Wechselwirkungen zwischen Wissensweitergabe und Personalentscheidungen : ist Wissen Macht? [1. Aufl] 9783835008908, 3835008900 [PDF]


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Wechselwirkungen zwischen Wissensweitergabe und Personalentscheidungen : ist Wissen Macht? [1. Aufl]
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Zitiervorschau

Julia Deike Wechselwirkungen zwischen Wissensweitergabe und Personalentscheidungen

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Management, Organisation und ökonomische Analyse, Band 8 Herausgegeben von Professor Dr. Peter-J. Jost WHU – Otto Beisheim School of Management, Vallendar

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich ein neuer mikroökonomischer Ansatz entwickelt, der nicht wie die traditionelle neoklassische Analyse auf den Marktbereich beschränkt ist, sondern der grundsätzlich für die Analyse sozialer Interaktionssituationen geeignet ist. Informationsökonomie, Spieltheorie, experimentelle Studien, Neue Institutionenökonomie und Ökonomische Psychologie sind wichtige Bausteine dieses ökonomischen Ansatzes. Ziel der Schriftenreihe ist die Anwendung und Weiterentwicklung dieses Ansatzes auf betriebswirtschaftliche Fragestellungen. Gegenstand der Untersuchungen sind die unterschiedlichsten unternehmensinternen Probleme aus den Bereichen Finanzierung, Organisation und Strategisches Management. Die Reihe soll so zu einer mikroökonomischen Fundierung des Faches beitragen.

Julia Deike

Wechselwirkungen zwischen Wissensweitergabe und Personalentscheidungen Ist Wissen Macht?

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Peter-J. Jost

Deutscher Universitäts-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation WHU – Otto Beisheim School of Management Vallendar, 2006

1. Auflage August 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Stefanie Loyal Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, Scheßlitz Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0890-8

Geleitwort

Unternehmungen sind infolge der Globalisierung der M¨arkte sowie einer steigenden Umweltkomplexit¨at und -dynamik zunehmend gezwungen, ihre humanen Ressourcen als wichtigen Erfolgsfaktor im Wettbewerb zu begreifen und neue Wege bei der Gestaltung ihrer internen Organisation zu gehen, um so das Humankapital ihrer Mitarbeiter effektiver zu nutzen und zu entwickeln. Damit kommt der Wissensakquisition und dem Management der Wissenspotentiale der Mitarbeiter eine besondere Bedeutung zu. In der betriebswirtschaftlichen Forschung standen bisher vor allem Fragen nach den technischen M¨oglichkeiten f¨ ur den Austausch und die Speicherung von Wissen sowie deren informationstechnologische Unterst¨ utzung im Vordergrund der Diskussion. Das Problem, wie der einzelne Mitarbeiter aber dazu motiviert werden kann, entscheidungsrelevantes Wissen zu generieren und anderen Mitarbeitern zur Verf¨ ugung zu stellen, wurde bisher nur unzureichend untersucht. Ziel der vorliegenden Arbeit von Frau Deike ist es, die f¨ ur ein ad¨aquates Wissensmanagement grundlegende Gestaltung von Anreizen eingehend zu hinterfragen. Sie konzentriert sich dabei auf den Aspekt der Wissensweitergabe zwischen Mitarbeitern. Insbesondere liefert sie in einem ¨okonomischen und theoretisch fundierten Analyserahmen Erkl¨arungsm¨oglichkeiten f¨ ur das in der Praxis zu beobachtende Verhalten der Wissenszur¨ uckhaltung. Aus personalpolitischer Perspektive soll zudem diskutiert werden, in welchen Situationen Wissensweitergabe durchgesetzt werden kann und welche Instrumente hierf¨ ur geeignet sein k¨onnen. Im Hinblick auf die in der betrieblichen Praxis festzustellende Diskrepanz zwischen der Bereitstellung von Methoden und Instrumenten des Wissensmanagements und ihrer Nutzung bildet die Arbeit somit einen wichtigen Baustein f¨ ur eine effizientere Gestaltung des Wissensmanagements und somit der Steigerung der Wettbewerbsf¨ahigkeit der Unternehmen. Die Arbeit ist innovativ und die hergeleiteten Ergebnisse gehen u ¨ber die in der bisherigen modelltheoretischen Literatur gewonnenen Erkenntnisse hinaus. Ihre Arbeit bereichert damit nicht nur die theoretische Forschung in der Betriebswirtschafts-

vi

Geleitwort

lehre sondern liefert auch interessante neue Erkenntnisse auf den Gebieten des Wissensund Personalmanagements. Die Arbeit ist daher nicht nur f¨ ur theoretisch interessierte Leser ein Gewinn, sondern auch f¨ ur all diejenigen, die an Schlussfolgerungen f¨ ur die Praxis interessiert sind. Ich w¨ unsche der Arbeit eine entsprechend breite Rezeption. Peter-J. Jost

Vorwort

Die Idee, eine Arbeit u uckhaltung und Macht zu schreiben, entstand ¨ber Wissenszur¨ w¨ahrend des ersten Jahres nach meinem Diplom. An der Universit¨at Bonn hatte ich gelernt, allt¨agliche Situationen unter spieltheoretischen Gesichtspunkten zu sehen. Und meine erste berufliche T¨atigkeit bot mir reichlich Anschauungsmaterial f¨ ur Spiele mit Wissen und Macht. Dennoch habe ich nicht alle Beispiele, die in dieser Arbeit erw¨ahnt werden, selbst erlebt; viele ¨ahnliche Geschichten habe ich von Freunden und Bekannten geh¨ort. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass fast jeder eine Anekdote zum Thema Wissenszur¨ uckhaltung bzw. zum Thema Wissen ist Macht” zu erz¨ahlen hat. ” Ich hoffe, dass diese Arbeit dazu beitr¨agt, die Anreizmechanismen besser zu verstehen, die hinter diesem Verhalten stecken. Erst ein solches Verst¨andnis erm¨oglicht meines Erachtens ein vern¨ unftiges und nachhaltiges Wissensmanagement. Ich danke meinen beiden Gutachtern, Prof. Peter-J¨ urgen Jost und Prof. J¨ urgen Weber f¨ ur die Betreuung und die positive Bewertung meiner Arbeit. Diese Arbeit w¨are ohne die Unterst¨ utzung durch die Friedrich-Ebert-Stiftung nicht m¨oglich gewesen; daher danke ich der Friedrich-Ebert-Stiftung f¨ ur die finanzielle und ideelle F¨orderung w¨ahrend meiner Promotion. Im Laufe meines Studiums und der Promotionszeit habe ich Unterst¨ utzung von vielen Menschen erfahren. Besonders danken m¨ochte ich Prof. Matthias Kr¨akel, der mir die Organisations¨okonomik nahe gebracht hat und mich zur Promotion ermutigt hat. F¨ ur wissenschaftliche Anregungen und Diskussionen u ¨ber mein Modell danke ich auch Frauke Lammers und Johannes Abeler, sowie den Teilnehmern des VI. Symposiums der GEABA. Mein Dank geb¨ uhrt auch Prof. Martin Stengel und Axel Bruns, ohne die ich vielleicht keine Volkswirtin geworden w¨are. Ariane Middel hat meine Arbeit von Scientific Workplace in dieses Layout u ¨bertragen, was mir ohne sie nie gelungen w¨are. Jutta Maschler hat einen Teil dieser Arbeit gelesen und mich auf unz¨ahlige Verbesserungsm¨oglichkeiten hingewiesen. Danken m¨ochte ich auch meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl f¨ ur Organisationstheorie an der WHU – f¨ ur die gute Zusammenarbeit und die sch¨one

viii

Vorwort

Zeit, die ich mit Euch hatte: Holmer Glietz, meinem Job-Scout, Claus van der Velden, Andreas Hack, Dirk Simon, Ludmila Vianden, Frauke Lammers, J¨org Schiller, Julia S¨alzer und den Nachbarn Thomas Weber und Christoph Grimpe und nat¨ urlich auch Karin Senftleben. Auch meinen Freundinnen und Freunden sei an dieser Stelle gedankt, insbesondere dem Interdisziplin¨aren Bonner Doktorandenkolloquium f¨ ur die gegenseitige Motivation. Ein ganz besonderer Dank gilt meiner Familie: Meinen Großeltern Klara und Edmund Deike sowie Elisabeth St¨ uber, von denen ich gelernt habe, das Privileg von Bildung zu sch¨atzen und Bildungsm¨oglichkeiten zu nutzen, die sie nie hatten; meinen Eltern Hella und Gerd Deike, die immer stolz auf ihre T¨ochter waren und uns gleichzeitig vermittelt haben, dass es Werte gibt, die ungleich wichtiger sind als Erfolg und Leistung; meiner Schwester Katrin Koss, mit der ich die H¨ohe- und Tiefpunkte unserer akademischen Ausbildung geteilt habe. Zu guter Letzt danke ich meinem Freund Wilko Ufert, der mir in den letzten Jahren der geduldigste Zuh¨orer, der engagierteste Diskussionspartner, der sch¨arfste Kritiker, der penibelste Lektor, der aufbauendste Coach und der liebevollste Partner war, den man sich w¨ unschen kann. Danke! Julia Deike

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

v

Vorwort

vii

1 Einleitung

1

1.1

Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1.2

Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

1.3

Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

1.3.1

Transaktionskosten¨okonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

1.3.2

Verf¨ ugungsrechtsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ Okonomische Vertragstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

1.3.3

2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung 2.1

2.2

2.3

12 15

Was ist Wissen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

2.1.1

Abgrenzung des Wissensbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

2.1.2

Wissenserwerb

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

2.1.3

Wissensweitergabe: explizites vs. implizites Wissen . . . . . . . .

28

2.1.4

Wissensmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

Was ist Macht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

2.2.1

Macht oder Autorit¨at? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

2.2.2

Allokation von Entscheidungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . .

50

2.2.3

Quantifizierbarkeit & Messbarkeit von Macht

. . . . . . . . . . .

52

Ist Wissen Macht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

2.3.1

Verkn¨ upfungen von Wissen und Macht in der ¨okonomischen Literatur 55

2.3.2

Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age unter Ber¨ ucksichtigung personalpolitischer Auswirkungen

63

3.1

Vor¨ uberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

3.2.1

71

3.2

Modellbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

x

Inhaltsverzeichnis

3.3

3.2.2

Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

3.2.3

Besch¨aftigungsgarantie oder Entlassungsrisiko? . . . . . . . . . . .

88

3.2.4

Zusammenfassung des Grundmodells . . . . . . . . . . . . . . . .

90

Modellerweiterung: Agenten mit unterschiedlichem Talent . . . . . . . . .

92

3.3.1

Modellbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

3.3.2

Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

3.3.3

Besch¨aftigungsgarantie bei unterschiedlich talentierten Agenten . 101

3.3.4

Zusammenfassung des Modells mit unterschiedlich talentierten Agenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

3.4

Modellerweiterung: Erhalt des Expertenstatus . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.4.1 3.4.2

Modellbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Variante 1: Erhalt des Expertenstatus trotz vollst¨andiger Wissensweitergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

3.4.3

Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

3.4.4

Variante 2: Verlust des Expertenstatus bei vollst¨andiger Wissensweitergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

3.5

3.4.5

Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

3.4.6

Vergleich der beiden Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

3.4.7

Arbeitsplatzgarantie f¨ ur Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

3.4.8

Zusammenfassung der Modellerweiterung mit Expertenstatus . . . 120

Modellvariante: Beschr¨ankte Haftung der Agenten . . . . . . . . . . . . . 120 3.5.1

Zus¨atzliche Modellannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

3.5.2

Zusammenfassung der Modellvariante mit beschr¨ankter Haftung . 122

4 Diskussion

125

4.1 4.2

Erkenntnisse aus dem Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Schnittstellen des Modells mit der aktuellen Forschung . . . . . . . . . . 128 4.2.1

Organisationsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

4.2.2

Besch¨aftigungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

4.2.3

Humankapitaltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

4.3

Methodenkritik und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

4.4

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

5 Mathematischer Anhang

139

5.1

Appendix A: Beweis von Satz 3.2.2: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

5.2

Appendix B: Beweis von Lemma 3: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

5.3

Appendix C: Beweis von Lemma 4: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

Inhaltsverzeichnis

xi

5.4

Appendix D: Beweis von Satz 3.3.2:

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

5.5

Appendix E: Beweis von Satz 3.3.2:

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

5.6

Appendix F: Ergebnisse aus der Modellerweiterung, Variante 1 . . . . . . 147

5.7

Appendix G: Beweis von Satz 3.4.3: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

5.8

Appendix H: Beweis von Lemma 7: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

5.9

Appendix I: L¨osung des Modells mit beschr¨ankter Haftung . . . . . . . . 149 5.9.1

Periode 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

5.9.2

Periode 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

1 Einleitung



Nam et ipsa scientia potestas est.

Francis Bacon1

1.1 Motivation Wissen ist in den meisten Organisationen eine entscheidende Ressource und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dem Management von Wissen wird strategische Bedeutung beim Erringen von Wettbewerbsvorteilen beigemessen.2 Das vorhandene Wissen und seine Weitergabe zu lenken ist eine komplexe Aufgabe. International agierende Konzerne bzw. große Unternehmen haben oftmals eine Abteilung, die ausschließlich damit besch¨aftigt ist, das in der Organisation vorhandene Wissen zu steuern. Es existiert eine F¨ ulle von Literatur zum Thema Wissensmanagement und organisationales Lernen und es werden unz¨ahlige Hilfsmittel auf dem Markt angeboten: Computerprogramme, Wissensdatenbanken, Kommunikationsberatungen und Schulungen. Die Nachfrage nach Wissensmanagement ist seit Mitte der Neunziger Jahre hoch: [D]ie Vorstellung, man ” k¨onne das relevante Wissen in Form von Daten und Informationen abbilden, kodieren und zug¨anglich machen, dominiert die Szene.”3 Ein zun¨achst erfolgreiches Beispiel f¨ ur die Einf¨ uhrung eines Wissensmanagementsystems ist das ShareNet” bei Siemens. In den 90er Jahren des zwanzigsten Jahrhun” derts war das Problem des Wissenstransfers innerhalb der großen Konzerne hinl¨anglich bekannt. Der Siemenskonzern, der weltweit u ¨ber 470000 Mitarbeiter besch¨aftigte, war bekannt f¨ ur seine Ingenieurleistungen. Es war jedoch nicht auszuschließen, dass trotz moderner Kommunikationsmethoden innerhalb des Konzerns an verschiedenen Stellen am gleichen Problem gearbeitet wurde, ohne dass beispielsweise der Erkenntnisfortschritt eines Forschungsteams in Europa notwendigerweise das Forschungsteam in Amerika, das sich mit einer ganz ¨ahnlichen Frage besch¨aftigte, erreicht h¨atte. Dieses Problem wurde mit dem gefl¨ ugelten Wort umschrieben Wenn Siemens w¨ usste, was Siemens weiß”. ” 1 Bacon (1597, Meditationes sacrae 11, de haeresibus”): Denn schon das Wissen an sich ist Macht. ” 2 Vgl. Schrey¨ ogg (2001a, S. 4). 3 Wehner / Dick (2001, S. 93).

2

1 Einleitung Um die Koordination des vorhandenen Wissens zu erm¨oglichen, wurde in der Divi-

sion Information and Communication Network” (ICN) im Jahre 1999 das weltweite ” Wissensnetzwerk ShareNet” eingef¨ uhrt, das nicht nur die Suche nach Informationen ” erleichterte, sondern auch in der Division vorhandene Personen benannte, die u ¨ber die gesuchte Expertise und Erfahrung verf¨ ugten. Die Mitarbeiter wurden motiviert, ihren Beitrag zu ShareNet zu leisten, indem sie f¨ ur Beitr¨age oder Verbesserungsvorschl¨age Shares” erhielten, eine Art Bonuspunkte, die gesammelt und gegen Pr¨amien wie Mo” biltelefone, Laptops oder Reisen eingetauscht werden konnten. Durch die Einf¨ uhrung von ShareNet konnten diverse Projekte erfolgreich durchgef¨ uhrt werden, da lokale Projektteams auf globale Expertise zur¨ uckgreifen konnten. Innerhalb von zwei Jahren konnte der Divisionsgewinn um 122 Millionen US-Dollar gesteigert werden. Auf Grund des großen Erfolges sollte ShareNet im gesamten Siemenskonzern eingerichtet werden. Der damalige Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer fasste den Erfolg im Oktober 2000 auf einer Pressekonferenz mit den Worten zusammen: Siemens weiß, was Siemens weiß.”4 ” F¨ unf Jahre sp¨ater findet man im Siemens Konzern aber nicht etwa ein Wissensnetzwerk, sondern – wie in den meisten Konzernen – eine ganze F¨ ulle: es gibt kleinere Knowledge Management Netzwerke, die nur innerhalb einer Abteilung oder eines Bereichs genutzt werden, wie auch gr¨oßere Wissensdatenbanken. Der Zugang zu diesen Netzwerken ist unterschiedlich geregelt; hierbei spielen die enormen Lizenzkosten f¨ ur die jeweilige Software eine entscheidende Rolle. Es findet also Wissenstransfer statt und es wird eine F¨ ulle technischer M¨oglichkeiten hierf¨ ur genutzt, aber von dem im Jahre 2000 verk¨ undeten Ideal eines einheitlichen, weltweiten Wissensnetzwerks ist der Siemenskonzern nach wie vor weit entfernt.5 Die Frage, ob ein solches weltweites Netzwerk sinnvoll oder gar notwendig w¨are, kann nicht pauschal beantwortet werden und steht hier nicht im Mittelpunkt des Interesses. Doch nicht nur in der betrieblichen Praxis, auch in der Managementliteratur und zunehmend in der ¨okonomischen Literatur wird die Frage des Wissens- und Technologietransfers intensiv diskutiert. Allein zwischen Januar 1986 und Juli 2004 wurden laut ABI/Inform databases 4235 Artikel mit dem Stichwort Knowledge Management” ” ver¨offentlicht, besonders seit Mitte der 1990er Jahre ist eine F¨ ulle von Aufs¨atzen zu urlich auch bei der diesem Thema entstanden.6 In der Managementliteratur und nat¨ Einf¨ uhrung von Wissensmanagement in Unternehmen wird allerdings immer noch oft4 Zu einer ausf¨ uhrlichen Darstellung des ShareNet Systems bei Siemens siehe Glietz (2006, S. 19ff.) sowie die dort zitierte Literatur. 5 Ein vergleichbares Projekt wurde Ende der 1990er Jahre auch bei Hoechst mit der Einf¨ uhrung des Hoechst Wide Web (HWW)” begonnen. Siehe dazu Lehner (2001, S. 233ff.). ” 6 Vgl. Gordon / Grant (2004, S. 28).

1.1 Motivation

3

mals der Schwerpunkt auf die technischen M¨oglichkeiten des Wissenstransfers gelegt, z.B. auf die Bereitstellung entsprechender Datenbanken oder Software. Ein weiterer Aspekt, dem in den vergangenen Jahren in der Literatur viel Beachtung geschenkt wurde, ist das Thema Wissensnetzwerke und welche Netzwerkverbindungen in Unternehmen zwischen Abteilungen bestehen m¨ ussen, damit ein Wissensaustausch erfolgen kann. So sagt bspw. Hansen (2002): Dennoch scheint die Existenz sowohl in Zusammenhang stehenden Wis” sens [...] als auch einer Menge etablierter Verbindungen zwischen den Unternehmenseinheiten notwendig, damit ein Teilen des Wissens zwischen den Abteilungen auftritt und effektiv ist.”7 Mit der Einf¨ uhrung eines Wissensmanagementsystems ist es jedoch meist nicht getan. Die alleinige Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur ist kein Garant f¨ ur ein funktionierendes Wissensmanagement, da die menschliche Interaktion” eine ent” scheidende Rolle spielt.8 In einigen Unternehmen wurden beispielsweise Projektdatenbanken eingef¨ uhrt und die Mitarbeiter aufgefordert, ihre Projekte dort f¨ ur die ganze Abteilung bzw. das ganze Unternehmen einsehbar zu dokumentieren. Doch diese Versuche scheiterten oftmals an der geringen Bereitschaft der Mitarbeiter, ihr Wissen zur Verf¨ ugung zu stellen.9 Davenport / Prusak (1998), die Wissensmanagementprojekte untersuchen, kommen zu dem Ergebnis, dass die meisten Projekte nicht dem Anspruch an Wissensmanagement gerecht werden: Nur wenige der analysierten Projekte tragen wirklich zum sinnvollen Wissenstransfer bei. Oftmals fehlt die Unterst¨ utzung durch das Management. Szulanski (1996) weist zudem auf die Schwierigkeiten bei der internen Weitergabe beispielsweise von bew¨ahrten Vorgehensweisen (”best practice”) hin, die oftmals an mangelnder Aufnahmef¨ahigkeit der Empf¨anger, Kommunikationsschwierigkeiten, die aus fehlender Vertrautheit resultieren, oder an Unsicherheit bez¨ uglich der entscheidenden (Produktions-) Faktoren scheitert.10 Mittels Simulationsexperimenten verglicht Kunz (2006) Wissenstransfer durch Imitation mit Wissenstransfer in Kooperation und zeigt, welchen Einfluss Umweltdynamik auf den Erfolg der Wissenstransferformen hat.11 Auf Basis der Modellergebnisse entwickelt sie sodann Leitlinien zum Wissensmanagement.12 Im Rahmen dieser Arbeit liegt das Hauptaugenmerk jedoch vorrangig auf der Frage, 7 Hansen (2002, S. 232f.). 8 Vgl. Halal (1999, S. 66f.) und von Krogh / Venzin (1997, S. 23). 9 Siehe hierzu auch Davenport (2005, S. 24f.) und Szulanski / Winter (2002), die auf die Schwierigkeiten bei der Replikation von Erfolgsrezepten” hinweisen. ” 10 Vgl. auch Szulanski (1993, S. 50f.), sowie Szulanski / Cappetta / Jensen (2004), die als weiteren kritischen Faktor die Vertrauensw¨ urdigkeit der Quelle (bzw. die Wahrnehmung des Wissensempf¨angers hinsichtlich der Vertrauensw¨ urdigkeit der Quelle) untersuchen. 11 Vgl. Kunz (2006, S. 314ff.). 12 Die Leitlinien f¨ ur erfolgreiches Wissensmanagement sind demnach Kontinuit¨at, Ganzheitlichkeit und Ausgewogenheit. Vgl. Kunz (2006, S. 335ff.).

4

1 Einleitung

warum Kollegen ihr Wissen miteinander teilen oder Wissen zur¨ uckhalten und welche Anreize dabei eine Rolle spielen. Die Frage, wie Wissensmanagement organisiert werden sollte und technische Fragen des Wissenstransfers werden hierbei nur dann diskutiert, wenn diese organisatorischen Fragestellungen Einfluss auf die Anreize nehmen. Ein in der Literatur z.B. von Cabrera/Cabrera (2002) angef¨ uhrtes Argument f¨ ur die mangelnde Bereitstellung von Wissen argumentiert analog zur Problematik ¨offentlicher G¨ uter: die Kosten, die ein einzelnes Organisationsmitglied hat, wenn es sein Wissen – beispielsweise in einer Projektdatenbank – dokumentiert, ist geringer als sein erwarteter Nutzen. Der nutzenmaximierende Organisationsteilnehmer wird also Trittbrettfahrerverhalten an den Tag legen und nur den Nutzen aus der Datenbank ziehen, ohne selbst etwas beizutragen. Alle Organisationsteilnehmer k¨onnen dieses Verhalten ihrer Kollegen antizipieren und stellen sich die Frage warum soll ausgerechnet ich die Arbeit auf mich ” nehmen, etwas beizutragen, wovon dann andere, die nichts beigetragen haben, profitieren?”. Die Konsequenz ist ein Scheitern des Wissensweitergabesystems.13 Notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung f¨ ur einen funktionierenden Wissenstransfer zwischen Mitarbeitern ist also offensichtlich ein Anreizsystem, das Wissensweitergabe in ausreichender H¨ohe honoriert, um die Mitarbeiter f¨ ur die (Arbeitsleid-) Kosten der Bereitstellung ihres Wissens zu entsch¨adigen. Die Aussicht, ihre Abteilung bzw. ihre Organisation durch Weitergabe des vorhandenen Wissens zu st¨arken, reicht anscheinend nicht aus, um Mitarbeiter hinreichend zu motivieren. Durch individuelle Anreize kann die Bereitschaft zum Wissenstransfer gesteigert werden. Im oben beschriebenen Beispiel wurde den Siemens-Mitarbeitern ein Anreizsystem geboten, das Wissensweitergabe mit Boni und der Aussicht auf eine attraktive Pr¨amie entlohnte. Doch selbst wenn derartige Anreize f¨ ur die Weitergabe von Wissen existieren, kann es Gr¨ unde geben, weshalb Wissen zur¨ uckgehalten wird. Ein m¨oglicher Grund f¨ ur Wissenszur¨ uckhaltung ist die Angst vor Konkurrenz. Ist ein Konzern beispielsweise so organisiert, dass verschiedene Abteilungen gegeneinander konkurrieren, sinkt deren Anreiz, ihr Wissen mit anderen Abteilungen zu teilen, selbst wenn die Wissensweitergabe belohnt wird. Ein Beispiel sei eine Serviceabteilung, die typischer Weise KostenstellenCharakter hat. Ihr Service, beispielsweise interne Unternehmens- oder IT-Beratung, werde von mehreren Kostenstellen angeboten. Ein Wissenstransfer zwischen diesen Kostenstellen ist nicht nur im Sinne der Gesamtorganisation, also des Konzerns, sondern auch im Sinne der Gesamtabteilung. Da Kostenstellenverantwortliche aber untereinander konkurrieren (nicht selten h¨angen Bonuszahlungen und Bef¨orderungen vom relativen 13 Zum Trittbrettfahrerverhalten siehe auch Mas-Collel/Whinston/Green (1995, S. 359ff.), Richter/Furubotn (1996, S. 107ff.) sowie die dort zitierte Literatur.

1.1 Motivation

5

Ergebnis der Kostenstelle ab), haben diese kein Interesse daran, das unter ihren Mitarbeitern vorhandene Wissen oder deren Projekterfahrung mit anderen Kostenstellen zu teilen. Dieses Verhalten ist weder im Sinne der Abteilung, die nat¨ urlich auch gegen andere Serviceabteilungen oder gar externe Bereitsteller derselben Dienstleistung (z.B. externe Unternehmensberatungen) konkurriert – oder vielleicht sogar ihre Existenz innerhalb des Konzerns rechtfertigen muss – noch im Sinne der Gesamtorganisation, die durch die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Kostenstellenverantwortlichen gesteigerte Kosten hat. Dennoch ist in der hier beschriebenen Situation Wissenszur¨ uckhaltung durchaus (individuell) rational, gem¨aß dem Sprichwort das Hemd ist einem n¨aher als ” der Rock”. Das Problem divergierender Interessen von Abteilungen und Unterabteilungen ist in der ¨okonomischen Literatur im Rahmen von Delegationsproblemen schon vor 50 Jahren diskutiert worden.14 Eine weitere notwendige Bedingung f¨ ur das Funktionieren eines Wissensweitergabesystems ist neben der ad¨aquaten Entlohnung also auch eine entsprechende Organisationsstruktur. Sollen Organisationsteilnehmer ihr Wissen mit Konkurrenten teilen, so muss ihre Entsch¨adigung zumindest die potenziellen Nachteile durch eine St¨arkung der Konkurrenten kompensieren. Um einen Wissenstransfer zwischen Abteilungen zu beg¨ unstigen, sind absolute Leistungsmessungen sinnvollere Pr¨amierungsgrundlagen als relative Leistungsvergleiche. Es sollten also nicht die Abteilungen belohnt werden, die bessere Leistung erbracht haben als die anderen, sondern alle, die bestimmte Ziele erreicht haben.15 Dies wird z.B. in der Six Sigma Management Strategie ber¨ ucksichtigt, bei der Prozesse hinsichtlich ihrer Qualit¨at verglichen werden. Die Entlohnungen der F¨ uhrungskr¨afte und / oder Prozessverantwortlichen h¨angen dabei vom Erreichen bestimmter Qualit¨atsstandards (Sigma-Werte) ab, nicht von relativen Leistungsvergleichen.16 Die in der Praxis h¨aufig anzutreffende Situation, in der ein Wissenstransfer nicht vom Prinzipal auf einen Manager oder Agent erfolgt, sondern das Wissen auf derselben Hierarchiestufe weitergegeben werden soll, hat bisher in der modelltheoretischen Literatur kaum Beachtung gefunden. Der Aspekt, dass ein Unternehmen bzw. ein Prinzipal ein starkes Interesse an Wissensweitergabe hat, die Vorbehalte gegen einen Wissenstransfer hingegen auf einer niedrigeren Hierarchiestufe, z.B. bei einem Kostenstellenverantwortlichen liegen, wurde in der Modelltheorie bislang vernachl¨assigt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Anreize aufzuzeigen, die einen Agenten motivieren, sein Wissen mit anderen Agenten zu teilen oder sein Wissen f¨ ur sich zu behalten, 14 z.B. March / Simon (1958, S. 34ff., S. 65ff.) oder Selznick (1949). 15 Vgl. Ives / Torrey / Gordon (2000, S. 124). Siehe hierzu auch die Literatur zu Helfen und Sabotage in Turnieren, z.B. Kr¨ akel (2005a). 16 Zur Six Sigma Strategie siehe u.a. Harry / Schroeder (2000).

6

1 Einleitung

um somit Erkl¨arungsm¨oglichkeiten f¨ ur die in der Praxis zu beobachtende Wissenszur¨ uckhaltung zu liefern. Dazu werden zun¨achst die Handlungsm¨oglichkeiten der Akteure in der oben beschriebenen Situation aufgezeigt. Zudem soll diskutiert werden, in welchen Situationen Wissensweitergabe durchgesetzt werden kann und welches hierf¨ ur geeignete Instrumente sein k¨onnen.

1.2 Vorgehensweise Die Frage, ob Wissen Macht ist, kann und soll hier in ihrer Allgemeinheit nicht ersch¨opfend beantwortet werden. Vielmehr wird in dieser Arbeit der Frage nachgegangen, welche Ursachen Wissenszur¨ uckhaltung haben kann und welche Auswirkungen das Zur¨ uckhalten von Wissen in bestimmten Situationen haben kann. Dabei wird Macht also nicht als direkte Funktion von Wissen diskutiert. Stattdessen wird analysiert, welchen Einfluss das dezentale Vorhandensein betriebsnotwendigen Wissens auf personalpolitische Entscheidungen haben kann. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: In diesem Kapitel wird ein kur¨ zer Uberblick u ¨ber die wesentlichen methodologischen Grundlagen gegeben, die zum Verst¨andnis des in Kapitel 3 konstruierten Modells erforderlich sind. Das zweite Kapitel ist den Begriffen Wissen und Macht gewidmet. Es bietet einen Literatur¨ uberblick, der verschiedene Aspekte von Wissen und Macht beleuchtet. Hierbei wird auch auf die verschiedenen Ans¨atze aus unterschiedlichen Forschungsdisziplinen eingegangen. Das im dritten Kapitel entwickelte Modell liefert einen Erkl¨arungsansatz, unter welchen Bedingungen Wissen in Organisationen weitergegeben bzw. zur¨ uckgehalten wird. Schließlich werden im vierten Kapitel die Erkenntnisse aus dem Modell und seinen Erweiterungen diskutiert und in die bisherige Forschung eingeordnet. Im Einzelnen ist die Arbeit wie folgt aufgebaut: ¨ ¨ Kapitel 2 steht unter der Uberschrift Wissen und Macht in der Okonomischen For” schung”. Zun¨achst werden verschiedene Definitionen von Wissen einander gegen¨ ubergestellt. Der Begriff Wissen wird sodann gegen¨ uber den Begriffen Information und Humankapital abgegrenzt. Unterabschnitt 2.1.2 befasst sich mit Wissenserwerb und den damit verbundenen Fragestellungen nach Motivation und Anreizen f¨ ur den Wissenserwerb, aber auch Schwierigkeiten und Interessenkonflikten in diesem Zusammenhang. Der folgende Unterabschnitt beleuchtet die f¨ ur diese Arbeit besonders wichtige Thematik der Wissensweitergabe. Hier werden zun¨achst m¨ogliche Klassifizierungsmuster f¨ ur Wissen erl¨autert, dann werden die Unterschiede bei der Weitergabe von explizitem und implizitem Wissen aufgezeigt. Der Abschnitt 2.1 Was ist Wissen?” endet mit einem ”

1.2 Vorgehensweise

7

Literatur¨ uberblick zum Thema Wissensmanagement. Abschnitt 2.2 beginnt mit einigen Definitionen zum Thema Macht, die aus verschiedenen Forschungsrichtungen (Soziolo¨ gie, Psychologie, Okonomie) zusammengestellt sind. In 2.2.1 werden die Unterschiede ¨ zwischen Macht und Autorit¨at erl¨autert, aber auch die Uberschneidungsbereiche. Der folgende Unterabschnitt, 2.2.2, reißt das Thema Allokation von Entscheidungsrechten” ” an, da dies im Zusammenhang mit dem Thema Macht in Organisationen von zentraler Bedeutung ist. Schließlich werden einige Arbeiten, die sich mit Meßbarkeit bzw. Quan¨ tifizierbarkeit von Macht besch¨aftigen, vorgestellt. Das Kapitel 2 endet mit einem Uberblick u upfung der Konzepte Wissen ¨ber ¨okonomische Arbeiten, die sich mit der Verkn¨ und Macht besch¨aftigen. Kapitel 3 geht der Frage nach, weshalb es in Organisationen zu Wissenszur¨ uckhaltung kommen kann. Zun¨achst werden einige Situationen aufgez¨ahlt, in denen sich Wissenszur¨ uckhaltung beobachten l¨asst. Anschließend wird ein Prinzipal-Agenten-Modell mit zwei Agenten entwickelt, das einen m¨oglichen Erkl¨arungsansatz f¨ ur unvollst¨andige Wissensweitergabe liefert. Dieses wird sodann um die M¨oglichkeit langfristiger Vertr¨age bei glaubw¨ urdiger Selbstbindung des Prinzipals erweitert. In 3.3 wird untersucht, wie sich unterschiedliches Talent der Agenten auf die Wissensweitergabeentscheidung bzw. auf die anzubietenden Anreizvertr¨age auswirkt. Auch hier werden die Ergebnisse aus kurzfristigen Anreizvertr¨agen mit denen aus langfristigen verglichen. Schließlich wird das Modell dahingehend modifiziert, dass in die Nutzenfunktion eines Agenten nicht nur monet¨are Lohnbestandteile einfließen, sondern auch der Status. In zwei unterschiedlichen Situationen wird untersucht,wie es sich auf seine Bereitschaft zur Wissensweitergabe auswirkt, wenn der Agent einen Zusatznutzen aus seinem Expertenstatus erh¨alt. Im Anschluss wird wieder die M¨oglichkeit langfristiger Vertr¨age miteinbezogen. Das Kapitel endet mit einer Modellvariante in 3.5, bei der beschr¨ankte Haftung f¨ ur die Agenten angenommen wird. Zu Beginn des Kapitels 4 werden noch einmal die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Modell in Kapitel 3 zusammengefasst. Modellannahmen und Ergebnisse werden den Erkenntnissen anderer Autoren gegen¨ ubergestellt. Abschnitt 4.3 ist der Methodenkritik gewidmet, zeigt aber auch Ans¨atze f¨ ur weitere Forschungsm¨oglichkeiten auf. Mit dem Fazit in Abschnitt 4.4 endet die Arbeit.

8

1 Einleitung

1.3 Theoretische Grundlagen Grundlage der vorliegenden Arbeit ist die Neue Institutionen¨okonomik. Diese setzt sich laut Richter / Furubotn (1996) aus mehreren Teilgebieten zusammen: der Transaktionskosten¨okonomik, der Verf¨ ugungsrechtsanalyse, der ¨okonomischen Vertragstheorie, dem neuen institutionalistischen Ansatz in der Wirtschaftsgeschichte, dem neuen institutio¨ nalstischen Ansatz in der Politischen Okonomie und der Verfassungs¨okonomik.17 Da die ersten drei der genannten Teilgebiete f¨ ur die vorliegende Arbeit und das Verst¨andnis des in Kapitel 3 diskutierten Modells von besonderer Bedeutung sind, soll hier ein kurzer Einblick in diese Forschungsgebiete erfolgen. 1.3.1 Transaktionskosten¨okonomik Transaktionskosten sind alle Kosten, die im Rahmen eines Tauschprozesses entstehen. Schon Coase (1937) forderte: Die Kosten f¨ ur das Verhandeln und Abschließen eines eigenen Vertrages f¨ ur jede Tausch-Transaktion, die auf einem Markt stattfindet, m¨ ussen ebenfalls ber¨ ucksichtigt werden.18 Laut Williamson (1990) ist die Transaktionskosten¨okonomik eine interdisziplin¨are ” ¨ Unternehmung, bei dem Recht, Okonomie und Organisationstheorie zusammengef¨ uhrt werden”.19 Zu den Transaktionskosten z¨ahlen folgende Kosten:20 • Anbahnungskosten21 • Vereinbarungskosten22 • Kontrollkosten23 17 18 19 20

Vgl. Richter / Furubotn (1996, S. 35ff). ¨ Coase (1937, S. 390f), eigene Ubersetzung. ¨ Williamson (1990, S. 9), eigene Ubersetzung. Die Aufz¨ ahlung der Transaktionskosten stammt von Kr¨ akel (1999, S. 7), der sich hierbei an Picot (1993) orientiert. 21 Als Anbahnungskosten bezeichnet Kr¨ akel (1999, S. 7) die Kosten zur Ermittlung des Transaktionspartners. Picot / Dietl / Franck (1999, S. 67) erw¨ ahnen zudem Reise-, Kommunikations-, Bera” tungskosten, bestimmte Gemeinkosten von Einkauf, Vertrieb, Entwicklung und Fertigungsvorbereitung” als Anbahnungskosten. Erlei / Jost (2001, S. 38f.) fassen unter Anbahngungskosten Such- und Informationskosten. 22 Kr¨ akel (1999, S. 7) nennt als Beispiel f¨ ur Vereinbarungskosten die Opportunit¨atskosten der Zeit ” f¨ ur langwierige Vertragsverhandlungen”. Picot / Dietl / Franck (1999, S. 67) z¨ahlen zus¨atzlich Rechtsberatung, Kosten der Abstimmung und Planung zwischen Vertrieb, Entwicklung, Fertigung ” und Einkauf” auf. ¨ 23 Kontrollkosten entstehen laut Kr¨ akel (1999, S. 7) z.B. f¨ ur das Uberpr¨ ufen vertraglich zugesicherter ” Qualit¨ at des Tauschobjekts”

1.3 Theoretische Grundlagen

9

• Durchsetzungskosten24 und • Anpassungskosten25 Erlei und Jost (2001) klassifizieren Transaktionskosten danach, ob sie Kosten der Motivation oder der Koordination sind. Zudem unterscheiden sie Transaktionskosten, die bei der Koordination auf M¨arkten und in Hierarchien anfallen. Daraus ergibt sich die nachfolgende Einteilung. Koordinationskosten

Motivationskosten Kosten der Absicherung

Anbahnungskosten

– Reputationskosten

– Suchkosten

– Vertragsanpassungen

– Informationskosten Markt

Vertragskosten – Verhandlungskosten – Einigungskosten – Kosten ineffizienter Vertragspartner

- reine Verhandlungskosten durch Neuverhandlungen - Kosten der aus diesen Neuverhandlungen resultierenden Unterinvestitionen Kosten der Durchsetzung – Gerichtskosten

Kosten der Organisationsstruktur – Kosten der Einrichtung, Hierarchie

¨ Kontroll- und Uberwachungskosten

Erhaltung und

Kosten der Leistungsbewertung

¨ Anderung

Kosten durch nicht konforme

Kosten des Betriebs – Entscheidungskosten

Entscheidungen Kosten durch Konflikte

– Informationskosten Abbildung 1: Klassifizierung von Transaktionskosten; Quelle: Erlei / Jost (2001, S. 39)

24 Durchsetzungskosten fallen laut Kr¨ akel (1999, S. 7) z.B. f¨ ur die Realisierung impliziter und expli” ziter vertraglicher Anspr¨ uche vor Gericht” an. Diese Kostenart kommt bei Picot / Dietl / Franck (1999, S. 67) nicht vor. Diese Autoren sprechen stattdessen von Abwicklungskosten”, die beispiels” weise f¨ ur die Steuerung des Tauschprozesses” oder in Form von Managementkosten der F¨ uhrung ” ” und Koordination” anfallen. ¨ 25 Wenn nach Vertragsabschluss Anderungen von Bestandteilen des Vertrages n¨otig werden, z.B. weil bestimmte Vertragsparameter langfristig variabel sind, entstehen Anpassungskosten. Vgl. Kr¨akel (1999, S. 7).

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1 Einleitung

Auf die Bedeutung der Transaktions¨okonomik bei der Analyse von Institutionen weist Williamson (1990) hin: Die Transaktionskosten¨okonomik besch¨aftigt sich vorwiegend mit institutionellen Regeln, die f¨ ur gew¨ohnlich als F¨ uhrungsstrukturen bezeichnet werden.26 In seiner fr¨ uheren Arbeit u ¨ber die ¨okonomischen Institutionen des Kapitalismus benennt Williamson (1987) als Hauptursachen f¨ ur

Transaktions-Schwierigkeiten” be” schr¨ankte Rationalit¨at und Opportunismus. Faktoren, die Transaktionskosten steigern k¨onnen, sind laut Williamson (1987) die Notwenidgkeit zu betriebsspezifischen Investitionen oder Unsicherheit hinsichtlich des genauen Gesch¨aftsinhalts oder der (vereinbarten) Leistung. Auch selten durchgef¨ uhrte Transaktionen f¨ uhren demnach zu h¨oheren Transaktionskosten.27 Torger Reve (1990) fasst die zentralen Aussagen u ¨ber Transaktionskosten wie folgt zusammen: Die grunds¨atzliche Auffassung der Transaktionskostentheorie ist, dass Bestandteile der Transaktion bestimmen, was die effiziente F¨ uhrungsstruktur ausmacht. Die Folge ist, dass die institutionelle Form und die interne Organisation eine Rolle f¨ ur die Strategie spielen. [...] Transaktionskosten entstehen aufgrund vertraglicher Risiken zwischen opportunistischen, unter Unsicherheit Handelnden, beschr¨ankter Rationalit¨at, wenigen [Verhandlungspartnern, beispielsweise Oligopolen], Informationsdichte und Faktorspezifit¨at. Vertraglichen Risiken kann man mit Absicherungen oder Vertrauen begegnen und die F¨ uhrungsstruktur mit der gr¨oßten Kosteneffizienz wird unter Wettbewerbsbedingungen u ¨berleben.28 Das Modell in Kapitel 3 blendet die m¨oglicherweise entstehenden Transaktionskosten weitgehend aus. Dennoch spielen Transaktionskosten zumindest indirekt eine Rolle. Im Modell wird davon ausgegangen, dass der Prinzipal die Handlungen der Agenten nicht beobachten kann. Dies l¨asst auf (hohe) Kontrollkosten schließen, die eine vollst¨andi¨ ge Uberwachung der Agenten f¨ ur den Prinzipal unm¨oglich oder zumindest unattraktiv machen. Die sonstigen Transaktionskosten, z.B. Anbahnungs- und Vereinbarungskosten k¨onnen die Ursache sein, dass Agenten Vertr¨age akzeptieren, die ihnen genau ihren Alternativlohn bieten. ¨ 26 Williamson (1990, S. 9), eigene Ubersetzung. 27 Vgl. Williamson (1987, S. 44ff.). ¨ 28 Reve (1990, S. 134), eigene Ubersetzung. Zu Opportunismus siehe u.a. Gilson / Mnookin (1990, S. 213ff).

1.3 Theoretische Grundlagen

11

1.3.2 Verf¨ ugungsrechtsanalyse Die Verf¨ ugungsrechtsanalyse entstand in den 1960er Jahren, zun¨achst als Erweiterung ugungsrechtsanalyse geht davon aus, dass Indider neoklassischen Theorie.29 Die Verf¨ viduen u ugen k¨onnen, sie aber hierzu nicht notwendigerweise Ei¨ber Ressourcen verf¨ gent¨ umer dieser Ressourcen sein m¨ ussen. Entscheidend ist also die faktisch bestehende ”

Verf¨ ugungsgewalt einzelner u ¨ber Ressourcen”.30

F¨ ur gew¨ohnlich werden die im Rahmen der Verf¨ ugungsrechtsanalyse betrachteten Akteure als individuell rational angenommen. Sie maximieren also ihren individuellen Nutzen unter Ber¨ ucksichtigung von Transaktionskosten und Verf¨ ugungsrechten. Die Nutzung der wirtschaftlichen Ressourcen l¨asst sich somit durch die Zuordnung von Verf¨ ugungsrechten bzw. die Delegation von Verf¨ ugungsrechten beeinflussen.31 Grossman und Hart (1986) empfehlen, dass die Verf¨ ugungsrechte von einer Partei gekauft werden sollten, wenn es zu kostspielig ist, alle spezifischen Rechte detailliert vertraglich zu regeln. Hart (1991) betont, dass jemand, der vollst¨andig f¨ ur den Gewinn eines Wirtschaftsgutes verantwortlich ist, dieses Gut besitzen sollte.32 Besitzt ein Akteur Zugang zu einer kritischen Ressource, so ist es laut Hart / Moore (1990) wahrscheinlicher, dass er diese Ressource besitzt.33 Anh¨anger der Verf¨ ugungsrechtsanalyse werfen der Transaktionskosten¨okonomik vor, sie lasse wesentliche Fragen unbeantwortet.34 Andererseits kritisiert beispielsweise Williamson (2002), die Verf¨ ugungsrechtsanalyse mache kaum Aussagen, die sich empirisch testen ließen, w¨ahrend die Transaktionskosten¨okonomik eine deutlich bessere Grundlage f¨ ur empirische Untersuchungen liefere.35 Der Kritik von Hart (1995) an der Transaktionskosten¨okonomik stellt Williamson(2002) Folgendes entgegen: ...die Verf¨ ugungsrechtsanalyse baut in gewisser Hinsicht auf die Transaktionskosten¨okonomik auf (oder folgt ihr zumindest): Komplexe Vertr¨age sind unvollst¨andig (aufgrund der beschr¨ankten Rationalit¨at), ein Vertrag als bloßes Versprechen ist nicht selbst-durchsetzend (aufgrund von Opportunismus), die M¨oglichkeit, Konflikte gerichtlich kl¨aren zu lassen, ist beschr¨ankt (aufgrund von Nicht-Verifizierbarkeit) und die Vertragsparteien h¨angen gegenseitig von29 Siehe z.B. Demsetz (1967). 30 Richter (2001, S. 455). 31 Vgl. Richter / Furubotn (1996, S. 126ff.) sowie die dort zitierte Literatur und Richter (2001, S. 455f.). 32 Vgl. Hart (1991, S. 150). 33 Vgl. Hart / Moore (1990, S. 1149). 34 So z.B. Hart (1995, S. 28), der in der Transakationskosten¨ okonomik keine Erkl¨arung daf¨ ur findet, dass in Firmenzusammenschl¨ ussen weniger Gefeilsche und Raub¨ uberf¨alle” (”hold-up”) vorkommen. ” 35 Williamson (2002, S. 188f.).

12

1 Einleitung einander ab (aufgrund transaktionsspezifischer Investitionen). Aber wo die Transaktionskosten¨okonomik haupts¨achlich die Steuerung laufender vertraglicher Beziehungen untersucht, blendet die Verf¨ ugungsrechtsanalyse des Unternehmens s¨amtliche Steuerungsfragen aus, indem sie die Auszahlungen als allgemein bekannt annimmt und kostenlose Verhandlungen unterstellt. Als Konsequenz hieraus konzentriert sich die gesamte Analyse auf die Phase der Vertragsverhandlungen, in der die Anreize gesetzt werden.36

Die Verf¨ ugungsrechtsanalyse wird in den Unterabschnitten 2.1.4 Wissensmanage” ment” und 2.2.2 Allokation von Entscheidungsrechten” wieder aufgegriffen. Dort wird ” allerdings meist von Entscheidungsrechten gesprochen. Die Begriffe werden weitestgehend synonym verwendet, allerdings verdeutlicht der Begriff Entscheidungsrechte” bes” ser, dass nicht nur der Besitz und / oder der Einsatz von Ressourcen im engeren Sinne betrachtet wird, sondern auch strategische Entscheidungen oder die Entscheidung u ¨ber die Verteilung von Aufgaben.37 ¨ 1.3.3 Okonomische Vertragstheorie Richter und Furubotn (1996) unterscheiden im Rahmen der Vertragstheorie zwei Varianten: die Problematik asymmetrischer Informationsverteilung zwischen Vertragsparteien (Prinzipal-Agenten-Theorie) und die Theorie der unvollst¨andigen Vertr¨age. In diesem Unterabschnitt werden zun¨achst einige wichtige Arbeiten zur PrinzipalAgenten-Theorie vorgestellt: Alchian / Demsetz (1972) betrachten eine Welt ohne Transaktionskosten, in der ein Unternehmer einen Anreiz hat, die Leistungsanstrengungen eines Teams von Mitarbeitern zu u ¨berwachen. Herrscht jedoch eine asymmetrische Informationsverteilung, so wird ¨ die Uberwachung dadurch erschwert. Die Autoren argumentieren, dass die Messung von Leistungsanstrengungen in einem Unternehmen ¨okonomischer durchzuf¨ uhren ist als bei bilateralten Verhandlungen mit unabh¨angigen Vertragspartnern.38 Zwei Hauptanforderungen werden an die ¨okonomische Organisation gestellt – die Produktivit¨at des Materialeinsatzes zu messen und das Messen von Entlohnungen. Messprobleme k¨onnen manchmal gut gel¨ost werden, indem Produkte auf ¨ 36 Williamson (2002, S. 188), eigene Ubersetzung. 37 Letztlich handelt es sich nat¨ urlich auch bei solchen Entscheidungen um Verf¨ ugungsrechte, z.B. um das Recht, u at zu verf¨ ugen. Es handelt sich also nicht ¨ber die Arbeitszeit oder die Mitarbeiterkapazit¨ um eine de facto Verschiedenheit der Begriffe, sondern lediglich um eine Unterscheidung de dicto. 38 Vgl. Alchian / Demsetz (1972, S. 794).

1.3 Theoretische Grundlagen

13

kompetitiven M¨arkten ausgetauscht werden, da M¨arkte in vielen Situationen eine hohe Korrelation zwischen Entlohnungen und Produktivit¨at hervorbringen.39 Die wohl am h¨aufigsten zitierten Arbeiten zur Prinzipal-Agenten-Theorie sind die Aufs¨atze von Holmstr¨om (1979) u ¨ber moralisches Risiko und Beobachtbarkeit und von ¨ Arrow (1985) u der Vertretung, in dem er das moralische Risiko auf¨ber die Okonomie grund asymmetrisch verteilter Information beschreibt: Kann der Prinzipal die T¨atigkeiten des Agenten nicht beobachten, so liegt verstecktes Handeln” vor. Hat der Agent ” hingegen genauere Kenntnis, beispielsweise von Umweltzust¨anden, oder kann er wesentliche Faktoren beobachten, die dem Prinzipal verborgen bleiben, liegt versteckte Infor” mation” vor. Da im Modell von Arrow (1985) das Ergebnis nicht nur vom Handeln des Agenten, sondern auch von externen Schocks beeinflusst werden kann, ist der Prinzipal nicht in der Lage, aus dem Ergebnis pr¨azise R¨ uckschl¨ usse auf die Leistung des Agenten zu ziehen.40 Jensen und Meckling (1976) f¨ uhren den Begriff der Vertretungskosten (”agency costs”) ¨ ein. Als Vertretungskosten werden sowohl die Uberwachungskosten bezeichnet, die der Prinzipal aufbringen muss, um die Handlungen des Agenten zu kontrollieren, als auch Kautionszahlungen des Agenten, die dieser als Garantie f¨ ur sein kooperatives Verhalten einsetzt.41 Die zweite Variante der Vertragstheorie ist laut Richter / Furubotn (1996) die Theorie unvollst¨andiger Vertr¨age. Williamson (2002) stellt fest: Alle komplexen Vertr¨age sind unvermeidlich unvollst¨andig. Aus diesem Grund werden die Vertragsparteien mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich an unerwartete St¨orungen anzupassen, die aufgrund von L¨ ucken, Fehlern und Immissionen im Originalvertrag auftreten.42 Vollst¨andige Vertr¨age zu schreiben ist meist zu teuer und oftmals gar nicht m¨oglich, weil nicht alle m¨oglicherweise eintretenden Ereignisse antizipiert und vertraglich geregelt werden k¨onnen. Daher werden in Vertr¨agen f¨ ur gew¨ohnlich nur die Rahmenbedingungen vorgegeben, die den Akteuern einen gewissen Handlungsspielraum lassen. Die Vertragspartner k¨onnen auf Ver¨anderungen der Umwelt reagieren, indem sie bestimmte Aspekte ¨ 39 Alchian / Demsetz (1972, S. 778), eigene Ubersetzung. 40 Vgl. Arrow (1985, S. 37f.). 41 Vgl. Jensen / Meckling (1976, S. 308). Zum Begriff Agency Costs siehe auch Jensen / Meckling (1990, S. 16), Reve (1990, S. 152), Kr¨ akel (1999, S. 68ff.), Franke (1992), Williamson (1987, S. 27ff.), sowie die dort zitierte Literatur. ¨ 42 Williamson (2002, S. 174), eigene Ubersetzung.

14

1 Einleitung

des Vertrags nachtr¨aglich regeln oder neu verhandeln. Aufgrund der Vertragsl¨ ucken, die zwangsl¨aufig entstehen, sind solche Vertr¨age vor Gericht nicht vollst¨andig durchsetzbar. Sie beruhen zum Teil auf m¨ undlichen Absprachen und basieren damit zumindest teilweise auf Vertrauen. Solche Vertr¨age werden als relationale Vertr¨age bezeichnet, da der Beziehungsaspekt zwischen den Vertragspartnern eine wichtige Rolle spielt.43 Um opportunistischem Verhalten entgegenzuwirken, k¨onnen Vertragspartner zum Beispiel Geiseln tauschen”, um ihrer Selbstbindung Glaubw¨ urdigkeit zu verleihen.44 Ist ein Ver” trag so gestaltet, dass er – obwohl unvollst¨andig – ein Abweichen der Vertragspartner unattraktiv macht, handelt es sich um einen sich selbst durchsetzenden Vertrag.45 Das in Kapitel 3 entwickelte Modell basiert auf der Theorie unvollst¨andiger Vertr¨age. Dort wird angenommen, dass das Verhalten der Agenten nicht beobachtbar ist, lediglich das Ergebnis ihres Handelns. Da der Prinzipal die von ihm erw¨ unschten Handlungen nicht erzwingen kann, setzt er mit sich selbst durchsetzenden Vertr¨agen Anreize f¨ ur die Agenten, gem¨aß seiner W¨ unsche zu handeln. Gestaltet er die Vertr¨age so, dass die Agenten die Vertr¨age annehmen und sich durch ein Abweichen vom Vertrag nicht besser stellen k¨onnen, werden die Agenten sich trotz versteckten Handelns und moralischem Risiko im Sinne des Prinzipals handeln.

43 Vgl. Jost (2000a, S. 226ff) und Richter / Furubotn (1996, S. 173ff). Zu impliziten Vertr¨agen siehe auch Baker / Gibbons / Murphy (2002). 44 Zum Austausch von Geiseln zur glaubw¨ urdigen Selbstbindung siehe z.B. Williamson (1983; 1987, S. 169ff.) . 45 Vgl. Richter / Furubotn (1996, S. 175ff.) und Williamson (1987, S. 168f.).

2 Wissen & Macht in der ¨ okonomischen Forschung

It is not possible for power to be exercised without knowledge, it is impossible for knowledge not to engender power.1 In diesem Kapitel werden zun¨achst verschiedene Varianten des Wissensbegriffs einander gegen¨ uber gestellt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Definitionen, die von Or¨ ganisationswissenschaftlern bzw. Okonomen verwendet werden.2 Dadurch soll lediglich ¨ ein grober Uberblick gegeben werden, da eine detaillierte Diskussion der verschiedenen Betrachtungsweisen und Ordnungskategorien den Umfang dieser Arbeit sprengen w¨ urde. Dennoch zeigt sich hier die Besonderheit des Wissens, einhergehend mit der Problematik, Wissen in der o¨konomischen (Modell-) Theorie gerecht zu werden. Im Anschluss wird der Begriff Wissen gegen die beiden in der Modelltheorie weit h¨aufiger verwendeten Begriffe ¨ Information” und Humankapital” abgegrenzt. Hierbei werden die Uberschneidungsbe” ” reiche, aber auch die Unterschiede dargestellt. Dem folgt ein kurzer Abriss u ¨ber Wissenserwerb. Ausf¨ uhrlich werden sodann in 2.1.3 die M¨oglichkeiten der Wissensweitergabe diskutiert. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf der Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem (tacitem) Wissen und den Besonderheiten, die eine Weitergabe bzw. der Versuch einer Weitergabe impliziten Wissens mit sich bringt. Der Abschnitt Was ist ” Wissen?” endet mit einem Literatur¨ uberblick u ¨ber Wissensmanagement. Hierbei wird zun¨achst gekl¨art, was unter Wissensmanagement zu verstehen ist. Danach werden einige Ans¨atze f¨ ur das Managen von Wissen in Organisationen erl¨autert, wobei auf die damit verkn¨ upften Schwierigkeiten hingewiesen wird. Abschnitt 2.2 versucht eine Ann¨aherung an den Begriff Macht”. Auch in diesem ” Abschnitt werden zun¨achst einige Definitionen von Macht genannt. Eine genauere Eingrenzung erfolgt in 2.2.1 mit der Abgrenzung (formaler) Autorit¨at von Macht bzw. informeller Autorit¨at. Im folgenden Unterabschnitt wird auf die besondere Problematik der Delegation von Autorit¨at bzw. Entscheidungsrechten hingewiesen. Einige Versuche, Macht zu messen oder zu vergleichen, werden in 2.2.3 dargestellt. 1 Foucault (1977, S. 52). 2 Es existiert daneben eine ganzhe F¨ ulle an Literatur u ¨ber Wissensgenerierung, Wissensweitergabe ¨ und Wissensmanagement. Eine gute Ubersicht u ¨ber die Wissensmanagementliteratur findet sich bspw. bei Kunz (2006, S. 25ff.).

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

Der dritte Abschnitt dieses Kapitels zeigt, welche Verbindungen in der ¨okonomischen Forschung zwischen den Konzepten von Wissen und Macht gesehen werden. Hierzu werden exemplarisch einige Arbeiten vorgestellt, die sich mit der Wissen und Entscheidungsrechten bzw. Wissenszur¨ uckhaltung aus Angst vor Konkurrenz besch¨aftigen. Im letzten Unterabschnitt wird er¨ortert, welche Definitionen sich f¨ ur die Modellierung der zu Beginn von Abschnitt 1.2 erl¨auterten Fragestellung eignen, die dann im folgenden Kapitel 3 erfolgt.

2.1 Was ist Wissen? Bei der Betrachtung der Definitionen von Wissen aus verschiedenen Perspektiven muss ber¨ ucksichtigt werden, dass unterschiedliche Disziplinen auch unterschiedliche Definitionen verwenden k¨onnen, die teilweise den in anderen Disziplinen verwendeten widersprechen. Eberl (2001) weist darauf hin: [...] in der Philosophie ist Wissen eher das, was gerade f¨ ur wahr gehalten wird [...]3 . Wissen und absolute Gewißheit fallen auseinander. Angesichts dieser Situation scheint es ratsam, die Fragestellung zu ver¨andern – nicht nach der Faktizit¨at (was ist Wissen?), sondern nach der Semantik (was versteht man unter Wissen?) zu fragen.4 Die ¨okonomische Forschung hat sich erst relativ sp¨at mit dem Thema Wissen auseinuh bekannt, andergesetzt.5 Dass Wissen ein wichtiges Thema sein k¨onnte, war schon fr¨ ¨ upfrig fandennoch galt lange Zeit, dass Okonomen großteils das Thema Wissen zu schl¨ ” den, um damit umgehen zu k¨onnen”6 . In anderen Disziplinen hat man sich wesentlich fr¨ uher mit dem Thema Wissen befasst. Schon Francis Bacon schreibt 1620 im Novum ” Organum”, dem Neuen Organon”: ” Der Mensch, Diener und Erkl¨arer der Natur, schafft und begreift nur so viel, als er von der Odnung der Natur durch die Sache oder den Geist beobachten kann; mehr weiß oder vermag er nicht.7 3 An dieser Stelle weist Eberl (2001) auf die Kritik Poppers an dieser Sichtweise hin. Siehe hierzu Popper (1969, S. 223ff.). 4 Eberl (2001, S. 43). 5 Die Ursache hierf¨ ur ist nicht allein in der vergleichsweise sp¨ aten Entstehung der (akademischen) National¨ okonomie im 17. Jahrhundert zu suchen. ¨ 6 Penrose (1959, S. 77), eigene Ubersetzung. 7 Bacon (1990, S. 80f.).

2.1 Was ist Wissen?

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Dieser Aphorismus betont die Bedeutung des Beobachtens und Begreifens. In der ¨okonomischen Diskussion spielen andere Eigenschaften eine bedeutende Rolle, wie beispielsweise die Verwertbarkeit oder der Nutzen von Wissen, die Eigentumsverh¨altnisse und die Beschr¨ankungen. So beschreiben Barba Navaretti et al. (1998) ...Wissen als ” halb-¨offentliches Gut mit nicht einfach durchzusetzenden Verf¨ ugungsrechten.”8 Der Organisationswissenschaftler Schrey¨ogg (2001a) erl¨autert die besonderen Eigenschaften von Wissen wie folgt: Der Umgang mit Wissen ist im wesentlichen ein Umgang mit Symbolen, Wissen ist nur symbolisch repr¨asentierbar. Ferner ist Wissen ein paradoxes Gut insofern, als es durch Nutzung nicht an Wert verliert, also nicht abge” schrieben” werden muss, sondern durch Nutzung seinen Wert steigert. Jede Nutzung er¨offnet neue Anschlussm¨oglichkeiten und regt zu Verbesserungen an. Wissen ist schließlich qualifizierbar, es ist wahrheitsf¨ahig”.9 ” Weitere Eigenschaften von Wissen er¨ortern Wehner und Dick (2001): Wissen ist situationsgebunden: Es wird in zeitlich begrenzten konkreten Situationen hervorgebracht, um es anschließend f¨ ur andere Situationen nutzen zu k¨onnen. Wissen ist reflexiv: Es entsteht im Verh¨altnis einer Person zu Ph¨anomenen, Gegenst¨anden oder Geschehnissen und enth¨alt so immer eine Perspektive von jemandem auf etwas. Wissen ist handlungsgebunden: Es dient der Erkenntnis, Gestaltung, Bew¨altigung und Bewertung von situationalen Aufgaben sowie im Laufe ihrer Bearbeitung eintretenden erwarteten und unerwarteten Ereignissen. Wissen ist (dynamisch) ver¨anderlich: Subjektive Modelle u ¨ber Wirklichkeit werden der aktuellen Situation in einer sich ver¨andernden Wirklichkeit angepaßt. Wissen ist ver¨andert: Durch ihr Handeln beeinflußt die Person ihre Wissensbest¨ande und die Wirklichkeit.10 Eine Einteilung von Wissen in unterschiedliche Dimensionen findet sich bei Bea (2000): Wissen ist ein Netzwerk von Informationen in Verbindung mit einer Theorie. Es ¨außert sich in Form von Kenntnissen (z.B. Kundenwissen) und F¨ahigkeiten (z.B. Probleml¨osungskompetenz). Wir unterscheiden folgende Arten von ¨ 8 Barba Navaretti et al. (1998, S. 1), eigene Ubersetzung. 9 Schrey¨ ogg (2001a, S. 7). 10 Wehner / Dick (2001, S. 98).

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung Wissen: implizites Wissen – explizites Wissen individuelles Wissen – organisationales Wissen internes Wissen – externes Wissen Faktenwissen – Methodenwissen – Verhaltenswissen11

Den Unterschied zwischen den wissensbasierten und anderen (¨okonomischen) Theorien fassen Argote et al. (2003) wie folgt zusammen: W¨ahrend andere Theorien die Struktur und den Prozess organisatorischer Aktivit¨aten betonen, heben die wissensbasierten Theorien den Inhalt dieser Aktivit¨aten (oder das, was die Organisation erf¨ahrt) als wichtige erkl¨arende Varible der Leistung hervor.12 Dass die Ber¨ ucksichtigung von Wissen die kognitiven Grundlagen der Organisationswissenschaften erweitert und eine neue Sichtweise er¨offnet,13 bewertet Grandori in Grandori / Kogut (2002) als Potenzial.14 Jedoch weist sie auch auf die Probleme der Ber¨ ucksichtigung von Wissen in der ¨okonomischen (Modell-) Theorie hin: Wir sollten ehrlich zugeben, dass das Konzept des Wissens selbst das Risiko einzugehen droht, das mit vagen Konzepten wie Macht und Vertrauen einhergeht: den einzelnen Konzepten, die operationalisiert werden k¨onnten und den Mikro-Prozessen, die sich aus den Konzepten entwirren ließen, einen ¨ Uberbau” hinzuzuf¨ ugen, der kaum zus¨atzlichen Nutzen bringt.15 ” Gleichwohl ist Pitelis (1998) der Ansicht, dass die Ber¨ ucksichtigung von Wissen und Macht eine ernstzunehmende Bedrohung f¨ ur die herk¨ommliche neoklassische Theorie darstellt: Die M¨oglichkeit, dass Machtunterschiede aus Wissensunterschieden hervorgehen k¨onnen (dass also Wissen Macht ist), ist jedoch reizvoll genug, um in die Transaktionskosten-, Markt- und Hierarchienperspektive, sowie in die Theorie des innerbetrieblichen Kapitalismus” Eingang gefunden zu haben.16 ” 11 Bea (2000, S. 362). Zu einer ausf¨ uhrlichen Darstellung verschiedener Wissensarten siehe auch Grandori (2001, S. 21ff.). ¨ 12 Argote / McEvily / Reagans (2003, S. vi), eigene Ubersetzung. 13 Grandori beschreibt in Grandori / Kogut (2002) diese Sichtweise als Sichtweise einer Rationalit¨at, ” die beschr¨ ankt, begrenzt, implizit, Unsicherheit vermeidend, Informationskosten senkend ist” sowie kreativ, Unsicherheit suchend, Probleme l¨ osend, Hypothesen testend und selbst-erkennend”. ” 14 Vgl. Grandori / Kogut (2002, S. 230f). ¨ 15 Grandori / Kogut (2002, S. 230), eigene Ubersetzung. ¨ 16 Pitelis (1998, S. 60), eigene Ubersetzung.

2.1 Was ist Wissen?

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Ein wichtiger Aspekt des Wissens, der seit vielen Jahren ausf¨ uhrlich diskutiert wird, ist die beschr¨ankte Rationalit¨at. Im Gegensatz zur konkreten Modellierung von Wissen, die mit vielen Problemen einhergeht,17 ist das Konzept der beschr¨ankten Rationalit¨at bereits in vielen wissenschaftlichen Beitr¨agen untersucht worden und hat Eingang in ein breites Spektrum ¨okonomischer Modelle gefunden. In der grundlegenden Arbeit von March und Simon aus dem Jahr 1958 betonen die Autoren die Notwendigkeit vereinfachter Modelle als Grundlage rationaler Entscheidungen, da Menschen nur u ¨ber begrenzte intellektuelle ” Kapazit¨aten [verf¨ ugen] im Vergleich mit den Komplexit¨aten der Probleme, mit denen Individuen und Organisationen konfrontiert werden”.18 Die von March und Simon (1958) vorgeschlagenen Vereinfachungen umfassen folgende Bereiche: 1. Optimierung wird durch Satisficing”19 – der Anforderung, dass hinreichende Wer” te der kritischen Variablen erreicht werden. 2. Handlungsalternativen und Handlungskonsequenzen werden w¨ahrend des Suchprozesses sequentiell aufgedeckt. 3. Organisationen und Individuen entwickeln Handlungsrepertoires und diese dienen ihnen in wiederkehrenden Situationen als w¨ahlbare Alternativen. 4. Jedes spezifische Handlungsprogramm betrifft nur eine eingeschr¨ankte Auswahl von Situationen mit einer eingeschr¨ankten Auswahl von Konsequenzen. 5. Jedes Handlungsprogramm kann in

Halb-Unabh¨angigkeit” von den anderen ” durchgef¨ uhrt werden – sie sind nur lose verkn¨ upft.20

Zusammengefasst bedeutet dies: Der Mensch ist unf¨ahig, einem Modell absoluter Rationalit¨at, wie dem der klassischen Theorie, zu folgen, weil er einerseits nicht alle Wahlm¨o glichkeiten erfassen kann, und weil er andererseits nicht synoptisch, sondern sequenziell denkt. Anstatt aber nun die Rationalit¨at des Entscheidungstr¨agers in Frage zu stellen, will Simon ein Modell entwickeln, das von den u ¨ber sein Verhalten vorhandenen empirischen Daten ausgeht. Der Entscheidungstr¨ager sucht 17 Beispielsweise mit der Schwierigkeit, die unterschiedlichen Wissensarten oder Eigenschaften von Wissen ad¨ aquat in einem allgemeinen Modell zu ber¨ ucksichtigen. ¨ 18 March / Simon (1958, S. 169), eigene Ubersetzung. 19 Anmerkung: das ”Kunstwort” satisficing, das sich aus ”to satisfy” (befriedigen) und ”sufficient” (gen¨ ugend, hinreichend) zusammensetzt, bleibt hier un¨ ubersetzt. Siehe hierzu auch Jost (2000, S. 329). ¨ 20 March / Simon (1958, S. 169), eigene Ubersetzung.

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung zwar nicht das Optimum, d.h. die beste absolute L¨osung, die ohnedies außerhalb seiner Reichweite liegt. Aber er sucht dennoch immer nach einer ratio” nalen” L¨osung. Wie kann diese aussehen? Es wird die erste L¨osung sein, die seinen eigenen Rationalit¨atskriterien entspricht. Der Mensch ist kein Lebewesen, das die Optimierung sucht, sondern ein Lebewesen, das die Befriedigung sucht.21

Die Menge an Gelegenheiten, mit denen ein Individuum sich konfrontiert sieht, die es also wahrnimmt und wahrnehmen kann, l¨asst sich laut Jensen und Meckling (1992) als eine Funktion des Wissens dieses Individuums darstellen. Neben der beschr¨ankten Rationalit¨at im Sinne von March / Simon (1958) formulieren sie aber noch eine zweite Beschr¨ankung des Wissens: f¨ ur sie steht die Menge des m¨oglichen Wissens in Abh¨angigkeit vom Stand der Technik.22 Den Einfluss des vorhandenen Wissens auf die Grenzen der Unternehmung erw¨ahnt Grandori in Grandori / Kogut (2002): Wir sollten sagen, dass es viele Grenzen der Unternehmung gibt: Zumindest sollten wir unterscheiden zwischen einer (gesetzlich definierten) Grenze durch Verf¨ ugungsrechte, einer (de facto) Grenze durch Wissensbesitz und vertraglichen Grenzen, die (wenn sie es tun) zwischen internem” Humankapital und ” der Erbringung von Personaldienstleistungen unterscheiden.23 2.1.1 Abgrenzung des Wissensbegriffs In Abgrenzug vom Glauben, Meinen oder Vermuten l¨asst sich also definieren: Wissen ist ein, an Daten und Informationen orientiertes, letztlich erfahrungsbezogenes und damit u ufbares Modell u ¨berpr¨ ¨ber imaginierte, antizipierte oder bereits partiell best¨atigte Wirklichkeit; Wissen ist damit die Integration von handelnd erworbener Erfahrug u ¨ber Bedeutungs- und Sinngebung.24 ”Nicht jede Information ist Wissen.”25 Wissen ist mehr als nur Information. Wissen entsteht aus verarbeiteten Informationen. ¨ Eine anschauliche Ubersicht liefern Reh¨auser und Krcmar (1996): 21 22 23 24 25

Crozier / Friedberg (1979, S. 196), der sich hier auf March / Simon (1958, Kapitel 6), bezieht. Vgl. Jensen / Meckling (1992, S. 253). Grandori / Kogut (2002, S. 227). Wehner / Dick (2001, S. 97f). Eberl (2001), S. 44.

2.1 Was ist Wissen?

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Abbildung 2.1: Vom Zeichen zum Wissen, Quelle: Reh¨auser / Krcmar (1996, S. 3ff). Eine weitere Abgrenzung findet sich bei Takeuchi und Nonaka (2000): ¨ Erstens handelt es sich bei Wissen, im Gegensatz zur Information, um Uberzeugungen und Verpflichtung. Wissen ist eine Funktion einer bestimmten Einstellung, Perspektive oder Absicht. Zweitens handelt es sich bei Wissen, im Gegensatz zur Information, um Handlung. Es ist immer Wissen mit ei” nem gewissen Ziel”. Und drittens handelt es sich bei Wissen, genau wie bei Information, um Bedeutung. Es ist kontext-spezifisch und relational.26 Information wird von den beiden Autoren lediglich als notwendiges Medium oder ” Material zum Hervorrufen und Schaffen von Wissen” angesehen.27 Es besteht also ein deutlicher Unterschied zwischen Information und Wissen. Information wird in der modelltheoretischen Literatur meist diskret betrachtet, d.h. eine Information liegt entweder vor oder nicht.28 Wissen kann aber in unterschiedlichen Mengen vorliegen; es kann explizit oder implizit sein. Auch wenn es explizit ist, kann seine Weitergabe mit Kosten verbunden sein oder lange dauern, z.B. wenn es sich um sehr komplexes oder umfangreiches Wissen handelt. Bei einer Information wird davon ausgegangen, dass sie einfach zu vermitteln ist und dass die Vermittlung kostenlos m¨oglich ist. Informationskosten fallen f¨ ur gew¨ohnlich nicht deshalb an, weil die Akquisition der ¨ 26 Takeuchi / Nonaka (2000, S. 141), eigene Ubersetzung. 27 Ebenda. 28 In einigen Modellen wird allerdings auch die ”G¨ ute” eines Signals ber¨ ucksichtigt. Hierbei handelt es sich aber nur um eine m¨ oglicher Weise verzerrte Information, also die Wahrscheinlichkeit, mit der das Signal richtig oder falsch ist.

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

Information aufw¨andig w¨are, sondern weil ein Informant f¨ ur die Information bezahlt werden muss. Takeuchi und Nonaka (2000) weisen darauf hin, dass zur Schaffung von Wissen zwei Aspekte der hierzu notwendigen Information ber¨ ucksichtigt werden m¨ ussen: zum einen die syntaktische, zum anderen die semantische Perspektive. Der syntaktische Aspekt der Information, also die Menge bzw. der Umfang spielt nur im Hinblick auf die Informationsverarbeitung eine Rolle. Entscheidender f¨ ur die Schaffung von Wissen ist der semantische Aspekt, also die Bedeutung der Information: Somit ist Information ein Nachrichtenfluss, w¨ahrend Wissen aus diesem ¨ Nachrichtenfluss entsteht, verankert in den Uberzeugungen und der (Selbst-) Verpflichtung seines Besitzers. Dieses Verst¨andnis betont, dass Wissen notwendigerweise im Bezug zu menschlichem Handeln steht.29 Grandori betont in Grandori / Kogut (2002, S. 225), dass die Ber¨ ucksichtigung von Wissen im Gegensatz zur lange u ¨blichen Praxis, sich auf Informationen zu beschr¨anken, das Blickfeld erweitert. Sie kritisiert, dass diese Beschr¨ankung dazu gef¨ uhrt hat, dass nur verschiedene Mechanismen der Organisation hinsichtlicher ihrer relativen Effizienz ” beim Erreichen eines gegebenen Ergebnisses” verglichen wurden und dass diese Herangehensweise unsere Aufmerksamkeit auf relativ strukturierte Aufgaben begrenzt hat, ” wobei die Bereiche sp¨ urbarer oder erkenntnistheoretischer Unsicherheit ausgeschlossen wurden, die zur Aufgabe haben, valides Wissen zu schaffen und nicht Informationen effizienter zu verarbeiten.”30 Wissen oder Humankapital? Wissen und Humankapital ¨ahneln sich in mancher Hinsicht. Um Wissen oder Humankapital zu akquirieren, muss ein Arbeitnehmer m¨oglicherweise Investitionen t¨atigen.31 Wissen und Humankapital haben gemeinsam, dass sie allgemein oder betriebsspezifisch sein k¨onnen.32 . Dennoch gibt es auch Unterschiede. Wissensakquisition muss nicht unbedingt mit Kosten einhergehen, siehe hierzu auch 2.1.2. Außerdem muss Wissen nicht unbedingt das Humankapital steigern. Es gibt z.B. destruktives Wissen,33 dessen Besitz zwar m¨oglicherweise den Nutzen des Besitzers mehrt, nicht jedoch sein Humankapital. ¨ Takeuchi / Nonaka (2000, S. 141f), eigene Ubersetzung. ¨ Grandori / Kogut (2002, S. 225), eigene Ubersetzung. Zu betriebsspezifischen Humankapitalinvestitionen siehe Becker (1962). Auf eine Diskussion von Humankapitalinvestitionen soll hier verzichtet werden, siehe dazu Kr¨akel (1999, S. 102ff), Lazear (1998, S. 152ff), sowie Alewell (2001, S. 384ff). 33 Als destruktives Wissen wird hier beispielsweise Wissen bezeichnet, das dazu eingesetzt werden kann, andere zu erpressen. Auch das Wissen u ¨ber Sabotagem¨oglichkeiten oder M¨oglichkeiten der Leistungszur¨ uckhaltung kann dazu gez¨ ahlt werden. 29 30 31 32

2.1 Was ist Wissen?

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Auf einen weiteren Unterschied weisen von Krogh und Venzin (1997) hin: ”Besch¨aftigte sind st¨arker als flexible Individuen denn als starre Funktionstr¨ager gefordert [...]. Die Erwerbsbiographie besteht nicht mehr in der lebenslangen Optimierung und Absicherung einmal erworbener Expertise, sondern im Auf- und Umbau eines flexiblen Kompetenzportfolios”.34 ” Sie betonen, dass durch den Erwerb von Wissen vor allem der Handlungsspielraum erweitert wird. Diese Abgrenzung zum Humankapitalerwerb ist nicht so trennscharf wie das obige Beispiel, zumal man argumentieren k¨onnte, dass auch ein flexibles Kompetenzportfolio Humankapital sei. Zusammenfassend l¨asst sich sagen, dass es durchaus Wissen gibt, das kein Humankapital darstellt. Auch produktiv einsetzbares Wissen kann sich insofern von Humankapital unterscheiden, als sein Erwerb m¨oglicherweise nicht mit Kosten oder Anstrengung verbunden ist. Sind zur Akquisition produktiven Wissens allerdings Investitionen notwendig, so gibt es nur noch marginale Unterschiede zwischen Wissen und Humankapital und die in der Literatur umfangreich diskutierten Modelle u ¨ber die Sicherstellung und Finanzierung von Humankapitalinvestitionen l¨asst sich analog anwenden. 2.1.2 Wissenserwerb Aus Unterabschnitt 2.1.1 u ¨ber die Abgrenzung des Wissensbegriffs folgt, dass es Unterschiede zwischen Informations- bzw. Humankapitalakquisition und Wissenserwerb gibt, ¨ allerdings auch Uberschneidungen. Daher wird in diesem Unterabschnitt auch Literatur u uhrt, sofern sich die Ans¨atze auf den ¨ber Informations- und Humankapitalerwerb angef¨ Wissenserwerb u ¨bertragen lassen. Expertenwissen l¨asst sich nach dem Modell von Dreyfus / Dreyfus (1987) erwerben, indem der Lernende f¨ unf Stufen durchl¨auft: 1. der Novize 2. der fortgeschrittene Anf¨anger 3. der kompetent Handelnde 4. der situationsgerecht Handelnde 5. der Experte.35 34 von Krogh / Venzin (1997, S. 23). 35 Zitiert nach Petkoff (2001, S. 269).

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

Hierbei wandelt sich das Verhalten des Lernenden von Analysieren und Regeln befolgen zum erfahrungsbasierten, intuitiv angemessenen Handeln. Das Wissen, das anfangs explizit sprachlich verf¨ ugbar” gemacht werden muss, damit der Novize bzw. der fort” geschrittene Anf¨anger ad¨aquat handeln kann, ist beim Experten zum intuitiv vorhan” denen und unmittelbar praktisch verf¨ ugbaren” Wissen geworden. Dies f¨ uhrt dazu, dass Experten in gew¨ohnlichen Situationen nicht mehr mit Problemen oder Entscheidungen konfrontiert sind, sondern einfach das machen, was normalerweise funktioniert”.36 ” Die Psychologen Wehner und Dick (2001) bemerken jedoch, dass sich weder der ” Erwerb von Expertenwissen noch dessen Anwendung [..] direkt aus dem Ursprungsund Verwendungskontext her[leiten lassen]”. Expertenwissen beruht ihrer Ansicht nach gerade nicht auf Erfahrung und Erleben, sondern auf erlernten Methoden und Modellen. Sie geben zu bedenken: Die Genese des Wissens wird dadurch nicht tradiert und verbleibt im Verborgenen. Diese Losl¨osung des Wissens von seinem Entstehungszusammenhang ¨ impliziert ein Legitimationsproblem. Wenn Uberzeugungskraft nicht mehr durch Augenschein oder reale Erfahrungen gegeben ist, muß sie sich auf andere Mechanismen st¨ utzen. Anders ausgedr¨ uckt: Eine Verifizierung oder Falsifizierung bestehender Modelle und Methoden kann nur durch das Ausbleiben oder – mit wensentlich st¨arkerer Aussagekraft – durch das Eintreten realer St¨orungen erfolgen.37 Sie beobachten als Reaktion auf diese Kluft” zwischen Expertenwissen und seiner ” konkreten Anwendung eine zunehmende Wiederentdeckung der Erfahrung in der be” trieblichen Lebenswelt”.38 Palekar (2006) befasst sich mit gezielten Neueinstellungen von Mitarbeitern als M¨oglichkeit, das Organisationswissen zu f¨ordern. Internen Wettbewerb zwischen Teams und dessen Auswirkungen auf das Organisationswissen untersuchen Szarka et al. in einer Fallstudie.39 Mit der Schaffung von Wissen besch¨aftigt sich aber auch eine Reihe von ¨okonomischen Arbeiten. Im Vordergrund stehen hierbei h¨aufig die Kosten der Wissensakquisition, aber in der neueren Managementliteratur wird auch oft die Frage diskutiert, wie ein sinnvoller Wissenserwerb in einer Organisation erreicht werden kann.40 36 37 38 39 40

Petkoff (2001, S. 269). Wehner / Dick (2001, S. 91f). Ebenda. Szarka / Grant / Flannery (2004). Siehe hierzu auch den Unterabschnitt u ¨ber Wissensmanagement.

2.1 Was ist Wissen?

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Der optimale Zeitpunkt f¨ ur das Einholen von Informationen steht im Zentrum mehrerer Arbeiten von Cr´emer und seinen Koautoren.41 Bei der Schaffung von Wissen gibt es laut Takeuchi und Nonaka (2000) zwei Dimensionen: einerseits die Dimension der Begriffs- und Wesensbestimmung, andererseits die erkenntnistheoretische Dimension.42 Auch Skyrme benennt zwei Strategien zum Umgang mit Wissen in einer Organisation: Die erste Strategie lautet, das bereits zug¨angliche Wissen in der Organisation bekannt und zug¨anglich zu machen, um eine Unter-Nutzung des ¨ bestehenden Wissens zu verhindern. Gerade in großen Organisationen gibt es oft Uberschneidungen bzw. Ineffizienzen dadurch, dass in zwei Abteilungen dasselbe Problem zu l¨osen versucht wird.43 Die zweite Strategie lautet, neues Wissen zu schaffen und es verwertbar machen. Dies bedeutet eine Innovation von Produkten und Dienstleistungen. Laut Skyrme fehlt es Organisationen meist nicht an der notwendigen Kreativit¨at im Bereich Forschung und Entwicklung, sondern eher an der F¨ahigkeit, aus guten Ideen vermarktungsf¨ahige Produkte zu machen.44 Demsetz (1991, S. 171) weist darauf hin, dass die Schaffung von Wissen, aber auch dessen Pflege und Benutzung mit Kosten einhergeht. Um diese Kosten gering zu halten, empfiehlt er eine Spezialisierung der einzelnen Akteure. Eine grundlegende Arbeit zur Finanzierung von Humankapitalinvestitionen stammt von Becker (1964). Er ist der Ansicht, dass Investitionen in betriebsspezifisches Humankapital grunds¨atzlich vom Unternehmen, Investitionen in allgemeines Humankapital hingegen vom Arbeitnehmer getragen werden sollten. Dem widersprechen Acemoglu und Pischke (1999): Bei verzerrten Lohnstrukturen und einem stark regulierten Arbeitsmarkt (mit entsprechenden Friktionen, d.h. Reibungsverlusten) kann es f¨ ur Unternehmen sinnvoll sein, auch in das allgemeine Humankapital ihrer Mitarbeiter zu investieren. Dies deckt sich mit den Beobachtungen, dass Unternehmen in Europa und Japan st¨arker in allgemeines Humankapital investieren (z.B. im Rahmen des deutschen Ausbildungssystems) als in den USA, wo der Arbeitsmarkt st¨arker dereguliert ist.45 In 2.1.1 wurde darauf hingewiesen, dass Wissen unter Umst¨anden auch ohne Investitionen und ohne Anstrengung erworben werden kann und dass dies den Wissenserwerb vom Humankapitalerwerb unterscheidet. Jedoch modelliert Lindner (1998) am Beispiel des deutschen Ausbildungssystems die Humankapital-Akkumulation durch learning-by” doing”. 41 Vgl. Cr´emer, J. / Kahlil, F. (1992; 1994), Cr´emer, J. / Khalil, F. / Rochet, J.-C. (1998; 1998a). 42 Takeuchi / Nonaka (2000, S. 140ff). In der Quelle werden die beiden Dimensionen als ontologische und epistemologische Dimension bezeichnet. 43 Vergleiche hierzu auch das Siemens ”ShareNet” Beispiel aus der Einleitung. 44 Vgl. Skyrme (2000, S. 64f). 45 Vgl. Acemoglu / Pischke (1999, S. 566f).

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

Die Institutionalisierung einer Lernenden Organisation” propagiert beispielsweise ” Bea (2000). Damit eine lernende Organisation entstehen kann, bedarf es laut Bea der Umsetzung neuer Organisationsmodelle, beispielsweise der Prozessorganisation, aber auch der Team- und Selbstorganisation, sowie Kooperationsmodellen. Zentrale Elemente bei der Schaffung einer lernenden Organisation sind die Kommunikation der Mitarbeiter, aber auch das Denken in Zusammenh¨angen, die Integration von Denken und Handeln und die Reflexion des bereits vorhandenen Wissens.46 Eine entsprechende Kultur ist unabdingbar, wenn eine lernede Organisation institutionalisiert werden soll. Ein interessanter Ansatz zur Verkn¨ upfung von Wissen und Unternehmenskultur findet sich bei Cr´emer (1993), der die Unternehmenskultur als den Wissensbestand in einem Unternehmen modelliert, wobei der Wissenserwerb mit Investitionen verbunden ist. Das bedeutet, dass auch die Etablierung einer Unternehmenskultur laut Cr´emer mit Investitionskosten einhergeht. Eine weitere interessante Frage im Zusammenhang mit Wissenserwerb ist die Frage nach der optimalen Wissensmenge. Der Zielkonflikt ist offensichtlich, wenn zus¨atzliches Wissen mit zus¨atzlichem Nutzen verbunden ist, aber auch mit zus¨atzlichen Kosten. Sind Nutzen- und Kostenfunktion bekannt, l¨asst sich die optimal zu akquirierende Wissensmenge berechnen. Schwieriger ist dies, wenn asymmetrische Information vorliegt und die Menge des erworbenen Wissens bzw. die H¨ohe der dazu get¨atigten Investitionen nicht beobachtbar ist. Mit asymmetrischen Informationen befasst sich beispielsweise Szalay (2000), der eine Prinzipal-Agenten Beziehung betrachtet, in welcher der Agent vor Durchf¨ uhrung seiner Aufgabe Informationen zu deren L¨osung akquirieren soll. Allerdings kann der Prinzipal ex post nicht feststellen, ob der Agent u ¨berhaupt in diese Informationssammlung investiert hat. Szalay zeigt, dass im Hinblick auf eine ad¨aquate Wissensakquisition des Agenten eine Einschr¨ankung seines Handlungsspielraums sinnvoll sein kann und dass es unter Umst¨anden f¨ ur den Prinzipal vorteilhaft ist, wenn der Agent gerade nicht in die Informationsakquisition investiert. Von Takeuchi und Nonaka (2000) stammt ein F¨ unf-Stufen-Modell, das zeigt, wie der Prozess des Wissenserwerbs und der Wissensverarbeitung ablaufen sollte:47 1. Implizites Wissen weitergeben (Sozialisation) 2. Konzepte entwerfen (Externalisierung) 3. Konzepte begr¨ unden48 46 Vgl. Bea (2000, S. 366). 47 Takeuchi / Nonaka (2000, S. 172ff). 48 Die Kriterien f¨ ur die Bewertung von Konzepten k¨ onnen entweder vom Topmanagement als Vision oder Strategie vorgegeben sein, oder auch vom mittleren Management in Form von Konzepten.

2.1 Was ist Wissen?

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4. Modell bzw. Prototyp aus dem begr¨ undeten Konzept herstellen 5. Wissensausgleich. Organisationswissen schaffen ist ein nie endender Prozess, der sich selbst kontinuierlich verbessert. Er endet nicht, wenn ein Prototyp entwickelt wurde. Das neue Konzept, das entworfen, begr¨ undet und modelliert wurde, tritt in einen neuen Kreislauf des Wissenserwerbs auf einem anderen ontologische Niveau ein. Dieser interaktive und spiralf¨ormige Prozess, denn wir Wissensausgleich nennen, findet sowohl innerhalb der Organisation als auch organisations¨ ubergreifend statt.49 Skyrme (2000, S. 66ff.) formuliert zudem sieben strategische Hebel”, wie und welches ” Wissen eine Organisation nutzen kann: 1. Kundenwissen, z.B. u urfnisse ¨ber Einsatzm¨oglichkeiten und Bed¨ 2. Das durch die Mitarbeiter vorhandene Wissen 3. Das in den Produkten vorhandene Wissen 4. Das in den Prozessen vorhandene Wissen 5. Das Organisationsged¨achtnis 6. Das in Beziehungen vorhandene Wissen 7. Das Wissen in den Verm¨ogenswerten Von den Kunden kann ein Unternehmen erfahren, wie seine Produkte eingesetzt werden und was tats¨achlich die Anforderungen sind. Das Wissen der Mitarbeiter n¨ utzt der lernenden Organisation nur, wenn es genutzt und auch weitergegeben wird. Aus individualisierten Produkten l¨asst sich viel u urfnisse von Kunden erfahren, aus ¨ber die Bed¨ sogenannten intelligenten Produkten” kann eine Organisation lernen. Prozesse, die sich ” in bestimmten Bereichen bew¨ahrt haben, lassen sich m¨oglicherweise auch auf andere Bereiche u ¨bertragen. Das Organisationsged¨achtnis, das z.B. in Form von Datenbanken oder Intranet vorliegt, muss nutzbar und einfach zu handhaben sein. Wenn Mitarbeiter lange zusammenarbeiten, entsteht ein Beziehungswissen, das f¨ ur eine Organisation von Vorteil sein kann, weil Abl¨aufe besser funktionieren als unter Fremden und einer 49 Takeuchi / Nonaka (2000, S. 176).

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

genau die Herangehensweise des anderen kennt. In verschiedenen Verm¨ogenswerten ist unterschiedliches Wissen gespeichert.50 2.1.3 Wissensweitergabe: explizites vs. implizites Wissen Ein oben erl¨auterter Unterschied zwischen Information und Wissen ist, dass Wissen m¨oglicher Weise schwieriger weiterzugeben ist als eine Information. [Wissens-] Transfer ” bedeutet die Verwendung von Lager- und Prozesskapazit¨aten sowie von Input/OutputKan¨alen.”51 Die Wissensweitergabe kann also mit Kosten verbunden sein, die u ¨ber eine bloße Bezahlung des Informanten hinausgehen. Kosten k¨onnen z.B. als Opportunit¨atskosten anfallen, wenn der Prozess der Wissensweitergabe l¨anger andauert und der Lernende, aber vielleicht auch der Lehrende in dieser Zeit nicht in gleichem Maße wie sonst produktiv sein k¨onnen. Auch kann der Wissenstransfer dazu f¨ uhren, dass wichtige Entscheidungen verschoben werden, bis die Wissensweitergabe erfolgt ist.52 Derartige Transferkosten m¨ ussen jedoch nicht anfallen: Wissen ist ein sehr breiter Begriff, der nicht per se besagt, ob Transferkosten anfallen oder nicht. Um Wissen hinsichtlich seiner Transferierbarkeit einordnen zu k¨onnen, unterscheidet man explizites und implizites Wissen (”tacit knowledge”). Der (Wissenschafts-) Philosoph Polanyi (1966) schreibt u ¨ber implizites Wissen: Implizites Wissen liegt [...] der F¨ahigkeit des Wissenschaftlers zugrunde, (1) ein Problem richtig zu erkennen, (2) diesem Problem nachzugehen und sich bei der Ann¨aherung an die L¨osung von seinem Orientierungssinn leiten zu lassen und (3) die noch unbestimmten Implikationen der endlich erreichten Entdeckung richtig zu antizipieren.53 Eine psychologische Definition der Begriffe explizites und implizites Wissen findet sich bei Petkoff (2001): Der Alltagssprachgebrauch von explizit/implizit l¨asst sich etwa dadurch charakterisieren, dass mit explizit gemeint ist, dass ein intuitiv zug¨anglicher, urspr¨ unglicher Sachverhalt und dessen Explikation in einem f¨ ur jedermann 50 Beispiele f¨ ur Verm¨ ogenswerte und das in ihnen vorhandene Wissen: Im Humankapital der Organisation (F¨ ahigkeiten, Wissen, Erfahrung), im Kundenbestand (Anzahl, Qualit¨at, Intensit¨at der Beziehung), im Organisationskapital (Systeme, Prozesse, Datenbanken) und im geistigen Eigentum der Organisation (Patente, Copyrights, Handelsmarken) kann Wissen gespeichert sein, vgl. Skyrme (2000, S. 66ff). 51 Jensen / Meckling (1990, S. 6). 52 Siehe hierzu den Abschnitt u ¨ber die Abgrenzung von Wissen zu Humankapital, sowie bspw. Jensen / Meckling (1990, S. 6f). 53 Polanyi (1966, S. 30).

2.1 Was ist Wissen?

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offen gelegten, unmittelbar nachvollziehbarem Verh¨altnis stehen, d.h., dass f¨ ur den Zugang z.B. zu Wissen keine vermittelnden Analogien ben¨otigt werden. Mit implizit ist eher ein Erkenntniszugang zu Sachverhalten gemeint, der vermittelnde Denk- oder Betrachtungsschritte voraussetzt, damit ein Zusammenhang unter Unst¨anden als Kausalkette engesehen bzw. auf eine kontrolliert reproduzierbare Weise nachvollzogen oder simuliert werden kann.54 Und sich auf Polanyi berufend unterscheidet Petkoff (2001) explizites Wissen als spe” zifisches, reproduzierbares Wissen, als Know how” und implizites Wissen als in men” talen Modellen, kognitiven Bildern, Konsturkten und Karten, routinisierten Verhaltensund Vorgehensweisen eigenlagert.”55 Implizites Wissen kann dabei auch durchaus unbewusst vorliegen, d.h. der Wissende ist sich m¨oglicherweise seines Wissens gar nicht bewusst.56 Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, unterscheidet Gorman (2002) vier Typen von Wissen, die sowohl expliziten als auch impliziten Charakter haben k¨onnen:57 1. Informationen bzw. deklaratives Wissen” u ¨ber Tatsachen und Ereignisse. ” Diese k¨onnen durchaus eine tacite Dimension haben. Die Frage nach Informationen lautet: Was? 2. Fertigkeiten bzw. prozedurales Wissen”, die auch durch Gef¨ uhl oder Intui” tion erlangt werden k¨onnen. Die Frage nach Fertigkeiten lautet: Wie? ¨ 3. Urteilsverm¨ ogen, also das Erkennen von Ahnlichkeiten mit bereits gel¨osten Problemen oder das Wiedererkennen von Aufgabentypen und die F¨ahigkeit, ihnen das richtige L¨osungsschema zuzuordnen. Die dazugeh¨orige Frage lautet: Wann?58 4. Weisheit, also die F¨ahigkeit, u ¨ber das Handeln und die Probleml¨osungen nachzudenken und auch neue L¨osungsschemata zu entwickeln. Die zugeh¨orige Frage lautet: Warum? Laut Reber (1967) kann auch der Prozess des Wissenserwerbs unbewusst sein. Diese unbewusste Wissensakquisition definiert Reber (1967) als implizites Lernen. Er charakterisiert implizites Lernen durch zwei Komponenten: Der Erwerb des Wissens geschieht 54 Petkoff (2001, S. 271). 55 Petkoff (2001, S. 272f). Kritisch ¨ außern sich zur Unterscheidung explizites / implizites Wissen Aulinger / Pfriem / Fischer (2001, S. 77ff), die den Begriff ”explizites Wissen” als ”Widerspruch in sich” bezeichnen, denn ”Wissen (und Information) gibt es nur in K¨ opfen (und B¨ auchen)”. 56 Dienes / Altmann (1997) testen die Weitergabe impliziten Wissens beispielsweise darauf, ob bzw. in welchem Maße sie wahrnehmungsgebunden ist. 57 Gorman (2002, S. 221ff). 58 Im Sinne von: ”Wann muss ich welches Schema anwenden?”.

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

inzidentell (beil¨aufig und ohne Absicht), und die Prozesse in der Lernphase f¨ uhren zu einer nicht bewußten Wissensbasis. In einigen ¨okonomischen Aufs¨atzen wird auch zwischen generellem und spezifischem Wissen unterschieden. Die Argumentation ist hier analog zur Unterscheidung in explizites und implizites Wissen.59 Jedoch sind beide Unterscheidungen nicht diskret; man kann davon ausgehen, dass sich Wissen auf einer kontinuierlichen Skala zwischen den beiden Extremen explizit” und implizit” (bzw. generell” und spezifisch”) einordnen ” ” ” ” l¨asst, wobei die Weitergabe expliziten Wissens einfach und mit geringen Kosten m¨oglich ist, die Weitergabe impliziten Wissens hingegen mit h¨oheren Kosten verbunden ist.60 Sensibles” Wissen, sei es u ¨ber Mitarbeiter, das Unternehmen, Kunden und Zulieferer ” oder auch u ¨ber Maschinen ist typischer Weise implizit und nicht leicht zu akquirieren. Andererseits wird gerade solches Wissen oft im Verlauf einer T¨atigkeit nebenbei erworben: bei der Interaktion mit den Kollegen oder Kunden erf¨ahrt man im Laufe der Zeit einiges u ¨ber sie; ist man einige Zeit in einem Unternehmen besch¨aftigt, gewinnt man ¨ Einblicke in Bereiche, die der Offentlichkeit unzug¨anglich sind. In diesen F¨allen kann man nicht sagen, dass die Akquisition dieses impliziten bzw. spezifischen Wissens per se mit hohen Kosten verbunden ist – man erh¨alt es ja nebenbei, ohne bestimmte Investitionen t¨atigen zu m¨ ussen oder einen hohen Lernaufwand zu haben, der die eigenen Produktivit¨at beeintr¨achtigte. Dennoch ist dieses Wissen nicht leicht zu erwerben und f¨ ur die meisten Menschen v¨ollig unzug¨anglich. Zudem sinkt – gerade bei sensiblem Wissen – der Wert des Wissens durch die Benutzung. Hat man beispielsweise vertrauliches Wissen u ¨ber Personen, so kann man dieses entweder konstruktiv nutzen, um ein Vertrauensverh¨altnis aufzubauen oder auch destruktiv, indem man die andere Person mit dem Wissen u ur ¨ber sie erpresst. Verbreitet man allerdings dieses Wissen, so wird es wertlos f¨ den Wissenden und richtet allenfalls Schaden an.61 Zu einem interessanten Ergebnis kommen auch Haas / Hansen (2002; 2005) in ihren empirischen Arbeiten, die sich mit den Auswirkungen der Weitergabe von codiertem und pers¨onlichem Wissen in einem Beratungsunternehmen besch¨aftigen. Neu zusammengestellte Teams profitieren stark von einem ausgepr¨agten Wissenstransfer, w¨ahrend f¨ ur erfahrene Teams die Kosten einer umfangreichen Wissensweitergabe h¨oher sind als ihr Nutzen; bei letzteren f¨ uhrte eine intensive Beratung durch erfahrene Kollegen sogar zu ¨ 59 Um Begriffsverwirrungen und Uberschneidungen mit der Humankapitaltheorie zu vermeiden, die zwischen generellem (allgemeinem) und (betriebs-) spezifischem Humankapital unterscheidet, werden im Folgenden die g¨ angigeren Begriffe explizites und implizites Wissen statt generellem und spezifischem Wissen gebraucht; es wird darauf verzichtet, bei jedem zitierten Aufsatz gesondert auf die dort verwendeten Begriffe hinzuweisen, sofern sie synonym verwendet werden. 60 Jensen / Meckling (1990, S. 5) und (1992, S. 251). 61 Zu spezifischem und idiosynkratischem Wissen siehe auch Jensen / Meckling (1999, S. 9).

2.1 Was ist Wissen?

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einer erh¨ohten Wahrscheinlichkeit, dass ihr Angebot nicht den Zuschlag erhielt. In einem weiteren Aufsatz, der auf derselben empirischen Untersuchung basiert, weisen Hansen / Haas (2001) darauf hin, dass die Weitergabe pers¨onlichen Wissens eher die Qualit¨at verbessert und Kompetenz signalisiert, w¨ahrend die Weitergabe codierten Wissens die Effizienz bei der Erledigung der Aufgaben erh¨oht. W¨ahrend fr¨ uhere Arbeiten, z.B. Hayek (1945), die Verteilung von Wissen als gegeben annahmen, stellt sich bei der Betrachtung eines Kontinuums von Wissen zwischen explizit und implizit nur noch die Frage, zu welchen Kosten Wissen weitergegeben werden ” kann und ob es sich lohnt”.62 Gerade dies ist jedoch eine problematische Frage, die beispielsweise in der Softwareindustrie, aber auch in allen anderen Branchen, in denen komplexe technische Ger¨ate oder Dienstleistungen entwickelt oder verkauft werden, immer wieder zu Konflikten zwischen Anbietern und Kunden f¨ uhrt. Soll zum Beispiel eine Softwarel¨osung f¨ ur ein Marktforschungsunternehmen entwickelt werden, so sind die Softwareentwickler darauf angewiesen, dass das Marktforschungsunternehmen sie mit den notwendigen Informationen und den Anforderungen an die Software versorgt. Dazu gibt es sogenannte Pflichtenhefte, in denen genau festgehalten wird, welche Komponenten und Anwendungsm¨oglichkeiten die zu entwickelnde Software umfasst. Hierzu ist ein gegenseitiger Wissenstransfer unerl¨asslich: die Marktforscher m¨ ussen ihre Methodik, ihre Arbeitsabl¨aufe und ihre Vorstellungen hinsichtlich der zuk¨ unftigen Arbeit mit der Software weitergeben, die Entwickler hingegen m¨ ussen verdeutlichen, welche technischen M¨oglichkeiten sie haben und mit welchen Kosten die Komponenten verbunden sind. Hierbei kommt es oft zu Missverst¨andnissen und Konflikten, da stets nur ein kleiner Teil des auf beiden Seiten vorhandenen Wissens weitergegeben werden kann oder beiden Seiten nicht klar ist, welches spezifische Wissen auf der Gegenseite vorhanden ist und welches Wissen genau notwendig w¨are, um eine fundierte Entscheidung treffen zu k¨onnen.63 Je komplexer, spezifischer oder impli” ziter” das dazu notwendige Wissen ist, desto kostspieliger ist die notwenidge Wissensweitergabe und die oben gestellte Frage, ob sich der Wissenstransfer lohnt, muss verneint werden. Daher kann es in solchen F¨allen sinnvoll sein, nicht das entscheidungsnotwendige Wissen weiterzugeben, sondern die Entscheidungsrechte an die Agenten zu delegieren, die u ugen. Dies bedeutet meistens eine Dezentralisierung ¨ber das notwendige Wissen verf¨ der Entscheidung. Der Kosteneinsparung beim Wissenstransfer stehen dann aber Vertretungskosten gegen¨ uber, also die Kosten, die aus dem Konflikt zwischen Individualund Organisationsinteressen entstehen, der Kontrollkosten unerl¨asslich macht.64 Zudem 62 Jensen / Meckling (1990, S. 6). 63 Zu ”nicht ge¨ außerten Benutzerw¨ unschen” siehe auch Leonard (2000, S. 233f). 64 Jensen / Meckling (1999, S. 9), und dieselben (1990, S. 2). Zu Vertretungskosten (Agency Costs)

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besteht die M¨oglichkeit, dass auch organisationsintern Interessenkonflikte zwischen den Hierarchieebenen bestehen, die sich nicht durch eine Divergenz zwischen Individual- und Organisationsinteressen erkl¨aren lassen.65 M¨oglicherweise hat der Abteilungsleiter, dem aufgrund seines spezifischen Wissens die Entscheidung u ¨ber ein Projekt u ¨bertragen wurde, eher den Erfolg seiner Abteilung im Blick. Oder er entscheidet sich, um beim oben erw¨ahnten Beispiel zu bleiben, f¨ ur die Entwicklung bestimmter Software-Komponenten, die f¨ ur seine Abteilung sinnvoll, aber f¨ ur das Gesamtunternehmen eher unwichtig und zu teuer sind. Auch dieser Aspekt l¨asst sich unter Agency Costs fassen. Ein weiterer Aspekt bei der Wissensweitergabe ist die m¨oglicherweise bestehende Diskrepanz zwischen gesendetem und empfangenem Wissen. Kogut formuliert im Hinblick auf Technolgietransfer: [...] die Weitergabe von Technologie ist kein mechanischer Prozess, sondern interaktiv und in die auf beiden Seiten bestehenden F¨ahigkeiten und in die sozialen Beziehungen der Transaktionspartner eingebettet.66 Diese Aussage l¨asst sich auf die Wissensweitergabe u ¨bertragen. Die auf beiden Seiten vorhandenen F¨ahigkeiten beeinflussen sicherlich das Ergebnis einer Wissensweitergabe. Zus¨atzliche Probleme k¨onnen auftreten, wenn beispielsweise implizites Wissen zwecks Weitergabe in explizites Wissen umgewandelt werden soll. Ein anschauliches Beispiel findet sich bei Nonaka (1991): 1985 arbeiteten Produktentwickler bei der Matsushita Electric Company in Osaka an einer neuen Brotbackmaschine f¨ ur den Haushalt. Doch gelang es ihnen nicht, eine Maschine zu bauen, die den Teig richtig knetete, so dass das Brot außen meist verbrannt und innen fast roh war. Alle Untersuchungen, einschließlich R¨ontgen der maschinengebackenen Brote und Broten von B¨ackern brachten keinen Erfolg. Schließlich hatte die Softwareentwicklerin Ikuko Tanaka eine Idee: Der B¨acker des Osaka International Hotel war ber¨ uhmt f¨ ur sein Brot. Also beobachtete sie ihn und seine Knettechnik und nach einem Jahr trial and error” und enger ” Zusammenarbeit mit den Ingenieuren des Hotels hatten sie eine Maschine entwickelt, die die besondere Knettchnik des Kochs imitierte. Die Brotbackmaschine verkaufte sich hervorragend.67 In diesem Beispiel wurde implizites Wissen weitergegeben. Der Koch war sicherlich nicht in der Lage, in Worten seine Technik so zu erkl¨aren, dass Frau Tanaka aufgrund siehe auch 1.3.3 und die dort zitierte Literatur. 65 Siehe auch Lehner (2001, S. 225), der solche Konflikte auch beim Aufbau von Wissensmanagementsystemen in Organisationen beschreibt. 66 Grandori / Kogut (2002, S. 224). 67 Nonaka (1991, S. 98).

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dieser Erkl¨arung in der Lage gewesen w¨are, seine Knettechnik nachzuahmen. Die Weitergabe war m¨ uhsam, dauerte ca. ein Jahr und bedeutete f¨ ur die Lernende, die Technik immer wieder selbst auszuprobieren und nachzuahmen. Nonaka (1991) unterscheidet vier Arten der Wissensweitergabe bzw. Wissensumwandlung:68 1. implizit zu implizit (Sozialisation) Hierf¨ ur ist das Erlernen des Teigknetens ein gutes Beispiel. Das Wissen blieb die ganze Zeit u ¨ber implizit und nachdem die Softwareentwicklerin gelernt hatte, wie man Teig richtig knetet, besaß sie zwar diese F¨ahigkeit; diese F¨ahigkeit an Dritte weiterzugeben blieb jedoch schwierig und aufw¨andig: das Erlernen dieser F¨ahigkeit ¨ ist nach wie vor nur durch Beobachten, Nachahmen und Uben m¨oglich. 2. explizit zu explizit (Kombination) Sammelt ein Controller Kennzahlen der verschiedenen Unternehmensbereiche und f¨ uhrt sie in einem Gesch¨aftsbericht zusammen, so hat er explizites Wissen in explizites Wissen umgewandelt. Der Gesch¨aftsbericht ist zwar eine Synthese der einzelnen Berichte aus den Unternehmensbereichen, enth¨alt aber an sich kein neues Wissen. 3. implizit zu explizit (Externalisierung) Da die Softwareentwicklerin im oben beschriebenen Beispiel ihre neu erlernte Technik dem Projektentwicklungsteam erkl¨aren konnte, gelang es ihr, das implizite Wissen in explizites umzuwandeln. Sie konnte die wesentlichen Elemente beschreiben und so den Ingenieuren die wesentlichen Erfordernisse beim Teigkneten verdeutlichen, was die Entwicklung der speziellen Knetvorrichtung erm¨oglichte. 4. explizit zu implizit (Internalisierung) Wird explizites Wissen genutzt, um das eigene implizite Wissen zu erweitern, spricht man von Internalisierung. Die Produktentwickler konnten beispielsweise durch den Entwicklungsprozess ihre Intuition hinsichtlich der Erfordernisse eines Haushaltsger¨ats verbessern.

68 Vgl. Nonaka (1991, S. 98f), Petkoff (2001, S. 274). Zu einer ausf¨ uhrlichen Darstellung und Diskussion siehe auch Baumard (1999, S. 23ff), sowie Takeuchi / Nonaka (2000, S. 146ff).

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Abbildung 2.2: Arten der Wissensweitergabe; Quelle: Nonaka (1994, S. 19). Nonaka verwendet hier tacites und implizites Wissen synonym. Eine empirische Untersuchung des Transfers von implizitem Wissen, das durch Lear” ning by doing” gewonnen wurde, stellen Epple / Argote / Murphy (1996) an. [D]ie Weitergabe von Technologie ist kein mechanischer Prozess, sondern interaktiv und in die auf beiden Seiten bestehenden F¨ahigkeiten und in die sozialen Beziehungen der Transaktionspartner eingebettet.69 Auch Darr et al. (1995) betonen die besondere Bedeutung von pers¨onlichen Bekanntschaften, regelm¨aßigen Treffen und Kommunikation f¨ ur den Wissensaustausch. Zugleich weisen sie darauf hin, dass Wissen auch verloren gehen kann, sei es durch Vergessen, durch Personalfluktuation oder auch durch verlorene Dokumente.70 Bisher wurde die Frage nach den Anreizen f¨ ur Wissensweitergabe weitgehend ausgeblendet. Wissensweitergabe kann genauso entlohnt werden wie produktive Arbeit. Wie bei Produktion mit nicht messbarem Arbeitseinsatz besteht hier ein Problem moralischen Risikos bei verstecktem Handeln.71 Aber generell gilt, dass Akteure, die u ¨ber Wis69 Grandori / Kogut (2002, S. 224). 70 Vgl. Darr / Argote / Epple (1995, S. 1752f). Die Autoren untersuchen das Organisationslernen in Pizza-Franchises. Sie stellen fest, dass das Laden-spezifische Lernen die Produktionskosten pro Einheit signifikant senkt. Der Lernerfolg war gr¨ oßer, wenn die L¨aden denselben Besitzer hatten. Zwischen den L¨ aden unterschiedlicher Besitzer gab es wenig Wissensaustausch. Auch ließ sich ein Wissensverlust feststellen: dies f¨ uhren die Autoren auf die hohe Fluktuation zur¨ uck. 71 Zu moralischem Risiko siehe Holmstr¨ om (1979), Mas-Colell / Whinston / Green (1995, S. 478ff), Richter / Furubotn (1996, S. 201ff, S. 215ff), Jost (2000, S. 494; 2000a, S. 47), sowie Erlei / Jost (2001, S. 45).

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sen verf¨ ugen, dieses nicht nur nutzen k¨onnen, indem sie es in die Produktion einbringen. Sie k¨onnen dieses Wissen auch verkaufen, genauer gesagt, ihr Wissen weitergeben und sich f¨ ur diese Lehr- oder Beratert¨atigkeit entlohnen lassen. Schon Coase bemerkte: ...es ist m¨oglich, eine Belohnung f¨ ur besseres Wissen oder Urteilsverm¨ogen nicht dadurch zu bekommen, dass man sich aktiv an der Produktion beteiligt, sondern durch das Abschließen von Vertr¨agen mit den Menschen, die produzieren.72 Laut Ives et al. (2000) wird Wissensweitergabe nicht nur durch externe, sondern auch ussen die Anreizsysteme jedoch gut durch intrinsische Anreize unterst¨ utzt.73 Hierbei m¨ ausbalanciert werden, z.B. f¨ordert eine Teamentlohnung die Wissensweitergabe, aber wenn es zus¨atzlich individuelle Bonuszahlungen gibt, die auf relativen Leistungsvergleichen basieren, senkt diese wiederum den Anreiz, das Wissen zu teilen.74 W¨ahrend Ives et al. jedoch nur das Ausbalancieren extrinsischer Anreize ber¨ ucksichtigen, weisen Osterloh, Frey und Frost (2000; 2002) auf die besonderen Schwierigkeiten hin, die bei einer Kombination von intrinsischer und extrinsischer Motivation auftreten k¨onnen, die oft mit Verdr¨angungseffekten (”crowding”) einhergeht. Das Ausbalancieren von intrinsischer und extrinsischer Motivation ist laut diesen Autoren notwendig, um die Weitergabe von Wissen, insbesondere implizitem Wissen, sicherzustellen.75 Ein weiteres Problem bei der Wissensweitergabe ist die m¨ogliche Diskrepanz zwischen dem weitergegebenen und dem empfangenen Wissen. Ursache hierf¨ ur k¨onnen die beschr¨ankte Aufnahmef¨ahigkeit des Empf¨angers, aber auch die Komplexit¨at des Sachverhalts sein. Das Problem kann auch auf Seiten des Weitergebenden liegen: m¨oglicherweise ist ihm nicht bewusst, dass er in bestimmte Bereiche eines komplexen Systems gar keinen Einblick hat. Auch unbewusst Erlerntes kann zu Problemen bei der Weitergabe f¨ uhren, wenn dem Weitergebenden die Notwendigkeit dieses Wissens zum Verst¨andnis des Gesamten nicht bewusst ist. Zudem spielt nat¨ urlich beim Wissenstransfer immer die individuelle Wahrnehmung und Bewertung des Wissens eine Rolle – dies gilt f¨ ur alle am Transferprozess beteiligten Akteure.76 Die Weitergabe von Wissen oder Technologien u ¨ber Unternehmensgrenzen hinweg k¨onnte beiden Unternehmen nutzen: Das Unternehmen, das die Technologie entwickelt hat, bzw. in dem das Wissen entstanden ist, k¨onnte das Wissen verkaufen und das andere Unternehmen k¨onnte von der neuen Technologie profitieren, ohne sie selbst entwickeln zu ¨ 72 Coase (1937, S. 401), eigene Ubersetzung. 73 Als Beispiele f¨ ur intrinsische Anreize nennen die Autoren hier zus¨atzliche Information, um eine schwierige Aufgabe zu meistern, Zeitersparnis, Teilnahme an interessanten Diskussionen und Stolz auf den eigenen Expertenstatus. 74 Ives / Torrey / Gordon (2000, S. 124). 75 Vgl. Osterloh / Frey (2000) und Osterloh / Frost / Frey (2002). 76 Vgl. Szulanski / Winter (2002, S. 64).

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m¨ ussen. Aber selbst wenn man generelle Probleme, wie die Gefahr von Unterinvestition in Forschung und Entwicklung, außer Acht l¨asst, geht ein solcher unternehmens¨ ubergreifender Wissenstransfer mit Schwierigkeiten einher: Um Wissen zum Kauf anzubieten, muss sehr viel Information preisgegeben werden, damit ein potenzieller K¨aufer einsch¨atzen kann, wieviel ihm das zu erwerbende Wissen wert ist. Andererseits wird ein potenzieller K¨aufer kaum bereit sein, ad¨aquat f¨ ur die Wissensweitergabe zu bezahlen, wenn er zentrale Bestandteile schon kostenlos erhalten hat. Findet aber zwischen den Unternehmen ein regelm¨aßiger Austausch statt, l¨asst sich dieses Problem jedoch l¨osen. In der Praxis findet ein solcher Austausch zwischen Unternehmen durchaus statt, sogar zwischen konkurrierenden Firmen. Vergleichsstudien ( Benchmarkstudien”) und ” Imitation erprobter Verfahren (”best practice”) sind ein Indiz hierf¨ ur.77 Aoki (1986) betont, dass auf die Wissensweitergabe zwischen verschiedenen Untereinheiten, seien es einzelne Mitarbeiter, Abteilungen oder auch Lieferanten und Zulieferer, in japanischen Unternehmen besonderer Wert gelegt wird. Der regelm¨aßige Wissensaustausch geh¨ort laut Aoki in japanischen Firmen zur Unternehmenskultur.78

2.1.4 Wissensmanagement Um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie eine Organisation mit Wissen umgeht, muss also eine Reihe von Fragen beantwortet werden. Zun¨achst ist interessant, wie die Organisation Wissen erwirbt und wovon der Wissenserwerb beeinflusst wird. Wie wird mit dem erworbenen Wissen umgegangen, wird es gespeichert bzw. bewahrt? Auch stellt sich die Frage, wo in einer Organisation welches Wissen gespeichert wird. Dies kann n¨amlich die Verwendung des Wissens und sogar seinen Fortbestand maßgeblich beeinflussen. Eine zentrale Frage ist, ob und wenn ja, wie Wissen innerhalb der Organisation weitergegeben wird. Welche Faktoren beeinflussen den Wissenstransfer? Was f¨ordert die organisationsinterne Wissensweitergabe, was steht ihr im Weg? F¨ uhrt eine F¨orderung des organisationsinternen Wissenstransfers auch zu einer Weitergabe des Wissens an andere Organisationen?79 Den gesamten Wissensprozess in einem Unternehmen zielorientiert zu gestalten, ist Aufgabe des Wissensmanagements. Der Wissensprozess umfasst die Wissensgenerie” rung, den Wissenstransfer, die Wissensspeicherung und die Wissensnutzung.”80 Erfolgreiches Wissensmanagement bedeutet, das richtige Wissen am richtigen Ort zur richti” 77 78 79 80

Vgl. Holmstr¨ om / Roberts (1998, S. 90). Vgl. Aoki (1986, S. 981). Vgl. Argote / McEvily / Reagans (2003, S. vi). Bea (2000, S. 362).

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gen Zeit zu haben”.81 Friedrich A. von Hayek bemerkte bereits 1945, dass die zentrale Anforderung der ¨ Gesellschaft an die Wirtschaft sei, schnell auf Anderungen zu reagieren und es daher unm¨oglich sei, zun¨achst ein Zentralgremium mit all dem f¨ ur eine Entscheidung notwendigen Wissen zu versorgen. Die L¨osung liege in der Dezentralisierung.82 Trotz dieser fr¨ uhen Erkenntnis von Hayeks wurde in der ¨okonomischen Literatur lange diskutiert, wie das f¨ ur Entscheidungen notwendige Wissen den Entscheidern verf¨ ugbar gemacht werden kann. Es gibt eine F¨ ulle von Literatur u ¨ber Management Informationssysteme. Erst in den letzten Jahren setzte sich dann in der ¨okonomischen, wie auch in ¨ der Managementliteratur die Uberzeugung durch, dass es sinnvoller sei, nicht das Wissen an die Entscheider weiterzugeben, sondern die Entscheidungskompetenz innerhalb der Organisation dorthin zu verlagern, wo sich das hierf¨ ur notwendige Wissen befindet.83 Jensen und Meckling (1992) weisen darauf hin, dass in einem Marktsystem entweder die Akteure, die u ugen, Ressourcen in Wissenserwerb ¨ber die Entscheidungsrechte verf¨ investieren oder die Akteure, die u ugen, die Entscheidungsrechte kaufen. ¨ber Wissen verf¨ Auf diese Weise erhalten diejenigen die Entscheidungsrechte, die ihnen den h¨oheren Wert beimessen.84 Kritisch ¨außert sich hierzu allerdings Demsetz (1992). Er vertritt die ¨ Ansicht, dass die Ubertragung von Entscheidungsrechten auf einen Spezialisten nicht immer sinnvoll ist.85 Die Notwendigkeit, bei der Dezentralisierung von Entscheidungen auch m¨ogliche Zielkonflikte zu ber¨ ucksichtigen, formulieren Jensen und Meckling (1990): Spezifisches Wissen existiert auf allen Ebenen der Organisation, nicht nur auf den unteren Ebenen. [...] Der Schl¨ ussel zur Effizienz liegt darin, die Entscheidungsrechte so an die Agenten auf jeder Ebene zu u ¨bertragen, dass sowohl die Kosten aufgrund mangelnder Information als auch die Kosten aufgrund unvereinbarer Ziele minimiert werden.86

81 82 83 84 85

Eberl (2001, S. 42). Vgl. von Hayek (1945, S. 524). Vgl. Jensen / Meckling (1990, S. 4) oder Fama / Jensen (1983, S. 310). Vgl. Jensen / Meckling (1992, S. 253f). Als Beispiel nennt Demsetz einen Spezialisten f¨ ur Kalkulation bzw. Preissetzung, der in der Unternehmenshierarchie relativ weit unten angesiedelt ist. Demsetz fragt nun, ob dieser Spezialist das gesamte System interner Verrechnungspreise des Unternehmens entscheiden soll oder ob er nur Vorschl¨ age machen sollte, was wiederum nicht mit dem Kauf von Entscheidungsrechten identisch w¨are. Zudem weist er auf komparative Vorteile hin: Selbst wenn ein Manager beispielsweise u ¨ber bessere PC-Kenntnisse verf¨ ugt als seine Sekret¨ arin, ist es sinnvoll, wenn sie den PC bedient und er sich anderen Aufgaben widmet. Vgl. Demsetz (1992, S. 275ff). 86 Jensen / Meckling (1990, S. 18f).

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Neben der Frage, wer welches Entscheidungsrecht aus¨ uben sollte, also der optimalen Zuordnung von Entscheidungsrechten zu vorhandenem Wissen, stellt sich auch die Frage nach der Kontrolle:87 Wie kann sichergestellt werden, dass Agenten diese ihnen zuerkannten Entscheidungsrechte im Sinne der Organisation nutzen und nicht nur ihre eigenen Interessen verfolgen?88 Die Dezentralisierung von Entscheidungsrechten bringt zwangsl¨aufig Agency-Probleme mit sich, da sie die Anzahl der Entscheider erh¨oht. Dennoch ist sie laut Jensen und Meckling (1992) sinnvoll, da die Transferkosten f¨ ur spezifisches Wissen sehr hoch sind.89 Ist das Wissen in einer Organisation sehr verstreut, ist ein erh¨ohter Koordinationsaufwand n¨otig. Dieser geht mit einer Erh¨ohung der Transaktionskosten einher. Eine Dezentralisierung der Entscheidungsrechte ist also nur dann sinnvoll, wenn die daraus resultierenden Kosteneinsparungen gr¨oßer sind als die erh¨ohten Koordinationskosten. Von Cr´emer (1990) stammt ein Modell, das der Annahme beschr¨ankter Rationalit¨at Rechnung tr¨agt und den h¨oheren Koordinationskosten bei Dezentralisierung ber¨ ucksichtigt. Er nimmt an, dass jeder Agent nur eine bestimmte Menge Wissen besitzen kann. Um m¨oglichst viel Wissen in einer Organisation zu sammeln, ist es daher w¨ unschenswert, dass die Agenten m¨oglichst unterschiedliches Wissen besitzen. Hieraus entsteht laut Cr´emer (1990) zwangsl¨aufig ein Zielkonflikt, da mit steigender Wissensmenge auch der Koordinationsaufwand steigt. Dieser Koordinationsaufwand kann jedoch durch eine gemeinsame Unternehmenskultur verringert werden. Er definiert Unternehmenskultur als Wissensbestand, der einem erheblichen Teil der Angestellten einer Firma bekannt ” ist, jedoch nicht der allgemeinen Grundgesamtheit aus der sie stammen”.90 Ein weiterer Aspekt f¨ ur die Bedeutung von Unternehmenskultur im Zusammenhang mit Wissen wird von Ives et al. (2000) angef¨ uhrt: Da das Ergebnis bzw. die Leistung von Mitarbeitern, deren Aufgabe in der Schaffung oder Weitergabe von Wissen besteht, schlecht messbar ist, diese Mitarbeiter aber von zentraler Bedeutung f¨ ur das Unternehmen sein k¨onnen, muss ein besonderes Augenmerk auf die Leistungsanreize f¨ ur diese Mitarbeiter gelegt werden. Die Unternehmenskultur spielt hierbei eine wichtige Rolle, die Anreize, die den Mitarbeitern gegeben werden, m¨ ussen zur Aufgabe und zur Unter” nehmenskultur passen, m¨ ussen Ideen bewerten, die Wissensweitergabe genauso beachten wie die Schaffung von Wissen”.91 ¨ 87 Siehe hierzu z.B. Demsetz (1991, S. 163f). Zu Uberwachungsund Durchsetzungskosten siehe z.B. Richter / Furubotn (1996, S. 52f). 88 Zum Vertretungsproblem (Agency-Theorie) siehe auch 1.3.3. 89 Vgl. Jensen / Meckling (1992, S. 251). 90 Vgl. Cr´emer (1990, S. 54ff). Zur Koordinierung des in einer Organisation vorhandenen Wissens siehe auch Grant (1996, S. 113ff). 91 Ives / Torrey / Gordon (2000), S. 116.

2.1 Was ist Wissen?

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Wehner und Dick (2001) definieren Wissensmanagement als eine interdisziplin¨are ” [...] Perspektive auf Management-, Arbeits- und Organisationsprozesse”. Sie betonen die Bedeutung des Wissensmanagements f¨ ur verschiedene Aufgaben, wie beispielsweise Prozesse dezentraler Kooperation, transorganisationaler Vernetzung, stetiger Qualifi” zierung, organisationalen Lernens” und projektgebundener Arbeit”.92 ” Wo das eigene Handeln fragw¨ urdig wird, werden Wissensbest¨ande u uft. ¨berpr¨ Wissensmanagement beginnt dort, wo subjektive Erfahrungen Anlaß zum Zweifel an Wissensbest¨anden geben.93 Den Unterschied zwischen Intellektuellem Kapital” und Wissensmanagement er” kl¨aren Seemann et al. (2000) wie folgt: Das intellektuelle Kapital einer Organisation setzt sich zusammen aus Human- und Sozialkapital sowie dem strukturellen Kapital. Wissensmanagement ist der operationale Umgang mit dem intellektuellen Kapital; Wissensmanagement gibt Antwort auf die Frage, in welche Bereiche des intellektuellen Kapitals investiert werden sollte, sorgt aber auch daf¨ ur, dass alle Bereiche des intellektuellen Kapitals ausgeweitet werden, dass eine Wissensweitergabe stattfindet, dass das Wissen eingesetzt und eventuell sogar verkauft wird und dass es zur Steigerung des Gesch¨aftsergebnisses beitr¨agt.94 Wissensmanagement ist demnach nicht nur die F¨orderung von Wissensakquisition, sondern auch die Steuerung von Wissensweitergabe und -verwendung im Sinne der Organisation. Wissensmanagement in der Organisation beeinflusst nat¨ urlich die Zugangsm¨oglichkeiten jedes Organisationsteilnehmer zu bestimmtem Wissen. Jeder Organisationsteilnehmer wird, wie bereits in 2.1.3 erl¨autert, Wissen nur dann weitergeben, wenn dies den eigenen Interessen entspricht. Von Krogh und Venzin gehen davon aus, dass das Handeln der Mitarbeiter den Umgang mit Wissen in einer Organisation maßgeblich bestimmt: Wissensmanagement kann als individuelle Professionalisierungs- und Vermarktungsstrategie gesehen werden, die in erster Linie die Handlungsoptionen f¨ ur den Einelnen im Blick hat, dadurch auf die Unternehmen und Institutionen zur¨ uckwirkt und u ¨ber diesen Weg dem manageriellen Handeln [...] erst zug¨anglich wird.95 92 Wehner / Dick (2001, S. 90f). Als Grund f¨ ur die zunehmende ”Informatisierung” des Wissensmanagements sehen sie den Wunsch nach einer Komplexit¨ atsreduktion an sowie den Wunsch, ”bestehende Kontrollmechanismen zu erhalten oder unbesch¨ adigt zu reformieren und die Freiheitsgrade m¨oglicher Konsequenzen aus der Aufwertung lokalen und subjektiven Wissens zu reduzieren”. 93 Wehner / Dick (2001, S. 97). 94 Vgl. Seemann et al (2000, S. 88f). 95 von Krogh / Venzin (1997, S. 23).

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Demnach ist ein zentraler Bestandteil des Wissensmanagements, die Einstellung der Mitarbeiter zur Organisation dahingehend zu beeinflussen, dass Wissenserwerb, weitergabe und -nutzung im Sinne der Organisation erfolgen. In dem Maße, in dem Wissensmanagement die Aufwertungs von Erfahrungen und Ver¨außerung des Wissens Einzelner intendiert, wird weitreichende Partizipation unabdingbar. Wissensmanagement ist somit ein unternehmenspolitisch sensibler und pers¨onlich brisanter Prozess.96 Auf eine weitere Schwierigkeit bei der Etablierung von Wissensmanagement weisen Hansen, Nohira und Tierney (1999) hin: f¨ ur die sinnvolle Nutzung eines (technischen) Wissensmanagementsystems m¨ ussen nach Ansicht der Autoren die Mitarbeiter motiviert werden, ihre Erfahrungen schriftlich zusammenzufassen. Soll allerdings der Schwerpunkt auf pers¨onliche Wissensweitergabe gelegt werden, m¨ ussen die Mitarbeiter m¨oglichst viel miteinander reden. Hansen et al. warnen vor der Vermischung dieser Ans¨atze, da dies zu unbefriedigenden Ergebnissen f¨ uhren muss. Zudem m¨ ussen bei der Wahl des rich” tigen” Wissensweitergabe-Instruments verschiedene Faktoren beachtet werden, wie z.B. die Produktreife, die Standardisierbarkeit des Produkts und die Frage, ob zur Probleml¨osung eher implizites oder eher explizites Wissen notwendig ist.97 Mehrere japanische Autoren verweisen darauf, dass die urspr¨ ungliche Idee des heute praktizierten Wissensmanagements aus japanischen Unternehmen stammt. So weist Aoki (1986, S. 981) auf die in japanischen Unternehmen g¨angige Praxis hin, das dezentral vorhandene Wissen von Untereinheiten” zu nutzen. Takeuchi und Nonaka (2000a) be” schreiben drei wesentliche Unterschiede des japanischen Umgangs mit Wissen gegen¨ uber dem Westlichen:98 1. Wie Wissen wahrgenommen wird: Wissen wird in Japan nicht einfach als Daten oder Information angesehen, die im Computer gespeichert werden kann; es schließt Gef¨ uhle, Werte und Intuitionen mit ein; 2. Was Unternehmen mit Wissen anfangen: Unternehmen managen” Wissen nicht ” einfach, sondern schaffen” es auch; ” 96 Ebenda. 97 Vgl. Hansen / Nohira / Tierney (1999, S.114ff). 98 Hierbei ist anzumerken, dass diese Unterschiede sich in den letzten Jahren deutlich verringert haben. In vielen westlichen Unternehmen wird inzwischen ein Wissensmanagement praktiziert, das genau der Beschreibung von Takeuchi / Nonaka (2000a) des japanischen Ansatzes entspricht.

2.1 Was ist Wissen?

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3. Wer die Schl¨ usselfiguren sind: Jeder in der Organisation ist an der Schaffung von Organisationswissen beteiligt, wobei die mittleren Manager als HauptWissenskonstrukteure agieren.99 Um ein Wissensmanagement zu etablieren, das diesen Anspr¨ uchen gerecht wird und zu einer Vermehrung des Organisationswissens, aber auch zu einer sinnvollen Nutzung desselben f¨ uhrt, gibt es laut Bea (2000) zwei Ans¨atze: den personalorientierten und den strukturellen Ansatz. Ersterer versucht, direkt das Verhalten von Personen oder Gruppen zu beeinflussen.100 Der strukturelle Ansatz hingegen setzt an der Organisationskultur und -struktur an und versucht, die Rahmenbedingungen f¨ ur den Wissenstransfer zu verbessern.101 Den Einfluss von Wissensmanagement auf den Umgang des Individuums mit Wissen und seine F¨ahigkeiten beschreiben Argote et al.. Erfolgreiches Wissensmanagement h¨angt laut den Autoren wiederum von den F¨ahigkeiten, der Motivation und den M¨oglichkeiten der einzelnen Akteure ab. Es handelt sich also um eine wechselseitige Abh¨angigkeit zwischen dem Wissensmanagement und den Handlungen der einzelnen Akteure: F¨ahigkeiten, Motivation und M¨oglichkeiten der Individuen beeinflussen ihre Leistungen, aber auch das Wissensmanagement in der Organisation. Letzteres hat wiederum Einfluss auf die Motivation und die Anreize der Individuen, sich am Wissensmanagementprozess zu beteiligen; m¨oglicherweise werden sogar die F¨ahigkeiten der Individuen, mit Wissen umzugehen (es zu erwerben, zu speichern oder weiterzugeben), direkt beeinflusst. Argote et al. (2003a) weisen auf die Bedeutung sozialer Beziehungen in diesem Zusammenhang hin. Diese geben einerseits den Individuen die Gelegenheit zum Wissensaustausch, aber auch zum gemeinsamen Schaffen von Wissen. Zudem verst¨arken ausgepr¨agte soziale Beziehungen auch die Anreize f¨ ur jeden einzelnen, sich am Wissensmanagementprozess zu beteiligen.102 Die Wissensweitergabe in Organisationen kann an vielen Faktoren scheitern. Szulanski und Winter (2002) weisen auf die beschr¨ankte Rationalit¨at der Akteure hin. Bei komplexen Systemen ist kein einzelner Experte mehr in der Lage, die einzelnen Komponenten und ihre raffinierte Verkn¨ upfung vollst¨andig zu durchschauen. Die Vielzahl von Komponenten und ihre Zusammenh¨ange vollst¨andig zu Papier zu bringen, ist laut Szulanski und Winter geradezu unm¨oglich. Dies ist eine m¨ogliche Erkl¨arung f¨ ur das h¨aufig beobachtete Scheitern, wenn erprobte Konzepte (”best practice”) auf andere Bereiche oder 99 Takeuchi / Nonaka (2000a, S. 184). 100 Dies wird mittels Weiterbildungsangeboten oder einer Verbesserung des Vorschlagswesens versucht, ¨ sowie u orderung der Lernbereitschaft der Mitarbeiter oder Ubungen zum Gruppenverhalten. ¨ber die F¨ 101 Vgl. Bea (2000, S. 366). 102 Vgl. Argote / McEvily / Reagans (2003a, S. 575).

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

Abteilungen u ¨bertragen werden soll.103 Bei Managen von Wissen in großen Organisationen ist eine der Schwierigkeiten, u ¨berhaupt zu wissen, wo in der Organisation welches Wissen zur Verf¨ ugung steht und an welcher Stelle es ben¨otigt wird.104 In der Literatur finden sich inzwischen einige Arbeiten, die versuchen, Wissensweitergabe empirisch zu messen. Aufgrund der bisherigen Ausf¨ uhungen ist offensichtlich, dass der Versuch, die H¨ohe” der weitergegebenen Wissensmenge zu messen, mit Schwierig” keiten verbunden ist. Das Zusammenspiel von beschr¨ankter Rationalit¨at, teilweise implizitem Wissen, Zielkonflikten bei der Wissensweitergabe und teilweise widerspr¨ uchlichen Anreizen erschwert die empirische Forschung in diesem Bereich.105 2.2 Was ist Macht? Macht ist – ¨ahnlich wie Wissen – Forschungsgegenstand unterschiedlicher Disziplinen. Es gibt daher keine einheitliche Definition von Macht und schon 1959 beklagt Cartwright: Jeder, der Literatur u ¨ber Macht liest, wird mit dem Problem konfrontiert, dass es keine allgemein akzeptierte Definition von Macht gibt. Die meisten Autoren haben sich sehr bem¨ uht, eine Definition zu liefern, aber jeder hat sich gezwungen gesehen, eine eigene zu erfinden. Ungl¨ ucklicherweise sind die Unterschiede nicht bloß semantischer Art; sie k¨onnen nicht durch die Erfindung eines W¨orterbuchs beseitigt werden.106 ¨ Ahnlich ¨außert sich der Politikwissenschaftler Nicholas R. Miller (1982): Macht wird oft als das Hauptkonzept der politischen Wissenschaften erkannt. Dennoch gibt es kaum einen wissenschaftlichen Konsens, wie Macht definiert, beobachtet und gemessen werden sollte, nicht einmal, was man davon halten sollte.107 Von Max Weber (1920) stammt folgende Definition von Macht: Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.108 103 Vgl. Szulanski / Winter (2002, S. 64). 104 Dies haben beispielsweise Denrell / Arvidsson / Zander (2004) in einer Studie untersucht. Zur selben Problematik vergleiche auch das Beispiel ShareNet bei Siemens in der Einleitung. 105 Verwiesen sei hier auf die Fallstudien bzw. Aufs¨ atze von Szulanski (1996), Poppo / Zenger (1998), Hansen (1999), Orlikowski (2002), Poppo (2003), Szulanski / Cappetta / Jensen (2004), sowie Hansen / Mors / Løv˚ as (2005). ¨ 106 Cartwright (1959, S. 185f), eigene Ubersetzung. ¨ 107 Miller (1982, S. 33), eigene Ubersetzung. 108 Weber (1920, S. 28).

2.2 Was ist Macht?

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Eine vereinfachte Definition liefert Dahl (1957): A hat insoweit Macht u ¨ber B, als er B dazu bringen kann, etwas zu tun, das B sonst nicht tun w¨ urde.109 Der franz¨osische Soziologe Michel Crozier (1979) betont ebenfalls die M¨oglichkeit der Einwirkung auf andere als Zeichen von Macht. Jedoch kann laut diesem Autor niemals einer der Akteure dem anderen ganz ausgeliefert sein, da sonst keine Macht mehr ausge¨ ubt werden kann. Macht wird hier also als ungleiche Kr¨afteverteilung zwischen zwei Konfliktparteien definiert, das aber nie vollst¨andig zugunsten einer Partei ausfallen darf.110 Pettigrew (1972), ebenfalls Soziologe, analysiert die Macht eines T¨ urh¨ uters”, der In” formationen in der Organisation oder zwischen Organisationen filtern kann. Er definiert Macht wie folgt: Eine Machtbeziehung ist eine Kausalbeziehung zwischen den Pr¨aferenzen eines Akteurs hinsichtlich eines Ergebnisses und dem Ergebnis selbst. Macht schließt die M¨oglichkeit eines Akteurs ein, Ergebnisse gem¨aß seinen wahrgenommenen Interessen zu schaffen.111 Die Psychologen Blickle und Solga (2007) definieren Macht als M¨oglichkeit, mithilfe ¨ des Einsatzes geeigneter Ressourcen auf die Empfindungen, Uberzeugungen und Verhaltensweisen eines Interaktionspartners intentional einzuwirken.” Dabei sei Einfluss die ” gezielte Realisierung von Macht, die tats¨achliche Nutzung der Machtressourcen f¨ ur anvisierte Ziele.112 Als minimalen Inhalt aller Machtdefinitionen fasst Kliemt (1982) Macht zusammen als die F¨ahigkeit, soziale Ergebnisse jedweder Art gem¨aß der eigenen W¨ unsche zu be” einflussen”.113 Auch wenn im normalen Sprachgebrauch manche Menschen oder Gruppen als m¨achtig” bezeichnet werden, ist Macht nach Crozier (1979) eine Beziehung, und nicht ” ” ein Attribut der Akteure.”114 Laut Emerson ist die Macht u ¨ber Abh¨angigkeit definiert: Die Abh¨angigkeit des Akteures A von Akteur B (Dab) ist 1. direkt proportional den motivationalen Investitionen des A in Ziele, die B 109 Dahl (1957, S. 202f). 110 Vgl. Crozier / Friedberg (1979, S. 39ff). ¨ 111 Pettigrew (1972, S. 188), eigene Ubersetzung. 112 Blickle / Solga (2007, in Druck). Hierbei beziehen sie sich auf Weber (1922) und Cartwright (1959). 113 Kliemt (1982, S. 52). 114 Crozier / Friedberg (1979, S. 39).

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung vermittelt und 2. umgekehrt proportional der Verf¨ ugbarkeit dieser Ziele f¨ ur A außerhalb der A-B-Beziehung.115

Bosetzky (1992) weist darauf hin, dass nicht alle Menschen nach Macht und Einfluss streben und dass in Organisationen nur ein Teil der theoretisch vorhandenen Macht” menge fest an Personen und Positionen gebunden” ist, w¨ahrend die restliche Macht frei ” flutend” zur Verf¨ ugung steht.116 Als unausweichliche Eigenschaften von Macht” nennt Cartwright (1959) u.a. folgende: ” • Macht ist eine Beziehung zwischen zwei Agenten; sie ist kein absolutes Attribut eines einzelnen Agenten. • Die Beziehung ist nicht notwendigerweise entweder symmetrisch oder asymmetrisch; sie ist irreflexiv, obwohl man auch von der Macht eines Agenten u ¨ber sich selbst sprechen kann; und sie ist nicht notwendigerweise entweder transitiv oder intransitiv. • Die Machtbeziehungen zwischen zwei Agenten A und B k¨onnen in Prinzip jeden Wert f¨ ur die Macht von A u ur B u ¨ber B und f¨ ¨ber A annehmen, was zu vielen verschiedenen Interdependenzmustern zwischen A und B f¨ uhrt. • Da die Befriedigung eines Bed¨ urfnissens von P den Zugang zu geeigneten Ressourcen erfordert, ist der Besitz dieser Ressourcen ein wichtiges Merkmal der Machtsituation. • Jeder Versuch, die Macht von A und B zu vergleichen, muss sich auf bestimmte Aktionstypen beziehen, auf Machtbereiche, die zugrunde liegenden Motive, den fraglichen Umfang und die bestimmte Zeitabschnitte.117 Crozier (1979) stimmt mit Cartwright (1959) u ¨berein, dass Macht eine (instrumentelle) Beziehung ist. Jedoch vertritt er die Ansicht, dass diese Beziehung nicht-transitiv ist und sich nicht von den beteiligten Akteuren bzw. den von ihnen geforderten Handlungen trennen l¨asst.118 Auch bei Max Weber (1920) heißt es: 115 Emerson (1962, S. 32), zit. n. Neuberger (1995, S. 62). 116 Bosetzky (1992, S. 28). ¨ 117 Cartwright (1959, S. 213f), eigene Ubersetzung. 118 Vgl. Crozier / Friedberg (1979, S. 40 f).

2.2 Was ist Macht?

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Macht ist soziologisch amorph, sie wird daher durch Herrschaft spezifiziert.119 Der von Cartwright (1959) angesprochene Punkt, dass sich ein Machtvergleich auf bestimmte Aktionstypen bzw. Machtbereiche beziehen muss, wird von de Kadt (1965) ausgef¨ uhrt: Macht als solche ist niemals direkt beobachtbar. Was beobachtet werden kann, sind die Grundlagen der Macht, die Ressourcen, Werte oder Charakteristiken, die dazu beitragen, dass Individuen oder Gruppen ihre Position hinsichtlich der verf¨ ugbaren Handlungsalternativen verbessern k¨onnen.120 French und Raven (1959) unterscheiden f¨ unf Machtgrundlagen: 1. Belohnungsmacht [reward power], beruhend auf Ps Wahrnehmung, dass O die M¨oglichkeit hat, ihm Belohnungen zu vermitteln 2. Zwangsmacht [coercive power], beruhend auf Ps Wahrnehmung, dass O die M¨oglichkeit hat, ihm Bestrafungen zukommen zu lassen; 3. Legitimationsmacht [legitimate power], beruhend auf der Wahrnehmung von P, dass O das legitime Recht besitzt, ihm sein Verhalten vorzuschreiben; 4. Beziehungsmacht [referent power], beruhend auf Ps Identifikation mit O;121 5. Expertenmacht [expert power], beruhend auf der Wahrnehmung, dass O ein bestimmtes Wissen oder eine bestimmte Expertise besitzt.122 Im Gegensatz zu den f¨ unf Machtarten von French und Raven (1959) unterscheidet Crozier (1979) nur vier Machtquellen, die den verschiedenen, f¨ ur eine Organisation ” besonders relevanten Typen von Ungewißheitsquellen entsprechen”.123 Hierzu z¨ahlen die Expertenmacht aufgrund funktionaler Spezialisierung und Beherrschung spezifischen Sachwissens und die Rechtm¨aßige Macht, die sich laut Crozier (1979) aus dem Vorhandensein allgemeiner organisatorischer Regeln ableiten l¨asst. Als weitere Machtarten definiert er – im Unterschied zur Beziehungsmacht bei French und Raven (1959) – Macht, 119 Weber (1920, S. 28f). ¨ 120 de Kadt (1965, S. 461), eigene Ubersetzung. 121 In seiner fr¨ uheren Arbeit u ¨ber soziale Macht bezeichnet French die Beziehungsmacht [referent power] noch als ”attraction power”, also auf der Sympathie, der Vorliebe von B f¨ ur A beruhend.Vgl. French (1956, S. 183). ¨ 122 French / Raven (1959, S. 155f), eigene Ubersetzung, in eckigen Klammern die Originalbezeichnungen. Bezeichnung der Machtgrundlagen nach Blickle / Solga (2007). 123 Crozier / Friedberg (1979, S. 50).

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

deren Grundlagen die Beziehungen zwischen einer Organisation und ihrer Umwelt sind und Kontrollmacht. Letztere l¨asst sich aber nicht wie bei French und Raven (1959) aus den Sanktionsm¨oglichkeiten gegen¨ uber anderen ableiten, sondern aus der Kontrolle von Informationen und Kommunikationskan¨alen.124 Die Kontrolle von Informationen, also das Verf¨ ugen u ¨ber relevante Informationen und Argumentationskraft, ist ein Thema, das in den letzten Jahren in der Organisationstheorie an Bedeutung gewonnen hat. Dem tr¨agt auch Raven (1992) in seiner sp¨ateren Arbeit Rechnung, indem er als sechste Machtgrundlage die Informationsmacht nennt.125 Die verschiedenen Machtarten beeinflussen sich gegenseitig. Dies haben beispielsweise Aguinis et al. (1994) empirisch untersucht.126 Sie stellen fest, dass Akteuren, die St¨arke in einer Machtart besitzen, auch in anderen Machtarten St¨arke zugeschrieben wird. Eine Sonderstellung nimmt laut Aguinis et al. (1994) hierbei jedoch die Expertenmacht ein. Hohe Zwangs- und Belohnungsmacht galt den Probanden auch als Indiz f¨ ur starke Beziehungsmacht und Legitimationsmacht; gleichzeitig schrieben sie Personen mit hoher Bestrafungs- oder Belohnungsmacht eine geringere Expertenmacht zu.127 Zu anderen Ergebnissen kommt eine Studie von Carson et al. (1993) ein Jahr fr¨ uher: Akteuren mit Legitimationsmacht wurden sowohl Belohnungs-, Bestrafungs-, Beziehungsund Expertenmacht zugeschrieben. Akteuren mit Expertenmacht wurde eine hohe Beziehungsmacht zugeordnet.128 Auf einen weiteren Aspekt von Macht legen Frey und Kucher (2002) ihr Augenmerk. Sie nehmen an, dass die M¨oglichkeit zur Machtaus¨ ubung positiv in die Nutzenfunktion der meisten Angestellten eingeht und dass diese bereit sind, auf Gehaltsanteile zu verzichten, wenn sie im Rahmen ihrer T¨atigkeit Macht u uben k¨onnen. Diese ¨ber andere aus¨ Annahme wird gest¨ utzt von ¨okonometrischen Lohnsch¨atzungen aus der Schweiz.129 Kogut (2002) geht so weit, einen Einfluss der Macht auf die Wahrnehmung zu attestieren:

124 Ebenda. 125 Vgl. Raven (1992) bzw. grundlegend Raven / Kruglanski (1970). Yukl / Falbe (1991) schlagen hingegen vor, die Liste der Machtgrundlagen nicht nur um die Informationsmacht, sondern auch um Persuasivit¨ at zu erg¨ anzen, w¨ ahrend in den Arbeiten von Raven diese beiden Machtgrundlagen als Informationsmacht bezeichnet werden. 126 Als Untersuchungsgegenstand w¨ ahlen Aguinis et al die f¨ unf Machtarten nach French und Raven (1959). 127 Vgl. Aguinis / Nesler / Quigley / Tedeschi (1994). 128 Carson / Carson / Roe (1993). 129 Frey / Kucher (2002, S. 165). Als weiteres Beispiel nennen die Autoren den US-amerikanischen Kapitalmarkt, wo Investoren geringere Aktiengewinne in Kauf nehmen, um Entscheidungsrechte beim jeweiligen Unternehmen wahrnehmen zu k¨ onnen.

2.2 Was ist Macht?

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Macht ist zum Teil deshalb wichtig, weil sie Einfluss nimmt auf die Wahrnehmung, darauf, was die Menschen zu sehen gewillt sind.130 F¨ ur die vorliegende Arbeit sind Experten- und Informationsmacht von besonderem Interesse, da ja der Frage nachgegangen wird, ob Akteure sich durch ihr Wissen unentbehrlich machen k¨onnen und durch ihre Expertenmacht Personalentscheidungen beeinflussen k¨onnen. Crozier (1979) schrieb schon Ende der 1970er Jahre, dass aufgrund der Komplexit¨at der Gesellschaft h¨ochst selten nur eine Person imstande w¨are, die Probleme einer Organisation zu l¨osen. Expertenmacht im eigentlichen Sinne sei daher eher selten. Dennoch gebe es h¨aufig de facto Expertenmacht, da es schwierig oder kostspielig w¨are, sie zu ersetzen, auch wenn die M¨oglichkeit dazu an sich best¨ unde. Crozier (1979) weist darauf hin, dass de facto Wissensmonopole entstehen, wenn die Akteure ihre Gruppeninteressen entsprechend organisieren k¨onnen bzw. spezifisches Wissen unverst¨andlich oder ¨ zwischen Experten- und unzug¨anglich machen k¨onnen.131 Die Uberschneidungsbereiche Informationsmacht werden hier deutlich. Außer der Frage nach der optimalen Zuordnung von Entscheidungsrechten, die in 2.1.4 angeschnitten wurde und in 2.2.2 weiter ausgef¨ uhrt wird, ist auch die Frage nach M¨oglichkeiten der Einflussnahme mit dem Thema Macht verkn¨ upft. Akteure k¨onnen m¨oglicherweise versuchen, Ressourcen darauf zu verwenden, Entscheidungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Unter Einfluss verstehen Blickle und Solga (2006) die Realisierung von Macht: Gegenstand der Einflussnahme sind nicht nur Handlungen, sondern auch die ¨ Uberzeugungen, Erwartungen, Einstellungen, Werthaltungen, Stimmungen, Emotionen und Befindlichkeiten von Adressaten. Einflussnahme zielt also auf behaviorale, kognitive und affektive Wirkungen ab.132 Zur St¨arkung der eigenen Machtposition im Unternehmen gehen Organisationsmitglieder laut Bosetzky (1992) Koalitionen ein und verhalten sich mikropolitisch”, d.h. ” indem sie Gefolgsleute anwerben und f¨ ur die Erreichung der eigenen Ziele arbeiten las” sen und ihnen im sozialen Tauschprozeß als Gegenleistung daf¨ ur ihrerseits Unterst¨ utzung gew¨ahren (wechselseitige Instrumentalisierung).”133 ¨ 130 Grandori / Kogut (2002, S. 229), eigene Ubersetzung. 131 Vgl. Crozier / Friedberg (1979, S. 51). 132 Blickle / Solga (2006, S. 611f). 133 Bosetzky (1992, S. 28). Siehe hierzu auch grundlegend Neuberger (1995, S. 107ff), sowie Solga / Blickle (2003; 2004).

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

Auch in der ¨okonomischen Literatur sind M¨oglichkeiten der Einflussnahme ausf¨ uhrlich untersucht worden. Das Thema Beeinflussungsaktivit¨aten soll hier allerdings nicht weiter ausgef¨ uhrt werden.134 Dass der Begriff Macht erst in j¨ ungster Zeit in ¨okonomischen Modellen ber¨ ucksichtigt wird, h¨angt nicht nur mit der Problematik zusammen, dem schwer fassbaren Begriff in einer einfachen und dennoch angemessenen Form Rechnung zu tragen. Es gibt auch in der ¨okonomischen Literatur grunds¨atzliche Bedenken gegen die Ber¨ ucksichtigung von Macht. Alchian und Demsetz (1972) vertreten beispielsweise die Ansicht, dass Unternehmen keine Macht haben, die sich von den gew¨ohnlichen Kr¨aften des Marktes unterscheidet. Alle Handlungen, die als Aus¨ ubung von Macht in einem Unternehmen wahrgenommen werden k¨onnen, wie z.B. Managemententscheidungen, Personalentscheidungen wie Einstellungen, Bef¨orderungen oder Entlassungen und auch die Zuteilung von Arbeit bzw. bestimmten Aufgaben sei nichts anderes als st¨andige Wiederverhandlung ” von Vertr¨agen zu Bedingungen, die f¨ ur beide Seiten annehmbar sein m¨ ussen”.135 Aber selbst wenn man sich die Auffassung von Alchian und Demsetz (1972) zueigen macht, dass es bei der Machtfrage nur” um das Verhandeln und Wiederverhandeln ” von Vertr¨agen geht, ist intuitiv plausibel, dass die Verhandlungsmacht nicht immer auf Seiten des Unternehmens oder des Vorgesetzten liegt. Formale Autorit¨at zu besitzen, ist also nicht dasselbe, wie tats¨achliche Macht zu haben. Der folgende Unterabschnitt erl¨autert diesen Unterschied. 2.2.1 Macht oder Autorit¨at? Die Hierarchien und formalen Arbeitsplatzbeschreibungen in Unternehmen geben nicht vollst¨andig Auskunft u ¨ber die tats¨achlichen Machtverh¨altnisse. Bosetzky (1992) beschreibt das Ph¨anomen, daß formal v¨ollig ranggleiche Personen ganz verschiedene Ein” flußpotentiale haben” k¨onnen und dass es Untergebene in einem Unternehmen geben kann, die soviel Macht u ¨ber ihre Vorgesetzten haben, dass sie letztendlich die wichtigen Entscheidungen treffen, nicht die hierf¨ ur eingentlich zust¨andigen Vorgesetzten.136 Der von Bosetzky (1992) angesprochene Sachverhalt zeigt deutlich die Diskrepanz zwischen Autorit¨at und Macht bzw. zwischen formaler Autorit¨at und informeller Autorit¨at. Informelle Macht kann zu Autorit¨at werden. Diesen Prozess beschreibt Pfeffer wie folgt: Werden in einem Szenario bestimmte Gewohnheiten akzeptiert, z.B. die Verteilung von 134 Verwiesen sei hier auf die Literatur zu Beeinflussungsaktivit¨ aten, z.B. Milgrom (1988), Milgrom / Roberts (1988), Inderst / M¨ uller / W¨ arneryd (2002), Kr¨ akel (1999, S. 73ff) und Richter / Furubotn (1996, S. 370ff). ¨ 135 Alchian / Demsetz (1972, S. 777), eigene Ubersetzung. 136 Bosetzky (1992, S. 28).

2.2 Was ist Macht?

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Einfluss, verbindet diese gemeinsame Perspektive die beteiligten Personen. Akzeptierte Verhaltensweisen werden dann als legitim betrachtet. So kann auch die Machtverteilung in einem solchen Szenario irgendwann als legitim angesehen werden. Ist dies der Fall, kann diese Macht auch als Autorit¨at bezeichnet werden. W¨ahrend Macht gegen andere Interessen durchgesetzt werden muss, ist die Durchsetzung von Autorit¨at laut Pfeffer (1981) einfacher, da erwartet wird, dass sie sich durchsetzt. Autorit¨at verst¨arkt sich selbst, wenn Akteure, die u ugen, sich ¨ber Autorit¨at verf¨ durchsetzen und damit einerseits der Erwartung anderer entsprechen und andererseits gleichzeitig zuk¨ unftige Erwartungen verst¨arken.137 Autorit¨at bezeichnet nach Bosetzky (1992) den f¨ ur legitim gehaltene[n], innerlich ” anerkannte[n] Einfluß einer Instanz, Gruppe oder Person”.138 Macht hingegen wird nur durch die Institutionalisierung sozialer Kontrolle zu Autorit¨at.139 Formale Autorit¨at f¨ ur ist gew¨ohnlich in Satzungen geregelt ist und in Organigrammen festgehalten. Berichtswesen, Auswertung von Ergebnissen, Belohnungs- und Bestrafungssystem und das System, gem¨aß dem die Entscheidungsrechte in einer Organisation u ¨bertragen werden, sind die wesentlichen Aspekte des Organisationsdesigns.140 Anhand der Berichtswege und der personellen und fachlichen Zust¨andigkeiten bzw. Hierarchien l¨asst sich die formale Autorit¨at der Organisationsteilnehmer bestimmen. Der Soziologe Ralf Dahrendorf (1959) grenzt – ausgehend von der Position Max Webers (1920) – Autorit¨at gegen¨ uber Macht wie folgt ab: Autorit¨at laut Dahrendorf (1959) immer mit gesellschaftlicher Stellung oder gesellschaftlicher Rolle in Verbindung ge¨ bracht. Wichtig sind immer Uberlegenheit und Untergebenheit.141 Autorit¨at w¨are demnach legitime Macht. Nur Autorit¨atsbeziehungen sind seiner Ansicht nach Teil der Sozialstruktur.142 Eine formale Definition von Autorit¨at findet sich bei Simon (1957): Der Vorgesetzte B u ¨bt Macht u ¨ber den Arbeiter W aus, wenn W es B erlaubt, x zu w¨ahlen, wobei x ein Set von Elementen aus allen m¨oglichen Verhaltensmustern ist. Das heißt, W akzeptiert die Autorit¨at, wenn sein Verhalten von Bs Entscheidung bestimmt wird. Generell akzeptiert W Autorit¨at nur dann, wenn das von B gew¨ahlte x = x0 auf eine gegebene Teilmenge (Ws Akzep”

tanzbereich”) beschr¨ankt ist.143

137 Vgl. Pfeffer (1981, S.4). 138 Bosetzky (1992, S. 29). 139 Vgl. Pfeffer (1981, S. 5). 140 Vgl. Jensen / Meckling (1999, S. 8). 141 Dahrendorf (1959) bezeichnet dieses Verh¨ altnis als ”imperative Koordination”. 142 Dahrendorf (1959, S. 165ff), zit. n. de Kadt (1965, S. 465). ¨ 143 Simon (1957, S. 184), eigene Ubersetzung.

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

2.2.2 Allokation von Entscheidungsrechten Im Unterabschnitt 1.3.2 wurde das Thema Verf¨ ugungsrechte eingef¨ uhrt und in 2.1.4 wurde bereits die Allokation von Entscheidungsrechten diskutiert. Laut Jensen / Meckling (1999) umfassen Entscheidungsrechte nicht nur die Befugnis, eine Entscheidung alleine zu f¨allen oder vollst¨andige Kontrolle u ¨ber diese Entscheidung zu haben, sondern auch alle M¨oglichkeiten, eine Entscheidung zu beeinflussen. In Großunternehmen kommt es selten vor, dass ein Mitarbeiter alleine u ¨ber ein wichtiges Projekt entscheidet. Die Entscheidungsfindung ist vielmehr ein komplexer Prozess, der mehrere Leute an der Entscheidung beteiligt und viele Einzelaspekte der Entscheidung verschiedenen Agenten zuordnet. Zu diesen Komponenten z¨ahlen:144 1. Initiativerechte, d.h. die Berechtigung, Vorschl¨age bez¨ uglich der Allokation von Ressourcen zu machen, 2. Benachrichtigungsrechte, die besagen, dass man u ¨ber die T¨atigkeiten oder Vorschl¨age der anderen informiert wird und diesbez¨ uglich Empfehlungen abgeben und Informationen weiter geben darf, 3. Genehmigungsrechte, also die M¨oglichkeit, die Vorschl¨age u ¨ber Ressourcenallokationen, die andere machen, zu u ufen und zu genehmigen oder Einspruch ¨berpr¨ dagegen einzulegen, 4. Umsetzungsrechte, d.h. man darf die genehmigten Vorschl¨age umsetzen und ¨ 5. Uberwachungsrechte, aufgrund derer man die Umsetzung der genehmigten Vorschl¨age u ¨berwachen, das Ergebnis messen und auswerten und dementsprechend Belohnungen oder Bestrafungen bestimmen darf. Entscheidungsrechte k¨onnen also – je nach Definition – als Macht angesehen werden. Die Entscheider besitzen durch diese Entscheidungsrechte Belohnungsmacht, die Macht, Zwang auszu¨ uben sowie Rechtm¨aßige Macht nach der Einteilung von French / Raven (1959) und nach der Definition von Crozier (1979) Rechtm¨aßige Macht, Kontrollmacht und Macht aufgrund der Beziehungen zur Umwelt. Aoki (1986) merkt an, dass in japanischen Unternehmen die Entscheidungsrechte stark dezentralisiert sind, zumindest was operationale Entscheidungen betrifft.145 144 Vgl. Jensen / Meckling (1999, S. 8) sowie Fama / Jensen (1983). 145 Aoki (1986, S. 981).

2.2 Was ist Macht?

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Wie in 2.1.4 diskutiert, kann es f¨ ur eine Organisation von Vorteil sein, wenn die Entscheidungsrechte bei den Akteuren liegen, die u ur die Entscheidungen notwendi¨ber das f¨ ge Wissen verf¨ ugen. Diese Dezentralisierung von Entscheidungsrechten kann sich in einer Organisation kostensenkend auswirken, da das entscheidungsrelevante Wissen nicht mehr an die (zentral) Entscheidenden weitergegeben werden muss. Dennoch k¨onnen durch die Delegation von Entscheidungen neue Kosten entstehen, z.B. Koordinationskosten. Sollen wichtige Entscheidungen dezentral getroffen werden, m¨ ussen zumindest die Kriterien f¨ ur diese Entscheidung auf allen Hierarchieebenen bekannt sein. Die allgemeine Unternehmensstrategie muss nach unten” kommuniziert werden. Auch stellt sich bei einer ” Delegation von Entscheidungsrechten die Frage der Kontrolle:146

Autonomie macht Kontrolle n¨otig, Kontrolle hat Autonomie zur Voraussetzung.147

Kann sich die Unternehmensleitung wirklich darauf verlassen, dass in den Abteilungen Entscheidungen im Sinne der Gesamtunternehmung getroffen werden? Oder l¨asst sie doch Kontrollen durchf¨ uhren? Und u ussen die Kontrolleure dann ¨ber wieviel Wissen m¨ verf¨ ugen, um beurteilen zu k¨onnen, ob die Entscheidungen im Sinne der Organisation getroffen wurden? Ein Problem bei der Kontrolle von Entscheidungen auf unteren Hierarchieebenen spricht Williamson (1967) an: Werden Ergebnisse u ¨ber mehrere Hierarchieebenen weitergegeben, so kommt es zwangsl¨aufig zu einem gewissen Kontrollverlust, weil bei jeder Wiedergabe der Nachricht leichte Verzerrungen hinzukommen. Besonders gravierend werden die Auswirkungen, wenn die Hierarchien nicht dieselben Ziele verfolgen.148 Eine Dezentralisierung der Entscheidungen lohnt sich nur dann, wenn die zus¨atzlichen Koordinationskosten durch die Einsparung beim Wissenstransfer kompensiert oder u ¨berkompensiert werden.149 146 Vgl. zu dieser Problematik auch March / Simon (1958, S. 40ff), die sich hier auf das Modell von Selznick (1949) beziehen. 147 Ortmann (1992, S. 17). 148 Vgl. Williamson (1967, S. 135). 149 Die Delegation von Entscheidungsrechten ist ausf¨ uhrlich beschrieben bei Picot / Dietl / Franck (1999, S. 345ff), Kr¨ akel (1999, S. 118ff). Zur Allokation von Entscheidungsrechten in verschiedenen Organisationsstrukturen siehe Windsperger (2001, S. 166ff). Die Delegation von Autorit¨at bei verschiedenen F¨ ahigkeiten (”multiskilling”) untersucht Lazear (1998a, S. 119ff). Das Thema Machtmissbrauch bei Delegation beleuchtet Vafai (2002): Er analysiert Machtmissbrauch durch den Supervisor. Dieser kann sich vom Agent bestechen lassen oder den Agenten erpressen, eine Zahlung zu leisten, damit er bestimmte Information an den Prinzipal gibt. Letzteres ist schlimmer f¨ ur die Organisation, n¨ utzt aber paradoxer Weise dem Agenten, nicht dem Supervisor.

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

2.2.3 Quantifizierbarkeit & Messbarkeit von Macht Da der Begriff Macht nur schwer zu fassen ist, wie sich anhand der Vielzahl von Definitionen feststellen l¨asst, ist ein Messen der Machtst¨arke schwierig. De Kadt behauptet ulle von Versuchen, Macht zu sogar, sie sei nicht beobachtbar.150 Dennoch gibt es eine F¨ quantifizieren, um Vergleiche der Machtst¨arke anstellen zu k¨onnen. L¨asst sich ein ordinaler Vergleich im Sinne von A hat mehr Macht als B” teilweise noch einfach anstellen, ” stellt eine absolute oder metrische Quantifizierung der Macht die Wissenschaft immer noch vor Probleme. French (1956) quantifiziert Macht wie folgt:151 Die Macht von A u ¨ber B (im Hinblick auf eine gegebene Meinung) entspricht der maximalen Kraft, mit der A auf B einwirken kann, abz¨ uglich der maximalen Widerstandskraft, die B dem entgegensetzen kann.152 Es ist offensichtlich, dass diese Definition f¨ ur empirische Untersuchungen nur bedingt geeignet ist, denn die Variable Macht” wird hier erkl¨art durch die Variablen Kraft” ” ” und Widerstandskraft”, die kaum besser messbar sein d¨ urften als Macht selbst. ” Harsanyi (1962) schl¨agt hingegen eine Ann¨aherung u ¨ber Wahrscheinlichkeiten vor: Machtst¨arke ist die Netto-Erh¨ohung der Wahrscheinlichkeit daf¨ ur, dass B eine bestimmte Aktion X durchf¨ uhrt, falls A seine Machtmittel gegen¨ uber B einsetzt.153 Auch hier stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit in der Praxis.154 Etwas leichter zu messen ist die Machtausdehnung laut Harsanyi (1962): Er definiert die Machtausdehnung von A als Menge der Individuen, u ¨ber die A Macht hat”.155 ” Ein komplexerer Ansatz zur Quantifizierung von Macht ist die Bestimmung der Netzwerkposition. Hierbei wird das Individuum als Teil eines Netzwerks betrachtet und sein Einfluss auf die restlichen Mitglieder dieses Netzwerks untersucht. Diese Herangehensweise erlaubt eine kardinale Messung und damit auch einen Vergleich der Netzwerkmitglieder untereinander, selbst wenn sie keine direkte Beziehung haben. French (1956) erl¨autert 150 De Kadt (1965, S. 461). 151 French verweist hierbei auf Cartwright (1959), damals noch unver¨offentlicht. ¨ 152 French (1956, S. 183), eigene Ubersetzung. ¨ 153 Harsanyi (1962, S. 67), eigene Ubersetzung. Harsanyi beruft sich hierbei auf Dahl (1957), der diese Definition modelliert, sie aber nicht verbal formuliert hat. 154 Kritisch auch Kr¨ uger (1976, S. 20): ”Diese Begriffsfassung von Harsanyi ist meßtechnisch ¨außerst anspruchsvoll. [...] Sie ist also nur dann anwendbar, wenn Macht kardinal meßbar isteine Voraussetzung, die in der Praxis kaum gegeben ist.” ¨ 155 Harsanyi (1962, S. 67), eigene Ubersetzung.

2.2 Was ist Macht?

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dieses Konzept unter Ber¨ ucksichtigung unterschiedlicher in einem Netzwerk m¨oglichen Kommunikationsmuster. Eine empirische Untersuchungen der Netzwerkzentralit¨at f¨ uhrt Brass (1984) durch, der zwischen drei verschiedenen Netzwerken unterscheidet: 1. dem Netzwerk f¨ ur Arbeitsabl¨aufe, das Auskunft dar¨ uber gibt, wer wem welche Vorgaben gibt und wer von wem welche Arbeitsergebnisse erh¨alt 2. dem Netzwerk f¨ ur Kommunikation, das aussagt, wer sich h¨aufig mit wem u ¨ber die Arbeit unterh¨alt und 3. dem Freundschaftsnetzwerk, das Kontakte zwischen Kollegen widerspiegelt.156 Ein interessantes Ergebnis dieser Untersuchung ist die Erkenntnis, dass Experten zwar durchaus Kontakte innerhalb ihrer Abteilung haben und sich regelm¨aßig mit Kollegen austauschen. Sie zeichnen sich aber nicht durch Zentralit¨at aus. Die Position in einem Netzwerk erlaubt Aussagen u ¨ber die Bedeutung der Person: Befindet sich ein Individuum im Zentrum eines Netzwerks, so zeigt dies seine Bedeutung innerhalb des Netzwerks.157 Kritisch ¨außert sich u.a. Kogut in Grandori / Kogut (2002) zum Thema Netzwerkzentralit¨at als Maßstab f¨ ur Macht: Wir berechnen Zentralit¨atsstatistiken und vielleicht entdecken wir nur die formale Hierarchie neu. Ich bin nicht u ¨berzeugt, dass allein Netzwerkstudien den Hierarchien ihren Rang ablaufen, solange die Hierarchie ein im Verborgenen schlummerndes, unerforschtes Konstrukt bleibt.158 Schon Kr¨ uger (1976) schl¨agt vor, Macht mittels Kennziffern zu messen. Hierzu empfiehlt er, einzelne Merkmale der Macht schrittweise zu untersuchen, das Machtpotenzial also differenziert zu messen.159 Auch wenn sich einzelne Merkmale nur ordinal messen lassen, k¨onnten sich aus der Kombination vergleichbare Machtkennziffern ableiten uger (1976) das wirksame Auslassen.160 Als faktorielle Machtst¨arke” bezeichnet Kr¨ ” ” maß einer Machtbasis eines Aktors in einem Machtbereich oder Machtbereichssegment”. ¨ 156 Brass (1984, S. 519), eigene Ubersetzung. 157 So hat z.B. eine Person, die sich im Zentrum des Kommunikationsnetzwerks befindet, eine Vermittlerposition, da bei ihr Informationen zusammenlaufen und sie diese weiterleiten oder zur¨ uckhalten kann. Sind die anderen Personen untereinander nicht oder nur teilweise vernetzt, f¨ uhren entscheidende Kommunikationswege des Netzwerks u ur die ¨ber die betrachtete Person, was ihre Bedeutung f¨ Kommunikation unterstreicht. Zur Netzwerkzentralit¨ at siehe auch Freeman (1977). ¨ 158 Grandori / Kogut (2002, S. 229), eigene Ubersetzung. 159 Vgl. Kr¨ uger (1976, S. 27ff). Kr¨ uger bezeichnet diese Vorgehensweise als ”entscheidungsorientierte Ans¨ atze zur Machtmessung”. 160 Ebenda, S. 39.

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

Dies l¨asst sich laut Kr¨ uger (1976) in absoluten Zahlen oder relativ zur Machtst¨arke des Gegners ausdr¨ ucken.161 Es sei jedoch kritisch angemerkt, dass sich diese faktoriellen Machtst¨arken kaum vern¨ unftig zu einer vergleichbaren Gr¨oße zusammen fassen lassen d¨ urften, da f¨ ur jeden Machtbereich und jede darin m¨ogliche Machtgrundlage die Machtst¨arke separat berechnet werden m¨ usste. In den letzten zehn Jahren sind mehrere Versuche unternommen worden, Indizes zu entwickeln, um Macht vergleichbar zu machen. Macht in policy games” l¨asst sich mit” tels Machtindizes messen. In mehreren Arbeiten zeigen Schmidtchen, Steunenberg und Koboldt, wie sich Macht beispielsweise in der EU ¨außert. Die als Komitologieverfahren bezeichneten Prozeduren, die bei der Delegation von Entscheidungen an die EUKommission m¨oglich w¨aren, werden darauf untersucht, wie gut sie das Delegationsproblem l¨osen k¨onnen.162 In weiteren Arbeiten versuchen die Autoren, die Macht der einzelnen Akteuer zu messen. Hierzu vergleichen sie die tats¨achlichen Ergebnisse bei Abstimmungen mit den Gleichgewichtsergebnissen.163 Sie ordnen den Parteien mehr Macht zu, denen es gelingt, Abstimmungsergebnisse gem¨aß ihrer Interessen zu beeinflussen. Mit dem von Schmidtchen / Steunenberg / Koboldt entwickelten Strategischen Machtin” dex” l¨asst sich Macht quantifizieren. Macht bedeutet in diesem Fall die M¨oglichkeit, in einer bestimmten Situation ein Ergebnis herbeizuf¨ uhren, das den eigenen Pr¨aferenzen m¨oglichst nahe kommt.164 Kritisch ¨außern sich hingegen Tsebelis / Garrett (1997) zur M¨oglichkeit, Macht mittels Machtindizes zu messen.165 Betrachtet man das Machtverh¨altnis zwischen Akteuren spieltheoretisch, so ist das Zusammenspiel verschiedener Akteure von Bedeutung. Untersuchungsgegenstand ist in der (kooperativen) Spieltheorie nicht nur die Macht, die ein Spieler u ¨ber den anderen hat, sondern auch die Gruppenmacht bzw. die Macht, die eine Koalition aufbringt. Die Macht eines Spielers (nicht einer Koalition) im allgemeinen Sinne nimmt nicht nur Bezug darauf, welche Macht ein Spieler alleine besitzt (er kann machtlos sein), sondern auch darauf, was er in puncto Macht zu jeder Koalition beitragen kann, der er sich anschließen k¨onnte.166

161 Ebenda, S. 20f. 162 Zur Komitologie in der EU siehe Schmidtchen / Steunenberg (2002). 163 Also den Ergebnissen, die zustande k¨ amen, wenn alle Beteiligten gleich stark w¨aren und gem¨aß ihrer Pr¨ aferenzen abstimmten. 164 Siehe Steunenberg / Koboldt / Schmidtchen (1997), Schmidtchen / Steunenberg / Koboldt (1999) und Schmidtchen / Steunenberg (2002a und 2000b) und erg¨ anzend zu Machtindices: Holler / Owen (2002). 165 Tsebelis / Garrett (1997). ¨ 166 Miller (1982, S. 42), eigene Ubersetzung.

2.3 Ist Wissen Macht?

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Das in der Spieltheorie g¨angigste Maß f¨ ur diesen Beitrag eines Spielers zu einer Koalition ist der Shapley-Wert.167 Da das Konzept des Shapley-Wertes aber urspr¨ unglich nichts u ¨ber die Macht innerhalb einer Koalition aussagt, sondern ein Instrument zur ge” rechten” Verteilung des gemeinsam geschaffenen Mehrwerts ist, soll es hier nicht n¨aher ausgef¨ uhrt werden.168 2.3 Ist Wissen Macht? 2.3.1 Verkn¨ upfungen von Wissen und Macht in der ¨okonomischen Literatur Im Großen und Ganzen [...] ist Macht ein entt¨auschendes Konzept.169 Marchs (1966) Bedenken gegen¨ uber der Ber¨ ucksichtigung von Macht in der ¨okonomiurchtet schen Forschung teilen nicht nur Vertreter der neoklassischen Theorie.170 So bef¨ Kogut den Verlust analytischer Sch¨arfe, wenn Konzepte wie Macht in Modellen ber¨ ucksichtigt werden und Grandori warnt vor der Ber¨ ucksichtigung von Konzepten wie Macht, mit denen sich alles” erkl¨aren l¨asst.171 ” In diesem Abschnitt sollen daher einige M¨oglichkeiten aufgezeigt werden, wie sich der Zusammenhang zwischen Wissen und Macht modellieren l¨asst, ohne dass dabei auf alles ” erkl¨arende” Variablen zur¨ uckgegriffen wird. Ein großer Teil der in den vorherigen beiden Abschnitten erl¨auterten Aspekte bleibt dabei notwendigerweise unber¨ ucksichtigt. Mechanic (1962) diskutiert, unter welchen Bedingungen Untergebene bzw. Mitarbeiter auf unteren Hierarchiestufen Macht besitzen k¨onnen. Eine Quelle der Macht f¨ ur Untergebene kann laut Mechanic Expertise bzw. Expertenwissen sein. Er stellt hierzu unter anderem folgende Hypothesen auf (die er leider nicht empirisch testet): H3: Besitzt ein Untergebener ceteris paribus wichtiges Wissen, das seinen Vorgesetzten nicht zur Verf¨ ugung steht, ist es wahrscheinlich, dass er Macht u ¨ber sie hat. H4: Ist eine Person nur schwerlich zu ersetzen, so hat sie ceteris paribus gr¨oßere Macht als eine leicht zu ersetzende Person. 167 Siehe hierzu Shapley (1953), Shapley / Shubik (1969) und (1969a). In der Politik wird hingegen eher der Banzhaf-Index verwendet. Zur Unterscheidung der beiden Indizes siehe u.a. Dubey / Shapley (1979). 168 Die Verteilung des Mehrwerts kann nat¨ urlich wiederum mit der Macht in einer Koalition zusammenh¨ angen. Das Konzept von Shapley orientiert sich allerdings nicht daran, sondern lediglich am Beitrag jedes einzelnen in jeder m¨ oglichen Kombination. 169 March, J.G. (1966, S. 70). 170 Geht man von vollkommenen M¨ arkten aus (also vollst¨ andiger Information, vollst¨andiger Transparenz, vollst¨ andigen Vertr¨ agen, dem Fehlen von Transaktionskosten usw.), besteht weder die M¨oglichkeit, noch die Notwenidgkeit, Macht in ¨ okonomische Modelle zu integrieren. 171 Grandori / Kogut (2002, S. 229f).

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung H5: Experten sind ceteris paribus schwieriger zu ersetzen als NichtExperten.172

Willett (2000) berichtet, dass die Einf¨ uhrung eines Systems zur gemeinsamen Wis¨ sensnutzung deutliche Anderungen im Machtgef¨ uge der Buckman Laboratories zur Folge hatte. Davon ausgehend, dass diejenigen Mitarbeiter Macht haben, die dem Unternehmen den gr¨oßten Nutzen bringen, benennt Rotemberg (1994) zwei M¨oglichkeiten, wie nach Macht strebende Mitarbeiter diesen internen Wert” steigern k¨onnen: Zum einen den – ” aus Unternehmenssicht positiv zu bewertenden – Erwerb von Humankapital, um den Firmengewinn zu steigern. Zum anderen k¨onnen sie versuchen, die Produktivit¨at potenzieller Konkurrenten zu senken, indem ihnen wichtigen Informationen bewusst vorenthalten werden. Letzteres ist aus Unternehmenssicht nat¨ urlich negativ.173 Lundgren (1990) diskutiert den Zusammenhang zwischen den Anreizen f¨ ur Agenten, ihr Wissen an den Produzenten weiterzugeben und den institutionellen Beziehungen zwischen den Agenten in einem Modell mit drei Firmen, zwei produzierenden Unternehmen und einem Zulieferer, der beide Produzenten beliefert. Hierbei kann eine vertikale Integration sinnvoll sein, um Verf¨ ugungsrechte u ¨ber das Wissen zu schaffen..174 Aus Angst vor Konkurrenz durch produktivere Mitarbeiter k¨onnen Vorgesetzte mit Personalverantwortung versucht sein, eher unproduktive Mitarbeiter einzustellen oder ihre Autorit¨at gegen¨ uber diesen Mitarbeitern zu missbrauchen.175 In der bildungspolitischen Debatte wird dieses Ph¨anomen als Begr¨ undung der Notwendigkeit verbeamteter Professoren herangezogen.176 In den Unterabschnitten 2.1.4 und 2.2.2 wurde bereits die Delegation von Entscheidungsrechten angesprochen. Die Verf¨ ugungsrechte u uter zu besitzen, kann als Macht interpretiert ¨ber bestimmte G¨ werden, wenn auch eher im Sinne formaler Autorit¨at.177 Auf diesen Zusammenhang weist Rotemberg hin, der zwei Gruppen von Angestellten benennt, die mit Macht in Verbindung gebracht werden k¨onnen: Zum einen haben jene Angestellte Macht, die Kontrolle u ¨ber wichtige Ressourcen haben. Zum anderen k¨onnen auch diejenigen Angestellten Macht haben, die f¨ ur die Organisation Probleme l¨osen k¨onnen, die unvorhersehbar auf172 Vgl. Mechanic (1962, S. 357f). 173 Rotemberg (1994, S. 195). 174 Lundgren (1990, S. 112; S. 124f). 175 Vgl. Friebel / Raith (2004). 176 Siehe hierzu auch Lazear (1998a, S. 112f). 177 Zur optimalen Allokation von Besitzrechten im wiederholten Spiel und im ”one-shot game” siehe auch Halonen (2002).

2.3 Ist Wissen Macht?

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treten und besonders schwierig sind.178 Die zweite Gruppe besitzt also Expertenmacht nach der Einteilung von French und Raven (1959). Hart und Moore (1990) benennen als Hauptaspekt von Eigentumsrechten die M¨oglichkeit, andere Menschen von der Benutzung eines Wirtschaftsgutes auszuschließen. Dieses kann auch f¨ ur immaterielle Verm¨ogenswerte gelten.179 Der Gedanke liegt nahe, die Theorie der Verf¨ ugungsrechte auch auf Wissen anzuwenden. Wer Wissen besitzt, kann andere von dessen Benutzung ausschließen. Fallen zu hohe Transaktionskosten an, wenn der genaue Zugang zu Wissen oder zu bestimmten Informationen vertraglich geregelt werden soll, kann es sinnvoll sein, beispielsweise einem Agenten sein Wissen insgesamt abzu” kaufen”. Eine M¨oglichkeit ist, den Agenten einzustellen, damit er selbst sein Wissen einbringen kann, die andere M¨oglichkeit ist, ihn f¨ ur eine Weitergabe seines Wissens zu entsch¨adigen und ihm Anreize zu geben, sein Wissen f¨ ur andere verf¨ ugbar zu machen. Riordan (1990) bringt die Eigentumsrechte an Wirtschaftsg¨ utern mit der Informationsstruktur einer Organisation in Verbindung, da ein Manager eine Informationsrente erzielen kann, wenn er sowohl u ¨ber private Information als auch u ¨ber die Eigentumsrechte am betrachteten Wirtschaftsgut verf¨ ugt.180 Im Rahmen der Theorie unvollst¨andiger Vertr¨age untersuchen Rajan und Zingales (1998; 2001) die Nachteile, die f¨ ur ein Unternehmen entstehen k¨onnen, wenn seine Mitarbeiter Macht – hierbei als Zugang zu kritischen Ressourcen definiert – besitzen. Grunds¨atzlich kann auch Wissen eine solche Ressource sein. Die Autoren zeigen das Problem auf, das zwangsl¨aufig entsteht, wenn ein Unternehmensgr¨ under bzw. Prinzipal sein Wissen an einen Manager weitergibt, um die Produktion steigern zu k¨onnen. Das Risiko, dass dieser sich selbstst¨andig macht, das Wissen (z.B. eine Technologie) stiehlt und in Konkurrenz zum Unternehmensgr¨ under tritt, muss gegen die Vorteile, die eine Delegation f¨ ur den Prinzipal hat, abgewogen werden. Hat der Manager noch weitere spezialisierte Mitarbeiter, ist das Problem m¨oglicherweise sogar noch gr¨oßer: verl¨asst er das Unternehmen, um gegen den Prinzipal zu konkurrieren, k¨onnen die auf ihre Aufgabe spezialisierten Mitarbeiter nur ebenfalls das Unternehmen verlassen, da sie ohne den Manager nicht produktiv sind. Kr¨akel (1999; 2002) beleuchtet eine andere Facette des Wissenstransfers bei Delegation: Durch die Weitergabe von Wissen erh¨oht der Prinzipal zwar einerseits die Pro178 Vgl. Rotemberg (1994, S. 169). 179 Vgl. Hart / Moore (1990, S. 1150). 180 Vgl. Riordan (1990, S. 107). Der Opportunit¨ atswert des Wirtschaftsgutes wird hier als Bestandteil der kurzfristigen variablen Kosten bezeichnet. Besitzt nun der Manager private Informationen u ¨ber diesen Kostenanteil, kann er daraus m¨ oglicherweise eine Informationsrente beziehen. Eine solche Informationsrente beeinflusst aber wiederum seine Anreize im Umgang mit dem Wirtschaftsgut, z.B. Anreize f¨ ur Kostensenkungen oder Mengen¨ anderungen.

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

duktivit¨at des Agenten, zugleich erh¨oht er aber auch dessen Marktwert”, also seinen ” Alternativlohn,181 wodurch auch f¨ ur ihn die Lohnkosten steigen. Zus¨atzlich besteht auch hier das Risiko, dass der Agent sich selbstst¨andig macht und auf einem Markt mit beschr¨ankter Nachfrage gegen den Prinzipal konkurriert. Ein ¨ahnliches Modell diskutiert auch Stewart (1994): Ein Unternehmer hat Wissen, braucht aber einen Angestellten, um produzieren zu k¨onnen. Dieser lernt aber dabei, akquiriert also das Wissen des Unternehmers und kann dann ein Konkurrenzunternehmen aufmachen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es f¨ ur den Unternehmer sinnvoll sein, sich ex ante auf eine bestimmte Kapazit¨at festzulegen, wenn er mit dem Angestellten verhandelt. So kann er diesen m¨oglicherweise davon abhalten, sich sp¨ater selbstst¨andig zu machen.182 Zuletzt sei auf die Arbeit von Webers (2003) verwiesen, der sich mit der Delegation von Entscheidungsrechten und deren Einfluss auf den Umgang mit Wissen befasst. 2.3.2 Zwischenfazit Im Vorgriff auf das Modell, dessen Herleitung im n¨achsten Kapitel erfolgt, sollen aus den bisher angef¨ uhrten Definitionen diejenigen ausgew¨ahlt werden, die f¨ ur die Modellierung in einem Prinzipal-Agenten-Modell, in dem ein Agent betriebsnotwendiges Wissen besitzt, geeignet erscheinen. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Wissen und Information von Bedeutung, insofern Wissen in unterschiedlichen Mengen vorliegen kann und ganz oder nur teilweise weitergegeben werden kann. Diesbez¨ uglich unterscheidet sich Wissen von Information, die in der ¨okonomischen Modelltheorie f¨ ur gew¨ohnlich als unteilbare Einheit angesehen wird.183 In Abgrenzung zum Humankapitalbegriff ist nur entscheidend, dass Wissen im folgenden Modell kostenlos weitergegeben werden kann; f¨ ur die Akquisition von Humankapital werden f¨ ur gew¨ohnlich Investitionen als notwendig erachtet.184 Woher der Agent ¨ ex ante sein Wissen hat und welche Ubermittlungstechnik er bei der Wissensweitergabe ¨ anwendet, wird im Modell ausgeblendet. Dies gilt auch f¨ ur die Frage der Ubertragung, also der Frage, ob das gesendete“ Wissen dem empfangenen“ Wissen vollst¨andig ent” ” spricht oder ob es beim Transfer zu St¨orungen oder Verzerrungen kommt. Damit eine Wissensweitergabe erfolgen kann, darf das Wissen nicht vollst¨andig im181 Vgl. hierzu auch die Ausf¨ uhrungen von Rotemberg (1994, S. 195) u ¨ber die Steigerung des internen Werts. 182 Vgl. Stewart (1994). Ist jedoch die Festlegung auf eine sehr hohe Kapazit¨at (¨ uber dem Monopolwert) notwendig, um den Angestellten davon abzuhalten, sich selbstst¨andig zu machen, kommt es zu Effizienzverlusten. 183 Vgl. 2.1.1. 184 Vgl. 2.1.1.

2.3 Ist Wissen Macht?

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plizit sein; es kann aber durchaus implizite Komponenten enthalten. Ein rein explizites Wissen l¨age dann vor, wenn der wissende Agent beispielsweise ein Handbuch, eine Prozessdokumentation oder eine Gebrauchsanleitung schreiben k¨onnte, die einen anderen Agenten bef¨ahigte, ohne weitere Unterst¨ utzung zu produzieren. Im Sinne von Gormann (2002) kann es sich bei dem in Kapitel 3 modellierten Wissen sowohl um deklaratives als auch um prozedurales Wissen handeln. Jensen / Meckling (1990, 1992) unterscheiden explizites und implizites Wissen nur anhand der Kosten, die beim Transfer entstehen. Insofern m¨ usste das Wissen im Modell vollst¨andig explizit sein, da der Wissenstransfer bewusst als kostenlos angenommen wird. Da implizites Wissen oft aber auch durch Interaktion mit Kollegen erworben werden kann, muss nicht notwendigerweise eine Einschr¨ankung auf rein explizites Wissen vorgenommen werden. Das weitergegebene Wissen kann im Sinne von Nonaka (1991) als Mischform von implizitem und explizitem Wissen interpretiert werden: es handelt sich bei dem Wissen sicherlich einerseits um Fakten, die sich auch aufschreiben ließen, andererseits kann im Rahmen der Zusammenarbeit der beiden Agenten auch durchaus implizites Wissen weitergegeben werden.. Die Lernprozesse ließen sich also im Sinne von Nonaka (1991) sowohl als Kombination als auch als Sozialisation beschreiben.185 Wissensmanagement im Ganzen wird im Modell nicht betrachtet, da mit dem Wissenstransfer laut Bea (2000) nur ein Teilbereich des Wissensmanagements modelliert wird. Wie das Wissen erworben, gespeichert und genutzt wird, bleibt im Modell unber¨ ucksichtigt. Dennoch ist der Prozess der Wissensweitergabe von großer Bedeutung f¨ ur das Wissensmanagement; insofern kann das Modell als Analyse eines wichtigen Aspekts f¨ ur das Wissensmanagement relevat sein. Macht ist im folgenden Modell nur indirekt ber¨ ucksichtigt. Es wurde darauf verzichtet, ¨ im Sinne von eine Variable f¨ ur die Macht des Agenten einzuf¨ uhren, um keinen Uberbau“ ” Grandori und Kogut zu schaffen, der keinen zus¨atzlichen Erkenntnisgewinn br¨achte.186 Dennoch spielt Macht im vorliegenden Modell eine wichtige Rolle. Da der Agent selbst entscheidet, wieviel seines Wissens er weitergibt, muss der Prinzipal darauf entsprechend reagieren. Der Prinzipal ist somit nicht frei in seiner Entscheidung und muss bei der Maximierung seines erwarteten Gewinns die Interessen des wissenden Agenten ber¨ ucksichtigen. Dies beeinflusst die Vertr¨age, die der Prinzipal den Agenten anbietet, aber auch die Personalentscheidungen des Prinzipals. Ein Agent, der ex ante Wissen besitzt, kann unter Umst¨anden nicht nur seine eigene Entlassung verhindern, sich also unentbehrlich machen, sondern auch die Personalauswahl des Prinzipals f¨ ur sp¨ater einzu185 Vgl. Nonaka (1991, S. 98f. und 1994, S. 19), sowie Unterabschnitt 2.1.3. 186 Vgl. Grandori / Kogut (2002, S. 230).

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2 Wissen & Macht in der ¨okonomischen Forschung

stellende Arbeitnehmer beeinflussen, wie in 3.3 diskutiert wird. Gem¨aß French / Raven (1959) verf¨ ugt der Agent also u ¨ber Expertenmacht , w¨ahrend der Prinzipal Belohnungsund Zwangsmacht besitzt. Die Macht des Prinzipals ist insofern eingeschr¨ankt, als er die Teilnahmebedingungen und die Anreizkompatibilit¨atsbedingungen187 der Agenten ber¨ ucksichtigen muss. Aber auch der Agent besitzt keine uneingeschr¨ankte Macht. Sind seine Kompensationsforderungen zu hoch, wird der Prinzipal eher auf einen Wissenstransfer verzichten, als den Forderungen nachzukommen. W¨ahrend der Prinzipal sowohl Macht (die Macht, zu belohnen oder zu bestrafen) als auch Autorit¨at besitzt, liegt beim wissenden Agenten ausschließlich Macht im Sinne Bosetzkys (1992) vor, bzw. informelle Autorit¨at gem¨aß Aghion / Tirole (1997), da der wissende Agent in der Hierarchie dem Prinzipal untergeordnet und jedem anderen Agenten gleichgestellt ist. Aufgrund seines Wissens kann er jedoch den eigenen Willen ” auch gegen Widerstreben durch[..]setzen“188 als auch den Prinzipal dazu bringen, etwas zu tun, das dieser sonst nicht tun w¨ urde.189 Macht − in Abgrenzung zu Autorit¨at − ist also im Modell durchaus gegenw¨artig. Die im Modell vorkommende Macht passt aber auch zu den Definitionen von Macht bzw. informeller Autorit¨at von Weber (1920), Dahl (1957), Mechanic (1962) und anderen. Auf eine Quantifizierung der Macht wird im Folgenden g¨anzlich verzichtet. Es erscheint im Kontext eines Prinzipal-Agenten-Modells wenig zielf¨ uhrend, den Faktor Macht messen zu wollen. Intuitiv liegt die triviale Vermutung nahe, dass der sp¨ater eingestellte Agent, der ex ante nicht u ugt, weniger Macht besitzt als die restlichen ¨ber Wissen verf¨ Akteure. Interessant w¨are demnach nur die Frage, ob der Prinzipal oder der wissende Agent mehr Macht besitzt. Wie aber bereits erl¨autert, verf¨ ugen beide u ¨ber ganz unterschiedliche Machtarten. Ob sich diese - selbst wenn sie messbar w¨aren - direkt gegeneinander aufrechnen ließen, darf als u ¨beraus fraglich angesehen werden. Ein ordinaler Machtvergleich w¨are eigentlich nur insofern denkbar, als man betrachten k¨onnte, welcher Akteuer sich letztendlich durchsetzt.190 Ziel des im folgenden Kapitel vorgestellten Modell ist es jedoch, mittels Anreizvertr¨agen ein Gleichgewicht zu finden. Es steht das Ziel im Mittelpunkt, eine Situation herbeizuf¨ uhren, die alle Beteiligten zufrieden stellt. Dabei geht es also nicht um die Frage, welcher Akteur mehr Macht besitzt, sondern eher um die Frage, wie die vorhandene Macht in derartigen Anreizvertr¨agen ber¨ ucksichtigt werden muss. 187 Vgl. Mas-Colell / Whinston / Green (1995, S. 483) bzw. Kr¨ akel (1999, S. 66). 188 Weber (1920, S. 28). 189 Vgl. Dahl (1957, S. 202f.). 190 Alternativ k¨ onnte ggf. auch gemessen werden, wie weit die im Gleichgewicht erwarteten Nutzen der Akteure von ihrem unter f¨ ur sie optimalen Bedingungen erzielbaren Erwartungsnutzen abweichen.

2.3 Ist Wissen Macht?

61

Als Zwischenfazit l¨asst sich die plakativ gestellte Frage Ist Wissen Macht?“ in diesem ” Kontext zun¨achst bejahen. Allerdings nicht ohne Einschr¨ankungen, wie das Modell im Folgenden zeigt.

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨ age unter Beru ¨ cksichtigung personalpolitischer Auswirkungen

”One of your jobs as a manager is to identify and promote new managers. Ideally, each new manager should be less qualified than you. Otherwise that new manager will try to take your job or make you look dumb. It’s in your best interest to keep the talent pool as thin as possible, just as the people who promoted you have done.” (Dogbert’s Top Secret Management Handbook)1 In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, warum Agenten m¨oglicherweise Wissen zur¨ uckhalten, auch wenn sie Anreize zur Wissensweitergabe haben. Selbst wenn eine vollst¨andige Wissensweitergabe kostenlos m¨oglich ist, kann es ¨okonomische Gr¨ unde f¨ ur eine Wissenszur¨ uckhaltung geben. Dies kann einen Einfluss auf Personalentscheidungen haben: einerseits, wenn Arbeitnehmer entlassen werden m¨ ussen, andererseits auch bei der Auswahl neuer Arbeitnehmer.

3.1 Vor¨ uberlegungen Jeder kennt Beispiele f¨ ur mangelnde Wissensweitergabe, sei es nun aus dem beruflichen oder dem privaten Umfeld. Fragt man nach den hinter diesem Verhalten vermuteten Motiven, so erh¨alt man meist die Antwort, dass Menschen ihr Wissen zur¨ uckhalten, um sich unentbehrlich zu machen. Dies deckt sich mit der Erkl¨arung, die Besanko / Dranove / Shanley (2000) geben: Macht resultiert daraus, [...] bis zu welchem Grad ein ” Individuum in einer Beziehung ersetzbar ist”2 . Auch Rajan / Zingales (2000) und Kr¨akel (2005) unterstellen Angst vor Konkurrenz und damit die Sorge, ersetzt zu werden, als Motiv f¨ ur Wissenszur¨ uckhaltung. Im Gegensatz zu diesen beiden Arbeiten, in denen der Prinzipal f¨ urchten muss, dass der Agent die Organisation verl¨asst und auf dem Markt mit dem Prinzipal konkurriert, wird in dieser Arbeit jedoch kein Delegationsproblem betrachtet. 1 Adams (1996, S. 15). ¨ 2 Besanko / Dranove / Shanley (2000, S. 711), eigene Ubersetzung.

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3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Hayek (1945) liefert ein Argument, warum Wissen auch dezentral in einer Organisation vorhanden sein kann und eine Weitergabe dieses Wissens zwischen den verschiedenen Hierarchieebenen gar nicht notwendig sein muss: Ist eine Organisation darauf angewiesen, schnell auf die Erfordernisse des Marktes zu reagieren, w¨ urde es viel zu lange dauern, zun¨achst der Unternehmensleitung s¨amtliches f¨ ur eine Entscheidung notwenidges Wissen mitzuteilen und dann abzuwarten, bis die Unternehmensleitung das entsprechende Wissen genutzt hat, um eine Entscheidung zu treffen. Viele Entscheidungen m¨ ussen dezentral getroffen werden und es ist weder notwendig, noch sinnvoll, dass das hierf¨ ur ur solche Situationotwendige Wissen bei der Unternehmensleitung vorliegt.3 Beispiele f¨ nen lassen sich in der Praxis zuhauf finden: der Betreiber eines Bergwerks muss nicht genau wissen, was im Falle eines Wassereinbruchs in einem Stollen zu tun ist. Es h¨atte vermutlich fatale Konsequenzen, wenn in diesem Falle ein Vorarbeiter die Bergwerksleitung u ¨ber den Unfall, m¨ogliche Handlungsalternativen und Techniken in Kenntnis setzen m¨ usste, bevor die Entscheidung u ¨ber die Bergung der Arbeiter und die Absicherung des Stollens gef¨allt werden k¨onnte. Ebenso muss der Vorstandsvorsitzende einer Bank nicht notwendiger Weise u ¨ber alle Geldanlageprodukte des Bankhauses detailliert informiert sein. Kein Kunde legt Wert darauf, beim Verkaufsgespr¨ach darauf zu warten, dass der Vorstandsvorsitzende eine pers¨onliche Empfehlung f¨ ur eine bestimmte Geldanlage ausspricht. Dies muss nicht nur mit mangelnder Effizienz und der Aufgabenf¨ ulle des Topmanagements begr¨ undet sein. Es ist durchaus denkbar, sogar wahrscheinlich, dass im Falle des Bergwerksunfalls der Vorarbeiter und im Falle eines Fondskaufs die Anlageberaterin die kompetenteren Ansprechpartner sind als das Topmanagement. Aoki (1990) zeigt, dass Entscheidungen u ur die gesamte ¨ber Vorgehensweisen, die f¨ Organisation von Bedeutung sind (z.B. die H¨ohe der aggregierten Produktion, Diversifikation usw.) vom Management ausgef¨ uhrt werden k¨onnen, w¨ahrend die Entscheidungen, die nur einzelne Abteilungen oder deren Zusammenarbeit betreffen, dezentral getroffen werden sollten, da das notwendige Wissen f¨ ur die Entscheidung auch eher dezentral vorhanden ist. ”Es gibt keinen offenkundigen Grund, weshalb die Koordination von Organisationen vom Management zentralisiert werden sollte. Im Gegenteil: Unter bestimmten Bedingungen kann die Teilung von globalen und lokalen Entscheidungen zur Informationseffizienz beitragen (der Schaffung von Informationswert).”4 3 Hayek (1945, S. 524f). Zu einer ausf¨ uhrlichen Diskussion siehe auch Becker / Murphy (1992, S. 1142ff; S. 1149ff). ¨ 4 Aoki (1990, S. 42), eigene Ubersetzung.

3.1 Vor¨ uberlegungen

65

In der in dieser Arbeit beschriebenen Situation hat der Prinzipal ein Interesse daran, die Produktion auszuweiten, was nur dann m¨oglich ist, wenn ein weiterer Agent qualifiziert wird. Da der Prinzipal selbst nicht u ur die Produktion notwendige Wissen ¨ber das f¨ verf¨ ugt, ist er darauf angewiesen, dass der Agent, der ex ante betriebsspezifisches Wissen erworben hat, dieses an einen zus¨atzlich eingestellten Agenten weitergibt. Der Agent jedoch hat an sich keinen Nutzen aus einer Wissensweitergabe, im Gegenteil: er wird durch einen Transfer seines Wissens m¨oglicherweise austauschbar.5 Warum und woher der Agent sein Wissen hat, sei vernachl¨assigt, jedoch kann angenommen werden, dass der Prinzipal diesen Agenten aufgrund seines Wissens eingestellt hat oder ihm irgendwann Anreize gesetzt hat, Wissen zu erwerben. Obwohl das Wissen betriebsnotwendig ist, sei angenommen, dass der Agent sich mit seinem Wissen nicht selbstst¨andig machen und gegen die Organisation, bzw. den Prinzipal, konkurrieren kann. Beispielsweise kann man sich den Agent als Erfinder einer Technologie vorstellen, die aber nur mit der technischen Infrastruktur der Organisation eine Produktion erlaubt. Alternativ ist denkbar, dass das Produkt durch ein Patent gesch¨ utzt ist, das der Organisation geh¨ort, dass aber nur der Agent in der Lage ist, dieses Produkt herzustellen. Es kann sich bei dem Produkt auch um eine Datenbank handeln, die Agent 1 entwickelt hat und die nur er warten bzw. weiterentwickeln kann. Dieses Beispiel verdeutlicht das hier betrachtete Problem: H¨atte der Datenbankentwickler sein Vorgehen bei der Entwicklung dieser Datenbank ordentlich dokumentiert, w¨are es f¨ ur andere Datenbankentwickler ein Leichtes, anhand dieser Dokumentation mit der Datenbank zu arbeiten, sie zu warten und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Obwohl es in den meisten Unternehmen der Softwarebranche klare Anweisungen bez¨ uglich der Dokumentation gibt, unterbleibt diese oft. Der Grund f¨ ur dieses Verhalten muss nicht notwendigerweise die hohe Arbeitsbelastung sein. Ein interessantes Ph¨anomen ist in diesem Zusammenhang zu beobachten: Gerade in Forschung und Entwicklung t¨atige Angestellte neigen dazu, ihr Fachwissen mit Kollegen außerhalb der eigenen Unternehmung zu teilen. Es gibt Fachtagungen und Konferenzen, bei denen in der Forschung T¨atige ihre Erkenntnisse vorstellen. Dies f¨ uhrt zu einem beachtlichen Knowlege Spill-over” zwischen Unternehmen, also einem gegenseiti” gen Wissensaustausch.6 Von diesem gegenseitigen Wissensaustausch k¨onnen m¨oglicherweise beide Unternehmen profitieren. Er muss jedoch nicht im Sinne der Unternehmen sein: gerade Firmen, denen beachtliche Forschungs- und Entwicklungskosten entstehen, m¨ ussen sehr genau abw¨agen, ob sich ein firmen¨ ubergreifender Wissensaustausch f¨ ur sie 5 Vgl. Rotemberg (1994, S. 195). 6 Zu Knowledge Spillovers siehe bspw. van der Velden, C. (2003).

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3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

lohnt.7 Wenn ein Mitarbeiter der Forschungsabteilung auf einer Konferenz begeistert mit Gleichgesinnten fachsimpelt, besteht immer die Gefahr f¨ ur sein Unternehmen, dass teuer erworbenes Wissen kostenlos an einen Konkurrenten weiter gegeben wird. Zwischen manchen Unternehmen wird dieser Wissensaustausch sogar gef¨ordert, auch wenn es sich um konkurrierende Unternehmen handelt. So gibt es in Verb¨anden oft Foren zum Austausch erprobter L¨osungen (best pracitce). Als Beispiel sei hier der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) genannt, wo sich Vertreter der verschiedenen Krankenkassen in sogenannten Erfa-Gruppen” treffen, um Erfahrungen auszutauschen. ” Wenn aber im Rahmen von Fachtagungen Mitarbeiter gewillt sind, ihr Wissen mit anderen zu teilen, stellt sich die Frage, weshalb innerhalb einer Organisation Wissenszur¨ uckhaltung ein Problem sein sollte. Mit dieser Problematik hat sich beispielsweise Anna Grandori befasst: ”Es l¨asst sich kaum nachweisen, dass die Anreize, sein Wissen zu teilen, innerhalb einer Organisation generell st¨arker sind als u ¨ber die Organisationsgrenzen hinweg; zumindest ließe sich auch das Gegenteil zeigen. Dies mag besonders f¨ ur pers¨onliches und tacites Wissen gelten, da es unwahrscheinlicher ist, dass Menschen, die u ugen, es mit ¨ber derartiges Wissen verf¨ ihren direkten Konkurrenten auf dem internen Arbeitsmarkt teilen als mit Außenstehenden... Wie Machiavelli sagte: ’Die Menschen f¨ uhren Kriege mit Nachbarn und bilden Allianzen mit weiter entfernten Partnern’.”8 Welchen Anreiz hat ein Agent, der u ugt, sich unentbehrlich ¨ber derartiges Wissen verf¨ zu machen? Oder andersherum gefragt: Warum f¨ urchtet ein Agent, der betriebsspezifisches Wissen besitzt, ersetzt zu werden? Eine ¨okonomische Erkl¨arungen daf¨ ur ist, dass ein solcher Agent m¨oglicherweise nicht indifferent ist, ob er seinen Job behalten oder eine alternative Besch¨aftigung am Arbeitsmarkt aufnehmen will. Ein Datenbankentwickler, der seine Datenbank f¨ ur andere unbrauchbar gestaltet, kann dadurch m¨oglicherweise sicherstellen, dass er seinen Arbeitsplatz beh¨alt, solange die Datenbank ben¨otigt wird. In der Prinzipal-Agent-Theorie wird f¨ ur gew¨ohnlich davon ausgegangen, dass ein Agent einen Erwartungsnutzen durch die Entlohnung seiner aktuellen Besch¨aftigung hat, der seinem Erwartungsnutzen bei einer Alternativbesch¨aftigung entspricht.9 In der 7 Mit dem Sonderfall ”Wissenstransfer in strategischen Allianzen” besch¨aftigt sich Simonin (1999) im Rahmen einer empirischen Untersuchung. Er verweist auf die besonderen Schwierigkeiten, die bei der Weitergabe von Wissen zwischen Organisationen beispielsweise hinsichtlich der Erfahrung, der kulturellen Distanz und der Komplexit¨ at entstehen k¨ onnen. ¨ 8 Grandori / Kogut (2002, S. 227), eigene Ubersetzung. 9 Mas-Colell/Whinston/Green (1995, S. 480ff).

3.1 Vor¨ uberlegungen

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Praxis ist dies jedoch nicht unbedingt der Fall.10 Es gibt verschiedene Gr¨ unde, weshalb ein Mitarbeiter oberhalb seines Reservationswerts11 entlohnt werden kann. Beispielsweise geht die Effizienzlohntheorie davon aus, dass durch das Zahlen von L¨ohnen, die oberhalb des Gleichgewichtslohns liegen, sowohl Problemen bei der Personalauswahl, als auch Fluktuation und Leistungszur¨ uckhaltung entgegengewirkt werden kann.12 Ein weiterer m¨oglicher Grund f¨ ur eine Entlohnung oberhalb des Reservationswerts k¨onnen Humankapitalinvestitionen sein, die ex ante vom Mitarbeiter get¨atigt wurden,13 aufgrund von Verdiensten um die Organisation in der Vergangenheit oder wegen ihrer langen Betriebszugeh¨origkeit. Diese goldenen Handschellen”14 dienen dazu, einen wertvollen Agenten ” im Unternehmen zu halten. Handelt es sich bei dieser zus¨atzlichen Zahlung bspw. um eine Firmenrente oder eine andere fixe Zahlung, die nur dann erfolgt, wenn der Agent (eine bestimmte Zeit) in der Organisation bleibt, l¨asst sich argumentieren, dass er von einem Anreizvertrag erwartet, dass dieser ihm im Erwartungswert zumindest seinen Alternativlohn plus die garantierte fixe Zahlung bietet. In japanischen Firmen werden durch Lohnerh¨ohungen nach dem Seniorit¨atsprinzip, d.h. steigende L¨ohne bei l¨angerer Betriebszugeh¨origkeit, und Firmenrenten Mitarbeiter daran gehindert, auf dem H¨ohepunkt ihrer Produktivit¨at das Unternehmen zu verlassen.15 Vergleichbare Anreizinstrumente werden in deutschen Firmen angewandt. Auch im Rahmen der in Deutschland u ¨blichen dualen Berufsausbildung lassen sich Argumente finden, weshalb ein Arbeitnehmer nach seiner Ausbildung in seinem Ausbildungsbetrieb h¨oher entlohnt wird als bei einem Konkurrenzunternehmen: Lindner (1998) modelliert die Berufsausbildung als Humankapitalakkumulation durch learning-by-doing”. In sei” nem Zwei-Perioden-Modell verzichtet der Arbeitnehmer in der Ausbildungsperiode auf Lohnanteile, wird aber daf¨ ur in der Folgeperiode an der Ausbildungsrente beteiligt. Der Arbeitgeber stellt sich trotz der Beteiligung des Arbeitnehmers an der erwirtschafteten Rente besser, wenn er den ausgebildeten Arbeitnehmer u ¨bernimmt als bei einer Neuein10 Gibbons / Katz (1991) untersuchen beispielsweise den Stigmatisierungseffekt den eine Entlassung auf das Gehalt bei der n¨achsten Einstellung hat. Der vergleichbare Lohn bei einer Alternativbesch¨aftigung muss also nicht dem tats¨ achlichen Lohn im Falle einer Entlassung entsprechen. Zu Stigmatisierungseffekten siehe auch Grund (1999). Auch die in 1.3.1 erl¨ auterten Transaktionskosten k¨ onnen eine Rolle spielen: Kommen bei einem Arbeitsplatzwechsel Suchkosten oder Anbahnungskosten auf den Agenten zu, ist eine Entlassung f¨ ur ihn mit Nachteilen verbunden, auch wenn er bei einer neuen Besch¨aftigung den gleichen Lohn erhielte. 11 Zum Begriff des Reservationswerts siehe bspw. Lindbeck / Snower (1988, S. 150f). 12 Zu Effizienzl¨ ohnen siehe Lazear (1998a, S. 70), Shapiro / Stiglitz (1984; 1985), Stiglitz (1987), Akerlof (1984), Akerlof / Yellen (1986), Kr¨ akel (1999, S. 104) sowie die dort zitierte Literatur. 13 Siehe z.B. Koike (1990, S. 193ff). 14 Milgrom/Roberts (1992, S. 346). 15 Vgl. Aoki (1986, S. 982), Lazear (1979) und Frank (1984).

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3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

stellung zum Alternativlohn.16 . Ein Agent wird andere Agenten nur dann als Bedrohnung empfinden oder die Notwendigkeit versp¨ uren, sich unentbehrlich zu machen, wenn er mit diesen Agenten im Wettbewerb steht. Dies kann der Fall sein, wenn die Agenten um Bef¨orderungen konurchten m¨ ussen. Verdient ein Agent kurrieren,17 oder auch, wenn Agenten um ihre Stelle f¨ als Mitarbeiter in einer Organisation mehr als bei einer Alternativbesch¨aftigung, zieht er es selbstverst¨andlich vor, seine aktuelle Stelle zu behalten. Dies gilt auch, wenn Arbeitslosigkeit existiert und der Agent bef¨ urchten muss, im Falle einer Entlassung (vor¨ ubergehend) arbeitslos zu sein. Eine Begr¨ undung, weshalb es zu Arbeitslosigkeit kommen kann, liefern Shapiro / Stiglitz (1984): Sie argumentieren, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter oberhalb ihres Alternativlohns bezahlen, um somit Leistungszur¨ uckhaltung (”shirking”) entgegenzuwirken. Bezahlen aber viele Firmen ihren Mitarbeitern mehr als den (Markt-) Gleichgewichtslohn, so kommt es zu Arbeitslosigkeit.18 Die m¨oglicherweise drohende Arbeitslosigkeit diszipliniert also die Mitarbeiter, die erw¨ unschte Leistung zu erbringen, kann aber auch gleichzeitig in der hier betrachteten Situation dazu f¨ uhren, dass ein Agent sein Wissen f¨ ur sich beh¨alt, um sich unentbehrlich zu machen.19 Doch nat¨ urlich liegt es im Sinne eines Prinzipals, einen teuren Agenten durch einen weniger teuren zu ersetzen, sofern dieser dieselbe Produktionsmenge und -qualit¨at sicherstellen kann. Betrachten wir also eine Situation, in der der Prinzipal zun¨achst nur die Produktion durch die Ausbildung eines zus¨atzlichen Agenten ausweiten m¨ochte,20 16 Das Modell von Lindner soll an dieser Stelle allerdings nicht kritiklos zitiert werden, da eine Betrachtung der Ausbildungssituation in Deutschland durchaus Fragen aufwirft: In kleinen Unternehmen mag die Annahme realistisch sein, dass Ausbildung nur durch ”on-the-job training” erfolgt und dem Ausbildungsbetrieb keine weiteren Kosten entstehen; zumindest, sofern man den von Auszubildenden produzierten Ausschuss und die Zeit, die ein Meister mit Anleitung und Kontrolle verbringt, vernachl¨ assigt. Doch u ur gew¨ ohnlich nicht alle Auszubildenden. Das Ri¨bernehmen Kleinbetriebe f¨ siko, nach der Ausbildung nicht u ussten die Auszubildenden antizipieren ¨bernommen zu werden, m¨ ¨ und sich daher nur auf einen geringeren Lohn in der ersten Periode einlassen, wenn die Ubernahmewahrscheinlichkeit hinreichend groß ist. Bei Großunternehmen entstehen - im Gegensatz zum Modell von Lindner - immer zus¨atzliche Kosten im Rahmen der betrieblichen Ausbildung. Siehe hierzu beispielsweise von Bardeleben et al (1995, S. 25ff; S. 136). 17 Eguchi (2004) modelliert das Dilemma des erfahrenen Angestellten, der einerseits unerfahrene Kollegen ausbilden soll, aber andererseits mit ihnen um eine Bef¨ orderung konkurriert. Eguchi zeigt, dass ein allgemeines Training durchsetzbar ist, bei Spezialisierung auf einen Aufgabentypus hingegen keine Ausbildung in optimaler H¨ ohe erfolgt. 18 vgl. Shapiro / Stiglitz (1984, S. 433). 19 Kann ihm dies als Leistungszur¨ uckhaltung ausgelegt werden, so w¨ urde er nach dem Modell von Shapiro / Stiglitz (1984) entlassen werden. Ist die Wissensweitergabe aber nicht beobachtbar und nicht verifizierbar, kann Wissenszur¨ uckhaltung auch in der hier beschriebenen Situation als Problem auftreten. 20 Die Ausbildung bzw. Wissensweitergabe sei dabei notwendige Bedingung, damit der zweite Agent produktiv werden kann. Er besitze also ex ante kein (betriebsspezifisches) f¨ ur die Produktion erfor-

3.1 Vor¨ uberlegungen

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es aber in der Folgeperiode notwendig sein kann, einen Agenten zu entlassen. Diese Notwendigkeit zur Entlassung eines Agenten wird als Schock modelliert, der mit einer positiven Wahrscheinlichkeit s eintritt. Ob es sich bei diesem Schock um einen R¨ uckgang der Nachfrage nach dem produzierten Gut oder um einen Restrukturierungsprozess in einem gr¨oßeren Unternehmen handelt, von dem eine kleine Abteilung betroffen ist, ohne Einfluss auf den Prozess an sich zu haben, spielt dabei keine Rolle. Denkbar ist auch, dass die betrachtete Organisation ein Start-up Unternehmen ist und mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit der Risikokapitalgeber in der zweiten Periode die F¨orderung einstellt. Die Schockwahrscheinlichkeit s sei exogen gegeben und ex ante allen Akteuren bekannt. Sowohl der Prinzipal als auch die beiden Agenten sind sich also dessen bewusst, dass m¨oglicherweise in der Folgeperiode eine Entlassung unvermeidbar ist. Tritt ein Schock auf, so muss der Prinzipal entscheiden, welchen Agent er beh¨alt: den Agent, der ex ante u ugt, aber oberhalb seines Reservationswerts entlohnt wird,21 oder den ¨ber Wissen verf¨ Agent, der in der ersten Periode eine gewisse Menge Wissen von Agent 1 erhalten hat. Es ist intuitiv plausibel, dass die Entlassungsentscheidung des Prinzipals sowohl von der H¨ohe der zus¨atzlichen Zahlung an den wissenden” Agent als auch von der Menge des ” weitergegebenen Wissens abh¨angt.22 Die Wissensweitergabe erfolge on the job”23 und es entstehen bei der Wissensweiter” gabe keine Kosten, weder f¨ ur die Agenten, noch f¨ ur den Prinzipal. Diese Annahme dient lediglich dazu, das Problem zu vereinfachen,24 a¨ndert jedoch nichts an den generellen Aussagen. Der zweite Agent sammelt im Rahmen seiner T¨atigkeit mit dem Kollegen die Erfahrung, aus der letztendlich das Wissen entsteht, das er ben¨otigt, um selbst produktiv sein zu k¨onnen.25 Warum sollte ein Agent, der u ugt, sein Wissen un¨ber betriebsspezifisches Wissen verf¨ ter diesen Bedingungen weitergeben? Der Prinzipal kann dem Agent Anreize f¨ ur einen Wissenstransfer geben, indem er ihn am Ertrag des zun¨achst unwissenden Agenten bederliches Wissen. 21 Daraus folgt, dass dieser Agent auf jeden Fall h¨ oher entlohnt wird als der Agent, der ex ante nicht u ugt. ¨ber Wissen verf¨ 22 Da der Prinzipal die Menge des weitergegebenen Wissens nicht beobachten kann, fußt seine Entlassungsentscheidung also auf seiner Einsch¨ atzung bez¨ uglich des Wissenstransfers, die er aufgrund des von ihm beobachteten Ertrags des ex ante unqualifizierten Agenten trifft. 23 Zu ”on-the-job training” (OJT) siehe beispielsweise Koike (1990, S. 189ff; 1994). 24 In der Realit¨ at m¨ usste zus¨ atzlich eine Abw¨ agung erfolgen, ob der Verlust der Produktivit¨at w¨ahrend der Lernphase durch die h¨ ohere Produktivit¨ at des zweiten Agenten nach erfolgtem Wissenstransfer ausgeglichen bzw. u ¨berkompensiert wird. Siehe zu dieser Frage bspw. Aoki (1990, S. 42). 25 Vgl. hierzu auch Jensen / Meckling (1990, S. 6): ”Erfahung generiert oftmals Wissen als Koprodukt. Ist Wissen ein echtes Koprodukt der Aktivit¨ aten, die sowieso ausgef¨ uhrt werden, sind die Kosten ¨ dieses Wissens f¨ ur den Akquirierenden gleich Null.” (eigene Ubersetzung). Zum ”Learning by using” siehe auch Lundgren (1990, S. 113f).

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3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

teiligt.26 Derartige Umsatzbeteiligungen sind aus der Finanzdienstleistungsbranche bekannt. Bei einigen Finanzdienstleistern ist es u ¨blich, dass erfahrene Mitarbeiter einen Teil ihres Kundenstammes an neue Mitarbeiter abgeben und sich auf die lukrativeren Kundenkontakte beschr¨anken. Wer die Kunden akquiriert hat, erh¨alt aber einen Anteil an den Provisionen aller zuk¨ unftig mit diesen Kunden abgeschlossenen Vertr¨age. Der Prinzipal habe zudem nicht die M¨oglichkeit, das Wissen extern am Markt zu erwerben oder den neuen Agent anderweitig f¨ ur die Produktion zu qualifizieren. Diese relativ strikte Annahme ist gerade bei einem beschr¨ankten Betrachtungszeitraum nicht unrealistisch: Die Neuentwicklung eines Produkts oder einer Datenbank kann durchaus l¨anger dauern als der hier untersuchte Produktionszeitraum von zwei Perioden. Alternativ kann angenommen werden, dass eine komplette Neuentwicklung des Produkts bzw. der Neuerwerb des notwendigen Wissens durch Forschung und Entwicklung Kosten verursacht, die auf jeden Fall h¨oher sind als die Sicherstellung der Produktion w¨ahrend der betrachteten Perioden mittels entsprechender monet¨arer Anreize. Im hier betrachteten Modell muss der Agent abw¨agen, ob er lieber viel Wissen weitergibt und damit eine hohe Beteiligung an der Produktion seines Kollegen erh¨alt, aber eine Entlassung in der Folgeperiode riskiert, oder ob er lieber Wissen zur¨ uckh¨alt, sich also unentbehrlich macht, aber daf¨ ur auch weniger Einkommen in der ersten Periode in Kauf nimmt, wenn sein Kollege weniger produktiv ist und das aus der Beteiligung an der Produktion resultierende Einkommen daher entsprechend niedrig bleibt.27 Der ersten Intuition folgend, w¨ urde man annehmen, dass ein Prinzipal immer Interesse daran hat, dass der wissende” Agent sein Wissen vollst¨andig weitergibt, damit er ” zwei maximal produktive Mitarbeiter hat und im Falle eines Schocks den hoch bezahlten Agenten durch einen billigeren Kollegen ersetzen kann. Interessanterweise l¨asst sich aber zeigen, dass unter bestimmten Umst¨anden der Prinzipal Wissenszur¨ uckhaltung gegen¨ uber einem vollst¨andigen Wissenstransfer bevorzugt. Dies ist intuitiv plausibel, wenn die zus¨atzliche Zahlung z an den wissenden Agenten sehr klein ist und somit der tats¨achliche Lohn des Agenten seinem Reservationswert ¨ahnelt. Aber auch wenn die Zahlung z sehr hoch ist und der Prinzipal ein großes Interesse daran h¨atte, den Agenten durch einen schlechter bezahlten Kollegen zu ersetzen, kann es f¨ ur den Prinzipal vorteilhafter sein, Anreize f¨ ur Wissenszur¨ uckhaltung zu geben, sofern die Schockwahr26 Alternativ k¨ onnte er dem ersten Agent auch eine Pr¨ amie bezahlen, wenn Agent 2 ein bestimmtes Leistungsniveau erreicht. Siehe hierzu auch Kapitel 4, S. 125. 27 Die Problematik relativer Leistungsvergleiche wird hier ausgeblendet. Der Agent f¨allt seine Entscheidung bez¨ uglich der Wissensweitergabe also in Abh¨ angigkeit von seinem Erwartungsnutzen, in den nur die erwartete Entlohnung aus den beiden Perioden eingeht. Er erleidet also keine Nutzeneinbuße, wenn der zweite Agent ebenfalls u ugt. Eine kritische Diskussion der relativen ¨ber Wissen verf¨ Leistungsbewertung findet sich bspw. bei Fershtman / Hvide / Weiss (2003).

3.2 Grundmodell

71

scheinlichkeit hoch ist. Muss der Agent n¨amlich um seine Stelle bangen, die ihm eine deutlich bessere Bezahlung bietet als jede Alternativbesch¨aftigung, wird er sicherlich versuchen, sich unentbehrlich zu machen. Ihn dazu zu motivieren, seine Unersetzbarkeit aufzugeben, kann dementsprechend so teuer werden, dass ein Prinzipal m¨oglicherweise darauf verzichtet. Eine hohe Wissensweitergabe, die dem Prinzipal erlaubt, Agent 1 im Falle eines Schocks zu entlassen, ist also nur dann interessant f¨ ur den Prinzipal, wenn die zus¨atzliche Zahlung in einem bestimmten Intervall liegt. Damit besitzt der besagte Agent nicht nur Wissen, sondern nach der Definition von Besanko et al. (2000) auch Macht, da sowohl der Prinzipal als auch der zweite Agent durch wechselseitig in Beziehung stehende T¨atigkeiten von ihm abh¨angig sind und der Agent m¨oglicherweise nicht zu ersetzen ist.28

3.2 Grundmodell 3.2.1 Modellbeschreibung Modellannahmen Betrachtet wird ein zweiperiodiges Prinzipal-Agenten-Modell mit zwei Agenten. Einer der Agenten, Agent 1, hat ex ante Wissen erworben. Die Menge seines Wissens ist auf 1 normiert. Sein Wissen ist betriebsspezifisch und f¨ ur die Produktion notwendig, zudem wird angenommen, dass es vollst¨andig und kostenlos transferierbar ist. Allein Agent 1 kann steuern, wieviel Wissen er weitergibt, d.h. er kann jede beliebige Menge” Wissen ” zwischen 0 und 1 u ¨bertragen. Hierbei werden Probleme des Wissenstransfers komplett ausgeblendet. Die Frage, ob das Wissen beim Empf¨anger ankommt und ob dazu Anstrengungen oder bestimmte Grundvoraussetzungen notwendig sind, wird nicht weiter ugt zu Beginn der Periode 1 nicht u er¨ortert.29 Agent 2 verf¨ ¨ber das betriebsnotwendige Wissen, d.h. er kann nur dann produktiv werden, wenn Agent 1 ihm sein Wissen ganz oder teilweise u ¨bertr¨agt. Die M¨oglichkeit, das betriebsnotwendige Wissen extern zu erwerben, bestehe nicht bzw. verursache prohibitiv hohe Kosten.30 Die Produktion findet in beiden Perioden statt. Das von den Agenten produzierte 28 Besanko / Dranove / Shanley (2000, S. 711). 29 Vgl. Jensen / Meckling (1992, S. 254): ”Transfer, wie hier verwendet, bedeutet effektiven Transfer, nicht bloß Kommunikation. Es wird angenommen, dass der Empf¨anger des Wissens die Nachricht hinreichend gut versteht, um danach zu handeln. [...] Transfer schließt die Verwendung von Speicherung und Verarbeitung genauso mit ein wie die Eingangs- / Ausgangskan¨ale des menschlichen ¨ Gehirns.” (eigene Ubersetzung). Zur Diskussion um implizites Wissen und die Probleme des Wissenstransfers siehe auch das vorhergehende Kapitel. 30 vgl. Lundgren (1990), S. 115.

72

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Ergebnis kann vom Prinzipal am Ende jeder Periode beobachtet und dem einzelnen Agenten zugerechnet werden. Der Prinzipal kann daraus R¨ uckschl¨ usse auf die H¨ohe der Wissensweitergabe ziehen, es liegt jedoch ein Problem des moralischen Risikos vor, da der Prinzipal weder die Anstrengungen der Agenten, noch die Menge des transferierten Wissens kennt. Zu Beginn der zweiten Periode findet mit der Wahrscheinlichkeit s ein Schock statt, der dazu f¨ uhrt, dass ein Agent entlassen werden muss. Findet also ein Schock statt, muss der Prinzipal entscheiden, welchen Agenten er entl¨asst. Agent 1 erh¨alt in jeder Periode, in der er besch¨aftigt wird, eine zus¨atzliche Zahlung z ≥ 0. Sein Erwartungsnutzen liegt also u ur beide ¨ber seinem Reservationswert, der f¨ Agenten auf 0 normiert sei. Daraus l¨asst sich ableiten, dass das betriebsspezifische Wissen von Agent 1 ihm außerhalb der Organisation keinen Nutzen bringt. Sein Alternativlohn ist genauso hoch wie der von Agent 2, der zu Beginn nicht u ugt. ¨ber das Wissen verf¨ Alle Akteure sind risikoneutral.31 Da zu Beginn der ersten Periode keiner der Akteure weiss, ob in der zweiten Periode beide Agenten weiterbesch¨aftigt werden k¨onnen, sei es nicht m¨oglich, langfristige Vertr¨age abzuschließen. Zu Beginn der zweiten Periode muss also ein neuer Vertrag zwischen Prinzipal und Agent geschlossen werden.32 Zur Vereinfachung sei außerdem angenommen, dass die Akteure nicht den Barwert zuk¨ unftiger Einnahmen und Ausgaben ber¨ ucksichtigen, sondern die absolute H¨ohe.33 Die Produktionsfunktionen werden als linear angenommen, wobei die Produktion des Agenten 2 von der zuvor erfolgten Wissensweitergabe k ∈ [0, 1] des Agenten 1 abh¨angt: y1j (e1j )

= e1j + θ1

y2j (e2j ) = ke2j + θ2 , wobei eij die Anstrengung des Agenten i in Periode j ist und θi ein normalverteilter ur k = 0, ist die Produktivit¨at von St¨orterm mit Erwartungswert 0 und Varianz σ 2 .34 F¨ 31 Die Annahme der Risikoneutralit¨ at erfolgt zur Vereinfachung. Siehe hierzu auch die Diskussion in Kapitel 4. 32 Diese Annahme ist insbesondere deshalb kritisch zu sehen, weil Agent 1 ja quasi einen langfristigen Vertrag hat, der ihm z zusichert, solange er besch¨ aftigt ist. Die Annahme wird aus diesem Grund sp¨ ater aufgehoben, dient aber hier zur Vereinfachung des Grundmodells. Als Intuition ließe sich die hier betrachtete Situation wie folgt interpretieren: Der Prinzipal und die beiden Agenten bilden eine kleine Untereinheit eines Großunternehmens, z.B. eine Niederlassung. Der Prinzipal hat die Freiheit, Agenten zu entlassen und mit ihnen Geh¨ alter auszuhandeln. Der Einfluss des u ¨bergeordneten Unternehmens ist aber an zwei Stellen sp¨ urbar: Es kann beschließen, die Niederlassung zu verkleinern (dies entspricht einem Schock) und es hat Agent 1 eine Zahlung zugesichert, z.B. aufgrund von Seniorit¨at oder besonderer Verdienste, die aber u ¨ber die Kostenstelle des Prinzipals abgerechnet werden muss. 33 Diese Annahme dient nur der Vereinfachung und hat keine Auswirkung auf die generellen Aussagen; die Einf¨ uhrung eines Diskontfaktors ¨ andert nur die H¨ ohe der kritischen Werte. 34 Die St¨ orterme θ1 und θ2 beider Agenten haben die gleichen Erwartungswerte und die gleichen

3.2 Grundmodell

73

Agent 2 minimal, n¨amlich y2j (e2j ) = θ2 , der Erwartungswert ist 0. Wurde hingegen Wissen in H¨ohe von k = 1 transferiert, sind beide Agenten gleich produktiv, d.h. sie erzielen bei gleichem Leistungseinsatz im Erwartungswert das gleiche Ergebnis. Die Kostenfunktionen f¨ ur Arbeitsleid der Agenten seien vom Typ: cij (eij ) = c

(eij )2 2

Zeitlicher Ablauf Der Zeitablauf des Modells ist wie folgt:

Abbildung 3.1: Zeitlicher Ablauf des Grundmodells; Quelle: eigene Darstellung. Varianzen. Sie werden dennoch separat aufgef¨ uhrt, da sie nicht nur exogene St¨orungen, sondern auch individuelle, aber nicht direkt beeinflussbare Leistungsschwankungen der Agenten widerspiegeln.

74

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Zum Zeitpunkt t = 1.1 bietet der Prinzipal den Agenten folgende Anreizvertr¨age an:35 w11 (y11 , y21 ) = z + α11 + β11 y11 + ry21 w21 (y21 ) = α21 + β21 y21 wobei wij der Lohn ist, den Agent i in Periode j erh¨alt. Der Prinzipal bietet Vertr¨age an, die aus einem Fixum α und einer Ertragsbeteiligung β bestehen. yij ist der Ertrag, den Agent i in Periode j erbringt und r ∈ [0, 1] ist der Anteil am Ertrag von Agent 2, den Agent 1 als Kompensation f¨ ur seinen Wissenstransfer erh¨alt. Hierbei muss selbstverst¨andlich β21 + r ≤ 1 gelten, da der Ertrag von Agent 2 nicht mehr als einmal verteilt werden kann. In t = 1.2 entscheiden die Agenten, ob sie die Anreizvertr¨age akzeptieren oder sie ablehnen. Die Agenten akzeptieren die Anreizvertr¨age nur, wenn ihre Teilnahmebedingungen erf¨ ullt sind. Diese lauten: EU11.2 (α11 , β11 , r) ≥ 036 EU21.2 (α21 , β21 ) ≥ 037 Da Agent 1 die zus¨atzliche Zahlung z zugesichert bekommen hat, wird er einen Anreizvertrag nur dann akzeptieren, wenn dieser ihm mindestens einen Erwartungswert in H¨ohe von z in Aussicht stellt. F¨ ur z muss allerdings die Nebenbedingung z ≤

1 2c

gel-

ten, denn f¨ ur eine gr¨oßere Zusatzzahlung lohnt es sich f¨ ur den Prinzipal nicht, Agent 1 u ¨berhaupt einen Anreizvertrag anzubieten und die Produktion aufzunehmen − sein erwarteter Gewinn fiele negativ aus. Ohne das Wissen von Agent 1 kann aber auch Agent 2 nicht produktiv werden. Ist also z >

1 , 2c

findet keine Produktion statt.38

Auf der n¨achsten Stufe, t = 1.3, muss Agent 1 entscheiden, ob er Wissen an Agent 2 weitergibt und wenn ja, in welcher H¨ohe. Um die f¨ ur ihn optimale Menge zu transferierenden Wissens zu bestimmen, ber¨ ucksichtigt er nicht nur seinen Erwartungswert f¨ ur Periode 1, sondern auch den f¨ ur Periode 2, also das Risiko, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Er muss also abw¨agen, ob er einen h¨oheren Verdienst in Periode 1 mit Hilfe eines produktiven Kollegen vorzieht oder ob er lieber auf Verdienstm¨oglichkeiten in der ersten Periode zugunsten von Arbeitsplatzsicherheit in der zweiten Periode verzichtet. Diese Entscheidung wird offensichtlich von mehreren Faktoren beeinflusst: Zum einen spielt die Schockwahrscheinlichkeit s eine entscheidende Rolle, zum anderen die Zusatz35 Zur Herleitung u uckw¨ artsinduktion siehe 3.2.2. ¨ber R¨ 38 Siehe zur Begr¨ undung die L¨ osung per R¨ uckw¨ artsinduktion und den erwarteten Gewinn des Prinzipals auf Seite 79.

3.2 Grundmodell

75

zahlung z, die im Falle eines Arbeitsplatzverlustes die Einkommenseinbuße des Agenten 1 bei Aufnahme einer Alternativbesch¨aftigung darstellt. Nachdem ein Wissenstransfer in H¨ohe von k ∈ [0, 1] stattgefunden hat, w¨ahlen beide Agenten in t = 1.4 ihre Leistungsanstrengungen f¨ ur die erste Periode, basierend auf ihren Erwartungsnutzen:   c(e11 )2 + EU12 EU11.4 = E z + α11 + β11 y11 + ry21 − 2   2 c(e21 ) + EU22 39 EU21.4 = E α21 + β21 y21 − 2 Zum Ende der ersten Periode findet die Produktion statt, die Ertr¨age y11 und y21 werden erbracht und die Agenten erhalten ihre L¨ohne f¨ ur Periode 1. Der Prinzipal kann nur die Ertr¨age y11 und y21 beobachten.40 Die zweite Periode beginnt mit einem Naturzug: mit Wahrscheinlichkeit s tritt ein Schock auf, mit Wahrscheinlichkeit (1 − s) nicht. Falls kein Schock stattfindet, ¨ahnelt die zweite Periode der ersten, abgesehen von der Annahme, dass keine Wissensweitergabe mehr stattfindet.41 Situation ohne Schock Wieder bietet der Prinzipal zu Beginn der zweiten Periode beiden Agenten einen Vertrag an, der aus einer fixen Komponente α und einer ergebnisabh¨angigen Komponente β besteht, sowie der zus¨atzlichen Zahlung an Agent 1: w12 (y12 ) = z + α12 + β12 y12 w22 (y22 ) = α22 + β22 y22 Auch in Periode 2 nehmen die Agenten die Anreizvertr¨age nur an, wenn ihre Teilnahmebedingungen erf¨ ullt sind. Diese lauten analog zur Vorperiode EU12.j.2 (α12 , β12 ) ≥ 0 EU22.j.2 (α22 , β22 ) ≥ 0 40 Da die Agenten aber als risikoneutral angenommen wurden, kann der Prinzipal aus den Ertr¨agen (genaue) R¨ uckschl¨ usse auf ihren jeweiligen Arbeitseinsatz ziehen. Vgl. Mas-Colell et al. (1995, S. 482). 41 Diese Annahme dient lediglich der Vereinfachung. In der zweiten Periode h¨atte Agent 1 keinen Grund mehr, Wissen zur¨ uckzuhalten. Der Prinzipal k¨ onnte ihm also die kleinstm¨ogliche Belohnung r = ε → 0 anbieten und Agent 1 w¨ urde trotzdem sein gesamtes Wissen, bzw. alles, was er in der ersten Periode noch nicht weitergegeben hat, transferieren.

76

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Da die Agenten unabh¨angig voneinander produzieren, bleiben sowohl ihre Entlohnungsfunktionen als auch ihre Teilnahmebedingungen gleich, wenn ein Schock stattgefunden hat und nur noch ein Agent in der Organisation verbleibt, siehe 3.2.1. Die Agenten maximieren ihre Erwartungsnutzen f¨ ur die zweite Periode u ¨ber ihre Anstrengungen. c(e12 )2 2 c(e22 )2 = α22 + kβ22 e22 − 2

EU12.0.3 = z + α12 + β12 e12 − EU22.0.3

Auch die optimalen Anstrenungsniveaus der Agenten sind unabh¨angig von der Frage, ob ein Schock stattgefunden hat oder nicht. Haben die Agenten ihre Anstrengungen gew¨ahlt, findet die Produktion statt, das Ergebnis kann beobachtet werden und die Agenten erhalten ihre Lohnzahlungen.

Schock zu Beginn der Periode 2 Im Falle eines Schocks ist der Prinzipal gezwungen, sich von einem Agenten zu trennen. Die Entlassungsentscheidung f¨allt er so, dass er damit seinen erwarteten Gewinn maximiert. Das bedeutet, dass er Agent 1 beh¨alt, wenn EUP2.1.1 ≥ EUP2.2.1 ⇔ E [y12 − w12 ] ≥ E [y22 − w22 ] , d.h. wenn sein erwarteter Gewinn bei Besch¨aftigung von Agent 1 mindestens so hoch oder h¨oher ist wie bei Besch¨aftigung von Agent 2. Diese Entscheidung h¨angt einerseits von z ab, andererseits nat¨ urlich davon, wie hoch der Prinzipal das weitergegebene Wissen k einsch¨atzt. Wurde viel Wissen weitergegeben, entl¨asst der Prinzipal Agent 1, da dieser durch seine zus¨atzliche Zahlung teurer ist und im Falle einer vollst¨andigen oder sehr hohen Wissensweitergabe nur unwesentlich mehr produziert als Agent 2. Hat Agent 1 aber in der Vorperiode hinreichend viel Wissen zur¨ uckgehalten, entl¨asst der Prinzipal Agent 2, da dessen niedrigerer Lohn nicht die geringere Produktion aufwiegt. Hat der Prinzipal sich f¨ ur einen Agent entschieden, bietet er ihm einen Vertrag an, der identisch ist mit den Vertr¨agen, die in der Situation ohne Schock angeboten w¨ urden. Auch die Teilnahmebedingungen der Agenten und ihre optimalen Leistungsanstrengungen sind identisch mit den oben beschriebenen.

3.2 Grundmodell

77

3.2.2 Ergebnisse Durch R¨ uckw¨artsinduktion l¨asst sich das beschriebene Modell wie folgt l¨osen: Periode 2 Beginnt man auf der letzten Stufe der zweiten Periode, t = 2.0.3, so sieht man, dass die Agenten ihre Erwartungsnutzen maximieren, indem sie die optimale Anstrengung f¨ ur die zweite Periode w¨ahlen. ∂EU12.1.3 ∂e12 ∂EU22.2.3 ∂e22

!

= β12 − ce12 = 0 ⇒ e∗12 =

β12 c

!

= kβ22 e22 − ce22 = 0 ⇒ e∗22 =

kβ22 c

Die optimalen Anstrengungsniveaus der Agenten lauten also:42 e∗12 =

β12 c

und e∗22 =

kβ22 c

e∗ij ist hierbei die Reaktion des Agenten i in Periode j auf die vom Prinzipal angebotene Entlohnung wij und wird daher als Reaktionsfunktion des Agenten i bezeichnet.43 Auf der Stufe davor, t = 2.0.2, nehmen die Agenten die ihnen angebotenen Vertr¨age an, wenn ihre Anreizbedingungen erf¨ ullt sind. Dies ist der Fall, wenn gilt c(e12 )2 ≥ 0 und 2 2 c(e22 ) EU22.j.2 (α22 , β22 ) ≥ 0 ⇔ α22 + kβ22 e22 − ≥0 2

EU12.j.2 (α12 , β12 ) ≥ 0 ⇔ α12 + β12 e12 −

Somit muss ∗ ≥− α12

2 β12 2c

∗ und α22 ≥−

1 2 2 k β22 2c

erf¨ ullt sein, damit die Agenten die Vertr¨age annehmen. Hierbei ist Folgendes zu beachten: Da Agent 1 die zus¨atzliche Zahlung z garantiert erh¨alt, ist z nicht Bestandteil der Teilnahmebedingung, die sich auf den eigentlichen” Anreizvertrag bezieht. Alternativ ” k¨onnte man z als Teil der fixen Komponente α1j formulieren, die Teilnahmebedingung lautete dann EU12.j.2 (α12 , β12 ) ≥ z. Um aber zu unterstreichen, dass es nicht in der 42 Beachte: Wie oben beschrieben, sind die Gleichgewichtsanstrengungen, Teilnahmebedingungen und Anreizvertr¨ age identisch, falls ein Schock stattgefunden hat. Im Falle eines Schocks w¨ahlt nat¨ urlich nur der verbleibende Agent seine Anstrengung und nur ihm bietet der Prinzipal zu Beginn der zweiten Periode einen Vertrag an. 43 Vgl. Kr¨ akel (1999, S. 64f).

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3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Macht des Prinzipal steht, Agent 1 auf seinen Reservationswert zu dr¨ ucken, bzw. einen Teil der zus¨atzlichen Zahlung einzubehalten, wird sie separat ausgewiesen. Als Beispiel seien hier noch einmal die Statussymbole zitiert: z sei also das besonders große B¨ uro oder der Dienstwagen, auf den Agent 1 Anspruch hat. Die Bereitstellung ist f¨ ur den Prinzipal mit Kosten verbunden, geht aber nicht direkt in die Gehaltsfunktion von Agent 1 ein. Bei der Steuerung seiner Leistungsanstrengungen u ¨ber rein monet¨are Lohnbestandteile spielt z dann also keine Rolle. Wenn kein Schock stattgefunden hat, lautet die Nutzenfunktion des risikoneutralen Prinzipals: UP2.0.1 = y12 + y22 − w12 − w22 = y12 + y22 − α12 − β12 y12 − α22 − β22 y22 = e12 + ke22 − z − α12 − β12 e12 − α22 − β22 ke22 Der Prinzipal hat also – sofern kein Schock stattgefunden hat – zu Beginn der zweiten Periode folgende Zielfunktion: max E[uP2 (ei2 ; αi2 , βi2 ) = max E [y12 + y22 − w12 − w22 ]

αi2 ,βi2

αi2 ,βi2

Bei der Maximierung seiner Zielfunktion beachtet der Prinzipal die Anreizkompatibilit¨atsbedingung;44 Er setzt die Reaktionsfunktionen der Agenten in seine Zielfunktion ein. Ebenfalls Ber¨ ucksichtigung finden die Teilnahmebedingungen der Agenten. Um die Lohnkosten so niedrig wie m¨oglich zu halten, w¨ahlt der Prinzipal die Entlohnungsparameter f¨ ur die Agenten so, dass die Teilnahmebedingungen bindend erf¨ ullt sind, also ∗ =− α12

2 β12 2c

∗ und α22 =−

1 2 2 k β22 2c

Die Teilnahmebedingungen sind daher bindend.45 Mit dem angenommenen Alternativlohn in H¨ohe von 0 f¨ uhrt dies dazu, dass der fixe Lohnbestandteil negativ wird. Dies kann als Teilnahmegeb¨ uhr” interpretiert werden oder als notwendige Investition, die durch ” die ergebnisabh¨angige Lohnkomponente β kompensiert wird.46 Der Prinzipal verkauft 44 Vgl. Mas-Colell / Whinston / Green (1995, S. 483) bzw. Kr¨ akel (1999, S. 66). 45 Als Argument, weshalb ein Agent bei bindenden Teilnahmebedingung den Vertrag akzeptiert, k¨ onnen Transaktionskosten herangezogen werden. Gerade auf einem hoch spezialisierten Arbeitsmarkt k¨ onnen die Anabhnungs- und Vereinbarungskosten (Suchkosten) eines Agenten hoch sein. Muss der Agent diese Kosten zumindest teilweise selbst tragen, zieht er es vor, seinen aktuellen Arbeitsplatz zu behalten, bzw. einen angebotenen Vertrag zu akzeptieren, auch wenn er bei einer alternativen Besch¨ aftigung den gleichen Lohn erzielen k¨ onnte. 46 Nimmt man eine positive Alternativbesch¨ aftigung mit den Alternativl¨ohnen w1 > 0 und w2 > 0 an,

3.2 Grundmodell

79

also quasi die Produktion zu einem Fixpreis an die Agenten.47 Setzt man nun die optimalen Anstrengungen ei2 der Agenten und die optimalen fixen Lohnbestandteile αi2 in die Gewinnfunktion des Prinzipals ein, so ist sein erwarteter Gewinn EUP2.0.1 = E [y12 + y22 − w12 − w22 ] 2 β22 β12 1 β12 1 2 = + k2 −z− − k 2 β22 c c 2 c 2c Der Prinzipal maximiert seinen Gewinn u ¨ber βi2 : ∂EUP2.0.1 ∂β12 ∂EUP2.0.1 ∂β22

1 β12 ! ∗ − = 0 ⇒ β12 =1 c c 2 k β22 ! ∗ − k2 = = 0 ⇒ β22 =1 c c =

Dies bedeutet, dass der Prinzipal nur an der fixen Lohnkomponente bzw. der Teilnahmegeb¨ uhr verdient, w¨ahrend die Agenten ihren gesamten Ertrag erhalten.48 Dadurch haben sie maximale Leistungsanreize. Der erwartete Gewinn des Prinzipals im Gleichgewicht betr¨agt also EUP2.0.1 =

1 + k2 −z 2c

Daraus l¨asst sich ablesen, dass der Prinzipal ein großes Interesse an einer m¨oglichst hohen Wissensweitergabe hat, da sein erwarteter Gewinn mit k steigt. Die optimale L¨osung f¨ ur den Prinzipal w¨are also 1 ∗∗ =1 e∗∗ 12 = , k c Sein erwarteter Gewinn w¨are dann EUP∗∗2.0.1 =

1 −z c

so lauten die Teilnahmebedingungen EU12.0.2 = α12 +

2 β12 2c

2 k2 β12 ≥ 2c 2 k2 β12 w2 − 2c .

≥ w1 und EU12.0.2 = α12 + 2 β12 2c

w2 .

∗ ∗ = w1 − und α22 = Die Die optimalen fixen Lohnbestandteile w¨ aren dann α12 Alternativl¨ ohne sind hier auf 0 normiert, dies dient lediglich der Vereinfachung der Berechnungen. 47 Zur Frage, welcher Akteur die Verf¨ ugungsrechte besitzen sollte, siehe Hart / Moore (1990), Grossman / Hart (1986), sowie Wernerfelt (2002). 48 Vgl. Hart (1991, S. 142f). Hierbei ist zu beachten, dass dieses Ergebnis aufgrund der Annahme risikoneutraler Agenten zustande kommt. Bei risikoaversen Agenten w¨ are das optimale β nicht der maximal m¨ogliche Wert β = 1, da mit steigendem β auch die Risikopr¨ amie steigt. Siehe dazu auch die Diskussion in Kapitel 4 und Mas-Colell / Whinston / Green (1995, S. 482f).

80

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Hat zu Beginn der zweiten Periode ein Schock stattgefunden und der Prinzipal einen Agenten entlassen, so ist sein erwarteter Gewinn EUP2.2.1 =

k2 , 2c

wenn er Agent 1 entlassen hat und EUP2.1.1 =

1 − z, 2c

wenn Agent 2 entlassen wurde.49 Daraus l¨asst sich leicht die kritische Menge weitergegebenen Wissens ablesen: Lemma 1 Durch Wissenszur¨ uckhaltung kann Agent 1 sich unentbehrlich √ machen. Er darf dazu h¨ochstens Wissen in H¨ohe von k ≤ 1 − 2cz weitergeben.50 Beweis von Lemma 1: Der Prinzipal entl¨asst Agent 2, wenn EUP2.1.1 ≥ EUP2.2.1 ⇔

 k2 1 −z ≥ ⇔ k ≤ (1 − 2cz), 2c 2c

da das geringe Wissen und somit die geringere Produktivit¨at des Agenten 2 einen st¨arkeren negativen Einfluss auf seinen Gewinn hat als die zus¨atzliche Zahlung in H¨ohe von z, wenn er Agent 1 weiterbesch¨aftigt.51 Periode 1 Auf der letzten Stufe der ersten Periode, t = 1.4, w¨ahlen die Agenten wieder das Niveau ihrer Leistungsanstrengung. Ihre Erwartungsnutzen h¨angen nat¨ urlich auch von den 49 Der Prinzipal bevorzugt also immer eine Situation ohne Schock, EUP2.0.1 ≥ EUP2.1.1 und EUP2.0.1 ≥ 1 ullt f¨ ur k ≥ 0 und z ≤ 2c . EUP2.2.1 sind immer erf¨ 50 Dieses Ergebnis bezieht sich auf den Erwartungswert. Durch die St¨orterme θi kann das Ergebnis so ausfallen, dass der Prinzipal verzerrte R¨ uckschl¨ usse auf die H¨ohe des weitergegebenen Wissens zieht. Dieses Problem sei hier zun¨ achst ausgeblendet. Es wird in der Diskussion in Kapitel 4 wieder aufgegriffen. 51 Der Prinzipal kann die H¨ ohe des weitergegebenen Wissens nicht beobachten. Aber im Gleichgewicht entspricht die tats¨ achliche H¨ ohe der aufgrund des Ertrags angenommenen H¨ohe. Transaktionskosten k¨ onnen als Erkl¨ arung daf¨ ur herangezogen werden, weshalb ein Prinzipal sich eher von einem neueren Arbeitnehmer trennt, wenn er zu einer Entlassung gezwugen wird, als von einem altgedienten Angestellten, sofern beide ihm den gleichen erwarteten Gewinn versprechen. M¨ oglicherweise sind die Durchsetzungskosten h¨ oher, wenn er den dienst¨alteren Arbeitnehmer entlassen muss. Zu Transaktionskosten siehe 1.3.1.

3.2 Grundmodell

81

erwarteten Ereignissen der zweiten Periode ab. Diese lassen sich jedoch nicht durch ihre Anstrengung in der ersten Periode beeinflussen und spielen daher bei der Wahl der optimalen Anstrengung keine Rolle.   c(e11 )2 + EU12 EU11.4 = E z + α11 + β11 (y11 ) + r (y21 ) − 2 c(e11 )2 + EU12 = z + α11 + β11 e11 + rke21 − 2 ∂EU11.4 e11

!

= β11 − ce11 = 0 ⇒ e∗11 =

β11 c

  c(e21 )2 EU21.4 = E α21 + β21 (y21 ) − + EU22 2 c(e21 )2 + EU22 = α21 + kβ21 e21 − 2 ∂EU21.4 e21

!

= kβ21 − ce21 = 0 ⇒ e∗21 =

kβ21 c

Agent 1 muss zum Zeitpunkt t = 1.3 entscheiden, ob er Wissen an Agent 2 weitergeben will und wenn ja, in welcher H¨ohe. Dabei muss er abw¨agen, ob es f¨ ur ihn vorteilhafter  ist, eine hohe Menge k > (1 − 2cz) weiterzugeben und das Risiko einzugehen, in der  Folgeperiode entlassen zu werden, oder ob er sich mit k ≤ (1 − 2cz) unentbehrlich macht und daf¨ ur ein geringeres Einkommen in der ersten Periode in Kauf nimmt. Sein Anreiz, Wissen zur¨ uckzuhalten, steigt mit zunehmender Schockwahrscheinlichkeit s und mit der H¨ohe der zus¨atzlichen Zahlung z. Mit steigender Beteiligung am Ertrag von Agent 2, r, sinkt jedoch der Anreiz zur Wissenszur¨ uckhaltung. Wenn sich Agent 1 entschließt, das Risiko des Arbeitsplatzverlustes in Periode 2 einzugehen und eine hohe Menge Wissen zu u ¨bertragen, wird er eine vollst¨andige Wissensweitergabe, also k = 1 w¨ahlen, da diese sein Einkommen in der ersten Periode maximiert. Sein Erwartungsnutzen lautet dann: EU11.3 (k = 1) = z + α11 +

2 β21 β11 +r + (1 − s) z 2c c

82

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Zieht er es vor, sich unentbehrlich zu machen, gibt er exakt die kritische Menge Wissen  (1 − 2cz) weiter, um in der ersten Periode ein m¨oglichst hohes Einkommen zu

k =

haben, ohne in Periode 2 seine Stelle aufs Spiel zu setzen. In diesem Fall lautet sein Erwartungsnutzen: √   β21 β2 +z EU11−3 k = 1 − 2cz = z + α11 + 11 + r (1 − 2cz) 2c c 2 β21 β = z + α11 + 11 + r + (1 − 2rβ21 ) z 2c c Da der Prinzipal, wie oben gezeigt, ein Interesse an einer m¨oglichst hohen Wissensweitergabe hat, stellt sich die Frage, ob er den Anreizvertrag f¨ ur Agent 1 so gestalten kann, dass dieser immer sein gesamtes Wissen weitergibt. Lemma 2 Der Prinzipal kann eine vollst¨andige Wissensweitergabe sicherstellen, indem er r ≥

s 2β21

w¨ahlt.52

Beweis von Lemma 2: Agent 1 gibt sein Wissen vollst¨andig weiter, wenn √   EU11.3 (k = 1) ≥ EU11−3 k = 1 − 2cz β21 β21 β2 β2 ⇔ z + α11 + 11 + r + (1 − s) z ≥ z + α11 + 11 + r + (1 − 2rβ21 ) z 2c c 2c c s ⇔r ≥  2β21 Die Teilnahmebedingungen der Agenten auf Stufe 2 der ersten Periode sind ¨ahnlich wie in Periode 2: 2 β11 β21 − rk 2 2c c 2 k 2 β21 ≥− 2c

EU11.2 (α11 , β11 , r) ≥ 0 ⇔ α11 ≥ − EU21.2 (α21 , β21 ) ≥ 0 ⇔ α21

Jedoch wird nun Agent 1 am Ertrag von Agent beteiligt. Der Prinzipal bietet zu Beginn von Periode 1, in t = 1.1, Anreizvertr¨age an, die alle zuk¨ unftigen Entscheidungen bestimmen. Sein Maximierungsproblem lautet: EUP1 = y11 + y21 − z − α11 − β11 y11 − ry21 − α21 − β21 y21 + EUP2 52 Dies f¨ uhrt wiederum zu der Schlussfolgerung, dass ein kompletter Wissenstransfer nur erreicht werden kann, wenn die Schockwahrscheinlichkeit s hinreichend klein ist mit s ≤ 2β21 r.

3.2 Grundmodell

83

Wieder sehen wir, dass die fixen Lohnkomponenten negativ in den erwarteten Gewinn des Prinzipals eingehen. Um seinen Gewinn zu maximieren, wird er sie so niedrig wie m¨oglich und damit die Teilnahmegeb¨ uhren” m¨oglichst hoch festsetzen. Daher sind die ” Teilnahmebedingungen der Agenten auch in dieser Periode bindend. Setzt man nun die optimalen Werte f¨ ur αi1 ein, so erh¨alt man EUP1 =

2 1 β11 1 β2 β11 β21 + k2 −z− − k 2 21 + EUP2 c c 2 c 2 c

Wenn der Prinzipal durch die Anreizvertr¨age in Periode 1 einen vollst¨andigen Wissenstransfer bewirkt, ist sein erwarteter Gewinn 2 2 1 β11 1 β21 1 1s β11 β21 + − 2z − − + − + sz c c 2 c 2 c c 2c 1 β11 ! ∂EUP1 (k = 1) ∗ − = = 0 ⇒ β11 =1 ∂β11 c c

EUP1 (k = 1) =

Wieder ist es f¨ ur den Prinzipal vorteilhaft, Agent 1 maximale Leistunganreize zu setzen, indem man ihm einen Anreizvertrag anbietet, der ihm seinen gesamten Ertrag zusichert, w¨ahrend der Prinzipal nur die Teilnahmegeb¨ uhr beh¨alt. Will der Prinzipal jedoch eine vollst¨andige Wissensweitergabe sicherstellen, so muss er die Nebenbedingung β21 + r ≤ 1 aus Lemma 2 beachten. Mit Hilfe der Kuhn-Tucker Ungleichungen l¨asst sich die optimale Anreizkomponente β21 unter dieser Nebenbedingung finden. Proposition 1 Wenn der Prinzipal eine vollst¨andige Wissensweitergabe sicherstellen will, sind die beiden Nebenbedingungen r ≥

s 2β21

und β21 + r ≤ 1

bindend. Beweis: siehe 5.1 Aus dieser Erkenntnis l¨asst sich die optimale Anreizkomponente f¨ ur Agent 2 ableiten, sie lautet: ∗ =1−r = β21

1 1 + (1 − 2s) 2 2

84

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Bietet der Prinzipal dem ersten Agenten einen Anreizvertrag an, der eine vollst¨andige Wissensweitergabe sicherstellt und aus den Komponenten α11 = −

1s 1 − , β11 = 1, 2c 2 c

r=

s 1 1 = − (1 − 2s) 2β21 2 2

besteht, so lautet die Lohnfunktion von Agent 1 1s 1 s  − + y11 + y21 2c 2 c 1 + (1 − 2s)

w11 = z −

Parallel dazu wird der Prinzipal Agent 2 einen Vertrag vom Typ  2 1 1 − s + (1 − 2s) k 2 β21 = − k2 2c 4 c 1 1 = 1−r = + (1 − 2s) 2 2

∗ = − α21 ∗ β21

anbieten. Antizipiert Agent 1 nun, dass Agent 2 ein Anstrengungsniveau von e∗21 =

  1k  kβ21 = 1 + (1 − 2s) c 2c

w¨ahlen wird, maximiert er seinen Nutzen, indem er sein Wissen vollst¨andig weitergibt. Sein Erwartungsnutzen ist dann EU11.1 (k = 1) = 2z − sz H¨alt Agent 1 hingegen Wissen zur¨ uck, um sich unentbehrlich zu machen, ist sein Erwartungsnutzen √   EU11−1 k = 1 − 2cz = 2z − sz Daraus l¨asst sich ersehen, dass er indifferent ist, daher sei hier angenommen, dass er sein Wissen in diesem Fall vollst¨andig weitergibt. Zieht der Prinzipal nur eine teilweise Wissensweitergabe und damit k =



1 − 2cz vor,

kann er diese schon mit einer minimalen Entlohnung r = ε → 0 sicherstellen. Agent 1 √ wird immer (mindestens) Wissen in H¨ohe von k = 1 − 2cz transferieren.

3.2 Grundmodell

85

In diesem Fall lautet das Maximierungsproblem des Prinzipals:   2  β11 β21 1 β11 EUP2 k = (1 − 2cz) = + − 2β21 z − 3z − c c 2 c 2 1 β21 1 1s 2 − + β21 z + − + sz 2 c c 2c    ∂EUP2 k = (1 − 2cz) 1 β11 ! ∗ − = = 0 ⇒ β11 =1 ∂β11 c c    ∂EUP2 k = (1 − 2cz) β21 1 ∗ − 2z − + 2β21 z ⇒ β21 = =1 ∂β21 c c Die Teilnahmebedingungen der Agenten lauten jetzt also: 1 2c 1 ≥− +z 2c

EU11.2 (α11 , β11 , r) ≥ 0 ⇔ α11 ≥ − EU21.2 (α21 , β21 ) ≥ 0 ⇔ α21

Wie oben bereits argumentiert, sind auch diese Teilnahmebedingungen bindend. Dadurch, dass in die Teilnahmebedingung von Agent 2 jetzt auch der Wert z eingeht, werden die Lohnfunktionen der Agenten symmetrisch, wenn der Prinzipal nur eine teilweise Wissensweitergabe erreichen will. Sie lauten dann 1 + y11 2c 1 + y21 w21 (z, y21 ) = z − 2c w11 (z, y11 ) = z −

Der Prinzipal bietet Agent 1 einen Vertrag vom Typ α11 = −

1 , β11 = 1, r = ε, ε → 0 2c

an. Agent 1 maximiert seinen Erwartungsnutzen, indem er eine beliebige Menge Wissen  zwischen k = 0 und k = (1 − 2cz) weitergibt, wir k¨onnen also annehmen, dass er die  gr¨oßtm¨ogliche Wissensmenge k = (1 − 2cz) u ¨bertr¨agt, solange r auch nur schwach positiv ist.Eine vollst¨andige Wissensweitergabe rechnet sich nicht f¨ ur ihn, da sein erwarteter   √ Nutzen sich in diesem Falle von EU11.1 k = 1 − 2cz = 2z auf EU11.1 (k = 1) = 2z −sz verringerte. Der Prinzipal muss also zu Beginn der ersten Periode entscheiden, welche Vertr¨age er den Agenten anbietet. Er verf¨ ugt mit der Beteiligung von Agent 1 am Produktionsergebnis des zweiten Agenten u ¨ber ein wirkungsvolles Instrument, um eine vollst¨andige

86

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Wissensweitergabe zu erreichen. Andererseits ist ein vollst¨andiger Wissenstransfer f¨ ur ihn m¨oglicherweise nicht die optimale L¨osung, sofern die Entsch¨adigung von Agent 1 f¨ ur den m¨oglichen Verlust seines Arbeitsplatzes sehr teuer ist. Welchen Vertrag bevorzugt der Prinzipal also angesichts dieses Dilemmas? Er wird Anreize zu einer vollst¨andigen Wissensweitergabe setzen, wenn gilt:    EUP1.1 (k = 1) ≥ EUP1.1 k = (1 − 2cz)

⇔ −1 +

 (1 − 2s) + 8cz + s ≥ 0   1  ⇔z ≥ 1 − s − (1 − 2s) 53 8c √ ⇔ s ≤ 4 cz − 8cz 54

Um dieses Ergebnis zu veranschaulichen, sei eine neue Variable x definiert:   1 55 cz ≡ x ∈ 0, 2 Die Bedingung daf¨ ur, dass der Prinzipal einen vollst¨andigen Wissenstransfer bevorzugt, √ ullt f¨ ur alle Werte von s, die unter lautet dann s ≤ 4 x − 8x. Diese Ungleichung ist erf¨ dem Graphen in der Abbildung 3.2 liegen.

Abbildung 3.2: Pr¨aferenzen des Prinzipals f¨ ur den Wissenstransfer; Quelle: eigene Berechnung. Dass der Prinzipal nicht immer einen vollst¨andigen Wissenstransfer favorisiert, ist auf den ersten Blick ersichtlich. Ist die zus¨atzliche Zahlung z sehr klein, so kann eine partielle

3.2 Grundmodell

87

Wissensweitergabe f¨ ur den Prinzipal vorteilhafter sein, da der Anteil k =

√ 1 − 2cz bei

einem kleinen z-Wert sehr groß wird und der Prinzipal daher keinen großen Vorteil daraus hat, einen kostspieligen Wissenstransfer zu implementieren: Falls kein Schock auftritt, hat er zwei qualifizierte Agenten, die sich kaum hinsichtlich ihrer Produktivit¨at unterscheiden. Tritt jedoch ein Schock auf, so beh¨alt er Agent 1, der aber kaum mehr kostet als Agent 2.

√ Ist die Schockwahrscheinlichkeit hoch, also s > 4 cz − 8cz, so kann der Prinzipal

keine vollst¨andige Wissensweitergabe erreichen, obwohl es f¨ ur ihn attraktiv w¨are, im Falle eines Schocks den teureren Agenten 1 mit einem g¨ unstigeren Kollegen zu ersetzen. Diese Ungleichung ist f¨ ur jedes z>

  1  1 − s + (−2s + 1) 8c

erf¨ ullt, so dass f¨ ur große zus¨atzliche Zahlungen kein vollst¨andiger Wissenstransfer m¨oglich ist, weil die Entsch¨adigung von Agent 1 f¨ ur den m¨oglicherweise eintretenden Verlust seines Arbeitsplatzes in der zweiten Periode zu teuer w¨are. Korollar 1 Der Prinzipal bietet Agent 1 folgenden Vertrag an: ⎧  1 1 1 1 ⎪ ur z ∈ [z1 , z2 ] ⎪ ⎨ − 2c − 2c s, 1, 2 − 2 (1 − 2s) f¨ ∗ ∗ 1 1 , β11 , r∗ ) = (α11 , 1, 0 f¨ ur z < z1 oder f¨ ur z2 < z ≤ 2c − 2c ⎪ ⎪ 1 ⎩ 0 f¨ ur z > 2c

w¨ahrend Agent 2 einen Vertrag erh¨alt, der wie folgt aussieht: √ ⎧  ⎪ 2 1−s+ (1−2s) 1 ⎪ , 2 + 12 (1 − 2s) f¨ ur z ∈ [z1 , z2 ] ⎨ −k 4c ∗ ∗ 1 1 (α21 , β21 )= , 1 f¨ u r z < z oder f¨ u r z < z ≤ 2c z − 1 2 2c ⎪ ⎪ ⎩ 1 f¨ ur z > 2c mit z1 =

  1  1 − s − (1 − 2s) 8c

und z2 =

  1  1 − s + (1 − 2s) 8c

Zu Beginn der ersten Periode wertet der Prinzipal also seine Informationen bez¨ uglich der Schockwahrscheinlichkeit und der zus¨atzlichen Zahlung an Agent 1 aus. Macht die Kombination dieser Daten einen vollst¨andigen Wissenstransfer attraktiv, bietet der Prinzipal den Agenten Vertr¨age an, auf die eine vollst¨andige Wissensweitergabe die beste Antwort des Agenten 1 ist. Liegt die zus¨atzliche Zahlung jedoch außerhalb des Intervals,

88

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

indem ein Transfer des gesamten Wissens von Agent 1 rentabel f¨ ur den Prinzipal ist, bietet er Vertr¨age an, auf die eine teilweise Zur¨ uckhaltung von Wissen f¨ ur Agent 1 die beste Antwort darstellt. 3.2.3 Besch¨aftigungsgarantie oder Entlassungsrisiko? Um eine vollst¨andige Wissensweitergabe auch bei ung¨ unstigen Werten f¨ ur z und s sicherstellen zu k¨onnen oder um die hohen Kosten zu sparen, die eine Entsch¨adigung von Agent 1 f¨ ur den drohenden Verlust seines Arbeitsplatzes mit sich bringt, k¨onnte der Prinzipal Agent 1 in der beschriebenen Situation zu Anfang eine Besch¨aftigungsgarantie f¨ ur beide Perioden geben.56 Im Falle einer Besch¨aftigungsgarantie hat Agent 1 schon bei einer minimalen Beteiligung am Ertrag von Agent 2 (r → 0) keinen Anreiz mehr, Wissen zur¨ uckzuhalten, sofern der Prinzipal sich glaubhaft an die Besch¨aftigungszusage binden kann.57 Da dem Agenten mit einer Arbeitsplatzgarantie auch nach einem Schock keine Entlassung mehr droht, k¨onnte er sein komplettes Wissen gefahrlos weitergeben. Ist eine glaubhafte Selbstbindung m¨oglich, wird der Prinzipal beiden Agenten den gesamten von ihnen erbrachten Ertrag u uhren αij behalten. Sein erwarteter Gewinn ¨berlassen und nur die Teilnahmegeb¨ f¨ ur beide Perioden lautet also EUPG (k = 1) =

2 2 1 β11 1 β21 1 1s 2 1s β11 β21 + −z− − + −z− = − − 2z c c 2 c 2 c c 2c c 2c

Wird der Prinzipal also eher eine Arbeitsplatzgarantie f¨ ur Agent 1 aussprechen oder stellt er sich besser, wenn er die oben beschriebenen Anreizvertr¨age anbietet? Vergleich der Vertr¨age, wenn ein vollst¨andiger Wissenstransfer m¨oglich ist F¨ ur die zus¨atzliche Zahlung gelte     1  1  1 − s − (1 − 2s) ≤ z ≤ 1 − s + (1 − 2s) 8c 8c

56 Hierbei wird lediglich festgelegt, dass der Agent in beiden Perioden besch¨aftigt wird. Die Details des Vertrags, also z.B. die Lohnfunktion werden trotzdem erst zu Beginn der zweiten Periode ausgehandelt analog zu Coase (1937), S. 391f. 57 Zur glaubw¨ urdigen Selbstbindung siehe beispielsweise Williamson (1990), S. 14f., Williamson (1983) und Jost (1999), S. 220ff. und 348ff..

3.2 Grundmodell

89

Ein vollst¨andiger Wissenstransfer l¨asst sich also auch mit dem oben beschriebenen Anreizvertrag sicherstellen. In diesem Falle zieht der Prinzipal demgegen¨ uber einen Anreizvertrag mit Arbeitsplatzgarantie vor, wenn gilt: EUPG (k = 1) ≥ EUP1 (k = 1) 2 1s 7 1 1s ⇔ − 2z − ≥ + + sz (1 − 2s) − 2z − c 2c 4c 4c 4c 1 1 1  ⇔z ≤ − − (1 − 2s) 4sc 4c 4sc cz ⇔s ≥ 8 (4cz + 1)2 Das heißt, dass sich f¨ ur   1  1 1  1 1 − s − (1 − 2s) ≤ z ≤ − − (1 − 2s) 8c 4sc 4c 4sc der Prinzipal besser stellt, wenn er Agent 1 eine Besch¨aftigung in beiden Perioden zusichert. Nur f¨ ur   1 1  1  1 − − 1 − s + (1 − 2s) (1 − 2s) < z ≤ 4sc 4c 4sc 8c wird er ihm den im vorigen Abschnitt beschriebenen Anreizvertrag anbieten. Agent 1 wird in beiden F¨allen sein Wissen vollst¨andig weitergeben. Vergleich der Vertr¨age, wenn ein vollst¨andiger Wissenstransfer unrentabel oder unm¨oglich ist: F¨ ur den Fall, dass die zus¨atzliche Zahlung z klein ist, also z
1

1 2c

2c

w¨ahrend Agent 2 einen Vertrag erh¨alt, der wie folgt aussieht: √ ⎧  ⎪ 2 1+ (1−2s)+s 1 ⎪ , 2 + 12 (1 − 2s) f¨ ur z ∈ [z3 , z2 ] ⎨ −k 4c 1 1 (α21 , β21 ) = , 1 f¨ u r z ≤ z und z < z ≤ z − 3 2 2c 2c ⎪ ⎪ ⎩ 1 0 f¨ ur z > 2c mit z2 =

  1  1 − s + (1 − 2s) 8c

und z3 =

1 1  1 − − (1 − 2s) 4sc 4c 4sc

3.2.4 Zusammenfassung des Grundmodells Im betrachteten Modell kann es f¨ ur Agent 1 rational sein, Wissen zur¨ uckzuhalten. Dies ist einerseits der Fall, wenn die Schockwahrscheinlichkeit hoch ist und damit die Entlassungswahrscheinlichkeit im Falle einer vollst¨andigen Wissensweitergabe. Andererseits 58 Zum Wortbruch siehe auch Jost (2000b, S. 154f). 59 Zum Begriff der Reputation siehe Richter / Furubotn (1996, S. 256), Jost (2000, S. 590ff) und Picot / Dietl / Franck (1999, S. 65f).

3.2 Grundmodell

91

ist dies auch der Fall, wenn die Entlohnung f¨ ur Wissensweitergabe, also die Beteiligung am Ertrag von Agent 2, zu niedrig ist. Dennoch wird auch in dieser Situation bei kostenloser Wissensweitergabe der Agent sein Wissen teilweise weitergeben, wenn auch nicht in hinreichender H¨ohe, um ersetzt werden zu k¨onnen. Um eine Wissensweitergabe f¨ ur Agent 1 attraktiv zu machen, ist eine Beteiligung am Ertrag seines Kollegen eine geeignete Maßnahme. Der Prinzipal kann also durch eine ausreichend hohe Beteiligung einen vollst¨andigen Wissenstransfer sicherstellen, falls die Schockwahrscheinlichkeit nicht zu hoch ist. Dennoch kann es f¨ ur einen Prinzipal vorteilhafter sein, keine Anreize f¨ ur eine vollst¨andige Wissensweitergabe zu setzen. Es gibt drei m¨ogliche Gr¨ unde, warum ein Prinzipal die Zur¨ uckhaltung von Wissen durch den Agenten in Kauf nehmen sollte: • Erh¨alt Agent 1 nur eine kleine zus¨atzliche Zahlung z, gibt er ohnehin einen Großteil seines Wissens weiter. Die Differenz zwischen einer teilweisen und einer vollst¨andigen Wissensweitergabe ist also gering. Der Prinzipal wird dennoch im Falle eines Schocks Agent 1 behalten, was aber f¨ ur den Prinzipal kaum von Nachteil ist, da die Agenten sich hinsichtlich ihrer Entlohnung kaum unterscheiden. In dieser Situation trotzdem Anreize f¨ ur einen vollst¨andigen Wissenstransfer zu setzen, w¨are f¨ ur den Prinzipal unrentabel. • Ist die Schockwahrscheinlichkeit s hoch, weiß Agent 1, dass eine vollst¨andige Wissensweitergabe f¨ ur ihn relativ riskant ist, da er im Falle des (wahrscheinlichen) Schocks entlassen w¨ urde. Ihn f¨ ur diesen wahrscheinlichen Verlust zu kompensieren, ist f¨ ur den Prinzipal teuer und l¨asst sich durch die Einsparung der zus¨atzlichen Zahlung nicht rechtfertigen. • Erh¨alt Agent 1 eine hohe zus¨atzliche Zahlung,60 so wird er alles daran setzen, diese Zahlung auch weiterhin zu bekommen. Ihn f¨ ur den drohenden Verlust dieser hohen Zahlung zu entsch¨adigen, lohnt sich nicht, obwohl der Prinzipal ein großes Interesse daran h¨atte, den recht teuren Mitarbeiter durch einen billigeren Kollegen zu ersetzen. In allen F¨allen, in denen es im beschriebenen Modell vorteilhaft f¨ ur den Prinzipal ist, Wissenszur¨ uckhaltung zu induzieren, stellt er sich besser, wenn er Agent 1 eine Besch¨aftigungsgarantie f¨ ur beide Perioden geben kann. Dies gilt sogar dann, wenn er mit dem oben beschriebenen Vertrag eine vollst¨andige Wissensweitergabe sichern kann 1 60 Beachte: F¨ ur diese hohe zus¨ atzliche Zahlung gilt dabei immer noch z ≤ 2c . Der Prinzipal verdient also immer noch daran, wenn er Agent 1 in der ersten Periode besch¨aftigt.

92

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

und die zus¨atzliche Zahlung hinreichend klein ist. Hierzu sind jedoch eine glaubw¨ urdige Selbstbindung des Prinzipals, z.B. durch einen kontrahierbaren Zwei-Perioden-Vertrag oder eine entsprechende Reputation unerl¨asslich.

3.3 Modellerweiterung: Agenten mit unterschiedlichem Talent Betrachtet sei nun eine ¨ahnliche Situation wie oben beschrieben, zun¨achst ohne die M¨oglichkeit einer Besch¨aftigungsgarantie. Der Prinzipal stellt jedoch zu Beginn der ersten Periode einen besonders talentierten oder motivierten Agenten ein. Als Beispiel sei ¨ oder High Potential” genannt, der als neuer Kollege mit einem ein junger Uberflieger” ” ” alten Hasen” arbeiten soll. Dieser Agent 2 ist wie bisher auf Wissenstransfer durch ” Agent 1 angewiesen, um produktiv werden zu k¨onnen. 3.3.1 Modellbeschreibung Modellannahmen Bei der Produktion empfindet Agent 2 jedoch weniger Arbeitsleid, n¨amlich nur c2 (e2j ) = Der Wert

1 γ

γc (e2j )2 2

, γ ∈ 0, 1]

kann also als das Talent oder die Motivation des Agenten 2 bezeichnet

werden. Er sei allgemein bekannt.61 Ein Agent 2 mit besonders großem Talent hat also ein besonders niedriges γ, ein Agent 2 mit γ = 1 hat die gleiche Kostenfunktion wie Agent 1.62 Zeitlicher Ablauf Zun¨achst sei angenommen, dass der Prinzipal bei der Wahl des zweiten Agenten aus einem Pool von Bewerbern einen Kandidaten mit einem beliebigen γ w¨ahlen kann. Die 61 Normalerweise wird in Prinzipal-Agenten-Modellen angenommen, dass das Talent der Agenten private Information ist (hidden characteristics); siehe z.B. Jost (1999, S. 285) oder Picot / Dietl / Franck (1999, S. 88). Hier wird hingegen explizit angenommen, dass das Talent bekannt ist. Statt Talent k¨ onnte man auch ”Qualifikation” verwenden, die z.B. durch Referenzen oder Zeugnisse nachgewiesen werden kann. Der Begriff ”Qualifikation” wird aber noch im Zusammenhang mit der Wissensweitergabe verwendet und k¨ onnte daher zu Verwirrung f¨ uhren. Die Problematik der Negativauslese (adverse selection) wird hier allerdings ausgeblendet, d.h. das von den Akteuren wahrgenommene Talent von Agent 2 entspricht seinem tats¨ achlichen Talent. Einfacher formuliert: Seine Kostenfunktion ist allgemein bekannt. 62 Dies ist nun nicht so zu verstehen, dass Agent 1 weder Talent, noch Motivation bes¨aße. Talent bzw. Motivation von Agent 2 sind also nur relativ zu denen von Agent 1 zu sehen.

3.3 Modellerweiterung: Agenten mit unterschiedlichem Talent

93

Abbildung 3.3: Zeitlicher Ablauf bei unterschiedlich talentierten Agenten; Quelle: eigene Darstellung.

Produktions- und Lohnfunktionen sind identisch mit denen aus dem vorigen Abschnitt.63 Der zeitliche Ablauf a¨ndert sich nur marginal: Zu Beginn der ersten Periode w¨ahlt der Prinzipal γ, danach ist der Zeitablauf identisch mit dem oben beschriebenen Modell mit gleich talentierten Agenten.

63 Es mutet zun¨ achst unrealistisch an, dass γ frei w¨ ahlbar und damit Talent oder Motivation in beliebiger H¨ ohe bei den potenziellen Arbeitnehmern vorhanden sein soll. Jedoch ist sogar vorstellbar, dass ein Agent intrinsisch motiviert ist (γ = 0) oder sogar einen positiven Nutzen bzw. Freude aus seiner Arbeit zieht, was bei einem negativen γ-Wert der Fall w¨are. Um die Diskussion u ¨ber die St¨ oreffekte zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation (Crowding-out) auszublenden, sei im hier betrachteten Modell angenommen, dass auch ein ”High Potential” Arbeitsleidkosten hat, auch wenn diese m¨ oglicherweise nur ein Bruchteil so hoch sind wie die des Agenten 1. Zum Begriff der Freude vgl. Vianden (2006). Zu intrinsischer Motivation und Crowding-out siehe Milgrom / Roberts (1992), Gibbons (1998), Prendergast (1999) und Osterloh / Frey (2000), Osterloh / Frey / Frost (2001), Osterloh / Frost / Frey (2002), B´enabou / Tirole (2003), sowie grundlegend Deci (1975).

94

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

3.3.2 Ergebnisse Periode 2 Auf der letzten Stufe der zweiten Periode maximieren die Agenten auch in dieser Situation ihren Erwartungsnutzen. Die Ergebnisse sind ¨ahnlich wie in obigem Modell, nur beeinflussen die geringeren Arbeitsleidkosten des zweiten Agenten die Wahl seines optimalen Leistungseinsatzes. Die optimalen Leistungsniveaus der Agenten in der zweiten Periode lauten e∗12 =

β12 c

und e∗22 =

kβ22 64 γc

Die Agenten nehmen in der zweiten Periode die vom Prinzipal angebotenen Anreizvertr¨age an, wenn ihre Anreizbedingungen erf¨ ullt sind. Hierzu muss gelten: EU12.j.2 (α12 , β12 ) ≥ 0 ⇔ α12 ≥ −

2 1 β12 2 c

und EU22.j.2 (α22 , β22 ) ≥ 0 ⇔ α22 ≥ −

1 2 2 k β22 2γc

Wie oben bietet der Prinzipal Anreizvertr¨age an, die den Agenten den gesamten von ∗ ∗ = 1 und β22 = 1. Der Prinzipal beh¨alt ihnen produzierten Ertrag u ¨berlassen, also β12

nur die Teilnahmegeb¨ uhren” in H¨ohe von ” ∗ = −α12

1 2c

und

∗ − α22 =

1 2 k 2γc

und zahlt Agent 1 die Zusatzzahlung z aus. Sein erwarteter Gewinn in Periode 2 ist EUP2.0.1 =

1 k2 1 + − z, 2c 2 γc

falls kein Schock eingetreten ist. Im Falle eines Schocks muss sich jedoch der Prinzipal zu Beginn der zweiten Periode f¨ ur einen Agenten entscheiden. Lemma 3 Agent 1 kann sich durch Wissenszur¨ uckhaltung unentbehrlich machen. Er wird genau dann auch im Falle eines Schocks weiterbesch¨aftigt, √ wenn er nur Wissen in H¨ohe von k ≤ γ − 2γcz weitergibt. Beweis: siehe 5.2

3.3 Modellerweiterung: Agenten mit unterschiedlichem Talent

95

Periode 1 Die optimalen Anstrengungsniveaus der Agenten in Periode 1 sind e∗11 =

β11 c

und e∗21 =

kβ21 γc

In t = 1.3 entscheidet Agent 1 dar¨ uber, ob er Wissen weitergeben will und wenn ja, wieviel. F¨ ur ihn ist die Wissensweitergabe wie folgt abzuw¨agen: Einerseits steigt durch eine hohe Wissensweitergabe sein Lohn in Periode 1, andererseits erh¨oht eine Wissensweitergabe das Risiko, in Periode 2 entlassen zu werden und damit nur seinen Reservationswert zu erhalten, was einen Verlust in H¨ohe von z bedeutet. Sein Anreiz, Wissen weiterzugeben steigt also mit r und sinkt mit z und s. Entscheidet er sich, den √ kritischen Wert k = γ − 2γcz zu u ¨berschreiten, so dass er eine Entlassung riskiert, lohnt es sich, sein gesamtes Wissen zu transferieren. Will er hingegen sicherstellen, nicht entlassen zu werden, w¨ahlt er den h¨ochstm¨oglichen Wert f¨ ur k = k, um seinen Lohn in Periode 1 zu maximieren, ohne eine Entlassung zu riskieren. Lemma 4 Agent 1 gibt in Periode 1 sein Wissen vollst¨andig weiter, wenn r≥

zsγc β21 (1 − γ + 2γcz)

Beweis: siehe 5.3 Die Teilnahmebedingungen der Agenten ¨ahneln denen aus Periode 2: 2 1 β11 β21 − rk 2 2 c γc 2 k 2 β21 ≥− 2γc

EU11.2 (α11 , β11 , r) ≥ 0 ⇔ α11 ≥ − EU21.2 (α21 , β21 ) ≥ 0 ⇔ α21

Allerdings geht in Periode 1 die Beteiligung von Agent 1 am Ergebnis von Agent 2 mit in die Teilnahmebedingung ein. Beide Teilnahmebedingungen sind auch in Periode 1 bindend. In t = 1.1 bietet der Prinzipal den Agenten Vertr¨age f¨ ur Periode 1 an. Will er eine vollst¨andige Wissensweitergabe erreichen, so muss er dabei die Nebenbedingung r≥ ber¨ ucksichtigen.

zsγc β21 (1 − γ + 2γcz)

96

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age Proposition 2 Bevorzugt der Prinzipal eine vollst¨andige Wissensweitergabe, so sind die Bedingungen r≥

zsγc β21 (1 − γ + 2γcz)

und β21 + r ≤ 1

bindend. Beweis: siehe 5.4. Die optimalen Beteiligungsparameter ergeben sich aus dem Beweis. Sie lauten ∗ ∗ β11 = 1, β21 =1−r =

 1 1 +  (1 − γ + 2γcz − 4γczs) 2 2 (1 − γ + 2γcz)

und r∗ =

zsγc β21 (1 − γ + 2γcz)

Setzt man nun in die letzte Gleichung den optimalen Wert f¨ ur β21 ein, so erh¨alt man zwei L¨osungen: rl und rh :  1 1 −  (1 − γ + 2γcz (1 − 2s)) 2 2 (1 − γ + 2γcz)

 1 1 rh = +  (1 − γ + 2γcz (1 − 2s)) 2 2 (1 − γ + 2γcz) rl =

ur r∗ ist nur f¨ (1 − γ + 2γcz (1 − 2s)) ≥ 0 ⇔ s ≤

1 1 1 − + 4γcz 4cz 2

definiert. Ist die Schockwahrscheinlichkeit s gr¨oßer, kann Agent 1 mittels einer Beteiligung r am Ergebnis von Agent 2 nicht hinreichend f¨ ur den mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretenden Verlust seines Arbeitsplatzes entsch¨adigt werden. Daher wird er im Falle einer h¨oheren Schockwahrscheinlichkeit Wissen zur¨ uckhalten.

3.3 Modellerweiterung: Agenten mit unterschiedlichem Talent

97

Die obige Ungleichung ist umso eher erf¨ ullt, je kleiner z und γ sind. Sie ist immer erf¨ ullt, wenn gilt: z≤

1 1 − 2γc 2c

oder γ≤

1 1 + 2cz

Da beide L¨osungen f¨ ur r eine vollst¨andige Wissensweitergabe sicherstellen, zieht der Prinzipal rl vor, denn der Einfluss von r auf seinen erwarteten Gewinn ist negativ und rl < rh . Der erwartete Gewinn des Prinzipals lautet nun also: 1 1 2 1s 1 + − 2z − r − + sz c γc 2γc 2c  3 1 1  + − 2z + (1 − γ + 2γcz − 4γczs) = c 4γc 4γc (1 − γ + 2γcz) 1 s 1s + z − + zs 2 1 − γ + 2γcz 2 c

EUP1.1 (k = 1, rl ) =

Der Prinzipal kann also eine vollst¨andige Wissensweitergabe erreichen, indem er Agent 1 folgenden Vertrag anbietet: ∗ = − α11

1 1 − zs 2c 1 − γ + 2γcz

∗ = 1 β11  1 1 ∗ −  (1 − γ + 2γcz (1 − 2s)) r = 2 2 (1 − γ + 2γcz)

Agent 2 bietet er dann diesen Vertrag an:  ∗ α21 ∗ β21

1 = − k2 8

(1 − γ + 2γcz) +

2  (1 − γ + 2γcz − 4γczs)

(1 − γ + 2γcz) γc  1 1 = 1−r = +  (1 − γ + 2γcz − 4γczs) 2 2 (1 − γ + 2γcz)

Daraus resultieren f¨ ur Agent 1 die Lohnfunktion 1 1 − zs + y11 w11 (y11 , y21 ) = z − 2c 1 − γ + 2γcz

 1 1 −  + (1 − γ + 2γcz (1 − 2s)) y21 2 2 (1 − γ + 2γcz)

98

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

und der Erwartungsnutzen EU11.1 (k = 1) = z −

1 1 1 1 − zs + + zs + (1 − s) z = 2z − zs 2c 1 − γ + 2γcz 2c 1 − γ + 2γcz

Beschließt Agent 1 jedoch, abzuweichen und Wissen zur¨ uckzuhalten, so ist sein Erwartungsnutzen mit obigem Vertrag    EU11.1 k = γ − 2czγ = 2z − zs, er ist also indifferent und wir k¨onnen wieder annehmen, dass er daher sein gesamtes Wissen weitergibt. Agent 2 hat die Lohnfunktion  2  (1 − γ + 2γcz) + (1 − γ + 2γcz − 4γczs) 1 2 w21 (π˙ 21 ) = − k 8 (1 − γ + 2γcz) γc

 1 1 + +  (1 − γ + 2γcz − 4γczs) y21 2 2 (1 − γ + 2γcz) und den Erwartungsnutzen EU21.1 = 0. Wie ¨andern sich die Vertr¨age, wenn der Prinzipal nur eine teilweise Wissensweitergabe bevorzugt? Proposition 3

Will der Prinzipal nur eine partielle Wissensweitergabe

durchsetzen, so ist die Nebenbedingung r +β21 ≤ 1 bindend, auch wenn schon f¨ ur eine minimale Zahlung r → 0 die h¨ochstm¨ogliche Wissensweitergabe von √ k = γ − 2γcz sichergestellt werden kann. Beweis: siehe 5.5. Wir erhalten aus dem Beweis die optimalen Werte ∗ β11 = 1,

∗ β21 = 1,

r=0

und damit auch die Teilnahmebedingungen der Agenten: ∗ =− α11

1 2c

∗ und α21 =z−

1 2c

Der erwartete Gewinn des Prinzipals ist dann   2  1s + sz EUP1.1 k = γ − 2γcz = − 4z − c 2c

3.3 Modellerweiterung: Agenten mit unterschiedlichem Talent

99

Bietet der Prinzipal Agent 1 einen Vertrag vom Typ α11 = −

1 , 2c

β11 = 1,

r=0

an, so ist Agent 1 indifferent, ob er eine begrenzte Menge Wissen weitergeben soll oder √ nicht. Daher kann angenommen werden, dass er Wissen in H¨ohe von k = γ − 2γcz u ¨bertr¨agt. Er hat jedoch keinen Anreiz, abzuweichen und sein gesamtes Wissen weiter√ zugeben. Er maximiert seinen Erwartungsnutzen, indem er nicht mehr als k = γ − 2γcz weitergibt. Sein Erwartungsnutzen ist dann EU11.1 (r = 0) = 2z. Der Prinzipal bevorzugt eine vollst¨andige Wissensweitergabe, wenn gilt



1 3 + c 4γc

1 3 + c 4γc

   EUP1.1 (k = 1, rl ) ≥ EUP1.1 k = (γ − 2γcz)  1  − 2z + (1 − γ + 2γcz − 4γczs) 4γc (1 − γ + 2γcz) 1 s 1s 2 1s + z − + zs ≥ − 4z − + sz 2 1 − γ + 2γcz 2 c c 2c  1  − 2z + (1 − γ + 2γcz − 4γczs) 4γc (1 − γ + 2γcz)   1 s 1s 2 1s + z − + zs − − 4z − + sz ≥ 0 2 1 − γ + 2γcz 2 c c 2c

Dies ist genau dann der Fall, wenn die Schockwahrscheinlichkeit hinreichend niedrig ist, also s≤

 √  1  −2 (1 − γ + 2czγ)2 + 2 (1 − γ + 2czγ) czγ

Die rechte Seite dieser Ungleichung nimmt nur dann positive Werte an, wenn γ≥

2 √ 3 2 12− 2 1 − 2cz

bzw. wenn z hinreichend klein ist, d.h. z≤

1 4

√ 2 3 2 + 2γ − 2 cγ

Sind die zus¨atzliche Zahlung oder die Schockwahrscheinlichkeit also hoch oder hat sich der Prinzipal f¨ ur einen besonders talentierten Agent 2 mit niedrigem γ-Wert entschieden, lohnt es sich f¨ ur den Prinzipal nicht, eine vollst¨andige Wissensweitergabe durchzusetzen.

100

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age Korollar 3 Der Prinzipal bietet Agent 1 folgenden Vertrag an: ⎧  1 1 ⎪ − 2c − 1−γ+2γcz zs, 1, 12 − √ 1 (1 − γ + 2γcz (1 − 2s)) ⎪ ⎪ 2 (1−γ+2γcz) ⎪ ⎪ ⎨ f¨ ur z ≤ z1 , s ≤ s1 ∗ ∗ (α11 , β11 , r) = , 1 1 ⎪ ⎪ ur z1 < z ≤ 2c und/oder s > s1 − ⎪ 2c , 1, 0 f¨ ⎪ ⎪ ⎩ 0 f¨ ur z > 1 2c

Agent 2 erh¨alt diesen Vertrag: ⎧ √ 2 √ (1−γ+2γcz)+ (1−γ+2γcz−4γczs) ⎪ ⎪ 1 2 ⎪ , −8k ⎪ (1−γ+2γcz)γc ⎪  ⎪ ⎨ 1 1 √ + (1 − γ + 2γcz − 4γczs) f¨ ur z ≤ z1 , s ≤ s1 ∗ ∗ 2 2 (1−γ+2γcz) (α21 , β21 ) = , ⎪ 1 1 ⎪ ⎪ z − 2c , 1 f¨ ur z1 < z ≤ 2c und/oder s > s1 ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ 1 0 f¨ ur z > 2c wobei gilt: z1 =

1 4

√ 2 3 2 + 2γ − 2 cγ

Zu Beginn der ersten Periode, auf Stufe t = 1.0, entscheidet der Prinzipal, welchen Agenten er als Agent 2 einstellt. Er entscheidet also u ¨ber die H¨ohe von γ und somit dar¨ uber, ob er eher einen sehr talentierten bzw. motivierten Agenten mit niedrigem γ einstellt oder einen Agente mit hohem γ, der bez¨ uglich Talent, Motivation und Arbeitsleidkosten Agent 1 ¨ahnelt. Erlauben eine hinreichend niedrige Schockwahrscheinlichkeit und eine hinreichend kleine zus¨atzliche Zahlung eine vollst¨andige Wissensweitergabe, so bevorzugt der Prinzipal genau dann eine vollst¨andige Wissensweitergabe, wenn ihm bei Wahl des kleinstm¨oglichen γ∗ =

√ 2 3 2 12− 2 1 − 2cz

aus dem vollst¨andigen Wissenstransfer ein h¨oherer erwarteter Gewinn erw¨achst als im Falle der Wissenszur¨ uckhaltung, die bei Wahl eines kleineren γ-Wertes γ min < γ ∗ unvermeidlich ist. Es muss also gelten    EUP1.1 (k = 1, rl , γ ∗ ) ≥ EUP1.1 k = (γ min − 2γ min cz) ,

3.3 Modellerweiterung: Agenten mit unterschiedlichem Talent

101

was immer erf¨ ullt ist. Zieht der Prinzipal vor, eine Wissenszur¨ uckhaltung durch Agent 1 zu akzeptieren und die Anreize f¨ ur Wissensweitergabe entsprechend niedrig zu setzen, hat er auch keine Pr¨aferenzen bez¨ uglich der F¨ahigkeiten des Agenten 2. Zwar produziert ein f¨ahiger Agent billiger, aber die H¨ohe der Wissensweitergabe h¨angt jetzt von den F¨ahigkeiten des Agenten 2 ab. Sie ist umso h¨oher, je geringer der Unterschied zwischen den F¨ahigkeiten der beiden Agenten ist. Diese Effekte gleichen sich somit exakt aus und ein talentierterer Agent 2 bringt dem Prinzipal den gleichen erwarteten Gewinn ein wie ein untalentierter Agent 2. Da im Falle einer Wissenszur¨ uckhaltung der Prinzipal seinen erwarteten Gewinn nicht durch die Wahl eines besonders talentierten Agenten 2 vergr¨oßern kann und sein erwarteter Gewinn damit immer kleiner ist als bei vollst¨andiger Wissensweitergabe, w¨ahlt ur γ stets so, dass ein vollst¨andiger der Prinzipal bei s ≤ s1 und z ≤ z1 den Wert f¨ Wissenstransfer gerade noch gew¨ahrleistet werden kann. Korollar 4 Hat der Prinzipal aufgrund der H¨ohe von Schockwahrscheinlichkeit und zus¨atzlicher Zahlung s ≤ s1 , z ≤ z1 die M¨oglichkeit, einen vollst¨andigen Wissenstransfer durchzusetzen, so w¨ahlt er einen Agenten 2 mit γ∗ =

√ 2 3 2 12− 2 1 − 2cz

Sind die Schockwahrscheinlichkeit und/oder die zus¨atzliche Zahlung zu hoch, als dass ein vollst¨andiger Wissenstransfer durchsetzbar w¨are, hat der Prinzipal keine Pr¨aferenzen bez¨ uglich des Talents γ von Agent 2. 3.3.3 Besch¨aftigungsgarantie bei unterschiedlich talentierten Agenten Kann sich der Prinzipal glaubhaft selbst binden, so kann eine Besch¨aftigungsgarantie f¨ ur Agent 1 eine attraktive Alternative f¨ ur den Prinzipal darstellen. Da Agent 1 bei Arbeitsplatzsicherheit keinen Anreiz hat, Wissen zur¨ uckzuhalten, kann der Prinzipal mit minimalem r → 0 eine vollst¨andige Wissensweitergabe erreichen. Sein erwarteter Gewinn ist dann 2 2 1 β11 1 β21 1 1 1 β11 β21 + −z− − + + −z− s c γc 2 c 2 γc 2c 2γc 2γc 1 1 1 + − 2z − s = c γc 2γc

EUPG (k = 1) =

102

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Vergleich zwischen Besch¨aftigungsgarantie und vollst¨andiger Wissensweitergabe Sind Schockwahrscheinlichkeit s und zus¨atzliche Zahlung z hinreichend klein, also s≤

 √  1  −2 (1 − γ + 2czγ)2 + 2 (1 − γ + 2czγ) czγ

und z≤

1 4

2 √ 3 2 + 2γ − 2 cγ

so bevorzugt der Prinzipal eine Besch¨aftigungsgarantie gegen¨ uber dem obigen Vertrag, wenn gilt EUPG (k = 1) ≥ EUP1.1 (k = 1, rl ) ⇔s ≥

c2 γ 2 z 2

(1 − γ + 2cγz)3 + 2γcz (1 − γ + 2cγz)2 + (1 − γ + 2cγz)4

Damit dies gelten kann, muss z sehr groß sein, also z → z1 .65 Nur f¨ ur diesen Extremwert ist eine Arbeitsplatzgarantie dem oben beschriebenen Anreizvertrag mit vollst¨andiger Wissensweitergabe vorzuziehen.

Vergleich zwischen Besch¨aftigungsgarantie und partiellem Wissenstransfer Der Prinzipal spricht Agent 1 im Falle einer hohen zus¨atzlichen Zahlung z>−

1 1 + 4γc 2c

65 Ist z = z1 und der Prinzipal kann einen Agent 2 mit sehr geringen Arbeitsleidkosten, d.h. mit  √ 2 γ ≤ − 12 3 2 + 1 w¨ ahlen, so lohnt es sich f¨ ur den Prinzipal, Agent 1 eine Arbeitsplatzgarantie auszusprechen. Schon f¨ ur minimal kleinere zus¨ atzliche Zahlungen z ist diese Alternative f¨ ur den Prinzipal nicht mehr attraktiv. √ 2  Ist z = 0, so lohnt sich eine Arbeitsplatzgarantie f¨ ur den Prinzipal, sofern er ein γ ≥ − 12 3 2 +1 gew¨ ahlt hat. Allerdings ist dieser Sonderfall nicht sehr interessant, da das ganze bisher beschriebene Modell darauf basiert, dass Agent 1 oberhalb seines Reservationswerts entlohnt wird. Der Sonderfall z = 0 sei daher hier nicht weiter betrachtet, da in diesem Falle Agent 1 eigentlich indifferent bez¨ uglich einer Entlassung ist und keinen Anreiz f¨ ur Wissenszur¨ uckhaltung hat. Ihm eine Arbeitsplatzgarantie auszusprechen, w¨ are daher unsinnig.

3.3 Modellerweiterung: Agenten mit unterschiedlichem Talent

103

genau dann eine Besch¨aftigungsgarantie statt des obigen Vertrags aus, wenn gilt    EUPG (k = 1, r = 0) > EUP1.1 k = γ − 2γcz 1 1 1 2 1s + − 2z − s > − 4z − + sz c γc 2γc c 2c ⇔ (1 − γ + 2czγ) (2 − s) > 0 ⇔

Diese Ungleichung ist immer erf¨ ullt. Eine Besch¨aftigungsgarantie f¨ ur Agent 1 auszusprechen, ist also f¨ ur den Prinzipal immer g¨ unstiger als der oben beschriebene Vertrag, wenn sich aufgrund der hohen Schockwahrscheinlichkeit oder einer hohen Zahlung z keine vollst¨andige Wissensweitergabe durchsetzen l¨asst. Da der Einfluss von γ auf den erwarteten Gewinn des Prinzipals im Falle einer Arbeitsplatzgarantie negativ ist, wird der Prinzipal in diesem Fall den talentiertesten Agenten 2 w¨ahlen, der verf¨ ugbar ist, also γ = γ min . Er stellt damit sicher, dass er in der ersten Periode einen hoch talentierten zweiten Agenten besch¨aftigt, der dazu das gesamte betriebsnotwendige Wissen von Agent 1 erh¨alt. 3.3.4 Zusammenfassung des Modells mit unterschiedlich talentierten Agenten Konfrontiert mit einer bestimmten Schockwahrscheinlichkeit und einem Agent 1, der die Zahlung z zugesichert bekommen hat, trifft der Prinzipal die Entscheidung, welchen Typ γ er als zweiten Agent besch¨aftigen will. Sind die Schockwahrscheinlichkeit und die Zahlung an Agent 1 hinreichend klein, d.h. s≤

 √  1  −2 (1 − γ + 2czγ)2 + 2 (1 − γ + 2czγ) czγ

und z≤

1 4

2 √ 3 2 + 2γ − 2 , cγ

stellt der Prinzipal einen Agent 2 vom Typ γ=

√ 2 3 2 12− 2 1 − 2cz

ein. Sodann bietet er den beiden Agenten einen Anreizvertrag an, der eine vollst¨andige Wissensweitergabe sicherstellt. Sollte zu Beginn der zweiten Periode ein Schock auftreten, entl¨asst der Prinzipal Agent 1 und ersetzt ihn durch den vollst¨andig ausgebildeten

104

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

und produktiveren Agent 2, wobei Agent 1 f¨ ur diesen m¨oglicherweise eintretenden Arbeitsplatzverlust in Periode 1 ausreichend entsch¨adigt wurde. Ist die Schockwahrscheinlichkeit jedoch h¨oher oder erh¨alt Agent 1 eine zus¨atzliche Zahlung in H¨ohe von z1 < z ≤

1 66 , 2c

so wird der Prinzipal Agent 1 eine Arbeitsplatzgarantie

anbieten, sofern er sich glaubw¨ urdig selbst binden kann. Aufgrund dieser Arbeitsplatzsicherheit f¨ ur beide Perioden hat Agent 1 nunmehr keinen Anlass, Wissen zur¨ uckzuhalten, muss aber auch nicht f¨ ur einen drohenden Arbeitsplatzverlust entsch¨adigt werden. Der Prinzipal stellt den talentiertesten Agent 2 ein, der am Arbeitsmarkt verf¨ ugbar ist. Sein Anreiz, im Falle eines Schocks die Situation opportunistisch auszunutzen, ist in diesem Fall nat¨ urlich extrem hoch. Ist ein Schock eingetreten, der eine Entlassung notwendig macht, ist er durch die Zusage an Agent 1 gezwungen, einen hoch talentierten und vollst¨andig ausgebildeten Agent 2 zu entlassen und den teureren und weniger produktiven Agent 1 zu behalten. Angesichts dieses hohen Anreizes, von der gegebenen Arbeitsplatzgarantie f¨ ur Agent 1 abzuweichen, d¨ urfte es schwierig sein, sich zu Beginn der Periode 1 glaubw¨ urdig selbst zu binden, da Agent 1 den Anreiz zu opportunistischem Verhalten antizipieren kann. Gelingt es dem Prinzipal also nicht, sich glaubw¨ urdig selbst zu binden, weil keine geeigneten Instrumente existieren oder besitzt er nicht die notwendige Reputation, lohnt es sich im Falle einer hohen Schockwahrscheinlichkeit und/oder einer hohen Zahlung z nicht, eine vollst¨andige Wissensweitergabe durchsetzen zu wollen. Der Prinzipal bietet also den Agenten Vertr¨age an, die Anreiz zur Wissenszur¨ uckhaltung durch Agent 1 geben. Da die H¨ohe des unter diesen Bedingungen weitergegebenen Wissens vom Talent des Agenten 2 abh¨angt, ist der Prinzipal indifferent bez¨ uglich des Talents von Agent 2. Er stellt daher einen beliebigen Agent 2 ein, den er im Falle eines Schocks zu Beginn der Periode 2 wieder entl¨asst.

3.4 Modellerweiterung: Erhalt des Expertenstatus 3.4.1 Modellbeschreibung Die zus¨atzliche Zahlung z wurde bisher immer als tats¨achliche Zahlung, also als monet¨arer Anreiz betrachtet, die Agent 1 erh¨alt, solange er besch¨aftigt ist und die somit negativ in die Gewinnfunktion des Prinzipals eingeht. Es ist aber vorstellbar, dass Agent 1 einen Nutzen daraus zieht, als Experte angesehen und gesch¨atzt zu werden. Auch wenn dies sich nicht in (monet¨ar messbaren) Statussymbolen ausdr¨ uckt, sondern nur” in der ” 1 66 Wie bereits oben erl¨ autert gilt: Ist die zus¨ atzliche Zahlung z > 2c , so findet keine Produktion statt. Der Prinzipal wird weder Agent 1, noch Agent 2 einen Vertrag anbieten.

3.4 Modellerweiterung: Erhalt des Expertenstatus

105

Anerkennung durch Kollegen und Vorgesetzte, kann dies der Grund sein, weshalb Agent 1 an seinem Arbeitsplatz h¨angt und beim Wechsel in ein anderes Unternehmen eine Nutzeneinbuße erf¨ uhre. Dieser Expertenstatus kann sich z.B. in einer Jobbeschreibung wie Laborleiter” oder Gruppenleiter” ausdr¨ ucken, muss aber nicht mit einem h¨oheren ” ” Gehalt einhergehen.67 In Unternehmen finden sich h¨aufig große Lohndifferenziale auch ur, dass Geh¨alter, sofern sie nicht innerhalb der Hierarchieebenen.68 Dies ist ein Indiz daf¨ durch Tarifvertr¨age reguliert sind,69 individuell verhandelbar sind. Es ist also durchaus vorstellbar, dass ein Gruppenleiter de facto das gleiche Gehalt erh¨alt wie ein neu eingestellter Mitarbeiter. Doch selbst bei gleicher Bezahlung kann eine W¨ urdigung durch die Jobbezeichnung sich positiv auf die Leistungsanreize auswirken.70 Auch in diesem Fall muss gelten, dass der Prinzipal diese Rente nicht absch¨opfen kann, ansonsten w¨ urde der Prinzipal Agent 1 n¨amlich einen Vertrag anbieten, so dass dieser bei optimalem Arbeitseinsatz genau seinen Alternativlohn erh¨alt und damit indifferent ist, ob er das Unternehmen verlassen soll oder nicht. Wie in den oben beschriebenen F¨allen ist der Zusatznutzen Agent 1 also sicher.71 Im hier betrachteten Modell m¨ ussen zwei F¨alle unterschieden werden: Fall 1: Agent 1 beh¨alt seinen Expertenstatus auch im Falle einer vollst¨andigen Wissensweitergabe. Das heißt z.B. dass er den Posten des Gruppenleiters auf jeden Fall beh¨alt, sofern beide Agenten im Unternehmen verbleiben. Fall 2: Gibt Agent 1 sein Wissen vollst¨andig weiter, so kann der Prinzipal beide Agenten gleich behandeln, also Agent 2 den gleichen Status zubilligen. Dies f¨ uhrt aber m¨oglicherweise zu einem Verlust von z f¨ ur Agent 1. Wenn sein Kollege den gleichen Titel hat wie er, hat dieser Titel nicht mehr die gleiche Bedeutung f¨ ur ihn. Anders w¨are der Fall, wenn die Agenten in einer gr¨oßeren Abteilung arbeiteten und Agent 1, der den Titel Gruppenleiter” trage, einen zweiten Gruppenleiter ausbildet. Falls kein Schock eintritt, ” h¨atten beide Agenten den Expertenstatus. Aber selbst in diesem Falle ist vorstellbar, ¨ 67 Zu Jobbeschreibungen und der Bef¨ orderung durch bloße Anderung des Titels siehe Lazear (1998, S. 247), und Baker / Holmstr¨ om (1995, S. 256ff). Zu nichtmonet¨aren Lohnbestandteilen siehe auch Lazear (1998a, S. 57ff). 68 Zu Lohndifferenzialen siehe bspw. Baker / Gibbs / Holmstr¨ om (1994). 69 Hierbei ist zu ber¨ ucksichtigen, dass auch bei Anwendung von Tarifvertr¨agen ein deutlicher Spielraum f¨ ur Gehaltsverhandlungen besteht. 70 Siehe hierzu bspw. Ortega (2003). 71 Eine m¨ ogliche Erkl¨ arung hierf¨ ur k¨ onnte sein, dass der Agent nach seiner ”Bef¨orderung” zum Experten (ohne monet¨ are Auswirkungen) nicht schlechter gestellt werden soll oder kann, d.h. dass seine Teilnahmegeb¨ uhr nicht h¨ oher sein darf als vorher. Im Normalfall mit einem positiven Alternativlohn ist dies intuitiv nachvollziehbar: Der Agent zahlt in diesem Fall keine Teilnahmegeb¨ uhr, sondern urfe im Falle einer Bef¨orderung nicht gesenkt werden. erh¨ alt ein Fixgehalt α1j . Dieses Fixgehalt d¨ Die negativen Folgen f¨ ur die Motivation des Agenten, wenn bei einer Bef¨orderung gleichzeitig das Gehalt gesenkt wird, sind nachvollziehbar, ohne dass hier n¨ aher auf die Effekte beim Zusammenspiel von intrinsischer und extrinsischer Motivation eingegangen werden soll.

106

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

dass Agent 1 eine Nutzeneinbuße erleidet, wenn er nicht mehr alleine als Experte oder Gruppenleiter angesehen wird.72 3.4.2 Variante 1: Erhalt des Expertenstatus trotz vollst¨andiger Wissensweitergabe ¨ Anderungen gegen¨ uber der Modellerweiterung 3.3 Die Produktions- und Kostenfunktionen der Agenten bleiben unver¨andert. Jedoch geht der Zusatznutzen, den Agent 1 aus seinem Expertenstatus zieht, in seine Nutzenfunktion ein, nicht aber in seine Lohnfunktion. Zeitlicher Ablauf In t = 1.1 bietet der Prinzipal den Agenten die folgenden Anreizvertr¨age an: w11 (y11 , y21 ) = α11 + β11 y11 + ry21 w21 (y21 ) = α21 + β21 y21 wobei wij der Lohn ist, den Agent i in Periode j erh¨alt, yij ist der Ertrag, den Agent i in Periode j erbringt und r ∈ [0, 1] ist der Anteil am Ertrag von Agent 2, den Agent 1 als Kompensation f¨ ur seinen Wissenstransfer erh¨alt. Hierbei muss wieder β21 + r ≤ 1 gelten. Zum Zeitpunkt t = 1.2 akzeptieren die Agenten die Anreizvertr¨age oder sie lehnen sie ab. Die Teilnahmebedingungen lauten:73

EU11.2 (α11 , β11 , r) ≥ 0 ⇔ α11 + β11 y11 + ry21 − c11 ≥ 0 EU21.2 (α21 , β21 ) ≥ 0 ⇔ α21 + β21 y21 − c21 ≥ 0 Analog zum vorher beschriebenen Modell w¨ahlt Agent 1 dann den Anteil seines Wissens, den er weitergeben will. Danach entscheiden beide Agenten u ¨ber ihren Arbeitseinsatz; die Ertr¨age der ersten Periode werden realisiert. Zu Beginn der zweiten Periode erfahren der Prinzipal und die Agenten, ob sich ein Schock ereignet hat. Im Falle eines Schocks entl¨asst der Prinzipal einen Agenten. Hat 72 Vergleiche hierzu Fershtman / Hvide / Weiss (2003). 73 Wie oben beschrieben k¨ onnte man die Teilnahmebedingung von Agent 1 auch beschreiben als EU11.2 (α11 , β11 , r, z) ≥ z.

3.4 Modellerweiterung: Erhalt des Expertenstatus

107

kein Schock stattgefunden, bleiben beide Agenten im Unternehmen, aber nur Agent 1 beh¨alt seinen Expertenstatus, d.h. nur er erh¨alt den Zusatznutzen z, also im hier beschriebenen Fall den Titel. Die beiden Agenten (bzw. der im Unternehmen verbliebene Agent) w¨ahlen wieder ihre Leistungsanstrengungen und produzieren damit die Ertr¨age der zweiten Periode. 3.4.3 Ergebnisse Zur Herleitung der Ergebnisse durch R¨ uckw¨artsinduktion siehe 5.6. Der Erwartungsnutzen von Agent 1 in Periode 2 lautet EU12.2 (α12 , β12 , z) = α12 + β12 y12 − c12 + z. Da er den Zusatznutzen z jedoch auf jeden Fall erh¨alt, wenn er weiterbesch¨aftigt wird und der Prinzipal diesen Nutzen nicht absch¨opfen kann, geht dieser Zusatznutzen nicht in die Teilnahmebedingung des Agenten ein. Die beste Antwort des Prinzipals darauf ist, den Agenten wieder Vertr¨age anzubieten, die deren Teilnahme gerade sicherstellen und ihnen die produzierten Ertr¨age abz¨ uglich einer Teilnahmegeb¨ uhr zu u ¨berlassen. Dies bedeutet wiederum ∗ ∗ = 1 und β22 =1 β12

sowie ∗ = −α12

1 2 1 β = 2c 12 2c

und

∗ − α22 =

1 2 2 1 2 k β22 = k 2γc 2γc

Ist kein Schock eingetreten, so lautet der erwartete Gewinn des Prinzipals EUP2.0.1 =

1 1 k2 + 2c 2 γc

Der Prinzipal muss jetzt also nicht mehr die zus¨atzliche Zahlung aufbringen. Lemma 5 Agent 1 kann sich durch Wissenszur¨ uckhaltung unentbehrlich machen. Er wird genau dann auch im Falle eines Schocks weiterbesch¨aftigt, √ wenn er nur Wissen in H¨ohe von k ≤ γ weitergibt. Beweis: siehe 5.6 In dieser Modellerweiterung gibt es also zwei Sonderf¨alle: Hat der Prinzipal einen Agenten 2 eingestellt, der das gleiche Talent besitzt wie Agent 1, so wird Agent 1 auf jeden Fall weiter besch¨aftigt. Die Intuition daf¨ ur ist, dass der Prinzipal dem Agenten 1 weniger bezahlen muss, da dieser zus¨atzlich zu seinem Lohn auch einen nicht-monet¨aren

108

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Nutzen hat. Nur im Falle eines sehr kleinen γ-Wertes (γ → 0) wird immer Agent 1 entlassen, wenn ein Schock eintritt. Agent 1 muss in t = 1.3 auch hier die aus den vorherigen Beispielen bekannte Entscheidung hinsichtlich der Wissensweitergabe an Agent 2 treffen. Ist er gewillt, durch eine hohe Wissensweitergabe seine Entlassung zu riskieren. lohnt sich wieder der vollst¨andige Wissenstransfer. Will er sicher gehen, dass er auch in Periode 2 besch¨aftigt wird, so √ ur Wissensweitergabe w¨ahlt er k = γ und sichert sich die h¨ochstm¨ogliche Entlohnung f¨ bei gleichzeitiger Arbeitsplatzsicherheit. Lemma 6 Agent 1 gibt sein Wissen in Periode 1 vollst¨andig weiter, wenn gilt: r≥

zsγc β21 (1 − γ)

Beweis: siehe 5.6 Der Prinzipal bietet den Agenten in t = 1.1 Vertr¨age f¨ ur die erste Periode an. Um eine vollst¨andige Wissensweitergabe zu erreichen, muss er dabei die Nebenbedingung r≥

zsγc β21 (1 − γ)

aus Lemma 6 beachten. Man sieht, dass der Zusatznutzen z nun tats¨achlich in die Teilnahmebedingung des Agenten 1 eingeht: z ist zwar kein Bestandteil des eigentlichen Lohnes mehr, aber der m¨ogliche Verlust dieses zus¨atzlichen Nutzens muss vom Prinzipal durch eine entsprechend h¨ohere Beteiligung am Ertrag von Agent 2 kompensiert werden, wenn eine vollst¨andige Wissensweitergabe gew¨ unscht wird. Proposition 4 Soll Agent 1 sein Wissen vollst¨andig weiter geben, sind die Bedingungen: r≥ bindend. Beweis: siehe 5.7.

zsγc β21 (1 − γ)

und β21 + r ≤ 1

3.4 Modellerweiterung: Erhalt des Expertenstatus

109

Der Prinzipal bietet den Agenten die folgenden Beteiligungen an ihrem jeweiligen Ertrag an:74 ∗ β11 = 1,

r∗ =

∗ β21 =1−r =

 1 1 +  (1 − γ − 4zsγc), 2 2 (1 − γ)

 1 1 −  (1 − γ − 4zsγc) 2 2 (1 − γ)

ur (1 − γ − 4zsγc) ≥ 0 definiert. D.h. f¨ ur Schockwahrscheinlichkeiten r∗ ist nur f¨ s>

1 1 − 4zγc 4zc

kann keine vollst¨andige Wissensweitergabe durchgesetzt werden. Obwohl der Zusatznutzen von Agent 1 nicht direkt in seine Lohnfunktion eingeht, sondern nur u ¨ber seine notwendige Beteiligung r am Ertrag von Agent 2, darf dieser Zusatznutzen also nicht beliebig hoch sein, wenn ein vollst¨andiger Wissenstransfer gew¨ unscht wird. Ist z sehr groß, also z>

1 1 − 4sγc 4sc

verhindert dieser große Zusatznutzen aus der aktuellen Besch¨aftigung bzw. dem Expertenstatus, dass Agent 1 sein Wissen vollst¨andig weiter gibt. Die Ungleichung (1 − γ − 4zsγc) ≥ 0 ist umso eher erf¨ ullt, je kleiner γ, s und z sind. Sie ist immer erf¨ ullt, wenn z≤

1 1 − 4cγ 4c

oder γ ≤

1 1 + 4cz

ist. Will der Prinzipal eine vollst¨andige Wissensweitergabe erreichen, bietet er den Agenten folgende Vertr¨age an: Agent 1: 1 1 ∗ − zs, β11 = 1, 2c (1 − γ)  1 1 r∗ = −  (1 − γ − 4zsγc) 2 2 (1 − γ) ∗ α11 =−

∗ 74 Auch hier erh¨ alt man beim Einsetzen des von β21 in die Gleichung zur Bestimmung von r∗ zwei ahlt der Prinzipal den niedrigeren Wert, da die Beteiligung von Agent 1 Werte f¨ ur r∗ , auch hier w¨ am Ertrag von Agent 2 negativ in die Gewinnfunktion des Prinzipals eingeht. Siehe dazu auch die vorherige Modellerweiterung.

110

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Agent 2:  1 1 sz  − , (1 − γ − 4zsγc) + 4γc 4γc (1 − γ) 2 (1 − γ)  1 1 +  = (1 − γ − 4zsγc) 2 2 (1 − γ)

∗ α21 = − ∗ β21

Daraus ergeben sich die Erwartungsnutzen der Agenten: ∗ ∗ + β11 y11 − c11 + r∗ y21 (k = 1) + z + (1 − s) z EU11.1 (k = 1) = α11

= 2z − zs Weicht Agent 1 ab und h¨alt Wissen zur¨ uck, so ist sein Erwartungsnutzen: EU11.1 (k =



∗ ∗ γ) = α11 + β11 y11 − c11 + r∗ y21 (k =



γ) + 2z

= 2z − zs Der Agent ist indifferent, laut der Annahmen gibt er also sein gesamtes Wissen weiter. Agent 2 erh¨alt auch hier einen Erwartungsnutzen von 0, also seinen Alternativlohn. Der Prinzipal hat nun einen erwarteten Gewinn von EUP1.1 (k = 1, r = r∗ ) =

 3 1 1 s 1 1 sz  + + − (1 − γ − 4zsγc) + c 4γc 4γc (1 − γ) 2 1 − γ 2 γc

Analog zur vorherigen Modellerweiterung sei nun der Fall betrachtet, dass der Prinzipal sich mit einer partiellen Wissensweitergabe begn¨ ugt. Diese kann er sicherstellen, √ indem er r = 0 w¨ahlt. Agent 1 gibt dann in t = 1.3 Wissen in H¨ohe von k = γ weiter. Die Teilnahmebedingungen der Agenten sind nach wie vor 1 2 k2 α21 ≥ − β21 2 γc

und α11 ≥ −

2 β21 1 β11 − rk 2 , 2 c γc

f¨ ur r = 0 also α11 ≥ −

2 1 β11 . 2 c

Auch hier sind die Teilnahmebedingungen bindend, was sich analog zu den vorherigen Beispielen zeigen l¨asst.

3.4 Modellerweiterung: Erhalt des Expertenstatus

111

Die Agenten erhalten folgende Vertr¨age: ∗ Agent 1: α11 =−

1 ∗ , β = 1, r∗ = 0, 2c 11

∗ Agent 2: α21 =−

1 ∗ , β = 1. 2c 21

Der erwartete Gewinn des Prinzipals lautet nun also EUP1.1 (k =



γ, r = 0) =

2 1s − c 2c

Der Zusatznutzen z von Agent 1 geht hier also nicht mehr in die Funktion des erwarteten Gewinns des Prinzipals ein. Das bedeutet, dass der Prinzipal einen partiellen Wissenstransfer durchsetzen kann (und wird), auch wenn z sehr hoch ist. Welche Vertr¨age wird der Prinzipal also anbieten? Er bietet Vertr¨age an, die eine vollst¨andige Wissensweitergabe sicherstellen, wenn gilt: EUP1.1 (k = 1, r∗ ) ≥ EUP1.1 (k =  1 3 1 1 s 2 1s 1 sz  ⇔ + + − ≥ − (1 − γ − 4zsγc) + c 4γc 4γc (1 − γ) 2 1 − γ 2 γc c 2c



γ)

Dies ist genau dann der Fall, wenn zl ≤ z ≤ zh ist, mit    1  (1 − γ)2 (s − 2) − (1 − γ) (1 − γ) (2 − s) , sγc    1  (1 − γ)2 (s − 2) + (1 − γ) (1 − γ) (2 − s) . = sγc

zl = zh

Damit obige Ungleichung erf¨ ullt sein kann, muss zudem gelten (1 − γ − 4zsγc) ≥ 0. Auch in dieser Modellerweiterung gilt, dass der Prinzipal nur dann einen vollst¨andigen Wissenstransfer durchsetzen will, wenn die Schockwahrscheinlichkeit hinreichend niedrig ist und wenn er zuvor nicht einen zu talentierten” Agent 2 eingestellt hat. Auch darf der ” Nutzen, den Agent 1 aus seiner Expertenposition zieht, nicht zu hoch sein. Auch wenn die Gruppenleiter oder Expertenposition nicht h¨oher entlohnt wird, kann das Ersetzen dieses Experten durch einen motivierteren Mitarbeiter so teuer sein, dass sich dies nicht f¨ ur den Prinzipal lohnt. Korollar 5 Der Prinzipal bietet Agent 1 folgenden Vertrag an: ⎧  1 1 ⎪ − (1−γ) zs, 1, 12 − √ 1 (1 − γ − 4zsγc) − 2c ⎪ ⎨ 2 (1−γ) ∗ ∗ , β11 , r) = (α11 f¨ ur zl ≤ z ≤ zh ⎪ ⎪ ⎩ 1 − 2c , 1, 0 f¨ ur z < zl und/oder z > zh

112

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age Agent 2 erh¨alt diesen Vertrag: ⎧  1 sz ⎪ − 4γc − √1 (1 − γ − 4zsγc) + 2(1−γ) , ⎪ ⎪ 4γc (1−γ) ⎨  ∗ ∗ 1 1 (α21 , β21 ) = + √ (1 − γ − 4zsγc) f¨ ur zl ≤ z ≤ zh 2 2 (1−γ) ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ 1 − 2c , 1, 0 f¨ ur z < zl und/oder z > zh

,

    1 wobei zl = sγc (1 − γ)2 (s − 2) − (1 − γ) (1 − γ) (2 − s) und zh =     1 (1 − γ)2 (s − 2) + (1 − γ) (1 − γ) (2 − s) ist. Der Prinzipal bietet sγc den Agenten immer Besch¨aftigung an, es gibt keinen Wert f¨ ur z, bei dem sich die Produktion f¨ ur den Prinzipal nicht mehr lohnt. Der Prinzipal muss nun also zu Beginn der ersten Periode u ¨ber das Talent von Agent 2 entscheiden. Korollar 6 Ist die Schockwahrscheinlichkeit hinreichend niedrig, n¨amlich s≤2

−12cz +

 (288z 2 c2 + 1 − 24cz) (−1 + 12cz)2

,

  so dass durch die richtige Wahl von γ ∈ γ l , γ h ein vollst¨andiger Wissenstransfer gew¨ahrleistet wird, w¨ahlt der Prinzipal γ m¨oglichst niedrig, aber dennoch so, dass er die komplette Wissensweitergabe nicht gef¨ahrdet, d.h. γ ∗ = γ l . Kann der Prinzipal aufgrund der zu hohen Schockwahrscheinlichkeit oder des zu hohen Zusatznutzens von Agent 1 keine vollst¨andige Wissensweitergabe durchsetzen, ist er indifferent hinsichtlich des Talents des zweiten Agenten, da ein h¨oheres Talent durch eine geringere Wissensweitergabe in √ H¨ohe von k = γ ausgeglichen wird und umgekehrt. 3.4.4 Variante 2: Verlust des Expertenstatus bei vollst¨andiger Wissensweitergabe Betrachtet sei nun der Fall, dass – sofern kein Schock eingetreten ist – beide Agenten den Expertenstatus erlangen. Dies f¨ uhre zu einem v¨olligen Verlust des Zusatznutzens von Agent 1. Nat¨ urlich w¨are auch ein partieller Verlust denkbar, z.B. wenn der Agent nur einen Teil seines Zusatznutzens aus der alleinigen Expertenstellung gewonnen h¨atte und den Rest aus dem Ansehen, das ihm innerhalb des Unternehmens aufgrund seines Wissens zuteil wird. Hier sei jedoch vereinfachend angenommen, dass er seinen Zusatznutzen einb¨ ußt, wenn er Agent 2 sein gesamtes Wissen u ¨berl¨asst. Der Prinzipal muss Agent 1

3.4 Modellerweiterung: Erhalt des Expertenstatus

113

jetzt also nicht nur f¨ ur einen m¨oglichen Arbeitsplatzverlust kompensieren, sondern auch f¨ ur den sicheren Verlust von z, wenn Agent 1 sein Wissen vollst¨andig weitergeben soll.75 3.4.5 Ergebnisse Periode 2 Die optimalen Leistungsniveaus sowie die Teilnahmebedingungen der Agenten bleiben unver¨andert, der Erwartungsnutzen von Agent 1 in Periode 2 lautet jedoch EU12.2 (α12 , β12 , z) = α12 + β12 y12 − c12 + z, wenn Agent 1 als einziger Experte im Unternehmen verbleibt. Dies ist nur dann der Fall, wenn er sein Wissen nicht vollst¨andig weitergegeben hat, da er ansonsten im Falle eines Schocks entlassen worden w¨are und ohne Schock dennoch seinen Status eingeb¨ ußt h¨atte. Auch die Vertr¨age, die der Prinzipal in Periode 2 anbietet sind identisch mit denen in der vorher diskutierten Modellerweiterung: ∗ ∗ = 1 und β22 = 1 sowie β12

∗ − α12 =

1 2 1 1 2 2 1 2 ∗ β = und − α22 k β22 = k . = 2c 12 2c 2γc 2γc

Der erwartete Gewinn des Prinzipals lautet EUP2.0.1 =

1 k2 1 + , 2c 2 γc

sofern kein Schock eingetreten ist. Auch die Aussage aus Lemma 5 gilt in diesem Fall: Agent 1 kann seinen Arbeitsplatz √ sichern, sofern er nur Wissen in H¨ohe von k ≤ γ weitergibt. Periode 1 Die optimalen Arbeitseins¨atze der ersten Periode, e∗11 =

β11 c

und e∗21 =

kβ21 , γc

bleiben ebenfalls von der Modell¨anderung unber¨ uhrt. Agent 1 ber¨ ucksichtigt jetzt bei der Entscheidung u ¨ber einen Wissenstransfer in t = 1.3, dass ihm im Falle einer vollst¨andigen Wissensweitergabe auf jeden Fall sein Zusatznutzen verloren geht. 75 Da sich diese Variante nur in wenigen Punkten von der oben diskutierten Modellerweiterung unterscheidet, ist sie verk¨ urzt dargestellt; auch wurde auf die ausf¨ uhrlichen Beweise der Propositionen im Anhang verzichtet, da diese analog zu den bereits gef¨ uhrten Beweisen in den vorherigen Modellerweiterungen zu sehen sind.

114

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age Lemma 7 Agent 1 gibt sein Wissen in Periode 1 vollst¨andig weiter, wenn gilt r≥

czγ β21 (1 − γ)

Beweis: siehe 5.8

Wir stellen fest, dass die Entlohnung f¨ ur die Wissensweitergabe jetzt nicht mehr von z abh¨angt. Dies ist intuitiv plausibel, da unabh¨a ngig von einem Schock Agent 1 seinen Zusatznutzen verliert. Da er durch den Vertrag des Prinzipals auf seinen Reservationswert gedr¨ uckt wird, ist der m¨ogliche Arbeitsplatzverlust, der eine Besch¨aftigung zum Alternativlohn bedeutet, f¨ ur ihn mit identischem Nutzen verbunden wie eine Weiterbesch¨aftigung ohne Expertenstatus.

Proposition 5 Will der Prinzipal, dass Agent 1 sein Wissen vollst¨andig weitergibt, sind die Bedingungen r≥

zγc β21 (1 − γ)

und

β21 + r ≤ 1

bindend. Beweis: analog zu Beweis von Satz 3.3.2 und 3.4.3.

Der Prinzipal bietet den Agenten die folgenden Beteiligungen an ihrem jeweiligen Ertrag an: ∗ = 1, β11

r∗ =

∗ β21 =1−r =

 1 1 +  (1 − γ − 4zγc), 2 2 (1 − γ)

 1 1 −  (1 − γ − 4zγc) 2 2 (1 − γ)

r∗ ist nur f¨ ur (1 − γ − 4zγc) ≥ 0 definiert. F¨ ur z>

1 1 − 4γc 4c

l¨asst sich keine vollst¨andige Wissensweitergabe durchsetzen. Die Agenten bekommen vom Prinzipal folgende Vertr¨age angeboten:

3.4 Modellerweiterung: Erhalt des Expertenstatus

115

Agent 1: z 1 ∗ − , β11 = 1, 2c (1 − γ)  1 1 −  = (1 − γ − 4zγc) 2 2 (1 − γ)

∗ α11 = −

r∗ Agent 2:

 1 1 z  − , (1 − γ − 4zγc) + 4γc 4γc (1 − γ) 2 (1 − γ)  1 1 +  = (1 − γ − 4zγc) 2 2 (1 − γ)

∗ = − α21 ∗ β21

Daraus ergeben sich die Erwartungsnutzen der Agenten: ∗ ∗ + β11 y11 − c11 + r∗ y21 (k = 1) + z = z EU11.1 (k = 1) = α11

Weicht Agent 1 ab und h¨alt Wissen zur¨ uck, so ist sein Erwartungsnutzen: EU11.1 (k =



∗ ∗ γ) = α11 + β11 y11 − c11 + r∗ y21 (k =



γ) + 2z = z

Der Agent ist indifferent, laut der Annahmen gibt er also sein gesamtes Wissen weiter.76 Agent 2 erh¨alt auch hier einen Erwartungsnutzen von 0, also seinen Alternativlohn. Der Prinzipal hat nun einen erwarteten Gewinn von EUP1.1 (k = 1, r = r∗ ) =

 3 1 1s 1 z  + + − (1 − γ − 4zγc) + c 4γc 4γc (1 − γ) 2 (1 − γ) 2 c

W¨ahlt der Prinzipal jetzt r = 0, so gibt Agent 1 nur Wissen in H¨ohe von k =

√ γ

weiter. Die Teilnahmebedingungen sind auch hier bindend. Die Agenten erhalten die gleichen Vertr¨age wie in der vorigen Modellerweiterung: ∗ =− Agent 1: α11

1 ∗ 1 ∗ ∗ , β = 1, r∗ = 0, Agent 2: α11 = − , β21 =1 2c 11 2c

Der erwartete Gewinn des Prinzipals lautet nun also EUP1.1 (k =



γ, r = 0) =

2 1s − c 2c

76 Sein Erwartungsnutzen ist aber in dieser Modellerweiterung insgesamt geringer als in der Vorhergehenden.

116

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Der Prinzipal bevorzugt eine vollst¨andige Wissensweitergabe, wenn gilt:77 EUP1.1 (k = 1, r∗ ) ≥ EUP1.1 (k =  1 3 1 1s 2 1s z  ⇔ + + − ≥ − (1 − γ − 4zγc) + c 4γc 4γc (1 − γ) 2 (1 − γ) 2 c c 2c



γ)

Diese Ungleichung ist genau dann erf¨ ullt, wenn z ≤ (1 − γ)

−2 (1 − γ) + γc

 (2 − 2γ)

ist. Es muss jedoch ber¨ ucksichtigt werden, dass die obige Ungleichung nur f¨ ur  z≤

1 1 − 4cγ 4c



 und γ ≤

1 1 + 4cz



definiert ist. Diese Anforderungen k¨onnen nur f¨ ur sehr kleine z-Werte und f¨ ur γ ≥

1 2

erf¨ ullt werden. Die Entscheidung des Prinzipals bez¨ uglich des Talents von Agent 2 f¨allt in dieser Modellerweiterung unabh¨angig von der Schockwahrscheinlichkeit. Die Entscheidung wird also lediglich vom Zusatznutzen des Agenten 1 beeinflusst. Ist dieser hinreichend klein, kann der Prinzipal einen vollst¨andigen Wissenstransfer durchsetzen und bevorzugt diesen auch gegen¨ uber einer Wissenszur¨ uckhaltung. Ist z hinreichend klein, so w¨ahlt der Prinzipal γ so klein wie m¨oglich, ohne dabei die Nebenbedingung z ≤ (1 − γ)

−2 (1 − γ) + γc

 (2 − 2γ)

zu verletzen. Generell kann gesagt werden, dass diese Variante nur bei einem sehr geringen Zusatznutzen von Agent 1 in Betracht kommt, da es sich nur dann f¨ ur den Prinzipal lohnt, die hohe Kompensationszahlung an Agent 1 zu leisten, die dieser f¨ ur seine (sichere) Nutzeneinbuße verlangt. 3.4.6 Vergleich der beiden Varianten Der Prinzipal kann nicht dar¨ uber entscheiden, welchen Zusatznutzen Agent 1 aus seinem Expertenstatus hat. Ob dieser Nutzen verloren geht, wenn ein weiterer Agent die gleiche Hierarchiestufe erklimmt bzw. den gleichen Titel erh¨alt, ist dem Prinzipal m¨oglicherweise gar nicht bekannt (oder bewusst). Um die beiden Varianten vergleichen zu k¨onnen, 1 1 77 Hierbei gilt zu beachten, dass per Definition z ≤ 4cγ − 4c und γ ≤ eine vollst¨ andige Wissensweitergabe nicht durchsetzbar.

1 1+4cz

gelten muss, ansonsten ist

3.4 Modellerweiterung: Erhalt des Expertenstatus

117

sei nun angenommen, der Agent verliere seinen Zusatznutzen, wenn er nicht mehr der alleinige Experte ist und dieser Umstand sei dem Prinzipal bekannt. Dann muss der Prinzipal zu Anfang, noch vor der Wahl des Agenten 2 (und des γ-Wertes) entscheiden, ob er im Falle eines vollst¨andigen Wissenstransfers auch Agent 2 zum Gruppenleiter oder Laborleiter ernennt oder ob Agent 1 alleine diesen Titel weiterf¨ uhren darf, sofern er im Unternehmen verbleibt. Variante 1 (Agent 1 beh¨alt seinen Expertenstatus) liefert ihm einen erwarteten Gewinn in H¨ohe von    1 3 1 1 s 1 sz  + − , (1 − γ − 4zsγc) + EUP1.0 γ l ≤ γ ≤ γ h = + c 4γc 4γc (1 − γ) 2 1 − γ 2 γc den er aber nur erh¨alt, wenn die Schockwahrscheinlichkeit und der Zusatznutzen von Agent 1 hinreichend niedrig sind und er γ so w¨ahlt, dass zl ≤ z ≤ zh ist. Variante 2 f¨ uhrt zu einem erwarteten Gewinn von EUP1.0 (γ) =

 3 1 1s 1 z  + + − , (1 − γ − 4zγc) + c 4γc 4γc (1 − γ) 2 (1 − γ) 2 c

sofern z ≤ (1 − γ)

−2 (1 − γ) + γc

 (2 − 2γ)

Generell ist die Variante 1 die bessere Wahl f¨ ur den Prinzipal, sofern angenommen werden kann, dass Agent 2 keinen Zusatznutzen aus dem Expertenstatus ziehen w¨ urde.78 Der Grund daf¨ ur ist, dass Agent 1 bei Variante 1 nicht grunds¨atzlich seinen Expertenstatus verliert, wenn er sein gesamtes Wissen weitergibt. Bei Variante 2 muss der Prinzipal den Agent f¨ ur diesen sicheren Verlust entsch¨adigen, was teuer ist. Die Auswirkungen sind, dass der Prinzipal bei Variante 2 ein h¨oheres γ w¨ahlen muss, um einen vollst¨andigen Wissenstransfer zu erreichen. Interessant ist Variante 2 nur dann, wenn kein beliebiges γ gew¨ahlt werden kann. Die Annahme, dass der Prinzipal γ ∈ 0, 1] wirklich frei w¨ahlen kann, erlaubt eine optimale Wahl des Talents von Agent 2. Ein γ =

1 2

bedeutet jedoch bereits, dass Agent

2 nur halb so viel Arbeitsleid bei gleichem Arbeitseinsatz erf¨ahrt, wie Agent 1. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass der Prinzipal zwar aus einem Pool von Bewerbern w¨ahlen kann, aber die verf¨ ugbaren γ-Werte sind m¨oglicherweise nach unten beschr¨ankt. 78 Z¨ oge Agent 2 aus dem Expertenstatus einen Nutzen, h¨ atte dies wieder die Konsequenz, dass der Prinzipal ihm weniger bezahlen muss. Auf eine detaillierte Diskussion der verschiedenen Varianten, welcher Agent wieviel Nutzen aus welcher Situation zieht, soll hier jedoch verzichtet werden.

118

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Ist diese Schranke hinreichend hoch, so dass der Prinzipal nicht das optimale γ w¨ahlen kann, sondern das minimal zur Verf¨ ugung stehende γ min w¨ahlen muss, ist Variante 2 m¨oglicherweise attraktiver. Dies sei anhand eines Zahlenbeispiels erl¨autert: Sei  z=

1 20c

 ,

s=

  1 . 2

Der Wert f¨ ur γ sei frei w¨ahlbar (in Prozent). Bei Variante 1 w¨ahlt der Prinzipal γ = 36%, bei Variante 2 γ = 57%. Seine Erwartungsnutzen lauten dann: 3. 0831 und c 2. 4999 EUPV ar2 (γ = 0.57) = . c EUPV ar1 (γ = 0.36) =

Variante 1 ist attraktiver, was intuitiv plausibel ist, da der Prinzipal bei Variante 1 einen talentierteren Agent 2 einstellen und trotzdem eine vollst¨andige Wissensweitergabe sicherstellen kann. Sei der Bewerberpool nun aber beschr¨ankt und das kleinstm¨ogliche γ min = 80%. Dann w¨ahlt der Prinzipal bei beiden Varianten γ = γ min und erh¨alt   1. 9296 4 = und EUPV ar1 γ = 5 c   4 1. 9523 EUPV ar2 γ = = . 5 c Variante 2 ist hier also die bessere Wahl.

3.4.7 Arbeitsplatzgarantie f¨ ur Experten Eine Arbeitsplatzgarantie bietet im Fall mit Expertenstatus eine Alternative, um Anreize f¨ ur einen Wissenstransfer zu geben, sofern der Prinzipal sich ex ante glaubhaft selbst binden kann. Da Agent 1 keine zus¨atzlichen Kosten verursacht, wenn z nicht Teil seiner Lohnfunktion, sondern nur Teil seiner Nutzenfunktion ist, wird die Arbeitsplatzgarantie sogar noch interessanter als in der ersten Modellerweiterung. Dies gilt insbesondere dann, wenn Agent 1 aus seinem Expertenstatus einen sehr hohen Nutzen zieht. Im Gegensatz zur oben diskutierten Situation, bei der z direkt in die Lohnfunktion des Agenten 1 einging, lohnt sich die Aufnahme der Produktion in dieser Modellerweiterung f¨ ur den Prinzipal auch angesichts sehr große z-Werte. Diese hohen Werte f¨ ur z erlauben allerdings unter den bisher angenommenen Bedingungen keine vollst¨andige Wissensweitergabe. Mit Hilfe einer Arbeitsplatzgarantie kann diese jedoch erreicht werden.

3.4 Modellerweiterung: Erhalt des Expertenstatus

119

Der Nutzen des Prinzipals in Variante 1 lautet, sofern er sich glaubw¨ urdig an eine Arbeitsplatzgarantie binden kann: 2 2 1 β21 1 1 1 β11 β21 1 β11 + − − + + − s c γc 2 c 2 γc 2c 2γc 2γc 1 1 s 1 + − = c γc 2 γc

EUPG (k = 1) =

Lohnt sich eine Arbeitsplatzgarantie, wenn sich ein vollst¨andiger Wissenstransfer durchsetzen ließe? Variante 1: Die Garantie des Arbeitsplatzes f¨ ur Agent 1 lohnt sich nie f¨ ur den Prinzipal, wenn er die M¨oglichkeit hat, mit den oben beschriebenen Anreizvertr¨agen eine vollst¨andige Wissensweitergabe durchzusetzen. Aber eine Arbeitsplatzgarantie ist f¨ ur den Prinzipal immer g¨ unstiger als eine Wissenszur¨ uckhaltung durch den Agenten in Kauf nehmen zu m¨ ussen. EUP1.1 (k = 1, r∗ ) ≥ EUP1.1 (k =  1 3 1 1 s 2 1s 1 sz  ⇔ + + − ≥ − (1 − γ − 4zsγc) + c 4γc 4γc (1 − γ) 2 1 − γ 2 γc c 2c



γ)

Variante 2: EUPG (k = 1) ≥ EUP1.1 (k = 1, r∗ )  1 3 1 1s 1 1 1 s z  ⇔ + + − ≥ + − (1 − γ − 4zγc) + c 4γc 4γc (1 − γ) 2 (1 − γ) 2 c c γc 2 γc   1 γ + 2zγc − 1 + (1 − γ) (1 − 4zγc − γ) ⇔− ≤ s 2 −2γ + γ 2 + 1   1 γ + 2zγc − 1 − (1 − γ) (1 − 4zγc − γ) ≤− 2 1 − 2γ + γ 2 Dies ist immer erf¨ ullt, wenn sich aufgrund von z ≤ (1 − γ)

−2 (1 − γ) + γc

 (2 − 2γ)

ein vollst¨andiger Wissenstransfer umzusetzen lohnt. Bei Variante 2 lohnt sich eine Arbeitsplatzgarantie sogar dann, wenn sich eine vollst¨andige Wissensweitergabe durchsetzen ließe. Ist ein vollst¨andiger Wissenstransfer

120

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

f¨ ur den Prinzipal unrentabel oder l¨asst er sich aufgrund eines hohen Zusatznutzens oder einer großen Schockwahrscheinlichkeit nicht durchsetzen, ist eine Arbeitsplatzgarantie immer von Vorteil f¨ ur den Prinzipal. 3.4.8 Zusammenfassung der Modellerweiterung mit Expertenstatus Die Bezahlung von Agent 1 oberhalb seines Reservationswerts ist – wie gezeigt wurde – nicht unbedingt erforderlich, um eine Wissenszur¨ uckhaltung zu erkl¨aren. Auch wenn der Agent aus seiner Stellung einen zus¨atzlichen Nutzen zieht, kann sich dies negativ auf seine Bereitschaft, sein Wissen vollst¨andig weiterzugeben, auswirken. Zieht ein Agent, der u ugt, einen Nutzen aus seiner Expertenstellung, so ist es f¨ ur den ¨ber Wissen verf¨ Prinzipal sinnvoll, dem Agenten diese Expertenrolle auch f¨ ur den Fall einer vollst¨andigen Wissensweitergabe zu lassen. Muss Agent 1 nicht nur um seinen Arbeitsplatz im Falle eines Schocks, sondern auch ohne Schock um seinen Expertenstatus f¨ urchten, wird er f¨ ur einen vollst¨andigen Wissenstransfer eine h¨ohere Kompensation verlangen. Anders formuliert: will der Prinzipal einen vollst¨andigen Wissenstransfer erreichen, kann er einen talentierteren Agenten 2 einstellen, wenn er dem Agenten 1 dessen alleinigen Expertenstatus garantiert. Eine Ausnahme bildet die folgende Situation: Ist der Pool der m¨oglichen Agenten 2 hinsichtlich ihrer Talente beschr¨ankt und kann der Prinzipal ur ihn lohnender sein, die nicht den f¨ ur ihn optimalen Typ γ = γ ∗ w¨ahlen, kann es f¨ oben diskutierte Alternative 2 zu w¨ahlen, bei der Agent 1 im Falle einer vollst¨andigen Wissensweitergabe seinen Expertenstatus verliert. Eine Arbeitsplatzgarantie auszusprechen, kann auch hier eine lohnende Alternative f¨ ur den Prinzipal sein. Sie ist der Variante 2 auf jeden Fall vorzuziehen. Im Fall von Variante 1 bietet eine Arbeitsplatzgarantie die M¨oglichkeit, einen vollst¨andigen Wissenstransfer zu erreichen, wenn dies ohne Arbeitsplatzgarantie nicht m¨oglich w¨are. Nur dann lohnt sich eine solche Garantie aus Sicht des Prinzipals. 3.5 Modellvariante: Beschr¨ ankte Haftung der Agenten 3.5.1 Zus¨atzliche Modellannahmen Bislang wurde angenommen, dass die Agenten risikoneutral sind. Diese Annahme f¨ uhrt dazu, dass der Prinzipal die gesamte Produktion an die Agenten verkauft und diese daraufhin den optimalen Arbeitseinsatz w¨ahlen. Sieht man die Agenten jedoch als Arbeitnehmer an, ist die M¨oglichkeit eines negativen Fixums αi nicht sehr plausibel. Auch bei einer hohen Erfolgsbeteiligung des Agenten ist dieser m¨oglicherweise nicht dazu bereit, zun¨achst in Vorleistung zu gehen und dem Prinzipal die Produktion abzukaufen.

3.5 Modellvariante: Beschr¨ankte Haftung der Agenten

121

Daher sei nun angenommen, dass die Agenten keinen negativen Lohn erhalten d¨ urfen. F¨ ur die L¨ohne gelte daher: wij ≥ 0. Unter dieser neuen Annahme wird im Folgenden das Grundmodell aus 3.2 betrachtet. Zum Zeitpunkt t = 1.1 bietet der Prinzipal den Agenten, Anreizvertr¨age79 an, die den Anreizvertr¨agen aus dem Grundmodell weitestgehend entsprechen. Den einzigen Unterschied bildet die neue Nebenbedingung αi1 ≥ 0.80 Auf Stufe, t = 1.3 w¨ahlt Agent 1 die H¨ohe seiner Wissensweitergabe, im Anschluss w¨ahlen die Agenten ihre optimalen Leistungsanstrengungen. Die Periode 2 gestaltet sich analog zum Grundmodell, wobei auch in der zweiten Periode die neue Annahme zum Tragen kommt, dass αi2 ≥ 0 sein muss. Zur L¨osung dieser Modellvariante mittels R¨ uckw¨artsinduktion siehe 5.9. Der Prinzipal wird bei beschr¨ankter Haftung nur dann die Produktion aufnehmen, wenn z ≤

1 . 4c

Die maximal zul¨assige zus¨atzliche Zahlung ist also nur halb so groß wie im

Grundmodell. Im Vergleich zum Grundmodell ist diese Modellvariante f¨ ur den Prinzipal ung¨ unstiger, da er die Agenten versichern muss. Sein erwarteter Gewinn ist daher geringer als im Grundmodell. Lemma 8 Agent 1 kann sich unentbehrlich machen, indem er Wissen √ zur¨ uckh¨alt. Hierzu darf er h¨ochstens Wissen in H¨ohe von k ≤ 1 − 4cz weitergeben.81 Die kritische Menge k =



(1 − 4cz) ist unter der Annahme beschr¨ankter Haftung

kleiner als im Grundmodell.

79 Die Anreizvertr¨ age lauten w11 (y11 , y21 ) = z + α11 + β11 y11 + ry21 w21 (y21 ) = α21 + β21 y21 Hierbei gilt wieder β21 + r ≤ 1. 80 Analog zum Grundmodell lauten die Teilnahmebedingungen der Agenten: EU11.2 (α11 , β11 , r) ≥ 0 und EU21.2 (α21 , β21 ) ≥ 0. Aus der neuen Nebenbedingung αi1 ≥ 0 ergibt sich aber intuitiv, dass die Teilnahmebedingungen nicht bindend sind. 81 Beweis von Lemma 8: Der Prinzipal entl¨ asst Agent 2, wenn  2 1 EUP2.1.1 ≥ EUP2.2.1 ⇔ 4c − z ≥ k4c ⇔ k ≤ (1 − 4cz).  1 ur z ≤ 4c definiert. Ist die zus¨atzliche Zahlung z gr¨oßer, Die Ungleichung k ≤ (1 − 4cz) ist nur f¨ so wird der Prinzipal immer Agent 1 entlassen, falls ein Schock auftritt.

122

3 Steuerung der Wissensweitergabe durch Anreizvertr¨age

Der Prinzipal kann Anreize f¨ ur eine vollst¨andige Wissensweitergabe bieten, indem er r≥

s 2β21

bzw, r ≥

1 1 − (1 − s) 2 2

w¨ahlt.82 Korollar 7 Der Prinzipal bietet Agent 1 folgenden Vertrag an: ⎧    1 1 1 1 ⎪ ur z ∈ z1 , 4c ⎪ ⎨ 0, 2 , 2 − 2 (1 − s) f¨ ∗ ∗ , β11 , r∗ ) = (α11 ur z < z1 0, 12 , ε → 0 f¨ ⎪ ⎪ ⎩ 0 f¨ ur z > 1 4c

w¨ahrend Agent 2 folgenden Vertrag erh¨alt: ⎧    1 1 1 ⎪ ur z ∈ z1 , 4c ⎪ ⎨ 0, 2 + 2 (1 − s) f¨ ∗ ∗ , β21 )= (α21 ur z < z1 0, 12 f¨ ⎪ ⎪ ⎩ 0 f¨ ur z > 1 4c

mitz1 =

1 1 + (1 − s). 8c 4c

3.5.2 Zusammenfassung der Modellvariante mit beschr¨ankter Haftung Ein wesentlicher Unterschied im Modell mit beschr¨ankter Haftung besteht darin, dass ussen. Daf¨ ur ist die die Agenten keine Teilnahmegeb¨ uhr” in H¨ohe von αij bezahlen m¨ ” Beteiligung von Agent 1 am eigenen Ertrag geringer: Statt β11 = 1 erh¨alt Agent 1 nur β11 = 12 . Der Prinzipal tr¨agt damit die H¨alfte des Produktionsrisikos mit, w¨ahrend er im Grundmodell ein Fixum erh¨alt und den Agenten daf¨ ur ihr gesamtes Produktionsergebnis u ¨berl¨asst. Agent 2 erh¨alt einen gr¨oßeren Anteil an seiner Produktion, wenn der Prinzipal ur einen einen vollst¨andigen Wissenstransfer bevorzugt.83 Dies liegt daran, dass die f¨ vollst¨andigen Wissenstransfer notwendige Beteiligung von Agent 1 am Ertrag von Agent 2 im Modell mit beschr¨ankter Haftung geringer ausf¨allt. Auch hier gilt β21 = 1 − r. Der Prinzipal entschließt sich nur dann zur Produktion, wenn z≤

1 , 4c

d.h. die zus¨atzliche Zahlung, die Agent 1 erh¨alt, darf nur halb so groß sein wie im Grundmodell, damit eine Produktion sich u ur den Prinzipal lohnt. ¨berhaupt f¨ 82 Dies f¨ uhrt wiederum zu der Schlussfolgerung, dass ein kompletter Wissenstransfer nur erreicht werden kann, wenn die Schockwahrscheinlichkeit   s hinreichend klein ist mit s ≤ 4β21 r. 83 Agent 2 erh¨ alt 12 + 12 (1 − s) statt 12 + 12 (1 − 2s).

3.5 Modellvariante: Beschr¨ankte Haftung der Agenten

123

Im Gegensatz zum Grundmodell gibt es allerdings keine hohen Werte von z, bei denen der Prinzipal eine Wissenszur¨ uckhaltung bevorzugt. F¨ ur alle Werte von z≥

1 1 + (1 − s), 8c 4c

bei denen die Aufnahme der Produktion lohnenswert ist, bevorzugt der Prinzipal einen vollst¨andigen Wissenstransfer. Allerdings ist Agent 1 nur bereit, sein Wissen vollst¨andig weiterzugeben, wenn gilt z≥

1c−1 ; 4 c2

dies ist f¨ ur z≥

1 1 + (1 − s) 8c 4c

immer erf¨ ullt, wenn c≥ gilt (was f¨ ur s ≤

3 4

2  1 − 2 (1 − s)

immer der Fall ist), bzw. s≤

3 1 1 + − , 4 c c2

wobei zu beachten ist, dass die rechte Seite dieser Ungleichung nur f¨ ur Werte von c≥

2 3

positiv wird. Damit also ein vollst¨andiger Wissenstransfer stattfindet, muss 2  1 1 3 1 + − 2 ≥ s ≥ 1 − 4cz − 4 c c 2 gelten, was f¨ ur c < 1 und z ≥

1 4c2

c > 1 und z
0. Vgl. z.B. Lindner (1998).

134

4 Diskussion

garantien wurden untersucht. Dennoch ist diese Untersuchung unvollst¨andig, denn die Betrachtung echter” langfristiger Vertr¨age f¨ ur beide Agenten, gegebenenfalls mit Nach” verhandlungsoption und die Frage, welche Kosten mit der Selbstbindung des Prinzipals einhergehen, wurde vernachl¨assigt. Bei der Betrachtung eines zwei Perioden Modells w¨are die Einf¨ uhrung eines Diskontierungsfaktors angemessen. Dieser k¨onnte die Entscheidung des ersten Agenten durchaus beeinflussen, da er seine Entscheidung u ¨ber die weiterzugebende Wissensmenge in Abh¨angigkeit vom Diskontsatz tr¨afe. Bewertet er z.B. seine Lohnzahlung in der ersten Periode deutlich h¨oher, steigt sein Anreiz f¨ ur eine vollst¨andige Wissensweitergabe, da er die Belohnung hierf¨ ur schon in der ersten Periode erh¨alt. Die grunds¨atzlichen Aussagen des Modells blieben hiervon jedoch unber¨ uhrt, die kritischen Werte w¨ urden sich jedoch a¨ndern. Es w¨are auch eine Modellerweiterung denkbar, bei der die Agenten einen indirekten Einfluss auf die Schockwahrscheinlichkeit haben. Bestimmt der gemeinsam erbrachte Ertrag in der ersten Periode die Situation des Unternehmens in der Folgeperiode, k¨onnen die Agenten also durch besonders gute Leistung verhindern, dass in der zweiten Periode ein Agent entlassen werden muss, kommen viele interessante Aspekte hinzu. Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass die Beziehung zwischen den beiden Agenten im untersuchten Modell nicht ausreichend gew¨ urdigt wird. Die M¨oglichkeit der beiden Agenten, untereinander Kontrakte zu schließen, wird nicht in Betracht gezogen. Ebenso wenig die M¨oglichkeit des ersten Agenten, auf einen Teil seines zus¨atzlichen Nutzens z zu verzichten,28 um seinen Arbeitsplatz zu sichern. All diese M¨oglichkeiten bieten interessante Ans¨atze f¨ ur weitere Forschung. 4.4 Fazit Zu Beginn dieser Arbeit wurden Beispiele f¨ ur Wissensweitergabe und Wissenszur¨ uckhaltung in Organisationen gegeben. Hieraus leiteten sich die zentralen Fragen dieser Arbeit ab: Ist Wissen Macht und wenn ja, wie ¨außert sich dies und wo liegen die Beschr¨ankungen dieser Macht? Gibt es ¨okonomische Erkl¨arungen daf¨ ur, dass Agenten ihr Wissen nicht mit anderen teilen? Kann ein Wissenstransfer durch Anreizsysteme sichergestellt werden? Welche Faktoren spielen bei der Entscheidung u ¨ber Wissensweitergabe eine Rolle? Lohnt es sich immer f¨ ur alle Beteiligten, Anreize f¨ ur eine vollst¨andige Wissensweitergabe zu setzen? Welche Rahmenbedingungen in Organisationen f¨ordern Wissensweitergabe und welche behindern sie? 28 Dies w¨ are nat¨ urlich nur im Grundmodell und in der ersten Modellerweiterung m¨oglich, wo z als Lohnbestandteil angesehen wird.

4.4 Fazit

135

Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen wurde in Kapitel 2 zun¨achst versucht, die Begriffe Wissen und Macht einzugrenzen. Hierzu wurde der Begriff Wissen zun¨achst den verwandeten Begriffen Information und Humankapital gegen¨ ubergestellt.29 Anhand der Literatur aus verschiedenen Disziplinen, vornehmlich Psychologie und Soziolgie, aber ¨ auch Philosophie und nat¨ urlich Okonomie, wurden die Prozesse des Wissenserwerbs und der Wissensweitergabe erl¨autert, wobei ein Schwerpunkt auf die Unterschiede zwischen explizitem und implizitem Wissen gelegt wurde.30 Dem Thema Wissensmanagement wurde ebenfalls große Aufmerksamkeit geschenkt, da die Steuerung des Wissens in den meisten Unternehmen eine wichtige Rolle spielt.31 Der Begriff Macht wurde anhand der Unterscheidung zwischen Macht und Autorit¨at, also realer und formaler Macht definiert.32 Der Verteilung von Entscheidungsrechten wurde und wird in der ¨okonomischen Forschung viel Aufmerksamkeit geschenkt.33 Jedoch handelt es sich bei Entscheidungsrechten um formale Macht. Der Stand der ¨okonomischen Forschung zum Thema reale Macht ist hingegen nach wie vor unbefriedigend. Zwar gibt es eine F¨ ulle von Literatur zum Thema Macht, oft beschr¨ankt diese sich aber ¨ auf rein deskriptive Betrachtungen. Reale Macht angemessen zu modellieren, stellt Okonomen immer noch vor große Probleme. Abgesehen von den Schwierigkeiten bei der Modellierung gibt es grunds¨atzliche Bedenken gegen die Ber¨ ucksichtigung von Macht in ¨okonomischen Modellen.34 Die Messbarkeit von Macht stellt ebenfalls ein Problem dar.35 Unter den o¨konomischen Arbeiten, die eine Verkn¨ upfung zwischen Wissen und Macht herstellen,36 finden sich einige modelltheoretische Ans¨atze.37 Diese modellieren reale Macht indirekt in Prinzipal-Agenten-Modellen. Im Rahmen dieser Modelle wird der Unterschied zwischen der formalen Autorit¨at, die der Prinzipal besitzt und der realen Macht des Agenten deutlich: Der Prinzipal nutzt seine formale Autorit¨at, um einen Anreizvertrag zu gestalten, der dem Agenten bei rationalem Verhalten eine bestimmte Handlung vorgibt.38 Die reale Macht des Agenten besteht im Aushandeln der Vertragsbedingungen. 29 Siehe Unterabschnitt 2.1.1. 30 Zum Wissenserwerb siehe Unterabschnitt 2.1.2. Die Wissensweitergabe bei explizitem und implizitem Wissen wird in Unterabschnitt 2.1.3 behandelt. 31 Zu Wissensmanagement siehe 2.1.4. 32 Vgl. Unterabschnitt 2.2.1. 33 Siehe hierzu den Literatur¨ uberblick in 2.2.2. 34 Vgl. z.B. Grandori / Kogut (2002, S. 229f). Kogut bef¨ urchtet den Verlust ”analytischer Sch¨arfe” bei der Ber¨ ucksichtigung von Macht. Grandori hingegen ¨ außert an dieser Stelle die Vermutung, dass ”Theorien ’tats¨achlicher Macht’ [...] wahrscheinlich zu anderen, pr¨aziseren, bereits verf¨ ugbaren okonomischen und Organisationstheorien ¨ aquivalent sind”. ¨ 35 Auf verschiedene Ans¨ atze, Macht zu quantifizieren, wurde in 2.2.3 eingegangen. 36 Siehe hierzu die in 2.3 zitierten Autoren. 37 Hier sei besonders auf Rajan / Zingales (1998; 2001) und Kr¨ akel (1999; 2002) verwiesen. 38 Hierbei ber¨ ucksichtigt der Prinzipal jedoch die Teilnahme- und Anreizkompatibilit¨atsbedingungen des Agenten, so dass dieser keinen Anreiz hat, abzuweichen.

136

4 Diskussion

Dies kann dazu f¨ uhren, dass eine vom Prinzipal bevorzugte L¨osung nicht durchsetzbar ist. Analog hierzu wurde ein eigenes Modell entwickelt.39 Dazu wurde zun¨achst anhand von Beispielen aus der Praxis die Intuition einiger Modellannahmen gegeben. Basierend auf diesen Annahmen wurde ein Grundmodell entwickelt, in dem ein Agent u ¨ber Wissen verf¨ ugt und u ¨ber die Weitergabe dieses Wissens entscheiden kann.40 Der Prinzipal hat in diesem Modell ein Interesse daran, dass dieser Agent seinem Kollegen Wissen weitergibt, denn nur so kann der zweite Agent produktiv werden. Da in der zweiten Periode jedoch mit positiver Wahrscheinlichkeit ein Agent entlassen werden muss, w¨agt der wissende Agent ab, ob er lieber viel Wissen weitergibt, was ihm durch einen Anreizvertrag entlohnt wird, oder sich lieber durch Wissenszur¨ uckhaltung unentbehrlich macht. Der Prinzipal wiederum kann die Entscheidung der Agenten antizipieren und maximiert daher seinen erwarteten Nutzen, indem er entweder Anreize f¨ ur einen vollst¨andigen Wissenstransfer setzt und im Falle eines Schocks Agenten 1 entl¨asst oder eine Wissenszur¨ uckhaltung in Kauf nimmt. Es konnte gezeigt werden, dass es f¨ ur den Prinzipal unter bestimmten Voraussetzungen optimal sein kann, dem wissenden Agenten eine Arbeitsplatzgarantie zu geben, obwohl dieser Agent eine zus¨atzliche Zahlung erh¨alt und somit teurer f¨ ur den Prinzipal ist.41 Dies gilt unter Umst¨anden sogar dann, wenn der zweite Agent talentierter ist und ur den wissenden Agendaher weniger Arbeitsleid erf¨ahrt.42 Eine Arbeitsplatzgarantie f¨ ten ist genau dann f¨ ur den Prinzipal attraktiv, wenn ein Schock in der zweiten Periode sehr wahrscheinlich ist oder wenn der Agent eine besonders hohe zus¨atzliche Zahlung urfte es allerdings besonders schwierig f¨ ur den Prinzipal sein, erh¨alt.43 In diesem Falle d¨ sich glaubw¨ urdig selbst zu binden, da ein hoher Anreiz besteht, im Falle eines Schocks nach erfolgtem vollst¨andigen Wissenstransfer den teuren Agenten zu entlassen. Kann der Prinzipal sich nicht glaubw¨ urdig selbst binden oder sind aus anderen Gr¨ unden keine langfristigen Vertr¨age m¨oglich, so wird der Prinzipal bei der Auswahl des zweiten Agenten darauf verzichten, denjenigen mit dem gr¨oßten Talent einzustellen. Er wird den Agenten 2 so w¨ahlen, dass dennoch ein vollst¨andiger Wissenstransfer gew¨ahrleistet werden kann. Erm¨oglichen die Schockwahrscheinlichkeit oder die zus¨atzliche Zahlung an den wissenden Agenten jedoch keine vollst¨andige Wissensweitergabe, ist der Prinzipal bez¨ uglich des Talents des zweiten Agenten indifferent. Ein besonders talentierter Agent 39 40 41 42 43

Siehe Kapitel 3. Das Grundmodell findet sich in Abschnitt 3.2. Siehe zur Besch¨ aftigungsgarantie im Grundmodell Unterabschnitt 3.2.3. Dies wird in der Modellerweiterung in 3.3 gezeigt. Vgl. Unterabschnitt 3.3.3.

4.4 Fazit

137

2 bringt dem Prinzipal in diesem Fall keinen h¨oheren Nutzen als ein untalentierter. Insofern muss die eingangs gestellte Frage Ist Wissen Macht?“ zumindest unter be” stimmten Umst¨anden bejaht werden. Ein Agent, der betriebsnotwendiges Wissen besitzt, kann dadurch Einfluss auf Personalentscheidungen aus¨ uben. Er kann sich m¨oglicherweise unentbehrlich machen und somit sogar eine Arbeitsplatzgarantie attraktiv erscheinen lassen. Aber auch bei der Auswahl eines weiteren, talentierteren Kollegens kommt die Macht des wissenden Agenten zum Tragen und f¨ uhrt ggf. sogar dazu, dass der Prinzipal nicht den bestm¨oglichen Agenten 2 einstellt. Der Grund, weshalb ein Agent sein Wissen zumindest teilweise f¨ ur sich beh¨alt, muss nicht eine Entlohnung oberhalb des Reservationswertes sein. Auch ein zus¨atzlicher (nichtmonet¨arer) Nutzen, den der Agent beispielsweise aus seiner Stellung als Experte zieht, kann dazu f¨ uhren, dass er nicht gewillt ist, sein Wissen weiterzugeben.44 Es wurden zwei verschiedene Situationen verglichen: Bei Variante 1 behielt der ex ante wissende Agent seinen Expertenstatus, auch wenn sein Kollege in der zweiten Periode u ¨ber die gleiche Menge an Wissen verf¨ ugte.45 Bei Variante 2 bedeutete eine vollst¨andige Wissensweitergabe auch den sicheren Verlust des Expertenstatus und damit des zus¨atzlichen Nutzens.46 Variante 1 erwies sich in den meisten F¨allen als attraktiver f¨ ur den Prinzipal. Sie erlaubt dem Prinzipal bei Sicherstellung eines vollst¨andigen Wissenstransfers die Auswahl eines talentierteren Agenten 2 als Variante 2. Nur wenn die Auswahl an potenziellen Agenten bez¨ uglich ihres Talents beschr¨ankt ist, kann die zweite Variante Vorz¨ uge gegen¨ uber der ersten haben. Erh¨alt der wissende Agent keine zus¨atzliche Zahlung, sondern einen Zusatznutzen aus seinem Expertenstatus, stellt sich der Prinzipal in bestimmten Situationen mit einer Arbeitsplatzgarantie f¨ ur Agent 1 besser. Da der Prinzipal keine zus¨atzlichen Kosten tragen muss, wenn er Agent 1 im Falle eines Schocks beh¨alt, ist ein langfristiger Vertrag im Rahmen dieser Modellerweiterung sogar noch attraktiver als in den vorher betrachteten Situationen. Eine Arbeitsplatzgarantie lohnt sich bei Variante 2 sogar dann, wenn der Prinzipal u ¨ber kurzfristige Anreizvertr¨age eine vollst¨anidge Wissensweitergabe durchsetzen k¨onnte.47 Der letzte Abschnitt von Kapitel 3 zeigte mittels einer Modellvariante, wie sich eine Haftungsbeschr¨ankung f¨ ur die Agenten auf die Bereitschaft zum Wissenstransfer auswirkt. Auch im Falle beschr¨ankter Haftung kann es f¨ ur den Prinzipal lohnend sein, darauf zu verzichten, eine vollst¨andige Wissensweitergabe durchzusetzen. Allerdings ist dies nur 44 45 46 47

Siehe Abschnitt 3.4. Vgl. 3.4.2. Siehe Unterabschnitt 3.4.4. Zur Besch¨ aftigungsgarantie in der Modellerweiterung mit Expertenstatus siehe Unterabschnitt 3.4.7.

138

4 Diskussion

noch im Fall einer niedrigen zus¨atzlichen Zahlung der Fall.48 Das Modell und seine Erweiterungen wurden in Kapitel 4 ausf¨ uhrlich diskutiert. Hierbei wurden zun¨achst die Ergebnisse mit denen anderer Arbeiten verglichen.49 Anschließend wurden die Modellannahmen kritisch hinterfragt und Anregungen f¨ ur m¨ogliche Modellerweiterungen gegeben.50 Abschließend l¨asst sich sagen, dass das hier verwendete Modell und seine Erweiterungen Beispiele daf¨ ur liefern, unter welchen Bedingungen Wissenszur¨ uckhaltung rational sein kann und wann es einem Agenten mit Wissen gelingt, sich unentbehrlich zu machen. Obwohl viele Faktoren in diesem Modell außer Acht gelassen wurden und das Modell daher noch weit davon entfernt ist, ein getreues Abbild der Realit¨at zu liefern, bietet es doch erste Anhaltspunkte f¨ ur eine Erkl¨arung des Ph¨anomens der Wissenszur¨ uckhaltung. Dennoch ist der gegebene Forschungsbedarf auf diesem Gebiet unzweifelhaft immens.

48 Zur Modellvariante mit beschr¨ ankter Haftung f¨ ur die Agenten siehe 3.5. 49 Eine Zusammenfassung der wesentlichen Modellergebnisse findet sich in Abschnitt 4.1. Dem folgt in Abschnitt 4.2 die Einordnung des Modells in die aktuelle Forschung. 50 Vgl. Abschnitt 4.3.

5 Mathematischer Anhang

5.1 Appendix A: Beweis von Satz 3.2.2:

Die Kuhn-Tucker-Nebenbedingungen:1 λ1 ≥ 0,

2β21 r − s ≥ 0,

λ2 ≥ 0,

1 − r − β21 ≥ 0,

λ3 ≥ 0,

β21 ≥ 0,

λ4 ≥ 0,

r ≥ 0,

λ5 ≥ 0,

1 − β21 ≥ 0,

λ6 ≥ 0,

1 − r ≥ 0, 1 1 β21 − − (1 − 2s) ≥ 0, 2 2  1 1 + (1 − 2s) − β21 ≥ 0. 2 2

λ7 ≥ 0, λ8 ≥ 0,

Der erwartete Gewinn des Prinzipals l¨asst sich unter den obigen Nebenbedingungen als Lagrangefunktion schreiben: L =

2 2 1 β11 1 β21 1 1s β11 β21 + − 2z − − + − + sz + c c 2 c 2 c c 2c λ1 (2β21 r − s) + λ2 (1 − r − β21 ) + λ3 (β21 ) + λ4 (r) + λ5 (1 − β21 ) +     1 1 1 1 λ6 (1 − r) + λ7 β21 − − + (1 − 2s) + λ8 (1 − 2s) − β21 2 2 2 2

∗ = 1 die optimale Anreizkomponente f¨ ur den Prinzipal ist, wie oben bereits Da β11

gezeigt wurde, k¨onnen wir den optimalen Wert f¨ ur β11 in die Lagrangefunktion einsetzen.

1 Siehe hierzu beispielsweise Mas-Colell / Whinston / Green (1995, S. 959ff).

140

5 Mathematischer Anhang

2 1 β21 1 1 1 β21 1 1s + − 2z − − + − + sz + c c 2c 2 c c 2c λ1 (2β21 r − s) + λ2 (1 − r − β21 ) + λ3 (β21 ) + λ4 (r) + λ5 (1 − β21 ) +     1 1 1 1 λ6 (1 − r) + +λ7 β21 − − + (1 − 2s) + λ8 (1 − 2s) − β21 2 2 2 2 2 3 β21 1 β21 1s = + − 2z − − + sz + 2λ1 β21 r − λ1 s + 2c c 2 c 2c λ2 − λ2 r − λ2 β21 + λ3 β21 + λ4 r + λ5 − λ5 β21 + λ6 − 1 1  1 1  λ6 r + λ7 β21 − λ7 − λ7 (1 − 2s) + λ8 + λ8 (1 − 2s) − λ8 β21 2 2 2 2

L =

Leitet man nun die Lagrangefunktion nach der Anreizkomponente f¨ ur Agent 2, β21 , sowie nach der Beteiligung von Agent 1 am Ertrag von Agent 2, r, ab, so erh¨alt man: ! 1 β21 ∂L − + 2λ1 r − λ2 + λ3 − λ5 + λ7 − λ8 ≤ 0 = ∂β21 c c ! ∂L = 2λ1 β21 − λ2 + λ4 − λ6 ≤ 0 ∂r

Daraus ergeben sich die folgenden Nebenbedingungen, von denen je eine (bindend) erf¨ ullt ist: Entweder λ1 = 0 oder 2β21 r − s = 0, Entweder λ2 = 0 oder 1 − r − β21 = 0, Entweder λ3 = 0 oder β21 = 0, Entweder λ4 = 0 oder r = 0, Entweder λ5 = 0 oder 1 − β21 = 0, Entweder λ6 = 0 oder 1 − r = 0, 1 1 − (1 − 2s) = 0, 2 2  1 1 Entweder λ8 = 0 oder + (1 − 2s) − β21 = 0, 2 2 1 β21 Entweder β21 = 0 oder − + 2λ1 r − λ2 + λ3 − λ5 + λ7 − λ8 = 0, c c Entweder r = 0 oder 2λ1 β21 − λ2 + λ4 − λ6 = 0.

Entweder λ7 = 0 oder β21 −

5.2 Appendix B: Beweis von Lemma 3:

141

Per Widerspruchsbeweis kann man nun zeigen, dass die beiden Nebenbedingungen β21 + r ≤ 1 und r ≥

s 2β21

bindend erf¨ ullt sein m¨ ussen. Es sei angenommen, dass die zweite Nebenbedingung nicht bindend ist und somit 1 − r − β21 > 0. Dies hat zur Folge, dass λ2 = 0, λ5 = 0 und λ6 = 0 gelten muss. Daraus ergibt sich, dass entweder r = 0 und λ1 = 0, oder dass 2λ1 β21 + λ4 = 0 sein muss, was nicht sein kann. Also m¨ usste r = 0 gelten und damit entweder β21 = 0,

λ7 = 0 und λ8 = 0 oder

1 β21 − + λ7 − λ8 = 0, c c

uhrt, was nicht sein kann oder zu was entweder zu β21 = 1 f¨ 1 − c

1 2

+

1 2

 (1 − 2s) = 0, c

was nur f¨ ur eine Schockwahrscheinlichkeit von s = 0 erf¨ ullt w¨are und angesichts einer als positiv angenommenen Schockwahrscheinlichkeit unm¨oglich ist. W¨are 1 − r − β21 < 0, dann g¨alte auch λ2 = 0, λ3 = 0, λ4 = 0 und 2λ1 β21 − λ6 = 0. Damit w¨are entweder λ1 = 0, λ6 = 0, λ7 = 0, λ8 = 0 und

1 c



β21 c

= λ5 , was nicht sein

kann. Daraus l¨asst sich schließen, dass die Bedingung 1 − r − β21 = 0 bindend ist. Nun sei angenommen, dass Nebenbedingung 1 nicht bindend ist und damit 2β21 r−s > 0. Dann m¨ usste auch gelten, dass λ1 = 0, λ3 = 0, λ4 = 0 und −λ2 − λ6 = 0, was nur m¨oglich ist, wenn 1 − r − β21 = 0 und 1 − r = 0 gilt. Dies kann nur der Fall sein, wenn r = 1 und β21 = 0, was nicht m¨oglich ist. Daraus k¨onnen wir schließen, dass die Nebenbedingung 2β21 r − s = 0 ebenfalls bindend ist. 

5.2 Appendix B: Beweis von Lemma 3: Der Prinzipal beh¨alt im Falle eines Schocks Agent 1, wenn gilt: EUP2.1.1 ≥ EUP2.2.1 ⇔

 1 2 1 −z ≥ k ⇔ k ≤ γ − 2γcz 2c 2γc

Der erwartete Gewinn des Prinzipals, wenn er Agent 2 beh¨alt, h¨angt davon ab, wieviel Wissen Agent 1 in Periode 1 weitergegeben hat. Wurde viel Wissen weitergegeben √ (k > γ − 2γcz), so entl¨asst der Prinzipal Agent 1. Hat Agent 1 nur wenig Wissen

142

5 Mathematischer Anhang

weitergegeben (k ≤



γ − 2γcz), so hat er sich unentbehrlich gemacht und der Prinzipal

entl¨asst Agent 2. 

5.3 Appendix C: Beweis von Lemma 4:

Eine vollst¨andige Wissensweitergabe findet statt, wenn:    EU11.3 (k = 1) ≥ EU11−3 k = γ − 2γcz ⇔ r ≥

zsγc β21 (1 − γ + 2γcz)

Im Umkehrschluss muss nat¨ urlich gelten s≤

rβ21 (1 − γ + 2γcz) , zγc

d.h. die Schockwahrscheinlichkeit darf nicht zu hoch sein, wenn eine vollst¨andige Wissensweitergabe gew¨ahrleistet werden soll. 

5.4 Appendix D: Beweis von Satz 3.3.2:

Die Kuhn-Tucker-Nebenbedingungen: λ1 ≥ 0,

rβ21 − rβ21 γ + 2rβ21 γcz − zsγc ≥ 0

λ2 ≥ 0,

1 − r − β21 ≥ 0

λ3 ≥ 0,

β21 ≥ 0

λ4 ≥ 0,

r≥0

λ5 ≥ 0,

1 − β21 ≥ 0

λ6 ≥ 0,

1−r ≥0

λ7 ≥ 0,

γ≥0

λ8 ≥ 0,

1−γ ≥0

λ9 ≥ 0,

β11 ≥ 0

λ10 ≥ 0,

1 − β11 ≥ 0

5.4 Appendix D: Beweis von Satz 3.3.2:

143

Die Funktion u ¨ber den erwarteten Gewinn des Prinzipals l¨asst sich dann als Lagrangefunktion wie folgt formulieren: L =

2 2 1 β11 1 β21 1 1 1s β11 β21 + − 2z − − + + − + sz + c γc 2 c 2 γc 2c 2γc 2 c λ1 (rβ21 − rβ21 γ + 2rβ21 γcz − zsγc) + λ2 (1 − r − β21 ) +

λ3 (β21 ) + λ4 (r) + λ5 (1 − β21 ) + λ6 (1 − r) + λ7 (γ) + λ8 (1 − γ) + λ9 (β11 ) + λ10 (1 − β11 ) 1 1 = + λ8 − λ2 r − λ1 rβ21 γ + λ6 + λ2 + λ5 + − 2γc 2c 2 β11 1s 1 β21 β21 + + λ10 − 2z + + λ3 β21 − + sz − λ10 β11 − 2 γc γc c 2c 2 1 β11 − λ1 zsγc + 2λ1 rβ21 γcz + λ8 γ − λ6 r − λ5 β21 − 2 c λ7 γ − λ2 β21 + λ4 r + λ1 rβ21 + λ9 β11 Diese Lagrangefunktion wird nun nach den Anreizkomponenten der beiden Agenten, β11 und β21 , sowie nach der Beteiligung von Agent 1 am Ertrag des anderen Agenten, r, abgeleitet, ebenso nach dem Talent des Agenten 2, γ. ∂L ∂β11 ∂L ∂β21 ∂L ∂r ∂L ∂γ

β11 1 + + λ9 − λ10 ≤ 0 c c 1 β21 + + λ3 − λ5 + 2λ1 rγcz − λ2 + λ1 r ≤ 0 = −λ1 rγ − γc γc = −

= −λ2 − λ1 β21 γ − λ6 + 2λ1 β21 γcz + λ4 + λ1 β21 ≤ 0 = −

2 1 β21 1 β21 − λ1 rβ21 + − − λ8 − λ1 zsc + 2λ1 rβ21 cz + λ7 ≤ 0 2 2 2γ c 2 γ c γ2c

144

5 Mathematischer Anhang

Daraus ergeben sich folgende Nebenbedingungen: entweder ist λ1 = 0 oder

rβ21 − rβ21 γ + 2rβ21 γcz − zsγc = 0,

entweder ist λ2 = 0 oder

1 − r − β21 = 0,

entweder ist λ3 = 0 oder

β21 = 0,

entweder ist λ4 = 0 oder

r = 0,

entweder ist λ5 = 0 oder

1 − β21 = 0,

entweder ist λ6 = 0 oder

1 − r = 0,

entweder ist λ7 = 0 oder

γ = 0,

entweder ist λ8 = 0 oder

1 − γ = 0,

entweder ist λ9 = 0 oder

β11 = 0,

entweder ist λ10 = 0 oder entweder ist β21 = 0 oder

1 − β11 = 0, 1 β21 + + λ3 − γc γc λ5 + 2λ1 rγcz − λ2 + λ1 r = 0, −λ1 rγ −

−λ2 − λ1 β21 γ −

entweder ist r = 0 oder

λ6 + 2λ1 β21 γcz + λ4 + λ1 β21 = 0, β11 1 + + λ9 − λ10 = 0, − entweder ist β11 = 0 oder c c 2 1 β21 1 β21 entweder ist γ = 0 oder − 2 − λ1 rβ21 + − − λ8 − 2 2γ c 2 γ c γ2c λ1 zsc + 2λ1 rβ21 cz + λ7 = 0. Wenn gilt 1 − β11 > 0, dann ist λ10 = 0 und entweder − βc11 +

1 c

+ λ9 = 0, was ein

negatives λ9 zur Folge h¨atte oder λ9 = 0. In diesem Fall ist entweder β11 = 0, was nicht sein kann, wenn λ9 = 0 ist, oder − βc11 +

1 c

= 0, was zu einem Widerspruch f¨ uhrt. Somit

muss gelten β11 = 1. W¨are 1 − r − β21 > 0, dann g¨alte auch λ2 = 0, λ5 = 0, λ6 = 0. Damit w¨are entweder r = 0 oder −λ2 − λ1 β21 γ − λ6 + 2λ1 β21 γcz + λ4 + λ1 β21 = 0. Da aber λ4 ≥ 0 sein muss, wenn r nicht 0 ist, m¨ usste nun gelten λ4 = −λ1 β21 (1 − γ + 2γcz) , was negativ ist und somit nicht sein kann. Daher m¨ usste gelten r = 0. Zudem m¨ usste entweder β21 γc 1 − γc

1 γc

β21 = 0 sein oder −λ1 rγ −

+

λ3 = −λ1 r (1 − γ + 2γcz)

(1 − β21 ) , was negativ ist und daher nicht sein kann,

+ λ3 + 2λ1 rγcz + λ1 r = 0. In diesem Falle g¨alte

usste also gelten β21 = 0. Außerdem weil λ3 positiv sein muss, sofern β21 ≥ 0 ist. Es m¨ ur γ = 0 sein k¨onnte. Die L¨osung g¨alte entweder λ1 = 0 oder −sγcz = 0, was nur f¨ r, β21 , γ = 0 kann jedoch ausgeschlossen werden, da γ per definitionem nicht 0 sein kann,

5.5 Appendix E: Beweis von Satz 3.3.2:

145

sondern positiv ist. Ist γ ≥ 0, so gilt im betrachteten Falle auch − 2γ12 c − λ8 − λ7 = 0, ullt was nicht sein kann. Daher muss die Nebenbedingung 1 − r − β21 = 0 bindend erf¨ sein. W¨are rβ21 − rβ21 γ + 2rβ21 γcz − zsγc > 0, g¨alte auch λ1 = 0. Dann w¨are entweder ur λ2 = λ6 = 0 gelten k¨onnte. Wie aber bereits oben r = 0, oder −λ2 − λ6 = 0, was nur f¨ usste gelten r = 0. Dies f¨ uhrte jedoch zu −zsγc > 0 , was gezeigt, ist λ2 ≥ 0. Somit m¨ nicht sein kann. Daher muss die Nebenbedingung rβ21 − rβ21 γ + 2rβ21 γcz − zsγc = 0 ebenfalls bindend sein. 

5.5 Appendix E: Beweis von Satz 3.3.2: Wie schon zuvor gezeigt, wird Agent 1 f¨ ur jedes r ≥ 0, auch f¨ ur r = ε → 0, zumindest √ den Anteil γ − 2γcz seines Wissens an Agent 2 weitergeben. Wir erhalten die folgenden Bedingungen: λ1 ≥ 0,

β11 ≥ 0

λ2 ≥ 0,

1 − β11 ≥ 0

λ3 ≥ 0,

β21 ≥ 0

λ4 ≥ 0,

1 − β21 ≥ 0

λ5 ≥ 0,

1 − r − β21 ≥ 0

λ6 ≥ 0,

r≥0

λ7 ≥ 0,

1−r ≥0

λ8 ≥ 0,

zsγc − rβ21 + rβ21 γ − 2rβ21 γcz ≥ 0

Der erwartete Gewinn des Prinzipals unter obigen Nebenbedingungen l¨asst sich in Form der folgenden Lagrangefunktion darstellen: L =

2 2 1 β21 1 β11 1 1s β11 β21 2 + − 2β21 z − 3z − − + β21 + zs + z+ − c c 2 c 2 c c 2c λ1 (β11 ) + λ2 (1 − β11 ) + λ3 (β21 ) + λ4 (1 − β21 ) + λ5 (1 − r − β21 ) +

λ6 (r) + λ7 (1 − r) + λ8 (zsγc − rβ21 + rβ21 γ − 2rβ21 γcz) 2 1s β11 1 β21 1 β11 = λ2 + λ4 + λ5 + λ7 − 3z + + + − − + c c c 2 c 2c sz + λ1 β11 + λ3 β21 − λ2 β11 − λ4 β21 − λ5 r − λ5 β21 − 2 1 β21 2 + β21 z + λ6 r − λ7 r − λ8 rβ21 + λ8 zsγc + 2β21 z − 2 c λ8 rβ21 γ − 2λ8 rβ21 γcz

146

5 Mathematischer Anhang

Diese werden nun nach den Beteiligungsparametern β11 , β21 und r abgeleitet: ∂L 1 β11 − + λ1 − λ2 ≤ 0 = ∂β11 c c 1 β21 ∂L + λ3 − λ4 − λ5 − 2z − + 2β21 z − λ8 r + λ8 rγ − 2λ8 rγcz ≤ 0 = ∂β21 c c ∂L = −λ5 + λ6 − λ7 − λ8 β21 + λ8 β21 γ − 2λ8 β21 γcz ≤ 0 ∂r Hieraus ergeben sich folgende Kuhn-Tucker-Nebenbedingungen: entweder ist λ1 = 0 oder β11 = 0, entweder ist λ2 = 0 oder 1 − β11 = 0, entweder ist λ3 = 0 oder β21 = 0, entweder ist λ4 = 0 oder 1 − β21 = 0, entweder ist λ5 = 0 oder 1 − r − β21 = 0, entweder ist λ6 = 0 oder r = 0, entweder ist λ7 = 0 oder 1 − r = 0, entweder ist λ8 = 0 oder zsγc − rβ21 + rβ21 γ − 2rβ21 γcz = 0, entweder ist r = 0 oder −λ5 + λ6 − λ7 − λ8 β21 + λ8 β21 γ − 2λ8 β21 γcz = 0, entweder ist β11 = 0 oder entweder ist β21 = 0 oder

1 − βc11 + λ1 − λ2 = 0, c 1 + λ3 − λ4 − λ5 − 2z − βc21 c

+ 2β21 z − λ8 r + λ8 rγ − 2λ8 rγcz = 0.

W¨are 1 − β11 > 0,λ2 = 0, dann g¨alte entweder β11 = 0, oder

1 c



β11 c

+ λ1 = 0,

ur β11 , der diese was nur f¨ ur ein negatives λ1 der Fall sein k¨onnte. Der einzige Wert f¨ Nebenbedingung erf¨ ullen k¨onnte w¨are β11 = 0. Daher ist β11 entweder 0 oder 1. W¨are 1 − r − β21 > 0, dann g¨alte auch λ5 = 0, λ4 = 0, λ7 = 0. Somit w¨are entweder β21 = 0 oder λ3 = 0. Aus

1 c

− 2z −

β21 c

+ 2β21 z = 0 w¨ urde β21 = 1 folgen, was ein

Widerspruch zu 1 − r − β21 > 0 w¨are. Aus β21 = 0 folgte entweder zsγc = 0, was nicht sein kann oder λ8 = 0. Damit w¨are entweder r = 0 oder λ6 = 0, −λ7 = 0, was ebenfalls ur alle nicht sein kann. Die einzige L¨osung f¨ ur 1 − r − β21 > 0 ist also r = 0, β21 = 0. F¨ positiven Werte von β21 , ist die Bedingung 1 − r − β21 = 0 bindend. Ist jedoch 1 − r − β21 = 0 bindend und β21 > 0, dann gilt entweder λ8 = 0 oder s ebenfalls zsγc − rβ21 + rβ21 γ − 2rβ21 γcz = 0. Daraus folgt, dass r = r = γcz β21 (1−γ+2γcz)

bindend ist. Da wir aber angenommen haben, dass r < r ist (ansonsten h¨atten wir wieder die Situation mit vollst¨andiger Wissensweitergabe), m¨ ussen wir annehmen, dass λ8 = 0 ist und somit

1 c

− λ4 − λ5 − 2z −

β21 c

+ 2β21 z = 0. Dann m¨ usste entweder λ4 = 0

ur λ4 = 0 g¨alte auch λ7 = 0, λ6 = 0, r > 0, −λ5 = 0, was nie erf¨ ullt oder β21 = 1 sein. F¨ ist. Daher ist β21 = 1. 

5.6 Appendix F: Ergebnisse aus der Modellerweiterung, Variante 1

147

5.6 Appendix F: Ergebnisse aus der Modellerweiterung, Variante 1 Die Agenten maximieren ihre Erwartungsnutzen u ¨ber ihre Arbeitseins¨atze ei2 auf der letzten Stufe der zweiten Periode. Die optimalen Leistungseins¨atze sind jetzt e∗12 = und

e∗22

=

kβ22 2 . γc

β12 c

Sind die Teilnahmebedingungen erf¨ ullt, nehmen die Agenten die Vertr¨age in Periode 2 an. Es muss also gelten: EU12.2 (α12 , β12 ) ≥ 0 ⇔ α12 + β12 y12 − ⇔ α12 ≥

1 2 − 2c β12

2 β12 2c

≥0

EU22.2 (α22 , β22 ) ≥ 0

2 k2 β22 2c 1 2 2 − 2γc k β22

⇔ α22 + β22 y22 − ⇔ α22 ≥

Beweis von Lemma 5: Der Prinzipal beh¨alt im Falle eines Schocks Agent 1, wenn gilt √ 1 1 2 ≥ 2γc k ⇔k≤ γ  EUP2.1.1 ≥ EUP2.2.1 ⇔ 2c Beweis von Lemma 6: Eine vollst¨andige Wissensweitergabe findet statt, wenn  √  EU11.3 (k = 1) ≥ EU11−3 k = γ 2 β11 + c zsγc β21 (1−γ)

⇔ α11 +

r βγc21 −

⇔r≥



1γ 2 β 2 c 11

+ 2z − zs ≥ α11 +

2 β11 c

+ r βc21 −

1γ 2 β 2 c 11

+ 2z

Die Teilnahmebedingungen der Agenten m¨ ussen erf¨ ullt sein, damit diese die angebotenen Vertr¨age akzeptieren. Es muss gelten: EU11.2 (α11 , β11 , r) ≥ 0 ⇔ α11 ≥ − 12

2 β11 c

− rk 2 βγc21

EU21.2 (α21 , β21 ) ≥ 0 2

2 k ⇔ α21 ≥ − 12 β21 γc

5.7 Appendix G: Beweis von Satz 3.4.3: Die Kuhn-Tucker-Nebenbedingungen: λ1 ≥ 0, rβ21 − rβ21 γ − zsγc − 1 ≥ 0 λ2 ≥ 0, 1 − r − β21 ≥ 0 λ3 ≥ 0, β21 ≥ 0 λ4 ≥ 0, r ≥ 0 2 Analog zum Grundmodell gilt auch hier, dass die Wahl der Leistungsniveaus unabh¨angig davon erfolgt, ob ein Agent entlassen wurde.

148

5 Mathematischer Anhang

λ5 ≥ 0, 1 − β21 ≥ 0 λ6 ≥ 0, 1 − r ≥ 0 λ7 ≥ 0, γ ≥ 0 λ8 ≥ 0, 1 − γ ≥ 0 λ9 ≥ 0, β11 ≥ 0 λ10 ≥ 0, 1 − β11 ≥ 0 Die Funktion u ¨ber den erwarteten Gewinn des Prinzipals l¨asst sich dann als Lagrangefunktion wie folgt formulieren: L=

β11 c

+

β21 γc



2 1 β11 2 c

2 1 − r βγc21 + 12 β21 − γc

2 β21 γc

+

1 2c



1 s 2c

+

1 2γc

+

λ1 (rβ21 − rβ21 γ − zsγc − 1) + λ2 (1 − r − β21 ) + λ3 (β21 ) + λ4 (r) + λ5 (1 − β21 ) + λ6 (1 − r) + λ7 (γ) + 1 1 s+ βγc21 + 2γc +λ8 +λ1 rβ21 +λ9 β11 +λ10 +λ3 β21 + λ8 (1 − γ)+λ9 (β11 )+λ10 (1 − β11 ) = − 2c β11 − λ10 β11 − λ8 γ − λ6 r − λ5 β21 c β2 β2 1 − 12 γc21 + λ2 − 12 c11 − λ1 − r βγc21 2c

λ4 r + λ6 +

− λ1 zsγc − λ2 β21 − λ1 rβ21 γ − λ2 r + λ7 γ + λ5 +

Diese Lagrangefunktion wird nun nach den Anreizkomponenten der beiden Agenten, β11 und β21 , sowie nach der Beteiligung von Agent 1 am Ertrag des anderen Agenten, r, abgeleitet, ebenso nach dem Talent des Agenten 2, γ. ∂L = λ9 + 1c − λ10 − βc11 ≤ 0 ∂β11 ∂L 1 = γc + λ1 r + λ3 − λ5 − λ2 ∂β21 ∂L = λ β + λ4 − λ6 − λ1 β21 γ 1 21 ∂r β21 ∂L 1 = − − − λ8 − λ1 zsc ∂γ γ2c 2γ 2 c

− λ1 rγ − − λ2 −

β21 γc

β21 γc



r γc

≤0

≤0

− λ1 rβ21 + λ7 +

2 1 β21 2 γ2c

+ r γβ21 2c ≤ 0

Daraus ergeben sich folgende Nebenbedingungen: entweder ist λ1 = 0 oder rβ21 − rβ21 γ − zsγc − 1 = 0, entweder ist λ2 = 0 oder 1 − r − β21 = 0, entweder ist λ3 = 0 oder β21 = 0, entweder ist λ4 = 0 oder r = 0, entweder ist λ5 = 0 oder 1 − β21 = 0, entweder ist λ6 = 0 oder 1 − r = 0, entweder ist λ7 = 0 oder γ = 0, entweder ist λ8 = 0 oder 1 − γ = 0, entweder ist λ9 = 0 oder β11 = 0, entweder ist λ10 = 0 oder 1 − β11 = 0, entweder ist β11 = 0 oder λ9 + 1c − λ10 − entweder ist β21 = 0 oder

1 γc

β11 c

= 0,

+ λ1 r + λ3 − λ5 − λ2 − λ1 rγ −

entweder ist r = 0 oder λ1 β21 + λ4 − λ6 − λ1 β21 γ − λ2 − entweder ist γ = 0 oder − γβ21 2c −

1 2γ 2 c

β21 γc

β21 γc



r γc

= 0,

= 0,

− λ8 − λ1 zsc − λ1 rβ21 + λ7 +

2 1 β21 2 γ2c

+ r γβ21 2 c = 0.

5.8 Appendix H: Beweis von Lemma 7:

149

Wenn 1 − β11 > 0 ist, dann ist λ10 = 0 und entweder β11 = 0 oder cλ9 = β11 − 1. Letzteres kann nicht sein, da die rechte Seite der Gleichung negativ w¨are, die linke aber positiv sein muss. F¨ ur jedes positive β11 muss also gelten β11 = 1 und damit λ9 , λ10 = 0. Sei 1 − r − β21 > 0, dann gilt auch λ2 , λ5 , λ6 = 0 und entweder ist β21 = 0 oder λ3 = 0 1 = 0, was nicht sein kann. F¨ ur jedes positive β21 ist und λ1 r (1 − γ) + (1 − r − β21 ) γc

also 1 − r − β21 = 0. Wenn rβ21 − rβ21 γ − zsγc − 1 > 0 gelten soll, ist λ1 , λ3 , λ4 , λ8 = 0 und β21 γc



r γc

= 0 und −λ6 − λ2 −

β21 γc

1 γc

− λ5 − λ2 −

= 0, was nicht sein kann. Daher muss die Bedingung

ullt sein.  rβ21 − rβ21 γ − zsγc − 1 = 0 erf¨ 5.8 Appendix H: Beweis von Lemma 7: Eine vollst¨andige Wissensweitergabe findet statt, wenn  √  EU11.3 (k = 1) ≥ EU11−3 k = γ 2 β11 + r βγc21 c zγc  (β21 −β21 γ)

⇔ α11 + ⇔r≥



1γ 2 β 2 c 11

+ z ≥ α11 +

2 β11 c

+ r βc21 −

1γ 2 β 2 c 11

+ 2z

5.9 Appendix I: L¨ osung des Modells mit beschr¨ ankter Haftung 5.9.1 Periode 2 Auf der letzten Stufe der zweiten Periode, t = 2.0.3, w¨ahlen die Agenten wieder die optimale Anstrengung f¨ ur die zweite Periode, die genau den Gleichgewichtsanstrengungen im Grundmodell entsprechen: e∗12 =

β12 c

und e∗22 =

kβ22 . c

Die Teilnahmebedingungen auf Stufe t = 2.0.2 sind unter der Annahme beschr¨ankter Haftung immer erf¨ ullt, da aus αi2 ≥ 0 immer auch EU12.j.2 (α12 , β12 ) ≥ 0 und EU22.j.2 (α22 , β22 ) ≥ 0 folgt. Die Nutzenfunktion des risikoneutralen Prinzipals lautet nun: UP2.0.1 = y12 + y22 − w12 − w22 = y12 + y22 − α12 − β12 y12 − α22 − β22 y22 = e12 + ke22 − z − α12 − β12 e12 − α22 − β22 ke22 Der Prinzipal hat also – sofern kein Schock stattgefunden hat – zu Beginn der zweiten Periode folgende Zielfunktion: max E[uP2 (ei2 ; αi2 , βi2 ) = max E [y12 + y22 − w12 − w22 ] unter der Nebenbedingung

αi2 ,βi2

αi2 ,βi2

αi2 ≥ 0 und den schon bekannten Anreizkompatibilit¨atsbedingungen. Es folgt, dass der Prinzipal, der die L¨ohne so niedrig wie m¨oglich halten will, die fixen

150

5 Mathematischer Anhang

Lohnanteile auf 0 setzt. Daf¨ ur erhalten die Agenten nicht mehr den gesamten Ertrag ∗ ∗ ihrer Produktion, sondern lediglich die H¨alfte. Der Prinzipal w¨ahlt also α12 = α22 =0 ∗ ∗ = β22 = 12 . Daraus resultiert f¨ ur den Prinzipal ein erwarteter Gewinn in H¨ohe und β12

von EUP2.0.1 =

1 4c

+

k2 4c

− z.

Wenn zu Anfang der zweiten Periode ein Schock stattgefunden hat, ist der erwartete Gewinn des Prinzipals EUP2.2.1 =

k2 , 4c

wenn Agent 1 entlassen wurde und EUP2.1.1 =

1 −z, 4c

wenn der Prinzipal Agent 2 entlassen hat. Hieraus kann man wiederum die kritische  Menge weitergegebenen Wissens ableiten: k = (1 − 4cz). 5.9.2 Periode 1 Auf der letzten Stufe der ersten Periode, t = 1.4, w¨ahlen die Agenten wieder das Niveau ihrer Leistungsanstrengung. Ihre Erwartungsnutzen h¨angen nat¨ urlich auch von den erwarteten Ereignissen der zweiten Periode ab. Diese lassen sich jedoch nicht durch ihre Anstrengung in der ersten Periode beeinflussen und spielen daher bei der Wahl der optimalen Anstrengung keine Rolle.  EU11.4 = E z + α11 + β11 (y11 ) + r (y21 ) − )2 = α11 + β11 e11 + rke21 − c(e11 + EU12 2 ! ∂EU11.4 β11 ∗ = β − ce = 0 ⇒ e = 11 11 e11 c   11 )2 + EU21.4 = E α21 + β21 (y21 ) − c(e21 2 c(e21 )2 = α21 + kβ21 e21 − 2 + EU22 ! ∂EU21.4 = kβ21 − ce21 = 0 ⇒ e∗21 = kβc21 e21

c(e11 )2 2



+ EU12

EU22

Agent 1 muss zum Zeitpunkt t = 1.3 u ¨ber eine Wissensweitergabe entscheiden. Seine  (1 − 4cz) unentbehrlich zu machen oder Alternativen sind, sich entweder mit.k ≤  (1 − 4cz) weiterzugeben und das Risiko einzugehen, in der eine hohe Menge k > Folgeperiode entlassen zu werden. Wieder wird Agent 1 k = 1 w¨ahlen, wenn er bereit ist, seinen Arbeitsplatz zu riskieren.  (1 − 4cz) w¨ahlen, um in der ersten

Will er seinen Arbeitsplatz behalten, so wird er k =

Periode ein m¨oglichst hohes Einkommen zu erzielen. Agent 1 gibt sein Wissen vollst¨andig weiter, wenn gilt:   √ EU11.3 (k = 1) ≥ EU11−3 k = 1 − 4cz ⇔ z + α11 + ⇔r≥

s . 4β21

2 β11 2c

+ r βc21 + (1 − s) z ≥ z + α11 +

2 β11 2c

+ r βc21 + (1 − 4rβ21 ) z

Die Teilnahmebedingungen der Agenten auf Stufe 2 der ersten Periode sind a¨hnlich wie in Periode 2: β2

EU11.2 (α11 , β11 , r) ≥ 0 ⇔ α11 ≥ − 2c11 − rk 2 βc21

5.9 Appendix I: L¨osung des Modells mit beschr¨ankter Haftung EU21.2 (α21 , β21 ) ≥ 0 ⇔ α21 ≥ −

151

2 k2 β21 , 2c

wobei auch hier wieder gilt, dass αi1 ≥ 0 ist. Somit sind auch diese Teilnahmebedingungen nicht bindend. Das Maximierungsproblem des Prinzipals in der ersten Periode lautet nun: EUP1 = y11 + y21 − z − α11 − β11 y11 − ry21 − α21 − β21 y21 + EUP2 . Daher wird er wieder αi1 = 0 w¨ahlen, da jedes positive Fixum seinen erwarteten Gewinn schm¨alern w¨ urde. Setzt man nun die optimalen Werte f¨ ur EUP1 =

β11 c

+ k 2 βc21 − z −

2 β11 c

− rk 2 βc21 − k 2

2 β21 c

+ EUP2 .

Wenn der Prinzipal durch die Anreizvertr¨age in Periode 1 einen vollst¨andigen Wissenstransfer bewirkt, ist sein erwarteter Gewinn EUP1 (k = 1) =

β11 c

+ k 2 βc21 − z −

2 β11 c

− rk 2 βc21 − k 2

2 β21 c

 +

Daher beteiligt er Agent 1 wie in Periode 2 mit β11 = Der Prinzipal w¨ahlt r so klein wie m¨oglich, also r =

1 2

1 4c

+

k2 4c

  2 − z (1 − s) + s k4c

an dessen Ertrag.

s . 4β21

Daraus ergibt sich unter

Ber¨ ucksichtigung der Nebenbedingung β21 + r ≤ 1, dass er Agent 2 mit dem Anteil  ∗ = 1 − r = 12 + 12 (1 − s) an dessen Ertrag beteiligt. β21 Siehe hierzu auch 3.2.2 und 5.1. Bietet der Prinzipal dem ersten Agenten einen Anreizvertrag an, der eine vollst¨andige Wissensweitergabe sicherstellt und aus den Komponenten  β11 = 12 , r = 4βs21 = 12 − 12 (1 − s) besteht, so lautet  die Lohnfunktion  von Agent 1  y11 1 1 w11 = z + 2 + 2 − 2 (1 − s) y21 . Die Lohnfunktion von Agent2 lautet   w21 (y21 ) = 12 + 12 (1 − 2s) y21 . Agent 1 kann voraussehen, dass Agent 2 ein Anstrengungsniveau von  kβ21 = 14 kc + 41 kc (1 − 2s) 2c

e∗21 =

w¨ahlen wird. Also maximiert Agent 1 seinen Nutzen, indem er sein Wissen vollst¨andig weitergibt. Sein Erwartungsnutzen ist dann    1 EU11.1 (k = 1) = z (2 − s) + 8c s 1 + (1 − s) .3 H¨alt Agent 1 hingegen Wissen zur¨ uck, wenn er diesen Vertrag angeboten bekommt, ist sein Erwartungsnutzen      √ EU11−1 k = 1 − 4cz = 2z + 18 s 1 + (1 − s) (1 − 4cz) . Welches Verhalten ist f¨ ur den Agenten lohnenswerter? Eine vollst¨andige Wissensweitergabe lohnt sich f¨ ur den Agenten 1 angesichts des obi3 Der Erwartungsnutzen des Agenten ist h¨ oher als im Grundmodell, da er keine Teilnahmegeb¨ uhr” ” in H¨ ohe von α11 mehr entrichten muss.

152

5 Mathematischer Anhang

gen Vertrages, wenn gilt:   √ EU11.1 (k = 1) ≥ EU  11−1 k = 1− 4cz    1 s 1 + (1 − s) ≥ 2z + 18 s 1 + (1 − s) (1 − 4cz) ⇔ z (2 − s) + 8c    ⇔ 1 + (1 − s) (1 − c + 4c2 z) − 8cz ≥ 0 Wenn z
s 16cz 64c2 z 2 − (1−c+4c 2 z)2 > s (1−c+4c2 z)

F¨ ur z ≥

1) gilt: z z + 16c (1−c+4c − 16c2 (1−c+4c + 2 z)2 2 z)2

Die linke Seite der Ungleichung ist f¨ ur alle 0 ≤ z ≤

scheinlichkeit also hinreichend niedrig, mit s ≤

16cz (1−c+4c2 z)

1 4c

positiv. Ist die Schockwahr2 2

64c z − (1−c+4c 2 z)2 , so gibt der Agent

sein Wissen vollst¨andig weiter. Der erwartete Gewinn des Prinzipals betr¨agt dann  3 1 − 2z − 14 sc − 2c (1 − s) + zs 4c

EUP1 (k = 1) =

Will der Prinzipal nur eine teilweise Wissensweitergabe durchsetzen mit k =

√ 1 − 4cz,

bietet er Agent 1 r = ε → 0 an. In diesem Fall lautet das Maximierungsproblem des Prinzipals:    EUP2 k = (1 − 4cz) = ⇒ ⇒

∗ β11 ∗ β21

= =

1 2 1 2

β11 c

+

β21 c

− 4β21 z −

2 β11 c



2 β21 c

2 + 4β21 z − 3z +

1 2c



1 s 4c

+ zs

Die Teilnahmebedingungen der Agenten sind nicht bindend, da αi1 ≥ 0 gelten muss. Der Erwartungsnutzen aus einem Vertrag vom Typ α11 = 0, β11 = 12 , r = ε → 0 f¨ ur Agent  1 ist

EU11.1 k =



 (1 − 4cz) = 2z +

1 . 8c

Wenn er sich entscheidet, sein gesamtes Wissen weiterzugeben, sinkt sein Erwartungsnutzen auf EU11.1 (k = 1) = 2z +

1 8c

− zs.

Er wird in diesem Fall also Wissen zur¨ uckhalten. DerErwartungsnutzen uckhaltung  des Prinzipals betr¨agt also bei Wissenszur¨  EUP2 k = (1 − 4cz) = 1c − 4z − 14 sc + zs. Bevorzugt der Prinzipal eine vollst¨andige Wissensweitergabe oder zieht er Wissenszur¨ uckhaltung durch Agent 1 vor? Er bietet Anreize f¨ ur eine vollst¨andige Wissensweitergabe, wenn gilt:

   EUP1.1 (k = 1) ≥ EUP1.1 k = (1 − 4cz)

5.9 Appendix I: L¨osung des Modells mit beschr¨ankter Haftung  1 − 2c (1 − s) + zs ≥ 1c − 4z −  1 1 + 2z − 2c (1 − s) ≥ 0 ⇔ − 4c  ⇔ −1 + 8cz − 2 (1 − s) ≥ 0 2  ⇔ s ≥ 1 − 4cz − 12 = 34 − 16c2 z 2 + 4cz



3 4c

− 2z −

1s 4c

1s 4c

153

+ zs

Damit der Prinzipal einen vollst¨andigen Wissenstransfer bevorzugt, muss gelten  1 1 ≥ z ≥ 8c + 4c (1 − s).4 Anders formuliert lautet die Bedingung: 2  16cz 64c2 z 2 − (1−c+4c2 z)2 ≥ s ≥ 1 − 4cz − 12 , (1−c+4c2 z) 1 4c

wobei die rechte Seite der Ungleichung nur Werte gr¨oßer/gleich

3 4

annimmt. Die Schock-

wahrscheinlichkeit muss also sehr hoch sein, damit der Prinzipal Interesse an einer vollst¨andigen Wissensweitergabe hat.

4 Zudem muss ber¨ ucksichtigt werden, dass ein vollst¨ andiger Wissenstransfer nur dann erfolgt, wenn 16cz 64c2 z 2 s ≤ (1−c+4c gilt. 2 z) − (1−c+4c2 z)2

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