zur gesamten Customer Care Zufriedenheit vorliegen (Meffert/Schwetje 1998, S. 80). Auf eventuell aus früheren Befragungen stammende Ergebnisse kann nur zurückgegriffen werden, wenn die vorliegenden Daten aktuell genug sind und in früheren Befragungen die gleichen Dimensionen/Merkmale abgefragt wurden, die nun auch im aktuellen Merkmalskatalog enthalten sind. Ist dies nicht der Fall, müssen neue Erhebungen stattfinden. Dies kann im Zuge der oben empfohlenen Erhebung zur Validierung der Kundenanforderungen vorgenommen werden.

162

4 Analysephase

Zur Berechnung der Bedeutung einzelner Dimensionen/Merkmale können verschiedene Verfahren angewendet werden: Kausal-, Korrelations-, Regressionsanalyse.36 Meffert/Schwetje (1998, S. 78f.) bemerken, dass in der unternehmerischen Praxis vor allem die Korrelationsanalyse die weiteste Verbreitung gefunden hat. In der Literatur wird aber empfohlen, der Kausalanalyse und der Regressionsanalyse den Vorzug vor der Korrelationsanalyse zu geben (für den Call Center Bereich: u.a. Anton 1997, S. 47f.; allgemein: u.a. Homburg/Werner 1998, S. 92; Meffert/Schwetje 1998, S. 78f.; Oliver 1997; Westbrook 1997). Mittels der Kausalanalyse werden die Zufriedenheit mit den Leistungsmerkmalen und die Customer Care Zufriedenheit in Beziehung gesetzt und so die Gewichtung der Merkmale ermittelt (u.a. Homburg/Werner 1998, S. 89f.). Bei der Regressionsanalyse wird überprüft, welche Merkmale die Customer Care Zufriedenheit der Kunden tatsächlich beeinflussen, indem eine Regression mit der Customer Care Zufriedenheit als abhängiger und den Teilzufriedenheiten als unabhängigen Variablen durchgeführt wird (Danaher 1997, S. 237). Die regressionsanalytische Ermittlung der Bedeutung wird in der Fachliteratur kritisiert, da nicht immer alle der Regressionsanalyse zugrunde liegenden Annahmen durch die Daten erfüllt sind und da es zu Problemen der Interpretation der Ergebnisse kommen kann (Danaher 1997; Sampson/Showalter 1999, S. 20; Stauss 1999, S. 14; Westbrook 1997, S. 4). Zur Bewertung der genannten Berechnungsverfahren ist folgendes anzumerken. Nach Anliegen und/oder Kundengruppe differenzierte Ergebnisse können gewonnen werden, sofern jeweils genügend hohe Fallzahlen vorliegen. Der Aufwand für die eigentliche Berechnung der Bedeutungsgewichte ist relativ gering, allerdings müssen die Kosten der evtl. notwendigen neuen Erhebung eingerechnet werden. Zusammenfassend gilt für die Identifikation der beurteilungsrelevanten Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit: - Zur Ermittlung relevanter Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit sollten kundengerichtete Verfahren der qualitativen Marktforschung eingesetzt werden, wenn dies im jeweiligen Unternehmenskontext möglich ist (vorhandene Mittel, Zugänglichkeit der Kunden usw.). Dabei sollten die Verfahren kombiniert angewendet werden, um ein möglichst umfassendes Bild der Kun-

36

Detaillierte Ausführungen zur Durchführung der Kausal-, Korrelations- und Regressionsanalyse finden sich u.a. in Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2004, S. 202ff.) und Weis/Steinmetz (2005). Für einen ausführlichen Review statistischer Verfahren zur indirekten Ermittlung der Bedeutungsgewichte siehe Homburg/Klarmann (2006).

4.3 Unternehmensspezifische Analyse der Kundenanforderungen

163

denbedürfnisse zu bekommen (u.a. Kudernatsch 1998, S. 51). Der Erhebung sollte eine Analyse von Sekundärdaten (Literatur, Studien, allgemeine Systematiken wie SERVQUAL) vorangestellt werden. Zudem sollten die Erkenntnisse der qualitativen Verfahren validiert werden, sofern diese nur mit einer kleinen Stichprobe von Kunden durchgeführt wurden. - Die Ermittlung der wichtigsten Dimensionen/Merkmale der Customer Care Zufriedenheit sollte dann über eine Kausal- oder Regressionsanalyse erfolgen. Dazu ist eine neue Erhebung notwendig bzw. es kann auf die Kundenbefragung zurückgegriffen werden, die zur Validierung des Merkmalskatalogs durchgeführt wird. Dazu sei auf die Vorgehensweise von Kudernatsch (1998) für den Customer Care Kontext verwiesen. Kudernatsch zieht eine Kombination aus Literaturstudium und Gruppendiskussionen, unstrukturierten Kundeninterviews (auf Basis der Sequentiellen Ereignismethode) und Beschwerdeanalyse sowie unstrukturierten Experteninterviews heran, um Call Center Leistungsdimensionen zu generieren. Darauf aufbauend führt sie eine standardisierte großzahlige Befragung durch und nutzt dann die Regressionsanalyse, um den Einfluss einzelner Dimensionen/Merkmale auf die Gesamtzufriedenheit zu ermitteln. Abschließend wird auf Verfahren zur Ermittlung der Faktorzugehörigkeit der Dimensionen/Merkmale der Customer Care Zufriedenheit eingegangen. 4.3.2.2 Verfahren zur Ermittlung der Faktorzugehörigkeit der Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit In der Literatur zur Messung von Kundenzufriedenheit wird eine Vielzahl von Methoden zur Ermittlung der Faktortypzugehörigkeit genannt.37 An dieser Stelle ist anzumerken, dass das Unternehmen zur Ermittlung der Faktortypzugehörigkeit auch auf einige der schon beschriebenen Verfahren der Identifikation der Dimensionen und Merkmale der Customer Care Zufriedenheit (siehe Kapitel 4.3.2.1) zurückgreifen kann: - Tiefeninterviews und Fokusgruppen mit Kunden sind ein sinnvoller Ausgangspunkt zur Identifikation von Minimum- und Werterhöhungsqualitäten (Cina 1989, S. 33; Stauss 1999).

37

Kaiser (2005) bietet eine sehr ausführliche Übersicht über Verfahren und Studien zur Faktorzugehörigkeit.

164

-

-

4 Analysephase

Mittels der CIT können aus den positiven Erlebnissen der Kunden Merkmale ermittelt werden, die Kunden besonders überrascht und begeistert haben (u.a. Matzler/Sauerwein/Stark 2004; Stauss 1994; Stauss/Hentschel 1990; Stauss/Hentschel 1992; Stauss/Weinlich 1996). Auch die Beschwerdeanalyse und die Kündigeranalyse können kritische Leistungsbestandteile aufdecken (u.a. Cadotte/Turgeon 1988, S. 75; Matzler/Sauerwein/Stark 2004; Stauss/Hentschel 1990).

Darüber hinaus werden in der Literatur weitere spezielle Verfahren zur Ermittlung der Faktortypzugehörigkeit diskutiert: - Ein spezielles Erhebungsverfahren zur Ermittlung der Faktorzugehörigkeit ist die Kano-Methode (Bailom et al. 1996, S. 119-123; Bartikowski/Llosa 2004; Matzler et al. 2004). Dieses Verfahren ist relativ aufwendig und es ist spezielles Know-how notwendig. Zudem ist es aufgrund des hohen kognitiven Aufwands in besonderem Maße von der Teilnahmebereitschaft der Kunden abhängig. - Neben Erhebungsverfahren gibt es auch Auswertungsverfahren der Identifikation der Faktortypzugehörigkeit. Dazu gehören v.a. die nichtlineare Regressionsanalyse (Homburg/Werner 1998, S. 92) sowie das Dual-Importance-Mapping, das auch Importance-Grid genannt wird (Bartikowski/Llosa 2004, S. 70; Matzler/Sauerwein/Stark 2004; Oliver 1997, S. 59; Vavra 1997). Beide Verfahren basieren auf vorhandenen Befragungsergebnissen. Liegen frühere Befragungsergebnisse zur Customer Care Zufriedenheit vor, können diese herangezogen werden – mit den gleichen Einschränkungen, die in Kapitel 4.3.2.1 genannt wurden. Wurden für die vorliegende Customer Care Situation eigens Befragungen zur Validierung der ermittelten Dimensionen durchgeführt (wie in Kapitel 4.3.2.1 empfohlen wurde), können diese Ergebnisse hier einfließen. Die genannten Verfahren erlauben zwar nur eine tendenzielle Einordnung der Faktortypen, sind dafür aber schnell durchführbar und relativ eingängig, so dass ihre Anwendung trotzdem sinnvoll erscheint. Bei der nichtlinearen Regressionsanalyse werden die Kurvenverläufe für die einzelnen Merkmale in einem Diagramm mit den Achsen Leistung und Zufriedenheit ermittelt und anhand der Übereinstimmung mit den idealtypischen Kurvenverläufen wird der Faktortyp abgelesen. Beim Dual-Importance-Mapping werden die Merkmale in einer Matrix aus errechneter Bedeutung (Bedeutungsgewicht) und erfragter Bedeutung abgetragen. Anhand der Positionierung der Merk-

4.3 Unternehmensspezifische Analyse der Kundenanforderungen

165

male im Hinblick auf die beiden Achsen kann der Faktortyp bestimmt werden.38 Voraussetzung für die Anwendung dieser Verfahren ist, dass Befragungsergebnisse vorliegen. - Ein Verfahren, dass als Erhebungs- und Auswertungsverfahren eingeordnet werden kann, ist das Penalty-Reward-Verfahren (Bartikowski/Llosa 2004; Brandt 1988; Haller 1993, S. 25-27; Haller 1998, S. 110ff.; Kaiser 2003; Matzler 1997, S. 128ff.). Das Penalty-Reward-Verfahren wird hier – analog zu Bruhn 2005 – aus folgendem Grund nicht als reines Auswertungsverfahren eingeordnet: Für die Penalty-Reward-Analyse wird neben der Gesamtzufriedenheit zusätzlich für jedes Merkmal eine Einstufung hinsichtlich der Übereinstimmung mit den Erwartungen benötigt (auf einer Skala von besser als/wie/schlechter als erwartet) (Bartikowski/Llosa 2004; Brandt 1988). Aus diesen Werten und der Gesamtzufriedenheit werden mittels einer multiplen Regressionsanalyse die Faktortypen ermittelt. Während die Gesamtzufriedenheitswerte in Zufriedenheitsbefragungen gängigerweise erfasst werden, ist davon auszugehen, dass entsprechende Werte zur Übereinstimmung mit den Erwartungen meist nicht vorliegen, da deren Abfrage relativ ungebräuchlich ist (Stauss/Dornach/Coenen 2006, S. 36; dies wird in Kapitel 5.2.1 ausführlicher diskutiert). Daher ist eine gesonderte Erhebung der Werte zur Höhe der Übereinstimmung mit den Erwartungen notwendig. Auf die genannten Verfahren soll hier nicht im Detail eingegangen werden, sondern eine Empfehlung für den vorliegenden Kontext ausgesprochen werden: Bei der unternehmensspezifischen Analyse der Customer Care Leistung aus Kundensicht entsteht schon ein relativ großer Aufwand durch die Ermittlung der beurteilungsrelevanten Dimensionen/Merkmale der Customer Care Zufriedenheit. Daher sind der zusätzliche monetäre und zeitliche Aufwand sowie das separat notwendige Knowhow für die Identifikation der Faktortypzugehörigkeit möglichst zu minimieren. Folglich sollten keine gesonderten Erhebungen angestrengt werden. Vielmehr sind die genannten qualitativen Verfahren soweit wie möglich zur Informationsbeschaffung zu nutzen. Die Anhaltspunkte, die aus Interviews/Fokusgruppen, SIT und CIT sowie Beschwerde- und Kündigeranalyse resultieren können, wurden oben beschrieben. Als Ergänzung dazu sollten die Auswertungsverfahren der Identifikation der Faktortypzugehörigkeit, die auf vorhandenen Daten basieren, eingesetzt werden.

38

Die Zuordnung ist wie folgt: Niedrige errechnete und erfragte Bedeutung = unwichtiges Merkmal, niedrige errechnete/hohe erfragte Bedeutung = Basisfaktor, hohe errechnete/niedrige erfragte Bedeutung = Begeisterungsfaktor, hohe errechnete und erfragte Bedeutung = Leistungsfaktor.

166

4 Analysephase

In Kapitel 4.3 wurde die Darstellung von Verfahren zur unternehmensspezifischen Analyse der Customer Care Leistung aus Kundensicht vorgenommen. Dabei wurde gezeigt, dass die Kundenanforderungen durch Befragungen der Kunden erhoben werden müssen und dass andere Informationsquellen allenfalls zur Ergänzung heranzuziehen sind. Verfahren zur Erhebung der Kundenanforderungen wurden vorgestellt. Aus der Bewertung ergab sich, dass eine Kombination qualitativer und quantitativer Verfahren angewendet werden sollte. Nachdem damit die Analyse für die Zufriedenheits-Service Level Standards abgeschlossen ist, soll an dieser Stelle eine erste Zwischenbilanz hinsichtlich der Anforderungskriterien gezogen werden.

4.4 Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien nach der Analysephase Anforderungskriterien an den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care wurden in Teil 3 abgeleitet und es wurde vorgeschlagen, diese Anforderungskriterien als eine Art Checkliste im Verlauf der weiteren Arbeit zugrunde zu legen. An dieser Stelle wird die erste Zwischenbewertung vorgenommen, inwiefern die formulierten Anforderungskriterien im Teil 4 erfüllt werden (Konkretisierung des Konstrukts der Customer Care Zufriedenheit, Reflektion dieses Konstrukts vor dem Hintergrund der Customer Care Dreieckkonstellation sowie Beschreibung des Vorgehens zur unternehmensspezifischen Analyse der Customer Care Leistung aus Kundensicht). In Abb. 4-14 sind die Anforderungskriterien mit ihrer Erläuterung rekapituliert. Darunter wird jeweils die Bewertung bzgl. der Erfüllung im vierten Teil vorgenommen. Zur besseren Übersichtlichkeit wurden die Kriterien, die aufgrund der Ausführungen in Teil 4 noch nicht bewertet werden konnten, in der Tabelle belassen.

4.4 Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien

167

Anforderungskriterien und Bewertung ihrer Erfüllung in Teil 4 I. Zielbezogenheit ƒ ƒ

Widerspiegelung des Ziels des Customer Care Centers, Customer Care Zufriedenheit herzustellen Repräsentieren des Ziels der Kundenbindung und zusätzlich der Nebenbedingung der Kostenziele

Bewertung in Teil 4

ƒ

Umfassende Konkretisierung der „Customer Care Zufriedenheit“

II. Inhaltliche Relevanz ƒ

ƒ

ƒ ƒ

Vollständige Abbildung der wesentlichen und aktuellen Anforderungen der Kunden an den Customer Care Kontakt in den Zufriedenheits-Service Level Standards, dabei Berücksichtigung der Kundensicht (end-to-end-Sicht des Kunden) Widerspiegelung der Anforderungen verschiedener Kundengruppen und bezüglich unterschiedlicher Anliegen Formulierung differenzierter Sollvorgaben für verschiedene Kundengruppen und/oder Anliegen Zusätzlich: Erfüllung der Anforderungen des Auftraggeberunternehmens als weiterem Leistungsempfänger

Bewertung in Teil 4

ƒ

ƒ

ƒ

ƒ

Orientierung an der Kundenwahrnehmung des Erlebens des Customer Care Kontakts durch Orientierung am Customer Care Kundenprozess Kundengerichtete Primärerhebung der Kundenanforderungen zur Ermittlung der beurteilungsrelevanten Dimensionen/Merkmale Einsatz von Verfahren zur Ermittlung der relevanten Dimensionen/Merkmale, die sowohl die Prozesswahrnehmung der Kunden berücksichtigen (SIT und CIT) als auch spezifische Kundengruppen in die Analyse einbeziehen (KA und BA) Erhebung der Anforderungen verschiedener Kundensegmente bzw. bei verschiedenen Anliegen möglich

III. Handlungsorientiertheit ƒ

ƒ

Ableitbarkeit von Handlungsempfehlungen zur kurzfristigen Leistungsanpassung durch den Dienstleister Ableitbarkeit von Handlungsempfehlungen zu Notwendigkeit und Möglichkeiten der langfristigen Anpassung des SLA (SLA-Review)

Bewertung in Teil 4

ƒ

Die in Teil 4 besprochenen Inhalte lassen keine Aussage zu diesem Kriterium zu.

IV. Realisierbarkeit ƒ ƒ

Beeinflussbarkeit der Leistungsgröße durch den Dienstleister Erfüllbarkeit der Sollvorgaben für den Dienstleister

Bewertung in Teil 4

ƒ

Reflektion des Einflusses der Customer Care Dreieckskonstellation auf die Entstehung von Customer Care Zufriedenheit

168

4 Analysephase

V. Durchsetzbarkeit ƒ ƒ

Verhaltensrelevanz durch Verknüpfung mit Entgelt (v.a. Maluszahlungen) Zusätzlich: Nutzbarkeit für Zielvereinbarungssystem beim Customer Care Dienstleister auf Mitarbeiterebene

Bewertung in Teil 4

Die in Teil 4 besprochenen Inhalte lassen keine Aussage zu diesem Kriterium zu.

ƒ

VI. Eindeutigkeit und Transparenz ƒ ƒ

Eindeutige Definition und Formulierung Transparenz, d.h. verständliche, anschauliche und leicht nachvollziehbare Regelungen sowie Klarheit von Aussage und Absicht für alle Beteiligten

Bewertung in Teil 4

ƒ

Klare Definition und Operationalisierung der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit

VII. Informationsgehalt ƒ ƒ

ƒ

ƒ

Information über zeitliche Entwicklung der Ziele Aussagekraft für die zu steuernden Einheiten (Mitarbeiter, Teams, Customer Care Center oder Customer Care Dienstleister) Festlegung der Kontrollzyklen im Hinblick auf die Aufdeckung von Leistungsschwankungen und die Frequenz der Vergütungsberechnung Möglichkeit zu verdichteten Aussagen und Detailbetrachtungen

Bewertung in Teil 4

ƒ

Die in Teil 4 besprochenen Inhalte lassen keine Aussage zu diesem Kriterium zu.

VIII. Aktualität und Frühwarncharakter ƒ ƒ

Aussagen über aktuelle Entwicklungen der Leistungserbringung Frühzeitige Warnung vor möglichen Fehlentwicklungen

Bewertung in Teil 4

ƒ

Die in Teil 4 besprochenen Inhalte lassen keine Aussage zu diesem Kriterium zu.

IX. Messbarkeit und Messgenauigkeit ƒ

ƒ ƒ ƒ

Messbarkeit, d.h. Vorhandensein geeigneter Messverfahren, auch bei differenzierten Zufriedenheits-Service Level Standards Genauigkeit der Messung (Validität, Reliabilität und Objektivität und Repräsentativität) Festlegung eindeutiger Erfassungsvorschriften Eventuell Möglichkeit zur Automatisierung der Messung

Bewertung in Teil 4

ƒ

Die in Teil 4 besprochenen Inhalte lassen keine Aussage zu diesem Kriterium zu.

4.4 Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien

169

X. Integrationsvermögen ƒ

ƒ ƒ

Berücksichtigung möglicher Zielbeziehungen zwischen den Zufriedenheits-Service Level Standards durch entsprechende Priorisierung Auswahl der wichtigsten Service Level Standards (beschränkte Anzahl von Standards) Hohe Stabilität bei ausreichender Flexibilität

Bewertung in Teil 4

ƒ

Ermittlung der beurteilungsrelevanten Dimensionen/Merkmale, insb. Bedeutungsgewichtung als wichtige Voraussetzung

XI. Akzeptanz ƒ ƒ ƒ

Unternehmensinterne Verdeutlichung der Relevanz und der Wirtschaftlichkeit Demonstration von Fairness gegenüber dem Dienstleister Gestaltung der Leistungsbeziehung

Bewertung in Teil 4

ƒ

Unternehmensspezifische Ermittlung der relevanten Kundenanforderungen

XII. Wirtschaftlichkeit ƒ ƒ ƒ ƒ

Kostenbewusstsein in Planung und Vereinbarung der Zufriedenheits-Service Level Standards Beschränkung der Anzahl der Service Level Standards Praktikable und kostengünstige Erhebungsverfahren, eventuell Automatisierung Kosten-Nutzen-Betrachtung

Bewertung in Teil 4 Abb. 4-14: Quelle:

ƒ

Berücksichtigung der Kosten verschiedener Verfahren bei der Analyse der Kundenanforderungen

Zwischenbewertung der Anforderungskriterien nach Teil 4 Eigene Darstellung

Auf Basis der durchgeführten Analyse erfolgt die Planung für die ZufriedenheitsService Level Standards. Dies ist Gegenstand des folgenden fünften Teils.

5 Planungsphase

171

5 Planung für die Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care Der Teil 5 dieser Arbeit widmet sich der Planung für die Zufriedenheits-Service Level Standards zur Steuerung des Customer Care Dienstleisters. Im Mittelpunkt der Planungsphase stehen die in Teil 3 identifizierten Hauptelemente der Steuerung mittels Service Level Standards: Die Zufriedenheits-Service Level Standards mit ihren Leistungsgrößen und Sollvorgaben, die Konsequenzen ihrer Nichteinhaltung sowie die unternehmerischen Mitwirkungspflichten. Die Abb. 5-1 zeigt in Anlehnung an Abb. 3-2, wie die Detailplanung der genannten Komponenten in den Kapiteln 5.1 bis 5.4 erfolgt.

Zufriedenheits-Service Level Standard Leistungsgröße

Sollvorgabe

5.1

5.2

Konsequenzen der Nichteinhaltung (v.a. monetäre Sanktionen/ Maluszahlungen) 5.3

Abb. 5-1: Quelle:

Unternehmerische Mitwirkungspflichten

5.4

Aufgaben in der Planungsphase Eigene Darstellung

Analog zum vorherigen vierten Teil werden zur Planung die in Teil 3 erarbeiteten Anforderungskriterien herangezogen, soweit sie für die Planungsphase relevant sind. Der fünfte Teil schließt mit einer Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien im vorliegenden Teil (Kapitel 5.5).

172

5 Planungsphase

5.1 Festlegung der Leistungsgrößen für die Zufriedenheits-Service Level Standards Die Bestimmung der Leistungsgrößen baut auf den Erkenntnissen zum Konstrukt der Customer Care Zufriedenheit aus Teil 4 auf. Dort wurde die Customer Care Zufriedenheit als multiattributives Konstrukt charakterisiert. Folgerichtig sind multiattributive Zufriedenheits-Service Level Standards zu formulieren. Für die Planung der Leistungsgrößen bedeutet die Multiattributivität der Zufriedenheits-Service Level Standards, dass als Leistungsgrößen die Teilaspekte (Dimensionen oder Merkmale) der Customer Care Zufriedenheit oder die globale Customer Care Zufriedenheit heranzuziehen sind. Die Formulierung multiattributiver Zufriedenheitsstandards bietet sich an, da für Zufriedenheits-Service Level Standards ein ständiges Monitoring gefordert ist. Durch die verständliche und verbreitete multiattributive Betrachtungsweise wird eine Vergleichbarkeit der erhobenen Zufriedenheitswerte im Zeitablauf und mit Wettbewerbern bzw. anderen Unternehmenseinheiten geschaffen (Hentschel 1992; Stauss 1999, S. 16; Stauss/Seidel 2007, S. 60f.). Grundlegend für die Definition der Leistungsgrößen ist das Anforderungskriterium Inhaltliche Relevanz. Danach müssen die Zufriedenheits-Service Level Standards die Aspekte des Customer Care Kontakts widerspiegeln, die aus Kundensicht maßgeblich für das Customer Care Zufriedenheits-Urteil sind. Die Festlegung der Zufriedenheits-Service Level Standards muss daher auf unternehmensspezifischen Ergebnissen aus der Analysephase (Bestimmung der beurteilungsrelevanten Dimensionen/Merkmale) beruhen. Da diese Ergebnisse hier nicht vorliegen, wird auf die Erkenntnisse zur konzeptionellen Konkretisierung der Customer Care Zufriedenheit aus Kapitel 4.1.3.1 verwiesen, nach der die Customer Care Zufriedenheit durch die Dimensionen Erreichbarkeit, Fachkompetenz, Interaktionskompetenz und Problemlösung und die dazugehörigen Merkmale bestimmt wird. Zur Formulierung der Leistungsgrößen für die Zufriedenheits-Service Level Standards gibt es verschiedene Basisoptionen, die auch kombiniert werden können.

5.1 Festlegung der Leistungsgrößen

173

5.1.1 Basisoptionen der Festlegung der Leistungsgrößen Für die Festlegung der Zufriedenheits-Service Level Standards sind grundsätzlich drei Basisoptionen mit zunehmendem Detaillierungsgrad der Leistungsgrößen denkbar: 1. Leistungsgrößen auf Ebene der Customer Care Zufriedenheit 2. Leistungsgrößen auf Ebene der Zufriedenheit mit den Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit 3. Leistungsgrößen auf Ebene der Zufriedenheit mit den Merkmalen der Customer Care Zufriedenheit

Customer Care Zufriedenheit

Zufriedenheits-Service Level Standard für die Customer Care Zufriedenheit

Erreichbarkeit

Fachkompetenz

Interaktionskompetenz

Problemlösung

Zufriedenheits-Service Level Standards für einzelne Dimensionen

Merkmale

Merkmale

Merkmale

Merkmale

Zufriedenheits-Service Level Standards für einzelne Merkmale

Abb. 5-2: Quelle:

Zunehmender Detaillierungsgrad

Diese Überlegungen verdeutlicht Abb. 5-2, der die in Teil 4 dargestellte Hierarchie der Customer Care Zufriedenheit zugrunde liegt.

Detaillierungsgrad der Leistungsgröße der Zufriedenheits-Service Level Standards Eigene Darstellung

Diese Basisoptionen werden entsprechend der Anforderungskriterien bewertet: 1. Im Fall der ersten Basisoption, der Festlegung eines Zufriedenheits-Service Level Standards auf Ebene der Customer Care Zufriedenheit, wird nur eine einzige Leistungsgröße festgelegt. Dies ist zwar sehr einfach und transparent, zudem wird der geforderten Beschränkung der Anzahl der Zufriedenheits-Service Level Standards klar nachgekommen. Allerdings ist dieser eine resultierende Zufriedenheits-Service Level Standard stark aggregiert sowie relativ abstrakt, so dass kaum eine Steuerung möglich wird. Diese Option kann entsprechend nur ein erster Schritt sein, aber aufgrund des beschränkten Nutzens für die Steuerung ist sie nicht tragfähig und soll daher nicht weiter betrachtet werden. 2. Bei der zweiten Basisoption werden auf Ebene der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit vier Leistungsgrößen definiert: Erreichbarkeit, Interaktions-

174

5 Planungsphase

kompetenz, Fachkompetenz und Problemlösung. Dies hat den Vorteil, dass die vier Leistungsgrößen in ihrer Breite alle relevanten Aspekte der Customer Care Leistung aus Kundensicht abdecken. Im Vergleich zu nur einem GesamtZufriedenheits-Service Level Standard erlaubt dies eine umfassende Steuerung, die aber aufgrund der höheren Aussagekraft der Leistungsgrößen (Informationsgehalt) zielgerichteter ist. Gleichzeitig wird die Zahl der Zufriedenheits-Service Level Standards nicht überfrachtet, was sich positiv auf die Transparenz auswirkt. 3. Die dritte Basisoption ist die Festlegung auf Ebene der Merkmale der Customer Care Zufriedenheit. Damit werden sehr konkrete Standards formuliert, die auch eine sehr genaue Steuerung erlauben. Die Wirkung kann aber dadurch beeinträchtigt werden, dass für die gesteuerte Einheit die Art und die Richtung des Einflusses der einzelnen Leistungsgrößen auf die Gesamtleistung nicht mehr eindeutig und verständlich sind. Auch die Transparenz für das Unternehmen kann dadurch eingeschränkt sein. Aufgrund der Notwendigkeit zur Beschränkung der Zahl der Zufriedenheits-Service Level Standards stößt zudem die Zahl der festlegbaren Leistungsgrößen an Grenzen. Mit Blick auf das Anforderungskriterium Inhaltliche Relevanz müsste hier nur eine beschränkte Auswahl der wichtigsten, d.h. beurteilungsrelevanten Merkmale als Leistungsgrößen herangezogen werden. Dies kann aus folgenden Gründen eine Herausforderung für die Stabilität und Güte der Zufriedenheits-Service Level Standards sein: Die Rangreihung der Merkmale nach ihrer Beurteilungsrelevanz beruht auf Kundeneinschätzungen, die sich im Zeitablauf aber verändern können. Zudem wurde bereits in Teil 4 darauf eingegangen, dass die Verfahren zur Ermittlung des Bedeutungsgewichts möglicherweise verzerrte Ergebnisse liefern. Da die Zufriedenheits-Service Level Standards mittelfristig gültig sind, würden diese Probleme der so generierten Rangreihung in den Standards verankert. 5.1.2 Möglichkeit der Kombination der Basisoptionen Bisher wurde unterstellt, dass die Leistungsgrößen auf der Ebene der Dimensionen oder der Merkmale formuliert werden. Es sind aber unternehmensindividuelle Situationen denkbar, in denen eine Kombination der eben vorgestellten Basisoptionen sinnvoll erscheint. Es sollte bspw. betrachtet werden, -

wenn ermittelt wurde, dass zwei bis drei Merkmale herausragende Bedeutung für die Customer Care Zufriedenheit haben. Diese können stärker der Steuerung zugänglich gemacht werden, indem zusätzlich zu den Leistungsgrößen auf Dimen-

5.1 Festlegung der Leistungsgrößen

175

sionsebene für die identifizierten Merkmale Zufriedenheits-Service Level Standards formuliert werden; -

wenn das Unternehmen eine Schwerpunktsetzung auf bestimmte Dimensionen anstrebt. Als Ergänzung zu den Zufriedenheits-Service Level Standards auf Ebene der Dimensionen können für die stärker zu gewichtenden Dimensionen statt eines Zufriedenheits-Service Level Standards auf Dimensionsebene mehrere Standards auf Merkmalsebene festgelegt werden. Steht die Problemlösung im Fokus des Unternehmens, können die drei Leistungsgrößen Erreichbarkeit, Freundlichkeit/Betreuung und Fachkompetenz beibehalten werden und zusätzlich zwei Zufriedenheits-Service Level Standards für die Problemlösung formuliert werden (z.B. Schnelligkeit und Qualität der Problemlösung). Damit wird auch insgesamt – im Service Level Standard-System – die Problemlösung höher gewichtet und differenzierter steuerbar.

Im Hinblick auf diese beiden Möglichkeiten einer stärkeren Schwerpunktsetzung gilt, dass dadurch die unternehmensindividuelle Situation besser erfasst und damit einer differenzierteren Steuerung zugängig gemacht werden kann. Wird eine solche Schwerpunktsetzung vorgenommen, muss in den Zufriedenheits-Service Level Standards aber festgeschrieben werden, dass diese verhandelbar sind, sollten sich die Bedingungen und damit die gewünschten Schwerpunkte ändern. Die drei Basisoptionen und die Möglichkeiten ihrer Kombination stellen in der Reihenfolge, in der sie dargestellt wurden, einen zunehmenden Professionalitätsgrad der Customer Care Steuerung mit Zufriedenheits-Service Level Standards dar. 5.1.3 Entscheidung für Leistungsgrößen auf Dimensionsebene Um die endgültigen Zufriedenheits-Service Level Standards unternehmensspezifisch festlegen zu können, gilt es zu überprüfen, welche der Anforderungskriterien im Unternehmenskontext wichtiger sind, um eine Entscheidung hinsichtlich der Basisoptionen zu treffen. Danach ist zu untersuchen, ob Umfeldbedingungen vorliegen, die eine Schwerpunktsetzung sinnvoll erscheinen lassen, um daraufhin entscheiden zu können, ob eine entsprechende Kombination der Basisoptionen angeraten ist. Die unternehmensindividuelle Entscheidung kann an dieser Stelle nicht abgebildet werden. Basierend auf den Argumenten für die verschiedenen Optionen soll mit Blick auf den Neuheitsgrad von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care

176

5 Planungsphase

und den daher anzunehmenden geringeren Professionalitätsgrad empfohlen werden, die Zufriedenheits-Service Level Standards für die vier Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit zu formulieren: Erreichbarkeit, Fachkompetenz, Interaktionskompetenz und Problemlösung. Für die weiteren Ausführungen wird entsprechend von den in Abb. 5-3 dargestellten Leistungsgrößen ausgegangen.

Abb. 5-3: Quelle:

1

Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit des Customer Care Centers

2

Zufriedenheit mit der Interaktionskompetenz des Mitarbeiters im Rahmen des Customer Care Kontakts

3

Zufriedenheit mit der Fachkompetenz des Mitarbeiters im Rahmen des Customer Care Kontakts

4

Zufriedenheit mit der erreichten Problemlösung im Customer Care Kontakt

Leistungsgrößen der Zufriedenheits-Service Level Standards auf Dimensionsebene Eigene Darstellung

In Kapitel 5.1 wurden Basisoptionen und deren Kombinationen vorgestellt und vier Leistungsgrößen vorgeschlagen. Ausgehend ist Kapitel 5.2 der Planung der Sollvorgaben für die Zufriedenheits-Service Level Standards gewidmet. Dabei wird – zugunsten der größeren Übertragbarkeit – allgemein für die Customer Care Zufriedenheitsgrößen argumentiert, aber auf relevante Besonderheiten bezüglich der vorgeschlagenen Leistungsgrößen jeweils eingegangen.

5.2 Formulierung von Sollvorgaben für die Zufriedenheits-Service Level Standards In diesem Kapitel erfolgt eine umfassende Diskussion der Bestimmung der Sollvorgaben. Als Voraussetzung dafür wird in Kapitel 5.2.1 dargestellt, wie die Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit durch die Bestimmung einer geeigneten Skala quantifiziert werden und in Kapitel 5.2.2, welche Ausgestaltungsoptionen der Sollvorgaben relevant sind. Kapitel 5.2.3 beschäftigt sich eingehend mit dem Vorgehen bei der Definition unternehmensspezifischer Sollvorgaben. Im Kapitel 5.2.4 werden besondere Aspekte der Bestimmung der Sollvorgaben diskutiert und in Kapitel 5.2.5 werden schließlich die Möglichkeiten und die Herausforderungen einer Differenzierung der Sollvorgaben nach Kundengruppen und Anliegen untersucht. In Kapitel 5.2.6 wird ein Zwischenfazit zur Formulierung der Sollvorgaben gezogen.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

177

5.2.1 Quantifizierung der Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit als Voraussetzung der Formulierung von Sollvorgaben Die Definition der Sollvorgaben setzt voraus, dass die zugrunde liegende Leistungsgröße quantifiziert wird, daher ist eine angemessene Skala für die Customer Care Zufriedenheits-Leistungsgrößen zu wählen. Das Erreichen bzw. Vermeiden der drei Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit, d.h. hohe Zufriedenheit („Begeisterung“), Indifferenz („zufriedengestellt sein“) und Unzufriedenheit („Enttäuschung“), soll durch die Zufriedenheits-Service Level Standards steuerbar gemacht werden. Um die Sollvorgaben für die Zufriedenheits-Service Level Standards formulieren zu können, müssen die Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit als Werte auf einer Skala konkretisiert werden (Stauss/Seidel 2007, S. 328). Die Auswahl der geeigneten Skala wird im Folgenden diskutiert. 5.2.1.1 Auswahl einer geeigneten Skala Bei der Auswahl einer geeigneten Skala sind bestimmte Anforderungen zu berücksichtigen. Da in der im Teil 6 zu diskutierenden Kontrollphase die Ist-Werte der Standards auf Basis der gewählten Skala erhoben werden, müssen in die folgenden Überlegungen bereits Gesichtspunkte der Messung einfließen. 5.2.1.1.1 Anforderungen an eine geeignete Skala Bei den in der Zufriedenheitsforschung verwendeten Skalen herrscht eine hohe Variantenvielfalt vor (Matzler/Bailom 2004, S. 281ff.; Stauss 1999, S. 13). Einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Skalen bietet Hausknecht (1990).39 Mit Blick auf die umfangreiche Diskussion in der Zufriedenheitsliteratur könnte die ausführliche Diskussion dieser Entscheidung Gegenstand einer separaten Abhandlung sein. Für die vorliegende Arbeit besteht das Anliegen aber nicht darin, die bestehende Forschung im Detail aufzuarbeiten, sondern vor dem Hintergrund der Forschungserkenntnisse und der praktischen Relevanz im Customer Care Kontext relevante Entscheidungskriterien zu beleuchten und eine Auswahl zu treffen. Dabei sind sowohl wissenschaftlich fundierte Eignung als auch Praxistauglichkeit sicherzustellen:

39

Hausknecht (1990) hat aus der einschlägigen Literatur mehr als 40 verschiedene Skalenarten und Ansätze zusammengetragen und diese entlang der beiden Kontinua kognitive bis emotionale/affektive Skalen und verbale bis grafische Skalen kategorisiert.

178

5 Planungsphase

-

Die Skala muss geeignet zur Abbildung des Konstrukts der Customer Care Zufriedenheit sein (Validität).

-

Sie muss aber auch aus praktischen Erwägungen sinnvoll sein, wobei schon die Nutzbarkeit für die spätere Messung der Customer Care Zufriedenheits-Service Level Standards zu berücksichtigen ist: Die Skala darf keinen zu hohen zeitlichen und kognitiven Bearbeitungsaufwand für die Kunden bedeuten. Sie sollte etabliert und damit u.a. kompatibel mit anderen Zufriedenheitsmessungen sein, damit diese für ein Benchmarking herangezogen werden können. Weiterhin sollten die Verantwortlichen im Unternehmen und beim Customer Care Dienstleister die auf dieser Skala generierten Messergebnisse inhaltlich verstehen.

5.2.1.1.2 Grundsätzliche Entscheidung für eine Rating- und Zufriedenheitsskala Bei dieser Entscheidung sind die Skalenart und die Kategorie der Skala zu diskutieren: 1. Mit Blick auf die Skalenart ist die einfache Ratingskala, bei der Kunden ihr Zufriedenheitsempfinden durch Auswahl eines Skalenpunkts ausdrücken, in der Forschung und der Praxis der Zufriedenheitsmessung sehr weit verbreitet (Stauss 1999, S. 13; Westbrook/Oliver 1981, S. 94). Es gibt zwar Kritik an der einfachen Ratingskala (u.a. Westbrook/Oliver 1981) und verschiedene Befunde über die bessere Eignung anderer Skalenarten (Waddell 1995; Danaher/Haddrell 1996; Westbrook 1980). Allerdings spricht ihre weite Verbreitung in der Kundenzufriedenheitsmessung für die Verwendung der Ratingskala, wodurch sowohl auf Kunden- als auch auf Unternehmensseite bereits zahlreiche Erfahrungen im Umgang mit dieser Skala vorliegen und der zeitliche und kognitive Beantwortungsaufwand für die Kunden minimiert wird. Dies spielt gerade mit Hinblick auf die in Teil 6 noch zu diskutierenden telefonischen Befragungsmethoden eine wichtige Rolle. Zudem sind die kritisierten Unzulänglichkeiten im vorliegenden Kontext aus zwei Gründen akzeptabel: Erstens kommt es nicht auf eine exakte Messung eines Zufriedenheitsniveaus zu einem gegebenen Zeitpunkt (absolute Messung), sondern auf die Möglichkeit der Erfassung von Zufriedenheitswerten, die langfristig vergleichbar sind (relative Messung) an. Zweitens relativieren sich die Unzulänglichkeiten, wenn die Ratingskala in der Kontrolle zur Zufriedenheitsmessung für sämtliche Customer Care Kontakte und über alle beteiligten Customer Care Einheiten hinweg verwendet wird, da sich dann eventuelle Ungenauigkeiten der Messung der Customer Care Zufriedenheit überall gleich auswirken. Daher soll für die vorliegende Arbeit die einfache Ratingskala ausgewählt werden.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

179

2. Vor allem drei Kategorien aus der Vielzahl denkbarer Skalen werden in Kundenzufriedenheitsbefragungen eingesetzt (Danaher/Haddrell 1996, S. 6): Zufriedenheitsskalen („satisfaction scales“) , Leistungsskalen40 („performance scales“) und Diskonfirmations-/Erwartungsskalen41 („disconfirmation scales“) . Hier soll auf den Erkenntnisstand aus Teil 4 zurückgegriffen werden, dass sich die Auffassung durchgesetzt hat, dass eine direkte Messung der Zufriedenheit erfolgen sollte. Dies wird auch in der einschlägigen Customer Care Literatur empfohlen (Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski 2005, S. 59). Auf dieser Basis erscheint die Zufriedenheitsskala angemessen, bei der die Kunden den Grad ihrer Zufriedenheit direkt angeben (z.B. „sehr zufrieden“ oder „sehr unzufrieden“). Die Zufriedenheitsskala ist auch in der Praxis am stärksten verbreitet, wie die Studie von Stauss/Dornach/Coenen (2006) ergab: Mit 67% aller Unternehmen nutzen die meisten Unternehmen die Zufriedenheitsskala. In der Literatur wird im Rahmen einer umfassenden Methodikdebatte die Zufriedenheitsskala verschiedentlich kritisiert und als Alternative insbesondere die Erwartungsskala genannt (Danaher/Haddrell 1996; Danaher/Haddrell 1996; Devlin et al. 1993; Rust et al. 1994; Westbrook 1980, S. 68). Für die vorliegende Arbeit ist aus dieser Diskussion auf der einen Seite zwar relevant, dass der Erwartungsskala bestimmte Vorzüge gegenüber der Zufriedenheitsskala zugesprochen werden: Danaher/Haddrell (1996) attestieren der Erwartungsskala in ihrer Studie tendenziell eine höhere Validität, eine stärkere Korrelation mit der Kundenbindung (allerdings nur bei einer Skala mit fünf Skalenpunkten) und konsistentere Ergebnisse bei der Ermittlung der Bedeutung einzelner Leistungsmerkmale. Auf der anderen Seite ist die Erwartungsskala bei Kunden relativ unbekannt und führt zu einem hohen kognitiven Bearbeitungsaufwand, insbesondere bei fünf und mehr Skalenpunkten. Dies ist vor allem bei telefonischen Befragungen relevant, die für die Messung eine wichtige Rolle spielen (siehe Teil 6). Des Weiteren ist die Erwartungsskala in der Praxis kaum verbreitet, so gaben laut Stauss/Dornach/Coenen (2006, S. 36) nur 20% der befragten Unternehmen an, die Erwartungsskala zu nutzen. Zudem wird in Referenzstudien wie dem Kun-

40

41

Leistungsskalen („performance scales“) erheben die wahrgenommene Qualität (z.B. auf einer Skala mit den Ausprägungen „terrible“, „very poor“, „poor“, „good“, „very good“, „excellent“) (Danaher/Haddrell 1996). Diese Skala stellt auf die Messung der Leistungswahrnehmung ab, ermittelt damit aber eigentlich auch das Ergebnis des Soll-Ist-Vergleichs (Stauss 1999, S. 13). Diskonfirmations-/Erwartungsskalen messen den Erfüllungsgrad der Erwartungen bezüglich der vermuteten Leistung (z.B. auf einer Skala von „viel besser als erwartet“ bis „viel schlechter als erwartet“) (Danaher/Haddrell 1996).

180

5 Planungsphase

denmonitor Deutschland (u.a. Servicebarometer 2006) oder der Call Center Benchmarking-Studie (Meyer/Kantsperger 2005a), die ein Unternehmen zum Benchmarking heranziehen könnte, die Zufriedenheitsskala verwendet. Daher ist die Etabliertheit/Kompatibilität der Erwartungsskala mit anderen Zufriedenheitsmessergebnissen als fragwürdig einzuschätzen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wird die Zufriedenheitsskala empfohlen und im Weiteren genutzt. Auf Basis der Entscheidung für die Ratingskala/Zufriedenheitsskala sind Entscheidungen zu den konkreten Ausgestaltungsoptionen dieser Skala zu treffen. 5.2.1.1.3 Ausgestaltung der Zufriedenheitsskala Für die Ausgestaltung der Zufriedenheitsskala muss über die Wahl der Skalenpunkte und deren Bezeichnung entschieden werden. Die erste Entscheidung ist die Wahl der Skalenpunkte. Dazu herrscht in der Literatur und der Marktforschungspraxis seit langem eine noch andauernde Diskussion (u.a. Böhler 2004; Cox 1980; Hausknecht 1990; Matzler/Bailom 2004; Oliver 1997). - Einerseits ist zwischen Skalen mit einer geraden oder ungeraden Anzahl von Skalenpunkten zu wählen. In der Literaturdiskussion wird von den Befürwortern von Skalen mit einer geraden Anzahl an Skalenpunkten als Vorteil gesehen, dass die Befragten zu einer Entscheidung gezwungen werden, anstatt bei Unentschlossenheit den für sie bequemsten „Ausweg“ wählen zu können und den Mittelwert anzugeben.42 Allgemeiner Konsens ist aber, die Anzahl der Skalenpunkte aus inhaltlichen Gesichtspunkten heraus zu entscheiden. Eine Skala mit ungerader Zahl von Skalenpunkten ist dann sinnvoll, wenn der Befragte tatsächlich eine neutrale Position haben kann (Cox 1980, S. 420). Und genau dies ist bei der Zufriedenheit der Fall. Werden die Erwartungen des Kunden beispielsweise genau getroffen, kann er mit der Wahl des mittleren Skalenpunktes ausdrücken, dass er „zufrieden gestellt“ wurde, also nicht besonders zufrieden, aber auch nicht unzufrieden ist. Deshalb bietet sich hier eine Skala mit einer ungeraden Anzahl von Skalenpunkten an (Matzler/Bailom 2004, S. 281; Oliver 1997, S. 53f.). - Die Wahl der Skalenbreite, d.h. die Anzahl der Skalenpunkte, ist die zweite wichtige Entscheidung (u.a. Hausknecht 1990). Durch zu viele Skalenschritte werden

42

Diese „Tendenz zur Mitte“ wurde bei ungeraden Skalen auch empirisch nachgewiesen (Berekoven/Eckert/Ellenrieder 1991, S. 73).

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

181

Befragte überfordert. Sind aber zu wenige Antwortalternativen angeboten, gehen Informationen verloren, da eine differenzierte Bewertung der Zufriedenheit durch die Befragten nicht möglicht ist (Matzler/Bailom 2004, S. 281). Je weniger Skalenpunkte es gibt, desto näher werden auch die Mittelwerte beieinander liegen und desto schwieriger sind die Ergebnisse zu differenzieren. Bei einer ungeraden Skala sollten mindestens fünf, maximal aber neun Skalenpunkte gewählt werden (Cox 1980, S. 420; Oliver 1997, S. 53f.) Hier soll der 5er-Skala der Vorzug gegeben werden, da diese relativ weit verbreitet ist (u.a. Meyer/Blümelhuber/Ertl 2005; Westbrook/Oliver 1981, S. 94). Dies wurde in der Studie von Stauss/Dornach/Coenen (2006, S. 37) bestätigt: 58% der befragten Unternehmen gaben an, eine 5er-Skala nutzen, mit großem Abstand zum zweithöchsten Wert, nur 25% nutzen eine 6er-Skala. Die Verbreitung resultiert in einem homogeneren Antwortverhalten der Kunden und einer größere Kompatibilität43 der Ergebnisse mit unternehmensintern gemessenen Werten und anderen Studien. Genau mit dieser Vergleichbarkeit begründen auch Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski (2005, S. 59) die „klassische fünfstufige Zufriedenheitsskala“ in ihrer Call Center Benchmarking-Studie. Im Folgenden soll entsprechend von der Verwendung einer 5erZufriedenheitsskala ausgegangen werden. Die zweite Entscheidung ist zur Bezeichnung der Skalenpunkte zu treffen. Mit der oben beschriebenen Zufriedenheitsskala wurde eine bipolare Skala44 zugrunde gelegt. Das heißt, an beiden Polen der Skala stehen die Maximalausprägungen „Zufriedenheit/Begeisterung“ und „Unzufriedenheit/Enttäuschung“. Damit bei der späteren Erhebung der Zufriedenheitswerte mittels der Skala ein gutes Verständnis der Kunden für die Bedeutung der Skalenpunkte sowie eine hohe Vergleichbarkeit der Bewertungen durch die Kunden hergestellt werden kann, soll im Folgenden von einer „fully anchored scale“ ausgegangen werden, bei der jeder einzelne Skalenpunkt mit einer Bezeichnung versehen ist, im Gegensatz zu Skalen, an denen nur die Skalen-

43

44

Hierzu soll allerdings angemerkt werden, dass die im jeweiligen Unternehmen vorliegenden Bedingungen zu berücksichtigen sind. Das Argument der Kompatibilität der 5er-Skala zu anderen Messergebnissen ist nur dann zutreffend, wenn im Unternehmen zur Zufriedenheitsmessung (im Customer Care) bisher nicht eine andere Skala verwendet wurde oder nicht schon an dieser Stelle bekannt ist, dass heranzuziehende Referenzwerte auf einer anderen Skala vorliegen. In diesen Fällen kann es sinnvoll sein, von der 5er-Zufriedenheitsskala abzuweichen. Die Alternative dazu wäre die Verwendung zweier unipolarer Skalen, von denen jede unterschiedliche Intensitätsgrade der Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit abbildet. Die Verwendung einer bipolaren Skala ist konsistent mit dem Stand der Forschung (Hausknecht 1990; Leavitt 1977, S. 133 und S. 134; Oliver 1997, S. 51-54; Schütze 1992) und zudem sinnvoll, da dadurch geringere Kosten für die Messung entstehen, der Beantwortungsaufwand der Kunden geringer ist und die Kompatibilität zu anderen Studien/Messergebnissen.

182

5 Planungsphase

enden verbalisiert sind (Davies 2005). Im Hinblick auf die Verbalisierung der Skalenpunkte soll der Empfehlung in der Literatur gefolgt werden, die Skala am positiven Ende stärker zu differenzieren, um das Phänomen der möglichen Schiefverteilung der Antworten zugunsten der positiven Ausprägung der Zufriedenheit zu vermeiden, das insbesondere bei Zufriedenheitsskalen auftritt (Danaher/Haddrell 1996, S. 4; Hunt 1977, S. 467; Peterson/Wilson 1992, S. 62). Negative Folgen der Schiefverteilung sind die Überschätzung der Zufriedenheit, die mangelnde Eignung der Messergebnisse für weitere Analysen und die geringen Differenzen zwischen den nahe beieinander liegenden Mittelwerten (Stahl et al. 1998). Für eine Differenzierung können bspw. statt einem Skalenpunkt „sehr zufrieden“ zwei Skalenpunkte „vollkommen zufrieden“ und „sehr zufrieden“ in die Skala aufgenommen werden. Kunden wählen dann die Skalenpunkte 1 (und 2) nicht mehr aus, wenn sie „lediglich“ relativ zufrieden sind (Hunt 1977, S. 467). Im Customer Care Bereich hat sich die Eignung dieser Skala schon erwiesen, bspw. in der Call Center Benchmarking-Studie (Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski 2005, S. 59). Im Folgenden wird folgende 5er-Zufriedenheitsskala zugrunde gelegt (siehe Abb. 5-4):

1

2

3

4

5

vollkommen zufrieden

sehr zufrieden

zufrieden

weniger zufrieden

unzufrieden

Abb. 5-4: Quelle:

Skala zur Erfassung der Customer Care Zufriedenheit Eigene Darstellung

Im Hinblick auf die höhere Generalisierbarkeit soll im Weiteren auf die Möglichkeit der Transformation dieser Skalenpunkte in Indexwerte eingegangen werden. 5.2.1.1.4 Transformation der Skalenpunkte der 5er-Zufriedenheitsskala zu Indexwerten Neben der Angabe der Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit als Skalenpunkte können diese auch als Indexwerte auf einer 100%-Skala dargestellt werden (Töpfer 1999). Hierbei steht die 0 für die minimale Ausprägung (bei der 5erZufriedenheitsskala der Wert 5) und der Wert 100 steht für die maximale Ausprägung (bei der 5er-Zufriedenheitsskala der Wert 1) (Töpfer 1999, S. 332). Voraussetzung dieser Transformation ist, dass die Messskala metrisch skaliert ist. Zwar ist die 5er-

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

183

Zufriedenheitsskala ordinal skaliert, aber die Daten können als metrisch interpretiert werden (u.a. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 76). Die genaue Formel zur Transformation ist zeigt Kühlborn (2004, S. 161). Vereinfachend kann folgende Näherung herangezogen werden (Jensen 2003, S. 321): 100=1, 75=2, 50=3, 25=4, 0=5. Die Verwendung der transformierten Werte hat folgende Vorteile: Erstens werden sie für anschaulicher gehalten (Jensen 2003, S. 321). Zweitens sind sie von der Anzahl der Skalenpunkte auf der verwendeten Skala unabhängig, wenn diese verändert werden, kann trotzdem der als Wert auf der 100%-Skala formulierte Service Level Standard beibehalten werden. Das erlaubt auch den Vergleich mit anderen Unternehmen, die eventuell Skalen mit mehr oder weniger Punkten nutzen. Zusätzlich erlaubt die Transformation auf eine 100%-Skala theoretisch eine stärkere Differenzierung der Zufriedenheitswerte, da mehr Zwischenschritte zwischen den Werten existieren. Der Aufwand der Umrechnung ist zu vernachlässigen. Gerade in Bezug auf die Nutzung der Indexwerte ist an dieser Stelle aber vor einer Verallgemeinerung zu warnen. Sollen die – auf die gerade beschriebene Weise ermittelten – (Index-)Werte mit Angaben aus anderen Quellen verglichen werden, z.B. mit Benchmarkingwerten anderer Unternehmen oder Center, mit Vorschlägen von Beratungen oder mit „Praxisempfehlungen“ in der Literatur, muss sichergestellt werden, dass diese Quellen von der gleichen Vorgehensweise der Quantifizierung der Zufriedenheitsausprägungen ausgehen. Hier soll zunächst auf eine Reihe von Beiträgen hingewiesen werden, die immer wieder auf bestimmte Richtwerte zur Einordnung von Zufriedenheitswerten verweisen (Homburg/Werner 1998, S. 87f.; Homburg/Werner 1999, S. 924 und Homburg/Faßnacht/Werner 1998, S. 405). Die Autoren geben an, diese „aus umfangreicher Projekterfahrung“ gewonnen zu haben, wobei allerdings unklar bleibt, wie dies genau zustande kam. Die Einstufung findet wie folgt statt: Zufriedenheitswerte größer als 85% können als hervorragend bzw. exzellent angesehen werden, Werte von 8085% werden als überdurchschnittlich bzw. sehr gut bezeichnet, Werte von 75-80% drücken eine durchschnittliche bzw. gerade akzeptable Zufriedenheit aus, Werte von 70-75% zeugen von unterdurchschnittlicher Zufriedenheit und Werte kleiner als 70% sind als schlecht einzustufen, es herrscht mangelnde Zufriedenheit. Daraus wäre zu folgern, dass ein niedriges angestrebtes Zufriedenheitsniveau durch Sollvorgaben in Höhe von 70-75%, ein mittleres angestrebtes Niveau durch Werte von 75-80%, ein hohes angestrebtes Niveau über Sollvorgaben von 80-85% und ein sehr hohes Niveau mit Werten über 85% ausgedrückt würde. Die von diesen Autoren vorgenommene Bewertung verschiedener Zufriedenheitsindexwerte ist mit der Zuordnung der

184

5 Planungsphase

Ausprägungen der Zufriedenheit zu den Skalenpunkten, wie sie oben vorgenommen wurde, nicht in Einklang zu bringen. Bei einer „Rücktransformation“ würden bspw. alle Werte kleiner 70%, d.h. schlechter als 2,2 auf einer 5er Skala, mangelnde Zufriedenheit ausdrücken. Und Werte, die nach dem obigen Vorgehen noch für „überzeugte“ Kunden stehen (2 auf der 5er-Skala, entsprechend transformierter Indexwert von 75%), würden hier schon in die Kategorie „unterdurchschnittliche bzw. gerade akzeptable Zufriedenheit“ fallen. Es gibt aber auch weitere, davon abweichende Interpretationen der Indexwerte, zum Beispiel in der Aspect Contact Center Satisfaction Index Europe-Studie (o.V. 2006b). Darin werden Zufriedenheitswerte von größer 80% mit „outstanding“, Werte von 75-79% mit „strong“, Werte von 70-75% mit „average“, Werte von 65-69% mit „needs improvement“, Werte von 61-65% mit „significant shortcomings“ und Werte von unter 60% mit „substandard performance“ gleichgesetzt. Aufgrund der Vielzahl an „Interpretationen“ der Indexwerte muss das Unternehmen eine bewusste Entscheidung treffen, welcher Interpretation gefolgt werden soll. Dies sollte allerdings im Hinblick auf die gewählte Zufriedenheitsskala und vor dem Hintergrund der Kompatibilität mit bisher verwendeten und bei wesentlichen Referenzwerten vorliegenden Skalen geschehen. Nach der Entscheidung für die 5er-Zufriedenheitsskala werden die Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit den Skalenpunkten zugeordnet. 5.2.1.2 Zuordnung der Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit zu den Skalenpunkten der 5er-Zufriedenheitsskala In Anlehnung an den Kundenmonitor Deutschland und Stauss/Seidel (2007, S. 336f.) werden die drei Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit wie folgt den Skalenpunkten der 5er-Zufriedenheitsskala zugeordnet (siehe Abb. 5-5): Als „begeisterte“ / „überzeugte“ Kunden werden diejenigen Kunden klassifiziert, die sich für die Noten 1 und 2 entscheiden. Als „zufrieden gestellt“ werden die Kunden bezeichnet, die mit der Note 3 ein mittleres, akzeptables Niveau der Zufriedenheit angeben. Kunden mit (sehr) geringer Zufriedenheit, die sich für die Ausprägungen 4 und 5 entschieden haben, werden als „enttäuscht“ bezeichnet. Die Noten 1 und 2 bilden die so genannten „Top Boxes“, die Noten 4 und 5 die „Bottom Boxes“.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

185

Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit

Zufriedenheit

Indifferenz

Unzufriedenheit

„begeistert“ / “überzeugt“

„zufrieden gestellt“

“enttäuscht“

1

2

3

4

5

vollkommen zufrieden

sehr zufrieden

zufrieden

weniger zufrieden

unzufrieden

Abb. 5-5: Quelle:

Zuordnung der Punkte der 5er-Zufriedenheitsskala zu den Ausprägungen der Zufriedenheitsskala Eigene Darstellung

Hierzu bleibt noch anzumerken, dass jede Zuordnung von Ausprägungen der Zufriedenheit auf bestimmte Skalenpunkte relativ willkürlich durch den Erhebenden erfolgt. Vor Verwendung jeder Skala ist daher ihre Validität zu überprüfen, d.h. ob Kunden, die eine bestimmte Zufriedenheitsausprägung empfinden, sich so in die Skala einordnen, wie es die Zuordnung der Zufriedenheitsniveaus zu den Skalenpunkten vorsieht. Aufgrund der Verbreitung dieser 5er-Zufriedenheitsskala kann die Validität aber grundsätzlich unterstellt werden. Daher beziehen sich die in den späteren Ausführungen beispielhaft genannten konkreten Zufriedenheitszielwerte (siehe Kapitel 5.2.3.2) auf die in Abb. 5-5 spezifizierte Skala und die Zuordnung der Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit zu den Skalenpunkten. Nach der Wahl der Skala, auf der die Sollvorgaben formuliert werden sollen, sind die Entscheidungsbereiche für die Spezifikation der Sollvorgaben der Customer Care Zufriedenheits-Service Level Standards zu diskutieren. 5.2.2 Diskussion relevanter Ausgestaltungsoptionen der Sollvorgaben für die Zufriedenheits-Service Level Standards Für die Diskussion der Ausgestaltungsoptionen werden die in Teil 3 genannten allgemeinen formalen Spezifikationsoptionen für Service Level Standards hinsichtlich Customer Care Zufriedenheits-Leistungsgrößen diskutiert (5.2.2.3). Dafür ist ein-

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5 Planungsphase

gangs auf zwei speziell für Zufriedenheitsgrößen relevante Punkte einzugehen: Die Art der Spezifikation der Sollvorgaben auf der gewählten Skala (5.2.2.1) und die Option der Formulierung von Zufriedenheits- und Unzufriedenheitsstandards (5.2.2.2). 5.2.2.1 Spezifikation der Sollvorgaben als Mittel- oder Anteilswerte Auf der oben definierten Skala kann die Sollvorgabe sowohl als Mittelwert der Customer Care Zufriedenheit aller Kunden als auch als Anteil von Kunden, die bestimmte Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit angeben, ausgedrückt werden. Dies ist mit unterschiedlichen Konsequenzen verbunden, daher sollen beide Möglichkeiten vorgestellt und bewertet werden. (1) Mittelwertmethode Nach der Mittelwertmethode wird die Sollvorgabe (Skalen- oder Indexwert) als über alle Kunden zu erreichendes durchschnittliches Zufriedenheitsziel für die betroffene Leistungsgröße festgelegt (z.B. Mittelwert von 1,5 auf der 5erZufriedenheitsskala oder Indexwert von 90%). In der Praxis ist die Verwendung von Mittelwerten gängig, so ergab die Studie von Stauss/Dornach/Coenen (2006, S. 41), dass 66% aller Unternehmen Mittelwertberechnungen durchführen. Der Vorteil der Mittelwertmethode ist, dass der Mittelwert – insbesondere bei großzahligen Befragungen – einen guten Einblick in das durchschnittliche Gesamtniveau der Zufriedenheit aller Kunden gibt. Zu kritisieren ist die Mittelwertmethode aber hinsichtlich der Informationsgenauigkeit und damit ihrer Eignung für eine differenzierte Steuerung. Die Informationsgenauigkeit ist eingeschränkt, denn aus einem Mittelwert geht nicht die Verteilung der Zufriedenheit einzelner Kunden über das gesamte Zufriedenheitsspektrum hervor. Problematisch ist, dass dann zwar im Durchschnitt ein hohes Niveau der Customer Care Zufriedenheit erreicht wird, bei einzelnen Kunden aber sehr große Abweichungen von diesem Mittelwert bestehen können. Dies widerspricht dem Ziel, möglichst allen Kunden ein überzeugendes Customer Care Erlebnis zu bieten. Dieses Problem kann reduziert werden, indem zusätzlich zum Mittelwert die erlaubte Streuung dieses Werts als Bestandteil der Sollvorgabe festgelegt wird. Damit kann sichergestellt werden, dass sich die Extremwerte nicht zu weit vom Mittelwert entfernen. Dabei verringert sich aber auch der vorhin angesprochene Vorteil der Einfachheit der Mittelwertmethode. Und selbst wenn die Streuung angegeben wird, ist bei der Mittelwertmethode kaum eine Aussage über die Aufteilung der Kunden auf die verschiedenen Ausprägungen der

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

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Customer Care Zufriedenheit (begeistert/zufrieden/enttäuscht) möglich. Damit kann diesbezüglich auch nicht gesteuert werden. Daher ist über eine Alternative zur Mittelwertmethode nachzudenken. (2) Anteilsmethode Die Anteilsmethode ist eine Alternative zur Mittelwertmethode, bei der die Sollvorgabe als Anteil von Kunden, die in der Befragung ein bestimmtes Zufriedenheitsniveau angegeben haben, festgelegt wird. Eine solche Sollvorgabe kann bspw. lauten, dass 50% der Kunden vom Customer Care Kontakt begeistert sein sollen oder dass nicht mehr als 10% der Kunden den Customer Care Kontakt als enttäuschend bewerten sollen. Auch Anteilswerte sind in der Praxis verbreitet, laut Stauss/Dornach/Coenen (2006, S. 41) werden sie von 72% aller Unternehmen genutzt. Der Vorteil der Anteilsmethode ist, dass gezielter auf die Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit hin gesteuert werden kann: Es kann sowohl der Anteil begeisterter Kunden, als auch der Anteil enttäuschter Kunden als ZufriedenheitsService Level Standard festgelegt werden. Wird die Sollvorgabe als Anteilswert nur für eine Ausprägung festgelegt, muss allerdings hingenommen werden, dass die Verteilung der Zufriedenheitswerte über das Zielkriterium hinaus unbekannt bleibt. Dies verringert zwar den gewonnenen Vorteil gegenüber der Mittelwertmethode etwas, kann aber dennoch sinnvoll sein, wenn es gerade diese Ausprägung ist, die besonders gesteuert werden soll. (3) Bewertung der Mittelwert- und Anteilsmethode Es kann hier keine allgemeingültige Entscheidung zwischen Mittelwert- und Anteilsmethode formuliert werden. Welche Variante im zu betrachtenden Unternehmen günstiger ist, hängt von den jeweils vorliegenden Bedingungen ab, d.h. ob bisher Mittel- oder Anteilswerte berechnet wurden und wie das Know-how im Unternehmen/beim Customer Care Dienstleister ist. Weiterhin ist dies von den mit den Zufriedenheits-Service Level Standards verbundenen Steuerungsziele abhängig, d.h. ob eine ausdifferenzierte Steuerung bezüglich der Anteile der Kunden in bestimmten Ausprägungen im Unternehmen angestrebt wird. Die alleinige Verwendung von Mittelwerten kann z.B. bei geringem Know-how bzw. als Einstieg in die Verwendung von Zufriedenheits-Service Level Standards durchaus sinnvoll sein, während die Anteils-

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5 Planungsphase

methode ein höheres Maß an Professionalität in der Steuerung mittels Zufriedenheits-Service Level Standards zeigt und fordert. Es ist auch denkbar, Mittelwert- und Anteilsmethode zu kombinieren, indem ein Mittelwert als Sollwert und zudem ein Anteilswert für eine bestimmte Ausprägung der Customer Care Zufriedenheit angegeben wird. Bei der Bestimmung konkreter Sollvorgaben wird vertiefend auf diese beiden Varianten und deren sinnvollen Einsatz eingegangen. 5.2.2.2 Option der Formulierung von Zufriedenheits- und Unzufriedenheitsstandards auf Basis der Anteilsmethode Die wesentliche, hoch relevante Erkenntnis aus der Diskussion zu Anteils- und Mittelwertmethode ist, dass die Anteilsmethode neue Steuerungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Ausprägungen der Zufriedenheit eröffnet. Während bei der Mittelwertmethode lediglich ein Mindeststandard für die durchschnittliche Zufriedenheit definiert werden kann, kann durch die Anteilsmethode sowohl ein ZufriedenheitsMindeststandard als auch ein Unzufriedenheits-Höchststandard festgelegt werden. Damit steigt der Informationsgehalt (vgl. Anforderungskriterium „Informationsgehalt“) und es wird eine zielgerichtete Steuerung möglich. Diese Möglichkeit zur differenzierten Steuerung sowohl der Begeisterung als auch der Unzufriedenheit ist sehr positiv zu bewerten. Die Steuerbarkeit der Begeisterung sowie der Enttäuschung ist wichtig, da diese eine höhere Verhaltensrelevanz aufweisen als eine mittlere Zufriedenheit und eher zu Kundenbindung bzw. Abwanderung führen (Bailom et al. 1996; Johnston 1995b, S. 66; Stauss 1999, S. 8; Stauss/Seidel 2007, S. 74f.; Töpfer 1999). Es muss nicht für jede Leistungsgröße sowohl ein Zufriedenheits-Mindeststandard als auch ein Unzufriedenheits-Höchststandard festgelegt werden. Im Folgenden wird die Formulierung von Zufriedenheits-Mindeststandards als Basisoption verstanden. Unzufriedenheits-Höchststandards können zusätzlich formuliert werden, wenn die Steuerung des Ausmaßes der Unzufriedenheit besonders relevant ist. Zu entsprechenden Bedingungen zählen u.a. ein bisher hoher Grad an Unzufriedenheit oder der besondere Einfluss der Unzufriedenheit mit der Leistungsgröße auf die Gesamtzufriedenheit mit dem Customer Care Kontakt. Im Extremfall kann die Steuerung der Unzufriedenheit sogar relevanter als die der Zufriedenheit sein, so dass möglicher-

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

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weise nur Unzufriedenheitsstandards formuliert werden. Auf diese Entscheidung wird in den weiteren Ausführungen noch eingegangen. 5.2.2.3 Formale Ausgestaltungsoptionen der Sollvorgaben Im Folgenden werden die in Teil 3 genannten formalen Spezifikationsoptionen aufgegriffen und diskutiert. Die Sollvorgaben für die Customer Care Zufriedenheits-Service Level Standards können als vom Dienstleister absolut zu erreichende Zufriedenheitswerte oder als zu realisierende Veränderung des bisherigen Zufriedenheitswerts definiert werden. Im Hinblick auf das letztlich zu erreichende Zufriedenheitsniveau muss sich die Angabe des Sollwerts als Veränderungsrate oder als absoluter Zielwert nicht zwingend unterscheiden. Es handelt sich lediglich um zwei Möglichkeiten, dieses auszudrücken, z.B. Steigerung von 10% bei einem Ausgangsniveau von 70% oder absoluter Zielwert von 77%. Es kann keine allgemeine Empfehlung hinsichtlich der Wahl zwischen diesen beiden Optionen ausgesprochen werden. Die Entscheidung ist abhängig von der im Unternehmen vorliegenden Situation zu treffen. Dazu spielen folgende Überlegungen eine Rolle: Die Vorgabe eines absoluten Zielwerts kann dann am besten angewendet werden, wenn ein schon akzeptabler Wert der Customer Care Zufriedenheit gehalten werden soll (Homburg/Werner 1998, S. 205). Soll der (bisher niedrige) Zufriedenheitswert im Laufe einer bestimmten, absehbaren Zeit (z.B. 3 Jahre) kontinuierlich erhöht werden, bietet sich die Vorgabe einer Veränderungsrate als Ziel an, da dann die Sollvorgabe nicht jedes Jahr geändert werden muss. Diese Vorgabe ist aber nur dann möglich, wenn im Unternehmen schon Customer Care Zufriedenheits-Werte aus der Vergangenheit vorliegen. Zudem ist die Vorgabe als Veränderungsrate nur bei einem eher niedrigen Ausgangsniveau der Zufriedenheit sinnvoll, da bei einem hohen Ausgangsniveau Steigerungen teilweise kaum noch möglich sind. Da die Verwendung von Veränderungsraten als Zielwerte stärker eingeschränkt ist, da mehr Bedingungen zutreffen müssen, wird im Folgenden auf diese nur bei deren besonderer Relevanz eingegangen und sonst hauptsächlich von der Verwendung absoluter Zielwerte ausgegangen. Die Sollvorgaben für Zufriedenheits-Service Level Standards können als punktuelle oder zonale Ziele formuliert werden. Bei Zielpunkten müsste der Customer Care Dienstleister ein bestimmtes Zufriedenheitsniveau punktgenau erreichen. Dies erscheint wenig sinnvoll, da das Erreichen eines höheren Zufriedenheitsniveaus als in der Sollvorgabe definiert bzw. eine Unterschreitung eines in der Sollvorgabe definierten Unzufriedenheitsniveaus positiv zu bewerten sind. Darüber hinaus soll für die

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5 Planungsphase

Zufriedenheits-Service Level Standards der Empfehlung von Stauss/Seidel, bei der Formulierung von Standards Toleranzgrenzen zu formulieren, gefolgt werden (Stauss/Seidel 2007, S. 418). Das heißt, es wird ein Zufriedenheits-Zielwert definiert, gleichzeitig aber – da es sich um Mindeststandards handelt – auch eine untere Toleranzgrenze, um die die Sollvorgabe vom Dienstleister unterschritten werden darf. Die Festlegung einer Toleranzgrenze ist zweckmäßig, denn Schwankungen der Zufriedenheit sind zu erwarten und die entsprechenden Einflüsse unterliegen nicht immer dem Dienstleister. Diese Leistungsschwankungen sollten sich zwar grundsätzlich über alle Kunden hinweg wieder ausgleichen, so dass der Zielwert erreicht wird, dennoch sollte ihre Akzeptanz in gewissen (Toleranz-)Grenzen vereinbart werden. Die Toleranzgrenzen müssen notwendigerweise berücksichtigen, dass der Zielkorridor insgesamt noch in die angestrebte „Lage“ des Zufriedenheitsniveaus fällt. Es soll also im Weiteren davon ausgegangen werden, dass Toleranzgrenzen formuliert werden. Wie die Lage der Toleranzgrenzen aber genau sein sollte, wird im Rahmen der Diskussion der Vorgabe konkreter Sollvorgaben weiter ausgeführt. Abb. 5-6 fasst die bisher diskutierten Spezifikationsoptionen nochmals zusammen. Bisher schon ausgeschlossene Optionen stehen dabei in Klammern. Entscheidungsbereiche für die Spezifikation der Sollvorgaben Mittelwert- und/oder Anteilsmethode*, dabei: Zufriedenheits-Mindestund/oder UnzufriedenheitsHöchststandards* Absolute Zielwerte oder Veränderungsraten

Ausprägungen

Mittelwertmethode

Kombination aus Mittelwert- und Anteilsmethode

Nur Zufriedenheitsstandards

Anteilsmethode

Zufriedenheits-und/oder Unzufriedenheitsstandards

Absolute Zielwerte

(Zielwerte als Veränderungsraten)

Toleranzgrenzen Punktuelle oder zonale Ziele

Breite Toleranzgrenzen

(Keine Toleranzgrenzen) Enge Toleranzgrenzen

*… nach rechts hin zunehmender Professionalisierungsgrad der Steuerung

Abb. 5-6: Quelle:

Zusammenfassung der Spezifikationsoptionen für die Zufriedenheits-Service Level Standards Eigene Darstellung

Nachdem die grundsätzlichen Spezifikationsmöglichkeiten der Sollvorgaben erläutert wurden, werden die Faktoren diskutiert, die ein Unternehmen im Rahmen der Bestimmung unternehmensspezifischer Sollvorgaben berücksichtigen muss.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

191

5.2.3 Vorgehen zur Bestimmung der Sollvorgaben für die ZufriedenheitsService Level Standards im Customer Care Das folgende Kapitel widmet sich dem systematischen prinzipiellen Vorgehen zur Bestimmung unternehmensspezifischer Sollvorgaben. Die Ausführungen beziehen sich zunächst auf die Definition „undifferenzierter“, d.h. für alle Anrufer und ihre mögliche Anliegen einheitlicher Zufriedenheits-Service Level Standards.45 Bei der Bestimmung konkreter Sollvorgaben soll erneut auf die in Teil 3 erarbeiteten Anforderungskriterien zurückgegriffen werden, insbesondere auf Zielbezogenheit, Inhaltliche Relevanz, Realisierbarkeit und Wirtschaftlichkeit. Zudem ist auf das in Teil 3 etablierte Verständnis von Service Level Standards zurückzugreifen: Service Level Standards sind begrenzte Ziele, die ein „optimales“ Leistungsniveau festzulegen, das für den Zweck der Leistungserbringung ausreichend ist, aber gleichzeitig die geringstmöglichen Kosten verursacht. Für die Festlegung der Sollvorgaben ergibt sich daraus, dass die Ausgangsbasis für die Definition der Sollvorgaben ein sinnvolles Referenzniveau der Customer Care Zufriedenheit sein sollte. Die Höhe der Sollvorgaben wird daher festgelegt, indem ein Auf- oder Abschlag auf das Referenzniveau erfolgt. Dieser ergibt sich aus der Berücksichtigung der Ansprüche der Kunden, der kundengerichteten Ziele des Unternehmen und der Wettbewerbsposition des Unternehmens im Hinblick auf die Kernleistung sowie der Kosten für die Sollvorgaben. Diese Faktoren sowie die Bestimmung der Höhe der Sollvorgaben werden im Weiteren eingehend diskutiert. In Abb. 5-7 sind die Überlegungen im Überblick dargestellt. 5.2.3.1 Detailbetrachtung der Bestimmungsfaktoren der Sollvorgaben 5.2.3.1.1 Referenzniveau der Customer Care Zufriedenheit für die Leistungsgröße als Ausgangsbasis Als Grundlage für ein sinnvolles Referenzniveau sind – wenn möglich – die bisher im Customer Care Center erreichten Zufriedenheitswerte heranzuziehen (Hafner 2001, S. 105; Stauss/Seidel 2007, S. 336f.). Liegen keine bisherigen Zufriedenheitswerte vor, können Erfahrungswerte von Customer Care Centern aus anderen Unternehmensbereichen oder unternehmensexterne Erfahrungen des Customer Care Dienstleisters bzw. von Marktforschungs- bzw. Beratungsdienstleistern herangezo-

45

Auf Möglichkeiten und Herausforderungen der Differenzierung der Sollvorgaben wird im darauf folgenden Kapitel 5.3.4 als besonderer Aspekt der Planung von Zufriedenheits-Service Level Standards eingegangen.

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5 Planungsphase

gen werden. Auch Branchenreferenzwerte, die von Verbänden bereitgestellt oder einschlägigen Literaturquellen bzw. Studien entnommen werden, können als Anhaltspunkte dienen. So erfährt das Unternehmen, welche Zufriedenheitswerte bei Unternehmen der eigenen oder einer anderen Branchen erreicht werden bzw. in der Customer Care Branche allgemein üblich sind. Ausgangsbasis: Referenzniveau der Customer Care Zufriedenheit für die Leistungsgröße Forderung eines „hinreichenden“ Leistungsniveaus Anforderungen der Kunden Unternehmerische Customer Care Ziele und Wettbewerbsposition des Unternehmens im Hinblick auf die Kernleistung Forderung eines „kostenoptimalen“ Leistungsniveaus Kosten unterschiedlicher Niveaus der Sollvorgaben Sollvorgabe für die Leistungsgröße

Abb. 5-7: Quelle:

Ausgangsbasis und Einflussfaktoren auf die Höhe der Sollvorgaben Eigene Darstellung

Werden interne oder externe Referenzwerte genutzt, sollte berücksichtigt werden, dass das Outsourcing des Customer Care Centers oft mit dem Ziel durchgeführt wird, eine Verbesserung der Leistung zu erreichen. Daher ist das Referenzniveau gegebenenfalls nach oben hin anzupassen. Beim Heranziehen von Referenzwerten ist sicherzustellen, dass die Werte mit der Anwendungssituation vergleichbar sind. Das bedeutet zum einen, dass die Referenzwerte in Bezug auf die Operationalisierung der betreffenden Leistungsgrößen und die zugrunde liegende Skala den im vorliegenden Konzept schon getroffenen Entscheidungen entsprechen, d.h. ob die Referenzwerte genauso operationalisiert sind wie die geplanten Leistungsgrößen und auf der gleichen Skala erhoben wurden, auf der die geplanten Sollwerte definiert werden. Zum anderen muss eine Vergleichbarkeit der Referenzwerte in Bezug auf die konstitutiven Rahmenbedingungen der Leistungserstellung vorliegen, d.h. der Referenzsituation müssen Rahmenbedingungen zugrunde liegen, die mit denen der fokalen Leistungsbeziehung vergleichbar

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

193

sind (vgl. Kapitel 4.2). Ist die Vergleichbarkeit gegeben, können die Referenzwerte direkt als Ausgangsbasis genutzt werden. Andernfalls sind sie anzupassen. 5.2.3.1.2 Berücksichtigung der Anforderungen der Kunden auf Basis der wahrgenommenen Bedeutung der Leistungsgrößen Bei Zufriedenheits-Service Level Standards ist die direkte Frage danach, wie zufrieden Kunden sein möchten, nicht praktikabel. Daher ist ein Weg zu finden, wie die Kundenanforderungen zur Festlegung des zulänglichen Zufriedenheitsniveaus herangezogen werden können. Aus Unternehmenssicht erscheint es folgerichtig, hierzu die von kundenseitige Bedeutungsgewichtung der Leistungsgrößen für die Customer Care Zufriedenheit zu nutzen (Stauss/Seidel 2007, S. 336f.). Dabei gilt grundsätzlich, dass es mit steigendem Einfluss der Teilzufriedenheiten auf die Customer Care Zufriedenheit wichtiger wird, ein bestimmtes Zufriedenheitsniveau zu erreichen. Daher sollten für die Dimensionen, die eine höhere Bedeutung für Kunden haben, höhere Zielwerte angesetzt werden, Mit Bezug auf die oben dargestellte Ausgangsbasis erfolgt also ein höherer „Aufschlag“ auf diese, wenn es sich um kundenseitig als wichtiger wahrgenommene Dimensionen handelt. Bei dem Rückgriff auf die – nach den im Teil 4 dargestellten Verfahren – ermittelte Bedeutung besteht allerdings folgende Herausforderung: In der Zufriedenheitsforschung herrscht Einigkeit darüber, dass die von Kunden wahrgenommene Bedeutung abhängig von der empfundenen Zufriedenheit ist (Matzler et al. 2004; Matzler et al. 2005; Matzler/Sauerwein/Heischmidt 2003; Sampson/Showalter 1999, S. 2; Slack 1994). Es wird eine inverse Beziehung zwischen Zufriedenheit und Bedeutung vermutet (Sampson/Showalter 1999, S. 2, S. 18; Schütze 1992). Als Erklärung führen Sampson/Showalter in Anlehnung an Maslows Bedürfnishierarchie an, dass ein erfülltes Bedürfnis nicht mehr motiviert und diesem von Kunden keine große Bedeutung mehr zugemessen wird. Matzler et al. (2004) und Matzler/Sauerwein/Heischmidt (2003) verknüpften dies mit der Einordnung des betreffenden Merkmals als Basis-, Leistungs- oder Begeisterungsfaktor und ermittelten folgenden Zusammenhang: Bei Basis- und Begeisterungsfaktoren ist die Bedeutung des Merkmals abhängig von der Zufriedenheit, bei Leistungsfaktoren nicht. Dies führt dazu, dass die Bedeutung von Basisfaktoren überschätzt wird, wenn die Zufriedenheit gering ist, und unterschätzt, wenn die Zufriedenheit hoch ist. Bei Begeisterungsfaktoren ist dies genau entgegengesetzt (Matzler et al. 2004, S. 277). Wird daher nur die Bedeutung herangezogen, besteht die Gefahr, dass aus der ermittelten Bedeutung falsche Schlussfolgerungen für die Höhe der Sollvorgaben gezogen werden, indem Sollvorgaben für Basisfakto-

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5 Planungsphase

ren zu hoch oder für Begeisterungsfaktoren zu niedrig festgelegt werden. Daher muss der Einfluss der ermittelten Bedeutung auf die Sollvorgaben vor dem Hintergrund der Einordnung der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit zu den Faktortypen relativiert werden. Diese exakte Ermittlung ist relativ aufwendig und vielleicht nicht immer durchführbar, allerdings sollte eine Vorstellung hinsichtlich der Abhängigkeit der Bedeutung von der Leistung bei den Leistungsgrößen entwickelt und diese tendenziell einbezogen werden. 5.2.3.1.3 Berücksichtigung der kundengerichteten Ziele des Unternehmens und dessen Wettbewerbsposition im Hinblick auf die Kernleistung Die Festlegung, welche Zufriedenheitswerte bei den Kunden erreicht werden sollen, muss erstens abhängig von den mit den Kunden verbundenen unternehmerischen Zielen bestimmt werden. Denn wenn lediglich die Kundenanforderungen für die Formulierung der Zufriedenheits-Service Level Standards herangezogen werden, können die Kundenanforderungen auf einem höheren Niveau liegen, als das Unternehmen erfüllen will. Dies kann der Fall sein, wenn das Unternehmen gegenüber den Kunden oder bestimmten Kundengruppen möglicherweise keine so stark auf Zufriedenheit ausgerichtete Strategie vertreten möchte. Hierzu kann keine allgemeine Entscheidung formuliert werden, sondern das Unternehmen muss sich vor dem Hintergrund seiner Ziele entscheiden, inwieweit die Kundenerwartungen erfüllt werden sollen. Hat ein Unternehmen seinen Kunden gegenüber einen besonders hohen Serviceanspruch, ist es empfehlenswert, entsprechend höhere Zielwerte festzulegen. Zweitens ist die Position der Unternehmen im Wettbewerb um die Kunden hinsichtlich der Kernleistung zu berücksichtigen. Es ist zu untersuchen, ob das Unternehmen mit seiner Kernleistung auf einem relativ wettbewerbsintensiven Markt agiert. Dies erhöht die Bedeutung des Customer Care für die Kundenbindung (Buser/Welte/Wiederkehr 2003, S. 17). Um sich mit dem Customer Care Angebot auch gegenüber Wettbewerbern positionieren zu können, ist ein Benchmarking nutzenstiftend (Runde/Baier/Wendeln 2000, S. 425f.). Dabei ist insbesondere auf Wettbewerber abzustellen, die im Rahmen der Kernleistung als starker Konkurrent wahrgenommen werden und gleichzeitig mit einer ähnlichen Customer Care Strategie auf dieselben Kundengruppen abzielen. Ergibt das Benchmarking, dass direkte Wettbewerber wesentlich höhere Customer Care Zufriedenheitswerte erreichen, sollten auch entsprechend anspruchsvollere Sollvorgaben formuliert werden. Der „Aufschlag“ auf die Ausgangsbasis wird also nochmals relativiert und angepasst.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

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5.2.3.1.4 Berücksichtigung der Kosten der Sollvorgaben Als weiterer Faktor bei der Formulierung von Sollwerten sind die Kosten des Zufriedenheitsniveaus zu berücksichtigen. Es ist anzunehmen, dass der Dienstleister für ein höheres Zufriedenheitsniveau höhere Preise durchzusetzen versuchen wird. Dies steigert die Kosten für das Unternehmen. Eine Maximierung der Sollvorgaben ist zudem nur eingeschränkt wirtschaftlich, da davon auszugehen ist, dass die durch eine immer höhere Customer Care Zufriedenheit zu erwartenden Vorteile für das Unternehmen die anfallenden Kosten nicht vollständig decken (Fischer/Herrmann/Huber 2001).46 Entsprechend soll ein kostenoptimaler Aufschlag auf die Ausgangsbasis ermittelt werden. Dazu wird vorgeschlagen, die mit verschiedenen Niveaus der Zufriedenheit verbundenen (Zusatz-)Kosten zu berücksichtigen. Dafür wird in Anlehnung an Töpfer (1999, S. 360f.) eine Analyse des Verhältnisses zwischen dem angestrebten Grad der Zufriedenheit (Sollwert) und den dadurch entstehenden (Zusatz-)Kosten angeraten. Töpfer unterscheidet anhand der Wirkung auf Kosten und Zufriedenheit in „Kostentreiber“, bei denen eine Erhöhung der Zufriedenheit einen überproportionalen Anstieg der Kosten verursacht; „Zufriedenheitstreiber“, bei denen eine Erhöhung der Zufriedenheit mit keinen oder nur geringen bzw. unterproportionalen Zusatzkosten verbunden ist und kostenproportionale Leistungsgrößen, bei denen die Kosten proportional mit dem Grad der Zufriedenheit steigen. Die Einordnung der Leistungsgrößen in das Spektrum zwischen Kosten- und Zufriedenheitstreiber muss unternehmensspezifisch erfolgen. Sie kann dann dazu genutzt werden, die Einflüsse des Anspruchsniveaus der Kunden zu relativieren. Kostentreiber gilt es grundsätzlich zu vermeiden (Töpfer 1999, S. 360), da jede Erhöhung der Sollvorgaben mit einem überproportionalen Anstieg der Kosten verbunden ist. Lediglich wenn das Leistungsmerkmal ein Basisfaktor ist, bei dem die Nichterfüllung zu (starker) Unzufriedenheit führt, muss hier eine untere Grenze des Sollwerts gezogen werden (Töpfer 1999, S. 360). Für Zufriedenheitstreiber spielen Kostenüberlegungen keine Rolle, im Gegenteil, hier können sogar über die Bedeutung hinausgehende Sollwerte vereinbart werden, da dafür keine Zusatzkosten anfal-

46

Hier sei auf die Ausführungen von Fischer/Herrmann/Huber (2001) verwiesen, nach denen kein einfacher linearer Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Unternehmenserfolg besteht, sondern der Unternehmensgewinn mit zunehmender Zufriedenheit nur bis zu einem Gewinnoptimum ansteigt und dann trotz weiterer Verbesserungen der Kundenzufriedenheit wieder sinkt.

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5 Planungsphase

len. Für kostenproportionale Merkmale ist die Höhe des Sollwerts vom Gesamtbudget beeinflusst. Für die Zufriedenheits-Service Level Standards gilt daher, dass sich die (kostenmäßig) realisierbaren Sollwerte ergeben, indem das Budget, das nach der Formulierung der Zufriedenheits-Service Level Standards für die Basisfaktoren verbleibt, auf die kostenproportionalen Merkmale verteilt wird. Nachdem die Bestimmungsfaktoren der Sollvorgaben vorgestellt wurden, sollen exemplarische Sollvorgaben für die vier Leistungsgrößen abgeleitet werden. 5.2.3.2 Exemplarische Ermittlung von Sollvorgaben für die ZufriedenheitsService Level Standards im Customer Care Die Ermittlung der Sollvorgaben ist sehr spezifisch für das betrachtete Customer Care Center. Um das Vorgehen hier dennoch verdeutlichen zu können, sollen beispielhaft Werte aus der Call Center Benchmarking-Studie von Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski (2005) herangezogen werden. Diese Studie wurde gewählt, da dort die Gesamt-Customer Care Zufriedenheit, Einzelzufriedenheiten und Bedeutungsgewichte ermittelt wurden und da diese Studie in verschiedenen Branchen durchgeführt wurde. Für die Ausgangsbasis (Customer Care Zufriedenheit sowie Teilzufriedenheiten mit den Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit) ergibt die Call Center Benchmarking-Studie folgende Werte: Ordnet man die in der Studie erhobenen Teilzufriedenheiten auf Merkmalsebene den vier Dimensionen47 gleich gewichtet zu, ergeben sich folgende Werte: Erreichbarkeit – 2,48, Interaktionskompetenz – 2,01, Fachkompetenz – 2,25, Problemlösung – 2,14. In der Call Center Benchmarking-Studie wurde auch die Gesamtzufriedenheit erhoben (2,05). Im Vergleich zur Gesamtzufriedenheit waren die angegebenen Zufriedenheitsurteile für die Erreichbarkeit sehr viel schlechter als die für die anderen Dimensionen. Die Zufriedenheit mit der Fachkompetenz wurde geringer eingeschätzt als die der anderen Dimensionen und die Zufriedenheit mit der Problemlösung geringfügig schlechter. Die Interaktionskompetenz wurde besser bewertet. Im Vergleich zum Durchschnittswert aller Dimensionen (2,22) ist neben der Interaktionskompetenz auch die Problemlösung besser bewertet, die Erreichbarkeit immer noch viel und die Fachkompetenz noch geringfügig schlechter. Auch wenn diese Studie nur Einzelergebnisse bietet, erscheint doch die Interaktions-

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Die Zuordnung erfolgte nach der in Teil 4 vorgenommenen Operationalisierung der Dimensionen.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

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kompetenz etwas besser bewertet und die Fachkompetenz schlechter, ebenso die Erreichbarkeit. Auch die Zahlen des Kundenmonitor Deutschland (Servicebarometer 2004 und 2005) bestätigt die geringfügig bessere Bewertung der Interaktionskompetenz. Für die Bedeutung für die Kunden ermittelte die Call Center Benchmarking-Studie (Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski 2005) vor allem für die Individualität (der Interaktionskompetenz zuzuordnen) sowie die Zuverlässigkeit und die Schnelligkeit (vor allem der Problemlösung zuzuordnen) eine relativ hohe Bedeutung, für die Erreichbarkeit aber eine eher geringe Bedeutung.48 Es sollten also vor allem bei der Interaktionskompetenz aber auch bei der Problemlösung höhere Aufschläge, bei der Erreichbarkeit geringere Aufschläge erfolgen. Bezüglich der kundengerichteten Ziele des Unternehmens soll hier davon ausgegangen werden, dass ein „Premiumanspruch“ besteht, so dass die Sollwerte leicht über der Ausgangsbasis liegen sollten. Die Faktoren „Wettbewerbsposition“ und „Kosten“ sind schwer exemplarisch auszuführen, daher wird deren Einfluss hier als neutral angenommen. Auf Basis der obigen Aussagen können die in Abb. 5-8 dargestellten, exemplarischen Zufriedenheits-Service Level Standards formuliert werden. Die Höhe der Sollvorgaben spiegelt die gerade erfolgten Überlegungen wider. Die Standards wurden entsprechend der oben erarbeiteten relevanten Spezifikationsoptionen zunächst als Zufriedenheits-Mindeststandards und dabei als Mittelwerte und Anteilswerte formuliert. Zudem wurden Toleranzgrenzen vorgeschlagen, wobei die Toleranz bei der Erreichbarkeit aufgrund der etwas geringeren Bedeutung relativ groß gewählt wurde, etwas kleiner bei Fach- und Interaktionskompetenz, aber wiederum etwas größer bei der Problemlösung, da dort der Zielwert relativ hoch festgelegt ist. In der letzten Spalte sind zusätzlich beispielhaft mögliche Unzufriedenheits-Höchststandards angegeben.

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Die Abhängigkeit der Bedeutung von der Zufriedenheit kann wie oben schon angedeutet nur tendenziell berücksichtigt werden und wird daher hier nicht diskutiert.

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5 Planungsphase

Exemplarische Zufriedenheits-Service Level Standards Sollvorgabe Anteilsmethode

Ausgangswert/ Bedeutung*

Sollvorgabe Mittelwertmethode

Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit des Customer Care Centers

2,48/gering

Mittelwert t 2,3 Toleranz bis 2,45

Anteil begeisterter Kunden t 50%, Toleranz -5%

Anteil enttäuschter Kunden d 10%, Toleranz +2%

Zufriedenheit mit der Interaktionskompetenz des Mitarbeiters beim Customer Care Kontakt

2,01/hoch

Mittelwert t 1,9 Toleranz bis 1,95

Anteil begeisterter Kunden t 75%, Toleranz -2%

Anteil enttäuschter Kunden d 7%, Toleranz +1%

Zufriedenheit mit der Fachkompetenz des Mitarbeiters beim Customer Care Kontakt

2,25/mittel

Mittelwert t 2,2 Toleranz bis 2,25

Anteil begeisterter Kunden t 70%, Toleranz -2%

Anteil enttäuschter Kunden d 7%, Toleranz +1%

Zufriedenheit mit der erreichten Problemlösung im Customer Care Kontakt

2,14/hoch

Mittelwert t 2,0 Toleranz bis 2,1

Anteil begeisterter Kunden t 75%, Toleranz -3%

Anteil enttäuschter Kunden d 50%, Toleranz +1%

Leistungsgröße

ZufriedenheitsMindeststandards

UnzufriedenheitsHöchststandards

*…nach Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski 2005

Abb. 5-8: Quelle:

Exemplarische Zufriedenheits-Service Level Standards für die vier Leistungsgrößen Erreichbarkeit, Interaktionskompetenz, Fachkompetenz und Problemlösung Eigene Darstellung

Nach dieser Darstellung des prinzipiellen Vorgehens zur Definition unternehmensspezifischer Sollvorgaben geht Kapitel 5.2.4 auf besondere Aspekte der Bestimmung der Sollvorgaben ein. 5.2.4 Besondere Aspekte der Bestimmung der Sollvorgaben 5.2.4.1 Optionale Dynamisierung der Sollvorgaben Bei der Diskussion der Sollvorgaben wurde bislang eine statische Betrachtung unterstellt. Allerdings werden Zufriedenheits-Service Level Standards als Bestandteil von SLAs für einen längeren Zeitraum festgelegt. Innerhalb dieses Zeitraums sind mit zunehmender Erfahrung des Customer Care Dienstleisters Lerneffekte zu erwarten, die dazu führen, dass die Leistung besser erbracht werden kann und höhere Zufriedenheitswerte erreichbar sind. Will das Unternehmen diese Lerneffekte systematisch einfordern, kann es sinnvoll sein, eine Dynamisierung der Sollvorgaben vorzusehen. Das heißt, dass schon mit Beginn der Laufzeit des SLA gestaffelte Sollvorgaben festgelegt werden, die Sollvorgaben also im Zeitverlauf automatisch steigen. Damit wird der Dienstleister zur kontinuierlichen Weiterentwicklung seiner Leistung gezwungen. Grundsätzlich ist das Unternehmen an der laufenden Steigerung der Zufriedenheit der Customer Care Kunden interessiert. Dennoch kann die Customer Care Zufrie-

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

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denheit nicht endlos ansteigen, wie bereits oben festgestellt wurde. Eine Dynamisierung ist daher besonders dann relevant, wenn bisher relativ geringe Customer Care Zufriedenheits-Werte erreicht und entsprechend niedrige Zufriedenheits-Service Level Standards festgelegt wurden und diese folglich innerhalb der Laufzeit des SLA gesteigert werden sollen. Im Folgenden soll auf einen zweiten speziellen Aspekt der Diskussion der Sollvorgaben eingegangen werden: Der Umgang mit den Effekten der in Teil 4 vorgestellten Mehrfaktorstruktur der Customer Care Zufriedenheit. 5.2.4.2 Optionale Festlegung faktortypgerechter Sollvorgaben aufgrund der Mehrfaktorstruktur der Customer Care Zufriedenheit Die Customer Care Zufriedenheit wurde als mehrfaktorielles Konstrukt charakterisiert. In Bezug auf die Festlegung der Sollvorgaben ist dies in Verbindung mit dem Anforderungskriterium Realisierbarkeit zu sehen. Die Realisierbarkeit unterstellt lineare Wirkungsbeziehungen zwischen der Leistung des Dienstleisters und den erreichten Ist-Werten der Zufriedenheits-Service Level Standards. Aufgrund der Mehrfaktorstruktur der Customer Care Zufriedenheit kann aber nicht unbedingt von einem linearen Zusammenhang zwischen der Leistung des Dienstleister und den erreichten Ist-Werten der Zufriedenheits-Service Level Standards ausgegangen werden. Eine unterschiedliche Zugehörigkeit der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit zu den Faktortypen wirkt sich daher auf die Realisierbarkeit der Zielwerte aus. Daraus sind Konsequenzen für die Festlegung der Sollvorgaben zu ziehen. Zur Faktortypzugehörigkeit der vier Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit konnten in Teil 4 nur Tendenzaussagen getroffen werden: Die Erreichbarkeit wurde vor allem als Basisfaktor, aber auch als Begeisterungsfaktor identifiziert, die Interaktionskompetenz hauptsächlich als Basis-, aber auch als Leistungs- und Begeisterungsfaktor und die Fach- sowie die Problemlösungskompetenz als Leistungsfaktoren. Aufgrund dieser nicht eindeutigen Zuordenbarkeit wird im Folgenden auf Basis der Faktortypen argumentiert. Die Ausführungen sind dadurch zudem besser auf Konstellationen mit anderen Zuordnungen übertragbar. - Bei Leistungsfaktoren kann sowohl Zufriedenheit als auch Unzufriedenheit erreicht werden und der Dienstleister kann durch seine Leistung das Niveau der Zufriedenheit relativ frei beeinflussen. Hier gilt die bei Service Level Standards grundsätzlich unterstellte Beziehung zwischen Leistung und Zufriedenheit. Für die Leistungsfaktoren ist die Realisierbarkeit nicht eingeschränkt, so dass die Zufrie-

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5 Planungsphase

denheits-Service Level Standards anhand der bereits beschriebenen Prinzipien zu formulieren sind. - Bei Basisfaktoren kann der Dienstleister keine hohen Zufriedenheitswerte erreichen, sondern die Zufriedenheit wird sich an ein gewisses Niveau annähern, aber nicht darüber hinausgehen. Daher sollten die Sollvorgaben bei Basisfaktoren auf einem mittleren Niveau liegen, abhängig von der Ausgangsbasis.49. Herrscht ein akzeptables Zufriedenheitsniveau, ist dies auch im Hinblick auf beschränkte Ressourcen sinnvoll. Gleichzeitig droht bei Basisfaktoren die Gefahr, dass der Dienstleister Unzufriedenheit hervorruft. Daher ist das Festlegen von Unzufriedenheits-Höchststandards sinnvoll. - Bei Begeisterungsfaktoren ist Unzufriedenheit nicht zu befürchten und der Dienstleister läuft nicht Gefahr, mit hohen Unzufriedenheitswerten konfrontiert zu werden, sondern wird ab einem gewissen Leistungsniveau hohe Ausprägungen der Zufriedenheit (Begeisterung) hervorrufen. Daher sollten die Zielwerte der Zufriedenheits-Service Level Standards relativ hoch angesetzt werden. Im Gegensatz zu Basisfaktoren besteht aber keine Notwendigkeit von Unzufriedenheitsstandards. Die Standards werden als Zufriedenheits-Mindeststandards formuliert. Zusammenfassend ist zu bemerken, dass die Formulierung faktortypgerechter Sollvorgaben eine sinnvolle Maßnahme ist, die aber an Grenzen stößt, welche insbesondere darin bestehen, die Faktortypzugehörigkeit richtig und kostengünstig zu bestimmen (siehe auch Teil 4). Als dritter besonderer Aspekt der Bestimmung unternehmensspezifischer Sollvorgaben wird im Folgenden die Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards diskutiert.

49

Die Definition eines lediglich mittleren Sollwerts für die Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit soll aber keinesfalls bedeuten, dass auch die operativen Standards der Erreichbarkeit nur auf einem durchschnittlichen Niveau formuliert werden dürfen. Im Gegenteil, nur ausreichend hohe operative Standards (Erreichbarkeit als Anteil der angenommenen Anrufe an allen Anrufen und Servicelevel als Anteil der Anrufe, die in einer bestimmten Zeit angenommen werden) garantieren, dass der Hygienefaktor Erreichbarkeit von den Kunden als erfüllt wahrgenommen wird. Daher sind diese operativen Standards sehr genau zu definieren und zu überwachen und so die internen Prozesse kontinuierlich zu überprüfen, um Kundenunzufriedenheit zu vermeiden.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

201

5.2.5 Möglichkeiten und Herausforderungen einer Differenzierung der Sollvorgaben nach Kundensegmenten und Anliegen Die bisherigen Ausführungen bezogen sich auf die Definition von für alle Anrufer und ihre mögliche Anliegen geltenden Sollvorgaben. In Teil 3 wurde allerdings als ein Anforderungskriterium an Zufriedenheits-Service Level Standards formuliert, dass diese möglichst spezifisch für Kundensegmente und Anliegen festgelegt werden sollten, um eine dahingehend differenzierte Steuerung des Customer Care Dienstleisters zu ermöglichen. Bevor Möglichkeiten und Herausforderungen einer Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards ausführlich diskutiert werden, soll knapp auf eine relativ pragmatische Möglichkeit verwiesen werden, eine gewisse Differenzierung der Steuerung mittels Zufriedenheits-Service Level Standards vorzunehmen. Diese besteht darin, dass im Rahmen der Kontrolle der Standards bestimmte Kundengruppen bzw. Anliegen mit unterschiedlichen Anteilen in die Stichprobe eingehen oder bei der Berechnung der Ist-Werte berücksichtigt werden können. Der Ist-Wert der Zufriedenheit der höher gewichteten Gruppe wirkt sich dann stärker auf den Ist-Wert des Zufriedenheits-Service Level Standards insgesamt aus. Der Nachteil dieser Vorgehensweise ist, dass möglicherweise relativ schlechte Zufriedenheitswerte in der einen Gruppe durch sehr gute Zufriedenheitswerte in der anderen Gruppe ausgeglichen werden. Es wird keine ausreichend gezielte Steuerung ermöglicht. Dies kann für eine Differenzierung keine ideale Option sein. Daher soll im Folgenden diskutiert werden, inwieweit die Sollvorgaben der Zufriedenheits-Service Level Standards an sich differenziert formuliert werden können. 5.2.5.1 Vorbemerkungen zur Differenzierung der Sollvorgaben nach Kundensegmenten und Anliegen Eine Differenzierung der Sollvorgaben ist dann sinnvoll, wenn das Unternehmen bezüglich spezieller Anrufergruppen (Anrufer aus bestimmten Kundengruppen oder mit bestimmten Anliegen) eine höhere Customer Care Zufriedenheit erreichen oder weil diese gezielter steuern möchte, da diese Gruppen für das Unternehmen eine höhere Bedeutung haben. Eine Differenzierung nach Kundensegmenten und Anliegen wird bei herkömmlichen Customer Care Service Level Standards schon umgesetzt, z.B. durch unterschiedlich lange Wartezeiten für verschiedene Kundengruppen (Menzler-Trott 2000, S. 208).

202

5 Planungsphase

Voraussetzung der Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards nach bestimmten Kriterien ist, dass die differenzierten Zufriedenheits-Service Level Standards immer erhebbar sind. Das heißt, es müssen immer genügend Customer Care Kontakte stattfinden, die den Differenzierungskriterien entsprechen, d.h. ein bestimmtes Anliegen zum Inhalt haben oder von einem bestimmten Kundensegment getätigt werden. Eine Differenzierung ist also nur dann in Betracht zu ziehen, wenn das betroffene Kundensegment/Anliegen einen konstanten Anteil am Anrufaufkommen hat. Damit geht einher, dass die Segmente nicht zu klein sein dürfen, damit noch Zufriedenheitswerte erhoben werden können.50 Dies soll im Weiteren vorausgesetzt werden. Nachstehend wird diskutiert, ob und wie bei Zufriedenheits-Service Level Standards eine sinnvolle Differenzierung für unterschiedliche Kundensegmente bzw. verschiedene Anliegen stattfinden kann. Dabei wird zunächst eine getrennte Betrachtung nach Kundensegment und Anliegen vorgenommen (Kapitel 5.2.5.3 und 5.2.5.4). Danach werden die Kombination beider Kriterien in einer Matrix sowie die Weiterentwicklung zur Differenzierung nach dem Kundenbeziehungs-Lebenszyklus (Kapitel 5.2.5.5) diskutiert. 5.2.5.2 Handlungsspielräume einer Differenzierung der Sollvorgaben nach Kundensegmenten und Anliegen Zunächst sollen mit Blick auf die bisherigen Überlegungen zur Ausgestaltung der Sollvorgaben die relevanten Handlungsspielräume der Differenzierung identifiziert werden, auf denen dann die folgenden Ausführungen basieren. Der wesentliche Handlungsspielraum der Differenzierung ist, je nach Anliegen oder Kundengruppe eine unterschiedliche Höhe der Sollvorgaben festzulegen. Zur Differenzierung des Niveaus der Sollvorgaben soll angemerkt werden, dass auf jeden Fall ein akzeptables „Basisniveau“ der Customer Care Zufriedenheit für alle Anrufergruppen gewährleistet sein sollte. Die Kunden müssen mindestens zufrieden sein, um negative Folgen von Unzufriedenheit im Customer Care Kontakt auf die Gesamtzufriedenheit und Kundenbindung zu vermeiden. Dennoch erscheint es sinnvoll, eine Besserstellung bestimmter Anrufergruppen über ein generell akzeptables Niveau hinaus vorzunehmen (Stauss/Seidel 2007, S. 256f.). Die Differenzierung in diesem

50

Für eine Betrachtung der notwendigen Segmentgröße soll auf den sechsten Tei der Arbeit verwiesen werden, wenn die Betrachtung der notwendigen Stichprobenumfänge erfolgt.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

203

Kontext soll entsprechend als „Differenzierung nach oben hin“ verstanden werden, nicht als bewusste Schlechterstellung spezieller Gruppen. Die eigentliche Festlegung der Höhe der Sollvorgaben orientiert sich dabei an den oben vorgestellten Bestimmungsfaktoren, wobei Kosten- und Wettbewerbsüberlegungen hier als Konstante unterstellt werden. Das heißt, das Sollniveau entsteht durch einen „Aufschlag“ auf die Ausgangsbasis, der aus der Reflektion des Anspruchsniveaus der Kunden und der unternehmerischen Ziele resultiert. Daneben können in Anlehnung an die verschiedenen Spezifikationsoptionen für die Zufriedenheits-Service Level Standards folgende weiteren Handlungsspielräume identifiziert werden. Diese sind relevant, da sie über eine Anpassung des Zufriedenheitsniveaus hinausgehen und eine gezieltere Steuerung der Customer Care Zufriedenheit bestimmter Anrufergruppen erlauben: -

Mittelwert- und/oder Anteilsmethodei i, also ob ein relativ allgemeines Bild der Customer Care Zufriedenheit über alle Kunden ausreicht oder nicht,

-

Zufriedenheits-Mindeststandards und/oder Unzufriedenheits-Höchststandards, d.h. ob auch das Ausmaß der Unzufriedenheit steuerbar gemacht werden soll und

-

Festlegung der Toleranzgrenzen, also wie genau das Zielniveau eingehalten werden muss.

Die Abb. 5-9 fasst die Handlungsspielräume der Differenzierung zusammen. Handlungsspielräume der Differenzierung der Sollvorgaben nach Kundensegment und/oder Anliegen (1) Höhe der Sollvorgaben (2) Weitere Handlungsspielräume (gezieltere Steuerung) - Mittelwert- und/oder Anteilsmethode - Zufriedenheits-Mindest- und/oder UnzufriedenheitsHöchststandards - Festlegung der Toleranzgrenzen Abb. 5-9: Quelle:

Relevante Spezifikationsoptionen für die Differenzierung der Sollvorgaben nach Kundensegment und/oder Anliegen Eigene Darstellung

Nachdem die Handlungsspielräume aufgezeigt wurden, soll im folgenden Kapitel zuerst auf die mögliche Differenzierung der Sollvorgaben der Zufriedenheits-Service Level Standards nach Kundensegmenten eingegangen werden.

204

5 Planungsphase

5.2.5.3 Differenzierung der Sollvorgaben nach dem Kundensegment Eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Kundensegmente findet meist auf Basis des Segmentierungskriteriums „Kundenwert“ statt, wobei Kunden mit höherem Kundenwert besser behandelt werden (Grisaffe 2004). Die Begründung dafür ist, dass die Zufriedenheit wertvoller Kunden wichtiger für das Unternehmen ist, weil diese oft einen Großteil des Umsatzes/Gewinns produzieren bzw. ein hohes Referenzpotential darstellen und damit großen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Übertragen auf den Customer Care Kontext kann davon ausgegangen werden, dass das Unternehmen die wichtigen Kunden im Hinblick auf die Kundenbetreuung besonders zufrieden stellen möchte, um sich speziell deren Loyalität zu sichern. Daher wird der Kundenwert als Segmentierungskriterium herangezogen. 5.2.5.3.1 Priorisierung der Kunden nach dem Kundenwert Eine Segmentierung der Kunden nach deren Wert kann auf verschiedenen Kundenwertgrößen beruhen, u.a. quantitativen Größen wie Umsatz und Deckungsbeitrag oder qualitativen Größen wie Referenzpotential. Die Betrachtung des Kundenwerts kann vergangenheitsorientiert (innerhalb der bisherigen Beziehungsdauer realisierter Kundenwert), periodenbezogen (Kundenwert auf Jahresbasis) oder zukunftsorientiert (innerhalb der erwarteten verbleibenden Beziehungsdauer noch zu realisierender Kundenwert) stattfinden. Dadurch kann eine sehr fein differenzierte Kundensegmentierung stattfinden. Auf diese verschiedenen Möglichkeiten soll hier nicht näher eingegangen werden, sondern es wird vereinfachend von zwei Kundensegmenten ausgegangen.51 -

Kunden mit durchschnittlichem Kundenwert („Account-Kunden“ ) und

-

Kunden mit hohem Kundenwert („Key Account-Kunden“ ).

Anhand dieser einfachen Unterteilung kann die zugrunde liegende Logik gut verdeutlicht werden. Diese duale Differenzierung nach dem Kundenwert wird daher im Folgenden untersucht.

51

Dies ist auch wegen der oben beschriebenen Notwendigkeit sinnvoll, dass das Differenzierungskriterium in allen Customer Care Kontakten ausreichend vertreten sein muss.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

205

5.2.5.3.2 Bestimmung kundenwertspezifischer Sollvorgaben Umsetzungsmöglichkeiten der Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards nach Key Account- und Account-Kunden werden im Folgenden anhand der oben vorgestellten Handlungsspielräume der Differenzierung gezeigt und unten in der Abb. 5-10 zusammengefasst. (1) Höhe der Sollvorgaben als erster Handlungsspielraum der Differenzierung Der Logik der Bevorzugung der wichtigeren Kunden folgend, werden für Key Account-Kunden hohe bzw. höhere Sollvorgaben vereinbart als für die AccountKunden. Mit Blick auf die oben diskutierten Einflussfaktoren der Bestimmung der Sollvorgaben und dabei insbesondere auf den Einflussfaktor „Anforderungen der Kunden“, ist dies gerechtfertigt. Es erscheint plausibel, dass Key Account-Kunden auch ein höheres Anspruchsniveau hinsichtlich der Betreuung durch das Unternehmen, d.h. an die Customer Care Kontakte, haben, selbst wenn dies nicht immer der Fall sein muss, da sie sich ihrer Bedeutung für das Unternehmen bewusst sind. Auch Account-Kunden können sehr hohe Erwartungen haben, allerdings kommen hier einschränkend die Faktoren „kundengerichtete unternehmerische Ziele“ und „aufzuwendende Kosten“ zum Tragen, wodurch folgerichtig den höheren Ansprüchen der Account-Kunden eine geringere Relevanz für das Unternehmen zugestanden wird, so dass diese nicht so stark in die Formulierung der Sollvorgaben eingehen wie die der Key Account-Kunden. Bei der Festlegung der Höhe der Sollvorgaben ist – wie oben beschrieben – die Ausgangsbasis bzw. das Ausgangsniveau zu berücksichtigen. Zeigen Key Account- und Account-Kunden bisher die gleichen Zufriedenheitswerte, trifft die obige Schlussfolgerung zu. Es könnte aber auch sein, dass bei wertvollen Kundensegmenten, die also auch relativ hohe Ansprüche an den Customer Care Kontakt haben, diese regelmäßig nicht vollständig erfüllt werden können, so dass die entsprechenden Basiswerte der Key Account-Kunden geringer als die der Account-Kunden sind. Dies wurde bspw. von einem der in den Expertengesprächen befragten Unternehmen aus dem Telekommunikationssektor für die wertvolleren Geschäftskunden beobachtet, die höhere Anforderungen an das Unternehmen richteten und deren Zufriedenheit niedriger lag als die der Privatkunden (Expertengespräch 5). Das Ausgangsniveau kann sich insgesamt, aber auch hinsichtlich der verschiedenen Leistungsgrößen unterscheiden. Grundsätzlich sind darüber aber keine allgemeingültigen Aussagen möglich, sondern das Ausgangsniveau muss unternehmensspezifisch für die unter-

206

5 Planungsphase

schiedlichen Kundensegmente erhoben werden. Die angestrebten Zufriedenheitswerte sind damit zu relativieren. Es kann nicht lediglich ein höherer Zielwert festgelegt werden, ohne diesen auf seine Realisierbarkeit zu überprüfen. (2) Weitere Handlungsspielräume der Differenzierung Für Key Account-Kunden ist es auch sinnvoll, eine gezieltere Steuerung anzustreben. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Mittelwert- und Anteilsmethode i i erscheint bei Key Account-Kunden die Anteilsmethode sinnvoller. Bei Account-Kunden ist dagegen denkbar, nur einen Mittelwert der Zufriedenheit festzulegen, ohne die Ausprägungen der Zufriedenheit zu berücksichtigen, die Anteilsmethode findet nur eventuell Anwendung. Bei der Entscheidung zwischen ZufriedenheitsMindeststandards und/oder Unzufriedenheits-Höchststandards sollten vor allem bei Key Account-Kunden neben dem Anteil der begeisterten Kunden auch der der unzufriedenen Kunden festgelegt werden. Bei Account-Kunden wird die Unzufriedenheit gar nicht oder auf geringerem Niveau als bei Key Account-Kunden einbezogen. Die Toleranzgrenzen sollten bei Key Account-Kunden enger gefasst werden als bei Account-Kunden. Die Abb. 5-10 fasst die erarbeiteten Vorschläge zur Umsetzung der Differenzierung für Account- und Key Account-Kunden zusammen. Handlungsspielräume der Differenzierung (1) Höhe der Sollvorgaben

Account-Kunden

Key Account-Kunden

ƒ Relativ niedrigere Sollvorgaben

ƒ Relativ höhere Sollvorgaben

(2) Weitere Handlungsspielräume -

Mittelwert- und/oder Anteilsmethode

ƒ Mittelwertmethode, evtl. Anteilsmethode

ƒ Anteilsmethode

-

Zufriedenheits-Mindest- und/oder Unzufriedenheits-Höchststandards

ƒ Nur ZufriedenheitsMindeststandards

ƒ Beides

-

Festlegung der Toleranzgrenzen

ƒ Breite Toleranzgrenzen

ƒ Enge Toleranzgrenzen

Abb. 5-10:

Umsetzung der Differenzierung der Sollvorgaben nach Key Account- und AccountKunden

Quelle:

Eigene Darstellung

Die nach Kundensegment differenzierten Sollvorgaben können für jede einzelne Leistungsgröße unterschiedlich festgelegt werden. Voraussetzung dafür sind Informationen zu den Bestimmungsfaktoren für die einzelnen Kundensegmente.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

207

5.2.5.3.3 Bewertung der Differenzierung der Sollvorgaben nach dem Kundenwert Mit der Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards für Kundensegmente unterschiedlichen Kundenwerts sind verschiedene Herausforderungen verbunden. Eine grundsätzliche Herausforderung besteht darin, für die Segmente sinnvolle Sollvorgaben abzuleiten. Dies stellt große Anforderungen an die zu erhebenden Daten, die für die Bestimmungsfaktoren zusammenzutragen sind. Eine große Herausforderung für die Differenzierung nach Kundenwert ist weiterhin dessen Berechnung. Auch wenn in der wissenschaftlichen Literatur schon ausgefeilte Modelle zur Berechnung eines – auch zukunftsorientierten – Kundenwerts existieren (Gupta et al. 2006), bestehen in der praktischen Umsetzung noch Probleme. Erstens muss sich das Unternehmen für eine plausibel definierte Kundenwertgröße entscheiden. Zweitens müssen für die Berechnung des Kundenwerts im Unternehmen bestimmte Daten vorliegen. Gerade bei Unternehmen mit relativ anonymen Kunden (z.B. keine Vertragskunden) liegen oft nicht genügend Daten vor, um einen reellen Kundenwert zu berechnen. Drittens, auch wenn der Großteil der Daten vorliegt, ist die Quantifizierung des Kundenwerts, insbesondere die Berücksichtigung zukünftiger Einnahmen und Ausgaben, nicht trivial. Sinnvollerweise kann der Customer Care Dienstleister auf bestehende Kundenwertberechnungen im Unternehmen zurückgreifen. Wenn in einem Unternehmen schon ein relativ ausgefeiltes Kundenmanagement stattfindet, das sich am Kundenwert orientiert, ist die Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards nach Kundenwert eine Chance. Herausforderungen bestehen auch in der Umsetzung im Tagesgeschäft durch den Customer Care Dienstleister. Theoretisch müssten dem Dienstleister schon bei Anrufeingang im Center Daten zum Kundenwert des Anrufers zur Verfügung gestellt werden. Dazu muss aber nicht nur ein aktueller Kundewert berechnet und in der Kundendatenbank gespeichert sein, sondern der Kunde muss auch beim Anruf als Mitglied eines bestimmten Kundewertsegments identifiziert werden können. Je nach Ausstattung des Customer Care Centers sind unterschiedliche Möglichkeiten der Identifikation der Kunden denkbar: - Vergleich der beim Telefonat übertragenen Rufnummer mit den in der Kundendatenbank hinterlegten Rufnummern: Der Anteil der so identifizierbaren Kunden ist allerdings insbesondere dadurch beschränkt, dass Privatkunden in Deutschland ihre Rufnummer nicht übertragen lassen können und/oder wollen, und wird auf nur 20% geschätzt (Piening 2006).

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5 Planungsphase

- Eingabe der Kundennummer durch den Kunden im Dialog mit einer IVR-Anlage, z.B. im Rahmen der Warteschlange. - Abfrage der Kundendaten durch den Agent zu Beginn des Gesprächs. - Kommunikation einer kundensegmentspezifischen Telefonnummer an die Kunden: Allerdings wurde im Merchants-Report 2006 festgestellt, dass derzeit mehr als ein Viertel aller Unternehmen keine Kundenidentifizierung vornimmt (o.V. 2006a). Zudem versuchen Customer Care Center zunehmend, den Kunden die Kontaktaufnahme zu erleichtern, indem auf eine einzige Rufnummer für alle Kunden umgestellt wird. Der Anteil der Customer Care Center mit nur einer einheitlichen Servicenummer stieg laut dem Merchants Global Contact Centre Report 2006 von 22% im Jahr 2005 auf 36% im Jahr 2006 (o.V. 2006a). Dies erschwert die Identifikation der Kunden. Die Differenzierung nach Kundengruppen kann über die duale Differenzierung hinaus verfeinert werden, indem eine stärkere Kundensegmentierung durchgeführt wird. Dies ist aber in verstärktem Maß mit den genannten Herausforderungen verbunden. Im nächsten Kapitel soll die Differenzierung der Sollvorgaben der ZufriedenheitsService Level Standards nach den Anliegen der Kunden diskutiert werden. 5.2.5.4 Differenzierung der Sollvorgaben nach dem Anliegen Im Folgenden wird die Möglichkeit zur Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards nach Anliegen diskutiert. Dabei wird wieder davon ausgegangen, dass es aus Unternehmenssicht wichtige Anliegen gibt, bei denen das Unternehmen das Erreichen eine vergleichsweise höhere Customer Care Zufriedenheit als relevantes Ziel ansieht oder diese gezielter steuern möchte. 5.2.5.4.1 Priorisierung der Anliegen aus Unternehmenssicht nach dem Anliegenwert Zur Vereinfachung soll auch hier zunächst in zwei Gruppen von Anliegen unterteilt und eine duale Differenzierung diskutiert werden: -

Wichtige Anliegen (Very Important Requests, VIR-Anrufe) und

-

normale Anliegen.

Fraglich ist, wie eine Priorisierung der in Teil 2 identifizierten Anliegen erfolgen kann. In Teil 2 wurden Kundenanliegen an Customer Care in folgende allgemeine

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

209

Anliegenkategorien eingeordnet: Informationsabfrage, Auftragsabgabe, Feedbackäußerung und Sofort-Support-Anforderung. Anliegen sind für das Unternehmen dann wichtig, wenn aus ihnen großer Nutzen für das Unternehmen erwächst (Nutzensicht) bzw. wenn aus ihrer unzureichenden Bearbeitung große Risiken entstehen (Schadenssicht). Der Anliegenwert aus Unternehmenssicht ist aber nur sehr schwer zu operationalisieren. Er kann auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden: 1. Beim Kontakt generierten Umsatz. Eine Informationsabfrage ist von geringerer Wichtigkeit, da sie zwar ein zukünftiges Geschäft sichern kann, dessen Eintritt aber unsicher ist und da beim Kontakt selbst kein Geschäft abgeschlossen wird. Wichtiger sind in diesem Zusammenhang Bestellungen (Kategorie Auftragsannahme). Beschwerden sind dabei weniger wichtig und die Bedeutung von Supportleistungen ist abhängig vom jeweiligen Entgelt. 2. Bedeutung für die Beziehung zum Unternehmen und damit für einen möglichen zukünftigen Umsatz:52 Eine angemessene Bearbeitung von Beschwerden, Bestellungen und Supportanfragen ist häufig Voraussetzung für zukünftige Geschäfte. Insbesondere Beschwerden können als wesentlich für den Verbleib in der Beziehung zum Unternehmen angesehen werden, da Beschwerdekunden sich in einer Gefährdungsphase in der Beziehung zum Unternehmen befinden (Stauss 2006b; Stauss/Seidel 2007, S. 30). Daher riskiert das Unternehmen durch unzureichend abgewickelte Beschwerden die Abwanderung, während eine zur vollkommenen Zufriedenheit bearbeitete Beschwerde Kunden stärker an das Unternehmen binden kann. Zudem droht bei unzureichender Bearbeitung neben der Abwanderung des Kunden auch negative Kommunikation im Bekannten- und Freundeskreis bzw. sogar in Medien wie dem Internet. Eine ausgezeichnete Bearbeitung kann auf der anderen Seite zu einer erhöhten Loyalität des Kunden führen. Beschwerden sind daher sehr geschäftsbeziehungsrelevante Anliegen. Zwar kann auch ein Anliegen wie die Informationsabfrage den Ausschlag zum Tätigen eines zukünftigen Geschäfts geben, dies ist jedoch sehr unsicher. 3. Nutzen für die Inanspruchnahme der Kernleistung des Unternehmens: Fragen aktuelle Kunden Informationen zur Nutzung der Kernleistung nach (Kategorie Informationsdienst), so können diese wesentlich für die Fortführung der Produkt-

52

Hier besteht eine Überschneidung mit dem schon diskutierten Segmentierungskriterium „Kundenwert“.

210

5 Planungsphase

nutzung sein. Dies gilt noch stärker für Bestellungen, Supportleistungen und Feedback. 4. Im Gespräch generierte Informationen: Angaben von Kunden zu Kundendatenänderungen oder Kundenstatusänderungen sind für das Unternehmen wesentlich und unbedingt zu erfassen, um die Kundendaten konsistent zu halten und/oder sich rechtlich abzusichern. Weitere Informationen, wie Probleminformationen aus Beschwerden, sind ebenso wichtig für das Unternehmen. Im Gegensatz zur Priorisierung der Kundensegmente nach deren Wert ist es schwierig, für die verschiedenen Anliegen eine eindeutige Rangfolge aus Unternehmenssicht aufzustellen; es sind aber Tendenzaussagen möglich: -

Beschwerden (als eine Form der Feedbackäußerung) erfüllen mehrere Kriterien der Relevanz und sind daher für Unternehmen von großer Bedeutung.

-

Informationsabfragen können tendenziell zu den weniger wichtigen Anliegen gezählt werden.

-

Sofort-Support-Anforderungen und Auftragsabgabe sind nicht eindeutig einzuordnen und können sowohl wichtige als auch weniger wichtige Anliegen sein.

Dies deutet schon auf das Problem hin, dass die Priorisierung nach dem Anliegenwert unternehmensspezifisch unterschiedlich ist, denn sie hängt auch von den mit Customer Care verbundenen Zielen des Unternehmens ab. Sollen Customer Care Anstrengungen stärker auf die Erhaltung des Umsatzes fokussiert werden, sind Bestellungen wichtigere Anliegen. Wird demgegenüber die Gewinnung neuer Kunden als Hauptziel formuliert, wird die Beratung von Interessenten vorrangig sein. Zusammenfassend gilt, dass keine eindeutigen und allgemeingültigen Aussagen zur Priorisierung der Anliegen nach deren Wert für das Unternehmen getroffen werden können. Aus den bisherigen Ausführungen ergeben sich aber tendenzielle Hinweise auf eine Rangreihung. Diese sind unternehmensspezifisch zu überprüfen. 5.2.5.4.2 Bestimmung anliegenspezifischer Sollvorgaben Bei der Bestimmung anliegenspezifischer Sollvorgaben wird analog zum obigen Vorgehen nach den Handlungsspielräumen der Differenzierung unterteilt: 1) Höhe der Sollvorgaben und 2) weitere Handlunggspielräume.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

211

(1) Höhe der Sollvorgaben als erster Handlungsspielraum der Differenzierung Zurückgreifend auf die oben dargestellte Logik, würden abhängig von Anliegenwert relativ höhere Sollvorgaben für wichtige Anliegen formuliert. Allerdings greift die Betrachtung des Anliegenwerts zu kurz. Es muss darüber hinaus auf die Unterscheidung der Anliegenkategorien aus Teil 2 eingegangen werden, da davon auszugehen ist, dass bei den verschiedenen Kategorien auch unterschiedliche Ausgangsniveaus und Kundenansprüche vorliegen. Zwar sind keine allgemeingültigen Aussagen zum Ausgangs- und Anspruchsniveau für die verschiedenen Anliegenkategorien möglich. Aber im Folgenden wird gezeigt, dass bei verschiedenen Anliegenkategorien sowohl Ausgangs- als auch Anspruchsniveau der Kunden unterschiedlich sein können. Dies macht die Erfassung der spezifischen Ausgangs- und Anspruchsniveaus notwendig. Das Ausgangsniveau kann sich abhängig von der Anliegenkategorie unterschiedlich ergeben: So ist auf Beschwerden in der Kategorie Feedbackäußerung zu verweisen, bei denen aufgrund der schon vorherigen Unzufriedenheit die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass geringere Ausgangswerte der Zufriedenheit bestehen. Diesbezügliche Aussagen sind für die Kategorien Informationsabfrage, SofortSupport-Anforderung und Auftragsabgabe aber schwer zu treffen. Hinsichtlich des Anspruchsniveaus der Kunden ist grundsätzlich davon auszugehen, dass alle Kategorien von Anliegen, die Kunden an das Customer Care Center richten, für die Kunden „subjektiv“ wichtig sind. Sonst würden sie nicht den Aufwand des Anrufs im Customer Care Center in Kauf nehmen. Im Hinblick auf ZufriedenheitsService Level Standards ist daraus zu schließen, dass zumindest ein Basisniveau an Zufriedenheit daher für alle Anliegen anzustreben ist. Es ist aber eine Reihe von Einflüssen denkbar, die zu erhöhten Anspruchsniveaus führen können. Erstens kann das Anspruchsniveau von der Person des Kunden beeinflusst werden: -

Aus der persönlichen Situation des Kunden kann sich eine besondere Bedeutung bestimmter Anliegen ergeben. Hierzu sind zwar kaum eindeutige Aussagen zu treffen, da die spezifischen Situationen der Kunden sehr unterschiedlich sind. Dies führt dazu, dass persönliche und situationsspezifische Aspekte schwer in den Standards berücksichtigt werden können. Dennoch können bestimmte Situationen als grundsätzlich wichtig charakterisiert werden, etwa wenn die Lösung in

212

5 Planungsphase

Notfallsituationen dringend ist oder bei gravierenden Beschwerden. Ist die Situation der Inanspruchnahme des Customer Care Centers für den Kunden wichtig, können auch eigentlich einfache Anliegen eine besondere Bedeutung erlangen: Beispielsweise können die oft weniger wichtigen Informationsanfragen eine höhere Bedeutung für den Kunden haben, wenn in der spezifischen Situation die auf der Information basierende Entscheidung mehrere ihm wichtige Personen und nicht nur ihn selbst betrifft (z.B. Informationen für eine Entscheidung bezüglich des Hotelaufenthalts bei einer Urlaubsreise mit der ganzen Familie oder der Hochzeitsreise vs. bezüglich des eigenen Hotelaufenthalts). -

Auch kann hohes Involvement des Kunden bei speziellen Anliegen mit einem erhöhten Anspruchsniveau einhergehen: Eine besondere Herausforderung für Customer Care Center stellen z.B. Beschwerden dar. Aus Kundensicht ist eine Beschwerde in der Regel mit einem höheren Involvement des Kunden und damit einer erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber dem Customer Care Kontakt und höheren Erwartungen an diesen verbunden.

Zweitens hängt das Anspruchsniveau von der Kernleistung/Branche ab. Da Customer Care eine Zusatzleistung zur Kernleistung eines Unternehmens darstellt, sollte auch die Kernleistung, auf die sich das Anliegen bezieht bzw. die Branche in der das Unternehmen tätig ist, Berücksichtigung finden. Hinsichtlich bestimmter Kernleistungen/Branchen kann das Anspruchsniveau hinsichtlich Customer Care insgesamt höher sein. -

Das Anspruchsniveau erhöht sich, wenn die Kernleistung relativ hochpreisig ist. Im Sinne eines ausgewogenen Preis-Leistungsverhältnisses, wird ein hoher Preis das akzeptable Leistungsniveau der Kernleistung erhöhen, dies wird sich aber auch auf das Anspruchsniveau hinsichtlich der Kundenbetreuung auswirken (Zeithaml/Berry/Parasuraman 1993, S. 6; Expertengespräch 11).

-

Ein höheres Anspruchsniveau kann auch bei komplexen Leistungen bestehen, da Kunden hier für die Nutzung der Kernleistung stärker auf die Informationen bzw. die Betreuung durch das Customer Care Center angewiesen sind.

Verbindet man die gerade erfolgte Betrachtung, ist ein Zusammenhang zwischen dem Anspruchsniveau der Kunden und der Priorisierung nach dem Anliegenwert aus Unternehmenssicht ersichtlich. Sieht man von den sehr spezifischen und schwer fassbaren persönlich-situativen Einflussfaktoren ab (die z.B. das Anspruchsniveau in Bezug auf eine Informationsanfrage erhöhen können), kann folgende Tendenz festgestellt werden:

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

213

Mit den vorher als wichtig definierten Anliegen verbinden Kunden oft ein höheres Anspruchsniveau (v.a. Beschwerden). Hier sollten also höhere Sollwerte festgelegt werden. Allerdings muss dabei trotzdem die Ausgangsbasis einbezogen werden. Im Falle von Beschwerden, bei denen ein hoher Anliegenwert aus Unternehmenssicht und ein hohes Anspruchsniveau, aber ein niedriges Ausgangsniveau besteht, muss entsprechend ein relativ hoher Aufschlag auf die Ausgangsbasis erfolgen. Der absolute Zielwert ist aber möglicherweise aufgrund der niedrigeren Ausgangsbasis nicht sehr hoch. Zusammenfassend gilt, dass für die Festlegung eines angemessenen Sollniveaus nicht auf allgemeine Aussagen über die Höhe der Sollvorgaben bei unterschiedlichen Anliegen zurückgegriffen werden kann, aufgrund der vielfältigen Einflussmöglichkeiten, die sich auch gegenseitig widersprechen. Daher wird empfohlen, Ausgangsniveaus und Anspruchsniveaus sowie die Anliegenwerte zu erheben. Eine Erfassung der Anspruchsniveaus kann in Kundenbefragungen erfolgen, indem bei der Ermittlung der Bedeutung der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit für die Kunden nach einzelnen Anliegen ausgewertet wird. (2) Weitere Handlungsspielräume der Differenzierung Neben der Höhe der Sollvorgaben wurden weitere Handlungsspielräume der Differenzierung vorgestellt: Mittelwert- vs. Anteilsmethode, Zufriedenheits-Mindest- vs. Unzufriedenheits-Höchststandards und Festlegung der Toleranzgrenzen. Analog zu den obigen Ausführungen zum Kundenwert gilt, dass für wichtigere Anliegen eine gezieltere Steuerung anzustreben ist, indem die Anteilsmethode verwendet wird und engere Toleranzgrenzen formuliert werden. Auch die Verwendung von Unzufriedenheits-Höchststandards ist bei wichtigeren Anliegen sinnvoll, um Unzufriedenheit dort zu vermeiden. Aber auch hier ist die Anliegenkategorie zu berücksichtigen, da sich daraus weitere wertvolle Informationen ergeben. Am Beispiel der Beschwerden kann dies gezeigt werden. Beschwerdeführer sollten möglichst begeistert werden, da daraus eine höhere Kundenzufriedenheit und auch bindung resultiert (Servicebarometer 2006). Gleichzeitig ist aber ihre Enttäuschung zu vermeiden, da diese zu starken gegenteiligen Effekten führen kann (Stauss/Seidel 2007, S. 74ff.). Für Beschwerden ist es daher anzustreben, die Anteilsmethode zu verwenden und dabei sowohl Zufriedenheits-Mindeststandards als auch Unzufrie-

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5 Planungsphase

denheits-Höchststandards zu formulieren. Für die Umsetzung der Differenzierung soll auf die Abb. 5-10 verwiesen werden. Abschließend soll auch hier auf die Möglichkeit zur Festlegung der nach Anliegen differenzierten Sollvorhaben für alle Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit eingegangen werden. Analog zur kundensegmentspezifischen Differenzierung können durch die Berücksichtigung der spezifischen Ausgangs- und Anspruchsniveaus differenzierte Sollvorgaben für jede einzelne Leistungsgröße formuliert werden. Gerade hinsichtlich der Anspruchsniveaus bei unterschiedlichen Leistungsgrößen ist denkbar, dass sich diese bei verschiedenen Anliegen unterscheiden. Hier sind die oben angesprochenen Faktoren relevant: Erstens ist die Situation/Dringlichkeit des Anliegens zu betrachten. Kunden in Notfällen sind möglicherweise insbesondere an der Erreichbarkeit und der sofortigen Problemlösung interessiert und machen dafür Abstriche hinsichtlich der Freundlichkeit des Customer Care Center Mitarbeiters. Zweitens spielt die Kernleistung/Branche eine Rolle: Kunden, die sich wegen einer Beratung für ein komplexes Produkt an das Customer Care Center wenden, wissen es eventuell zu schätzen, wenn sich der Mitarbeiter Zeit für das Gespräch nimmt und genügend Fachkompetenz für die Beratung einbringt, erwarten aber keine so hohe Erreichbarkeit. Auch die Branche der dem Anliegen zugrunde liegenden Kernleistung kann zu einer Betonung der Bedeutung einzelner Dimensionen führen. So zeigt bspw. eine Fallstudie über die Sixt Autovermietung, dass dort die Erreichbarkeit (Servicelevel) extrem wichtig ist (Thieme/Steffen 1999, S. 228-229). Voraussetzung einer solchen Differenzierung ist, dass Informationen zu den Ausgangsniveaus der Zufriedenheit mit der Leistung und zur Bedeutung auf Ebene der Dimensionen vorliegen bzw. erhoben werden. 5.2.5.4.3 Bewertung der Differenzierung der Sollvorgaben nach dem Anliegen Die Bewertung der Differenzierung nach dem Anliegen lautet ähnlich zu der für die Differenzierung nach Kundensegmenten. So bestehen große Anforderungen an die vorliegenden Daten auf Basis derer die differenzierten Sollvorgaben festgelegt werden. Eine Herausforderung besteht weiterhin in der Rangreihung der Anliegen. Zwar wurde gezeigt, dass eine allgemeine Priorisierung der Anliegen nach Anliegenwert vorgenommen und zunächst herangezogen werden kann, aber dennoch sollte diese Priorisierung unternehmensspezifisch

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

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festgelegt werden. Zudem ist die Anliegenkategorie einzubeziehen. Dies ist aufgrund der vielfältigen situativen und persönlichen Einflüsse aber sehr komplex. Als schwierig ist auch hier die praktische Umsetzung zu bewerten. Voraussetzung ist die Identifikation der Anliegen der Anrufer beim Customer Care Kontakt. Dazu ist einerseits zu bemerken, dass – im Gegensatz zum Kundenwert – spätestens im Gespräch klar wird, um welches Anliegen es sich handelt. Abhängig von der Ausstattung des Customer Care Centers, kann im Idealfall das Anliegen schon vor der Begrüßung identifiziert werden, z.B. wenn es eine anliegenspezifische Telefonnummer gibt oder der Kunde sein Anliegen in der IVR-Anlage angibt. Allerdings bestehen auch hier Probleme. Erstens bieten relativ viele Customer Care Center einheitliche Servicenummern an, wie oben schon angesprochen wurde. Eine Identifikation des Anliegens über die angerufene Nummer ist dann nicht möglich. Zweitens halten sich Kunden auch beim Angebot verschiedener Rufnummern nicht unbedingt an die vorgeschriebenen Nummern, sondern wählen einfach eine ihnen bekannte Rufnummer. Drittens muss man damit rechnen, dass Kunden mit einem einzigen Anruf verschiedene Anliegen klären wollen. Wie bei der Differenzierung nach Kundensegmenten gilt auch hier, dass die Differenzierung nach Anliegen verfeinert werden kann, indem mehr Anliegengruppen unterschieden werden, wobei dies aber die genannten Herausforderungen erhöht. Der Differenzierung nach Anliegen sind daher Grenzen gesetzt. Dennoch ist die Unterscheidung in weniger wichtige und wichtige Anliegen für die Steuerung des Customer Care Dienstleisters relevant, so dass diese Differenzierung so weit wie möglich umgesetzt werden sollte. Bisher wurden die Differenzierungskriterien „Kundensegment“ und „Anliegen“ getrennt betrachtet. Im Folgenden werden Möglichkeiten der Kombination diskutiert. 5.2.5.5 Differenzierung der Sollvorgaben nach Anliegen und Kundensegment Jeder Customer Care Kontakt zeichnet sich durch eine Kombination von Anliegen und Kunde aus: Ein Anrufer, der einem gewissen Kundensegment zugehörig ist, wendet sich mit einem bestimmten Anliegen an das Customer Care Center. Um die Customer Care Kontakte dahingehend steuern zu können, ist zu diskutieren, inwieweit die Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards nach Kundensegment und die nach Anliegen kombiniert werden können.

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5 Planungsphase

5.2.5.5.1 Kombination von Kundensegment- und Anliegendifferenzierung in einer Matrix (1) Bestimmung der Sollvorgaben in der Matrix aus Kundenwert und Anliegen Wenn die bisher erarbeiteten Empfehlungen zur Differenzierung nach Kundensegmenten und nach Anliegen kombiniert werden, entsteht die in Abb. 5-11 dargestellte Matrix. Differenzierung nach Anliegen Normale Anliegen

Differenzierung nach Kundenwert

Ausgestaltung der Handlungsspielräume der Differenzierung

AccountKunden

Key AccountKunden

ƒ Moderate Zielwerte ƒ v.a. Mittelwertmethode ƒ v.a. ZufriedenheitsMindesstandards ƒ Breitere Toleranzgrenzen ƒ Höhere Zielwerte ƒ Anteilsmethode ƒ Auch UnzufriedenheitsHöchststandards ƒ Engere Toleranzgrenzen

Wichtige Anliegen

ƒ Moderate Zielwerte ƒ v.a. Mittelwertmethode ƒ v.a. ZufriedenheitsMindesstandards ƒ Breitere Toleranzgrenzen

Verwendung der normalen Sollvorgaben

ƒ Höhere Zielwerte ƒ Anteilsmethode ƒ Auch UnzufriedenheitsHöchststandards ƒ Engere Toleranzgrenzen

Verwendung der normalen Sollvorgaben

II

I

Verwendung der Sollvorgaben für die wichtigen Kunden

Verwendung der spezifischen Sollvorgaben, ggf. weitere Erhöhung

III

Abb. 5-11: Quelle:

IV

Matrix zur Kombination der Differenzierung nach Anliegen und Kundengruppen Eigene Darstellung

In dieser Matrix ergeben sich vier Felder mit jeweils unterschiedlichen Handlungsempfehlungen. Wenn es sich um eine Kombination aus Account-Kunden und normalen Anliegen bzw. wichtigen Kunden und wichtigen Anliegen handelt, stimmen die bisher erarbeiteten Empfehlungen zur Differenzierung von Anliegen und Kundenwert überein (Fall I und IV). Für diese Fälle ist es einfacher, Handlungsempfehlungen abzuleiten: -

Im Fall I (Account-Kunden und normale Anliegen) können die Sollvorgaben beibehalten werden.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

-

217

Im Fall IV (Key Account-Kunden und wichtige Anliegen) sollten die Sollvorgaben und die Empfehlungen hinsichtlich der weiteren Handlungsspielräume (Mittelwert-i oder Anteilsmethodei, Zufriedenheits-Mindeststandards und/oder Unzufriedenheits-Höchststandards, Toleranzgrenzen) mindestens auf dem kundensegment- oder anliegenspezifischen Niveau liegen. Denkbar ist hier aufgrund des Zusammentreffens auch eine Potenzierung der Empfehlungen. Dann würden höhere Zufriedenheitswerte, geringere Unzufriedenheitswerte und engere Toleranzgrenzen festgelegt.

Wenn es sich um eine Kombination aus wichtigen Kunden und normalen Anliegen oder Account-Kunden und wichtigen Anliegen handelt, stimmen die Empfehlungen nicht überein (Fälle II und III). Dann ist es schwieriger, Handlungsempfehlungen abzuleiten und es muss entschieden werden, welchem Kriterium der Vorzug gegeben wird. -

Im Fall III (Key Account-Kunden und normale Anliegen) ist stärker die Zugehörigkeit zum Kundensegment als das Anliegen zu berücksichtigen. Es kann davon ausgegangen werden, dass wichtige Kunden einen höheren Qualitätsanspruch haben, unabhängig davon, mit welchen Anliegen sie sich an das Customer Care Center wenden. Zudem ist es gängig, dass sich derselbe Kunde im Laufe der Beziehung zum Unternehmen wegen verschiedener Anliegen an das Customer Care Center wendet und dann gerade wichtige Kunden unabhängig von ihrem Anliegen eine durchgängig überdurchschnittliche bzw. besonders zuvorkommende Behandlung erwarten. In dem Fall sollten auch bei normalen Anliegen die „höheren“ Differenzierungsempfehlungen für die wichtigen Kunden übernommen werden, um gerade die wertvollen Kunden keinesfalls zu verärgern.

-

Im Fall II (Account-Kunden und wichtige Anliegen) können die Differenzierungsempfehlungen der wichtigen Anliegen etwas nach unten korrigiert werden, hin zu den Differenzierungsempfehlungen für Account-Kunden.

Diese Matrix und die daraus resultierenden Differenzierungsempfehlungen können verfeinert werden, indem mehr als zwei Kundensegmente bzw. Anliegengruppen unterschieden werden. In diesem Zusammenhang resultiert für die Weiterentwicklung der Steuerung eine wesentliche Erkenntnis. Um die Differenzierung nach Kundenwert und Anliegen vornehmen zu können, bietet es sich an, zunächst ein Kriterium feiner zu differenzieren, indem z.B. mehr als zwei Kundensegmente unterschieden werden, und für das andere Kriterium die beschriebene duale Differenzierung, z.B. besondere Sollvorgaben für wichtige Anliegen, beizubehalten.

218

5 Planungsphase

(2) Bewertung der Kombination von Anliegen und Kundenwert bei der Differenzierung Die matrixartige Kombination von Kundengruppen und Anliegen bietet Ansatzpunkte, die Differenzierung von Anliegen und Kundenwert zu kombinieren und erscheint daher sinnvoll. Allerdings ist sie relativ komplex. Der Aufwand für eine so ausdifferenzierte Vereinbarung und Messung der Zufriedenheits-Service Level Standards ist hoch, wodurch die Wirtschaftlichkeit des Konzeptes in Frage gestellt wird. Zudem potenzieren sich hier die schon oben angesprochenen Probleme der praktischen Umsetzung (Berechnung des Kundenwerts, Rangreihung der Anliegen usw.) sowie die der Umsetzung im Tagesgeschäft (v.a. Identifizierung der Anliegen/Kunden beim Anruf im Customer Care Center). Es ist daher fraglich, ob bei Gesprächseingang jeweils ersichtlich ist, in welches Feld der Matrix das Gespräch einzuordnen ist und welcher Zielwert dann gilt. Diese Situation ist unter dem Gesichtspunkt der Anforderungskriterien „Transparenz und Eindeutigkeit“ sowie „Realisierbarkeit“ wenig optimal. Die Kombination der Differenzierung nach Anliegen und Kundenwert in einer Matrix ist entsprechend anspruchsvoll in der Umsetzung und von einer Reihe von Voraussetzungen abhängig. Auch wenn die matrixartige Kombination nicht in letzter Konsequenz umgesetzt werden kann, soll sie als Aufforderung verstanden werden, zumindest in den Fällen, in denen es sich um wichtige Kundensegmente handelt, die zugleich wichtige Anliegen haben, eine Differenzierung nach oben vorzunehmen. Bei den Ausführungen zu der Differenzierung nach Kundenwert oder Anliegen wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, diese jeweils zu verfeinern, indem mehr Kunden-/Anliegengruppen unterschieden werden. In der Kombination beider Kriterien erscheint diese Verfeinerung der Differenzierung zwar interessant, ist aber aufgrund der oben beschriebenen Herausforderungen bislang nur eingeschränkt praxistauglich. Als Zwischenschritt ist denkbar, die Differenzierung zunächst nur nach einem der beiden Kriterien zu verfeinern, z.B. indem verschiedene Sollvorgaben für mehrere Kundengruppen formuliert werden, und gleichzeitig für das andere Kriterium lediglich die duale Differenzierung heranzuziehen, z.B. die Unterscheidung von wichtigen vs. normalen Anliegen. Abschließend soll mit dem Kundenbeziehungs-Lebenszyklus ein Konzept herangezogen werden, das sowohl Anliegen als auch Kundenwert beinhaltet und eine Perspektive für die Kombination darstellen kann.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

219

5.2.5.5.2 Kombination der Differenzierung der Sollvorgaben nach Anliegen und Kundenwert im Kundenbeziehungs-Lebenszyklus (1) Bestimmung der Sollvorgaben nach dem Kundenbeziehungs-Lebenszyklus Der generische Kundenbeziehungs-Lebenszyklus wurde von Stauss (2006b) entwickelt und stellt den idealtypischen zeitlichen Verlauf einer Geschäftsbeziehung dar. Die Entwicklung der Beziehungsintensität prägt den Verlauf des Zyklus. Stauss unterscheidet darin verschiedene Kundengruppen: Interessenten (potentielle Kunden), Neukunden, Stammkunden, Beschwerdeführer, Abwanderer (aktuelle Kunden) sowie Kündiger und Ex-Kunden (verlorene Kunden). Unternehmen verfolgen gegenüber diesen verschiedenen Kundensegmenten unterschiedliche Ziele (z.B. Stabilisierung der Geschäftsbeziehung gegenüber einem Beschwerdekunden oder Anbahnung neuer Geschäftsbeziehung gegenüber Interessenten) und verbinden daher mit diesen Segmenten verschiedene Managementaufgaben. Eine Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards nach dem Kundenbeziehungs-Lebenszyklus basiert auf der Zugehörigkeit des Anrufers zu den verschiedenen Phasen im Kundenbeziehungs-Lebenszyklus. Sie erscheint aus folgenden Gründen relevant: Customer Care Center sind zum einen über den gesamten KundenbeziehungsLebenszyklus hinweg eine Anlaufstelle für Kunden (Schrick 2006, S. 3; Stauss/Seidel 2007, S. 36). Zum anderen verbindet der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus sowohl Gedanken der Differenzierung nach Anliegen als auch nach Kundenwert: -

Die Anliegen von Kunden unterscheiden sich entlang des KundenbeziehungsLebenszyklus (Schrick 2006). Interessenten sind vor allem an Informationen zu Produkten und Leistungen des Unternehmens interessiert (Informationsabfrage), während Stammkunden hauptsächlich Aufträge aufgeben oder sich mit Feedback an das Unternehmen wenden. Auch die Ansprüche der Kunden in den Phasen des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus sind unterschiedlich.

-

Auch die Beurteilung des Kundenwerts ist im Kundenbeziehungs-Lebenszyklus enthalten, da als Indikator der Beziehungsintensität der Kundenwert herangezogen wird (Stauss (2006b). Kunden haben entlang des KundenbeziehungsLebenszyklus einen unterschiedlichen Wert für das Unternehmen.

Hier kann nicht im Detail auf die Sollvorgaben für die einzelnen Phasen des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus eingegangen werden, da diese unternehmensspezi-

220

5 Planungsphase

fisch sehr unterschiedlich sein können. Dennoch sollen hier – analog zur obigen Diskussion – wesentliche Faktoren genannt werden: -

Erstens sind die Phasen mit dem höchsten Kundenwert wichtig. In den Anfangsphasen des Lebenszyklus ist der Kundenwert zwar geringer, aber sofern die Kunden ein hohes Kundenwert-Potential für spätere Phasen aufweisen, sind auch diese Phasen relevant.

-

Zweitens sind Phasen wichtig, die im momentanen Fokus der kundengerichteten Unternehmensstrategie stehen (z.B. Anbahnungsphase bei dem Ziel der Gewinnung von Neukunden oder Kündigungsphase bei dem Ziel der Verhinderung von Kündigungen). Drittens sind die im Laufe des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus immer wieder auftretenden Gefährdungsphasen wichtig, da dann Kundenabwanderung verhindert werden muss.

(2) Bewertung der Differenzierung nach dem Kundenbeziehungs-Lebenszyklus Mit der Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards nach der Phase im Kundenbeziehungs-Lebenszyklus sind verschiedene Herausforderungen verbunden, die bisher in den meisten Unternehmen noch eine Einführung verhindern dürften: Im Gegensatz zur von Einteilung von Anrufen nach Anliegenkategorien und Kunden in Kundensegmente, ist nicht immer ermittelbar, in welcher Phase des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus Kunden sich befinden (Stauss 2006b). Dies ist aber Voraussetzung der Differenzierung nach der Phase im KundenbeziehungsLebenszyklus. Darüber hinaus ergeben sich die bereits beschriebenen Herausforderungen für die Identifikation der Zugehörigkeit des Anrufers zu einem bestimmten Segment während des Anrufs. 5.2.5.6 Zwischenfazit zur Differenzierung der Sollvorgaben Zusammenfassend gilt für die Möglichkeiten und Herausforderungen der Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards nach Kundenwert und/oder Anliegen Folgendes: Eine Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards nach Anliegen oder Kundenwert ist auf jeden Fall sinnvoll und es soll empfohlen werden, zumindest eine der beiden Differenzierungsmöglichkeiten durchzuführen. Voraussetzung dafür ist, dass die entsprechend charakterisierten Customer Care Kontakte dauerhaft und in einem ausreichenden Anteil am Gesamtanrufaufkommen vorliegen. Herausforderungen liegen in der Beschaffung der notwendigen Daten für eine sinnvolle differenzierte

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

221

Formulierung der Sollvorgaben sowie in der operativen Umsetzung. Ob die geplante Differenzierung der Sollvorgaben praxistauglich ist, muss bei ihrer Umsetzung überprüft werden. Langfristig ist eine Kombination dieser beiden Ansatzpunkte anzustreben. Es wird vorgeschlagen, die Differenzierung der Zufriedenheits-Service Level Standards stufenweise einzuführen: In einem ersten Schritt können ZufriedenheitsService Level Standards entweder nach Kundensegmenten in Abhängigkeit vom Kundenwert oder nach Anliegen differenziert festgelegt werden. In einem zweiten Schritt kann eine Kombination der kundensegment- und anliegenspezifischen Differenzierung erfolgen. Diese beiden Schritte können jeweils verfeinert werden, indem die Kunden stärker segmentiert werden und mehr als zwei Kundensegmente bzw. Anliegen in der Differenzierung berücksichtigt werden. Dabei kann als Zwischenschritt die Kombination der verfeinerten Differenzierung nach einem Kriterium mit der lediglich dualen Differenzierung nach dem anderen Kriterium genutzt werden. Im dritten Schritt kann ein Übergang zur Differenzierung nach Kundensegmenten entlang des Kundenbeziehungs-Lebenszyklus erfolgen. Ob und wie schnell dies möglich ist, muss aber vor dem Hintergrund der unternehmerischen Ziele und vor allem dem der bestehenden Mittel bzw. Möglichkeiten entschieden werden. Mit den Überlegungen zur Differenzierung ist die Formulierung der Sollvorgaben für die ZufriedenheitsService Level Standards abgeschlossen. Es soll daher ein Zwischenfazit zur Formulierung der Sollvorgaben gezogen werden. 5.2.6 Zwischenfazit zur Formulierung der Sollvorgaben Die Formulierung der Sollvorgaben für die Zufriedenheits-Service Level Standards wurde in Kapitel 5.2 umfassend diskutiert. Es wurden die Ausprägungen der Customer Care Zufriedenheit auf einer 5er-Zufriedenheitsskala quantifiziert. Es wurde gezeigt, dass die Anteilsmethode gegenüber der Mittelwertmethode Vorteile aufweist, insbesondere bezüglich der Möglichkeit, sowohl Zufriedenheits-Mindest- als auch Unzufriedenheits-Höchststandards zu formulieren. Relevante formale Ausgestaltungsoptionen der Sollvorgaben wurden für die Zufriedenheits-Service Level Standards diskutiert und dabei wurde die Verwendung absoluter Zufriedenheitsziele und von Toleranzgrenzen empfohlen. Weiterhin wurde ein Vorgehen für die Bestimmung der konkreten Sollvorgaben entwickelt, bei dem als Ausgangsbasis ein Referenzniveau der Customer Care Zufriedenheit herangezogen wird und als Bestimmungsfaktoren das Bedeutungsgewicht der Leistungsgröße aus Kundensicht, die unternehme-

222

5 Planungsphase

rischen Customer Care Ziele gegenüber Kunden und die Wettbewerbsposition des Unternehmens im Hinblick auf die Kernleistung sowie die Kosten unterschiedlicher Niveaus der Sollvorgaben berücksichtigt werden. Auf dieser Basis wurden exemplarische Sollvorgaben für die vier Leistungsgrößen entwickelt. Unter bestimmten Bedingungen wurden die Dynamisierung der Sollvorgaben und faktortypgerechte Sollvorgaben vorgeschlagen. Schließlich wurde die Differenzierung der Sollvorgaben nach Kundensegmenten und/oder Anliegen diskutiert. Es wurden konkrete Differenzierungsempfehlungen gegeben und die Möglichkeiten und Herausforderungen bewertet. Dabei wurde zunächst die Differenzierung nach zwei Anliegen- bzw. Kundengruppen empfohlen, mit der Möglichkeit, bei zunehmendem Professionalisierungsgrad der Steuerung mit Zufriedenheits-Service Level Standards, die Differenzierung zu verfeinern und auf eine kombinierte Differenzierung überzugehen. Nach der Untersuchung der Leistungsgrößen und Sollvorgaben für die Zufriedenheits-Service Level Standards sind die beiden anderen Hauptelemente der Steuerung mittels Zufriedenheits-Service Level Standards zu planen: Die monetären Konsequenzen der Nichteinhaltung der Sollvorgaben und die unternehmerischen Mitwirkungspflichten.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung der Zufriedenheits-Service Level Standards Als Konsequenzen der Nichteinhaltung der Zufriedenheits-Service Level Standards sind vor allem Maluszahlungen relevant, um mittels der dadurch hergestellten Entgeltrelevanz der Zufriedenheits-Service Level Standards deren Durchsetzbarkeit gegenüber dem Customer Care Dienstleister zu gewährleisten. Erstaunlicherweise wird teilweise der Standpunkt vertreten, dass bei einer guten Beziehung zwischen Unternehmen und Dienstleister die Verknüpfung der Zufriedenheitsziele mit der Vergütung des externen Customer Care Dienstleisters nicht notwendig ist (Expertengespräch 3). Interessanterweise ist eine derartige Auffassung bezüglich der Verwendung anderer Service Level Standards, wie der üblichen Produktivitäts- oder Kostenstandards, nicht üblich. Aber auch für die ZufriedenheitsService Level Standards ist diese Auffassung wenig zweckmäßig: Eine Steuerung, die lediglich auf der guten Beziehung zwischen Unternehmen und Dienstleister oder sogar nur auf einem guten persönlichen Verhältnis der jeweiligen Kontaktpersonen

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

223

beruht, ist für die zufriedenheitsorientierte Steuerung einer umfassenden und wichtigen Operation, wie dem Customer Care Center, nicht adäquat und im Zeitablauf nicht stabil genug. Voraussetzung der Durchsetzbarkeit bleibt die Kopplung der Sollvorgaben an die Vergütung. Deshalb sind für beide Seiten klare und akzeptierte Malusregelungen zu formulieren, sowie Regelungen, wann diese fällig werden. Grundlegend ist zu entscheiden, ob verschuldensabhängige oder -unabhängige und ob pauschale oder variable Maluszahlungen vereinbart werden sollten (Kapitel 5.3.1). Auf dieser Basis kann die Gewichtung der Maluszahlungen an der Gesamtvergütung und damit die Festlegung der konkreten Höhe der Maluszahlungen erfolgen (Kapitel 5.3.2). Mit der Gewichtung sind Überlegungen zur Flexibilisierung der Steuerung und zur Steuerung mehrerer Dienstleister eng verbunden (Kapitel 5.3.3) Schließlich sind ergänzende Ausgestaltungsmodalitäten zu diskutieren (Kapitel 5.3.4). 5.3.1 Vereinbarung verschuldensabhängiger und anfänglich pauschaler Maluszahlungen Bei Zufriedenheits-Service Level Standards werden Maluszahlungen fällig, wenn der Dienstleister die Zufriedenheits-Mindeststandards bzw. UnzufriedenheitsHöchststandards über die vereinbarten Toleranzgrenzen hinaus unter- bzw. überschreitet. Hier soll von verschuldensabhängigen Maluszahlungen ausgegangen werden, das heißt, die Maluszahlung wird nur fällig, wenn der Dienstleister das Verschulden an der Verfehlung der Zufriedenheits-Service Level Standards trägt. Der Grund dafür liegt darin, dass der Grad der Erzielbarkeit der Sollvorgaben durch den Customer Care Dienstleister eingeschränkt ist, wie bereits angesprochen wurde. Allerdings muss der Dienstleister die Forderung auf verringerte Maluszahlungen geltend machen und dabei nachweisen können, dass er die Nichteinhaltung nicht vollständig verschuldet hat (dies wird in Teil 7 genauer ausgeführt). Es können pauschale oder variable Maluszahlungen vereinbart werden. Da durch variable Maluszahlungen der Grad der Abweichung genauer steuerbar ist, sind variable Maluszahlungen auch bei Zufriedenheits-Service Level Standards eine erwägenswerte Option. Die Herausforderung bei variablen Maluszahlungen ist allerdings, dass diese höhere Anforderungen an die Daten stellen, die in ihre Berechnung eingehen. Aufgrund der schon thematisierten subjektiven Natur von Zufriedenheitsdaten und der bisher geringeren Verbreitung von Zufriedenheits-Service Level Standards

224

5 Planungsphase

sollen daher zunächst pauschale Maluszahlungen empfohlen werden. Steigt im Laufe der Zeit der Professionalitätsgrad der Steuerung mittels Zufriedenheits-Service Level Standards, kann möglicherweise auf variable Maluszahlungen übergegangen werden. Im Folgenden wird die Ausgestaltung der pauschalen Maluszahlungen betrachtet. 5.3.2 Festlegung der Höhe der Maluszahlung als Anteil an der Gesamtvergütung Pauschale Maluszahlungen werden als fester Anteil an der Vergütung definiert. Demzufolge ist im ersten Schritt über die Höhe des Anteils der gesamten Maluszahlungen an der Vergütung und im zweiten Schritt über die Gewichtung der einzelnen Zufriedenheits-Service Level Standards zu entscheiden. (1) Festlegung des Anteils der Maluszahlung an der Gesamtvergütung Die Entgeltrelevanz – und damit die Durchsetzbarkeit – steigen mit dem Anteil der Gesamtvergütung, die an der Customer Care Zufriedenheit ausgerichtet ist. Zwar wird es im Interesse des Dienstleisters liegen, diesen variablen Vergütungsbestandteil so gering wie möglich zu halten. Vor allem gilt dies, wenn er die Beeinflussbarkeit als stark eingeschränkt einschätzt oder er Vorbehalte hinsichtlich der „weichen“ Zielgröße Customer Care Zufriedenheit hat. Aber in seiner Rolle als Dienstleister muss er sich der Herausforderung stellen, die Bedürfnisse seines Kunden, des Unternehmens, zu befriedigen. Daher muss er akzeptieren, dass in einer gewissen Höhe monetär durchsetzbare Zufriedenheits-Service Level Standards als Ausdruck einer ergebnisorientierten Steuerung notwendig sind. Bezüglich der konkreten Höhe des Anteils der an die Zufriedenheit gebundenen Vergütung können der Literatur kaum Empfehlungen entnommen werden: -

In der Literatur zu Service Level Agreements sind aufgrund der geringen Verbreitung von zufriedenheitsorientierten Kennzahlen nur wenige Aussagen zu finden. Berger (2005, S. 307) ermittelt in seiner Studie zur Umsetzung bei SLAs, dass Maluszahlungen für Zufriedenheitsgrößen zwischen 5 und 6,5% der gesamten Vergütung ausmachen. Er bewertet diesen Anteil an der Gesamtvergütung allerdings als „vergleichsweise niedrig“ (Berger 2005, S. 307), was in der weiteren Diskussion zu berücksichtigen ist.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

-

225

In der Literatur zur Gestaltung kundenzufriedenheitsabhängiger Vergütungssysteme gegenüber Mitarbeitern findet eine stärkere Diskussion statt. Diese Ergebnisse beziehen sich zwar auf die Vergütung von Individuen, können hier aber dennoch interessante Anhaltspunkte für die Vergütung des Customer Care Dienstleisters bieten. Als Richtgröße für den Anteil von Kundenzufriedenheitsgrößen an der Vergütung berufen sich Homburg/Werner (1998, S. 203) auf eine Studie von McNerney (1996, S. 6), die dieser unter 60 amerikanischen Großunternehmen durchgeführt hat. Die Studie ergab, dass der Anteil von Kundenzufriedenheitsgrößen am variablen Anteil der Vergütung bei 19% liegt. Da aber der variable Vergütungsanteil nur einen verhältnismäßig kleinen Teil der gesamten Vergütung ausmacht, ist der damit ermittelte Richtwert für den Anteil der zufriedenheitsorientierten Vergütung an der Gesamtvergütung auch sehr gering: Bei einem Anteil der zufriedenheitsorientierten an der variablen Vergütung von 19%, läge bei einem Anteil der variablen Vergütung an der Gesamtvergütung von 10% der Kundenzufriedenheitsanteil an der Gesamtvergütung insgesamt bei 1,9%, bei einem variablen Vergütungsanteil von 30% bei 5,7% und bei einem variablen Vergütungsanteil von immerhin 50% auch nur bei 9,5%.

Um die Durchsetzbarkeit zu gewährleisten, sollte das Unternehmen einen „ausreichend hohen“ Anteil der Maluszahlungen an der Vergütung anstreben. Für die konkrete Festlegung dieses Anteils soll als Richtlinie gelten, dass der Anteil so hoch ist, dass eintretende Maluszahlungen den Dienstleister tatsächlich tangieren. Dies ist offensichtlich abhängig von der Höhe der Gesamtvergütung, von der Finanzkraft des Dienstleisters und dem Anteil am Gesamtumsatz des Dienstleisters, der durch das Auftraggeberunternehmen generiert wird. Die vom Unternehmen gewünschte Gewichtung hängt grundsätzlich auch von den unternehmerischen Zielen ab. Bei einer großen Bedeutung der Customer Care Zufriedenheit für das Unternehmen sollte sie höher sein. Dabei sind allerdings folgende Einflüsse zu reflektieren: Zwar sollen die Sanktionen „geringere“ Verletzungen der Zufriedenheits-Service Level Standards verhindern und dem Kunden einen gewissen finanziellen Ausgleich gewähren, sie können aber kein vollständiger finanzieller Ausgleich für lang anhaltende Verfehlungen der Standards sein (Berger 2006, S. 307).53 Aufgrund dessen sind auch eher geringe Anteile der Maluszahlungen an der Gesamtvergütung von z.B. 10% gerechtfertigt (Berger 2006, S. 307). Dazu kommt, dass aufgrund der bislang geringen

53

In dem Fall würde ohnehin eine außerordentliche Kündigung des SLA seitens des Unternehmens stattfinden.

226

5 Planungsphase

Verbreitung und daher noch zu steigernden Akzeptanz von Zufriedenheits-Service Level Standards anfangs geringere Gewichtungen den Einstieg erleichtern können. Dennoch sollte mittelfristig die Erhöhung des Anteils an der Gesamtvergütung in Betracht gezogen werden. Eine spezifisch angemessene Gewichtung ist demzufolge vor dem Hintergrund der unternehmerischen Ziele und der Durchsetzbarkeit, aber abhängig von der konkreten Dienstleistungsbeziehung zwischen Unternehmen und Dienstleister, d.h. vom jeweiligen Erfahrungsgrad mit Zufriedenheits-Service Level Standards, zu ermitteln. Wie gut das Unternehmen seine Vorstellungen zur Gewichtung letztendlich umsetzen kann, ist zudem an die Verteilung von Verhandlungsgeschick und -macht zwischen Unternehmen und Dienstleister gebunden. (2) Festlegung der Anteile der einzelnen Zufriedenheits-Service Level Standards an der Maluszahlung Für die Maluszahlung muss entschieden werden, ob die verschiedenen Zufriedenheits-Service Level Standards innerhalb der Maluszahlung gleich oder unterschiedlich gewichtet werden und wie eine solche Gewichtung erfolgen soll. Einzelne Zufriedenheits-Service Level Standards höher zu gewichten ist dann sinnvoll, wenn diese besonders gesteuert werden sollen. Die Gewichtung ist von der Bedeutung der Bedeutung der einzelnen Leistungsgrößen aus Kundensicht abhängig. Diese sollte aber mit der Bedeutung der betreffenden Kunden für das Unternehmen relativiert werden. Ähnliche Überlegungen wurden schon bei der Festlegung unterschiedlich hoher Sollvorgaben berücksichtigt (siehe Kapitel 5.2.3). In den Sollvorgaben ist die Bedeutung der Leistungsgrößen tendenziell daher schon enthalten. Diese kann durch eine unterschiedliche Gewichtung in der Vergütung verstärkt werden. Die Festlegung verschieden hoher Anteile der Leistungsgrößen an der Vergütung kann aber auch dazu dienen, einen Ausgleich dafür zu schaffen, wenn bei der Festlegung der Höhe der Sollvorgaben die Berücksichtigung der Leistungsgrößen unterlassen wurde oder nicht möglich war. Eine konkrete Entscheidung, ob die Leistungsgrößen unterschiedlich oder gleich gewichtet in die Vergütung eingehen sollen und wie eine eventuelle Gewichtung vorgenommen werden soll, muss das Unternehmen – analog zur Entscheidung über den Anteil der Maluszahlungen an der Gesamtvergütung – vor dem Hintergrund der konkreten Customer Care Dienstleistungsbeziehung treffen. Auch hier hängt die

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

227

Durchsetzbarkeit der unternehmerischen Pläne für die Gewichtung einzelner Leistungsgrößen innerhalb der Vergütung von Verhandlungsgeschick und -macht des Unternehmens ab. Um die Durchsetzbarkeit der zufriedenheitsbestimmten Maluszahlungen bis auf Mitarbeiterebene zu gewährleisten, muss der Customer Care Dienstleister die Ausgestaltung der Vergütung durch individuelle Leistungsvereinbarungen mit seinen Mitarbeitern an die Gestaltung seiner Gesamtvergütung anpassen. In Abb. 5-12 werden anhand eines Beispiels verschiedene Alternativen hinsichtlich des Anteils der Zufriedenheits-Service Level Standards an der Gesamtvergütung und der Gewichtung der verschiedenen Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit an der zufriedenheitsorientierten Vergütung, gezeigt.

Abb. 5-12:

Quelle:

Absolute Höhe der Maluszahlungen für die einzelnen Customer Care Zufriedenheits-Dimensionen Beispiel: Gesamtvergütung 800.000 € Alt A Alt B Gesamthöhe der Maluszahlung 80.000 € 120.000 € Maluszahlung pro Standard: Alt 1 Alt2 Alt 3 Alt 1 Alt2 Alt 3 Erreichbarkeit 20.000 € 16.000 € 8.000 € 30.000 € 24.000 € 12.000 € Interaktionskompetenz 20.000 € 20.000 € 16.000 € 30.000 € 30.000 € 24.000 € Fachkompetenz 20.000 € 20.000 € 16.000 € 30.000 € 30.000 € 24.000 € Problemlösung 20.000 € 24.000 € 40.000 € 30.000 € 36.000 € 60.000 €

Alt 1 40.000 € 40.000 € 40.000 € 40.000 €

Anteil der Maluszahlung für einzelne Customer Care Zufriedenheits-Dimensionen an der Gesamtvergütung Alt A Alt B Alt 1 Alt2 Alt 3 Alt 1 Alt 1 Alt2 Alt 3 Erreichbarkeit 3% 2% 1% 4% 3% 2% 5% Interaktionskompetenz 3% 3% 2% 4% 4% 3% 5% Fachkompetenz 3% 3% 2% 4% 4% 3% 5% Problemlösung 3% 3% 5% 4% 5% 8% 5%

Anteil der einzelnen Customer Care Zufriedenheits-Dimensionen an der Maluszahlung Alt 1 Alt2 Alt 3 Erreichbarkeit 25% 20% 10% Interaktionskompetenz 25% 25% 20% Fachkompetenz 25% 25% 20% Problemlösung 25% 30% 50%

Anteil Maluszahlung für Zufriedenheits-Service Level Standards an der Gesamtvergütung Alt B Alt C Alt D Alt A Gesamtvergütung 100% 100% 100% 100% Fixe Vergütung 90% 85% 80% 70% Anteil der Maluszahlung 10% 15% 20% 30%

Berechnungsbeispiel Maluszahlungen für Zufriedenheits-Service Level Standards

Alt C 160.000 € Alt2 32.000 € 40.000 € 40.000 € 48.000 €

Alt C Alt2 4% 5% 5% 6%

Alt 3 16.000 € 32.000 € 32.000 € 80.000 €

Alt 3 2% 4% 4% 10%

Alt 1 60.000 € 60.000 € 60.000 € 60.000 €

Alt 1 8% 8% 8% 8%

Alt 3 3% 6% 6% 15%

Alt D 240.000 € Alt2 Alt 3 48.000 € 24.000 € 60.000 € 48.000 € 60.000 € 48.000 € 72.000 € 120.000 €

Alt D Alt2 6% 8% 8% 9%

Alt = Alternative

228 5 Planungsphase

Beispielhafte Festlegung der Maluszahlungen für die definierten ZufriedenheitsService Level Standards Eigene Darstellung

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

229

5.3.3 Möglichkeiten der Flexibilisierung der Steuerung und Besonderheiten der Steuerung mehrerer Dienstleister Hinsichtlich der Gewichtung ist eine Überlegung anzustellen, die eng mit den Anforderungskriterien Integrationsvermögen und Zielbezogenheit zusammenhängt: Die Veränderlichkeit der Gewichtung der Zufriedenheits-Service Level Standards. Die Gewichtung sollte einerseits stabil genug sein, um den Beteiligten eine klare Orientierung zu bieten. Andererseits sollte ein Kennzahlensystem aber auch flexibel genug sein, um veränderte Ziele bzw. Zielprioritäten schnell umsetzen zu können. Es ist durchaus möglich, dass sich die unternehmerischen Ziele hinsichtlich des Customer Care bzw. deren Priorisierung während der Laufzeit des SLA verändern. Eine Situation, in der Prioritäten geändert werden, tritt ein, wenn die Unternehmensleitung eine unternehmensweite – und damit auch die Kundenbetreuung betreffende – Initiative zur Verbesserung bestimmter Aspekte der unternehmerischen Leistung für die Kunden startet und entsprechende Maßnahmen umsetzt: Zum Beispiel die Verbesserung der Erreichbarkeit durch Verlängerung der Öffnungszeiten von Filialen und Customer Care Centern oder Erweiterung der Fachkompetenz der Mitarbeiter für neue Produkte durch Schulung der Mitarbeiter von Filialen und Customer Care Centern. Wenn auf diese Weise bestimmte Ziele in den Vordergrund treten, kann die Gewichtung und Priorisierung der Zufriedenheits-Service Level Standards im SLA mit dem Dienstleister neu verhandelt werden. Kommt diese Situation aber öfter vor und handelt es sich dabei um kurzfristig wechselnde Prioritäten, besteht eine andere Möglichkeit darin, eine gewisse Basis bei den Maluszahlungen festzuschreiben, darüber hinaus aber einen Freiraum zu lassen. Damit können jeweils die aktuell im Vordergrund stehenden Ziele berücksichtigt werden. Die Umsetzung kann z.B. erfolgen, indem 80% der Maluszahlung fest definiert werden, die verbleibenden 20% aber abhängig von den veränderlichen Zielen angepasst werden können. Da diese Flexibilität auf Kosten erhöhter Komplexität gewonnen wird – Eindeutigkeit und Transparenz der Zufriedenheits-Service Level Standards werden eingeschränkt – muss hierbei zwischen dem Flexibilitätsvorteil und dem Komplexitätsnachteil abgewogen werden. Dies ist auch dann ein interessanter Ansatzpunkt, wenn im Laufe der Leistungsphase bestimmte problematische Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit identifiziert werden, die stärker in die Steuerung eingehen sollen. Dann kann der variable

230

5 Planungsphase

Teil der Ziele für diese Dimensionen genutzt werden. Ein solches Vorgehen ermöglicht ein schnelles Feedback bezüglich der Entwicklung der Zufriedenheit mit diesen Dimensionen und damit auch kurzfristige Informationen zum Erfolg durchgeführter Maßnahmen. In Abb. 5-13 ist dies schematisch dargestellt. Flexibler Anteil, der kurzfristig neu definierbar ist (für veränderliche Ziele oder problematische Leistungsgrößen)

GesamtMaluszahlung Fester Anteil

Abb. 5-13: Quelle:

Schematische Darstellung der Veränderlichkeit eines Anteils der Maluszahlungen Eigene Darstellung

Bei der Steuerung mehrerer externer Dienstleister (Dienstleister-Verbund) kann seitens des Unternehmens durch die Definition der Maluszahlungen ein stärkerer Wettbewerb zwischen den Dienstleistern geschaffen werden. Die Maluszahlung wird nicht an die Höhe einer bestimmten Sollvorgabe gebunden, sondern die maximal mögliche Vergütung bekommt der beste Dienstleister und die weiteren Dienstleister bekommen eine geringere Vergütung, gestaffelt danach, ob sie den zweithöchsten, dritthöchsten usw. Wert erreicht haben. Mit diesen flexiblen Zufriedenheitszielen werden die Dienstleister angespornt, auch dann, wenn sie die Zielwerte schon erreicht haben, noch weitere Anstrengungen zur Verbesserung der eigenen Leistung vorzunehmen (Expertengespräche 11, 15). Gleichzeitig wird die zu leistende Vergütung nach oben hin beschränkt („selbstkalibrierendes System“, Expertengespräch 15). Neben den genannten Optionen sind ergänzende Ausgestaltungsmodalitäten festzulegen.

5.3 Planung der Konsequenzen der Nichteinhaltung

231

5.3.4 Ergänzende Ausgestaltungsmodalitäten der Maluszahlungen Für die Maluszahlungen ist zusätzlich vor allem zu definieren, nach welchem System sie entrichtet werden müssen. Bei der Festlegung der Zahlungsmodalitäten ist die Rolle von Maluszahlungen als Anreiz zur Verbesserung der Leistungserstellung durch den Dienstleister zu berücksichtigen. -

Je weiter Sanktionen in der Zukunft liegen – also je losgelöster von Verhaltensweisen, die die Sanktionen verursachen, sie sind – und je seltener sie fällig werden, desto geringer ist der Einfluss auf das gegenwärtige Handeln (Hauser/Katz 1998). Gerade für die Steuerung der Zufriedenheit in Customer Care Kontakten muss eine Auszahlung so zeitnah wie möglich erfolgen, d.h. monatlich, mindestens aber vierteljährlich (Naumann/Giel 1995). Eine jährliche Auszahlung der Maluszahlungen für Zufriedenheitsziele ist nicht ausreichend. Dies ist freilich davon abhängig, ob es gelingt, die zugrunde liegenden Daten zur Customer Care Zufriedenheit ausreichend oft zu erheben (Homburg/Werner 1998), was in Teil 6 diskutiert werden wird.

-

Bei einer zufriedenheitsorientierten Steuerung hat es sich als sinnvoll erwiesen, neben kurzfristigen auch langfristige Anreize zu setzen (Hauser/Katz 1998, S. 518; Hauser/Simester/Wernerfelt 1994). Deshalb könnte eine monatliche Maluszahlung (kurzfristiger Anreiz) mit einer jährlichen Maluszahlung (langfristiger Anreiz) kombiniert werden, die fällig wird, wenn in diesem Jahr innerhalb einer definierten Frist die Sollvorgaben mehrmals nacheinander um einen bestimmten Wert unterschritten wurden.

Bei der Neueinführung der Zufriedenheits-Service Level Standards ist zu überlegen, die Maluszahlungen als Einstieg so festzulegen, dass sie nicht schon für das Verfehlen eines einzigen Zufriedenheits-Service Level Standards, sondern erst für das gleichzeitige Verfehlen zweier oder mehrerer Zufriedenheits-Service Level Standards um einen bestimmten Wert fällig werden (in Anlehnung an Berger 2005, S. 90). In Kapitel 5.3 wurde die Planung konkreter Maluszahlungen gezeigt und an einem Beispiel verdeutlicht. Es wurden verschuldensabhängige und zunächst pauschale Maluszahlungen empfohlen. Darüber hinaus wurde die Festlegung eines flexiblen Anteils der Maluszahlungen und die Vereinbarung gestaffelter Maluszahlungen bei der Steuerung mehrerer Dienstleister vorgeschlagen. Weiterhin wurde die möglichst zeitnahe Entrichtung der Maluszahlungen gefordert, wobei diese auch mit langfristigen Anreizen kombiniert werden sollte.

232

5 Planungsphase

Das folgende Kapitel 5.4 ist der Planung des dritten Hauptelements der Steuerung mittels Zufriedenheits-Service Level Standards, den unternehmerischen Mitwirkungspflichten, gewidmet.

5.4 Planung der Mitwirkungspflichten des Auftraggeberunternehmens für die Zufriedenheits-Service Level Standards Unternehmerische Mitwirkungspflichten sind notwendiger Leistungsbestandteil von SLAs. Für die Mitwirkungspflichten gilt folgende Logik: Wo unternehmensbestimmte Rahmenbedingungen die Customer Care Zufriedenheit beeinflussen, sollten Mitwirkungspflichten des Unternehmens formuliert werden, um sicherzustellen, dass die Rahmenbedingungen adäquat erfüllt werden und ein möglichst hoher Grad an Realisierbarkeit durch den Dienstleister erreicht werden kann. Bei der Festlegung von Mitwirkungspflichten kann wie folgend dargestellt eine Orientierung an den vier Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit erfolgen. -

Bezüglich der Erreichbarkeit sind Mitwirkungspflichten bzgl. der Informationen über das zu erwartende Anrufaufkommen zu formulieren. Zudem sind Informationspflichten hinsichtlich besonderer Anlässe festzulegen, die das Anrufaufkommen erheblich verändern können (z.B. Promotionmaßnahme für ein Produkt), damit der Dienstleister eine entsprechende Personaleinsatzplanung vornehmen kann.

-

Für die Fachkompetenz sind Mitwirkungspflichten zu definieren die sicherstellen, dass das Unternehmen den Dienstleister über Veränderungen der Customer Care EDV-Systeme (sofern diese vom Unternehmen gestellt werden) informiert, dass es allgemeine Informationspflichten über Veränderungen im Produktprogramm erfüllt und dass es Kenntnisse über das Unternehmen vermittelt, die zur Kundenbetreuung notwendig sind (z.B. Ansprechpartner im Unternehmen, Wissen über das Geschäftsfeld des Unternehmens/sein Produktportfolio, Unternehmensphilosophie usw.). Hierzu kann festgelegt werden, dass das Unternehmen notwendige Schulungsunterlagen bereitstellt bzw. die Schulungen selbst durchführt. Die Durchführung der Schulungen durch das Unternehmen erlaubt diesem eine gezieltere Steuerung, ist aber mit zeit- und kostenmäßigem Aufwand verbunden, so dass dies vor allem für die Schulung von Agents, die VIP-Kunden betreuen, relevant ist. Wenn das Unternehmen die Customer Care EDV-Systeme

5.5 Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien

233

stellt, mit denen die Mitarbeiter des Customer Care Center arbeiten, ist es auch für deren reibungsloses Funktionieren verantwortlich. Zudem muss es garantieren, dass während des Anrufs aktuelle Kundendaten in Echtzeit bereitgestellt werden (Zugriff auf die Customer Care EDV und relevante Kundendaten). -

Bezüglich der Interaktionskompetenz sind die wenigsten Pflichten des Unternehmens festzulegen. Eine Mitwirkungspflicht ist aber, dass das Unternehmen dem Dienstleister als Voraussetzung für dessen Personalauswahl die von den Agents geforderten kommunikativen Fähigkeiten verdeutlichen muss.

-

Bezüglich der Problemlösung muss gewährleistet sein, dass das Unternehmen die vom Dienstleister einzuhaltenden Abwicklungsprozesse (z.B. Bearbeitungszeiten, Schnittstellen und notwendiger Weiterleitungen zum Unternehmen) und die Handlungsspielräume des Dienstleisters (z.B. Kulanzen) klar definiert. Darüber hinaus muss – analog zu den Mitwirkungspflichten bei der Fachkompetenz – sichergestellt werden, dass das Unternehmen den Mitarbeitern im Customer Care Center Zugriff auf die EDV und die relevanten Kundendatenbanken ermöglicht. Sofern der Dienstleister die Daten für die weitere Bearbeitung durch das Unternehmen aufgenommen und eingepflegt hat, muss das Unternehmen für eine Integration der Daten in das unternehmensinterne Informationssystem und eine entsprechende Weiterbearbeitung und abschließende Lösung der Kundenanliegen sorgen.

Da der Dienstleister bei Verfehlen der Sollvorgaben nachweisen muss, dass das Unternehmen seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hat, benötigt er eine Bewertungsgrundlage, inwieweit das Unternehmen seine Mitwirkungspflichten erfüllt hat. Daher müssen die Mitwirkungspflichten so festgelegt werden, dass sie leicht erfassbar sind. Zudem müssen sinnvolle sowie für beide Parteien nachvollziehbare Erfassungsvorschriften definiert werden. Je weniger Mitwirkungspflichten quantitativ beschreibbar sind, desto schwieriger ist deren genaue Definition und Erfassung. So ist die Genauigkeit der Forecasts leichter zu messen, als es qualitative Mitwirkungspflichten wie Informationspflichten sind. Allerdings kommt stärker qualitativ ausgerichteten Mitwirkungspflichten eine große Bedeutung zu und sie können nicht vernachlässigt werden. Daher müssen spezielle Vorgehensweisen für deren Erfassung definiert werden. Denkbar ist bspw. für Informationspflichten zu vereinbaren, dass Protokolle über Treffen, in denen planmäßig Informationen ausgetauscht werden, erstellt werden.

234

5 Planungsphase

In Kapitel 5.4 wurde gezeigt, dass für relevante unternehmensbestimmte Rahmenbedingungen unternehmerische Mitwirkungspflichten vereinbart werden sollten und wie diese ausgestaltet sein sollen. Wurden Zufriedenheits-Service Level Standards sowie die Maluszahlungen und Mitwirkungspflichten geplant, müssen sich Unternehmen und Customer Care Dienstleister zu einer Einigung kommen. Die gemeinsame Vereinbarung des SLA ist Basis für die partnerschaftliche Zusammenarbeit innerhalb der SLA-Laufzeit und wesentlicher Treiber der beiderseitigen Akzeptanz der für die Leistungsbeziehung formulierten Regelungen. Daher sollte das Unternehmen dem Dienstleister bei den Verhandlungen die Grundlage der geplanten Zufriedenheits-Service Level Standards verdeutlichen. Die Bedeutung der zu betreuenden Kunden für das Unternehmen und damit die mit der Customer Care Leistungserstellung verbundenen unternehmerischen Ziele (Kundenzufriedenheit und Kundenbindung). Welche Regelungen schließlich in das SLA aufgenommen werden, hängt von der Verhandlungsmacht sowie vom Verhandlungsgeschick von Unternehmen und Customer Care Dienstleister ab. Diese werden durch den Grad der Abhängigkeit des Unternehmens vom Dienstleister bzw. umgekehrt bestimmt (siehe Teil 2). Nachdem die inhaltlichen Ausführungen zu Teil 5 abgeschlossen sind, wird im Kapitel 5.5 – analog zum Abschluss des vierten Teils – eine Zwischenbewertung der bisherigen Erfüllung der in Teil 3 erarbeiteten Anforderungskriterien vorgenommen.

5.5 Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien nach der Planungsphase In Teil 3 wurden Anforderungskriterien an den Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care erarbeitet und es wurde vorgeschlagen, diesen Kriterienkatalog im Verlauf der Arbeit zur Bewertung heranzuziehen. Dementsprechend wird nun eine Zwischenbewertung durchgeführt, inwiefern die formulierten Anforderungskriterien im fünften Teil erfüllt werden (siehe Abb. 5-14).

5.5 Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien

235

Anforderungskriterien und Bewertung ihrer Erfüllung in Teil 5 I. Zielbezogenheit ƒ ƒ

Widerspiegelung des Ziels des Customer Care Centers, Customer Care Zufriedenheit herzustellen Repräsentieren des Ziels der Kundenbindung und zusätzlich der Nebenbedingung der Kostenziele

Bewertung • Leistungsgrößen sind relevante Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit in Teil 5 • Möglichkeit zur Formulierung von Unzufriedenheits-Höchststandards erhöht Zusammenhang mit Kundenbindung

• Berücksichtigung der kundengerichteten Ziele des Unternehmens in der Höhe der Sollvorgaben, auch bei den differenzierten Sollvorgaben

• Möglichkeit der Berücksichtigung veränderter Ziele durch Definition eines flexiblen Anteils in den Maluszahlungen II. Inhaltliche Relevanz ƒ

ƒ

ƒ ƒ

Vollständige Abbildung der wesentlichen und aktuellen Anforderungen der Kunden an den Customer Care Kontakt in den Zufriedenheits-Service Level Standards, dabei Berücksichtigung der Kundensicht (end-to-end-Sicht des Kunden) Widerspiegelung der Anforderungen verschiedener Kundengruppen und bezüglich unterschiedlicher Anliegen Formulierung differenzierter Sollvorgaben für verschiedene Kundengruppen und/oder Anliegen Zusätzlich: Erfüllung der Anforderungen des Auftraggeberunternehmens als weiterem Leistungsempfänger

Bewertung in Teil 5

• Kundenanforderungen als wesentlicher Einflussfaktor für die Festlegung der Höhe der Zielwerte der Service Level Standards (allerdings relativiert durch kundengerichtete Ziele des Unternehmens und Kosten der Sollvorgaben)

• Aktualität der in Zufriedenheits-Service Level Standards eingegangen Kundenanforderungen abhängig von der Dauer des Prozesses der Planung der ZufriedenheitsService Level Standards

• Möglichkeiten und Ansatzpunkte der Differenzierung der Sollvorgaben für verschiedene Kundengruppen und/oder Anliegen

• Grenze: Differenzierung kann sehr komplex werden, Umsetzbarkeit eingeschränkt durch Einschränkungen der Erfassbarkeit unterschiedlicher Anforderungen und der Messbarkeit der differenzierten Customer Care Zufriedenheits-Werte

III. Handlungsorientiertheit ƒ

ƒ

Ableitbarkeit von Handlungsempfehlungen zur kurzfristigen Leistungsanpassung durch den Dienstleister Ableitbarkeit von Handlungsempfehlungen zu Notwendigkeit und Möglichkeiten der langfristigen Anpassung des SLA (SLA-Review)

236

5 Planungsphase

Bewertung in Teil 5

• Vereinbarung detaillierter Zufriedenheits-Service Level Standards, zudem unternehmensspezifische Festlegung des Detaillierungsgrads

IV. Realisierbarkeit ƒ ƒ

Beeinflussbarkeit der Leistungsgröße durch den Dienstleister Erfüllbarkeit der Sollvorgaben für den Dienstleister

Bewertung in Teil 5

• Grundsätzliche Beeinflussbarkeit der vorgeschlagenen Leistungsgrößen (Erreichbarkeit, Interaktionskompetenz, Fachkompetenz und Problemlösung), da diese vor allem Aktivitäten des Customer Care Dienstleisters betreffen

• Herausfordernde, aber dennoch realistische Sollvorgaben (Heranziehen von Ausgangsbasis und Berücksichtigung der Kundenanforderungen, der unternehmerischen Ziele in Verbindung mit der Wettbewerbs-Position und von Benchmarkingwerten)

• Berücksichtigung von Mehrfaktorstruktur durch faktortypgerechte Standards möglich • Einbeziehung des Dienstleisters durch gemeinsame Vereinbarung der ZufriedenheitsService Level Standards (Einfluss des Dienstleisters abhängig von Verhandlungsgeschick und -macht)

• Berücksichtigung gegebener Rahmenbedingungen durch Festlegung entsprechender Mitwirkungspflichten des Unternehmens V. Durchsetzbarkeit ƒ ƒ

Verhaltensrelevanz durch Verknüpfung mit Entgelt (v.a. Maluszahlungen) Zusätzlich: Nutzbarkeit für Zielvereinbarungssystem beim Customer Care Dienstleister auf Mitarbeiterebene

Bewertung in Teil 5

• Planung konkreter Sanktionen im Fall der Nichteinhaltung der Zufriedenheits-Service Level Standards führt zu Entgeltrelevanz

• Gewichtung der Zufriedenheits-Service Level Standards insgesamt und untereinander spiegelt sich in monetären Sanktionen wider, daher Nutzbarkeit für Zielvereinbarungen

• Entgeltsystem auf Mitarbeiterebene übertragbar VI. Eindeutigkeit und Transparenz ƒ ƒ

Eindeutige Definition und Formulierung Transparenz, d.h. verständliche, anschauliche und leicht nachvollziehbare Regelungen sowie Klarheit von Aussage und Absicht für alle Beteiligten

Bewertung in Teil 5

• Festlegung der Zufriedenheits-Service Level Standards auf Ebene der Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit (v.a. Übersichtlichkeit und Verständlichkeit sowie Klarheit der Bedeutung einzelner Leistungsgrößen für die Gesamt-Customer Care Zufriedenheit)

• Problem der Festlegung auf Ebene der Dimensionen ist höherer Abstraktionsgrad, allerdings unternehmensspezifisch stärkerer Detaillierungsgrad möglich

• Wahl der Skala und Spezifikationsoptionen der Zufriedenheits-Service Level Stan-

5.5 Zwischenbewertung der Erfüllung der Anforderungskriterien

237

dards (Anteils/Durchschnittsmethode, Toleranzgrenzen) führen zu klarer und präziser Definition

• Transparenz durch gemeinsame Vereinbarung der Sollvorgaben, der Malusregelungen und der Mitwirkungspflichten

• Hoher Grad der Differenzierung (nach Anliegen/Kundensegmenten) kann Transparenz gefährden VII. Informationsgehalt ƒ ƒ

ƒ

ƒ

Information über zeitliche Entwicklung der Ziele Aussagekraft für die zu steuernden Einheiten (Mitarbeiter, Teams, Customer Care Center oder Customer Care Dienstleister) Festlegung der Kontrollzyklen im Hinblick auf die Aufdeckung von Leistungsschwankungen und die Frequenz der Vergütungsberechnung Möglichkeit zu verdichteten Aussagen und Detailbetrachtungen

Bewertung in Teil 5

• Güte der Informationen abhängig von Spezifikation der Sollvorgaben, daher Empfehlung der Anteilsmethode

• Vereinbarung der Leistungsgrößen auf der Ebene der vier Dimensionen (Erreichbarkeit, Interaktionskompetenz, Fachkompetenz und Problemlösung) ist Kompromiss zwischen Aggregation und Detaillierung (umfassende Widerspiegelung der Kundenanforderung verbunden mit überschaubarer Anzahl von Standards) VIII. Aktualität und Frühwarncharakter ƒ ƒ

Aussagen über aktuelle Entwicklungen der Leistungserbringung Frühzeitige Warnung vor möglichen Fehlentwicklungen

Bewertung in Teil 5

• Unzufriedenheits-Höchststandards nehmen teilweise Frühwarnfunktion wahr

IX. Messbarkeit und Messgenauigkeit ƒ

ƒ ƒ ƒ

Messbarkeit, d.h. Vorhandensein geeigneter Messverfahren, auch bei differenzierten Zufriedenheits-Service Level Standards Genauigkeit der Messung (Validität, Reliabilität und Objektivität und Repräsentativität) Festlegung eindeutiger Erfassungsvorschriften Eventuell Möglichkeit zur Automatisierung der Messung

Bewertung in Teil 5

• Wahl einer Skala (5er-Zufriedenheitsskala), die auch für die spätere Messung sinnvoll ist

238

5 Planungsphase

X. Integrationsvermögen ƒ

ƒ ƒ

Berücksichtigung möglicher Zielbeziehungen zwischen den Zufriedenheits-Service Level Standards durch entsprechende Priorisierung Auswahl der wichtigsten Service Level Standards (beschränkte Anzahl von Standards) Hohe Stabilität bei ausreichender Flexibilität

Bewertung in Teil 5

• Vorschlag der vier Leistungsgrößen auf Ebene der Dimensionen entspricht Zusammenführung aller wesentlichen Leistungsgrößen, dabei gleichzeitig Begrenzung der Anzahl der Zufriedenheits-Service Level Standards

• Gewichtung der Zufriedenheits-Service Level Standards vorgenommen (siehe monetäre Sanktionen)

• Flexibilität und Stabilität durch Definition eines gewissen (geringen) variablen, kurzfristig vergebbaren Gewichtungsanteils XI. Akzeptanz ƒ ƒ ƒ

Unternehmensinterne Verdeutlichung der Relevanz und der Wirtschaftlichkeit Demonstration von Fairness gegenüber dem Dienstleister Gestaltung der Leistungsbeziehung

Bewertung in Teil 5

• Akzeptanz im Unternehmen durch Orientierung der Sollvorgaben an den unternehmerischen Zielen sowie durch Berücksichtigung der Kosten

• Akzeptanz beim Dienstleister durch Orientierung der Sollvorgaben an bisherigen Zufriedenheitswerten

• Beidseitige Akzeptanz durch Vereinbarung von Zielwerten und Mitwirkungspflichten • Akzeptanz beim Dienstleister durch Mitwirkungspflichten, deren Nichterfüllung für ihn nachweisbar ist XII. Wirtschaftlichkeit ƒ ƒ ƒ ƒ

Kostenbewusstsein in Planung und Vereinbarung der Zufriedenheits-Service Level Standards Beschränkung der Anzahl der Service Level Standards Praktikable und kostengünstige Erhebungsverfahren, eventuell Automatisierung Kosten-Nutzen-Betrachtung

Bewertung in Teil 5

• Auswahl nur der wichtigsten Leistungsgrößen senkt Aufwand • Einbeziehung der Kosten der Zufriedenheits-Service Level Standards bei Festlegung der Höhe der Sollvorgaben

Abb. 5-14: Quelle:

Zwischenbewertung der Anforderungskriterien nach Teil 5 Eigene Darstellung

Nach der Planung ist als nächste Aufgabe im Managementprozess die Kontrolle der Zufriedenheits-Service Level Standards auszugestalten. Damit beschäftigt sich der folgende sechste Teil der Arbeit.

6 Kontrollphase

239

6 Kontrolle der Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care Gegenstand des sechsten Teils der Arbeit ist Kontrolle der Zufriedenheits-Service Level Standards. Im Mittelpunkt steht die Überprüfbarkeit der laufenden Einhaltung der Zufriedenheits-Service Level Standards. Die Abb. 6-1 zeigt die zu erfüllenden Aufgaben. Analog zu den vorherigen Teilen werden die in Teil 3 erarbeiteten Anforderungskriterien herangezogen, soweit sie für die Kontrollphase relevant sind.

Abb. 6-1: Quelle:

Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

6.1

Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards

6.2

Aufgaben in der Kontrollphase Eigene Darstellung

An dieser Stelle soll als Vorbemerkung auf die Verteilung der Verantwortung für die Aufgaben der Kontrolle eingegangen werden. Wesentliche Kriterien für diese Entscheidung sind die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Ergebnisse (Anforderungskriterium Messbarkeit und Messgenauigkeit) sowie die Kosten der Kontrolle (Anforderungskriterium Wirtschaftlichkeit). Für die Messgenauigkeit spielen insbesondere die Neutralität und Kompetenz bei der Durchführung der Messung eine Rolle. Vor diesem Hintergrund wird die Durchführung durch einen Drittanbieter empfohlen (Cleveland/Mayben/Greff 1998, S. 181; Homburg/Werner 1998, S. 81; MenzlerTrott 2000, S. 228; Meyer/Blümelhuber/Ertl 2005, S. 288). Die Studie von Stauss/Dornach/Coenen (2006, S. 44) zeigt, dass dies in der Praxis allgemein auch so gehandhabt wird: 82% der Befragten zogen externe Unterstützung hinzu. Die Auswahl des Anbieters ist allerdings mit großer Sorgfalt zu treffen, um Qualitätsdefizite zu verhindern (Homburg/Werner 1998, S. 15f.). Sind entsprechende Kompetenzen im Unternehmen vorhanden, wäre die unternehmensinterne Durchführung eine Alternative, mit Blick auf das Kriterium der Neutralität ist dies allerdings nicht optimal. In den Expertengesprächen ergab sich, dass in der Customer Care Praxis teilweise auch der Customer Care Dienstleister für die Kontrolle verantwortlich ist (Expertengespräche 2, 7, 8). Dies ist aufgrund der nicht auszu-

240

6 Kontrollphase

schließenden Beeinflussungstendenzen nicht anzuraten (Meyer/Blümelhuber/Ertl 2005, S. 288). Besteht allerdings keine andere Alternative, sollten Kontrollmechanismen für die Einhaltung der Messvorschriften vereinbart werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass nicht die zu bewertenden Center bzw. Teams die Befragung durchführen, sondern andere, lokal getrennte Projektteams, die idealerweise in einem Projekt für einen gänzlich anderen Auftraggeber arbeiten bzw. vorrangig mit der Durchführung solcher Befragungen beauftragt werden. Nur dann können die größtmögliche Neutralität und Kompetenz sichergestellt und Verfälschungen der Messung, aber auch emotionale Belastungen und Rollenkonflikte vermieden werden. Sollte die Messung vom Unternehmen oder vom Customer Care Dienstleister durchgeführt werden, könnte die Auswertung von der jeweils anderen Vertragspartei übernommen werden, um für einen wahrgenommenen Ausgleich zwischen den Vertragspartnern zu sorgen. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass die Kontrolle so neutral umgesetzt wird, als würde sie von einem unabhängigen externen Drittanbieter vorgenommen.

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung Die Customer Care Zufriedenheits-Befragung soll Zufriedenheitsdaten erheben, die die Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards ermöglichen und diese so einer laufenden Überprüfung zugänglich machen. Es wird hier – wie schon in den vorangegangenen Teilen – davon ausgegangen, dass als Leistungsgrößen für die Zufriedenheits-Service Level Standards die Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit (Erreichbarkeit, Interaktionskompetenz, Fachkompetenz und Problemlösung) formuliert wurden. Zur kontinuierlichen Überprüfung der in der vorliegenden Arbeit festgelegten multiattributiven Zufriedenheits-Service Level Standards ist eine strukturierte multiattributive bzw. merkmalsorientierte Customer Care Zufriedenheits-Befragung durchzuführen (Siefke 1998, S. 125; Stauss 1999, S. 17). Bei einer solchen multiattributiven Messung werden die Teilzufriedenheiten abgefragt 54 Die Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung erfolgt nach den in Abb. 6-2 dargestellten Planungsschritten in den Kapiteln 6.1.1 bis 6.1.5 (in Anleh-

54

Vergleiche die Ausführungen zur multiattributiven Messung der Kundenzufriedenheit in Teil 4.

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

241

nung an Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 33ff. und S. 95; Siefke 1998, S. 109; Stauss/Seidel 2007, S. 329ff.; Weis/Steinmetz 2005, S. 103 und S. 124ff.).

Konkretisierung des Befragungsgegenstands der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

6.1.1

Festlegung der Befragungszeitpunkte für die Messung der Customer Care Zufriedenheit

6.1.2

Identifikation und Vorstellung der relevanten Befragungsmethoden für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung

6.1.3

Auswahl der Befragungsteilnehmer für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung

6.1.4

Gestaltung der Befragung i.e.S. (Fragebogen) für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung

6.1.5

Abb. 6-2:

Planungsschritte der Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung für die Kontrolle der Zufriedenheits-Service Level Standards

Quelle:

Eigene Darstellung

In den folgenden Kapiteln wird relevante Literatur der Marktforschung bzw. Kundenzufriedenheitsmessung herangezogen, um diese Schritte zu diskutieren. Dabei liegt der Fokus allerdings nicht auf der detaillierten Aufarbeitung der ausführlichen Literatur, sondern auf der Herausarbeitung Customer Care-spezifischer Aspekte sowie der Konzeption eines zweckmäßigen Erhebungsinstrumentariums. Bei der Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung ist eine möglichst hohe Standardisierung der Customer Care Zufriedenheits-Befragung anzustreben (Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 100f.; Böhler 2004, S. 86f.; Homburg/Werner 1998, S. 15f.). Nur dann können Messgenauigkeit und Informationsgehalt (Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen den Befragten und im Zeitablauf sowie Möglichkeit zu verdichteten Aussagen und Detailbetrachtungen) gewährleistet werden. Zudem ist das gewählte Messkonzept möglichst bis zum Ende der Laufzeit des SLA beizubehalten (Hiles 1993; Meffert/Schwetje 1998, S. 90). Die Planung des entspre-

242

6 Kontrollphase

chenden Erhebungsinstrumentariums erfordert deswegen eine intensive Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ausgestaltungsoptionen. 6.1.1 Aktueller und konkreter Customer Care Kontakt als Gegenstand der Customer Care Zufriedenheits-Befragung Die Customer Care Zufriedenheit wurde in Teil 4 als Transaktionszufriedenheit definiert. Eine valide Messung der Zufriedenheitswerte muss diese Transaktionszufriedenheit und nicht eine längerfristige Customer Care Beziehungszufriedenheit erfassen. Demzufolge ist Gegenstand der Befragung die Transaktionszufriedenheit mit einem Customer Care Kontakt. In vielen Fällen wird dieser Customer Care Kontakt einem Anruf entsprechen. Aber wie in Teil 2 dargestellt wurde, kann der Customer Care Kontakt auch erst mit gewissem Abstand nach dem Anruf vom Kunden als beendet wahrgenommen werden. Dies resultiert in besonderen Herausforderungen an die Planung des Erhebungsinstrumentariums und wird in den weiteren Ausführungen noch genauer diskutiert. Um eine differenzierte Leistungsaussage zu ermöglichen (vgl. Anforderungskriterien „Informationsgehalt“), muss sich die Befragung weiterhin auf einen bestimmten bzw. konkreten Customer Care Kontakt beziehen (Oettl/Wagner/Gandolf 2006, S. 94). Dieser ist durch die Merkmale „Anrufender Kunde“, „Kontaktzeitpunkt“, „entgegennehmende(r) Mitarbeiter im Customer Care Center“ sowie „zu bearbeitendes Anliegen“ klar definiert. Dies ist Voraussetzung dafür, um aus den erhobenen Zufriedenheitswerten zu ermitteln, wie zufrieden bestimmte Kundengruppen mit der Bearbeitung spezieller Anliegen durch bestimmte Mitarbeiter zu einem bestimmten Zeitpunkt waren. Dies ist insbesondere bei differenzierten Zufriedenheits-Service Level Standards zentral. Die Befragung sollte sich zudem auf den aus Kundensicht aktuellen (zuletzt erlebten) konkreten Customer Care Kontakt beziehen, damit die Bewertung des Kunden nicht durch neue Eindrücke bei weiteren Customer Care Kontakten verfälscht wird. Zusammenfassend gilt, dass die Customer Care Zufriedenheits-Befragung auf einen bestimmten, aktuellen Customer Care Kontakt zu beziehen ist. Dafür sind die (differenzierten) Customer Care Zufriedenheits-Werte für die Leistungsgrößen zu erfragen.

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

243

6.1.2 Festlegung der Befragungszeitpunkte für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung Die Festlegung der Befragungszeitpunkte muss dem Untersuchungsgegenstand und den in Teil 3 genannten Anforderungskriterien gerecht werden. Zudem stellt die Erfassung der Zufriedenheit mit der Problemlösung besondere Herausforderungen an die Messung. Nur bei einer im Zeitablauf regelmäßig gemessenen Customer Care Zufriedenheit können problematische Entwicklungen identifiziert werden (vgl. Anforderungskriterium Informationsgehalt). Weiterhin muss die Messung die Anforderungen an ihre Häufigkeit erfüllen, die aus der Berechnung der Vergütung bzw. der Maluszahlungen entstehen: Die Customer Care Zufriedenheit ist mindestens in den gleichen Zeitabständen zu messen, wie die Berechnung der Maluszahlungen stattfinden soll (Homburg/Werner 1998, S. 202). In Kapitel 5.3 wurde eine idealerweise monatliche Berechnung der Maluszahlungen vorgeschlagen. Die Customer Care Zufriedenheitswerte sind daher mindestens monatlich, besser laufend, zu erfassen, damit jeweils monatlich eine Aggregation zu den Ist-Werten der Zufriedenheits-Service Level Standards stattfinden kann. Um die Customer Care Zufriedenheit mit dem aktuellen Customer Care Kontakt erheben zu können, sollte die Customer Care Zufriedenheits-Befragung möglichst zeitnah zum Customer Care Kontakt erfolgen. Die Validität der Messung (vgl. Anforderungskriterium Messbarkeit und Messgenauigkeit) ist nur gewährleistet, wenn die Customer Care Zufriedenheit als Transaktionszufriedenheit möglichst zeitnah nach dem Abschluss des Kontakts gemessen wird, da bei größerem Abstand der Zufriedenheitsbefragung zum Customer Care Kontakt die Gefahr verzerrender Einflüsse wächst (Anton 1997, S. 79; Danaher/Mattson 1994a, S. 16; Hunt 1977, S. 467; Kaas/Runow 1987; Meffert/Schwetje 1998, S. 82; Miller 1977, S. 80f.; Stauss/Seidel 2006b, S. 188). Durch die zeitnahe Erfassung steigt auch die Aktualität der Messergebnisse (vgl. Anforderungskriterium Aktualität und Frühwarncharakter), die Voraussetzung zur sofortigen Gegensteuerung bei unerwünschten Tendenzen ist (McIntosh 2003, S. 11; Meffert/Schwetje 1998, S. 77). Wie „zeitnah“ die Befragung erfolgen muss, wird zudem bestimmt von der Häufigkeit von Customer Care Kontakten: Je häufiger Kunden des Unternehmens im Kontakt mit dem Customer Care Center stehen, desto kürzer sind die Abstände zu wählen, damit der Kunde die Befragung direkt auf den konkreten Kontakt und nicht einen anderen, inzwischen stattgefundenen Kontakt bezieht. Der Bezug zu einem vorher definierten Kontakt muss besonders im

244

6 Kontrollphase

Fall differenzierter Zufriedenheits-Service Level Standards gesichert sein, da nur dann gewährleistet ist, dass die Zufriedenheitswerte eines bestimmten Kunden und/oder für ein bestimmtes Anliegen abgefragt werden. Die Häufigkeit der Customer Care Kontakte ist unternehmensspezifisch zu erheben und in Verbindung mit der Forderung nach einer regelmäßigen und auf die Frequenz der Berechnung der Maluszahlung abgestimmten Messung muss das Unternehmen eine Entscheidung über die Messzeitpunkte treffen. Zusammenfassend gilt, dass der Abstand der Befragung zum Customer Care Kontakt so gering wie möglich sein sollte. Idealerweise sollte die Messung unmittelbar nach dem Kontakt erfolgen, alternativ mit wenigen Tagen Zeitverzögerung (Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski 2005, S. 60; Oettl/Wagner/Gandolf 2006, S. 94). Eine Besonderheit im Kontext der vorliegenden Arbeit ist, dass die Zufriedenheit mit der Problemlösung nicht immer direkt im Anschluss an das Gespräch erhoben werden kann, da in bestimmten Fällen die Problemlösung erst nach dem Anruf stattfindet, 1. wenn der Kunde nach dem Gespräch die vorgeschlagene Lösung noch umsetzen muss und bis dahin nicht weiß, ob sie funktioniert (z.B. Neuinstallation einer Software), 2. wenn nach dem Anruf seitens des Customer Care Dienstleisters noch weitere Aktivitäten erfolgen müssen, um das Anliegen aus Kundensicht zum Abschluss zu bringen (z.B. Versendung von Informationsmaterial im Anschluss an eine Informationsabfrage) oder 3. wenn nach dem Anruf seitens des Unternehmens (bzw. weiterer Dienstleister) noch Aktivitäten zum Abschluss des Problems notwendig sind (z.B. Erstellung und Versendung einer schriftlichen Bestätigung im Anschluss an eine Kündigung55). Für die Abfrage der Problemlösung sind für diese Fälle unter dem Aspekt des Anforderungskriteriums Realisierbarkeit unterschiedliche Konsequenzen zu ziehen:

55

Hier wird davon ausgegangen, dass das Unternehmen dies aufgrund der Rechtsverbindlichkeit und der Bedeutung des Geschäftsvorgangs übernimmt.

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

245

- Nur im dritten Fall kann die Zufriedenheit mit der Problemlösung direkt nach dem Customer Care Kontakt abgefragt werden, da sich nur dann die Beurteilung des Kunden lediglich auf die Leistung des Customer Care Dienstleisters bezieht. - Beim zweiten Fall kann die Problemlösungszufriedenheit direkt nach dem Anruf abgefragt werden. Dann muss aber in Kauf genommen werden, dass der Teil der Leistung des Customer Care Dienstleisters, der zu dem Zeitpunkt noch nicht erbracht wurde, nicht in die Bewertung einbezogen und von der Steuerung damit nicht erfasst wird. Die Alternative dazu wäre, die Befragung erst nach der Problemlösung vorzunehmen. Dies ist nur dann möglich und sinnvoll, wenn die Problemlösung zeitlich klar determiniert ist und zeitnah auf den Anruf erfolgt. Sonst ist kein Befragungszeitpunkt planbar und/oder die Befragung wird zeitlich zu weit vom Kontakt entfernt sein. - Im ersten Fall liegt eine besondere Situation vor. Der Dienstleister beeinflusst zwar die Fähigkeit des Kunden, das Problem zu lösen: Durch die Qualität der Problemdiagnose des Mitarbeiters, auf der die Problemlösungsempfehlung beruht und durch die Erläuterung der Empfehlungen vom Mitarbeiter gegenüber dem Kunden. Allerdings ist es doch sehr abhängig vom individuellen Kunden, wie gut die letztendliche Problemlösung ist. Zudem ist nicht absehbar, wie schnell der Kunde versuchen wird, die Problemlösung umzusetzen. Aufgrund dieser Faktoren ist auch in diesem Fall eine sofortige Abfrage der Problemlösung – trotz der damit verbundenen Ungenauigkeiten – sinnvoll. Aufgrund der dargelegten Komplexität erscheint eine jeweilige Berücksichtigung aller drei Fälle bei der Durchführung der Messung nicht gangbar. Als Lösung für das aufgezeigte Problem sollen aber folgende, durchführbare Vorschläge gemacht werden: -

Das Unternehmen sollte analysieren, ob überhaupt Anliegen während des Anrufs nicht abschließend lösbar sind. Ist das nicht der Fall, kann diese Problematik vernachlässigt werden.

-

Wenn nur ein geringer Anteil der Anliegen davon betroffen ist, können diese aus der Messung von vornherein ausgeschlossen werden oder es kann bei der Berechnung der Maluszahlungen ein entsprechender Anteil pauschal berücksichtigt werden. Dies ist allerdings mit dem Nachteil der verringerten Steuerbarkeit des Dienstleisters verbunden.

-

Wenn ein großer Anteil solcher Anliegen vorliegt, aber die Problemlösung zeitlich determiniert und rasch stattfindet, kann ein späterer Messzeitpunkt festgelegt

246

6 Kontrollphase

werden. Dies ist allerdings bei der Wahl der Befragungsmethoden (siehe Kapitel 6.1.3) zu beachten, da dadurch der Zeitpunkt der Befragung bestimmt wird. Zusammenfassend gilt weiterhin die Empfehlung, dass die Messung der Customer Care Zufriedenheit weiterhin möglichst kurz nach dem Anruf erfolgen sollte. Allerdings ist dabei die Erfassbarkeit der Zufriedenheit mit der Problemlösung zu berücksichtigen. 6.1.3 Identifikation und Vorstellung relevanter Befragungsmethoden für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung Für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung sollte eine Befragungsmethode gewählt werden, um möglichst keine durch unterschiedliche Erhebungsmethoden bedingten Verzerrungen der Zufriedenheitswerte zu riskieren (dies wird in Kapitel 6.2.1.3 noch genauer erläutert). Die Befragungsmethoden werden schon an dieser Stelle thematisiert, um das Verständnis für diese zu schaffen, da bei den weiteren Entscheidungen zur Planung der Customer Care Zufriedenheits-Befragung und der Ermittlung der Ist-Werte die besonderen Eigenschaften und Grenzen der Befragungsmethoden zu berücksichtigen sind. Je nachdem, wie gut die Charakteristika der Befragungsmethoden zu den Einsatzbedingungen passen, lässt sich entscheiden, welche Befragungsmethode im spezifischen Einsatzfall geeignet ist. Im Folgenden werden zunächst Befragungsmethoden identifiziert, die für die zeitnahe Erhebung der Zufriedenheit mit konkreten und aktuellen Customer Care Kontakten relevant sind (Kapitel 6.1.3.1). Anschließend erfolgt die Vorstellung dieser Befragungsmethoden (Kapitel 6.1.3.2 bis 6.1.3.4). 6.1.3.1 Identifikation relevanter Befragungsmethoden für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung Für die Identifikation der Befragungsmethoden soll auf relevante Kommunikationskanäle bzw. Erhebungsformen und den Bezug der Befragung zum Customer Care Kontakt eingegangen werden:

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

247

(1) Telefonische und Online-Befragung als wesentliche Erhebungsformen Grundformen der Befragungsmethoden zur Erhebung von Kundenzufriedenheit sind die persönliche, telefonische oder schriftliche Befragung. Die persönliche sowie die traditionelle schriftliche Befragung werden nicht weiter betrachtet, da sie nicht dafür geeignet sind, regelmäßig und zeitnah standardisierte Zufriedenheitsdaten für eine ausreichend große Zahl von Customer Care Kontakten zu erheben.56 Am wichtigsten im Customer Care Kontext ist die telefonische Befragung. Zum einen liegt diese ohnehin nahe, wenn die Zufriedenheit von Kunden, die das Customer Care Center telefonisch kontaktiert haben, erfragt werden soll. Zudem erfüllt sie die Anforderung, die Befragung der Kunden möglichst über denselben Kontaktkanal durchzuführen, den die Kunden beim Kontakt zum Customer Care Center gewählt hatten (Oettl/Wagner/Gandolf 2006, S. 95). Weiterhin wird die Telefonbefragung als sehr schnell und relativ kostengünstig durchführbar eingeschätzt (Weis/Steinmetz 2005, S. 115) und ist auch in der Praxis weit verbreitet. Die Studie von Stauss/Dornach/Coenen (2006, S. 23) ergab, dass 72% aller Unternehmen telefonische Zufriedenheitsbefragungen durchführen. Die telefonische Befragung kann mündlich oder automatisiert, d.h. mittels Tastendruck bzw. Spracheingabe über eine IVR-Anlage, durchgeführt werden (Oettl/Wagner/Gandolf 2006, S. 95; Weis/Steinmetz 2005, S. 106ff.). Aufgrund der zunehmenden Verbreitung des Internets in Deutschland auch in Privathaushalten (o.V. 2006c) soll hier als weitere Befragungsform die Online-Befragung angeführt werden. Diese erlaubt es, mit geringeren Kosten, geringerem Aufwand und schnelleren Durchlaufzeiten eine „schriftliche“ Befragung durchzuführen (u.a. Weis/Steinmetz 2005, S. 108). Das Internet gewinnt als Befragungsmedium auch speziell im Call Center-Bereich an Bedeutung (Schmidt 2004, S. 23). Die OnlineBefragung ist auch nach einem telefonisch erfolgten Kontakt sinnvoll und möglich. Sowohl die telefonische als auch die Online-Befragung erscheinen für eine zeitnahe und regelmäßige Befragung der Customer Care Zufriedenheit geeignet.

56

Schriftliche Befragungen sind durch relativ geringe Rücklaufquoten, lange Rücklaufzeiten, hohe Kosten und zeitlichen Aufwand der Verbreitung der Fragebögen gekennzeichnet, persönliche Interviews verursachen v.a. hohen monetären Aufwand (Weis/Steinmetz 2005).

248

6 Kontrollphase

(2) Bezug der Befragung zum Customer Care Kontakt: Call-Ausgangs- und Call-Folgebefragung Die Customer Care Zufriedenheits-Befragung kann entweder direkt am Ende des Anrufs durchgeführt werden (Call-Ausgangsbefragung) , oder das Unternehmen geht in der Folge des Kontakts mit der Befragung auf den Kunden zu (CallFolgebefragung). Die Call-Folgebefragung ist zwangsläufig eine Outbound-Befragung, da das Unternehmen den Kunden erneut kontaktieren muss. Dabei kann unterschieden werden zwischen der ereignisgetriebenen Call-Folgebefragung, die in einem vorher definierten zeitlichen Abstand auf den Customer Care Kontakt ausgelöst wird und der intervallgetriebenen Call-Folgebefragung, die in regelmäßigen Intervallen unter allen Kunden, die innerhalb des Zeitintervalls Kontakt mit dem Customer Care Center hatten, stattfindet (u.a. Mester/Schneider 2002, S. 2). Die Unterscheidung in Call-Ausgangs- und Call-Folgebefragung zeigt schon eine wesentliche Verbindung zur Erfassbarkeit des Untersuchungsgegenstandes. Die Call-Ausgangsbefragung eignet sich nur dann, wenn das Problem direkt im Gespräch lösbar ist oder wenn die bewusste Entscheidung getroffen wird, dass auf den Teil der Zufriedenheit mit der Problemlösung, die erst nach dem Gespräch entsteht, verzichtet werden soll. Haben Anliegen mit verzögerter und durch den Dienstleister zu verantwortender Problemlösung einen hohen Anteil am Anrufaufkommen und wird dabei die Bedingung erfüllt, dass die Problemlösung noch in einem zeitlich ausreichend kurzen Abstand erfolgt, sollte eher eine Call-Folgebefragung durchgeführt werden, wobei die Befragung im Anschluss an die Problemlösung zu erfolgen hat. (3) Relevante Befragungsmethoden der Customer Care ZufriedenheitsBefragung Die Kombination von Erhebungsform/Kommunikationskanal und Bezug zum Customer Care Kontakt ergibt verschiedene mögliche Befragungsmethoden. Relevant für

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

249

die Erhebung im vorliegenden Kontext sind aber vor allem drei Befragungsmethoden57 (siehe Abb. 6-3).

Kommunikationskanal

Telefonisch Online Mündlich

Automatisiert (IVR)

IVR-Call-Ausgangsbefragung

(Mündliche) telefonische Call-Folgebefragung

Direkt

Online-Call-Folgebefragung

Verzögert (Outbound)

Bezug zum Customer Care Kontakt /Anruf

Abb. 6-3: Quelle:

Relevante Befragungsmethoden zur Erhebung der Customer Care Zufriedenheit Eigene Darstellung

Die als relevant identifizierten Befragungsmethoden werden im Folgenden vorgestellt. 6.1.3.2 Call-Ausgangsbefragung per Interactive-Voice-Response Für die IVR-Call-Ausgangsbefragung (siehe auch Abb. 6-4) wird der Kunde direkt im Anschluss an das Gespräch an die IVR-Anlage weitergeleitet und dort automatisiert befragt. Er kann seine Zufriedenheitsbewertungen mittels Tasten- oder Spracheingabe abgeben und es kann vorgesehen werden, dass der Kunde weitergehende Ant-

57

Weitere Kombinationen der Kriterien ergeben andere Befragungsmethoden, die aber praktisch vernachlässigbar sind: Eine mündliche telefonische Call-Ausgangsbefragung (Weiterleitung an einen Agent im eigenen oder einem externen Call Center) ist unüblich. Eine automatisierte IVRBefragung ist auch als Outbound-Call-Folgebefragung denkbar, der Kunde würde vom System angerufen und an die IVR weitergeleitet (siehe Oettl/Wagner/Gandolf 2006, S. 95f.), allerdings erscheint diese relativ kundenunfreundliche Methode für die Zufriedenheitsmessung wenig geeignet. Eine Call-Ausgangsbefragung, die online durchgeführt wird, kann es zwar theoretisch geben, da dabei aber erst eine E-Mail an den Kunden gesendet werden muss, entspricht diese der OnlineOutbound-Call-Folgebefragung.

250

6 Kontrollphase

worten auf das Band sprechen kann (Bucci 2005). Für die Weiterleitung an die IVRAnlage sind zwei Vorgehensweisen möglich: Der Kunde wird noch vor dem Gespräch in der Warteschlange mittels IVR gefragt, ob er nach dem Gespräch an einer Befragung teilnehmen würde und gebeten, seine Entscheidung durch Tastendruck mitzuteilen (u.a. Bucci 2005). Der Mitarbeiter fragt den Kunden am Ende des Gesprächs, ob dieser an der Befragung teilnehmen möchte, bittet den Kunden bei Zustimmung, in der Leitung zu bleiben und leitet den Kunden selbst an die IVR weiter (u.a. Bucci 2005). Der Marktforschungsdienstleister (Mafo-Dienstleister) stellt die Ergebnisse dann für das Unternehmen bereit bzw. stellt sie zeitgleich dem Dienstleister zur Verfügung, ansonsten übermittelt das Unternehmen dem Dienstleister die Ergebnisse. Wichtig hierbei ist im Gegensatz zu den Call-Folgebefragungen, dass die Beauftragung eines Dienstleisters, der die Messung übernehmen soll, vor dem Customer Care Kontakt erfolgen muss.

2.

Customer Care Dienstleister

Kontakt (Anliegen)

Kunde

4.

Unternehmen

Customer Care Center

3.

Befragung auf IVR-Plattform

6. Übermittlung der Ergebnisse

Weiterleitung des Kunden an IVR-Plattform

(Bereitstellung der Ergebnisse)

1. Marktforschungsdienstleister

Beauftragung

5. Zugriff (Echtzeit) auf Ergebnisse bzw. Reporting der Ergebnisse

Abb. 6-4: Quelle:

Organisation der IVR-Call-Ausgangsbefragung Eigene Darstellung

Call-Ausgangsbefragungen mittels IVR haben in der Customer Care Praxis eine hohe Bedeutung: Sie werden als sehr gut geeignet für die laufende Erhebung der Zufriedenheit der Kunden mit dem Customer Care Kontakt, als praktikabel, unkompliziert und wirtschaftlich beurteilt (u.a. Anton 1997, S. 80; Lohrmann 2006; Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski 2005, S. 60; o.V. 2001b). Die IVR-Befragung kann vollständig automatisiert werden. Zudem besteht bei der IVR-Call-Ausgangsbefragung

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

251

eine sehr hohe Aktualität der Ergebnisse, da der Abstand zum Kontakt sehr kurz ist und das Unternehmen die Ergebnisse in Echtzeit abfragen kann (u.a. Bucci 2005; o.V. 2001b). Cleveland/Mayben/Greff (1998, S. 181) schätzen die Bedeutung von IVR-Befragungen höher als die von Outbound-Befragungen ein. Laut der buwMarktbefragung nehmen 39% aller Unternehmen IVR-Kundenbefragungen vor (Wulf 2006, S. 11). Auch die meisten der in den Expertengesprächen befragten Unternehmen führen laufend oder in über das Jahr verteilten Wellen CallAusgangsbefragungen per IVR durch (Expertengespräche 2, 3, 7, 8, 9, 10, 12). 6.1.3.3 Mündliche telefonische Call-Folgebefragung Bei der telefonischen Call-Folgebefragung bzw. telefonischen Outbound-Befragung (siehe Abb. 6-5) wird der Kunde in einem zu definierenden zeitlichen Abstand zum Gespräch erneut angerufen und in einem mündlichen Telefoninterview zu seiner Zufriedenheit mit einem bestimmten Customer Care Kontakt befragt. Der Customer Care Dienstleister oder das Unternehmen übergibt dem Marktforschungsdienstleister dazu die Kontaktdaten. Dieser wendet sich mit der Befragung an den Kunden und berichtet die Ergebnisse an das Unternehmen bzw. zusätzlich an den Dienstleister. Da es sich um eine Outbound-Befragung handelt, kann die Beauftragung des Marktforschungsdienstleisters auch nach dem Customer Care Kontakt erfolgen.

Kunde

1./2. Kontakt (Anliegen)

4.(Telefonisch) Anruf und telefonische Befragung 4. (Online) E-Mail an Kunden, Befragung auf Online-Plattform

Abb. 6-5: Quelle:

Customer Care Dienstleister

6. Übermittlung der Ergebnisse

Customer Care Center

3a. Übergabe der Kontaktdaten

Unternehmen

(Bereitstellung der Ergebnisse)

Marktforschungsdienstleister

2./1. Beauftragung 3b. Übergabe der Kontaktdaten 5. Zugriff (Echtzeit) auf Ergebnisse bzw. Reporting der Ergebnisse

Organisation der Call-Folgebefragungen (telefonisch und online) Eigene Darstellung

Verschiedene Studien bestätigen die Bedeutung telefonischer Befragungen in der Customer Care Praxis: Eine Marktbefragung der Firma buw zum Qualitätsmanage-

252

6 Kontrollphase

ment im Customer Care Center ergab, dass telefonische Kundenbefragungen von 59% aller Unternehmen durchgeführt werden (Wulf 2006) und die Studie von CCBenchmarks zum Performancemanagement im Call Center ergab, dass mit 83% bei weitem die Mehrzahl der befragten Unternehmen die Kundenzufriedenheit telefonisch erfragt (Schmidt 2004, S. 23). Die telefonische Call-Folgebefragung ist allerdings mit höheren Kosten verbunden, als die IVR-Befragung: Die Kunden müssen angerufen werden und eventuell sind mehrere Anrufversuche notwendig, um alle Kunden zu erreichen. Dabei fallen neben den Verbindungsgebühren auch Arbeitszeitkosten an. Durch die mündliche Befragung kann die telefonische Call-Folgebefragung nur im Hinblick auf die Messzeitpunkte automatisiert werden. 6.1.3.4 Online-Call-Folgebefragung Bei der Online-Call-Folgebefragung bzw. Online-Outbound-Befragung ist die Vorgehensweise analog zur Telefonbefragung. Daher soll zur grafischen Darstellung auf die Abb. 6-5 verwiesen werden. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass der Kunde nicht telefonisch, sondern per E-Mail kontaktiert wird. Und die eigentliche Befragung beantwortet der Kunde auf einer Internet-Plattform. Wie bei der telefonischen Outbound-Befragung kann hier die Beauftragung des Dienstleisters auch nach dem Kontakt erfolgen. Eine Online-Call-Folgebefragung erfordert einen relativ geringen wirtschaftlichen Aufwand, da der E-Mail-Versand nicht teuer ist und keine Mitarbeiterarbeitszeit in Anspruch genommen wird, weil der Kunde die Antworten selbst eingibt (Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 114f.; Vavra 1997, S. 207; Weis/Steinmetz 2005, S. 110f.). Die Online-Befragung hat den Nachteil, dass die Zeitverzögerung zwischen der Aufforderung zur Befragung und ihrer Beantwortung durch den Kunden vom Unternehmen nicht direkt beeinflussbar ist. Die Online-Call-Folgebefragung kann – wie die IVR-Befragung – vollkommen automatisiert werden. Zusammenfassend zu den Befragungsmethoden der Erhebung der Customer Care Zufriedenheit gilt Folgendes: Die drei Befragungsmethoden (IVR-CallAusgangsbefragung, telefonische Call-Folgebefragung und Online-CallFolgebefragung) wurden vorgestellt, da sie prinzipiell für die Ermittlung der Customer Care Zufriedenheit nach dem Customer Care Kontakt geeignet sind. Abhängig von den Eigenschaften der jeweiligen Befragungsmethode gibt es Situationen, in denen

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

253

diese Befragungsmethoden mehr oder weniger geeignet erscheinen oder im Extremfall kaum eingesetzt werden können. Es soll daher grundsätzlich keine Empfehlung für eine bestimmte Methode ausgesprochen werden. Vielmehr müssen vom Unternehmen abhängig von den vorliegenden Umständen die Vor- und Nachteile der einzelnen Befragungsmethoden gegeneinander abgewogen werden. In der vorliegenden Arbeit wird diese Notwendigkeit widergespiegelt, indem in allen Schritten der Planung der Customer Care Zufriedenheits-Befragung – sofern relevant – auf die verschiedenen Befragungsmethoden Bezug genommen wird. Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden: -

Erstens kann es Planungsschritte der Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung geben, bei denen bei verschiedenen vorliegenden Bedingungen jeweils andere Befragungsmethoden geeignet erscheinen oder unter bestimmten Bedingungen eine oder mehrere Befragungsmethoden ausgeschlossen werden müssen. In dem Fall werden die Grenzen der Befragungsmethoden gezeigt (keine Eignung für die vorliegenden Bedingungen) oder die Befragungsmethoden wirken als Einschränkung der möglichen Ausgestaltung des Planungsschritts unter diesen Bedingungen. Als Beispiel dafür sei an den Planungsschritt der Festlegung der Befragungszeitpunkte erinnert. Unter der Bedingung, dass die Problemlösung zu einem Anliegen erst nach dem Anruf stattfinden kann und in der Verantwortung des Dienstleisters liegt, ist die Call-Ausgangsbefragung nur eingeschränkt geeignet bzw. wenn die Call Ausgangsbefragung genutzt werden muss, können diese Anrufe nicht in die Befragung einbezogen werden.

-

Zweitens gibt es Planungsschritte der Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung, wo unter den vorliegenden Bedingungen immer alle Befragungsmethoden möglich sind. Um die Befragung optimal zu gestalten, sind die Entscheidungen in den Planungsschritten abhängig von der gewählten Befragungsmethode allerdings unterschiedlich zu treffen. Ein Beispiel hierfür ist die Gestaltung der Skala im Fragebogen in Kapitel 6.1.5.5.

6.1.4 Auswahl der Teilnehmer für die Customer Care ZufriedenheitsBefragung Die Auswahl der zu Befragenden ist eine der wesentlichen Herausforderungen bei der Customer Care Zufriedenheits-Befragung. Es sind Befragungsteilnehmer zu selektieren, die einen aktuellen, konkreten Customer Care Kontakt bewerten können

254

6 Kontrollphase

und Auskunft über die Zufriedenheitswerte der Leistungsgrößen geben können. Sind differenzierte Zufriedenheits-Service Level Standards geplant, ist dies bei der Auswahl der Befragungsteilnehmer zu berücksichtigen. Zur Auswahl von zu Befragenden gibt es eine Vielzahl an einschlägiger Literatur aus den Bereichen der Marktforschung und der Zufriedenheitsmessung (u.a. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004; Böhler 2004; Vavra 1997; Weis/Steinmetz 2005). Intention der folgenden Ausführungen ist nicht, den state-of-the-art der Literatur im Detail aufzuarbeiten. Vielmehr wird die Literatur herangezogen, um auf dieser Basis eine Auseinandersetzung mit den spezifischen Herausforderungen und Erfordernissen einer Customer Care Zufriedenheits-Befragung zur Kontrolle der ZufriedenheitsService Level Standards vorzunehmen. 6.1.4.1 Grundsätzliches Vorgehen bei der Auswahl der zu Befragenden 6.1.4.1.1 Entscheidung für eine Teilerhebung Die Grundgesamtheit der Customer Care Zufriedenheits-Befragung sind die Kunden, die innerhalb des Kontrollzyklus Customer Care Kontakte hatten. Wegen der vielen Kunden, die sich an das Customer Care Center wenden, ist es meist nicht möglich, alle Kunden zu befragen. Eine Customer Care Zufriedenheits-Befragung wird daher regelmäßig eine Teilerhebung sein, d.h. die Befragung einer repräsentativen Stichprobe Weis/Steinmetz 2005, S. 79). Die Teilerhebung ist in der Praxis am weitesten verbreitet. So ergab die Studie von Stauss/Dornach/Coenen (2006, S. 29), dass 70% der befragten Unternehmen Teilerhebungen durchführen. Die Alternative der Vollerhebung ist zwar grundsätzlich interessant, da dann alle Kundenmeinungen über den Customer Care Dienstleister berücksichtigt werden und sie allen Kunden gegenüber die Bedeutung des Ziels „Customer Care Zufriedenheit“ verdeutlicht (Vavra 1997, S. 62f.). Eine Vollerhebung ist einerseits nur bei einer geringen Zahl von Kunden bzw. innerhalb eines kleinen Kundensegments möglich und andererseits hat die Erhebung der Customer Care Zufriedenheit vor allem eine interne Informations- und weniger eine externe Kommunikationsfunktion. Im Folgenden wird daher von einer Teilerhebung ausgegangen. Soll eine Teilerhebung stattfinden, muss aus der Grundgesamtheit eine Stichprobe gezogen werden. Es kann aus bestimmten Gründen sinnvoll sein, eine eingeschränkte Grundgesamtheit (Auswahlbasis) zu definieren:

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

255

-

Bei der Auswahl der Befragungsteilnehmer unter allen Anrufern in einer bestimmten Zeitspanne kann es dazu kommen, dass Kunden, die sich häufig an das Customer Care Center wenden, mehrfach befragt werden. Mit steigender Häufigkeit der Customer Care Kontakte pro Kunde verstärkt sich diese Gefahr. Da eine Befragung für Kunden immer mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, kann der Kunde eine (mehrfach) wiederholte Befragung als Belästigung wahrnehmen. Daher ist eine zu häufige Befragung einzelner Kunden zu vermeiden, indem befragte Kunden mit einem Sperrvermerk versehen werden, bspw. für ein halbes Jahr. Dies wurde in Expertengesprächen als wichtige Empfehlung genannt (Expertengespräche 2, 3). Dies ist für alle Befragungsmethoden gültig. Bei solchen Überlegungen dürfen allerdings nicht isoliert die Customer Care Befragungen berücksichtigt werden, sondern es ist eine unternehmensweite Betrachtung anzustellen. So ist nicht zu vernachlässigen, dass Kunden im Rahmen der Geschäftsbeziehung auch von verschiedenen anderen unternehmerischen Einheiten mit Befragungen kontaktiert werden. Im Sinne der Koordination der unternehmerischen Kommunikation mit den Kunden ist hier dafür Sorge zu tragen, dass Kunden insgesamt nicht um die Teilnahme an zu vielen Befragungen gebeten werden. Voraussetzung dafür ist eine unternehmensweit einheitliche Kundendatenbank, in der ein Sperrvermerk eingetragen werden kann, so dass Kunden nach einer erfolgten Befragung (unabhängig von der dafür verantwortlichen Abteilung) für eine gewisse Zeit für alle weiteren Befragungen gesperrt sind.

-

Es kann notwendig sein, die Grundgesamtheit um Anrufe mit mehreren Anliegen zu bereinigen, wenn nach Anliegen differenzierte Zufriedenheits-Service Level Standards ermittelt werden sollen. Bei mehreren Anliegen in einem Anruf ist sonst möglicherweise unklar, auf welches der Kunde seine Bewertung bezieht. Handelt es sich allerdings um den Großteil der Anrufe, ist dies keine Möglichkeit. Dann muss jeweils entschieden werden, welches Anliegen im Mittelpunkt des Anrufs steht, z.B. indem der Agent, der das Gespräch führt, dies angibt, und der Anruf dann entsprechend in die Befragung eingehen.

Auf Basis der Auswahlbasis ist die Stichprobe für die Teilerhebung zu bestimmen. 6.1.4.1.2 Bestimmung der notwendigen Stichprobe Bei der Teilerhebung ist die notwendige Stichprobe festzulegen, d.h. welche und wie viele Kunden die Befragung beantworten sollen. Dazu sei auf die ausführliche Darstellung in der einschlägigen Literatur verwiesen, der auch mathematische Verfahren und Formeln zur Berechnung der Stichprobengröße zu entnehmen sind (u.a. Böhler

256

6 Kontrollphase

2004; Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004; Vavra 1997; Weis/Steinmetz 2005). Allgemeingültige Angaben zur notwendigen Stichprobe bei der Customer Care Zufriedenheits-Befragung können nicht gemacht werden, sondern die Stichprobe ist abhängig von den unternehmensspezifisch vorliegenden Bedingungen zu bestimmen. Diese sollen im Folgenden diskutiert werden: -

Grundlegend ist, dass aufgrund der Nutzung der erhobenen Kundenzufriedenheitsdaten für die Leistungsmessung und die Berechnung der Vergütung des Customer Care Dienstleisters die Anforderungskriterien Messgenauigkeit, Informationsgehalt und Akzeptanz der erhobenen Werte eine besondere Bedeutung haben. Die generierten Werte sollen statistisch signifikant58 sein (Bortz 2004) und die Stichprobe soll ein möglichst zutreffendes Bild der Verteilung der Customer Care Zufriedenheit unter den Kunden. Dies kann nur mit einer ausreichend großen Stichprobe erfüllt werden, die repräsentativ für die Gesamtmenge und Verteilung der Customer Care Kontakte ist (Runde/Baier/Wendeln 2000, S. 425f.). Bei der Ziehung der Stichprobe sollte eine Zufallsauswahl59 der Befragungsteilnehmer vorgenommen werden, um die Repräsentativität zu erreichen (u.a. Reiter/Matthäus 1996, S. 56; Weis/Steinmetz 2005, S. 79.). Wenn die Auswahl der zu Befragenden von der Gesamtheit aller Customer Care Kontakte ausgeht, haben Kunden mit vielen Customer Care Kontakten eine höhere Wahrscheinlichkeit, befragt zu werden. Damit kommt es zu einem größeren Gewicht der Bewertung des Customer Care Dienstleisters durch die „Stammkunden“. Diese Ungleichgewichtung ist aber prinzipiell repräsentativ, da die Stammkunden das Center auch öfter nutzen.

-

Gleichzeitig muss bei der Ermittlung der Größe und Zusammensetzung der Stichprobe berücksichtigt werden, welche Einzelauswertungen für die Kontrolle der Zufriedenheits-Service Level Standards notwendig bzw. optional geplant sind. Dabei müssen die Einzelergebnisse auch statistisch signifikant sein. Bei differenzierten Zufriedenheits-Service Level Standards müssen in der Menge der Befragungsteilnehmer die Anrufer in ausreichender Zahl vertreten sein, die die relevanten Customer Care Kontakte (d.h. Kontakte von Anrufern aus einem bestimmten Kundensegment oder mit einem bestimmten Anliegen) erlebt haben

58

Bei einer statistisch signifikanten Messung ist der gemessene Zufriedenheitswert aufgrund tatsächlicher Bewertungen und nicht lediglich zufällig zustande gekommen (Bortz 2004). Für die Zufallsauswahl gibt es verschiedene Verfahren (u.a. nach Schlussziffern, Zufallszahlen, Anfangsbuchstaben, Geburtsdatum oder Zufallsstart). Eine ausführlichere Darstellung enthält u.a. Kamenz (1997, S. 135f.).

59

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

257

und bewerten können. Sind darüber hinaus weitere Einzelauswertungen zum Vergleich der Zufriedenheit mit verschiedenen Customer Care Einheiten, d.h. Mitarbeitern, Teams, Centern oder Customer Care Dienstleistern, geplant, müssen Befragungsteilnehmer in ausreichender Menge selektiert werden, die Auskunft zu ihrer Zufriedenheit mit den relevanten Einheiten geben können. Die Anzahl der Fälle in der Stichprobe, auf denen Einzelauswertungen basieren (Teilstichproben), dürfen eine bestimmte Größe nicht unterschreiten, um pro Einzelauswertung noch statistisch signifikante Ergebnisse zu erzielen. Andernfalls droht die Überbewertung von Detailaussagen. Dies wird in der Literatur zu Kundenzufriedenheitsbefragungen (Homburg/Werner 1998, S. 82) und sowie im Kontext von Customer Care Centern (Menzler-Trott 2000, S. 229) sowie der Customer Care Praxis (Expertengespräch 7) als verbreitete negative Tendenz bei der Analyse und Interpretation von Kundenzufriedenheitsmessungen kritisiert und als wesentliche Barriere für die Akzeptanz der Ergebnisse bezeichnet. Zur notwendigen Größe von Teilstichproben haben einige Autoren Faustregeln veröffentlicht (Homburg/Werner 1998, S. 82; Vavra 1997, S. 79). Es wird die Einzelauswertung betrachtet, in denen das zugrunde liegende Kriterium die meisten Ausprägungen hat (z.B. wären das bei einer Auswertung über zwei Kundensegmente und fünf Customer Care Teams die Teams, mit fünf Ausprägungen pro Kriterium). Für dieses Einzelkriterium sollten in der Stichprobe pro Ausprägung noch mindestens 30 ausgefüllte und auswertbare Fragebögen (n=30) vorliegen60 (im Beispiel müssten mindestens 150 Fragebögen in die Auswertung eingehen). Diese Faustregel kann als etabliert angesehen werden, so dass ihre Anwendung für die Customer Care Zufriedenheits-Erhebung im Rahmen der Kontrolle der Zufriedenheits-Service Level Standards akzeptabel erscheint, sofern keine besseren Berechnungsmethoden angewendet werden können. Zusammengefasst muss die Stichprobe ausreichend groß, repräsentativ und zufällig gezogen sein und gleichzeitig die Auswertung nach den notwendigen Einzelkriterien ermöglichen. Die letztendliche Festlegung der Stichprobe kann dem „neutralen“ Marktforschungsdienstleister überlassen werden, wie es in der Praxis verbreitet ist

60

Diese Faustregel basiert auf der „Central Limit Theory“, die besagt, dass unabhängig von der Verteilung der Kunden oder Anliegen in der Grundgesamtheit davon ausgegangen werden kann, dass die Mittelwerte der Teilstichproben normalverteilt sind, wenn in der Teilstichprobe mindestens 30 Kundenfragebögen enthalten sind (Vavra 1997, S. 79). Unabhängig von dieser Faustregel gilt, dass die Ergebnisse desto unangreifbarer sind, je höher die Zahl der Fragebögen in den Teilstichproben ist. Vavra empfiehlt daher, wenn möglich Stichproben von n=50 oder besser n=100 pro Einzelauswertung festzulegen (Vavra 1997, S. 79).

258

6 Kontrollphase

(u.a. Expertengespräche 2, 3). Allerdings sollte im Unternehmen ausreichendes Wissen vorhanden sein, um zumindest die Güte der Empfehlungen abschätzen zu können. Nach den bisherigen Ausführungen zur Ermittlung der notwendigen Stichprobe wird im Folgenden gezielt auf die besonderen Herausforderungen der Auswahl der Befragungsteilnehmer im Customer Care Kontext eingegangen. 6.1.4.2 Besondere Herausforderungen der Selektion der Befragungsteilnehmer für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung Besondere Herausforderungen für die Selektion der Befragungsteilnehmer zur Customer Care Zufriedenheits-Befragung entstehen im Zusammentreffen der Anforderungen an die Stichprobe (Zufallsauswahl, Repräsentativität sowie Teilstichprobengröße), den allgemeinen Besonderheiten des Customer Care Kontexts sowie den Eigenschaften der Befragungsmethoden. 6.1.4.2.1 Unterschiedliche Selektionsprozesse bei Call-Ausgangs- und CallFolgebefragungen Call-Folge- und Call-Ausgangsbefragung sind durch unterschiedliche Selektionsprozesse gekennzeichnet. - Die Call-Folgebefragung ist der „Standardfall“ einer Kundenzufriedenheitsbefragung: Es wird in einem gewissen Abstand zum Customer Care Kontakt auf die Kunden zugegangen. Bei Call-Folgebefragungen werden aus der Menge der in einer Zeitspanne erfolgten Customer Care Kontakte in einem vorher definierten Abstand zielgerichtet die Customer Care Kontakte selektiert, zu denen eine Befragung erfolgen soll. - Die Call-Ausgangsbefragung ist ein Spezialfall, da eine „ad hoc“-Auswahl der zu Befragenden erfolgen muss. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Prinzipiell kann es dem Mitarbeiter zum Gesprächsende selbst überlassen bleiben, welche Kunden er an die Befragung weiterleitet. Diese sehr unkomplizierte Möglichkeit wird in der Praxis auch genutzt, wie auch die Expertengespräche ergaben (Expertengespräche 2, 3, 7). Damit findet aber keinerlei Zufallsauswahl statt und der Mitarbeiter hat einen enormen Einfluss auf die Zufriedenheitsbewertungen. Daher ist diese Methode nicht zu empfehlen. Mit folgenden alternativen Selektionsmethoden kann wenigstens teilweise eine Zufallsauswahl realisiert werden:

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

259

- Fall 1: Vor Gesprächsbeginn kann eine vollautomatische computerisierte Auswahl (meist durch die ACD-Anlage) stattfinden. Dies erfolgt meist durch die IVR-Anlage in der Warteschlange, indem die Kunden gefragt werden, ob sie bereit wären, nach Beendigung des Gesprächs an einer Befragung zur Qualität des Kontakts teilzunehmen. - Fall 2: Vor oder im Gespräch kann eine computerisierte Vorauswahl stattfinden. Dabei wird dem Mitarbeiter (z.B. nach Identifikation des Kunden) im Gespräch angezeigt, dass er den Kunden an die Befragung weiterleiten soll. Er bittet den Kunden dann am Ende des Gesprächs, an der IVR-Befragung teilzunehmen und leitet ihn an die Befragungsanlage weiter. Aus dem unterschiedlichen Selektionsprozess von Call-Ausgangs- und CallFolgebefragung resultieren bestimmte Vor- und Nachteile, die im Folgenden diskutiert werden. 6.1.4.2.2 Vor- und Nachteile von Call-Ausgangs- und Call-Folgebefragung für die Selektion Die Selektionsmethode muss eine möglichst gezielte Auswahl der Befragungsteilnehmer ermöglichen. Dabei spielen das Vorliegen der Selektionsdaten zum Zeitpunkt der Selektion, die Zielgenauigkeit der Selektion der Befragungsteilnehmer, die Zugänglichkeit der Befragungsteilnehmer, die Ausschöpfungsrate und die Antwortbereitschaft der potentiellen Befragungsteilnehmer, der Mitarbeitereinfluss auf die Selektion und der Einfluss der Selektion auf die Kundenwahrnehmung eine Rolle. Im Folgenden werden Call-Ausgangs- und Call-Folgebefragung im Hinblick auf diese Kriterien verglichen. (1) Vorliegen der Selektionsdaten zum Zeitpunkt der Selektion Eine differenzierte Erhebung ist nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Selektion die benötigten Daten bezüglich Kundensegment/Anliegen vorliegen. Diese werden unterschiedlich generiert. Die Identifikation des Anliegens und/oder Kundensegments kann vor dem eigentlichen Gespräch stattfinden, z.B. durch spezifische Telefonnummer für Anliegen/Kundengruppen oder durch die IVR-Identifikation von Anliegen/Kunde. Sie kann auch während des Anrufs durch den Mitarbeiter erfolgen, indem dieser Anliegen bzw. Kundennummer abfragt und diese Information im System hinterlegt. Dabei muss die Information, welcher Kunde in welche Kundengruppe eingeordnet ist, in der Kundendatenbank hinterlegt sein.

260

6 Kontrollphase

Bei der Call-Ausgangsbefragung muss die Selektion der Befragungsteilnehmer innerhalb kürzester Zeit nach bzw. bei Anrufeingang stattfinden. Bei einer computerisierten Auswahl werden die bekannten Daten zu Kundensegment/Anliegen herangezogen. Bei der Call-Ausgangsbefragung kann es unter Umständen schwierig sein, schon zum Zeitpunkt der Selektion der Befragungsteilnehmer die für die Selektion notwendigen Daten vorliegen zu haben. Soll bspw. ein Kunde eines bestimmten Segments befragt werden, ist zum Zeitpunkt der automatisierten computerisierten Auswahl vor Gesprächsbeginn, aber eventuell auch im Gespräch, nicht unbedingt klar, ob der Anrufer diesem Segment angehört. Es können also nur schwer Customer Care Kontakte mit bestimmten Charakteristika für die Befragung aktiv ausgewählt werden. Es ist deshalb eine größere Menge an Befragungen durchzuführen und deren Ergebnisse sind später den Segmenten zuzuordnen. Bei der Call-Folgebefragung ist anzunehmen, dass die Kunden- bzw. Anliegendaten zu diesen Anrufen beim Kontakt aufgenommen wurden bzw. dass nötige Kundenwertberechnungen in dem Zeitraum zwischen Anruf und Selektion stattfinden können und/oder oder andere für die Differenzierung relevante Daten in der Zeit ermittelt werden können. Die notwendigen Daten liegen daher zum Zeitpunkt der Selektion vor. (2) Zielgenauigkeit der Selektion der Befragungsteilnehmer Bei der Call-Ausgangsbefragung sind die Befragungsteilnehmer direkt nach dem Kontakt noch am Telefon. Damit wird definitiv der Kunde erreicht, der den Kontakt erlebt hat (Anton 1997, S. 79). Bei Call-Folgebefragungen werden aus der Menge der in einem bestimmten Zeitraum eingegangenen Anrufe die Befragungsteilnehmer selektiert. Da diese dann erneut kontaktiert werden müssen, ist bei der Call-Folgebefragung zusätzlich sicherzustellen, dass die Befragung auch durch die Kunden trifft, der den Customer Care Kontakt hatte. Bei der telefonischen Call-Folgebefragung muss der Interviewer dies zu Gesprächsbeginn abklären. Bei Online-Outbound-Befragungen kann man nicht kontrollieren, wer die Fragen letztendlich beantwortet. Es kann nur versucht werden abzusichern, dass der betreffende Kunde die Beantwortung vornimmt. Gibt es zum Beispiel für die Kunden einen personalisierten Bereich mit persönlichem Log-in auf der Internetseite des Unternehmens, wie bspw. beim Online-Banking, kann der Fragebogen dort hinterlegt werden.

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

261

(3) Zugänglichkeit der Befragungsteilnehmer Bei der Teilerhebung müssen aus der Grundgesamtheit die Kunden identifiziert werden, bei denen eine Befragung überhaupt durchführbar ist (zugängliche Grundgesamtheit).61 Bei der Call-Ausgangsbefragung ist definitionsgemäß eine hohe Zugänglichkeit gegeben. Das Unternehmen hat direkten „Zugriff“ auf die Anrufer, da diese gleich im Anschluss an das von ihnen initiierte Gespräch befragt werden können, so dass Kontaktmöglichkeiten nicht erst herausgefunden werden müssen. Bei der Call-Folgebefragung muss das Unternehmen die Kunden nach deren Anruf erneut kontaktieren, was mit Schwierigkeiten verbunden ist: -

Es wird ein Kontaktkanal benötigt. Das Vorhandensein eines Telefonanschlusses (für die telefonische Befragung) ist in der Regel als erfüllt anzusehen, da in der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen wird, dass sich die Kunden telefonisch an das Customer Care Center gewendet hatten. Bei einer OnlineBefragung müssen die Befragten Zugang zum Internet haben, was nicht bei allen Kunden vorauszusetzen ist. Allerdings ist die Internetnutzung in Deutschland relativ verbreitet und steigt noch an. So wurde das Internet im Jahr 2006 von 58,2% der über 14-jährigen deutschen Bevölkerung genutzt, eine Steigerung von über 3% gegenüber dem Vorjahr (o.V. 2006c).

-

Die entsprechenden Kontaktdaten der Kunden müssen vorliegen. Bei einer telefonischen Befragung muss das Unternehmen die Rufnummer und bei der Online-Befragung die E-Mail-Adresse des Kunden kennen. Das Vorliegen entsprechender Daten ist u.a. abhängig vom Kundenstatus (aktueller, potentieller oder verlorener Kunde des Unternehmens und des Customer Care Centers). Hier soll auf die Ausführungen zur Zugänglichkeit der Kunden in Teil 4 verwiesen werden. Bestandskunden und verlorene Kunden des Unternehmens sind für CallFolgebefragungen tendenziell besser zugänglich als Interessenten, da von diesen oft keine Kontaktdaten vorliegen. Wesentlich ist dies, wenn differenzierte Zufriedenheits-Service Level Standards vereinbart wurden, denn dann muss überprüft werden, ob die Call-Folgebefragung für die Erhebung der Zufriedenheit der fokalen Segmente (Kundengruppen/Anliegen) geeignet ist.

61

Diese zugängliche Grundgesamtheit sollte nicht zu stark von der Grundgesamtheit abweichen, da sonst die Repräsentativität beeinträchtigt wird (Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 50).

262

-

6 Kontrollphase

Weiterhin sind gesetzliche Regelungen zu beachten. Bei CallFolgebefragungen liegt hinsichtlich der Zugänglichkeit ein spezielles Problem in den Bestimmungen des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG). Darin wird festgelegt, dass Unternehmen nur die Kunden in Outbound-Anrufen kontaktieren dürfen, die mit dem Unternehmen in einer Geschäftsbeziehung stehen. Daher darf sich auch eine Call-Folgebefragung nur an solche Kunden richten. Dies erschwert die Befragung von Interessenten und verlorenen Kunden. Diese Kundengruppen sind also mit Outbound-Befragungen im Rahmen der rechtlichen Regelungen zunächst nicht zu erreichen. Dieses Problem kann aber umgangen werden, wenn Kunden bei dem ursprünglichen Customer Care Kontakt um ihre Zustimmung zu einer späteren Befragung gebeten werden. Dennoch spricht bei einer großen Menge von Nicht-Bestandskunden im Customer Care Center der Aufwand der Einholung der Erlaubnis (Notwendigkeit der Aufzeichnung und des Beweises der Antwort des Kunden) gegen eine CallFolgebefragung.

(4) Ausschöpfungsrate und Antwortbereitschaft der potentiellen Befragungsteilnehmer Die Ausschöpfungsrate bezeichnet den Anteil der Kunden, die an der Befragung teilnehmen, an der Gesamtzahl von Kunden, die um die Teilnahme an der Befragung gebeten werden. Sie ist Ausdruck der Antwortbereitschaft der Kunden. Mit sinkender Antwortbereitschaft müssen insgesamt mehr Kunden angesprochen werden, um letztendlich die erforderliche Stichprobengröße zu generieren. Im vorliegenden Kontext ist die Antwortbereitschaft besonders wichtig, da die Erhebung jeweils innerhalb der festgelegten Kontrollzyklen stattfinden muss. Grundsätzlich ist die Antwortbereitschaft abhängig von dem materiellen, zeitlichen und psychischen Aufwand der Beantwortung für die Kunden und der Motivation für die bzw. das Interesse an der Befragung. Im Folgenden wird wegen des über alle Befragten hinweg identischen Befragungsthemas von einer gleichen Motivation zur Beantwortung ausgegangen. Damit verbleibt als Kriterium für die unterschiedliche Antwortbereitschaft die verschiedene Aufwandshöhe der Befragungsmethoden. Bei der Call-Ausgangsbefragung stellt sich die Situation wie folgt dar: -

Eine IVR-Befragung ist relativ kurz und erfordert so vom Kunden keine großen Anstrengungen (geringer zeitlicher Aufwand). Allerdings sind psychische Kosten anzunehmen, da es von einigen Kunden als unangenehm empfunden wird, mit

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

263

der IVR-Anlage zu „kommunizieren“. Bei der IVR-Befragung können aber für den Kunden auch materielle Kosten für den Anruf entstehen, die mit der Dauer der Verbindung steigen. Diese sind Kosten abhängig von den Kosten des Anrufs. Handelt es sich um eine teure Servicenummer, wird die Antwortbereitschaft des Kunden geringer sein, als wenn es sich um eine kostenfreie Telefonnummer handelt. Zudem kann ein tatsächliches Hindernis für die Befragung sein, dass die Kunden kein tastenwahlfähiges Telefon haben. -

Die Zahl der Kunden, die zustimmen, an der IVR-Befragung teilzunehmen, wird sehr verschieden eingeschätzt. Bucci (2005) geht von 5-10% der Kunden aus, während Anton (1997, S. 79f.) in einer Studie eine Rücklaufquote von 60% erreicht hat. Anton (1997, S. 79f.) spricht sich wegen der relativ hohen Antwortquote auch für die IVR-Befragung aus und betont, dass es durch die vergleichsweise geringen Kosten einer IVR-Befragung möglich ist, eine statistisch repräsentative Stichprobe auf einem relativ hohen Konfidenzniveau zu befragen.

-

Sicher ist hier auch nach der Form der Auswahl zu unterscheiden. Wird die Weiterleitung zur IVR-Befragung durch den Mitarbeiter übernommen, kann der Mitarbeiter – im Vergleich zur vollautomatischen Auswahl vor Beginn des Gesprächs – möglicherweise mehr Kunden überzeugen, an der Befragung teilzunehmen. Zudem könnten bei der vollautomatischen Auswahl vor Gesprächsbeginn die Kunden im Laufe des Gesprächs ihre ursprüngliche Zusage vergessen, so dass sie nicht daran denken, nach dem Gespräch in der Leitung zu bleiben. In einem Expertengespräch wurden auf Basis von Praxiserfahrungen entsprechende Zahlen genannt, eine Teilnahmequote von 60% bei Weiterleitung durch den Mitarbeiter und von 40% bei Ansage vor Anruf (Expertengespräch 14).

Für die Call-Folgebefragungen gilt Folgendes: -

Bei telefonischen Befragungen wird die Antwortbereitschaft allgemein als relativ hoch eingeschätzt (Böhler 2004, S. 94). Dies liegt daran, dass dem Kunden keine Kosten entstehen und der mentale Aufwand aufgrund der Vertrautheit mit dem Medium Telefon als gering einzuschätzen ist. Die Antwortbereitschaft kann aber themenabhängig von 10% bei Nichtinteresse bis zu 80% und mehr bei Interesse am Thema schwanken (Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 111).

-

Online-Befragungen haben eine geringere Ausschöpfungsrate (Hauptmanns/Lander 2003, S. 37). Als tatsächliche Kosten fallen die Internetverbindungsgebühren an, wobei das variable Entgelt pro Minute vernachlässigbar ist. Wichtiger ist der mentale Aufwand, der entstehen kann, da der Kunde sich im In-

264

6 Kontrollphase

ternet nicht auskennt und/oder Sicherheitsbedenken hat. So brechen Nutzer, die das Internet seit vergleichsweise kürzerer Zeit und auch weniger intensiv pro Woche nutzen, die Befragung eher ab und sind in der Stichprobe unterrepräsentiert (Hahn/Jerusalem 2003, S. 222). Gerade Nutzer mit geringeren allgemeinen Kenntnissen über Computer und Internet fühlen sich nicht ausreichend über das Thema Sicherheit im Internet informiert (o.V. 2006c). Mentaler und zeitlicher Aufwand entsteht auch dadurch, dass der Kunde zunächst anhand des in der E-Mail enthaltenen Links auf eine Internetseite gehen und dort den Fragebogen beantworten muss. Ist zudem ein Log-in notwendig, kann dies zum Abbruch der Bemühungen der Beantwortung der Befragung durch die Kunden führen. Bei OnlineBefragungen gibt es verschiedene Ansätze, die Antwortbereitschaft zu steigern, indem versucht wird, den Aufwand zu senken oder eine entsprechende Kompensation anzubieten, die die Motivation erhöht (u.a. Theobald 2003a; Theobald 2003b). Der Aufwand für die Befragten kann durch eine erhöhte Bequemlichkeit der Online-Befragung gesenkt werden. Zum Beispiel sollte die Möglichkeit gegeben werden, die Befragung zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Die Motivation zur Antwort kann durch die Anwendung von Incentives gesteigert werden, wie der Teilnahme an einem Gewinnspiel oder der Auslobung von Geschenken.62 Zudem sollte den Kunden ein Reminder gesendet werden, wenn sie die Befragung innerhalb eines bestimmten Zeitpunkts nicht beantwortet haben.63 Aufgrund der höheren Ausschöpfungsrate bietet sich die telefonische CallFolgebefragung zwar an, aber auch die Anwendung der anderen Befragungsmethoden ist sinnvoll, wenn die genannten Bedingungen geschaffen werden.

62

63

Deutskens/de Ruyter/Wetzels/Oosterveld (2004) untersuchten die Wirkung verschiedener Incentives für die Teilnahme an der Online-Befragung. Sie ermittelten, dass bei langen Befragungen am effektivsten Gutscheine eingesetzt werden sollten, während bei kurzen Befragungen Gewinnspiele anzuraten sind, insbesondere, da dadurch auch die Antwortgeschwindigkeit steigt. Eine Folgestudie ergab, dass Gewinnspiele mit geringwertigeren aber mehr Preisen und den damit einhergehenden höheren Chancen der Teilnehmer, einen Gewinn zu erzielen, die Responserate am stärksten positiv beeinflussen. Die Studie von Deutskens/de Ruyter/Wetzels/Oosterveld (2004) ergab, dass den Befragten diese Erinnerungen relativ zeitnah geschickt werden sollten, ungefähr eine Woche nach Aussendung der Aufforderung zur Befragung, um die normalerweise schnellen turnaround-Zeiten von online Befragungen auch wirklich zu garantieren.

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

265

(5) Mitarbeitereinfluss auf die Selektion Bei der Call-Ausgangsbefragung kann der zu bewertende Mitarbeiter einen Einfluss auf die Selektion der Befragungsteilnehmer haben, wobei die beiden genannten Selektionsmethoden zu unterscheiden sind. - Bei der vollautomatischen computerisierten Auswahl vor Gesprächsbeginn ist dem Mitarbeiter nicht bekannt, dass der Anrufer an einer Befragung teilnehmen wird und er hat auch keinen Einfluss auf die Auswahl der Befragten. - Im Falle der computerisierten Vorauswahl und Weiterleitung durch den Mitarbeiter ist dieser – wenn auch nur indirekt – an der Auswahl beteiligt. Deswegen ist insbesondere auf die Gefahr der Vorselektion durch den Mitarbeiter hinzuweisen, die die Ergebnisse verfälschen würde (u.a. Wulf 2006, S. 7). Auch wenn eine Vorauswahl erfolgt und dem Mitarbeiter angezeigt wird, welche Kunden er weiterleiten soll, behält er letztlich einen relativ großen Einfluss darauf, welche Kunden an der Befragung teilnehmen. Es ist kaum überprüfbar, ob die ausgewählten Kunden, die aber die Befragung nicht durchführen, die Weiterleitung an die IVR ohne „Zutun“ des Mitarbeiters verweigert haben oder ob der Mitarbeiter selbst die vorher ausgewählten Kunden nicht weitergeleitet hatte, bspw. weil das Gespräch unerfreulich verlaufen war und er folglich eine schlechte Bewertung befürchtet. Damit kann es zu einer gezielten Selektion der Kunden für die Befragung kommen, bei denen der Mitarbeiter sich hohe Zufriedenheitsbewertungen verspricht bzw. er versucht, eine Befragung von Problemkunden möglichst zu vermeiden. Um dem vorzubeugen, muss so auf den Mitarbeiter eingewirkt werden, dass er alle vorher ausgewählten Kunden an die IVR weiterleitet, so dass eine möglichst repräsentative Auswahl von Kunden befragt wird. Es bestehen folgende Möglichkeiten, mit dieser Gefahr umzugehen: Der Mitarbeiter könnte dazu verpflichtet werden, eine bestimmte Konversionsrate (Anteil der wirklich Befragten an den zufällig zur Befragung ausgewählten Kunden) zu erreichen. Darüber hinaus kann versucht werden, durch die Ankündigung des Mithörens der Gespräche die gezielte Selektion der „guten“ Kunden durch den Mitarbeiter zu verhindern. - Aufgrund der nicht ganz abzustellenden Vorselektion der Befragten durch den Mitarbeiter wird der IVR-Call-Ausgangsbefragung grundsätzlich eine eingeschränkte Repräsentativität attestiert, mit der Folge, dass ihre Eignung grundsätzlich angezweifelt und die IVR teilweise zu einem bloßen Stimmungsbarometer herabgestuft wird (Wulf 2006, S. 7). Dem kann nicht zugestimmt werden. Erstens trifft das nur auf die Weiterleitung durch den Mitarbeiter zu und zweitens kann die

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6 Kontrollphase

IVR-Befragung aufgrund der vergleichsweise geringen Kosten von IVRBefragungen auf einer breiteren Basis durchgeführt werden. Dadurch werden mehr Zufriedenheitswerte erhoben und die Repräsentativität der Ergebnisse erhöht sich (o.V. 2001b). Die IVR-Befragung kann also nicht aufgrund einer eingeschränkten Repräsentativität als ungeeignet ausgeschlossen werden. Bei der Call-Folgebefragung hat der Mitarbeiter, der bewertet wird, keinen Einfluss auf die Selektion der Befragungsteilnehmer, da diese nach dem Customer Care Kontakt stattfindet. (6) Einfluss der Selektion auf die Kundenwahrnehmung Bei der Call-Ausgangsbefragung kann – abhängig von der Selektionsmethode – die Kundenwahrnehmung des Customer Care Kontakts beeinflusst werden: - Bei der vollautomatischen computerisierten Auswahl vor Gesprächsbeginn ist dem Anrufer vor Beginn des Gesprächs bekannt, dass er befragt werden wird, wodurch seine Aufmerksamkeit während des Gesprächs erhöht wird. Damit kann er in der Befragung einerseits fundierte Aussagen treffen. Andererseits kann dies seine Wahrnehmung des Kontakts auch verzerren, da er den Kontakt schon von vornherein unter dem Gesichtspunkt der späteren Befragung und nicht mehr als „normales“ Gespräch mit dem Customer Care Center wahrnimmt. Seine Wahrnehmung kann stärker rational beeinflusst werden, so dass emotional geprägte Urteile unterdrückt werden (Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 104). Der Anrufer kann auch insgesamt stärker sensibilisiert werden und daher Aspekte in sein Urteil einbeziehen, die er sonst nicht wahrgenommen hätte. Hier kann es also zu einer Verzerrung der Antworten mit entsprechend negativen Effekten für die Validität kommen. Zudem kann die vollautomatische computerisierte Auswahl vor Gesprächsbeginn die Kundenwahrnehmung des Gesprächs direkt beeinflussen, wobei die Wirkeffekte unterschiedlich sein können: Durch die Abfrage der Bereitschaft zur Befragungsteilnahme wird die Zeit, bis der Kunde mit einem Mitarbeiter verbunden wird, verlängert. Dies kann zu einer geringeren Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit führen. Befindet sich der Kunde allerdings ohnehin in der Warteschlange, kann eine angenehm gestaltete Abfrage der Bereitschaft zur Befragungsteilnahme per IVR zu einer gefühlten Verkürzung der Wartezeit, und damit zu einer höheren Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit, beitragen. - Bei der Vorauswahl und Weiterleitung durch den Mitarbeiter weiß der Anrufer während des Gesprächs nicht, dass er am Ende befragt wird und geht damit un-

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

267

voreingenommener an Gespräch und Befragung heran. Da der Befragte von der Befragung im Anschluss an das Gespräch überrascht wird, trifft er möglicherweise weniger rationale Aussagen. Dies hat aber den Vorteil, dass der spontane Eindruck des Anrufers erfragt wird. Bei der Call-Folgebefragung hat die Selektion keinen Einfluss auf die Kundenwahrnehmung des Customer Care Kontakts, da sie nach dem Customer Care Kontakt stattfindet. Die bisherigen Erkenntnisse werden in Abb. 6-6 zusammengefasst. Kriterium

Call-Ausgangsbefragung

Call-Folgebefragung

Vorliegen der Selektionsdaten zum Selektionszeitpunkt

Schwierig

Gegeben

Zielgenauigkeit der Selektion der Kunden

Gegeben

Notwendigkeit der Absicherung

Zugänglichkeit der selektierten Kunden

Gegeben

Notwendigkeit des Vorhandenseins von Kontaktkanal und Kontaktdaten, Beachtung gesetzlicher Regelungen

Ausschöpfungsrate

Mittel (nicht genau spezifizierbar)

Abhängig von Befragungsmethode (hoch bei telefonischer Befragung, niedrig bei Online-Befragung)

Mitarbeitereinfluss auf die Selektion der Kunden

Abhängig von Selektionsmethode (nur bei Vorauswahl mit Weiterleitung durch den Mitarbeiter)

Nein

Beeinflussung der Kundenwahrnehmung des Customer Care Kontakts durch die Selektion

Abhängig von Selektionsmethode (nur bei vollautomatischer computerisierter Auswahl)

Nein

Abb. 6-6:

Quelle:

Überblick über besondere Herausforderungen der Selektion der Teilnehmer für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung bei den unterschiedlichen Befragungsmethoden Eigene Darstellung

Die Diskussion der Auswahl der Befragungsteilnehmer ist damit abgeschlossen. Der nächste Schritt der Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung ist die Gestaltung des Fragebogens, d.h. der Befragung i.e.S. 6.1.5 Gestaltung des Fragebogens für die Customer Care ZufriedenheitsBefragung Es wurde bereits auf die Notwendigkeit einer hohen Standardisierung der Customer Care Zufriedenheits-Befragung verwiesen. Es ist daher ein standardisierter Fragebogen zu entwerfen. Dafür sind die Zahl der Fragen, die genauen Inhalte des Fragebo-

268

6 Kontrollphase

gens, die Fragenreihenfolge, die Formulierung von Fragen und Fragebogen und die Gestaltung der Skalen einheitlich festzulegen (Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 101; Weis/Steinmetz 2005, S. 125). Im Folgenden sollen die entsprechenden Ausgestaltungsmöglichkeiten für den Fragebogen zur Messung der Zufriedenheitswerte diskutiert und Empfehlungen generiert werden; dabei wird jeweils auf relevante Besonderheiten der Befragungsmethoden eingegangen (Kapitel 6.1.5.1 bis 6.1.5.6). Am Schluss des vorliegenden Kapitels wird auf Basis der Empfehlungen ein Beispielfragebogen vorgeschlagen (Kapitel 6.1.5.7). 6.1.5.1 Maximale Fragenzahl in Abhängigkeit von den Befragungsmethoden Eine Befragung kann höchstens eine bestimmte Zahl von Fragen enthalten (maximale Fragenzahl). Mit zunehmender Zahl an Fragen steigt der Aufwand für die Kunden und damit die Gefahr, dass die Kunden die Befragung aufgrund ihrer erhöhten Dauer abbrechen und dann keine verwertbaren Ergebnisse generiert werden (Böhler 2004, S. 94f.). Die maximale Fragenzahl ist abhängig von der Befragungsmethode. Um die Einhaltung der Zufriedenheits-Service Level Standards überprüfen zu können, muss es möglich sein, innerhalb der maximalen Fragenzahl zumindest die Fragen zu den Zufriedenheitswerten der Leistungsgrößen abzufragen. Die maximale Fragenzahl wurde deswegen schon als Kriterium der Auswahl der Leistungsgrößen für die Zufriedenheits-Service Level Standards diskutiert. Für die folgenden Ausführungen wird von den vier oben festgelegten Zufriedenheits-Service Level Standards ausgegangen. Über die damit notwendigen vier Fragen wird die maximale Fragenzahl damit zu einem der Auswahlkriterien für die Befragungsmethode. Die mögliche Zahl von Fragen kann nicht allgemeingültig bestimmt werden. Wie hoch die Fragenzahl für die Befragung der Customer Care Zufriedenheit tatsächlich liegen darf, muss demnach unternehmensspezifisch durch eine kontinuierliche Überprüfung der Abbruchquoten erhoben werden. Allerdings gibt es einige Anhaltspunkte für die maximale Fragenzahl bei den verschiedenen Befragungsmethoden. - Bei der IVR-Call-Ausgangsbefragung fallen Verbindungskosten an, die oft vom Kunden, abhängig von der Rufnummer ggf. auch vom Unternehmen, getragen werden müssen und die mit der Zahl der Fragen steigen. Es wird für eine IVRBefragung eine Zahl von 4-6 Fragen empfohlen und eine Zahl von 9-10 Fragen als noch akzeptabel bezeichnet (u.a. o.V. o.J.b; Expertengespräche 3, 9). Eines der im Rahmen der Expertengespräche befragten Unternehmen untersuchte die Abbruchquote bei der IVR-Befragung. Diese stieg mit der Anzahl der Fragen an

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

269

und bis zur fünften Frage blieben nur 76-80% der Befragten in der Leitung. Das Unternehmen beschränkt die Zahl der Fragen in der IVR-Befragung aufgrund der kostenpflichtigen Rufnummer daher auf maximal 5-6 Fragen (Expertengespräch 9). - Bei telefonischen mündlichen Call-Folgebefragungen muss der Kunde – im Gegensatz zur IVR-Befragung – keine Kosten tragen, aber für das Unternehmen fallen Kosten für die Verbindung und die Arbeitszeit der befragenden Mitarbeiter an, die mit steigender Fragenzahl wachsen. Es wird grundsätzlich empfohlen, telefonische Befragungen nicht über 15 Minuten auszudehnen und nur eine begrenzte Anzahl von maximal 20 Fragen zu stellen (Weis/Steinmetz 2005, S. 115). Bei Befragungen zu kurzen Customer Care Kontakten muss diese Empfehlung nach unten korrigiert werden. - Zur möglichen Maximalzahl von Fragen bei Online-Befragungen ist die Ansicht verbreitet, dass 20 Fragen eine Höchstgrenze darstellen. In ihrer Studie wiesen Deutskens/de Ruyter/Wetzels/Oosterveld (2004) allerdings nach, dass diese Regel nicht immer gelten muss. Da aber mit der Fragebogenlänge tatsächlich die Menge der ausgewählten Ausweichkategorien (keine Angabe/weiß nicht) und die Abbrecherrate steigen (Deutskens/de Ruyter/Wetzels/Oosterveld 2004), erscheint eine Beschränkung auf ca. 20 Fragen trotzdem sinnvoll. Im Hinblick auf die maximale Fragenzahl bestehen die größten Einschränkungen bei der IVR-Befragung. Dies kann dazu führen, dass bei einer höheren Zahl von abzufragenden Zufriedenheits-Service Level Standards eventuell auf die telefonische Outbound- bzw. die Online-Outbound-Befragung ausgewichen werden muss. Die Voraussetzung dafür, dass in die Befragung zusätzliche Befragungsinhalte aufgenommen werden können, wie in Kapitel 6.1.5.2 vorgeschlagen werden wird, ist, dass die maximale Zahl möglicher Fragen dadurch nicht überschritten wird. 6.1.5.2 Inhalte des Fragebogens der Customer Care Zufriedenheits-Befragung 6.1.5.2.1 Direkte Abfrage der Zufriedenheitswerte der Leistungsgrößen als Kern der Befragung Zur Ermittlung der auf Dimensionsebene festgelegten Ist-Werte für die Zufriedenheits-Service Level Standards ist die Erhebung der Zufriedenheitswerte im Fragebogen nach zwei Varianten denkbar: - Die Werte werden auf Dimensionsebene direkt abgefragt.

270

6 Kontrollphase

- In der Befragung werden die jeweils zu diesen Dimensionen gehörenden Merkmale abgefragt und daraus die Zufriedenheitswerte auf Dimensionsebene aggregiert. Eine solche detaillierte Befragung verringert den Abstraktionsgrad der Fragen für die Kunden, was zu erhöhter Validität führen kann. Allerdings bleibt dann die Herausforderung der Aggregation der Merkmals- zu den Dimensionszufriedenheiten. Um die Dimensionszufriedenheit korrekt berechnen zu können, müssen alle relevanten Merkmale abgefragt werden und alle Bedeutungsgewichte bekannt sein. Dementsprechend drohen erhebliche Ungenauigkeiten. Zudem ist diese Möglichkeit durch die beschränkte maximale Fragenzahl in der Befragung begrenzt. - Es wird empfohlen, die Zufriedenheitswerte der Zufriedenheits-Service Level Standards direkt auf Dimensionsebene abzufragen. 6.1.5.2.2 Abfrage der Gesamtzufriedenheit als wichtige Ergänzung der Befragung Neben den einzelnen Zufriedenheitswerten ist es aus verschiedenen Gründen sinnvoll, auch die Gesamtzufriedenheit abzufragen (Day 1977, S. 177f.; Vavra 1997, S. 132): Die Gesamtzufriedenheit stellt eine zusätzliche Gesamtbeurteilung des Kontaktes aus Kundensicht dar und ist daher inhaltlich interessant für das Unternehmen. Ihr wird in der Praxis ein hoher Stellenwert als Indikator für Veränderungen eingeräumt. Die Gesamtzufriedenheit wird zudem in zahlreichen Analyseverfahren als Input verwendet, bspw. bei Verfahren zur Ermittlung von Bedeutungsgewichten wie der Regressionsanalyse . Entsprechend ergab die Studie von Stauss/Dornach/Coenen (2006, S. 32), dass 86% aller Unternehmen die Gesamtzufriedenheit in die Befragung integrieren. Die Gesamtzufriedenheit könnte theoretisch auch nicht direkt erfragt, sondern aus den erhobenen und gewichteten Teilzufriedenheiten aggregiert werden. Diese Berechnung kann die ausdrückliche Abfrage der Gesamtzufriedenheit aber kaum ersetzen und wird in der Literatur als problematisch kritisiert, da nicht zweifelsfrei klar ist, wie die Kunden das globale Zufriedenheitsurteil aus den Teilzufriedenheiten aggregieren (Day 1977, S. 178; Korte 1995, S. 38ff.). Durch die explizite Abfrage der Gesamtzufriedenheit bleibt dem Kunden die Aggregation überlassen, wodurch die erhobene Gesamtzufriedenheit das vom Kunden tatsächlich empfundene Gesamtzufriedenheitsurteil stärker repräsentiert. Zudem besteht bei der Berechnung der Gesamtzufriedenheit – analog zu der Diskussion, ob die Zufriedenheiten der Dimensionen direkt oder auf Merkmalsebene erfragt werden – die Notwendigkeit, dass alle relevanten Zufriedenheitsdimensionen mit ihren Bedeutungsgewichten

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

271

bekannt sind und die entsprechenden Zufriedenheitswerte abgefragt werden. Diese Bedingung wird aber nicht zwangsläufig erfüllt, etwa wenn in der Ermittlung der relevanten Dimensionen und ihrer Bedeutung Fehler gemacht wurden oder wenn abweichend vom Vorschlag in dieser Arbeit nicht alle relevanten Dimensionen als Leistungsgrößen formuliert wurden. Aus den genannten Gründen wird die direkte Erhebung der Gesamtzufriedenheit empfohlen (Day 1977, S. 178). Neben der notwendigen Abfrage der Zufriedenheitswerte und der Gesamtzufriedenheit soll im Folgenden auf optionale Inhalte der Customer Care ZufriedenheitsBefragung eingegangen werden. Aufgrund ihrer Relevanz soll zunächst die zusätzliche Abfrage der Kundenbindung an das Unternehmen diskutiert werden. 6.1.5.2.3 Abfrage der Weiterempfehlungsbereitschaft zur Einbeziehung der Kundenbindung als empfohlene Ergänzung der Befragung In Teil 3 wurde als Bestandteil des Anforderungskriteriums „Zielbezug“ genannt, dass der Einsatz von Zufriedenheits-Service Level Standards das Erreichen der angestrebten positiven Effekte der Customer Care Zufriedenheit auf Kundenbindung an das Unternehmen erfassbar machen soll. Daher muss die Kundenbindung erhoben und ein Zusammenhang zwischen Customer Care Zufriedenheit und Kundenbindung hergestellt werden. Zur Erhebung der Kundenbindung können zwar zusätzliche, von der Customer Care Zufriedenheits-Befragung losgelöste Befragungen der Kunden und/oder die Beobachtung faktischen Kundenverhaltens erfolgen. Diese Optionen spielen aber im Rahmen der Customer Care Zufriedenheits-Befragung keine Rolle und sollen hier64 nicht betrachtet werden. Im vorliegenden Kontext wird stattdessen vorgeschlagen, eine Abfrage der Kundenbindung in die Customer Care Zufriedenheits-Befragung zu integrieren. Dadurch wird eine direkte Zuordnung der ermittelten Bindungswerte zu den Customer Care Zufriedenheits-Werten ermöglicht und – im Vergleich zu einer gesonderten Befragung – der Befragungsaufwand auf Unternehmens- und Kundenseite minimiert. Für die Abfrage der Kundenbindung in der Customer Care Zufriedenheits-Befragung sind zwei Bedingungen zu erfüllen:

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In Kapitel 7.5 werden diese Optionen wieder aufgegriffen.

272

6 Kontrollphase

1. Es sind geeignete Indikatoren der Kundenbindung zu verwenden. Dafür ist die Definition von Kundenbindung zu konkretisieren. Kundenbindung wird verhaltensorientiert als bisheriges Wiederkauf- und Weiterempfehlungsverhalten und zukünftige Wiederkauf-, Zusatzkauf und Weiterempfehlungsabsicht definiert (in Anlehnung an Meyer/Oevermann 1995, S. 1340, Homburg/Faßnacht 2001, S. 451; Oliver 1997, S. 10). Einige Autoren definieren Kundenbindung stärker einstellungsorientiert und emotional im Sinne einer inneren Verpflichtung dem Unternehmen gegenüber (Diller 1995, S. 20). Diese Einstellung des Kunden zum Anbieter ist aber durch die Weiterempfehlungs- sowie Wiederkaufabsicht abgedeckt (Homburg/Giering/Hentschel 2006, S. 89), deswegen soll hier dem verhaltensorientierten Verständnis von Kundenbindung gefolgt werden. Daher sind folgende Indikatoren der Kundenbindung relevant: Weiterempfehlungsverhalten und Weiterempfehlungsabsicht sowie Wiederkaufverhalten und Wiederkaufabsicht. In jüngster Zeit rückt dabei verstärkt die Weiterempfehlung als Indikator der Kundenbindung in den Vordergrund, da davon ausgegangen werden kann, dass Kunden von einer Leistung sehr überzeugt sein müssen, bevor sie diese im Freundes- und Bekanntenkreis weiterempfehlen (Reichheld 2004; Stauss 2006a, S. 55). Kunden, die Leistungen des Unternehmens stark weiterempfehlen, gehören daher zu den profitablen Kunden (Reichheld 2004). Ausdruck der Bedeutung des Weiterempfehlung ist die Aufmerksamkeit, die in den letzten Jahren in Literatur und Praxis dem sogenannten Net Promoter Score-Ansatz65 gezollt wird, der von Reichheld (2004; 2006) entwickelt wurde und auf der Weiterempfehlung basiert. 2. Die durch die Customer Care Zufriedenheits-Befragung gegebenen Rahmenbedingungen sind einzuhalten. Diese Rahmenbedingungen sind vor allem durch die Wahl der Befragungsmethode bestimmt. Um die Kunden nicht zu überfordern, sollten nur wenige zusätzliche Fragen gestellt werden. Dies trifft für alle der relevanten Befragungsmethoden zu. Bei der IVR-Befragung ist die maximale Fragenzahl zudem ohnehin stark begrenzt.

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Der Net Promoter Score ist der Anteil der „effektiven Förderer“ eines Unternehmens (Reichheld 2006). Er wird berechnet, indem vom Anteil von „Förderern“ (Kunden die ihre Weiterempfehlungsabsicht auf einer Skala von 1-10 mit 9 und 10 als sehr hoch angegeben haben) der Anteil von „Kritikern“ (Kunden, die die Weiterempfehlungsabsicht auf dieser Skala mit 0-6 als niedrig angegeben haben) abgezogen wird. Die „Passiv Zufriedenen“ (mit einer hohen, aber nicht sehr hohen Weiterempfehlungsabsicht von 7 und 8) werden nicht berücksichtigt. Reichheld zeigt den engen Zusammenhang eines hohen Net Promoter Score mit der Wachstumsstärke eines Unternehmens.

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

273

Aufgrund dieser beiden Bedingungen ist für die Abfrage der Kundenbindung ein pragmatischer Umsetzungsvorschlag notwendig. Die erste Entscheidung ist, in Anlehnung an Reichheld als Indikator die Weiterempfehlung auszuwählen. Die zweite Entscheidung betrifft die Abfrage der Weiterempfehlung. Sie kann über die Weiterempfehlungsabsicht und/oder das Weiterempfehlungsverhalten erfragt werden. Zudem ist durch die Konzentration auf die Weiterempfehlungsabsicht nur eine zusätzliche Frage erforderlich. Für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung erscheint aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen eine Abfrage der Verhaltensabsicht sinnvoller. Zum einen kann diese unproblematisch sowohl in die CallAusgangs- als auch in die Call-Folgebefragung integriert werden. Im Gegensatz dazu kann das Verhalten erst mit einem gewissen Abstand vom Customer Care Kontakt erfragt werden, so dass dafür keine Call-Ausgangsbefragung möglich ist und auch die Integration in eine Call-Folgebefragung problematisch ist, da diese sehr schnell nach dem Customer Care Kontakt erfolgen sollte. Zum anderen ist die durch die Konzentration auf die Weiterempfehlungsabsicht nur eine zusätzliche Frage erforderlich. Demzufolge wird hier empfohlen, eine Frage zur Weiterempfehlungsabsicht aufzunehmen. Als mögliche Ergänzung der Befragung wird im Folgenden noch die Abfrage von Zufriedenheitswerten, die über die Leistungsgrößen hinausgehen, diskutiert. 6.1.5.2.4 Abfrage zusätzlicher Zufriedenheitswerte als mögliche Ergänzung der Befragung Bisher wurde davon ausgegangen, dass in der Befragung nur die Zufriedenheitswerte erhoben werden, für die Zufriedenheits-Service Level Standards formuliert wurden. Dadurch werden – abhängig von der Zahl der Leistungsgrößen – sehr wenige Zufriedenheitswerte abgefragt. Es wurde in der Forschung zur Kundenzufriedenheitsmessung allerdings empirisch erwiesen, dass die Verwendung einer möglichst großen Anzahl von Attributen in Kundenzufriedenheitsbefragungen vorteilhaft ist (Wirtz 2003, S. 114). Die genannten Vorteile sind auch für den Customer Care Kontext relevant: Erstens ergeben sich aus der Messung genauere Informationen über verschiedenste von Kunden wahrgenommene Aspekte der Qualität. Dies ist wichtig für die Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen durch den Customer Care Dienstleister aus den Ergebnissen der Customer Care Zufriedenheits-Befragung (siehe Teil 7, vgl. Anforderungskriterium Handlungsorientierheit). Zweitens reduzieren sich Ausstrahlungseffekte, da die Befragten mehr kognitive Anstrengungen leisten. Diese Erhöhung der Antwortqualität wirkt positiv auf die Erfüllung des Anforderungskriteriums Messbarkeit

274

6 Kontrollphase

und Messgenauigkeit. Demzufolge ist zu erwägen, zusätzliche Fragen zur Zufriedenheit der Kunden mit Leistungsaspekten aufzunehmen, für die keine Standards formuliert wurden. Wurden – wie in der Arbeit vorgeschlagen – für alle wesentlichen Dimensionen Zufriedenheits-Service Level Standards formuliert, betrifft dies vor allem die Aufnahme zusätzlicher Merkmale66. Allerdings ist damit der Nachteil verbunden, dass durch die höhere Zahl der Fragen der Aufwand für die Befragung sowohl auf Unternehmens- als auch auf Kundenseite steigt. Zudem sind der Zahl der Fragen abhängig von der Befragungsmethode Grenzen gesetzt (insbesondere bei der IVRBefragung). Daher kann die Aufnahme zusätzlicher Zufriedenheitswerte nicht uneingeschränkt empfohlen werden, sondern die Entscheidung ist mit der Wahl der Befragungsmethode abzustimmen und es sind die Antwortbereitschaft der Kunden des Unternehmens sowie das Budget für die Befragung zu berücksichtigen. 6.1.5.3 Reihenfolge der Fragen in der Customer Care Zufriedenheits-Befragung 6.1.5.3.1 Abfrage der Zufriedenheitswerte der Leistungsgrößen Hinsichtlich der Reihenfolge der Fragen wird in der Literatur zur Zufriedenheitsmessung grundsätzlich empfohlen, den Fragebogen so zu gestalten, dass dieser das Kontakterlebnis im Zeitverlauf widerspiegelt (Danaher/Haddrell 1996, S. 9). Zudem besteht in der Literatur zur Marktforschung Einigkeit darüber, dass die Abfolge der Fragen eine inhaltliche Entwicklung von allgemeinen Fragen hin zu konkreteren Fragen widerspiegeln sollte (Vavra 1997, S. 122; Weis/Steinmetz 2005, S. 127). Für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung soll die Fragenreihenfolge daher am Gesprächsverlauf orientiert sein. Dies wird auch in der Praxis empfohlen bzw. umgesetzt (Meyer/Kantsperger 2005a; o.V. o.J.b; Expertengespräch 9). Daraus ergibt sich folgende Anordnung: Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit, Zufriedenheit mit der Interaktionskompetenz, Zufriedenheit mit der Fachkompetenz und schließlich Zufriedenheit mit der Problemlösung. Die Fragenreihenfolge ist immer auch unter dem Gesichtspunkt möglicher Ausstrahlungseffekte unter den Fragen zu betrachten (vgl. die in Teil 4 vorgestellten Ausstrahlungseffekte der einzelnen Dimensionen der Customer Care Zufriedenheit aufeinander) (Kromrey 2002; Wirtz 2003). Für die Diskussion der Messung ist dies aber

66

Allerdings soll damit nicht empfohlen werden, die Zufriedenheit für die Dimensionen aus den Zufriedenheitsurteilen über die zugehörigen Merkmale zu berechnen, die damit verbundenen Probleme wurden bereits verdeutlicht.

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

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zunächst vernachlässigbar. Wenn die Reihenfolge der Fragen unabhängig von der Befragungsmethode und über alle betroffenen Customer Care Einheiten hinweg immer gleich gewählt wird, kann davon ausgegangen werden, dass auch mögliche Ausstrahlungseffekte nicht unterschiedlich auftreten (Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 100f.). Allerdings sind die möglichen Folgen dieser Ausstrahlungseffekte auf die Beeinflussbarkeit durch den Dienstleister zu berücksichtigen, wenn im Rahmen der Gestaltung (Teil 7) die Interpretation der Ist-Werte diskutiert wird. 6.1.5.3.2 Position der Frage zur Gesamtzufriedenheit unter Berücksichtigung von Ausstrahlungseffekten Wenn neben den Zufriedenheits-Service Level Standards auch die Gesamtzufriedenheit mit dem Customer Care Kontakt abgefragt werden soll, ist zu entscheiden, ob die entsprechende Frage im Fragebogen vor oder nach den Fragen zu den Teilzufriedenheiten gestellt werden soll. Die Position der Frage zur Gesamtzufriedenheit im Fragebogen wird in der Literatur zur Kundenzufriedenheitsmessung stark diskutiert, da davon die Befragungsergebnisse beeinflusst werden (Kromrey 2002; Meffert/Schwetje 1998, S. 80f.; Stauss 1999, S. 14; Vavra 1997, S. 132f.; Wirtz 2003). Die Customer Care Literatur und Praxis liefert keine eindeutigen Ansatzpunkte, da sowohl die Positionierung vor (z.B. Meyer/Kantsperger 2005a) als auch nach den Fragen zu den Teilzufriedenheiten (Anton 1997; App. A; o.V. o.J.b) zu finden ist. Daher soll für die Entscheidung auf die Argumente in der Literatur zurückgegriffen werden. - Bei der Abfrage der Gesamtzufriedenheit vor den Teilzufriedenheitsfragen antworten die Kunden nach Vavra (1997, S. 133, Herv. im Orig.) „on the customers’ own terms“. Sie geben die Höhe der Gesamtzufriedenheit unbeeinflusst durch vorherige Fragen als Bewertung ihrer momentanen Einschätzung der Gesamtzufriedenheit an (Vavra 1997, S. 132). Der Vorteil der Abfrage vor den Teilzufriedenheitsfragen ist, dass daraus interessante Erkenntnisse zur Vollständigkeit der in der Befragung enthaltenen Attribute gewonnen werden können. Wird die Gesamtzufriedenheit durch die Teilzufriedenheiten nicht ausreichend erklärt, ist davon auszugehen, dass relevante Dimensionen in der Befragung nicht berücksichtigt wurden (Vavra 1997, S. 133). Allerdings wird in der Literatur angenommen, dass die Gesamtzufriedenheit insgesamt schlechter bewertet wird, wenn sie vor den Teilzufriedenheitsfragen abgefragt wurde (Meffert/Schwetje 1998, S. 80; Vavra 1997, S. 133). Empirisch konnte diese Aussage von Meffert/Schwetje (1998, S. 80 und 82) nur für schriftliche Befragungsformen nachge-

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6 Kontrollphase

wiesen werden, bei denen Kunden bei der abschließenden Frage nach der Gesamtzufriedenheit ihre bisher angegebenen Teilzufriedenheiten visuell vorlagen. - Wird die Gesamtzufriedenheit nach den Teilzufriedenheitsfragen abgefragt, wurde durch die vorangegangenen Inhalte der Befragung schon relativ klar definiert, auf welche Aspekte sich die Frage nach der Gesamtzufriedenheit bezieht. Kunden bilden sich im Laufe der Befragung eine Meinung über ihre Gesamtzufriedenheit, abhängig von den Zufriedenheitswerten, die sie für die Dimensionen vergeben. Die Bewertung der Gesamtzufriedenheit durch den Kunden wird als „more studied or ‘informed’ “ bezeichnet (Vavra 1997, S. 133) bzw. als stärker kognitiv geprägt (Meffert/Schwetje 1998, S. 80). Eine Erfragung der Gesamtzufriedenheit nach den Teilzufriedenheitsfragen der Befragung wird daher zu einem besseren Erklärungswert der Einzelzufriedenheiten für die Gesamtzufriedenheit führen (Vavra 1997, S. 133). Die Alternativen unterscheiden sich entsprechend vor allem durch den Erklärungswert der Teilzufriedenheiten und das Niveau des Gesamtzufriedenheitswerts. Zur Entscheidung hinsichtlich der Umsetzung bei der Customer Care ZufriedenheitsBefragung ist Folgendes anzumerken: - Zunächst soll die Empfehlung wiederholt werden, eine gleiche Positionierung über alle Befragungen hinweg vorzunehmen, damit die Vergleichbarkeit über verschiedene Einheiten und im Zeitablauf gegeben ist. - Den vereinbarten Zufriedenheits-Service Level Standards liegt ein konkretes „Modell“ der Entstehung der Customer Care Gesamtzufriedenheit zugrunde, das mittels der Verfahren aus Kapitel 4.3 ermittelt wurde. Daher muss hier kein Modell überprüft werden und die Gesamtzufriedenheit kann auch nach den Teilzufriedenheiten angefragt werden. - Weiterhin ist die Befragungsmethode einzubeziehen. Bei den telefonischen Befragungsmethoden (IVR und mündliche telefonische Befragung) liegen die Ergebnisse nicht visuell vor, daher werden sich die Ergebnisse wenig danach unterscheiden, wann die Gesamtzufriedenheit abgefragt wird. Bei der OnlineBefragung ist von der Ausgestaltung abhängig, ob die Ergebnisse vorheriger Fragen vorliegen: Ist der Fragebogen auf der Internetsite auf einer einzigen Seite, auf der der Kunde darin scrollen kann, entspricht dies einem traditionellen schriftlichen Fragebogen. Dann ist anzunehmen, dass die empirischen Ergebnisse von Meffert/Schwetje (1998) für schriftliche Befragungsformen zutreffen, so dass bei der Online-Befragung die Gesamtzufriedenheit schlechter bewertet

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

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wird, wenn sie eingangs abgefragt wird. Teilweise sind Online-Befragungen aber auch so aufgebaut, dass die Fragen auf separaten Seiten gestellt und die Kunden erst nach Beantwortung einer Frage zur nächsten Frage weitergeleitet werden. Dann liegen nach den Teilzufriedenheitsfragen die Ergebnisse nicht mehr visuell vor und die Ergebnisse der Gesamtzufriedenheit unterliegen einer geringeren Beeinflussung durch die Einzelzufriedenheiten. - Es ist also auf Basis der Befragungsmethode zu entscheiden, ob die Frage nach der Positionierung relevant ist. Vor dem Hintergrund der obigen Argumentation ist eine Abfrage der Gesamtzufriedenheit nach den Teilzufriedenheitsfragen für alle Befragungsmethoden immer einsetzbar. Daher wird dies hier empfohlen und im Weiteren wird davon ausgegangen. 6.1.5.4 Formulierung der Customer Care Zufriedenheits-Befragung Bei der Abfrage der Customer Care Zufriedenheit sind die allgemeinen Prinzipien der Frageformulierung zu beachten: Die Fragen müssen einfach, verständlich, genau, unmissverständlich, nicht suggestiv, angenehm und nicht beleidigend sein (Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 103; Weis/Steinmetz 2005, S. 125). Anhaltspunkte zu einer angemessenen Fragenformulierung gibt auch Churchill (1991, S. 381ff.). Darüber hinaus bestehen bei der Customer Care Zufriedenheits-Befragung besondere Herausforderungen für die Fragebogenformulierung. Diese ergeben aus spezifischen Anforderungen an die Customer Care Zufriedenheits-Befragung und werden im Folgenden erläutert. (1) Umsetzung der Bezugnahme der Befragung auf den konkreten Customer Care Kontakt Den Kunden muss in der Befragung explizit bewusst gemacht werden, dass sie die (Transaktions-)Zufriedenheit mit einem Customer Care Kontakt angeben sollen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Kunden ihre Beziehung zum Customer Care Center insgesamt bewerten (Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski 2005, S. 66; Expertengespräche 3, 9). Entsprechend sollte in der Befragung ausdrücklich der Bezug zu einem konkreten Customer Care Kontakt hergestellt werden. Bei der Call-Ausgangsbefragung per IVR ist aufgrund der hohen zeitlichen Nähe davon auszugehen, dass der Bezug der Zufriedenheitsbefragung zum gerade erfolgten Kontakt offensichtlich ist. Dennoch kann ein kurzer Hinweis angebracht sein. Fin-

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6 Kontrollphase

det eine telefonische oder Online-Outbound-Befragung statt, ist der eindeutige Bezug herzustellen, indem in der Befragung auf den jeweiligen Kontakt hingewiesen wird, damit der Kunde die Befragung zuordnen kann (McIntosh 2003, S. 12). Der Bezug der Befragung auf einen konkreten Kontakt ist noch relevanter, wenn differenzierte Zufriedenheits-Service Level Standards vereinbart wurden und Zufriedenheitswerte für verschiedene Kundensegmente und/oder Anliegen erfragt werden müssen. Es muss ein Kunde aus dem für die Differenzierung relevanten Segment die Befragung beantworten. Dies wurde im Rahmen der Auswahl der Befragungsteilnehmer thematisiert. Wenn nach Anliegen differenzierte Zufriedenheits-Service Level Standards vereinbart wurden, kommt hinzu, dass die Bezugnahme der Befragung auf das zu bewertende Anliegen sichergestellt wird. Sonst werden die anliegenspezifischen Zufriedenheits-Service Level Standards verfälscht. Dies ist ein durchaus relevantes Problem: Einerseits wird die Zuordnung von Customer Care Kontakten zu den Anliegenkategorien oft vorgenommen, indem der Mitarbeiter beim Gespräch das Anliegen des Kunden aufnimmt und in die Kontakthistorie einträgt. Andererseits entscheidet der Kunde, welches Anliegen aus seiner Sicht in dem zu beurteilenden Gespräch dominierte und zu welchem Anliegen er das Zufriedenheitsurteil entsprechend abgibt. Allerdings können sich Kunden- und Unternehmenssicht unterscheiden, da die Kategorisierung vom Unternehmen mit Fehlern behaftet sein kann, z.B. der Agent versteht den Kunden nicht richtig oder gibt aus anderen Gründen das falsche Anliegen ins System ein, und die Kundenwahrnehmung subjektiv ist, z.B. erinnert sich der Kunde nicht richtig an sein Hauptanliegen oder hat eine vollkommen andere Wahrnehmung als der Agent, was das dominierende Anliegen war. Da diese Fehler nicht auszuschließen sind, muss bei der eigentlichen Formulierung des Fragebogens der Bezug auf das fokale Anliegen sichergestellt werden. Die Rückversicherung zum Anliegen kann abhängig davon erfolgen, ob eine direkte mündliche Interaktion mit dem Kunden stattfindet. Bei der telefonischen OutboundBefragung ist dies der Fall, so dass direkt abgeklärt werden kann, ob das Anliegen richtig ist. Bei der Online-Outbound-Befragung und der IVR-Befragung erscheint es – wenn überhaupt – nur sinnvoll, den Befragten in der Befragung zu bitten, das Anliegen direkt anzugeben. Bei der IVR-Befragung ist dies aber schwierig, da der Kunde sehr kurz nach dem Kontakt den Grund des gerade geführten Gesprächs nochmals angeben muss.

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

279

(2) Formulierung der Befragung als Aufruf zur Verbesserung und Unterstreichung der Neutralität der Befragung Ein wichtiges Ergebnis einer Studie von Wirtz (2003, S. 112ff.) zur Kundenzufriedenheitsmessung ist, dass Kunden eine höhere Antwortbereitschaft zeigen, korrektere Antworten geben und weniger Verzerrungen durch Ausstrahlungseffekte der Antworten untereinander bestehen, wenn Kunden annehmen, dass die Ergebnisse der Befragung für eine Verbesserung und Weiterentwicklung der Leistung verwendet werden, anstatt für eine Bewertung der Leistungserbringenden (Wirtz 2003). Demnach sollte in der Customer Care Zufriedenheits-Befragung in der Einleitung und/oder den Fragen betont werden, dass die Ergebnisse der Befragung für eine Verbesserung und Weiterentwicklung der Customer Care Leistung und nicht für eine Bewertung der jeweiligen Mitarbeiter verwendet werden. Kunden äußern sich oft weniger kritisch, wenn der Befragende als Repräsentant des Unternehmens bzw. Leistungserbringers wahrgenommen wird (Meffert/Schwetje 1998, S. 85; „Interviewereffekt“). In einem der in Expertengesprächen befragten Unternehmen wurde diese Tendenz empirisch untersucht und bestätigt (Expertengespräch 4). Allerdings kommt es zur Vermeidung des Interviewereffekts nicht nur darauf an, dass die Messung tatsächlich von einem neutralen Drittanbieter durchführt wird, sondern dass der Kunde dies auch so wahrnimmt. Es sollte also durch die Formulierungen der Eindruck der Neutralität der Befragung vermittelt werden, so dass keine positiven Antworttendenzen entstehen. Dies kann eventuell mit der Notwendigkeit kollidieren, glaubhaft zu machen, dass die Befragung eine Anstrengung des Unternehmens zur Verbesserung der Leistung ist. Alternativ können daher die positiveren Antworttendenzen, die zu erwarten sind, wenn Kunden die Befragung als vom Unternehmen durchgeführt wahrnehmen, zunächst in Kauf genommen werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass durch die Standardisierung aller Befragungen verzerrende Effekte ausgeglichen werden. Diese vermuteten Antworttendenzen sollten aber in der Auswertung berücksichtigt werden (siehe Kapitel 6.2.1.3). (3) Wortwahl bei der Abfrage der Zufriedenheitswerte Bei telefonischen Befragungen (IVR und telefonische Call-Folgebefragung) ist auf eine einfache Wortwahl zu achten, da der Kunde die Fragen lediglich auditiv, ohne visuelle Unterstützung, wahrnehmen muss. Die größten Anforderungen hinsichtlich der Verständlichkeit und Präzision bestehen jedoch bei der IVR-Befragung, bei der

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6 Kontrollphase

der Kunde im Gegensatz zur mündlichen telefonischen Befragung keine Möglichkeit hat, Rückfragen zu stellen und Verständnisprobleme zu klären. Speziell bei der IVRCall-Ausgangsbefragung ist zudem großer Wert auf knappe Formulierungen zu legen, um Abbruchquoten niedrig zu halten. Die Online-Call-Folgebefragung bietet dem Kunden eine visuelle Unterstützung bei der Beantwortung. Daher bestehen trotz der fehlenden Rückfragemöglichkeit zwar etwas größere Freiheiten der Formulierung der Fragen, von der Notwendigkeit zur einfachen Fragenformulierung entbindet dies jedoch nicht. Bei der Wortwahl hinsichtlich der zu bewertenden Leistungsgrößen, die auf Dimensionsebene abgefragt werden sollen (Erreichbarkeit, Interaktionskompetenz, Fachkompetenz und Problemlösung), sind die Bezeichnungen der Dimensionen in den Fragen zu verwenden. Dies stößt aber insbesondere bei der Interaktionskompetenz an Grenzen, da dieses Wort relativ abstrakt ist. Dieses Problem besteht weniger für die anderen Dimensionen, da Erreichbarkeit, Fachkompetenz und Problemlösung einfacher verständlich sind. Daher ist zu erwägen, auf eine Umschreibung zurückzugreifen. Diese muss das Phänomen „Interaktionskompetenz“ aber vollständig und nicht nur teilweise erfassen (z.B. Freundlichkeit) und gleichzeitig für den Kunden verständlich sein. Dafür wurde in einem Expertengespräch „Betreuung durch den Mitarbeiter“ vorgeschlagen (Expertengespräch 3), was aber schon mehr als die Interaktionskompetenz umfassen kann. Alternativ kann eine Formulierung wie „Behandlung durch den Mitarbeiter“ verwendet werden. Als weiterer Punkt ist die Möglichkeit der Veränderung des Wortlauts zur Variation der Fragen zu betrachten. Auf die Notwendigkeit einer Standardisierung der Befragung und damit auch der Fragenformulierung wurde hingewiesen, um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse sicherzustellen. Dennoch kann eine Variation der Fragen sinnvoll sein, z.B. um dem Gefühl der Belästigung entgegenzuwirken, das sich bei Kunden aufgrund mehrfacher Befragungen einstellen kann. Durch eine Variation der Fragen haben Kunden nicht den Eindruck, zu genau denselben Punkten schon befragt worden zu sein. Dies kann eine sinnvolle Alternative zu den oben empfohlenen Sperrvermerken für einzelne Kunden sein, wenn diese nicht umsetzbar sind. Voraussetzung dafür ist aber, dass trotz der geänderten Fragestellung die Gütekriterien der Messung erfüllt werden müssen. Unterschiedliche Frageformulierungen dürfen bei gleichem Zufriedenheitsempfinden der Kunden nicht in unterschiedlichen Zufriedenheitswerten resultieren. Um den Gütekriterien gerecht zu werden, muss sichergestellt werden, dass die alternativen Frageformulierungen zu den gleichen Ergebnissen führen. Es sind zunächst alternative Fragen zu formulieren und dann ist empirisch zu

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

281

testen, ob diese zu identischen Zufriedenheitswerten führen. Dies kann durch die vergleichende Befragung von zwei Gruppen von Kunden erfolgen. Ergebnis ist ein Katalog an gleichwertigen Fragen zu jeder Leistungsgröße, aus dem die Fragen für die aktuelle Befragung ohne Probleme ausgewählt werden können. 6.1.5.5 Darstellung der 5er-Zufriedenheitsskala im Fragebogen In Kapitel 5.2 wurde die Entscheidung getroffen, die 5er-Zufriedenheitsskala zu verwenden. Für diese Skala ist in der Customer Care Zufriedenheits-Befragung eine geeignete Umsetzung im Fragebogen vorzunehmen. Durch die Darstellung der Skala sollte den Befragungsteilnehmern gegenüber betont werden, dass die Abstände zwischen den einzelnen Punkten als gleich groß zu interpretieren sind. Nur dann können die mittels der 5er-Zufriedenheitsskala erhobenen Daten als metrische Daten behandelt werden. Dies kann insbesondere bei der Online-Befragung grafisch unterstützt werden. Bei den telefonischen Befragungsformen ist dies nicht möglich. Hier muss das adäquate Vorlesen der Skalenpunkte (bei der IVR-Call-Ausgangsbefragung) oder das Erklären der Skala durch den Interviewer (telefonische Call-Folgebefragung) diese Funktion so gut wie möglich übernehmen. Bei Skalen mit ungerader Anzahl von Skalenpunkten besteht das Problem der Interpretation der Antworten, die in der Mitte der Skala liegen (u.a. Hausknecht 1990): Befragte entscheiden sich häufig nicht nur dann für die Mitte, wenn dies ihrer mittleren Zufriedenheitsausprägung entspricht, sondern auch, wenn sie die Dimension/das Merkmal nicht beurteilen wollen oder können (Hausknecht 1990, S. 3; Matzler/Bailom 2004, S. 281). Daher wird für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung vorgeschlagen, eine zusätzliche Option „Weiß nicht“ oder „Keine Angabe“ anzubieten (Churchill 1991, S. 374f.; Hausknecht 1990; Mühlbacher 1995; Matzler/Bailom 2004, S. 281). Die Möglichkeit ist bei allen Befragungsmethoden gegeben. 6.1.5.6 Ergänzung des Fragebogens durch den Einsatz von offenen Fragen (Freitextfelder) Bisher wurde lediglich auf die Messung der konkreten Zufriedenheits-Service Level Standards abgestellt und dazu die Abfrage der Zufriedenheitswerte auf entsprechenden Skalen vorgeschlagen. Hier soll noch auf einen zusätzlichen Aspekt der Messung der Customer Care Zufriedenheit eingegangen werden, den Einsatz von Freitextfeldern.

282

6 Kontrollphase

In Literatur und Praxis zu Kundenzufriedenheitsbefragungen allgemein und auch zu Zufriedenheitsbefragungen im Call Center Bereich herrscht relativ große Einigkeit darüber, dass der Einsatz von offenen Fragen, deren Antworten in so genannten Freitextfeldern erfasst werden, empfehlenswert ist (Bucci 2005; Oettl/Wagner/Gandolf 2006, S. 94; Vavra 1997; Expertengespräch 12). Durch Freitextfelder wird den Kunden die Möglichkeit gegeben – und sie werden regelrecht dazu aufgefordert -, in der selbst gewünschten Ausführlichkeit und ohne formale Beschränkungen Kommentare zu ihrer Wahrnehmung des Customer Care Kontakts abzugeben. Die Kunden können sich damit ausführlicher zu ihrer Zufriedenheit mit dem Customer Care Center äußern, als dies durch die bloße Angabe von Punktwerten auf der Zufriedenheitsskala möglich wäre (Kuß 2004, S. 73). Auch wenn nicht alle Kunden die Freitextfelder ausfüllen werden, ist anzunehmen, dass gerade die Kunden, die ein besonderes Mitteilungsbedürfnis haben, durch Freitextfelder zur Meinungsäußerung angeregt werden. 1. Freitextfelder können für die Sammlung unterschiedlicher Informationen eingesetzt werden. - Freitextfelder am Ende einer Befragung können sonstige Anmerkungen der Kunden aufnehmen (Vavra 1997). - Von speziellerem Interesse für die im Rahmen der Gestaltung noch zu diskutierende Ableitung von Handlungsempfehlungen aus den Zufriedenheitswerten (siehe Teil 7) ist der Einsatz von Freitextfeldern im Zusammenhang mit den einzelnen Fragen zur Zufriedenheit mit den Leistungsgrößen. Dort kann mittels Freitextfeldern genauer erfragt werden, warum Kunden einen bestimmten Zufriedenheitswert gewählt haben. Im Hinblick darauf, dass aus den Ergebnissen der Kontrolle Handlungsempfehlungen abgeleitet werden sollen, um Customer Care Zufriedenheit (wieder-)herzustellen und Customer Care Unzufriedenheit abzustellen, erscheint der Einsatz von Freitextfeldern insbesondere dann relevant, wenn Kunden auf der Skala schlechte Zufriedenheitswerte angegeben haben (z.B. Zufriedenheitswerte von 4 und 5). Es ist aber auch sinnvoll, bei besonders hohen Zufriedenheitswerten nach einer Begründung zu fragen, um im Rahmen der späteren Ableitung von Handlungsempfehlungen Zufriedenheitstreiber identifizieren und damit sicherstellen zu können, dass die hohen Zufriedenheitswerte auch in Zukunft gehalten werden können (Meffert/Schwetje 1998, S. 89).

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

283

2. Die Umsetzung der Freitextfragen kann in allen Befragungsmethoden erfolgen. - Bei IVR-Befragungen kann der Befragung bspw. eine Ansage nachgeschaltet werden und dann können die Kunden ihre Gedanken auf Band sprechen. Die Kundenkommentare werden dann entweder als Audio-Datei oder transkribiert zur Auswertung an das Unternehmen oder den Dienstleister weitergeleitet. Auf die transkribierte Form sind die meisten Auswertungsinstrumente grundsätzlich leichter anwendbar, diese ist daher zu bevorzugen. Trotzdem kann auch die Aussage eines Kunden im ursprünglichen Wortlaut bzw. als Aufzeichnung sehr wertvoll sein, z.B. bei einem Lob, das dann im Original an den betreffenden Mitarbeiter weitergegeben werden kann. - Bei telefonischen Outbound-Befragungen fragt der befragende Mitarbeiter am Telefon nach und notiert dann die Antwort des Kunden stichwortartig. Da dabei die Gefahr der Verfälschung der Antworten besteht, muss ein ausreichendes Training erfolgen. - Bei Online-Outbound-Befragungen geben die Kunden den Text selbst ein. Im Vergleich der verschiedenen Befragungsmethoden ist zu bemerken, dass insbesondere bei Online-Befragungen relativ ausführliche Antworten zu erwarten sind und teilweise der gesamte Kontakt dargestellt wird, wodurch das Unternehmen Zugang zu deutlich mehr qualitativen Inhalten erhält (Expertengespräch 13). Dies wird darauf zurückgeführt, dass es sich bei Kunden, die an OnlineBefragungen teilnehmen, um involviertere Kunden handelt, die auch schon durch die Teilnahme an der Befragung, zu der eine Initiative notwendig war, besonderes Engagement gezeigt hatten (Lanninger 2003; Theobald 2003a; Expertengespräch 13). Durch den Einsatz von Freitextfeldern können Zusatzinformationen gewonnen werden, die über die eigentliche Abfrage der Zufriedenheits-Service Level Standards hinausgehen. Obwohl die so gewonnenen Erkenntnisse nicht repräsentativ sind, können sie einen wertvollen Beitrag zur Interpretation der Zufriedenheitsmesswerte leisten. Daher wird empfohlen, Freitextfelder in die Customer Care ZufriedenheitsBefragung aufzunehmen. 6.1.5.7 Vorschlag eines Beispielfragebogens Als Ergebnis der Diskussion der Ausgestaltung des Fragebogens wird ein Beispielfragebogen für die Customer Care Zufriedenheits-Befragung vorgeschlagen (siehe

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6 Kontrollphase

Abb. 6-7). Im Fragebogen sind in eckigen Klammern verschiedene Optionen enthalten, nach denen abhängig von den Befragungsmethoden und/oder den Befragungsergebnissen die Befragung unterschiedlich gestaltet wird. Er muss daher vor Anwendung entsprechend angepasst werden. Dieser Beispielfragebogen entspricht den formulierten Anforderungen: -

Einleitung und Schluss vermitteln dem Kunden das Gefühl, zur Verbesserung beitragen zu können. Das Wort „Customer Care Center“ wurde nicht verwendet, sondern durch die Formulierung „telefonische Kundenbetreuung“ ersetzt.

-

Die Hinleitung zu den Fragen stellt den Bezug zum konkreten Customer Care Kontakt her, unterschieden danach, ob es eine Call-Ausgangs- oder eine CallFolgebefragung ist. Dabei kann optional das Anliegen nochmals erfragt werden (IVR- und Online-Befragung) bzw. direkt der Bezug auf das richtige Anliegen abgeklärt werden (mündliche telefonische Befragung).

-

Im Fragenblock zur Zufriedenheit entspricht die Fragenreihenfolge dem Erleben im Gespräch und die Frage nach der Gesamtzufriedenheit steht am Ende des Fragenblocks zu den Teilzufriedenheiten. Die Formulierung der Frage nach der Interaktionskompetenz ist gut verständlich. Die Kunden können ihre Antworten auf der 5er-Zufriedenheitsskala abgeben. Bei deren Darstellung wurden die gleichmäßigen Abstände grafisch und durch die Verwendung der Zahlen betont. Bei der IVRund der mündlichen telefonischen Befragung muss dies durch die Artikulation der Antwortmöglichkeiten „hörbar“ gemacht werden. Zudem wird eine Ausweichoption angeboten und es sind Freitextfelder bei schlechten Bewertungen vorgesehen.

-

In einem zweiten Fragenblock ist eine Frage zur Weiterempfehlungsabsicht enthalten. Die Umsetzung erfolgte in Anlehnung an Reichheld (2004). Reichheld (2004) testete in seiner Studie verschiedene Formulierungen zur Abfrage der Weiterempfehlungsabsicht und empfahl ungeachtet der Branche die Formulierung „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Unternehmen X an einen Freund oder Kollegen weiterempfehlen werden?“. Diese Formulierung wird übernommen. Zwar schlägt Reichheld (2004; 2006) eine 10-stufige Skala von Null für "unwahrscheinlich" über Fünf für "neutral" und Zehn für "außerordentlich wahrscheinlich" vor. Hier soll die Skala aber an die schon bei der Zufriedenheit verwendete 5er Skala angepasst werden, um den Kunden die Beantwortung zu erleichtern. Daher wird eine Skala von eins – „äußerst wahrscheinlich“ bis fünf – „äußerst unwahrscheinlich“ vorgeschlagen und analog eine Ausweichoption vorgesehen.

-

Ein dritter Fragenblock enthält Frage zu weiteren Anmerkungen der Kunden.

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

285

Kontakt-Code (zur Identifizierung des zugrunde liegenden Kontakts):_____________________

Befragungsdatum:______________________

Wir möchten unsere telefonische Kundenbetreuung für Sie verbessern und danken Ihnen daher herzlich für Ihre Bereitschaft, an dieser kurzen Befragung teilzunehmen. A [Bei Call-Ausgangsbefragung] „Dürfen wir Sie bitten, uns nun Ihren Eindruck über das Gespräch, dass Sie gerade mit dem Mitarbeiter am Telefon hatten, zu schildern?“ B [Bei Outbound-Befragungen] „Sie haben [am xx.xx.200x; …] die telefonische Kundenbetreuung kontaktiert.“ Alternativ zusätzlich: - bei tel. Outbound-Befragung: „Sie hatten zum Problem xyz mit einem unserer Mitarbeiter gesprochen, ist das richtig?“ - bei Online-Outbound-Befragung: „Nennen Sie uns bitte nochmals den Grund ihres Anrufs am xx.xx.xxxx“ „Denken Sie nun bitte an das Gespräch zurück.“ Vollkommen zufrieden

Sehr Zufrieden zufrieden

Weniger zufrieden

Unzufrieden

Weiß nicht/ keine Angabe

Wie zufrieden waren Sie mit der Erreichbarkeit der telefonischen Kundenbetreuung?

1

2

3

4

*

5

*

?

Wie zufrieden waren Sie mit der Fachkompetenz des Mitarbeiters am Telefon?

1

2

3

4

*

5

*

?

Wie zufrieden waren Sie mit der Behandlung durch den Mitarbeiter am Telefon?

1

2

3

4

*

5

*

?

5

*

?

5

*

?

Wie zufrieden waren Sie mit der Lösung Ihres Problems?

1

2

3

4

*

Wie zufrieden waren Sie insgesamt mit Ihrem Anruf bei der der telefonischen Kundenbetreuung?

1

2

3

4

*

*[Optionale Nachfrage bei Auswahl der Kategorien 4 oder 5 bei einer Frage: „Sie waren mit [Leistungsgröße] weniger zufrieden/unzufrieden. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns genauer mitteilen, woran dies lag.“] Nach ihrer letzten Erfahrungen mit der telefonischen Kundenbetreuung, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie [Auftraggeberunternehmen xyz] an einen Freund oder Kollegen weiterempfehlen werden?

Äußerst Äußerst Neutral Weiß nicht/ wahrscheinlich unwahrscheinlich keine Angabe Unwahrscheinlich Wahrscheinlich

1

2

3

4

5

?

Haben Sie noch Anmerkungen rund um Ihren Kontakt mit der telefonischen Kundenbetreuung? Haben Sie vielen Dank für Ihre Teilnahme an der Befragung! Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Tag!

Abb. 6-7: Quelle: -

Beispielfragebogen zur Messung der Zufriedenheit für die Leistungsgrößen der Zufriedenheits-Service Level Standards im Customer Care Center Eigene Darstellung

Formal ist der Fragebogen zudem für alle Befragungsmethoden mit einem mitzuführenden Feld „Kontakt-Code“ versehen. Dieses identifiziert den Kontakt, auf den die Befragung sich bezieht. Welche Informationen zu diesem Kontaktcode in der Datenbank hinterlegt sind (z.B. Datum des Kontakts, Kundennummer, Kundensegmentinformationen, Anliegeninformationen, Information von welchem Center/Team/Mitarbeiter der Anruf bearbeitet wurde), hängt von der konkreten Befra-

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6 Kontrollphase

gung und den vereinbarten Regelungen hinsichtlich der arbeitsplatzindividuellen Auswertungsmöglichkeiten ab. Mit diesem Beispielfragebogen ist die Konzeption des Erhebungsinstrumentariums abgeschlossen. Der Fragebogen sollte vor dem endgültigen Einsatz allerdings einem Pretest an einer kleinen Kundengruppe unterzogen werden, um die Verständlichkeit der Fragen, die Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Antwortvorgaben sowie die veranschlagte Befragungsdauer abzusichern (Mayer 2002, S. 97). 6.1.6 Zwischenfazit: Auswahl der Befragungsmethoden bei verschiedenen Bedingungen der Customer Care Zufriedenheits-Befragung Basierend auf den bisherigen Ausführungen zur Konzeption des Erhebungsinstrumentariums kann folgende Checkliste zusammengestellt werden. Damit sollen unternehmensspezifisch unterschiedliche Bedingungen bei der Wahl der Befragungsmethode berücksichtigt werden können (siehe Abb. 6-8). Je nachdem, welche Bedingungen im Unternehmen vorliegen (linker Teil der Abbildung), unterscheiden sich die empfohlenen Befragungsmethoden (rechter Teil der Abbildung). Ergibt sich eine einheitliche Empfehlung, kann diese umgesetzt werden, sonst muss das Unternehmen eine Gewichtung der Kriterien vornehmen. Sprechen keine wesentlichen Kriterien in der Checkliste dagegen, bietet es sich allerdings an, die IVR-CallAusgangsbefragung als Befragungsmethode einzusetzen, da sie mit dem geringsten Aufwand verbunden ist. Mittels der entwickelten Customer Care Zufriedenheits-Befragung sind im Rahmen der Laufzeit des SLA die Zufriedenheitswerte zu erheben. Die erhobenen Daten gehen dann in die Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards ein. Werden bei der Befragung zudem Freitextfelder eingesetzt, müssen die angegebenen Kundenantworten gesammelt werden. Die Auswertung der Freitextfelder muss durch eine Inhaltsanalyse erfolgen (Mayring 2000). Dies kann auch softwaregestützt erfolgen, was sich insbesondere bei einem hohen Aufkommen von Freitextantworten anbietet.

6.1 Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung

287

Empfohlene Befragungsmethode(n)

Unternehmensspezifische Bedingungen ja Zahl der Zufriedenheits-Service Level Standards größer als 4-5?

Erfassung von über die Zufriedenheits-Service Level Standards hinausgehenden Zufriedenheitswerten gewünscht?

Gesamtkontaktzahl hoch (verbessert die Möglichkeit, auch bei geringer Response die notwendige Stichprobe ziehen zu können)?

Tel/Online

nein

IVR/Tel/Online

ja

Tel/Online

nein

IVR/Tel/Online

ja

IVR/Online

nein

Tel

ja

IVR/Tel/Online

nein

IVR

ja

Tel/Online

nein

IVR

ja

IVR

nein

IVR/Tel/Online

Kontaktdaten (E-Mail-Adressen, Telefonnummern) vorhanden?

Hohe Anzahl von Kontaktdaten?

Kontakhäufigkeit sehr hoch (erschwert die Abfrage der Zufriedenheit mit dem letzten Kontakt)?

Vermeidung der Vorselektion der Teilnehmer durch den Mitarbeiter bei der IVR-Befragung möglich (Vertrauen/Überwachung)?

ja nein ja

Problemlösung bei den meisten Anliegen sofort möglich?

IVR (oder Tel/Online) IVR mit automatischer Vorauswahl oder Tel/Online IVR

nein

Tel/Online

ja

Online (Tel)

nein

IVR

Notwendigkeit ausführlicherer Ergebnisse (z.B. Erlebnisschilderungen)?

Erklärung der Abkürzungen: IVR = IVR-Call-Ausgangsbefragung, Tel = mündliche telefonische Call-Folgebefragung, Online = Online-Call-Folgebefragung ---------- = inhaltlich miteinander verbundene Kriterien

Abb. 6-8: Quelle:

Checkliste wichtiger Kriterien der unternehmensspezifischen Auswahl der Befragungsmethoden Eigene Darstellung

In Kapitel 6.1 wurde die Ausgestaltung der Customer Care Zufriedenheits-Befragung umfassend diskutiert. Es wurde die Abfrage der Customer Care Zufriedenheit direkt nach dem Kontakt, maximal mit wenigen Tagen Verzögerung empfohlen. Drei relevante Befragungsmethoden wurden identifiziert, die IVR-Call-Ausgangsbefragung,

288

6 Kontrollphase

die telefonische und die Online-Call-Folgebefragung. Deren besondere Charakteristika und Anforderungen wurden bei der Konzeption der Customer Care Zufriedenheits-Befragung berücksichtigt. Es wurden Empfehlungen für die Auswahl der Befragungsteilnehmer und die Gestaltung des Fragebogens gegeben. Als Ergänzung der Abfrage der Zufriedenheitswerte zu den Leistungsgrößen im Fragebogen wurde die zusätzliche Abfrage der Weiterempfehlungsabsicht für die Leistungen des Unternehmens nach dem Customer Care Kontakt, die Abfrage der Gesamtzufriedenheit und von über die Zufriedenheits-Service Level Standards hinausgehenden Zufriedenheitswerten und die Aufnahme von Freitextfeldern empfohlen. Als praktisch nutzbare Zusammenfassung der Gestaltungsempfehlungen für den Fragebogen wurde ein Beispielfragebogen entwickelt. Schließlich wurde auf Basis der Diskussion der Ausgestaltungsoptionen der Customer Care Zufriedenheits-Befragung eine Checkliste für die Auswahl zwischen den möglichen Befragungsmethoden entworfen.

6.2 Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards Die Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards werden aus den Zufriedenheitsdaten ermittelt, die im Rahmen der Laufzeit des SLA auf Basis der entwickelten Customer Care Zufriedenheits-Befragung erhoben werden. Auf das Vorgehen und auf Herausforderungen bei der Ermittlung der Ist-Werte der ZufriedenheitsService Level Standards aus den erhobenen Daten wird im Folgenden eingegangen. 6.2.1 Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards Die Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards müssen jeweils innerhalb einer begrenzten Zeitspanne (entsprechend der Kontrollzyklen) ermittelt werden, damit sie in die Berechnung der Maluszahlungen eingehen können. In Kapitel 6.2.1 wird zunächst das grundsätzliche Vorgehen zur Ermittlung der Ist-Werte erläutert (Kapitel 6.2.1.1). Daran anschließend werden zwei besondere Herausforderungen diskutiert: Die Ermittlung der Ist-Werte für verschiedene Customer Care Einheiten (Kapitel 6.2.1.2) und die Berücksichtigung möglicher verzerrter Antworten (Kapitel 6.2.1.3).

6.2 Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards

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6.2.1.1 Grundsätzliches Vorgehen bei der Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards Um aus den Messergebnissen die Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards zu ermitteln, müssen die entsprechenden Zufriedenheitsurteile für die betroffenen Leistungsgrößen über alle Kunden aggregiert werden. Als Voraussetzung dafür sind die Daten zunächst aufzubereiten. Die von Kunden angegebenen Antworten wurden bei allen angesprochenen Befragungsmethoden schon erfasst, eine gesonderte Eingabe der Daten ist also nicht nötig. Unvollständig ausgefüllte Fragebögen müssen aber ausgesondert werden. Die erhobenen Werte werden zudem einem Plausibilitätscheck unterzogen. Dieser umfasst u.a., ob die Befragten die Skalen richtig interpretiert und verwendet haben, ob es weitere Auffälligkeiten in der Skalennutzung gibt, die vor der Auswertung mittels mathematischer Verfahren korrigiert werden müssen (z.B. Schiefverteilung der Daten) (Bucci 2005; Weis/Steinmetz 2005; Westbrook 1980). Auf Basis der aufbereiteten Daten können die Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards ermittelt werden. Dazu werden – abhängig davon, ob nur Mindeststandards der Customer Care Begeisterung oder zusätzlich Höchststandards für die Customer Care Unzufriedenheit festgelegt wurden – für die ZufriedenheitsMindeststandards die Werte der Top Boxes und für die UnzufriedenheitsHöchststandards die Werte der Bottom Boxes zusammengefasst. Die ermittelten Werte müssen dem Kriterium der statistischen Signifikanz genügen. Dies ist zu überprüfen. Wurden differenzierte Zufriedenheits-Service Level Standards vereinbart, müssen diese berechnet werden. Voraussetzung dafür ist, dass in der Stichprobe die angestrebte Verteilung von Kriterien erreicht wurde. Sollte es in dem betreffenden Zeitraum wider Erwarten die dazugehörigen Customer Care Kontakte nicht gegeben haben (z.B. keine oder zu wenige Anrufe eines bestimmten Kundensegments oder zu einem bestimmten Anliegen), existiert keine diesbezügliche Grundgesamtheit. In Kapitel 5.2.5.1 wurde als Voraussetzung der Differenzierung genannt, dass im Vorhinein sichergestellt werden muss, dass das betrachtete Differenzierungskriterium innerhalb des Anrufaufkommens ausreichend vertreten ist. Ist dies dennoch nicht der Fall, kann der Ist-Wert für den Zeitraum nicht ermittelt werden und demzufolge ausnahmsweise auch nicht in die Maluszahlung eingehen. Im Regelfall sollte dieses Problem aber nicht auftreten.

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6.2.1.2 Ermittlung der Ist-Werte der Zufriedenheits-Service Level Standards für verschiedene Steuerungsebenen als Herausforderung Es soll an das in Teil 3 formulierte Anforderungskriterium „Informationsgehalt“ erinnert werden. Danach sollen die Zufriedenheits-Service Level Standards vergleichende Aussagen zur Leistung von Customer Care Einheiten auf verschiedenen Steuerungsebenen erlauben (Mitarbeiter, Teams, Customer Care Center und Customer Care Dienstleister). Dies ist einerseits für die richtige Berechnung der Vergütung notwendig, andererseits für die Information, welcher Mitarbeiter, welches Team, welches Customer Care Center und/oder welcher Dienstleister die Qualität seiner Leistungen verbessern muss. Es müssen spezifische Ist-Werte der ZufriedenheitsService Level Standards für einzelne Customer Care Center Center, Teams und idealerweise auch einzelne Mitarbeiter innerhalb der Center ermittelt werden und zudem – sofern relevant – für die verschiedenen Customer Care Dienstleister. Dabei bestehen folgende Herausforderungen: Die Berechnung kann datenschutzrechtlich problematisch sein. Dies betrifft vor allem die Auswertung für einzelne Mitarbeiter, die nur möglich ist, wenn dem keine anderslautende Betriebsvereinbarung entgegensteht. Gerade bei externen Customer Care Dienstleistern bestehen hier oft bessere Möglichkeiten, da diese oft flexiblere Betriebsvereinbarungen bzw. keinen Betriebsrat haben. Zudem sind sie stärkerem Wettbewerbsdruck ausgesetzt und können solche Auswertungen den Mitarbeitern gegenüber eher durchsetzen (Expertengespräche 3, 11, 13). Auswertungen auf Teamebene sind unproblematisch (Expertengespräche 2, 3, 11). Voraussetzung für die Ermittlung spezifischer Ist-Werte ist die klare Zuordnung der gemessenen Werte zu einzelnen Customer Care Einheiten. Die Zurechnung kann nur erfolgen, wenn die gemessenen Zufriedenheitswerte mit Daten verknüpft werden können, die darüber Auskunft geben, welche Einheit den Anruf bearbeitet hat. Dies kann problematisch sein, wenn ein Routing der Anrufe erfolgt, das im Nachhinein nicht nachzuvollziehen ist, da Anrufer nicht nach einem definierten Prinzip, z.B. regional, alphabetisch nach Kundennamen o.ä., auf die Mitarbeiter/Teams/Center/Dienstleister verteilt werden, sondern mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden. In dem Fall muss für jeden Customer Care Kontakt protokolliert werden, durch welche Customer Care Einheit der Anruf bearbeitet wurde. Nur so kann im Nachhinein eine Zuordnung der Messwerte zu bestimmten Mitarbeitern/Teams/Centern/Dienstleistern erfolgen.

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Hinsichtlich der Ermittlung der Zufriedenheits-Service Level Standards auf Mitarbeiter-, Team-, Center- oder Dienstleisterebene ist aber noch auf ein weiteres Problem hinzuweisen. Diese ist nur einheitlich möglich, wenn alle Mitarbeiter, Teams, Center oder Dienstleister mit einem ähnlichen Querschnitt von Kundensegmenten und Anliegen konfrontiert sind. Ansonsten sind die Zufriedenheitswerte möglicherweise auf verschieden anspruchsvolle Kundengruppen oder problematische Anliegen zurückzuführen. Dann sind die Werte der verschiedenen Customer Care Einheiten nicht vergleichbar. Wäre bspw. ein Mitarbeiter, Team oder Dienstleister nur für einen Key Account-Kundenkreis oder nur für Beschwerden zuständig, wären die über seine Kundenkontakte hinweg gemessenen Zufriedenheitswerte wahrscheinlich systematisch verschieden von Customer Care Einheiten, die nur mit Account-Kunden und Informationsabfragen konfrontiert werden. Dasselbe könnte auch für Mitarbeiter, Teams, Center oder Dienstleister gelten, die Anliegen bezüglich verschiedener Kernleistungen bearbeiten. Gibt es keine institutionalisierte Zuordnung von Customer Care Kontakten zu Mitarbeitern, Teams, Centern oder Dienstleistern, sollte regelmäßig überprüft werden, ob sich eine ungeplante Häufung von Anliegen/Kundensegmenten bei einzelnen Customer Care Einheiten gebildet hat. Dies muss bei der Ermittlung berücksichtigt werden. 6.2.1.3 Unterschiedliches Antwortverhalten bei verschiedenen Befragungsmethoden als Herausforderung Mit den verschiedenen Befragungsmethoden ist ein unterschiedliches Antwortverhalten der Kunden verbunden. Das kann zu einer systematischen Verzerrung der Antworten führen. Unterschiedliche Zufriedenheitsniveaus werden dann durch die Befragungsmethode und nicht durch tatsächliche Unterschiede in der Zufriedenheit verursacht (Meffert/Schwetje 1998, S. 85ff.; Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski 2005, S. 65f.; Expertengespräch 13). Das Vorliegen unterschiedlicher Messniveaus abhängig von der Befragungsmethode ist im Customer Care Kontext relevant und wurde empirisch nachgewiesen. Studien eines Marktforschungsdienstleisters (Expertengespräch 13) zeigen systematische Unterschiede im Antwortverhalten bei telefonischen und Online-Befragungen und damit im Zufriedenheitsniveau, das bei Online-Befragungen niedriger ist. Diese Erkenntnis wurde in einem der Expertengespräche explizit bestätigt (Expertengespräch 11). Im Vergleich von IVR-Call-Ausgangsbefragung und OnlineOutboundbefragung ermittelten Meyer/Kantsperger/Wilkoszewski (2005, S. 65f.) ebenso ein systematisch niedrigeres Zufriedenheitsniveau der Online-Call-

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Ausgangsbefragung: Die durchschnittliche Gesamtzufriedenheit bei der OnlineBefragung betrug 2,29 auf der 5er-Zufriedenheitsskala, während in der IVRBefragung eine durchschnittliche Globalzufriedenheit von 1,95 erreicht wurde. Für die Teilzufriedenheiten mit Customer Care Leistungsmerkmalen gelten analoge systematische Unterschiede. Im Folgenden wird zunächst auf Gründe unterschiedlichen Antwortverhaltens und danach auf Konsequenzen für den Umgang damit eingegangen. (1) Gründe unterschiedlichen Antwortverhaltens Gründe unterschiedlichen Antwortverhalten, die im Kontext der Customer Care Zufriedenheits-Befragung relevant sind, liegen in der Selbstselektion der Befragungsteilnehmer, in sozial erwünschtem Antwortverhalten und in der unterschiedlichen Reflektionszeit der Kunden vor und während der Befragung. Diese werden im Folgenden erläutert. Die Teilnahme an Kundenzufriedenheitsbefragungen beruht auf der Freiwilligkeit des Kunden. Daraus entsteht das Problem der so genannten Selbstselektion, d.h. Kunden entscheiden gemäß ihrer eigenen Bedürfnisse und Erfahrungen abhängig vom Befragungsaufwand, ob sie an der Befragung teilnehmen (Bryson 1976, S. 185). Bei Selbstselektion ist die Repräsentativität der Stichprobe in Bezug auf die zu untersuchende Customer Care Zufriedenheit nicht gewährleistet, da Kunden mit bestimmten Ausprägungen der Zufriedenheit mit dem Customer Care Kontakt in der Befragung über- bzw. unterrepräsentiert sind. Durch die Selbstselektion sind tendenziell Kunden mit sehr hohen oder sehr niedrigen Customer Care Zufriedenheits-Werten, mit ungelösten Problemen, mit höherem Mitteilungsbedürfnis oder mit höherem Involvement beim Customer Care Kontakt (z.B. aufgrund eines wichtigen oder dringlichen Anliegens oder einer wichtigen/teuren Kernleistung) in der Befragung überrepräsentiert (Vavra 1997, S. 207; Expertengespräch 13). Die Gefahr der Selbstselektion besteht insbesondere bei der Online-Befragung (Hauptmanns/Lander 2003; Expertengespräch 13). Bei der IVR- und der mündlichen telefonischen Befragung haben alle Teilnehmer – unabhängig von ihrer Erfahrung mit dem Customer Care Center und ihrer Motivation – die gleiche Teilnahmechance (Expertengespräch 13), so dass keine starken Selbstselektionseffekte zu erwarten sind. Abhängig von den Befragungsmethoden unterscheidet sich, ob Kunden zur sozial erwünschtem Antwortverhalten tendieren. Das bedeutet, dass die Befragten ver-

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suchen, eine „richtige“ Antwort im Sinne des Fragenden oder gesellschaftlicher Normen zu geben (Bortz/Döring 2005). Dadurch geben die Antworten die tatsächliche Einschätzung der Zufriedenheit durch die Kunden nicht richtig wieder. Dies führt zu einer Verzerrung der Messergebnisse der Customer Care Zufriedenheit (Hahn/Jerusalem 2003, S. 233). Zu sozial erwünschtem Antwortverhalten kommt es vor allem, wenn die wahrgenommene Anonymität der Befragungssituation gering ist. Im Vergleich der verschiedenen Befragungsmethoden besteht die geringste Anonymität bei der telefonischen Call-Folgebefragung. Bei Online-Befragungen wird die Anonymität in der Befragungssituation im Vergleich zur telefonischen Befragung als höher empfunden. Der Verzerrungseffekt sozial erwünschter Antworten nimmt ab und das Antwortverhalten wird ehrlicher (Lanninger 2003). Eine IVR-Befragung erscheint einerseits als relativ anonym, da eine Interaktion mit einer Maschine erfolgt. Andererseits kann der Kunde die IVR-Befragung durch die zeitliche Nähe zum Gespräch als nur eingeschränkt anonym wahrnehmen, so dass doch sozial erwünschtes Antwortverhalten resultiert. Die empfohlene Betonung der Unabhängigkeit des Befragenden vom eigentlichen Interaktionspartner des Customer Care Kontakts kann die wahrgenommene Anonymität erhöhen, auch in der telefonischen Befragungssituation. Die Kunden können abhängig von der Befragungsmethode unterschiedlich lange Reflektionszeit zwischen Kontakt und Befragung sowie in der Befragungssituation haben. Die relevanten Befragungsmethoden erlauben einen unterschiedlich hohen Reflexionsgrad. Bei der Call-Ausgangsbefragung hat der Kunde keine Zeit, seine Anruferfahrungen vor der Befragung zu reflektieren und auch innerhalb der Befragung bleibt ihm wenig Zeit zum Nachdenken. Bei der telefonischen CallFolgebefragung kann schon eine Reflexion des erlebten Kontakts stattgefunden haben, aber während der Befragung selbst bleibt auch kaum Zeit zur Reflektion. Bei der Online-Call-Folgebefragung indessen kann der Kunde sich aufgrund der erhaltenen Ankündigung schon vor der eigentlichen Befragung Gedanken zu seiner Zufriedenheit machen. Während der eigentlichen Befragung kann der Kunde dadurch, dass er die Fragen vor sich hat und die Bearbeitungszeit selbst bestimmt, länger nachdenken und dabei den Kontakt Revue passieren lassen (Lanninger 2003; Expertengespräch 8). Je mehr Möglichkeiten der Kunde zur Reflektion seiner Erlebnisse hat, desto eher wirken Effekte der kognitiven Anpassung der wahrgenommenen Leistung auf die Zufriedenheitsurteile. Hier ist insbesondere auf die Assimilations-Kontrast-Theorie zu verweisen (Day 1977, S. 156f.), eine Weiterentwicklung der Theorie der kognitiven Dissonanz von Festinger (1954). Hier soll allerdings nur auf relevante Effekte für die

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erhobenen Customer Care Zufriedenheitswerte hingewiesen werden. Weicht die Wahrnehmung der Customer Care Leistung kaum von den Erwartungen der Kunden ab, greift der „Assimilationseffekt“. Es kommt zu einer nachträglichen kognitiven Anpassung der Wahrnehmung der Leistung an die Erwartung und bestehende Dissonanzen werden reduziert. Besteht eine große Diskrepanz zwischen der Erwartung und der Wahrnehmung der Customer Care Leistung, greift der „Kontrasteffekt“. Es kommt zu einer nachträglichen kognitiven Vergrößerung dieser Lücke, wodurch die Kunden die Customer Care (Un-)Zufriedenheit als stärker ausprägt empfinden. Mit zunehmender Zeitdauer vom Customer Care Kontakt bis zur Befragung, also vor allem bei den Outbound-Befragungen, geben Kunden daher durch die längere Reflexion im Nachhinein zu schlechte oder zu gute Zufriedenheitswerte an. Die unterschiedliche Reflektionszeit bei den verschiedenen Befragungsmethoden führt daher zu unterschiedlichen Zufriedenheitswerten. (2) Konsequenzen des unterschiedlichen Antwortverhaltens Aufgrund des unterschiedlichen Antwortverhaltens sollten Zufriedenheitswerte, die aus verschiedenen Befragungsmethoden resultieren, möglichst nicht zusammengefasst oder verglichen werden. Das heißt, dass für die Ermittlung eines Ist-Wertes auf die Zufriedenheitswerte zurückgegriffen werden sollte, die mittels einer einzigen Befragungsmethode erhoben wurden (Expertengespräch 13). Zudem sollten bei Vergleichen (z.B. für ein Benchmarking) nur Zufriedenheitswerte herangezogen werden, die mit der gleichen Befragungsmethode erhoben wurden. Wenn ein zu berücksichtigendes Kundensegment nur über eine zusätzliche Befragungsmethode erreichbar ist oder aus anderen Gründen Zufriedenheitswerte aggregiert bzw. verglichen werden müssen, die mit unterschiedlichen Befragungsmethoden erhoben wurden, ist zu überprüfen, ob die angesprochenen unterschiedlichen Antworttendenzen auftreten. Dazu sind Vergleichsstudien durchzuführen. Wenn als Ergebnis dieser Vergleichsstudien die systematischen Verzerrungen nicht ausgeschlossen werden können, müssen sie bei der Aggregation bzw. dem Vergleich der Ergebnisse berücksichtigt werden. Idealerweise werden Daten über Ausmaß und Richtung der Verzerrung erhoben und damit eine Art Korrekturfaktor ermittelt, der dann rechnerisch berücksichtigt werden kann. Dabei ist aber kontinuierlich zu überprüfen, ob ein solcher Korrekturfaktor noch die Niveauunterschiede zwischen den Befragungstypen widerspiegelt (Expertengespräch 13). Letztendlich bleiben aber die Aggregation bzw. der Vergleich von Zufriedenheitswerten, die mit unterschiedlichen Befragungsmethoden ermittelt wurden, immer eine Herausforderung.

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6.2.2 Mögliche Ergebnisse des Soll-Ist-Vergleichs der Zufriedenheits-Service Level Standards als Resultat der Kontrolle Wenn die Ist-Werte ermittelt wurden, ist der letzte Schritt der Kontrolle, diese für jeden Zufriedenheits-Service Level Standard mit den Sollvorgaben zu vergleichen. Dabei sind drei Ergebnisse möglich: 1. Übereinstimmung von gemessener Zufriedenheit und Sollvorgabe (Soll=Ist): Die ist der angestrebte Regelfall, die Zufriedenheits-Service Level Standards wurden eingehalten. 2. Übertreffung der Sollvorgabe durch die gemessene Zufriedenheit (Ist>Soll): Diese Überschreitung ist als positiv zu bewerten und daher der Einhaltung zuzurechnen. 3. Unterschreitung der Sollvorgabe durch die gemessene Zufriedenheit (Ist